Freizeitwissenschaft: Handbuch für Pädagogik, Management und nachhaltige Entwicklung 9783486709926, 9783486583588

Mit diesem Buch werden Grundlagen und Perspektiven der Freizeitwissenschaft aufgezeigt: Freizeitwissenschaft versteht si

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German Pages 385 [386] Year 2010

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Freizeitwissenschaft: Handbuch für Pädagogik, Management und nachhaltige Entwicklung
 9783486709926, 9783486583588

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Lehr- und Handbücher zu Tourismus,Verkehr und Freizeit Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Walter Freyer Lieferbare Titel: Agricola, Freizeit – Grundlagen für Planer und Manager Althof, Incoming-Tourismus, 2. Auflage Arlt · Freyer, Deutschland als Reiseziel chinesischer Touristen Bastian · Born · Dreyer, Kundenorientierung im Touristikmanagement, 2. Auflage Bieger, Management von Destinationen, 7. Auflage Dreyer, Kulturtourismus, 3. Auflage Dreyer · Krüger, Sportmanagement Dreyer · Dehner, Kundenzufriedenheit imTourismus, 2. Auflage Dreyer · Menzel · Endreß, Wandertourismus Dreyer u.a., Krisenmanagement imTourismus Finger · Gayler, Animation im Urlaub, 3. Auflage Freericks · Hartmann · Stecker, Freizeitwissenschaft Freyer, Tourismus, 9. Auflage Freyer,Tourismus-Marketing, 6. Auflage Freyer · Pompl, Reisebüro-Management, 2. Auflage Günter, Handbuch für Studienreiseleiter, 3. Auflage Henselek, Hotelmanagement – Planung und Kontrolle Illing, Gesundheitstourismus und Spa-Management Kaspar, Management der Verkehrsunternehmungen Landgrebe · Schnell, Städtetourismus Lieb · Pompl, Qualitätsmanagement im Tourismus Müller, Tourismus und Ökologie, 3. Auflage Schreiber, Kongress- und Tagungsmanagement,2. Auflage Schulz · Baumann · Wiedenmann, Flughafen Management Schulz, Verkehrsträger im Tourismus Steinbach, Tourismus – Einführung in das räumlich-zeitliche System Sterzenbach · Conrady · Fichert, Luftverkehr, 4. Auflage

Freizeitwissenschaft Handbuch für Pädagogik, Management und nachhaltige Entwicklung

von

Prof. Dr. Renate Freericks Prof. Dr. Rainer Hartmann Prof. Dr. Bernd Stecker

OldenbourgVerlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2010 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Grafik + Druck GmbH, München ISBN 978-3-486-58358-8

Vorwort Das vorliegende Buch zur „Freizeitwissenschaft“ ist die erste gemeinsame Publikation der Lehrenden im Studienangebot Freizeit an der Hochschule Bremen. Freizeitwissenschaft wird von uns vorgestellt als ein gemeinsames Dach für verschiedene wissenschaftliche Sichtweisen zum Phänomen Freizeit und daraus abzuleitende Handlungsansätze für die Praxis. Sozialwissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche und ökologische Betrachtungen stecken den Rahmen ab für eine neue Diskussion zum Begriff und zu den Inhalten von Freizeit als Wissenschaft. Unsere Fragestellungen sind breit gefächert: Welche Bedeutung hat freie Zeit heute für die Lebensqualität? Kann man in der Freizeit auch etwas lernen und seine Kompetenzen erweitern? Wie können attraktive Freizeitangebote für ein breites Publikum gestaltet und vermarktet werden? Und mit welchen Strategien lassen sich negative Auswirkungen von Freizeitaktivitäten auf die Umwelt minimieren? Daraus resultieren Anregungen für die Beschäftigung mit zukünftigen Perspektiven: Welche Freizeit will unsere Gesellschaft und welche Freizeit braucht sie? Als Freizeitwissenschaftler können wir heute auf einen Korpus an Erkenntnissen aus Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Management, Marketing, Politik, Planung und Ökologie zurückgreifen. Dies macht einen integrierten Ansatz zur Ausbildung von Freizeitpädagogen und Freizeitmanagern, wie er seit zehn Jahren an der Hochschule Bremen verfolgt wird, erst möglich und zugleich zwingend notwendig. Das war nicht immer so. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Freizeit in der Moderne war seit den 1970er Jahren vor allem ein Thema der Pädagogik. Einer beispiellosen Ökonomisierung der Freizeit spätestens seit den 1990er Jahren und einer Verflechtung der Freizeitentwicklung mit immer mehr Politikbereichen folgte aber nur eine bruchstückhafte wissenschaftliche Auseinandersetzung. Ein Ziel des vorliegenden Buches ist es, einen Beitrag zu leisten, diese Lücken zu schließen. Zudem soll es allen Interessierten als eine Grundlage dienen, um sich mit verschiedenen Ansätzen und Konzepten einer interdisziplinären Freizeitwissenschaft vertraut zu machen. Unser Dank gilt an dieser Stelle den Studierenden Heiner Hünecke, Falk Ramcke, Sophie Streck und Jonas Wagner für die Unterstützung bei der fachlichen Recherche für die Publikation und bei der Gestaltung zahlreicher Abbildungen.

Bremen im Oktober 2009 Renate Freericks, Rainer Hartmann, Bernd Stecker

Inhalt Vorwort

V

1

Einleitung

1

2

Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

3

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4

Das Studienprogramm................................................................................................7 Studienstruktur im Bachelor.......................................................................................7 Übergänge ..................................................................................................................8 Studienstruktur im Master ..........................................................................................8 Ausbildungsziele - Warum Freizeitwissenschaft?......................................................9

2.2

Kompetenzprofil des Freizeitwissenschaftlers .........................................................12

2.3

Positionierung des Freizeitwissenschaftlers am Arbeitsmarkt .................................16

3

Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

3.1 3.1.1 3.1.2

Begriffsbestimmung und systematische Einordnung ...............................................19 Freizeit als Restkategorie .........................................................................................20 Freizeitumfang und Freizeitfunktionen ....................................................................22

3.2 3.2.1 3.2.2

Entwicklung der Freizeitpädagogik..........................................................................27 Entstehung und historische Phasen ..........................................................................27 Wechselverhältnis von Freizeit und Lernen .............................................................30

3.3

Perspektiven .............................................................................................................34

3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3

Freizeitforschung......................................................................................................37 Zeitmusterforschung.................................................................................................37 Freizeitbildungsforschung ........................................................................................38 Zukunftsforschung ...................................................................................................40

3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6

Lernen und Bildung..................................................................................................42 Zum Verhältnis von Freizeit und Bildung................................................................43 Entgrenzung des Lernens in der Wissensgesellschaft ..............................................45 Lernszenarien im mehrdimensionalen Erlebnisraum ...............................................49 Exkurs Lernpsychologie oder psychologische Perspektive......................................51 Erfolgsfaktoren und Strategien für Lernszenarien....................................................54 Nachhaltiges Lernen in Erlebniswelten....................................................................58

19

VIII

Inhalt

3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.6.5 3.6.6

Freizeit erleben......................................................................................................... 60 Erleben und Erlebnis ................................................................................................ 61 Zeiterleben: Erfüllte Zeit zwischen Stress und Langeweile ..................................... 63 Zeitmanagement und Zeitberatung........................................................................... 65 Freizeitmotive und -aktivitäten ................................................................................ 66 Freizeitmotivation .................................................................................................... 70 Erleben in der Gruppe .............................................................................................. 72

3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4

Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik (Dieter Brinkmann) .................................... 76 Freizeit im demographischen Wandel...................................................................... 77 Freiwilliges Engagement in der Freizeit .................................................................. 88 Die langen Wellen des Wertewandels...................................................................... 97 Leben in Freizeitszenen.......................................................................................... 105

4

Freizeitmanagement und -marketing

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7

Grundlagen des Freizeitmanagements.................................................................... 116 Bedeutung und Funktionen des Managements....................................................... 116 Die Rollen des Managers ....................................................................................... 119 Freizeitmanagement als Dienstleistung.................................................................. 122 Konzept des integrierten Managements ................................................................. 125 Elemente des normativen Managements................................................................ 130 Strategisches Management und Unternehmensplanung ......................................... 135 Grundsätze des Controllings .................................................................................. 143

4.2

Qualitätsorientierung in der Freizeit ...................................................................... 146

4.3 4.3.1

Management von Freizeit-Destinationen ............................................................... 151 Stadtmarketing und -management.......................................................................... 152

4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6

Grundlagen des Freizeitmarketings........................................................................ 157 Marketingstrategien ............................................................................................... 161 Marketinginstrumente ............................................................................................ 170 Sponsoring ............................................................................................................. 180 Markenentwicklung ............................................................................................... 182 Event- und Erlebnismarketing................................................................................ 184 Nonprofit-Marketing .............................................................................................. 190

5

Freizeitmärkte

5.1

Markteinordnung und ökonomische Bedeutung der Freizeitwirtschaft ................. 193

5.2 5.2.1

Der Kulturmarkt..................................................................................................... 197 Der Markt für „neue Erlebniswelten“ .................................................................... 209

5.3 5.3.1 5.3.2

Der Sport- und Gesundheitsmarkt.......................................................................... 216 Der Sportmarkt....................................................................................................... 216 Der Gesundheitsmarkt............................................................................................ 226

5.4

Shopping und Gastronomie als Freizeitmarkt ........................................................ 229

115

193

Inhalt

IX

5.4.1 5.4.2

Shopping ................................................................................................................229 Gastronomie ...........................................................................................................234

6

Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3

Nachhaltigkeit als Leitprinzip für eine zukunftsfähige Freizeitgestaltung .............241 Historische Herleitung, Definitionen und Dimensionen der Nachhaltigkeit ..........241 Ziele und handlungsleitende Grundprinzipien nachhaltiger Entwicklung..............250 Nachhaltige Entwicklung in der Freizeit als komplexer und dynamischer Prozess253

6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4

Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit ...............................................256 Die ökologische Dimension ...................................................................................256 Die wirtschaftliche Dimension ...............................................................................273 Die soziale Dimension............................................................................................276 Die Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Soziales als Herausforderung....277

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5

Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren ............................278 Freizeitverkehr (Mobilität) .....................................................................................280 Freizeit- und Erlebniswelten ..................................................................................289 Events und Großveranstaltungen............................................................................294 Landschaftsgebundene Freizeitaktivitäten .............................................................300 Freizeitkonsum und Erlebnis-Shopping .................................................................310

6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7 6.4.8 6.4.9 6.4.10

Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung..........315 Messbarkeit von Nachhaltigkeit in der Freizeit......................................................315 Politik und Gesetzgebung.......................................................................................321 Handlungsoptionen im Rahmen der Planung (Martin Mencke) .............................323 Förderung und Einsatz von Umwelttechnologien ..................................................341 Besucherlenkung ....................................................................................................342 Marktwirtschaftliche Instrumente: Labels, Gütesiegel...........................................345 Umweltmanagementsysteme..................................................................................346 Förderung der regionalen Wirtschaft......................................................................349 Konsum, Lebensstil und Verhaltensänderungen ....................................................350 Bildung und Kommunikation .................................................................................351

7

Quellen

241

353

1

Einleitung

Freizeitwissenschaft ist eine recht junge sozialwissenschaftliche Disziplin. Ihre Grundlage hat sie in der Freizeitpädagogik, einer Teildisziplin der Erziehungswissenschaft. Bereits vor mehr als drei Jahrzehnten wurde die Freizeit als pädagogisches Handlungsfeld mit besonderen Merkmalen entdeckt. Im Mittelpunkt standen die freizeitdidaktischen Herausforderungen angesichts der offenen Angebotsstrukturen und dem Teilnahmeprinzip der Freiwilligkeit in der Freizeit. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ging es vor allem um die Begriffsbestimmung der Freizeit, um die Formulierung von Zielen und Leitideen, um die inhaltliche Ausgestaltung der Freizeit und um die Abgrenzung der Handlungsfelder. Gesellschaftliche Entwicklungen wie Arbeitszeitverkürzung, Wohlstandssteigerung, Bildungsexpansion und Individualisierung haben diese Entwicklung befördert. Mit dem gesellschaftlichen Bedeutungszuwachs der Freizeit hat sich ein beachtlicher Freizeitmarkt entwickelt. Freizeit ist für Deutschland nicht nur ein enormer Wirtschaftsfaktor mit insgesamt mehr als fünf Millionen Arbeitsplätzen, sondern ein Wachstumsmarkt mit Zukunftschancen (vgl. Opaschowski et al. 2006). Die Konsumenten stellen angesichts ausgeprägter Freizeiterfahrungen und pluraler Freizeit- und Lebensstile immer höhere Anforderungen an die Freizeitanbieter. 1998 wurde im damaligen Fachbereich Sozialwesen (heute: Fakultät für Gesellschaftswissenschaften) an der Hochschule Bremen der Internationale Studiengang Angewandte Freizeitwissenschaft gegründet. Er weist ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland auf. Wissenschaftlich begleitet wurde die Etablierung von der Kommission Pädagogische Freizeitforschung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE). Wesentlich vor dem Hintergrund einer globalisierten und ausdifferenzierten Welt ist die interdisziplinäre Betrachtung des Wissenschaftsgegenstands Freizeit zu verstehen. Mit anderen Worten, es gilt mehrperspektivisch aus Sicht verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere der sozialwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Fächer, die Freizeit zu analysieren. Die Freizeitpädagogik musste sich von jeher stärker als die anderen Pädagogiken auf dem Markt behaupten. Als Hintergrund für die Entwicklung des interdisziplinären Wissenschaftsansatzes ist anzuführen: 

die Ausdifferenzierung des Freizeitfeldes über Kultur, Events, Shopping, Gastronomie, Sport, Medien, Gesundheit/Wellness, Tourismus;

2

1 Einleitung 

die Ausweitung von der lokalen Freizeit im Wohnumfeld über die zunehmende Freizeitqualität (Service-/Dienstleistungs-, Umweltqualität, Infrastrukturentwicklung, Lebensqualität) bis hin zur mobilen Freizeit (Tourismus);



die zunehmende Marktorientierung im Bereich Freizeit und Bedeutung der Freizeitwirtschaft.

Das vorliegende Buch zeichnet die Entwicklung und den Stand der Freizeitwissenschaft in Deutschland nach. Es führt in die wesentlichen Grundlagen der Freizeitwissenschaft ein und ist in drei zentrale Abschnitte gegliedert (Sozialwissenschaft der Freizeit, Freizeitmanagement sowie Nachhaltigkeit und Freizeit). Im Kapitel 2 (verantwortet von Renate Freericks) wird die Entwicklung der Freizeitwissenschaft und ihre Umsetzung in Studium und Lehre an der Hochschule Bremen skizziert. Das Kapitel 3 (ebenfalls verantwortet von Renate Freericks, mit einem Beitrag von Dieter Brinkmann zur Freizeitsoziologie) widmet sich zunächst der Geschichte der Freizeit und der Systematik der Freizeitwissenschaft. Die zentralen Ansätze und Positionen werden dabei vorgestellt. Anschließend erfolgt eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit individuellen und gesellschaftlichen Aspekten des Phänomens Freizeit. Thematisiert werden das Erleben von freier Zeit, Lernen und Bildung in Freizeitkontexten sowie verschiedene gesellschaftliche Dynamiken mit Folgen für die Freizeit wie der demographische Wandel. Das Kapitel 4 (verantwortet von Rainer Hartmann) behandelt die Grundlagen von Freizeitmanagement und Freizeitmarketing. Das folgende Kapitel 5 (ebenfalls verantwortet von Rainer Hartmann) ist der Darstellung verschiedener Freizeitmärkte gewidmet. Aus freizeitwissenschaftlicher Sicht analysiert werden dabei die Teilmärkte Kultur, Sport, Gesundheit, Shopping und Gastronomie. Das Kapitel 6 (verantwortet von Bernd Stecker, mit einem Beitrag von Martin Mencke zur Freizeitplanung) behandelt schließlich die Grundlagen und Handlungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung der Freizeit.

2

Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

Erst seit wenigen Jahren werden an der Hochschule Bremen Diplom-Freizeitwissenschaftler (Umstellung 2005 auf Bachelor/Master) mit einem breiten Spektrum an Qualifikationen für den Arbeitsmarkt ausgebildet. Die Freizeitwissenschaft wird auch als Spektrumswissenschaft (vgl. Opaschowski 1997) bezeichnet, die sich mit den Problembereichen in den verschiedenen und sich zunehmend überlappenden Freizeitfeldern befasst. Im Zentrum der Bremer Freizeitwissenschaft stehen die Felder: Kultur/Event, Bildung, Tourismus Unterhaltung/Konsum sowie Gesundheit/Wellness. Weitere relevante Felder in der Freizeit sind z.B. Sport, Medien, Technik (vgl. Fromme 2001). Nicht zuletzt aufgrund der Kompatibilität der einzelnen Felder mit z.T. eigenen pädagogischen und/oder wissenschaftlichen Studiengängen (z.B. Deutsche Sporthochschule Köln, Medienpädagogik/-wissenschaft an der Universität Magdeburg) und begrenzter Ressourcen erfolgte im Bremer Modell eine Auswahl der genannten Felder. Handlungsleitend dabei waren auch die besonderen wechselseitigen Beziehungen dieser Felder. Freizeitwissenschaft ist mit Blick auf die Praxisorientierung und Praxisnähe als eine Angewandte Wissenschaft zu verstehen. Die Grundlagen für die Erkenntnisse werden aus verschiedenen Wissensgebieten gezogen. Diese Arbeitsweise ist in zahlreichen anderen Wissenschaften anzutreffen, wie u.a. auch in der Tourismuswissenschaft (vgl. Müller, H. 2002, Freyer 2005). Wichtige Bezugswissenschaften für die Analyse der Freizeitfelder sind: Pädagogik, Soziologie, Psychologie, Wirtschaftswissenschaft, Ökologie, und Politologie. Darüber hinaus sind auch Jura, Geographie, Architektur und Sozialmedizin zu nennen (s. Abb. 1). Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird hier nicht erhoben, doch zeigt die Aufzählung der häufigsten Bezugsdisziplinen der Freizeitwissenschaft, dass andere Wissenschaftsgebiete unter bestimmten Fragestellungen zur Lösung von Freizeitproblemen beitragen können. Eine völlige Abgrenzung von anderen Wissenschaften und vor allem ein Verschließen im „Elfenbeinturm der Wissenschaft“ vor der sich ständig im Wandel befindenden Freizeitpraxis bzw. Freizeitwelt - wie es H. Müller (2002, S. 71) auch für die benachbarte Tourismuswissenschaft postuliert - wäre wenig zweckmäßig. Im Gegenteil - die Freizeitwissenschaft kann als ein sehr positives Beispiel für eine fächerübergreifende, interdisziplinäre Wissenschaft bezeichnet werden. Als sog. „Mutterdisziplin“ bzw. Leitdisziplin (vgl. Freyer 2005, S. 61) kann historisch gesehen die Freizeitpädagogik bzw. die sozialwissenschaftliche Betrachtung der Freizeit bezeichnet werden, die die wesentlichen Grundlagen der Freizeitwissenschaft (Begriffsbestimmungen, Theorien, Konzepte, Werte) erarbeitet hat. Auch liegen

4

2 Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

durch die erweiterten sozialwissenschaftlichen Analysen und die notwendige Orientierung der Freizeitpädagogik am Markt erste übergreifende, ganzheitliche bzw. interdisziplinäre Antworten der Freizeitwissenschaft vor. Aus systematischer Perspektive - auch mit Blick auf die Entwicklungen in anderen Ländern und die Freizeit selbst - müssen die unterschiedlichen disziplinären Zugänge als gleichberechtigt angesehen werden. Im Kontext der Angewandten Freizeitwissenschaft sind jedoch Pädagogik, Ökonomie, aber auch Ökologie und Politik aufgrund ihrer nicht nur analytischen, sondern auch handlungsorientierten Anteile unverzichtbar (vgl. Fromme 2001, S. 65). Freizeitsoziologie

Freizeitpädagogik

Freizeitpolitik

Freizeitökonomie

Spektrum Freizeit (Kultur, Sport/ Gesundheit, Unterhaltung/ Konsum, Tourismus)

Freizeitpsychologie

Freizeitökologie Weitere Wissenschaften (Geographie, Jura, Sozialmedizin, Architektur)

Abb. 1 Freizeitwissenschaft als interdisziplinäre Spektrumswissenschaft

Die drei Is Interdisziplinär-International-Innovativ spiegeln die Leitgedanken der Bremer Freizeitwissenschaft wider. Zum Stellenwert der interdisziplinären Ausrichtung wurde bereits einiges gesagt. Konkret zeigt sie sich in der Profilierung des Drei-Säulenmodells: 

Sozialwissenschaft mit besonderem Fokus auf den Kompetenzbereich Freizeitpädagogik



Betriebswirtschaftliche Grundlagen mit besonderem Fokus auf Freizeitmanagement und -marketing



Planung und Politik mit besonderen Fokus auf Freizeit- und Umweltplanung, Freizeitpolitik und Nachhaltigkeit

2.1 Das Studienprogramm

5

Gemäß dem Leitbild der Hochschule Bremen werden u.a. die Internationalität und der Praxisbezug des Studiums besonders gewürdigt. Der Studiengang ISAF erfüllt diesen Anspruch voll, indem er den Auslandsaufenthalt für alle Studierenden obligatorisch macht und den Praxisbezug durch das 8-wöchige Vorpraktikum, das Praxissemester sowie durch die praxisbezogene Lehre, insbesondere im Rahmen des innovativen Studienelements „Learners’ Company“, sicherstellt. Zudem kann das Praxissemester wahlweise im Ausland verbracht werden und der Dozentenaustausch sowie internationale Projekte werden gefördert. Die Freizeitwissenschaft in Bremen ist bislang einmalig in Deutschland. Aber nicht nur deshalb verdient sie das Prädikat innovativ. Sie ist praxis- und marktorientiert ausgerichtet. Mit dem innovativen Modell der „Learners’ Company“ werden aktuelle Aufträge der Praxis in Lehr-Lernforschungsprojekten bearbeitet. Im Laufe der letzten zehn Jahre wurden bereits mehr als 40 Projekte durchgeführt. Die Fragestellungen werden gemeinsam mit dem Auftraggeber spezifiziert und je nach Problemgegenstand in einem oder über zwei Semester gemeinsam mit den Studierenden bearbeitet. Eine vollständige Übersicht lässt sich hier nicht wiedergeben. Das Spektrum reicht von Studien zur Marktsegmentierung in bestimmten Freizeitfeldern (Kultureinrichtungen, Fahrradtourismus etc.) über Potenzialanalysen bis hin zu Konzeptentwicklungen. Durch die Einbindung von Lehrbeauftragten aus der Praxis werden der Feldbezug und die Aktualität gestärkt.

IFKA Master International Studies of Leisure and Tourism

ISAF

Freizeit Abb. 2 Kompetenzzentrum Freizeit und Tourismus

Learner´s Company, Wahlmodule

Kultur

ISTM

Tourismus

6

2 Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

In Bremen hat sich ein innovatives Kompetenzzentrum für Freizeit und Tourismus entwickelt (s. Abb. 2). Durch die Verzahnung der beiden Studiengänge „Angewandte Freizeitwissenschaft“ (ISAF) und „Tourismusmanagement“ (ISTM) mit gemeinsamen Projekten, gemeinsamen Wahlpflichtfächern und dem gemeinsamen Masterstudiengang (s. u.) wird ein ganzheitliches und vernetztes Lernen und Arbeiten gefördert. Zudem wurden ein eigenes Informations- und Dokumentationszentrum für Freizeitwissenschaft (IDF) mit einer fachbezogenen Präsenzbibliothek und ein eigenes Forschungsinstitut (Institut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit e.V. IFKA) etabliert. Seit 25 Jahren betreibt das Institut namhafte Forschung in Bereich Freizeit und Tourismus. Zunächst in Bielfeld angesiedelt, wurde es 2002 nach Bremen verlagert. Eine Zusammenschau der umfangreichen Forschungen wurde zum 25jährigen Jubiläum in der Zeitschrift ‚Spektrum Freizeit‘ (2008) veröffentlicht. Es handelt sich hierbei um zeitlich befristete Forschungsprojekte, überwiegend gefördert von Landes- oder Bundesministerien. Zentrale Forschungsstränge sind Bildung und Lernen in der Freizeit, Tourismus, Kultur und Gesundheit. Darüber hinaus werden u.a. Evaluationsstudien, Besucherbefragungen, Konzeptentwicklungen im Rahmen von Auftragsforschungen sowie Gutachten, Weiterbildungen und Tagungen durchgeführt. Kernziel der Freizeitwissenschaft ist es, die Lebensqualität der Einwohner und Touristen zu fördern, gemäß dem Slogan „add value to (your) life“. Der Begriff der Lebensqualität geht auf die Diskussion der 70er Jahre um die „Grenzen des Wachstums“ zurück (vgl. Bericht Club of Rome 1972). Vor dem Hintergrund der sich bereits damals abzeichnenden ökologischen Probleme wurde in Wissenschaft und Politik die Frage diskutiert, „inwieweit Wachstums- und Konsumsteigerungen noch zu einer Erhöhung des menschlichen Wohlbefindens beitragen können“ (Müller, H. 2002, S. 39). Das Wort gründet in seiner Bedeutung auf den britischen Ökonomen Pigou, der in seiner Abhandlung über die Wohlfahrtsökonomie bereits 1920 erstmals den Begriff „quality of life“ (vgl. Pigou 1920, S. 14) verwendete. Der Begriff soll über den bloßen materiellen Wohlstand im Sinne von Lebensstandard hinausweisen und das Wohlbefinden des Einzelnen erfassen. Mit anderen Worten, die Lebensqualität, das Wohlbefinden des Menschen hängt sowohl von der Befriedigung materieller als auch immaterieller Bedürfnisse ab. Assoziiert wird der Begriff aus einer mehr verstandesmäßigen Bewertung heraus mit Zufriedenheit und aus einer eher emotionalen und subjektiven Betrachtung mit Glück (vgl. Opaschowski 1997). Der Begriff Lebensqualität verweist darauf, dass Gewinn- und Konsumsteigerung nicht automatisch mit einer Steigerung der Zufriedenheit und des Glücks für den Einzelnen einher geht. So zeigen auch neuere Studien, dass wachsendes Einkommen nicht gleichzusetzen ist mit wachsendem Wohlstand oder mehr Lebensqualität (vgl. Opaschowski 1997, 2008). Für die Freizeitwissenschaft ist der umfassende Lebensqualitätsbegriff von hohem Wert, da er auch die Zeitgestaltung im Sinne von Lebenszeit und erfüllter Zeit in den Blick nimmt (s. Begriffsbestimmung Freizeit, Kap. 3). Eine erfüllte Freizeit bzw. Zeit trägt entscheidend zum Wohlbefinden bzw. zur Lebensqualität bei. Zudem verweist der Lebensqualitätsansatz unmittelbar auf die Gegenstandsbereiche der Freizeitwissenschaft. Gegenstand der Freizeitwissenschaft ist

2.1 Das Studienprogramm   

7

die Freizeit im Wohnumfeld die mobile Freizeit im Tourismus und die Freizeitqualität.

Ersteres deutet bereits auf den im Rahmen der Lebensqualitätsdiskussion nicht unwichtigen Lebensbereich der Wohnqualität und Wohnumfeldqualität hin. Vor dessen Hintergrund u.a. zahlreiche Freizeitinfrastrukturmaßnahmen in den Städten aus den 1980er Jahren zu verstehen sind. Die hohe Relevanz dieses Bereichs zeigt sich auch darin, dass ca. 2/3 der Freizeit in der Wohnung - man denke nur an den Medienkonsum - und im Wohnumfeld verbracht werden (Kultureinrichtungen, Bürgerhäuser, Sporteinrichtungen etc.). Aber auch die Lebensqualität der Touristen, die Atmosphäre des Urlaubsortes etc. sind Gegenstand der Freizeitwissenschaft. Sie soll jedoch hier in diesem Buch weitgehend außer acht gelassen werden. Es liegen zu den im engeren Sinne touristischen Fragestellungen bereits umfangreiche Veröffentlichungen vor. Die folgenden Ausführungen werden sich vornehmlich auf die außerhäusige Freizeit am Wohnort bzw. im Wohnumfeld beziehen. Der Tagesausflugsverkehr bzw. der sog. Naherholungstourismus (ohne Übernachtung) ist als Überschneidungsbereich zwischen Freizeit und Tourismus ebenfalls mit im Blick dieser Publikation. Mit dem dritten Gegenstandsbereich, der Freizeitqualität, wird ein direkter Bezug zum Lebensqualitätsansatz aufgezeigt. Gemeint ist hier insbesondere die kulturelle Teilhabe aller zu gewährleisten und eine nachhaltige und gesunde Lebensweise zu fördern. Die individuelle Zeitautonomie gilt es zu fördern mit dem Ziel erfüllter Zeit. Neben der quantitativen Steigerung des Konsumangebots muss auch eine qualitative Steigerung des Freizeit- und Kulturangebots erfolgen. Insbesondere auch die aktuellen Diskussionen zur Wissensgesellschaft, zur Bedeutung des lebenslangen Lernens und die Betonung der wichtigen Ressource Bildung in Deutschland - nicht ohne Blick auf die Migrationsproblematik und den demographischen Wandel - verdeutlichen die notwendige Förderung der Freizeitqualität.

2.1

Das Studienprogramm

Der „Internationale Studiengang Angewandte Freizeitwissenschaft“ (ISAF) wurde 1998 zunächst als 8-semestriger Diplomstudiengang eingeführt. 2005 wurde der Studiengang im Zuge des Bologna-Prozesses auf Bachelor und Master umgestellt und erfolgreich akkreditiert. Die interdisziplinäre Ausrichtung und die Berücksichtigung zentraler Freizeitfelder waren bei der Entwicklung des Internationalen Studiengangs richtungweisend.

2.1.1

Studienstruktur im Bachelor

Der „Internationale Studiengang Angewandte Freizeitwissenschaft“ (ISAF) umfasst eine Regelstudienzeit von sieben Semestern, ist somit ein Vollzeitstudiengang und schließt mit dem Hochschulgrad „Bachelor of Arts“ ab. Studienbeginn ist analog zu allen anderen Stu-

8

2 Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

diengängen der Fakultät Gesellschaftswissenschaften jeweils zum Wintersemester. Der Bachelor-Studiengang wurde erstmals zum Wintersemester 2005/06 begonnen. Es werden in der Regel bis zu 40 Studienanfänger/innen aufgenommen. Der Diplomstudiengang ISAF wird seither nicht mehr angeboten. Während der ersten zwei Semester werden sozial-, wirtschafts-, natur- und rechtswissenschaftliche sowie methodische Grundlagen der Freizeit- und Tourismuswissenschaft studiert. Ergänzt wird das Grundlagenstudium durch Angebote in den Bereichen Informatik und Fremdsprachen. Im dritten und vierten Semester werden fachspezifische Inhalte der Freizeitwissenschaft im stärkeren Theorie-Praxisbezug vermittelt. In der Learners’ Company wird ein eigenständiges Projekt durchgeführt. Im fünften oder sechsten Semester werden an einer ausländischen Partnerhochschule fachverwandte Schwerpunkte studiert. Der Studiengang unterhält entsprechende Kontakte zu einer Vielzahl von Hochschulen im europäischen und außereuropäischen Ausland. Praktische Erfahrungen im Freizeit- und Tourismussektor werden im 20-wöchigen Praktikum im fünften bzw. sechsten Semester erlangt. Die Studierenden erhalten einen tieferen Einblick in das Berufsfeld des Freizeitwissenschaftlers. Das Auslandsstudium und das Praktikum werden durch vor- und nachbereitende Seminare begleitet. Das abschließende siebte Semester dient zum einen der Auswertung des Auslandsstudiums und des Praktikums und zum anderen dem vertiefenden Studium von speziellen Aspekten der Planung und des Managements in den Bereichen Freizeit, Tourismus und Kultur und damit der anwendungsbezogenen wissenschaftlichen Qualifikation. Mit der Bachelor-Thesis wird das Studium abgeschlossen (detaillierte Darstellungen des Studienganges (Module) finden sich auf der homepage www.isaf hs-bremen.de).

2.1.2

Übergänge

Da der Bachelorabschluss ein eigenständiges berufsqualifizierendes Profil besitzt, ermöglicht er den direkten Übergang in die Berufspraxis. Dieser Weg entspricht den Forderungen der Wirtschaftsverbände nach jüngeren Hochschulabsolventen, die zwar mit wissenschaftlicher Methodenkompetenz und mit Berufsfeldbezug ausgestattet, aber im Übrigen generalistisch orientiert sein sollen. Der Bachelorgrad ermöglicht jedoch auch ein weiterführendes Studium in einem konsekutiven Masterstudiengang der Hochschule Bremen oder an anderen Hochschulen des In- und Auslands. Ein konsekutives Masterprogramm „International Studies of Leisure and Tourism“ (MLT) wird seit dem Sommersemester 2009 als Vollzeitprogramm gemeinsam getragen von der Fakultät Gesellschaftswissenschaften (Bachelorstudiengang ISAF) und der Fakultät Wirtschaftswissenschaften (Bachelorstudiengang ISTM) - angeboten.

2.1.3

Studienstruktur im Master

Der konsekutive Master „International Studies of Leisure and Tourism“ umfasst drei Semester und ist forschungsorientiert ausgerichtet. Das erste Semester dient dem vertiefenden Studium und beinhaltet fünf Module aus den Bereichen Management in Freizeit und Tourismus und spezialisierten Forschungsmethoden. Das zweite Semester setzt den Schwerpunkt auf ein handlungsfeldbezogenes Studium. Vier Module behandeln Handlungs- und Forschungsfelder

2.1 Das Studienprogramm

9

in Freizeit und Tourismus, wie erlebnisorientertes Lernen, Kulturmanagement, Gesundheit und Wellness sowie Nachhaltige Entwicklung. Ein Modul dient der Erweiterung und Vertiefung von Fähigkeiten im Bereich Leitungskompetenz und Teambildung. Das dritte Semester ist das Abschlusssemester des Masterstudiengangs und dient der Erstellung der Masterarbeit. Die Module werden überwiegend in englischer Sprache angeboten. Das Studienprofil im Masterstudiengang mit einem starken Schwerpunkt auf Vertiefung im Bereich Freizeit- und Tourismusmanagement sowie zentraler Handlungs- und Forschungsfelder bietet gute Voraussetzungen für die Positionierung der Absolventen am Arbeitsmarkt. Aufgewertet wird dieses Profil durch die qualifizierte Methoden- und Sozialkompetenz. Insbesondere folgende Positionen könnten von Absolventen besetzt werden: 

Leitungstätigkeit in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft,



Führungspositionen in Verbänden der Freizeit- und Tourismuspolitik,



Forschung und Entwicklung für Freizeit und Tourismus,



Evaluation und Qualitätssicherung von Freizeitdienstleistungen,



wissenschaftliche Lehre und Weiterbildung im Freizeit- und Tourismussektor.

Der Masterabschluss berechtigt auch zum Zugang für den Höheren Dienst. Mit dem Master wird noch stärker als bereits im Bachelor „Angewandte Freizeitwissenschaft“ der Entwicklung Rechnung getragen, dass die Freizeit im Alltag und im Tourismus (Gegenalltag) nicht länger nur als Gegenwelten zu verstehen sind. Es handelt sich heute vielmehr zunehmend um zwei Systeme mit vergleichbaren und/oder komplementären Produkten und Dienstleistungen, die oft nach den gleichen, z.B. destinationsspezifischen Mustern gestaltet, inszeniert oder thematisiert werden. Die Absolventen werden daher mit einem eigenständigen Profil abschließen, welches aktuellen Anforderungen der Freizeit- und Tourismusbranche und der wissenschaftlichen Institutionen entspricht. Außerdem werden sie sich durch das integrierte Kompetenzprofil deutlich von anderen Master-Abschlüssen innerhalb sowie außerhalb der Hochschule unterscheiden.

2.1.4

Ausbildungsziele - Warum Freizeitwissenschaft?

Die gesellschaftlichen Veränderungen und Herausforderungen bleiben nicht ohne Folgen für den Freizeitmarkt. Kaum eine andere Branche ist so eng mit den sie umgebenden Rahmenbedingungen verbunden wie die Freizeitbranche. Die Entwicklung des Freizeitmarktes lässt sich kurz mit den folgenden Worten umschreiben: mehr – besser – weiter – flexibler schwieriger. Die Freizeitwirtschaft ist der größte Arbeitgeber in Deutschland. Die Wachstumsbranchen Tourismus, Medien, Kultur, Sport/Gesundheit und Unterhaltung erfordern zunehmend nicht nur mehr sondern höherqualifizierte Arbeitnehmer. Durch zunehmende Verknüpfungen lokaler und mobiler Freizeit (z.B. Eventtourismus, Gesundheitstourismus) entstehen neue Schnittmengen zwischen Freizeit, Tourismus und Gesundheit. Die Freizeitexperten müssen

10

2 Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

über einen breiten Verstehenshorizont verfügen und die Kenntnisse einzelner Branchen miteinander verknüpfen können. Insbesondere in dem hier im Fokus stehenden Freizeitdienstleistungsbereich werden mit Blick auf zunehmende Individualisierung der Lebensmodelle und die demographische Entwicklung in der Gesellschaft (vgl. Haehling von Lanzenauer/Klemm 2007; siehe auch Kap. 3.7), den damit zusammenhängenden Migrationsbewegungen und den steigenden Ansprüchen an die nachhaltige Entwicklung vieler Lebensbereiche höhere Anforderungen an Professionalität und Qualifizierung gestellt. Die Tendenz zur Individualisierung und differenzierten Ansprüchen führt zu kleineren spezifischen Zielgruppen, die von den Freizeitanbietern jeweils unterschiedlich angesprochen werden müssen. Selbst die am meisten zu beachtende Zielgruppe der älteren Menschen‚ denn jeder Dritte wird angesichts der längeren Lebenserwartung und des Geburtenrückgangs im Jahr 2050 60 Jahre oder älter sein, stellt keine homogene Gruppe dar. Ältere sind heute bereits aktiver, gesünder und verfügen über bessere Bildungsabschlüsse als alle Generationen zuvor. Und die Gruppe der Älteren wird zunehmend „bunter“. Die Orientierung an einem veränderten Altenbild im Sinne einer „bunten Seniorengeneration“ und ihrer spezifischen Bedürfnisse erscheint notwendig (vgl. Freericks 2006). Mit der Ausweitung und Ausdifferenzierung des Freizeitmarktes einerseits und den zunehmenden Ansprüchen der Konsumenten und ihrer pluralen Freizeit- und Lebensstile andererseits wächst der Bedarf an qualifiziertem Personal und damit auch die Anforderungen an die Servicequalität. Ein im Zusammenhang mit der Alterung der Gesellschaft oft genannter Aspekt ist die Angst um die Zukunftsvorsorge und die neue Armut. Die Zahl derer, die aufgrund von Arbeitslosigkeit und unsteter Beschäftigungsverhältnisse am Existenzminimum leben, ist bereits heute erschreckend hoch. Längst wird von einer Zweiklassengesellschaft gesprochen (vgl. Opaschowski et al. 2006). Integrative Konzepte, die die Teilhabe aller an Kultur und Tourismus und das Streben nach Lebensqualität unterstützen, gilt es zu entwickeln. Ein weiterer wesentlicher Entwicklungsfaktor ist die Globalisierung. Mit den ökonomischen, kulturellen, sozialen und ökologischen Dimensionen der Globalisierung (Schröder 2006) wird die Freizeit auf vielfältige Weise beeinflusst. Die kulturelle Globalisierung führt zu einer Vielzahl kultureller Freizeit- und Erlebnisangebote, die trotz der Vielfalt auch wieder eine gewisse Standardisierung aufweisen. Wesentlich erscheint es, angesichts der Konkurrenz auf dem Freizeitmarkt um die Gunst des Gastes, besondere unvergessliche und einmalige Erlebnisse zu bieten. Die Entwicklung bzw. Inszenierung neuer Erlebnisangebote im Schnittfeld von Unterhaltung, Konsum und Bildung ist gefordert (vgl. Freericks et al. 2005a,b,c). Mit der Globalisierung entsteht ein neuer Referenzrahmen für die Erlebnisangebote, der Blick muss über die lokalen und regionalen Grenzen hinaus auf weltweite Entwicklungen gerichtet werden. Wenngleich sich auch gegenläufige Tendenzen im Sinne von Regionalisierung und Rückbesinnung auf das Lokale und Regionale zeigen. Die ökonomische Globalisierung nimmt insbesondere Einfluss auf die Unternehmensstrukturen. Sie erhöht den Wettbewerb und die Konkurrenz der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt, sie stärkt bei internationaler Ausrichtung aber auch die Chancen auf dem internatio-

2.1 Das Studienprogramm

11

nalen Freizeitarbeitsmarkt. Flexibilität und Mobilität der Arbeitnehmer wird zunehmend als selbstverständlich vorausgesetzt. Mit der sozialen Globalisierung wird unsere Gesellschaft immer mehr zu einer Informationsgesellschaft. Die weltweiten Informationsströme führen zu einer Verbreitung von Bedürfnisstrukturen und -mustern und erhöhen die Anforderungen an die soziokulturelle bzw. interkulturelle Orientierung. Die ökologische Dimension der Globalisierung tritt augenscheinlich mit dem Klimawandel hervor (vgl. Smeral 2003). Insgesamt verweisen die Globalisierungstendenzen auf die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung. Die Freizeitbranche selbst trägt vor allem mit den Sektoren Medien, Tourismus und Events zu einer Beschleunigung der Globalisierung bei. So sind als Folge der Globalisierung nicht nur höhere Anforderungen an die Servicequalität zu konstatieren, sondern vor allem mit Blick auf die globale Medienwelt eine Ausweitung des digitalisierten Marketings (vgl. Benedix et al. 2005). Gelungene Internetpräsentationen des Angebots unter Nutzung neuer medientechnischer Entwicklungen (Podcasts etc.) gilt es sicher in die Marketingmaßnahmen einzubinden. Eine weitere zu beobachtende Entwicklung auf dem Freizeitmarkt ist das verstärkte Outsourcing von Aufgabenbereichen oder Abteilungen (z.B. Museumsshop, -Cafe, Restaurant/ Schwimmbad im Hotel) an externe Dienstleister. Ziel ist es, Personal- und sonstige Kosten zu sparen und zugleich das Serviceniveau zu halten oder zu verbessern (vgl. Benedix et al. 2005). Ein Beispiel ist der Gesundheits- und Wellnessbereich als selbständiger Bereich in einem Hotelbetrieb, der in enger Anbindung betrieben und damit gemeinsam mit dem Hotelangebot vermarktet werden kann. Die zunehmende Wohlfühlorientierung und Erlebnisorientierung, die Zielgruppendifferenzierung und gesteigerte Nachfrage nach Servicequalität erweitert die Möglichkeiten für neue Nischenmärkte und neue Beschäftigungsformen. Mit den neuen Märkten und Beschäftigungsformen erhöhen sich aber auch die Anforderungen an die Flexibilität der Arbeitnehmer bei zunehmendem Beschäftigungsrisiko. So zeichnet sich in der Freizeitbranche trotz Forderung nach zunehmender Qualifizierung und Professionalisierung die Tendenz zur Zunahme von Teilzeit- und Geringfügigkeitsbeschäftigung ab. Folge ist eine zunehmende Fluktuation der Beschäftigten, einhergehend mit einer Abnahme der Weiterbildungsbereitschaft, was schließlich zu einer Gefährdung der Qualität führen kann. Aufgabe und Ziel der freizeitwissenschaftlichen Hochschulausbildung muss es sein, sich auf eine möglichst große Zahl der Entwicklungsfaktoren einzustellen und die Studierenden mit einem entsprechenden Kompetenzspektrum (-profil) auszustatten. Mit der Einrichtung des ISAF-Studiengangs hat die Hochschule Bremen ihre Bemühungen um Innovation und Diversifikation ihres Qualifizierungsprogramms fortgesetzt. Sie hat damit das Spektrum ihrer internationalen Studiengänge auf Tätigkeitsfelder ausgeweitet, deren Bedeutung für Hochschulabsolventen permanent zunimmt. Und sie hat damit zugleich neue Denkmuster in der Ausbildung geschaffen, indem neue Handlungskompetenzen vernetzt worden sind, die bisher isoliert auf die Bereiche Freizeit, Tourismus, Sport, Gesundheit und Kultur ausgerichtet waren, obwohl sie überlappende Schnittmengen aufweisen.

12

2 Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

So zeichnen sich die praktischen Anforderungen im Freizeitsektor weniger durch Arbeitsteiligkeit als vielmehr durch eine große Bandbreite von Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten aus. Gefragt sind qualifizierte Fachkräfte, die interdisziplinär arbeiten und verschiedene Kompetenzen in sich vereinigen. Daraus leiten sich als Ausbildungsziele für die zukünftigen Absolventen ab, dass 

sich ihr Wissen und Verstehen des Freizeitsektors auf einem Niveau befindet, das auf wissenschaftlichen Lehrbüchern sowie aktuellen wissenschaftlichen Debatten des Faches basiert;



sie ihr Wissen auf eine Art und Weise anwenden können, die auf einen professionellen Ansatz gegenüber ihrer Arbeit hinweist und über Kompetenzen verfügen, die bei der Argumentation und bei der Lösung von Problemen im Freizeitbereich zur Geltung kommen;



sie in der Lage sind, Daten zu sammeln und auszuwerten, die für eine Urteilsbildung, bei der auch relevante soziale, wissenschaftliche oder ethische Fragen berücksichtigt werden, von Bedeutung sind;



sie die Informationen, Ideen, Probleme und Lösungen zielgruppenorientiert vermitteln können, und



sie Lernstrategien entwickelt haben, die für eine Fortsetzung der Studientätigkeit auf höherem Niveau mit einem hohen Grad an Selbstständigkeit erforderlich sind.

Diese Ziele sollen die Absolventen befähigen, spezielle Funktionen im Berufsfeld Freizeit und Tourismus wahrnehmen zu können.

2.2

Kompetenzprofil des Freizeitwissenschaftlers

Die Entwicklungstrends am Freizeitmarkt zeigen, dass hohe Anforderungen an das Ausbildungsprofil gestellt werden. Zur Systematisierung der Handlungskompetenzen können allgemein folgende Facetten der Kompetenzen unterschieden werden (ZEvA o.J.): 

Fach-/Sachkompetenz: fachspezifische und fachübergreifende Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten



Methodenkompetenz: Lern- und Arbeitsstrategien



Sozialkompetenz: sozial-kommunikative Fähigkeiten



Selbstkompetenz / personale Kompetenz: eigenverantwortliches (soziales) Verhalten.

Die letzten drei Facetten entsprechen den so genannten Schlüsselkompetenzen. Schlüsselkompetenzen gewinnen in der Berufspraxis und der Hochschulausbildung neben der Sach/Fachkompetenz zunehmend an Bedeutung. Kompetenzen zielen sowohl auf Wissen, Fertig-

2.2 Kompetenzprofil des Freizeitwissenschaftlers

13

keiten, Fähigkeiten als auch auf Persönlichkeitsmerkmale wie Einstellungen und Werthaltungen. Der Kompetenzbegriff umfasst somit nicht nur die objektiven Qualifikationsanforderungen der Situation, sondern auch die subjektiven Ressourcen und Potenziale einer Person (ZEvA o.J.). Mit anderen Worten, Kompetenz schließt sowohl die Fähigkeit als auch die Bereitschaft einer Person zum adäquaten Handeln ein. In Anwendung dieser Systematik lassen sich bezogen auf das Berufsfeld Freizeit folgende Kompetenzen erfassen: 

Sachkompetenz: Management- und Marketingkenntnisse, Kenntnis pädagogischer, sozialwissenschaftlicher Theorien/Konzepte, betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Praxis-/Feldbezug, zielgruppenspezifische Kenntnisse etc.



Sozialkompetenz: Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Führungsfähigkeiten, interkulturelle Kompetenz und Mehrsprachigkeit etc.



Methodenkompetenz: analytische Fähigkeiten, Medienfertigkeiten, Planungs/Innovations-/Projektmanagement, Lehr-, Beratungsfähigkeiten



Selbstkompetenz: Eigeninitiative/Verantwortung, Kritikfähigkeit, Kreativität, Offenheit und Flexibilität



Pädagogische/didaktische Kompetenz: Entwicklung integrativer Konzepte zur Förderung von Lebensqualität, mehr Demokratie/Teilhabe, freizeitdidaktische Fähigkeiten.

Die gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen, dass die Orientierung der Hochschulbildung an einem rein fachlich ausgerichteten theoretischen Spezialwissen nicht mehr ausreicht; die interdisziplinäre Erweiterung und das Anwendungswissen gewinnen an Bedeutung. So wird mit dem Begriff Sachkompetenz bereits darauf verwiesen, dass es hier nicht nur um theoretisches Spezialwissen geht, sondern dass der konkrete Praxis- und Feldbezug durch Projektarbeiten und Praktika gefordert ist. In der freizeitwissenschaftlichen Ausbildung wird dies insbesondere durch die neue Lernform der „Learners’ Company“ umgesetzt. Aufraggeber aus der Praxis stellen Projektaufgaben, und gemeinsam werden Lösungsstrategien bzw. neue Modelle entwickelt. Die Globalisierungs- und Internationalisierungstendenzen finden u.a. in der interkulturellen Orientierung und der Mehrsprachigkeit ihren Ausdruck. Studierende der Freizeitwissenschaft belegen Fremdsprachenmodule, gehen für ein Semester ins Ausland und können auch das Praxissemester im Ausland absolvieren. Zudem wird ein Dozentenaustausch gefördert. Insgesamt bestehen mit mehr als 30 Partnerhochschulen auf der ganzen Welt Kooperationsverträge. Die besondere Hervorhebung der pädagogischen/didaktischen Kompetenz des Freizeitwissenschaftlers begründet sich einerseits in dem zunehmenden Bedarf an neuen integrativen Konzepten, die die Partizipation aller Bevölkerungsgruppen im Freizeitbereich sichert, und andererseits in dem individuellen Streben nach Wohlbefinden und Sinnsuche (Lebensqualität). Sie findet sich zwar in Teilen auch in den anderen Kompetenzebenen wieder, doch gewinnt sie mit der generellen Ausrichtung der Freizeitwissenschaft am Konzept der Lebensqualität eine besondere Bedeutung.

14

2 Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

Insgesamt ist festzustellen, dass die Kompetenzen bzw. Anforderungen je nach speziellem Berufssegment und den jeweiligen Funktionsebenen unterschiedlich gewichtet sein können. So ist z.B. die Bedeutung der Entwicklung und Steuerung von Nachhaltigkeit im Freizeitund Tourismussektor „Naturparks und Naturreservate“ höher zu gewichten als in der täglichen Reisebürotätigkeit. Wenngleich vor dem Hintergrund eines ethischen und verantwortungsvollen Handelns (Selbstkompetenz) die nachhaltige Entwicklung einen übergreifenden Stellenwert einnehmen sollte. Kenntnisse in Reiserecht und Landeskunde sind sicherlich im Reiseveranstaltermarkt stärker gefragt als im Kultursektor. Und in einem Tourismusinformationszentrum oder einem Wellnesscenter stehen Beratungs- und Betreuungskompetenzen deutlich mehr im Zentrum der täglichen Anforderungen als in einem Freizeit- und Tourismusplanungsbüro. Die immer stärkere Verzahnung lokaler und mobiler Freizeit und die zunehmende Überschneidungen der Berufsfelder erfordern in verstärktem Maße ein berufsfeldübergreifendes Denken und Handeln im Sinne eines vernetzten/ganzheitlichen Denkens und Handelns. Generell spricht die Dynamik des Freizeitmarktes für eine breit und recht offen angelegte freizeitwissenschaftliche Ausbildung. Die Veränderungen am Freizeitmarkt bieten Chancen für die Entwicklung neuer Berufsbilder und Strukturen. Aus der Entwicklung des Freizeitmarktes und der Beschreibung der einzelnen Kompetenzen ergibt sich folgende Bestimmung für das Kompetenzprofil des Freizeitwissenschaftlers (vgl. auch Freericks 2007): 

breite wissenschaftliche Basisqualifikation mit internationaler Dimension, orientiert an der Dynamik der Freizeitbranche,



qualifizierte Fachkräfte, Querschnittskompetenz,



Vernetzungskompetenz, um Synergien und Chancen in verschiedenen Freizeitsektoren zu nutzen (neue Schnittmengen),



Praxis-/Feldbezug mit Vertiefung spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten,



Entwicklung individueller und spezialisierter Kompetenzprofile je nach beruflicher Orientierung.

die

interdisziplinär

arbeiten,

im

Sinne

einer

Ein Freizeitmanager/-planer/-berater sollte entsprechend die generelle Kompetenz haben, 

mit Kunden zu arbeiten und Freizeit- und Tourismusprodukte zu erstellen,



anwendungsbezogen zu forschen und Konzepte für die Freizeit- und Tourismuspolitik zu erarbeiten.



in einem professionellen Umfeld zu arbeiten (Unternehmen, Verwaltungen etc.),



die eigene berufliche Entwicklung flexibel und nachhaltig zu gestalten.

2.2 Kompetenzprofil des Freizeitwissenschaftlers

15

Festzuhalten ist, dass das Kompetenzprofil des Freizeitwissenschaftlers qualifizierte und anpassungsfähige Absolventen für einen sich dynamisch wandelnden Freizeitmarkt hervorbringt. Die Querschnitts- und Vernetzungskompetenz ermöglicht die Entwicklung integrierter Konzepte mit Schnittmengen aus Kultur, Tourismus und Gesundheit. Durch die komplexe Ausrichtung des Studiums auf unterschiedliche Freizeitfelder und interdisziplinäre Betrachtungsweisen wird eine breitere und damit krisenfestere Ausbildung gesichert (statt Schmalspurausbildung). Den Studierenden der Freizeitwissenschaft werden somit vielseitige Chancen auf dem Freizeitarbeitsmarkt eröffnet. Die Ausbildung des Freizeitwissenschaftlers fördert die Qualitätsentwicklung und –sicherung in den verschiedenen Freizeitfeldern zum Nutzen der Kunden und bietet zudem Perspektiven für Unternehmen und Gesellschaft im Freizeitbereich auf gesellschaftliche Herausforderungen und Marktveränderungen adäquat zu reagieren bzw. adäquate Lösungen anzubieten. Umfassende Untersuchungen wie Absolventenbefragungen, Bedarfs- und Potenzialanalysen sowie vergleichende Studien zu Freizeitcurricula in Deutschland bzw. Europa stehen noch aus. Sie könnten eine weitere Bestimmung des Kompetenzprofils der Freizeitwissenschaftlerinnen und Freizeitwissenschaftler sowie des Berufsfeldes Freizeit fördern und unterstützen.

(1) (2)

Abb. 3 ISAF- Entwicklung in Zahlen 1998-2008

16

2 Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

Generell lässt sich sagen, durch den ISAF-Studiengang wird der gesellschaftlichen Realität in dem prosperierenden Wirtschaftszweig der Freizeit, in welcher der Tourismus eine Untermenge bildet, Rechnung getragen. Sie ist durch eine Verbindung der genannten Aktionsfelder und ein ansteigendes qualitatives Niveau gekennzeichnet. Experten in nur einem der Felder werden dem heutigen Bedarf nicht mehr gerecht. Die berufliche Praxis in der Freizeitwirtschaft verlangt interdisziplinäre und nicht bloß traditionelle Fach- und Fächerkompetenz. Bis Ende 2008 haben 136 Absolventen den Diplomstudiengang in Bremen erfolgreich abgeschlossen (s. Abb. 3). Die ersten Bachelorabsolventen treten im Jahr 2009 auf den Arbeitsmarkt. Durch die Einführung spezifischer Zulassungskriterien (z.B. einem Vorpraktikum) wurde die enorm hohe Bewerberzahl reduziert.

2.3

Positionierung des Freizeitwissenschaftlers am Arbeitsmarkt

Aufgrund der im Freizeitsektor immer komplexer werdenden Aufgaben sind die Anforderungen an Mitarbeiter in einem Ausmaß gestiegen, dass eine zwar praxisbezogene aber doch akademische Ausbildung benötigt wird. Eine fundierte wissenschaftliche Qualifikation in internationaler Dimension ist am Bedarf der Freizeit- und Tourismusbranche orientiert und eröffnet den Absolventen Beschäftigungsmöglichkeiten im weltweiten Freizeitmarkt. Dies zeigen die Erfahrungen mit den ersten Abschlussjahrgängen des ISAF-DiplomStudienganges, für die sich nicht nur der nationale, sondern auch der internationale Arbeitsmarkt eröffnet. Damit ist der Bedarf an Absolventen der Freizeitwissenschaft geradezu „grenzenlos“, denn der Freizeit- und Tourismussektor ist nachgewiesenermaßen der weltgrößte Arbeitgeber. Potenzielle Arbeitgeber sind u.a.:  Tourismusämter und Touristikagenturen, Stadtmarketing/Planungsämter, Reiseveranstalter, Reisevermittler, Clubanlagen;  Tourismusreferate in Bundes- und Landesministerien bzw. deren nachgeordnete Behörden;  Eventagenturen, Messe- und Kongressveranstalter, Freizeitparks und -bäder, Wellness-Center;  Planungsbüros/Consultingfirmen mit Projektschwerpunkt Freizeit und Tourismusentwicklung;  Sporteinrichtungen, Kur- und Erholungszentren, Heilbäder;  Kultureinrichtungen (Theater, Museen, Musicals etc.), Freizeit-/Kulturzentren, Bürgerhäuser;  Schutzgebietsverwaltungen, insb. Besucherzentren in Natur-/Nationalparks;  Nationale und internationale Tourismusorganisationen, Nicht-Regierungsorganisationen engagiert im Bereich Freizeit/Tourismus und Naturschutz, Organisationen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit;

2.3 Positionierung des Freizeitwissenschaftlers am Arbeitsmarkt  

17

Fachverlage, Medien mit Schwerpunkt Freizeit/Tourismus (z.B. Reisejournalist); Fort- und Weiterbildungseinrichtungen, Freizeit- und Tourismusforschungsinstitute, Hochschulen, Marktforschungsinstitute, Zertifizierungsagenturen.

Das Studium bereitet infolgedessen auf ein breites Berufsfeldspektrum vor, wobei die spezielle Ausrichtung auf Internationalisierung und Interdisziplinarität die Berufschancen und die nachhaltige Berufsfähigkeit maßgeblich positiv beeinflussen. Einschätzungen zur Berufseinmündung von Absolventen der Freizeitwissenschaft und zur Positionierung auf dem Arbeitsmarkt Freizeit und Tourismus können sich auf eine Absolventenbefragung unter 134 Absolventen des Diplomstudiengangs Angewandte Freizeitwissenschaft aus dem Jahr 2008 stützen. An der E-Mail-Befragung unter allen erreichbaren Absolventen des Studiengangs beteiligten sich insgesamt 70 Alumni (52 %). Sie machten Angaben zu dem Unternehmen, bei dem sie aktuell beschäftigt sind, zu ihrer Position bzw. Funktion, zu ihren Aufgaben und Tätigkeiten sowie zur subjektiven Einordnung ihrer Berufstätigkeit bezogen auf das Berufsfeld Freizeit/Tourismus. Die individuellen Antworten auf die offen gestellten Fragen wurden inhaltsanalytisch ausgewertet und soweit möglich quantifiziert. Aktuell zeigt sich folgendes Bild mit einem Schwerpunkt bei den Abschlussjahrgängen 2006 bis 2008: Die meisten Absolventen des Studiengangs sind berufstätig (81 %). Ein kleiner Teil sucht noch eine Beschäftigung (9 %), andere sind in Elternzeit (7 %) oder absolvieren eine Weiterbildung (3%). Deutlich erkennbar ist eine Verbindung zwischen dem Studium und dem späteren Berufsfeld. Berufliche Tätigkeiten sowohl in einem weiten Spektrum der Freizeit als auch im Tourismus werden erschlossen. Im Berufsfeld Freizeit sind 44 % der Absolventen tätig, im Berufsfeld Tourismus haben 38 % eine Anstellung gefunden. Ein kleinerer Teil arbeitet in einem fachfremden Berufsfeld (18 %). Die internationale Ausrichtung des Studiengangs Freizeitwissenschaft spiegelt sich in einem hohen Anteil an Berufstätigen im Ausland (20 %) wider. Subjektiv ordnen 67 % der beteiligten Absolventen ihre Tätigkeit dem Berufsfeld Freizeit/Tourismus zu. Einen zumindest teilweisen Bezug sehen 13 %, und 20 % stellen keine Beziehung zwischen ihrem Studium und ihrer jetzigen beruflichen Tätigkeit fest. Im Berufsfeld Freizeit zeigt sich ein starker Schwerpunkt im Bereich der Freizeitbildung. Einrichtungen der Jugendarbeit, Bildungsanbieter für Erwachsene und WissensErlebniswelten sind wichtige Träger für die Anstellung von Freizeitwissenschaftlern. Hinzu kommt als relevanter Sektor eine Berufstätigkeit im Eventmanagement. Darüber hinaus sind Absolventen des Studiengangs in vielfältigen anderen Freizeitinstitutionen wie Kultureinrichtungen, Freizeitbädern und Naturparks tätig. Die Berufstätigkeit in touristischen Bereichen wird dominiert durch die Arbeit bei verschiedenen Tourismusorganisationen, Reiseveranstaltern sowie im Destinationsmanagement und Stadtmarketing. Auch hier zeigt sich ein weiteres Spektrum von kleinen beruflichen Sektoren und besetzbaren Nischen (wie z.B. internationale Hilfsprojekte mit touristischen Aspekten). Betrachtet man die beruflichen Positionen im jeweiligen Unternehmen, sind häufig Funktionen im Bereich der Projektleitung oder spezieller Fachfunktionen wie Koordination und

18

2 Das Bremer Modell der Freizeitwissenschaft

Marketing anzutreffen. Ebenfalls genannt werden von den Absolventen Positionen wie Abteilungsleitung oder Leitungsassistenz. Aufgrund der gerade erst begonnenen beruflichen Karriere erscheint eine geringe Besetzung von Führungspositionen verständlich. Hier könnte sich das Bild mit zunehmender Berufserfahrung verändern. Erkennbar ist auch: Nur ein kleiner Teil der Absolventen ist als (Freizeit-)Pädagoge tätig, und einzelne arbeiten formal als Selbständige im Freizeit- und Tourismussektor. Eine inhaltsanalytische Auswertung der beschriebenen Aufgaben und Tätigkeiten lässt einen hohen Stellenwert des Bereichs „Marketing und Öffentlichkeitsarbeit“ erkennen. Mit diesem Aufgabenbereich haben 48 % der Absolventen zu tun. Ebenfalls eine hohe Bedeutung haben die „Planung und Durchführung von Veranstaltungen“ (38 %), „allgemeine Koordinationsund Organisationsaufgaben“ (28 %), der „Verkauf von Produkten“ einschließlich Kundenberatung (28 %) sowie die „Konzeptentwicklung von Programmen“ (27 %). Für einen erheblichen Teil der Berufstätigen im Sektor Freizeit und Tourismus ist die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben und die Kommunikation mit Projektpartnern ein wichtiger Teil ihrer Aufgaben. Je nach Berufsfeld und Position spielen weitere Tätigkeitsaspekte eine Rolle (Gästebetreuung, Lehrtätigkeit, freizeitpädagogische Arbeit, Mediengestaltung oder allgemeine Verwaltungstätigkeiten). Die besetzten Arbeitsfelder spiegeln insgesamt das differenzierte berufliche Spektrum im Sektor Freizeit und Tourismus und verweisen auf einen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften in den Bereichen Projektmanagement, Marketing, Programmentwicklung, Freizeitbildung und Freizeitbetreuung hin. Die hohe Übergangsquote in eine Berufstätigkeit im angestrebten Sektor ermutigt auf dem Weg des integrierten Studienangebots der Freizeitwissenschaft weiter voranzugehen.

3

Freizeit-FreizeitpädagogikFreizeitwissenschaft

Was ist der Gegenstand der Freizeitwissenschaft? Diese Frage steht im Mittelpunkt des folgenden Kapitels mit dem Anspruch, eine systematische Annäherung an Freizeitphänomene aus sozialwissenschaftlicher Sicht zu entwerfen. Dabei geht es um Grundlagen für eine Begriffsbestimmung, die historische Entwicklung der Freizeitforschung und der Freizeitpädagogik und Schlaglichter auf einzelne Wissensbestände einer jungen Spektrumswissenschaft mit ihren pädagogischen, psychologischen und soziologischen Komponenten. Aktuelle Bezüge und eine Thematisierung gesellschaftlicher Dynamiken mit Folgen für die Freizeit dürfen dabei nicht fehlen.

3.1

Begriffsbestimmung und systematische Einordnung

Die Freizeitwissenschaft ist gekennzeichnet durch einen interdisziplinären Ansatz. Sie hat sich auf Basis bereits etablierter Disziplinen (Freizeitpädagogik, Freizeitsoziologie, Freizeitgeographie) über interdisziplinäre Forschung etabliert. Als „Spektrumswissenschaft“ bzw. Querschnittsdisziplin befasst sie sich mit der Analyse und Synthese der Spektren der Freizeit (Kultur, Gesundheit, Sport, Tourismus etc.) mit dem Ziel der Förderung von Lebensqualität (Opaschowski 2008a, S. 323). Eine kurze und recht allgemein formulierte Definition von Freizeitwissenschaft sagt aus: Freizeitwissenschaft ist die „Gesamtheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse von Freizeit und deren Rahmenbedingungen“ (Agricola 1996, S. 59). Etwas umfassender lässt sich formulieren: Freizeitwissenschaft befasst sich mit der Analyse und systematischen Erforschung der Gesamtheit der Erscheinungsformen der Freizeit, ihrer Folgen und Randbedingungen. Doch was heißt in diesem Kontext Freizeit? Voraussetzung für die Entwicklung einer Freizeitpädagogik und in Folge einer Freizeitwissenschaft war die Entstehung der Freizeit. Sie näher zu bestimmen, scheint um einiges schwieriger und komplexer zu sein. Freizeit ist ein modernes Phänomen, sie ist das Produkt einer neuen zeitlichen Organisation des Alltags. „Der Freizeitbegriff verweist auf eine spezifische Form arbeitsfreier Zeit, die es so in vormoderner bzw. vorindustrieller Zeit nicht gegeben hat, und basiert - im Unterschied zu älteren Formen (wie der Muße) - auf einer klaren raum-zeitlichen Trennung von Arbeit und

20

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

sonstigem Leben sowie einer strengen zeitlichen Regelung und auch Begrenzung der Erwerbsarbeit“ (Fromme 2001, S. 610). Das allgemeine Freizeitverständnis geht zurück auf ein dialektisches Verhältnis von Arbeit und Freizeit basierend auf einem grundlegenden Wandel des Arbeitsbegriffs und des Zeitbewusstseins (vgl. Giesecke 1983, Hucke 1982). Freizeit wird hier zunächst negativ bestimmt, als Nicht-Erwerbsarbeitszeit.

3.1.1

Freizeit als Restkategorie

Opaschowski sieht die ersten Ansätze zur Entstehung der Freizeit bereits in der Reformationszeit des 16. Jhs. Freizeit entsteht als Folge einer religiös-kirchlichen Revolution. Sie ist in einer Zeit entstanden, in der die Berufsarbeit als „‚göttliche Berufung‘ zum pflichtgemäßen Selbstzweck des Lebens wurde“ (Opaschowski 1976, S. 20f). Der totalitäre Anspruch auf religiöse Beherrschung und Verpflichtung des gesamten Lebens löste nach Opaschowski als eine Art Gegenreaktion beim Menschen das Bedürfnis nach einer nicht reglementierten, privaten und freien Gegenwelt aus. Die Gegenpole öffentliche Pflicht, Fremdbestimmung und Zwang auf der einen Seite und private Neigung, Selbstbestimmung und Freiheit auf der anderen Seite führten schließlich zu einer strikten Trennung von privater und öffentlicher Zeit. Der Ausspruch ‚Müßiggang ist aller Laster Anfang‘ geht auf diese Phase zurück, der bis heute zumindest bei der älteren Bevölkerung ein schlechtes Gewissen bei Ausübung einer nicht als ‚sinnvoll‘ erachteten Freizeittätigkeit zum Ausdruck bringt. Mit der protestantischen Berufsethik und dem modernen Kapitalismus änderte sich auch die Qualität der Arbeit. Das bisherige Mußemonopol der Adeligen wurde abgelöst von einer neuen ‚bürgerlichen Freiheit der Arbeit‘. Arbeit galt nicht mehr als sozialer ‚Makel‘. Die feudale Abhängigkeit wird nun ersetzt durch eine neue Abhängigkeit vom (Arbeits-)Markt. Und selbst in der Zeit der NichtArbeit wird durch Konsum der Produktion gedient. Freizeit erscheint vor diesem Hintergrund negativ als eine Art Restkategorie, die nach Abzug der Arbeitszeit übrig bleibt. „Freizeit bestimmt sich in einer Gesellschaft, deren zentrale Kategorie immer noch die Arbeit ist, negativ: sie gilt als eine Art Rest…; ihre Freiheit ist zunächst eine Freiheit von Arbeit und sonst nichts (vgl. Habermas 1971, S. 105). Dumazedier (1974) erweitert die dualistische Betrachtung von Arbeitszeit–Freizeit um die so genannte Halbfreizeit. Gemeint ist damit die Zeit, die für physiologische Notwendigkeiten (Schlafen, Essen, Erholung etc.) aufgewendet wird. Unterschieden wird entsprechend von Nahrstedt (1975) zwischen einem engen und einem weiten Freizeitbegriff. Der enge Freizeitbegriff bezieht sich auf die eigentliche, effektive Freizeit. Gemeint ist die Zeit, die die größte individuelle Dispositionschance eröffnet, die unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen möglich ist. Freizeit ist demnach alle Zeit, in der freie Selbstbestimmung möglich ist. Der weite Freizeitbegriff meint hingegen alle freie Zeit außerhalb der Erwerbsarbeitszeit und bezieht sich insofern auf die effektive und Halbfreizeit. Mit dieser Differenzierung wird eine erste positive qualitative Bestimmung der Freizeit möglich. Freizeit ist in diesem Sinne nicht nur frei von Arbeit sondern auch frei für etwas, für Selbstbestimmung. Mit der Differenzierung in Halbfreizeit und eigentliche Freizeit wird zudem signalisiert, dass auch nichterwerbstätige Personen bestimmten Notwendigkeiten, Zwängen und Verpflichtungen in der freien Zeit ausgesetzt sind.

3.1 Begriffsbestimmung und systematische Einordnung

21

Über die Abgrenzung eines negativen (Abwesenheit von Arbeit) und positiven Freizeitbegriffs (Zeit frei von Abhängigkeit und Zwang und für Selbstverwirklichung) hinaus führt Opaschowski (1976a, S. 24) in Anlehnung an Dahrendorfs Freiheitsbegriff von 1959 den problematischen und assertorischen Freizeitbegriff an. Die beiden Begriffe sollen die Unterscheidung zwischen dem möglichen und dem tatsächlichen Freizeitverhalten deutlich machen. Diese Differenzierung erscheint insbesondere mit Blick auf freizeitpolitische Forderungen relevant. Während ersterer lediglich im Sinne infrastruktureller Veränderungen einen Raum für freie Zeit schafft, wird beim assertorischen Freizeitbegriff nach Beseitigung von Zwängen etc. auch die Unterstützung des Einzelnen zur Wahrnehmung seiner Selbstverwirklichungschancen im Sinne einer „bedürfnisorientierten Politik“ zur politischen Aufgabe erklärt. Insgesamt zeigt der wissenschaftliche Freizeitdiskurs der 1960er/70er Jahre des 20. Jhs., die ersten theoretischen Versuche zur Bestimmung der Freizeit setzen sich alle mehr oder weniger mit dem Verhältnis von Freizeit und Arbeit auseinander. So lassen sich weitere Ansätze anführen, die Freizeit im deutlichen Kontrast zur Arbeit definieren (Kontrasttheorie), und andere, die Freizeit als arbeitsähnlichen Lebensbereich beschreiben (Kongruenztheorie). Einige wenige Ansätze versuchen Freizeit und Arbeit als unabhängige Lebensbereiche zu bestimmen. So wird die Freizeit z.B. als Zeit für Erholung (Erholungstheorie) oder als Kompensationszeit oder Konsumzeit beschrieben (vgl. Opaschowski 1976, Tokarski 2001). Die dualistische Sichtweise von Arbeit und Freizeit greift jedoch zu kurz. Folgt man Nahrstedts gut begründetem Ansatz zur Entstehung der Freizeit, so entstand „die Freizeit durch die Aufklärungsbewegung seit der 2. Hälfte des 18. Jhs. (…), (die, R.F.) durch die Industrialisierung seit der 2. Hälfte des 19. Jhs. aber erst eine umfassende soziale Verbreitung erlangen konnte“ (1972, S. 17). Mit dem Konzept der Aufklärung, wird an der „europäischen Freiheitsidee“ (Nahrstedt 1990, S. 83) angeknüpft, die einen positiven Kern hat. In dem Wort Freizeit ist das Moment der Freiheit der Zeit begründet. Die Freiheit über die Zeit ist für Nahrstedt das bestimmende Element der Freizeit. Die Idee der Freiheit wird mit der modernen Freizeit in ein zeitformales Konzept transformiert. Zugleich ist sie damit im Vergleich zu älteren Modellen auch demokratisiert worden. War die Freiheit der Zeit zunächst auf die bürgerliche Freiheit bezogen, so wurde sie im weiteren Verlauf der Geschichte auf die Arbeiter und dann auf alle Gruppen in industrialisierten Ländern übertragen (vgl. Nahrstedt 1974, S. 13). Die Förderung der Fähigkeit zur selbstbestimmten Gestaltung der Freizeit wird von ihm in erziehungswissenschaftlicher Perspektive denn auch als zentrales Lernziel formuliert. Giesecke (1983) knüpft insofern an Nahrstedt an, als er die Entstehung der modernen Freizeit in der Industrialisierung (19. Jh.) verortet. Er vertritt einen sozialpolitischen und eher pragmatischen Ansatz. Erst mit den sozialpolitischen Errungenschaften der Gewerkschaften im Kampf um Arbeitszeitverkürung gewinnt auch der Arbeiter Freizeit. Mit der industriellen Arbeit erfolgt eine klare räumliche Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsbereich und damit zwischen Arbeitszeit und moderner Freizeit.

22

3.1.2

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Freizeitumfang und Freizeitfunktionen

Zu Beginn der Industrialisierung konzentrierte sich mit dem 16-Stunden-Arbeitstag noch das ganze Leben auf die Arbeit. Lediglich der Sonntag war frei von Arbeit. Mit der schrittweisen Kürzung der Arbeitszeit wird jedoch die Freizeit zunehmend im sozialen Alltag relevant. 1918/19, nach dem ersten Weltkrieg, wurden der 8-Stundentag und die 48-Stundenwoche gesetzlich eingeführt (vgl. Opaschowski 1995, S. 14ff). Einen Urlaubsanspruch gab es zunächst nur für die Beamten. Ab 1910 standen den Arbeitnehmern durchschnittlich 5 freie Tage im Jahr zur Verfügung. In der 1950ern erfolgte schrittweise die Einführung der 5-TageWoche, 1965 wurde die 40-Stundenwoche und in den 1990ern überwiegend die 38,5Stundenwoche eingeführt (varriiert etwas nach Branche und Bundesland, vgl. Opaschowski et al. 2006). Der Urlaubsanspruch wurde von 10 Tagen in 1940 auf aktuell durchschnittlich 6 Wochen erhöht. Das durchschnittliche Renteneinrittsalter liegt bei nur mehr 58 Jahren, und das bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 77 Jahren bei Männern und 82 Jahren bei Frauen (s. Kap. 3.7.1). Früher (um 1900)

Gestern (um 1980)

Heute (um 2000)

Morgen (um 2020)

Lebenszeit: Ca. 440.000 Stunden

Ca. 610.000 Stunden

Ca. 690.000 Stunden

Ca. 730.000 Stunden

255.000 Stunden

270.000 Stunden

290.000 Stunden

75.000 Stunden

70.000 Stunden

60.000 Stunden

350.000 Stunden

380.000 Stunden

Davon: Obligationszeit/ Zeit für Grundbedürfnisse (essen, schlafen u.a.) 180.000 Stunden Beruf & Schule 150.000 Stunden

Freizeit/ frei verfügbare Zeit (Dispositionszeit) 110.000 Stunden

280.000 Stunden

Abb. 4 Freizeitanteil in der Lebenszeit (Popp 2005, S. 240 in Anlehnung an Opaschowski 1998, S. 26)

Die Freizeit entwickelte sich über die Erhöhung der Tages-, Wochen-, Jahres- und Lebensfreizeit zu einem wichtigen individuellen und gesellschaftlichen Lebensbereich. Laut aktueller OECD-Studie (2009) verfügen die Deutschen im Durchschnitt über 6,34 Stunden tägliche Freizeit. Sicherlich muss hier zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen differen-

3.1 Begriffsbestimmung und systematische Einordnung

23

ziert werden, und auch ist die Basis der Datengewinnung nicht ganz klar. Doch verweist der Freizeitumfang auf einen Zeitbereich mit hoher individueller und gesellschaftlicher Bedeutung. Sicherlich dürfen in diesem Zusammenhang auch die krisenhaften Entwicklungen nicht vernachlässigt werden. Arbeitslosigkeit, Beschäftigungs- und Finanzkrise führen u.a. zu Diskussionen über die Erhöhung des Rentenalters. Eine schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 Jahren auf 67 Lebensjahre wurde von der Politik bereits beschlossen. Der Vorstand des deutschen Mittelstands plädiert aktuell in der Presse für die ‚Opferung‘ eines Urlaubstages, um die finanziellen Probleme zu überstehen. Doch zeigen die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte auch, die Freizeit hat einen hohen eigenständigen qualitativen Wert für Individuum und Gesellschaft. Neue Formen der Verbindung von Arbeit und Freizeit werden sich entwickeln. Die Abb. 4 verdeutlicht wie sich der Freizeitanteil am Gesamtlebenszeitbudget im Laufe des vergangenen Jahrhunderts in beeindruckender Weise erhöht hat (Tendenz steigend). Mit der quantitativen Bedeutungszunahme der Freizeit wächst die qualitative (positive) Bedeutung der Freizeit. Diente die wenige von Arbeit freie Zeit zu Beginn der Industrialisierung noch weitgehend der Funktion der Erholung und Regeneration der Arbeitskraft, so konnte sich mit der Zunahme der Freizeit auch die Positivbestimmung der Freizeit als Zeit, die ‚frei für etwas‘ ist, weiter durchsetzen. Als Leitziel wird die Selbstbestimmung und Emanzipation bestimmt. Als weitere zentrale Funktionen der Freizeit lassen sich nennen:   

Freizeit als Eigenzeit Freizeit als Sozialzeit Freizeit als Bildungszeit.

Freizeit als Eigenzeit meint, sich Zeit zu nehmen, persönliche Zeiten der Entspannung und Ruhe, aber auch des Nichtstuns und des sich Wohlfühlens im Sinne erfüllter Zeit. Freizeit als Sozialzeit bezieht sich auf gesellige und unterhaltende Aktivitäten mit Freunden, Familie, Kollegen, wie aber auch auf Engagement für die Gemeinschaft. Freizeit als Bildungszeit umfasst weiterbildende und kulturelle Aktivitäten im Sinne eines lebenslangen Lernens und kultureller Bildung. Diese Funktionen ließen sich in Anlehnung an andere Autoren noch erweitern. Doch zeigt sich hier oftmals eher eine Orientierung an einzelnen bzw. gebündelten Freizeitaktivitäten. Opaschowski (1995, S. 52ff) nennt auf Basis von Umfrageergebnissen zu den Freizeitaktivitäten zusätzlich Konsumzeit (z.B. ins Kino gehen, Shoppen gehen), Aktivzeit (z.B. Hobbys, Gartenarbeit) und Medienzeit (Fernsehen, Zeitung/Zeitschriften lesen, Radio hören). Sie scheinen jedoch zum einen eher quer zu den bereits genannten Funktionen zu liegen. So kann Erholung oder Entspannung auch parallel zum Radio hören oder beim Lesen eines guten Buches erfolgen bzw. sogar die Entspannung besonders befördern. Eigenzeit kann auch in Gartenarbeit zum Ausdruck kommen. Und das Konsumieren einer Massage kann sehr wohl mit Wohlfühlzeit verbunden sein. Zum anderen fließt als Schwierigkeit der Abgrenzung der Aktivitäten eine subjektive Komponente ein. Denn letztlich hängt das, was als Freizeit bestimmt wird, vom subjektiven Erleben ab. Und die Praxis zeigt, Betreuungs-, Pflegezeiten oder berufliche Fortbildung werden eher nicht als Feizeit empfunden.

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Systematisch lassen sich mit Blick auf die historisch-gesellschaftliche Entwicklung und die Bedeutung von Freizeit insbesondere Freizeit als Konsumzeit und Freizeit als Erlebniszeit als weitere wichtige Freizeitfunktionen, zusätzlich zu den genanten vier Kernfunktionen, abgrenzen. Die 1960er/70er Jahre sind vor allem durch die Konsum- und die 1980/90er Jahre durch die Erlebnisorientierung geprägt. Sie sind nach wie vor relevant und gehen auch im Sinne des Erlebniskonsums Verbindungen ein (vgl. Opaschowski 1990, 2008b). Mit der Bedeutungszunahme des lebenslangen Lernens und dem Übergang in die Wissensgesellschaft (vgl. Brinkmann 2000, Nahrstedt et al. 2002) entstehen zunehmend auch neue hybride Verknüpfungen von Erlebnis, Konsum und Lernen/Bildung (vgl. Freericks et al. 2005a; s. auch Kap. 3.6). Die Definition von Freizeit, auf die sich die Freizeitwissenschaft und -forschung weitgehend verständigt hat, ist die von Opaschowski (1990). Sie umgeht die Schwierigkeiten der Freizeitbestimmung auf interindividueller Ebene und rückt von einer nur arbeitspolaren Begriffsbestimmung der Freizeit ab. Opaschowski unterteilt die gesamte Lebenszeit in drei Zeitbereiche: Determinationszeit, Obligationszeit und Dispositionszeit. „Je nach vorhandenem Grad an freier Verfügbarkeit über Zeit und entsprechender Wahl-, Entscheidungs- und Handlungsfreiheit lässt sich die gesamte Lebenszeit als Einheit von drei Zeitabschnitten kennzeichnen: 1. 2. 3.

der frei verfügbaren, einteilbaren und selbstbestimmbaren Dispositionszeit (= ‚Freie Zeit‘ - Hauptkennzeichen: Selbstbestimmung); der verpflichtenden, bindenden und verbindlichen Obligationszeit (= ‚Gebundene Zeit‘ Hauptkennzeichen: Zweckbestimmung); der festgelegten, fremdbestimmten und abhängigen Determinationszeit (= ‚Abhängige Zeit‘ - Hauptkennteichen: Fremdbestimmung)“ (Opaschowski 1990; S. 86, Herv. i.O.).

Zur Determinationszeit zählen alle Pflichtzeiten, wie z.B. auch die Schulzeiten. Die Obligationszeit umfasst eher notwendige als freie Tätigkeiten. Sie können z.T. in Bezug auf Lage und Dauer selbstbestimmt werden, und sie lassen sich z.T. mit anderen Aktivitäten kombinieren (z.B. beim Bügeln Fernsehen oder im Wartezimmer beim Arzt Zeitschriften lesen). Die Dispositionszeit (zuvor auch ‚eigentliche‘ Freizeit genannt, s. o.) ist die Zeit mit einem sehr hohen bis hohen Grad an Freiheit über die Zeit. Sie ist der Zeitraum der auch im Alltagsverständnis für selbstbestimmte Tätigkeiten zur Verfügung steht. Müller knüpft hier an: Freizeit „ist jener Teil der Lebenszeit, der sich durch einen hohen bis sehr hohen Grad an individueller Entscheidungs- und Handlungsfreiheit auszeichnet“ (Müller, H. 2002, S. 41). Als Hintergrund wird zudem das ‚Konzept der Zeitautonomie‘ angeführt (vgl. Müller, H. 2002 nach Kramer 1990, S. 34). Es stellt den Versuch dar, alle Zeit bzw. alle Tätigkeiten nach dem Grad der Autonomie zu strukturieren. Auf einer fünfer-Skala (sehr gering, relativ gering, mittel, relativ hoch, sehr hoch) mit den Extremen „vollständig fremdbestimmte Zeit“ und „vollständig autonome Zeit“ lassen sich die Zeitabschnitte und alle Tätigkeiten entsprechend einstufen (Abb. 5). In der Freizeitforschung haben sich die drei- oder fünfstufige Einteilung bewährt. Auch werden entsprechende Aktivitätenlisten oder Aktivitätsbereiche in Umfragen vorgegeben. Auffällig ist, dass insbesondere der Anteil an ‚Obligationszeit‘ (Be-

3.1 Begriffsbestimmung und systematische Einordnung

25

treuungsleistungen, Technik, Fortbildungen) zugenommen hat. Das subjektive Erleben von Zeitnot (vgl. Müller-Wichmann 1984, 2004) und Zeitbindung (vgl. Benthaus-Apel 1995) spiegelt sich hier wieder. Vollständig fremdbestimmte Zeit

Sehr geringe Zeitautonomie

Determinationszeit

(Zeitpunkt u. Dauer weitgehend festgelegt, z.B.: Militär, Schule)

Relativ geringe Zeitautonomie (z.B.: abhängige Beschäftigung, Betreuung)

Obligationszeit

Mittlere Zeitautonomie (z.B.: Schlafen, Vereinsarbeit, freischaffende Erwerbsarbeit)

Relativ hohe Zeitautonomie (z.B.: Veranstaltungsbesuch, Treffen, Fernsehen)

Dispositionszeit Sehr hohe Zeitautonomie (z.B.: lesen, Video, CD- Musikhören) Vollständig autonome Zeit Abb. 5 Freizeit und Zeitautonomie (eigene Darstellung in Anlehnung an Opaschowski 1990, Müller, H. 2002 und Kramer 1990)

Mit der Begriffsbestimmung wird zum einen dem demokratischen Anspruch alle Bevölkerungsgruppen einzubeziehen (Schüler, Rentner etc.) gerecht und zum anderen wird nicht nur der Arbeitszeitverkürzung seit Ende des 19. Jhs., sondern auch der Zeitflexibilisierung in unserer Gesellschaft Rechnung getragen. Mit dem Konzept der Lebenszeit und Zeitautonomie wird zunehmend die Zeit in den Mittelpunkt freizeitpädagogischer und freizeitwissenschaftlicher Analysen gerückt (zum zeittheoretischen Ansatz vgl. Nahrstedt 1990, Freericks 1996 und Kap. 3.6.2) Nur ein geringer Prozentsatz der Erwerbstätigen arbeitet zur so genannten Normalarbeitszeit (Montag bis Freitag von 7 bis 16 Uhr). Untersuchungen zeigen, bereits in den 90ern waren drei Viertel der Erwerbstätigen in flexiblen Arbeitszeitstrukturen beschäftigt (Abb. 6). Zudem arbeiten immer weniger Menschen in festen bzw. langfristigen Anstellungen. Im Gegenteil: Flexibilität und Mobilität werden als Schlüsselkompetenzen am Arbeitsmarkt gefordert.

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

befristet (7%) 41 Std. und mehr (15%) Teilzeit (15%)

Normalarbeitszeit Höchstens (24%)

Gleitzeit (19%) Schicht (19%) Sonntag mind. geleg. (23%)

Samstag mind. geleg. (78%)

Mindestens (76%)

Von Norm abweichende Arbeitszeiten Abb. 6 Normalarbeitszeit und abweichende Arbeitszeiten (Garhammer 1994, S. 64 und 1993, S. 45)

Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verwischen immer mehr, so ist es u.a. zunehmend schwerer, von so genannter Wochenendfreizeit zu sprechen. In der Freizeit wird über Stress etc. geklagt. Während der Arbeitszeit können bisweilen auch freie Zeitanteile zur Verfügung stehen, oder es werden in der Arbeit Freizeitwerte wie Spaß, soziale Kontakte, Selbst-aktiv-sein gesucht. Werte wie Leistung und Pflicht werden damit nicht aufgegeben, sondern gehen eine neue enge Verbindung mit den Freizeitwerten ein. Arbeit und Freizeit werden nicht mehr als zentrale Gegensätze betrachtet. Es lässt sich zwar nach wie vor von Tagesfreizeit, Wochenfreizeit, Jahresfreizeit und Lebensfreizeit sprechen. Doch wird der so genannte Feierabend, das Wochenende, der Jahresurlaub oder der Ruhestand immer mehr zersplittert und ausdifferenziert. Die Freizeit im Wochenverlauf kann auch am Dienstag oder Mittwoch liegen, je nach Lage der wöchentlichen Arbeitszeit. Der Ruhestand kann mit freiwilliger Arbeit oder Jobs gefüllt sein. Für den einen mag der Ruhestand bereits mit Mitte Fünfzig beginnen, der andere ist vielleicht noch mit 70 Jahren beruflich engagiert. Die starren Zeitstrukturen der Gesellschaft lösen sich immer mehr auf. Es entwickelt sich eine neue Zeitkultur in der Gesellschaft. In Folge flexibler Arbeitszeitstrukturen wie Gleitzeit, Teilzeit, Schichtarbeit, Sabatical Year u.a. und veränderter Bedürfnislagen werden Öffnungszeiten von Geschäften und Behörden verlängert. Selbst Schulen haben mit neuen Konzepten wie verlässliche Halbtagsschule und Ausbau von Ganztagsschulen ihre Zeiten erwei-

3.2 Entwicklung der Freizeitpädagogik

27

tert. Weiterbildungs-, Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen erweitern ihre Angebotszeiten, und die Medien senden Tag und Nacht. Die Lange Nacht der Museen, Weiterbildungskurse am Wochenende oder am Vormittag sind u.a. Beispiele für die Entwicklung neuer Zeitmuster. Rinderspacher (1987) spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Rundum-die-Uhr-Gesellschaft“. Mit der Auflösung starrer und fester Zeitstrukturen entsteht eine neue Variabilität individueller und gesellschaftlicher (Frei-)Zeitmuster im Tages-, Wochen-, Jahres- und Lebensverlauf. Zeitsynchronisation wird hier zu einer wichtigen Gestaltungsaufgabe. Individuelle Zeitpräferenzen bzw. –wünsche gilt es in der Freizeitpraxis zu berücksichtigen. Für den Einzelnen erscheint die subjektive Bewertung im Sinne von Enbloc-Zeiten wesentlich, d.h. dass die freien Zeiten nicht in viele kleine unzusammenhängende Zeitteile zersplittert werden, sondern genügend Zeit bieten, um dem Erholungsbedürfnis entgegen und darüber hinaus Freizeit-, Kultur- und sozialen Bedürfnissen nachzukommen (vgl. Garhammer et al. 1993, Freericks 1996, Dollase et al. 2000).

3.2

Entwicklung der Freizeitpädagogik

Freizeitpädagogik ist eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaft. „Sie stellt disziplinär betrachtet (…) eine Spezialisierungsrichtung innerhalb einer plural gedachten Erziehungswissenschaft dar, die mit einer eigenen (alternativen) Pädagogik“ auf individuelle und gesellschaftliche Problemlagen im Kontext von Freizeit reagiert (vgl. Fromme 2001a, S. 610). Sie ist für einen speziellen Problembereich zuständig, der in den anderen speziellen oder allgemeinen ‚Pädagogiken‘ (vgl. Paschen 1997) nicht ausreichend thematisiert wird. Begründet wird sie insofern über den spezifischen Problembereich Freizeit wie auch als pädagogische Alternative insbesondere zur Schulpädagogik. Die Abgrenzung zur Schulpädagogik erfolgt u.a. über den Ansatz einer spezifischen Freizeitdidaktik (vgl. Opaschowski 1990). Freizeitsituationen erfordern ein besonderes pädagogisches Handeln.

3.2.1

Entstehung und historische Phasen

Die Entwicklung der Freizeitpädagogik ist direkt mit der Entstehung und Entwicklung von Freizeit verbunden. Mit der Entstehung größerer zeitlicher Freiräume in der Phase der Industrialisierung werden sowohl Chancen als auch Probleme der Freizeit thematisiert. Ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, dass bereits vor dem 1. Weltkrieg erste Auseinandersetzungen mit der Gestaltung der Freizeit erfolgten. Es wurden vor allem zwei Bevölkerungsgruppen besonders in den Blick genommen: die Arbeiterschaft und die Jugend. Für erstere sollten vor allem alternative Angebote zum Alkoholkonsum im Wirtshaus erstellt werden. Der Jugend sollten vor allem im Sinne eines ‚erzieherischen‘ Anspruchs Fähigkeiten zur Freizeitgestaltung vermittelt werden (vgl. Reulecke 1982, Giesecke 1983). In der Weimarer Zeit setzen sich diese ‚Bewegungen‘ fort. Pädagogische Einrichtungen begannen verstärkt Freizeitangebote zur Verfügung zu stellen. Eine besondere Rolle kam hier den Jugendverbänden und -vereinen zu. Durch Freizeitgestaltung in der Gemeinschaft sollte implizit ‚sinn-

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

volle‘ Freizeitgestaltung erlernt werden. Als ein weiterer freizeitpädagogisch relevanter Bereich ist die einsetzende Wanderbewegung vor allem junger Menschen zu nennen. Es fanden kurzeitpädagogische Maßahmen in Landschulheimen, Jugendherbergen und Heimvolkshochschulen statt. Im gemeinsamen Erleben auf ‚Jugendfreizeiten‘ wurde ein eigener pädagogischer Wert erkannt. Die erlebnispädagogischen Kurzschulen Kurt Hahns spiegeln diesen Ansatz wieder (vgl. Schwarz 1968). Fritz Klatt war es jedoch, der als erster das Lernpotenzial auf Freizeiten explizit zum Gegenstand freizeitpädagogischer Betrachtung erhob. Seine Erfahrungen beruhen auf der mehrjährigen Leitung eines Volkshochschulheims in Prerow auf der Ostseeinsel Darß. Die besondere Lernsituation fern der täglichen Berufszwänge der berufsgebundenen jungen Menschen ermöglichte ein Lernen in der Freizeit mit unterschiedlichen Lernzielen und –inhalten und einer besonderen Zeitstruktur. Er führte erstmals den Begriff der ‚Freizeiterziehung‘ ein (vgl. Klatt 1921, 1971), die jedoch nach wie vor dem Beruf, der Arbeit dienen sollte. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme veränderten sich die Freizeitbedingungen grundsätzlich. Alle bisherigen demokratischen Bestrebungen und vielfältigen Bewegungen in der Freizeit kamen zum Erliegen. Es wurden kaum andere Organisationen neben der staatlichen NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF, gegründet 1933) geduldet. Es erfolgte eine umfassende staatliche Kontrolle und Organisation der Freizeit im Sinne der NS-Ideologie. Bisherige Jugendorganisationen wurden aufgelöst oder gingen in die HJ (Hitler Jugend) über. Da jedwedes demokratische Freiheitsdenken damit vernichtet wurde, spricht Nahrstedt (1990, S. 105) hier von einer Pervertierung der Freizeitgestaltung und einer faktischen Vernichtung der Freizeitpädagogik. Nach 1945 starteten die Diskussionen zur Freizeitpädagogik erneut. Die Weiterentwicklung nach dem 2. Weltkrieg soll hier kurz in Anlehnung an Nahrstedt (1990, S. 108ff) skizziert werden. Er zeichnet die Entwicklung in vier Phasen nach:    

Progressive Freizeitpädagogik (1945-1966) Emanzipatorische Freizeitpädagogik (1967-1979) Innovatorische Freizeitpädagogik (seit 1980) Postmoderne Freizeitpädagogik als Perspektive?

Die Progressive Phase ist gekennzeichnet vom Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und ersten Modernisierungen. Die Arbeitsorientierung steht im Zentrum, doch werden zunehmend aus der Freizeit heraus die traditionellen Wertorientierungen in Frage gestellt. Die Phase erscheint progressiv, da „schrittweise die Freizeit als eigenständiger Ausgangspunkt für die Freizeitpädagogik entdeckt“ wird (Nahrstedt 1990, S. 109, Herv. i.O.). Freizeit wird als Erholungszeit, als Mußezeit und mit der expandierenden Freizeit- und Konsumindustrie auch als Konsumzeit diskutiert. In der emanzipatorischen Phase wurde vor allem eine politische Perspektive entwickelt. In Orientierung an den erziehungswissenschaftlichen Diskussionen wird der Emanzipationsbegriff der Kritischen Theorie rezipiert. Im Kontext von Systemkritik wird eine demokratische Freizeitpädagogik gefordert, die auch mögliche Entfremdungen in der Freizeit thematisiert und die Entwicklung von Handlungskompetenzen (z.B. Fähigkeit zur Option, zur Selbstbestimmung) fördert. Die Realität der Freizeitpraxis (z.B. Kinderspiel-

3.2 Entwicklung der Freizeitpädagogik

29

platzbewegungen, Bürgerbewegungen) und Freizeitsozialisation wird zum Ausgangspunkt gewählt. Mit anderen Worten, die Lebenswelt jenseits des ökonomischen und staatlichen Systems. Animation und Soziokultur werden zu Leitbegriffen. Die empirischen Untersuchungen des BAT Freizeitforschungsinstituts (jetzt: Stiftung für Zukunftsfragen) zeigen, der freizeitkulturelle (erlebnisorientierte) Lebensstil setzt sich immer mehr gegen die Arbeitszentrierung durch. Die innovatorische Phase bezeichnet „die neue Aufgabe der Freizeitpädagogik (…) an der Entwicklung freizeitorientierter Lebensstile und selbstorganisierter Freizeitkultur mitzuwirken“ (ebd., S. 128, Herv. i.O.). Sie bringt selbst freizeitkulturelle Konzepte und Projekte hervor. Neben empirische Freizeitforschungen treten zunehmend handlungsorientierte Forschungsansätze. Freizeit wird für einen großen Teil der Bevölkerung zum zentralen Lebensbereich. Das Emanzipationsziel verliert seine Leitfunktion, wird aber nicht gänzlich verdrängt. Mit der angedeuteten postmodernen Phase verweist Nahrstedt auf grundlegende Veränderungsprozesse in Gesellschaft und Wissenschaft und auf erste Auseinandersetzungen mit postmodernen Theorieansätzen. Gesellschaftsdiagnosen wie Pluralisierung, Beliebigkeit und Vielfalt werfen die Frage auf, welche Folgen damit verbunden sind. Angebotsvielfalt und plurale Lebensstile (vgl. Schulze 1992, Cantauw 1995) verweisen u.a. auf neue Anforderungen an die Freizeitpädagogik bzw. Freizeitwissenschaft (zur Rezeption der Postmoderne in der Freizeitpädagogik vgl. Fromme 1997). Mit Opaschowski (1990, S. 13) lassen sich die Entwicklungsphasen mit folgenden Slogans kurz zusammenfassen:    

Erholungsorientierte Freizeitphase (1945 bis in die 1950er): „Arbeiten und sein Glück machen“ Konsumorientierte Freizeitphase (1960er und 1970er Jahre): „Konsumieren und sein Vergnügen haben“ Erlebnisorientierte Freizeitphase (1980er Jahre): „Erleben und einen eigenen Lebensstil finden“ Muße/zeitorientierte Phase (1990er Jahre): „Zur Ruhe kommen und Zeit für sich selber finden “.

Sie decken sich weitgehend mit der Struktur von Nahrstedt. Das aktuelle Jahrzehnt lässt sich in der Beschreibung fortsetzen. Die aktuelle Phase kann hier umschrieben werden als zeitund sinnorientierte Phase. Sie ist nach wie vor geprägt vom anhaltenden Streben nach Eigenzeit und Entschleunigung, das u.a. in dem Megatrend Wellness seinen Ausdruck findet. Zunehmend wird damit aber auch die Frage nach dem Lebenssinn gestellt. Die Erlebnisorientierung der Spaßgesellschaft (vgl. BAT Freizeit-Forschungsinstitut 2001) bzw. der Erlebnisgesellschaft (vgl. Schulze 1992) wird nicht völlig abgelöst von neuer Bescheidenheit und Askese, sondern sie wird ergänzt um ‚neue‘ ethische Fragestellungen. Neben die Stelle der tradierten protestantischen Arbeitsethik und der Ästhetisierung des Alltagslebens tritt eine ‚andere‘ Freizeitethik (vgl. Fromme/Freericks 1997). Sie ist u.a. gekennzeichnet durch soziale und ökologische Verantwortung und durch neue Verbindungen von Unterhaltung/Spaß, Konsum und Bildung.

30

3.2.2

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Wechselverhältnis von Freizeit und Lernen

Nach Fromme (2001a) knüpft die Freizeitpädagogik in zweifacher Weise an die Entstehung von Freizeit an. Erstens setzt sie sich mit einem Lernen für die Freizeit auseinander. Es sollen notwendige Fähigkeiten zur Gestaltung der Freizeit vermittelt werden. Dabei kann ein normativer oder auch ein eher adressatenorientierter Ansatz gewählt werden. Geht es auf der einen Seite um die Förderung eines ‚sinnvollen‘ und kultivierteren Freizeitverhaltens, so werden auf der anderen Seite eher offenere Ziele formuliert wie die Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Zweitens wird ein Lernen in der Freizeit thematisiert. Es werden Lernangebote konzipiert und der Einzelne wird zur Angebotsteilnahme ermutigt bzw. angeregt. Unterscheiden lassen sich hier die ‚planmäßigen‘, eher schulähnlichen Angebote (die meisten Angebote der Erwachsenen- und Weiterbildung finden in der Freizeit statt) und die offeneren Lernangebote, die durch selbstbestimmtere Formen gekennzeichnet sind und einen eigenen Typus der Freizeitpädagogik präsentieren (z.B. in Museen, auf Reisen). Der Freizeitkontext stellt besondere Anforderungen an die Gestaltung der Lernangebote. Folgerungen für das pädagogische Handeln werden in diesem Zusammenhang diskutiert. In den letzten Jahren hat sich vor allem dieses Aufgabenfeld enorm ausgeweitet. Die Freizeitpädagogik setzt sich entsprechend besonders mit den Anforderungen einer freizeitgemäßen Gestaltung von Lernund Bildungsangeboten bzw. -situationen auseinander. Hierzu zählen auch informelle Lernprozesse in der Freizeit, wie z B. das beiläufige Lernen oder das etwas bewusstere selbstgesteuerte Lernen (vgl. Dohmen 1999, Brinkmann 2000), die ohne direkte pädagogische Unterstützung stattfinden (wird auch z.T. als Freizeitsozialisation beschrieben). Es geht hierbei nicht um eine pädagogische Vereinnahmung, sondern vielmehr um die Entwicklung geeigneter Begleitkonzepte. Auf das informelle Lernen in der Freizeit wird mit Blick auf die hohe Bedeutung in der Freizeitwissenschaft und der Aktualität des Themas in Wissenschaft und Politikgesondert eingegangen (s. Kap.3.5). Das Lernen in der Freizeit und das Lernen für die Freizeit finden sowohl in klassischen pädagogischen Einrichtungen (Schule, Weiterbildung, Jugendheim etc.) als auch in spezifischen freizeitpädagogischen Feldern (Jugendfreizeitstätte, Museum, Kurbetrieb etc.) oder in Freizeiteinrichtungen (Freizeitpark, Freizeitvereine etc.) statt. Eine strikte Trennung zwischen den beiden Ansätzen kann in der Praxis in der Regel nicht gezogen werden, meist ergänzen sie sich gegenseitig. Wichtiger Vertreter des ersten Ansatzes ist Nahrstedt (1990). Er formuliert die Vermittlung von Freizeitkompetenz im Sinne der Befähigung zur selbstbestimmten Gestaltung der Freizeit zum grundlegenden Lernziel der Freizeitpädagogik. In Erweiterung der Freizeitpädagogik um eine zeittheoretische Perspektive (s. auch Freericks 1996) wurde darüber hinaus das Lernziel Zeitkompetenz formuliert. „Zeitkompetenz bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen, selbstbestimmt und eigenverantwortlich die Lebenszeit zu gestalten“ (Freericks 1996, S. 46). In Anlehnung an die verschiedenen Zeitdimensionen (soziale, psychologische, organische Zeit) unter Bezugnahme auf Organismus, Individuum und Gesellschaft wurden fünf Facetten der Zeitkompetenz differenziert (Abb. 7). Der reflexive Umgang mit Zeit impliziert eine neue Bewusstheit der unterschiedlichen Zeitsysteme und –anforderungen mit dem Ziel, Zeit als erfüllt erleben zu können.

3.2 Entwicklung der Freizeitpädagogik

Gesellschaft

31

Individuum

Organismus

Zeitbewusstsein Organische Zeit Zyklische Zeit Lineare (physik.) Zeit Abstrakte Zeit

Umgang mit Zeit (aktional)

Zeiterleben (emotional)

zyklisch

Dynamische Zeit Zeitperspektive (kognitiv)

Soziale Zeit

Soziale Zeitkompetenz

Psychologische Zeit

Aktionale Zeitkompetenz

Kognitive Zeitkompetenz

Organische Zeit

Emotionale Zeitkompetenz

Organische Zeitkompetenz

Reflexive Zeitkompetenz Abb. 7 Zeitkompetenz (Freericks 1996, S. 49)

Als Vertreter des zweiten Ansatzes Lernen in der Freizeit kann vor allem Giesecke genannt werden. Freizeitpädagogik umfasst für ihn „alle planmäßigen, absichtsvollen Lernangebote (…), die den Menschen in ihrer Freizeit gemacht werden, - gleichgültig, ob sie das dabei Gelernte für ihre Berufstätigkeit oder für ihre Freizeit verwenden“ (Giesecke 1989, S. 129, Herv. i. O.). Es ist dabei unwichtig, ob kommerzielle oder gemeinnützige Einrichtungen als Anbieter auftreten. Die freizeitpädagogischen Angebote sind Teil des Freizeitmarktes. Insofern werden spezifische Anforderungen an das pädagogische Handeln gestellt. Nach Hermann Giesecke sind „Pädagogen (…) professionelle „Lernhelfer“ (ebd. 1997, S. 15), die Lernen für jedwede Altersgruppe ermöglichen. Er unterscheidet fünf pädagogische Handlungsformen (Unterrichten, Informieren, Beraten, Arrangieren und Animieren), die unterschiedlich je nach Situation und beruflichem Kontext zum Einsatz kommen können. Insbesondere das Animieren und Arrangieren werden als Handlungsformen im Freizeitkontext hervorgehoben. Unterrichten wird insbesondere im schulischen Kontext genutzt. Es werden „relativ komplexe Sachzusammenhänge in einem längeren Argumentationsprozess anderen“ erklärt (ebd. 1997, S. 79). Es besteht in der Regel ein Wissensgefälle zwischen dem Lehrenden und dem Lerner. Die Inhalte sind meist abstrakt und nicht unmittelbar an das Alltagsleben gebunden.

32

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Das Informieren hingegen ist immer auf die aktuelle Lebenssituation bezogen, denn „wir brauchen Informationen, um uns in einer Situation richtig, angemessen oder wunschgemäß verhalten zu können“ (ebd. 1997, S. 84). Entscheidungen basieren auf (Sach-)Informationen, ebenso wie auf Beratungen. Beratungen sind jedoch individuell ausgerichtet, die Ratsuche als auch und die Lösungsentscheidung geht immer vom Ratsuchenden aus. Der Berater zeigt lediglich mögliche Wege auf. Beim Arrangieren geht es darum, Situationen so zu gestalten, dass Lernen ermöglicht wird. Dabei bleibt dem Lernenden überlassen, was und in welchem Umfang er lernt. Es wird lediglich ein Möglichkeitsraum geschaffen. Das Arrangieren bzw. das Arrangement ist vergleichbar mit dem heute vielfach verwendeten Begriff der Inszenierung. So wird u.a. von inszenierten Lernorten, Wissenswelten oder Erlebniswelten gesprochen (vgl. Freericks et al. 2005a). Im Gegensatz sowie in Ergänzung zum Arrangieren, richtet sich das Animieren auf den Versuch, andere zu bewegen, in einer gegebenen Situation Lernchancen zu nutzen. Animieren heißt vom Wortstamm soviel wie ‚beseelen‘, ‚Leben einhauchen‘ (vgl. Nahrstedt 1975). Animieren ist die Anregung zum aktiven Tun (vgl. Opaschowski 1979). Grundsätzlich kann zwischen personaler (der Animateur) und materialer Animation (Ausstellungsgegenstände, Schnupperangebote etc.) unterschieden werden. Giesecke (1997) grenzt die gesellige (Urlaubsanimation) und pädagogische Animation voneinander ab. In erlebnisorientierten Freizeitlernorten erscheint eine strikte Trennung jedoch wenig ratsam, zumal die Besuchermotive wie Geselligkeit und Unterhaltung in der Freizeit bestimmend sind und mit Blick auf eine freizeitgemäße Gestaltung der Lernsituation diese Motive nicht vernachlässigt werden sollten. In Erlebniswelten können die pädagogischen Handlungsformen in unterschiedlicher Weise und Gewichtung zum Zuge kommen. So finden wir z.B. in Formen der so genannten Zooschule im Zoo Osnabrück oder von Roboterworkshops im Legoland auch eine Form des Unterrichtens. Die so genannten ‚Lernhelfer‘, Scouts (im Universum Bremen), Phaenomen and Phaenowomen (im phaeno Wolfsburg) geben Workshops, animieren und regen zum Selbstausprobieren an. Sie geben bei Bedarf Erklärungen oder führen auch kleinere Showevents durch. Sie können auch bei individuellen Fragen oder Problemen beratend zur Seite stehen (z.B. besondere Angebote für spezielle Gruppen wie Schüler, Senioren etc). Beratungen im Sinne psychosozialer Probleme werden hier sicherlich weniger die Aufgabe sein. Die interaktiven Exponate (hands-on-Exponate) in der inszenierten, arrangierten Umgebung fördern das selbstgesteuerte Lernen. Informationen am Eingang und an weiteren Stationen helfen bei der Orientierung in der Einrichtung. Entsprechend der Zielgruppen und gewünschten (Lern-)Effekte können die pädagogischen Handlungsformen eingesetzt werden. Handlungsleitend für das pädagogische Handeln in Freizeitkontexten muss die Berücksichtigung der grundlegenden didaktischen Strukturmerkmale von Freizeit sein. Opaschwoski (1990) spricht hier auch von animativer Freizeitdidaktik. Animation ist insofern für ihn nicht nur eine Handlungsform neben anderen, sondern auch handlungsleitendes Konzept. Mit dem Konzept der Animation werden in besonderer Weise die spezifischen Bedingungen und Merkmale von Freizeitsituationen erfasst. Er hat hierbei insbesondere die Entwicklungen der Soziokultur (auch freizeitkulturelle Breitenarbeit) in den Blick genommen.

3.2 Entwicklung der Freizeitpädagogik

33

Zu den Strukturmerkmalen gehört: Die Teilnahmebedingungen Erreichbarkeit, Offenheit und Aufforderungscharakter der Freizeitsituation bzw. des Angebots sind zu gewährleisten. Freie Zeiteinteilung, Freiwilligkeit der Teilnahme und Zwanglosigkeit müssen als Voraussetzungen der Beteiligung erfüllt sein. Den Teilnehmern müssen Wahl-, Entscheidungs- und Initiativmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. Opaschowski 1990, S. 180). Das Merkmal Offenheit hat eine besondere Relevanz in der Freizeit. So lassen sich je nach situativem Kontext offene (Strand, Freizeitpark, Events) teiloffene (z.B. Kurse, Workshops z.B. an der VHS) und nichtoffene (geschlossene) Freizeitsituationen (Freizeitkontexte in der JVA) unterscheiden (vgl. Buddrus 1985). Besonders hohe Anforderungen der Planung und Gestaltung werden an die offenen Freizeitsituationen und -angebote gestellt. Sie bewegen sich per se auf dem Freizeitmarkt und konkurrieren mit all den anderen Angeboten. Offenheit bedeutet (in Anlehnung an Opaschowski 1990, S. 99):     

eine nicht genau einplanbare Teilnehmerzahl eine hohe Teilnehmerfluktuation Freiwilligkeit der Teilnahme, individuelle Verweildauer und Teilnahmeintensität unterschiedliche Erwartungen, Interessen, unterschiedliche Altersgruppen und soziale Herkunft der Teilnehmer sowie ständige Veränderungen der Situation durch spontane Bedürfnisse.

Opaschowski führt als freizeitpädagogische Methoden die informative Beratung, die kommunikative Animation und die partizipative Planung an (vgl. Opaschowski 1990, S. 168ff). Letztere weist ein Stück weit über die Handlungsformen von Giesecke hinaus. So wird zum einen auf die Beteiligung der Adressaten in Freizeitsituationen verwiesen und darüber hinaus werden auch administrative, organisatorische Aufgaben in den Blick genommen. Neben der inhaltsbezogenen didaktischen Gestaltung von Freizeitangeboten und entsprechender Methodik werden hohe Anforderungen an die zeitliche Gestaltung gestellt. Insbesondere bei der Planung und dem Managen von Freizeitprojekten und Events kommt der professionellen Zeitkompetenz eine hohe Bedeutung zu (vgl. Feericks 2003). Unterschiedliche individuelle Zeitpräferenzen potenzieller Besucher bzw. Teilnehmer müssen ebenso analysiert und berücksichtigt werden wie zahlreiche interne Planungsfaktoren der Einrichtung bzw. Anbieterseite und externe Einflussgrößen (s. Abb. 8). Aufgabe ist es, ein optimales Zeitfenster zu erschließen (vgl. Nahrstedt et al. 1997).

34

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft Zeitfenster im Wechselverhältnis mit anderen Planungsfaktoren PlanungsTradition Kollektive Zeitrhythmen

Folge für die Bildungsinstitution

Finanzen

Teilnehmer Zeitbudget Präferenzen

BildungsOrganisation

Zeitfenster Strukturelle Bedingungen ProjektPartner

RaumRessourcen

Inhalte

Dozenten

Strategisches Analyse- und Steuerungsinstrument

Abb. 8 Zeitfenster im Wechselverhältnis mit anderen Planungsfaktoren (Nahrstedt et al. 1997, S. 91 und 1998)

3.3

Perspektiven

Die letzten 30 Jahre sind von einer Vielzahl an Aktivitäten und wissenschaftlichen Veröffentlichungen geprägt (s. auch Fromme 2001a). Sie stellten für die Weiterentwicklung der Freizeitpädagogik und Freizeitwissenschaft eine erhebliche Bedeutung dar. So wurden in den 1970er Jahren die ersten Professuren für den Bereich Freizeitpädagogik besetzt (Bielefeld, Hamburg), und in Folge wurde 1978 die Kommission ‚Freizeitpädagogik‘ in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) gegründet. Ab 1979 erschien mit der ‚Freizeitpädagogik‘ eine eigene Fachzeitschrift. Es entstanden neue Freizeitforschungsinstitute wie z.B. in Hamburg das BAT Freizeitforschungsinstitut und in Bielefeld das Forschungsinstitut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit e.V. (IFKA), das seit 2003 seinen Sitz in Bremen hat. Deutlich wurde darüber hinaus eine zunehmende Pluralisierung und inhaltliche Ausdifferenzierung der Ansätze. Eine Studie zur Erfassung der Freizeitcurricula in Deutschland zeigt, dass Ende der 1980er Jahre bereits 52 freizeitbezogene Studiengänge existierten (vgl. Fromme u.a. 1990). Überwiegend handelte es sich dabei um spezialisierte Studienschwerpunkte,

3.3 Perspektiven

35

die sich vornehmlich auf ein Handlungsfeld der Freizeit fokussierten (Freizeitsport/ Bewegungskultur, Fremdensverkehrsgeografie/ Tourismusbetriebswirtschaft, Sozio-/ Alltagskultur, Jugendfreizeitarbeit/ Kulturarbeit/ Spielpädagogik). Studiengänge mit einer ganzheitlichen Ausrichtung auf verschiedene Freizeitfelder wie freizeitpädagogische oder freizeitsoziologische Curricula waren in der Minderheit. Eine Studie zur Erfassung der touristisch ausgerichteten Studiengänge wurde letztmalig 1994 durchgeführt (vgl. Nahrstedt et al. 1994a). Aktuell führt die „Kulturpolitische Gesellschaft“ in Deutschland eine Erhebung kulturbezogener Studiengänge durch, die Ergebnisse sollen in einer Datenbank veröffentlicht werden. Mit der Pluralisierung und Ausdifferenzierung der Studiengänge setzte auch eine Neuorientierung der Freizeitpädagogik in den 1990er Jahren ein. Freizeitpädagogik wird zunehmend als Querschnittsaufgabe definiert (vgl. Popp 1995). Sie ist nicht scharf von den anderen Pädagogiken zu trennen und auch nicht „für alle im Freizeitbereich ablaufenden Prozesse und deren pädagogische Implikationen allein zuständig“ (Fromme 2001a, S. 618, Herv. i.O.). Sie wird in diesem Sinne als „pädagogische Freizeitwissenschaft“ zwischen der Erziehungswissenschaft und Freizeitwissenschaft verortet (vgl. Fromme 2001a, 2001). Die 1990er Jahre lassen sich insofern als der Beginn der Etablierung einer interdisziplinären Freizeitwissenschaft deuten, zugleich aber auch als Einläuten eines Auslaufens der bisherigen Studiengänge der „Freizeitpädagogik“ (in Göttingen, Zwickau, Bielefeld und Hamburg). Z.T. wurden sie auch in Studiengänge mit anderer Schwerpunktsetzung überführt (z.B. im Bereich Interkulturelle Bildung, Erwachsenenbildung). Es ließen sich verschiedene Gründe auf wissenschaftlicher und politischer Ebene anführen, dies ist jedoch nicht Gegenstand dieser Einführung. Vielmehr wird hier eine neue Offenheit nicht nur gegenüber den anderen Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft, sondern auch gegenüber nicht-pädagogischen Disziplinen deutlich. Dies spiegelt sich u.a. auch in der Umbenennung der Zeitschrift ‚Freizeitpädagogik‘ seit 1995 in ‚Spektrum Freizeit‘ wider. Es wurde gemeinsam von Freizeit- und Tourismuswissenschaftlern die Deutsche Gesellschaft für Tourismuswissenschaft (DGT) gegründet. Außerdem hat die Kommission „Freizeitpädagogik“ ihren Namen in „pädagogische Freizeitforschung“ geändert. Sie war es schließlich auch, die die Einrichtung des ersten freizeitwissenschaftlichen Studiengangs 1998 in Bremen unterstützte. Hintergrund bildeten die Diskurse im Rahmen internationaler Initiativen, wie dem Erasmuskooperationsprojekt zur Entwicklung eines internationalen freizeitwissenschaftlichen Curriculums. Die konzeptionellen Ideen mündeten schließlich in die Gründung des Internationalen Studiengangs Angewandte Freizeitwissenschaft an der Hochschule Bremen ein, womit die Hochschule und das Land Bremen Weitsicht bewiesen haben. Denn die Bewerber- und die Absolventennachfrage sind nach wie vor ungebrochen hoch, mit weiterhin steigender Tendenz. Mit der zentralen Ausrichtung auf Freizeitpädagogik, Freizeitökonomie und Freizeitplanung/-politik/-ökologie wurden die handlungsorientierten Zugänge gesichert (vgl. Kap. 2). Mit der internationalen Ausrichtung sollte der bereits in den vergangenen Jahren begonnene Austausch mit der internationalen Freizeitwissenschaft weiter gefördert werden. Insbesondere im angelsächsischen Raum und in den Niederlanden haben sich freizeitwissenschaftliche Departments bzw. Studiengänge unter dem Namen ‚Leisure Studies‘ oder ‚Recreational and Leisure Studies‘ bereits seit längerem entwickelt (z.B. Griffith University; Australien, University of Waterloo; Kanada, University of Minissota; USA, Bradford College; England, Tilburg University;

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Niederlande). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die European Leisure Recreation Association (ELRA) und die World Leisure Recreation Association (WLRA). Der letzte Kongress der ELRA fand 2005 in Bremen statt, derzeit werden Überlegungen für eine Neuausrichtung vorgenommen. Die Rezeption der angelsächsischen Entwicklung der ‚Leisure Studies‘ mag ein Grund für die Entwicklung einer Freizeitwissenschaft im deutschsprachigen Raum gewesen sein, doch lassen sich zwei weitere anführen, die die Entwicklung vor allem befördert haben: Es hat sich gezeigt, dass es in den Arbeits- und Berufsfeldern der Freizeit komplexer Kompetenzen bedarf (Kap. 2), eine ausschließlich pädagogische Qualifikation reicht oftmals nicht aus. Insbesondere kaufmännische und planerische Kenntnisse werden gefordert. Nachhaltige bzw. zukunftsfähige Konzepte sind gefragt. Zudem bedarf es für die weitere Theorie- und Konzeptentwicklung umfassender Freizeitforschungen. Freizeit ist besonders stark kulturellen und sozialen Wandlungsprozessen ausgesetzt. Forschungen, die über rein pädagogische Fragestellungen hinausgehen, sind notwendig. Das BAT Freizeitforschungsinstitut sei hierfür beispielhaft genannt (Freizeitmonitor, Freizeit aktuell). Freizeitentwicklung und ihre Gestaltung stellen im Rahmen der zentralen Zukunftsbereiche ‚Erhöhung der Lebensqualität‘ und ‚Sicherstellung der Lebenserfüllung‘ (human fulfillment, Opaschowski 2008b, S. 710) wichtige Forschungs- und politische Aufgaben dar. Festzuhalten ist, es bedarf dringend weiterer freizeitwissenschaftlicher Forschungen. Die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie neue Armut, demografischer Wandel und lebenslanges Lernen, stellen die Freizeitforschung und Freizeitpraxis vor wichtige Aufgaben. Innovative Konzepte, um Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe aller zu gewährleisten zur Förderung einer zukunftsfähigen Gesellschaft, sind zu entwickeln. Europäisierung, Globalisierung erfordern angesichts globaler Problemlagen zunehmend international vergleichende und gemeinsame Studien. Auch Freizeitkonsum und Freizeitmobilität tragen mit ihren Folgen zum Klimawandel bei. Darüber hinaus darf aber auch die regionale und überregionale Perspektive nicht aus dem Blick geraten. Unterstützung der Wirtschaft und Kommunen bei freizeitinfrastrukturellen Planungen und Standortentwicklungen ist ebenso zu leisten wie das Erstellen von Strategien und die Durchführung von Beratungen und konkreten Angeboten zur Verbesserung der Lebensbedingungen und zur Lösung gesellschaftlicher und individueller Freizeitprobleme. Gut ausgebildete Freizeitwissenschaftler und Freizeitwissenschaftlerinnen werden hierfür benötigt. Insgesamt steht die Freizeitwissenschaft vor der Aufgabe, sich noch stärker national und international zu vernetzen. Kooperationen mit anderen freizeitbezogenen Studiengängen und Instituten sind zu erweitern, um die zahlreichen komplexen Aufgaben zu bewältigen. Die hohe individuelle und gesellschaftliche Bedeutung der Freizeit gilt es nicht nur in wissenschaftlichen sondern auch in politischen Kontexten stärker zu verankern. Kooperative Projekte, Tagungen oder Kongresse können hierzu beitragen.

3.4 Freizeitforschung

3.4

37

Freizeitforschung

An dieser Stelle kann keine Übersicht über alle Forschungsaktivitäten und Forschungsergebnisse der Freizeitwissenschaft der letzten Jahrzehnte gegeben werden. Ein kleiner Ausblick auf einige Forschungsinstitute (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) mag einen Eindruck vermitteln. Darüber hinaus sollen hier drei zentrale Forschungsstränge der Freizeitwissenschaft exemplarisch kurz skizziert werden: Zeitmusterforschung, Freizeitbildungsforschung und Zukunftsforschung. Auf die beiden Freizeitforschungsinstitute in Bremen und Hamburg wurde bereits kurz verwiesen. Während die Hamburger sich vor allem auf regelmäßige repräsentative Studien zu Freizeitaktivitäten und Zukunftsfragen konzentrieren, setzen die Bremer neben empirischen Forschungen mit einem Mix an qualitativen und quantitativen Methoden insbesondere auf handlungsorientierte Forschungen, bezogen auf bestimmte Einrichtungstypen und Regionen. Am Institut für Freizeitwissenschaft der Deutschen Sporthochschule Köln wird neben sportbezogenen Themen, wie z.B. Animation im Freizeitsport (vgl. Michels 1996), Wellness und Freizeit (vgl. Tokarski 2003), insbesondere Freizeit in europäischer Perspektive untersucht, z.B. Freizeitsysteme in Europa (vgl. Tokarski 2007). Das Berner Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus (fif) erfasst das Freizeit- und Tourismusverhalten der schweizerischen Bevölkerung (vgl. Müller, H. 2002) und setzt sich vor allem mit Themen im Überschneidungsbereich von Freizeit und Tourismus auseinander (z.B. Gesundheitstourismus). Es hat mit seinen grundlegenden Fragestellungen zum Freizeitsystem und zur Freizeitpolitik (z.B. Kramer 1990) zur weiteren Theorieentwicklung der Freizeitwissenschaft im deutschsprachigen Raum beigetragen.

3.4.1

Zeitmusterforschung

Ein grundlegend wichtiger Gegenstand der Freizeitforschung ist die Zeitmusterforschung. Sie stellt eine Erweiterung der bisherigen Zeitbudgetstudien und Untersuchungen zum Freizeitumfang und zu den Freizeitaktivitäten dar. In den (Frei-)Zeitbudgetstudien steht die Erfassung von Durchschnitts- und Mittelwerten im Vordergrund. Zeitbudgetstudien werden in größeren zeitlichen Abständen vom Statistischen Bundesamt durchgeführt. Das Erhebungsdesign ist an internationalen Standards (International Association for Time Use Research, Szalai 1972, Harvey 1993) orientiert, so wird auch die Vergleichbarkeit gewährleistet. Zentrale Erhebungsmethode ist neben Einführungs- und Abschlussinterview das selbstgeführte schriftliche Tagebuch. In der Regel werden über 1-3 Tage alle Aktivitäten im fünf Minuten Takt (Mindestdauer der Tätigkeiten) eingetragen. Die Erfassung über einen längeren Zeitraum (eine Woche) wäre erstrebenswert, ist aber in der Praxis meist nicht umsetzbar. Die zahlreichen Einzelaktivitäten werden in der Auswertung in verschiedene Aktivitätsbereiche kategorisiert. Mit dem neuen Ansatz der Zeitmusterforschung erfolgte die Anknüpfung der Freizeitforschung an die Zeitverwendungsforschung und an zeittheoretische Ansätze in den Sozialwisssenschaften. Im Rahmen eines informellen „Forum Freizeitwissenschaft“ (erstes Treffen 1993) wurde von Freizeitwissenschaftlern unterschiedlicher Wissenschaftsdiszipli-

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

nen (Soziologie, Psychologie, Pädagogik, Geographie) der neue Forschungsansatz ‚Temporale Muster‘ entwickelt (vgl. Dollase et al. 2000). Mit diesem Musteransatz sollen reale und ideale Zeitmuster auf individueller und institutioneller Ebene erforscht werden. Temporale Muster kennzeichnen die reale und ideale Lage, Dauer und Reihenfolge von Tätigkeiten und Ereignissen in einem bestimmten Makrozeitabschnitt (Tag, Woche, Jahr etc.). Das Besondere des Ansatzes ist, dass nicht nur gegebene Muster (Sequenzen) wie bisher (z.B. Verkehrspitzenzeiten) sondern ideale Muster, d h. Zeitpräferenzen, bzw. gewünschte Muster und ihre Ursachen und Folgen (Beurteilungskriterien) erfasst werden. Die Ergebnisse verweisen auf plurale Zeitmuster und Zeitstile (Anknüpfung an Lebensstilforschung und –ansätze, vgl. z.B. Schulze 1992, Lüdtke 2005). Beispiele für konkrete Untersuchungen sind u.a. Studien, in denen Studierenden oder Schülern ausgewählte temporale Wochenmuster zur Bewertung von Freizeiteignung und Lern- bzw. Studiereignung vorgelegt und ihre idealen Pläne erfasst wurden (vgl. Freericks et al. 2000, Lüdtke 2001). Oder: Die ideale Reihenfolge von Freizeittätigkeiten im Alltag oder während eines Kurzurlaubs wurde untersucht (vgl. Dollase et al. 2000). Welche Reihenfolge wird z.B. präferiert bei den Tätigkeiten Cafebesuch, Schaufensterbummel und Schwimmbadbesuch? Die kurzen Beispiele zeigen bereits, die temporale Musterforschung hat auch eine hohe Relevanz für die Freizeitpraxis. Öffnungszeiten und Angebotszeiten von Freizeit- und Bildungseinrichtungen lassen sich optimaler planen und gestalten - auch unter Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen- und Zielgruppen. Ein kurzer Blick in das Forschungsprojekt „Neue Zeitfenster für Weiterbildung“ (IFKA) soll dies verdeutlichen: Die Umbrüche in den temporalen Mustern der Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf die Angebotstrukturen von Volkshochschulen und anderen Weiterbildungsträgern waren das Thema des Projekts. Eine Auflösung des „Normalarbeitstages“, flexible Wochenarbeitszeiten, aber auch veränderte Lebensarbeitszeitmodelle wurden in den Blick genommen. Die gesellschaftlichen Entwicklungen wurden in Bezug gesetzt zu den realen Angebotsmustern der Volkshochschulen mit ihrem traditionellen Schwerpunkt auf dem Abendkurs, und es wurden die Zeitpräferenzen verschiedener Nutzergruppen betrachtet. Die Ergebnisse zeigen: Neu in den Blick zu nehmen ist das gesamte „Zeithaus der Weiterbildung“: Tagesverlauf, Wochenverlauf, Jahresverlauf und Lebenslauf. Neue Zeitformen wie kompakte Angebote oder ein zeitflexibler Weiterbildungsservice sollten zu den bekannten Formaten dazu kommen, um ein lebenslanges Lernen aller zu ermöglichen. Zeitfenster für Weiterbildung müssen auch in Auseinandersetzung mit brüchiger werdenden und weniger kontinuierlichen Mustern der Arbeit und des Alltags (plurale Lebensstile) gefunden werden. Zeitaspekte sind ein Modernisierungsfaktor in der Weiterbildungslandschaft.

3.4.2

Freizeitbildungsforschung

Neben den grundlegenden Zeitforschungen stellt die Erforschung des Lernens in der Freizeit ein zentrales Gebiet der Freizeitwissenschaft dar. Anfang der 1990er wurden Aspekte der Verknüpfung von Freizeit und Bildung zu integrierten Konzepten erforscht. Neuere bildungstheoretische Ansätze wurden aufgegriffen (z.B. Klafki 1986, Huschke-Rhein 1991). In einem Projekt, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, wurde zu-

3.4 Freizeitforschung

39

nächst grundsätzlich gefragt, ob sich Freizeit und Bildung überhaupt miteinander verbinden lassen (vgl. Nahrstedt et al. 1994). Bildung in einem umfassenden Sinne, so die zentrale These des Projekts, kann auch in der Freizeit über die Beschäftigung mit Freizeitinhalten und in freizeitgemäßer Form stattfinden. Geprägt wurde darauf aufbauend ein eigener Begriff von Freizeitbildung. Neben der Schul-, Hochschul- und Weiterbildung erscheint die Freizeitbildung als eigene vierte Säule des Bildungssystems. Freizeitbildung weist andere Strukturen auf als formale Bildungsbereiche, ist stärker bestimmt durch Selbstorganisation und Selbststeuerung und übersteigt eine enge berufliche Ausrichtung. Auf der Grundlage einer hermeneutischen Interpretation von Praxisbeispielen und eigenen Pilotprojekten, ergänzt durch qualitative Experteninterviews und punktuelle Teilnehmerbefragungen, wurden konzeptionelle Grundlagen für die Freizeitbildung herausgearbeitet. Erkennbar wurden eine stärkere Selbstbestimmung über Zeiten und Inhalte von Bildung im Rahmen einer bildungsorientierten Freizeitgestaltung, aber auch eine mögliche Integration von Spaß und Unterhaltung in Angebote der Weiterbildung. Eine Flexibilisierung von Lernzeiten, die Dynamisierung von Lernorten und die Versinnlichung von Lernformen wie der Anschluss an gesellschaftlich relevante Themen wurden u.a. als wesentliche Strukturmerkmale beschrieben. Insgesamt wurden die Chancen für eine breitenwirksame Allgemeinbildung deutlich. In der Weiterführung des Ansatzes der Freizeitbildung werden seit dem Jahr 2000 verstärkt die sich entwickelnden institutionalisierten Formen für das emotional fundierte, informelle Lernen in der Freizeit in den Blick genommen. Informelles Lernen grenzt sich ab vom formalen, planmäßigen Lernen in traditionellen Bildungseinrichtungen. Es ist der Oberbegriff für mehr oder weniger bewusste als auch absichtliche, selbstgesteuerte Lernprozesse. Etwa 70 % der Lernprozesse finden außerhalb genuiner Bildungsinstitutionen statt (vgl. Dohmen 2001). In Erweiterung des Lernverständnisses geht es nicht nur um die kognitive Verarbeitung von Informationen, sondern um ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Es besteht sowohl die Möglichkeit zur Wissenserweiterung als auch zum Kompetenzerwerb und zu Einstellungsänderungen. In einem Projekt des Instituts für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit (IFKA) wurde das erlebnisorientierte Lernen in Zoos, Science Centern und Freizeitparks untersucht. Das emotionale und selbstgesteuerte Lernen in diesen „erlebnisorientierten Lernorten“ wird als ein Schlüssel zum Bildungsraum der Wissensgesellschaft angesehen (vgl. Nahrstedt et al. 2002). Erlebnisse stimulieren das selbstgesteuerte Lernen und verschiedene Wissensbereiche der Gesellschaft werden heute durch besondere Freizeitarrangements repräsentiert. Die neuen Lernorte haben eine wachsende Bedeutung für die Entwicklung von Interessen und Allgemeinbildung. Zusammen mit Partnern aus der Freizeit werden die Strukturen des Lernens in den Erlebniswelten beschrieben und darauf bezogene Ebenen der Lernförderung in diesen offenen und kommunikativen Kontexten identifiziert. Dem aktiven Selbstlernen, dem Arrangement und der Unterstützung durch ‚Lernhelfer‘ kommen danach die größte Bedeutung zu. Untersucht werden insgesamt die Chancen für ein erlebnisorientiertes Lernen in einer sich entwickelnden Wissensgesellschaft. Weitere Forschungen zur Aktivierung und Qualifizierung erlebnisorientierter Lernorte dienen dazu, Ansatzpunkte für ein „nachhaltiges Lernen in Erlebniswelten“ zu identifizieren (vgl. Freericks et al. 2005a,b). Die Entwicklung und Erpro-

40

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

bung informeller Lernszenarien in Erlebniswelten verdeutlicht, dass sich das Lernen in Freizeitlernwelten optimieren und qualifizieren lässt (vgl. Kap. 3.5).

3.4.3

Zukunftsforschung

Die Zukunftsforschung und mit ihr die Auseinandersetzungen mit wissenschaftlichem Zukunftswissen (derzeit bestehen Überlegungen einen Masterstudiengang für ‚Zukunftswissenschaft‘ in Berlin einzurichten) stellt einen weiteren wichtigen Zweig in der Freizeitwissenschaft dar. Bereits Anfang der 1990er Jahre hat Opaschowski (1997, 3. Aufl.) die Futurologie (älterer Begriff nach Flechtheim 1972) bzw. die Zukunftsforschung der Freizeit als einen zentralen Bereich der interdisziplinären Freizeitwissenschaft benannt. Die BAT Stiftung für Zukunftsfragen hat auf Basis ihrer Erhebungen und Analysen zum Freizeitverhalten stets Trends und Prognosen für die weitere Freizeitentwicklung im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen formuliert. So wurde der Wertewandel von Arbeit und Freizeit (vgl. Opaschowski/Raddatz 1982) oder der bis heute anhaltende Trend zur Erlebnisorientierung (vgl. Opaschwoski 1990) bereits Anfang der 1980er Jahre aufgezeigt. Grenzen und Folgen des Wachstums (vgl. Club of Rome 1972) wurden mit Untersuchungen zu Themen wie Ökologie und Freizeit (1991) und Mobilität und Freizeit aufgegriffen. Etwaige Veränderungen im Freizeitverhalten werden über jährliche repräsentative Erhebungen und Zeitreihenvergleiche aufgezeigt. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Es zeichnete sich eine Zunahme und Veränderung der innerhäusigen Freizeit vor dem Hintergrund der Medienentwicklung ab. Nicht mehr ‚ältere‘ Freizeitaktivitäten wie Gartenarbeit, Reparaturen am Haus, Verwandtenbesuche etc. stehen im Mittelpunkt, sondern es dominiert der Medienkonsum. Der Zukunftstrend Mediatisierung zeigt zudem, neben das Fernsehen tritt zunehmend die Konkurrenz anderer Medien- und Konsumangebote, vor allem das Telefonieren. Für die Jüngeren tritt an die Stelle des Fernsehens zunehmend der PC (vgl. Opaschowski 2008b, S. 68). Die Zunehmende Berufstätigkeit der Frauen und eine gleichberechtigtere Verteilung von Familienbetreuungszeiten und Haushaltsaufgaben lässt die bisherigen Unterschiede im Freizeitumfang und -verhalten von Frauen und Männern geringer werden. Seit Ende der 1990er Jahre hat das BAT seine Forschungsfragen über die Freizeit hinaus zunehmend in Richtung globale gesellschaftliche Problemlagen und Trends erweitert. Folgerungen für die Freizeit und die Freizeitgestaltung sind damit eng verbunden. Fragen ‚wie wir morgen‘ oder in Zukunft leben (vgl. Opaschowski 1997, 2008b) werden verfolgt, Zukunftsentwürfe und Visionen werden entwickelt. Insbesondere als Aspekte der Nachhaltigkeit ins öffentliche Bewusstsein rückten, wurde auch die Bedeutung der Zukunftsforschung (Vorausschau und Vorsorge) als mögliche eigenständige Grundlagenforschung in Deutschland erkannt. „Zukunftsforschung ist die wissenschaftliche Befassung mit möglichen, wahrscheinlichen und wünschbaren Zukunftsentwicklungen (Zukünften) und Gestaltungsoptionen sowie deren Voraussetzungen in Vergangenheit und Gegenwart“ (Kreibich 2005, S. 36). Sie klärt als eine Art Frühinformations- und Frühwarnsystem über Chancen und Gefahren sich abzeichnender Veränderungen auf. Zukunftsinstitute im deutschsprachigen Raum sind (neben dem BAT) ohne Anspruch auf Vollständig-

3.4 Freizeitforschung

41

keit: das Institut für Zukunftsfragen und Technologiebewertung/Berlin (Kreibich u.a.), die Robert-Jungk Bibliothek für Zukunftsfragen/Salzburg, das St.Galler Zentrum für Zukunfsforschung, das Zentrum für Zukunftsstudien/Salzburg. Leitprinzipien der Zukunftsforschung sind nach wie vor technische und soziale Folgenabschätzung, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung (vgl. Opaschowski 2008b). Im Mittelpunkt steht die Zukunftsfähigkeit im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips (vgl. Kap. 6). Zukunftsfähigkeit zielt auf die Verbesserung der Lebensqualität der heutigen Generation und zugleich auf die Sicherung der Lebensqualität für zukünftige Generationen (ebd. S. 724). Sie versucht auf der Basis sozialwissenschaftlicher Methoden, wie z.B. Interviews und Umfragen, Delphi- bzw. Expertenbefragungen, oder aber auch mittels kreativer wissenschaftlicher Prognose- und Szenariotechniken, Zukunftswerkstätten und –konferenzen, Aussagen über zukünftige Entwicklungen (globale Trends) zu treffen. Zukunftstrends - auch als Basisoder Megatrends bezeichnet - haben mindestens mittelfristige (5-20 Jahre) oder langfristige (über 20 Jahre) Wirkungen und Folgen (vgl. Kreibich 2005, S. 38). Nach Opaschowski muss ein Zukunftstrend mindestens 10 Jahre lang stabil und richtungsweisend sein, was ihn von allgemeinen Moden oder Zeitgeistströmungen abgrenzt (vgl. Opaschowski 2008b, S. 707). Gegenstand der Zukunftsforschung ist die Problemanalyse globaler Trends mit dem Ziel, mögliche Lösungsmodelle zu entwickeln. Zukunftsforschung hat insofern immer auch eine politische Aufgabe. Gruppen bzw. Institute mit politischem Mandat, z.B. in Form von Politikberatung, sind u.a. das Forward Studies Unit (FSU) der Europäischen Union, das Future Generations Programme (FGP) der Unesco mit Sitz in Malta, die Gruppe Forschungspolitische Früherkennung (FER) im schweizerischen Wissenschaftsrat (vgl. Opaschowski ebd. S. 708). Für eine zukunftsorientierte Freizeitwissenschaft und Freizeitgestaltung ist der wissenschaftliche Blick auf lang- und mittelfristige Trends von hoher Bedeutung. Freizeit ist weitgehend mit allen relevanten Zukunftsfeldern verschränkt. Deutlich wird dies auch bereits beim Leitprinzip ‚Förderung der Lebensqualität‘. In dem Maße, wie Freizeit quantitativ und qualitativ immer mehr an Bedeutung zugenommen hat und sich die Bestimmungen von Arbeit und Freizeit immer mehr wandeln und sich mehr individuelle Lebensstile/-muster mit flexiblen Modellen entwickeln, stellt sich die Frage nach neuen Gestaltungsmöglichkeiten im Lebenszuammenhang und möglichen Zukunftsoptionen. Beispielhaft seien hier die Megatrends Bevölkerungsentwicklung/Überalterung, Gesundheit und Umweltbelastungen/Raubbau genannt. Als ein wesentlicher Indikator von Lebensqualität ist Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe festzuhalten. Mit der demographischen Alterung der Gesellschaft stellt sich die Frage nach neuen zukünftigen Modellen von Arbeit, Tätigkeit und Freizeit (vgl. Kap. 3.7.1). Die gesellschaftliche Einbindung der hohen Zahl an Migrantinnen und Migranten, gerade auch der älteren Migrantinnen und Migranten, stellt eine wichtige Aufgabe dar. Bislang liegen über das Freizeitverhalten dieser Bevölkerungsgruppe kaum Daten und Erkenntnisse vor. Das Bedürfnis nach Gesundheit und Teilhabe bezieht sich jedoch nicht nur auf Ältere, sondern wird als genereller Wunsch und Anspruch aller in der Bevölkerung deutlich. Eng damit in Verbindung zu sehen sind auch die sich bereits heute abzeichnenden Zukunftstrends Beschleunigung und Mobilisierung (vgl. Opaschowski 2008b). Mobilisierung verweist neben Fortschritt und Globalisierung u.a. auf

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

räumliche, geistige und soziale Bewegung. Gesunderhaltung ist dafür Bedingung und Folge. Die zunehmende Beschleunigung und Erhöhung des Lebenstempos (‚immer mehr in gleicher Zeit‘), insbesondere vor dem Hintergrund der Vielfalt der Angebote im Konsum- und Medienbereich und der Effizienzsteigerung im Arbeitsleben, erhöht den Wunsch nach Entspannung und Entschleunigung gegen psychischen Zeitstress und Zeitnot. Modelle einer neuen Zeitkultur, die eine gesunde Lebensführung ermöglichen, sind gefragt. Erforderlich sind entsprechende soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen sowie Förderkonzepte und Handlungsstrategien im Sinne von mehr Lebensqualität und Unterstützung nachhaltiger Lebensstile. Die hohen Umweltbelastungen und der Verbrauch natürlicher Ressourcen geht auch zu Lasten der Freizeitgestaltung, wie umgekehrt sie selbst die negativen ökologischen Folgen auch mit verursacht. Stellvertretend seien hier der Freizeitverkehr und die Versiegelung von Flächen durch große Freizeitanlagen genannt. Lärm und verschmutze Flüsse oder Seen, um nur einige Folgen zu nennen, gehen auch zu Lasten der Lebensqualität am Wohn- und Freizeitort. Insgesamt verweisen die Beispiele darauf, wie wichtig es ist, gerade auch im Feld der Zukunftsforschung und Freizeitwissenschaft interdisziplinär und vernetzt zu forschen und zu arbeiten. Abschließend ist anzumerken, Zukunftsforschung grenzt sich von der Trendforschung ab. Trendforschung zeigt auf Basis von Recherchen (z.B. Scanning, Scouting, Monitoring) positive Entwicklungen bzw. Trends auf, um mögliches Konsumentenverhalten zu steuern und neue Marktnischen zu erschließen. In der Trendforschung geht es nicht um Problemanalyse oder globale Konfliktfelder und -lösungen. Bekannte Vertreter der Trendforschung in den USA sind Naisbitt und Popcorn, in Deutschland sind es Gerken, Wippermann und Horx (s. auch Opachowski 2008b, S. 704). Für die anwendungs- und marktorientierte Freizeitwissenschaft ist die Trendforschung im Sinne sensibler Marktforschung ebenfalls von Bedeutung. Das Erkennen und Ermitteln kurzfristiger Konsum- und Modetrends kann die Produktentwicklung und Zielgruppenorientierung in der Freizeitwirtschaft unterstützen. Mögliche Manipulationen sind jedoch kritisch zu prüfen.

3.5

Lernen und Bildung

Lernen in der Freizeit und damit auch das Verhältnis von Bildung und Freizeit ist ein grundlegendes Thema der pädagogischen Freizeitforschung und -wissenschaft. Freizeit verändert die Bildungsmöglichkeiten und schafft neue innovative Lernräume und -orte (vgl. auch Pries 2005). Hintergrund für das verstärkte pädagogische und politische Interesse am informellen Lernen jenseits formaler Bildungsräume ist der Wandel zu einer Wissensgesellschaft. Die Beschäftigung mit neuen Erkenntnissen, die produktive und kreative Verarbeitung von Informationen und die Stärkung von Kompetenzen zum selbstgesteuerten lebenslangen Lernen werden zu einem wichtigen Produktivfaktor. Zugrunde liegt ein weites Lernverständnis, das mit den Begriffen „Entgrenzung des Lernens“, „Neue Lernkultur“ und „Selbstgesteuertes Lernen“ umschrieben werden kann (vgl. Kirchhöfer 2004, Dohmen 1999). Grundlage ist ein konstruktivistischer Lernbegriff (u.a. Siebert 2003). Lernen ist nicht gleichzusetzen mit be-

3.5 Lernen und Bildung

43

lehren oder dem Aufnehmen von Informationen, sondern ist ein aktiver, konstruktiver Prozess, der dem Individuum die eigene Lebenswelt erschließt. Interessen, Emotionen und Kontexte spielen dabei eine wesentliche Rolle und führen zu pluralen und individuellen Lernwegen und -ergebnissen. Die Entwicklung zu einer Wissensgesellschaft erfordert heute neue Anstrengungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen, um das Ziel „zukunftsweisende Reformen“ im Bildungssektor zu erreichen. In der Wissensgesellschaft werden zunehmend Erlebniswelten (allgemein zum Thema Erlebnis-, Konsum-, Themenwelten-Markt, Trends, Entwicklungen, vgl. u.a. Nahrstedt et al. 2002, Kagelmann et al. 2004, Steinecke 2007, 2009) als neue erlebnisorientierte Lernorte in den Blick genommen. Auf Einrichtungen wie Museen, Zoos, Themenparks und Science Center stützen sich zunehmend die Hoffnungen für eine frühzeitige Entwicklung von Lerninteressen und eine nachhaltige Anregung eines Lernens in der Lebenswelt. Sie erweitern mit ihren Angeboten, den entstehenden hybriden Mischformen aus Unterhaltung, Konsum und Lernen, die Lernkultur der Wissensgesellschaft und stoßen beim Publikum auf zunehmendes Interesse. Im Folgenden gilt es die Ansatzmöglichkeiten für ein Lernen in der Freizeit genauer zu analysieren und die Möglichkeiten und Chancen der weiteren Aktivierung und Qualifizierung aufzuzeigen. Fragen sind u.a.: Wie kann das informelle Lernen in der Freizeit weiter gefördert werden? Wie lassen sich Lernszenarien in Erlebniswelten noch optimaler gestalten und damit auch die Freizeitqualität erhöhen?

3.5.1

Zum Verhältnis von Freizeit und Bildung

Kennzeichnend für die erziehungswissenschaftliche Betrachtung von Freizeit und Bildung ist ein dualistisches Denken. Das Verhältnis von Freizeit und Bildung ist nicht in eine Richtung aufzulösen. Es geht um eine Verschränkung und ‚Verwirbelung‘ von beiden Seiten aus. Die jeweiligen Mischungsverhältnisse machen die Ansätze der Freizeitbildung zu interessanten Vorhaben für ein breites Teilnehmerspektrum von Jung bis Alt. Im Sinne einer „bildungsorientierten Freizeitgestaltung“ können Freizeitsituationen durch zusätzliche Bildungselemente zu komplexen Erfahrungsräumen angereichert werden. Auf der anderen Seite lassen sich in Bildungssituationen Freizeitaspekte wie Spaß und Geselligkeit integrieren und führen zu einer neuen Qualität von Bildungsprogrammen. Drei „Anspruchskriterien“ geben dabei einen formalen Rahmen für Ansätze der Freizeitbildung (vgl. Kap. 3.2): Bildung in der Freizeit, Bildung für die Freizeit und freizeitgemäße Bildung. Bildung in der Freizeit Freie Zeit ist eine elementare Voraussetzung für Lernen, Bildung und persönliche Entwicklung. Zeitfenster (vgl. Nahrstedt/Brinkmann 1998) für die Teilnahme an Bildungsangeboten sind wichtig. Dafür gilt es auch in Zukunft zu streiten. Die vorhandene Freizeit, viele Freizeitorte und Freizeitsituationen können aber auch für ein Lernen aktiviert und entwickelt werden. Die neueren Konzepte des informellen, selbstgesteuerten Lernens setzen hier an. Freizeit als Lernzeit zu erschließen, ist nach wie vor ein zukunftsweisendes Programm.

44

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Bildung für die Freizeit Auf der anderen Seite erschließt sich der Raum vielfältiger individueller Freizeitmöglichkeiten heute oftmals nur durch ein Lernen für die Freizeit. Individuell befriedigende und ‚sinnvolle‘ Freizeitmuster müssen auch gelernt werden. Jede neue Freizeitaktivität (aktuell z.B. Nordic Walking) zieht Einführungsveranstaltungen, Trainings, differenzierte Programme für Fortgeschrittene usw. nach sich. Jede Sportart oder kulturelle Betätigung ist mit Lernen, Üben, Verfeinern und einer Annäherung an Standards verbunden. Erst dann erschließt sich dieser Freizeitraum, ohne Bildung kein Erlebnis und kein Zugang zu bestimmten Freizeitbereichen (Segeln, Tauchen, Fliegen). Bildung in der Freizeit kann darüber hinaus verwoben sein mit bürgerschaftlichem Engagement, kann auf eine Partizipation im Stadtteil und auf die unmittelbare Mitgestaltung von Lebensqualität zielen. Angebote der Freizeitbildung tragen damit, ergänzend zu anderen Bildungsangeboten, zu einer umfassenden Kompetenzentwicklung bei. Vieles, was heute den „Schlüsselkompetenzen“ zugerechnet wird, könnte durchaus in der Freizeit erworben worden sein. Bildung für die Freizeit lässt überschießende Effekte und einen möglichen Transfer auf andere Tätigkeitsfelder vermuten, wie aktuell der Ansatz des „Lernens im sozialen Umfeld“ nahe legt (vgl. Kirchhöfer 2004). Freizeitgemäße Bildung Ein drittes Anspruchskriterium betrifft die freizeitgemäße Form der Bildung und bezieht sich auf methodische und didaktische Aspekte der Angebotsgestaltung. Wesentliche Aspekte wie Selbstbestimmung, Verständigung über Ziele, Inhalte und Zeiten des gemeinsamen Handelns, aber auch Offenheit und Veränderbarkeit von Freizeitsituationen (vgl. Kap. 3.2) müssen in integrierten Angeboten der Freizeitbildung erhalten bleiben. Es geht um ein stärker emotionales Lernen mit allen Sinnen, um Spaß und Geselligkeit und um eine „Inszenierung von anregenden ‚Räumen‘, in denen sich Bildungserlebnisse ereignen können“ (Nahrstedt et al. 1994, S. 20). Freizeitgemäße Bildung, so die bildungspolitische Hoffnung, soll auch Menschen mit niedrigem Bildungshintergrund erreichen, Interesse wecken und individuelle Bildungswege eröffnen. Die Chancen einer Freizeitbildung werden bezogen auf Bildung in folgenden Punkten gesehen:  Dynamisierung von Lernorten: viele Freizeitorte können zu Lernorten werden  Flexibilisierung von Lernzeiten: starre Öffnungszeiten, Kurszeiten werden aufgelöst  Versinnlichung von Lernformen: viel Sinne werden angesprochen  Veralltäglichung von Lerninhalten: Themen aus dem Alltag werden aufgegriffen  Demokratisierung von Lernzielen: Offenheit und Selbststeuerung gewinnen an Gewicht  Aufgreifen komplexer Motivstrukturen: auch Motive wie Erholung, Unterhaltung, Kommunikation und Konsum werden aufgegriffen. Bezogen auf die Freizeit wurden folgende Chancen erkannt:  Entprivatisierung von Freizeit: stärkere Teilnahme am öffentlichen Leben  Anschluss an gesellschaftlich relevante Prozesse: Aufgreifen von wichtigen Themen, Fragen, Problemen

3.5 Lernen und Bildung   

45

Aktivierung von Bildungskernen: Aufgreifen von Themen aus der Freizeitsituation heraus Inszenierung von Lernsituationen: Schaffung integrierter Angebote mit animativer Ausstrahlung Intensivierung von Lernprozessen: stärkere Entwicklung der Freizeit als Lernraum.

Der Ansatz der Freizeitbildung zeichnet ein tragfähiges Modell für eine Verknüpfung von Freizeit und Bildung. Die Diskussionen zum informellen Lernen bzw. zur informellen Bildung in der Erwachsenenbildung und darüber hinaus (vgl. Dohmen 2002) wie die aktuelle Diskussion um die „Entgrenzung des Lernens“ kann hier nahtlos anschließen (vgl. Kirchhöfer 2004, 2005).

3.5.2

Entgrenzung des Lernens in der Wissensgesellschaft

Die Förderung und Entwicklung von individuellen Kompetenzen zur Problemlösung erscheint heute überlebenswichtig für die Wissensgesellschaft. Individuell Informationen heranziehen, verstehen und bewerten können, ist der Kern dieser Kompetenz. Darauf weist der internationale Schulleistungsvergleich PISA hin und mahnt eine Reform des institutionalisierten Lernens an. „Die motivierenden Anfänge für eine vertiefende Kompetenzaneignung können aber durchaus in Freizeiterlebniswelten liegen und durch neue Formen informeller Bildung gestützt werden“ (Nahrstedt 2002, S. 11). Lernen im sozialen Umfeld, und damit auch Bildung in der Freizeit, erfährt eine Aufwertung - teilweise als Ergänzung anderer, formaler Lernorte, vielleicht aber auch als ein Faktor der Innovation. Feststellbar ist ein Phänomen der „Entgrenzung des Lernens“ in der Wissensgesellschaft. Sie geht einher mit einer anhaltenden Krise des formalen Bildungssystems und seinen Schwierigkeiten, zu einer zukunftsorientierten Entwicklung beizutragen. In den Mittelpunkt der Betrachtungen rückt neu ein Spektrum von Einrichtungen, in denen hybride Mischformen von Lernen, Erleben und Konsum das Angebot prägen. Sie scheinen einen eigenen Typ von Lernorten zu formen, jenseits von formalen Bildungseinrichtungen. Sie erhalten als neue Lernorte der heraufziehenden Wissensgesellschaft Bedeutung im gesellschaftlichen Umbruch. Eine neue Infrastruktur und eine neue Ökonomie der Erlebnisangebote gilt es zu analysieren. Typisch für erlebnisorientierte Lernorte sind folgende Charakterisierungen:  Lernorte außerhalb genuiner Bildungsinstitutionen  hybride Formen zwischen Bildung und Unterhaltung  Inszenierung als komplexe Erfahrungsfelder  selbstgesteuerte Erkundung durch die Nutzer  Integration realer und medialer Angebote  Teil einer „experience economy“.

46

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Lernorte

Erlebnisort

Konsumort

Bildungsstätte

Freizeitpark

Kaufhaus

Erlebnisorientierte Lernorte

Museum

Lernen

Science Center

Zoo

Themenpark

Funpark

Erlebnis

Brandland

Urban Entertainment Center

Konsum

Abb. 9 Entgrenzung des Lernens und Entstehung neuer Mischformen (Freericks et al. 2005b, S. 107 in Anlehnung an Nahrstedt et al. 2002, S. 13 )

Eine breite Klammer vom Museum bis zum Urban Entertainment Center erscheint sinnvoll, um die Lernmöglichkeiten im Freizeitsektor, außerhalb genuiner Bildungsinstitutionen insgesamt zu umreißen (s. Abb. 9). Sie umfasst Angebote und Strukturen im Schnittfeld von Lernen, Unterhaltung und Konsum – also vielfach hybride Formen. Zum Spektrum gehören Museen, Science Center, Zoos, Themenparks, aber auch Brandlands und Urban Entertainment Center. Sie können insgesamt als eine sich entwickelnde neue Infrastruktur für das lebensbegleitende, selbstgesteuerte Lernen im Freizeitsektor angesehen werden. Sie integrieren reale und mediale Angebote und sind Teil einer wachsenden „experience economy“. Erlebnisorientierte Lernorte bieten einen Freiraum für eigene Erkundungen und regen die Besucher an, sich mit bestimmten Themen zu beschäftigen. Sie sind gleichzeitig Orte für Spaß, Unterhaltung und Geselligkeit. Dies ist ihr vorherrschender soziokultureller Kontext. Beides schließt sich nicht aus. Auch in den Erwartungen der Besucher an die Orte kommen Aspekte von Unterhaltung und Lernanregung vor. Deutlich wird, in der nachindustriellen Gesellschaft entwickeln sich neue Lernräume. Schule und Weiterbildung sind nicht alles. Lernbedürfnisse nach Erfahrungen mit Kopf, Herz und Hand richten sich auch an Einrichtungen im Freizeitbereich. Lernen und Erlebnis sind neu zu denken. Emotionales Erleben stärkt das Lernen, die Erinnerung und das nacherlebende Verstehen (vgl. Nahrstedt et al. 2002). Frühe Vordenker im 18. und 19. Jh. von Rousseau über Dilthey bis zu Neubert sind hier zu nennen, die die pädagogische Bedeutung des Erlebnisses bereits früh erkannt haben.

3.5 Lernen und Bildung

47

Eine von Kurt Hahns Ansatz der ‚Erlebnistherapie‘ ausgehende Erlebnispädagogik wurde in den 1980er Jahren in die Theoriediskussion eingebracht (vgl. Heckmair/Michl 1998). Unterstützt wird diese Perspektive von der neurobiologischen Forschung:  Lernen ist nicht gebunden an die Institutionen des Lehrens  sondern ist eine individuelle Leistung des Gehirns  kann aber durch äußere Bedingungen angeregt und gefördert werden  und ist vom Erleben nicht prinzipiell zu trennen. Das Gehirn geht in der Freizeit eben nicht auf Stand-by, sagt der Gehirnforscher Manfred Spitzer und ermutigt dazu, die Lernchancen von Freizeit-Erlebniswelten offensiver zu vertreten (vgl. Spitzer 2002). Daran kann man anknüpfen, neue Möglichkeiten gestalten und Perspektiven für ein Erfahrungslernen im Freizeitbereich entwerfen. Die Lern-Chancen in Erlebniswelten umfassen dabei:    

Erinnerungen an eigenes Tun und Erleben Neues Wissen, Verknüpfungen, Regeln Selbsterfahrung und neues Handeln Wandel von Einstellungen und Emotionen.

Unterschiedliche Ausprägungen und Schwerpunktsetzungen sind hierbei zu vermuten. Insgesamt sind Erlebniswelten aber ein Schlüssel zum Bildungsraum. Interesse an Themen wird geweckt und kann zu formaler Bildung oder zu einem weiteren informellen Lernen führen. „Erlebniswelten sind als Orte der informellen Bildung bzw. als ‚informelle Lernorte‘ zu kennzeichnen. Sie sind ein Schlüssel zum Bildungsraum der Wissensgesellschaft. Sie öffnen und erschließen Menschen für die vielfältigen Wege des formellen und informellen Lernens und können als Startpunkt für die Entwicklung von Interessen angesehen werden“ (Nahrstedt et al. 2002, S. 9). Erlebnisorientierte Lernorte werden wichtig für eine „kategoriale bzw. elementare Bildung“ und ein „exemplarisches Erleben“. „Sie können Brücken schlagen zwischen dem formellen und informellen Lernen“ (ebd., S. 11), individuelle Lernpfade von Emotion über Kognition zu Aktion eröffnen und die Kompetenzentwicklung auf unterschiedlichen Gebieten anregen (s. Abb. 10). Erlebnisorientierte Lernorte sind eine Antwort der Wissensgesellschaft auf neue Anforderungen an die Wissensaneignung und den Wissenstransfer. Sie reagieren möglicherweise auch auf einen Trend der Überfülle an verfügbaren Informationen, bündeln, setzen thematische Schwerpunkte, geben eine neue profilierte Topographie des Lernens und ermöglichen zugleich eine individuelle Prioritätensetzung und Selbststeuerung. Für sich relevantes Wissen zu finden, wird zur neuen Aufgabe in der Wissensgesellschaft, und dies könnte und sollte vielleicht auch in einem geselligen Rahmen möglich sein - nicht nur auf der Schulbank.

48

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Kategoriale (elementare) Bildung

Erlebniswelt

Interesse

Information

Emotion

AllgemeinBildung

(formelle) Bildung (informelle)

Kognition

SpezialBildung

Kompetenz

Aktion

Abb. 10 Erlebniswelten als Schlüssel zum Bildungsraum (Nahrstedt et al. 2002, S. 10)

Freizeiterlebnis als Medium wird dabei zunehmend von der Politik als ein Hoffnungsträger erkannt und genutzt. Hier geht es um Akzeptanz für den Wandel zur Wissensgesellschaft. Angesichts globaler Veränderungen und eines tiefgreifenden Transformationsprozesses, wird es wichtig, die Lernpotenziale umfassend zu fördern, Bildungsräume zu eröffnen und für Wissenschaft und Bildung zu werben. Die Projekte „Wissenschaft im Dialog“ und „Stadt der Wissenschaft“ mit Science-Festivals, mobilen Ausstellungen (Schiff, Bahn) und Mitmachaktionen weisen hier den Weg. Aber nicht nur Wissenschaft und Politik, sondern auch die Ökonomie erkennt zunehmend die Relevanz zur Förderung innovativer Lernangebote und neuer erlebnisorientierter Lernorte. Anbieter von Erlebniswelten entdecken die Möglichkeiten des Edutainmentmarkts (vgl. Reinhardt 2005). Die Überlegungen der Ökonomen Pine und Gilmore (1999) zur Entwicklung einer „experience economy“ zeigen, dass guter Service heute nur die Basis für ein erfolgreiches Produkt im Freizeitdienstleistungssektor darstellt. Das erwünschte und angestrebte Ziel sind vielmehr positive Erlebnisse und Erinnerungen, etwas, das im Besucher selbst entsteht. Pine und Gilmore stellen am Ende ihres Buches selbst die Frage: „Was kommt nach Erlebnis?“ Was kommt als neue Idee, als neuer Sektor für ökonomische Entwicklung? Die Figur, die sie dann präsentieren, ist noch weitaus pädagogischer als ihre bisherigen Überlegungen zu Erlebnismöglichkeiten. „Guide Transformations“ meint offenbar, Menschen bei ihrem Veränderungsprozess zu begleiten und ihnen Erlebnisse und Unterstützung anzubie-

3.5 Lernen und Bildung

49

ten, die sie für ihre Lernprozesse wünschen. Gedacht ist dabei ebenfalls an eine anhaltende, nachhaltige Wirkung von Erlebnissen. Wie immer man weitreichende Hoffnungen auf Veränderung durch Freizeiterlebnisse bewerten mag, Beobachtungen zeigen eine hohe Akzeptanz von Lernelementen und -szenarien in der Freizeit. Und dies könnte gar mit ausschlaggebend für Besuchsentscheidungen sein. Veränderung, Transformation und Lernen zu ermöglichen, wird auch Aufgabe des ökonomischen Systems, so lässt sich folgern, nicht nur des Staates (s. Abb. 11).

Experience Economy: Was kommt nach Erlebnis? Progression of economic Value Guide Transformations

Stage Experiences Deliver Services Make Goods

• Schaffung von

Erlebnissen, die Menschen verändern • Begleitung und Unterstützung

Extract Commodities

Abb. 11 Ökonomische Perspektive „Guide Transformations“ (eigene Darstellung in Anlehnung an Pine/Gilmore 1999)

3.5.3

Lernszenarien im mehrdimensionalen Erlebnisraum

Aktueller Ansatz- und Zielpunkt mit Blick auf das Verhältnis von Freizeit und Bildung ist das Erlebnis und die Freizeitqualität. Die qualitative Entwicklung von Freizeit- und Erlebnisorten soll durch die Integration und Entwicklung von Lernszenarien vorangebracht werden. Erlebniswelt ist heute vieles - ein Heilsversprechen des Marketings, ein Begriff mit rapide schwindender Trennschärfe. Ein erlebnisorientierter Lernrot ist schon etwas Spezielleres: Es ist ein Möglichkeitsraum und ein Anspruch. Lernszenarien mit ihren jeweiligen Zielen, Inhalten und Formen sind das konkrete Angebot. Doch wie können nun Lernszenarien aussehen? In welchen Feldern können sich erlebnisorientierte Lernorte bewegen, um ihr Angebot an Szenarien zu qualifizieren oder neue Erlebnisbereiche zu gestalten? Hilfreich

50

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

erscheint hier eine Strukturierung der vielfältigen informellen Lernmöglichkeiten in postmodernen Gesellschaften. Die Vielfalt der realisierbaren Inszenierungen im Erlebnisraum lässt sich mit Bezug auf das von Pine/Gilmore (1999) vorgeschlagene Vierfeldermodell des Erlebnisraums kennzeichnen (Abb. 12). Szenarien können eher kognitiv oder emotional ausgerichtet sein und sie können eine eher passive oder eine aktive Beteiligung der Besucher vorsehen. Die Kombination beider Dimensionen zeigt Perspektiven in vier Denkrichtungen, die unterschiedliche Schwerpunktsetzungen der Inszenierung ergeben. Kognitiv dominierte Ansätze zielen auf das Aufnehmen neuer Informationen, emotionale Szenarien ermöglichen das Eintauchen in Gefühlswelten. Eine emotionale Thematisierung von Parkteilen wie im Zoo Hannover oder eine besondere Nachtveranstaltung mit Beleuchtung, Essen und Theater ermöglichen neue ästhetische Erfahrungen. Die Besucher sind eher als Zuschauer beteiligt. Bei einer Vorführung im Science Center wie z B. einer Wissensshow nehmen die Besucher neue Eindrücke auf und beschäftigen sich auf unterhaltsame Weise mit Neuem.

KOGNITIVE AUFNAHME

Unterhaltsame Beschäftigung mit Neuem

Wissen selbstgesteuert aneignen

PASSIVE BETEILIGUNG

AKTIVE BETEILIGUNG Ästhetisierung von Erfahrungsräumen

Flow-Erlebnis im Freizeitkontext

EMOTIONAL EINTAUCHEN Abb. 12 Lernszenarien im Erlebnisraum (eigene Darstellung in Anlehnung an Pine/Gilmore 1999, vgl. auch Freericks et al. 2005c, S.341)

Szenarien können als weitere Dimension dieses Modells eine eher passive oder aktive Beteiligung der Besucher vorsehen. Bei einer passiven Beteiligung sind die Besucher Betrachter, Zuschauer und Publikum. Sie sind Flaneure in der Vielfalt des Angebots und nehmen hier und da neue Eindrücke wahr. Bei einer aktiven Beteiligung werden die Besucher viel stärker in das Szenario einbezogen. Eine aktive Beteiligung und eine selbstgesteuerte Wissensaneignung fordern und fördern Lernstationen mit interaktiven Exponaten und handlungsorientierte Workshops. Hier setzen sich die Teilnehmer mit Objekten und Angeboten auseinander. Sie

3.5 Lernen und Bildung

51

bauen, probieren, testen, experimentieren und spielen. Eine Möglichkeit des Eintauchens in „neue Welten“ bieten Arrangements mit starker emotionaler und aktionaler Beteiligung. Die Rampe im Lego-Testcenter (Legoland Günzburg), an der Fahrversuche mit selbstgebauten Lego-Autos unternommen werden können, ist ein Beispiel für Szenarien mit großer Eigendynamik und einem „flow-Erleben“. Es werden kleine Autos gebaut und ausprobiert. Eine Einrichtung zur Zeitmessung gibt unmittelbar nach der Fahrt eine Rückmeldung zur Geschwindigkeit. Dieses Arrangement hat eine interessante Eigendynamik, die mit dem Konzept ‚Flow‘ von Csikszentmihalyi (vgl. Kap.3.6.1) erfasst werden kann. Flow meint ein Aufgehen in einer herausfordernden Tätigkeit, starke emotionale Beteiligung und eine hohe subjektive Erfüllung durch das Tun. Voraussetzung ist ein optimaler Bereich von Anforderungen und Können, klare Handlungsmöglichkeiten und eine unmittelbare Rückkopplung. Gute ergänzende Lernszenarien haben einen Bezug zur Erlebniswelt, sie sind nicht losgelöst von den Themen, Objekten, Möglichkeiten am Ort. Sie haben aber auch einen Bezug zu gesellschaftlichen Zukunftsfragen und zur Lebenswelt der Besucher. Sie bereichern die LernErlebnis-Situation, machen sie vielfältiger, interessanter und komplexer. Randbedingung ist auf jeden Fall die freiwillige Teilnahme und ein Gestaltungsspielraum für die Nutzer. Ein formalisiertes Schulungsprogramm bleibt ausgeschlossen. Es gibt aber eine Modellierung des selbstgesteuerten Lernens. Es gibt Anregungen, unterschiedliche Zugänge und aktive Beteiligungsmöglichkeiten. Schließlich ermöglichen gute ergänzende Angebote auch eine Vernetzung von Erfahrungsmöglichkeiten, schlagen Brücken zu anderen Institutionen, Medien und Aktivitäten. Vier Gruppen von praktischen Szenarien lassen sich dabei gut unterscheiden:    

3.5.4

Arrangement, Lernstation, Beschilderung Lern-Event Personale Vermittlung: Animation, Show, Workshop Lern- und Lehrmaterialien (vorher, während, nachher).

Exkurs Lernpsychologie oder psychologische Perspektive

Zur Förderung eines ‚attraktiven‘ (freizeitgemäßen) Lernens in der Freizeit lassen sich unterschiedliche psychologische Erkenntnisse aus der Lernforschung einbeziehen. Kenntnisse zur kognitiven Entwicklung wie grundlegendes Wissen über Lerntheorien, Lernmotivation und Lernveränderungen unterstützen die Entwicklung passender Lernszenarien für ein breites Teilnehmerspektrum von Jung bis Alt. An dieser Stelle können nicht die komplexen Grundlagen der Entwicklungs- und Lernpsychologie referiert werden. Der Verweis auf einige Theorien und Erkenntnisse soll hier genügen. So verdeutlichen die vier Stufen der kognitiven Entwicklung des Kindes nach Piaget (1974) die Notwendigkeit den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes bei der Gestaltung von Lernangeboten zu berücksichtigen, um Überoder auch Unterforderungen zu vermeiden. Ein Aspekt der im Freizeitkontext von besonderer Bedeutung ist. So erleichtern z.B. anschauliche Zugänge nicht nur für Kinder das Verständnis neuer Themenkomplexe.

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Kenntnisse um Lernveränderungen werden nicht zuletzt mit Blick auf den demographischen Wandel relevant. Ältere Theorien zum Altern, die ein generelles Nachlassen der Fähigkeiten mit dem Alternsprozess feststellten, wie z.B. die Defizittheorie des Alterns, wurden mittlerweile mehrfach widerlegt. Ansätze wie die Bonner Theorie des Alterns, die inter- und intraindividuelle Unterschiede betonen (vgl. Thomae 1983, Lehr 1983a,b), und kompetenzorientierte Ansätze (vgl. Stehr 1992) bestimmen wesentlich die Diskussionen um Alternsprozesse und lebenslanges Lernen. Wesentlich erscheint hier, dass mit dem Älterwerden kein genereller Abbau zu konstatieren ist, sondern vielmehr Veränderungen verbunden sind, auf die mit entsprechenden Konzepten reagiert werden kann. So fällt es Älteren oftmals schwerer, hochkomplexe neue Sachverhalte in kurzer Zeit aufzunehmen. Eine einfache, nachvollziehbare Struktur der Inhalte, anschauliche Präsentationen, eine ungestörte, angenehme Atmosphäre und Wiederholungen sind nur einige der Erkenntnisse und Anregungen für ein Lernen bis ins hohe Alter.

Behaviorismus Assoziatives Lernen Klassische Konditionierung Verknüpfung von Reizen und Reaktionen

Instrumentelles Lernen Beziehung zwischen Verhalten und nachfolgenden Konsequenzen

Außensteuerung • Black Box •Reizsubstitution

Organismus reaktiv

Kognitivismus Kognitives Lernen Verbindung zwischen Elementen kognitiver Strukturen

Handeln/ Problemlösen Verbindung zwischen Wissen und Aktivität

Innensteuerung

• Nachfolgende Konsequenzen bestimmen Auftretenswahrscheinlichkeit • gewohnheitsmäßiges, motiviertes Verhalten

• Kognitive Strukturen Begriffsbildung und Wissenserwerb

• Handlungskonzept

• Informationsaufnahme und -verarbeitung

• Alternativen

Organismus aktiv

Person aktiv

Person aktiv

• Handlungssteuerung

Abb. 13 Lerntheorien

Die Abb. 13 gibt einen Überblick über die grundlegenden behavioristischen und kognitiven Lerntheorien (vgl. u.a. Zimbardo 1995, Edelmann 1986). Gestalter und Manager von Erlebnislernwelten machen sich die Kenntnis um konditioniertes Verhalten bzw. assoziatives, instrumentelles und kognitives Lernen in vielfacher Weise zu Nutze. Sei es durch Verwendung von Signalfarben oder -tönen zur Besucherlenkung oder zur Einhaltung von Sicherheitsregeln oder durch den Einsatz bestimmter Reize wie Farben und Gerüche, um das Kauf-

3.5 Lernen und Bildung

53

verhalten und das Wohlbefinden zu steuern. Intensive Erlebnisse, die im Gedächtnis verhaften, sollen positive Assoziationen hervorrufen. Im Idealfall läuft bereits bei einem Stichwort ein ganzer ‚Film‘ von Assoziationen ab, die den Gast zum Wiederholungsbesuch anregen oder aber auch den Bekanntheitsgrad für potenzielle Besucher erhöhen (vgl. Kap. 4.4.5, Erlebnismarketing). Lagepläne etc. knüpfen an die kognitiven Strukturen, den so genannten ‚cognitiv maps‘ an. Interaktive Exponate fördern das handlungsorientierte, aktive Lernen. Insbesondere in der Freizeit hat das Lernen am Modell und das Lernen am Erfolg (instrumentelles Lernen) eine hohe Bedeutung. In der Freizeit geht es nicht nur um Wissensaneignung sondern auch um Kompetenzerweiterung oder Einstellungs- bzw. Verhaltensänderungen. Mit neurobiologischer und -psychologischer Forschung (u.a. Spitzer 2002) wird auch der Bedeutung des emotionalen Lernens und der emotionalen Kompetenz stärker nachgegangen. Insbesondere in Freizeiterlebniswelten, in denen der Besuch und die Teilnahme an zusätzlichen Lernangeboten auf Freiwilligkeit beruht, kommt dem emotionalen (emotionsgesteuerten) Lernen und damit dem intrinsisch motivierten Lernen eine hohe Bedeutung zu (vgl. Theile 2005). Die Motivation, also die Bereitschaft zu einem bestimmten Verhalten, wie hier dem Lernen, wird durch ein komplexes Bedingungsgefüge geprägt. Dabei wird unterschieden zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Intrinsische Motivation meint, sich einer Tätigkeit um ihrer selbst willen zu widmen. Extrinsische Motivation meint, sich einer Tätigkeit aufgrund äußerer Anreize und der Konsequenzen wegen zu widmen (gute Noten, Belohung etc.). Insbesondere die intrinsische Motivation fördert das Besuchserlebnis und die Bewertung der Lernszenarien. Intrinsisch motivierte, interessierte Teilnehmer an Lernaktionen können durch das Lernszenario eine Interessen- und somit eine Motivationsverstärkung erhalten. So kann z.B. die Teilnahme an einem Technikworkshop im Legoland als Verstärker wirken. Annahme ist eine spiralförmige Entwicklung: Motivation/Interesse an Legotechnik, Besuchserlebnis im Workshop, mehr Interesse an Technik, weitere Beschäftigung mit Legotechnik oder auch generell Computertechnik (vgl. Freericks et al. 2005a). Wie die Lernmotivation weiter gesteigert werden kann, ist in der Pädagogischen Psychologie im Rahmen der Motivationsforschung relativ umfassend untersucht worden. Die Erkenntnisse bzw. „Tipps“ lassen sich - wie hier kurz gezeigt - ohne Schwierigkeiten auf das Lernen in Freizeitsituationen übertragen und konkretisieren (vgl. Dollase 2005). Weitere Tipps lassen sich aus der Unterrichtsforschung, der Beeinflussungs- und Überzeugungsforschung ziehen. Zudem geben Kenntnisse aus der Sättigungsforschung Hinweise zu Grenzen der Attraktivitätssteigerung, die in die Konsum- und Marktforschung auch bereits Eingang gefunden haben. Wesentlich ist eine Konkretisierung der Ansätze, bezogen auf die jeweiligen situativen, inhaltlichen und personalen Gegebenheiten des erlebnisorientierten Freizeitlernangebots. Deutlich wird, ein interdisziplinärer Zugang, gemeinsam mit Psychologen, Pädagogen, Designern, Architekten und Managern, steigert die Gestaltungsmöglichkeiten und -chancen eines professionellen und attraktiven Lernangebots in der Freizeit. Bezüglich der Attraktivität von Freizeitsettings und somit auch von Lernszenarien in den Freizeiterlebniswelten verweist Schober (1993) auf die hohe Bedeutung der Atmosphäre. Ob es sich hierbei um echte, authentische Orte bzw. Szenarien oder um unechte, inauthen-

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

tische (künstliche Erlebniswelten) handelt, ist nicht das Kriterium der Bewertung in postmodernen ‚Welten‘ (vgl. hierzu u.a. Vester 1993). ERREGUNG

Aggressive Atmosphäre

Anregende Atmosphäre

weist ab (-)

zieht an (+)

Bedrückende Atmosphäre

Beruhigende Atmosphäre

RUHE Abb. 14 Bestimmung der Atmosphäreart (eigene Darstellung in Anlehnung an Schober 1993, S. 120)

Schober unterscheidet vier Atmosphärearten: aggressive Atmosphäre (z.B. Lärm), anregende Atmosphäre (z.B. beeindruckende interessante Bauten), bedrückende Atmosphäre (z.B. monotone Bauten, Straßen) und beruhigende Atmosphäre (z.B. Spaziergänge, einsame Strände) (s. Abb. 14). Die positiven Atmosphärefelder gilt es mittels verschiedener Atmosphäreträger (z.B. Formen, Farben, Gerüche, kontrastierende Elemente) zu fördern und negative Störungen der Atmosphäre zu verhindern. Der entsprechende Einsatz kann, wie wir aus der Architektur und Designgestaltung wissen, lernförderlich wirken.

3.5.5

Erfolgsfaktoren und Strategien für Lernszenarien

Was macht nun einzelne Lernszenarien in Freizeit-Erlebniswelten erfolgreich? Welche globalen Faktoren gilt es möglicherweise zu beachten? Welche Strategien werden wichtig? Bisher lassen sich folgende sechs Faktoren erkennen, die sich positiv auf Nutzung, Bewertung, Erinnerung und Lernen auswirken:      

aktive Beteiligung der Besucher personale Vermittlung und Animation relatives Volumen der Lernelemente emotional-sinnliche Ansprache Engagement der Betreiber Vernetzung mit passenden Partnern.

3.5 Lernen und Bildung

55

Aktive Beteiligung Als ein wesentlicher Faktor für den Erfolg inszenierter Erfahrungsräume erscheint die aktive Beteiligung der Besucher. Selbst etwas ausprobieren und erkunden, eigene Erfahrungen sammeln, sich etwas aneignen und selbstorganisiert eigene Lernziele verfolgen, macht Lernszenarien im Freizeitbereich interessant. Die interaktiven hands-on-Exponate in den Science Centern sind ein Beispiel hierfür. Die Intensität kann bei geeigneten Arrangements bis hin zu Flow-Erfahrungen reichen (s. o.). Personale Vermittlung und Animation Szenarien für das informelle Lernen leben aber auch von der persönlichen Ansprache der Besucher und einem persönlichen Bezug zu „Scouts“, „Edutainern“, „Lernberatern“, „Workshopleitern“ und „Animateuren“. Sie lassen sich nicht allein auf Materialien und Arrangements zur Selbstnutzung gründen. Für ein Gelingen bedarf es auch der personalen Vermittlung in neuer Form. Der persönliche Bezug stützt eine intensive Auseinandersetzung mit einem Thema und ermutigt die Besucher, Ungewöhnliches auszuprobieren und Exponate zu nutzen. Relatives Volumen der Lernelemente Lernelemente in Freizeitsettings müssen ein gewisses Volumen haben, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Kleine Impulse gehen in der Vielfalt des Angebots und dem relativen Volumen von z.B. Achterbahnen, Shows und Themengastronomie im Freizeitpark unter und erreichen nur Minderheiten. Um ein breiteres Publikum anzusprechen und die Lernoptionen stärker ins Bewusstsein zu rücken, muss ein dem übrigen Angebot angemessenes Volumen erreicht werden. Dies gilt für einen großen Freizeitpark, aber auch für stadtweite Aktionen wie das Projekt ‚Stadt der Wissenschaft‘. Emotional-sinnliche Ansprache Als eine starke Seite von Lernszenarien im Freizeitsektor erscheint die emotional-sinnliche Ansprache der Besucher. Staunen und Entdecken ist das Leitmotiv der Science Center. Lernen wird verknüpft mit Spaß und Geselligkeit. Aber auch andere Einrichtungen wie der Zoo verändern sich und bieten über die Thematisierung ihres Angebots einen neuen hoch emotionalen Zugang zu Themen wie Artenschutz und Nachhaltigkeit. Dies führt auch zu neuartigen Formen der Beschilderung und zu interaktiven Lernstationen im Park. Am Beispiel des Erlebniszoos Hannover zeigt sich, dass eine inszenierte Beschilderung beim Publikum auf breite Akzeptanz stößt. An den Lernstationen im Zoo Leipzig wird deutlich, sinnliche Elemente wie Fühl- und Hörstationen werden als attraktiv und lernförderlich eingeschätzt. Die damit verknüpften Erlebnisse bleiben stärker in Erinnerung als reine Textangebote. Die Ansprache vieler Sinne und eine emotionale Aktivierung stützen das informelle Lernen in diesen Szenarien. Engagement der Betreiber Als ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Integration von Lernszenarien in FreizeitErlebniswelten ist das Engagement der Betreiber anzusehen. Lernelemente zu entwickeln

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

und auszubauen, ist mit einem zusätzlichen Aufwand für die Einrichtung verbunden. Die unterhaltsame Vermittlung von Wissen gehört in aller Regel nicht zum Kerngeschäft der Freizeit-Erlebniswelten. Kooperationsprojekte haben zudem einen hohen Zeit- und Koordinationsbedarf. Nur mit zusätzlichem Engagement der Betreiber werden Lernangebote geschaffen. Dabei gilt es auch, Erfahrungen mit den Angeboten zu sammeln, sie nutzerorientiert weiterzuentwickeln und in das eigene Marketing zu integrieren. Der „Potts Park“ in Minden, ein familienorientierter Freizeitpark, hat z.B. mit seiner Ausstellung zu „optischen Täuschungen“ einen neuen Weg beschritten, der zu einer dauerhaften Präsentation von wissensorientierten interaktiven Exponaten führte. Er wird mit diesem Angebot noch attraktiver für die Besuche von Schulklassen und Kindergärten und erhöht Vielfalt und Originalität seines Angebots. Vernetzung mit passenden Partnern Inszenierte Erfahrungsräume mit einem hohen Qualitätsanspruch können heute kaum noch von einer Einrichtung allein realisiert werden. Unterstützer auf der fachlichen Seite spielen hierbei eine wichtige Rolle, aber auch Marketing- und Medienpartner. Insgesamt wächst so das Erfahrungsfeld für die Teilnehmer, es gibt mehr Lernoptionen und es entwickelt sich idealerweise ein Lernen in Netzwerken. Vor und nach dem Besuch besteht die Möglichkeit, auf begleitende Medienangebote zuzugreifen. Die Vielfalt der Optionen für eine vertiefende Auseinandersetzung wird mit netzwerkartigen Strukturen erhöht. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist der GeoTag der Artenvielfalt in Bremen, veranstaltet von der Erlebniswelt „botanika“. Zusammen mit Biologen der Hochschule Bremen wurden im Rhododendronpark, der die Einrichtung umgibt, Exkursionen für Schüler durchgeführt. Es konnten Vögel beobachtet werden, es wurden Insekten gefangen und bestimmt, und auch die Artenvielfalt der Pflanzen wurde ganz praktisch erkundet. Als Medienpartner bot die Zeitschrift GEO einen Rahmen für die weitere Beschäftigung mit dem Thema Artenvielfalt, und die Erlebniswelt mit ihren Lernstationen und Schaugewächshäusern konnte parallel genutzt werden. Weitere Partner in der Region oder darüber hinaus wären denkbar. Wichtig für den Erfolg sind die gute Abstimmung untereinander und ein „Coaching“ der Projektbeteiligten. Darüber hinaus lassen sich fünf weitere Strategien zur Weiterentwicklung des informellen Lernens in Erlebniswelten und zur Gestaltung von Lernszenarien anführen:     

interaktive Erfahrungsfelder gestalten didaktische Konzepte in die Freizeit transformieren Events als Lernimpulse inszenieren ein größeres Zeitfenster für Lernen in den Blick nehmen mehr Lernorte und Partner einbeziehen.

Kernidee von Erlebniswelten ist die thematische Inszenierung. Der Ansatz, Erfahrungsfelder mit starker Handlungsorientierung und Beteiligung vieler Sinne zu schaffen, fließt hier ein. Was man im Museum normalerweise nicht darf, nämlich die Objekte anfassen und so vielleicht besser begreifen, wünschen sich viele Besucher, wenn man sie nach der Gestaltung von Ausstellungen fragt. Deutlich ist aber auch: Vermittlung in Erlebniswelten kann sich auch auf einen Fundus der Pädagogik stützen und versuchen, didaktische Modelle in die

3.5 Lernen und Bildung

57

Freizeit zu transformieren. Eine Vielfalt didaktischer Modelle ist Teil unserer Lernkultur und gibt Anregungen, wie man Wissen an andere weitergeben kann. In seinem „Kleinen Handbuch didaktischer Modelle“ listet der Göttinger Erziehungswissenschaftler Karl-Heinz Flechsig 20 Grundformen auf - von der Vorlesung bis zum Werkstattseminar - und wir erkennen auch in erlebnisorientierten Lernorten einiges davon wieder (vgl. Flechsig 1996). Die Kontexte für ein informelles Lernen in Erlebniswelten gilt es dafür genauer zu analysieren und die jeweilige Übertragbarkeit zu prüfen. Mit Unterstützung von Projektpartnern und Medien lassen sich mit Freizeitevents (z.B. Science Days) Lernimpulse setzen und Angebote mit großer Anziehungskraft für ein breites Publikum gestalten. Für die Gestaltung von Lernszenarien erscheint es zudem wichtig, ein größeres Zeitfenster für informelles Lernen zu betrachten. Nicht nur das Besuchserlebnis selbst bestimmt Art und Erfolg des informellen Lernens, sondern auch Kontexte im Vorfeld und Möglichkeiten nach dem Besuch (z.B. Lernmaterialien zur Begleitung). Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, auch im Freizeitbereich Netzwerke für das Lernen zu schaffen, zu entwickeln und zu betreuen. Regelmäßige Events wie ein Science Festival oder auch die Kooperation von Schule, Hochschule und Erlebniswelten können ein Ziel sein. Neben einer Orientierung an den genannten Erfolgsfaktoren und Strategien lassen sich auch weitere Anleihen bei bewährten didaktischen Prinzipien und bei dramaturgischen Konzepten aus Theater, Film und neuen Medien nehmen (vgl. Freericks et al. 2005a). Die Blickrichtung ist jeweils gleich: An der Inszenierung von Erlebnissen arbeiten, sie verbessern, Strukturprinzipien erkennen und strategisch einsetzen. Denkbar ist u.a. die Einbeziehung folgender didaktischer Aspekte:    

Handlungsorientierung und erkundendes Lernen exemplarisches Erleben und Lernen Anschaulichkeit und Mehrkanaligkeit Alltagsbezogenheit und adressatenorientierte Kommunikation.

Der Transfer von didaktischen Modellen erscheint im Rahmen erlebnisorientierter Lernorte in einem umfassenderen Sinne möglich, z.B. für Workshops, Shows oder MitmachAktionen. Anregungen für die ‚spannende‘ und erlebnisreiche Gestaltung bieten darüber hinaus bestimmte dramaturgische Prinzipen (in Anlehnung an Mikunda 2005). Sie beruhen auf Erkenntnissen der kognitiven Psychologie und sollen dazu beitragen, Erlebnisse zu optimieren. Sie erhöhen den Grad der Involviertheit des Besuchers bzw. Teilnehmers, den sog. AIME Wert (Amount of invested Mental Elaborations):       

Bildung innerer Ordnungsmuster und „Landkarten“ Anknüpfung an vertraute Erzählmuster Unterstützung einer schnellen Imagebildung Anregung von individuellen Wirklichkeits-Konstruktionen über eine ErlebnisGrammatik Anspielung auf Erfahrungen mit Erlebniswelten und Medien sowie ihre Spielregeln (Media Literacy) Planung von Spannungsverläufen Beeinflussung des subjektiven Zeitempfindens (Kurzweiligkeit).

58

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Eine integrierte Umsetzung in erlebnisorientierten Lernorten unter Berücksichtigung der interdisziplinären Kenntnisse kann die Entwicklung von Lernräumen in der Freizeit weiter vorantreiben.

3.5.6

Nachhaltiges Lernen in Erlebniswelten

Mit Blick auf eine weitere Qualitätsentwicklung des Lernens in der Freizeit bzw. von erlebnisorientierten Lernorten stellt sich die Frage, inwieweit ein nachhaltiges Lernen möglich ist. Nachhaltiges Lernen ist idealerweise bezogen auf gesellschaftliche Zukunftsfragen, eine individuelle Kompetenzentwicklung und die Eröffnung von Möglichkeiten für eine informelle Bildung. Ähnlich wie für die Weiterbildung diskutiert (vgl. Schüßler 2002), könnte nachhaltiges Lernen in Erlebniswelten Ansprüche auf zwei Ebenen umfassen: Inhalte/Ziele:  die kritische und emotional fundierte Bildung für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung  die Auseinandersetzung mit globalen Problemlagen  und die Gewinnung von Gestaltungskompetenz für die Zukunft. Wirkungen:  die langfristige Speicherung von Lerninhalten und eine dauerhafte Wissenserweiterung  den Transfer in den Alltag  und die Stärkung der Selbstlernkompetenz. Nachhaltiges Lernen grenzt sich dabei ab von einem negativen Zerrbild formaler Bildungsprozesse, bei dem nur für die jeweilige Prüfung gelernt wird (Zyklus: Pauken-KlausurVergessen). Elemente eines nachhaltigen Lernens in Erlebniswelten könnten stattdessen sein:   

Wissen ist auch später noch für kreative Problemlösungen verfügbar ein aktives Lernverhalten wird beibehalten und gefestigt die Freude am Lernen wird geweckt und gestärkt.

Nachhaltigkeit hat aber nicht nur eine Wirkungsseite. Dies kommt zum Ausdruck in Initiativen, die eine zukunftsorientierte, inhaltliche Veränderung des Bildungssystems vorantreiben. Die Vereinten Nationen haben die Zeit von 2005 bis 2014 zur Dekade einer „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ erklärt, und auch im Bereich des informellen Lernens sollen die Leitideen des Ausgleichs zwischen den Generationen und der Berücksichtigung ökologischer, soziokultureller und ökonomischer Entwicklungsfaktoren breit vermittelt werden. Immerhin geht es, wenn man an Klimawandel oder demographische Alterung denkt, um einen grundlegenden Wandel von Einstellungen, Lebens- und Konsumstilen. Dies gelingt offenbar nicht oder nicht in der nötigen Geschwindigkeit und Breite über Schulen und organisierte Weiterbildung. Viele neue erlebnisorientierte Lernorte, wie das in diesem Jahr eröffnete „Klimahaus 8° Ost“ in Bremerhaven, haben daher hier einen inhaltlichen Schwerpunkt. Sie stellen eine sich entwickelnde Infrastruktur im Bereich der nachhaltigen Bildung dar.

3.5 Lernen und Bildung

59

Zusammengefasst mit den in den vorherigen Abschnitten genannten Faktoren und Strategien ergibt sich ein integratives Modell für die Förderung eines nachhaltigen Lernens in Erlebniswelten (s. Abb. 15). Die Randbedingung der Selbststeuerung darf dabei aber nicht verletzt werden. Dann lassen sich auch etwas formalere Lernformen wie Workshop, Führung, Exkursion erfolgreich umsetzen. Eine Förderung kann nicht allein auf das Arrangement beschränkt bleiben. Für eine Qualifizierung des erlebnisorientierten Lernens werden Vermittler, d h. Personen, die informieren, begleiten, animieren und unterstützen, wichtig sein. Das betrachtete Zeitfenster ist eine wichtige Rahmenbedingung für die über das Besuchserlebnis hinausreichende Förderung des informellen Lernens. Individuelle Kontexte der Besucher und soziokulturelle Zusammenhänge spielen eine entscheidende Rolle für die spezifische Gestaltung von Angeboten für Familien, Schulklassen oder Erwachsene und die Interaktion im Rahmen von Lernszenarien. Letztlich angestrebt wird eine Wirkungskette von Nutzung, positiver Bewertung durch die Teilnehmer, Erinnerung und Lernen. Thematisch gilt es, Bezüge zu Zukunftsthemen herzustellen und neue Lernoptionen im Kontext globaler Problemlagen anzubieten.

Förderung eines nachhaltigen Lernens in Erlebniswelten (Integratives Modell) Individueller Kontext

Zeitfenster

Emotion

nachher

Soziokultureller Kontext

Qualifizierung

Inszenierung

Kognition Vermittler

Aktion

während

Engagement Aktivierung Relatives Volumen

vorher

Nutzung

Lernorte

Selbststeuerung

Positive Bewertung

Lernszenarien: - Lernstationen - Lern-Event - Workshop, Show - Lernmaterial

Erinnerung

Vernetzung

Lernen

Zukunftsthemen

Abb. 15 Integratives Modell der Förderung (Freericks et al. 2005b, S. 119)

Die Perspektiven für einzelne Einrichtungen können dabei verschieden sein. Das Museum wird durch eine Mitmach-Aktion sinnlicher und kommunikativer. Das Science Center er-

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

scheint durch die Show oder einen Workshop persönlicher und vermittelt Wissenschaft auch über engagierte Akteure. Der Zoo wird durch die Lernstationen „aktiver“ für Kinder und ermöglicht spielerisch, einzelne Aspekte der Tiere sinnlich zu erfahren. Der FamilienFreizeitpark mit einer anspruchsvollen Ausstellung wird interessanter für Erwachsene und durch betreute thematische Lernstationen erscheint er komplexer und zukunftsorientierter. Eine nicht ganz so große Themenerlebniswelt wird durch ein Netzwerk an Kooperationen und durch geschickte Lern-Events eine größere Breitenwirkung erlangen. Insgesamt zeigt sich, Lernen hat einen relevanten Platz in postmodernen Freizeiträumen der Wissensgesellschaft. Es bereichert und qualifiziert die Erlebnisdimension. Die Akzeptanz beim Publikum als eine Option unter anderen ist hoch. Und die Bereitschaft ist gegeben, auch intensive Lernszenarien wie Workshops zu nutzen. Vor allem für Kinder werden die Szenarien von den Besuchern als lernförderlich eingeschätzt. Bei einer etwas anderen Ausrichtung, das zeigen die Erfahrungen im Museum, ist jedoch auch eine stärkere Relevanz für das lebensbegleitende Lernen im Erwachsenenalter anzunehmen. Eine weitere Aktivierung und Qualifizierung von informellen Lernmöglichkeiten in Freizeiterlebniswelten ist möglich. Sie greift Anknüpfungspunkte der jeweiligen Freizeitsituation auf, weitet aber auch den Blick durch symbolische Verweise und eine Aufbereitung zukunftsrelevanter Themen. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung erscheint in vielfältigen Formen möglich. Grenzüberschreitende Kooperationen, Lern-Netzwerke und ungewöhnliche Erfahrungsräume nutzen die postmoderne Vielfalt und auch die Lust des Publikums auf neue Anregungen und Eindrücke. Die Ausgestaltung informeller Lernräume in der Freizeit erscheint insgesamt noch keineswegs abgeschlossen.

3.6

Freizeit erleben

Im Kapitel ‚Lernen und Bildung‘ wurde vor allem die Anbieterseite in den Blick genommen. Im Mittelpunkt standen die Anforderungen und Herausforderungen an die Gestaltung neuer zukunftsfähiger erlebnisorientierter Lernorte in der Freizeit. Im Folgenden soll der Blick stärker auf die Nachfrageseite, auf den Einzelnen und soziale Gruppen gelenkt werden. Was wissen wir eigentlich über die Bedürfnisse und Freizeitmotive der Menschen? Wie erleben sie Freizeit? Und was heißt eigentlich Erleben bzw. Erlebnis? Welche Erkenntnisse aus der freizeitpsychologischen Motiv- und Motivationsforschung liegen uns bisher vor? Die Menschen streben allgemein nach erfüllter Zeit, nach Glück, nach Zufriedenheit und Wohlbefinden mit dem Ziel persönlicher Lebensqualität. Doch was zeichnet eine erfüllte, glückliche Zeit aus? Welche Zeitprobleme lassen sich ausmachen? Und wie kann ihnen begegnet werden? Damit rücken phänomenologische und psychologische Betrachtungen der Freizeit stärker in den Mittelpunkt, aber auch die konkrete Frage nach dem Zeiterleben, den eigentlichen Freizeitbedürfnissen und den Freizeitmotiven. Die Ausführungen zum Lernen in der Freizeit haben bereits verdeutlicht, Lernangebote erscheinen als etwas zusätzliches, wenn auch als etwas positives und qualitätssteigerndes in der Freizeit. Es ist aber nicht das zentrale Motiv in der Freizeit. Im Mittelpunkt steht das Erleben bzw. das positive Erlebnis.

3.6 Freizeit erleben

3.6.1

61

Erleben und Erlebnis

Erleben ist etwas subjektives und individuelles. Erleben beschreibt die rezeptive Seite der Interaktion von Mensch und Umwelt, also wie der Mensch Ereignisse, Situationen oder generell das Leben ‚erlebt‘. Erleben kann sich auf das eigene Handeln, Umwelteindrücke, Körper, Seele und auf Zwischenmenschlichkeit beziehen. Ein Erlebnis ist ein außergewöhnliches Ereignis, das sich vom Alltag des Erlebenden so sehr unterscheidet, dass es ihm lange im Gedächtnis bleibt. Nahrstedt et al. sprechen hier auch von „erinnerbaren Gefühlszuständen“ (2002, S. 89). Erlebnisse sind Bewusstseinsvorgänge (innengeleitet), sie haben eine emotionale bestimmende Dimension, aber auch eine kognitive und eine Handlungsdimension. Sie sind subjekt- und situationsbezogen und entziehen sich insofern einer zielgerichteten Selbst- oder Fremdsteuerung. Lediglich die Rahmenbedingungen lassen sich unterstützend gestalten (vgl. Müller, W. 2003), wie es z B. bei der Gestaltung von Erlebniswelten geschieht. Auch Schulze (1992) betont die drei Komponenten des Erlebnisses. Er nennt vier ‚Es‘ des Erlebnisses: Ereignis, emotionales Erlebnis, Erkenntnis und Erfahrung. Der handlungsorientierte Ansatz der Erlebnispädagogik spiegelt ebenfalls diesen Prozess wider (vgl. Fischer/ Ziegenspeck 2000). Erfahrungen sollen in den Alltag transferiert werden. In Anlehnung an Nahrstedt et al. lässt sich die Struktur des Erlebnisses folgendermaßen beschreiben: „Erlebnisse sind herausragende Episoden im Strom der bewussten Wahrnehmung eigener Empfindungen und Gefühlszustände. Sinneseindrücke und ihre Verarbeitung (z.B. von einer Fahrt auf einer Achterbahn) stimulieren und formen das Erlebnis. Zentral ist die emotionale Erregung (z.B. Freude, Angst, Zorn, Trauer). Zum Erlebnis wird ein Ereignis aber nicht zuletzt durch verstehendes Nachdenken über das Erleben und einem Ausdruck des Erlebnisses, z.B. in Form von Erzählungen. Das angezielte positive Erlebnis setzt (…) an Grundbedürfnissen der Menschen an und entspricht ihrem Wunsch nach Aneignung von Welt“ (2002, S. 88f). Schober unterscheidet idealtypisch vier Erlebnisbereiche: exploratives Erleben, biotisches Erleben, soziales Erleben und optimierendes Erleben. Sein Ansatz bezieht sich zwar auf den Urlaub, er lässt sich jedoch ohne Probleme auf die Freizeit übertragen. Das Urlaubserleben erklärt er zum eigentlichen Urlaubsziel bzw. -motiv (vgl. Schober 1993, S. 138). Exploratives Erleben meint etwas Neues und Ungewohntes auszuprobieren und zu erleben, wie z B. der Besuch eines Events als Alternative zum Alltag. Biotisches Erleben bezieht sich auf das Erleben vergessener Körperreize (auch Gerüche), wie z.B. bei einer Gebirgswanderung oder beim Segeln. Soziales Erleben bezieht sich auf einen nicht zu verbindlichen Kontakt und Geselligkeit, wie z.B. beim Besuch eines Freizeitparks und Optimierendes Erleben meint die soziale Verstärkung („sekundärer Erlebnisgewinn“) der erlebnisreichen Freizeitaktivität durch das alltägliche soziale Umfeld. Wenn wir z.B. nach dem Wochenende unseren Kollegen oder Freunden begeistert vom Besuch eines Festivals berichten oder Fotos unseres Segelausflugs präsentieren.

62

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Angst Sorge Anforderung Langeweile Angst Fähigkeit Abb. 16 Das Flow-Erleben (Csikszentmihalyi 1975, S. 77 und 1987)

Eine besondere Form des Erlebens beschreibt Mihaly Csikszentmihalyi (1975, 1987, 2000). Er wurde weltweit bekannt und wird als führender Glücksforscher bezeichnet, da er erstmals das so genannte Flow-Phänomen (‚flow experience‘) beschrieb. Flow-Erleben bezeichnet einen Zustand des Glücksgefühls, in den Menschen geraten, wenn sie gänzlich in einer Beschäftigung aufgehen bzw. von einer Aktivität erfüllt sind. Ein plastisches Beispiel ist das spielende Kind, das völlig im Spiel vertieft ist und um sich herum nichts mehr wahrnimmt (vgl. Kap. 3.5.3 Beispiel Legoland). Doch nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene können solch ein Flow erleben. Basis sind Tätigkeiten, die intrinsisch motiviert sind. Die Ausführung der Tätigkeiten lassen bei einem Gleichgewicht von Anforderungen und Können den Menschen Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortlichkeit (höchste Stufe bei Maslow) erleben (s. auch Kap. 3.6.5). Im intensiven Flow erlebt er Momente der Erfüllung und des Glücks. Wesentliche Voraussetzung ist ein Gleichgewicht zwischen Anforderungen und eigenen Fähigkeiten. Bei Überforderung würde Angst und Sorge und bei Unterforderung Langeweile entstehen (s. Abb. 16). Um in den Flow-Zustand zu gelangen, muss die Tätigkeit bestimmten Strukturmerkmalen genügen:  klare Aufgabenstrukur bzw. Handlungsanforderung (Regeln)  klare Ziele  Unmittelbare Rückmeldung/ Feedback  Aufgabe höherer Komplexität/Herausforderung an Problemlösekompetenz  Steigerungsfähigkeit der Schwierigkeit.

3.6 Freizeit erleben

63

Untersuchungen zum Flow-Erleben im Alltag zeigen, dass der Flow-Zustand sowohl im Arbeits- als auch im Freizeitkontext erlebt wird. Er wird durchweg von positiven Emotionen wie Glück, Freude und Erfüllung begleitet. Um selbst oder durch andere in den FlowZustand zu gelangen, sind die entsprechenden Merkmale zu fördern. Auf die Freizeit bezogen lassen sich vor allem Spiel- und Sportangebote anführen. Sie müssen einen bestimmten Herausforderungscharakter haben, die Regeln des Spiels müssen klar formuliert sein und eine direkte Rückmeldung des Erfolgs muss erfolgen. Damit keine Gewöhnung und damit Langeweile eintritt, muss das Spiel über Steigerungsmöglichkeiten verfügen (z.B. verschiedene Schwierigkeitslevel beim Computerspiel oder stärkere Gegner beim Sport).

3.6.2

Zeiterleben: Erfüllte Zeit zwischen Stress und Langeweile

Die Daten zur Freizeitentwicklung zeigen eine deutliche Freizeitzunahme in den letzten Jahrzehnten (vgl. Kap. 3.1), doch im subjektiven Bewusstsein insbesondere der erwerbstätigen Bevölkerung scheint dies nicht angekommen zu sein. Trotz Arbeitszeitverkürzung werden die Klagen über Zeitnot und Zeitstress immer lauter. Soziale und familiäre Verpflichtungen, Wegezeiten, Kinderbetreuung und selbst die neuen Medien, die uns eigentlich Zeit sparen sollten (vgl. Freericks 1996), kosten zunächst einmal Zeit und gehen der persönlichen Freizeit verloren. Selbst in der Freizeit wird mit der Hast nach immer neuen Angeboten über Freizeitstress geklagt. Beschleunigungstendenzen in unserer Gesellschaft, Zeitverdichtung und eine unüberschaubare Angebotsfülle auf dem Freizeitmarkt scheinen dieses Gefühl zu stärken. Das Erleben von Zeit ist von individuellen Faktoren abhängig. Zu nennen sind z.B. Einstellung zum Ereignisinhalt, Interesse, Motivation, Erwartungshaltung, emotionale Empfindlichkeit, Stimmungslage usw. Je nach individueller Verfassung kann z.B. Zeit als langsam oder schnell vergehend erlebt werden. Es lassen sich in Anlehnung an Plattner (1990) und Freericks (1996) drei Formen des Zeiterlebens unterscheiden: Erfüllte Zeit, sie ist gekennzeichnet durch gesteigerte Erlebnisintensität, Zufriedenheit mit der Situation und ein Schwinden der Bewusstheit von Zeit (s. Flow-Erleben). Zeitknappheit bzw. Zeitstress ist gekennzeichnet durch das Erleben von zu schnell vergehender Zeit und Überforderung. Langeweile ist das Erleben von zu langsam vergehender Zeit und Unterforderung, von Leere und Interesselosigkeit. Bei den beiden letztgenannten kann die Bewältigung von Zeit zu einem Problem werden. Solange jedoch die Person in der Lage ist, nach Phasen des Stresses oder der Langeweile Phasen des Ausgleichs zu schaffen und erfüllte Zeit zu erleben, bestehen keine seelischen oder körperlichen Gesundheitsgefährdungen. Im Gegenteil, als Stress erlebte Herausforderungen können auch positiven Stress (Eustress statt Distress) bewirken und die sprichwörtlich ‚lange Weile‘ kann auch positive Momente der Ruhe und Muße ermöglichen. Das Problem der Langeweile wird im Vergleich zum Stress derzeit in unserer Gesellschaft kaum thematisiert, dabei wird Langeweile nach wie vor erlebt, und dies nicht nur bei Arbeitslosen oder Rentnern, die über ein höheres Maß an freier Zeit verfügen. Langeweile ist ein alt bekanntes Phänomen, das insbesondere zu Beginn der Industrialisierung, nämlich mit Zunahme der Freizeit für weite Bevölkerungskreise und vor dem Hintergrund der Diskussio-

64

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

nen um die protestantische Arbeitsethik als Ausdruck der Verschwendung von Zeit und Faulheit besonders thematisiert wurde. Plattner (1990) unterscheidet zwei Formen von Langeweile, die latente und die manifeste Langeweile. Die latente Langeweile umschreibt den positiven Ausdruck von Langeweile. Nach Erreichen eines Ziels wird im Zuge des Selbstverwirklichungsdrangs, der in jedem Menschen vorhanden ist, ein neues Ziel angestrebt. Die manifeste Langeweile (Erlebnis zielloser Strebungen und Interesselosigkeit) unterteilt sich in gegenständliche Langeweile, etwas (bestimmtes) langweilt mich (inhaltliche Leere, Gegenstand uninteressant), und zuständliche Langeweile, ich (selbst) langeweile mich (unfähig Leben angenehm zu gestalten). Im Erleben von manifester Langeweile erscheint die Gegenwart als nutzlos. Oftmals geht es mit dem Gefühl der Unterforderung einher oder auch dem unausgesprochenen Druck etwas tun zu müssen (Norm des sinnvollen Umgangs mit Zeit). Wichtig erscheint die Bereitschaft und Fähigkeit des mußevollen Umgangs mit Zeit. Der Begriff Stress wurde erstmals 1936 von Hans Selye eingeführt. Laut moderner Stressforschung umschreibt Stress eine Situation, in der der Einzelne merkt, dass die Anforderungen von außen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht bewältigt werden können (Empfindung von Hilflosigkeit, Abhängigkeit, Ausgeliefertsein). Bekannt ist mittlerweile, dass täglicher Kleinärger, chronische, ständig wiederholende Belastungen des täglichen Lebens eher Stress erzeugen und für die Gesundheit gefährlicher sind als große Schicksalsschläge (körperliche, seelische Erkrankungen). Als Beispiele werden genannt: Isolierung, Sinn- und Interesselosigkeit, Spannungen im Freundeskreis, Rollendruck in der Clique und Besuchspflichten, Qual der Wahl, ‚Zuviel-um-die-Ohren-haben‘ (vgl. Lazarus 1982). „So entsteht Dauerstress, ein gefährlicher Übergang vom Berufsstress in den Freizeitstress, ohne zur Ruhe und Entspannung zu kommen“ (Opaschowski 1997, S. 232). Beim Freizeitstress handelt es sich in der Regel um die Anhäufung vergleichsweise kleiner physischer und psychischer Belastungen, die durch ständiges wiederholen und auf Dauer Stress verursachen. Erste Stressreaktionen sind oftmals Unruhe oder Nervosität, sie können aber auch in aggressivem Verhalten ihren Ausdruck finden. So kann zum Beispiel der Besuch einer Erlebniswelt mit all ihren positiven Erlebnisreizen umschlagen in Streit und Weinen der Kinder. Oftmals sind aggressive Reaktionen bei Jugendlichen zu beobachten. Überreizung, Übersättigung führen statt zu Konsumlust zu Frust und Überdruss (FrustrationsAggressions-Theorie, Berkowitz 1974). „Stressbelastungen sind (in der Freizeit, R.F.) subtiler und nicht selten selbst auferlegt“ (ebd.). Als Ursache für Freizeitstress wird vor allem die unüberschaubare Fülle und Vielfalt an Freizeitangeboten genannt, die zu Konsumstress, Erlebnisstress und zu Kontaktstress führt (z.B. soziale Verpflichtungen, Gedränge, Schlange stehen, Lärm, Erlebnisse am laufenden Band, Reizüberflutung, nichts verpassen wollen, Konsumwünsche kombinieren). Zeit ist neben Geld zu einem wichtigen Konsumgut geworden. Und auch die Freizeitanbieter konkurrieren zunehmend um die Zeit der Konsumenten. Als das größte Manko in der Freizeit führt Opaschowski (1997) den Bedarf nach mehr Eigenzeit (‚zur Ruhe kommen wollen‘) an. Wir wünschen uns mehr Zeit für uns selbst, wollen Muße. Doch stattdessen begeben wir uns in Betriebsamkeit, machen aus Freizeit Pflichtzeit, Zeit für Programme, für Aktionen/Aktionismus. Viele haben Probleme mit der eigenen Zeit rational umzugehen, sich Grenzen zu setzen und auch mal nichts zu tun, zu faulenzen ohne schlechtes Gewissen. Wichtig ist daher der bewusste Umgang mit Zeit (Zeitkompetenz), sich

3.6 Freizeit erleben

65

je nach Persönlichkeitstyp z.B. Eigenzeiten wie in einem ‚privaten Kalender‘ einzutragen, auch mal nein zu sagen, sich kleine Auszeiten zu schaffen. Diese Beispiele können nur kleine Empfehlungen sein, um frühzeitig psychischen und physischen Erkrankungen als Folgen des Stresses (wie z.B. burnout) vorzubeugen. Der Wellnessboom der letzten Jahre knüpft hier direkt an. Wellnessprodukte und -angebote sollen Möglichkeiten der Entspannung und des Ausgleichs im Alltag und im Urlaub bieten. In Wellnesscentern werden ganzheitliche Ansätze vertreten, naturmedizinische Ansätze und fernöstliche Methoden werden hier meist kombiniert. Aber auch spezifische Ansätze zur Beratung und Fortbildung wie Zeitberatung und Zeitmanagementkurse sind in diesem Zusammenhang zu nennen.

3.6.3

Zeitmanagement und Zeitberatung

Kurse wie auch Bücher zum Zeitmanagement sind seit einigen Jahren ein wahrer Boom. Zeitmanagement bezieht sich längst nicht mehr nur auf das Berufsleben von Managern, wenngleich hier vor allem Tipps und Ratgeber zum ökonomischen Umgang mit Zeit (z.B. Prioritäten richtig setzen, sich der Ziele bewusst sein, unergiebigen Ballast abwerfen, Zeitplanbücher führen etc.) am Arbeitsplatz überwiegen (vgl. u.a. Seiwert 1990). Es wird die gesamte Lebenszeit in den Blick genommen. Es sind ebenso die freien Zeiten zu planen, der persönliche Biorhythmus soll Berücksichtigung finden und im Sinne der ‚Zeitveredelung‘ soll auch Zeit für z. B. soziales Engagement genutzt werden mit dem Ziel der Steigerung des Lebenssinns und des Lebensglücks (vgl. Knoblauch et al. 2005). Die ZeitmanagementMethoden, Strategien und Ratschläge sollen den Einzelnen auf dem Weg zu einer erfüllten Zeit unterstützen. Die bewusste und erfüllte Gestaltung der Lebenszeit führt zu mehr persönlicher Lebensqualität. Der Ansatz der individuumszentrierten Zeitberatung (vgl. Plattner 1992) grenzt sich von den Zeitmanagementansätzen ab. Zeit ist nicht für alle in gleicher Weise fassbar und verfügbar. Individuelle Besonderheiten des Zeiterlebens und des Umgangs mit Zeit sowie die jeweilige Lebenssituation sind zu berücksichtigen. Der Einzelne soll sensibilisiert werden für sein individuelles Zeitbewusstsein (vgl. Plattner1990), um Ansatzmöglichkeiten (Lösungswege) für eine selbstbewusste und ausgeglichene Zeitgestaltung auszuloten, die in der persönlichen Lebenssituation umsetzbar sind. Nach Plattner (1992) reichen auch einfache ‚schlampige Listen‘ statt Zeitplanbücher. Was am schnellsten geht, wird zuerst erledigt, und Erledigtes wird durchgestrichen (verstärkt ein positives Gefühl). Das Zeitproblem wird nicht lediglich als persönliches Problem des Einzelnen gesehen, sondern die jeweilige Lebenssituation und die dortigen Anforderungen werden verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Zeitprobleme sind Probleme unserer Zeit, sie sind historisch und gesellschaftlich bedingt und erst in zweiter Linie individuelles Merkmal. Dies gilt nicht nur für den Zeitstress in unserer beschleunigten und reizüberfluteten Gesellschaft, sondern auch für das Problem der Langeweile. Konsequenz muss entsprechend sein, dass nicht nur passende Beratungs- und Kursangebote zur Verfügung gestellt werden. Es bedarf auch einer Auseinandersetzung auf (zeit-)politischer Ebene, um neue Modelle der Entschleunigung und neue Lebensmodelle zu entwerfen und zu fördern (vgl. z.B. Gesellschaft für Zeitpolitik in Berlin). Für die Tätigkeit als Mana-

66

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

gementtrainer, (Zeit-)Berater oder Coach bedarf es entsprechender Beratungsfähigkeiten, die z.T. auch über Zusatzqualifikationen erworben werden müssen. Der Beratungsansatz von Plattner wie auch der ältere Ansatz der Freizeitberatung beruhen auf dem Ansatz der Klientenzentrierten Beratung bzw. Klientenzentrierter Gesprächsführung (vgl. Rogers 2003), dessen Ziel Lernen bzw. Veränderung beim Ratsuchenden ist. Andere Trainings- und Coachingmethoden beruhen häufig auch auf NLP- oder systemischen Beratungsansätzen. Es sind wichtige grundlegende Bedingungen für das Gespräch und die Fähigkeiten des Beraters zu formulieren:     

Empathie (Verständnis für Probleme, Verstehen der Gefühle, keine Zweifel an dem, was der Klient meint) Zuhören (genaues Hinhören, Wortwahl) Kongruenz (Real sein, Berater ist, was er ist, keine Rolle/ Vorstellung/ Fassade) bedingungslose positive Zuwendung Klient muss erste vier Bedingungen erfahren bzw. erfolgreich vermittelt bekommen.

Freizeitberatung ist eine Form der persönlichen Gesprächsberatung bzw. -führung. Die Initiative geht immer vom Ratsuchenden aus (vgl. Giesecke 1997 und Kap. 3.2). Sie findet in offenen Beratungssituationen im Sinne informativer Beratung oder im Sinne persönlicher psychosozialer Beratung in Anlehnung an pädagogisch-psychologische Beratungsmethoden (Gesprächsberatung) statt (Abgrenzung zu Therapie/Behandlung, Heilverfahren). Der Beratungsvorgang verläuft in 5 Phasen:     

Bewusstmachung des Problems (Sammeln und erörtern von Informationen) Strukturierung des Problems (Ordnen der Informationen) Ermittlung von Lösungsalternativen Bewertung (Gewichtung) der Lösungsalternativen Anregung zum Ergreifen der angemessensten Lösung (Entscheidungshilfe).

Freizeitberatung wird differenziert in: Angebotsberatung, Interessenberatung und Alltags/Lebensstilberatung (vgl. Nahrstedt 1982). Ziel der Freizeitberatung ist die Unterstützung bei der Bewältigung von Freizeit- und Alltagsproblemen. Sie findet in der Regel nicht institutionalisiert sondern im Rahmen eines Freizeitangebotes, in Freizeiteinrichtungen sowie anderer Beratungstätigkeit statt. Ein gewisser Institutionalisierungsgrad hat in der Kurgastbetreuung (Gästebetreuung) stattgefunden. Freizeit (Zeit)- und Lebensstilberatung findet heute häufig rund um Angebote des Gesundheitssektors statt (Wellness-/Gesundheitsberatung). In den USA sind die Ansätze sehr verbreitet (Leisure Counselling/Therapeutic Recreation).

3.6.4

Freizeitmotive und -aktivitäten

Es lassen sich in der Literatur vielfältige Definitionen von Motiv und Motivation finden. Motivation umschreibt im Allgemeinen die Gesamtheit der Bedingungen, die zu einer Handlung (Verhalten, Aktivitäten, Präferenzen) führen (vgl. Krauß 1993). Auch andere spezifischere Konzepte werden damit assoziiert, wie Ziel, Bedürfnis, Wunsch, Intention, Zweck.

3.6 Freizeit erleben

67

Die Motivationspsychologie erforscht in diesem Sinne die Beweggründe, die einen Menschen antreiben, etwas zu tun. Motive sind hingegen individuelle Besonderheiten, die Bestandteil der Motivation sind. Sie sind individuell verschieden strukturiert und von der soziokulturellen Umgebung beeinflusst. Motive sind nicht unmittelbar beobachtbar. Sie sind Ursache bzw. Triebfeder des Wollens und Beweggründe des Handelns (vgl. Heckhausen 1980). Freizeitmotive lassen sich demzufolge umschreiben als individuelle Beweggründe, die dem Freizeithandeln bzw. den Freizeitaktivitäten zugrunde liegen. Die Gesamtheit aller Bedingungen (Strebungen, Wünsche, Bedürfnisse, Erwartungen) des Freizeitverhaltens beschreibt die Freizeitmotivation. Heckhausen (1980) nennt vier motivbezogene Grundfragen der Motivforschung, die sich auf die Aufgaben der Freizeitmotivforschung übertragen lassen:    

Motivklassifikation (Klassifikation von Freizeit-/Reisemotiven) Motivgenese (Entstehung, Entwicklung, Veränderung von Freizeit-/Reisemotiven) Motivmessung (Entwicklung von Verfahren zur Messung individueller Unterschiede in der Ausprägung einzelner Motive) Motivanregung (Bestimmung, Differenzierung der Bedingungen der Situationen, die die Motive anregen).

Nach Hartmann lassen sich vier Motivgruppen klassifizieren (1962 zit. nach Braun 1993):    

Erholungs-, Ruhebedürfnis Bedürfnis nach Abwechslung und Ausgleich Befreiung von Bindungen (frei sein, Zeit für sich) Erlebnis- und Interessefaktoren (Neugierde, Interesse an Neuem, Kontaktneigung).

Sie wurden zwar ursprünglich für die Reisemotive auf Basis von empirischen Erhebungen (Selbsteinschätzung, Befragung, Motivlisten) formuliert. Sie lassen sich aber mit Blick auf die Funktionen von Freizeit (Kap. 3.1) ebenso auf die Freizeitmotive beziehen. Die repräsentativen Erhebungen der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen erfassen regelmäßig die Freizeitaktivitäten der bundesdeutschen Bevölkerung ab 14 Jahren. Eine Erhebung der Freizeitmotive erfolgt eher unregelmäßig. Was sicherlich aber auch darauf zurückzuführen ist, dass eine Änderung der Motivlage seltener festzustellen ist. Bekannt ist eine im Jahr 2006 veröffentlichte Erhebung des BAT zu den Freizeitmotiven, die mittels Motivlisten erhoben wurde. Deutlich wird, dass das allgemeine Motiv Spaß, ein Synonym für positives Erleben/Erlebnisse und Freude, bei weitem das Hauptmotiv für eine Freizeitaktivität ist. Vergleiche mit älteren Studien bestätigen die nach wie vor konstante Größe dieses Motivs (vgl. Opaschowski 1997). Die weiteren genannten Motive entsprechen den Motivklassifikationen nach Hartmann. Es besteht ein Bedürfnis nach Zeit für sich selbst, nach Ruhe und Ausgleich wie auch nach Zeit mit anderen und Interesse an Neuem (s. Abb. 17).

68

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft Frage: “Warum üben sie diese Tätigkeit aus?” Macht Spaß

90

Gut für die Gesundheit

50

Ausgleich zu meiner Arbeit

41

Gern mit anderen Menschen zusammen

33

Für mich persönlich etwas tun

30

Gern etwas Neues ausprobieren

14

Im Moment aktuell

12

Etwas Besonderes

12 Repräsentativbefragung von 2.000 Personen in Deutschland 2004

Abb. 17 Freizeitmotive (Opaschowski, et al. 2006, S. 114)

Von je 100 Befragten üben als regelmäßige Freizeitbeschäftigung* (= mindestens einmal in der Woche) aus: Fernsehen Radio hören Telefonieren Zeitung, Illustrierte lesen Sich mit der Familie beschäftigen Über wichtige Dinge reden Seinen Gedanken nachgehen Ausschlafen Sich in Ruhe pflegen Faulenzen CD, MC, MP3, DVD hören Mit dem Auto herum fahren Buch lesen Mit Pc beschäftigen Fahrrad fahren Internet nutzen Spazieren gehen Mit Freunden etwas unternehmen Video, DVD sehen

98 91 90 85 77 74 68 64 55 47 47 41 39 37 36 33 30 28 20

Repräsentativbefragung von 3.000 Personen ab 14 Jahren 2004 in Deutschland

Abb. 18 Freizeitaktivitäten (Opaschowski et al. 2006, S. 118)

* Freizeitbeschäftigung mit Mindestens 20 Prozent Anteil der Nennungen

3.6 Freizeit erleben

69

Bei den Freizeitaktivitäten (vgl. Freizeit-Monitor 2008) erfolgt eine Klassifizierung zunächst nach ‚Zu Haus‘ und ‚Außer Haus‘ Aktivitäten. Die erste Gruppe ist unterteilt in ‚Zu Hause aktiv sein‘, ‚Zu Hause zur Ruhe kommen‘ und ‚Zu Hause Medien nutzen‘. Die Außer Haus Aktivitäten erfassen die Kategorien: ‚Kulturelle Angebote nutzen‘, ‚Unternehmungen machen‘ und ‚Außer Haus Kontakte pflegen und sich sozial engagieren‘. Mittels soziodemografischer Merkmale und einer Einteilung in Lebensphasen sowie Zeitreihenvergleiche können Unterschiede bzw. Veränderungen in der Freizeitgestaltung erfasst werden. Die Abb. 18 gibt einen Blick auf die regelmäßig ausgeübten Freizeitaktivitäten der deutschen Bevölkerung. Seit einigen Jahren dominiert die Beschäftigung mit den Massenmedien, aber auch die Zeit für Sich selbst (Eigenzeit) spielt bei den Aktivitäten eine große Rolle. Aktuell wurde auch eine Analyse veröffentlicht, die aufzeigt, welche Freizeitaktivitäten die meisten Deutschen niemals tun (s. Abb. 19). Sie zeigt zum einen wie bei manchen Tätigkeiten öffentliche Wahrnehmung und Wirklichkeit auseinander gehen. So ist es doch überraschend, vielleicht gar erschreckend, wie wenige Menschen musizieren oder wie viele sich nie ehrenamtlich engagieren und wie wenige Menschen Wellnessangebote nutzen. Obwohl gerade letzteres als ein wichtiger Trend postuliert wird. Zum anderen verdeutlicht die Abbildung auch, dass bestimmte Freizeitbereiche eher zu den Nischenmärkten in der Freizeit zählen (z.B. Golf, Campingurlaub). „Schwarze Liste“ der Freizeitaktivitäten

Gesamt

Was die meisten Deutschen niemals tun

Alter

Geschlecht

Haushaltsnettoeinkommen

> 65 Jahre

< 29 Jahre

Frauen

Männer

< 1.249 €

> 2.500 €

Golf spielen

92

94

92

93

91

92

89

Spielhalle besuchen

86

94

71

89

81

87

84

Musik machen/ musizieren

78

84

71

77

78

81

71

Sich in einer Bürgerinitiative engagieren

75

80

73

76

73

80

71

Camping/ Caravaning

75

91

57

78

72

81

72

Fitnessstudio besuchen

75

89

62

76

74

82

70

Videospiel spielen

74

93

44

80

69

79

72

Jogging

68

83

61

67

69

78

56

Stammtisch besuchen

66

72

73

74

57

73

63

Handarbeiten

62

58

74

60

63

57

63

Ehrenamtliche Aufgaben übernehmen

62

67

65

63

60

71

54

Rock-/ Pop-/ Jazzkonzerte besuchen

61

91

33

63

59

75

51

Onlineshopping betreiben

59

89

40

64

54

79

40

Wellnessangebote nutzen

54

69

56

48

61

68

48

Repräsentativbefragung von 3 000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland

Abb. 19 ‚Schwarze Liste der Freizeitaktivitäten (BAT Stiftung für Zukunftsfragen 2008a)

70

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Ein kritischer Blick in die Freizeitforschung unter Bezugnahme auf die von Hartmann postulierten Grundprobleme der Motivforschung zeigt, dass eine Freizeitmotivforschung bisher eher eingeschränkt stattgefunden hat. Eine Klassifikation von Freizeitmotiven auf Basis von Motivlisten liegt vor (BAT). Zur Freizeitmotivgenese finden bisher kaum Untersuchungen statt. Einige wenige Auseinandersetzungen mit der Freizeit im Lebensverlauf (vgl. Fromme et al. 1988) sind zu nennen. Bezogen auf das Freizeitverhalten älterer Menschen wurde konstatiert, dass keine gravierenden Unterschiede im Freizeitverhalten vor und nach dem Ruhestand auszumachen sind. In der Regel wird im Ruhestand an die Interessen, Aktivitäten angeknüpft, die auch zur Zeit der Erwerbstätigkeit bestanden (vgl. Freericks/Stehr 1990). Sie werden lediglich verstärkt bzw. weiter ‚ausgebaut‘, doch gänzlich neue Aktivitäten und ein gänzlich anderes Verhalten zeigt sich normalerweise nicht. Eine spezifische Analyse einzelner Motive fand jedoch nicht statt. Zur Motivmessung (nur Motivlisten) liegen keine weitergehenden Erkenntnisse vor. Die Motivanregung wurde bisher nicht systematisch untersucht. Allerdings weisen hier theoriegeleitete Untersuchungen zum Thema Erleben, Flow-Erleben und Erlebnis (vgl. Schober 1993, Csikszentmihalyi 1987, Nahrstedt et al. 2002, Freericks et al. 2005) auf spezifische Anregungsfaktoren, die die erlebnisorientierte Gestaltung von Freizeitsituationen und damit das zentrale Motiv bzw. die übergeordnete Motivation Erleben von Freude und Glück befördern. Weitere quantitative und qualitative Grundlagenforschungen zum Freizeitverhalten sowie aktuelle Markt- und Trendstudien sind notwendig, um adäquate gesellschaftliche Problemanalysen und -lösungen erarbeiten und mögliche Ansätze zur Marktsegmentierung und optimalen Ausrichtung des Freizeitangebots entwickeln zu können. Weitere Ansätze gilt es auf ihre Relevanz zur Erklärung des Freizeitverhaltens zu prüfen. Die intensive handlungsforschungsorientierte und theoriegeleitete Analyse spezifischer Freizeitfelder und Freizeitsituationen kann zu weiterführenden Erklärungsmodellen führen.

3.6.5

Freizeitmotivation

Während mit den empirischen Erhebungen eher vordergründige Motive genannt und erfasst werden, hat Maslow mit seiner „Bedürnispyramide“ versucht, die dahinter stehenden Grundbedürfnisse des Menschen als grundlegende Motivation des Verhaltens in einer Hierarchie darzulegen. Sie wirken in jedem Menschen, können individuell jedoch verschieden sein. Ein Grundbedürfnis ist geprägt von der Wahrnehmung eines Mangels und dem gleichzeitigen Wunsch, diesen zu beseitigen. In seiner Motivationstheorie stellt Maslow zwei Motivationsformen gegenüber: die Mangelmotivation (psychisches, physisches Gleichgewicht erneuern) und die Wachstumsmotivation (überschreiten, was man in der Vergangenheit getan hat). Erst wenn ein niederes Bedürfnis weitgehend (es muss nicht vollständig erfüllt sein) befriedigt wurde, wird das nächst höhere angestrebt (s. Abb. 20). Das Bedürfnis bzw. die Motivation nach Selbstaktualisierung bzw. Selbstverwirklichung meint das Bedürfnis, sich selbst als Individuum und sein Verhalten als wirksam zu erleben. Es ist unter den vielen Bedürfnissen und Motiven, die Menschen haben, eine ganz besondere Motivation. Sie ist gekennzeichnet durch das Streben nach Autonomie und individueller Freiheit, Freude, Glück, Entfaltung und Selbstverantwortung (vgl. auch Müller, H. 2002).

3.6 Freizeit erleben

71

Das Selbstaktualisierungsbedürfnis ist für die Gestaltung des Freizeitbereichs besonders wichtig. Insbesondere in der Freizeit werden die Möglichkeiten des Freiheits- und Selbstbestimmungserlebens gesehen (vgl. Krauß/Kagelmann 1993). Im Unterschied zu Maslow vertritt Correl (2001) vor dem Hintergrund unserer sehr flexiblen und dynamisierten Gesellschaft ein dynamischeres Bedürfnismodell und postuliert ein Nebeneinanderstehen der Grundbedürfnisse statt eine hierarchische Anordnung. Das Grundbedürfnis nach Glück und Selbstverwirklichung (höchste Stufe) kann somit sehr wohl einhergehen mit dem Bedürfnis nach Kontakt, Gruppenzugehörigkeit oder sozialer Anerkennung. Es sind zentrale Bedürfnisse des Menschen, die in der Freizeit ihren Ausdruck finden.

Selbstaktualisierung als Motivation – Bedürfnispyramide/-hierarchie

Höhere Bedürfnisse Wachstumsmotivation

Selbstverwirklichungsbedürfnis

Selbstachtungsbedürfnis

Soziale Bindungsbedürfnisse

Sicherheitsbedürfnisse

Physiologische Bedürfnisse (Triebe) Niedere Bedürfnisse Mangelmotivation Abb. 20 Bedürfnishierarchie von Maslow (Heckhausen 1980, S.105)

In der Literatur wird zwischen so genannten Schub-Faktoren und Zug-Faktoren der Motivation unterschieden (vgl. Krauß 1993). Mit Schub-Faktoren sind diejenigen gemeint, die in der Person liegen und eine Person ‚von innen‘ zu einem Verhalten ‚schieben‘. Unterschieden wird hier zwischen angeborenen (primären) Trieben (Flucht, Hunger, Ermüdung, Fortpflanzung, Geselligkeit etc.) und erworbenen (sekundären), durch Konditionierung ‚gelernten‘ Bedürfnissen (Erkundungsdrang, Neugierde, Aktivitätsdrang, optimales Stimulationsniveau, Vermeiden psychischer Sättigung etc.). Sie haben eine lebenserhaltende bzw. arterhaltende Funktion. Als Erklärungsansatz wird in aller Regel das homöostatische und das hedonistische Modell (Konditionierung: Vermeiden von Schmerz, Streben nach lustvollen Situationen) herangezogen. In späteren Forschungen wurden zudem persönlichkeitsbezogene und soziale Konstrukte, wie Ängstlichkeit, Leistungsmotiv und Anschluss, Macht, Hilfeleis-

72

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

tungsbedürfnis ergänzt. Als Erklärungsgrundlage werden kognitive Ansätze (kognitive Balance/Dissonanz) einbezogen. Mit den Zug-Faktoren der Motivation sind Anreizfaktoren durch die Umwelt gemeint. Hierzu gehören Bedingungen, die mit dem Ziel des Verhaltens zusammenhängen (Zielantizipation, Zielorientiertheit, Aufforderungscharakter). Anreiz besteht z.B. durch die Neuartigkeit einer Situation (Orientierungsreflex) oder Nachwirkung einer unerledigten Handlung. Es wurden vor allem Zusammenhänge zwischen Anreizstärke und Leistungs- bzw. Lernmotivation untersucht. Als Erklärungsmodell dienen lerntheoretische und kognitive Ansätze. Die bereits im Kontext der Leistungs- und Lernmotivation (Kap. 3.5.4) erwähnte intrinsische Motivation gehört demnach zu den Schubfaktoren und die extrinsische Motivation aufgrund der äußeren Verstärker bzw. Belohnungen zu den Zugfaktoren. Für die Freizeitmotivation spielen die Schubfaktoren eine größere Rolle. Die Ausübung von Aktivitäten ist in der Regel freiwillig und nur bei Interesse und Neugier erfolgt eine erste Aufnahme einer Aktivität bzw. der Besuch einer Freizeiteinrichtung. Mit einem positiven Aufforderungscharakter in der Situation kann jedoch zur weiteren Auseinandersetzung motiviert werden.

3.6.6

Erleben in der Gruppe

Wie die Ausführungen zur Motivation und den Freizeitaktivitäten bereits gezeigt haben, nimmt das Motiv geselliges Beisammensein eine zentrale Bedeutung in der Freizeit ein. Das gemeinsame Erleben und die Gemeinschaft mit anderen spielt eine große Rolle für das persönliche Wohlbefinden. Hierbei ist zunächst zu unterscheiden zwischen eher zufälligen und unverbindlichen Treffen fremder Personen, z.B. in einer Kneipe oder bei einem Event, und gemeinsamen Aktivitäten mit Freunden und Bekannten. Ersteres spiegelt eher Bedürfnisse wider, wie gern unter anderen Menschen sein, mal andere Personen sehen und hören wollen, aber auch möglicherweise das Bedürfnis nicht allein sein zu wollen und den Wunsch nach Kontakt. In der Freizeitpraxis finden wir ein umfangreiches Angebot, dass die Kontaktbedürfnisse des Menschen zu befriedigen sucht. Dies können direkte Angebote wie Singlebörsen o.ä., erlebnis- und konsumorientierte Einrichtungen bzw. Veranstaltungen (Erlebnisrestaurants, Festivals) oder aktivitätsorientierte Angebote (Tanzschulen, Sportkurse etc.) sein. Möglicherweise können sich über ein unverbindliches Kennenlernen hinaus durch häufigere Begegnungen und gemeinsame Aktionen bzw. Erlebnisse (Wandergruppe, Tanzgruppe etc.) auch Freundschaften oder eine Gruppe bilden. Für die handlungsorientierte Freizeitwissenschaft ist das gemeinsame Erleben in der Gruppe ein relevanter Bereich. Wie kann dieser Prozess der Gruppenbildung unterstützt werden? Wie wird aus einzelnen Individuen eine Gruppe, damit eine schöne gemeinsame Zeit erlebt werden kann? Eine Gruppe besteht aus zwei oder mehreren Personen. In der Freizeitpraxis wird meist zwischen Klein- und Großgruppen unterschieden, in Abhängigkeit vom jeweiligen Angebot. Untersuchungen zeigen, dass normale Gruppen eine Art Standardabfolge von Interaktionsmustern durchlaufen. Der Prozess, in dessen Verlauf Fremde miteinander bekannt werden und sich zu einer neuen sozialen Einheit - einer Gruppe - zusammenschließen, stellt an die Interaktionskompetenzen besondere Anforderungen. In der Psychologie werden vier Stadien

3.6 Freizeit erleben

73

bzw. Phasen der Gruppenbildung (exempl. Tuckman 1965) unterschieden, die Gruppen in der Regel vor ihrer endgültigen Konsolidierung durchlaufen:    

Formierungsphase (Bekanntmachung) Sturmphase (Konflikte und individuelle Differenzen werden offenbar und es beginnt der Kampf um Status und Rollen) Normierungsphase (die Konflikte werden gelöst, in dem man sich allseits akzeptierte Gruppennormen, Einstellungen und Rollendefinitionen schafft) Phase des Funktionierens (performing) (stabiles Muster persönlicher Beziehungen und aufgabenorientierter Funktionen, das der Gruppe erlaubt, ‚normale‘ Funktionen wahrzunehmen).

Der Prozess ist nicht starr, es kann auch mal eine Phase übersprungen werden (Gruppendynamik). Eine Gruppe zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie in irgendeiner Hinsicht über gemeinsame Normen verfügt. Über den zukünftigen Erfolg einer Gruppe entscheiden unter anderem die Etablierung bestimmter Rollen (wer ist „Führer“, wer „Spaßvogel“, wer „Organisator“) und eine stabile Gruppenstruktur (vgl. Forgas 1995). Deutlich wird, dass diese Prozesse nur in einer überschaubaren Gruppe möglich sind. Bei Großveranstaltungen geht der Prozess meist über das Kennenlernen nicht hinaus. Doch was geschieht in diesen Phasen nun konkret? Stellen wir uns eine Kinder– bzw. Jugendfreizeit vor oder den Aufbau einer Theatergruppe im Kulturzentrum oder eine Projektarbeit im Rahmen der Ferienpassaktionen in den Sommerferien. Menschen unterschiedlicher beruflicher und sozialer Herkunft treffen aufeinander. Gemeinsam erleben sie das Freizeitprogramm, gewinnen Einblicke in neue Inhalte (sachliche Ebene), aber auch in das Miteinander der Gruppe, das Aufeinandertreffen unterschiedlicher sozialer und beruflicher Vorerfahrungen (soziale Ebene). Werden die individuellen sozialen Bedürfnisse (nach Wertschätzung, Nähe, Distanz etc.) vernachlässigt, entstehen Frustration und Ärger. Um das Kennenlernen der einzelnen Gruppenmitglieder untereinander und der ganzen Gruppe mit dem Leiter zu fördern, sollte der Leiter einen Einblick in die Abläufe von Gruppenprozessen und deren Gestaltungsmöglichkeiten kennen: Fremdheitsphase:  bisher keine gemeinsamen Erlebnisse der Teilnehmer  stark gefühlsorientierter Zeitraum  Ängste/Unsicherheiten  Teilnehmer schwanken oft zwischen Ablehnung und Interesse  große körperliche Distanz  vom Leiter werden Maßstäbe und Orientierungshilfen erwartet. Zur positiven Steuerung der Gruppenentwicklung in dieser Phase sollte über Rahmenbedingungen informiert und eine positive Atmosphäre geschaffen und etabliert werden. Es sollte sich ein Überblick über die Wünsche und Erwartungen der Teilnehmer verschafft werden. Bei Animation und Spiel sollte zunächst auf Körperkontakt verzichtet werden. Unsicherheit des Leiters und unklare Kommunikation kann zu Problemen führen.

74

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Machtkampfphase:  Rollen sind unklar  Beziehungen werden geknüpft  Cliquenbildung  hervorgehobene Position des Leiters  Normen werden getestet  Grenzen werden ausgetestet. Um Probleme in dieser Phase zu vermeiden, muss der Leiter konsequent sein und Autorität beweisen, Regeln wiederholen und kontrollieren. Schwache Teilnehmer sind in den Gruppenbildungsprozess einzubinden. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl kann durch gemeinsame Aktionen erzeugt werden. Vertrautheitsphase:  Entwicklung eines Wir-Gefühls und Eigenverantwortung  Zugehörigkeit zur Gruppe wird akzeptiert  Normen wurden gebildet  Situation ist aufgeschlossen, auch für etwas Neues  Rollen in der Gruppe sind verteilt  Gruppe beginnt selbst zu planen und übernimmt Verantwortung. In dieser Phase besteht die Gefahr einer zu starken Abgrenzung von anderen Gruppen. Die Abgrenzung zu anderen ist daher auf faire Art und Weise zu fördern. Es sollten größere Freiräume für Selbstgestaltung gegeben und Anregungen aus der Gruppe aufgenommen werden. Es ist die schwierigste Zeit für evtl. bisher unerkannte Außenseiter. Gezielte Aktionen zur Integration und Unterstützung sind daher vorzunehmen. Differenzierungsphase:  Jeder wird mit seinen Stärken und Schwächen akzeptiert  Einzelne treten in den Vordergrund  Gruppe hat eine gute und kooperative Beziehungsatmosphäre  Gruppe ist offen für Kooperation mit andern Gruppen  gemeinsam können interne Konflikte bearbeitet werden. Andere Gruppen können in dieser Phase einen zu starken Einfluss nehmen. Die Gruppe kann sich in kleinere Cliquen zersplittern, dem ist entgegenzuwirken. Es ist viel Spontaneität möglich, Teilnehmerideen sollten aufgegriffen werden. Der Leiter muss kritikfähig sein und gezielte individuelle Gespräche zulassen. Zum Gruppenerhalt ist die Selbstverantwortung zu stärken. Und schließlich ist noch eine 5. Phase zu ergänzen, denn die Freizeitaktionen und Gruppenerlebnisse sind selten auf Dauer gestellt. Trennungsphase:  Abschied  Rückschau auf Gelaufenes  neue Gruppe?

3.6 Freizeit erleben

75

Diese Phase ist gekennzeichnet vom Abschlussfest, vielen letzten Aktionen, Adressaustausch, evtl. Vereinbarung eines Nachtreffens, Trösten und Auswertung des Programms. Für den Leiter heißt es vermutlich: Ausblick auf die nächste Gruppe, Programmänderungen oder neues Programm. Das Freizeiterleben in der Gruppe wie auch der Gruppenbildungsprozess kann insbesondere durch Störungen in der Kommunikation und Konflikte in der Freizeitgruppe oder im Arbeits- und Kollegenteam beeinträchtigt werden. Kenntnis der Konfliktarten und verschiedenen Konfliktformen und möglicher Lösungsstrategien sind daher ebenso wichtig wie die Kenntnis grundlegender Kommunikationsstrukturen. Auf die in diesem Kontext notwendigen Gesprächs- und Beratungskompetenzen wurde bereits an anderer Stelle verwiesen.

Konfliktarten Intrapersonale (individuelle)

interpersonale (soziale)

Motiv-/Zielkonflikt

Entscheidungskonflikt

Beurteilungskonflikt

Konfliktformen

Rollenkonflikt

Bewertungskonflikt

Verteilungskonflikt Beziehungskonflikt

Abb. 21 Konfliktarten und –formen (Beck/Schwarz 2000, S. 28; zit. n. Ruschel 1990, S. 5)

In diesem Buch kann keine ausführliche Darlegung zum Konfliktmanagement (vgl. dazu Beck/Schwarz 2000) oder zu den Kommunikationstheorien (vgl. dazu Watzlawick 1972, Schulz von Thun 2006) erfolgen. Die Abb. 21 gibt jedoch einen recht guten Überblick über die sozialen und individuellen Konfliktarten und deren jeweiligen Ausprägungsformen. Als Lösungsstrategien werden in der Literatur drei machtorientierte Konfliktstrategien und die Konfliktverschiebungsstrategie genannt. Zu den machtorientierten gehören die GewinnerVerliererstrategie, die Verlierer-Verliererstrategie und die Gewinner-Gewinnerstrategie. Je

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

nach Konflikt, personalem und situativem Kontext kann die eine oder andere Strategie angezeigt sein. Die Kommunikationsansätze und -theorien verdeutlichen, dass in der sozialen Interaktion die Kommunikationsstörungen auf verschiedenen Ebenen liegen können. Störungen sind meist weniger auf verbale sondern auf nonverbale Missdeutungen zurückzuführen. Auch sind Störungen oder Konflikte (s.o.) häufig auf der Beziehungsebene denn auf der Inhaltsebene auszumachen. Watzlawick u.a. (1972) nennen fünf grundlegende Axiome der Kommunikation: 1. 2. 3. 4. 5.

Man kann nicht nicht kommunizieren (nonverbale Kommunikation) Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt Es erfolgt eine Interpunktion von Ereignisfolgen Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Elemente Es gibt Symmetrische und Komplementäre Interaktionen.

Metakommunikation bezeichnet die Kommunikation über die Kommunikation. D h., über die Art, wie wir miteinander reden und miteinander umgehen. Sie kann als Problemlösung dienen. Schulz von Thun (2006) hat das so genannte „Vier-Ohren-Modell“ entwickelt. Jede Nachricht hat vier Seiten. Sie beinhaltet einen Sachinhalt, Information zur Selbstoffenbarung und zur Beziehung und einen Appell. Der Empfänger sollte versuchen, alle vier Seiten der Nachricht wahrzunehmen. Einseitige Wahrnehmungen führen zu Kommunikationsstörungen. Wer nur auf den Sachinhalt hört, verpasst die oft auch wichtigen Botschaften auf den anderen Ebenen. Häufig werden Konflikte auf der Sachebene ausgetragen, obwohl es im Sachverhalt keine Probleme gibt. Wer zu empfindlich auf dem Beziehungsohr ist, nimmt die Nachrichten zu persönlich und fühlt sich deswegen oft beleidigt oder angegriffen. Es ist wichtig, ein gutes Selbstoffenbarungs-Ohr zu haben, um sich besser in den anderen hineinversetzen zu können und besser zu verstehen, was er fühlt. Bei einem zu stark ausgeprägtem Appell-Ohr, besteht die Gefahr, zu wenig auf das eigene Gefühl zu hören und es immer nur allen recht machen zu wollen. Allerdings ist es gut, einen Appell bewusst wahrzunehmen, um nicht manipuliert zu werden. Die Ausführungen machen deutlich, allein das Wissen um kommunikative Prozesse reicht nicht aus, kommunikative Kompetenzen sind ein wichtiger Teil der Sozial- und Selbstkompetenz in der Freizeitberufspraxis.

3.7

Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik Dieter Brinkmann

Schlaglichtartig werden in diesem Kapitel verschiedene gesellschaftliche Dynamiken und ihre Bezüge zur Freizeit thematisiert. Der Erhalt der Lebensqualität in einer durch demographischen Wandel, Individualisierung und wirtschaftliche Umbrüche geprägten Zeit fordert zu einem neuen Nachdenken über die Freizeit heraus. Dabei wird erkennbar: Freizeit ist ein besonderer Handlungsraum für bestimmte Tätigkeiten mit expressivem Charakter: erlebnisorientiert und Selbstzweck (vgl. Lüdtke 2005). Individuelle Präferenzen, Normen und Ziele

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

77

sind typisch für die Freizeit und treiben eine Pluralisierung der Gesellschaft mit vielfältigen Milieus und Lebensstilgruppen voran. Zugleich entwickelt sich aber ein neuer Rahmen für eine Vergemeinschaftung in Freizeitszenen oder über Freizeitevents. Und die verstärkte Übernahme öffentlicher Verpflichtungen im Rahmen eines freiwilligen Engagements erscheint als ein wichtiger Faktor zur Bewältigung neuer gesellschaftlicher Herausforderungen. Differenzierende und neue integrierende Dynamiken sind heute mit der Freizeit verknüpft. Wie in einem Brennglas zeigt sich in der Freizeit dabei der soziale Wandel der Gesellschaft. Wie wir in 20 Jahren leben werden, hat viel damit zu tun, wie wir unsere freie Zeit verbringen. Die Freizeit der Zukunft in einer globalisierten Welt berührt Fragen des nachhaltigen Umgangs mit Umweltressourcen ebenso wie den gerechten Ausgleich von individuellen Entfaltungsinteressen und Chancen auf Erholung, Bildung und Geselligkeit für viele Menschen. Die Freizeitwissenschaft versucht in diesem Kontext längerfristig stabile Trends zu ergründen und Strategien für eine zukunftsfähige Gestaltung der Lebenswelt zu entwickeln.

3.7.1

Freizeit im demographischen Wandel

Der demographische Wandel ist ein zentrales Zukunftsthema für die Freizeitwissenschaft. Die demographische Entwicklung mit den Tendenzen Alterung, Schrumpfung und Heterogenisierung der Bevölkerung wird Einfluss auf viele Bereiche der alltäglichen Freizeitkultur und auf Kultur- und Freizeiteinrichtungen haben. Die Freizeitwirtschaft muss sich auf eine neue, „bunte“ Senioren-Generation einstellen und ihre Angebote und Serviceleistungen anpassen. Regionen und Städte müssen ihre Infrastruktur mit Blick auf die rückläufige Bevölkerungsentwicklung verändern und zugleich familienfreundlicher werden. Die Probleme der Integration und der notwendige Austausch zwischen Kulturen und Generationen werden neue Dialogstrukturen und Räume für Begegnung nötig machen. Trotz großer Veränderungen die Lebensqualität zu erhalten und Chancen des demographischen Wandels für neue Freizeitkonzepte zu nutzen, wird die Herausforderung für die Zukunft sein. Doch was ist unter demographischem Wandel heute eigentlich zu verstehen? Die Fakten zum demographischen Wandel Unter dem Begriff „demographischer Wandel“ werden heute in der Regel drei gesellschaftliche Entwicklungen zusammengefasst:   

Alterung der Gesellschaft Rückgang der Bevölkerungszahl Heterogenisierung der städtischen Bevölkerung.

Hintergründe für den demographischen Wandel sind die gestiegene Lebenserwartung der Menschen, die anhaltend niedrige Geburtenrate und der Wandel der Bevölkerungsstruktur durch Migration. Als Datenbasis kann hier auf die regelmäßigen Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes verwiesen werden (vgl. Statistisches Bundesamt 2006). Hinzu kommen daran anknüpfende Analysen und Übersichten zu den gesellschaftlichen Folgen und Handlungsmöglichkeiten (vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2008, Bundeszentrale für politische Bildung 2008).

78

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Alterung der Gesellschaft Als ein Kernaspekt des demographischen Wandels wird die sich beschleunigende demographische Alterung der Bevölkerung aufgefasst. Damit ist eine Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung gemeint, die seit über 100 Jahren zu beobachten ist, aber erst durch die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in Deutschland an entscheidender Dynamik gewonnen hat. Fakt ist, der Anteil der jüngeren Altersgruppen an der deutschen Bevölkerung hat seit vielen Jahren abgenommen. Im Jahr 1950 stellten die unter 20-Jährigen noch 30,4 % der Bevölkerung. Im Jahr 2006 lag der Anteil der jungen Menschen dagegen nur noch bei 19,7 %. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der älteren Bevölkerungsgruppen. Bei den 60 bis unter 80-Jährigen gab es von 1950 bis 2006 einen Anstieg von 13,6 % auf 20,4 %, bei den über 80 Jahre alten Menschen entwickelte sich der Anteil von 1 % auf 4,6 %. Die weitere Entwicklung zeigt folgendes Bild: Der Anteil der unter 20-Jährigen in Deutschland wird bis zum Jahr 2050 auf etwa 15 % zurückgehen, während gleichzeitig die Altersgruppe der Älteren (65 plus) auf 33 % anwachsen wird. Stark steigend ist insbesondere die Zahl der Hochaltrigen. Gegenüber vier Mio. Menschen im Jahr 2006 wird die Anzahl der 80-Jährigen und Älteren voraussichtlich auf ca. 10 Mio. Menschen anwachsen (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2008). Ein wichtiges Maß für die Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung und den Vergleich von Ländern und Regionen ist der so genannte Altenquotient. Er ergibt sich aus der Anzahl der älteren Menschen (z.B. ab 60 Jahre) bezogen auf 100 Menschen im mittleren Lebensalter von 20 bis 60 Jahren, die als Erwerbstätige zu einem großen Teil die sozialen Sicherungssysteme über Sozialversicherungsabgaben und Steuern finanzieren. Im Jahr 2005 lag der Altenquotient bei 45,2. Er wird in den nächsten Jahren mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge in das Rentenalter stark ansteigen. Nach den Vorausberechnungen des statistischen Bundesamtes wird er im Jahr 2030 bei über 75 und 2050 bei mehr als 85 liegen. Dies macht die neuen Belastungen der mittleren Generation deutlich. Wird die Altersgrenze weiter nach oben verschoben, reduziert sich entsprechend der Altenquotient. Bei einer Altersgrenze von 65 Jahren ist im Jahr 2050 von einem Altenquotienten von 60 auszugehen. Dies bedeutet, dass nicht einmal zwei Menschen im erwerbsfähigen Alter dann einem potenziellen Rentenbezieher gegenüber stehen werden. Zu den wesentlichen Faktoren, die die demographische Alterung der Bevölkerung beeinflussen, gehören die anhaltend niedrige Geburtenrate und der Anstieg der Lebenserwartung. Anhaltend niedrige Geburtenrate Deutschland ist ein Land mit einer sehr niedrigen Geburtenrate. Im Durchschnitt werden pro Frau etwa 1,4 Kinder geboren. „Im Jahr 2006 sind in Deutschland 672.000 Kinder zur Welt gekommen. Bereits der Vergleich zum Jahr 1964, in dem 1.357.000 Kinder geboren wurden, zeigt die Dimensionen des Geburtenrückgangs an. Die Geburtenzahlen haben sich in dieser Zeit nahezu halbiert“ (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2008, S. 36). Zwei einschneidende Geburtenrückgänge zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und der Mitte des 20. Jahrhunderts haben nach Beobachtung der Bevölkerungsforscher zum heutigen niedrigen Niveau geführt. Im Rahmen des ersten „demographischen Übergangs“ zwischen 1890 und 1915 sank sowohl die Sterbe- als auch die Geburtenhäufigkeit in Deutschland. Die Geburten-

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

79

rate fiel von 4,7 auf 2,9 Kinder je Frau. Im Kontext eines zweiten „demographischen Übergangs“ in der Zeit von 1965 bis 1975 sank die Geburtenrate auf das heute gehaltene Niveau von 1,4 Kindern je Frau. Diese Entwicklung wird mit einem Wandel von Ehe und Familie in den Industrieländern, mit dem Schwinden des Modells der Kleinfamilie, einer zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen und einer Pluralisierung von Wertvorstellungen und Lebensentwürfen in Verbindung gebracht. Ebenfalls eine wichtige Rolle spielen heute die spätere Familiengründung im Lebensverlauf und die Kinderlosigkeit bei einem steigenden Anteil der Frauen. In der Folge können die Elternjahrgänge nicht mehr vollständig durch die Kindergeneration ersetzt werden. Hierfür wäre eine Geburtenrate von 2,1 Kindern je Frau erforderlich. Die Bevölkerung altert und sie schrumpft, wenn nicht Wanderungsbewegungen über die Grenzen hinweg für einen Ausgleich sorgen. Anstieg der Lebenserwartung Das allgemein gestiegene Wohlstandsniveau in Deutschland, die Verbesserungen im Bereich des Gesundheitswesens, der Hygiene, der Ernährung, der Wohnsituation und der Arbeitsbedingungen haben die Lebenserwartung der Menschen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich ansteigen lassen. Dies ist ein zweiter wesentlicher Faktor für die demographische Alterung der Bevölkerung. Zu unterscheiden sind die prognostizierte Lebenserwartung bei der Geburt und die so genannte „fernere Lebenserwartung“ in einem Alter von 60 Jahren. Die Lebenserwartung bei der Geburt liegt derzeit bei 77 Jahren für Männer und 82 Jahren bei Frauen. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist immer noch deutlich erkennbar, wenngleich er sich in den letzten Jahren etwas verringert hat. Nach wie vor gilt aber für die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung: „Das Alter ist weiblich“. In früheren Zeiten bestimmte vor allem die gesunkene Säuglingssterblichkeit die ansteigende Lebenserwartung. Heute gibt es als ein relativ junges Phänomen auch eine Alterung „von oben“ durch die ansteigende Langlebigkeit der Bevölkerung. „So hatten beispielsweise zu Beginn der 1990er Jahre 60-jährige Männer noch eine ferne Lebenserwartung von 18 Jahren, heute beträgt diese 21 Jahre. Auch 60-jährige Frauen haben einen Zugewinn von drei Jahren von 22 auf 25 Jahren zu verzeichnen“ (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2008, S. 47). Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes können im Jahr 2050 Männer im Mittel noch 23,7 und Frauen noch 28,7 Jahre erwarten (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2008). Der Anteil der hochbetagten und pflegebedürftigen Menschen wird in den nächsten Jahren stark steigen. Schrumpfung der Bevölkerung Ein zweiter wichtiger Aspekt des demographischen Wandels ist neben der Alterung der Bevölkerung der absehbare langfristige Bevölkerungsrückgang. In Deutschland leben derzeit 82,3 Mio. Menschen, und die Bevölkerungsentwicklung war lange Zeit durch eine stetige Zunahme gekennzeichnet. Die Bevölkerungszahl stieg von 1871 bis Mitte der 1990er Jahre von 41 Mio. auf über 80 Mio. Menschen an. Nach dem zweiten Weltkrieg verlief die Bevölkerungsentwicklung aufgrund der Binnenwanderung in West- und Ostdeutschland gegenläufig. Während sich im Westen die Bevölkerung von 1950 bis 2006 um 14,7 Mio. Menschen erhöhte, sank die Bevölkerungszahl im Osten um 1,7 Mio. Menschen. Das Bevölkerungswachstum in Deutschland ist aufgrund des Geburtendefizits (der Differenz aus Geburten und

80

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Sterbefällen) und der nachlassenden Zuwanderung inzwischen zum Stillstand gekommen. Seit dem Jahr 2002 entwickelt sich die Bevölkerungszahl in Deutschland erstmals rückläufig. Bereits seit 1972 gab es in jedem Jahr mehr Sterbefälle als Geburten in Deutschland, nur durch den Überschuss an Zuwanderung von Ausländern und Übersiedlern in einem Umfang von über 100.000 Menschen pro Jahr stieg die Bevölkerungszahl noch weiter an bzw. blieb konstant (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2008). Die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung zeigt in verschiedenen Berechnungsvarianten, dass eine Schrumpfung der Bevölkerung nicht mehr aufzuhalten sein wird. Die Berechnungen beruhen auf bestimmten Annahmen hinsichtlich der Entwicklung der Geburtenzahlen, der Lebenserwartung der Menschen und des Wanderungssaldos (Differenz von Zuwanderung und Abwanderung). Geht man von einer weiterhin niedrigen Geburtenrate, einer weiter leicht steigenden Lebenserwartung und einem Wanderungssaldo von jährlich 200.000 Menschen aus, wird sich die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2050 auf ca. 74 Mio. Menschen in Deutschland verringern. Wandern nur 100.000 Menschen mehr zu als wegziehen, wird sich bei ansonsten gleichbleibenden Rahmenbedingungen die Bevölkerung auf ca. 69 Mio. Menschen reduzieren (vgl. ebd.). Der einmal eingeleitete Prozess der Schrumpfung verstärkt sich selbst. Durch die niedrige Geburtenrate wird die Anzahl der potenziellen Mütter in den nachfolgenden Generationen immer kleiner und es werden noch weniger Kinder geboren. Langlebigkeit und auch Zuwanderung können den generellen Trend nicht stoppen. Innerhalb Deutschlands zeigen sich große Differenzen bei den Schrumpfungsprozessen. In Westdeutschland wird ein Rückgang der Bevölkerung bis 2050 um 14 % erwartet, während in Ostdeutschland die Bevölkerungszahl um 31 % zurückgehen wird. Der Bevölkerungsschwund trifft insbesondere die ländlichen Regionen in den neuen Bundesländern. Eine hohe Abwanderung kommt hier zu den allgemeinen Entwicklungen des demographischen Wandels hinzu. Zurück bleiben die Älteren und die weniger gut Qualifizierten. Nicht so stark vom Bevölkerungsschwund betroffen sind in Deutschland die Stadtstaaten wie das Bundesland Bremen. Hier wird der Geburtenrückrang voraussichtlich durch Zuzüge ausgeglichen. Heterogenisierung der Bevölkerung Deutschland ist bereits seit vielen Jahrzehnten ein Land mit einer hohen Bevölkerungszuwanderung aus dem Ausland. „In den 1960er und 1970er Jahren erfolgte die Zuwanderung überwiegend aufgrund der Anwerbung von Arbeitsemigranten, sogenannten Gastarbeitern. Den ersten Höhepunkt der Gastarbeiteranwerbung erreichte Deutschland im Jahr 1970 mit fast einer Million Zuzüge“ (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2008, S. 57). Nach einem Anwerbestopp erfolgte die Zuwanderung überwiegend im Rahmen eines Familiennachzugs, und seit Beginn der 1990er Jahre wurde die Zuwanderung durch deutschstämmige (Spät-)Aussiedler, Asylsuchende, Flüchtlinge und neue Formen der Arbeitsmigration bestimmt. „Der bisherige Höhepunkt der Zuwanderung wurde durch diese Entwicklungen Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre mit mehr als 1,5 Millionen Zuzügen pro Jahr erreicht“ (ebd.). Aufgrund der Globalisierung gibt es in den letzten Jahren auch eine steigende Auswanderung von Deutschen. Im Durchschnitt gab es von 2002 bis 2006 rund 139.000 Fortzüge. Gegenüber Mitte der 1970er Jahre haben sich diese Zahlen mehr als verdreifacht. Aus der Differenz zwischen Zuwanderung und Auswanderung von Deutschen und Auslän-

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

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dern ergibt sich der so genannte Wanderungssaldo. Er ist die entscheidende Größe für die Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung. Bisher gab es im Mittel ein Zuwanderungssaldo von 100.000 bis 200.000 Menschen. Und auch die Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes kalkulieren mit dieser Größenordnung. Aber damit ist eine Schrumpfung der Bevölkerung oder eine Verschiebung des Altersaufbaus nicht grundsätzlich aufzuhalten, sondern kann nur abgebremst werden. Die Zuwanderung wird zudem die Bevölkerungsstruktur in den größeren deutschen Städten stark verändern. Ihre Bevölkerung schrumpft nicht, wie sich für Bremen zeigen lässt. Die Zuwanderung führt aber dazu, dass die Gegensätze in den Stadtteilen wachsen. Die Zusammensetzung der Bevölkerung wird heterogener, und der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund wird ansteigen. Im Jahr 2006 lebten knapp 7,3 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist von 1,2 % im Jahr 1961 auf 8,8 % im Jahr 2006 gestiegen. Besonders in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen ist ein hoher Ausländeranteil gegeben. In Bremen lag er im Jahr 2006 bei 12,7 %. In den östlichen Bundesländern ist der Ausländeranteil dagegen vergleichsweise gering. Stark steigend ist insgesamt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund (Zugewanderte und ihre Nachkommen). Im Jahr 2005 hatten 15,3 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund (zugewanderte Deutschstämmige und Ausländer). Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lag bei 18,6 % (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2008). Die große Mehrheit der Migranten lebt in Westdeutschland und Berlin. Am höchsten ist ihr Anteil in den Großstädten. Erwartet wird, dass in Zukunft in der jüngeren städtischen Bevölkerung fast jeder zweite Einwohner unter 40 Jahre einen Migrationshintergrund haben wird. Der Anteil der zugewanderten Ausländer und ihrer Nachkommen an der Bevölkerung insgesamt wird nach Berechnungen des Bevölkerungsforschers Herwig Birg bis 2050 auf bis zu 28 % steigen (vgl. Birg 2003, S. 13). Was bedeutet nun der demographische Wandel für die Freizeit? Unterschätzte Wucht des Wandels Die Analysen des Bielefelder Soziologen Xaver Kaufmann betonen die unterschätzte „Wucht“ des demographischen Wandels. Vergleichbar mit der Veränderung globaler Klimaszenarien ist eine langsame, zunächst wenig im Alltag spürbare Entwicklung festzustellen. Der demographische Wandel ist schon längst da und gewinnt mit der Zeit an steigender Bedeutung. Erst ab 2020 wird sich beispielsweise der Bevölkerungsrückgang als ein wesentlicher Faktor des demographischen Wandels in ganz Deutschland erst richtig bemerkbar machen und zu schrumpfenden Städten und möglicherweise auch zu einer sinkenden Wirtschaftskraft von Regionen beitragen (vgl. Kaufmann 2005, 2007). Ähnlich argumentiert die Studie des „Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung“. Durch die schwindende Wirtschaftskraft, einhergehend mit dem demographischen Wandel, gerät das gesamte System der sozialen Versorgung der Renten-, Kranken und Pflegeversicherung unter einen enormen Druck. Und der Wandel wird die Regionen in Deutschland ganz unterschiedlich treffen. Bereits heute gibt es in den neuen Bundesländern Orte, die einen Bevölkerungsverlust von 30 % oder mehr zu verkraften haben. Dies hat Konsequenzen für den Nachwuchs an qualifizierten Arbeitskräften, aber auch für die Lebensqualität.

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Deutschland droht in „Schwund- und Boomregionen“ zu zerfallen. Und die provokante These „Nach dem Menschen kommt der Wolf!“ kennzeichnet die für Naturschützer vielleicht sogar ganz attraktive Perspektive eines Rückzugs aus bisher schon dünn besiedelten Gebieten in Ostdeutschland und einer Renaturierung in großem Stil (vgl. Berlin-Institut 2006). Für die Freizeit ergeben sich durch den demographischen Wandel große Anpassungsprobleme auf lange Sicht. Die Menschen, die 2030 einmal Freizeiteinrichtungen besuchen sollen, sind schon geboren oder eben nicht geboren. Es geht weniger darum, die aktuellen Angebote seniorenfreundlicher zu machen und Ältere ganz schnell in das Marketing einzubeziehen. Eine Freizeitinfrastruktur weiter zu entwickeln und an die Veränderungen anzupassen, braucht Zeit. Im Sinne einer Nachhaltigkeit müssten die langsamen Transformationsprozesse im Altenbild, im Generationenverhältnis oder beim Strukturwandel in Regionen und Städten zum Thema einer zukunftsorientierten Freizeitpolitik und –planung werden. Zu erwarten ist, dass zukünftig auch im Freizeitsektor Menschen mit spezieller Beratungskompetenz für die Entwicklungen des demographischen Wandels gebraucht werden. Dabei geht es um die Neuorientierung von Freizeitunternehmen nach innen (ältere Mitarbeiter) und außen (Partner und Kunden). Und unter dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit ließe sich darüber streiten, wie die Zeitpotenziale einer Gesellschaft in Zukunft gerecht verteilt werden sollten. Eine neue Altengeneration Oftmals stellt man sich beim Nachdenken über die Generation 60 plus die Älteren als die eigenen Großeltern vor. Doch dies ist falsch. Die zukünftigen Altengerationen werden anders sein. Sie stehen finanziell besser da als frühere Generationen, sind mobil und zumeist mit guter Gesundheit ausgestattet. „Alt sind eigentlich nur die anderen“, sagt man und meint damit auch ein Hinausschieben der sozialen Altersgrenze (vgl. Niejahr 2004). Die Aktive Freizeit im Alter musste in den 1970er Jahren erst selbstverständlich werden. Heute ist typisch für das Altenbild: Alte Menschen wollen und können noch viel erleben, möchten vielleicht auch etwas ganz Neues lernen und leistungsfähig sein. Immer mehr erscheint möglich, und mit 60 ist noch lange nicht Schluss. Weitere biographische Umbrüche sind auch im höheren Alter durchaus denkbar, und der starke Wunsch nach einer aktiven Teilhabe an der Freizeitgesellschaft wird zu neuen Märkten und Angeboten führen. „Grau ist bunt“ verkündet optimistisch der ehemalige Bürgermeister der Hansestadt Bremen, Henning Scherf, mischt sich auch außerhalb der Politik vielfältig ein und engagiert sich bei freiwilligen Aktivitäten wie dem Chorgesang (vgl. Scherf 2006). Die Drehbücher für ein erfolgreiches Altern im 21. Jahrhundert scheinen noch nicht geschrieben, und die ältere 68er-Generation, so die Erwartung einiger Beobachter, könnte hier noch für Überraschungen sorgen. Verschiedene Freizeitfelder, Reisen, Wellness, aber auch Soziokultur und Freizeitbildung, bieten sich für eine Sinnsuche und Erlebnisorientierung im höheren Erwachsenenalter an (vgl. Pries 2007). Ein Problem könnte dabei die Gestaltung von viel freier Zeit sein, die nicht durch äußere Taktgeber gesteuert wird. Immerhin geht es für einzelne um 20 oder mehr Jahre nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben. Die Begleitung mehrfacher Umbrüche im höheren Erwachsenenalter im Sinne eines lebenslangen Lernens stellt neue Herausforderungen an die Erwachsenenbildung.

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

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Die Analyse des Reiseverhaltens zeigt, dass bestimmte Freizeitmuster auch im höheren Alter beibehalten werden, solange die Gesundheit mitspielt. Eine unterschiedliche Ausstattung mit Ressourcen, verschiedene Milieus und Lebensstile werden jedoch zu einer weiteren Differenzierung beitragen. Das Altersbild der Zukunft erscheint bunter, als es bisher ist. Die Einflüsse der Lebensphase und Kohorteneffekte sollten bei einer Zukunftsprognose unterschieden werden. Hierauf basierend gilt es, Abschätzungen für zukünftige Seniorengenerationen vorzunehmen. Und es gibt auch warnende Stimmen, die in der ferneren Zukunft eine neue Altersarmut heraufziehen sehen. Nämlich dann, wenn große Bevölkerungsgruppen, die über lange Zeit mit prekären Lebensverhältnissen zu Recht kommen mussten, im Alter auf Minimalrenten angewiesen sind. Die Schere zwischen Arm und Reich in der Freizeit könnte stärker auseinander klaffen als bisher. Chancen für Kultur- und Freizeiteinrichtungen im Kontext der Alterung liegen:   

in einer Orientierung auf ein verändertes Altenbild im Sinne einer „bunten Seniorengeneration“ und ihrer Bedürfnisse der Schaffung neuer aktiver Rollenangebote für ältere Nutzer und der integrativen, gemeinwesenorientierten Arbeit mit älteren Bewohnern.

Umstellung der Freizeitwirtschaft Schon heute zeigt sich, dass sich die Freizeitwirtschaft mit ihren Angeboten auf den neuen Markt der Senioren ausrichtet. Auf die neue Generation der „jungen Alten“, einer dynamischen Gruppe von Trendsettern für eine aktive und konsumfreudige Altenfreizeit, hat Opaschowski in seinen Freizeituntersuchungen schon früh hingewiesen. Doch erst in den 1980er und 1990er Jahren haben die gestiegene Lebenserwartung und ein frühes Ausscheiden aus dem Beruf zu einem Umbruch im Altenbild und zur Neu-Ausrichtung der Freizeitwirtschaft beigetragen. In den Blick kommen nun Ältere, deren subjektives Wohlbefinden in einem hohen Maße mit einer aktiven Freizeitgestaltung verbunden ist. Sie sind kaufkräftig, gesundheitsorientiert, genussfähig und kulturinteressiert (vgl. Opaschowski 1998, S. 19). Mit der so genannten dritten Lebensphase ab 60 Jahren geht ein stärkeres Bedürfnis nach Komfort einher, und es gibt ein stärkeres Interesse an Gesundheitsthemen. Beide Aspekte müssten sich in den Angebotsstrukturen und Leistungen des Freizeitsystems generell widerspiegeln, um ältere Kunden zunehmend zufrieden zu stellen. Erkennbar ist deutlich, wie sich Freizeit-Erlebniswelten in diesem Sinne umorientieren. Der größte deutsche Freizeitpark, der Europa-Park in Rust bei Freiburg, wendet sich inzwischen gezielt an ein älteres Publikum. Die zauberhaft thematisierten Hotels, Wellnessbereiche und zahlreiche Restaurants machen den Park für ein Senioren-Publikum attraktiv. Was bisher mit Jugend und Action verbunden war, ist in Veränderung. Ein zahlungskräftiges und durchaus erlebnishungriges älteres „Völkchen“ wird gezielt umworben. Inzwischen wurde das vierte Themenhotel eröffnet. Mit Sonderprospekten, aber auch an prominenter Stelle auf der Internetseite, wird versucht die „Silver-Generation“ für den Freizeitpark zu gewinnen. Die inhaltlichen Erwartungen von älteren Erwachsenen könnten mit einer Orientierung auf kulturhistorische Aspekte, anspruchsvolle Gastronomie, Gartenanlagen und Entspannungsbereiche durchaus getroffen werden. Ob sich daraus neue Typen von Erlebniswelten herausbilden oder sich ein Trend zu einem Mehrgenerationen-Freizeitangebot noch verstärkt, wäre weiter zu beobachten.

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Erlebnislandschaften für Senioren Serviceansprüche des älteren Publikums werden in Zukunft eine wesentliche Rolle für die Freizeitdienstleistungsgesellschaft spielen. Hierbei ist auch an die steigende Zahl von älteren Freizeitnutzern an der Grenze zur Hochaltrigkeit zu denken. Für diese Bevölkerungsgruppe wird die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und auch an Freizeitausflügen gemeinsam mit anderen zu einem Faktor der Lebensqualität. Körperliche und mentale Einschränkungen müssen hierbei weit stärker als bei den jüngeren, mobilen Alten durch behindertenfreundliche Bedingungen der Infrastruktur und neue, die Freizeit stützende Serviceleistungen kompensiert werden. Dies hat Folgen für die Planung von Freizeitanlagen, aber auch für die Ausbildung von Beschäftigten im Freizeitsektor. Ein kleines Gerät wie der „Rollator“, der auch älteren Menschen mit Einschränkungen in der körperlichen Motorik eine individuelle Mobilität ermöglicht, könnte die Freizeitlandschaften in Deutschland stark verändern. Die Behindertenfreundlichkeit von Freizeitlandschaften (Wege, sanitäre Anlagen und Attraktionen) wird in Zukunft ein wesentlicher Faktor für die Kundenzufriedenheit sein. Wie kann beispielsweise eine Bundesgartenschau oder ein Freizeitpark dies praktisch umsetzen? Sollen Rollatoren bereitgehalten werden, wie heute kleine Wägelchen für Familien mit Kindern? Kann man Älteren die Anreise und die Orientierung erleichtern? Welchen Service müssen Gastronomie und Unterhaltungsangebote einschließen? Für viele Aspekte gibt es noch keine Standardlösungen. Denkbar erscheinen auch Serviceangebote im Vorfeld eines Besuchs von Freizeit- und Kulturangeboten: Reservierung und Buchung, Transfer zum Veranstaltungsort, Programmgestaltung und Begleitservice. Die Möglichkeiten für neue unterstützende Dienstleistungen im Sinne einer Freizeitassistenz erscheinen hier noch gar nicht ausreichend ausgelotet, geschweige denn erprobt. Freizeitkonzepte für schrumpfende Regionen Eine ganz andere Entwicklung könnte sich für bestimmte Regionen, z.B. in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern ergeben, die von einer starken Schrumpfung der Bevölkerungszahl betroffen sind. Das Freizeitangebot dieser Regionen könnte in eine dramatische Negativspirale geraten, und die Lebensqualität erscheint akut bedroht. Manche Freizeiteinrichtungen sind aufgrund der sinkenden Bevölkerungszahl vielleicht gar nicht zu halten. Die Schließung von Freizeitinfrastruktur, von Bädern, Theatern oder Kulturzentren, könnte zu einer weiter sinkenden Lebensqualität beitragen und die ohnehin beobachtbaren Abwanderungstendenzen noch verstärken. Dies beträfe dann vor allem die jüngere Bevölkerung, für die neben der beruflichen Orientierung auch das Freizeit-Erlebnisangebot eine Rolle spielt. Nichts wie weg – auch aufgrund fehlender Freizeitangebote – wäre eine wenig wünschbare Zukunftsperspektive. In schrumpfenden Städten und Regionen werden auch die Verteilungskonflikte zunehmen: Mittel fürs Theater, für die Unterstützung von Familien oder die Betreuung von Senioren? Der Kampf um die Zeit und das Geld des weniger werdenden Publikums wird härter. Um einer sinkenden Lebensqualität entgegen zu arbeiten, sind neue Konzepte gefragt:   

eine Kombination unterschiedlicher Freizeitfunktionen eine Kooperation lokaler und touristischer Einrichtungen die Aktivierung des freiwilligen Engagements für den Ort oder die Region.

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

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Selbstorganisation und Selbsthilfe bekommen in Zukunft auch im Freizeitbereich wieder ein stärkeres Gewicht. Kulturelle Treffpunkte, Möglichkeiten für Geselligkeit, Austausch und Spiel müssten, zumindest in bestimmten Regionen, viel stärker in Eigenverantwortung der Bürger organisiert werden. Einzelne Sektoren der Freizeit, wie auch der Bildungsarbeit müssen sich darauf einstellen, in einem größeren Einzugsbereich tätig zu sein. Ein SommerJugendcamp für eine ganze Region erscheint immer noch denkbar, ein Jugendtreff in jedem Ortsteil wird es vielleicht nicht mehr geben. Ein Kino auf dem Lande könnte auch mobil betrieben werden (wie vielleicht in den 1950er Jahren einmal) und verschiedene Spielstellen in Kulturhäusern, Kneipen und Begegnungsstätten anlaufen. Die Entwicklung touristischer Potenziale in Kombination mit lokalen Freizeitangeboten könnte ein ganz wesentlicher Faktor für die Stabilisierung von Regionen sein. Im Rahmen des Projekts „Moorexpress“ in Bremen wird z.B. angestrebt, eine alte Bahnstrecke in der Region zu erhalten. Die touristische Nutzung für Ausflüge und Events soll die Verkehrsinfrastruktur für die Region sichern und auch den alltäglichen Treffpunkten, kulturellen wie gastronomischen Unternehmungen zum Überleben verhelfen. Neue Modelle, Grenzüberschreitungen und strategische Partnerschaften erscheinen auch für die freizeitkulturelle Bildungsarbeit in ländlichen Regionen generell gefragt. Sie könnte sich offensiv die durch die Schrumpfung entstehenden Brachflächen zu nutze machen und Chancen für neue Lebensentwürfe mit Kindern und Jugendlichen ausloten. Denn nicht alle Ressourcen gilt es sinnvoller Weise auf die Unterstützung älterer Menschen zu verlagern. Langfristig ist auch wichtig, an die Ursachen für Geburtenrückgang und Abwanderung heranzugehen. Integration als Subthema für viele Freizeitangebote Die zunehmende Heterogenität der Bevölkerung in den größeren Städten führt dazu, dass in vielen Freizeitbereichen die Integration von Menschen mit ganz unterschiedlichem soziokulturellem und ethnischem Hintergrund zu einem Subthema wird. „Viele Welten“ zu berücksichtigen und positiv in das eigenen Freizeitgeschehen einzubinden, wird ein zentraler Aspekt der Freizeitarbeit in den Stadtteilen und der Programmentwicklung in soziokulturellen Zentren, Begegnungsstätten und Bürgerhäusern werden. Aber auch der traditionelle Sportverein wird sich verändern müssen, wie die Initiativen des Bremer Landessportbundes deutlich herausstellen. Manche Strukturen lassen sich nur erhalten, wenn ganz neue Gruppen angesprochen werden. Dies zeigen die Analysen von Vereinsmitgliedschaften, der lokalen Bevölkerungsstruktur und ihrer Veränderungen in den Bremer Stadtteilen. Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen gilt es zu moderieren. Innovative Angebote leiten einen Wandel ein. Aktionstage, bei denen beispielsweise gezielt die Beteiligungsmöglichkeiten für türkische Mädchen herausgestellt werden, sollen eine zukunftsfähige Entwicklung der Sportvereine unterstützen. Wichtiger als früher wird eine interkulturelle Kompetenz bei der Gestaltung von Freizeiträumen (vgl. Fischer-Krapohl/Waltz 2007). Ein soziokulturelles Quartiersmanagement müsste auf die zunehmende Heterogenität der Stadtteile reagieren, sensibel mit Fremdheit und ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen umgehen und auf der Basis eines ressourcenorientierten Ansatzes die neue Vielfalt der Freizeitkultur entfalten helfen. Die Chancen für eine Integration über lokale Freizeitstrukturen und Freizeitangebote gilt es jeweils auszuloten.

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Die Kommunikation von Freizeiteinrichtungen mit einem vielfältigen, durch unterschiedliche Traditionen und kulturelle Hintergründe geprägten Publikum wird sich wandeln und neue Sichtweisen erfordern. Der inzwischen in vielen deutschen Städten gepflegte „Karneval der Kulturen“ ist ein Zeichen für eine neue, integrative Freizeitbewegung. Die Vielfalt der Kulturen in einer Stadt wird als lebenswert herausgestellt. Und trotz aller Eigenheiten wird ein verbindendes Band geknüpft. Für Freizeiteinrichtungen werden sich im Zuge der Internationalisierung der lokalen Freizeitkultur als neue Aufgaben ergeben:   

den Wandel der Identitätsbildung in einer multikulturellen Gesellschaft zu begleiten und die Spuren der Zuwanderung zu thematisieren neue Barrieren für eine kulturelle Teilhabe zu erkennen und abzubauen helfen eine Entkopplung der Freizeitkulturen entgegen zu arbeiten und Begegnungen möglich zu machen.

Inszenierung einer Begegnung von Jung und Alt Diskutiert wird im Kontext des demographischen Wandels auch eine Zunahme von Konflikten zwischen den Generationen. Dies hängt mit einer stärkeren Belastung der mittleren Generation durch den steigenden Altenanteil an der Bevölkerung zusammen. Immer weniger Berufstätige im mittleren Erwachsenenalter sollen den Wohlstand erarbeiten, an dem Rentner wie jüngere Menschen partizipieren. Hierauf weisen die Analysen zum Altenquotienten hin. Die Spannungen zwischen den Generationen durch integrative Angebote, neue Dialogformen und gemeinsame Erlebnisse von Jung und Alt in Freizeitszenarien zu begrenzen, wird zukünftig ein wichtiger werdender Aspekt von Freizeitprogrammen sein. Gemeinsame Erlebnisse verbinden und schaffen ein Band, das in den Alltag mitgenommen wird. Dies zeigt die Beobachtungen von Familien im Freizeitpark. Eine gemeinsame Freizeit von Enkeln und Großeltern, auch jenseits von Familienbeziehungen könnte das Verständnis füreinander wachsen lassen und einem Auseinanderdriften der Generationen entgegen wirken. Erkennbar ist heute auch ein Verlust von bisher selbstverständlichen Formen des informellen Lernens in der Familie oder in der Nachbarschaft, bedingt durch die berufliche Mobilität und das Zerfallen bisheriger Strukturen im Stadtteil. Ein Konzept, das hier ansetzt, ist das Mehrgenerationenhaus. „Haus der Zukunft“ heißt es programmatisch im Bremer Stadtteil Lüssum. Es wird wie ca. 500 andere Häuser in Deutschland durch Mittel des Bundesfamilienministeriums gefördert. Im Mehrgenerationenhaus sollen verschiedene Generationen zusammenkommen, sollen Begegnung und gemeinsames Erleben und Lernen möglich werden (s. Fallbeispiel Mehrgenerationenhaus). Zu fragen wäre, wie weitere Freizeit- und Kulturangebote sich zu Mehrgenerationenangeboten entwickeln können. Welche Themen und Institutionen erscheinen geeignet, eine Begegnung der Generationen und ein gemeinsames Freizeiterleben zu fördern? Gibt es gemeinsame Interessen und Projekte, an denen man anknüpfen kann? Für eine neue generationsübergreifende Freizeitpädagogik entwickelt sich hier ein breites und interessantes Tätigkeitsfeld. Generationengerechte Gestaltung der Freizeit Die Grenzen der sozialen Sicherungssysteme nötigen schließlich dazu, neu über die Ressource Freizeit nachzudenken. Nicht nur der materielle Wohlstand, sondern auch der Freizeitge-

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winn muss neu verteilt werden. Bereits von der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ wurde eine Kopplung des Rentenbezugs an die Lebenserwartung ins Spiel gebracht und vorgeschlagen, die Relation zwischen Rentner- und Erwerbsphase trotz steigender Lebenserwartung in etwa konstant zu halten (vgl. Enquete-Kommission 2002, S. 159). Die Weichen für eine schrittweise Erhöhung des Renteneinstiegsalters auf 67 Jahre wurden von der Politik bereits gestellt. Doch schon stehen weitergehende Vorschläge für eine Rente ab 69 Jahren oder noch später im Raum. Fakt ist, die mittlere Generation wird besonders belastet. Für sie könnte der demographische Wandel mit stark eingeschränkten Freizeitspielräumen, materiell wie zeitlich, einhergehen. Freizeit, als Zeit ohne Verpflichtungen zur freien Verfügung, gerät zunehmend unter Druck. Die Belastungen für unterschiedliche Altergruppen müssen neu ausgehandelt werden, mahnen daher Beobachter der Entwicklung, wie James. W. Vaupel, Direktor des Max-Planck-Instituts für demographische Forschung in Rostock. Der typische Lebensverlauf könnte flexibleren Formen Platz machen. Die Lebensfreizeit als großen Block an das Ende des Lebens zu setzen, erscheint angesichts des demographischen Wandels nicht mehr zeitgemäß (vgl. Vaupel 2004). Nur für die Freizeit der Älteren zu arbeiten, das geht offenbar nicht. Das lässt die Jüngeren am Lebenssinn zweifeln. Den Senioren den wohl verdienten Lebensabend streitig zu machen und den Generationenvertrag aufzukündigen, scheint aber auch nicht möglich. Perspektiven für eine größere Flexibilität zwischen Arbeit und Freizeit in die eine oder andere Richtung müssen daher entwickelt werden: Größere Freizeitblöcke im Lebensverlauf, z.B. dann, wenn die eigenen Kinder es benötigen, gleitende Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Beruf, Stärkung des Engagements für das Gemeinwesen im höheren Alter und vieles mehr könnten dazu beitragen, die Belastungen unter den Generationen etwas gerechter zu verteilen, Solidarität zu leben und Freizeit-Räume für alle zu sichern. Die Freizeit der Alten wird nicht nur Ausruhen und Erholung sein können, sondern mehr als heute auch Tätigsein in irgendeiner Weise umfassen. Hier zeichnen sich neue Herausforderungen für eine gemeinwesenorientierte Freizeitarbeit ab. Freiwilliges Engagement auf Zeit gilt es zu stützen und Strukturen zu schaffen, die Mitgestaltungsmöglichkeiten und Selbstbestimmung eröffnen.

Das „Haus der Zukunft“ in Bremen-Lüssum Das „Haus der Zukunft“ im Bremer Stadtteil Lüssum ist eines von ca. 500 Mehrgenerationenhäusern in Deutschland, in denen heute eine selbstverständliche Begegnung unter den Generationen gepflegt wird und die einen Austausch zwischen Jung und Alt in nachbarschaftlichen Zusammenhängen fördern sollen. Das Mehrgenerationenhaus in Lüssum ist ein Verbundprojekt aus Quartiersmanagement, sozialen Beratungsdiensten, Selbsthilfegruppen, evangelischer Kindertagesstätte und evangelischem Gemeindezentrum. Angestrebt wird ein neues soziales Netzwerk, das an die Stelle von brüchigen Familienstrukturen und sich auflösenden nachbarschaftlichen Kontakten alter Art tritt. Eine gegenseitige Unterstützung, die Weitergabe von Alltagswissen und gemeinsame, verbindende Freizeitaktivitäten sollen wieder selbstverständlich werden. Akzeptanz für die Unterschiedlichkeit von Menschen, ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, Bedürfnisse und kulturellen Hintergründe ist dabei ein ganz wesentlicher Leitgedanke der Arbeit im Mehrgenerationenhaus. Für die Arbeit steht ein

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beispielhafter, nachhaltig gestalteter Neubau aus dem Jahr 1997 mit einem gemütlichen Stadtteilcafé, einem Gymnastikraum, mehreren Gruppenräumen und Beratungsbüros zur Verfügung. Gemeinsam wird von den hauptamtlichen Fachkräften und freiwillig Engagierten ein attraktives Programm mit regelmäßigen Treffs und besonderen Freizeitangeboten geplant und durchgeführt. Im Jahr 2006 erfolgte die Anerkennung als „Mehrgenerationenhaus“ im Rahmen des Förderprogramms des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (vgl. Haus der Zukunft e.V. 2007). Generationsübergreifende Angebote im „Haus der Zukunft“ sind u.a.: - ‚Gute Stube‘ - Ort für Begegnung zwischen Jung und Alt - Frühstückstreff für Familien und die Nachbarschaft - Erzählcafé - Bewegungsangebote für Jung und Alt - Gemeinsame Aktivitäten (z.B. singen, spielen, kochen, backen, spazieren gehen usw.) - Freizeitgestaltung (Museumsbesuche, Radtouren, Schwimmbadaktion, Reisen in Städte und Orte der Umgebung usw.) - Kunst- und Kulturprojekt für Alt und Jung - Eltern-Kind Gruppe mit Bildungselementen (vgl. Zieldarstellung Mehrgenerationenhaus Bremen)

3.7.2

Freiwilliges Engagement in der Freizeit

Bürgerschaftliches Engagement – ein neuer übergreifender Rahmen Grundlegend für die Betrachtung des freiwilligen Engagements in der Freizeit ist die Arbeit der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“. Die im Jahr 1999 eingesetzte Kommission legte im Jahr 2002 eine bisher für Deutschland einmalige systematische Bestandsaufnahme zum bürgerschaftlichen Engagement in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen vor und entwarf Strategien und Maßnahmen für eine Förderung der freiwilligen, gemeinwohlorientierten Tätigkeit. Der gewählte Begriff „bürgerschaftlich“ verweist auf einen gemeinsamen Bezugsrahmen der sehr unterschiedlichen Organisationen, Aktivitäten und Formen. Betont wird zugleich, dass ein Engagement in der Freizeit in Selbsthilfegruppen, Kulturinitiativen, Gemeinwesenarbeit oder Schule und Kindergarten eine individuelle Komponente, aber auch eine wesentliche gesellschaftliche Dimension umfasst. Durch die vielfältigen Aktivitäten konstituiert sich eine Zivil- oder Bürgergesellschaft, wird ein lebendiges Gemeinwesen mit Lebensqualität erst hervorgebracht. „Als übergreifender Bezugsrahmen hat die Enquete-Kommission das Leitbild der Bürgergesellschaft gewählt – ein Gemeinwesen, in dem sich die Bürgerinnen und Bürger nach demo-

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kratischen Regeln selbst organisieren und auf die Geschicke des Gemeinwesens einwirken können. Im Spannungsfeld von Markt, Staat und Familie wird Bürgergesellschaft überall dort sichtbar, wo sich freiwillige Zusammenschlüsse bilden, wo Teilhabe und Mitgestaltungsmöglichkeiten genutzt werden und Bürgerinnen und Bürger Gemeinwohlverantwortung übernehmen“ (Enquete-Kommission 2002a, S. 6). Wirtschaft und Staat sind aufgerufen, die vielfältigen Aktivitäten der Bürgergesellschaft zu stützen, so die gesellschaftspolitische Perspektive und günstige Rahmenbedingungen für eine freiwillige Tätigkeit in Vereinen, Verbänden, Gewerkschaften, Parteien, Bürgerinitiativen und Freiwilligendiensten zu schaffen. Die Breite des Engagements gilt es anzuerkennen und sichtbar zu machen. Dazu heißt es im Vorwort des Kommissionsberichts: „Bürgerschaftliches Engagement bedeutet Vielfalt, und erst in diesem weiten Verständnis, das all diese vielfältigen Tätigkeiten einbezieht, erschließen sich die Dimensionen dieser Aktivitäten und ihre Bedeutung für unser Gemeinwesen. Die Bürgerinnen und Bürger erneuern mit ihrem freiwilligen Engagement in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Tag für Tag die Bindekräfte unserer Gesellschaft. Sie schaffen eine Atmosphäre der Solidarität, der Zugehörigkeit und gegenseitigen Vertrauens. Kurz, sie erhalten und mehren, was wir heute ‚soziales Kapital‘ nennen: die Verbundenheit und das Verständnis zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft, die Verlässlichkeit gemeinsam geteilter Regeln, Normen und Werte und nicht zuletzt das Vertrauen in die Institutionen des Staates“ (ebd. S. 2). Bürgerschaftliches Engagement in diesem Sinne ist freiwillig. Es ist nicht auf materiellen Gewinn gerichtet, sondern gemeinwohlorientiert. Es ist öffentlich bzw. findet im öffentlichen Raum statt. Und es wird in der Regel gemeinschaftlich und kooperativ ausgeübt. Mit dem Engagement verbunden sind ein Gewinn an sozialem Kapital, eine Stärkung der demokratischen Kompetenz der Bürger und eine Chance zur persönlichen Entwicklung durch informelle Lernprozesse (vgl. BMFSFJ 2005, S. 26). Die Freizeit als ein Raum für freiwillige, gemeinwohlorientierte Aktivitäten erscheint in diesem Rahmen in einem neuen Licht. Auch scheinbar wenig politische Formen des Engagements in geselligen Freizeitformen im Gemeinwesen konstituieren doch ein Stück der angestrebten Zivilgesellschaft mit, eröffnen Chancen für eine Teilhabe unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen oder vermitteln auch einen Kompetenzgewinn bei der Selbstorganisation und Gestaltung von lebensweltbezogenen Freizeitaktivitäten. Die Förderung des freiwilligen Engagements erscheint in diesem Kontext als ein zentrales Moment einer zukunftsorientierten Freizeitpolitik. Freiwilliges Engagement dokumentieren Um ein längerfristig angelegtes „Monitoring“ des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland auf sicherer sozialwissenschaftlicher Basis zu gewährleisten, wurde in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre der Projektverbund „Freiwilligensurvey“ ins Leben gerufen und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit der Durchführung einer ersten repräsentativen Studie zum Engagement beauftragt (vgl. BMFSFJ 2005). Sie wurde 1999 durchgeführt. Inzwischen liegen die Daten einer weiteren Untersuchung mit gleichem Design aus dem Jahr 2004 vor, und die nächste Welle des „Freiwilligensurvey“ als

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Element einer repräsentativen Dauerbeobachtung ist für 2009 in Planung. Der „Freiwilligensurvey“ versteht sich als ein „öffentliches Informationssystem“ zum freiwilligen Engagement in Deutschland. In regelmäßigen Abständen werden repräsentative Bevölkerungsumfragen mit einer Stichprobengröße von 15.000 zufällig ausgewählten Befragten durchgeführt. Die beiden bisherigen Untersuchungen aus den Jahren 1999 und 2004 zum freiwilligen Engagement in Deutschland wurden durch TNS Infratest Sozialforschung durchgeführt. Sie dokumentieren Umfang und Formen des Engagements sowie die Bedürfnisse der Aktiven nach öffentlicher Unterstützung. In der Diskussion über die empirische Untersuchung von freiwilligen, gemeinwohlorientierten Tätigkeiten hat sich in den letzten Jahren der Begriff „freiwilliges Engagement“ stärker durchgesetzt. Er ist international anschlussfähig und stärker an einer aktiven Mitwirkung in Organisationen des bürgerschaftlichen Engagements orientiert. Bürgerschaftliches Engagement in einem weiteren Sinne kann auch die „gelegentliche Mitarbeit, Spenden, die Mitwirkung bei einer Bürgerstiftung oder die Kooperationsfähigkeit und Aufmerksamkeit einer Organisation für bürgerschaftliche Anliegen“ umfassen. Der Begriff „freiwilliges Engagement“ ist tätigkeitsorientiert und auf eine relative Verbindlichkeit der eigenen Mitwirkung angelegt. Als ein freiwilliges Engagement gilt eine über die teilnehmende öffentliche Aktivität hinausgehende Tätigkeit, bei der in ganz verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen freiwillig Aufgaben, Ämter und Arbeiten übernommen werden. Typisch ist eine längerfristige Bindung. „Freiwillig Engagierte sind z.B. als Jugendtrainer, Feuerwehrleute, engagierte Eltern in Kindergärten und Schulen, als Helfer im sozialen und kirchlichen Bereich, in Kultur- und Freizeitvereinen, im Umwelt- und Tierschutz, in der politischen und beruflichen Interessenvertretung, in ihrer Kommune und in vielen anderen Funktionen und Bereichen freiwillig tätig“ (BMFSFJ 2005, S. 7). Der Begriff des „Engagements“ ist aber weiter gefasst als die Vorstellung vom „Ehrenamt“ alter Art und bezieht auch nicht institutionalisierte Formen der freiwilligen Beteiligung an gemeinwohlorientierten Aktivitäten mit ein. Zentrale Ergebnisse des „Freiwilligensurveys“ in Deutschland Die Untersuchungen des „Freiwilligensurveys“ zeigen: 36 % der Bevölkerung ab 14 Jahren sind freiwillig engagiert (2004). Gegenüber der ersten Untersuchung in Deutschland hat die Engagementquote von 34 % auf 36 % zugenommen (s. Abb. 22). Darüber hinaus sind noch mehr Menschen bereit, sich in ihrer Freizeit zu engagieren (Engagementpotenzial). Diese Bevölkerungsgruppe umfasst 32 %. Außerdem gibt es einen Anteil der Engagierten, die sich eine Ausweitung ihres Engagements durchaus vorstellen können (40 %). Bereits heute nehmen 42 % der Engagierten mehr als eine Aufgabe wahr (vgl. BMFSFJ 2005, S. 6 ff.). Eine der öffentlich aktivsten Gruppen der Bevölkerung sind junge Menschen zwischen 14 und 24 Jahren. Zu den freiwillig engagierten zählen 36 %, und 43 % sind bereit, etwas für das Gemeinwohl in ihrer freien Zeit zu tun. Für Jugendliche spielen dabei die Möglichkeiten des informellen Lernens im Rahmen ihrer Tätigkeit eine ganz wesentliche Rolle, und sie

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erkennen die persönlichen Lernchancen z.B. in den Bereichen Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft und Organisationstalent (ebd., S. 10). Männer sind mit 36 % etwas stärker engagiert als Frauen mit einer Engagementquote von 32 %. Insbesondere erwerbstätige und jüngere Frauen haben aber aufgeholt und ihr Engagement gesteigert. Männer üben öfter Leitungs- und Vorstandsfunktionen und Wahlämter aus. Frauen widmen sich dagegen mehr dem direkten Dienst am Menschen, indem sie sich in den Feldern Hilfe und Betreuung engagieren. Mehr Männer, so stellt der aktuelle „Freiwilligensurvey“ (2004) fest, engagieren sich in den Bereichen „Schule und Kindergarten“ sowie im sozialen Bereich (ebd., S. 11).

FWS 1999

Nichts davon

FWS 2004

Freiwillig engagiert 34%

34%

32%

Aktiv, aber ohne freiwillige/ ehrenamtliche Aufgaben

Nichts davon

Freiwillig engagiert 30%

36%

34%

Aktiv, aber ohne freiwillige/ ehrenamtliche Aufgaben

Abb. 22 Aktivität und freiwilliges Engagement (1999-2004, Bevölkerung ab 14 Jahren (Angaben in %), (Kurzzusammenfassung 2. Freiwilligensurvey 2004. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. TNS Infratest Sozialforschung)

Die stärkste Steigerung des freiwilligen Engagements von 1999 bis 2004 gab es bei den älteren Menschen ab 60 Jahren. Die Engagementquote erhöhte sich von 26 % auf 30 %. In der Altersgruppe von 60 bis 69 Jahren erhöhte sich die Engagementquote von 31 % auf 37 % und liegt damit leicht über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Besonders zugenommen hat das Engagement der Älteren in den Bereichen „Soziales“ sowie „Kirche und Religion“. Sie engagieren sich zunehmend für die eigene Altersgruppe (ebd.). Ebenfalls in den Blick genommen wird im Rahmen des „Freiwilligensurveys“ das Engagement von Arbeitslosen. Auch hier hat sich die Engagementquote erhöht. Dies gilt insbeson-

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dere für die neuen Bundesländer. Motive nach sozialer Einbindung sowie Erhalt und Erweiterung eigener Kenntnisse und Fähigkeiten sind dabei ganz entscheidend. Neben den persönlichen, berufsbezogenen Motiven spielt aber auch der Anspruch auf gesellschaftliche und politische Mitgestaltung eine wichtige Rolle (ebd., S. 12). In der Gruppe der Migrantinnen und Migranten in Deutschland liegt die gemessene Engagementquote bei 23 %. Darüber hinaus sind 42 % bereit, sich zu engagieren. Die Lösung eigener Probleme und die Erweiterung der eigenen Kompetenzen steht bei ihrem Engagement im Vordergrund (ebd., S. 13). Ein zentrales Motiv für das freiwillige Engagement ist das Interesse an einer „Mitgestaltung der Gesellschaft“. Wichtig sind auch die Gemeinschaft mit anderen und das Bedürfnis, Erfahrungen zu sammeln und seine eigenen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erweitern. „Der Freiwilligensurvey zeigt, dass der persönliche Einsatz vieler Engagierter in ihrer freien Zeit hohe Anforderungen an ihre soziale Kompetenz, an ihre Belastbarkeit, ihre Einsatzbereitschaft und ihr Organisationstalent stellt“ (ebd., S. 15). Das Engagement gibt ihnen aber auch viel für ihr „Lebensgefühl“, und es macht Spaß, gemeinsam mit anderen etwas zu bewegen. Zunehmend werden an das Engagement neben der Gemeinwohlorientierung eigene Interessen (Kompetenzerwerb, Erhöhung der beruflichen Chancen) herangetragen. Die betrifft insbesondere die jüngeren Freiwilligen. Der größte Engagementbereich ist der Bereich „Sport und Bewegung“ mit 11 %, danach folgen die Bereiche „Schule und Kindergarten“ (7 %) sowie „Kirche und Religion“ (6 %). Ebenfalls große Engagementbereiche sind „Freizeit und Geselligkeit“ sowie „Kultur und Musik“, die auch inhaltlich im Kern von Freizeitaktivitäten anzusiedeln sind. Stark zugenommen hat das Engagement im sozialen Bereich sowie im Bereich „Schule und Kindergarten“. In den neuen Bundesländern ist die Engagementquote mit 31 % immer noch etwas niedriger als in den alten Bundesländern mit 37 %. Gleichwohl ist aber in den neuen Ländern ein deutlicher Anstieg festzustellen (ebd., S. 14 f.). Das freiwillige Engagement wird vielfach von stabilen Zeitmustern bestimmt. Für die meisten ist die Tätigkeit mit regelmäßigen terminlichen Verpflichtungen verbunden (74 %). Für 26 % ist die Tätigkeit zeitlich befristet angelegt. Der Verein ist das wichtigste organisatorische Umfeld für ein freiwilliges Engagement. 43 % der freiwilligen Tätigkeiten werden innerhalb eines Vereins erbracht. Dies betrifft vor allem die Bereiche Sport, Kultur sowie Freizeit und Geselligkeit. Staatliche, kommunale und kirchliche Einrichtungen sind das zweitwichtigste Umfeld für ein freiwilliges Engagement in der Freizeit. Nach Ansicht der meisten Freiwilligen in Vereinen und kleineren Initiativen und Organisationen gibt es genügend Spielräume für eine Mitgestaltung und Mitbestimmung des Engagements. Bei größeren Organisationen und im Rahmen von öffentlichen und kirchlichen Einrichtungen gibt es Bedarf nach mehr Entfaltungsmöglichkeiten im Rahmen des Engagements (ebd. S. 17 ff.). Freiwilliges Engagement ist ein wichtiges Lernfeld innerhalb der Freizeit. Die Engagierten können dabei in einem informellen Rahmen ihr Fachwissen sowie ihre sozialen und organisatorischen Kompetenzen erweitern. Besonders die jungen Engagierten geben an, dass sie durch ihre Tätigkeit Fähigkeiten erworben haben, die ihnen persönlich wichtig sind (55 %).

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Für einen Teil der Freiwilligen (23 %) hat die Tätigkeit mit ihrer aktuellen oder früheren Berufstätigkeit zu tun (ebd. S. 21). Die Rahmenbedingungen für das freiwillige Engagement in der Freizeit könnten noch weiter verbessert werden. Der „Freiwilligensurvey“ lässt hier erkennen, dass sich der Bedarf sowohl an die jeweiligen Organisationen als auch an Staat und Öffentlichkeit richtet. Ein wesentliches Problem für die Engagierten ist die Finanzknappheit für die Realisierung von Projekten. Hinzu kommt die Bereitstellung von Räumen und Sachmitteln. Gewünscht werden darüber hinaus bessere Weiterbildungsmöglichkeiten, eine bessere fachliche Unterstützung sowie eine unbürokratischere Kostenerstattung. Auch die Anerkennung der Freiwilligen durch die Hauptamtlichen könnte verbessert werden (ebd., S. 22 f.). Mit Blick auf den Staat bzw. die Öffentlichkeit könnten das freiwillige Engagement vor allem durch eine bessere Information und Beratung über die Möglichkeiten des Engagements unterstützt werden. Hinzu kommt eine Erleichterung auf der materiellen Seite durch eine bessere steuerliche Absetzbarkeit von Kosten und Aufwandsentschädigungen. Eine bessere Anerkennung könnte durch Berichte in den Medien erfolgen, und eine freiwillige Tätigkeit sollte leichter als berufliches Praktikum anerkannt werden können (ebd., S. 23 f.). Freiwilliges Engagement ist ein ganz wichtiger Faktor für den Erhalt der Lebensqualität im Gemeinwesen. Es gibt der Freizeit nicht nur im Alter einen neuen Sinn, sondern motiviert auch viele jüngere Menschen zu einer Mitwirkung und Mitgestaltung im öffentlichen Raum. Es eröffnet Chancen für das informelle Lernen und ist ein sozialer Raum der Begegnung und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Ein zukunftorientiertes Freizeitmanagement sollte die Ressource freiwilliges Engagement mit berücksichtigen. Für viele Initiativen und Organisationen im Bereich der Freizeitkultur ist das Engagement von Mitgliedern, Aktiven und Unterstützern überlebenswichtig. Für andere Freizeitunternehmen erscheint es bedeutsam, einer Kooperation mit bürgerschaftlichen Initiativen gegenüber offen zu sein und die Unterstützung von Initiativen, Vereinen und Einrichtungen im Umfeld des Gemeinwesens als Teil ihrer Unternehmensphilosophie und einer weiteren unternehmerischen Verantwortung zu pflegen (CSR/Corporate Social Responsibility) (vgl. auch Kap. 4.4.6 „Non-profit-Marketing“). Der „Freiwilligensurvey“, angelegt als kontinuierliches Beobachtungsinstrument liefert hier wichtige Grunddaten und ermöglicht es, eine engagementfreundliche Freizeitpolitik auf solider Datengrundlage zu betreiben. Unterstützung durch anwendungsorientierte Freizeitforschung Nicht nur durch große Überblicksstudien kann das freiwillige Engagement in der Freizeit angeregt und gefördert werden. Hilfreich sind auch sektorale und regionale Studien mit Orientierung auf eine Anpassung und Entwicklung von Strukturen. Ein Beispiel hierfür ist die Studie des Instituts für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit zum freiwilligen Engagement in der Jugendarbeit in Mecklenburg-Vorpommern (Burmeister/Brinkmann 2005). Die Untersuchung stützt sich auf eine Befragung von 465 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Jugendarbeit in Mecklenburg-Vorpommern mit einer gültigen Jugendleiter-Card (JuleiCa). Sie wurden im Jahr 2005 schriftlich-postalisch befragt. Ziel der Studie war es, Strukturen des freiwilligen Engagements in der Jugendarbeit im Land Mecklenburg-

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Vorpommern zu erheben und im Rahmen einer Bestandsaufnahme Motive, Tätigkeitsfelder, Zeitstrukturen, Zufriedenheit und Förderungsmöglichkeiten zu dokumentieren. Folgende Schwerpunkte bestimmen die Ergebnisse (vgl. ebd., S. 26 f.): Die Befragung der Aktiven mit JuleiCa zeigt ein recht junges Spektrum an freiwillig Engagierten. Mehr als 80 % sind unter 30 Jahre alt. Schüler, Auszubildende und Studierende prägen das Bild. Etwas mehr Frauen als Männer sind aktiv. Für die meisten Befragten ist ein „persönlicher Gewinn“ an Erfahrungen und Lebensfreude entscheidend für das Engagement. Je jünger die ehrenamtlich Engagierten sind, desto wichtiger ist ihnen der „Spaßfaktor“ bei einem freiwilligen Engagement gemeinsam mit anderen. Aber auch für ältere Aktive ab 30 Jahren hat das Ehrenamt eine starke Bedeutung für die eigene Freizeit. Dies ist bei der Ansprache und Motivation neuer Mitglieder zu berücksichtigen. Typisch ist ein freiwilliges Engagement im Umfang eines Achtstundentags in der Woche Viele freiwillig Engagierte könnten sich sogar noch eine Ausweitung ihrer Tätigkeit vorstellen. Eine weitere Stunde könnte hinzukommen. Viele sind mehrmals in der Woche ehrenamtlich tätig, ein großer Teil engagiert sich aber auch bei unregelmäßigen Projekten und Angeboten. 85 % der Befragten sind sehr zufrieden oder eher zufrieden mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit. Wenn sie ihre Arbeit aufgeben müssten, würden sie vor allem die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, den Kontakt mit Kindern und Jugendlichen, aber auch eine erlebnisreiche und sinnstiftende Freizeitgestaltung vermissen. Das freiwillige Engagement in der Kinderund Jugendarbeit erfordert nach Einschätzung der Aktiven aber viel Menschenkenntnis, hohe Einsatzbereitschaft, Organisationstalent und Führungsqualitäten. Die große Mehrheit der Aktiven fühlt sich diesen Anforderungen meistens oder immer gewachsen. Belastungen ergeben sich häufiger durch „Probleme im Team“. Zeitlicher Druck und wenig Ruhepausen bei Projekten und Fahrten kommen manchmal hinzu. Beratung und Unterstützung bei der Konfliktbearbeitung könnten hier hilfreich sein. Das Verhältnis zur eigenen Organisation ist sehr positiv. Die meisten sind Mitglied im jeweiligen Verein. 86 % wären bereit, sich längerfristig im jeweiligen Verein bzw. der jeweiligen Organisation zu engagieren. Eine zeitliche Befristung der Aufgaben spielt dabei keine so starke Rolle wie vielleicht vermutet. Das ehrenamtliche Engagement ist auch ein Stück soziale Einbindung und gewünschte Gemeinschaft. Die Mitgestaltungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten für freiwillig Engagierte im Verein könnten und sollten jedoch noch erweitert werden. Die Bereitstellung von Mitteln für die Kinder- und Jugendarbeit, für Projekte und die Aktivierung passiver Mitglieder sind zentrale Anliegen der Aktiven mit Blick auf ihren jeweiligen Verein oder die jeweilige Organisation. Im Kontext eines ländlichen oder kleinstädtischen Umfeldes zeigt sich dabei eher ein „Ressourcenproblem“. Bei der Arbeit im Umfeld von Mittel- und Großstädten wird von den Aktiven dagegen eher ein „Motivationsproblem“ (Aktivierung passiver Mitglieder) gesehen. Bezogen auf den Staat und die Öffentlichkeit wird von den befragten Aktiven die Anerkennung der gewonnenen Kompetenzen für die berufliche Qualifizierung betont. Dies heben insbesondere Schüler und Studierende hervor. Die Erwerbstätigen wünschen sich zudem mehr Absicherung bei der Freistellung von der

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Berufstätigkeit und mehr Freiräume für das Ehrenamt. Die Leistungen freiwillig Engagierter könnten darüber hinaus durch Ehrungen und Medienberichte noch stärker hervorgehoben werden. Die meisten Befragten haben nach Selbsteinschätzung durch das Ehrenamt ihre Kompetenzen in vielfältiger Weise erweitern können. 80 % meinen, sie haben Fähigkeiten im Bereich Planung und Organisation hinzu gewonnen. Fast ebenso viele beziehen sich auf das Erkennen eigener Stärken und Schwächen sowie die Erweiterung pädagogischer und psychologischer Kenntnisse. Eine Übertragung dieser, durch informelle Lernprozesse gewonnenen Kompetenzen auf andere Lebensbereiche sollte stärker als bisher unterstützt werden. Die Förderung des freiwilliges Engagements in der Freizeit, so eine Erkenntnis dieser anwendungsorientierten Studie, muss berücksichtigen, dass die Engagierten nicht nur „für andere“ tätig sein wollen, sondern auch etwas „für sich“ tun möchten (Erfahrungs- und Kompetenzgewinn). Hinzu kommt gerade bei den jüngeren Engagierten das Bedürfnis nach Gemeinschaftserlebnissen und Spaß im Rahmen des Engagements zusammen mit anderen. Das Engagement in gewisser Weise „freizeitgemäߓ zu gestalten, kann als eine Anforderung an die Freizeitpädagogik im Rahmen der Jugendarbeit angesehen werden, um weiter Aktive zu gewinnen und zu halten. Hinzu kommt die Berücksichtigung von Anforderungen an die Zeitstrukturen. Projektartiges Arbeiten auf Zeit erhält einen höheren Stellenwert als früher, und aufgrund der Abwanderung von Aktiven aus beruflichen und anderen Gründen wird die Gewinnung, Einbindung und Ausbildung von Aktiven zu einem eigenen Tätigkeitsschwerpunkt der hauptamtlich Beschäftigten in der Jugendarbeit von Verbänden und Einrichtungen. Wie in anderen Feldern auch geht es nicht zuletzt darum, für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen (Räume, Projektmittel, Beratung) und eine bessere öffentliche Anerkennung zu streiten. Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Auf Anregung der Enquete-Kommission „Bürgerschaftliches Engagement“ wurde im Jahr 2002 das „Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement“ (BBE) mit mehr als 170 Organisationen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, Politik und Wirtschaft gegründet. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für das freiwillige Engagement zu verbessern, die öffentliche Aufmerksamkeit für das freiwillige Engagement und die Anerkennung der erbrachten Leistungen voranzubringen. Im Jahr 2009 wird bereits zum fünften Mal eine bundesweite Aktionswoche des bürgerschaftlichen Engagements organisiert, und in diesem Jahr wird als Teil der Kampagne zum ersten Mal ein „Deutscher Engagementpreis“ vergeben. Auf der Internetseite und im Rahmen eines regelmäßig erscheinenden Magazins wird für eine Beteiligung in den vielfältigen Formen des freiwilligen Engagements geworben. In einem „Nationalen Forum für Engagement und Partizipation“ werden unter Beteiligung von Vertretern aus Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft die Rahmenbedingungen für die Engagementförderung kritisch analysiert, und es werden Vorschläge für eine nachhaltige Engagementpolitik erarbeitet (vgl. BBE 2009). Die öffentliche Anerkennung des freiwilligen Engagements in der Freizeit muss weiter verbessert werden. Durch öffentliche Kampagnen kann auf die gesellschaftliche Bedeutung des Engagements hingewiesen werden. Die öffentliche Unterstützung durch prominente Fürspre-

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

cher aus Politik, Medien und Wirtschaft stärkt die Beachtung des Engagements und motiviert. Neue Initiativen zu globalen Problemlagen (s. Kapitel Nachhaltigkeit) verdienen ebenfalls Beachtung und sollten im Rahmen öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen unterstützt werden.

Freiwilligenteam im Zoo Zürich Der Zoo Zürich ist nach eigenem Selbstverständnis eines der führenden Kulturinstitute der Schweiz. Er weckt und fördert das Interesse der Besucher an seinen Aufgaben (Erholungsraum, Information, Arterhaltung, Forschung), indem er sie aktiv in die Erlebniswelt der Tiere mit einbezieht. Und er versteht sich als ein „Naturschutzzentrum“ mit einem breiten Spektrum an Mitwirkungsmöglichkeiten. Ein fester Bestandteil der Organisation ist ein „Freiwilligenteam“. 250 freiwillig Engagierte leisten ca. 28.000 Einsatzstunden pro Jahr. Die meisten Aktivitäten sind auf das informelle Lernen im Zoo gerichtet: Information in der „Masoala“-Regenwaldhalle, Infotische zum Artenschutz, Aktionstage, Rundgänge für Senioren und Behinderte, Kindergeburtstage und Kinderferientage, besondere Aktionen mit Tieren und vieles mehr. Die Betreuung des Freiwilligenteams ist ein wichtiger Aspekt der Arbeit im Zoo. Die Freiwilligen sind anerkannte „Mitarbeiter“ des Zoos und damit Teil seiner Idee, und sie sind Botschafter zwischen dem Zoo und den Besuchern. Nicht nur aufgrund des Freiwilligenteams, sondern auch durch viele weitere Aktivitäten identifizieren sich die Nutzer in einem hohen Maße mit „ihrem Zoo“ (vgl. Rübel 2007).

Die breite Einbeziehung des freiwilligen Engagements in die Arbeit von Freizeiteinrichtungen in ganz unterschiedlichen Feldern wie im Zoo Zürich steht noch aus. Die Chancen für alle Beteiligten sind hoch. Freiwilligen-Agentur als Schnittstelle Wichtige Schnittstellen für die Beratung von Interessierten an einem freiwilligen Engagement und die Unterstützung von unterschiedlichen Organisationen des bürgerschaftlichen Engagements je nach Bedarf stellen so genannte „Freiwilligen-Agenturen“ dar. An erster Stelle der Wünsche der im „Freiwilligensurvey“ befragten Engagierten nach Unterstützung durch Staat und Öffentlichkeit steht der Bedarf nach „besserer Information und Beratung über die Möglichkeiten des freiwilligen Engagements“ (vgl. BMFSFJ 2005, S. 71). Hier setzen Freiwilligen-Agenturen wie die Bremer Anlaufstelle „Zeitweise“ an und versuchen, Bürger mit ihren jeweiligen Interessen und Voraussetzungen und Träger für eine Freiwilligenarbeit zusammen zu bringen. Die Freiwilligen-Agentur Bremen wird getragen vom „Sozialen Friedensdienst Bremen e.V.“ und ist als gemeinnützige Organisation anerkannt. Sie wird aus Mitteln des Bremer Senats gefördert und unterstützt seit Beginn der 1990er Jahre das freiwillige Engagement in Bremen. Die Agentur berät Interessierte über die Möglichkeiten, sich in Bremen freiwillig zu engagieren und vermittelt geeignete Tätigkeiten in gemeinnützigen Organisationen und Initi-

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

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ativen in Bremen. Gute Möglichkeiten für ein persönliches Gespräch bietet der Standort in der Bremer Zentralbibliothek in der Innenstadt. Darüber hinaus sind Informationen über Engagementbereiche und Einsatzstellen auch im Internet abrufbar. Einige modellhafte innovative Freiwilligenprojekte wurden selbst entwickelt, um neue gesellschaftliche Felder für die Freiwilligenarbeit zu erschließen. Die Freiwilligen-Agentur sieht es ebenfalls als ihre Aufgabe an, gemeinnützige Organisationen bei der Etablierung und Entwicklung von Freiwilligenarbeit zu unterstützen. Sie bietet dazu Fortbildungsangebote und eine Organisationsberatung an. Durch öffentliche Veranstaltungen, wie z.B. eine Freiwilligenbörse im Rathaus, leistet die Freiwilligen-Agentur einen Beitrag zu einer lokalen Engagementkultur und fördert die öffentliche Anerkennung des freiwilligen Engagements in Bremen (vgl. FreiwilligenAgentur Bremen 2009). Sowohl für Freizeiteinrichtungen als auch für Interessierte, die eine sinnvolle Beschäftigung im Rahmen ihrer Freizeit suchen, stellen Freiwilligen-Agenturen eine wichtige Anlaufstelle dar. Über sie wird die Engagementkultur dauerhaft gestärkt, und es entwickeln sich Strukturen der kooperativen Vernetzung in einer Stadt. Eine zukunftsorientierte sozialräumlich orientierte Freizeitplanung kann hier anknüpfen. Trotz brüchiger werdender sozialer Strukturen, Individualisierung und räumlicher Mobilität erscheint eine Stützung des freiwilligen Engagements über die Freizeit möglich. Die Vielfalt der Formen und die Interessen der Engagierten gilt es zu berücksichtigen.

3.7.3

Die langen Wellen des Wertewandels

Eng verknüpft mit der Entwicklung der Freizeit in den westlichen Industriegesellschaften ist ein Phänomen, das von den Sozialforschern als Wertewandel diagnostiziert und beschrieben wurde. Freizeitwissenschaft aus soziologischer Perspektive thematisiert diesen Wertewandel als eine Grundströmung, die die Sicht auf die Freizeit, ihren Stellenwert im Leben des Einzelnen und in der Gemeinschaft prägt. Freizeitwissenschaft muss sich dabei mit den langen Wellen eines anhaltenden Wertewandels beschäftigen. Erst mit den nachrückenden Generationen kommt der Wertewandel in Schwung. Bisher zeigte sich: die jüngeren Generationen sind postmaterialistischer eingestellt als die älteren Generationen. Neu ist die Entwicklung einer Seniorengeneration mit postmaterialistischen Werten. Wirtschaftliche Krisen haben einen Effekt auf die Werte einer Gesellschaft. Das zeigte sich bereits in den 1970er und 1980er Jahren. Der Zusammenhalt in der Familie und in sozialen Bezugsgruppen wird mit schwindendem Wohlstand wieder wichtiger. Es gibt aber auch eine Erlebnisorientierung trotz wirtschaftlicher Probleme, und eine an der Selbstverwirklichung orientierte Grunderwartung gegenüber der Freizeit, ihren Möglichkeiten und Angeboten bleibt sicherlich bestehen. Stabilität und Wandel von Werten Werte resultieren für den Soziologen Hans-Werner Prahl aus fundamentalen Konflikten in einer Gesellschaft. Sie haben sehr viel mit den jeweiligen Macht- und Herrschaftsverhältnissen zu tun, und sie sind nur langfristig einem Wandel unterworfen. Unterschieden werden

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

müssen grundlegende Werte einer Gesellschaft, wie das Verhältnis zu Leben und Tod, und daraus abgeleitete Normen, die einem rascheren Wandel unterliegen können. „Werte sind langfristig ausgelegt und lassen sich nicht in kurzer Frist wandeln. Werte geben grundlegende Orientierungen bei der Festsetzung von Prioritäten in fundamentalen Fragen. Sie sind meist von Ideologien (z.B. Religionen, politischen Systemen) geformt und interpretiert worden. Den Individuen stehen Werte nicht nur als frei wählbare Angebote, sondern meist auch als Zwänge gegenüber. Im Namen von Werten werden Macht und Herrschaft ausgeübt und zuweilen auch pervertiert“ (Prahl 2002, S. 78 f.). Fraglich ist, ob ein allgemein beklagter „Werteverlust“ in der Gesellschaft tatsächlich stattfindet. Historisch betrachtet sind Klagen über einen „Werteverfall“, insbesondere in der jüngeren Generation, weit verbreitet. Die Vergangenheit als positive Vergleichsfolie wird aber nach Prahl zu stark idealisiert. Verändert hat sich die gesellschaftliche Vermittlung von Werten, und es gibt eine steigende Bedeutung von Freizeitstrukturen und Freizeiterlebnissen für die Wertevermittlung. Als neue „Sinngeber“ treten die Medien- und Kulturindustrie oder Konsumstile in Erscheinung. „Unverkennbar ist ein Bedeutungsverlust jener Instanzen, welche in der Geschichte für die Vermittlung und Erhaltung von Werten zuständig waren: Familien und Kirchen. Beide können heute nur noch begrenzt die Setzung und Kontrolle von Werten für sich reklamieren, obwohl sie allen Unkenrufen zum Trotz immer noch sehr einflussreich sind. Im Zuge des sozialen, kulturellen und ökonomischen Strukturwandels sind aber andere Instanzen der Sinngebung hinzugekommen und bilden einen sehr heterogenen Wertekosmos aus“ (ebd., S. 80). Enttraditionalisierung, Individualisierung und Pluralisierung einer Gesellschaft führen auch zu einer Auffächerung der Werte und zu mehr Wahlmöglichkeiten. Gleichwohl gibt es gemeinsame Schnittmengen unter der Oberfläche von kurzfristigen Trends und Moden sowie weiter bestehende Traditionen und Gemeinsamkeiten. Werte werden aber heute nicht mehr durch Autorität vermittelt, sondern eher durch diskursive Prozesse in Familie, Schule oder Arbeitsstätte gebildet. Das Leben in freier Zeit und auch die Wechselbeziehungen unterschiedlicher Rollen in Arbeit und Freizeit tragen zu einem Wertewandel bei. Der Strukturwandel in der Gesellschaft hin zu mehr zeitlichen Spielräumen für eine breite Bevölkerungsschicht steht in einem dialektischen Verhältnis zum Wertewandel. Mehr freie Zeit macht eine Selbstentfaltung erst möglich. Ein Wandel in den Werten fördert aber auch die Entwicklung eines Freizeit-Konsumbereichs mit einer expandierenden Tourismuswirtschaft, ShoppingAngeboten und Events. „Freizeit ist nicht länger bevorzugt Zeit für körperliche und geistige Reproduktion der Arbeitskraft, sie ist auch und vor allem Zeit für Moden, Stile und Trends, Zeit zum Kaufen und Reisen, Zeit zum Ausprobieren und Selbstverwirklichung – das alles aber nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden materiellen Möglichkeiten, in denen sich die ‚feinen Unterschiede‘ und damit auch gesellschaftliche Ungleichheiten bemerkbar machen“ (ebd., S. 83).

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

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Materialistische und postmaterialistische Werte Grundlegend für die Analyse des Wertewandels in den westlichen Industriegesellschaften sind die Studien des amerikanischen Soziologen Ronald Inglehart. Er stellte in den 1970er Jahren eine fundamentale Verschiebung von Werte-Prioritäten in der jüngeren Generation fest und beschrieb einen Wandel von materialistischen zu postmaterialistischen Werten als Teil eines lang anhaltenden Mega-Trends in den westlichen Ländern. In seinem Buch „Kultureller Umbruch“ berichtet Inglehart über den tiefgreifenden Wandel einer „silent revolution“: „Die Wertvorstellungen in den westlichen Gesellschaften haben sich signifikant verschoben; während früher materielles Wohlergehen und physische Sicherheit ganz im Vordergrund standen, wird heute mehr Gewicht auf Lebensqualität gelegt“ (Inglehart 1989, S. 12). Während materialistische Werte sich auf die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung, eine stabile wirtschaftliche Entwicklung oder Preisstabilität beziehen, bekommen bei einer postmaterialistischen Orientierung die Entwicklung hin zu einer humaneren Gesellschaft, die Ausweitung von Mitsprachemöglichkeiten am Arbeitsplatz und bei der Gestaltung der Lebenswelt sowie eine größere Selbstentfaltung des Individuums mehr Gewicht (vgl. ebd., S. 101). Die Theorie des Wertewandels nach Inglehart basiert dabei auf zwei grundlegenden Hypothesen: Die Mangelhypothese: Die Werte eines Menschen haben einen starken Bezug zu seinem sozioökonomischen Umfeld, und besonders wertvoll erscheinen Dinge, die knapp sind. In wirtschaftlich schlechten Zeiten ist das Überleben zentral. Genug zu Essen zu haben und Sicherheit vor Bedrohungen sind wichtiger als eine ästhetische Befriedigung. Im Zuge der Wohlstandsentwicklung verändern sich dann die Prioritäten. Die Sozialisationshypothese: Werteprioritäten haben eine relative Stabilität und wechseln nicht unmittelbar mit sich verändernden Lebensumständen. Die grundlegenden Wertvorstellungen werden in der Jugendzeit gebildet und mit durchs Leben genommen. Ein Wandel von Werten in einer Gesellschaft erfolgt daher zeitversetzt. Jüngere, bereits im Wohlstand aufgewachsene Generationen lösen die älteren Generation mit ihren eher konservativen Wertesystemen ab und sind die Akteure eines grundlegenden Wandels. Die Folgen dieser Verschiebungen sind vielseitig. Die Einstellungen zur Arbeit, zur politischen Mitgestaltung im Gemeinwesen, zu Familie, Sexualität, Geschlechterrollen und Kindererziehung, aber auch religiöse Überzeugungen haben sich seit den 1970er Jahren stark verändert. Inglehart belegt durch seine breit angelegten Kohortenanalysen in zahlreichen westlichen Industrieländern die zentrale Bedeutung des Generationswechsels für den Wandel und zeigt den lang anhaltenden Trend zum postmaterialistischen Denken. Eine Zunahme materialistischer Werte im Lebensverlauf ist dagegen nicht erkennbar. Die Abb. 23 zeigt die Ergebnisse der Kohortenanalyse über die letzten 35 Jahre hinweg, durchgeführt mit einem immer gleichen Befragungsinstrumentarium. Dargestellt wird die

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Differenz zwischen den Anteilen der postmaterialistisch und der materialistisch eingestellten Bevölkerung. Verglichen werden die unterschiedlichen Geburtsjahrgänge (Kohorten). Erkennbar sind so genannte „Periodeneffekte“ und ein Wandel durch den Generationswechsel. In den Periodeneffekten spiegeln sich die Auswirkungen wirtschaftlicher Einbrüche mit Inflation und Arbeitslosigkeit. In Krisenzeiten steigt in allen Generationen eine materialistische Grundorientierung. Der Anteil der Postmaterialisten nimmt ab. Mit zunehmender Erholung der Wirtschaft pendeln sich die Werte dann aber wieder auf ein für diese Generation typisches Niveau ein. Stärker als die Periodeneffekte und von größerer Stabilität gekennzeichnet sind die Veränderungen von Generation zu Generation. Erkennbar ist: Die jüngeren Generationen sind viel ausgeprägter als die älteren an einer Selbstentfaltung orientiert und damit als postmaterialistisch einzuschätzen.

COHORT ANALYSIS: % POST-MATERIALISTS MINUS % MATERIALISTS IN SIX WEST EUROPEAN SOCIETIES, 1970-2006

Source: Based on combined weighted sample of Eurobarometer surveys and World Values Surveys in West Germany, France, Britain, Italy, the Netherlands and Belgium, in given years, using the four-item materialist/postmaterialist values index. Abb. 23 Kohorten-Analyse Postmaterialismus-Materialismus. (Inglehart 2008, S. 135)

„Der Wandel vollzieht sich schrittweise. Darin spiegelt sich wider, dass die einzelnen Generationen während ihrer formativen Jahre von unterschiedlichen Erfahrungen geprägt wurden. So sind traditionelle Wertvorstellungen und Normen der älteren Generation nach wie vor weit verbreitet, während sich bei den jüngeren Menschen neue Einstellungen immer mehr durchsetzen. In dem Maße, wie die jüngere Generation in einer Gesellschaft nachrückt und

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

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die ältere Generation ablöst, verändern sich die vorherrschenden Anschauungen“ (ebd. S. 11). In einem aktuellen Artikel aus dem Jahr 2008 zieht Inglehart 35 Jahre nach den ersten Veröffentlichungen zu seinen Hypothesen noch einmal Bilanz und sieht sich in seinen grundlegenden Annnahmen bestätigt. Ein steigendes Niveau von existenzieller Sicherheit in der Gesellschaft ist der entscheidende Auslöser für einen breiten kulturellen Wandel. Waren in den 1970er Jahren postmaterialistisch eingestellte Menschen in den westlichen Industrieländern noch eine kleine Minderheit, so berichtet Inglehart, dass in seinen Studien aus dem Jahr 2006 in Westeuropa inzwischen etwas mehr Postmaterialisten als Materialisten anzutreffen sind. In den USA sind es sogar doppelt so viele Postmaterialisten wie Materialisten. „Despite substancial shortterm fluctuations and the negative economic conditions of recent years, the predicted shift toward post-materialist values took place“ (Inglehart 2008, S. 136). Freizeit erfährt im Kontext dieses Wertewandels eine Aufwertung als ein besonderer gesellschaftlicher Raum:  

in dem Werte auch mit ausgebildet werden, z.B. im Rahmen von freizeitkulturellen Angeboten für Jugendliche, in dem Bedürfnisse nach Selbstentfaltung und Mitgestaltung der Lebenswelt gelebt werden können.

Bezogen auf die aktuellen wirtschaftlichen Krisen und eine Zunahme von Unsicherheit bezogen auf die gesellschaftliche Entwicklung in der Bevölkerung lässt sich mit Rückgriff auf Inglehart vermuten, dass auch hier eine gewisse Stabilität der Werte greift. Die im Wohlstand groß gewordenen Nachkriegsgenerationen werden sich ihren Traum von Lebensqualität so schnell nicht nehmen lassen. Lebensqualität wird auch bei sinkendem Wohlstand von Bedeutung bleiben. Das Bedürfnis nach Mitgestaltung der Gesellschaft könnte sich in einem steigenden freiwilligen Engagement jenseits der Erwerbsarbeit zeigen. Erlebnismöglichkeiten und Selbstentfaltung werden vielleicht in einem etwas bescheideneren Rahmen in räumlicher Nähe und in Gemeinschaft mit Freunden und Familie gesucht. Hinzu kommt, dass sich zum ersten Mal seit Erkennen des Wertewandels eine größere Gruppe von postmaterialistisch geprägten älteren Menschen herausbilden wird. Bisher waren ältere Generationen eher konservativ geprägt und materialistischer orientiert als die jüngeren Menschen. Dieses Verhältnis wird sich im Zuge des demographischen Wandels verändern. Die aktive Gestaltung des Alters wird zum Programm einer vermehrt postmaterialistisch ausgerichteten Generation. Zu vermuten ist: Die neue Altengeneration ist etwas weniger an Sicherheiten und wirtschaftlich hohem Lebensstandard ausgerichtet, sondern möchte stattdessen in der ihnen verbliebenen Zeit ihren Lebensträumen doch noch etwas näher kommen. Hieraus speist sich das Interesse an einem „Seniorenstudium“ an der Universität wie auch das Bedürfnis über Ausflüge und Reisen noch einmal etwas von der Welt zu erfahren. Arbeit oder Freizeit - eine falsche Alternative? Die teilweise Umkehrung des Wertewandels in Deutschland ab Mitte der 1990er Jahre zeigt sich für die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann an der Einstellung zu wichtigen

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Erziehungszielen, einer schwindenden Kluft zwischen den Generationen und einer sich verändernden Sicht auf die Freizeit als Gegenwelt zur Arbeit. Im Wertewandel spiegelt sich der Aufstieg des Freizeitsektors zu einem für die Identitätsentwicklung relevanten Sektor der Gesellschaft mit vielfältigen Erlebnisoptionen. Die wirtschaftliche Krise, ein verschärfter Konkurrenzkampf um Berufseinstieg und Arbeitsstellen und auch die Gewöhnung an eine hohe Freizeitlebensqualität lässt eine eher traditionelle Sicht auf die Arbeit wieder nach vorn treten. „Besonders auffällig an dieser neuen Entwicklung ist die Veränderung der Einstellung zur Arbeit. Dies wird illustriert durch die Frage ‚Welche Stunden sind Ihnen ganz allgemein am liebsten: die Stunden während der Arbeit oder die Stunden, während Sie nicht arbeiten, oder mögen Sie beide gern?‘ Nur sehr wenige sagten bei dieser Frage, dass sie die Stunden während der Arbeit lieber mögen als ihre Freizeit. Aber in den sechziger Jahren sagte die Mehrheit der berufstätigen Bevölkerung: ‚Ich mag beide gern.‘ Dann, mit dem Wertewandel, stieg scheinbar unaufhörlich die Zahl derjenigen, die antworteten: ‚Mir sind die Stunden lieber, in denen ich nicht arbeite.‘ Der Höhepunkt dieser Entwicklung war 1994 erreicht. Damals sagten 64 Prozent, ihnen seien die Stunden in der Freizeit lieber als die Arbeitsstunden, und nur noch 29 Prozent gaben die Antwort, sie hätten auch ihre Arbeitsstunden gern oder sogar lieber als die Stunden, in denen sie nicht arbeiteten“ (Noelle-Neumann/Petersen 2001, S. 19). Danach hat nach Noelle-Neumann eine dramatische Trendwende stattgefunden, und im Jahr 2000 entschieden sich erstmals seit den 1950er Jahren wieder mehr Befragte für „Arbeit und Freizeit“ als Quelle für Lebenszufriedenheit und Glück. Gleichzeitig gibt es eine anhaltende Orientierung an „Glück und Genuss“ als Sinn des Lebens. „Ungebrochen ist aber auch der Trend zum Lebensgenuss. Noch immer sagt eine deutliche Mehrheit der westdeutschen unter 30-Jährigen, für sie sei das Leben weniger als eine Aufgabe zu betrachten, die Hauptsache sei, das Leben zu genießen. Auf die Frage ‚Worin sehen Sie vor allem den Sinn des Lebens?‘ antworten nach wie vor fast zwei Drittel der Bevölkerung: ‚Dass ich glücklich bin und viele Freunde habe‘ und gleich darauf an zweiter Stelle, folgt auch hier die Antwort: ‚Der Sinn des Lebens besteht darin, das Leben zu genießen‘“ (ebd. S. 21). Eine positive Einstellung zur Arbeit und zum Lebensgenuss muss kein Widerspruch sein. Eine demonstrative Ablehnung von Leistung wird anders als in den Anfängen des Wertewandels nicht mehr zum Ausdruck gebracht. Ähnlich argumentiert auch Horst W. Opaschowski bei einer Analyse des Wertewandels und darauf bezogenen Zukunftsprognosen. Traditionelle „Pflicht- und Akzeptanzwerte“ wie Fleiß, Höflichkeit, Pflichterfüllung und Gehorsam finden bei der jüngeren Generation der unter 30-Jährigen wieder etwas mehr Zustimmung. Selbstentfaltungswerte wie Offenheit, Kontaktfähigkeit, Kritikfähigkeit und Spontaneität bleiben wichtig, verlieren aber ihre herausragende Dominanz. Hierzu trägt auch ein Ausgleich zwischen Wertsystemen in Ost- und Westdeutschland nach der Wiedervereinigung bei. Die eher arbeitsorientierten Werte der Ostdeutschen dämpfen die hedonistische Wertorientierung der Westdeutschen. Die Perspektive ist ein neuer „Wertemix“ zwischen Selbstentfaltung und Leistungsorientierung oder eine „Wertebalance“.

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

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„Die junge Generation will wieder mehr im Gleichgewicht leben: Leistung und Lebensgenuss sind für sie keine Gegensätze mehr. Beide verlieren ihren Konfrontationscharakter im gleichen Maße, wie die Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit, Ernst und Spaß fließender werden. Nicht anstrengende Berufsethik auf der einen und entspannende Non-MühsalEthik auf der anderen Seite beherrschen ihr Leben. Ein Ausgleich zwischen materiellen und immateriellen Lebenszielen wird eher angestrebt – eine Art Gleichgewichtsethik“ (Opaschowski 2008, S. 590). Etwas im Leben leisten und das Leben zu genießen, kennzeichnet die neue Wertebalance. Eine stärkere Orientierung am Gemeinsinn und die Bereitschaft soziale Verantwortung zu übernehmen wird bestimmend für zukünftige gesellschaftliche Veränderungen werden. Neue Freizeitethik Aktuelle Entwicklungen lassen erkennen, dass der Freizeit möglicherweise eine neue Wertediskussion bzw. ein weiterer Wertewandel ins Haus steht. Dies hängt mit einer auflebenden ethischen Debatte über nachhaltige Formen des Konsums und einer Vitalisierung sozialer Gemeinschaften zusammen. Eine ausufernde hedonistische Lebenshaltung erscheint weder global tragbar, noch für den Zusammenhalt in der Gesellschaft wünschenswert. Anerkannt werden müssen neue Grenzen, auch für das Freizeithandeln (vgl. Fromme/Freericks 1997). Die Folgen für zukünftige Generationen und für andere Gesellschaften und Kulturen weltweit gilt es in Betracht zu ziehen. Im Zuge des Klimawandels werden die Begrenztheit und die Bedrohung natürlicher Ressourcen schlaglichtartig erkennbar. Insofern verändert sich der Wertehorizont für die Freizeitgestaltung. Vieles ist heute möglich, doch nicht alles erscheint wünschenswert oder ist vor dem Hintergrund eines neu heraufziehenden Kanons des nachhaltigen Freizeitkonsums als förderungswürdig anzusehen. Andere Aspekte der Freizeitethik sind:   

Gesundheitsbewusstsein und Gesundheitsförderung generationengerechte Gestaltung der Freizeit Aufwertung von Gemeinschaft und Familie.

Für Horst W. Opaschowski hängt die zukünftige Entwicklung von einer „Neubesinnung“ auf die wahren Qualitäten des Lebens ab. Wohlfühlen, Wohlbefinden und Wohlergehen erscheint nicht allein als eine Frage des materiellen Wohlstandes. Im Rahmen der wirtschaftlichen Krise und des demographischen Wandels ist ein Umdenken sehr wahrscheinlich: „Die Lebensqualität (‚quality of life‘) wird wieder entdeckt. Nicht mehr nur die Lebensstandardsteigerung ist das erstrebenswerte Ziel. Die Erkenntnis setzt sich durch: Ein intensives Naturerleben ist wohltuender und intakte soziale Beziehungen beglückender als die Anhäufung materieller Wohlstandsgüter. Beim Nachdenken über Wohlstand geht es um das Gelingen des Lebens: Lieber gut leben als viel haben!“ (Opaschowski 2008b, S. 647). In seinem Buch „Das Moses Prinzip“ plädiert Opaschowski (2006) ganz entschieden für eine Renaissance von familienorientierten Werten, eine Wiederentdeckung grundlegender Spielregeln für ein soziales Miteinander und eine Stärkung verbindlicher Lebensorientierungen für viele Menschen. Der Unübersichtlichkeit des Wertesystems, in dem jeder nach eigener

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Befindlichkeit und eigenen Interessen seinen individuellen Wertekosmos zusammenbastelt, gilt es nach Opaschowski, wieder verlässliche Orientierungen gegenüberzustellen. Neue/alte Werte sollten auch wieder stärker an Kinder und Jugendliche vermittelt werden, um den Zusammenhalt des Gemeinwesens zu sichern. Zu den 10 Geboten für eine zukunftsfähige Gemeinschaft zählen nach seiner Ansicht:          

Definiere deinen Lebenssinn neu: Werde dein eigener Lebensunternehmer Verwechsle deinen Lebensstandard nicht mit deiner Lebensqualität Mach die Familie zur Konstante deines Lebens und ermutige Kinder zu dauerhaften Bindungen Knüpf dir ein verlässliches soziales Netz, damit dich Freunde und Nachbarn als soziale Konvois ein Leben lang begleiten können Hilf anderen, damit auch dir geholfen wird. Nur du allein kannst es, aber du kannst es nicht allein Verdien dir deinen Lebensinhalt – durch Arbeit oder gute Werke Mach dein persönliches Wohlergehen zum wichtigsten Auswahlkriterium. Und kauf nur das, was du wirklich willst Nutze Krisen im Leben als Chance für einen Neubeginn. Wenn du wirklich willst, geht es immer weiter Suche die Halt- und Ruhepunkte deines Lebens wieder Mach nicht alle deine Träume wahr. Heb dir für deine Lebensplanung noch unerfüllte Wünsche auf (vgl. Opaschowski 2006, S. 5 f).

Intakte Familienbeziehungen und eine Netz von Freunden und Nachbarn werden als Voraussetzung für eine gelingende Zukunft und das individuelle Glück angesehen. Rückkehr zu mehr sozialer Verantwortung und Begrenzung des ich-orientierten Selbstverwirklichungsstrebens beschreiben die Idealvorstellung eines krisenstabilen Gemeinwesens. Die Freizeit ist in diese allgemeinen ethischen Leitlinien für ein gelingendes Leben eingeschlossen. Die Begrenzung einer sinnentleerten, konsumorientierten Freizeitgestaltung klingt ebenso an, wie auf der anderen Seite die Nutzung der Freizeit für soziales Engagement im Gemeinwesen und für die Pflege von Kontakten in Familie und Nachbarschaft. Opaschowski ist dabei durchgehend Optimist, was die Verwirklichung seiner Lebensregeln und eine Umkehrung bisheriger Auflösungstendenzen angeht. „Die Rückkehr der sozialen Verantwortung, die Bedeutungsaufwertung der Familie, die Entdeckung von Freunden, Nachbarn und Hausgemeinschaften als soziale Konvois und familienähnliche Netzwerke lassen für die Zukunft hoffen: Wir werden weder einsam noch bindungslos sein und bleiben wollen. Und im gleichen Maße, wie die staatlichen Hilfesysteme aus demographischen und ökonomischen Gründen eingeschränkt werden, nimmt unsere Hilfs- und Verantwortungsbereitschaft zu“ (ebd., S. 166).

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

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Projekt BINK Mit der Entwicklung von Konsumbewusstsein, Konsumkompetenz und konsumbezogenen Alltagsroutinen unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen befasst sich das Projekt BINK, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Ziel des Vorhabens ist es, die Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung mit einer innovativen Schul- und Hochschulentwicklung zu verknüpfen. Der Beitrag von Bildungsinstitutionen zur Förderung eines nachhaltigen Konsums wird dabei exemplarisch in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Projektpartnern, unter anderem der Hochschule Bremen, untersucht. „Mit einem Set von Interventionen (z.B. Projekte mit der Mensa, Filmprojekte, Klimarechner im Internet, Organisationsentwicklungsworkshops) sollen in den Bildungsinstitutionen Veränderungsprozesse in Richtung einer nachhaltigen Konsumkultur angestoßen und stabilisiert werden sowie die Ausbildung von Konsumbewusstsein und –kompetenz und Veränderungen des individuellen Konsumverhaltens bewirkt werden“ (Projektbeschreibung BINK 2009). Im Mittelpunkt stehen die Handlungsbereiche Ernährung sowie Energie und Mobilität. Erkenntnisse der Umweltpsychologie sollen dabei für die Kommunikation und die Organisationsentwicklung im Bildungswesen genutzt werden. Zu den neuen ethischen Ansprüchen an den Konsum heißt es auf der Projektseite im Internet: „Die heutigen Konsummuster verletzten die Bedingungen einer nachhaltigen Entwicklung. Zum einen bleibt einem großen Teil der Menschheit die Befriedigung selbst grundlegender Bedürfnisse verwehrt, zum anderen sind die Konsummuster der Industrieländer weder globalisierbar noch vor dem Hintergrund endlicher Ressourcen in dieser Form aufrecht zu erhalten. Unsere Konsummuster müssen sich ändern, um allen Menschen weltweit und auch zukünftigen Generationen die Chance zur Bedürfnisbefriedigung zu ermöglichen“ (Projekt BINK online 2009). Durchgeführt wird das mehrjährige Vorhaben vom Institut für Umweltkommunikation der Universität Lüneburg in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut in München.

3.7.4

Leben in Freizeitszenen

Typisch für moderne Gesellschaften erscheint eine Erosion traditioneller Formen der Vergemeinschaftung in Familie, Nachbarschaft oder Verein, bedingt durch eine voranschreitende Individualisierung und Pluralisierung der Lebenslagen, Milieus und Lebensstile. Dennoch löst sich die Gesellschaft nicht auf in isolierte, einsame Individuen. Daran hat die Freizeit einen großen Anteil. Über Freizeitszenen und Events entwickeln sich neue Formen der gesellschaftlichen Integration. Es entstehen Gemeinschaften auf Zeit, die neue gesellschaftliche Strukturen begründen. Der Dortmunder Soziologe Ronald Hitzler untersucht mit seinem Team schon seit einigen Jahren Jugendszenen und beschreibt typische Szeneelemente. Die Szene als neue Form der Gemeinschaftsbildung ist aber keineswegs auf die Jugendzeit begrenzt. Zumal auch der Lebensabschnitt „Jugend“ heute nur noch schwer begrifflich zu fassen ist. Die Szene ist als ein generelles Phänomen einer breit entwickelten Freizeitgesellschaft anzusehen und durch lo-

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3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

ckere, thematisch fokussierte Zusammenschlüsse und über das Lokale hinausgreifende Netzwerke gekennzeichnet. Sie definiert sich nicht selten über gemeinsame Freizeiterlebnisse und stilisiert sich für Mitglieder und Beobachter im öffentlichen Freizeitraum über Kleidung, Rituale, Musik und Medien. In der Freizeit hat traditionell die pädagogische Arbeit mit (Jugend-)Szenen eine große Bedeutung. Zugleich sind Szenen aber auch wichtige Bezugsgrößen für ein modernes Freizeitmarketing. Posttraditionale Gemeinschaften auf Zeit Szenen können als eine typische Ausprägung „posttraditionaler Gemeinschaften“ (Hitzler u.a. 2008) interpretiert werden, die ihren Mitgliedern ein „Wir-Gefühl“ geben, ihnen ermöglichen, im Spiel der wechselseitigen Inszenierungen und Interaktionen eigene Identitäten aufzubauen und zu erproben sowie individuelle Kompetenzen in sozialen Netzwerken zu erwerben. Doch was sind Szenen? Hier eine Arbeitsdefinition von Hitzler. Szenen sind: „Thematisch fokussierte kulturelle Netzwerke von Personen, die bestimmte materiale und/oder mentale Formen der kollektiven Selbststilisierung teilen und Gemeinsamkeiten an typischen Orten und zu typischen Zeiten interaktiv stabilisieren und weiterentwickeln“ (Hitzler u.a. 2005, S. 20). Die übergreifende Analyse von (Jugend-)Szenen bringt folgende Aspekte zu Tage (vgl. ebd., S. 20 ff.): 

Jugendliche finden heute in Szenen wie Skatern, Gothics oder Cosplay „Gesinnungsfreunde“, die ihre Neigungen, Interessen und Leidenschaften teilen. Sie suchen sie weniger in traditionellen Freizeitstrukturen wie Sportverein, Kirchengemeinde oder Jugendverband.



Eine Szene ist fokussiert auf ein bestimmtes Thema, auf das sich die Aktivitäten der Mitglieder ausrichten. Auf diesen thematischen Rahmen (z.B. Musikstil, Sportart, Weltanschauung oder Konsumgegenstände) beziehen sich Einstellungen, Präferenzen und Handlungsweisen der Szenemitglieder, und es entstehen thematisch fokussierte Netzwerke.



Für die Szene haben Kommunikation und Interaktion einen zentralen Stellenwert. Sie entsteht nicht unmittelbar aus bestimmten Lebensumständen, sondern sie konstituiert sich über den Gebrauch szenetypischer Symbole, Zeichen und Rituale und eine damit zusammenhängende Selbststilisierung.



Szenen sind in der Regel „Teilzeitgesellungsformen“, d h. sie haben nicht den Anspruch, einen Orientierungsrahmen für alle Lebenslagen und Situationen zu bieten, wie z.B. Religionsgemeinschaften.



Szenetypisch sind „Inszenierungsphänomene“ für die Mitglieder selbst und für ein außenstehendes Publikum durch ein Auftreten von Akteuren mit bestimmten Ritualen, Symbolen usw. Die Wahrnehmbarkeit von Szenemitgliedern ermöglicht ihre „soziale Verortung“.

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

107



Szenen sind durch eine je eigene Kultur gekennzeichnet, die durch eine die Anwendung „richtiger“ Verhaltensweisen, Attribuierungen, Codes, Signalen, Emblemen, Zeremonien, Wissensbeständen, Relevanzen und Fertigkeiten zum Ausdruck kommt. Das entsprechende Szenewissen und die notwendigen Fertigkeiten müssen von den Aktiven auch außerhalb von Gemeinschaftsaktivitäten erlernt und geübt werden.



Szenen haben relativ offene Grenzen. Ein Ein- und Austritt ist relativ leicht möglich, da die Mitgliedschaft auf freiwilliger Selbstbindung beruht. Es besteht ein „Wir-Gefühl“ in der Szene, aber es ist ausgesprochen labil. Es entsteht nur durch eine wechselseitige Inszenierung von Zugehörigkeit, nicht aufgrund gemeinsamer Standes- oder Lebenslagen und wird im Rahmen des „Teilzeit-Engagements“ durch andere Lebensbereiche relativiert.



Für Szenen sind typische Treffpunkte von großer Bedeutung, an denen sich die Kultur der Szene manifestiert und reproduziert und subjektive Zugehörigkeit erfahren werden kann. Typisch ist auch ein Wissen über potenzielle Treffpunkte über den lokalen Rahmen hinaus.



Szenen erscheinen verglichen mit anderen sozialen Organisationen relativ unstrukturiert. Sie haben aber eine typische Struktur. Sie konstituieren sich durch stärker miteinander kommunizierende Gruppen, die sich gegenüber anderen Gruppierungen auf der Basis gemeinsamer Interessenlagen öffnen. Eingeschlossen sind jugendliche „Peer-Groups“, aber auch ältere Mitglieder, die die Deutungsmuster der Szene teilen.



Events sind ein unverzichtbares Element des Szenelebens. Sie dienen der Aktualisierung und Herstellung eines intensiven „Wir-Gefühls“. Teilweise sind sie durch eine Kommerzialisierung gekennzeichnet und setzen eine aufwändige Organisation voraus (weitere typische Aspekte s.u.).



Innerhalb von Szenen bilden sich unterschiedliche Funktionen heraus. Typisch ist die Etablierung von „Organisationseliten“ aus langjährigen Szenegängern mit einem umfangreichen Wissen über ästhetische und andere Kriterien der Szene. Sie bilden eine Art „Szenemotor“ und sind mit der Organisation von Szenetreffpunkten und Events befasst. Um die Organisationseliten herum gibt es einen engeren Kreis von „friends“, die ständig in der Szene präsent sind, und einen weiteren Kreis von normalen Szenegängern ohne besondere Privilegien. Gruppen in Szenen und Organisationseliten bilden komplexe Szene-Netzwerke mit durchlässigen Grenzen.



Szenen sind dynamische Gebilde mit freizeitkulturellen Angeboten in der Spannung von Intensivierung (für einen exklusiven Kreis) und Extensivierung (als Massen-Event). Eine dauerhafte Bindung an die durch Szene-Events produzierten Erlebnismöglichkeiten ist nicht gegeben und bedingt eine prinzipielle Instabilität im Wechselspiel von Trends und Moden.



Von einem Freizeitpublikum in verschiedenen Sektoren (Kultur, Sport) unterscheidet sich die Szene durch eine starke interaktive Komponente. Es geht nicht nur um Erlebniskonsum, sondern Szenen konstituieren „Interaktionsgeflechte“ mit je eigener Struktur

108

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft aus Organisationseliten und aktiven Szenegängern. Ein interessiertes Publikum umgibt die Szenen.



Szenen sind als systemintegrative Strukturen und Sozialisationsräume für Jugendliche quer zu bisherigen Strukturen anzusehen. Sie gründen auf einer Faszination der Teilnehmer für ein Thema und gemeinsam geteilten Einstellungen, Motiven und Ausdrucksmitteln, nicht auf gemeinsamen Lebenslagen. Sie dienen einer Identitätsbildung in „eigener Regie“ und ermöglichen einen individuellen Kompetenzgewinn außerhalb klassischer Bildungsinstitutionen (vgl. Hitzler u.a. 2005, S. 20 ff.).

Informelles Lernen in Freizeitszenen Das informelle Lernen in der Freizeit findet in Szenen einen wichtigen Rahmen. Spezifische Kompetenzen wie ein künstlerischen Ausdrucksvermögen, körperliches Geschick oder explizite Wissensformen müssen durch individuelle Anstrengungen, durch Ausdauer und Training erworben werden. Typisch erscheinen hierfür die Fähigkeiten von Skatern, anspruchsvolle Figuren zu fahren, die Kompetenzen von Sprayern für die Gestaltung von Bildern und Schriftzügen entsprechend ihren ästhetischen Maßstäben oder das Wissen in anderen Szenen über Musikstile, Akteure, Hintergründe usw. Fraglich ist, ob dabei auch Kompetenzen erworben werden, die auch außerhalb der Szene einsetzbar sind. Erfahrungen bei der Organisation von Szeneevents könnten durchaus nützlich sein, um auch in anderen Zusammenhängen Freizeitveranstaltungen zu planen und erfolgreich durchzuführen. Analyse von Freizeitszenen In einer „Szene-Kartographie“ benutzen Hitzler und Kollegen ein gemeinsames Raster zur Beschreibung von Jugendszenen, um ihre typischen Ausprägungen sichtbar zu machen. Hierzu gehören folgende, an die „Konstitutionsbedingungen“ von Szenen angelehnte Kriterien:      

„der thematische Fokus, die Einstellungen, Motive, der Lebensstil, die Treffpunkte und Events, die Kleidung, Musik, die Medien“ (ebd., S. 31 f.).

Hinzu kommen außerdem:     

„der geschichtliche Hintergrund, quantifizierende Struktur-Daten: Größe und Entwicklungstrends, sozialstatistische Kriterien, die Szenedifferenzierungen, die Geschlechterrollen, die Szeneüberschneidungen“ (ebd., S. 32).

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

109

Die Ergebnisse dieser systematischen Analyse der „Jugendszenen-Landschaft“ sind eingeflossen in eine Internet-Datenbank (www.jugendszenen.com). Sie macht Wissen über Szenen, ihre Strukturen und aktuellen Entwicklungen breiter verfügbar.

Die Cosplay-Szene Einer von zahlreichen „Steckbriefen“ des Internetportals „jugendszenen.com“ behandelt die Jugendszene „Cosplay“. „Cosplay ist eine Praxis von Fans japanischer Comics (Manga), Trickfilme (Anime) und Videospiele. Der Anglizismus Cosplay (jap. kosupure) steht für „costume play“ und meint das Verkleiden und Posieren als eine fiktive Figur. Das Motiv hierfür ist das Fandom, also die affektive und intensive Beschäftigung mit ausgewählten kommerziell produzierten Texten“ (Heinrich/Tober 2009). Jugendliche Cosplayer fallen auf durch ihre bunten Kostüme, absurde Haarfarben und ihr Agieren wie in einem Filmset. Sie rufen nicht selten Staunen und Irritation beim unkundigen Publikum hervor. Hauptsächlich wird Cosplay auf speziellen Veranstaltungen (Conventions) der Szene betrieben. Dargestellt werden fiktive japanische Figuren aus Manga, Anime und Videospiel oder auch populäre Figuren aus westlichen Produktionen wie „Harry Potter“. Die Szene ist mit dem Aufkommen japanischer Medien in Deutschland ab Mitte der 1990er Jahre populär geworden und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die Zahl der aktiven Cosplayer in Deutschland wird auf mehrere hundert bis wenige tausend geschätzt. Es sind mehrheitlich weibliche Jugendliche bis Anfang 20 aktiv. Der thematische Fokus liegt auf dem „Sich-Verkleiden“. Kostüme nach fiktiven Figuren werden selbst hergestellt und auf Szene-Veranstaltungen sowie im Internet präsentiert. Hinzu kommt eine intensive Beschäftigung mit den Figuren und den zugrunde liegenden Texten. Die Einstellung der Cosplayer ist durch den unkonventionellen Charakter der Aktivitäten, ein gewisses Konkurrenzdenken und den Spaß an der Sache bestimmt. Cosplay beschränkt sich dabei auf klar abgegrenzte Bereiche des Freizeitlebens und ist kein umfassender Lebensstil, der auch den Alltag prägt. Das eigene Kostüm ist das herausragende Symbol im Cosplay, und als Ritual spielt das „Fotoshooting“ eine wichtige Rolle. Bedeutsame Events und Treffpunkte sind die Buchmessen und spezielle Veranstaltungen wie die „AnimagiC“ in Bonn und die „Connici“ in Kassel. Daneben ist das Internet mit entsprechenden Foren ein wichtiger virtueller Treffpunkt der Szene. Einschlägige Magazine und die aufgegriffenen Originaltexte haben ebenfalls eine Bedeutung als Medien der Szene. Die Cosplay-Szene gilt als einsteigerfreundlich und offen und ist gekennzeichnet durch flache Hierarchien. Eine ausgeprägte Organisationselite ist kaum auszumachen, und durch die Vielfalt der verwendeten Texte gibt es kaum verbindliches Szenewissen. Überschneidungen gibt es mit anderen Szenen, die sich an der japanischen Populärkultur orientieren (z.B. Rockbands) (vgl. Heinrich/Tober 2009).

110

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Events als besondere Freizeit der Szenen Eng mit Entwicklung von Freizeitszenen verknüpft ist eine Veränderung der Festkultur in der Gesellschaft, die von Soziologen als „Eventisierung“ beschrieben wird. Für die Freizeitwissenschaft ist eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Phänomen in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Neue Chancen einer Eventisierung der Freizeit könnten in einer „Gemeinschaftsbildung auf Zeit“ liegen, wie sie sich zum Beispiel bei einer Fan-Meile beobachten lässt. Auf mögliche Risiken weist die zunehmende Kommerzialisierung und Sinnentleerung von Festen und Feiern hin. Daneben spielt für ein zeitgemäßes Freizeitmanagement ein Verständnis der Hintergründe und Zusammenhänge von Events eine wesentliche Rolle (vgl. Kap. 4.4.5 „Event- und Erlebnismarketing“). „In einer sich zunehmend differenzierenden, ja partikularisierenden Welt scheinen Events eine der wenigen Möglichkeiten zu sein, die dem spätmodernen Menschen noch die – situative, also zeitlich und räumlich begrenzte – Erfahrung von ‚Einheit und Ganzheit‘ erlauben, vor allem dadurch, dass sie Erlebnisformen anbieten, die nicht nur den ‚Intellekt‘, sondern alle Sinne ansprechen, also ‚Wirklichkeit‘ sinnlich fassbar und körperlich spürbar werden lassen“ (Gebhardt u.a. 2000, S. 10 f.). Ein Event verspricht ein „totales Erlebnis“, ist perfekt organisiert, zumeist monothematisch ausgerichtet und bindet unter ästhetischen Kriterien unterschiedliche Erlebnisformen zu einem Ganzen zusammen. Kennzeichnend für Events sind nach Gebhard folgende Aspekte: 

Planmäßig erzeugte Ereignisse: Events werden heute aus kommerziellen oder weltanschaulichen Interessen von unterschiedlichen Organisationen veranstaltet. Sie werden von professionellen Akteuren vorbereitet, mit Sinn und Bedeutung aufgeladen und mit Hilfe modernster technischer Hilfsmittel in Szene gesetzt. Die Individuellen Gestaltungsspielräume für das Publikum sind begrenzt.



Einzigartige Erlebnisse: Events durchbrechen die Routinen des Alltags und sollen einzigartige, außeralltägliche Erlebnisse für das Publikum bieten. Darauf zielt die Planung der Veranstalter. Dazu gehören z.B. außergewöhnliche Orte und eine Logik des ‚immer mehr und immer höher‘ von Events. Die Einzigartigkeit wird versucht mit allen medialen Möglichkeiten hervorzuheben. Gleichwohl kann ein Event auch an diesem Anspruch scheitern und eine andere Eigendynamik entwickeln.



Kultureller und ästhetischer Synkretismus: Unterschiedliche ästhetische Ausdrucksformen wie Musik, Tanz, Theater, Akrobatik, bildende Kunst und Lichtgestaltung werden im Rahmen eines Events zu einem Gesamtkunstwerk verschmolzen. Zudem wird auf ganz verschiedene kulturelle Traditionsbestände zurückgegriffen, und diese werden nach eigenem Anspruch zu einer Art „globalen Kultur“, die alle Sinne anspricht, zusammengeführt.



Schnittpunkt aller möglichen Existenzbereiche: Events sollen die Routinen und Zwänge des alltäglichen Lebens für einen begrenzten Zeitraum aufheben und den Teilnehmern auch eine emotionalisierte metaphysische Erfahrung „des Ganzen des Sein“ und einer anderen möglichen Wirklichkeit ermöglichen. Sie werden durch

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

111

„Reflektionseliten“ mit einer oftmals auch nur diffusen „Weltanschauungsbotschaft“ aufgeladen und sollen als „Kraftquell“ fungieren. 

Exklusive Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit: Im Rahmen des Events können sich Szenen und andere lockere Gemeinschaften für einen Moment ihrer Zugehörigkeit bewusst werden, im gemeinsamen Vollzug eine große Familie bilden, ihre Identität stabilisieren und sich gegen andere abgrenzen.



Monothematische Fokussierung: In der Regel sind Events auf bestimmte Musikstile, Sportarten, Konsumprodukte oder weltanschauliche Botschaften fokussiert. Sie brauchen eine Leitidee, die das Ereignis legitimiert und identifikationsfähige Inhalte und Handlungsformen. Ideen oder Produkte müssen ebenso kommunikationsfähig (z.B. bei Marketing-Events) als auch gemeinschaftsbildend und damit exklusiver Natur sein (vgl. Gebhardt 2000, S. 19 ff.).

Postmoderne Form des Festlichen Für Andreas Hepp und Waldemar Vogelsang erschließt sich das Phänomen „Populäre Events“ auch durch eine Kontrastierung mit traditionellen, rituellen Festen wie Weihnachten oder Hochzeiten (vgl. Hepp/Vogelsang 2003).

Rituelle Feste transzendierende Unterbrechung des Alltags gesellschaftlich dominierend wiederkehrend vorgeplant feierlich harmonisierend

Populäre Events routinisiertes Außeralltäglichkeitserleben segmentiell ausgerichtet inszenierte Einzigartigkeit kommerzialisiert spaßig polarisierend

Tab. 1 Rituelle Feste vs. populäre Events (Hepp/Vogelsang 2003, S. 16)

Rituelle Feste und populäre Events unterbrechen den Alltag. Rituelle Feste geben dem Alltag eine tiefergehende Bedeutung, die in religiösen oder anderen Traditionen wurzelt. Populäre Events erscheinen demgegenüber als Bestandteil der alltäglichen Populärkultur, sind weit verbreitet und ermöglichen es, den Alltag im Sinne einer Erlebnisrationalität, quasi routinisiert zu durchbrechen. Populäre Events bieten eher ein situatives, auf bestimmte Szenen und Lebensstilgruppen bezogenes Sinnangebot. Sie haben nicht die gesellschaftlich dominierende Stellung, die sich traditionell bei rituellen Festen findet. Auch wenn populäre Events regelmäßig in bestimmten Abständen durchgeführt werden, müssen sie um erfolgreich zu sein, dennoch als einzigartige Ereignisse (z.B. mit einem neuen Motto) inszeniert werden. Nur so realisiert sich ein einmaliges, exklusives Erlebnisversprechen. Rituelle Feste wie Weihnachten und Ostern kehren jedes Jahr wieder und werden auf die selbe Weise begangen. Typisch für populäre Events sind ihre umfassende Kommerzialisierung und die

112

3 Freizeit-Freizeitpädagogik-Freizeitwissenschaft

Einbindung in ein Event-Marketing. Im Gegensatz zu rituellen Festen, die mit Feierlichkeit und Erfurcht begangen werden zielen populäre Events auf Unterhaltung und Spaßhaben. Dies hat sie zu einem festen Bestandteil der Populärkultur werden lassen. Schließlich sind rituelle Feste auf eine harmonierende Integration der Gesellschaft insgesamt ausgerichtet, während populäre Events oft auf bestimmte Szenen und Gruppen fokussiert sind und damit integrierend nach innen, aber zugleich auch abgrenzend nach außen wahrgenommen werden (vgl. ebd. S. 16ff.). Zunehmend eventisierte Gesellschaften Events sind auch für den Soziologen Winfried Gebhardt eine spezifische Variante des „Festlichen“. Außeralltägliche, inszenierte Massenereignisse gab es auch in früheren Gesellschaften, und insofern sind moderne Events wie Popkonzerte, Festivals oder große Sportereignisse nichts grundsätzlich Neues. Beobachten lässt sich seiner Ansicht nach aber eine beschleunigte „Eventisierung der Festlandschaft“ und damit parallel zum Aufkommen vielfältiger Szenen eine Eventisierung der Gesellschaft. Die Festkultur moderner Gesellschaften ist nach Gebhardt von fünf aktuellen Entwicklungstrends gekennzeichnet: Deinstitutionalisierung: Feste und Feiern der klassischen politischen, ökonomischen und kulturellen Institutionen verlieren an Akzeptanz und Legitimation. Dagegen nehmen Feste mit offeneren Formen, diffusen Zielen und Sinnwelten sowie einem unverbindlichen Gemeinschaftserlebnis zu. Entstrukturierung: Die für frühere Feste und Feiern typische soziale Homogenität des Teilnehmerkreises entlang von Klassen-, Schicht- und Milieugrenzen löst sich auf. Die scharfen Abgrenzungen zwischen hochkulturellen Angeboten und Festen der Populärkultur verwischen. Profanisierung: Feste und Feiern verändern sich zu ideologie- und weltanschauungsarmen Veranstaltungen, in denen eine „Sinnvermittlung“ nicht mehr im Mittelpunkt steht. Stattdessen werden sie bestimmt durch die Suche nach individuellem Vergnügen, Spaß und Nervenkitzel. Spielerische, freie Formen des Feierns ersetzen ein formelhaftes und rituelles Festgeschehen. Multiplizierung: Die Angebote an festlichen Ereignissen steigen: vom Weinfest bis zum Opernfestival. Moderne Events lösen sich dabei immer mehr von biographisch oder historisch begründeten Anlässen und werden z.B. im Rahmen von Marketing-Events auch mit willkürlichen Setzungen und erfundenen Traditionen legitimiert. Kommerzialisierung: Moderne Feste und Feiern unterliegen zunehmend dem Prinzip der Gewinnmaximierung. Sie werden immer häufiger veranstaltet, um damit Geld zu verdienen, und die Zweckfreiheit des festlichen Erlebnisses löst sich auf. Freizeitunternehmen kleinerer und größerer Art spezialisieren sich darauf, „außeralltägliche Erlebnisse“ professionell zu produzieren. Im Rahmen des Event-Marketings wird das Fest indirekt zur Verkaufsveranstaltung für Firmen und Marken (vgl. Gebhardt 2000, S. 24 ff.). Die Formen der Vergemeinschaftung in einer durch vielfältige Lebensstilgruppen und Szenen geprägten Gesellschaft sind in Veränderung begriffen. Freizeitevents haben als ein neuer

3.7 Freizeit in gesellschaftlicher Dynamik

113

Typ des Festlichen hier eine ganz eigene Funktion. Nicht selten bedingen sich Szenen und Events gegenseitig. „Ohne Szene keine Events, ohne Events keine Szene“ (Gebhard u.a. 2000, S. 12). Es zeichnet sich aber auch eine neue Funktionalisierung von Events im Rahmen von Marketing und Politik ab, und inszenierten Großereignissen, wie einer Fan-Meile kann auch eine harmonisierende Funktion im Sinne von „Wir-Gemeinschaften“ auf Zeit zugesprochen werden. Für eine multikulturelle Integration werden Freizeitevents in Zukunft aufgrund ihres populären Charakters wahrscheinlich noch eine größere Bedeutung als bisher erlangen.

4

Freizeitmanagement und -marketing

Über die Entwicklung und Disziplingeschichte der Freizeitwissenschaft ist in den vorangegangenen Kapiteln sehr viel geschrieben worden. Dabei ist deutlich geworden, dass sich die globalisierte Welt in einem ständigen Wandel befindet, dem natürlich auch der Freizeitbereich unterliegt. Diese sich immer schneller drehende Spirale der Veränderungen stellt natürlich auch eine besondere Herausforderung für das Management und damit auch die Führungskräfte von Organisationen dar, deren Ziel die Gestaltung von Freizeitangeboten im weitesten Sinne darstellt, egal ob im Profit- oder Nonprofitbereich. In diesem Kapitel werden die Grundlagen des Freizeitmanagements und -marketings skizziert und anhand von spezifischen Beispielen erläutert. Im Anschluss wird ein Überblick über die ökonomische Bedeutung der Freizeitwirtschaft und den Markt der Freizeitangebote gegeben. Der Fokus der Betrachtung liegt dabei, gemäß dem Gesamtkonzept dieses Buches, auf den Bereichen der Freizeit, die außerhalb der Privatsphäre wahrgenommen und als Außerhausaktivitäten bezeichnet werden. Die relevanten Freizeitbereiche, die hier intensiver betrachtet werden, sind der Sportmarkt, der Kulturmarkt, der Markt für „neue Erlebniswelten“ und der Markt für Shopping und Gastronomie. Diese werden als die wichtigsten Freizeitmärkte sowohl aus Sicht des Angebots als auch der Nachfrage gesehen. Das Thema Tourismus, als ein enorm wichtiger Bereich der Freizeitgestaltung, wird in diesem Buch weitgehend ausgeklammert, da es bereits eine ganze Reihe grundlegender Publikationen zum Tourismus gibt (vgl. Bieger 2004, Freyer 2006, Mundt 2006, Steinecke 2006) und der Begriff Freizeit sich im engeren Sinne vom Tourismus abgrenzen lässt, als „Mobilität im normalen Wohn- und Arbeitsbereich“ (Bieger 2008, S. 2). Auch der gesamte Bereich des Medienkonsums und der Medienökonomie wird in dieser Betrachtung ausgeklammert, da es sich zumeist um Freizeitaktivitäten handelt, die im privaten Umfeld vollzogen werden. Soweit die Eingrenzung in der Theorie. Bei der konkreten Erfassung von Freizeit- und/oder Tourismusaktivitäten wird allerdings deutlich, dass es in der Realität kaum möglich ist, Besucher von Veranstaltungen, Museen, Theatern etc. in Freizeitnutzer und Touristen zu unterteilen, es sei denn, diese werden persönlich befragt. Nur dann wäre eine Beurteilung möglich, ob die Besucher sich noch im normalen Wohn- und Arbeitsbereich befinden oder bereits außerhalb desselben. Daher gilt auch der gesamte Markt der Tagesreisen (d.h. Tourismus ohne Übernachtung) als Betrachtungshorizont für die Freizeitwirtschaft im Sinne dieses Buches.

116

4 Freizeitmanagement und -marketing

Die Tagesreiseintensität der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren lag für die Jahre 2004-06 bei ca. 86%. Dieser Anteil der Bevölkerung hat pro Jahr mindestens eine Tagesreise unternommen. Je nach soziodemographischem Merkmal variiert der Anteil (vgl. Maschke 2007):  Männer (88,8%) sind häufiger unterwegs als Frauen (83,6%)  Jüngere Menschen sind deutlich häufiger unterwegs als ältere Menschen  Je höher das Bildungsniveau, das Einkommen und je größer die Haushalte, desto höher die Tagesreiseintensität  Bürger der westlichen Bundesländer (87,2%) sind häufiger als Bewohner der Stadtstaaten (84,5%) und die Bürger der östlichen Bundesländer (82,2%) unterwegs  Bewohner ländlicher Gemeinden (86,6%) sind etwas häufiger als Bewohner von Klein- und Mittelstädten (86%) und als Bewohner von Großstädten (85,6%) unterwegs. Die Begriffe Freizeitmanagement und -marketing werden im Zusammenhang dieses Buches als „Komplex von Steuerungsaufgaben, die bei der Leistungserstellung und -sicherung in arbeitsteiligen Organisationen erbracht werden müssen“ verstanden (vgl. Steinmann & Schreyögg 2005). Demnach können Freizeitaktivitäten in Bezug auf das Management in zwei Bereiche untergliedert werden, deren Übergänge fließend sind: Zum einen die Freizeitgestaltung, die der Selbstorganisation unterliegt (im Sinne von „Alltagskultur“, die ohne Einbeziehung anderer Organisationen auskommt, z.B. Hobbymalen, auf den Bolzplatz gehen oder ein Nachbarschaftsfest organisieren). Zum anderen das Freizeitangebot, das für (potenzielle) Nachfrager organisiert wird (z.B. Theater, Sportevent). Die Inhalte des folgenden Abschnitts beschränken sich vornehmlich auf diesen zweiten Bereich. Er konzentriert sich auf die Erstellung von institutionellen, rechtlichen, ökonomischen und organisatorischen Rahmenbedingungen, um Freizeit zu ermöglichen, sowie die Steuerung der Prozesse, die zu konkreten Freizeit-Dienstleistungen (z.B. Kulturprojekte, Sportangebote, Freizeitparks) führen. Das Ziel ist die Vermittlung dieser Leistungen an einen spezifischen Kundenkreis (vgl. das Kulturmanagement-Konzept von Heinrich 1999).

4.1

Grundlagen des Freizeitmanagements

4.1.1

Bedeutung und Funktionen des Managements

Das Management und die Manager der großen Unternehmen sind heutzutage in aller Munde und vor allem die Top-Manager stehen im Brennpunkt auch des öffentlichen Interesses. Das war längst nicht immer der Fall. In vielen kleinen Organisationen, vor allem im Nonprofitbereich, herrscht bis heute ein anderes Verständnis von Management und Führung vor. Das mag mit der Entwicklungsgeschichte und der entsprechenden Entfaltung des Management-Verständnisses zusammenhängen: Vom Management im heutigen Sinne spricht man erst seit dem Aufblühen der Kapitalgesellschaften im Zeitalter der Industrialisierung. Zur Finanzierung von Milliardenprojekten bildeten sich Aktiengesellschaften modernen Typs.

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

117

Diese brachten einen Bedarf an professionellen Führungskräften mit sich, denen Aktionäre weit reichende Entscheidungen anvertrauen konnten. Der Unternehmer im klassischen Sinne war diesen komplexen Anforderungen allein nicht mehr gewachsen. Als Hauptaufgabe der Manager galt es, Gewinn zu erzielen und die Vermögenswerte der Aktionäre zu steigern (vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 33ff). Die moderne Managementlehre wird als anwendungsorientierte Sozialwissenschaft verstanden, die sich mit Gestaltungs-, Lenkungs-, und Entwicklungsproblemen in organisationsbezogenen, d.h. sozialen und technischen Kontexten beschäftigt (vgl. Dubs et al. 2004). In aller Kürze kann der Managementbegriff wie folgt definiert werden: „Management umschreibt das Gestalten, Lenken und Entwickeln von zweckorientierten sozialen Systemen.“ (Ulrich 1984). Dabei ist das Management als ein Arbeitsprozess zu verstehen, der Dinge erledigt, von Effektivität und Effizienz geprägt ist und mit Hilfe anderer Menschen abgewickelt wird. Bei der Effektivität geht es darum, die richtigen Dinge zu tun, das heißt einen möglichst hohen Grad der Zielerreichung anzustreben (Ist-Soll-Vergleich). Die Effizienz bezieht sich darauf, die Dinge richtig zu tun und dabei sparsam in der Mittelverwendung zu sein (Input-Output-Relation). Grundsätzlich kann Management aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden, die institutionelle und die funktionale. Der institutionelle Ansatz betrachtet das Management als Institution, die alle Positionen der Unternehmenshierarchie, die mit Anweisungsbefugnis betraut sind, umfasst. Im Kern geht es um eine Gruppe von Personen. Zentrales Motiv ist die Vorgesetztenfunktion, vom Meister bis zum Vorstandsvorsitzenden. Die funktionale Perspektive knüpft dagegen unmittelbar an den zu erfüllenden Aufgaben an, ist also losgelöst von Personen. Funktionales Managementverständnis ist wie folgt definiert: „Management ist ein Komplex von Steuerungsaufgaben, die bei der Leistungserstellung und -sicherung in arbeitsteiligen Organisationen erbracht werden müssen. Diese Aufgaben stellen sich ihrer Natur nach als immer wiederkehrende Probleme dar, die im Prinzip in jeder Leitungsposition zu lösen sind, und zwar unabhängig davon, in welchem Ressort, auf welcher Hierarchieebene und in welcher Organisation sie anfallen“ (Steinmann/Schreyögg 2005, S. 7f). Die Funktionen des Managements werden in der Regel in entsprechenden Leitungspositionen verankert. Allerdings erfüllen diese Personen oder Instanzen nicht ausschließlich Managementfunktionen, sondern immer auch in einem bestimmten Umfang Sachaufgaben. Diese beziehen sich z.B. auf Sachfunktionen wie den Einkauf, die Produktion oder den Verkauf von entsprechenden Produkten. Damit erfüllt das Management bzw. der Manager immer eine Querschnittsfunktion, denn die Managementfunktionen, wie z.B. Planung, Organisation oder Kontrolle, stehen zu den originären betrieblichen Sachfunktionen in einem komplementären Verhältnis (vgl. Abb. 24).

118

4 Freizeitmanagement und -marketing

Sachfunktionen Einkauf

Produktion

Verkauf

Planung

Managementfunktionen

Organisation Kontrolle

Abb. 24 Management als Querschnittsfunktion (Steinmann/Schreyögg 2005, S. 7)

Das Management wird damit zu einer komplexen Verknüpfungsaktivität, die den Leistungserstellungsprozess netzartig überlagert und in alle Sachfunktionsbereiche steuernd eindringt. Das beste Betriebsergebnis ist dann zu erwarten, wenn Sach- und Managementfunktionen eng zusammenwirken und gut aufeinander abgestimmt sind (vgl. Steinmann/Schreyögg 2005). Doppler & Lauterburg (2005, S. 55f) gehen davon aus, dass nicht nur die Managementfunktionen, sondern die gesamten Organisationsformen im Optimalfall auf eine NetzwerkStruktur hinaus laufen. Diese zeichnen sich durch flache Hierarchien, eine hohe Selbständigkeit der einzelnen Organisationseinheiten, eine hohe Vielfalt lokal unterschiedlicher Organisationsformen sowie die Gesamtsteuerung über gemeinsame Ziele und Strategien aus. Nur so könnten die Unternehmen den Herausforderungen einer schnelleren und wirtschaftlicheren Bewältigung einer zunehmenden Vielfalt sich rasch ändernder Aufgaben gerecht werden – ganz im Sinne eines Change Managements. Das Netzwerk bezeichnen sie als von der Natur vorgegebene „Perfektion im Modell“, das sich in Millionen von Jahren entwickelt und bewährt hat. In den letzten Jahrzehnten wurden in der Managementlehre vielfältige Kataloge von differenzierten Managementfunktionen aufgestellt. Im Kern sind es jedoch fünf klassische Funktionen, die sich bis heute zu einem Standard entwickelt haben. Deren Nennung ist nicht zufällig, sondern entspricht einer logisch geordneten Abfolge. Die Managementfunktionen laufen dynamisch als Phasen einer aufeinander aufbauenden Folge von Aufgaben ab: Planung (planning), Organisation (organizing), Personaleinsatz (staffing), Führung (directing) und Kontrolle (controlling). Diese fünf Kernfunktionen sollen nun näher betrachtet werden (vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 10ff).

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

119

Im Rahmen des Managementprozesses gilt die Planung als Primärfunktion. Der Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die Frage, was erreicht werden soll (Ziele) und wie es am besten zu erreichen ist (Wege zur Zielerreichung). Bei der Bestimmung der Zielrichtung und zukünftiger Handlungsoptionen ist die Abfolge grundsätzlich von der langfristigen zur kurzfristigen Orientierung (Ziele > Strategien > Maßnahmen). Im zweiten Schritt, der Organisation, geht es um die ersten Umsetzungsschritte. Zur Realisierung der Planungen benötigt das Management ein Handlungsgefüge, das hergestellt werden muss. Im Sinne des funktionalen Managements müssen alle notwendigen Aufgaben spezifiziert und prozessorientiert aneinander geschlossen werden. Im nächsten Teilschritt werden dann überschaubare Aufgabeneinheiten (Stellen, Abteilungen) geschaffen und sinnvoll miteinander verknüpft. Sodann können den Personen entsprechende Kompetenzen und Weisungsbefugnisse zugewiesen werden. Schließlich ist es dann die Aufgabe des Managements, ein Kommunikationssystem einzurichten. Nun kommt die Funktion des Personaleinsatzes ins Spiel. Das Management muss eine anforderungsgerechte Besetzung der Stellen mit Personal gewährleisten. Bei der entsprechenden Personalbeurteilung und Personalentwicklung ist es von größter Bedeutung die „HumanRessourcen“ fortwährend sicher zu stellen und zu erhalten. Dazu ist es auch notwendig für eine leistungsgerechte Entlohnung zu sorgen, damit auch unter diesem Aspekt die qualitative Aufgabenerfüllung gewährleistet ist. Unter dem Aspekt der Führung wird zum einen die Führung im engeren Sinne, das bedeutet der tägliche Arbeitsvollzug und seine Ausformung, verstanden. Zum anderen gehören die permanente, konkrete Veranlassung der Arbeitsausführung und ihre zieladäquate Feinsteuerung zu den zentralen Führungsaufgaben. Der Manager ist für die optimale Steuerung und Veranlassung der Arbeitshandlungen in seinem Verantwortungsbereich zuständig. Dazu gehören als zentrale Themen die Kommunikation, die Motivation der Mitarbeiter sowie die Lösung von Konflikten. Die fünfte Funktion, die Kontrolle, schließt den Kreis wieder. An dieser Stelle werden die erreichten Ergebnisse registriert und mit den Plandaten verglichen (Soll/Ist-Vergleich). Bei Abweichungen gilt es entsprechende Korrekturmaßnahmen einzuleiten oder die Planungen ggf. grundsätzlich zu revidieren. Die Kontrolle gilt als Ausgangspunkt für die Neuplanung und damit gleichzeitig als Neubeginn des Managementprozesses. Aus diesem Grund werden Planung und Kontrolle auch als Zwillingsfunktionen verstanden, denn Kontrolle ist ohne Planung nicht möglich (fehlende Sollvorgaben) und anders herum ist eine sinnvolle (Neu-) Planung nicht ohne Kontrollinformationen über die Zielerreichung möglich.

4.1.2

Die Rollen des Managers

Die Erfüllung der in Kapitel 4.1.1 genannten Funktionen im Rahmen des ManagementProzesses obliegt der Person des Managers. „Manager sind die Führungskräfte eines Unternehmens, die in arbeitsteiliger Weise an der Zielerreichung mitwirken und die mit jeweils unterschiedlichen Kompetenzen (Machtbefugnissen) ausgestattet sind. Führung bezieht sich auf die Gesamtheit der Entscheidungen, die zur Ereichung der Ziele einer soziotechnischen

120

4 Freizeitmanagement und -marketing

Organisation notwendig sind“ (Koreimann 1999). Ursprünglich war Management die Bezeichnung der obersten Leitungsebene von Kapitalgesellschaften (Vorstand, Geschäftsführung), doch mittlerweile werden auch Führungskräfte der nächsten Ebenen als Manager bezeichnet:  Top Manager haben die Verantwortung für die Strategie und Entwicklung, sie sind die Entscheider;  Middle Manager sind das Verbindungsglied in der Koordination der Entscheidungen;  First-Line Manager haben die Funktion von „Aufsehern“ mit einer Überwachungsfunktion gegenüber den rein operativ arbeitenden Mitarbeitern. Wenn zuvor davon die Rede war, dass die Managementfunktionen dynamisch als Phasen einer aufeinander aufbauenden Folge von Aufgaben ablaufen, so muss das an dieser Stelle etwas relativiert werden. Das Beziehungsgeflecht zwischen den einzelnen Funktionen führt dazu, dass eine Diskrepanz zwischen der linearen Soll-Konzeption und den tatsächlich zu beobachten Aktivitäten eines Managers zu beobachten ist. Wie schon angedeutet kommt es permanent zu sachlichen und zeitlichen Interdependenzen zwischen den einzelnen Managementfunktionen, die das scheinbar klare Gefüge durcheinander bringen. Entsprechende Studien zum Tätigkeitsspektrum von Managern führten denn auch zum Vorwurf mangelnder Wirklichkeitsnähe des klassischen Konzepts: „Frage einen Manager, was er tut, so wird er Dir mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass er plant, organisiert, koordiniert und kontrolliert. Dann beobachte was er wirklich tut. Sei nicht überrascht, wenn Du das, was Du siehst, in keinem Bezug zu diesen vier Wörtern bringen kannst“ (Mintzberg 1975 in Steinmann/Schreyögg 2005, S. 14). Bei Tagebuchstudien und permanenten Beobachtungen von TOP-Managern zeichnete sich ein Muster von Manageraktivitäten ab, das fortan immer wieder bestätigt wurde (Steinmann/Schreyögg 2005, S. 14ff):  Offene Zyklen: Arbeit ohne klar geschnittenen Anfang und Ende; Lösen immer wiederkehrender Probleme;  Arbeitsalltag ist zerstückelt: Vielzahl von Einzelaktivitäten und Ad hoc-Gesprächen; ständiges „Hin- und Herspringen“ zwischen Aufgabenbereichen, selten länger als 30min. für eine Tätigkeit;  Mündliche Kommunikation: umfasst den größten Zeitanteil (70-90%);  Fragen und Zuhören: ist größter Kommunikationsanteil; es bleibt nur wenig Zeit für Anweisungen;  Reduktion von Komplexität: zu lösende Probleme sind zumeist neu und komplex, sie müssen von Mitarbeitern reduziert werden; Entscheidungen erfolgen i.d.R. ohne Vorlage aller benötigten Informationen. An diesem Muster ist bereits abzulesen, dass Manager nicht nur agieren und wichtige Impulse geben, sondern zu einem großen Teil ihrer Zeit auch bestimmten Zwängen und Rahmenbedingungen unterliegen. Daraus hat Lowe (2003) das Tätigkeitsfeld von Managern in drei Komponenten unterteilt, deren Intensität je nach Stellung des Managers in der Hierarchie und der jeweiligen Organisation ganz unterschiedlich ausgeprägt sein können. Es sind dies Handlungszwänge (demands), d.h. eigen oder fremdbestimmte Dienstpflichten und Termine, Restriktionen (constraints), im Sinne von externen Begrenzungen von innen oder außen

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

121

(Budgetlimit, Satzung, Technologien etc.) und schließlich die Eigengestaltung (choices), also frei gestaltbarer Aktivitätsraum, der durch ein spezifisches Führungsverhalten oder einen persönlichen Arbeitsstil zum Ausdruck kommt. Mintzberg (1980) hat das zu beobachtende Arbeitsverhalten von Managern in einer tiefer gegliederten Weise verstanden als dies bei Lowe deutlich wird. Er beobachtet es als Ausdruck des Rollenverhaltens. Aus dieser Erkenntnis hat er zehn Management-Rollen definiert und diese nach drei unterschiedlichen Gruppen gegliedert: Interpersonelle Rollen (die Galionsfigur, der Vorgesetzte und der Vernetzer der Organisation); Informationsrollen (der Radarschirm, der Sender und der Sprecher der Organisation); Entscheidungsrollen (der Innovator, der Problemlöser, der Ressourcenzuteiler und der Verhandlungsführer der Organisation). Diese Rollen gelten, ähnlich wie die oben angeführten Management-Funktionen, ganzheitlich und generell für jede Position im Management. Je nach Organisation, Branche, Abteilung etc. gibt es entsprechende Schwerpunktverschiebungen in der Wahrnehmung einzelner Rollen. In Zeiten des sich immer schneller vollziehenden ökonomischen und gesellschaftlichen Wandels verändern sich natürlich auch die Anforderungen an das Management und die Manager selbst. Der Trend geht zu dezentraler Selbststeuerung der Mitarbeiter, denn diese sind in der Regel beruflich qualifizierter als früher, und selbständiges Arbeiten gehört zu ihren wichtigsten Motivationsfaktoren. Die jüngere Generation hat eine andere Einstellung zur Arbeit und fordert mehr individuelle Handlungsspielräume, zudem sind die meisten „Chefs“ ohnehin überlastet und nicht in der Lage, sich persönlich um jede Sachaufgabe zu kümmern (vgl. Doppler & Lauterburg 2005, S. 67ff). Einher gehend mit diesem Wandel verändern sich auch die Schwerpunkt-Funktionen der Manager. Dabei können drei Richtungen definiert werden:  Zukunftssicherung: Heute tun, was für die Erfüllung der zukünftigen Aufgaben notwendig ist; notwendige Infrastruktur und Ressourcen sicher stellen, mit geringst möglichem Kostenaufwand.  Menschenführung: Ausbildung und Betreuung der Mitarbeiter; Entwicklung funktionsfähiger Teams; Zielvereinbarung und Kontrolle der Zielerreichung; Beratung und Unterstützung bei speziellen Problemen.  Management des permanenten organisatorischen Wandels: Koordination von Tagesgeschäft und Projektarbeit; Steuerung des Personaleinsatzes; Konfliktmanagement; Sicherstellung der internen und externen Kommunikation; sorgfältiges Personalmanagement. Als zukünftig entscheidende Anforderungen an den Manager des Wandels bezeichnen Doppler & Lauterburg (2005) strategische Kompetenzen, soziale Kompetenzen und Persönlichkeitsformat. Die wesentliche Funktion von Führung bestehe darin, „Rahmenbedingungen zu schaffen, die es normal intelligenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen, ihre Aufgaben selbständig und effizient zu erfüllen“ (ebd., S. 69). Goffee & Jones (2006) bezeichnen das geforderte Persönlichkeitsformat als Authentizität. Um ihre Mitarbeiter zu überzeugen und zu motivieren, müssten Manager es vielen Menschen recht machen. Die Kunst bestehe darin, einerseits Erwartungen zu erfüllen und sich anderer-

122

4 Freizeitmanagement und -marketing

seits dennoch selbst treu zu bleiben. Erfolgreiche Führung steht demnach in sehr engem Zusammenhang mit Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Integrität gegenüber den Mitarbeitern. Wer authentisch führen möchte, muss über sich selbst und sein Gegenüber Bescheid wissen. Dazu gehört neben der Selbsterkenntnis unbedingt auch die Fähigkeit zur Selbstoffenbarung, und damit verbunden des Eingestehens von Stärken und Schwächen. Es geht darum, sich im Unternehmen richtig zu positionieren und sich durch eine authentische Persönlichkeit Respekt zu verschaffen. Dazu muss man sich auf seine Wurzeln besinnen und sich von anderen (Führungskräften und -stilen) unterscheiden.

4.1.3

Freizeitmanagement als Dienstleistung

Da wir es im Bereich der Freizeit, so wie er als Gegenstand dieses Buches definiert wurde, nahezu vollständig mit Dienstleistungen zu tun haben, soll nun eine Betrachtung dieses Begriffes erfolgen. Zunächst ist dabei festzustellen, dass es aufgrund der ausgeprägten Heterogenität dieses Wirtschaftsektors keine einheitliche Definition von Dienstleistung gibt. Auch eine vollständige Auflistung aller Dienstleistungen ist kaum möglich, da eine ständige Innovation neuer Services zu verzeichnen ist. Hinzu kommt das Problem der Abgrenzung zum Sachgut, denn die meisten Güter stellen eine Kombination beider Leistungsarten dar. Als Ansatz für eine Definition von Dienstleistungen dient daher das Herausarbeiten der Charakteristika in Abgrenzung zu Sachgütern: die Immaterialität, das „uno-actu“-Prinzip und die Integration eines externen Faktors (vgl. Haller 2001, Meffert & Bruhn 2003). Immaterialität: Dienstleistungen kann man nicht sehen, hören, fühlen, riechen oder schmecken; sie erzeugen lediglich „Nutzen stiftende Wirkungen“. Deshalb wird der Kauf von Dienstleistungen als risikoreicher empfunden als der von Sachgütern. Aber die wenigsten Services sind „reine“ Dienste, bei den meisten Services besteht die Leistung aus materiellen und immateriellen Komponenten in unterschiedlicher Zusammensetzung (vgl. Abb. 25). Ein Sachgut, das gänzlich ohne Dienste existiert, ist nicht vorstellbar, z.B. hängt an jedem Artikel im Sportgeschäft zumindest ein Minimum an Vertriebsleistungen. Eine Dienstleistung ohne Sachleistung ist jedoch sehr wohl möglich, z.B. die Anleitung zu einem Training im Fitnessclub. Das „uno-actu“-Prinzip: Die Erstellung und Abgabe von Dienstleistungen sind identisch, d h. eine Dienstleistung wird in dem Moment konsumiert, in dem sie produziert wird (Synchronisation von Produktion und Absatz). Das impliziert, dass sie in dem Moment vergeht, in dem sie entsteht und damit auch nicht lagerfähig ist. Zudem existiert bei Dienstleistungen kein Transferobjekt (Produkt), welches vom Anbieter zum Nachfrager wechselt. Dieser Aspekt ist am Beispiel einer Achterbahnfahrt als Freizeitdienstleistung gut nachvollziehbar.

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

S a c h l e i s t u n g e n

Absatz von … Konsumgütern

123

… Investitionsgütern

… Dienstleistungen

Vermietung Event-Location Planung und Bau Theater

Installation Ticketing System Freizeitberatung Fitnessgerät

Ski-Ausrüstung

Theatervorführung Stadtführung

D i e n s t l e i s t u n g e n

Sportbekleidung Abb. 25 Grad der Immaterialität von Freizeit-Dienstleistungen (eigene Darstellung, nach Haller 2001)

Integration des externen Faktors: Die Produktion einer Dienstleistung findet nur statt, wenn entweder der Nachfrager oder ein ihm gehörendes Objekt am Prozess beteiligt ist. Personenbezogene Freizeitdienstleistungen sind z.B. ein Restaurantbesuch oder die erwähnte Achterbahnfahrt. Objektbezogen ist z.B. die Reparatur des Mountainbikes oder die Einstellung der Skier. Wichtig als Kennzeichen für die Dienstleistung ist es, dass die Objekte immer im Eigentum des Kunden bleiben. Zudem ist immer zumindest eine geringe Aktivität seitens des Kunden notwendig, woraus eine Abhängigkeit von diesem entsteht. Der Anbieter ist somit nicht mehr allein für die Leistungsqualität verantwortlich, denn die Güte des externen Faktors liegt außerhalb seines Einflussbereichs. Auf die Praxis übertragen: Auch wenn der Guide jeden Tag die gleiche Stadtführung durchführen würde, hinge der Erfolg z.B. maßgeblich davon ab, ob die Gäste gerne mitmachen und gut gelaunt sind. Wenn das nicht der Fall ist, und es sind nur Störer in der Gruppe, ist der Erfolg schnell gefährdet. Insofern macht die Integration des externen Faktors die Standardisierung und Qualitätskontrolle von Dienstleistungen erkennbar schwierig.

124

4 Freizeitmanagement und -marketing

„Typisches“ Sachgut:

4

gegenständlich Lagerfähig, transportierbar vor dem Kauf vorführbar Qualität und Quantität messbar

4

Produktion und Abgabe separat

4

Produktion ohne Beteiligung des möglich Produkt erhält Form im Produktionsprozess Eigentums-/Besitzwechsel nach Kauf

4 4 4

4 4

„Typische“ Dienstleistung: > immateriell > nicht zu speichern, vergänglich > vor dem Kauf weder zeig- noch fühlbar > Qualität und Quantität schwer erfassbar > Produktion und Abgabe fallen zusammen > Käufer an Leistungserstellung Käufers beteiligt > Leistung erhält Form erst in ServiceSituation > kein Eigentumswechsel

Abgeleitet von den Charakteristika der Dienstleistungen und in Bezugnahme auf ihre Prozesshaftigkeit, haben Meffert & Bruhn (2003) Dienstleistungen wie folgt definiert: selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne (z.B. Geschäftsräume, Personal, Ausstattung) und externe Faktoren (die nicht im Einflussbereich des Dienstleistenden liegen) werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistenden wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen (z.B. Kunden) und deren Objekten Nutzen stiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung). Die Merkmale der einzelnen Dienstleistungsphasen lassen sich gut an einem Beispiel aus der Freizeit, z.B. dem Besuch eines Science Centers, verdeutlichen: In Phase A wird die Fähigkeit und Bereitschaft zur Erbringung einer Dienstleistung deutlich gemacht: Wie modern und technisch einwandfrei ist mein Angebot, mache ich attraktive Werbung, sind schon die richtigen Gäste im Haus, strahlen meine Mitarbeiter Vertrauen und Kompetenz aus? Wenn ja, entscheidet sich der Kunde evtl. für mein Angebot. Es kommt zur Phase B: Die Dienstleistung wird vollzogen, der Kunde tritt ein und hantiert mit den Exponaten. Jetzt geht es darum, ob alles so funktioniert und wirkt wie es der Kunde aufgrund meiner „Leistungsversprechen“ erwartet. Sind meine Mitarbeiter freundlich, klappt technisch alles, ist das Erlebnis beeindruckend, fühlt sich der Kunde rundum wohl? Nach der Beendigung des Besuchs kennzeichnet Phase C das Ergebnis der Tätigkeit, d h. die Frage, ob es dem Kunden gefallen hat oder nicht. Spricht er von einem positiven Erlebnis oder ist ihm die Begeisterung anzusehen? Die Problematik von Dienstleistungen für den Anbieter derselben erschließt sich, wenn man sich die verschiedenen Betrachtungsebenen deutlich macht. Vor allem die Tatsache der weitgehenden Immaterialität von Dienstleistungen im Bereich der Freizeit macht die Bedeutung eines differenzierten Marketings gegenüber der Vermarktung von Sachleistungen deut-

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

125

lich. Je höher der Grad der Immaterialität desto höher ist die Verhaltensunsicherheit beim Kunden: Was bekommt er für sein Geld und wie kann er die zu erwartende Leistung bewerten? Doch die Konsequenzen der Immaterialität sind weitreichender. Sie hängen mit den Bewertungsunsicherheiten beider Marktseiten zusammen. Nicht nur der Kunde, auch der Anbieter selbst hat häufig zu wenige Informationen (über den Kunden), und diese unterschiedlichen Informationsstände sind ein latentes Problem. Auch die Integration des Kunden als (unkalkulierbarer) und individueller „externer Faktor“ muss in alle Überlegungen des Marketing-Managements einbezogen werden. Wird z.B. eine individuelle Stadtführung für eine kleine Gruppe angeboten, auf deren Sonderwünsche explizit eingegangen werden soll, dann muss dem Anbieter klar sein, dass seine Dienstleistung durch die Interaktion mit der Gruppe und die Individualisierung des Programms extrem störanfällig sein wird. Das Risiko des Scheiterns kann in diesem Fall dadurch minimiert werden, dass sich z.B. an einer Standardroute orientiert wird.

4.1.4

Konzept des integrierten Managements

Als Grundlage für die nun folgende theoretische Betrachtung des Managements dient das St. Galler Management-Konzept, das bereits in den 1980er Jahren von Hans Ulrich (2001) wissenschaftlich etabliert und seitdem immer wieder dynamisch an die Anforderungen unserer schnelllebigen Zeit adaptiert wurde. Es waren von Beginn an drei Kernthesen, die dem Modell zugrunde lagen: Das Plädoyer für ein ganzheitliches Denken und Handeln im Umgang mit der zunehmenden Komplexität unserer Welt, die Bedeutung einer anwendungsorientierten Managementlehre für die Führungspraxis und -weiterbildung sowie die integrative Ausgestaltung der normativen, strategischen und operativen Management-Ebenen im Rahmen eines umfassenden Gesamtkonzepts (s. Abb. 26). Auch das Management im Bereich der Freizeit sollte auf diesen Grundgedanken fußen, denn auch Freizeit ist als System zu betrachten, d.h. als geordnete Gesamtheit von Elementen, die so aufeinander bezogen sind und in einer Weise wechseitig aufeinander wirken, dass sie als eine Einheit angesehen werden können. Das grundlegende Ziel der Systemtheorie ist es, komplexe Zusammenhänge sinnvoll zu strukturieren und sie damit auch handhabbar für ein erfolgreiches Marketing-Management zu machen. Die einzelnen Management-Ebenen auf der vertikalen Ebene sind dabei wie folgt zu verstehen (vgl. Dubs et al. 2004): Normatives Management beschäftigt sich mit den generellen Zielen der Unternehmen, mit Prinzipien, Normen und Spielregeln, die darauf ausgerichtet sind, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen. Hier geht es um die ethische Legitimation der unternehmerischen Tätigkeit angesichts unterschiedlicher Anliegen und Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen. Schließlich soll auf allen Ebenen der horizontalen Integration die Nutzenstiftung für alle Bezugsgruppen (Stakeholder) sichtbar werden. Das geschieht mit der Erarbeitung einer Vision (Leitidee), der Ausgestaltung der Unternehmenspolitik (generelle Ziele und Verhaltensnormen), der Festlegung einer Unternehmensverfassung (formale Rahmenordnung) sowie der Entwicklung einer spezifischen Unternehmenskultur (verhaltensbezogene Werte und Normen).

126

4 Freizeitmanagement und -marketing

Auf der Ebene des strategischen Managements entwickelt eine Organisation Vorgehensweisen, um ihre im Normativen Management definierten Leitsätze zu verfolgen und Ziele zu erreichen. Es werden strategische Programme (Strategie, Konzept) entwickelt, Organisationsstrukturen geschaffen und Managementsysteme sowie das Problemverhalten werden formuliert. Das Ziel ist die Etablierung langfristiger Wettbewerbsvorteile durch eine im Vergleich zur Konkurrenz überlegene Grundkonfiguration der Unternehmen.

Vertikale Integration

Horizontale Integration Struktur

Strategie

Kultur

Normatives Management

Unternehmensverfassung

Unternehmenspolitik

Unternehmenskultur

Strategisches Management

Organisations strukturen; Management systeme

Operatives Management

Organisatorische Prozesse; Dispositionssysteme

Programme Konzepte

Aufträge Aktivitäten

Problemverhalten

Leistungsund Kooperations verhalten

Unternehmensentwicklung

Abb. 26 Konzept des integrierten Managements (eigene Darstellung, nach Bleicher 1991)

Die Umsetzung der Strategien erfolgt im operativen Management. Es befasst sich mit der Bestimmung und Kontrolle der laufenden und konkreten Aktivitäten eines Unternehmens. Auf der operativen Managementebene einer Organisation erfolgen die Führung der Mitarbeiter und/oder der Nachunternehmen, die Bereitstellung der Mittel (Ressourcen) sowie die Planung, Steuerung und Überwachung der Geschäftsprozesse. Die operative Planung setzt

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

127

bestimmte Vorgaben um, sie ist kurzfristig angelegt (bis zu einem Jahr) und sie ist detailliert, relativ genau und enthält alle Einzelziele. Bleicher (1991) entwickelte das Modell der ganzheitlich-integrierten Managementlehre in den 1990er Jahren weiter und baute es zu einem Bezugsrahmen aus, der insbesondere die evolutionären Rahmenbedingungen von Management anspricht. Er greift die drei von Ulrich hervorgehobenen Management-Ebenen (normativ, strategisch, operativ) auf und verbindet sie mit dem, was vielfach als die spezifische St.Galler Management-Sichtweise angesehen wurde und wird: der Harmonisierung des Dreiklangs von Strategie, Struktur und Kultur. Der jüngste Ansatz einer integrierten Managementlehre erweitert das Ausgangsmodell in dreierlei Hinsicht: Erstens kommt der ethisch-normativen Dimension von Management heute ein deutlich höherer Stellenwert zu. Zweitens reflektiert das neue Modell die enorm gewachsene Bedeutung einer prozessorientierten Herangehensweise an Unternehmen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund von IT-Fortschritten, verschärftem Zeitwettbewerb und der zunehmenden Bedeutung des Managements sozialer Prozesse. Drittens und daran anknüpfend wird der interpretativ-sinnhaften Dimension von Management mehr Raum zuteil (vgl. Dubs et al. 2004). Umweltsphären Gesellschaft Natur Technologie Wirtschaft

Ordnungsmomente

Prozesse

Lieferanten / Partner

Managementprozesse Geschäftsprozesse Unterstützungsprozesse

Interaktionsthemen Ressourcen Normen und Werte Anliegen und Interessen

Anspruchsgruppen

Öffentlichkeit/ Medien/ NGO´s

Abb. 27 Neues Konzept des integrierten Managements (Ruegg-Stürm 2003, S. 22)

Kapitalgeber

128

4 Freizeitmanagement und -marketing

Im neuen Modell spielen die drei Integrationsebenen Strategie, Struktur und Kultur erneut eine prominente Rolle (s. Abb. 27). Doch im Vergleich dieser beiden Modelle rückt die Prozessdimension deutlich in den Vordergrund. Schließlich werden die großen Interaktionsthemen (Ressourcen, Normen und Werte, Anliegen und Interessen) neu gebündelt. Damit soll mehr Aufmerksamkeit auf die Erkenntnis gelenkt werden, dass Management in erheblichem Maße bedeutet, Sachlagen zu interpretieren und mit Sinn auszukleiden sowie die Abstimmung von Erwartungen und Leistungen zu bewerkstelligen (vgl. Dubs et al. 2004). Auf das Management von Freizeitunternehmen bezogen sind die sechs Grundkategorien des neuen St. Galler Management-Modells wie folgt zu verstehen: Umweltsphären sind alle relevanten Bezugsfelder außerhalb der eigenen Unternehmen. Jedes Unternehmen steht in ständiger Wechselwirkung und damit auch Abhängigkeit zu seiner Umwelt. Im Rahmen des Controllings sind die Umweltsphären genau auf Trends und Veränderungen hin zu analysieren. Das bezieht sich auf gesellschaftliche Trends, wie z.B. die Individualisierung oder Erlebnisorientierung, technologische Entwicklungen, z.B. für neue Exponate von Wissenswelten, wirtschaftliche Entwicklungen zur Abwägung von Investitionen und ökologische Rahmenbedingungen, die eine verstärkte Sensibilität gegenüber Naturfaktoren erfordern, wenn es z.B. um Flächenexpansionen von Freizeitbetrieben geht. Als Anspruchsgruppen oder Stakeholder werden alle Gruppen und Individuen bezeichnet, die von der Wert- oder auch Schadschöpfung des Unternehmens betroffen sind. Die Ziele oder Ergebnisse eines Unternehmens müssen für diese Stakeholder einen gewissen Wert und/oder Nutzen haben, erst daraus ergibt sich der Zweck eines Unternehmens. Aufgabe des Managements ist es, im Rahmen des normativen Orientierungsprozesses Regeln und Verfahren zu finden, um die unterschiedlichen Ansprüche verschiedener Gruppen gegeneinander abzuwägen und Prioritäten zu setzen. Stakeholder sind Bestandteile der Umweltsphären und, z.B. als Mitarbeiter, gleichzeitig Teile des internen Managementprozesses. Dies lässt sich am Beispiel eines Theaters verdeutlichen: Die Mitarbeiter möchten sich beruflich verwirklichen, Ihre Ideen umsetzen und ein finanzielles Auskommen haben; Besucher möchten sich wohlfühlen, etwas erleben und ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis; Bewohner des Quartiers möchten kulturelle Angebote in ihrer Nähe, aber nicht vom Spielbetrieb und den Besuchern gestört werden; Kreditgeber und Investoren erwarten erfolgreiche Geschäftsbilanzen u.s.w. Alle gegenständlichen Dinge (Güter und Waren etc.) sowie Inhalte von Kommunikation, die zwischen Anspruchsgruppen und Unternehmen ausgetauscht werden, werden als Interaktionsthemen bezeichnet. Dies können Werte und Normen sein, die ausgehandelt werden, Anliegen und Interessen der unterschiedlichen Stakeholder sowie notwendige Ressourcen, inkl. der Finanzierung. Dabei bezeichnen Werte grundlegende Ansichten über ein erstrebenswertes Leben, Normen bauen darauf auf und bezeichnen explizite Gesetze und Regelungen. Interessen bezeichnen den unmittelbaren Eigennutz (z.B. Geld verdienen), Anliegen hingegen verallgemeinerungsfähige Ziele (z.B. Bildungsziele). Diesen personen- und kulturgebundenen Elementen stehen die objektgebundenen Ressourcen gegenüber. Ein Unternehmen ist als ein System von Prozessen zu verstehen, diese bezeichnen Routinen, die das Alltagsgeschehen eines Unternehmens prägen. In der überlegenen Beherrschung dieser Routinen, vor allem in einer kurzen Durchlaufzeit, liegt eine wichtige Voraussetzung

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

129

für unternehmerischen Erfolg. Dabei wird zwischen Managementprozessen, Geschäftsprozessen und Unterstützungsprozessen unterschieden:  Managementprozesse umfassen alle grundlegenden Aufgaben, die mit der Gestaltung, Lenkung (Steuerung) und Entwicklung der Unternehmen verbunden sind. Dabei wird entsprechend der drei vertikalen Integrationsebenen (s.o.) zwischen normativen Orientierungsprozessen, strategischen Entwicklungsprozessen und operativen Führungsprozessen unterschieden.  Geschäftsprozesse verkörpern die Kernaktivitäten eines Unternehmens, die unmittelbar auf den Kundennutzen ausgerichtet sind, wie z.B. Markenführung, Kundenakquisition, Kundenbindung, die Leistungserstellung sowie Innovationsprozesse (vgl. Kap. 4.4).  Unterstützungsprozesse bezeichnen unternehmensinterne Dienstleistungen, die für einen effektiven Vollzug der Geschäftsprozesse erbracht werden (z.B. Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, Personalentwicklung). Die Ordnungsmomente, die im System von Bleicher als horizontale Integrationsebenen dienen (vgl. Abb. 27), sind durch die Teilbereiche Strategie, Struktur und Kultur bezeichnet. Sie erfüllen die Funktion einer in sich zusammenhängenden Ausrichtung und Sinngebung der o.g. Prozesse, die im Unternehmensalltag in einer gewissen Routine ablaufen. Die Ordnungsmomente ergeben sich explizit und implizit aus dem Alltagsgeschehen und strukturieren dieses wiederum. Es besteht also ein zirkulärer Zusammenhang zwischen Prozessen und Ordnungsmomenten. Dieser Kreislauf bewirkt, dass Abläufe, die sich als Routinen eingeschliffen haben, regelmäßig auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden und im Gegenzug z.B. auch geschaffene Strukturen auf ihre Tauglichkeit im Alltagsgeschehen geprüft werden.  Strategien beruhen auf langfristigen Entscheidungen, die dem Aufbau von Wettbewerbsvorteilen dienen. Als Ordnungsmoment bezeichnen sie die inhaltliche Dimension: Was soll wie geschehen? (vgl. Kap. 4.1.6).  Strukturen werden benötigt, um die Arbeitsteilung zu definieren und Teilbereiche des Unternehmens effektiv zu koordinieren. Dies geschieht durch Aufbaustrukturen (Organigramm) und Ablaufstrukturen (Festlegung von Aufgaben z.B. in einem Prozessplan). Als Ordnungsmomente lassen sich Strukturen von Seiten des Managements sehr leicht beeinflussen und verändern.  Kultur bezeichnet die impliziten, hintergründigen Strukturen eines Unternehmens. Durch die Arbeitsteilung kommt es zu einer Ausdifferenzierung der Kultur innerhalb des Unternehmens. Sie kann sich zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor eines Unternehmens entwickeln und ist nicht von Konkurrenten kopierbar. Für das Management ist es eine sehr große Herausforderung, auf diese Sphäre einzuwirken, da sie in den Köpfen der Mitarbeiter gewachsen ist (vgl. Kap. 4.1.5). Als sechste Grundkategorie des neuen St. Galler Management-Modells bezeichnen die Entwicklungsmodi die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten der Weiterentwicklung eines Unternehmens. Die kontinuierliche, ständig ablaufende Verbesserung des Bestehenden wird dabei als Optimierung bezeichnet, während die diskontinuierliche, nur sprunghaft stattfindende Schaffung von völlig Neuem als Erneuerung gilt (vgl. Dubs et al. 2004).

130

4.1.5

4 Freizeitmanagement und -marketing

Elemente des normativen Managements

Wie bereits beschrieben setzt sich das normative Management, dessen Inhalte zumeist in einem Leitbild zum Ausdruck kommen, aus verschiedenen Komponenten zusammen. In dem zusammenfassenden Leitbild wird auch die generelle Management-Philosophie eines Unternehmens deutlich, mit der gleichzeitig die Einstellung zur Rolle und dem Verhalten des Unternehmens in der Gesellschaft klar gestellt wird. Es geht dabei um grundlegende Einstellungen, Überzeugungen und Werthaltungen, welche das Denken und Handeln der maßgeblichen Führungskräfte im Unternehmen beeinflussen. Die Management-Philosophie ist damit ein Kompass zur allgemeinen Orientierung und Identitätsfindung nach innen und außen. Sie ist den weiteren Komponenten, der unternehmerischen Vision, der Unternehmenspolitik, der Unternehmensverfassung und der Unternehmenskultur, übergeordnet (vgl. Kaspar 1995, Ulrich 2001). Die unternehmerische Vision zeichnet ein konkretes Zukunftsbild, nahe genug, dass wir die Realisierung noch sehen können, aber schon fern genug, um die Begeisterung der Organisatoren für eine neue Wirklichkeit zu erwecken. Klare Visionen lenken als Leitidee oder Leitstern bewusst und unbewusst das Verhalten des Managements und der Mitarbeiter. Bei der Entwicklung von Visionen bedarf es sowohl eines guten Realitätssinns und der Aufgeschlossenheit gegenüber dem Zeitgeist bzw. den echten Bedürfnissen der Menschen als auch der Kreativität und Erfahrung. Auf Basis der Vision als Leitidee und unter Berücksichtigung der Management-Philosophie geht es bei der Unternehmenspolitik um die Festlegung der generellen Ziele und Verhaltensnormen (Unternehmensgrundsätze) zur Sicherung der Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmen. Hier wird der allgemeine Kurs festgelegt, auf welchem sich das Unternehmen künftig entwickeln soll. Ziel ist, dass alle Unternehmensmitglieder am selben Strick in eine Richtung ziehen. Auch hier gilt als wesentliche Voraussetzung für den Erfolg: In den Augen der Stakeholder muss ein echter Nutzen erbracht werden. Dieser StakeholderAnsatz entspricht dem unternehmerischen Grundsatz einer pluralistisch gesellschaftsorientierten Zielausrichtung (sozial- und umweltverträglich) mit langfristiger Nutzenstiftung (regional- und lokalwirtschaftlicher Ansatz). Im Gegensatz dazu ist der Shareholder-Ansatz durch eine kurzfristig eindimensionale Ausrichtung auf die Interessen der Eigentümer bzw. Anteilseigner ausgerichtet. Die Unternehmensverfassung, als weitere Komponente des normativen Managements, enthält alle Grundsatzentscheidungen über die gestaltete Ordnung der Unternehmen, das heißt hier geht es um Strukturen der Organisation. Sie umfasst die Gesamtheit aller Regelungen, durch die die Verhaltensweisen der Unternehmen gegenüber ihren Marktpartnern und gegenüber anderen, für ihr Verhalten maßgeblichen Gruppen und Institutionen bewusst gestaltet werden, soweit diese Regelungen nicht die Marktbeziehung betreffen. Eine wesentliche Grundlage für Unternehmer ist z.B. das Handels-Gesetzbuch (HGB), es stellt verschiedene Unternehmensformen zur Verfügung: offene Handelsgesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG), Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) etc. Diese organisieren sich dann selbst oder durch angestellte Geschäftsführer (Manager), mit denen wiederum Arbeitsverträge geschlossen werden (Arbeitskonditionen, Weisungsbefugnisse u.a.). Es ent-

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

131

steht ein Netzwerk von Verträgen: Lieferverträge mit Lieferanten, Kapitalüberlassungsverträge mit Fremdkapitalgebern, Kaufverträge mit Konsumenten und viele mehr (vgl. Steinmann/Schreyögg 2005). Gleichbedeutend mit dem Begriff Unternehmensverfassung ist die Corporate Governance („angemessene Unternehmensorganisation“). Sie beschäftigt sich mit dem Setzen und Einhalten von Verhaltensregeln, nach denen ein Unternehmen geführt werden soll. Die Rahmenbedingungen der Corporate Governance können von unterschiedlichsten Interessengruppen gesteckt werden (z.B. Gesetzgeber, Eigentümern, Mitarbeitern, oder Aufsichts- oder Verwaltungsrat). Aufgrund der unterschiedlichen Interessenten ist der Begriff Corporate Governance nicht einfach zu greifen, und je nachdem wer die Regeln bestimmt, stehen sie in einem Gesetz, einem Unternehmensleitbild, in Weisungen, Absichtserklärungen oder sie werden überhaupt nicht schriftlich verankert. Oft haben Unternehmen sogar eigene Fachstellen, die sich darum bemühen, dass ihr Unternehmen solche Rahmenbedingungen und Richtlinien einhält. Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist ein Beispiel für eine unternehmensübergreifende Initiative, der sich ein Großteil der börsennotierten Unternehmen in Deutschland angeschlossen hat (vgl. Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Index 2008). Die normative Komponente der Unternehmenskultur beinhaltet die Gesamtheit von Normen, Wertvorstellungen und Denkhaltungen, die das Verhalten der Mitarbeiter aller Stufen und somit das Erscheinungsbild bzw. den Geist und die Persönlichkeit eines Unternehmens prägen. Sie ist als „weicher Faktor“ im Rahmen der Unternehmensphilosophie zu verstehen und hat eine äußerst hohe Bedeutung für das Unternehmensimage. Da sich die Unternehmenskultur, als Ergebnis eines komplexen wie längjährigen sozialen Geschehens, nur schwer fassen lässt, kann man diese „emotionalen Qualitäten“ eines Unternehmens nur an bestimmten Ausdrucksformen erkennen (vgl. Doppler & Lauterburg 2005, S. 454ff):  Kommunikation: schriftliche und mündliche Kommunikation, Inhalte, Sprachstil, Tabuthemen  Verhalten: Führungsverhalten, Entscheidungswege, Kooperationsverhalten, geförderte Mitarbeiter  Strukturen: Gebäude, Anlagen, Raumgestaltung, Organisationsformen, Führungsinstrumente  Soziale Ereignisse: Veranstaltungen und Rituale abseits des Alltags, Formen von Zusammenkünften, Erlebniswerte. An diesen Ausdrucksformen wird bereits deutlich, dass die Unternehmenskultur darauf ausgerichtet ist, das Mitarbeiterpotenzial so gut wie möglich in Wert zu setzen. In einer Zeit höchster Wettbewerbsintensität hat jenes Unternehmen Vorteile, das begeisterte, motivierte Mitarbeiter einsetzen kann, die aus einer eigenen unternehmerischen Verantwortung heraus handeln. Damit werden auch die Funktionen der Unternehmenskultur deutlich: Es geht um Identitätsstiftung (Erzeugen eines Wir-Gefühls), um Sinnvermittlung (Motivation nach innen, Legitimation nach außen), um Konsenssicherung (Basiskonsens über normative Grund-

132

4 Freizeitmanagement und -marketing

fragen), um Orientierung für alle Stakeholder (klare Handlungsweisen) und nicht zuletzt um das Angebot von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten (Förderung des innovativen Potenzials) (vgl. Doppler & Lauterburg 2005). Der sichtbare Ausdruck der Unternehmenskultur ist die Corporate Identity (CI). Über sie werden die Charaktereigenschaften des Unternehmens und damit alle unverwechselbaren Elements des Denkens und Handelns, die das Selbstbild der Unternehmen prägen, nach außen kommuniziert. Wie schon angesprochen kann sich die CI z.B. in der Architektur und Innengestaltung von Gebäuden (Theater, Restaurants etc.), im kommunikativen Auftritt (Corporate Design), in der Kleidung der Mitarbeiter, in Ritualen, Symbolen oder spezifischen Strukturen (Corporate Behaviour / Attitude) äußern. Das Ergebnis aus der Sicht der Stakeholder ist das Corporate Image. Es bezeichnet das Fremdbild des Unternehmens, d.h. seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit oder aus der Sicht anderer Anspruchsgruppen. Bei der Frage nach den Faktoren für eine erfolgreiche Unternehmenskultur kann auf eine Untersuchung zurückgegriffen werden, die sich mit Unternehmen, die sich in besonders turbulenten Märkten im internationalen Wettbewerb besonders erfolgreich behauptet haben, beschäftigt hat. Dort wurden fünf Schlüsselfaktoren für ein dynamisches Management des Wandels herausgefiltert (vgl. Doppler & Lauterburg 2005, S. 61ff):  Kreative Unruhe: Pioniergeist; kreative Unruhe und Experimentierfreude auf allen Stufen des Unternehmens als notwendige Inhalte der Unternehmenskultur; neue Ideen; Mobilität und Umstellungsbereitschaft müssen konsequent belohnt werden.  Konfliktfähigkeit: Konstruktive Streitkultur als Erfolgsfaktor, d h. die Fähigkeit Spannungsfelder frühzeitig zu orten und Konflikte nicht zu verdrängen, sondern konstruktiv auszutragen.  Zusammengehörigkeitsgefühl: Dazu gehören, beteiligt zu sein, sowie auf Offenheit, Vertrauen und gegenseitiger Akzeptanz beruhender Gemeinschaftssinn.  Sinnvermittlung: Jedem Mitarbeiter die Philosophie und die Ziele des Unternehmens, den Sinn seiner Arbeit im Dienste des Kunden und der Gesellschaft sowie den Stellenwert seines individuellen Beitrags zum gemeinsamen Ganzen deutlich machen.  Kommunikation: Man kann nicht zu viel kommunizieren, sondern höchstens falsch informieren! Konsequente Förderung und Nutzung der informellen Kommunikation ist gefordert; Ebenen-übergreifende Informationsveranstaltungen und Tagungen etc.; miteinander reden statt Papier zu produzieren ist die Devise. Das Unternehmensleitbild kann als finale Komponente des normativen Managements bezeichnet werden. Es beinhaltet die unternehmenspolitischen Ziel- und Grundsatzentscheidungen in wenigen konzentrierten Aussagen. Gleichzeitig erhebt es den Anspruch, eine grundlegende Willensbekundung der Unternehmensleitung und damit eine allgemeine Führungsvorgabe für alle Mitarbeiter darzustellen. Im Leitbild soll die Identität des Unternehmens (Wer sind wir?), seine Ziele (Was wollen wir?) sowie seine Werthaltungen (Wofür stehen wir?) geklärt werden. Gleichzeitig sollen mögliche Perspektiven der Entwicklung (Wie kommen wir dorthin?) aufgezeigt werden.

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

133

Solche Leitbilder können von jeder Organisation erarbeitet werden, egal ob sie als Aktienunternehmen auf dem internationalen Finanzmarkt gewinnorientiert agiert oder sich als Nonprofit-Organisation um das Wohlergehen von benachteiligten Kindern in sozialen Brennpunkten engagiert. Als Beispiel aus dem Kulturbereich sei an dieser Stelle das Leitbild des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte in Oldenburg angeführt (LMO 2009):

Leitbild des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte

Wer sind wir und was wollen wir? Das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg (LMO) wurde 1919 durch einen Landtagsbeschluss als regionales Mehrspartenmuseum gegründet. Seither sammelt, bewahrt, erschließt und vermittelt das LMO das kulturelle Erbe des 1946 im Bundesland Niedersachsen aufgegangenen Staatswesens Oldenburg und steht in der Wahrnehmung dieser Aufgabe unter dem Schutz der Niedersächsischen Landesverfassung (§ 72.2). Mit der unverwechselbaren Atmosphäre seiner drei historischen Bauwerke Schloss, Prinzenpalais und Augusteum bildet das LMO einen kulturellen und gesellschaftlichen Schwerpunkt inmitten der ehemaligen Residenzstadt Oldenburg. Als Ort lebenslangen Lernens, der Erinnerung und der Kommunikation erfüllt unser Museum einen Bildungsauftrag. Wir entwickeln und vertiefen die Identität mit dem nordwestdeutschen Raum anhand der überkommenen künstlerischen, handwerklichen, industriell gefertigten und alltagsgeschichtlichen Sachzeugnisse vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Einen weiteren Schwerpunkt der Sammlungen stellt der Bestand zur bildenden Kunst (Alte und Neue Meister) dar. Klar gegliederte Dauer- und Wechselausstellungen in allgemeinverständlicher Sprache bieten unserem Besucher einen repräsentativen Querschnitt durch unsere Sammlungen. Wir stärken darüber hinaus sein Verständnis für Kunst, Kultur und Geschichte durch breit gefächerte Vermittlungsaktivitäten für alle Altersstufen. Das Schwergewicht der Wechselausstellungen liegt derzeit auf der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, der Fotografie und der angewandten Kunst des 20. Jahrhunderts. Wir binden unsere publikumsorientierten Ausstellungen verstärkt in einen interdisziplinären kunst- und kulturgeschichtlichen Kontext ein. Bei Bedarf ergänzen wir eigene Bestände um Leihgaben von anderen Häusern oder Privatpersonen. Hintergründe und Zusammenhänge unserer Themen werden in der Regel durch begleitende Publikationen erläutert. Wir betonen die überregionale und internationale Komponente unserer Ausstellungen, um das LMO im Wettbewerb mit anderen Häusern auch über den Raum Weser-Ems hinaus weiterzuentwickeln.

134

4 Freizeitmanagement und -marketing

In unserem Museum verbringen Menschen einen Teil ihrer Freizeit. Sie sollen mit unserer Angebotspalette zufrieden sein und sich darüber hinaus in den drei Häusern des LMO wohl fühlen. Dementsprechend sind uns Besucherfreundlichkeit und eine attraktive Gastronomie wichtig. Zum Service und zur Kontaktpflege mit unserem Publikum gehören unter anderem die Betreuung Ratsuchender durch unsere Experten sowie eine öffentlich zugängliche Kunstund kulturgeschichtliche Bibliothek. Über die Vereine „Lebendiges Museums e.V.“ und „Oldenburgische Museumsgesellschaft (Galerieverein) e.V.“ vertiefen wir unsere direkten Kontakte zum Besucher. Das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg kooperiert regelmäßig und eng mit musealen, wissenschaftlichen und Kultur fördernden Einrichtungen in ganz Deutschland. Wir bilden junge Wissenschaftler (Volontäre sowie Teilnehmer der Weiterbildungsmaßnahme MUSEALOG) und angehende Restauratoren (Praktikanten) für den Museumsbetrieb aus. Wir erstreben nach Maßgabe des Denkmalschutzes langfristig einen barrierefreien Zugang zu unseren Häusern.

Welchen Arbeitsgrundsätzen fühlen wir uns verpflichtet? Die Mitarbeiter des LMO wollen zielgerichtet, kooperativ und vertrauensvoll miteinander arbeiten. Haushalt, Sammlungspolitik und Aufgabenverteilung bedürfen der Transparenz. Kollegiale Achtung und Respekt sind die Voraussetzungen erfolgreicher Arbeit. Konflikte sollen sachlich, fair und kollegial gelöst werden und sämtliche Mitarbeiter in die Kommunikationsstrukturen des Hauses eingebunden sein. Zum Erhalt unserer wertvollen Sammlungen wollen die Vertreter von Wissenschaft, Restaurierung, Verwaltung und Magazinverwaltung in stetem gegenseitigem Austausch und unter Beachtung der jeweiligen Fachkompetenzen vertrauensvoll zusammenarbeiten. Wir entwickeln mit zeitgemäßen Marketingstrategien eine überregionale Außenwirkung unserer Häuser und wollen eine effiziente Öffentlichkeitsarbeit für unsere Ausstellungs- und Vermittlungsaktivitäten betreiben. Die Mittel sind verantwortungsbewusst und wirtschaftlich einzusetzen. Um den zu erwirtschaftenden Eigenanteil am Budget zu erhöhen und eine optimale Realisierung unserer Projekte zu erzielen, bemühen wir uns um Stifter und Sponsoren. Wir verstehen unser Haus als ein „Dienstleistungsunternehmen“ und fühlen uns der ServiceOrientierung verpflichtet. Im Vordergrund unserer Bemühungen steht der Besucher.

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

4.1.6

135

Strategisches Management und Unternehmensplanung

Eine Strategie ist der grundsätzliche Weg, auf dem die Hauptziele des Unternehmens erreicht werden sollen. Dazu gehört die Entwicklung von Programmen bzw. Konzepten, um damit langfristige Wettbewerbsvorteile im Vergleich zur Konkurrenz zu erzielen. Auch wenn die Festlegung des Weges Aufgabe der Unternehmensleitung ist, bedeutet dies nicht, dass die Strategie allein in der Chefetage verabschiedet wird. Es müssen in jedem Fall weitere Management-Ebenen, Vertreter zentraler Fachfunktionen, ggf. Betriebsräte und weitere Mitarbeiter oder Aufsichtsräte einbezogen werden. Häufig werden auch externe Berater als Verfahrensspezialisten und/oder Moderatoren hinzugezogen (vgl. Doppler & Lauterburg 2005, S. 171ff). Das strategische Management hat gestaltenden Charakter. Es geht konkret um die Schaffung von Organisationsstrukturen und Managementsystemen (= Strukturen), entsprechende Programme (= Strategien oder Aktivitäten) und die Festlegung des Problemverhaltens auf der Ebene der Mitarbeiter (= Kultur oder Verhalten) (vgl. die Modelle von Bleicher 1991 und Dubs et al. 2004). Dementsprechend gelten die relative Positionierung eigener Aktivitäten gegenüber dem Wettbewerb und der Umwelt, die Konzentration der Kräfte, die Entwicklung zukunftsweisender Erfolgspotenziale und insgesamt die Suche nach zweckgerechten Strategien als Prinzipien des strategischen Managements. Steinmann & Schreyögg (2005) haben folgende Grundfragen der strategischen Planung formuliert:  In welchen Geschäftsfeldern wollen wir tätig sein?  Wie wollen wir den Wettbewerb in diesen Geschäftsfeldern bestreiten?  Was soll unsere längerfristige Kompetenzbasis sein? In der praktischen Umsetzung lehnt sich der strategische Managementprozess an den klassischen Ablauf von Marketing-Management-Prozessen an. Beispielhaft soll hier das Phasenschema von Freyer (2007, S. 109ff) angeführt werden:     

Informations- oder Analysephase (Wo stehen wir?) Strategie- oder Zielphase (Wo wollen wir hin?) Gestaltungsphase (Was können wir unternehmen?) Realisierung- oder Umsetzungsphase (Welche Maßnahmen ergreifen wir?) Kontrollphase (Sind wir angekommen?) (vgl. Abb. 28).

Diese prozessuale Abfolge ist zugleich als Vorgehensweise bzw. Instrument für die gesamte Unternehmensplanung zu verstehen. Die Informationsanalysen erfolgen aus zwei Perspektiven, mit dem Fokus auf das Unternehmen selbst (interne Analyse) und mit dem Fokus auf die Umwelt (externe Analyse). Bei der Analyse der Unternehmen werden die Stärken analysiert, auf die sich aufbauen lässt, und die Schwächen, die zukünftig vermieden werden müssen. Zudem ist die Frage, welche Stärken sich ggf. zu strategischen Erfolgspositionen ausbauen lassen. Die Analyse der Umwelt erfolgt unter der Fragestellung, welche Chancen es gibt, die es aufgrund der eigenen Stärken

136

4 Freizeitmanagement und -marketing

wahrzunehmen gilt. Aber auch bestehende Gefahren oder Risiken, die im Auge zu behalten sind, sollen aufgespürt werden (vgl. Steinmann/Schreyögg 2005).

Analysephase Wo stehen wir?

Strategiephase Wo wollen wir hin?

Kontrollphase Sind wir angekommen?

Gestaltungsphase

Realisierungsphase

Was können wir unternehmen?

Welche Maßnahmen ergreifen wir?

Abb. 28 Marketing-Management-Prozess (eigene Darstellung, nach Freyer 2007)

Für die Informationsanalyse können verschiedenste Daten und Informationen verwendet werden. Intern können diese z.B. durch Kennzahlen aller Art (Rechnungswesen, Controlling), von den Mitarbeitern (Gespräche, Vorschläge, Qualitätszirkel u.a.) oder den Kunden bzw. Gästen (Befragungen, Reklamationen, Qualitätskontrolle u.a.) gewonnen werden. Externe Daten und Informationen stammen z.B. aus Statistiken, Untersuchungen, Studien, die von Kommunen, Verbänden und anderen Organisationen zur Verfügung gestellt werden. In der Forschung wird an dieser Stelle auch zwischen selbst erhobenen Primärdaten und von Dritten bezogenen Sekundärdaten gesprochen. Aus der Informationsanalyse entsteht ein Stärken-/Schwächenprofil (retrospektiv aus der Unternehmensanalyse) sowie ein Chancen-/Risikenprofil (prospektiv aus der Umweltanalyse). Dieser Arbeitsschritt, der einen wichtigen Brückenschlag zwischen der Analysephase und der strategischen Planung bedeutet, wird auch als SWOT-Analyse (engl.: Strength, Weakness, Opportunities, Threats) bezeichnet. Ein wichtiges Ziel ist dabei, strategische Erfolgspositionen, die zugleich eine Stärke und eine Chance darstellen, herauszufiltern. Sie bezeichnen überdurchschnittliche Fähigkeiten (Potenziale) gegenüber der Konkurrenz und münden schließlich in die Definition von strategischen Geschäftsfeldern.

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

137

Die weitere strategische Planung erfolgt auf verschiedenen Ebenen: der allgemeinen Unternehmensstrategie, den daraus resultierenden strategischen Geschäftsfeldern und schließlich den konkreten, auf die Geschäftsfelder bezogenen funktionalen Strategien. Voraussetzung für die Entwicklung einer allgemeinen Unternehmensstrategie sind klare Vorstellungen über die langfristige Entwicklung des gesamten Unternehmens (= normative Vorgaben). Auf der Basis von hinreichenden Analysen (s.o.) können sodann strategische Erfolgspositionen (SEP) definiert werden, die eine Positionierung auf dem Markt ermöglichen und bestenfalls einen Alleinstellungscharakter aufweisen. Beispiele für entsprechende strategische Ansätze werden im Kapitel 4.4 noch intensiver behandelt. Eine relativ undifferenzierte und vereinfachende strategische Grundfrage in Bezug auf das Wettbewerbsumfeld ist die nach der strategischen Grundverhaltensweise eines Unternehmens nach Porter (2000): Strebe ich auf dem relevanten Markt die Kostenführerschaft oder die Qualitätsführerschaft an, und/oder verfolge ich eine Nischenstrategie? Ein weiterer Klassiker ist die strategische Einordnung in der Produkt-Markt-Matrix von Ansoff (vgl. Abb. 29). Hier geht es um die Frage, ob ich mich mit einem neuen oder einem bereits etablierten Produkt auf einem neuen oder bereits etablierten Markt befinde (zitiert in Bruhn 2004, S. 21f).

Bestehende Leistungen

Neue Leistungen

Bestehende Märkte/Segmente

Marktdurchdringung

Angebotsentwicklung

Neue Märkte/Segmente

Marktentwicklung

Diversifikation

Abb. 29 Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff (Bruhn 2004, S. 21f)

Wachstumsbezogene Strategien beziehen sich auf die Fragestellung, wie ein Unternehmen sich generell in Bezug auf sein Geschäftsvolumen bzw. seine Größe entwickeln soll. Hier können vier Strategievarianten unterschieden werden:  Wachstumsstrategien werden z.B. bei Produktneueinführungen oder einer Ausweitung der Angebotspalette angestrebt;  Konsolidierungsstrategien dienen zum Schließen von Ertragslücken durch mehr Effizienz, Sie münden z.B. in Maßnahmen zur Kostenreduktion;  Schrumpfungsstrategien zielen darauf, defizitäre Angebote abzustoßen, z.B. durch das Schließen unrentabler Betriebe oder den Rückzug in eine Marktnische;  Haltestrategien bezwecken, keine wesentlichen Veränderungen in Bezug auf die Unternehmensgröße vorzunehmen (vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, Bruhn 2004).

138

4 Freizeitmanagement und -marketing

Es gibt eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten für strategische Entscheidungen sowie entsprechende Grundüberlegungen und Modelle. An dieser Stelle sei deshalb lediglich ein weiterer Ansatz dargestellt, der sich dadurch auszeichnet, eine mehrdimensionale Betrachtung für strategische Entscheidungen anzustellen und gleichsam den Anforderungen eines sich dynamisch verändernden Marktes gerecht zu werden: den Schwerpunkt des Wettbewerbs, den Ort des Wettbewerbs (vgl. den Ansatz von Porter) und zudem die Frage, inwieweit eine Innovation vorliegt (vgl. den Ansatz von Ansoff). Diese strategischen Grundüberlegungen werden im strategischen Würfel integriert und erlauben eine grundsätzliche Markteinordnung und damit Positionierung des Unternehmens oder seiner Produkte (Abb. 30).

5

6

Kosten/Preis

Schwerpunkt des Wettbewerbs

1

2 8

3 Nische

Differenzierung/Qualität

4 Kernmarkt

Ort des Wettbewerbs Abb. 30 Strategischer Würfel (nach Steinmann/Schreyögg 2005)

Das Universum Bremen als Science-Center wäre beim strategischen Würfel mit den tendenziellen Merkmalen Nische, Veränderung, Differenzierung ein Beispiel für den Quadranten Nr. 7 (in der Abb. 30 verdeckt links unten liegend). Der Heidepark in Soltau wäre mit den Merkmalen Kernmarkt, Differenzierung und Anpassung (oder Veränderung) im Quadrant Nr. 4 (oder Nr. 8). Aus den allgemeinen Unternehmensstrategien lassen sich entsprechende Geschäftsfeldstrategien ableiten. Durch eine Segmentierung der Nachfrage gelingt es dem Anbieter einer Dienstleistung, sein Angebot auf das anvisierte Nachfragesegment auszurichten (zum Thema Segmentierung vgl. Kapitel 4.4.1). Das Resultat dieser schrittweisen Verkleinerung des relevanten Marktes sind die strategischen Geschäftsfelder, auf denen ein Unternehmen schließlich aktiv wird. Die Segmentierung erfolgt nach soziodemographischen Kriterien (Alter, Geschlecht etc.), geographischen Kriterien (Entfernung zum Angebot), Interessenbereichen

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

139

(Kultur, Sport etc.), Einstellungs- und Persönlichkeitskriterien, Verhalten, Lebensstil u.a. Das Ergebnis sind strategische Geschäftsfelder (SGF), die als deutlich abgegrenzte ProduktMarkt-Einheiten erkennbar sind. Das bedeutet, es wird eine definierte Gruppe von verwandten Leistungen entwickelt, herstellt und vermarktet, die einen klar definierten Zielmarkt (Zielgruppen) aufweist und gegen eindeutig definierte Konkurrenz im Wettbewerb steht. Die Universum Managementgesellschaft mbH in Bremen betreibt z.B. nicht nur das o.g. Universum Bremen als Freizeiteinrichtung, sondern sie hat als weitere strategische Geschäftsfelder z.B. den Bau von Exponaten für externe Auftraggeber und die Beratung für die Planung und Umsetzung von Freizeiteinrichtungen entwickelt. Sobald die strategischen Geschäftsfelder definiert sind, geht es darum, diese mit Hilfe von funktionalen Strategien zu ergänzen und weiter zu konkretisieren. In diesem Zusammenhang stehen Fragen des Marketing-Mix, der Finanzierung, der Organisation, der Beschaffung von Produktionsmitteln und, im Dienstleistungsbereich besonders wichtig, der Mitarbeiterführung. Jede Unternehmensfunktion wird damit in das strategische Gesamtkonstrukt integriert. Als Ergebnis ist eine strategische Zielbildung in Bezug auf Umsätze, Kosten, Deckungsbeiträge, Umsatzrenditen (finanzwirtschaftliche Ziele), Frequenzen, Auslastungsgrad, Marktanteil (leistungswirtschaftliche Ziele) und z.B. den Grad der Gästezufriedenheit (qualitative Ziele) zu erreichen. Selbstverständlich ist dabei eine entsprechende Festlegung von Prioritäten unbedingt erforderlich (vgl. Kaspar 1995). Der letzte Arbeitsschritt im Rahmen des strategischen Managements besteht darin, ein zusammenfassendes (Unternehmens-)Konzept zu erstellen, das die allgemeine Unternehmensstrategie, die strategischen Geschäftsfelder und die funktionalen Strategien zusammenfasst und systematisch ordnet. Das Unternehmenskonzept dient als „Scharnier“ zwischen der ganzheitlich-unternehmerischen und der fraktionierten funktionellen Betrachtung, die sich im operativen Management fortsetzt. Gleichsam ist es eine Bestandsaufnahme der bisherigen Planung des Unternehmens oder der Organisation. Als Beispiel für ein strategisches Konzept werden nun Ausschnitte des Marketingplans 20062008 für die Sylt Marketing GmbH (2005, S. 38-42) dargestellt: Sylt Marketing GmbH - Marketingplan 2006 – 2008 Sylt gilt als eine der schönsten und erfolgreichsten Destinationen Europas. Doch wo steht die Insel morgen? Um auch in Zukunft im Wettbewerb weltweit führender Urlaubsziele ganz oben zu stehen, muss sich die Marke Sylt kontinuierlich verändern ohne dabei ihre Identität zu verlieren. Eine bedeutende Herausforderung, der sich die SMG auch in Zukunft erfolgreich stellt. 1. Ziele für die Entwicklung bis 2008 Die SMG hat sich bis 2008 verschiedene quantitative und qualitative Ziele gesetzt, die in der Folge kurz aufgeführt sind. Auf sie sind die jährlichen Jahresziele, Maßnahmen-Pläne und Budgets auszurichten. • Positionierung der Marke Sylt … … als touristischer und Lifestyle-Trendsetter

140

4 Freizeitmanagement und -marketing

… Premium-Destination … Genuss-Urlaubsinsel Nr. 1 … beliebtestes Urlaubsziel seiner Klasse in Europa. • Verstärkung der insularen Kooperationen zur touristischen Vermarktung der Insel als ganzheitliche Marken-Destination • Erhöhung der Auslastung in der Nebensaison und in den Wintermonaten • Sicherung und Ausbau des Marktanteils … … bei den Übernachtungszahlen … bei der Auslastung im Beherbergungsbereich … bei der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer. 2. Aufgabenstellung Innenmarketing zur Stärkung der Marke auf der Insel Sylt selbst: • Etablieren der Dachmarke Sylt bei allen beteiligten Entscheidern und den insularen Schlüsselzielgruppen. Erhöhung von Bekanntheitsgrad, Akzeptanz und Sympathie • Bündelung und Koordinierung der Einzelaktivitäten von Leistungsträgern und Kommunen im Rahmen von kooperativen Maßnahmen bzw. im Sinne der Dachmarke Sylt • Ausweitung der Verwendung des Sylt-Markenlogos in Werbemitteln und Signalisation von Leistungsträgern und Kommunen • Erhöhung der Budgetmittel für die zentrale Markenführung und daraus resultierenden kooperativen Projekten und Maßnahmen Außenmarketing zum Ausbau und Sicherung der Marktanteile: • Festlegen und Entwickeln eines jährlichen Marketingschwerpunktes und eines entsprechenden Kommunikations-Jahresthemas ggf. in Ergänzung oder Anlehnung an touristische Themen übergeordneter Organisationen (TASH, DZT) oder touristischer Partner (Lech, St. Moritz) zur effektiven Nutzung von Synergien • Kommunikation auf qualitativ hohem Niveau zur Stärkung des Markenimages und Differenzierung von touristischen Wettbewerbern • Ausbau, Stärkung und Flexibilisierung der Vertriebs- und Informationswege • Gezielte Bearbeitung bestehender Märkte sowie attraktiver Zukunftsmärkte (Schwerpunkte setzt die SMG vor allem in Süddeutschland, d.h. Baden-Württemberg und Bayern) sowie im deutschsprachigen Ausland (Österreich und Schweiz). • Weiterentwicklung der Kooperationen mit Vertriebspartnern, insbesondere mit HLX und DB-Shuttle sowie mit exklusiven Automarken • Weiterentwicklung spezieller Datenbanken und kontinuierliche Auswertung aktueller Marktforschungsergebnisse.

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

141

3. Strategische Ansatzpunkte Im Vordergrund stehen hier einerseits die angebotsseitigen Vorteile der Insel im Vergleich zur Konkurrenz und andererseits die Merkmale der Sylt-Gäste bzw. der potenziellen Gäste. Produktentwicklung: • Entwicklung attraktiver Produkte unter kontinuierlichem Einbezug von Marktforschungsdaten und Markt- und Trendanalysen • Gewährleistung von Flexibilität und Individualität gegenüber den Sylt-Gästen durch Erstellung von Angeboten nach dem Bausteinprinzip • Zielgruppenspezifische Produktentwicklung und Koordination • Sicherstellung eines funktionierenden Angebotes vor Ort • Einführung und Sicherung eines insularen Qualitätsmodells, gültig und nutzbar für alle im Zusammenhang mit dem Tourismus stehenden Unternehmen. Kommunikationsmix Werbung: • Penetrierung des neuen Marken-Logos, des neuen Corporate Designs und des neuen Slogans „Sylt – Meer. Leidenschaft. Leben.“ innerhalb der Werbemittel- und Mediakonzeption – auch in der Kommunikation von Leistungsträgern, Kommunen und Kooperationspartnern • Einsatz von Angebotswerbung in reichweitenstarken Print- und Onlinemedien zum Verkauf spezieller Events und Produkte zur Saisonentzerrung • Effizienter Einsatz der vorhandenen Mittel und Steigerung der Kommunikationsleistung durch Cross-Media-Konzepte. Direkt-Marketing: • Zielgruppenspezifische Mailings an Endkunden-Zielgruppen, Multiplikatoren, Medien, PCOs u.a. • Schaffung eines kontinuierlichen Dialoges mit Interessenten und Gästen mit intelligentem Maßnahmen-Mix zur Kundenbindung • Gezielte Verkaufsförderung durch Mailings und Onlinewerbung mit Pauschalenund/oder Angebotswerbung Verkaufsförderung: • Entwicklung und Implementierung eines Verkaufsförderungskonzeptes zur Kundenbindung und Kundengewinnung durch „Vorteilsangebote“, „Gäste werben Gäste“Aktionen • Beteiligung an den wichtigsten Fachmessen innerhalb der definierten Märkte, um bestehende Kontakte zu festigen und neue Beziehungen zu knüpfen.

142

4 Freizeitmanagement und -marketing

PR: • Etablierung konstruktiver öffentlicher Diskussionsplattformen und sorgfältiger Nachbereitung der daraus resultierenden Anregungen und Resultate • Ausbau der selektierbaren Pressedatenbank und kontinuierlicher Kontakt mit Medien • Durchführung von Pressekonferenzen und Aufbereitung der Informationen mittels Pressemappen und via Internet • Einladung und Betreuung von touristischen Fachzielgruppen (Fam-trips, Journalistenreisen, etc.) • Redaktionelle Zuarbeit für Tageszeitungen, Touristikpublikationen, Reiseführer, etc. • Durchführung öffentlichkeitswirksamer Events/Aktionen in Kooperation mit „Premiumpartnern“ • Auswertung der erschienenen Sylt-Tourismus-Artikel und Präsentation der Ergebnisse durch regelmäßige Herausgabe eines Pressespiegels • Pressedienst mit Hintergrundinformationen zum gewünschten Thema, Fotobeschaffung, Kontaktvermittlung für Interviewpartner oder sonstige Ansprechpartner, Hilfestellung bei der Ausarbeitung individueller Recherchereisen. Vertriebsstrategien Grundaufgabe der SMG ist, die Vertriebsmaßnahmen zu initiieren, zu fördern und zu unterstützen. Der Vertrieb von Produkten selbst wird jedoch nicht durch die SMG abgedeckt. • Ausweitung zeitgemäßer und zukunftsorientierter Vertriebswege in Form von OnlineMarketing und Onlinebuchbarkeit • Ausnutzung und Ausbau bewährter Distributionswege für gewerbliche Zielgruppen (Messen, Workshops, Akquisitionsreisen, Pressekonferenzen, etc.) • Ausweitung des Einsatzes von „Deskline-fit“ und weiterer Online-Portale unter Einbindung aller insularen Gemeinden, um einen einheitlichen Auftritt im weltweiten Datennetz zu schaffen • Einführung neuer Vertriebswege und Gewährleistung der Präsenz Sylts in den Märkten durch kontinuierliche Versorgung der TASH, DZT, etc. mit Informationen und Werbemitteln der Insel • Unterstützung von Aktionen und Bereitstellung spezieller Werbemittel für Unternehmen/Institutionen, die Sylt präsentieren • Ausbau der Sylt-Programme bei Reiseveranstaltern in allen Zielmärkten (Deutschland, Österreich, Schweiz). 4. Erschließung weiterer Finanzmittel Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, müsste das Budget deutlich aufgestockt werden. Die Finanzierung sollte auf drei Säulen basieren: Beteiligung aller, die auf Sylt am Tourismus verdienen; Refinanzierung aus den Projekten selbst sowie Sponsoring und Kooperation mit anderen Marken.

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

4.1.7

143

Grundsätze des Controllings

Auf der Basis des Managementprozesses als Kreislauf und eines entsprechenden funktionalen Managementverständnisses wird das Controlling zu einem unverzichtbaren Führungsinstrument. Dabei ist Controlling viel mehr als die einfache Übersetzung von „Kontrolle“. Es ist nicht als Teilfunktion oder Phase des Marketing-Management-Prozesses zu verstehen, sondern es durchwirkt das Gesamtsystem mit dem Ziel der Informationsversorgung von Führungsinstanzen. Das Controlling bezeichnet damit ein Konzept der Planung, Steuerung und Erfolgskontrolle des Unternehmens in seiner Gesamtheit. Es arbeitet sowohl gegenwarts- als auch zukunftsorientiert. Das operative Controlling betrachtet gegenwarts- und vergangenheitsorientierte Informationen und ist auf kurz- und mittelfristige Planungen bezogen. Beim strategischen Controlling geht es um die Zukunftsorientierung, d.h. die Ist-Daten der aktuellen Unternehmensentwicklung dienen als langfristige Planungsgrundlage, aus denen der Controller zukünftige Entscheidungsempfehlungen ableitet (vgl. Freyer 2007, S. 715ff und Steinmann/Schreyögg 2005). Als Funktionen des Controllings lassen sich verschiedene Aspekte anführen: Die zentrale Aufgabe des Controllings besteht in der Unterstützung der Planung des Managements. Es sorgt für Informationen, indem ein durchdachtes Informationssystem zur Unterstützung der Führungsaufgabe des Top-Managements aufgebaut wird. Der Controller dient als vertrauter Ratgeber der obersten Leitungsebene und nimmt eine Scharnierfunktion zwischen dem TopManagement und den Linienverantwortlichen (Verkauf, Personal, Produktion etc.) ein. Controlling hilft bei der Koordination der Managementfunktionen, indem die verschiedenen Aktivitäten des Unternehmens aufeinander abgestimmt werden. Das geschieht auf der horizontalen Ebene zwischen Unternehmensbereichen und vertikal zwischen unterschiedlichen Hierarchiestufen im Unternehmen. Nicht zuletzt funktioniert Controlling auch als Kontrolle. Im Dienstleistungsbereich bedeutet das die Kontrolle kundenbezogener Aktivitäten, und vorrangig geht es dabei um Soll-Ist-Vergleiche: Wurden die Planwerte erreicht? - Worin liegt ggf. die Abweichung? - Wie sind Veränderungen zum Vorjahr zu erklären? - Haben sich mit bestimmten Maßnahmen verknüpfte Erwartungen erfüllt? - Mit welchen Produkten/Dienstleistungen verdienen wir wirklich Geld? - Gibt es auffällige Unterschiede zwischen Betrieben, Abteilungen oder Verkaufsregionen? (vgl. Meffert & Bruhn 2003; Biermann 2003). Die strategische Kontrolle ist als korrespondierender Prozess der gesamten Planung zu verstehen. Mit der ersten Entscheidung im Unternehmen, d h. dem ersten Selektionsschritt im Planungsverfahren, geht das Management auch das erste Risiko einer möglichen Fehlentscheidung ein: War es richtig, sich für die Person X als Intendanten des Theaters zu entscheiden oder das Stück Y in der ersten Saison aufzuführen? Das strategische Controlling ist damit gleichbedeutend mit Risikomanagement. Jeder Planungsprozess braucht eindeutige Entscheidungen, um die Unsicherheit und Komplexität zu verringern. Nur mit einer Reduzierung der Aufgaben und des Arbeitsprozesses aufgrund von Prioritätensetzung und Filterung wird ein bearbeitbares Maß erreicht. Und jeder Reduktionsprozess ist selektiv und birgt ein fundamentales Risiko in sich: Habe ich mich richtig entschieden (?) und habe ich alle Informationen berücksichtigt, als die Entscheidung (z.B. für den Intendanten oder das Stück) fiel? Genau an dieser Stelle schafft die strategische Kontrolle Vorkehrungen zur Handhabung des

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4 Freizeitmanagement und -marketing

Selektionsrisikos. Sie begrenzt das Risiko der strategischen Ausrichtung und verschafft dem versuchsweisen Handeln der strategischen Planung durch ein kontinuierliches Monitoring den nötigen Spielraum. Strategische Kontrolle ist damit ein Gegengewicht zur Selektivität der Planung. Fortlaufend wird die Strategie und deren Umsetzung auf ihre weitere Tragfähigkeit überprüft und der Controller signalisiert Bedrohungen und dadurch notwendige Veränderungen des strategischen Kurses. Dieser ist durch das permanente Selektionsrisiko potenziell immer revisionsbedürftig (vgl. Steinmann/Schreyögg 2005). Als Referenzpunkt für das strategische Controlling gilt immer die Strategie selbst. Ohne diesen Bezugspunkt lässt sich keine Differenz bilden und somit auch keine Information gewinnen. Kaspar (1995) hat einige Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Controlling formuliert: (1) überprüfbare Unternehmensziele und Zielgrößen; (2) eine institutionell verankerte Unternehmensplanung und (3) die Verfügbarkeit von Unternehmensinformationen. Als „Gegengewicht“ zur Planung darf die strategische Kontrolle nicht selektiv angelegt werden, ihre Kompensationsfunktion ist globaler und ungerichteter Natur. Steinmann/Schreyögg (2005) haben drei Typen strategischer Kontrolle differenziert (vgl. Abb. 31):  strategische Überwachung als globale Kernfunktion  strategische Durchführungskontrolle  strategische Prämissenkontrolle. Die Prämissenkontrolle bezieht sich darauf, dass im Zuge der Strategieformulierung Prämissen (Zielsetzungen mit Priorität) gesetzt werden, dieser Vorgang automatisch Ausschlüsse impliziert und damit auch ein kontrollbedürftiges Risiko entsteht. Zum Zeitpunkt jeder Entscheidung (t1 in der Abb. 31) wird die Frage aufgeworfen, ob die explizit gemachten strategischen Prämissen weiterhin gültig sind. Inhaltlich deckt die strategische Kontrolle sowohl die priorisierten Bereiche als auch alle weiteren relevanten Entwicklungen auf dem Markt oder im Unternehmen ab. Unbekannte oder unerkannte Entwicklungen machen sich im Zuge der späteren Strategieimplementierung nach und nach als Störungen bemerkbar. Freyer (2007) bezeichnet diese Art des Controllings als Parallel- oder Verfahrenskontrolle. Mit dem Zeitpunkt der Umsetzung der Strategie (t2 in der Abb. 31) beginnt die Sammlung von Informationen über registrierbare Ergebnisse und damit die Durchführungskontrolle. Anhand von Störungen oder Abweichungen von ausgewiesenen strategischen Zwischenzielen kann festgestellt werden, ob der gewählte Kurs gefährdet ist. Solche Zwischenziele werden auch als Meilensteine bezeichnet. Die Meilensteinkontrolle (oder Planfortschrittskontrolle) registriert fortlaufend Abweichungen des „Ist“ vom „Soll“ und gibt ein entsprechendes Feedback, um eine rechtzeitige Anpassung des „Ist“ an das „Soll“ zu gewährleisten. Die Gültigkeit des „Soll“ (als strategische Entscheidung) ist dabei kein Thema. Freyer (2007) bezeichnet diese Art des Controllings als End- oder Ergebniskontrolle.

4.1 Grundlagen des Freizeitmanagements

145

Strategische Überwachung

Prämissenkontrolle

Durchführungskontrolle

Strategie wird formuliert

Strategie wird umgesetzt Zeitachse

Abb. 31 Der strategische Kontrollprozess (eigene Darstellung, nach Steinmann/Schreyögg 2005)

Die strategische Überwachung ist ein unspezifisches, globales Monitoring und dient als „Auffangnetz“. Die beiden anderen Kontrollaktivitäten sind dort eingebettet. Strategische Überwachung ist nicht grundsätzlich auf ein konkretes Kontrollobjekt bezogen. Als Maßstab für die Bewährung der gewählten Strategie dient die potenzielle Bestandsbedrohung des Unternehmens und diese kann sich durch eine konkrete Situation in der Umwelt des Unternehmens (Energiekrise, Krieg etc.) auf dem Markt (z.B. Fusionen bei Konkurrenten) oder im Unternehmen selbst (z.B. Kündigung wichtiger Mitarbeiter) in Form einer Krise bemerkbar machen. Alle drei strategischen Kontrolltypen haben unterschiedliche Kontrollobjekte und können in unterschiedlichem Maße vorstrukturiert und organisiert werden. Bei der Durchführungskontrolle sind die Kontrollobjekte in Form von Zwischenzielen (Meilensteinen) relativ gut definiert und es können entsprechende organisatorische Vorkehrungen getroffen werden. So kann der Marketing-Leiter bei einer Produkt-Neueinführung feststellen, ob ein bestimmter Marktanteil im festgelegten Zeitraum erreicht wurde. Bei der Prämissenkontrolle können kritische Annahmen und ggf. Schwellenwerte festgelegt werden (Prämissenliste), die kontrollierbar sind. Die Beobachtung der Prämissen erfolgt dann durch die sachlich zuständigen Funktionsbereiche. Bei der strategischen Überwachung wird ein möglichst breiter Kontrollschirm für potenzielle kritische Ereignisse aufgespannt. Es erfolgt eine relativ unorganisierte Überwachung der gesamten Umwelt und möglicher Ressourcen des Unternehmens. Erst im Zuge der Umweltbeobachtung wird je nach Situation die Entwicklung möglicher strategischer Bedrohungen sorgfältiger überwacht. Das Ausmaß der Gerichtetheit auf bestimmte Kontrollobjekte ist bei der strategischen Überwachung entsprechend gering, bei der

146

4 Freizeitmanagement und -marketing

Prämissenkontrolle mittelmäßig ausgeprägt und bei der Durchführungskontrolle entsprechend hoch. Als Informationsquellen für das Controlling dienen alle Arten von Veröffentlichungen (Geschäftsberichte, Verbandspublikationen, Informationsdienste etc.), Informationen und Beobachtungen von Personen, die im Wettbewerbsumfeld tätig sind (Vertriebsmitarbeiter, Vertreter von Zulieferern etc.), informelle Kontakte zu Konkurrenzunternehmen auf allen Hierarchieebenen, strukturierte Informationssysteme (Management Information Systems u.a.). Zur Gewinnung von Informationen kommen letztlich alle Methoden der Primär- und Sekundäranalyse im Rahmen der empirischen Sozialforschung sowie der Marktforschung zum Tragen. Die Informationsbewertung ist ein offener Prozess, der unterschiedliche Interpretationen und Relevanzeinschätzungen ermöglicht. Entschieden wird auf Vorstandsebene, denn dort laufen alle Informationen zusammen. Eine wichtige Voraussetzung für jede effektive strategische Kontrolle ist die kritikfähige Organisation. Ihr Merkmale sind durchlässige Kommunikationsstrukturen (geringe Schwellenängste, unkomplizierte Meldewege wie E-Mail), die Akzeptanz von Neinsagern (wenig Konformitätsdruck, Ermunterung zur Zivilcourage) und der Mut, eingeschliffene Denkmuster in Frage zu stellen („Querdenken“ erlaubt). Die Probleme für eine effektive strategische Kontrolle sind jedoch nicht zu unterschätzen. Die Weitergabe strategischer Kontrollinformationen bereitet häufig größere Schwierigkeiten, denn dies sind in der Regel unangenehme Informationen, besonders für die oberen Entscheidungsträger. Zudem können bürokratische Hemmnisse und (ungeklärte) Machtfragen einer regen Kontrollaktivität entgegen wirken. Eine weitere Barriere ist die Solidarität unter den Mitarbeitern, die zu gegenseitiger Rücksichtnahme führt oder auch die Furcht vor Vergeltungsschlägen von Kollegen. Soziale Spannungsfelder in Organisationen durch Gruppen, Allianzen etc. sind die „natürlichen Feinde“ einer optimalen strategischen Kontrolle (vgl. Steinmann/Schreyögg 2005). Biermann (2003) führt verschiedene Controlling-Instrumente an, die in der Praxis häufig Verwendung finden: einfache Kennzahlenanalysen (Finanzkennzahlen, qualitätsorientierte Kennzahlen oder Komposit-Kennzahlen); Anwendungen im Rahmen der Deckungsbeitragsrechnung (Break-Even-Analyse als Gewinnschwellen-Analyse, Prozesskostenrechnung zur Identifizierung von Kostentreibern oder Kundenwertanalyse durch Kundendeckungsbeiträge) oder differenzierte Methoden des sog. Performance Measurements (Balanced Scorecard oder Qualitätsmanagement).

4.2

Qualitätsorientierung in der Freizeit

Die Orientierung an Qualitätsanforderungen wird im Bereich der Freizeit- und Tourismuswirtschaft bereits seit Mitte der 1980er Jahre diskutiert. Sehr schnell wurde dabei deutlich, dass es sich nicht um ein Kann-Kriterium für das Management handelt, sondern Qualität sich zu einem enorm wichtigen Erfolgsfaktor in Bezug auf das Wettbewerbsverhalten von Freizeitunternehmen und Freizeitinstitutionen entwickeln würde. Eine nachweisbar hohe Qualität

4.2 Qualitätsorientierung in der Freizeit

147

zu erwirken ist damit Chance und Pflichtprogramm zugleich. Die Ursachen für die sich immer weiter ausbreitende Qualitätsoffensive sind vielfältig und stehen in engem Zusammenhang mit den allgemeinen Trends auf dem Freizeit- und Tourismusmarkt: zunehmender Konkurrenzdruck, Übersättigung der Märkte mit zunehmend gleichen Angeboten, Orientierung an der Masse und damit verbundene abnehmende Attraktivität sowie der Bedarf an einer verstärkten Orientierung an den anspruchsvollen Gästebedürfnissen (vgl. Müller, H. 2004, S. 12f). Doch was bedeutet Qualität überhaupt? Müller (2004, S. 21) hat es auf den Punkt gebracht: „Qualität heißt, Erwartungen erfüllen“. Deutlich weiter wird der Qualitätsbegriff von der ISO definiert: „Qualität bedeutet, die Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte oder vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“ (ISO 1994-1). Damit steht die Beziehung zwischen realisierter Beschaffenheit und individuellen Anforderungen stets im Mittelpunkt der Qualitätsbetrachtung. Im Rahmen der Freizeitwissenschaft haben wir es überwiegend mit Dienstleistungen zu tun. Diese haben im Rahmen der Qualitätsdiskussion inzwischen große Bedeutung erlangt. Meffert & Bruhn (2003) haben den Qualitätsbegriff entsprechend auf Services übertragen: „Dienstleistungsqualität ist die Fähigkeit eines Anbieters, die Beschaffenheit einer primär intangiblen und der Kundenbeteiligung bedürfenden Leistung aufgrund von Kundenerwartungen auf einem bestimmten Anforderungsniveau zu erstellen“. Sie berücksichtigen damit alle Merkmale von Dienstleistungen (Integration des externen Faktors, Immaterialität, Unoactu-Prinzip). Denn diese stellen sich als besondere Herausforderungen für ein Qualitätsmanagement dar: (1) eine Endkontrolle der Leistung vor „Auslieferung“ an den Kunden ist bei Services nicht möglich, (2) das Kundenverhalten stellt eine mögliche zusätzliche Fehlerquelle bei der Leistungserstellung dar, (3) ein einmal aufgetretener Fehler ist nachträglich schwer zu beseitigen, (4) das wahrgenommene Risiko bei Dienstleistungen erhöht die Bedeutung der experience qualities, d.h. der eigenen Erfahrungen mit den angebotenen Leistungen. Diese Schwierigkeiten unterstreichen, dass Qualitätsmanagement für Dienstleistungsanbieter besonders wichtig ist. Aus der Sicht von Kunden oder Gästen vollzieht sich die Beurteilung von Qualität meistens nach denselben Kriterien. Gute Servicequalität bedeutet für ihn, die eigenen Erwartungen zu übertreffen, d h. es geht um die Differenz zwischen erwarteter und tatsächlich erbrachter oder wahrgenommener Leistung. Beeinflusst werden die Erwartungen der Kunden dabei von verschiedenen Aspekten (vgl. Müller, H. 2004, S. 23f):    

Mund-zu-Ohr-Propaganda Persönliche Situation und Bedürfnisse der Kunden Vergangene Erfahrungen mit dem Anbieter Kommunikation des Anbieters.

Zeithaml, Parasuraman & Berry (1992, S. 202) haben auf der Basis vielfältiger Untersuchungen fünf Schlüsseldimensionen der Servicequalität herausgearbeitet, verbunden mit entsprechenden Eigenschaften, die erfüllt sein müssen, um hervorragende Qualität zu kennzeichnen. Dieser Erklärungsansatz wird auch als SERVQUAL-Modell bezeichnet:

148

4 Freizeitmanagement und -marketing

 Die Zuverlässigkeit (Reliability) eines Betriebes, die versprochenen Leistungen zeitlich und qualitativ erfüllen zu können.  Leistungs- und Fachkompetenz (Competence) als Versicherung, dass die in Aussicht gestellte Leistung fachgerecht und rasch erbracht werden kann.  Freundlichkeit und Entgegenkommen (Responsiveness) als Fähigkeit der Mitarbeiter eines Betriebes, auf Kundenwünsche einzugehen und diese zuvorkommend erfüllen zu können.  Einfühlungsvermögen (Empathy) als Fähigkeit der Mitarbeiter eines Betriebes, sich in die Kunden einzufühlen und die Erwartungen und Bedürfnisse zu erkennen.  Das materielle Umfeld (Tangibles) des Betriebes, bezüglich der technischen Ausstattung, angenehmer Einrichtung, der Kleidung der Mitarbeiter bis zur Gestaltung der Kommunikationsmedien. Ein weiteres Modell zur Erfassung und Erklärung der Servicequalität ist das GAP-Modell, das ebenfalls von Zeithaml, Parasuraman und Berry entwickelt wurde (vgl. Bruhn 2006). Es erklärt die möglichen Ursachen für nicht zufriedenstellende Qualität, d.h. an welcher Stelle des Serviceprozesses eine Differenz („Gap“) zwischen der erwarteten und der wahrgenommenen Leistung entsteht. Grundlegend für das GAP-Modell ist eine Zweiteilung in die Ebene des Unternehmens und die des Kunden sowie die Darstellung von Konfliktbereichen in der Interaktionsbeziehung zwischen Unternehmen und Kunde bzw. innerhalb des Unternehmens (vgl. Abb. 32). Die einzelnen Gaps, oder „Erwartungslücken“ in den gegenseitigen Beziehungen zwischen Anbieter und Kunde stellen sich wie folgt dar (vgl. Müller, H. 2004, S. 29ff):  GAP 1: Tatsächliche und durch das Management wahrgenommene Kundenerwartungen weisen eine Diskrepanz auf. Die Ursachen können mangelnder Kundenkontakt oder ungenügende Marktforschung sein.  GAP 2: Wahrgenommene Gästeerwartungen und anschließende Umsetzung in der Beschreibung der Leistungsqualität differieren. In diesem Fall ist ggf. die interne Kommunikation mangelhaft.  GAP 3: Beschreibungen der Leistungsqualität und die tatsächliche Leistungserstellung weisen Diskrepanzen auf. Hier kann es an der mangelnden Qualifikation und/oder Motivation der Mitarbeiter liegen, oder die technische Ausstattung ist nicht ausreichend.  GAP 4: Tatsächlich erbrachte Leistung und kundengerichtete Kommunikation weichen voneinander ab. Mangelhafte unternehmensinterne Kommunikation oder missverständliche Werbeaussagen können hier die Ursache sein.  GAP 5: Kundenerwartungen und tatsächlich erbrachte Leistungen weisen aus der subjektiven Wahrnehmung / dem Erleben des Kunden Unterschiede auf.

4.2 Qualitätsorientierung in der Freizeit Mund-zu-MundKommunikation

149 Individuelle Bedürfnisse

Erfahrungen in der Vergangenheit

Erwartete Dienstleistung

Kunde

GAP5 Wahrgenommene Dienstleistung

GAP1

Tatsächliche Dienstleistung GAP3 Spezifikation der Dienstleistung (Konzept)

Dienstleister GAP2

Quelle: Parasuraman/Zeithaml/Berry (1988)

GAP4

Kundengerichtete Kommunikation

Kundenerwartung In der Wahrnehmung Des Managements

Abb. 32 GAP-Modell (Müller, H. 2004, S. 30)

Eine weitere Lücke, die im Modell von Zeithaml, Parasuraman und Berry nicht beschrieben ist, kann theoretisch auch zwischen der vermeintlich objektiv erbrachten Leistung und der vom Kunden subjektiv wahrgenommenen / erlebten Leistung auftreten (Kühn 1998 zitiert in Müller, H. 2004, S. 31). Wenn von Qualitätsmanagement die Rede ist, dann bezeichnet dies ein auf die gesamte Organisation bezogenes Verfahren, das sich im Bemühen um ständige Verbesserung an den legitimen Bedürfnissen der Bürger/Kunden orientiert. Es gibt formale Verfahren, bei denen sich Organisationen durch Zertifikat einer unabhängigen und hierfür autorisierten Stelle bestätigen lassen, dass sie ein Qualitätssicherungssystem eingeführt haben und alles zur Erreichung der Qualitätsziele Notwendige tun und dokumentieren. Diesem Konzept folgt die Normenreihe DIN-EN 9000 ff. Ein umfassendes Qualitätsmanagement, das alle Unternehmensbereiche und jeden Mitarbeiter einbezieht wird auch als Total Quality Management (TQM) bezeichnet. Es ist ein langfristiges, integriertes Konzept, das die Qualität von Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens durch die Mitwirkung aller Mitarbeiter termingerecht und zu günstigen Kosten gewährleistet sowie kontinuierlich verbessert, um eine optimale Bedürfnisbefriedigung der Konsumenten zu ermöglichen. Müller, H. (2004, S. 43f) hat einige Grundsätze festgehalten, an denen sich das TQM orientiert:

150

4 Freizeitmanagement und -marketing

 Gästeorientierung: Optimales erfüllen der Kunden- bzw. Gästebedürfnisse ist eine zentrales Motiv.  Führungsverantwortung: TQM-Philosophie muss von der Unternehmensleitung initiiert, vorgelebt und am Laufen gehalten werden.  Mitarbeiterorientierung: Motivation und Qualifikation der Mitarbeiter als Schlüsselfaktor, denn nur zufriedene Mitarbeiter können dauerhaft qualitätvolle Leistungen erbringen.  Umweltorientierung: TQM leistet aktiven Beitrag zur Verbesserung der Umweltsituation und Lebensqualität.  Prozessdenken: Dienstleistung als Leistungsprozess, der aus vielen Arbeitsvorgängen besteht. Die Qualität der Einzelprozesse bildet somit die Qualität des Ganzen.  Verbesserungsprozess: Auftretende Fehler als Chance für Verbesserungen erkennen und nutzen. Damit können Arbeitsprozesse Schritt für Schritt optimiert werden.  Systematisches Vorgehen: TQM ist als geplantes und systematisches Projektmanagement mit entsprechenden Instrumenten, Organisationsstrukturen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten umzusetzen. In der Freizeit- und Tourismuspraxis gibt es inzwischen sehr viele Beispiele für die Umsetzung des Qualitätsmanagements. Der Deutsche Tourismusverband (DTV) hat eine Aufstellung zahlreicher Qualitätsinitiativen im Deutschlandtourismus vorgenommen, die in den meisten Fällen einen direkten Bezug bzw. Einfluss auf die Freizeit haben, ganz einfach weil die meisten Tourismusräume - abgesehen von Hotelanlagen etc. - auch für Freizeitaktivitäten zur Verfügung stehen (http://www.qualitaet-im-deutschlandtourismus.de/index.php). Zwei Beispiele für solche freizeitrelevanten Initiativen sind: Kinderland Bayern Dies ist eine Qualitätsinitiative, die seit 2003 als Marke in Bayern geführt wird. Träger ist die Bayern Tourismus Marketing GmbH. Finanziert wird die Initiative durch die GmbH und die jeweiligen Kinderland-Partner. Mit der Qualitätsinitiative werden Regionen, Orte und Betriebe wie Hotels, Bauernhöfe, Campingplätze und Freizeiteinrichtungen angesprochen. Die Zielsetzungen sind (1) eine Sicherung bzw. Steigerung von Qualitätsstandards in den Betrieben; (2) eine zielgruppenorientierte Qualität des Angebots; (3) eine Angebotstransparenz für den Gast. Der Kinderland-Kriterienkatalog ist unterteilt in so genannte Muss- und Bärchen-Kriterien. Für die Teilnahme an dem Markenkonzept müssen alle Muss-Kriterien erfüllt sein und mindestens 40 % der Kriterien, die in den Fragebögen mit einem Bärchen gekennzeichnet sind. Alle Kinderland-Partner bekommen zur Unterstützung der Markeneinführung im Haus ein so genanntes Starterset bestehend aus: Kinderland-Plakette sowie Briefpapier, Poster, Flyer, Pins, etc. Der Partnervertrag läuft über 3 Jahre. Für eine Verlängerung ist eine erneute Überprüfung nötig. Überprüfungen werden durch vier unabhängige, von der Bayern Tourismus Marketing GmbH beauftragte und geschulte Prüfer durchgeführt. 2009 gab es über 300 zertifizierte

4.3 Management von Freizeit-Destinationen

151

Partner aus den Bereichen: Übernachtung, Ort/Region und Erlebnis (Bayern Tourismus Marketing GmbH 2009). Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland Die Zielgruppe der Qualitätsinitiative sind alle Beherbergungsbetriebe und Gastgeber in deutschen Wanderregionen. Auch reine Gastronomiebetriebe können das Zertifikat „Qualitätsgastgeber“ erlangen. Seit 2005 ist das Ziel des Initiators Deutscher Wanderverband der Aufbau einer bundesweiten Marke. Es sollen Qualitätsbewusstsein und Qualitätsansprüche bei Wandergästen und Gastgebern entwickelt, eine höhere Angebotstransparenz für Wandergäste geschaffen sowie eine Vermarktungsmöglichkeit für Gastgeber von wanderfreundlichen Unterkünften gegeben werden. Der Betrieb, der die Auszeichnung „Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland“ erhalten möchte, muss 21 Kernkriterien und mindestens 8 von 15 Wahlkriterien erfüllen. Darüber hinaus werden einige zusätzliche Merkmale abgefragt, die das Prüfungsergebnis jedoch nicht direkt beeinflussen. Für reine Gastronomiebetriebe gibt es einen eigenen Kriterienkatalog. Die Kriterien werden vor Ort von erfahrenen und vom Deutschen Wanderverband geschulten Experten geprüft. Die Gastgeber bekommen ein Schild sowie eine Urkunde. Die Betriebe erhalten außerdem die Möglichkeit mit dem Logo und Begriff „Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland“ zu werben. Des Weiteren werden die zertifizierten Betriebe im Internet-Portal www.wanderbares-deutschland.de und in den Printmedien des Verbandes präsentiert. Die Zertifizierung hat eine Gültigkeitsdauer von 3 Jahren. 2009 gab es 1.280 ausgezeichnete Qualitätsgastgeber (Deutscher Wanderverband 2009).

4.3

Management von Freizeit-Destinationen

Seit den 1990er Jahren ist eine deutliche Professionalisierung in der lokalen und regionalen Tourismusarbeit zu beobachten. Tourismusorte, als Konzentrationspunkte und Schauplätze der touristischen Nachfrage, treten zunehmend als eigenständige Akteure auf dem Tourismusmarkt auf. Sie übernehmen die Aufgaben von touristischen Leistungsträgern, Reiseveranstaltern und Reisemittlern. Damit einhergehend verstehen sich viele Tourismusorte und regionen erstmals als Destinationen (vgl. Steinecke 2006). Diese Entwicklung hat natürlich auch Auswirkungen auf die Freizeitangebote eines Ortes / einer Region, die aus touristischer Sicht als ein Angebotsbaustein zu verstehen sind. Unter dem Begriff Destination wird ein geographischer Raum (Ort, Region), den der jeweilige Gast als Reiseziel auswählt, verstanden. Er enthält sämtliche für einen Aufenthalt notwendige Einrichtungen für Beherbergung, Verpflegung, Unterhaltung, Beschäftigung. Die Destination ist damit die Wettbewerbseinheit im Incoming-Tourismus, die als strategische Geschäftseinheit geführt werden muss (vgl. Bieger 2008). Diese Institutionen des (Incoming) Tourismus finden sich inzwischen auf allen Maßstabsebenen von Destinationen (Kommu-

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4 Freizeitmanagement und -marketing

nen, Kreise, Länder, Bundesebene). Sie sind privat, öffentlich oder privat/öffentlich organisiert. Für Deutschland wird die Anzahl der Institutionen im Destinationsmanagement auf ca. 4.000 im kommunalen Bereich und ca. 350 im regionalen Bereich beziffert (vgl. Bleile 2001 in Steinecke 2006). Bieger (2008) beschreibt die Hauptaufgaben im Destinationsmanagement mit der Tourismusplanung auf der normativen und der strategischen Ebene, der Angebotsgestaltung auf der operativen Ebene, dem Marketing-Management als übergreifende Gesamtaufgabe und der Interessenvertretung, vor allem auf den Ebenen der Kommunikation und der Kooperation. Da in vielen Orten die Aufgabenfelder von Stadtmarketing und Destinationsmanagement inzwischen in einer gemeinsamen Institution gebündelt werden und das Stadtmarketing/ -management als Klammer für die Integration von Tourismus- und Freizeitinteressen sowie angeboten in einem Ort angesehen werden kann, soll dieser Managementbereich im folgenden Abschnitt intensiver beleuchtet werden.

4.3.1

Stadtmarketing und -management

Wenn zuvor von der Destination, als geographischem Raum (Ort, Region), den der jeweilige Gast als Reiseziel auswählt, die Rede war, so bezieht sich dieses Kapitel nicht mehr nur auf den Touristen als Zielgruppe, sondern auf alle Anspruchsgruppen, die an der Stadtentwicklung teilhaben. Die Stadt ist als Betrachtungsraum für die Freizeitwissenschaft insofern von besonderer Bedeutung, als dass der Anteil der städtischen Bevölkerung in Deutschland inzwischen 73% beträgt und damit fast genau im europäischen Durchschnitt (72%) liegt (UN 2007). Die Stadt erfüllt als Lebensraum für die Einwohner auf der einen Seite und als touristischer Raum für die Gäste auf der anderen Seite vielfältige Funktionen, die im Rahmen der Freizeitwissenschaft von besonderem Interesse sind. Aufgabe des Stadtmarketing /-managements ist es dabei, diese vielfältigen Interessen, Erwartungen und Ansprüche im Rahmen eines permanenten Prozesses zu koordinieren und zu integrieren. Da sich in der Fachliteratur der Begriff Stadtmarketing für alle Marketing-Management-Prozesse, die in Bezug auf die Stadt diskutiert werden, durchgesetzt hat, wird der Begriff in den folgenden Ausführungen ebenfalls in diesem Sinne verwendet (vgl. Helbrecht 1994, Funke 1997, Grabow & HollbachGrömig 1998, Hollbach-Grömig et al. 2005, Hartmann 2008a). Stadtmarketing hat sich seit Beginn der 1990er als Instrument zur nachhaltigen Stadtentwicklung im Sinne einer Innovation in ganz Deutschland verbreitet und bis heute konsolidiert. Birk et al. (2006a) sprechen von mehreren Entwicklungsphasen, die das Stadtmarketing dabei durchlaufen habe. Gegenwärtig befinde es sich in der dritten Phase, in der Stadtmarketing sich in geringerem Tempo als in der zweiten Phase (seit Beginn der 1990er) weiter verbreite und häufig pragmatisch und teilweise eingegrenzt interpretiert werde. Der 1996 gegründete Dachverband „Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V.“ (BCSD) hat inzwischen Mitglieder aus mehr als 200 Städten und Gemeinden aller Größenordnungen. Dort werden Stadtmarketing-Prozesse unterschiedlichster Form und funktionaler Ausrichtung in vielgestaltigen Organisationseinheiten betrieben. Allen gemeinsam ist die Grundidee einer neuen öffentlich-privaten Partnerschaft.

4.3 Management von Freizeit-Destinationen

153

Auch wenn die Definitionen für Stadtmarketing uneinheitlich sind, kann übergreifend festgehalten werden, dass Stadtmarketing als ein Management-Prozess zu verstehen ist, durch den die Entscheidungsträger in einer Stadt in einem institutionalisierten, integrativen Verfahren zu kooperativem Handeln veranlasst werden sollen. Helbrecht (2006) versteht Stadtmarketing im Kern als einen Handlungsansatz, der integrierte Stadtentwicklungspolitik durch die moderierte Abstimmung privater und öffentlicher Akteure ermöglicht. Idealerweise werden unter dem Dach eines gemeinsamen Leitbildes verschiedene Teilbereiche der Stadtentwicklung unter Berücksichtigung wesentlicher Elemente privatwirtschaftlicher Marketingstrategien zusammengeführt („Stadt als Unternehmen“). Dazu gehören im Bereich der öffentlich-privaten Partnerschaften das Standort-, das Tourismusund das City-Marketing sowie im öffentlichen Bereich das Verwaltungsmarketing. Neben der Grundidee eines Public-Private-Partnership (PPP) gehen theoretische Ansätze ebenso von einem ganzheitlichen und strategisch orientierten Ansatz der Stadtentwicklung aus (vgl. Helbrecht 1994, Funke 1997, Grabow & Hollbach-Grömig 1998). In der Praxis sieht es mitunter ganz anders aus: Einerseits entwickeln die „Fundamentalisten“ des Stadtmarketings visionäre Leitbilder auf ganzheitlicher Basis, und andererseits kämpfen die „Realisten“ des Stadtmarketings um jeden Euro und versuchen unseren Städten wichtige Impulse für die Zukunft zu geben. Am Ende ist sicher eine pragmatische Zielorientierung entscheidend, um wichtige Impulse für eine attraktive Gestaltung und einen nachhaltigen Strukturwandel unserer Städte zu geben. Angesichts schwieriger Rahmenbedingungen, wie der Finanzierungsnot, den sich verändernden Strukturen in Handel und Gewerbe, dem regionalen und internationalen Wettbewerbsdruck, werden die für das Stadtmarketing zuständigen Organisationseinheiten heute zunehmend in die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit verwiesen. Ein Grundproblem angesichts immer knapper werdender Kassen auf allen Seiten ist es unter anderem, dass wünschenswerte Entwicklungen oft nicht durchgesetzt werden können, weil sich nur ein Teil der privaten Betriebe, die von Aufwertungsmaßnahmen profitieren, freiwillig an deren Finanzierung beteiligt – das bekannte Problem der „Trittbrettfahrer“. Doch es gibt noch eine Reihe weiterer Probleme bzw. Defizite von Instrumenten zur Attraktivitätsförderung von Städten. Dazu zählen die mangelnde Kooperation und Uneinigkeit zwischen den Akteuren, die fehlende Verbindlichkeit, die Kurzfristigkeit der meisten Projekte sowie der fehlende Einbezug aller Akteure vor Ort (besonders der Grundeigentümer und Immobilienbesitzer). Zudem werden die Initiativen häufig nicht von den Betroffenen selbst ergriffen (Top-Down-Effekt) (vgl. Rittmeier 2005). Trotz dieser Einschränkungen in den möglichen Wirkungen von Stadt- und Citymarketingprojekten zeigen die Ergebnisse einer Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), dass 90% aller befragten Kommunen in Deutschland Stadtmarketing entweder planen oder schon Erfahrungen gewonnen haben. Kommunen, die keine Stadtmarketing-Aktivitäten betreiben, tun dies zumeist aufgrund fehlender finanzieller und/oder personeller Kapazitäten. Besonders präsent ist das Stadtmarketing in deutschen Großstädten, die zu 100% über Stadtmarketing-Erfahrungen verfügen (vgl. Hollbach-Grömig et al. 2005). Was darunter genau verstanden wird, wäre angesichts der größer werdenden Diskrepanz zwischen theoreti-

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4 Freizeitmanagement und -marketing

scher Reflexion und praktischer Anwendung noch genauer zu beleuchten. Hier ergeben sich bereits neue Fragestellungen für empirische Forschungsansätze im Stadtmarketing. Im Spannungsfeld zwischen der Theorie und der Praxis des Stadtmarketings sind es verschiedene Grundströmungen, die erkennbar werden und ggf. Hinweise für die Ausprägung einer zukünftigen vierten Phase des Stadtmarketings erkennen lassen: (1) die zunehmende Versachlichung und pragmatische Ausrichtung, (2) die stärkere Ökonomisierung und Professionalisierung sowie (3) die Einbeziehung des Megatrends Erlebnisorientierung und der Markenbildung in das Stadtmarketing (vgl. Hartmann 2008a). Die beiden erstgenannten Strömungen sollen in den folgenden Ausführungen näher betrachtet werden. Weitere Ausführung zu den Themen Erlebnisorientierung und Markenbildung erfolgen in den entsprechenden Abschnitten dieses Buches (vgl. Kap. 4.4.4 und 4.4.5). Versachlichung und pragmatische Ausrichtung des Stadtmarketings In der Praxis hat sich inzwischen eine „Versachlichung“ des Stadtmarketings, weg vom Anspruch eines allumfassenden und grundständigen Prozesses, hin zum pragmatischen Ansatz, durchgesetzt. Stadtmarketing kann im operativen Bereich als eine Art Dienstleistung verstanden werden, in deren Zuständigkeitsbereich die Fäden für Konzeption, Koordination und Kommunikation zusammenlaufen. Dabei wird das Konzept von Stadtmarketing in vielen Fällen nach wie vor als umfassender Ansatz verstanden. Der Trend geht deutlich hin zu einer verbindlicheren und professionelleren Form der Aufgabenwahrnehmung im Stadtmarketing. Häufig sind wenige, aber dafür finanziell potente Akteure im Stadtmarketing aktiv. Die Herausforderung für die Stadtmanager ist es entsprechend, einerseits der Dominanz professionell orientierter Gruppen - vor allem aus Handel und Politik - gerecht zu werden, aber andererseits zugleich auf einen Ausgleich „harter“ und „weicher“ Interessen, z.B. von engagierten Bürgern, hinzuarbeiten. Stadtmarketing konzentriert sich inzwischen auf einen Kernbereich, der sich aus den Themenfeldern Stadtentwicklung, Tourismus, Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaft und Kultur zusammensetzt. Jede fünfte Stadt in Deutschland verfolgt dabei einen vergleichsweise umfassenden Ansatz (vgl. Typ 1 weiter unten). Vor dem Hintergrund der ganzheitlichen Idealform von Stadtmarketing ist die enorme Ausbreitung des partiellen oder rudimentären Stadtmarketings allerdings eher Besorgnis erregend (vgl. Typ 4). In der Typologie von Grabow & Hollbach-Grömig (2006b) wird deutlich wie weit sich die „Innovation Stadtmarketing“ in der Praxis inzwischen hin zu „machbaren“ Formen von Stadtmarketing entwickelt hat:  Typ 1: Umfassendes Stadtmarketing (inkl. umfassendes City-Marketing) ca. 20% aller Orte (+/-0 gegenüber 1995)  Typ 2: Stadtmarketing mit Einzelschwerpunkten (Einzelhandel, Stadtwerbung, Standortmarketing, Stadtentwicklung) ca. 22% (1995 = 29%)  Typ 3: Stadtmarketing mit mehreren Schwerpunkten („individuelles Stadtmarketing“) ca. 5% (1995 = 27%)  Typ 4: Partielles / rudimentäres Stadtmarketing (ohne eindeutigen Schwerpunkt) ca. 53% (1995 = 24%) … davon 9% hochaktiv / 11% neutral / 17% wenig aktiv / 16% wenig Kooperation.

4.3 Management von Freizeit-Destinationen

155

Als wichtigste Zieldimensionen des Stadtmarketings in der Praxis gelten vor allem die Bewerbung und Profilierung der Stadt sowie bereits deutlich nachrangig die Stärkung der Innenstadt. Erst mit weiterem Abstand folgen weitere Zieldimensionen wie die „Kooperation mit Privaten“, „Strategie und Information“, ein „kundenorientiertes Leitbild“ und die Wirtschaftsförderung. Der räumliche Schwerpunkt der meisten Projekte liegt in der Innenstadt. Auf der Ebene der wichtigsten konkreten Ziele ergibt sich folgende Rangliste: (1) Stadt attraktiver machen, (2) Handel fördern, (3) Stadt profilieren, (4) für die Stadt werben, (5) öffentlich-private Kooperationen fördern, (6) Entwicklung der Stadt strategisch ausrichten, (7) Wirtschaftsförderung betreiben sowie (8) private Akteure in Stadtentwicklung einbeziehen (vgl. Grabow & Hollbach-Grömig 2006a). Diese Befunde unterstreichen die These der pragmatischen Ausrichtung des Stadtmarketings in der Gegenwart, ohne dass die Kooperation und Integration in einer ganzheitlich verstandenen Stadtentwicklungspolitik gänzlich verdrängt wird. Der integrative Ansatz wird nur mitunter zweitrangig beurteilt. Erst auf der Ebene der Erfolgsdimensionen, die dem Stadtmarketing zugeschrieben werden, zeigt sich, dass es neben der Etablierung des Instruments durch Umsetzungserfolge auch um Nutzen durch Kooperation und die Verbesserung der strategischen Ausrichtung geht (vgl. Grabow & Hollbach-Grömig 2006a). Ökonomisierung und Professionalisierung des Stadtmarketings Bereits im letzten Abschnitt wurde im Zusammenhang mit der pragmatischen Orientierung deutlich, dass ökonomische Interessen, häufig von Innenstadtakteuren, und Finanzierungsprobleme wichtige Triebfedern für Veränderungen im Stadtmarketing sind. Die damit einhergehende zunehmende Professionalisierung zeigt sich in vielen Themenbereichen: neue Formen von Partnerschaften und Kooperationen (z.B. Cross Marketing, interkommunale Kooperationen), die Übertragung moderner Marketingkonzepte (z.B. Erlebnismarketing, Markenentwicklung) und die Stärkung und Fokussierung auf die Innenstädte als attraktive „Shopping-Center“. Vor allem in Bezug auf den letzten Bereich könnte das Instrument der Business Improvement Districts (BID) eine Chance für die Lösung der Organisations- und Finanzierungsprobleme im Stadtmarketing darstellen und soll deshalb an dieser Stelle näher beleuchtet werden. In Kanada und den USA gibt es BID als eine Konstruktion zur Bündelung der Immobilieneigentümer für Standort bezogene Aktivitäten bereits seit 30 Jahren. Dort haben sich BID zu einem der erfolgreichsten Instrumente zur Revitalisierung und Stärkung innerstädtischer Geschäftsbereiche entwickelt. Bis 2001 existierten in Nordamerika mehr als 1.200 BID (45 allein in New York, 34 in Toronto) und es gab 48 US-Bundesstaaten mit BID-Gesetzgebung. Darüber hinaus hat sich die Idee in die ganze Welt verbreitet (vgl. MSWKS 2001). Aber erst zu Beginn des neuen Jahrtausends erreichte die BID-Idee Europa. Hier war es Großbritannien, das im Jahr 2003 die ersten 22 BID-Modellprojekte initiierte (www.ukBID.org). Seit 2004 gibt es auch in Deutschland die Möglichkeit der Förderung von StadtmarketingProjekten mit BID-Charakter in Nordrhein-Westfalen und 2005 trat in Hamburg das erste BID-Gesetz in Kraft. Eine Definition von BID erscheint aufgrund ihrer starken ökonomischen Ausrichtung etwas einfacher als die von Stadtmarketing als Ganzem. Als Grundlage für ihre international aus-

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4 Freizeitmanagement und -marketing

gerichtete Studie hat Hoyt (2003) BID wie folgt definiert: “A BID is a publicly sanctioned, yet privately directed organization that supplements public services to improve shared, geographically defined, outdoor public spaces. Moreover, such organizations subscribe to a selfhelp doctrine, whereby a compulsory self-taxing mechanism generates multi-year revenue”. Eine Analyse verschiedener BID in Nordamerika kam zu folgendem Ergebnis:  Ein BID ist ein räumlich klar definierter Bereich (Straße, Quartier, City);  Es entsteht auf Initiative der lokalen Wirtschaft (Grundeigentümer und Mieter) und wird durch Beschluss der Gemeindeversammlung konstituiert;  Es erhält das Aufkommen einer festen, von den Grundeigentümern zu erbringenden Abgabe, die zusammen mit der Grundsteuer erhoben wird;  Das BID nutzt diese Mittel zur Finanzierung von Investitionen und Dienstleistungen zur Verbesserung des geschäftlichen/städtischen Umfeldes;  Ein BID endet nach 5 Jahren automatisch (“sunset clause”) (vgl. MSWKS 2001). Im Rahmen der diversen Diskussionen, Gesetzesentwürfe und bereits verabschiedeten Gesetze in Deutschland ist deutlich geworden, dass diese „Definitionen“ grundsätzlich auch bei uns Bestand haben, sich jedoch auch spezifische Anpassungen ergeben (vgl. Hartmann 2008a). Die Aufgaben und Funktionen von BID sind sehr vielfältig und abhängig von den lokalen Problemen. In den USA und Kanada hatten sich in den 1970er und 80er Jahren die Bereiche Sauberkeit und Sicherheit als Schwerpunkte entwickelt. Im Laufe der Zeit erweiterte sich der Aufgabenbereich der BID deutlich und es kamen eine Reihe weiterer Funktionen hinzu: Besucherbetreuung; Marketing und Werbung; Pflege des Geschäftsbestandes und Anwerbung neuer Geschäfte; Gestaltung, Management und Pflege des öffentlichen Raumes; Parkraumbewirtschaftung und ÖPNV; soziale Dienste (z.B. Obdachlosenhilfe); Weiterentwicklung von Strategien und Maßnahmen sowie die Finanzierung von Investitionen (vgl. Bloem 2003). Insgesamt ist festzustellen, dass die Funktionsbereiche eine deutliche Deckungsgleichheit mit Stadt- und Citymanagementorganisationen in Deutschland aufweisen. Ein grundlegender Unterschied ist die starke Einbeziehung des öffentlichen Raumes in die BIDZuständigkeiten. Dieser Bereich zählt in Deutschland zu den hoheitlichen Aufgaben der Kommunen, und dessen Integration in das Aufgabenspektrum von BID-Organisationen führt hierzulande zu einer sehr kontroversen Diskussion, angesichts der bereits bestehenden, vergleichsweise hohen Abgabenlast gewerblicher Unternehmen in Deutschland. Die Diskussion um BID in Deutschland begann mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung. Erst nach Veröffentlichung der ersten BID-Studie (MSWKS 2001) rückte das Thema im Jahr 2002 in den Mittelpunkt des Interesses der Stadt- und Citymanagement-Diskussion. Doch bereits nach einigen Monaten der Diskussion in Deutschland galt es als sicher, dass nicht allein mit dem Instrument BID alle Probleme in den deutschen Städten gelöst werden können. Vielmehr muss die Tauglichkeit dieses Tools in Verbindung mit schon existierenden City- und Stadtmarketingprozessen in Deutschland eingehend geprüft werden. Bei den Initiativen, die auch bei uns zu BID führen (können), handelt es sich um solche, die aus einer

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

157

örtlichen Betroffenheit heraus entstehen. Inzwischen werden BID bundesweit diskutiert und bereits vereinzelt in unterschiedlichen Formen umgesetzt. Allerdings werden sie in Deutschland fast ausschließlich in Zusammenhang mit Innenstadtentwicklung und Einzelhandel diskutiert (vgl. Hartmann 2008a). Die Freizeit- und Tourismuswirtschaft leistet einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Erfolg von BID bzw. profitiert insbesondere dieser Bereich von den positiven Entwicklungen, die durch BIDs induziert werden. Hier steht für die Freizeit- und Tourismuswissenschaft ein Forschungsfeld offen, das bislang nur in Ansätzen bearbeitet wurde (vgl. Hartmann 2006a). Eine wichtige, noch zu erforschende Frage bleibt, ob sich BID primär nur für Innenstädte bzw. Quartiere mit Handelsschwerpunkt eignen oder dieses Instrument auch in anders strukturierten Stadträumen umsetzbar ist. Beispiele aus Nordamerika und England haben gezeigt, dass auch ländliche Räume, ökologisch sensible Gebiete oder stark durch Freizeit und Tourismus geprägte Gebiete für BID in Frage kommen: z.B. der Bryant Park in New York City, die Initiative „greenTbiz“ in Toronto oder die Gemeinde Keswick im Lake District National Parc in England (vgl. Hartmann 2006a). Wurde das Stadtmarketing in den 90er Jahren noch als „Mythos“ und als „hegemoniale Form für eine moderne Stadtentwicklung“ verehrt, kann bezogen auf die letzten 10 Jahre ein zunehmender Trend weg von anspruchsvollen, komplexen Konzepten verzeichnet werden. Stadtmarketing ist immer weniger Theorie geleitet und war dies möglicherweise auch nie in der Form wie es Wissenschaftler gerne gesehen hätten. Aber in der Praxis hat Stadtmarketing einen sehr großen Facettenreichtum an Möglichkeiten geschaffen Stadtentwicklungsprozesse mitzugestalten. Und ganz gleich wie man die unterschiedlichen Typen von Stadtmarketing aus theoretischer Perspektive bewerten mag, bleibt festzuhalten, dass Stadtmarketing Nutzen gestiftet, Kommunikation gefördert und die Umsetzung von Maßnahmen befördert hat (vgl. Birk et al. 2006b). Es ist zwar eine Auflösung des ganzheitlichen Ansatzes und eine zunehmende Pragmatisierung abzulesen, aber in der Praxis ergeben sich daraus auch Chancen. Diese liegen nicht zuletzt in den Konzepten der Erlebnisorientierung, der Markenentwicklung und der BID, zu denen jeweils auch ein grundständiger Prozess der Identitätsfindung gehört. Insgesamt vollzieht sich eine fortschreitende Professionalisierung des Stadtmarketings, hin zur flexiblen, kundennahen und effektiven Projektorganisation. Und dies geschieht auch in der Praxis nicht ohne jede normative und strategische Basis (vgl. Grabow & Hollbach-Grömig 2006a, Hartmann 2008a).

4.4

Grundlagen des Freizeitmarketings

Es sind in den vorangegangenen Kapiteln bereits viele Bezüge zum Marketing hergestellt worden. Umso wichtiger ist es, das Thema an dieser Stelle einmal grundsätzlich zu behandeln. Am Beginn dieser Betrachtung steht die Definition des Marketing-Begriffes: Was heißt Marketing? Stellvertretend für eine ganze Reihe von Definitionen, die in den letzten Jahrzehnten formuliert worden sind, beziehen sich die noch folgenden Ausführungen auf die Definition von Bruhn (2004, S. 14):

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4 Freizeitmanagement und -marketing

„Marketing ist eine unternehmerische Denkhaltung. Sie konkretisiert sich in der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externer Unternehmensaktivitäten, die durch eine Ausrichtung der Unternehmensleistungen am Kundennutzen im Sinne einer konsequenten Kundenorientierung darauf abzielen, absatzmarktorientierte Unternehmensziele zu erreichen.“ Bruhn macht damit den umfassenden Charakter von Marketing deutlich. Aus seiner Sicht stellt Marketing einen dominanten Schwerpunkt der Unternehmensführung dar, nicht nur als gleichberechtigte Unternehmensfunktion (neben Produktion, Finanzierung oder Personalwirtschaft), sondern als umfassendes Leitkonzept des Managements und somit als ganzheitliche Unternehmensphilosophie. Meffert et al. (2008) bezeichnen Marketing als duales Führungskonzept der marktorientierten Unternehmensführung, im Sinne einer unternehmerischen Funktion und gleichzeitig einer generellen Denkhaltung. Einen Ansatz, der von besonderem Interesse für eine spezifische Definition des Freizeitmarketings ist, stellt das Modell des ganzheitlichen Tourismus-Marketings von Freyer (2007, S. 103) dar. Er charakterisiert den Ansatz als zukunftsorientiertes, vernetztes, multidimensionales, neues Tourismus-Marketing oder durch die Betonung einzelner Teilaspekte auch als gesellschaftlich bewusstes, ökologisch orientiertes, international ausgerichtetes oder verantwortungs(voll)-gemeinschaftliches Tourismus-Marketing. Das Modell weist in seiner Konzeption eine sehr hohe Übereinstimmung mit dem nachhaltigen und zukunftsorientierten Konzept der Freizeitwissenschaft auf. Orientiert an dem Modell von Freyer können die grundlegenden Ziele eines nachhaltigen und zukunftsorientierten Freizeitmarketings wie folgt formuliert werden:      

auf einen angemessenen wirtschaftlichen Ertrag ausgerichtet mit den Bedürfnissen der (lokalen) Bevölkerung abgestimmt ohne gravierende Eingriffe in das natürliche Ökosystem auskommend sich permanent auf aktuelle Trends in der Freizeit beziehend stets an den Kundenbedürfnissen orientiert auf Internationalität und damit einen globalen Markt ausgerichtet.

Dieses Konzept des nachhaltigen und zukunftsorientierten Freizeitmarketings sollte sich im Idealfall in jedem Schritt eines Marketing-Management-Prozesses im Bereich der Freizeit rund um die Welt wiederfinden lassen. Als beispielhafte Übertragung sei an dieser Stelle das Modell des integrativen Planungs- und Entwicklungskonzepts von Hartmann (1998 und 1999) angeführt, das in seiner ursprünglichen Form auf den Tourismus in Entwicklungsländern bezogen war, sich jedoch problemlos auf jedes Planungskonzept im Bereich der Freizeit und des Tourismus übertragen lässt:

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

159

Modell des integrativen Planungs- und Entwicklungskonzepts Im Zentrum der Konzeptentwicklung steht die Berücksichtigung der allgemeinen und tourismusspezifischen Entwicklungsziele der betroffenen Region. Die Leitgedanken dieser Ziele müssen mit den Ergebnissen und Erfahrungen der bisherigen Freizeit- und Tourismusforschung in Einklang gebracht werden, um zu verhindern, dass sich Fehler einschleichen, die andernorts bereits zum Scheitern von Tourismuskonzepten geführt haben. Als übergeordnete Forderung gilt zudem, Freizeitprojekte/-dienstleistungen als einen Baustein in die wirtschaftliche, soziale, ökologische und politische Entwicklung der Region zu integrieren. Als Ergebnis dieser Vorüberlegungen können vor dem Beginn weiterer Analyseschritte verschiedene, eng miteinander vernetzte Zielbereiche formuliert werden, die als theoretische Grundlage für ein regionsspezifisches integratives Planungs- und Entwicklungskonzept gelten:  Selbstbestimmung: alle relevanten Akteure in die Erarbeitung eines integrativen Planungs- und Entwicklungskonzepts einbeziehen und insbesondere das Mitbestimmungsrecht der lokalen Gemeinschaften gewährleisten.  Nachhaltigkeit: das Konzept langfristig tragfähig gestalten und eine Expansion von Freizeitangeboten nur unter Berücksichtigung qualitativer Vorgaben zuzulassen.  Verbesserung der Lebensverhältnisse: regionales Wirtschaftswachstum induzieren, Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen und ggf. die Grundbedürfnisse befriedigen (Entwicklungsländer).  Zielgruppenorientierung: die Bedürfnisse der Gäste optimal befriedigen, möglichst konzentriert auf das ursprüngliche Angebot, als natürlichem und kulturellem Potenzial eines Landes. Nachdem der Begriff und die Ziele des Marketings geklärt sind, bleibt die Frage nach den Aufgaben, die ein nachhaltiges und zukunftsorientiertes Freizeitmarketing zu erfüllen hat. Bruhn (2004, S. 21ff) beschreibt die Aufgabenschwerpunkte des Marketing-Managements grundsätzlich als ein Paket von sieben Aspekten, die zur systematischen Erarbeitung des Leistungsprogramms und dessen Durchsetzung im Markt von Bedeutung sind:  Produktbezogene Aufgaben: Anpassung des Leistungsprogramms an die Kundenwünsche u.a. durch Produktverbesserungen, -differenzierungen oder -innovationen.  Marktbezogene Aufgaben: Angelehnt an die Produkt-Markt-Matrix (nach Ansoff) sind dies die Marktdurchdringung, die Markterschließung, die Sortimentserweiterung und/oder die Diversifikation.  Kundenbezogene Aufgaben: Verbesserung der Kundenbearbeitung, Management der Kundenstruktur, um eine höhere Kundenzufriedenheit und damit stabile Kundenbindung zu erreichen.  Absatzmittlerbezogene Aufgaben: Orientierung an wichtigen Absatzmittlern, z.B. Reisebüros oder Veranstalter als prioritäre Aufgabe des Marketing von Freizeitangeboten; oder die Erschließung und Optimierung neuer Vertriebskanäle (z.B. Internet)  Konkurrenzbezogene Aufgaben: Profilierung gegenüber Konkurrenten, Suche nach dauerhaften Wettbewerbsvorteilen gegenüber Hauptkonkurrenten, Absicherung der Marktstellung, gegenüber neu auf den Markt eintretende Wettbewerber (Markteintrittsbarrie-

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4 Freizeitmanagement und -marketing

ren: Zugang zu Ressourcen, Know how-Vorsprung, Patente etc.); die Verhaltensweisen des eigenen Unternehmens gegenüber Wettbewerbern sind festzulegen (Kooperation vs. Konflikt)  Lieferantenbezogene Aufgaben: Beschaffungsmarketing; Rechtzeitigkeit und Qualität der Lieferantenleistungen sicherstellen, riskante Abhängigkeiten von Lieferanten kontrollieren (Zeitalter der Just-in-Time-Produktion)  Unternehmensbezogene Aufgaben: Innerbetriebliche Voraussetzungen für optimale Dienstleistungen schaffen; Optimierung interner Prozesse, Motivation sicherstellen (z.B. durch Schulungen, Anreizsysteme oder Qualitätsmanagement). Bevor auf weitere Einzelheiten des Marketings eingegangen wird, soll kurz der Begriff Markt reflektiert werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht bedeutet Markt ganz generell das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Beim Marketing, wie es zuvor definiert wurde, hat man es allerdings kaum einmal mit dem Markt als Ganzes zu tun, sondern im Regelfall mit dem relevanten Markt, den es für jeden einzelnen Fall (jedes Produkt, jede Dienstleistung) zu identifizieren, abzugrenzen und näher zu beschreiben gilt. Dazu bedarf es einer gründlichen Analyse des Marketingsystems, in dem das Unternehmen tätig ist oder tätig werden möchte. Zu diesem System gehören die Marktstrukturen und die Marktprozesse. Zur Analyse der Marktstrukturen müssen auf der Seite der Anbieter alle Akteure berücksichtigt werden, die Freizeitdienstleistungen oder freizeitrelevante Produkte anbieten. Zudem ist der gesamte Bereich der Absatzmittler einzubeziehen (ggf. Einzelhandel, Reisebüros, Online-Anbieter). Die Nachfrageseite ist bestimmt von den privaten Konsumenten, den Wiederverkäufern (Händlern), den kommerziellen Anbietern (Unternehmen) sowie den öffentlichen Abnehmern (staatliche Institutionen) (vgl. Bruhn 2004, S.18ff). Den Ausgangspunkt aller nun folgenden marktorientierten Überlegungen stellt die Marktabgrenzung dar. Wie soll der relevante Markt von nicht relevanten Bereichen des Marktes gefiltert werden? Was ist bedeutsam für die Kauf- und Verkaufsentscheidung von Produkten und Dienstleistungen im Bereich der Freizeit? Jeder Anbieter muss aus der Fülle der Strukturen im Freizeitmarkt diejenigen heraussortieren, die für das Unternehmen oder die aktuelle Aufgabe relevant sind. Hier können grundsätzlich vier sich überlagernde Abgrenzungskriterien unterschieden werden:  Räumlich: Sollen meine Produkten/Leistungen auf einem lokalen, regionalen, internationalen oder globalen Markt angeboten werden? – Welches ist mein Einzugsgebiet?  Zeitlich: Wann biete ich meine Leistungen an? – Ganzjährig, nur saisonal oder am Wochenende?  Sachlich: Mit welchen Produkten/Leistungen trete ich in den Wettbewerb? - z.B. im Markt für Freizeitbäder, für Lern- und Erlebniswelten oder für Freizeitparks?  Personell oder kundenbezogen: Wie unterscheiden sich meine Kunden bzgl. Einkommen (Billig- vs. Luxusmarkt), Alter (Kinder- vs. Seniorenmarkt) oder Bedeutung fürs Unternehmen (Großkunden- vs. Gelegenheitskundenmarkt)  Bedürfnisorientiert oder auf Kundennutzen bezogen: Welche Funktionen oder Bedürfnisse erfüllen meine Produkte/Leistungen für den Kunden (Unterhaltung, Gesundheitspflege etc.).

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

161

Die Abgrenzung des relevanten Marktes nimmt im Unternehmen eine Schlüsselaufgabe ein, denn auf dieser Grundlage werden weitere strategische Marketingentscheidungen (Marktwahlstrategien) wie die Marktsegmentierung oder die Festlegung strategischer Geschäftseinheiten getroffen (vgl. Bruhn 2004, Freyer 2007).

4.4.1

Marketingstrategien

In Kapitel 4.1.6 wurde bereits auf die Einordnung und Bedeutung des strategischen Managements eingegangen. Da das Marketing auch als Teilfunktion des Managements zu betrachten ist, decken sich die Aussagen bezüglich der Strategie weitgehend. Die Strategie-Phase des Marketings umfasst demnach alle strategischen Entscheidungen, die im Rahmen eines Marketing-Management-Prozesses getroffen werden. Diese Entscheidungen basieren in der Regel auf einer gründlichen Informations- oder Analysephase und stellen im klassischen Phasenschema den zweiten Arbeitsschritt dar (vgl. Freyer 2007, S. 109ff). Das strategische Marketing befasst sich mit der Zukunftsentwicklung des Unternehmens. Ausgehend von der gegenwärtigen Ist-Situation wird unter Berücksichtigung einer angenommenen Entwicklung des Marktes der zukünftige Soll-Zustand angestrebt und damit eine Brücke von der Analyse zur Umsetzung geschlagen. Marketingstrategien umfassen mehrere Planungsperioden (ca. 5-10 Jahre) und stellen verbindliche Verhaltenspläne von Unternehmen für bestimmte Produkte, Leistungen, strategische Geschäftseinheiten oder auch das ganze Unternehmen dar. Strategien beinhalten Entscheidungen zur Marktwahl und zur Marktbearbeitung. Sie legen den Weg fest, wie strategische Marketingziele eines Unternehmens zu erreichen sind. Daraus resultieren einige wichtige Anforderungen an Marketingstrategien: (1) Hinweise zur Realisierung der festgelegten strategischen Marketingziele geben; (2) Prioritäten in der Auswahl und Bearbeitung von (Teil-) Märkten setzen; (3) Eine Kanalisierung des Mitteleinsatzes vornehmen; (4) Einen verbindlichen Handlungsrahmen schriftlich fixieren (Strategiepapier); (5) Indikatoren zur Überprüfung des Zielerreichungsgrades festlegen (strategisches Controlling) (vgl. Bruhn 2004, S. 53f). Die Formulierung von Marketingstrategien erfolgt auf ganz unterschiedlichen Ebenen und auch im Ablauf eines Marketing-Management-Prozesses zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Zudem können Strategien ganz unterschiedliche Grade der Konkretisierung aufweisen. Daher können neben den strategischen Analyseinstrumenten prinzipiell zwei Typen von Marketingstrategien unterschieden werden (vgl. Bruhn 2004, S. 55):  Marktwahlstrategien entscheiden darüber auf welchen Märkten das Unternehmen präsent sein will. Dazu gehören die Definition von strategischen Geschäftsfeldern und die Bildung entsprechender strategischer Geschäftseinheiten (SGE). In den SGE erfolgt eine weitere Differenzierung nach Abnehmergruppen, die Marktsegmentierung.  Marktbearbeitungsstrategien werden auf der Ebene der strategischen Geschäftseinheiten festgelegt, nachdem die Marktwahl erfolgt ist. Hier geht es um die Definition des Verhaltens gegenüber anderen Marktteilnehmern bzw. Stakeholdern sowie das Setzen von Schwerpunkten beim Einsatz der Marketinginstrumente. D.h. wie sollen die ausgewählten Märkte bearbeitet werden?

162

4 Freizeitmanagement und -marketing

Strategische Analyseinstrumente Als Ergänzung der grundlegenden Informationsanalysen (Phase 1 des Marketing-Management-Prozesses) können weitere Instrumente zur Fundierung weitreichender strategischer Entscheidungen eingesetzt werden. Die wichtigsten strategischen Analyseinstrumente für den Freizeit- und Tourismusbereich lassen sich in Lebenszyklus-, Portfolio- und Positionierungsanalysen untergliedern. Erlös, Gewinn Einführung •kleine Stückzahlen •hohe Werbekosten •geringe Bekanntheit •Anlaufverluste

Wachstum •Steigende Bekanntheit •Eintritt von Konkurrenten •Erste Gewinne

Reife

Sättigung

Degeneration Relaunch

•Kampf um Marktanteile

Revival Erlös

•Langsameres Wachstum •Preissenkungen •Gewinnrückgang

•Härterer Kampf um •UmsatzMarktanteile rückgang •Maximaler •Aussterben des Umsatz Produktes •Fortschreitender Gewinnrückgang Gewinn Zeitachse

Abb. 33 Produktlebenszyklus (eigene Darstellung, nach Runia et al. 2007)

Das Modell des Produktlebenszyklus stellt eine der gängigsten Erklärungen für die idealtypische Entwicklung von Produkten, Marken, Branchen oder Märkten dar. Es geht davon aus, dass diese genau wie natürliche Organismen nur eine begrenzte Lebensdauer besitzen und sich während dieser nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten entwickeln. Dieser quasi-natürliche Ablauf ermöglicht es aus der Marketingperspektive, Schlussfolgerungen für die strategische Marktbearbeitung zu ziehen. Der Phasenablauf stellt sich folgendermaßen dar (vgl. Runia et al. 2007, S. 138ff und Abb. 33):  Einführung in den Markt: hohe Investitionen, langsam steigende Umsatzkurve, noch keine Gewinne;  Wachstum: steile Umsatzkurve, Gewinnschwelle wird erreicht und auch höchste Gewinne erzielt, steigende Bekanntheit, zunehmende Konkurrenz; ggf. erste Produktvariationen

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

163

 Reife: absolute Umsatzsteigerung, Gewinnrückgang, sehr starker Wettbewerb; ggf. Preissenkungen oder Produktdifferenzierung;  Sättigung: Umsatzmaximum überschritten, Gewinne nehmen weiter ab, harter Wettbewerb; ggf. Relaunch;  Degeneration: Umsatz bricht ein, Verluste, Produkt wird vom Markt genommen. So einfach und einleuchtend das Modell erscheint, so sehr steht es auch in der Kritik. Auch wenn es Anregungen gibt, sich über die eigene Produktpalette und Altersstruktur der angebotenen Leistungen Gedanken zu machen, darf der empirisch nachgewiesene Erklärungswert nicht überschätzt werden. Zudem werden auch die Umweltfaktoren nicht berücksichtigt und die Phasendauer kann durch entsprechende Maßnahmen deutlich beeinflusst werden. Marktwachstum Fragezeichen (Nachwuchsprodukte)

HOCH

Stars (Starprodukte)

?

Offensiv- oder Rückzugsstrategie

Investitionsstrategie

Arme Hunde (Problemprodukte)

Cash-Kühe (Erfolgsprodukte)

NIEDRIG Desinvestitionsstrategie NIEDRIG

Abschöpfungsstrategie HOCH

Relativer Marktanteil

Abb. 34 Portfolioanalyse (Bruhn 2004, S. 71)

Weitere strategische Analyseinstrumente sind unter dem Begriff der Portfolioanalysen zusammenzufassen. Sie geben einen Überblick über die Marktsituation von Produkten, strategischen Geschäftseinheiten, Wettbewerbern etc., um daraus Schlussfolgerungen für eine mögliche strategische Neuorientierung zu ziehen. Anhand bestimmter Erfolgsfaktoren werden hierbei z.B. Produkte auf einer zumeist zweidimensionalen Matrix dargestellt. Die Dimensionen des Portfolios beziehen sich dabei auf unternehmensinterne (beeinflussbare) Variablen sowie externe (nur bedingt beeinflussbare) Variablen. Die meisten Portfolioanalysen basieren auf dem Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio. Je höher die beiden Variablen einzustufen sind, desto höher ist auch die Rentabilität der jeweiligen Produkte. Aus der Position der Produkte im Portfolio ergeben sich zu empfehlende „Normstrategien“. Am bekanntesten sind hier die sogenannten Cash-Cows, Erfolgsprodukte, die bei hohem Marktanteil und geringem Marktwachstum dazu dienen, sichere Gewinn abzuschöpfen (vgl. Abb. 34).

164

4 Freizeitmanagement und -marketing

Eine weitere Form von strategischen Analyseinstrumenten sind die Positionierungsanalysen. Hierbei handelt es sich um ein psychologisches Marktmodell, das sich an der subjektivern Wahrnehmung von bestimmten Kunden- oder Zielgruppen orientiert. Auch bei diesem Instrument geht es um die mehrdimensionale Darstellung der unterschiedlichen Leistungen oder Marken eines relevanten Marktes. Aus der Position der eigenen Produkte oder Marken gegenüber den anderen Marktteilnehmern können wertvolle Erkenntnisse für die zukünftige Produktentwicklung oder strategische Positionierung gezogen werden. Das Benchmarking ist ein weiteres Instrument zur Analyse der Marktposition, für das ein Set von spezifischen Untersuchungskriterien definiert wird. Das Instrument des Benchmarkings wird auf verschiedenen Ebenen der strategischen Marketingplanung eingesetzt, von der anfänglichen Konkurrenzanalyse bis zum strategischen Controlling. Vordringliches Ziel des Benchmarkings ist es, spezifische Kenntnisse über das Angebot oder die Performance in einem bestimmten Marktsegment zu erlangen. Die Ergebnisse dienen als Grundlage zur strategischen (Weiter-)Entwicklung des eigenen Leistungsprofils. Das Ziel eines Benchmarking-Prozesses ist es, durch den Vergleich mit den sogenannten „Klassenbesten“ der Branche, eigene Leistungslücken systematisch zu schließen. Im Vergleichsverfahren werden entsprechende Unterschiede sowie deren Ursachen festgestellt und gleichzeitig nach bestehenden Verbesserungsmöglichkeiten gesucht. Es geht um das Lernen von anderen, die besser aufgestellt sind als man selbst, und die Nutzung des erlernten Wissens für seine eigenen Bedarfe (vgl. Camp 1994, Töpfer 2002). Auch für die Entscheidungsträger in Freizeit- und Tourismusinstitutionen bietet die Identifizierung der Best Practices auf dem Markt Lösungsansätze für eine fundamentale Verbesserung der eigenen Wettbewerbssituation. Das einfache „Abkupfern“ führt allerdings in keinem Fall zum gewünschten Erfolg. Vielmehr geht es darum, das Wissen um die Verfahren der „Klassenbesten“ als Initialzündung zu nutzen und damit eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Natürlich müssen die anderswo erfolgreich umgesetzten Ideen und Strategien den Besonderheiten der eigenen Organisation angepasst und in das eigene Konzept integriert werden. Durch die extern gewonnenen Erkenntnisse sollen zudem interne Lernprozesse in Gang gesetzt werden. In der Praxis können verschiedene Typen von Benchmarking unterschieden werden: Internes Benchmarking stellt einen Vergleich innerhalb von Abteilungen, Geschäftseinheiten oder Filialbetrieben eines Unternehmens an. Beim externen Benchmarking werden Produkte oder Prozesse zwischen direkten oder indirekten Wettbewerbern verglichen. Bei der Verfahrensweise kann zwischen dem offenen Benchmarking (Bildung von Benchmarking-Pools) und dem verdeckten Benchmarking („heimliches“ untersuchen der Vergleichspartner) unterschieden werden. Wobei die erste Variante zumeist zu lückenlosen und fundierteren Ergebnissen führt. Ein wichtiger Punkt ist es, adäquate Vergleichspartner auszuwählen, um im Ergebnis realistische Zielwerte zu erarbeiten. Natürlich steht beim Benchmarking mit anderen Betrieben oder Destinationen immer die Frage der Informationsbeschaffung im Raum. Doch gerade in Freizeit und Tourismus werden die eigenen Wettbewerbsvorteile allzu gern kommuniziert, und die benötigten Informationsquellen sind fast alle frei zugänglich: Geschäftsbericht, Angebotsverzeichnis, Imagebroschüre, Internetauftritt, Anzeigenwerbung, Lokalpresse, Beiträge in Fachzeitschriften und

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

165

Statistiken, um nur einige Quellen zu nennen. Des Weiteren liefern natürlich Expertengespräche vor Ort wichtige Daten für ein fundiertes Benchmarking (vgl. Hartmann et al. 2003). Mit der einmaligen, zeitlich begrenzten Durchführung einer Benchmarking-Analyse und der nachgeschalteten Anpassung der eigenen Strategien und Maßnahmen darf der Prozess allerdings nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Der Markt und demzufolge der Wettbewerb ist dynamisch. Benchmarking ist ein Prozess der Selbstverbesserung, der andauern muss, um effektiv zu sein. Er ist als kontinuierlicher Prozess anzulegen, denn die Praktiken der Branche ändern sich ständig, und „in einer Umgebung ständiger Veränderung ist Selbstzufriedenheit tödlich“ (Camp 1994). Insbesondere die Freizeit-Dienstleistungen und ihre Bewertungen unterliegen dem kontinuierlichen Wandel der Erwartungshaltungen und Ansprüche der Gäste, die sich entsprechend ihren Erfahrungen und der Lebenssituation verändern. Um im Wettbewerb langfristig bestehen zu können, müssen alle Aktivitäten der Anbieter konsequent auf die Gästewünsche ausgerichtet sein (vgl. Kap. 4.2). Marktwahlstrategien Nachdem durch hinreichende Analysen geklärt ist, welches die Potenziale des Unternehmens sind und im Rahmen der Marktabgrenzung eine Definition des relevanten Marktes erfolgt ist, muss die Frage beantwortet werden, in welchen Marktsegmenten das Unternehmen präsent sein will. Wie bereits in Kapitel 4.1.6 beschrieben, gehört je nach Unternehmensgröße und -struktur auch die Definition von strategischen Geschäftsfeldern und die Bildung entsprechender strategischer Geschäftseinheiten (SGE) dazu. Im nächsten Schritt, der zu einer differenzierteren Marktbearbeitung notwendig ist, muss eine weitere Zerlegung des relevanten Marktes in homogene Teilsegmente erfolgen, die als Marktsegmentierung bezeichnet wird. Ein Marktsegment bezeichnet eine Gruppe von Abnehmern mit gleichen und/oder ähnlichen Bedürfnissen und damit auch ähnlichen Reaktionen auf den Einsatz von spezifischen Marketinginstrumenten (vgl. Bieger 2004). Der Grund für die Notwendigkeit einer Marktsegmentierung liegt in der Vielschichtigkeit der Bedürfnisse potenzieller Kunden oder Nutzer von Freizeitangeboten. Aus der Perspektive des Kunden wird der Anbieter gewählt, der für die eigenen Bedürfnisse die optimalen Angebote bereit hält. Entsprechend kann ein Unternehmen seine Absatzchancen bei der entsprechenden Zielgruppe durch die Anpassung an individuelle Bedürfnisse verbessern. Dem Unternehmen entstehen bei der Ausrichtung auf individuelle Kunden Differenzierungskosten. Es wird also versuchen, sein Angebot nur so weit wie notwendig zu differenzieren, um sich einen Konkurrenzvorteil zu verschaffen, denn jede weitere Segmentierung erzeugt einen höheren Kostenaufwand, der nicht mehr durch entsprechende Mehreinnahmen gedeckt ist. Der optimale Segmentierungsgrad, d.h. die Größe der optimalen Segmente, hängt von den Segmentierungskosten (für spezielle Produktvarianten, die entsprechende Marktbearbeitung etc.) sowie dem Segmentierungsnutzen (Zahlungsbereitschaft der Kunden für spezifische Produkte) ab. Je nach Branche und Charakter des Angebots wird die Segmentierung sehr intensiv oder eher verhalten vorangetrieben. Generell ermöglichen es die modernen Prozessund Informatiktechnologien heute, eher zu geringeren Kosten Produktanpassungen und variationen zu erstellen. Das führt zu immer kleineren und individualisierten Marktsegmen-

166

4 Freizeitmanagement und -marketing

ten und für die Anbieter bedeutet es ein Ansteigen der optimalen Segmentierungsintensität (Bieger 2004). Analog zur Abgrenzung des relevanten Marktes, die auf einem vergleichsweise groben Raster erfolgt, gibt es eine Reihe von möglichen Kriterien und damit verbundene Verfahren der Marktsegmentierung. Generell können vier Kategorien von Segmentierungskriterien unterschieden werden (vgl. Runia et al. 2007, S. 95ff):  Geographische Segmentierung (von der Makroebene, Staaten oder Bundesländer, bis zur Mikroebene, als Stadtteile oder Straßen)  Demographische Segmentierung (nach Alter, Geschlecht, Familienlebenszyklus, sozioökonomischen Kriterien, Nationalität oder Religion)  Psychographische Segmentierung (nach Einstellungen, Werten, Lifestyle oder Persönlichkeit, z.B. nach den Sinus-Milieus)  Verhaltensbezogene Segmentierung (nach Anlässen, z.B. Urlaub oder Hochzeit, Nutzen, Preisverhalten, Verwendungsrate oder Markenwahl). Aus der Marktsegmentierung resultiert schließlich eine Auswahl von Segmenten, die nun mit den entsprechenden Instrumenten im Rahmen des Marketing-Mix bearbeitet werden müssen. Bruhn (2004, S. 61f) differenziert fünf Grundformen von Marktbearbeitungsstrategien (vgl. Abb. 35):  Nischenspezialisierung: Konzentration auf ein bestimmtes, kleines Marktsegment (z.B. die Towabu Indoor Erlebniswelt in Bremen als Freizeitangebot für Kinder)  Produktspezialisierung: Schwerpunktsetzung auf einen Leistungsbereich; die Produkte werden sämtlichen Kundengruppen angeboten (z.B. Outdoorbekleidung, die für unterschiedlichste Anlässe nutzbar ist)  Marktspezialisierung: Auswahl eines Marktsegmentes, das mit vielfältigen Produkten abgedeckt wird; Voraussetzung ist die genaue Kenntnis der Bedürfnisse eines Zielmarktes (Sportkletterer, Schwimmer etc.).  Selektive Spezialisierung: Konzentration auf mehrere kleine Marktsegmente/Nischen (die DLRG bietet Aufsichtsdienste, aber auch Seniorenschwimmkurse oder Kinderfreizeiten)  Gesamtmarktabdeckung: Marktbearbeitung mit einer Vielzahl von Produkten für sämtliche Marktsegmente (ähnlich wie ein Warenhaus oder die TUI in der Touristik kann der Disney-Konzern im Bereich der Freizeit am ehesten als Vollsortimenter bezeichnet werden).

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings MS 1 MS 2 MS 3

167

MS 1 MS 2 MS 3

MS 1 MS 2 MS 3

P1

P1

P1

P2

P2

P2

P3

P3

P3

Nischenspezialisierung

Produktspezialisierung

MS 1 MS 2 MS 3

MS 1 MS 2 MS 3

P1

P1

P2

P2

P3

P3 Selektive Spezialisierung

Marktspezialisierung

Gesamtmarktabdeckung

MS P

= Marktsegment = Produkt

Abb. 35 Grundformen von Marktbearbeitungsstrategien (Bruhn 2004, S. 62)

Strategien der Marktbearbeitung Die Bearbeitung des ausgewählten Marktes kann aus der Sicht des strategischen Marketings in zwei Grundformen unterteilt werden: die Marktteilnehmerstrategien gegenüber Kunden/Abnehmern, der Konkurrenz oder den Absatzmittlern sowie die Instrumentalstrategien in Bezug auf die eingesetzten Marketinginstrumente. Abnehmergerichtete Strategien beziehen sich auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen in der Wahrnehmung der Kunden. Jedes Unternehmen muss eine Kernkompetenz aufweisen und damit einen deutlich sichtbaren Vorteil gegenüber dem Wettbewerb erzielen. Nach Porter (2000) beruhen diese entweder auf einem Qualitätsvorteil (Strategie der Qualitätsführerschaft) oder einem Kostenvorteil (Strategie der Kostenführerschaft). Des weiteren kann die Strategie danach differenziert werden, ob sich ein Anbieter auf dem Gesamtmarkt oder nur auf einem Teilmarkt bewegt. Es können somit vier Strategierichtungen unterschieden werden (vgl. Abb. 36):    

Qualitätsführerschaft (z.B. Disney) Kostenführerschaft (z.B. Mc Donalds) selektive Qualitätsführerschaft (z.B. Legoland) selektive Kostenführerschaft (z.B. Mc Fit).

168

4 Freizeitmanagement und -marketing

Leistungsvorteile

Kostenvorteile

Gesamtmarktabdeckung Strategie der Qualitätsführerschaft

Strategie der selektiven Qualitätsführerschaft

Strategie der aggressiven Kostenführerschaft

Strategie der selektiven Kostenführerschaft

Teilmarktabdeckung

Abb. 36 Abnehmergerichtete Strategien (nach Porter 2000).

Konkurrenzgerichtete Strategien sind darauf ausgerichtet, sich in der Wahrnehmung des Kunden deutlich von den Wettbewerbern abgrenzen. Auf der Basis einer gründlichen Konkurrenzanalyse kann das künftige Verhalten des Unternehmens gegenüber den Wettbewerbern und damit die Stellung im Wettbewerbsumfeld festgelegt werden. Meffert et al. (2008, S. 309ff) gliedern vier konkurrenzgerichtete Strategien aus, die ein aktives Verhalten des Unternehmens voraussetzen:  Kooperationsstrategien, z.B. bei fehlenden Ressourcen oder undeutlichen Wettbewerbsvorteilen (Lösungen sind z.B. Lizenzverträge oder Joint Ventures)  Konfliktstrategien, z.B. bei starker Marktstellung und starker Konkurrenz (Preiskrieg u.a.)  Ausweichstrategien, z.B. durch Angebot besonders innovativer, schwer zu imitierender Leistungen (Absicherung durch Markteintrittsbarrieren)  Anpassungsstrategien, d.h. Abstimmung des eigenen Verhaltens auf die Aktionen der Wettbewerber, unter Beobachtung und Beibehaltung der eigenen Marktposition. Instrumentalstrategien beziehen sich schließlich auf den Einsatz der Marketinginstrumente. Sie bilden den Übergang von der strategischen zur operativen Marketingplanung und beziehen sich auf die „4Ps“:  Produktstrategie (z.B. die Definition des Qualitätsniveaus, Markenentwicklung)  Preisstrategie (Hochpreis- vs. Niedrigpreisstrategie)

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

169

 Kommunikationsstrategie (z.B. Betonung bestimmter Instrumente, z.B. aktives Sponsoring)  Vertriebsstrategie (z.B. bei Qualitätsführerschaft Exklusivvertrieb durch ausgesuchte Vermittler).

Exkurs: Kooperationsstrategien und Cross-Marketing Da der Markt für Freizeit- und Tourismusangebote ein hart umkämpfter ist, spielen in diesen Branchen die Kooperationsstrategien eine wichtige Rolle. Deshalb soll an dieser Stelle etwas ausführlicher auf diese Strategieoption eingegangen werden. Eine Kooperation ist die auf freiwilliger Basis beruhende, vertraglich geregelte Zusammenarbeit, rechtlich selbständig bleibender und wirtschaftlich eingeschränkter Betriebe zum Zweck der Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit (vgl. Pepels 2004, S. 1122). Von Marketingkooperationen spricht man, wenn sich die Zusammenarbeit lediglich auf den Funktionsbereich des Marketings bezieht. Dabei funktioniert die Bezeichnung als Dachbegriff für eine Vielzahl von Kooperationsstrategien. Die Attraktivität von Marketingkooperationen ist in der Vielzahl von Chancen begründet, die den Beteiligten in Aussicht gestellt werden. Sie versprechen eine Win-Win-Situation: Beidseitige Kostenreduzierungen sind ebenso erreichbar wie eine veränderte Ansprache bestehender Zielgruppen oder auch eine Erstansprache einer neuen Zielgruppe. Ferner bieten sie die Chance, dem gemeinsam vermarkteten Produkt ein Alleinstellungsmerkmal und dadurch eine verbesserte Position am Markt zu verschaffen. Zur Klassifizierung von Marketingkooperationen können verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, z.B. die Art der Kapitalbeteiligung (mit oder ohne), die Art des Austausches (Werte/Wissen), der Erhalt oder Entzug der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbständigkeit, die Dauer der Kooperation oder die Intensität der Kooperation. Typische Kooperationsstrategien im Marketing sind z.B. Franchising, Sponsoring, Joint Ventures oder Unternehmensnetzwerke. Grundsätzlich können drei verschiedene Formen von Kooperation unterschieden werden (vgl. Schneider 2004, S. 183; Sell 2002, S. 19): 

Horizontale Kooperation: Unternehmen der gleichen Ebene kooperieren.



Vertikale Kooperation: Unternehmen verschiedener Ebenen, wie z.B. Lieferanten und Abnehmer, gehen eine Kooperation ein.



Diagonale Kooperation: Die kooperierenden Unternehmen agieren in unterschiedlichen Geschäftsfeldern. Diese Art der Kooperation findet man häufig bei Werbe- und Vertriebsmaßnahmen branchenfremder Unternehmen.

Eine relativ neue und im Freizeit- und Tourismusbereich bereits sehr kreativ umgesetzte Variante der diagonalen Kooperation ist das Cross-Marketing. Dies ist der Dachbegriff aller Marketingaktivitäten innerhalb einer strategischen und/oder operativen Marketingkooperation zweier oder mehrerer, aus unterschiedlichen Branchen stammender Unternehmen, die wirtschaftlich wie rechtlich selbständig bleiben und sich gleichwertig in die Zusammenarbeit einbringen. Ziel der Kooperation ist in erster Linie die beidseitige Kostenreduzierung und/oder Nutzenmaximierung. Das bedeutet z.B. den Kommunikationsradius erweitern, gemeinsam neue Marktpotenziale/Zielgruppen erschließen, das Marken-

170

4 Freizeitmanagement und -marketing

image erweitern. Die Zusammenarbeit kann sich sowohl auf den Einsatz einzelner Marketing-Instrumente als auch auf den gesamten Marketingbereich beziehen (vgl. Wieczorek & Lachmann 2005). In der Praxis lassen sich unterschiedliche Formen des Cross Marketing beobachten, die jeweils zur Umsetzung differenzierter Zielsetzungen dienen und alle Bereiche des Marketing-Mix durchwirken: 

Cross Selling oder Advertising: gemeinsames Verkaufen bzw. Vermarkten von Angeboten, ohne dass ein neues gemeinsames Produkt erschaffen wird (z.B. DBTicketverkauf bei McDonald’s).



Co-Branding: Markenallianz, bei der eine Leistung durch zwei oder mehr Marken markiert wird, die für Dritte wahrnehmbar sind und auch weiterhin jeweils eigenständig auftreten (z.B. Ski-Hersteller Kneissl entwickelt mit dem Tourismusverband Ischgl den „Ischgl-Ski“).



Cross Promotion: öffentlichkeitswirksame Aktivitäten wie Events, Sponsoring, Gewinnspiele, Messen, Roadshows, Schaufensterdekorationen etc. Die Aktivitäten können sich sowohl an aktuellen Anlässen oder Jahreszeiten als auch an Produkt- oder Zielgruppen orientieren (z.B. bewirbt NIVEA sein Produkt „Reis & Lotus“ gemeinsam mit den Dorint Resorts & Spas).



Cross Referencing: gegenseitige Empfehlung von Unternehmen, z.B. durch Links auf der Homepage. Es geht oft mit anderen Cross Marketing-Aktivitäten einher, da es eine kostengünstige und unkomplizierte Maßnahme darstellt (z.B. Speedo Bademoden und Robinson Club oder Werder Bremen und Cinemaxx).

Cross Marketing bietet als Kooperationsstrategie die Möglichkeit, bei gleich bleibenden Kosten einen Mehrwert in Form von Synergieeffekten zu erreichen. Da die rechtlich wie wirtschaftlich autonom bleibenden Cross Marketing-Partner aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen stammen, besteht keine Konkurrenz zwischen den Unternehmen. Besonders wichtig für Freizeitunternehmen und -destinationen ist es, im Vorfeld präzise Analysen durchzuführen, um die Chancen und Risiken des Cross-Marketing sorgfältig abzuwägen (vgl. Hartmann & Stelljes 2007).

4.4.2

Marketinginstrumente

Die Umsetzung der strategischen Vorüberlegungen mit Hilfe der optimalen Kombination verschiedener Marketinginstrumente wird auch als “taktisches Marketing” bezeichnet. Im Rahmen dieses Marketing-Mix können die verschiedenen Instrumente den Bereichen Produkt-, Preis-, Vertriebswege- und Kommunikationspolitik zugeordnet werden. Diese Systematisierung, die auf McCarthy (1960) zurückzuführen ist, hat sich in Wissenschaft und Praxis auch als die „4Ps“ (Product = Produkt, Price = Preis, Promotion = Kommunikation, Place = Vertrieb) durchgesetzt. In der Literatur werden immer wieder neue Ansätze für die Erweiterung oder Reduzierung der „4Ps“ diskutiert, die genauer betrachtet lediglich Vertiefungen des Ursprungsmodells darstellen und grundsätzlich in diesem aufgehoben sind (vgl. Bruhn 2004, S. 28ff, Freyer 2007, S. 414ff).

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

171

Die Planung des Marketing-Mix stellt sich als eine immer neue Herausforderung dar. Je nach Aufgabenstellung, Produkt/Dienstleistung, Unternehmen oder relevantem Markt ist eine jeweils neue Betrachtungsweise und damit auch eine neue Kombination der Marketinginstrumente erforderlich. Der Marketing-Verantwortliche steht somit permanent vor dem Entscheidungsproblem: Welches ist die optimale Kombination der Instrumente? In der folgenden Darstellung soll der „Instrumentenkoffer“, der für entsprechende taktische Marketingentscheidungen im Freizeitbereich zur Verfügung steht, dargestellt werden. Produktpolitik Der Bereich Produktpolitik umfasst die Entwicklung bzw. Gestaltung der Produkte oder der Dienstleistungen, die von einem Unternehmen auf dem Freizeitmarkt angeboten werden sollen. Zum entsprechenden Leistungsprogramm zählen ggf. physische Kaufobjekte (enger Produktbegriff) und Dienstleistungen, die auch in einem direkten Zusammenhang mit dem Kaufobjekt stehen können (erweiterter Produktbegriff). Im Freizeitbereich ist fast ausschließlich von einem weiten Produktverständnis auszugehen, das immaterielle Dienstleistungen und ggf. auch Anteile von materiellen Sachleistungen enthält (vgl. Kapitel 4.1.3). Die Entscheidungsbereiche im Bereich der Freizeit und des Tourismus erstrecken sich generell auf drei Aspekte: (1) Die Definition der Einzigartigkeit des Produkts: Welches soll der einzigartige Kundennutzen sein? Dazu gehört auch die Entwicklung eines einzigartigen Verkaufsarguments, der Unique Selling Proposition (USP). (2) Die Gestaltung des Produktes, um den spezifischen Kundennutzen sicherzustellen. Dabei geht es vor allem um die Produktbeschaffenheit, -qualität und Markenbezeichnung. (3) Das Festlegen von Serviceleistungen, die als zusätzliche Leistungsmerkmale dienen und den Kundennutzen steigern (vgl. Bruhn 2004, S. 123ff). Freyer (2007, S. 428ff) hat die verschiedenen Ansatzpunkte und Aspekte der Produktpolitik auf die einzelnen Phasen des Dienstleistungsprozesses im Tourismus bezogen. Diese Gliederung lässt sich sehr gut auf den Bereich der Freizeit übertragen (vgl. Kapitel 4.1.3, Freizeit als Dienstleistung) und soll deshalb an dieser Stelle weitere Betrachtung finden. In der Potenzialphase der freizeitbezogenen Dienstleistung spielen, bedingt durch die Immaterialität der Leistungen, vertrauensbildende Maßnahmen eine besondere Rolle. Diese stehen in einem engen Zusammenhang mit der Art und Weise der Kommunikation des Angebots (vgl. Kommunikationspolitik). Der Anbieter muss das Vertrauen der Kunden durch eine entsprechende Seriosität gewinnen. Im Idealfall gibt es bereits zufriedene Kunden, die durch „Mund-zu-Ohr“-Empfehlungen eine wichtige Referenz darstellen. Die Qualität der Angebote wird häufig an Nebenaspekten der eigentlichen Leistungserstellung gemessen, z.B. die Sauberkeit und das Ambiente der Geschäftsräume, die Art der Einrichtung, die technische Ausstattung oder auch das Verhalten des Beratungs- und Verkaufspersonals. Die Qualifizierung und signalisierte Kompetenz, aber auch die Freundlichkeit und Schnelligkeit des Personals sind sehr wichtige Erfolgs- und Qualitätsmerkmale von Unternehmen in der Freizeitbranche. Darüber hinaus hat die Kennzeichnung der Leistungen für die Kunden, damit sie unternehmensspezifisch (wieder-) erkannt werden können, eine enorme Bedeutung in der Potenzial-

172

4 Freizeitmanagement und -marketing

phase. Die Marken- und Positionierungspolitik wird damit zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor für das Marketing. Hierbei erfolgt die Abgrenzung und Positionierung der Marke im Angebotsraum gegenüber Mitbewerbern. Sie soll dem Kunden als Orientierung dienen. Weitere Ausführungen zum Thema Marke sind im Kapitel 4.5.4 nachzulesen. Die Prozessphase der freizeitbezogenen Dienstleistung ist durch die tatsächliche Erstellung der Leistung und Wahrnehmung durch den Kunden gekennzeichnet. Entscheidend ist an dieser Stelle die direkte Interaktion mit dem Kunden. Ist das Personal gut vorbereitet bzw. ausgebildet, um voll auf die Wünsche des Kunden einzugehen? Reagieren die Mitarbeiter adäquat auf das Verhalten des Kunden? Zudem kommt es in der Prozessphase auf das optimale Zusammenwirken der verschiedenen Leistungsträger für die Erstellung des Gesamtproduktes an, damit der Kunde ein in sich abgerundetes Gesamterlebnis haben kann (vgl. Binnenmarketing). Zur Erfüllung dieser Aufgaben empfiehlt sich eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden Ansätzen des Qualitätsmanagements (vgl. Kap. 4.2). Ganz wesentlich für die Kundenzufriedenheit ist die Bereitstellung der Leistung zum richtigen Zeitpunkt, im vereinbarten Umfang, in der zugesicherten Qualität (Funktionalität der Geräte, Ambiente der Einrichtung, freundliches Personal etc.). Dabei ist die Performance besonders wichtig, denn zunehmend erwarten die Kunden neben der reinen Kernleistung entsprechende Zusatzleistungen oder Value Added Services. Kernleistungen stellen im Sinne der Wettbewerbsorientierung das „Leistungsübliche“ in der jeweiligen Branche dar. Aus der Sicht des Anbieters kann es auch als Grundversion bezeichnet werden. Zusatzleistungen dienen im Rahmen der Produktpolitik der Differenzierung und sind Ansatzpunkte für Wettbewerbsvorteile. Zu beachten ist allerdings, dass sich das Leistungsübliche auf dem Markt in ständiger Veränderung befindet: Was vor Kurzem noch zu den Zusatzleistungen zählte wird im Zeitverlauf schrittweise zu einem Element des Kernprodukts. Das führt in der Produktpolitik zur Unterscheidung von drei Vermarktungsebenen (vgl. Freyer 2007, S. 442ff und Abb. 37):  Ebene des funktionalen Marketings, auf der die Basisleistung oder das „Leistungsübliche“ vermarktet wird (Gewichtung nimmt tendenziell ab);  Ebene des Wahrnehmungsmarketings: kognitive Faktoren, die erkennbar und sinnlich wahrnehmbar sind (das „Leistungsäußere“, Performance, Design); zunehmende Gewichtung;  Ebene des Vorstellungsmarketings: affektive Faktoren, Emotionen (Erlebniswerte, Wünsche, Träume); stark zunehmende Gewichtung.

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

Traditionelles Marketing

173

Modernes Marketing

V-Ebene V-Ebene

Vorstellungs-Marketing •Affektive Faktoren, Emotionen •Erlebnis, Wünsche, Träume •Ergebnis-Marketing (Problemlösung)

W-Ebene

W-Ebene

Wahrnehmungs-Marketing •Kognitive Faktoren •das „Leistungsäußere“ Performance •Qualitäts-Marketing

Kernleistung Kernleistung

Funktionales Marketing •Basisleistungen •das „Leistungsübliche“

Abb. 37 Ebenen der Vermarktung (nach Freyer 2007)

Das zentrale Motiv der Vermarktung auf allen drei Ebenen ist die Kundenzufriedenheit: „People do not buy products, they buy the expectations of benefits. It´s the benefits that are the product“ (Middleton in Freyer 2007, S. 451) Aufgrund der besonderen Bedeutung dieser Zusammenhänge für die Freizeitwissenschaft wird das Thema Erlebnismarketing in diesem Buch noch einmal ausführlich aufgegriffen (vgl. Kapitel 4.4.5). Auch in der Ergebnisphase der freizeitbezogenen Dienstleistung gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die vor allem in Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagement eine entsprechende Beachtung finden müssen. Es geht dabei um die Nachbetreuung der Kunden (z.B. mit Hilfe einer Kundenkartei), die mögliche Kundenbindung (z.B. durch Bonussysteme oder Kundenclubs) und eine funktionierende Reklamationspolitik (z.B. ein Beschwerdemanagement-System) (vgl. Freyer 2007, S. 437ff). Preis- und Kontrahierungspolitik Im Rahmen der Preispolitik erfolgt die Festlegung und Gestaltung von Verkaufspreisen. Die Kontrahierungspolitik umfasst neben der reinen Preispolitik auch die Konditionenpolitik.

174

4 Freizeitmanagement und -marketing

Diese ist als Modifikation des Grundpreises zu verstehen und bezieht sich auf Rabatte, Absatzkredite (auch Leasing) oder die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen. Im Zuge der Preisgestaltung für einzelne Freizeitangebote oder kleinere “Pakete” muss immer darauf geachtet werden, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Zur Festlegung von angemessenen Preisen können drei Einflussfaktoren unterschieden werden, die idealerweise simultan in preispolitische Entscheidungen einbezogen werden:  Kostenorientierte Preisfestlegung (mittels Kostenrechnung)  Nachfrageorientierte Preisfestlegung (von den Preisvorstellungen der Verbraucher ausgehend; sich im Rahmen der Preiselastizität bewegend)  Konkurrenzorientierte Preisfestlegung (aggressive, initiative oder adaptive Preispolitik) (vgl. Runia et al. 2007, S. 166ff). Die strategische Preispolitik verfolgt das Ziel der Positionierung eines Angebots im Preis-/ Qualitätsraum auf einem entsprechenden Markt. Sie kann zum wichtigen Element einer konkurrenzorientierten Strategie werden, wenn es sich z.B. um einen aggressiven Preiskampf auf dem Weg zur Kostenführerschaft handelt. Das Entscheidungsspektrum bei der Preispolitik umfasst, wie bereits einleitend dargestellt, neben dem reinen Preis (Hoch-, Mittel- oder Niedrigpreispolitik) auch verschiedene Preisdifferenzierungen, die in Form von Rabatten, Boni und Skonti sowie individuellen Zahlungsbedingungen für bestimmte Kundengruppen gewährt werden können. Mit dieser zielgruppenorientierten Preispolitik können z.B. Sparkonsumenten oder Qualitätskonsumenten angesprochen werden. Die Aufgaben der taktischen Preispolitik umfassen dagegen die Beeinflussung der kurzfristigen Auslastung oder des mangelnden Cash-Flows. Bei Auslastungsproblemen können z.B. die Preise kurzfristig gesenkt werden, oder es gibt Sonderangebote für bestimmte Zielgruppen, um den Cash-Flow zu steigern (vgl. Freyer 2007, S. 465ff). Vertriebswegepolitik Im Zuge der Vertriebswegepolitik werden Maßnahmen ergriffen, damit der Kunde die angebotenen Leistungen wirklich beziehen bzw. wahrnehmen kann. Generell ist damit die Überbrückung der räumlichen und zeitlichen Distanz zwischen der Erstellung und dem Kauf des Produktes bzw. der Dienstleistung gemeint. Für Freizeitangebote werden zumeist auf direktem Weg Eintrittskarten verkauft, d.h. hier stellt sich die Frage, ob das Vertriebssystem ggf. ausgeweitet (Ticketverkauf an anderen Stellen) oder weitere Verkaufsorgane (Kartenverkaufsstellen) eingerichtet werden sollen. Das Ziel der Vertriebswegepolitik ist es also, eine optimale Verbindung zwischen dem Anbieter und den potenziellen Nachfragern herzustellen. Grundsätzlich existieren zwei Vertriebswege, um Freizeitangebote zu vermarkten: der direkte und der indirekte Weg. Der direkte Weg erfolgt heute in der Regel über die Tageskasse oder das Medium Internet. Der indirekte Vertrieb kann auf unterschiedlichen Wegen beschritten werden. Selten gibt es im Freizeitbebereich eigene Vertriebsstellen (Filialen oder Franchisebetriebe). Als externe Vermittler (Fremdvertrieb) kommen branchenspezifische (z.B. Reisebüros oder spezielle Veranstalter) oder branchenfremde Vertriebsstellen (z.B. Kaufhäuser) in Frage. Aber auch Internetplattformen, die den Verkauf von Tickets

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

175

ermöglichen, gelten als indirekte Vertriebspartner. Für den Vertrieb von FreizeitDienstleistungen kommen persönliche, schriftliche, telefonische sowie elektronische Übertragungen als Medien in Frage (vgl. Freyer 2007, S. 496ff). Die Bedeutung von E-Commerce als Distributionsweg für Freizeit-Produkte und Dienstleistungen hat in den letzten Jahren analog zum gesamten Markt stark zugenommen. Grundlage dieser Entwicklung ist die wachsende Verfügbarkeit des Internets. Die Bezeichnung ECommerce spiegelt dabei zwei wesentliche Aufgabenbereiche der Vermarktung von Dienstleistungen wider: Die Kommunikation des Produkts, d h. die Informationsgewinnung, -aufbereitung, -weitergabe und den eigentlichen Absatz der Leistung, die Reservierung sowie die Buchung (vgl. Hartmann & Markus 2007). Das Wachstum des Anteils der Online-Nutzer an der deutschen Bevölkerung hat sich zwar seit 2003 verlangsamt, aber der Anteil ist trotzdem von ca. 53% (2003) auf 66% (2008) gestiegen – das entspricht 42,7 Mio. Bundesbürgern ab 14 Jahren. Neben der Nutzung allgemeiner Angebote, wie E-Mails (92% der Nutzer), Suchmaschinen (94%) oder Nachschlagewerken (76%), liegen die freizeit- und tourismusbezogenen Internet-Angebote ganz vorn in der Gunst der Onliner (vgl. Gruner+Jahr 2008b):    

Informationen über verschiedene Reiseziele (76% der Online-Nutzer) Wetterbericht, Reisewetter, Schneeberichte (75%) Veranstaltungshinweise (73%) Fahr- und Flugpläne (73%).

Auch der Absatz von Produkten und Dienstleistungen über das Internet wächst stetig. Der Umsatz mit privaten Kunden im Netz erreicht zweistellige Wachstumsraten, 2007 hatten bereits 53% aller Bundesbürger im Alter von 14-64 Jahren Produkte im Internet gekauft bzw. kostenpflichtige Dienst- oder Serviceleistungen in Anspruch genommen. Bezogen nur auf die Online-Nutzer liegt die Quote sogar bei 75%. Auch beim Absatz liegen die freizeit- und tourismusbezogenen Produkte und Dienstleistungen, abgesehen von der Teilnahme an Auktionen (45% der Internetnutzer) und dem Kauf von Büchern (37%) ganz vorn (vgl. Gruner+Jahr 2008b):    

Buchung von Bahn- oder Flugtickets (34%) Eintrittskarten für Veranstaltungen (33%) Buchung von Reisen (32%) Hotelreservierung, -buchung (28%).

Das Online-Shopping, als eine Substitution der Shopping-Aktivität außer Haus, bezieht sich neben den genannten Produkten und Dienstleistungen vor allem auf Bekleidung und Schuhe, CDs, Computerhardware, den Kauf und das Downloaden von DVDs und Musik, Spielwaren sowie die Bereiche Haushaltswaren /-geräte und Telekommunikation (vgl. Gruner+Jahr 2008b). Entsprechend der genutzten Internet-Angebote und der Absätze ist der Online-Reisemarkt durch stetig wachsende Umsätze (2007 waren es 16,2 Mrd. €) und Marktanteile (2007 bereits 37% des gesamten Reisemarktes) gekennzeichnet (vgl. Gruner+Jahr 2008a). Welche Rolle

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4 Freizeitmanagement und -marketing

dabei der Vertrieb von expliziten Freizeit-Dienstleistungen ausmacht wird aus den Marktdaten nicht ersichtlich. Dominierende Segmente des Online-Reisemarktes nach Umsätzen sind Fluggesellschaften (35%) und Online-Reisebüros (32%), den Rest des Marktes teilen sich Veranstalter (12%), Hotels (10%), Autovermietungen (8%) und die Bahn (3%). Die Gründe für den Erfolg des E-Tourism liegen in der besonderen Eignung vieler Reiseprodukte und Veranstaltungen für den E-Commerce. Allerdings ist hierbei nach der Art der Produkte zu differenzieren, da auf dem Internetmarkt noch nicht alle Produkte gleichmäßig erfolgreich abgesetzt werden. Aus der Marketingsicht ist die Unterscheidung in HighInvolvement- und Low-Involvement-Produkte sinnvoll (vgl. Kotler & Bliemel 2001). Das Involvement bezieht sich dabei auf die Intensität des Beratungsbedarfs und die Höhe des Preises. Mit diesen Aspekten ist auch die Höhe des Fehlentscheidungsrisikos direkt verbunden. Der Internetvertrieb von Low-Involvement-Produkten, wie z.B. Bahn- oder Flugtickets oder Eintrittskarten, lässt sich ohne gravierende Schwierigkeiten realisieren. HighInvolvement-Produkte bedürfen aus Kundensicht einer intensiveren und vor allem persönlichen Beratung. Kommunikationspolitik Im Rahmen der Kommunikationspolitik existieren verschiedenste Instrumente, die beim taktischen Marketing ganz bestimmte Funktionen erfüllen. Die bereits im Kapitel 4.1.5 beschriebene Corporate Identity kann als strategisches Dach für alle weiteren Aktivitäten im Rahmen der Kommunikation verstanden werden. Der eigentliche „Instrumentenkoffer“ kann in die Bereiche Werbung, Verkaufsförderung und Public Relations untergliedert werden (vgl. Freyer 2007, S. 528ff), die ihrerseits Überschneidungen aufweisen. Die Werbung hat als Teilbereich der Kommunikationspolitik die Aufgabe, eine zielgruppenspezifische Kommunikation aufzubauen. Zu diesem Zweck wird als Konzept ein Werbe-Mix erstellt, dessen Ziele genau mit den generellen Unternehmenszielen abgestimmt sein müssen. Zu entscheiden ist ferner, ob die Werbung dazu dient, das Unternehmen/das Produkt bekannt zu machen, darüber zu informieren, Kaufimpulse zu setzen oder generell zur Imagewirkung beizutragen. Wie sich die Werbung letztendlich gestaltet, hängt ganz von den entsprechenden Zielgruppen, den Werbemitteln und den Werbeträgern ab. Grundsätzlich können folgende Werbemittel- und formen unterschieden werden:      

Gedruckte Werbemittel (Prospekte, Kataloge, Anzeigen, Werbebriefe etc.) Akustische Werbemittel (Musik, Rundfunkspots, Ansagen etc.) Audio-visuelle Werbemittel (TV-Spot, Kino-Spot, Videofilme, Multimedia etc.) Dekorative Werbemittel (Displays, Schaufenstergestaltung etc.) Werbeveranstaltungen (Events, Messen, Info-Reisen etc.) Sonstiges: Werbegeschenke, Give aways, Product Placement, Sponsoring etc.

Im Bereich der Verkaufsförderung geht es darum, die persönlichen Vertriebswege zu aktivieren bzw. zu fördern. Das können eigene oder fremde Verkaufsstellen sein, die auf direktem oder indirektem Weg die Leistungen des Unternehmens vermarkten (vgl. Vertriebswegepolitik). Die Verkaufsförderung spielt bei der Vermarktung von Freizeitangeboten meist

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

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nur eine untergeordnete Rolle. Zur Förderung der Bekanntheit von Freizeitangeboten ist es z.B. denkbar, Reiseveranstalter bzw. Repräsentanten bestimmter Zielgruppen zu Informationsveranstaltungen einzuladen. Auch die Verkaufsförderung auf Messen oder am Telefon ist denkbar. D h. auch hier sind die Übergänge zur PR und Werbung fließend. Generell richtet sich die Verkaufsförderung an die eigenen Verkäufer einer Freizeit-Dienstleistung (z.B. als Schulungsprogramm), an Fremdverkäufer in Reisebüros oder anderen Partner-Agenturen (z.B. als Info-Reise für externe Verkäufer) oder direkt an die Kunden (z.B. auf Messen oder bei Verlosungen). Die dritte Variante weist wiederum Überschneidungen mit der Werbung und der PR auf. Die Public Relations (PR) umfassen eine Reihe von Basisinstrumenten, die sich von der Werbung und der Verkaufsförderung abheben, indem sie sich auf die gesamte (betriebsrelevante) Öffentlichkeit beziehen. Das zentrale Ziel der PR ist die Vermittlung und Förderung eines positiven Images, das über entsprechende Multiplikatoren und Medien verbreitet werden soll. Neben dem Binnenmarketing, das entscheidend zur Bildung der Corporate Identity beiträgt, sowie der formellen und informellen Kontaktaufnahme zu relevanten Teilöffentlichkeiten kann die PR auch durch die Teilnahme an Messen oder intensive Pressearbeit aufgenommen und verbessert werden. Als weitere PR-Maßnahmen bieten sich Veranstaltungen an, die an bestimmte Teilöffentlichkeiten auf den Nachfragemärkten gerichtet sind, z.B. Vereine oder Bildungseinrichtungen. Als wichtigste Instrumente der Public Relations gelten (vgl. Runia 2007, S. 262f):         

Pressekonferenzen und -gespräche Informationen / Pressemitteilungen für Journalisten Redaktionelle Beiträge der Mitarbeiter (z.B. Erlebnisberichte in fremden Medien) PR-Veranstaltungen (z.B. Vorträge, Tage der offenen Tür, Jubiläumsfeiern, Messen) PR-Zeitschriften und andere Printmaterialien Erstellen von eigenem Bild- und Tonmaterial Einrichtung oder Unterstützung von Stiftungen Wettbewerbe und Aktionen, Preisvergaben Sponsoring und Events.

Die Themen Sponsoring und Eventmarketing werden in den folgenden Abschnitten weiter beleuchtet, da sie eine herausragende Rolle für das Freizeitmarketing spielen. Binnen-Marketing Neben den primär nach außen gerichteten Marketing-Aktivitäten von Freizeiteinrichtungen im Rahmen des Marketing-Mix ist das Binnenmarketing eine weitere anspruchsgruppenorientierte Aufgabe, die sich vor allem in der Produkt- und Kommunikationspolitik widerspiegelt. Während im allgemeinen Marketing vom Innen-Marketing gesprochen wird, hat sich im Tourismus die Bezeichnung Binnen-Marketing durchgesetzt. Dabei wird vor allem auf die Besonderheiten der touristischen Leistungserstellung als komplexe und vielfältige Aufgabe verwiesen (vgl. Freyer 2007, S. 706ff). Da diese Merkmale auch auf die meisten Freizeitan-

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4 Freizeitmanagement und -marketing

gebote zutreffen, soll der Begriff auch in diesem Buch Verwendung finden. Unter BinnenMarketing werden demnach alle nach innen gerichteten Aktivitäten verstanden. Sie betreffen sowohl Freizeitbetriebe und deren Mitarbeiter als auch weitere, nicht primär freizeitbezogene Institutionen und Personen, die z.B. als Stakeholder einen engen Bezug zum jeweiligen Betrieb haben. Die zentrale Zielsetzung des Binnen-Marketing ist es, unter Einbeziehung aller verantwortlichen Akteure, eine planvolle Nutzung des vorhandenen Kräftepotenzials einer Organisation auf der Basis des Leitbildes zu erreichen. Im Sinne einer ganzheitlichen Marketingkonzeption geht es dabei um die Erfassung, Steuerung und Koordination aller Leistungsangebote und -träger sowie deren Vernetzung mit externen Bereichen. Als primärer Schritt ist die Bildung einer Corporate Identity anzustreben, als Ausdruck eines besonderen Gemeinschaftsgefühls der Mitarbeiter und als Basis eines Images für das externe Marketing (vgl. Kap. 4.1.5). Dazu gehören die Entwicklung eines Bewusstseins für die eigene (Dienst-)Leistung sowie die Kooperationsbereitschaft der verschiedenen Leistungsträger im Unternehmen. Einen wichtigen Bereich des Binnen-Marketing stellt die Personalorientierung dar: Für alle Bereiche des Unternehmens ist eine Verbesserung der Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten anzustreben. Paradigmenwechsel und „3Rs“ In den letzten Jahren hat sich ein deutlicher Paradigmenwechsel in der Marketingwissenschaft vollzogen, der zu einer Verschiebung der Sichtweisen in Bezug auf die Markt- bzw. Kundenorientierung geführt hat. Früher hat man - im Zuge des Einsatzes der „4Ps“ - zumeist die eigene strategische und operative Arbeit, d.h. die Erstellung des Marketing-Mix, in den Fokus der Betrachtungen gestellt (Inside-out-Perspektive). Mit dieser transaktionsorientierten Sichtweise wurde man jedoch den speziellen Kundenerwartungen oft nicht gerecht. Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich eine veränderte Vorgehensweise entwickelt, diese folgt der Outside-in-Perspektive. Die jeweilige Art der Beziehung des Unternehmens zum Kunden steht hierbei am Ausgangspunkt der Marktbearbeitung. Daher wird auch vom Beziehungsmarketing oder im Englischen vom Relationship Marketing gesprochen. Der Einsatz der Marketinginstrumente wird stärker unter dem Aspekt der verschiedenen Phasen der Geschäftsbeziehung betrachtet, die analog zu den „4Ps“ als die „3Rs“ bezeichnet werden (vgl. Bruhn 2004, S. 31ff):  Recruitment: Kundenakquisition mit dem Fokus auf intensiven Kundendialog und Interaktion mit dem Kunden;  Retention: Kundenbindung mit dem Fokus, die Kundenzufriedenheit zu steigern und eine langfristige Beziehung aufzubauen;  Recovery: Kundenrückgewinnung oder Halten unzufriedener Kunden, z.B. durch individuell auf Kundensegmente zugeschnittene Sonderangebote.

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

179

Klassische und moderne Kommunikationsinstrumente Verbunden mit dem Paradigmenwechsel und natürlich bedingt durch die ständige Weiterentwicklung der Marketinginstrumente aus der Praxis heraus, haben sich moderne und für das gegenwärtige Medienzeitalter äußerst effiziente Kommunikationsinstrumente entwickelt. Diese werden auch als „below the line“ bezeichnet, wobei diese Definition als Abgrenzung zu den traditionellen Instrumenten („above the line“), die bereits seit langer Zeit gebräuchlich sind, zu verstehen ist (vgl. Auer & Diederichs 1993). Runia et al. (2007, S. 265ff) grenzen Direktmarketing, Sponsoring, Eventmarketing, Product Placement und OnlineMarketing als moderne Kommunikationsinstrumente ab. Methoden, die auch in diesem neuen Rahmen ungewöhnlich sind und sich jenseits aller Lehrbuchmethoden befinden, werden auch als Guerilla Marketing bezeichnet. Mit einem äußerst kleinen Etat wird das Medium oder der Absatzkanal gewählt, der jeweils günstig zu erhalten ist. Unkonventionelle Ideen sollen für eine überproportionale Aufmerksamkeit sorgen und damit Erfolg bringen (vgl. Patalas 2006). Aufgrund der Möglichkeiten neuer Medien und Technologien gibt es inzwischen sehr viele kreative Varianten der Kommunikation, die sich unter den Rubriken Direktmarketing und/oder Online-Marketing einordnen lassen. Häufig werden Multiplikatoren bzw. Hebeleffekte genutzt, um die Wirkung einer Kampagne zu verstärken. Beim Viral-Marketing werden existierende soziale Netzwerke ausgenutzt, um Aufmerksamkeit auf Marken, Produkte oder Kampagnen zu lenken, indem Nachrichten sich epidemisch, wie ein Virus ausbreiten. Die Verbreitung der Nachrichten basiert dabei auf Mundpropaganda und ist für den Kunden oft nicht als Werbung sichtbar. Vor allem im Internet funktioniert die virale Verbreitung von Marketingbotschaften äußerst gut. Die Projekte kommen häufig wie aus dem Nichts, bedienen sich keiner Unterstützung klassischer Kommunikationsinstrumente und verursachen zumeist nur einen minimalem finanziellen Aufwand (vgl. Langner 2007, Kutzborski 2008). Eine aktuelle Strömung, die sich auch das Viral-Marketing zunutze macht, ist das Open Source Marketing. James Cherkoff, der Urheber dieses Begriffs, geht davon aus, dass die klassische Werbung am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen ist: „The love affair between big brands and mass media is over“ (Cherkoff 2005). Im Fahrwasser der Entwicklung des Web 2.0 entstand der Anspruch der Verbraucher, sich nicht länger von Marken und deren Werten berieseln zu lassen, sondern mit der Quelle der Marke interagieren zu wollen. Das führte dazu, dass der Verbraucher zur kreativen Teilnahme am Marketing-Prozess eingeladen wurde. Egal ob im Profit- oder Nonprofit-Bereich, spielt dafür neben der Positionierung von Produkten am Markt vor allem die Überzeugung der Mitstreiter sowie die Bedarfsorientierung eine entscheidende Rolle. Erst wenn eigene Bedürfnisse angesprochen werden, ist man selbst bereit eine Idee zu fördern. So hat z.B. die Firma Lego Kunden gebeten, neue Spielzeug-Modelle mit zu entwickeln, diese dann auf den Markt gebracht, und schickt dieselben Kunden dann als Markenbotschafter auf Messen. Cherkoff geht davon aus, dass diese interaktive Technik besser ankommt als klassische Marketing-Methoden, da sie näher am Nutzer, präziser und glaubwürdiger ist (vgl. Cherkoff 2005; Ramge 2008).

180

4.4.3

4 Freizeitmanagement und -marketing

Sponsoring

Mit einem geschätzten Volumen von ca. 4,6 Mrd. Euro im Jahr 2008 hat sich das Sponsoring in Deutschland in den letzten Jahren zu einem bedeutenden und überdurchschnittlich wachsenden Kommunikationsinstrument entwickelt. Es rangiert damit direkt hinter der klassischen Print- und TV-Werbung (Pilot Media 2008). Dabei ist die Idee der Förderung von Kultur, Sport und sozialen Einrichtungen nicht neu, sie geht sogar bis in die Antike zurück. Lange Zeit war das Mäzenatentum oder später das Spendenwesen die gängige Form der Förderung. Die Motive der Förderer waren eine gewisse Selbstverpflichtung oder gesellschaftspolitische Verantwortung. Doch im Gegensatz zu diesen beiden Formen verbinden Unternehmen, die als Sponsoren auftreten, ihr Engagement mit eigenen Kommunikationszielen. „Sponsoring bedeutet die Planung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten, die mit der Bereitstellung von Geld, Sachmitteln, Dienstleistungen oder Know-how durch Unternehmen und Institutionen zur Förderung von Personen und/oder Organisationen in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales, Umwelt und/oder den Medien verbunden sind, um damit gleichzeitig Ziele der Unternehmenskommunikation zu erreichen“ (Bruhn 2003, S. 5). Auf Seiten der Unternehmen wird das Sponsoring heute sehr professionell betrieben und genau diese Professionalisierung führt gleichzeitig zu einem stetigen Wachstum der Sponsoringetats gegenüber den anderen Kommunikationsinstrumenten. Dieser positiven Entwicklung beim Sponsoring stehen teilweise sehr unprofessionelle Angebote bei den Gesponserten gegenüber. Häufig werden gerade von kleinen Organisationen die Sponsoren als letzte Rettung gesehen, weil andere Finanzierungswege nicht ausreichen. Der Ansatz, den Interessen beider Partner gerecht zu werden, wird dabei kaum berücksichtigt. Große Unternehmen wägen dagegen ab, ob sie entsprechende Anliegen (Sport, Kultur etc.) finanzieren sollen oder auf anderen Wegen intensiv mit ihren Zielgruppen kommunizieren. Als Reaktion auf diesen häufig auftretenden Widerspruch zwischen den theoretischen Zielen des Sponsorings und der Realität an der praktischen „Basis“ des Sponsoring-Geschehens hat Brockes (2004) Leitlinien für die gegenseitige Zufriedenheit formuliert:  Sponsoring besteht aus Leistung und Gegenleistung, d.h. auch der Sponsor erwartet eine Leistung, die er in seine gesamte Unternehmenskommunikation (Werbung, PR und Verkaufsförderung) integrieren kann, nicht nur den einfachen Abdruck des Firmenlogos.  Sponsoring ist eine Investition und nur dann sinnvoll, wenn eine längerfristige Partnerschaft eingegangen wird, bei der zunächst beide Partner investieren. Die Belohnung erfolgt mittelfristig, wenn die Partnerschaft gelebt wird und die Zielgruppe den Sponsor eindeutig mit dem Sponsoring-Engagement identifiziert. Deshalb haben einmalige Events meist mehr Probleme, Sponsoring-Partner zu finden.  Sponsoring heißt Erlebniswelten schaffen und emotionalisieren. Durch Sponsoring kommen Unternehmen dahin, wo Menschen (Kunden) ihre Erlebniswelten und damit positive Emotionen haben. Das kann im Sportstadion oder auf der Konzertbühne sein. Dadurch kann sich der Sponsor bestimmte Attribute „anheften“, z.B. dynamisch und erfolgsorientiert beim Sport, sympathisch und kulturell engagiert in der Kultur oder verantwortungsvoll im sozialen Bereich.  Sponsoring bedeutet gegenseitige Identifikation. Erst wenn der Gesponserte sich mit den Produkten/dem Unternehmen des Sponsors identifiziert und der Sponsor nicht nur ober-

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

181

flächlich (scheinbar) zu seinem Engagement steht, kann ein tatsächlicher Imagetransfer stattfinden. Der Sponsoringmarkt wird in regelmäßigen Abständen im Rahmen der Untersuchungen „Sponsor Visions“ oder „Sponsoring Trends“ beleuchtet. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich Sponsoring als Kommunikationsinstrument seit Jahren auf einem hohen Niveau befindet. Im Jahr 2008 setzen ca. 75% der befragten Unternehmen in ihrem Kommunikations-Mix auf Sponsoring, ähnlich wie bereits 2004. Allerdings ist der Anteil der Aufwendungen für Sponsoring am gesamten Kommunikationsbudget gestiegen: im Durchschnitt von 15,4 (2004) auf 16,6% (2008) (vgl. Pleon Event & Sponsoring 2008). Sportsponsoring bleibt mit ca. 44% nach wie vor die am häufigsten eingesetzte Sponsoringart und gilt besonders in den Jahren der Fußball-WM oder -EM sowie der Olympiaden als Treiber eines wachsenden Sponsoring-Marktes. Danach folgen das Kunst- und Kultursponsoring (ca. 21%) sowie das Bildungs- und Sozio-Sponsoring (ca. 12 bzw.16%), das in den letzten Jahren deutlich hinzugewonnen hat. Im Bereich des Sportsponsorings dominiert der Fußball ganz klar das Geschehen (vgl. Fußball-WM weiter unten) gefolgt von Handball und Reiten. Im Kunst- und Kultursponsoring sind die Bildende und die Klassische Kunst führende Sponsoring-Nehmer, gefolgt von der Darstellenden und Bühnenkunst. Vor allem Kunstausstellungen oder Kooperationen mit Museen (z.B. die Moma-Ausstellung in Berlin 2005) werden sehr positiv bewertet. Während sich das Bildungssponsoring gut verteilt ist beim Öko-Sponsoring vor allem der Natur- und Landschaftsschutz Nutznießer von Sponsorengeldern. Im Sozio-Sponsoring profitieren Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sowie karitative und Wohlfahrtsinstitutionen am meisten (vgl. Pilot Media 2008; Pleon Event & Sponsoring 2008). Aus Unternehmenssicht wird Sponsoring zunehmend als günstige Alternative zu bisherigen Kommunikationskonzepten gesehen und weniger als reine Förderung von unterstützenswerten Aktivitäten oder Events. Vor allem die Abwägung zwischen dem Sponsoring von externen Events und der Veranstaltung eigener Marketing-Events steht dabei im Vordergrund. Die Vorteile von gesponserten gegenüber selbst initiierten Events liegen dabei auf der Hand: Es sind keine großen Investitionen in eine Infrastruktur notwendig, das Programm ist gegeben oder kann ggf. durch Inhalte des Sponsors ergänzt werden und gesponserte Events haben meist eine hohe Wiederholungsrate und damit eine Termin- und Ortsunabhängigkeit (vgl. Brockes 2004). Die Instrumente Sponsoring, PR und Event wachsen immer weiter zusammen und bilden eine Kommunikations-Plattform (vgl. Pleon Event & Sponsoring 2008). Moderne Sportarenen und Kulturfestivals haben sich bereits mit Logen, Business-Sitzen, Konferenzräumen und hochwertigen Hotel-Infrastrukturen auf die Sponsoring-Kundschaft eingestellt. Alles entscheidend bleibt die Frage nach der richtigen Auswahl von Events für das eigene Sponsoring. Dabei ist der Eventcharakter sicher ausschlaggebend: Ist es eine regelmäßige Veranstaltung? Welche Erwartungen und Emotionen sollen die Teilnehmer haben? Welche Art von Besuchern wird wie „emotional“ teilnehmen? Welche Medien sollen mit welcher Tonalität und Breitenwirkung eingesetzt werden?

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4 Freizeitmanagement und -marketing

Am Beispiel der Fußball Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, dem weltgrößten Event noch vor den Olympischen Spielen, lässt sich dieser Eventcharakter als Angebot und auch der Zuspruch von Sponsoren als Nachfrage sehr gut veranschaulichen (vgl. Hartmann 2008b, S. 115):  Die Fußball-WM findet regelmäßig alle vier Jahre auf allen Kontinenten der Welt statt. Zwischen den Turnieren werden weltweit über zwei Jahre verteilt Qualifikationsspiele ausgetragen.  Fußball ist ein absolutes Breitensportphänomen, geeignet für jedes Alter und inzwischen auch interessant für beide Geschlechter. In Deutschland haften der Fußball-WM Attribute wie populär, traditionell, sympathisch oder besuchenswert an.  Bei den 64 Spielen der WM 2006 saßen insgesamt 3,36 Mio. Zuschauer in den 12 WMArenen (inkl. Medienvertreter, VIP etc.); Geschätzte 21 Mio. Zuschauer versammelten sich bei den offiziellen „Fan-Festen“ in den Austragungsorten.  Etwa 1,5 Milliarden Zuschauer verfolgten das Eröffnungsspiel am 9. Juni 2006 weltweit im Fernsehen; insgesamt wurden 30-40 Milliarden Zuschauerkontakte in 205 Ländern geschätzt.  Am Fußball Interessierte aus aller Welt haben die WM über FIFAworldcup.com, die Offizielle Website zum Turnier, verfolgt. Mit 4,2 Milliarden Seitenabrufen, doppelt so vielen wie bei der WM 2002, waren das so viele wie nie zuvor.  Entsprechend dieses Angebots seitens der FIFA wird die Fußball-WM zum größten Teil durch Sponsoren finanziert. Die internationalen Hauptsponsoren (Mc Donalds, Coca Cola, Hyundai, Adiddas etc.) haben 2006 etwa 360 Mio. € gezahlt, das war fast doppelt so viel, wie durch den Kartenverkauf eingenommen wurde. Die nationale Sponsoren (OBI, Postbank, DB etc.) haben noch einmal über 60 Mio. € dazu gesteuert.

4.4.4

Markenentwicklung

Die Entwicklung einer Marke ist Bestandteil des strategischen Marketings und fällt in der operativen Umsetzung in den Bereich der Produktpolitik. Im Rahmen der Marktbearbeitung kann die Markierung des Unternehmens und/oder seiner Produkte als Differenzierungs- und Positionierungsstrategie bezeichnet werden. Im Qualitätswettbewerb bietet die Marke eine sehr gute und inzwischen auch im Freizeitmarkt weit verbreitete Möglichkeit der strategischen Positionierung. Eine Marke ist ein Objekt (Produkt, Dienstleistung, Institution etc.) mit zusätzlich hinzugefügten Eigenschaften (z.B. spezielle Kommunikation, Services, Innovationen), die dafür sorgen, dass sich dieses Objekt aus Sicht relevanter Nachfrager gegenüber anderen Objekten, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, differenziert und gleichzeitig über einen längeren Zeitraum im Markt in einer im Kern gleich bleibenden Art und Weise erfolgreich angeboten wird (vgl. Burmann & Nitschke 2004, S. 73). In vielen Bereichen des gewerblichen Marketings ist die Marke inzwischen unabhängig vom Produkt zu sehen, sie ist die Idee des Kunden vom Produkt. Marken übernehmen eine wichtige Identifikations- und Differenzierungsfunktion, damit Kunden sich leichter zwischen mehreren Angeboten entscheiden kön-

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

183

nen. Das Differenzierungsmerkmal einer Marke muss für den Kunden wichtig, sichtbar und/oder fühlbar sein, es muss Emotionen auslösen (vgl. Esch 2003). Als wichtiger Ausgangspunkt zur Entwicklung und Führung einer Marke gilt die Identität. Der Ansatz des identitätsbasierten Markenmanagements geht davon aus, dass das Leben echter Marken bei den Mitarbeitern beginnt. Nur was mit Überzeugung gelebt wird, kann auch mit Überzeugung in Märkten kommuniziert werden. Die Stärke einer Marke resultiert damit aus der vertrauensvollen und stabilen Beziehung zu ihren Kunden. Die Voraussetzung dafür ist eine klare und verlässliche Vorstellung (Image) über die „Persönlichkeit“ des Produktes, der Dienstleistung oder der Institution (vgl. Meffert et al. 2005). Jedes Unternehmen muss demnach daran arbeiten, im Rahmen der Marketingkonzeption ein Profil und damit verbunden eine einmalige Werbeaussage (USP) bzw. ein unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal zu definieren. Gelingt die Profilierung und Positionierung, dann ist das Branding, die „Markierung“, der nächste Schritt der Markenbildung. Es soll dem Unternehmen und seinem Angebot ein einzigartiges, besucherrelevantes Image verleihen. Das Branding umfasst alle konkreten Maßnahmen zum Aufbau einer Marke, die dazu geeignet sind, das Angebot eines Unternehmens aus der Masse gleichartiger Angebote herauszuheben und die eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten Marke zu ermöglichen. Das ist vor allem die Entwicklung von Markenzeichen (Slogans und Logos) und die Namensgebung als operative Marketingtools zur Umsetzung der Markenkommunikation im Rahmen einer Corporate Identity bzw. eines Corporate Design (vgl. Esch 2003, Meffert et al. 2005). Für größere Unternehmen, die über mehrere Geschäftsfelder oder Unternehmenszweige verfügen, stellt sich die Frage nach der strategischen Ausrichtung verschiedener Marken. Hier können grundsätzlich sechs Basisstrategien unterschieden werden, die in großen Konzernen durchaus auch in Kombination auftreten (vgl. Runia et al. 2007):  Einzelmarkenstrategie: jedes Produkt wird unter einer eigenen Marke angeboten (z.B. Universum® Bremen und Klimahaus® Bremerhaven 8° Ost).  Familienmarkenstrategie: mehrere verwandte Produkte werden unter einer Marke angeboten (ohne Bezugnahme auf den Unternehmensnamen), z.B. SEA LIFE Speyer, München, Oberhausen etc.  Mehrmarkenstrategie: Produkte im gleichen Segment erhalten einen eigenen Markennamen; verschiedene Marken dienen zur Marktsegmentierung bzw. differenzierten Marktbearbeitung (z.B. Merlin Entertainments Group mit SEA LIFE, Madame Tussauds, Heidepark, Legoland etc.).  Dachmarkenstrategie: verbinden von Einzel- oder Untermarken mit übergreifender Markenbezeichnung; die Dachmarke fasst alle Leistungsangebote eines Unternehmens unter einem Namen zusammen (z.B. Disney); diese Strategie ist auch für Freizeit- und Tourismus-Destinationen relevant (z.B. Land Fleesensee).  Markentransferstrategie: positive Imagekomponenten einer Hauptmarke werden auf ein Transferprodukt übertragen (z.B. Lego-Bausteine auf Freizeitpark Legoland)  Co-Branding: Markenallianz, bei der eine Leistung durch zwei oder mehr Marken markiert wird (vgl. Kapitel 4.4.1, Marketingkooperationen).

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4 Freizeitmanagement und -marketing

Für den Aufbau von Marken eignet sich besonders das Eventmarketing. Denn Beziehungen festigen sich durch Interaktion und gemeinsame Erlebnisse. Die Kunde-MarkeBeziehung ist stark emotional geprägt und Markenidentität transportiert vor allem emotionale Werte. Die Interaktion der Menschen während eines Events schafft Vertrauen, und Vertrauen ist die Statik jeder Marke. Events können starke kognitive und emotionale Prozesse bei den Besuchern auslösen. Direktes und interaktives Erleben der Markenwerte und Markenpersönlichkeit eines Unternehmens induziert eine starke Identifikation mit demselben und fördert den Aufbau einer Beziehung. Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Eventmarketings ist der „Fit“ zwischen dem Event und der Marke, das heißt der Event muss den Werten und der Persönlichkeit der Markenidentität entsprechen (vgl. Burmann & Nitschke 2004). Mehr zum Eventmarketing im folgenden Kapitel.

4.4.5

Event- und Erlebnismarketing

Da in den vorherigen Abschnitten bereits von Events die Rede war, soll an dieser Stelle zunächst geklärt werden, was sich hinter dem Begriff verbirgt: Events sind besondere Veranstaltungen oder spezielle Ereignisse, die multisensitiv vor Ort erlebt und als Plattform einer Kommunikation genutzt werden (vgl. Erber 2005, S. 3). Damit werden Events - als Gegenstand der Marketing-Kommunikation - zugleich von einfachen Verkaufsveranstaltungen („Kaffeefahrten“) und nicht-kommerziellen Veranstaltungen (z.B. religiöse Veranstaltungen) abgegrenzt. Zudem lassen sich Events dadurch von dauerhaften Freizeitangeboten (z.B. Museen, Kunsthallen, Fitnesscenter, Shopping-Center) abgrenzen, dass sie nur eine begrenzte Dauer haben. Diese kann von wenigen Minuten (z.B. Aktionskunst) bis zu mehreren Wochen (z.B. Olympische Spiele) umfassen (s. Übersicht in Kap. 6.3.3). Da es verschiedene Definitionen für Events gibt, die jeweils andere Aspekte fokussieren, hat Drengner (2006, S. 31ff) eine Zusammenschau der idealtypischen Merkmale von Events vorgenommen und möchte damit den innovativen Charakter im Unterschied zu anderen Marketinginstrumenten betonen:  Planmäßig erzeugte Ereignisse: Events finden nie zufällig statt, sondern benötigen organisatorische Vorbereitung und planmäßige Durchführung  Zielorientiert durchgeführt: jedem Event liegt eine bestimmte Intention zugrunde  Als einzigartiges Erlebnis geplant und erlebt: Events bieten eine positive Abwechslung vom Alltag, die mit Freude und Spannung erwartet wird  Sprechen mehrere (alle) Sinne ihrer Teilnehmer an: „totales Erlebnis“, durch Vernetzung unterschiedlicher ästhetischer Ausdrucksformen (z.B. Musik, Tanz, Lichtgestaltung)  Vermitteln das Gefühl exklusiver Gemeinschaft und der Zusammengehörigkeit: Events erzeugen das Gefühl, durch die gemeinsame Teilnahme zu einer „großen Familie“ zu gehören  Meistens monothematisch fokussiert: Teilnehmer haben die Möglichkeit, mittels des ausgewählten Themas miteinander zu interagieren. Der Eventinhalt stiftet damit sowohl Identität als auch ein Gemeinschaftserlebnis (vgl. Kap. 3.7.4 „Leben in Freizeitszenen“).

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

185

Da Events planmäßig und zielorientiert entwickelt werden, stellt sich die Frage nach dem Zweck und der Zielgruppe derselben. Wen und was will ich eigentlich mit meinem Event erreichen? Zur Beantwortung dieser Frage können zwei Grundformen von Events differenziert werden: Der Marketing-Event (geschlossener Event oder Corporate Event) ist durch eine enge, durch Einladung definierte Zielgruppe (B-to-B-Ebene oder VIP-Ebene) gekennzeichnet, zumeist unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das können z.B. Produktpräsentationen, Händlertagungen/-ausstellungen sein (wirtschaftliche Events) oder VIP-Events, Firmenjubiläen, Fachtagungen sowie Awards (gesellschaftspolitische Events). Der Public-Event (offener oder öffentlicher Event) ist ans breite Publikum gerichtet. Hier findet eine zielgruppengerichtete, öffentliche Bewerbung des Events statt. Das sind häufig Sport- oder Kulturveranstaltungen, Tage der offenen Tür etc. Eine Sonderform stellt der Event im Event dar. Er kann ein Marketing- oder auch Public-Event sein, maßgeblich ist für ihn die Integration in einen bestehenden Event. Die Erlebniswelt eines bestehenden Events wird durch die Integration des eigenen Events symbiotisch genutzt, z.B. der VIP-Bereich mit einer Produktpräsentation in einer Fußball-Arena (vgl. Bischof 2008). Darüber hinaus wurden verschiedenste Typologien von Events vorgenommen (vgl. Nufer 2007, S. 38ff). Einen Überblick über die freizeitrelevanten Bezugsfelder von Events nach Motiven und Anlässen gibt Freyer (2007, S. 606). Allerdings bezieht er nicht nur reine Marketing-Events (s.o.), sondern die gesamte Vielfalt von kommerziellen und nichtkommerziellen Events ein:  Kultur-Events (Musik, Theater, Kunst, Religion, Wissenschaft, Brauchtum etc.)  Sport-Events (Olympiaden, Meisterschaften, Wettkämpfe, Freizeit-Sportfeste etc.)  Wirtschaftliche Events (Expo, Messe, Kongress, Verkaufsshow, Produktpräsentation etc.)  Gesellschaftspolitische Events (Politische Veranstaltungen, Prominenten-Besuche etc.)  Natürliche Events (Naturereignisse und Naturkatastrophen, z.B. Sonnenwende, Blüten, Vulkanausbruch etc.) (vgl. Abb. 58, Kap. 6.3.3). Das Eventmarketing „ist ein interaktives sowie erlebnisorientiertes Kommunikationsinstrument, das der zielgerichteten, zielgruppen- bzw. szenenbezogenen Inszenierung von eigens initiierten Veranstaltungen sowie deren Planung, Realisation und Kontrolle im Rahmen einer Integrierten Unternehmenskommunikation dient“ (Nufer 2007, S. 21). Es soll aus Sicht des Unternehmens zu einer positiven Verankerung von Anliegen und daraus resultierend zu entsprechenden Einstellungsänderungen und/oder Handlungen (z.B. Kaufentscheidungen) führen. Das Ziel von Eventmarketing als Marketinginstrument ist es demnach, Vermarktungsgegenstände im weiteren Sinne, an Adressaten des Unternehmens über erlebnisorientierte Kommunikation effizient zu vermitteln. Unternehmensziele, die den Einsatz von Eventmarketing letztendlich begründen, sind zumeist auf kommerzielle Anliegen zurückzuführen: entweder klassisch betriebswirtschaftliche Ziele (Leistungs-, Erfolgs- oder Finanzziele) oder Zwischenziele sozialer oder imagebildender Art (z.B. Mitarbeiter-Recruiting oder Imageaufbau) (vgl. Müller, W. 2006).

186

4 Freizeitmanagement und -marketing

Im Bereich der Freizeit und des Tourismus können die Ziele von Eventmarketing variieren, denn häufig handelt es sich hier um nicht-kommerzielle Events. Am Beispiel eines Stadtfestes, das ehrenamtlich organisiert und von der Verwaltung unterstützt wird, können außengerichtete Ziele und innengerichtete Ziele verfolgt werden, die zumeist als sozial oder imagebildend zu bezeichnen sind: Steigerung der Attraktivität der Stadt für Besucher und Bewohner; Steigerung der Besucherzahlen und des Bekanntheitsgrades sowie Imagebildung (außengerichtet) und Förderung der Kultur, Stadtentwicklung, Identitätsstiftung, BinnenMarketing sowie wirtschaftliche Effekte (innengerichtet) (vgl. Freyer 2007, S. 607). Einige Autoren nutzen die Begriffe Eventmarketing und Erlebnismarketing synonym, davon ausgehend, dass das Erlebnis das zentrale Fundament des Eventmarketings sei. Weinberg (1992) versteht Erlebnismarketing als Strategie zur Vermittlung von Emotionen, die den Einkauf zu einem persönlichen Erlebnis werden lässt. Es müsse dem Konsumenten sinnlich vermittelt werden, dass er die Produkte und Dienstleistungen erwirbt, die zu seiner Lebensqualität passen, und zwar in einer dem Konsumenten befriedigenden Verkaufsinteraktion bzw. in einem Geschäft, das ihm besonders zusage. „Das erreicht man nicht durch emotionale Schminke, sondern nur durch Verankerung der Produkte, Dienstleistungen und Einkaufsstätten in den Gefühls- und Erlebniswelten der Konsumenten“ (Weinberg 1992). Carl W. Buechner hat das Grundprinzip des Erlebnismarketings auf einen einfachen Nenner gebracht: „They will forget what you said, but they will never forget how you made them feel“ (zitiert in Neumann 2003, S. 9). Die Bedeutung von Event- und Erlebnismarketing ist für die Freizeitwissenschaft so signifikant, weil der Megatrend Erlebnisorientierung im Mittelpunkt der gegenwärtigen Freizeitund Tourismusentwicklung steht. Dieser Trend beinhaltet eine stärkere Präsenz von Emotionen, Erlebnissen und Abenteuern in der Freizeit und im Urlaub. Das können ErlebnisAngebote in künstlichen Freizeit- und Erlebniswelten sein oder Angebote in „natürlichen“ bzw. organisch gewachsenen Umgebungen, wie z.B. Kulturlandschaften. Doch was ist ein Erlebnis? Im Zusammenhang mit der Inszenierung von Freizeiträumen und dem Eventmarketing ist ein Erlebnis als „ein außergewöhnliches, subjekt- und situationsbezogenes inneres emotionales Ereignis im Leben des Menschen, das sich einer zielgerichteten Selbst- oder Fremdsteuerung entzieht, dessen Rahmenbedingungen lediglich phänomenfördernd gestaltet werden können“ zu verstehen (vgl. Müller, W. 2006, S. 39). Die Vorteile der emotionalen Ansprache lassen sich aus der psychologischen Grundlagenforschung ableiten: Der Mensch hat ein Grundbedürfnis nach Erlebnissen. Erlebnisse spiegeln seinen Wunsch nach Selbstverwirklichung wider und werden so zu einem entscheidenden Motiv in der Bedürfnisbefriedigung. Mit Hilfe emotionaler Erlebnisreize kann die Aktivierung (Leistungsbereitschaft) des potenziellen Kunden erhöht werden. Erlebnisse erhöhen zugleich das Involvement (innere Beteiligung) des Menschen, indem sie ihn direkt in das Geschehen einbeziehen. Emotionale Erlebnisse bilden so einen Zusatznutzen für Kunden, der sogar zum vorrangigen Grund für den Besuch einer Freizeiteinrichtung werden kann (vgl. Kroeber-Riel & Weinberg 2003). Pine & Gilmore (1999) haben auf dieser Basis vier unterschiedliche Erlebnissphären herausgearbeitet. Die intensivste Form eines Erlebnisses haben sie als „Flow“ bezeichnet. Die beteiligten Personen versinken dabei völlig im Erlebnis (hohe Konzentration, intensives Eingebundensein, absolute Selbstbezogenheit, Verlust des

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

187

Zeitgefühls). Die Schaffung von Flow-Zuständen „brennt“ ein Erlebnis nachhaltig in die Erinnerung des Konsumenten und er wird versuchen, die motivierende Erregung dieses Zustandes zu wiederholen und den Ort der Stimulierung erneut aufsuchen. Und genau das ist es, was jedem Freizeit-Manager vorschwebt, wenn er ein Angebot plant und umsetzt. Durch emotionale Aufladung ist es möglich, ein Freizeitangebot oder eine Destination von der Konkurrenz abzuheben, d h. deren Attraktivität kann durch den Aufbau eines emotionalen Profils gesteigert werden. Im Idealfall wird eine emotionale Konditionierung aufgebaut: Dann ist im Marketing nur noch ein Stichwort notwendig, um einen ganzen „Film“ von Assoziationen vor dem inneren Auge des (potenziellen) Gastes ablaufen zu lassen (z.B. Mickey Mouse). Dazu bedarf es starker und geeigneter emotionaler Reize und einer inhaltlichen und formalen Kontinuität - nicht heute Lifestyle und morgen Konservativ. Die Abspeicherung von emotionalen Erlebnissen in Bezug zu Destinationen kann zu lang anhaltenden Schemavorstellungen führen. Das sind standardisierte Vorstellungen bzw. thematisch zusammenhängende Wissensbereiche (vgl. Kroeber-Riel & Weinberg 2003). Gute Beispiele geben in diesem Zusammenhang Städte wie Rothenburg ob der Tauber (= Mittelalter, Altstadt, „Puppenstübchen“, Kuckucksuhren, japanische Touristen ...) oder Heidelberg (= Schloss, Neckar, Universität, Studentenleben, Romantik ...), die sich bereits zu Markenartikeln des deutschen Städtetourismus entwickelt haben (vgl. Hartmann 2006b). Erlebnis-Inszenierung Eine Zeit lang sah es so aus, als ob Besucher Städte-Destinationen zunehmend nur noch als Rahmen wahrnehmen, für ein Angebot von künstlichen Erlebnisangeboten, die wenig mit der Identität eines Ortes verbindet. Opaschowski (2000) hat diese Entwicklung als „Krise des Originals“ bezeichnet. Doch es gibt längst eine Vielzahl von Besuchern, die sich nach Realem und Originalem sehnen, angesichts der zunehmenden Ausbreitung von Kunstwelten. Und während sich Themen- und Vergnügungsparks immer weiter verbreiten, bleibt zugleich die „unstillbare Sehnsucht nach Echtheit“ als machtvolles Reisemotiv (vgl. Hennig 1997). Aber was ist überhaupt noch „echt“ und was nicht (mehr)? Illusion und Ursprünglichkeit erscheinen uns zunächst als Gegenpole, aber jede künstliche Welt ist auf ihre Weise auch echt und authentische Erlebnisse haben immer auch künstliche Züge. Der Soziologe Mac Canell (1979) hat dafür den Begriff der „inszenierten Authentizität“ (staged authenticity) geprägt. Das bedeutet, die Grenzen der Erlebnisbereiche verwischen sich zunehmend, Kultur und Kommerz durchdringen sich wechselseitig. Ein eindringliches Beispiel für diese Verwischung sind die Hacke`schen Höfe in Berlin oder andere historische Stadtviertel, die für Besucher inszeniert werden. Insgesamt wirkt das touristische Bedürfnis nach authentischer Erfahrung bereits auf das Erscheinungsbild unserer Städte zurück: Die scheinbar originale Gestalt historischer Stadtzentren ist zu einem erheblichen Teil das Ergebnis gezielter Eingriffe, oft mit Blick auf den Tourismus. Die Baugeschichte unserer Städte ist oft eine Chronik des Umbaus der Stadt zur „Attraktion“ (Moos 1994). Daraus abgeleitet können die wesentlichen strategischen Erfolgsfaktoren für die Entwicklung von Erlebniszielen wie folgt zusammengefasst werden (vgl. Hartmann 2005, Reiter 2004):

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4 Freizeitmanagement und -marketing

 Ein unverwechselbares Profil im Sinne einer USP schaffen und Markenbildung betreiben („urban branding“)  Die Potenziale im Rahmen von Kultur-Veranstaltungen bzw. Events inszenieren, möglichst unter Wahrung der Authentizität („story telling“)  Die Angebotsvielfalt durch herausragende Erlebnisangebote (z.B. thematische Freizeitwelten, Wellness-„Tempel“) erweitern, um differenzierte Lifestyle-Gruppen anzusprechen  Ein professionelles Marketing unter Einbeziehung aller Akteure - auch des Umlandes - betreiben (Marketing-Kooperationen). Abgesehen von den strategischen Marketing-Überlegungen sind weitere Kriterien für eine „intelligente Inszenierung“ von Freizeiträumen zu berücksichtigen. Dazu gehören die Emotionalität (Erzählen von Träumen, außergewöhnlichen Erlebnissen und Aufbau von Erwartungen), die Originalität (bezogen auf den Ort etwas Neues hervorbringen), das Eintauchen können und aktive Beteiligen der Gäste, die enge Verzahnung von künstlerischer Kreativität mit der Marketing-Kompetenz vor Ort und nicht zuletzt die Qualität (vgl. Hartmann 2005). Müller, H. et al. (2004) haben verschiedene Instrumente der Erlebnis-Inszenierung zusammengestellt, die sie für eine schrittweise Kreation von Erlebnis-Inszenierungen für notwendig erachten: das Thema als Leit-Instrument, das Inszenierungskonzept als Planungsund Koordinations-Instrument, Attraktionen und Aktivitäten als Auslöser-Instrument, die Szenerie als Ästhetik-Instrument, die Besucherlenkung als Lenk-Instrument, das Wohlfühlmanagement als Unterstützungs-Instrument und die Besucher/Gäste als BewertungsInstrument. Demnach geht es im Kern der Erlebnis-Inszenierung darum, neben einer Reihe von organisatorischen und analytischen Vorbereitungen, das Inszenierungs-Konzept vorzubereiten und das Thema für die Inszenierung festzulegen. Das Leitthema dient als Ausgangspunkt und die vorhandenen Attraktionen und weitere Inszenierungsinstrumente werden kohärent zum Leitthema eingesetzt. Als besonders geeignete authentische Leitthemen mit AlleinstellungsCharakter erweisen sich historische oder kulturelle Anknüpfungspunkte, Sagen und Mythen, oder landschaftliche Rahmenbedingungen. Im nächsten Schritt geht es darum, Attraktionen zu schaffen und Aktivitäten für die Gäste zu ermöglichen. Das bezieht sich sowohl auf qualitative als auch vor allem auf quantitative Aspekte, indem z.B. bestehende Ereignisse erlebnisreicher gestaltet werden können. Wichtig erscheint bei diesem Schritt vor allem die Multisensitivität: Attraktionen bzw. Events sollten so viel wie möglich Sinne ansprechen, um dem Gast ein ganzheitliches Erlebnis, ein Eintauchen zu ermöglichen. Die Stadt Holzminden hat sich beispielsweise im Rahmen eines mehrtägigen Events unter dem Leitthema „Stadt der Düfte und Aromen“ vermarktet. Eine der Attraktionen, die im Rahmen des Events fest installiert wurde, war ein „duftendes Besucherleitsystem“. Im Rahmen der Inszenierung und damit auch Image-Positionierung von Städten ist es eine Besonderheit, die Ebene der olfaktorischen Reize in das Erlebnismarketing einzubeziehen. In Holzminden hängt das damit zusammen, dass sich dort eines der führenden Unternehmen der Duft- und Riechstoffindustrie (Symrise) niedergelassen hat. Die Ambitionen Holzmindens bezüglich der Düfte sind sogar noch höher gesteckt: Neben Events und

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

189

Installationen soll mittelfristig auch eine „Erlebniswelt Düfte und Aromen“ in der Stadt am Solling entstehen (vgl. Hartmann 2006b). Eng verknüpft mit dem Angebot von Attraktionen und Aktivitäten ist die Notwendigkeit, die Szenerie kohärent zu gestalten und damit die Gesamtatmosphäre aufzuwerten. Die Szenerie umfasst als Teil des Erlebnis-Settings auch alle denkbaren Hintergrundreize. Bei diesem Schritt gilt es, „Lustkiller“ wie z.B. Schmutz und Lärm zu vermeiden und aktiv an einer ästhetischen Gegenwelt zum Alltag zu arbeiten (vgl. Müller, H. et al. 2004). Wichtige unterstützende Elemente können die Beleuchtung oder die Integration von Kunst in die Inszenierung sein. Besonders das Thema Lichtinstallationen hat in den letzten Jahren im Eventmarketing eine sehr große Rolle gespielt. Es gibt eine ganze Reihe von Städten, die sich das Thema Licht zueigen gemacht haben, und versuchen, sich damit einen Wettbewerbsvorteil (im Sinne eines USP) zu verschaffen. Ein besonderes Beispiel ist die „Blaue Nacht“ in Nürnberg, die seit dem Jahr 2000 zelebriert wird. Unter dem Motto „Es gibt viele Museumsnächte, doch nur eine Blaue Nacht!“ wird dabei Nürnbergs historische Altstadt in blaues Licht getaucht. Dieses ungewöhnliche Kulturereignis entwickelt sich immer mehr zu einer Freiluftgalerie für Künstler, die in dieser Nacht mit Licht, Installationen, Ton, Projektionen, Feuer und Performance spielen und damit große Bereiche der Altstadt thematisch inszenieren (Kulturreferat der Stadt Nürnberg 2008). Bei aller Virtuosität und Kreativität in der Inszenierung von Leitthemen dürfen allerdings auch die Grundbedürfnisse der Gäste nach Information und Orientierung sowie die vitalen Grundbedürfnisse nicht vergessen werden. Ziel sollte es hier sein, dem Gast im Sinne eines „Wohlfühlmanagements“ alle möglichen Wünsche bzw. Bedürfnisse zu erfüllen. Ein wichtiges Instrument ist in diesem Zusammenhang die Besucherlenkung, denn durch Desorientierung wächst das Gefühl von Unsicherheit und damit wird natürlich auch ein mögliches Erlebnis geschmälert. Gleiches gilt im verstärkten Maße für die vitalen Grundbedürfnisse: Wann haben Sie zuletzt ein außergewöhnliches positives Erlebnis gehabt, wenn sie im strömenden Regen stehen mussten, eigentlich eine Toilette brauchten, Hunger hatten und sich auch gerne mal kurz ausgeruht hätten? Daraus folgt, dass die Steigerung des Wohlbefindens eine zentrale Voraussetzung für das Generieren von echten Erlebnissen ist (vgl. Müller, H. et al. 2004). Nicht zuletzt ist die Integration der Gäste ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Inszenierung von Erlebnissen. Wie bereits anhand der Erlebnissphären erläutert, kann mit der Einbeziehung und Aktivierung der Gäste die Intensität eines Erlebnisses deutlich gesteigert werden, indem Personen aus der Passivität heraus geholt werden und damit ein Beitrag zu ihrer Bedürfnisbefriedigung geleistet wird. Ein gutes Beispiel für die aktive Einbeziehung von Besuchern in die Gestaltung eines städtischen Events sind die Sülfmeistertage in Lüneburg, die seit dem Jahr 2003 regelmäßig veranstaltet werden. Hintergrund dieses Events ist das Ziel, Lüneburg mit dem Alleinstellungsmerkmal „historische Salzstadt“ zu positionieren und damit die reiche Geschichte der Stadt zu dokumentieren. Eine wesentliche Überlegung im Rahmen dieser Image-Positionierung ist, dass es vor allem die Bewohner einer Stadt sind, die als „Botschafter“ auftreten und damit auch das Image der Stadt transportieren. Das historische Fest bekam ein modernes Gewand. Als Vorbild für die Einbeziehung der Gäste und vor allem der Lüneburger Bürger dienten die erfolgreichen „Spiele ohne Grenzen“ aus den

190

4 Freizeitmanagement und -marketing

1970er Jahren. In den Wettkampf-Teams fanden sich unterschiedlichste Repräsentanten der Stadt, die zur gelungenen Umsetzung des Inszenierungskonzeptes beitrugen und nicht nur sich selbst, sondern auch die zahlreichen Zuschauer begeistern konnten - ein echtes Erlebnis! (vgl. Lüneburg Marketing GmbH 2008). Am Beispiel der Stadt als Raum für Freizeitaktivitäten und zugleich touristischem Raum können verschiedene Formen der Erlebnis-Inszenierung unterschieden werden:  Stadt-Räume „bespielen“, d h. die Erlebnisqualität der Stadt durch Events verbessern (Karneval am Rhein, Fasnet in Schwaben, Sail in Bremerhaven etc.)  „Stadt-Theater“, d.h. Inszenierung von Stadt-Räumen durch Schauspieler oder Künstler als exklusives Schlüssel-Erlebnis (Nachtwächter-Führungen, Erlebnis-Stadtführungen, Musik-Festspiele auf Open-air-Bühnen etc.)  Stadt „begreifen“, d.h. den Besucher - als Königsweg des Lernens - die Stadt selbst erkunden lassen (z.B. Stadterkundungsspiele in Nürnberg oder „Spionage in Bonn“). Bei allen Formen werden Besucher in einem authentischen Umfeld in „echte“ Geschichten über die jeweilige Stadt hineingezogen und damit werden ihnen unvergessliche Erlebnisse ermöglicht. Was als „echt“ oder „künstlich“ anzusehen ist, hängt wie das Erlebnis selbst von der individuellen Wahrnehmung des Betrachters ab. Wichtig aus der Sicht des Eventmarketing ist, dass den Besuchern ein Erlebnis nachhaltig in die Erinnerung „eingebrannt“ wird und er den „Ort der Stimulierung“ erneut aufsuchen möchte (vgl. Hartmann 2005).

4.4.6

Nonprofit-Marketing

Der Gegenstand der Freizeitwissenschaft umfasst ein weites Feld von verschiedensten Aktivitäten, die sich sowohl im kommerziellen als auch nicht-kommerziellen Bereich bewegen. Es reicht von der Autostadt in Wolfsburg bis zum Lauftreff im Stadtpark. Diese Bandbreite impliziert auch für das Freizeitmarketing, dass eine differenzierte Betrachtung der Marketingobjekte notwendig ist. Die entsprechende Ausweitung des Marketinggedankens wurde seit Ende der 1960er Jahre maßgeblich durch die sogenannte Broadening-DeepeningDiskussion angestoßen. Dabei geht es um die Ausweitung des Objektbereichs des Marketings auf alle Austauschprozesse im nicht-kommerziellen Bereich. Kotler hat diesen Ansatz als Generic Concept of Marketing bezeichnet. Als Vertiefung (Deepening) des kommerziellen Marketings gelten z.B. Nachhaltiges Marketing, Ökologieorientiertes Marketing oder die Soziale Verantwortung des Marketings. Die Ausweitung (Broadening) des Marketings bezeichnet z.B. das Marketing öffentlicher Betriebe, das Relationship-Marketing oder das Nonprofit-Marketing (vgl. Bruhn 2005, S. 61ff). Das Nonprofit-Marketing wird von Organisationen verfolgt, bei denen als zentrales Abgrenzungskriterium zu profitorientierten Unternehmen das Gewinnziel nicht explizit enthalten ist oder zumindest eine untergeordnete Bedeutung hat. Die Primärziele von NonprofitOrganisationen (NPO) sind bedarfswirtschaftlich, sozial oder gesellschaftlich orientiert. Sie liegen in der nicht-gewinnorientierten Bedürfnisbefriedigung und Versorgung verschiedener Anspruchsgruppen. Das Verfolgen zuvor definierter Interessen und Missionen steht im Vor-

4.4 Grundlagen des Freizeitmarketings

191

dergrund ihrer Arbeit. Meist gibt es dafür keine direkten Gegenleistungen (Marktpreise oder Entgelte), sondern es erfolgt eine Finanzierung über Steuern, Zuschüsse, Spenden oder Mitgliedsbeiträge. NPO können in Öffentliche Verwaltungen, Öffentliche Organisationen (z.B. Sparkassen, Verkehrsbetriebe oder Staatstheater) und staatlich unabhängige Organisationen (z.B. Greenpeace, Rotes Kreuz, Sportvereine) unterteilt werden. Die meisten NPO in Deutschland sind im Bereich der Kultur und Erholung sowie bei den Sozialen Diensten zu finden. Gemessen an der Mitgliederzahl sind es die Bereiche Kultur und Erholung sowie Wirtschafts- und Berufsverbände, die den Nonprofit-Bereich am stärksten prägen (vgl. Bruhn 2005). Diese Markteinordnung unterstreicht noch einmal die große Bedeutung des Nonprofit-Marketings für die Freizeitwissenschaft. Die Besonderheiten von NPO gegenüber kommerziellen Organisationen, die eine differenzierte Herangehensweise an das Marketing derselben implizieren, lassen sich wie folgt darstellen (vgl. Bruhn 2005, S. 41ff):  Inhalte der Zielsetzungen: Es besteht eine große Heterogenität und Komplexität der angestrebten Ziele, die zumeist qualitativ sind. Globale Ziele wie „Bewahrung der biologischen Vielfalt“ oder „Sport für alle“ sind schwer umzusetzen und zu kontrollieren.  Definition des Produktes bzw. der Leistung: Häufig sind es Beratungen oder andere Dienstleistungen, die zur Bedürfnisbefriedigung bei den Zielgruppen der NPO führen. Bei einigen Organisationen geht es auch um die Vermittlung bestimmter Werte, Interessen oder Ideen. Die Komplexität und Vielschichtigkeit des Angebotes erschweren es oft, die aus Marketingsicht relevanten Produkte einer NPO klar herauszustellen.  Berücksichtigung unterschiedlicher Anspruchsgruppen: Im Zentrum der NPO steht eine umfassende Anspruchsgruppenorientierung, d.h. eine konsequente Ausrichtung sämtlicher Aktivitäten an den Erwartungen der verschiedenen internen und externen Beziehungspartner (Stakeholder).  Finanzierung der Marketingausgaben: NPO verfügen oft nur über sehr beschränkte Ressourcen für das Marketing. Spender, Mitglieder und andere Geldgeber betrachten großzügige Marketingbudgets häufig mit Missfallen.  Mitarbeiter- und Organisationsstrukturen: Häufig weisen NPO kaum formalisierte Organisationsstrukturen auf und es fehlen schriftlich festgelegte Regelungen. Aufgrund des Egalitätsprinzips ist das Zulassen formaler Macht oft schwer durchsetzbar. Das kann einfachste Entscheidungsfindungen erschweren. Neben hauptberuflichen Mitarbeitern gibt es zumeist eine Vielzahl ehrenamtliche Mitarbeiter oder geringfügig Beschäftigter.  Konsequenz der Nachfrageorientierung: Es geht bei NPO nicht unbedingt um eine Erhöhung der Nachfrage durch eine konsequente Zielgruppenausrichtung, sondern um die Beeinflussung von Zielgruppen, so dass diese - auch gegen ihren Widerstand - bestimmte Verhaltensweisen oder Ideen verändern (z.B. Gesundheitsförderung, Integration durch Sport, politische oder religiöse Ideen). Beim Nonprofit-Marketing liegt also der Fokus auf den Beziehungen zu allen relevanten Anspruchsgruppen der NPO. Diese Ausrichtung des Marketings wird auch als Beziehungsoder Relationship-Marketing bezeichnet (vgl. Kap. 4.4). Anhand eines integrativen Marketing-Managementprozesses sollen Beziehungsnetzwerke gesteuert und sich am Nutzen und den Erwartungen der Anspruchsgruppen ausgerichtet werden. Als Anspruchsgruppen von

192

4 Freizeitmanagement und -marketing

NPO gelten Leistungsempfänger, Mitarbeiter, Geldgeber (Spender, Sponsoren, Mitglieder u.a.) sowie die allgemeine Öffentlichkeit und die Medien. Angelehnt an den Grundgedanken des modernen Marketingmanagements ist das Nonprofit-Marketing ein umfassendes Leitkonzept des Managements und somit eine ganzheitliche Organisationsphilosophie (vgl. Bruhn 2005). Die Leitidee einer anspruchsgruppenorientierten Organisationsführung und die Ausrichtung auf die Bedürfnisse und Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen gilt als eines der besonderen Merkmale des Nonprofit-Marketings. Die Kunst ist es, dabei möglichst allen divergierenden Interessen gerecht zu werden. Dazu bedarf es - vielleicht mehr als im kommerziellen Sektor - der Entwicklung von kreativen und innovativen Problemlösungen auf der Suche nach einer Alleinstellung auf dem relevanten Markt der NPO. Nur mit ungewöhnlichen und einzigartigen Lösungen ist es möglich, sich z.B. auf dem sich schnell wandelnden Markt der Sportvereine zu behaupten. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Koordination sämtlicher Mitarbeiter und ggf. Abteilungen einer Organisation dar, um alle Synergieeffekte auszuschöpfen. Dabei geht es vor allem auch um das Ausbalancieren der verschiedenen Zielkategorien: finanziell muss die Bilanz ausgeglichen sein, mitarbeiterbezogenen müssen alle zufrieden sein und sich verwirklichen können, aufgabenbezogen sollen die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitglieder, Gäste, Kunden etc. erfüllt werden. An dieser Stelle wird deutlich wie zentral die Bedeutung der Mitarbeiter für eine Organisation/ein Unternehmen ist. Ohne kompetente und motivierte Mitarbeiter können Nonprofit-Ziele nicht erreicht werden (vgl. Kapitel 4.1.5, Unternehmenskultur). Eines ist klar: NPO kommen heute ohne ein professionelles Marketing nicht aus, wenn sie ihre Arbeit langfristig und mit ausreichenden personellen und finanziellen Ressourcen weiterführen möchten. Trotzdem besteht in der Praxis für das Nonprofit-Marketing nach wie vor eine deutliche Legitimationsproblematik. Gerade in kleineren NPO müssen sich die Führungskräfte gegenüber Anspruchsgruppen dafür rechtfertigen, modernes Marketing einzusetzen. Beim Hinterfragen dieser Probleme stellen sie dann sehr häufig fest, dass eine diffuse Angst vor den Begriffen „Markt“, „Kunde“ oder „Marketing“ vorherrscht und negative Assoziationen oder Vorurteile („Kommerzialisierung“) entsprechende Widerstände hervorrufen. Diese Ablehnung von Marketing für NPO ist primär auf ein reduziertes Marketingverständnis zurückzuführen, es scheitert somit bereits an Begrifflichkeiten. Die Lösung dieser Probleme obliegt dem Marketing-Manager. Er muss es erreichen, dass bei den Zweiflern die Bereitschaft, sich intensiver mit den Inhalten des Marketinggedankens auseinanderzusetzen, entsteht. Die Vorteile des Nonprofit-Marketings können sehr gut anhand von best practices aus der Branche und den damit verbundenen Chancen für die eigene Organisation verdeutlicht werden (vgl. Kapitel 4.4.1, Benchmarking). Es gilt, Missverständnisse aufzudecken und die Abgrenzung zum kommerziellen Marketing zu verdeutlichen (vgl. Bruhn 2005, S. 66ff).

5

Freizeitmärkte

5.1

Markteinordnung und ökonomische Bedeutung der Freizeitwirtschaft

Seit Jahrzehnten zählt die Freizeitwirtschaft zu den stabilsten Wachstumsbranchen in Deutschland und Europa, mit Wachstumsraten, die weit über der Gesamtwirtschaft liegen. Ihr kommt so etwas wie die Rolle einer „Leitökonomie“ für die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts zu. Die Freizeitwirtschaft ist Deutschlands größter Arbeitgeber mit über sechs Mio. Beschäftigten in den einzelnen Freizeitsektoren. Diese Entwicklung wird auf den wachsenden Wunsch der Menschen nach Lebensqualität und einem besseren Leben zurück geführt. Der Freizeitkonsum wird zum Bestandteil einer stetig wachsenden Erlebnisökonomie, die vor allem vom Tourismus, den Medien und der Unterhaltungsindustrie getragen werden (vgl. Opaschowski et al. 2006). Insgesamt betrachtet lebt die Freizeitwirtschaft von der Vielfalt ihres Angebotsspektrums: Vom kleinen Event im Stadtteil bis zum Open-Air-Konzert für Hunderttausende, von der Galerie um die Ecke bis zum Guggenheim Museum, von Disneyland bis zum Soziokulturellen Zentrum. Neben diesem thematischen Spektrum weist die Freizeitbranche auch eine sehr große unternehmerisch-organisatorische Bandbreite auf, die sich zugleich in entsprechenden Größenordnungen von Unternehmen widerspiegelt: Vom gemeinnützigen Verein (Kunstverein), der Stiftung öffentlichen Rechts (Fabrik in Hamburg) über staatliche Institutionen (Staatstheater, Stadtmuseum) bis zur GmbH oder Aktiengesellschaft (Werder Bremen GmbH & Co. KG a.A.). Im Jahr 2007 haben die Deutschen 122 Mrd. € für Freizeit, Unterhaltung und Kultur ausgegeben. Ein Betrag, der - mit Ausnahme des Jahres 2002 – seit vielen Jahren kontinuierlich um 1-2% pro Jahr steigt. Damit liegt der Anteil der Freizeitausgaben an den gesamten Konsumausgaben ebenfalls seit Jahren bei 9-10% (vgl. Statistisches Bundesamt zitiert in G+J 2008c). Die Ausgabenbereitschaft der Bundesbürger konzentriert sich zunächst auf das eigene Zuhause (52%) und dessen Einrichtung (45%), die Ernährung und gutes Essen (52%) sowie Kleidung (43%) – also die Grundbedürfnisse. Doch fast auf gleichem Niveau bewegen sich freizeitrelevante Bereiche wie Reisen (45%), Hobbys (40%), Gesundheit/Wellness (34%) und Ausgehen (31%) (Allensbacher Werbeträger Analyse 2007 in G+J 2008c).

194

5 Freizeitmärkte

Einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zufolge betragen die Freizeitausgaben der Deutschen inzwischen sogar über 300 Mrd. € und es stehen je nach Definition zwischen 1,7 und 5 Mio. Menschen in Unternehmen der Freizeitwirtschaft in Lohn und Brot. Vor allem viele gering qualifizierte finden hier einen Arbeitsplatz. Weil man bei vielen Waren und Dienstleistungen nur schwer zwischen beruflicher und privater Nutzung unterscheiden kann, ist es schwer die Beschäftigung im Freizeitsektor abzugrenzen. Das IW hat hier eine Dreiteilung vorgenommen, die sich daran orientiert, in welchem Maße die von den einzelnen Branchen produzierten Güter für Freizeitzwecke genutzt werden (vgl. Winde 2002):  Kernbereich Freizeit: Er umfasst die Branchen, deren Dienste oder Produkte überwiegend für das Leben neben der Arbeit gedacht sind. Der Freizeitanteil schwankt hier zwischen knapp 50 Prozent in der Kultur-, Sport- und Unterhaltungsbranche sowie 85 Prozent im Hotel- und Gastgewerbe.  Erweiterter Freizeitbereich: Zusätzlich zu den eigentlichen Freizeitbranchen werden hier auch die Wirtschaftszweige berücksichtigt, deren Dienste oder Produkte nicht allein, aber mit dazu dienen, die Freizeit zu gestalten. Der Freizeitanteil reicht von einem Drittel in der Telekommunikation bis zu etwas mehr als 40 Prozent in Kfz-Handel und -Reparatur.  Gesamtbereich Freizeit: Hier rechnet man zudem all die Wirtschaftszweige ein, deren Produkte oder Dienste potenziell für Freizeitzwecke genutzt werden können – der Freizeitanteil liegt zwischen 13 Prozent in der Computerbranche und knapp 30 Prozent bei den Autobauern. Den Überlegungen des IW liegt also je nach Betrachtungstiefe ein sehr weites Verständnis von Freizeitausgaben zugrunde. Neben dem Kernbereich (Unterhaltung, Sport, Reisen und Kultur) – den das Statistische Bundesamt für die Freizeitausgaben zugrunde legt - wird dort auch die Mobilität („Flüge und Fahrten“), die Kommunikation (Post, Telefon, Internet) und das Gastgewerbe mit eingerechnet. Nur so sind auch die 5 Mio. Beschäftigten zu erklären, die auch Opaschowski et al. (2006) entsprechend weiter hochgerechnet haben. Die Konsumprioritäten innerhalb der Freizeit verteilen sich vor allem auf die verschiedenen Bereiche der Mediennutzung, der Außerhausaktivitäten und implizit sowie explizit dem Einkaufen/Shopping. Ganz vorne bei den Ausgaben für Aktivitäten außer Haus ist der Restaurantbesuch, gefolgt vom Tagesausflug und der Urlaubsreise. Mit kleinem Abstand folgen der Opern-, Theater- oder Konzertbesuch, die Wochenendreise, der Kurzurlaub sowie Wellness-, Fitness- oder Sportangebote (vgl. BAT 2008). Abweichend von der geschilderten Ausgabenbereitschaft und den Konsumprioritäten, fallen den Deutschen Einsparungen am schwersten bei Lebensmitteln, direkt gefolgt von Urlaub und Freizeit. Die Hauptausgabenbereiche Wohnen und Kleidung genießen demnach eine niedrigere Priorität, wenn es ums Sparen geht (vgl. FUR 2004). Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass sich unsere Gesellschaft zunehmend in zwei Gruppen aufspaltet: in time-rich und in money-rich Märkte. Die einen haben viel Geld, aber wenig Zeit dieses in ihrer Freizeit auszugeben, die anderen haben viel Freizeit, aber nur wenig finanzielle Ressourcen.

5.1 Markteinordnung und ökonomische Bedeutung der Freizeitwirtschaft

195

Der Städte- und Kulturtourismus in Deutschland ist ein inzwischen gut untersuchter Teilmarkt der Freizeitwirtschaft. Bemerkenswert für dieses eigentlich touristische Segment ist, dass es zu 68% der Aufenthaltstage aus Tagesausflügen und zu 8% aus Verwandten- und Bekanntenbesuchen besteht, die ohne Zweifel dem engeren Bereich der Freizeit zuzuordnen sind. Der in der offiziellen Statistik nachgewiesene gewerbliche Übernachtungstourismus beträgt nur 5% des Gesamtvolumens im deutschen Städtetourismus. Die verbleibenden 19% beziehen sich auf Tages-Geschäftsreisen. Entsprechend dieser Verteilung resultiert mit 62% auch der größte Teil des Umsatzes im deutschen Städtetourismus (insgesamt 82 Mrd. €) aus den Tagesausflügen: Das sind über 50 Mrd. €. Hauptprofiteure dieser Umsätze, die im Rahmen der Freizeitgestaltung generiert werden, sind der Einzelhandel mit 50% und die Gastronomie mit 29%, erst dann folgt das Beherbergungsgewerbe (7%) sowie das sog. Freizeit- und Unterhaltungsgewerbe (8%) (DTV 2006). Neben dem Marktvolumen aus der finanziellen Perspektive ist für die Freizeitwissenschaft natürlich auch eine genaue Analyse der Nachfragesituation von großer Bedeutung. Wie schon eingangs erläutert konzentriert sich dieses Buch vornehmlich auf die Außerhausaktivitäten. In diesem für das Management relevanten Bereich der Freizeit stehen je nach Untersuchung und Fragestellung unterschiedliche Freizeitaktivitäten der Deutschen an der Spitze der Rankings. Bei der jüngsten Untersuchung des BAT (2008) sind dies („mindestens einmal im Monat“):          

Gesundheit fördern Shopping/Einkaufsbummel Fahrrad fahren Sport treiben Essen gehen Baden/Schwimmen Kneipe/Bar Tagesausflug Sportveranstaltungen besuchen Gottesdienst/Kirche

69% 54% 54% 46% 39% 31% 28% 26% 21% 21%.

Bezieht man auch die nächste Kategorie „wenigstens mehrmals im Jahr“ in die Betrachtung ein, dann steigen die Aktivitäten „Kinobesuch“ und „Volksfestbesuch“ in die Liste der TOP10 auf. Gegenüber der hauseigenen Studie des BAT Freizeitforschungsinstituts von 2004 gab es dabei kaum auffällige Veränderungen: Die Aktivität „Sport treiben“ ist im Ranking zurück gefallen (51 auf 46%), der Aspekt „Gesundheit fördern“ taucht ganz neu auf und rangiert gleich ganz vorn (69%). Allerdings bleibt offen, welche Aktivitäten sich hinter dem Aspekt „Gesundheit fördern“ konkret verbergen und in der Untersuchung von 2004 evtl. unter den Rubriken „Fahrrad fahren“, „Sport treiben“, „Baden/Schwimmen“ subsumiert wurden (vgl. BAT 2004).

196

5 Freizeitmärkte

Eine entsprechende Befragung der Allensbacher Werbeträger Analyse 2007 (zitiert in G+J 2008c) kommt partiell zu völlig anderen Ergebnissen bzgl. der relevanten Freizeitaktivitäten der Deutschen, die „häufig oder ab und zu“ ausgeführt werden:          

Shopping/Einkaufen Zum Essen ausgehen Musikveranstaltungen/Konzerte Museen, Galerien besuchen Theater, Oper besuchen Kegeln, Bowling Thermalbad/Therme Sauna/Dampfbad In Discotheken gehen Kinobesuch

92% 86% 66% 44% 44% 39% 38% 35% 34% 16%.

Doch auch angesichts der Differenzen in den Marktuntersuchungen, lassen sich die wichtigsten Teilmärkte der Freizeitwirtschaft ganz klar herausarbeiten. Dies sind ungeachtet des Betrachtungshorizonts von Freizeitwissenschaft in diesem Buch folgende Bereiche: Tourismus und Urlaub, Medienkonsum, Kultur und Events, Sport und Wellness sowie Do-itYourself und Hobbys (G+J 2008c). Im Kontext dieses Buches lassen sich daraus drei Teilmärkte der Freizeitwirtschaft ableiten, deren Abgrenzungen, Größenordnungen und Strukturen in den folgenden Abschnitten betrachtet werden sollen:

Teilmärkte der Freizeitwirtschaft (im Kontext dieses Buches)

Kultur

Sport- und Gesundheit

Shopping und Gastronomie

5.2 Der Kulturmarkt

5.2

197

Der Kulturmarkt

Wie im vorherigen Kapitel herausgearbeitet, macht der Kulturmarkt einen wesentlichen Teil der deutschen Freizeitwirtschaft aus. Um diesen in seinen vielfältigen Dimensionen und Überschneidungen mit anderen Freizeitbereichen einordnen zu können soll zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff „Kultur“ zu verstehen ist. Hansen (vgl. 2003, S. 11 ff.) unterscheidet in seiner Betrachtung vier Varianten des Kulturbegriffs: 1. Kultur bezeichnet die kreative und künstlerische Arbeit. Das Umfeld nennen wir den Kulturbetrieb. 2. Kultur steht für eine bestimmte Form der Lebensart, nämlich die Kultiviertheit, und damit im Gegensatz zum Begriff der Zivilisation. 3. Kultur meint die speziellen Gewohnheiten, die für eine bestimmte Gruppe oder einen bestimmten Bereich typisch sind, also die „Gesamtheit der Gewohnheiten eines Kollektivs“, wie z.B. die Jugendkultur. 4. Kultur (lat: cultura = Landbau, Pflege) bedeutet das Ergebnis einer pflegerischen Tätigkeit, z.B. Monokultur, Kulturlandschaft oder Bakterienkultur. Für die in diesem Kapitel folgende Marktbetrachtung ist am ehesten die erste Variante relevant, da sich hier der Zusammenhang von der kreativen und künstlerischen Arbeit, die in Kulturbetrieben „vermarktet“ wird, ausdrückt. Doch in vielen Kulturwissenschaften ist ein weiteres Kulturverständnis zu finden. Kultur bezieht sich hier auf ein wesentlich umfassenderes Ganzes: „Unter dem erweiterten Kulturbegriff wird all das gefasst, wie der Mensch lebt und arbeitet, wie er wohnt, seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten entwickeln kann, welche Kunst ihm zugänglich ist und welche er sich selbst schafft, wie er seine freie Zeit verbringt und wie er seine Beziehungen zu anderen Menschen gestalten kann“ (Gau 1990). Das bedeutet, neben den Objekten und Veranstaltungen auf hoher künstlerischer oder historisch bedeutsamer Ebene findet mit gleicher Aufmerksamkeit und Intensität auch das Gebiet der Alltagskultur Beachtung. Dieser Kulturbegriff geht über die kulturellen Institutionen wie z.B. Museen, Theater, Oper oder Konzerte hinaus. Um eine internationale Vergleichbarkeit von „Kultur“ zu ermöglichen, hat die UNESCO 1986 Rahmenrichtlinen für Kulturstatistiken, das sogenannte „Framework for Cultural Statistics (FSC)“, geschaffen. Diese wurden 2007 in einem Entwurf überarbeitet und werden voraussichtlich 2009 verabschiedet (vgl. UNESCO 1986 und 2007). Hieraus ergibt sich eine Abgrenzung der verschiedenen Kulturbereiche, die aber variabel (z.B. länderspezifisch) auszulegen sind. Das FSC sieht zunächst fünf Kernbereiche (A bis E) und einen in Bezug dazu stehenden Randbereich (F) vor:

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5 Freizeitmärkte

Kernbereiche: A. B. C. D. E.

Kultur- und Naturerbe Aufführungen und Feste Bildliche Kunst, Kunsthandwerk und Design Bücher und Presse Audiovisuelle und digitale Medien

Randbereich: F.

Tourismus, Sport und Freizeit.

Der Kernbereich bezieht sich jeweils auch auf traditionelles und regionales Wissen, welches auch immaterielles Erbe (mündliche Überlieferungen und Ausdrücke, Rituale, Sprachen, soziale Praktiken) einschließt. Alle sechs Bereiche (A bis F) sind so vorgesehen, dass sie sich jeweils auch um weitere Unterkategorien im Sinne oben genannter Variabilität erweitern lassen. Diese von der UNESCO geschaffene Abgrenzung der einzelnen Teilbereiche von Kultur eignet sich am ehesten für die folgende Analyse der freizeitwirtschaftlich relevanten Teilmärkte. Obwohl für ein Grundverständnis der Thematik unabdingbar, wird aber gerade die Abgrenzung zunehmend schwieriger, da sich das Kulturverständnis der Deutschen seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts grundlegend verändert hat. 69 % der Deutschen sagen mittlerweile aus, dass Kultur für sie viele Gesichter hat. Dies schließt ein, dass sich Hochund Populärkultur auf einander zu bewegen und das traditionelle Kulturverständnis „entmythologisiert“ wird. Die Folge ist eine Integrationskultur aus den vormalig abgegrenzten Bereichen der „Elite- und Unterhaltungskultur“. „Kultur darf unterhaltsam und erlebnisreich, muss aber nicht nur ernst und anstrengend sein. Auch Liedersänger, Straßenkünstler und Kabarettisten, Popsänger und Kinostars können Anregungen zum Nachdenken geben“ (vgl. Opaschowski et al. 2006, S. 244 ff.). Dies zeigt sich auch in einer Studie der BAT Stiftung für Zukunftsfragen (vgl. BAT 2008), in der u.a. untersucht wurde, welche, für potenzielle Kunden organisierte Freizeitangebote aus dem Bereich Kultur wenigstens mehrmals im Jahr genutzt werden: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Volksfest/Kirmes Sportveranstaltungen Kino Gottesdienst/Kirche Flohmarkt/Basar Museum/Kunstausstellung Oper/Konzert/Theater Zoo/Tierpark Freizeitpark Rock-/Pop-/Jazzkonzerte

(40%) (36%) (35%) (34%) (31%) (21%) (19%) (16%) (13%) (11%)

Eine weitere relevante Betrachtungsweise von Kultur ist die Förderung aus öffentlicher Hand. Im Jahr 2007 gaben Bund, Länder und Gemeinden ca. 8,1 Milliarden € für Kultur aus. Damit stellten die öffentlichen Haushalte für den Kulturbereich 1,62 % ihres Gesamtetats zur

5.2 Der Kulturmarkt

199

Verfügung. Aus der aktuellsten Jahresumrechnungsstatistik der öffentlichen Haushalte für das Jahr 2005 geht hervor, auf welche Höhe sich die jeweilige Förderung (in Mio. €) der einzelnen Kultursparten belief (vgl. Statistisches Bundesamt 2008b): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Theater und Musik Kulturnahe Bereiche Museen, Sammlungen, Ausstellungen Bibliotheken Sonstige Kulturpflege Kulturverwaltung Kunsthochschulen Denkmalschutz/–pflege Kulturelle Angelegenheiten im Ausland Filmförderung

2.935,7 Mio. € 1.598,9 Mio. € 1.535,6 Mio. € 1.101,7 Mio. € 844,8 Mio. € 472,9 Mio. € 420,5 Mio. € 409,1 Mio. € 283,9 Mio. € 150,0 Mio. €

Wie sich an den Förderungsbereichen zeigt, wird Kultur von politischer Seite zunehmend auch im Sinne einer Integrationskultur verstanden. Aus der Begriffsklärung und Gesamtbetrachtung des Kulturmarktes lassen sich im Kontext dieses Buches einzelne Teilmärkte ableiten, die im Folgenden genauer analysiert werden. Hierzu zählen: Bühnenbetriebe, Museen, Ausstellungshäuser, Kulturerbestätten, Kinos, Events und Volksfeste. Daneben werden „neue Erlebniswelten“ wie z.B. Zoos oder Freizeitparks gesondert betrachtet, da es sich hierbei mittlerweile um einen eigenen (Kultur-) Markt handelt, der sich auch definitorisch abgrenzen lässt. Sportangebote und Sportveranstaltungen sind dem Kapitel „Sport- und Gesundheitsmarkt“ zuzuordnen. Bühnenbetriebe Charakteristisch für die Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland ist eine Vielfalt an verschiedenen Bühnenbetrieben. Ein wesentlicher Teil sind die rund 150 öffentlich getragenen Theater, also Stadttheater, Staatstheater und Landesbühnen. Diese werden ergänzt durch rund 280 Privattheater, etwa 130 Opern-, Sinfonie- und Kammerorchester und ca. 40 Festspiele, rund 150 Theater- und Spielstätten ohne festes Ensemble und um die 100 Tourneeund Gastspielbühnen ohne festes Haus. Des Weiteren gibt es noch eine große Anzahl freier Gruppen. Das Erscheinungsbild des deutschen Theaters wird hierbei durch drei Faktoren geprägt, dem Mehrspartentheater, Repertoirebetrieb und Ensemble. Das Mehrspartentheater bietet ein breites künstlerisches Angebot von Schauspiel, Musiktheater (Oper/ Operette/ Musical) und Ballett. Darüber hinaus gibt es noch das Puppentheater sowie das Kinder- und Jugendtheater. Hierbei werden im Repertoirebetrieb verschiedene Werke in einer Spielzeit aufgeführt und durch mehrere neue Inszenierungen pro Saison ergänzt. Aus diesem Repertoireangebot ergibt sich die Notwendigkeit im jeweiligen Haus, mit einem fest engagierten Ensemble zu arbeiten, welches dann auch das unverwechselbare künstlerische Profil des Hauses prägt (z.B. spezieller Klang eines Orchesters). Anders als die öffentlich getragenen Theater, zeigen die zahlreichen Privattheater oft über mehrere Wochen hinweg ein einziges Stück, bevor wieder eine neue Inszenierung präsentiert wird. Diesen sogenannten „En-Suite“ oder „Stagione“ -Betrieb findet man auch bei Musical-Häusern, die ihre Stücke meist unverändert über mehrere Jahre anbieten. Mit rund 5.800 Inszenierungen werden in jeder Spielzeit

200

5 Freizeitmärkte

im Sprech- und Musiktheater etwa 2.500 Werke aufgeführt. Der Trend geht dahin, dass zunehmend die Grenzen zwischen Schauspiel, Tanz- und Musiktheater aufgebrochen und neue Spielformen entwickelt werden. Hierbei haben besonders tänzerische Elemente und Ausdrucksweisen eine immer größere Bedeutung (vgl. Deutscher Bühnenverein 2008c). Die Finanzierung deutscher Bühnenbetriebe setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen: öffentliche Förderung, Eigeneinnahmen und Sponsoring privater Förderer. Wegen des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland ist die Kultur vorrangig eine Aufgabe der Länder, daher wird die Theaterfinanzierung ungefähr hälftig von den Ländern und Kommunen getragen. Wie zuvor dargestellt erhält der Kulturbereich „Theater und Musik“ jährlich rund 3 Milliarden € an öffentlichen Fördergeldern (vgl. Statistisches Bundesamt 2008b). Die Eigeneinnahmen der Theater sind nur schwer zu beziffern, da sie je nach Spielplan sehr unterschiedlich ausfallen, sie machen aber auch nur einen geringen Teil der Gesamtfinanzierung aus. Etwa ein Prozent der Theaterfinanzierung wird durch Sponsoring privater Förderer generiert. Diese Geldmittel werden aber in der Regel für prestigeträchtige Projekte zur Verfügung gestellt. Mit diesem Budget beschäftigt das Theater in Deutschland direkt etwa 40.000 Mitarbeiter. Indirekt ist eine Vielzahl von Firmen auf die Aufträge aus diesem Kulturbereich angewiesen. Ein großer Teil des öffentlichen Geldes fließt so in Form von Steuern wieder an die öffentliche Hand zurück (sogenannte Umwegrentabilität). Bühnenbetriebe müssen zusammengefasst also mit einem vergleichsweise geringen Budget auskommen, welches auch durch Haushaltskürzungen über die Jahre immer geringer wurde. Um dieses optimal zu nutzen und weiterhin ein Programm ohne künstlerische Einbußen anbieten zu können, sind die Betriebe heute meist betriebswirtschaftlich ausgerichtet und organisiert. (vgl. Deutscher Bühnenverein 2008c) Um einen Gesamtüberblick des Marktes bezüglich Angebot und Nachfrage für deutsche Bühnenbetriebe zu erhalten, werden in Tab. 2 vergleichsweise für die Spielsaison 2005/06 und 2006/07 Veranstaltungen und Besucherzahlen dargestellt. Im Vergleich zur vorhergehenden Spielzeit war die Anzahl der Besucher leicht steigend, was zum großen Teil mit dem gestiegenen Angebot an Veranstaltungen zusammenhängt. Zur Zuschauerbindung müssen die Stadt- und Staatstheater allerdings immer mehr Flexibilität aufweisen. Das zeigt sich insbesondere durch Zuwachs an sonstigen Veranstaltungen (Kabarett, Liederabende und Lesungen). Wie wichtig die Vermittlungsarbeit für die Theater geworden ist, macht die Zunahme der theaternahen Programme (vor allem Einführungsveranstaltungen neuer Inszenierungen) deutlich. Um das Angebot zu erweitern und noch differenzierter zu gestalten stieg auch die Anzahl der Inszenierungen. Zudem lässt der Zuwachs an Spielstätten um 4,2 % und die Erweiterung des Platzangebots um 5,5 % erkennen, dass die Theater nach alternativen Räumen für ihr Angebot suchen (vgl. Deutscher Bühnenverein 2008a).

5.2 Der Kulturmarkt

201

Veranstaltungen und Besucherzahlen deutscher Bühnen (Spielzeit 2005/06 und 2006/07 im Vergleich) Veranstaltungen Schauspiel Oper

Besucherzahlen

2005/06

2006/07

2005/06

2006/07

23.018

23.392

5.420.300

5.513.376

6.780

6.591

4.519.447

4.363.561

10.714

11.295

2.388.805

2.453.119

Ballett

2.526

2.518

1.424.562

1.517.864

Konzerte

2.827

2.990

1.453.330

1.483.855

Musical

2.239

2.252

1.310.243

1.231.548

Operette

1.317

1.440

654.036

720.755

sonst. Veranstaltungen

6.924

7.335

1.437.044

1.597.886

theaternahes Rahmenprogramm

6.638

7.144

389.555

520.518

62.983

64.957

18.997.322

19.402.482

Kinder-& Jugendtheater

Gesamt

Tab. 2 Veranstaltungs- und Besucherzahlen deutscher Bühnen (eigene Darstellung, nach Deutscher Bühnenverein 2008b)

Museen Deutschland verfügt mit mehr als 6.000 Museen und rund 107 Mio. Besuchern im Jahr 2007 über eine besonders große und vielfältige Museumslandschaft. Um diesen Bereich besser in den gesamten Kulturmarkt einordnen zu können, soll der Begriff „Museum“ im Folgenden definiert werden. Die Anerkennung von Museen in Deutschland ist Ländersache und fällt in die jeweilige Zuständigkeit von Ministerien, Museumsverbänden, etc. (vgl. Steinecke 2007). Der Begriff ist in Deutschland nicht geschützt und es liegt keine allgemein anerkannte Definition bzw. gesetzliche Regelung vor. Um eine Orientierung für eine qualifizierte Museumsarbeit in Deutschland zu geben, hat der Deutsche Museumsbund die „Standards für Museen“ herausgegeben (vgl. Deutscher Museumsbund 2006). Diese enthalten auch eine allgemein akzeptierte und verwendete Definition, welche von dem „International Council of Museums“ (ICOM) übernommen wurde. Hiernach wird ein Museum definiert als eine „gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung, im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungsund Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“ (Deutscher Museumsbund 2006, S. 6). Eine andere Sichtweise liefert das „Institut für Museumsforschung“ (IfM). Es stellt einen Kriterienkatalog auf, um eine empirisch fassbare Abgrenzung gegenüber anderen Kultureinrichtungen zu ermöglichen. Dieser kommt für die jährlich stattfindende empirische Erhebung

202

5 Freizeitmärkte

des IfM in deutschen Museen zum Einsatz. Er soll aber nicht dafür dienen, zu bestimmen, welche Einrichtungen als Museum anzuerkennen sind, sondern welche Einrichtungen in die statistische Grundgesamtheit einbezogen werden (vgl. Tab. 3).

Merkmale von Museen Vorhandensein einer Sammlung und Präsentation von Objekten mit kultureller, historischer oder allgemein wissenschaftlicher Zielsetzung Zugänglichkeit für die allgemeine Öffentlichkeit Überwiegend keine kommerziellen Ausstellungen Klare Eingrenzung des Museumsbereichs

Abgrenzung gegen andere Kultureinrichtungen Info-Bereiche der Wirtschaft, Schlösser und Denkmäler ohne Ausstellungsgut, Bauwerke unter Denkmalschutz (u.a. Kirchen und andere Sakralbauten) Fachmessen, Verkaufsgalerien ohne regelmäßige Öffnungszeiten Verkaufsgalerien, Läden mit Ausstellungsflächen, Kunstgewerbemarkt Bildhauer-Symposien, Kunst am Bau, städtebauliche Ensembles

Tab. 3 Merkmale von Museen (eigene Darstellung, nach IfM 2008 S. 81)

Wie eingangs schon erwähnt zeichnet sich die deutsche Museumslandschaft durch seine Vielfältigkeit aus, was auch eine gewisse Unübersichtlichkeit mit sich bringt. Die definitorische bzw. kriteriengestützte Einordnung kann nur dabei helfen, diesen Bereich von anderen Kulturmärkten abzugrenzen. Um eine Transparenz im Sinne einer Marktübersicht für den Teilmarkt der Museen zu ermöglichen, wird dieser im Folgenden wiederum in unterschiedliche Museumsarten aufgegliedert. Dies erfolgt nach einer der UNESCO-Klassifikation angeglichenen Einteilung, wie sie vom Institut für Museumskunde verwendet wird. Hierbei werden die Museen in neun Gruppen nach ihren Hauptsammelgebieten und Schwerpunkten zusammengefasst.

Museumsgruppen mit Anzahl der Einrichtung und Besuche im Jahr 2007

Museumsgruppe 1. Volkskunde- und Heimatkundemuseen: Volkskunde, Heimatkunde, Bauernhäuser, Mühlen, Landwirtschaft, Orts- und Regionalgeschichte 2. Kunstmuseen: Kunst und Architektur, Kunsthandwerk, Keramik, Kirchenschätze und kirchliche Kunst, Film, Fotografie 3. Schloss- und Burgmuseen: Schlösser und Burgen mit Inventar, Klöster mit Inventar, historische Bibliotheken

Anzahl

Besuche

2.787

15,6 Mio.

631

21,4 Mio.

262

12,8 Mio.

5.2 Der Kulturmarkt 4. Naturkundliche Museen: Zoologie, Botanik, Veterinärmedizin, Naturgeschichte, Geowissenschaften, Paläontologie, Naturkunde 5. Naturwissenschaftliche und technische Museen: Technik, Verkehr, Bergbau, Hüttenwesen, Chemie, Physik, Astronomie, Technikgeschichte, Humanmedizin, Pharmazie, Industriegeschichte, andere zugehörige Wissenschaften 6. Historische und archäologische Museen: Historie (nicht traditionelle Ortsgeschichte), Gedenkstätten (nur mit Ausstellungsgut), Personalia (Historie), Archäologie, Ur- und Frühgeschichte, Militaria 7. Sammelmuseen mit komplexen Beständen: Mehrere Sammlungsschwerpunkte aus den Bereichen 1–6 und 8 8. Kulturgeschichtliche Spezialmuseen: Kulturgeschichte, Religions- und Kirchengeschichte, Völkerkunde, Kindermuseen, Spielzeug, Musikgeschichte, Brauereiwesen und Weinbau, Literaturgeschichte, Feuerwehr, Musikinstrumente, weitere Spezialgebiete 9. Mehrere Museen in einem Museumskomplex: Mehrere Museen mit unterschiedlichen Sammlungsschwerpunkten, die im gleichen Gebäude untergebracht sind

203

318

7,7 Mio.

754

15,3 Mio.

419

16,3 Mio.

27

2,4 Mio.

925

11,0 Mio.

74

4,8 Mio.

Tab. 4 Anzahl der Museumseinrichtungen und Besuche (eigene Darstellung, nach IfM 2008, S. 18)

Hiermit sind ein detaillierter Überblick zur Angebotsseite und ein erster Einblick in die Nachfrageseite gegeben. In der folgenden Grafik (Abb. 38) wird die Nachfrage noch ausführlicher analysiert, indem die Anzahl der Museumsbesuche von 1990 bis 2007 verglichen wird. Hier sind auch Besuche von Sonderausstellungen enthalten, die Museen veranstalteten. Dies belief sich Beispielsweise 2007 auf 9.235 Sonderausstellungen in 2.714 Museen. Es ist zu beachten, dass Ausstellungen von Ausstellungshäusern, kommerziellen Galerien oder Privatpersonen, die in Räumlichkeiten außerhalb von Museen durchgeführt wurden, nicht berücksichtigt sind (vgl. IfM 2008). Der dargestellte Anstieg bzw. das Absinken der Museumsbesuche hat verschiedene Ursachen. Am häufigsten hängen die Besuchszahlen mit Sonderausstellungen zusammen. Bieten Museen diese an, werden typische Museumsbesucher häufiger zu einem Besuch motiviert. Ein weiterer Grund für den Anstieg von Besuchen ist ein verstärktes Marketing. Dies ergibt sich oftmals aus anstehenden bzw. laufenden Sonderausstellungen. Weitere Ursachen, die für einen Anstieg der Museumsbesuche führen, sind die Eröffnung neuer Räume bzw. Neubauten, Sonderveranstaltungen (z.B. Vorträge), Verlängerungen der Öffnungszeit, Stadtfeste, jubiläen, Objektaustausche, die Senkung oder Abschaffung von Eintrittsgeldern oder ein erhöhter Bekanntheitsgrad. Im Umkehrschluss lässt sich feststellen, dass ein Ausbleiben oder Entgegenwirken dieser Ursachen bzw. Maßnahmen eine Verminderung der Museumsbesuche nach sich zieht. Zusammenfassend lässt sich hieraus auch erkennen, dass Museen sich, ähnlich wie Bühnenbetriebe, verstärkt betriebswirtschaftlich ausrichten und durch professio-

204

5 Freizeitmärkte

nelles Management geführt werden müssen bzw. dies bereits tun, um weiterhin erfolgreich am Markt bestehen zu können (vgl. IfM 2008).

104 99

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

89

1991

94

1990

Anzahl Besucher in Mio

Museumsbesuche in deutschen Museen 1990 - 2007 109

Jahr

Abb. 38 Museumsbesuche in deutschen Museen (eigene Darstellung, nach IfM 2008, S. 11)

Ausstellungshäuser Da Ausstellungshäuser laut dem Kriterienkatalog des Instituts für Museumsforschung die grundsätzliche Einschränkung haben, dass sie über keine eigene Sammlung verfügen und damit von Museen abgrenzbar sind, sollen sie an dieser Stelle kurz gesondert betrachtet werden. Dies deckt sich auch mit der vorher angeführten Definition des Deutschen Museumsbundes, in der (Auf-)bewahren als Bestandteil eines Museums angeführt wird (vgl. IfM 2008 und Deutscher Museumsbund 2006). Unter Ausstellungshäusern werden Einrichtungen verstanden, „die zwar keine eigenen Sammlungen besitzen, aber wechselnde Ausstellungen musealen Charakters zeigen“ (IfM 2008, S. 9). Häufig handelt es sich hierbei um Kunsthallen ohne eigene Sammlungen. Beispiele hierfür sind die Kunsthalle Tübingen, die Kunsthalle der Hypo–Kulturstiftung in München, die Cubus–Kunsthalle in Duisburg oder der Martin– Gropius–Bau in Berlin. Insgesamt erhielten diese Ausstellungen im Jahr 2007 rund 6,2 Millionen Besuche, die sich auf 349 Häuser verteilten. Hierbei wurden rund 1.900 Ausstellungen gezeigt. Wie vorher schon erwähnt, werden in den Häusern hauptsächlich Ausstellungen mit dem Schwerpunkt Kunst gezeigt (zu ca. 85%). Andere Schwerpunkte sind Volks- und Heimatkunde, Kulturgeschichte sowie Historie und Archäologie. Besonders erfolgreiche Ausstellungen im Jahr 2007 waren Beispielsweise „documenta 12“ in Kassel, „Ägyptens versunkene Schätze“ in der Kunst– und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, „Maya – Könige aus dem Regenwald“ im Ausstellungszentrum Lokschuppen, Rosenheim und „Das Auge des Himmels“ im Gasometer Oberhausen. Zusammengenommen erhalten die beiden Bereiche Museen und Ausstellungshäuser etwa 113,5 Millionen Besuche jährlich (Stand 2007) und sind somit einer der besucherstärksten Bereiche im Kulturmarkt (vgl. IfM 2008).

5.2 Der Kulturmarkt

205

Kulturerbestätten Die Vielfalt von Kulturerbestätten in Deutschland zeigt sich hauptsächlich in der großen Anzahl historischer Baudenkmäler aus unterschiedlichen Epochen einer über 2.000 jährigen Geschichte. „Ihre räumliche Verteilung ist sowohl durch die geschichtliche Entwicklung der politisch-wirtschaftlichen Raumeinheiten als auch durch naturräumliche Gunstfaktoren bedingt, wobei zwischen beiden Größen nicht selten ein enger Zusammenhang besteht“ (Institut für Länderkunde 2000, S. 48). Doch gerade durch die angesprochene Vielfalt ergibt sich das Problem der Einordnung. Eine Möglichkeit besteht in der schon besprochenen Abgrenzung verschiedener Kulturbereiche (UNESCO 2007). Hiernach sind Kulturerbestätten dem Kernbereich A, „Kultur- und Naturerbe“ zuzuordnen und beinhalten: Museen, bebaute Räume, archäologische Stätten, Kunstgalerien, Bibliotheken und Archive sowie die natürliche Umwelt. Ein auf den deutschen Markt abgestimmtes Strukturmodell liefert Steinecke (2007 S. 9):  Kulturelle Relikte, Einrichtungen und Schauplätze: Burgen, Schlösser und Herrensitze / Gartenanlagen / Kirchen, Klöster, Moscheen und Tempel / Museen und Ausstellungen / Schlachtfelder und Militäranlagen / Grabmäler und Friedhöfe / Gefängnisse und Konzentrationslager;  Räume als kulturtouristische Attraktionen: Städte / Ländliche Räume / Industrieregionen. Aufgrund des breitgefächerten Angebots und einer fehlenden statistischen Erfassung des Gesamtmarktes soll im Folgenden eine besondere Form der Kulturerbestätten näher betrachtet werden, die von der UNESCO gelisteten Welterbestätten in Deutschland. Auf der Welterbeliste der UNESCO sind aktuell 33 Denkmäler in Deutschland verzeichnet (UNESCO 2008, vgl. Kasten unten). Sie stehen somit unter dem Schutz der Internationalen Konvention für das Kultur- und Naturerbe der Menschheit. Diese Konvention wurde 1972 von der UNESCO verabschiedet und ist das international bedeutendste Instrument, um Kultur- und Naturstätten, die einen „außergewöhnlichen universellen“ Wert besitzen, zu erhalten. Insgesamt umfasst die Liste des Welterbes 878 Kultur- und Naturstätten in 145 Ländern. Doch nicht nur der Erhalt von diesen Stätten ist ein vornehmliches Ziel für das Management, es ist auch der Wert der „Marke“ UNESCO Weltkulturerbe für die Generierung von Besuchern. Die deutschen Welterbestätten, die jeweiligen Tourismusorganisationen vor Ort, die Deutsche UNESCO-Kommission, die Deutsche Zentrale für Tourismus und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz haben sich Beispielsweise 2001 in dem Verein „UNESCOWelterbestätten Deutschland e.V.“ zusammengeschlossen. Eine Absicht ist, „die herausragenden Kulturgüter Deutschlands im Verbund zu präsentieren und gezielt als Imageträger für Reisen in und nach Deutschland zu positionieren“ (UNESCO-Welterbestätten Deutschland e.V. 2008, S. 1).

Die 33 UNESCO-Welterbestätten in Deutschland sind:   

Aachener Dom (Datum der Aufnahme: 1978) Speyerer Dom (1981) Würzburger Residenz und Hofgarten (1981)

206                              

5 Freizeitmärkte Wallfahrtskirche „Die Wies“ (1983) Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl (1984) Dom und Michaeliskirche in Hildesheim (1985) Römische Baudenkmäler, Dom und Liebfrauenkirche von Trier (1986) Hansestadt Lübeck (1987) Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin (1990) Kloster Lorsch (1991) Bergwerk Rammelsberg und Altstadt von Goslar (1992) Altstadt von Bamberg (1993) Klosteranlage Maulbronn (1993) Stiftskirche, Schloss und Altstadt von Quedlinburg (1994) Völklinger Hütte 1994) Grube Messel (1995) Kölner Dom (1996) Das Bauhaus und seine Stätten in Weimar und Dessau (1996) Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg (1996) Klassisches Weimar (1998) Wartburg (1999) Museumsinsel Berlin (1999) Gartenreich Dessau-Wörlitz (2000) Klosterinsel Reichenau (2000) Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen (2001) Altstädte von Stralsund und Wismar (2002) Oberes Mittelrheintal (2002) Dresdner Elbtal (2004) Rathaus und Roland in Bremen (2004) Muskauer Park (2004) Grenzen des Römischen Reiches: Obergermanisch-raetischer Limes (2005) Altstadt von Regensburg mit Stadtamhof (2006) Siedlungen der Berliner Moderne (2008)

Kino Seit den 1910er Jahren gehört der Kinobesuch zu einer beliebten Freizeitaktivität der Deutschen. Ende der zwanziger Jahre kam dann zunehmend der Tonfilm auf, der die Erfolgsgeschichte des Kinos fortsetzte. Eine Renaissance setzte nach den Kriegsjahren mit großen Hollywoodproduktionen ein (z.B. Jenseits von Eden, Giganten, etc.). Seit dem Aufkommen des Fernsehens, welches sich schnell zur beliebtesten Freizeitaktivität der Deutschen entwickelte, bekam das Kino eine stark zunehmende Konkurrenz. Der bisher letzte große Aufschwung auf dem Kinomarkt erfolgte mit der Verbreitung von Multiplexkinos Anfang der neunziger Jahre. Multiplexkinos bieten dem Besucher nicht nur Kino, sondern vielfältige Unterhaltungsmöglichkeiten vor, während und nach dem eigentlichen Filmerlebnis. Kino wird hier zum Event und Entertainment für vornehmlich jüngere Zielgruppen (vgl. Simonis & Reise 2000, S. 28).

5.2 Der Kulturmarkt

207

Bereits Mitte der neunziger Jahre war bereits jeder siebte Kinobesucher Gast eines Multiplexkinos. Dieser Anteil erhöhte sich bis zur Jahrtausendwende auf über 40% (vgl. Opaschowski et al. 2006). Neben den großen Multiplexkinos existieren aber weiterhin kleine Programmkinos, die sich aber mittlerweile hinsichtlich z.B. ihres technischen Ausstattung oder Gastronomieangebots zunehmend an den Multiplexen orientieren. Die folgende Übersicht des deutschen Kinomarktes schließt daher beide Formen mit ein (vgl. Tab. 5).

Kino-Statistik 2002 bis 2007 2007

2006

2005

2004

2003

2002

Kinobesucher (in Mio.) Kinoumsatz in Euro (in Mio.) Kinobesuch pro Einwohner durchschn. Eintrittspreis in Euro Filmtheaterunternehmen

125,4

136,7

127,3

156,7

149

163,9

757,9

814,4

745,0

892,9

850,0

960,1

1,52

1,66

1,54

1,90

1,81

1,99

6,04

5,96

5,85

5,70

5,70

5,86

1.228

1.219

1.226

1.208

1.202

1.203

Spielstätten

1.812

1.823

1.854

1.845

1.831

1.844

Kinosäle (Leinwände)

4.832

4.848

4.889

4.870

4.868

4.868

Kinositzplätze

836.505

846.513

858.592

864.260

877.820

884.790

Standorte

1.016

1.021

1.035

1.033

1.032

1.049

Tab. 5 Kino-Statistik (eigene Darstellung, nach FFA-Filmförderungsanstalt 2008)

Für den Rückgang der Besucherzahlen können mehrere Gründe angeführt werden. Opaschowski et al. (2006 S., 142 f.) nennen hierfür drei Ursachen: die Euroumstellung, die wirtschaftliche Situation und die zunehmende Konkurrenz von DVD’s und Raubkopien aus dem Internet. Hier lässt sich die noch weiter zunehmende Verbesserung der Fernsehtechnik (Flachbildfernseher, Heimkinoanlagen, etc.) ergänzen. Dem Rückgang der Besucherzahlen versucht der Hauptverband Deutscher Filmunternehmen (HDF) mit der Werbekampagne „Kino. Dafür werden Filme gemacht“ entgegenzuwirken und Zuschauer wieder zu einem Kinobesuch anzuregen (vgl. HDF 2008). Events Eine ausführliche Begriffsbestimmung von Events ist bereits im Kapitel 4.4.5 erfolgt. Danach sind Events besondere Veranstaltungen oder spezielle Ereignisse, die multisensitiv vor Ort erlebt und als Plattform einer Kommunikation genutzt werden (vgl. Erber 2005, S. 3). Sie lassen sich deutlich von anderen Freizeitangeboten abgrenzen, da sie nur eine begrenzte

208

5 Freizeitmärkte

Dauer haben. Dadurch werden Events gleichsam zu Marketinginstrumenten von Kulturbetrieben. Diese stehen in Zeiten des Wertewandels vor der Herausforderung, ihr Angebot ständig anders und neuartig zu präsentieren. Events stellen im Kulturbereich zumeist ein ergänzendes Angebot dar, bei dem die Kulturbetriebe oder auch Destinationen als Schauplätze und Bühnen fungieren (vgl. Steinecke 2007, S. 55ff). Damit eröffnet sich ein Spannungsfeld zwischen dem von der Nachfrage unabhängigen Kulturauftrag einer Institutionen und der Marktorientierung derselben (vgl. Kap. 4.4.5, Erlebnisorientierung). Es kann ein Zielkonflikt entstehen zwischen dem Authentischen (kulturelles Erbe/ Heritage) und der Inszenierung im Rahmen eines Events: Der „schnelle Gast“ folgt einem „postmodernen Konzept von mobiler Freizeit“, er konsumiert Landschaft und Ressourcen, sucht nach individueller Bedürfnisbefriedigung und vereinnahmt die Welt erlebnisorientiert – der Kulturvertreter folgt dem Prinzip der Erhaltung und Tradierung dessen, was über Generationen weiter gegeben wird (vgl. Luger 2008, S. 22). Events können in allen Freizeit-Bereichen stattfinden. Indem sie nur eine begrenzte Zeitdauer haben, sind sie jedoch als ein gesonderter Angebotsbereich zu betrachten. Die inhaltliche Bandbreite spiegelt sich auch der Nachfrage von Events wieder (vgl. Tab 6).

Eventinteressen der 20 bis 64 jährigen Bundesbürger Event-Typ Herausragende Sportveranstaltungen Große Volksfeste Rock- und Popfestivals Nacht der Galerien Ausstellungseröffnungen Premierenvorstellungen Schützenfeste Modenschauen Lesungen Filmfestspiele Gourmetveranstaltungen Klassische Musikfestivals

Eventinteresse in % 39,3 28,0 23,4 19,3 18,7 17,4 16,0 15,6 14,3 13,6 13,3 9,6

Tab. 6 Eventinteressen (eigene Darstellung, nach Gruner+Jahr 2008c, S. 11)

Volksfeste Die großen Volksfeste sind nach den Sportveranstaltungen der beliebteste Event-Typus der Deutschen (s.o.). Die Fülle an tief im volkstümlichen Brauchtum verwurzelten Festen und Märkten in Deutschland ist in ihrer Art einzigartig auf der Welt. Dies zeigt sich z.B. an dem „Lullusfest“ in Bad Hersfeld, welches mit über 1.200 Jahren das älteste Volksfest in Deutschland ist. Auch andere Begriffe wie Jahrmarkt, Kirmes oder Kirchweihe zeigen die

5.2 Der Kulturmarkt

209

jahrhundertealte Tradition dieser Veranstaltungen (vgl. DSB, 2007). Diese Tradition regional typischer Feste mit entsprechenden religiösen oder stadtgeschichtlichen Wurzeln ist auch ein wesentliches Abgrenzungskriterium von Volksfesten zu anderen Kulturevents. Wenngleich nirgendwo festgehalten ist, wie lang diese Tradition sein muss. Die Definition nach der Gewerbeordnung (GewO, §60b), wo die Volksfeste unter dem Oberbegriff „Reisegewerbe“ firmieren, beinhaltet zudem die Integration von Schaustellern und typischen Waren (vgl. ift 2000, S. 31). Hieraus ergibt sich, dass sowohl die klassischen, großen Volksfeste zu den Volksfesten gehören, als auch Schützenfeste oder Weihnachtsmärkte, auf denen neben Gastronomie auch Unterhaltung geboten wird (vgl. ift 2000, S. 31 f.). Volksfeste haben neben ihrer kulturellen auch eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung. So verzeichnen die etwa 12.250 Volksfeste, Jahrmärkte und Kirmesveranstaltungen in Deutschland pro Jahr etwa 178 Millionen Besuche. Hierzu kommen noch die etwa 1.750 Weihnachtsmärkte mit etwa 50 Millionen Besuchen jährlich. Insgesamt sind in dem gesamten Bereich etwa 45.700 Personen in etwa 5.000 Schaustellerbetrieben beschäftigt. Volksfeste erzielen Umsätze in Höhe von etwa 4 Mrd. € jährlich und bringen dadurch zusätzliche Einkommen und Steuereinnahmen für die veranstaltenden Städte und Regionen (vgl. DSB 2007). Hierzu kommt noch ein nicht unerheblicher Imagegewinn, der gerne in das Marketing integriert wird und das Profil der jeweiligen Stadt und Region prägen kann (z.B. Nürnberger Christkindlesmarkt). Es gibt außerdem kein Land, in dem der Zuspruch an Volksfesten ähnlich hoch wäre wie in Deutschland. Zur Verdeutlichung dient die folgende Auflistung der größten Volksfeste in Deutschland (Stand 2007), in Klammern werden hierbei die jeweilige Anzahl der Besuche und die Dauer in Tagen angegeben (DSB 2007 und ift 2000):        

5.2.1

Oktoberfest „Wiesn“ in München Freimarkt in Bremen Cranger Kirmes in Herne Cannstatter Volksfest „Wasn“ in Stuttgart Frühlingsdom „Frühlingsfest“ in Hamburg Sommerdom „Hummelfest“ in Hamburg Winterdom „Dommarkt“ in Hamburg Rheinkirmes in Düsseldorf

(6,0 Mio. / 16 Tage) (4,0 Mio. / 16 Tage) (4,0 Mio. / 10 Tage) (3,5 Mio. / 16 Tage) (3,0 Mio. / 30 Tage) (3,0 Mio. / 31 Tage) (3,0 Mio. / 31 Tage) (3,0 Mio. / 9 Tage).

Der Markt für „neue Erlebniswelten“

„Erlebnis- und Konsumwelten“, „Themenwelten“ oder „neue Erlebniswelten“ – eine Definition dieser neuartigen, von unglaublicher Dynamik bestimmten Freizeitangebote fällt schwer. Steinecke (2009, S. 2f) stellt als wesentliches Merkmal heraus, dass es sich um Mixed-UseCenter handelt, die nicht eindeutig einem Freizeit-, Handels- oder Dienstleistungsbereich zuzuordnen sind und deren Angebot sich aus unterschiedlichen Bausteinen/Branchen zusammen setzt: Einzelhandel, Gastronomie, Freizeitindustrie, Kultur, Sport und Hotellerie. Neben der Multifunktionalität gehört auch die Erlebnisorientierung zu den zentralen Merkmalen dieser Einrichtungen. Im Zuge der Entwicklung dieses neuen Marktsegmentes haben sich inzwischen riesige Freizeitkonzerne gebildet, die eine Fülle von Angebotskonzepten

210

5 Freizeitmärkte

unter einem Dach vereinen. Neben dem bekannten Disney-Konzern als Weltmarktführer ist hier auch die Nr. 2, die Merlin Entertainments Group, zu nennen (vgl. Kasten).

Fallbeispiel: Merlin Entertainments Group (MEG) 1999 wird die Merlin Entertainments Group durch ein Management Buy-out der „Vardon Capital Management“ (VCM) gegründet. Zwischen 2000 und 2004 werden die „Dungeons“, historisch belegte Gruselkabinette, in Hamburg und Edinburgh eröffnet. In derselben Zeitspanne erfolgt eine weitere Expansion der SEA LIFE Center - Marke in Europa. Es werden Center in Helsinki, Speyer und Berlin, Dortmund (erstes mobiles Center) sowie ein Center im Disneyland Paris als Drittmarke eröffnet. Weitere mobile Center folgen in Oberhausen und Dresden, und in Belgien wird die neue Marke „Earth Explorer“ lanciert. Seit 1999 stiegen hiermit die Besucherzahlen um 25 % auf über 5 Mio. in allen Bereichen und MEG entwickelt sich zum größten Betreiber von Besucherattraktionen in Deutschland. Im Jahr 2005 kommt es zur Übernahme durch die Blackstone Group, welche die MEG für umgerechnet 150 Millionen Euro erwirbt. Darüber hinaus wird „LEGOLAND“ aufgekauft und macht damit Merlin zur Nummer zwei in Europa und Nummer neun weltweit auf dem Markt für Freizeit- und Erlebnisparks. Durch eine weitere Expansion um die SEA LIFE Center, die Übernahme des „Aquatica Park“ in Mailand und Italiens größtem Themenpark Gardaland, steigt Merlin 2006 zum größten Betreiber von Besucherattraktionen in Europa und zur Nummer sechs weltweit auf. Durch die Fusion mit der „Tussaud Group“ im Mai 2007, die 2002 schon den Heide Park aufgekauft hatte, wird die MEG zum weltweit zweitgrößten Betreiber von Besucherattraktionen (bezogen auf Besucherzahlen) hinter Disney. Das ehrgeizige Ziel lautet weltweit die Nummer eins der standortbasierten Markenunterhaltung zu werden. Merlin umfasst heute 55 Attraktionen in 12 Ländern auf drei Kontinenten. Die Gruppe beschäftigt etwa 13.000 Mitarbeiter in der Hauptsaison und hat jährlich über 33 Millionen Besucher in ihren Attraktionen (vgl. MEG 2008).

Der Betrachtung von Steinecke liegt ein weit gefasstes Verständnis zugrunde, was unter dem Begriff „neue Erlebniswelten“ zu verstehen ist. Um weiter zu klären, welche Bereiche in diesem Kapitel genauer analysiert werden sollen bzw. wie sich diese von anderen Freizeitbereichen abgrenzen lassen, sollen weitere Begriffsbestimmungen hinzugezogen werden. Kagelmann (1998, S. 61) schreibt dazu: „Eine Erlebniswelt ist ein künstlich geplanter, kommerzieller Freizeit- (oder Urlaubs-) bereich, in dem geplant versucht wird, den dafür in der Regel Eintritt zahlenden Menschen besonders viele Funktionen zu vermitteln und dabei als besondere Dienstleistung emotionale Erlebnisse für einen begrenzten Zeitraum zu verschaffen. Es geht um Angebotsvielfalt, es geht aber auch um Gefühle – Spaß, Freude, Glückszustände usf.“. Auf dieser Begriffsbestimmung baut Goronzy (2006, S. 22) seine Definition auf und erweitert sie um einige Aspekte. Erlebniswelten sind demnach stationäre Freizeitgroßanlagen, die folgende Merkmale aufweisen:  

Der Nutzen des Angebots wird in erlebnisbezogenen Begriffen definiert Für den Besuch dieser Anlagen wird ein pauschales Eintrittsgeld erhoben

5.2 Der Kulturmarkt     

211

Der Besuch dauert im Regelfall nicht länger als einen Tag Es werden viele unterschiedliche Angebote zur Verfügung gestellt Das Angebot bezieht sich nur am Rande auf den Erwerb von Waren Die Möglichkeit der sozialen Interaktion ist nicht Hauptbestandteil des Angebots Das Angebot ist nicht einmalig im zeitlichen Bezug.

Hieraus lässt sich nun ein Kernbereich von neuen Erlebniswelten ableiten, die bestimmte Angebotsschwerpnkte erkennen lassen. Er besteht aus Freizeit- und Erlebnisparks, Freizeit- und Erlebnisbädern, Erlebniszoos und Erlebnisorientierten Lernorten. Diese Teilmärkte sollen in den folgenden Abschnitten näher untersucht werden. Eine weitere Ausdifferenzierung von „Themenwelten“, gegliedert nach dem jeweiligen Attraktivitätsschwerpunkt, hat Steinecke (2009, S. 5f) vorgenommen. Freizeit- und Erlebnisparks Oft werden moderne Freizeit- und Erlebnisparks als „typisch amerikanisch“ angesehen. Dennoch liegen ihre Ursprünge in Europa. Als Vorläufer können Jahrmärkte und Kirmes gesehen werden, mit dem Unterschied, dass diese immer nur zeitlich und örtlich begrenzt stattfinden. Ein weiterer Ursprung liegt in den feudalen (Lust-) Gärten aus der frühen Zeit des Absolutismus. Der wohl älteste, heute noch betriebene Freizeitpark ist der 1583 gegründete „Bakken“ im Norden Kopenhagens in Dänemark. Daneben zählen zu den ältesten Freizeitparks in Europa auch der Prater in Wien (1766) oder der Tivoli in Kopenhagen (1843). Obwohl es auch einige Vorläufer gab, wie z.B. die in den 1920er Jahren eröffnete „Altweibermühle Tripsdrill“ in Deutschland, veranlasste erst der Erfolg des 1955 eröffneten Disneyland in Kalifornien einige Unternehmer zum Bau ähnlich konzipierter Anlagen, in kleinerem Stil. Ende der 1960er bis Anfang der 1970er Jahre war hierbei eine Art Gründungswelle festzustellen. Als erste entstanden das Phantasialand (1967) bei Brühl und der Holiday-Park (1971) in Hassloch. Heute existieren rund 75 Freizeit- und Erlebnisparks mit einem überregionalen Einzugsbereich in Deutschland (vgl. Opaschowski et al. 2006). Diese Vielzahl lässt sich in verschiedene Unterkategorien einteilen: dem eher „klassischen“ Vergnügungspark (z.B. Lunapark), dem Themenpark (z.B. Europapark Rust), der nach dem Konzept von Disney aufgebaut ist, und dem Marken- bzw. Brandpark (z.B. Legoland), der auf dem Themenkonzept einer Firmenmarke beruht. Diese Unterscheidung soll hier aber nur zum besseren Verständnis des gesamten Spektrums der Freizeit- und Erlebnisparks gemacht werden, da nachfolgend nur die Oberkategorie der Freizeitparks dargestellt wird. Freizeit- und Erlebnisparks lassen sich als „Freizeitanlagen außerhalb von Siedlungen, die in privater Regie betrieben werden, die neben mehr oder weniger ausgedehnten Grünflächen über eine Reihe von Einzelangeboten (Fahrgeschäfte, Ausstellungsobjekte, Spielplätze, Tiergehege, Revuen, Gastronomiebetriebe etc.) verfügen und für deren Besuch eine Eintrittsgebühr erhoben wird“ definieren (Fichtner und Michna 1987, S. 11). Insgesamt ziehen deutsche Freizeit- und Erlebnisparks im Jahr mehr als 21 Millionen Besucher an. Die größten mit über 1 Million Besuchern pro Jahr bzw. Saison sind nach Angaben des Verbands Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen e.V. (VDFU 2008):

212        

5 Freizeitmärkte Europa Park in Rust Autostadt in Wolfsburg Phantasialand in Brühl Movie Park in Bottrop Heide Park in Soltau Legoland in Günzburg Holiday Park in Hassloch Hansa-Park in Sierksdorf

(ca. 3,6 Mio. Besucher) (ca. 2,1 Mio. Besucher) (ca. 2,0 Mio. Besucher) (ca. 1,9 Mio. Besucher) (ca. 1,4 Mio. Besucher) (ca. 1,3 Mio. Besucher) (ca. 1,3 Mio. Besucher) (ca. 1,1 Mio. Besucher)

Freizeit- und Erlebnisbäder Zu dem Begriff „Freizeitbad“ existiert wie bei Freizeit- und Erlebnisparks ein recht einheitliches Verständnis. Demnach sind Freizeitbäder „künstlich geschaffene Anlagen und Einrichtungen zu multifunktionaler Gestaltung der Freizeit im Bereich von Spiel, Sport und Erholung, wobei dem Einsatz von Wasser in unterschiedlicher Art und Weise eine herausragende Bedeutung zukommt“ (Fromme und Nahrstedt 1989, S. 196). Nach einer weiteren Definition, die ihren Schwerpunkt auf den Unterschied zwischen dem reinen Sportcharakter und Erlebnis legt, werden Freizeitbäder definiert als: „Bäder, die aufgrund ihrer Architektur und der Anlagen innerhalb des Gesamtkomplexes nicht dem Schwimmsport (also Wettkampfsport) dienen, sondern dem Spaß am Umgang mit und im Wasser“ (Goronzy 2006, S. 28 f., zitiert nach Scherrieb 2002). Aus beiden Begriffsbestimmungen lassen sich nun verschiedene Unterkategorien für die am deutschen Markt vorhanden Anlagen ableiten. Goronzy (2006) wählt hierfür zwei aus, die für eine Marktbetrachtung sinnvoll erscheinen. Dies sind zum einen Spaßbäder oder Indoor-Wasserparks, welche sich an eine eher aktive Zielgruppe richten und zum anderen Thermal-Erlebnisbäder, die als zentrale Gedanken Erholung und Wellness haben. Nachfolgend sollen diese nun unter dem Oberbegriff Freizeit- und Erlebnisbäder analysiert werden. In Deutschland setzte die Entwicklung moderner Freizeitbäder in den 1980er Jahren ein. Durch die veränderten Ansprüche der Konsumenten wurden Elemente wie Erlebnis, Atmosphäre, Kontakt und Kommunikation immer wichtiger für den Besuch eines Bades. Daher wurden viele vorhandene Sportbäder umgebaut und in den 1990er Jahren verstärkte sich ein Trend zu oft luxuriösen Neubauten und Sportkomplexen mit zusätzlichen Angeboten wie Fitness- oder Tennisanlagen. Heute werden in fast jedem Schwimmbad (Erlebnis-) Elemente integriert, um die Aufenthaltsqualität zu steigern. Meist entstanden sie durch Renovierung und Ausbau kommunaler Hallenbäder, aber auch durch private Betreiber, welche vorher nicht in dem Markt aktiv waren. Heute lässt sich daher von einer Koexistenz von kommerziellen und nichtkommerziellen Angeboten sprechen. In den neuen Bundesländern entwickelte sich ab 1990 ein regelrechter Boom von Erlebnisbädern, welche zum großen Teil mit Fördermitteln unterstützt wurden. Fast unkontrolliert entstanden hierbei neue Anlagen, die sich aufgrund der existierenden Konkurrenz kaum mehr profitabel betreiben lassen (vgl. Goronzy 2006). Ein prominentes Beispiel dafür ist das Großprojekt „Tropical Island“, das sich selbst als „Europas größte tropische Urlaubswelt!“ vermarktet. Das gigantische Mix-Use-

5.2 Der Kulturmarkt

213

Center mit dem asiatisch thematisierten Schwerpunkt „Erlebnisbad“ wurde 2004 mitten in die Brandenburgische Provinz, ca. 60 km südlich von Berlin-Zentrum, in einer ehemaligen Cargolifter-Werfthalle realisiert (Tropical Island Management GmbH 2009). Nachdem die Besucherzahlen weit hinter den ursprünglichen Plänen der Betreiber zurückblieben, war auch der angestrebte kostendeckende Betrieb in den ersten Jahren nicht zu erreichen. Seit 2006 erfolgten erhebliche Erweiterungen der Anlage, die heute neben vielfältigen Sport- und Badeattraktionen auch Themengastronom sowie Übernachtungs- und Shoppingmöglichkeiten bietet. Im Geschäftsjahr 2008 konnte das Unternehmen, aufgrund einer Besucherzahl von 834.000, erstmals in seiner Geschichte einen Gewinn erzielen (AHGZ 2009). Eine genaue Abgrenzung des Marktes fällt schwer, auch wenn ein allgemeines Begriffsverständnis von Freizeitbädern existiert. Daher lassen sich auch kaum genauen Aussagen über die Anzahl der vorhandenen Erlebnisbäder und deren Besucherzahlen in Deutschland machen. Die European Waterpark Association (EWA) geht nach Schätzungen von etwa 160 Erlebnisbädern aus, die ein professionelles und qualitativ hochwertiges Angebot besitzen. Demgegenüber liegt Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB) zufolge die Anzahl bei etwa 270 Freizeit- und Erlebnisbädern. Die von der EWA verfügbaren Daten ihrer 56 Mitglieder zeigen, dass diese durchschnittlich von 450.000 Gästen im Jahr frequentiert werden. Daraus lässt sich alleine schon ein Besuchsaufkommen von mehr als 25 Mio. errechnen (vgl. Goronzy 2006 und Opaschowski et al. 2006).

Fallbeispiel Alpamare in Bad Tölz Das Alpamare gehört zu den führenden Erlebnisbädern in Europa. Es wurde 1970 als erstes Brandungswellenbad in Deutschland von privaten Investoren erbaut und setzt seitdem Trends im Bereich der Erlebnisbäder. Betrieben wird das Alpamare von einem Tochterunternehmen der Jodquellen AG in Bad Tölz, der Alpabob GmbH & Co KG. Das örtliche Heilwasser, das im Alpamare genutzt wird, trug von Beginn an zur positiven Entwicklung des Kurortes Bad Tölz bei. Allein in den letzten 10 Jahren lag das Investitionsvolumen für das Bad bei ca. 10 Mio. €. Die Gesamtfläche des Alpamare beträgt 10.000m², von denen 2.100m² reine Wasserfläche sind. Es werden jährlich 400.000-500.000 Besucher verzeichnet. Das Grundkonzept des Alpamare basiert auf der Kombination von zwei Angebotsbereichen, die zusammen eine große Vielfalt bieten: Die Eigenschaften eines amerikanischen Wasserparks werden mit denen einer europäischen Therme verknüpft. Der Wasserpark bietet actionreiche Angebote (7 Rutschen, Surfanlage, Wellenbad etc.) und spricht eher junges Publikum an, die Therme fokussiert auf den Schwerpunkt Wellness und Erholung (Whirlpools, Thermen, Saunen, Parkanlage etc.) und spricht eher ältere Zielgruppen an. Ergänzt wird das Badeangebot durch hochwertige Gastronomie und regelmäßige Events. Neben der Integration differenzierter Zielgruppen, liegen die besonderen USP`s der Anlage deutlich im Action-Bereich: Durch die Thematisierung von Rutschen und die IndoorSurfanlage vergrößert das Alpamare sein Einzugsgebiet – zu dem auch die Stadt München zählt – deutlich in den internationalen Bereich (v.a. Österreich, Italien).

214

5 Freizeitmärkte

Für das Alpamare steht die Qualität des Produkts an erster Stelle der Unternehmensphilosophie. Diese wird an der gehobenen Ausstattung und der auf Sicherheit ausgelegten Architektur deutlich. Die Rutschbahnen wurden z.B. in Zusammenarbeit mit dem Marktführer Pro Slide Canada und dem TÜV München entwickelt. Zudem hat sich das Alpamare in Bezug auf Sauberkeit und Hygiene nach dem Qualitätsmanagementsystem DIN EN ISO 9001 zertifizieren lassen. Und der Erfolg gibt dem Unternehmen recht: Für seine Pionierleistungen und Innovationsführerschaft wurde es 2007 mit dem Industry Leadership Award der World Waterpark Association (WWA) ausgezeichnet (vgl. Alpabob GmbH & Co. KG 2009).

Erlebniszoos Zoos und Tierparks können auf eine lange Tradition zurückblicken. Der chinesische Kaiser Wu-Wang ließ bereits vor über 3.000 Jahren bei Peking auf mehr als 400 Hektar den „Park der Intelligenz“ bauen. Als ältester noch bestehender Zoo der Welt gilt heute der Tiergarten Schönbrunn in Wien (1725). Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gelten als Hauptaufgaben von Zoos die Bereiche Naturschutz, Bildung, Forschung, Erholung und Erhaltungszucht. Die aus diesen Aufgaben geschaffene Akzeptanz und eine Finanzierung aus staatlichen Zuschüssen führten dazu, dass die Zooanlagen wenig innovativ und marktorientiert geführt wurden. In den 1990er Jahren wurden die Haushaltsmittel von Städten und Kommunen knapper, was zu einem Umdenken und beschreiten neuer Wege führte und das Angebot erlebnisorientierter werden ließ (vgl. Opaschowski et al. 2006). Erlebniszoos sind daher als eine Weiterentwicklung traditioneller zoologischer Gärten zu verstehen. Neben den oben genannten, traditionellen Merkmalen bzw. Aufgaben, wurde bei neuen Konzepten auf Thematisierung, Multimedia, Shows, Geschäfte, interessante Bildungsangebote und Gastronomie gesetzt. Abgrenzen kann man diese Erlebniszoos von den klassischen Safariparks, in denen Besucher an im Freien lebenden Tieren in einem Fahrzeug vorbeifahren können (vgl. Goronzy 2006). Obwohl die Entwicklung dieser neuen Generation von Zoos noch am Anfang steht, gibt es schon einige erfolgreiche am Markt operierende Beispiele, wie den Erlebnis-Zoo Hannover, den Zoo Rostock, den Zoo am Meer Bremerhaven, den Zoo Leipzig oder die ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen. Außerdem lässt sich der 1907 in Hamburg eröffnete Tierpark Hagenbeck anführen, der als privater Zoo schon lange neue Wege beschreitet und als erster Zoo moderner Art in Deutschland gilt. Direkt am Tierpark und dem Tropen-Aquarium Hagenbeck liegt seit 2009 auch das weltweit erste TierparkThemen-Hotel, das Lindner Park-Hotel Hagenbeck (siehe: http://www.lindner.de/de/ parkhotel_hagenbeck_hamburg). In Deutschland kann man im Augenblick von etwa 45 Zoos sprechen, die eine überregionale Bedeutung haben. Nach Schätzungen wird die jährliche Besucherzahl auf ca. 50 Millionen beziffert. Im Gegensatz zu den vorhergehend besprochenen Erlebnisbädern, werden bis heute Zoos überwiegend mit öffentlichen Mitteln unterstützt, da ihre Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Jeder Zoobesucher wird hierbei durchschnittlich mit etwa 1,50 bis 2,00 Euro subventioniert. Der Trend zur Entwicklung moderner Erlebniszoos verstärkt sich zuneh-

5.2 Der Kulturmarkt

215

mend, unterstrichen von hohem Besucherwachstum und verstärkt durch immer neue Investitionen in neue Projekte. Dabei ist auch zu beobachten, dass es immer weniger kommunale Subventionen gibt und zunehmend Public-Private-Partnerships im Bereich der Zoos entstehen (vgl. Goronzy 2006, S.34). Zudem spielt - wie spätestens seit dem Eisbärenbaby Knut deutlich wurde - auch die veränderte Kommunikationspolitik der Zoos eine Rolle für deren stetig steigenden Erfolg. Der Zoologische Garten Berlin verzeichnete im Jahr 2007 zumindest einen historischen Besucherrekord von ca. 3,2 Mio. Gästen. Das waren 27% mehr als 2006 (Zoologischer Garten Berlin AG 2009). Die erfolgreichsten deutschen Zoos, gemessen an der Besucherzahl 2008 sind folgende (Quellen: Verband Deutscher Zoodirektoren 2009, Wilhelma - Der Zoologisch Botanische Garten 2009, Zoologischer Garten Köln 2009):             

Zoologischer Garten Berlin Erlebnis-Zoo Hannover Wilhelma Stuttgart Zoo Leipzig Zoo Köln Tierpark Hellabrunn, München Tiergarten Nürnberg Tierpark Hagenbeck, Hamburg Zoo Duisburg Zoologischer Garten Karlsruhe Tierpark Berlin Friedrichsfelde Allwetterzoo Münster Zoo Frankfurt/M.

2.103.941 (+ 897.396 im Aquarium) 2.215.303 > 2 Mio. (eigene Angaben) 1.673.608 1.494.893 (eigene Angaben) 1.413.396 1.281.286 (+ 480.903 im Delphinarium) 1.061.081 1.088.270 (+ 772.926 im Delphinarium) 997.973 957.411 950.760 944.500.

Erlebnisorientierte Lernorte Der Begriff „erlebnisorientierte Lernorte“ wurde vom Institut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit (IFKA) geprägt, welches Untersuchungen zum lebensbegleitenden, selbstgesteuerten Lernen im Freizeitsektor durchführte. Zum Spektrum zwischen Lernen, Erlebnis und Konsum gehören hierbei Museen, Science Center, Zoos, Themenparks ebenso wie Brandlands (vgl. Freericks et al. 2005, S. 5). Als Schlagwort für die Vermittlung von Wissen, welches mit Spaß verknüpft wird, hat sich mittlerweile der Begriff „Edutainment“ etabliert. Wie sich an den vom IFKA untersuchten Freizeiteinrichtungen zeigt, steht ein weites Spektrum von Einrichtungen zur Verfügung. Goronzy (2006) unterscheidet hieraus im Sinne einer Differenzierung des Marktes die wissensorientierten Lernorte Erlebnismuseen (z.B. Auswandererhaus Bremerhaven), Science Center (z.B. Universum Bremen, Phaeno Wolfsburg) und wissensorientierte Brandparks (z.B. Legoland Günzburg, Autostadt Wolfsburg). Genau genommen stellen die erlebnisorientierte Lernorte keine eigene Angebotskategorie im Rahmen der „neuen Erlebniswelten“ dar, sondern es liegt dem Konzept ein bestimmter pädagogischer Ansatz zugrunde, der als komplementär zu allen angeführten Angebotsformen zu verstehen ist. Jede „neue Erlebniswelt“, genau wie jeder Kulturbetrieb oder jede Sportarena

216

5 Freizeitmärkte

kann unter bestimmen Voraussetzungen zu einem erlebnisorientierten Lernort werden (vgl. Kap. 3.2, Freizeitpädagogik).

5.3

Der Sport- und Gesundheitsmarkt

In Kapitel 5.1 wurde bereits deutlich, dass der Bereich Sport und Gesundheit einen der größten Freizeitmärkte ausmacht. Krüger (2004) konstatiert, dass für Sport in Deutschland mehr ausgegeben wird als für andere Freizeitbeschäftigungen - Sport sei die wichtigste Branche des Freizeitkonsums außerhalb der eigenen vier Wände. Doch es bleibt die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen Sport- und Gesundheitsaktivitäten: Was bedeutet es, seine Gesundheit zu fördern? Ein wesentlicher Aspekt dabei ist Bewegung, auch im Sinne von Sport. Die Übergänge sind demnach fließend. Betrachtet man die Ergebnisse des BAT (2008) bezüglich der Freizeitaktivitäten der Deutschen, die einen Bezug zu Sport und Gesundheit sowie zugleich eine gewisse Management-Relevanz als Freizeitangebote haben, so ergibt sich folgendes Ranking („wenigstens einmal im Monat …“):        

Gesundheitspflege Fahrrad fahren Selbst Sport treiben Baden/Schwimmen Wandern gehen Jogging/Walking Fitnessstudio Wellnessangebote nutzen

69% 54% 46% 31% 18% 18% 11% 9%.

Auch in dieser Aufzählung wird die Überschneidung der einzelnen Bereiche wieder sehr deutlich: Selbst Sport treiben und Gesundheitspflege wird offenbar von den Befragten differenziert gegenüber Aktivitäten wie Fahrrad fahren, Baden/Schwimmen oder Wandern gehen. Alle letztgenannten Aktivitäten könnten sowohl unter Sport treiben als auch Gesundheitspflege subsumiert werden. Es bedarf somit einer strukturierten Betrachtungsweise der Bereiche Sport und Gesundheit. In den folgenden Abschnitten sollen beide Märkte daher differenziert betrachtet und zugleich ihre jeweiligen Überschneidungsfelder aufgezeigt werden.

5.3.1

Der Sportmarkt

Bevor mit der eigentlichen Marktbetrachtung begonnen wird, macht es Sinn, den Begriff Sport zunächst zu klären: Der heutige Begriff Sport wurde in den 1920er Jahren, wie viele andere Sportausdrücke, aus dem Englischen in den deutschen Wortschatz aufgenommen. Es war eine umfassende Bezeichnung für alle mit der planmäßigen Körperschulung und mit der körperlichen Betätigung im Wettkampf und im Wettspiel zusammenhängenden Belange. Die ursprüngliche Bedeutung von sport im Englischen war Zerstreuung, Vergnügen, Zeitvertreib, Spiel und lässt sich bis auf das Lateinische de-portare zurückverfolgen (vgl. Dudenverlag

5.3 Der Sport- und Gesundheitsmarkt

217

2001, S. 792). Die konstitutiven Variablen des Sports können wie folgt umschrieben werden: körperliche Aktivität, spielerisches Handeln (frei von Produktivität), Leistungsprinzip, soziale Regelungen und ethische Werte. Tiedemann (2004) hat eine entsprechend weit gefasste Sportdefinition formuliert, die auch den Freizeitsport, wie z.B. Jogging oder Aerobics, mit einbezieht: „Sport ist ein kulturelles Tätigkeitsfeld, in dem Menschen sich freiwillig in eine wirkliche oder auch nur vorgestellte Beziehung zu anderen Menschen begeben mit der bewußten Absicht, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten insbesondere im Gebiet der Bewegungskunst zu entwickeln und sich mit diesen anderen Menschen nach selbstgesetzten oder übernommenen Regeln zu vergleichen, ohne sie oder sich selbst vorsätzlich schädigen zu wollen“. Als Quasi-Definition und zugleich als Abgrenzung zu nicht-sportlichen Aktivitäten hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB 2008) in seiner Aufnahmeordnung festgeschrieben, dass seine Mitgliedsverbände bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen:  Die Ausübung der Sportart muss eine eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität eines jeden zum Ziel haben, der sie betreibt. Diese eigenmotorische Aktivität liegt insbesondere nicht vor bei Denkspielen, Bastel- und Modellbautätigkeit, Zucht von Tieren, Dressur von Tieren ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen und Bewältigung technischen Gerätes ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen.  Die Ausübung der eigenmotorischen Aktivitäten muss Selbstzweck der Betätigung sein. Dieser Selbstzweck liegt insbesondere nicht vor bei Arbeits- und Alltagsverrichtungen und rein physiologischen Zustandsveränderungen des Menschen.  Die Sportart muss die Einhaltung ethischer Werte wie z.B. Fairplay, Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Person und Partnerschaft durch Regeln und/oder ein System von Wettkampf- und Klasseneinteilungen gewährleisten. Dies ist nicht gegeben insbesondere bei Konkurrenzhandlungen, die ausschließlich auf materiellen Gewinn abzielen oder die eine tatsächliche oder simulierte Körperverletzung bei Einhaltung der gesetzten Regeln beinhalten. Zudem wird explizit darauf hingewiesen, dass das Sportangebot im Rahmen des DOSB dem Menschen zur bewegungs- und körperorientierten ganzheitlichen Entwicklung der Persönlichkeit dient und Gesundheit in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht anstrebt. Gesundheitsorientierter Sport sei ein fester Bestandteil des Angebots der Mitgliedsorganisationen. Das grundlegende Problem bei der Beschreibung des Sportmarktes ist, dass sich das Sport treiben und der übrige Sportkonsum nur schwer von anderen Freizeitaktivitäten und -konsummöglichkeiten abgrenzen lassen: Ist das Wandern ein Sport? - Wird eine Zeitung wegen ihres Sportteils gekauft? - Was ist ein Freizeit- was ein Sportschuh? Der Sportmarkt ist ein überaus komplexes und heterogenes Gebilde: Die deutschen Fußball-Damen sind Weltmeisterinnen und haben zumindest halbtags andere Erwerbstätigkeiten, die Männer spielen häufig schon in der 4. Liga als Profis. Für die einen Sportler werden kostspielige Erlebnisarenen gebaut, die anderen benutzen vorhandene Waldwege. Die Größe der einzelnen Sportmärkte ist von Produkt zu Produkt sehr unterschiedlich: Bei der Sportbekleidung ist der Weltmarkt i.d.R. entscheidend (vgl. Adidas, Nike, Puma). Bei täglich gefrag-

218

5 Freizeitmärkte

ten Sportdienstleistungen werden eher Anbieter in der unmittelbaren Umgebung ausgewählt (z.B. Sport-/Fitnessstudio). Beim Sport gibt es (auch) einen Wettbewerb zwischen dem aktiven und dem passiven Konsum: Verbringe ich meine Zeit und investiere mein Geld in aktives Sport treiben, den „aktiven“ Besuch einer Sportveranstaltung oder konsumiere ich Sport über die Medien (Fernsehen, Radio, Internet u.a.)? Und auch beim Medienkonsum kann noch einmal zwischen aktiv, verbunden mit Mehrausgaben (z.B. Premiere-Paket, Zeitschriften) und passiv, als Gelegenheitskonsum, unterschieden werden. Zudem steht Sport in einer hohen Substitutionskonkurrenz innerhalb des Freizeitmarktes: Gesundheit durch Ernährung, Spaß bei Events, Spannung in Fernsehen und Kino, Erlebnisse in Themenparks, Abenteuer auf dem Spielplatz u.v m. Auch innerhalb des Sports gibt es eine Substitutionskonkurrenz: Gesundheit, Spaß, Spannung, Erlebnis, Abenteuer etc. lassen sich durch viele Sportarten individuell, im Verein oder in kommerziellen Sportorganisationen erfüllen (vgl. Krüger 2004). Aus dieser Heterogenität des Sportmarktes lassen sich verschiedene Teilmärkte ableiten, die entweder auf das aktive Sport treiben fokussiert sind (Sportlermarkt), auf den Besuch von Sportveranstaltungen (Zuschauermarkt) oder z.B. auf mediale Übertragungen wie die Fußball-Bundesliga oder Formel 1 (Folgemarkt). Der Sportlermarkt stellt die Ausgangsbasis für den Zuschauermarkt dar, indem eine Leistung generiert wird. Sobald die Leistungen von Sportlern ein bestimmtes sportliches und/oder unterhaltendes Niveau erreichen, entsteht eine Nachfrage und sie können im Zuschauermarkt weiter verwendet werden. Es entsteht der Bedarf eines Managements der Leistungen. Schließlich bilden sich Folgemärkte (Sportkommunikation/Medien, Sportunterhaltung/Eventagenturen, Sporttourismus etc.), auf denen Folgeleistungen gemanagt werden (vgl. Nufer & Bühler 2008, S. 11). Trosien (1999) hat den Sportmarkt in verschiedene Branchensektoren und -segmente untergliedert, in denen sich die genannten Teilmärkte wiederfinden (Tab. 7): Branchensektoren Sportvereinigungen Staatliche Sportförderung Medien Wettgesellschaften SportWirtschaftsunternehmen Sport-Sponsoring

Branchensegmente Sportvereine und -verbände Kommunale Haushalte, Länder- und Bundeshaushalte Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Medien Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Wettgesellschaften Sport-/Fitness-Studios, Sportfachhandel, -industrie, dienstleistungen Externe Unternehmen

Tab. 7 Der Sportmarkt in Deutschland Branchensektoren- und segmente (vgl. Trosien 1999, S. 22)

Zur weiteren Untergliederung hat Woratschek (1998, S. 348) den Sportmarkt nach der jeweiligen Ausrichtung der Sportbetriebe in Sportgüterproduzenten und Sportdienstleistungen geteilt. Zu den Sportgüterproduzenten zählen die Hersteller von Investitionsgütern (Sportstättenbau, Sportgeräte) und Konsumgütern (Sportartikel, Sporternährung). Die

5.3 Der Sport- und Gesundheitsmarkt

219

Sportdienstleistungen können in solche mit aktivem und solche mit passivem Sportkonsum unterschieden werden. Dienstleistender mit aktivem Sportkonsum sind im Profit-Bereich der Sportfachhandel, der Sporttourismus sowie die Sportaus- und weiterbildung. Im NonprofitBereich sind es Sportverbände und -vereine sowie der Betriebssport. Als Dienstleistender mit passivem Sportkonsum gelten Sportunterhaltungsbetriebe (Organisation von Veranstaltungen), Sportmedienbetriebe, Agenturen der Sportwerbung und des Sportsponsorings sowie Unternehmensberatungen im Sportbereich. Die wirtschaftliche Bedeutung des Sports bezieht sich demnach auf ganz verschiedene Aspekte: Sport als Arbeitgeber, Sport als Konsumbereich und durch Sport induzierte Folgemärkte. Der Anteil des Sports am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands war bis zum Jahr 2000 auf 1,5% oder ca. 30 Mrd. € gestiegen – ähnlich hoch wie die Landwirtschaft oder die Mineralöl verarbeitende Industrie. Der Sport erwies sich damit als überdurchschnittlich dynamische Branche mit einem jährlichen Wachstum von mehr 2,5%. Die privaten Haushalte gaben im Jahr 2000 insgesamt ca. 23 Mrd. € für Sportzwecke aus, das entspricht 2% aller privat getätigten Käufe. Die einzelnen Posten, auf die sich die Sportausgaben verteilten, waren folgende (Deutscher Bundestag 2002):        

Fitnessstudios u.ä. Sportvereine Fahrten zum Sport Sportbekleidung / -schuhe Gastronomie beim Sport Medien (Print, TV etc.) Nutzung kommunaler Anlagen Sonstiges (Geräte, Tickets etc.)

ca. 4,0 Mrd. € ca. 3,8 Mrd. € ca. 2,6 Mrd. € ca. 1,7 Mrd. € ca. 1,2 Mrd. € ca. 1,0 Mrd. € ca. 0,5 Mrd. € ca. 8,8 Mrd. €.

Sportlermarkt Krüger (2004) hat die Struktur des Sportlermarktes in Deutschland mit der 40-20-40-Formel umschrieben: Demnach treiben 40% der Bevölkerung Sport, 20% interessieren sich für Sport, treiben jedoch selbst keinen, und 40% haben kein Interesse an Sport. Einer Untersuchung des Soko-Instituts (2005) zufolge gibt es in Deutschland ca. 28% Nicht-Sportler, 47% Gelegenheitssportler, 21% leistungsorientierte Freizeitsportler und 4% Wettkampfsportler. Je nach Alter, Geschlecht und anderen sozialen und sozioökonomischen Merkmalen der Bevölkerung variieren diese Werte. Mit zunehmendem Alter steigt z.B. der Anteil der NichtSportler an und die leistungsorientierter Freizeitsportler bzw. Wettkampfsportler werden entsprechend weniger. Bemerkenswert ist dabei der relativ konstante Anteil der Gelegenheitssportler, der lediglich zwischen 43% (65+ Jahre) und 52% (30-49 Jahre) schwankt. Eine noch aktuellere Marktuntersuchung hat zur Untergliederung des Sportlermarkts nach der Selbstbewertung der sportlichen Aktivitäten geführt und herausgearbeitet, dass fast jeder zweite Deutsche sportlich inaktiv ist (vgl. FAZ & TKK 2007, S. 5):  20% sind Antisportler und treiben nie Sport  24% sind Sportmuffel und treiben selten Sport

220

5 Freizeitmärkte

 34% sind Gelegenheitssportler (unregelmäßiger Sport, 1-3 Stunden/Woche)  16% sind Freizeitsportler (regelmäßiger Sport, 3-5 Stunden/Woche)  6% sind Leistungssportler (>5 Stunden/Woche Sport, regelmäßige Wettkämpfe). Diese Daten werden durch den Gesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts (RKI) gestützt, demzufolge 37,3% der Männer über 18 Jahren und 38,4% der gleichaltrigen Frauen überhaupt keinen Sport ausüben. Bei Männern wie Frauen ist die Sportbeteiligung bei den 18-29Jährigen mit etwa 75% am höchsten, schwankt im mittleren Erwachsenalter (30-69 Jahre) zwischen 65 und 55% und beträgt bei den über 70-Jährigen Männern und Frauen immerhin noch ca. 45%. Wichtig ist die insgesamt deutliche Ausweitung der sportlichen Aktivität in den höheren Altersgruppen in den letzten Jahren. Für die Sportbeteiligung der Bevölkerung spielen vor allem die Sportvereine eine wichtige Rolle. Daneben haben Sport- und FitnessStudios den Marktwert gesundheitsfördernder Sportangebote erkannt und sprechen häufig ganz gezielt Bevölkerungsgruppen an, die von Sportvereinen weniger gut erreicht werden. So ist bemerkenswert, dass Frauen in Fitnessanlagen anders als in Sportvereinen ungefähr gleich häufig wie Männer eine Mitgliedschaft besitzen (Deutscher Bundestag 2006). Auf der Ebene des organisierten Sports gibt es eine recht stabile Zahl von Mitgliedern in Sportvereinen und -verbänden. Im Jahre 2008 betrug die Gesamtmitgliederzahl des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) 27,44 Mio. Personen und hatte damit wie in den Jahren zuvor eine ganz leicht steigende Tendenz. Davon waren 23,77 Mio. Mitglieder in den über 91.000 Sportvereinen in Deutschland. Das entspricht einem Anteil von 29% der Gesamtbevölkerung. Eine klare Differenz gibt es jedoch zwischen dem Anteil der weiblichen (22%) und der männlichen (36%) Vereinsmitglieder an der Gesamtbevölkerung. Nach den jeweiligen Spitzenverbänden differenziert, lassen sich der Deutsche Fußball-Bund und der Deutsche Turner-Bund als die mitgliederstärksten Verbände erkennen, mit großem Abstand folgen der Tennis-Bund und der Schützenbund (DOSB 2009) (vgl. die unten stehende Liste). Jedoch muss bei diesen Zahlen in Betracht gezogen werden, dass die Zugehörigkeit zu einem Verein oder Verband, noch keine klare Aussage zu einer sportlichen Aktivität zulässt - es ist kaum vorstellbar, dass es 5 Mio. aktive Turner in Deutschland geben könnte. Etwa 1/3 aller Vereinsmitglieder sind nur noch passiv dabei oder beschränken sich ggf. auf einmal jährliche Aktivitäten, wie z.B. dem Schützenfest. Zudem betreiben auch die aktiven Sportler z.B. des Turner-Bundes verschiedenste Sportarten vom Turn-Leistungssport bis zur KoronarSportgruppe eines Vereins. Die Rangliste der Spitzenverbände des DOSB mit mehr als 100.000 Mitgliedern (DOSB 2009) stellt sich im Jahr 2008 wie folgt dar: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Fußball-Bund Turner-Bund Tennis-Bund Schützenbund Leichtathletik-Verband Handball-Bund Deutscher Alpenverein Reiterliche-Vereinigung

6.563.977 5.006.039 1.586.663 1.462.290 891.006 842.070 782.753 752.964

5.3 Der Sport- und Gesundheitsmarkt 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.

221

Deutscher Sportfischer 653.300 Tischtennis-Bund 616.796 Skiverband 605.633 Schwimm-Verband 574.825 DLRG (Lebens-Rettungs-Gesellschaft) 559.987 Golf-Verband 552.388 Volleyball-Verband 483.815 Behinderten-Sportverband 414.070 Badminton-Verband 212.574 Tanzsportverband 210.538 Basketball-Bund 190.744 Segler-Verband 187.696 Judo-Bund 184.765 Bund Deutscher Radfahrer 133.715 Keglerbund 131.282 Kanu-Verband 114.453 Motoryacht-Verband 112.080 Karate-Verband 106.677.

Neben dem organisierten Vereinssport in Deutschland gibt es natürlich noch eine Reihe weiterer Sportanbieter bzw. -aktivitäten. Betrachtet man die Statistiken, so sind die Deutschen ein Volk von Freizeitsportlern: In jeder Stadt und in fast jeder Gemeinde ist eine entsprechende Infrastruktur mit Vereinen, Sportanlagen, Schwimmbädern, privaten Fitnesscentern und ähnlichen Einrichtungen vorhanden. Nach Angaben des Verbands deutscher Freizeit- und Fitnessunternehmen (VDF) waren 2007 weitere 5,5 Mio. Menschen in Fitnessstudios angemeldet. Die Zahl der privaten Studios liegt bundesweit bei ca. 5.500. Ähnlich wie bei den Vereinen bestehen zahlreiche Mitgliedschaften jedoch nur auf dem Papier: Bis zu 50% der Neumitglieder in Fitnessstudios werden nach nur wenigen Monaten „passive Mitglieder“. Sowohl für die professionellen Anbieter von Trainingsangeboten wie auch für die Vereine sind der Trend zur eigenen Gesundheitsfürsorge und der demographische Wandel in der Gesellschaft besondere Herausforderungen. Sie erfordern eine entsprechende Anpassung des Angebots, vor allem der Gesundheitssport rückt stärker in den Vordergrund. Auch die privaten Studios bemühen sich um eine Neupositionierung: der Trend geht zu Wellness und ganzheitlichen Gesundheitsdienstleistungen (vgl. FAZ & TKK 2007, S. 11ff). Der Fitnessmarkt ist seit Jahren ein enormer Wachstumsbereich, allein von 2003-07 konnte die Zahl der Mitglieder in den Fitnessstudios um eine Million von 4,5 auf 5,5 erhöht werden. Wesentlicher Motor dieser Entwicklung sind die Fitness-Ketten, deren Anteil am Gesamtmarkt inzwischen auf 35% gestiegen ist. Allein die vier Marktführer McFit Fitness, Fitness Company, Kieser Training und INJOY verfügen über 447 Anlagen. Neben den günstigen und gleichzeitig puristischen Fitnessangeboten vom Marktführer McFit stehen auf der anderen Seite des Angebotsspektrums Premiumanbieter mit Wellnessangeboten, die umfangreiche Sauna- und Schwimmangebote, Massagen, physiotherapeutische Anwendungen und nicht zuletzt eine intensive, individuelle Betreuung und Beratung beinhalten können. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hat Deutschland noch ein

222

5 Freizeitmärkte

erhebliches Potenzial für Fitnessclubs, hier sind erst 6-7% der Bevölkerung Mitglied in einem Club, in Schweden sind es 14% und in den Niederlanden sogar über 16% (Deloitte & Touche GmbH 2008). Entsprechend dieser Entwicklungen abseits der Sportvereine weicht die TOP-10 Rangliste der aktiv betriebenen Sportarten der Deutschen deutlich von der DOSB-Rangliste ab (vgl. FAZ & TKK 2007, S. 20): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Radfahren Fitnesstraining, Gymnastik Laufen, Joggen Schwimmen Wandern, Walking Fußball Kraftsport, Bodybuilding Inlineskating, Rollschuhfahren Tennis Volleyball, Beachvolleyball

42% aller aktiven Sportler 25% 25% 25% 20% 11% 5% 4% 4% 4%.

Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit der 2001 durchgeführten Veltins Sportstudie, bei der Radfahren, Schwimmen und Jogging die am häufigsten ausgeübten Sportarten darstellten. Auffällig war, dass die TOP-3 überwiegend in einem nicht-organisierten Umfeld ausgeübt wurden. Fitness hingegen wurde zu 69% in kommerziellen Sportstätten ausgeübt und Sportarten wie Gymnastik/Turnen, Fußball und Tennis waren am häufigsten an Vereine gebunden (vgl. Veltins 2001). Mit diesen Ergebnissen korrespondiert auch die Aussage, dass Sport im Freien bzw. in der Natur am beliebtesten ist (60% aller Sporttreibenden). Nur 23% der Sportler gaben an, am liebsten im Verein Sport zu treiben und 15% bevorzugten das Fitnesscenter. Bei der geschlechtsspezifischen Betrachtung bleibt das Radfahren bei beiden Geschlechtern klar die Nr.1 der aktiv betriebenen Sportarten. Bei Frauen folgen anschließend Fitnesstraining/Gymnastik, Schwimmen, Wandern/Walking und bei den Männern Laufen/Joggen, Schwimmen und Fußball. Insgesamt trainieren Männer länger und häufiger als Frauen (vgl. FAZ & TKK 2007, S. 18ff). Vergleicht man diese Zahlen bzgl. Frauen- und Männersportarten noch einmal mit den Daten des DOSB (2008), so ergeben sich interessante Parallelen. Gemessen am Anteil der weiblichen Mitglieder in den Spitzenverbänden, können folgende Sportarten als „Frauensportarten“ bezeichnet werden: Reiten (73% weibliche Mitglieder), Turnen (69%) und Moderner Fünfkampf (63%). Neutral in der Mitgliederzusammensetzung sind Schwimmen, Leichtathletik und Volleyball. Eindeutige „Männersportarten“ sind Eishockey (9% weibliche Mitglieder), Fußball (15%), Boxsport (16%) und Ringen (18%). Wenn es um die Motive für den Sport geht, wird bereits eine deutliche Überschneidung mit dem Thema Gesundheit deutlich. Drei von vier Sportlern betreiben ihren Sport, um etwas für ihre Gesundheit zu tun. Auch die weiteren Motive weisen einen eindeutigen Gesundheitsbezug auf: Stress und Aggressionen abbauen sowie fit zu sein und abzunehmen/das Gewicht zu halten. Geselligkeitsaspekte spielen für die Sport treibenden eine deutlich nach-

5.3 Der Sport- und Gesundheitsmarkt

223

geordnete Rolle. Interessant ist, dass die Gesundheitsmotive mit zunehmendem Alter immer deutlicher dominieren (vgl. FAZ & TKK 2007, S. 23). Als Reaktion auf die vielfältigen gesellschaftlichen Trends, die sich auch auf das Sport treiben auswirken befindet sich der Sportlermarkt in einem tief greifenden Strukturwandel. Es geht weg vom organisierten Breitensport in Vereinen hin zu informellem und individuellem Freizeitsport. Es sind die Freizeitsportarten, die das Sportsystem revolutionieren. Individuelle Trendsportarten und Nischensportarten haben Zuwächse, traditioneller Breitensport verzeichnet tendenziell Rückgänge, auch wenn sich das noch nicht in den Statistiken des DOSB ablesen lässt. Wie schon angesprochen führt dieser Wandel auch zu einem Umdenken bei den Sportvereinen. Moderne Sportvereine sind eher professionell geprägte Dienstleistungsorganisationen als ehrenamtlich geprägte Solidargemeinschaften. Sie orientieren sich weg vom Wettkampf- und Leistungssport hin zum Breiten- und Freizeitsport. Die Struktur der Mitglieder wird vielschichtiger und die Fluktuation von Mitgliedern steigt. Es entsteht ein Markt, der durch verschärfte Konkurrenz gekennzeichnet ist (vgl. Stumm 2004). Es geht für die Vereine darum, den Trends im Sport nicht hinterherzulaufen, sondern diese aktiv mitzugestalten. Diese Trends gehen weg vom normierten hin zum unnormierten Spiel (z.B. Streetball), vom Indoor-Sport zur Outdoor-Variante (z.B. Beachvolleyball), vom großen Mannschafts- zum kleinen Gruppensport (z.B. Sonntagskicker), vom verbindlichen zum unverbindlichen Sport („Sport-Szenen“) und vom geschützten zum risikoreicheren Sport (Extrem- und Risikosport). Trendsportarten (z.B. Mountainbiking, Inline-Skating, Snowboard, Gleitschirmfliegen, Riverrafting) stellen innovative Bewegungspraktiken dar, die sich von dem klassischen etablierten Sport (zunächst) abgrenzen und sich in einem mittel- bzw. langfristigen mindestens relativen Verbreitungspotenzial über lokale Grenzen hinweg entfalten (Stumm 2004). In seinen „Thesen zur Zukunft des Sports“ sieht Opaschowski (2006) den Sport mit dem Trend zur Individualisierung und Kommerzialisierung konfrontiert. Das zeige sich vor allem bei der Abwanderung der jüngeren Sportler aus den Vereinen, die dort auch als freiwillige Helfer fehlen. Ein neues konsumorientiertes Sport- und Freizeitverständnis macht es den Vereinen fast unmöglich ihre Mitglieder auf Dauer zu halten. Die (temporären) Mitglieder wollen sich alle Optionen offen halten und nicht mehr langfristig festlegen. Die Zukunft gehört den Vereinen, die den Charakter von Freizeit-Clubs haben, mit mehr Offenheit und zeitlich begrenzten Mitgliedschaften und mit mehr Erlebnis und Wohlfühlcharakter. Auf der kommerziellen Ebene des Zuschauermarktes halten Pop und Show Einzug in den Sport. Als logische Konsequenz der Kommerzialisierung läuft der Sport in Zukunft als Inszenierung ab. Die Sportindustrie und auch Sponsoren kommen ohne Erlebnismarketing und -inszenierung nicht mehr aus. Entscheidend sind die Einschaltquoten im Fernsehen und die mediale Resonanz (vgl. Kapitel 4.4.3 und 4.4.5, Sponsoring und Erlebnismarketing). Zuschauermarkt und Folgemärkte Das Sportinteresse der deutschen Bevölkerung liegt insgesamt bei ca. 70 % (IFD 2007). Abzüglich der aktiven Sportler, die ihrem Interesse am Sport einen entsprechenden Ausdruck verleihen, bleibt für den reinen Zuschauersport ein Anteil von 15-20% der Bevölkerung.

224

5 Freizeitmärkte

Insgesamt gesehen hat der Sport als Zuschauermagnet einen deutlichen Vorsprung vor den Kulturveranstaltungsthemen, d h. das Eventinteresse der Deutschen fokussiert sich sehr stark auf Sport: Etwa 40% der Deutschen haben Interesse an herausragenden Sportveranstaltungen. Besonders interessant sind dabei Sportgroßveranstaltungen wie Olympiaden oder (Fußball-) Weltmeisterschaften sowie internationale Fußballspiele von National- und Vereinsmannschaften (vgl. Allensbacher Werbeträger Analyse 2007, zitiert in G+J 2008c). Abgesehen von den Live-Events schauen sich 75% der Deutschen mehr oder weniger regelmäßig Sportveranstaltungen im TV an: Hinter dem Fußball, als klarem Marktführer unter den TV-Sportarten, folgen je nach Zeitpunkt der Umfrage, Formel 1/Motorsport, Leichtathletik, Skisport (v.a. Biathlon und Skispringen) und auch Boxen als beliebteste deutsche Fernseh-Sportarten. Auf den weiteren Plätzen rangieren Eiskunstlaufen, Radsport, Tennis und Handball (vgl. Deutscher Fachverlag 2006). Das Fernsehen und andere Folgemärkte des Sports entstehen aus dem Handel mit Sportrechten, die als Folgeprodukt aus der originären Leistungserstellung abgeleitet werden können. Die Inhaber der Rechte (Sportler oder Veranstalter) erhalten für deren Nutzung entsprechende Gebühren. Der Unternehmenszweck bestimmt die grundsätzliche Art der Leistung, die ein Anbieter auf dem Sportmarkt erbringen möchte. Dabei muss festgelegt werden, welche Wertschöpfungsstufen im Sport wie abgedeckt werden:  Im Fitnessstudio wird eine Leistung generiert, jedoch i.d.R. nicht im Zuschauermarkt vermarktet  Im Sportverein wird eine Leistung generiert, die auf allen Ebenen des Zuschauermarktes vermarktet werden kann. Das erfolgt i.d.R. durch Veranstalter und Agenturen.  Nationale Spitzensportverbände sind in die gesamte Wertschöpfungskette des Sports involviert, indem sie (in den Mitgliedsvereinen) Leistungen generieren und diese auf dem Zuschauer- und dem Sportrechtemarkt verwerten (z.B. Deutscher Fußballbund mit der Fußball-Bundesliga).  Sportveranstalter und entsprechende Agenturen verwerten Sport-Leistungen, die sie entsprechend honorieren, auf dem Zuschauer- und Sportrechtemarkt.  Rechteagenturen vermarkten Sportrechte auf weiteren Folgemärkten (vgl. Hermanns & Riedmüller 2001, S. 73). Diese zunehmende Vermarktung des Sports hat natürlich auch Rückwirkungen auf die eigentlichen „Produzenten“ der sportlichen Leistung. Die Interessen der Sportler vermischen sich mit den Interessen der Medien oder der Sponsoren. Das führt häufig dazu, dass nicht der für die Sportler optimale Zeitpunkt für eine Veranstaltung, die Live im TV erlebt werden soll, ausgewählt wird, sondern der Zeitpunkt, an dem die Zielgruppen der Hauptsponsoren vor dem TV zu erwarten sind. In vielen Fällen resultieren aus dem Ziel, die Popularität und Zuschauerattraktivität einer Sportart oder Sportveranstaltung zu steigern auch z.T. zweifelhafte Regeländerungen. Denn damit die Sportarten die Aufmerksamkeit der Medien, Zuschauer und Wirtschaft auf sich

5.3 Der Sport- und Gesundheitsmarkt

225

ziehen, müssen sie ggf. ihren Unterhaltungswert verändern. Diese Änderungen können ganz unterschiedlich ausfallen (vgl. Kähler 2005):  Vereinfachung der Sportregeln: z.B. Volleyball (Zählweise bei Punktgewinn: Jeder Ballwechsel zählt nun einen Punkt) oder Fußball (Abseitsregel)  Ergänzung von Sportregeln: Steigerung der Spannung und Attraktivität des Sports, z.B. Basketball (24-Sekunden-Regel; in dieser Zeit muss ein Korbwurf erfolgen) oder Tischtennis (Neue Zählweise bei Satzgewinn; vorher 2 Gewinnsätze mit je 21 Punkten, nun drei mit je 11 Punkten; größerer Ballumfang).  Änderungen von Spieltaktiken: z.B. Handball („Schnelle Mitte“, bei der der Anwurf innerhalb drei Sekunden nach Anpfiff von der Mitte der Spielfläche aus in beliebiger Richtung auszuführen ist).  Geänderte Ausrüstungsregeln: visuelle Attraktivität einer Sportart für die Zuschauer erhöhen, z.B. Volleyball (neue Kleiderordnung, durch die die Stoffmenge der Hemden und Hosen erheblich verknappt wurde) oder Volleyball/Fußball/Leichtathletik/Tennis (farbliche Veränderungen der Spielflächen, Bälle u.a.). Auch die Veranstaltungsorte haben sich an die Anforderungen des modernen Mediensports angepasst. In den letzten Jahren sind eine ganze Reihe neuer Fußballarenen und weiterer Multifunktionsarenen gebaut worden, die sich erheblich von ihren Vorgängern, den Sportstadien und -hallen unterscheiden. In Deutschland kann die Fußball-WM 2006 als Katalysator dafür gesehen werden, dass hierzulande die modernsten Fußballarenen der Welt zu finden sind, allen voran die neu erbaute Allianz-Arena in München. Die Merkmale der neuen Arenen als Vermarktungsplattformen des Zuschauersports können wir folgt von den alten Stadionkonzepten unterschieden werden (vgl. Pfaff 2004):  Arenen werden privatwirtschaftlich gemanagt und nicht mehr von der öffentlichen Hand „verwaltet“  Arenen haben keine Kampfbahn und keine Stehplätze mehr, dagegen spielen VIP-Logen eine bedeutende Rolle  Veranstaltungen in Arenen werden erlebnisorientiert vermarktet, unter Ausnutzung aller Cross-Selling-Potenziale - früher stand allein der Sport im Mittelpunkt, der kein modernes Marketing erfuhr  Das Besucherklientel hat sich gewandelt: waren es früher überwiegend Männer aus unteren sozialen Schichten, so ist heute die ganze Familie vertreten. Insgesamt hat sich die kommunale Mehrzwecksportanlage zu einem multifunktionalen und multimedialen Veranstaltungsort entwickelt, der Tendenzen zum UEC aufweist (vgl. Kapitel 5.4.1).

226

5.3.2

5 Freizeitmärkte

Der Gesundheitsmarkt

Als Ganzes betrachtet ist der Gesundheitsmarkt in Deutschland mit 10,6% des BIP im Jahr 2006 einer der größten Wirtschaftsbereiche, im Volumen fast schon vergleichbar mit der Automobilindustrie. Fast 3.000 € pro Einwohner und insgesamt 245 Mrd. € werden für die Gesundheit ausgegeben – Tendenz steigend (vgl. Statistisches Bundesamt 2008a). Diese Entwicklung der Gesundheit zum künftig wichtigsten gesamtgesellschaftlichen und -wirtschaftlichen Boomfaktor prophezeit auch Nefiodow (2006) in seiner Theorie der langen Wellen: „In der Fortentwicklung des Gesundheitswesens schlummern die größten Produktivitäts- und Wachstumsreserven“. Neben der Tatsache, dass die Gesundheit bereits zu einem wichtigen Megatrend in unserer Gesellschaft geworden ist, hat auch der demographische Wandel einen großen Einfluss auf die dynamische Entwicklung des gesamten Gesundheitsbereichs. Doch nicht der gesamte Gesundheitsmarkt hat eine direkte Relevanz für die Freizeitwissenschaft. Von daher ist die Differenzierung in den Ersten und den Zweiten Gesundheitsmarkt Ziel führend für die weitere Behandlung des Themas: In den sog. Zweiten Gesundheitsmarkt fließen alle privaten Gesundheitsausgaben, die zusätzlich zur Krankenversicherung getätigt werden. Dieser privat finanzierte Markt ist durch ein deutlich höheres Wachstum als der gesamte Gesundheitsmarkt gekennzeichnet und umfasst ein Volumen von 60 Mrd. €. (vgl. Roland Berger 2007). Das Thema Gesundheit durchdringt inzwischen fast alle Lebensbereiche, von der Ernährung über Bekleidung bis zum Urlaub (vgl. auch die Definition von Wellness weiter unten). Das Nachfragepotenzial ist sehr hoch und wird von Seiten des Angebots noch längst nicht aufgefangen. Bei der Aufschlüsselung von Produkten und Dienstleistungen, die rund um das Thema Gesundheit gekauft bzw. in Anspruch genommen werden, wird die enge Verbindung von Gesundheit und Sport erneut deutlich (vgl. Roland Berger 2007): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

Sportartikel (Schuhe, Bekleidung, Geräte) Bio-Lebensmittel Bekleidung (atmungsaktiv, hautfreundlich etc.) Selbst bezahlte Vorsorgeuntersuchungen Zeitschriften und Bücher zum Thema Sportvereinsmitgliedschaft Probiotischer Joghurt Diät-Margarine Nahrungsergänzungsmittel Wellness-Anwendungen (Massagen etc.) Gesundheits- und Ernährungsberatung Fitnessclubmitgliedschaft Gesundheitsreisen

55% der Befragten 55% 51% 40% 36% 34% 33% 31% 30% 27% 17% 15% 9%.

Neben dem Sport (vgl. die Ziffern 1, 6 und 12), der Ernährung (Ziffern 2, 7, 8, 9 und 11) sowie dem Konsum gesundheitsbezogener Produkte (3 und 5) bleiben noch selbst bezahlte Vorsorgeuntersuchungen, als rein medizinische Dienstleistungen, und schließlich Wellness-

5.3 Der Sport- und Gesundheitsmarkt

227

Anwendungen sowie Gesundheitsreisen als freizeitrelevante Dienstleistungen. Da sich dieses Buch weitgehend auf die Freizeit i.e.S. beschränkt und im Urlaub ähnliche Wellnessleistungen nachgefragt werden wie in der wohnortgebundenen Freizeitgestaltung, soll der Fokus im folgenden Abschnitt allgemein auf den Bereich der Wellness gelegt werden. Die o.g. Daten unterstützen die Ergebnisse anderer Umfragen zum Thema Gesundheit und Wellness: Demnach haben 38% der Deutschen ein ganz besonderes Interesse an gesunder Ernährung und Lebensweise und 8% an speziellen Wellnessangeboten wie Spas, Hotels oder Reisen (IFD 2005). Doch was bedeutet eigentlich Wellness? Bei der Suche nach einer Definition trifft man auf einen Dschungel von Erklärungen und Deutungen. Der Deutsche Wellness Verband (2008) versteht unter Wellness einen Prozess ganzheitlichen Wohlbefindens im Kontext (wissenschaftlich gesicherter) gesundheitsfördernder Faktoren. Oder für jeden verständlich ausgedrückt: Genussvoll gesund leben. Der Begriff Wellness stand bereits vor mehr als dreihundert Jahren für Gesundheit und Wohlbefinden. Der Oxford English Dictionary erklärt den Begriff als „Zustand des Wohlbefindens oder der guten Gesundheit“. Wellness ist also kein Kunstwort aus Well-Being und Fitness, wie gerne angenommen wird. In den 1950er Jahren gelangte er in den USA zu wachsender Popularität und dort entwickelte sich eine Wellness-Bewegung („Wellness Movement“). Seit Anfang der 1990er Jahre gewann der Begriff Wellness auch in Deutschland an Bekanntheit, auch wenn dies in den meisten Fällen mit seinen ursprünglichen Inhalten wenig oder nichts mehr zu tun hatte. Der Missbrauch des Begriffs und damit auch das Missverständnis von Wellness haben bei uns seitdem erhebliche Ausmaße erreicht. Ardell (1996), einer der Vorreiter der Wellness-Bewegung in den USA, geht davon aus, dass es sich bei richtig verstandener Wellness um eine Alternative zu „drugs, doctors & disease“ handelt, wie im Untertitel seines Weltbestsellers „High Level Wellness“ zu lesen. Nicht passives sich verwöhnen lassen, sondern eine nachhaltige Veränderung des Lebensstils und somit ein aktiver Prozess von guter Gesundheit und Wohlbefinden ist unter Wellness zu verstehen. Weiter versteht er darunter ein bewusstes Sich-Engagieren für persönliche Exzellenz und ein klares Verantwortungsgefühl für die eigene Gesundheit und für umfassende Lebensqualität im Allgemeinen. Wellness umfasst damit die körperlichen, seelischen und geistigen Aspekte des Seins im Sinne einer Lebensphilosophie. In Deutschland konnte sich diese Philosophie bislang kaum durchsetzen. Unter Wellness werden hier noch überwiegend passive, verwöhnende Anwendungen und Behandlungen sowie Aufenthalte in luxuriösen Hotels, Day Spas oder Clubs verstanden. Die häufigsten Assoziationen der Deutschen mit Wellness sind: Entspannung, Wohlfühlen, Erholung und Gesundheit. Die meistgenutzten Wellness-Dienstleistungen hierzulande sind Massagen, Saunen/Dampfbäder, Thermalbäder und Solarien. Beliebteste Wellness-Produkte sind SaunaAufgüsse, Haarkuren und Massageöle (MEC MediaLab 2006). Insgesamt sind viele Angebote, die heute unter der Überschrift „Wellness“ beworben werden, unter gesundheitswissenschaftlichen Aspekten kritisch zu beurteilen. Deshalb setzten sich die Protagonisten der Wellness-Bewegung in Deutschland ganz klar für eine Qualitätsmessung und Zertifizierung von Wellnessangeboten ein. Was die Nachfrage nach Wellness-Aktivitäten angeht, so boomt der Bereich aus Sicht der Marktforschung weiterhin. 14% der deutschen Bevölkerung gehen nach eigenen Angaben

228

5 Freizeitmärkte

regelmäßig Wellness-Aktivitäten nach (vgl. die Angaben des BAT (2008): 9% Wellness, 69% Gesundheitspflege) und generieren damit 73 Mrd. € Umsatz in der Branche. Die Kernzielgruppe lässt sich dabei relativ gut zuspitzen: Besonders Frauen ab 50 Jahren mit einem höheren Bildungsgrad und einem überdurchschnittlich hohen Einkommen sind offen für Produkte und Dienstleistungen der Wellness-Branche. Die Wellness-affinen sind besonders sportlich, gesundheitsbewusst und u.a. auch durch ein kulturelles Interesse gekennzeichnet (TNS Infratest 2008). Betrachtet man, wieder losgelöst von den Begriffsdefinitionen von Wellness, die Nachfrage auf dem kompletten Zweiten Gesundheitsmarkt nach qualitativen Gesichtspunkten, so lassen sich bezüglich ihrer persönlichen Einstellung zu Gesundheitsfragen fünf verschiedene Typen bilden, die zu etwa gleichen Teilen die gesamte Bevölkerung abdecken (vgl. Roland Berger 2007):  Die selbstkritischen Interessierten (häufig jünger als 35 Jahre, hohe Einkommen), befassen sich intensiv mit Gesundheitsthemen und der eigenen Gesundheit. Sie nutzen am häufigsten Wellness sowie Heilpraktiker und haben die höchsten privaten Gesundheitsausgaben (ca. 1.600,- €/a).  Die rundum Aktiven (35-50 Jahre, überdurchschnittliche Bildung und Einkommen) sind sportlich aktiv und interessieren sich für Wellness. Sie fühlen sich gut, gehen wenig zum Arzt und machen sich wenig Gedanken über ihre Gesundheit. Sie haben relativ hohe private Gesundheitsausgaben für Vorsorge, Versicherungen etc. (ca. 1.100,- €/a).  Die sorglosen Sportler (viele Schüler, Studenten und Rentner, relativ geringes Einkommen) treiben viel Sport und sind dadurch auch gesünder als andere. Sie konsultieren selten den Arzt und beschäftigen sich wenig mit Gesundheitsthemen (Ausgaben für Gesundheit ca. 1.100,- €/a).  Die traditionellen Minimalisten (meist Rentner, höchstes Einkommen) sind sportlich kaum aktiv und zeigen wenig Interesse an Gesundheitsthemen. Sie gehen selten zum Arzt und geben wenig Geld für Gesundheit aus (ca. 600,- €/a).  Die passiven Zauderer (unterdurchschnittliche Bildung und Einkommen) meinen, dass sie mehr für ihre Gesundheit tun müssten, können sich aber nicht „aufraffen“. Sie beschäftigen sich kaum mit Gesundheitsthemen, gehen sehr häufig zum Arzt und geben kaum privat Geld für Gesundheit aus (ca. 300,- €/a). Doch das gut strukturierte Wissen über die persönlichen Einstellungen der Bevölkerung zum Thema Gesundheit hat noch nicht zu einer hinreichenden Nutzung der Chancen v.a. des Zweiten Gesundheitsmarktes geführt. Mit einer noch besseren Abstimmung der Gesundheitsangebote an den Bedürfnissen der Kunden können hier laut Marktforschung noch sehr viele Marktpotenziale ausgeschöpft werden (vgl. Roland Berger 2007). Besonders vor dem Hintergrund des Bewegungsmangels in weiten Teilen der Bevölkerung kann der Zweite Gesundheitsmarkt in Ergänzung zum Sportmarkt einen wichtigen Beitrag zur „Volksgesundheit“ leisten. Bewegungsmangel gilt in den sog. Industrienationen neben dem Rauchen und ungesunder Ernährung als einer der größten Risikofaktoren für die Gesundheit und zählt zu den Hauptursachen von Krankheiten, Tod und Behinderungen. Im Gegenzug mindert körperliche Aktivität (als Sport treiben, Fitness-Training oder auch Well-

5.4 Shopping und Gastronomie als Freizeitmarkt

229

ness) das Risiko für eine Reihe von chronischen Krankheiten, z.B. koronare Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Diabetes, Osteoporose, Übergewicht, Rückenleiden u.v m. (vgl. FAZ & TKK 2007, S. 8ff).

5.4

Shopping und Gastronomie als Freizeitmarkt

Ganz gleich welche Marktforschungsergebnisse als Grundlage herangezogen werden, das Shopping bzw. der Einkaufsbummel und der Gastronomiebesuch (speisen- oder getränkegeprägt) stehen ganz oben auf der Beliebtheitsskala der Freizeitaktivitäten der Deutschen. Diese Nachfrage spiegelt sich auch in einem entsprechenden Angebot wider: Im Jahr 2005 gab es in Deutschland ca. 377.000 Einzelhandelsbetriebe (ohne Kfz-Handel und Tankstellen) mit 2,7 Mio. Beschäftigten und im Gastgewerbe (Beherbergung, Gaststätten, Kantinen und Caterer) im Jahr 2008 ca. 239.794 Betriebe mit 1,1 Mio. Beschäftigten. Während die Umsätze im Einzelhandel in den letzten Jahren einigermaßen stabil geblieben sind (2007: 394 Mrd. €), verzeichnete das Gastgewerbe seit 2001 deutliche Umsatzeinbußen (2008: 55,5 Mrd. €) (vgl. Statistisches Bundesamt 2007, DEHOGA 2009).

5.4.1

Shopping

Bevor das Shopping als Freizeitmarkt weiter gehend betrachtet wird, soll zunächst der Begriff geklärt werden. Ist Shopping gleichzusetzen mit der einfachen Übersetzung Einkaufen? Gerhard (1998, S. 27) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Versorgungs- und Erlebniseinkauf. Der Versorgungskonsum (engl.: purchasing) ist durch den Erwerb lebensnotwendiger Güter, der aufgrund rationaler Entscheidungsprozesse geschieht, gekennzeichnet. Beim Erlebniseinkauf (engl.: shopping) hingegen steht der Vergnügungsaspekt im Vordergrund, es ist eine Freizeitbeschäftigung, die Spaß bereitet und nicht versorgungsrelevant ist. Widmann (2006, S.16) gibt jedoch zu bedenken, dass die Übergänge zwischen den beiden Einkaufsarten fließend sind und es beim Einkauf zumeist zu einer Überlappung verschiedener Motive kommt. Trotzdem lässt sich Shopping aus der Sicht der Nachfrage offensichtlich als Freizeitaktivität charakterisieren, unabhängig von möglichen Abgrenzungsproblemen bei der Zuordnung von Umsätzen im Einzelhandel. Besondere Merkmale des Shoppings sind z.B. Spontaneität beim Einkauf, Ziellosigkeit und sich treiben lassen. Auch sind eine attraktive Umgebung, eine besonders gute Atmosphäre, eine große Produktpalette sowie die Vielfalt im gastronomischen Bereich zentrale Argumente für die Gestaltung eines Erlebniseinkaufs und die entsprechende Auswahl einer Destination. Die freizeitrelevanten Konsumprioritäten beim Shopping - neben Einrichtungsgegenständen, Baubedarf, Ernährung und Bekleidung als Kernbereiche des allgemeinen Konsums - sind Zeitschriften/Illustrierte, Mobiltelefone/Handys, Sportbekleidung und Computer (BAT 2008). In seiner Studie zum Shoppingtourismus in Deutschland kommt Widmann (2006, S. 101ff) zu dem Ergebnis, dass der Umsatzanteil dieses Segments nur rund 2,3% des gesamten Einzelhandelsumsatzes in Deutschland ausmacht. Auf das Jahr 2003 bezogen waren das ca.

230

5 Freizeitmärkte

8,7 Mrd. €. Unterteilt man das Segment noch einmal in Tagesgäste (im Sinne von FreizeitKonsumenten) und Übernachtungsgäste (Touristen i.e.S.), so entfallen 2/3 der Umsätze des Shoppingtourismus auf den Freizeit- und nur 1/3 auf den Tourismusbereich. Nachdem geklärt ist, was unter Shopping zu verstehen ist und welche Produkte von den Deutschen präferiert werden, bleibt die spannende Frage nach den Orten des Erlebniseinkaufs. Widmann (2006, S. 26ff) hat Shopping-Destinationen zunächst in zwei Kategorien untergliedert: (1) klassische Orte des Erlebniseinkaufs und (2) neue Orte des Erlebniseinkaufs. Als klassische Orte des Erlebniseinkaufs in Deutschland gelten Innenstädte mit einer gewissen Einzelhandelsagglomeration (v.a. Mittel- und Oberzentren), die mit ihren historisch gewachsenen Stadtkernen eine gute Chance haben, gegen die neuen Destinationen zu bestehen (vgl. Profiteure im Städte- und Kulturtourismus, DTV 2006). Daneben sind es kleine Städte im ländlichen Raum mit endogenem shoppingtouristischem Potenzial. Dieses Potenzial kann aus typischen landwirtschaftlichen Produkten, einer Handwerkstradition oder spezifischen Industrien resultieren. Als dritte Ausprägung zählen auch Shopping-Center zu den klassischen Orten des Erlebniseinkaufs. Diese sind definiert als großflächige Versorgungseinrichtungen, die zentral geplant werden und eine räumliche Konzentration von Gastronomie-, Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben, eine Vielzahl von Fachgeschäften unterschiedlicher Branchen und Größe mit dominanten Anbietern („Ankern“), ausreichend Parkplätze, ein zentrales Management sowie ein gemeinsames Marketing aufweisen und über eine Brutto-Mietfläche von mindestens 10.000qm verfügen (vgl. Widmann 2006, S 27ff). Zu den TOP 10 der meistbesuchten innenstädtischen Einkaufsmeilen Deutschlands bezüglich der Passantenfrequenz zählen die …          

Schildergasse in Köln Kaufingerstraße in München Zeil in Frankfurt Ludgeristraße in Münster Mönckebergstraße in Hamburg Karolinenstraße in Nürnberg Königstraße in Stuttgart Petersstraße in Leipzig Westenhellweg in Dortmund Kirchgasse in Wiesbaden (vgl. Kemper`s Jones Lang LaSalle 2008).

Neue Orte des Erlebniseinkaufs sind z.B. Shopping Malls, die allerdings in Deutschland nicht die Dimensionen wie in Nordamerika erreicht haben, oder Urban Entertainment Center (UEC), als großflächige Einkaufszentren mit angeschlossenen Freizeit- und Vergnügungsparks, die eine hohe Anziehungskraft als eigenständige Freizeit-Destination entwickeln (z.B. das CentrO Oberhausen oder das SI-Centrum in Stuttgart). Zudem gelten Brand Lands - als Orte der Image-Kommunikationen von Unternehmen - (z.B. die BMW-Welt in München oder das Legoland Günzburg), Flagship Stores - als markenbezogene „VorzeigeLäden“ einzelner Unternehmen - (z.B. „Nike-Town“ oder „Wunderkind“ von Joop in Berlin

5.4 Shopping und Gastronomie als Freizeitmarkt

231

oder das legendäre „Prada“ in New York) oder Factory-Outlet Center - als gemeinsame Verkaufsstätte vieler Hersteller zum (meist) verbilligten Absatz von Markenartikeln - (z.B. „Ingolstadt Village“, „Wertheim Village“ oder die „Designer Outlets“ in Zweibrücken) als solche neuen Orte (vgl. Widmann 2006, S. 37ff). Fallbeispiel: CentrO Oberhausen Das CentrO weist die drei zentralen Pfeiler des Angebotsprofils von Urban Entertainment Centern (UEC) auf: räumliche Konzentration von Einzelhandel (=Schwerpunkt), Gastronomie mit Erlebnischarakter und Frequenz bringende Entertainment-Attraktionen. Es ist mit ca. 84.000m² Brutto-Mietfläche das achtgrößte Shopping-Center in Deutschland, weist jedoch durch seinen Mixed-Use-Charakter einige Besonderheiten auf. Das 1996 eröffnete Einkaufszentrum wurde als Teil des städtebaulichen Rahmenprojekts „Neue Mitte Oberhausen“ auf einer alten Industriebrache neu gebaut. Es wurde aus privaten Mitteln (Stadium Group, GB) und öffentlichen Zuschüssen finanziert. Die Gesamtinvestition betrug 1,15 Mrd. €. Betrieben wird es von der CentrO Management GmbH. Als USP des CentrO gilt sein spezifischer Angebotsmix im EKZ selbst und in der unmittelbaren Umgebung: Zahlreiche Einzelhandelsangebote (rund 200 Geschäfte mit Schwerpunkt Bekleidung), Erlebnisgastronomie im Food-Court „Coca Cola-Oase“ und an der Promenade (400m lange Gastronomiezeile) sowie Freizeitaktivitäten (CentrO Park) werden ergänzt durch die Village Cinemas (9 Säle), ein Musical-Theater, die „KönigPilsener-Arena“, eine Marina mit 70 Liegeplätzen sowie das Aquarium „Sea Life“. Daher vermarktet sich das CentrO auch ganz selbstbewusst als „größtes Shopping- und Freizeitzentrum Europas“. Zu den genannten Hard Facts kommt noch eine sehr gute Erreichbarkeit (Straßenanbindungen, ÖPNV, kostenlose Parkplätze), attraktive Events (Konzerte, Weihnachtsmarkt etc.) und die interessante Industriekultur („Gasometer“) in unmittelbarer Nähe. Dieses geballte Angebot lockt bis zu 70.000 Besucher täglich ins CentrO und in der Spitzenzeit (Weihnachten) bis zu 180.000 Besucher. Im Jahr 2008 besuchten ca. 23 Mio. Gäste das CentrO (vgl. Quack 2001, CentrO Management GmbH 2009).

Neben den klassischen und den neuen Orten führt Widmann (2006, S. 52f) auch das CrossBorder-Shopping als Sonderform des Erlebniseinkaufs an. Die Motive für den grenzüberschreitenden Einkauf beziehen sich häufig auf ein Preisgefälle oder das landesspezifische Angebot auf der jeweils anderen Seite der Grenze. Diese Art von Shopping findet sich an jeder Staatsgrenze, wobei die EU-Binnengrenzen zunehmend zur Nivellierung der Preise und auch Sortimente beitragen. Bei aller Schwierigkeit der klaren Abgrenzung klassischer oder neuer Orte des Erlebniskonsums, gibt es doch einige zentrale Merkmale, die bei vielen Formen - abgesehen von den gewachsenen Innenstädten - anzutreffen sind: (1) Multifunktionalität, d.h. die Schaffung einer Mischung unterschiedlicher Angebotselemente aus den o.g. Bereichen, die jeweils verschiedene Schwerpunkte haben können; (2) die stark ausgeprägte Freizeitorientierung mit einer Betonung des Erlebnischarakters; (3) Convenience, d.h. die aufgrund der einheitlichen

232

5 Freizeitmärkte

Steuerung und Vernetzung der Einzelangebote gegebene Möglichkeit der bequemen Inanspruchnahme der jeweiligen Elemente (vgl. Quack 2001, S 30). In der Marktforschung und der entsprechenden statistischen Betrachtung der o.g. EinkaufsDestinationen hat sich aufgrund der schweren Abgrenzbarkeit vieler Typen der Begriff Shopping-Center als Sammelbebezeichnung für eine Vielzahl von Angebotsformen etabliert. Die Entwicklung von Shopping-Centern in Deutschland hat seit 1964 (Ruhrpark in Bochum und Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach) ganz verschiedene Typen oder Generationen hervorgebracht:     

1964-1975 eingeschossige Großobjekte auf der grünen Wiese 1970-1980 mehrgeschossige, überwiegend städtische Standorte 1980-1990 innerstädtische Passagen für umfassenden Tagesbedarf 1990-1997 Fachmarktzentren in den neuen Bundesländern seit 1998 kleinere, mehrgeschossige City-Galerien (vgl. Groner & Pittroff 2007).

Entwicklung Anzahl der Shopping-Center 1965-2008 (Stand jeweils 1.1.) 399 363

279

179

50 2 1965

65

81

93

14 1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

2008

Abb. 39 Entwicklung Anzahl der Shopping-Center (EHI Retail Institute 2008)

Die quantitative Entwicklung der Shopping-Center in Deutschland geht angelehnt an die einzelnen Generationen schubweise voran. Nach einem kontinuierlichen Wachstum bis 1990

5.4 Shopping und Gastronomie als Freizeitmarkt

233

waren es seitdem die Neugründungen in den neuen Bundesländern, die zu einem Flächenboom führten, der bis ca. 2002 anhielt. Seitdem hält die Flächenexpansion etwas inne, einhergehend mit der Entwicklung kleinerer innerstädtischer Shopping-Center (vgl. Abb. 39). Insgesamt gibt es 2008 in Deutschland 399 Center und weitere 15 sind bis Anfang 2009 in Planung. Darunter befindet sich auch der Nachfolger des 2004 gescheiterten Space Park Bremen, die Waterfront, mit einer Brutto-Mietfläche für Shopping von ca. 74.000qm plus 20.000qm für ein geplantes Erlebnis-Center (vgl. EHI 2008 und PMC 2008). Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bezogen auf den Flächenbestand hinter Großbritannien und Frankreich auf Rang 3. Was die Neuplanung von Shopping-Centern angeht, liegen wir hinter Italien und Spanien ebenfalls an dritter Stelle. Während insgesamt die Anzahl und Vielfalt an Centern in Europa schnell wächst, verlagert sich der Schwerpunkt zunehmend von Westeuropa nach Südeuropa und zu den mittel- und osteuropäischen Ländern (Russland, Polen, Tschechien). Gemessen an der Bruttomietfläche pro Kopf der Bevölkerung zeigen die Niederlande und Schweden die höchste Versorgung. Deutschland liegt dagegen mit ca. 136qm pro 1.000 Einwohner deutlich unter dem europäischen Durchschnitt (vgl. Jones Lang LaSalle 2006). Die durchschnittliche Fläche eines Shopping-Centers in Deutschland beträgt rund 31.600qm und hat sich damit in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich verändert (vgl. EHI 2008). Bei der räumlichen Verteilung der größten Center fällt ein deutlicher Schwerpunkt in den neuen Bundesländern auf (vgl. Tab.8 ).

Name Shopping-Center Ort Nova Eventis Ruhrpark Paunsdorf Center Nordwest Zentrum A10 Center Main-Taunus-Zentrum Chemnitz Center CentrO Oberhausen Elbe Park Gropius-Passagen

Guenthersdorf b. Leipzig Bochum Leipzig Frankfurt/Main Wildau b. Berlin Sulzbach/Taunus Rohrsdorf Oberhausen Dresden Berlin

Eröffnung Brutto-Mietfläche (m²) 2006 190200 1964 126000 1994 109470 1968 106800 1996 104630 1964 102000 1992 101000 1996 84000 1995 81500 1969 81100

Tab. 8 Shopping-Center in Deutschland (Property Market Analysis 2008)

Insgesamt ist allerdings ein deutlicher Trend zu kleineren Flächen und zu zentralen Innenstadt- und Stadtteillagen zu verzeichnen. Die Verteilung der Standorte von Shopping-Centern in Deutschland stellt sich gegenwärtig wie folgt dar: 42% in der Innenstadt, 39% in einem Stadtteil und nur 19% auf der grünen Wiese (EHI Retail Institute 2008). In den Innenstädten wird sich damit der verschärfte Wettbewerb zwischen traditioneller Einkaufsmeile (s.o.) und

234

5 Freizeitmärkte

professionell bzw. zentral geführtem Shopping-Center weiter zuspitzen. Ein vordringlicher Lösungsansatz ist die Organisation eines ebenso professionell geführten Stadtmarketings, das die Kräfte der individuellen Innenstadt-Einzelhändler zu bündeln vermag (vgl. Kapitel 4.3.1). In einer europaweiten Untersuchung von gerade neu eröffneten Shopping-Centern konnte festgestellt werden, dass erfolgreiche Center von einer einzigartigen Identität leben. Es geht weg von eher funktionalen Centern hin zu einer „Third Place“-Ausrichtung, d.h. Design, Bauqualität und ein vielfältiges Freizeitangebot werden in Zukunft entscheidende Erfolgsfaktoren für Shopping-Center in Europa sein. Geplant werden unverwechselbare soziale Umgebungen, die neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz zum Lebensstil der Zielgruppen passen (vgl. Jones Lang LaSalle 2008). Allgemeingültige Entwicklungen bei Shopping-Centern sind die zentrale Bedeutung von Verbrauchermärkten als Ankermieter, eine starke Branchenausrichtung auf Textilien und Schuhe (ca. 50% der verfügbaren Ladenlokale) sowie Restaurants und Cafés als zweitwichtigste Mietergruppe. In 85% aller Neuentwicklungen sind Kinos das Zugpferd im Freizeitbereich und der wesentliche Ankermieter noch vor den Verbrauchermärkten. Auch der Bereich Kinderunterhaltung ist sehr bedeutsam, er ist in ¼ der Shopping-Center anzutreffen, und zudem werden die Shopping-Erlebniswelten mit weiteren Attraktionen aufgeladen (z.B. Modellbahnen oder Sport-Events) (vgl. Jones Lang LaSalle 2008 und Kapitel 4.3.1 und 4.4.5, Stadtmarketing und Erlebnismarketing).

5.4.2

Gastronomie

Das Gastgewerbe umfasst alle Angebotsformen einer entgeltlichen Bewirtung und Beherbergung von Gästen. Die Gastronomie ist der Teilbereich des Gastgewerbes, welcher sich mit der Verköstigung zahlender Gäste in Gaststätten befasst. Bei der Verteilung der Betriebsarten im Gastgewerbe wird zwischen fünf Gruppen unterschieden, die eine ganz unterschiedliche Relevanz für den engeren Bereich der Freizeit (ohne Übernachtungstourismus) haben:  Klassische Beherbergungsbetriebe mit und ohne Speisenangeboten für externe Gäste: Hotels und Gasthöfe sind offen für externe Gäste, Hotel garnis und Pensionen bieten nur Verpflegung für eigene Gäste, sind demnach nicht relevant für den engeren Freizeitbereich  Sonstige Beherbergungsbetriebe (Parahotellerie): ohne Relevanz  Speisengeprägte Gastronomie (Restaurants, Cafés, Eisdielen, Imbisshallen): 100% relevant  Getränkegeprägte Gastronomie (Schankwirtschaften, Bars und Vergnügungslokale, Discotheken und Tanzlokale, Trinkhallen): 100% relevant  Kantinen und Caterer: abgesehen von betriebsinternen Kantinen sind diese relevant für den engeren Freizeitbereich. Bei der Verteilung der Betriebsarten innerhalb des Gastgewerbes lag der Schwerpunkt 2008 mit 55% aller Betriebe ganz deutlich auf der speisengeprägten Gastronomie, gefolgt von der

5.4 Shopping und Gastronomie als Freizeitmarkt

235

getränkegeprägten Gastronomie mit 22%. Die Betriebsarten, mit einer geringeren Relevanz für den engeren Freizeitbereich verteilen sich auf das übrige Viertel. Die Verteilung der Umsätze im Gastgewerbe gestaltete sich 2008 allerdings völlig anders: Hier generiert die speisengeprägte Gastronomie 46% der Umsätze, gefolgt von den klassischen Beherbergungsbetrieben (30%) und erst dann folgen die getränkegeprägte Gastronomie (13%) sowie die Kantinen und Caterer (8%). D h. die Umsätze pro Betrieb sind bei den klassischen Beherbergungsbetrieben überdurchschnittlich hoch und bei der getränkegeprägten Gastronomie ist es genau umgekehrt. Analog zu den Umsätzen verteilen sich auch die Beschäftigtenanteile auf die einzelnen Betriebsarten (vgl. Dehoga 2009). Wittersheim (2004, S.52) schlägt für die Gastronomie eine dreigeteilte Betriebstypologie vor: Individualgastronomie (Einzelbetriebe oder mehrere Betriebsstätten mit uneinheitlichen Leistungen), Systemgastronomie (s.u.), Sonderformen (Verkehrsgastronomie oder Gemeinschaftsverpflegung). Unabhängig von dieser Typologie gibt es eine Reihe von Teilmärkten der Gastronomie oder auch Entwicklungsrichtungen, die sich aufgrund der enormen Marktveränderungen in den letzten Jahren ausgebildet haben. Als besonders dynamische Teilmärkte können neben der klassischen Fullservice und der getränkegeprägten Gastronomie folgende Segmente betrachtet werden (BBE Retail Experts 2007):  Handelsgastronomie: Gastronomie im Handel als Differenzierungsstrategie bzw. Fusions-Konzept (Snack im Lebensmitteleinzelhandel, Fooderia im Baumarkt, Erlebnisrestaurant in Möbelmärkten, Trend-Bar im Warenhaus u.a.); eignet sich sehr gut, um Trend- und Erlebnisakzente zu setzen.  Verkehrsgastronomie: Gastronomie an Verkehrsknotenpunkten (Flughafen, Bahnhof) oder -linien (Autobahn), die zumeist in Form von Systemgastronomie angeboten wird.  Convenience-Gastronomie: Alle Formen von Fast-Food und Take-away-Speisen, die zu einer schnellen und dem Kunden angenehmen Leistung führen. Die Systemgastronomie gilt als eine der wichtigsten Entwicklungen in der Gastronomie, die in den letzten Jahrzehnten alle o.g. Teilmärkte enorm verändert hat. Systemgastronomie betreibt, wer entgeltlich Getränke und/oder Speisen abgibt, die an Ort und Stelle verzehrt werden können, und über ein standardisiertes und multipliziertes Konzept verfügt, welches zentral gesteuert wird (DEHOGA 2009). Die größten Systemgastronomie-Anbieter in Deutschland sind gleichzeitig die am Umsatz gemessenen TOP-10 GastronomieUnternehmen (vgl. Tab. 9).

236 Unternehmen (Angebotslabel) McDonald’s Deutschland Inc. (Mc Donalds und Mc Café) LSG Sky Chefs Deutschland GmbH (LSG) Burger King GmbH Autobahn Tank & Rast Holding GmbH (T & R Raststätten) Nordsee Fisch-Spezialitäten GmbH (Nordsee) Metro Group (Dinea, Grillpfanne, Axxe etc.) Arcandor AG (Karstadt, Le Buffet) Ikea Deutschland GmbH & Co. KG Aral AG (Petit Bistro) Subway International B.V.

5 Freizeitmärkte Umsatz in Mio. € 2.700 720 710 570 295 258 204 172 171 142

Betriebe 1.302 43 607 387 354 272 149 43 1.238 542

Tab. 9 TOP-10 Gastronomie-Unternehmen in Deutschland 2007 (Deutscher Fachverlag 2008)

Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die Freizeitwissenschaft soll in den folgenden Abschnitten auf die wichtigsten Trends in der Gastronomie eingegangen werden. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu der Trendgastronomie um längere Lebenszyklen von drei bis zu zehn Jahren. Trendgastronomie kann als die Summe vieler einzelner Trends betrachtet werden, die in unterschiedlichen Bereichen der Gastronomie Ausdruck finden und deren Lebenszyklus meist kurzfristig (1-3 Jahre) ist. Doch jede Trendgastronomie kann sich zu einem länger andauernden Trend in der Gastronomie entwickeln. Wichtig ist, dass sich der Trend als solcher zumeist außerhalb der Gastronomie herauskristallisiert. Er ist ein Produkt von außen und findet in der Gastronomie - als Adaption der gesellschaftlichen Entwicklungen - sein Äquivalent, z.B. in der Architektur, der Einrichtung, den Produkten oder den Services. Da nicht vorhersehbar ist, welchen Anklang ein Trend bei den Konsumenten finden wird, ist das Geschäftsrisiko in der Trendgastronomie entsprechend hoch. Besonders wichtig für alle Entwicklungen in der Gastronomie sind gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die das Essverhalten der Menschen heute und in Zukunft beeinflussen und prägen werden. Rützler (2003) hat diese unter den Oberbegriffen Individualisierung, Feminisierung, Multitasking, Lebensphasen und Singelisierung zusammengefasst. Unterstützt durch den gesellschaftlichen Wandel der letzten hundert Jahre ist die individuelle Lebensgestaltung ein immer wichtigeres Thema geworden. Werte, die früher von hoher Bedeutung waren, ändern sich immer öfter und müssen von jedem Individuum neu verhandelt werden. Die Individualisierung, die Selbstkompetenz und die bewusste Lebensgestaltung haben einen starken Einfluss auf das jeweilige Essverhalten. „Essen wird zum Stil, Essen wird Kollektiv-Erlebnis, Selbst-Ausdruck und Kontroll-Element.“ Auch geht es beim Essen „nicht mehr nur um die Befriedigung lebenswichtiger physiologischer Grundbedürfnisse, sondern vermehrt um Identitätssicherung, soziale Unterscheidung, ästhetischen und sinnlichen Genuss“ (Rützler 2003, S.14). Das heißt Esspartner werden je nach Situation selbst ausgewählt, die Nahrungsauswahl erfolgt zum Beispiel nach seelischer oder körperlicher Verfassung, die Menschen sind wissbegieriger und verlangen nach guter Hintergrundinformation und erwarten oftmals Produkte mit entsprechendem Zusatznutzen (Functional Food).

5.4 Shopping und Gastronomie als Freizeitmarkt

237

Die Produktpalette wird sich ausweiten und sich durch verschiedene Botschaften an die Zielgruppe unterscheiden. Die Emanzipation der Frau hat im Laufe der Zeit die traditionellen Rollenverteilungen in der Familie geändert (Feminisierung). Dies gilt einerseits für die Erwerbstätigkeit der Frau und in Verbindung damit für strukturelle Veränderungen im Rahmen der Hausarbeit, darunter auch das Kochen. Andererseits wirkt sich diese Entwicklung auch auf das Essverhalten und den dominierenden Geschmack aus. Waren es früher die Männer, die das Essensbild einer Familie durch den Konsum großer Mengen Fleisch prägten, so sind es heute die Frauen, die das Essverhalten stark durch den Konsum von Gemüse, Getreideprodukten u.a. prägen. Durch den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel und dem damit einher gehenden Wegfall schwerer körperlicher Arbeit in vielen Bereichen, wird der Trend der Feminisierung und der Weg hin zu leichter, fettarmer, gemüsereicher Kost geebnet. Unter Multitasking versteht man das gleichzeitige Bearbeiten mehrerer Aufgaben. In der heutigen Arbeitswelt trifft dieses Phänomen auf sehr viele Menschen zu. Klassische Vollzeitarbeitsplätze werden weniger, während Teilzeitmodelle immer mehr an Bedeutung gewinnen. Flexibilität und Mobilität treten immer mehr in den Fokus der arbeitenden Bevölkerung. Auf diese Schnelllebigkeit muss reagiert werden und so bleibt oftmals keine Zeit für geregelte und strukturierte Mahlzeiten zwischen dem Ausüben verschiedener Tätigkeiten. Viele Dinge müssen synchron ablaufen, um alles geregelt zu bekommen. Im Laufe der Zeit haben sich auch traditionelle Lebensmodelle geändert. War die Biographie bis in die 1960er Jahre gekennzeichnet von drei Lebensphasen, nämlich der Jugend und Ausbildung, dem Erwerbs- und Familienleben sowie dem Ruhestand, so kann sie heutzutage in fünf Abschnitte gegliedert werden: Jugend und Ausbildung, Postadoleszenz, Erwerbs- und Familienleben, zweiter Aufbruch und Ruhestand. Dieser Wandel ist besonders auf die höhere Lebenserwartung zurückzuführen. Gerade im Alter wird viel Wert auf Gesundheit und Wellness gelegt. Diese Bedürfnisse spiegeln sich auch im Essverhalten der Menschen wider. Die klassische Familie (Mutter, Vater, Kind/er), die jahrzehntelang das Leitbild für unsere Vorstellungen vom Kochen und Essen abgegeben hat, befindet sich statistisch betrachtet auf dem Rückzug. Nur mehr ein Drittel der deutschen Haushalte besteht aus drei oder mehr Personen (Wohngemeinschaften inbegriffen) (vgl. Rützler 2003, S.44). Das bedeutet, dass die meisten Haushalte aus Singles, Alleinerziehenden mit Kind oder Paaren ohne Kind besteht. Dies hat Konsequenzen für das Essverhalten: Das Essen in Einpersonenhaushalten bleibt oft kalt, es wird oft außer Haus gespeist, gut bürgerliche Kochweisen gehen verloren, der Anteil an Fertigprodukten nimmt zu, leichte und besonders schnelle Zubereitung von Gerichten tritt in den Vordergrund. Angesichts dieser gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Marktentwicklungen können verschiedene Essens-Trends herausgearbeitet werden, die sich auch in der modernen Gastronomie wiederfinden. Die einzelnen Trends sind in Studien mit verschiedensten Begriffen und Anglizismen überschrieben worden, die in der folgenden Gliederung lediglich als Stichworte angeführt werden (ausführlich nachzulesen bei Rützler 2003, Rützler & Kirig 2007). Davon ausgehend, dass Qualität und ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis sich implizit durch alle Trends hindurch zie-

238

5 Freizeitmärkte

hen, können im Kern fünf Strömungen in der Gastronomie ausgemacht werden (vgl. auch DEHOGA 2009): (1) Convenience (Stichworte: Take-away / Hand Held Food / Call Food / Catering) Der Trend zu Fertiggerichten und bequemem Essen spiegelt sich voll in der o.g. Handels-, Verkehrs- und Convenience-Gastronomie wider. Im Zuge gestiegener Mobilität und veränderter Essgewohnheiten sehen sich die traditionellen Gastronomien einer immer größeren Konkurrenz von „Schnell- und Einfach-Restaurants“ gegenüber. In Innenstädten, Einkaufspassagen und sogar Kneipenvierteln überwiegen inzwischen Angebote für das schnelle Essen zwischendurch. In den großen Shopping-Centern sind als Sonderform und „zentrale Verzehrstelle“ sog. Food Courts mit vielen kleinen und individuellen Gastronomiebetrieben mit Selbstbedienung entstanden. Immer wichtiger wird die Möglichkeit, sich das Essen nach Hause bringen zu lassen. Bestellt wird per Telefon, Handy oder Internet. (2) Gesundheit und Sicherheit (Stichworte: Nature Food / Anti Fat / Ethic Food) Das Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher hält weiter an, was insbesondere die Umsätze von Health- oder Wellness-Food weiter stärkt. Leichte, frische und qualitativ hochwertige Küche ist voll im Trend. Das Essen soll zudem erkennbar natürlich sein, am besten mit einem Bio-Siegel versehen. Damit werden auch die Herkunftsgarantie und Lebensmittelsicherheit zu zentralen Themen für die Gastronomie. Eng verbunden mit dem GesundheitsTrend, geht es auch um das Essen mit gutem Gewissen. Die Verbraucher wünschen sich glaubhafte Information und Transparenz über die Herkunft der Produkte. Vertrauen wird über die Einhaltung von Sozialstandards und Fair Trade geschaffen. (3) Deutsch (Stichworte: regionale Spezialitäten / 100-Meilen Diät / Back to the Roots) Der Fokus bei der Ernährung liegt immer stärker auf der Versorgung mit lokalen und regionalen Produkten bzw. auch besonderen Spezialitäten - „Think global, act local“ wird zum Lifestyle. Der moderne weit gereiste Mensch sehnt sich nach seinen Wurzeln: Man isst und trinkt wieder deutsch. Modern interpretiert entdecken auch immer mehr junge Leute den Charme heimischer Spezialitäten. Mit Blick auf Lebensmittelskandale sind Produktsicherheit und Vertrauen sehr wichtig. Entscheidend sind Qualität, Geschmack und ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis. (4) International (Stichwort: Ethno Food) Internationale Spezialitäten aus Ostasien, Südasien oder „TexMex“ sind besonders in Deutschland sehr beliebt. Kaum ein anderes Land kann mit dieser einzigartigen Vielfalt ausländischer Restaurants aufwarten. Die Küche, die häufig auf das kleine Leichte setzt, trifft den Nerv der Zeit nach gesundem Essen. Asien löst die USA als wichtigsten Impulsgeber für die Systemgastronomie inzwischen ab. Allein der Boom der Coffee Bars oder Coffee Shops weist wieder in Richtung USA. Hier wird der Kaffeegenuss thematisiert und zu einem Erlebnis. Das Thema Kaffee wird möglichst authentisch und in all seinem Facettenreichtum präsentiert. Entscheidend ist, je nach Konzept, die Atmosphäre, die von loungeartig warmen bis geschäftsmäßig kühlen Räumlichkeiten reichen kann. Neben weltweit bekannten Beispielen wie Starbucks Coffee oder

5.4 Shopping und Gastronomie als Freizeitmarkt

239

Coffee Republic gewinnen auch traditionelle Kaffeehäuser immer mehr an Attraktivität. Kaffee bleibt das Thema. (5) Erlebnisorientierung Heutzutage dienen Essen und Trinken schon längst nicht mehr nur der Selbsterhaltung des Lebens, sondern vor allem der Sicherung unsere Lebensqualität bzw. des Aufbaus unseres Lebensstils. So werden bestimmte Speisen oder Getränke nur zu sich genommen, um die Zugehörigkeit zu einer Szene zu untermauern und/oder um einen zufriedeneren Zustand zu erreichen (vgl. Kap. 4.4.5, Erlebnismarketing). Im Rahmen der Erlebnisgastronomie wird neben der Dienstleistung der Verköstigung von Gästen (als Grundnutzen) ein besonderes Augenmerk auf den Zusatznutzen des Kunden gelegt. Neben dem Essen und Trinken soll der Besuch des Lokals attraktiv und reizvoll sein, in dem zum Beispiel ein besonderes Ambiente oder aber besondere Attraktionen geboten werden. Es entsteht eine Verbindung von Essen und Unterhaltung, die Gäste werden direkt in ein Thema mit einbezogen und es entsteht eine Interaktion zwischen Gast und Thema. Ziel der Erlebnisgastronomie ist die Vermittlung von Genuss, Lebensfreude, Spaß, Geselligkeit, Vielfalt, Behaglichkeit, Stimulanz und Abwechslung. Erlebnisgastronomie ist deshalb zumeist qualitativ sehr hochwertig und individuell (vgl. Wittersheim 2004, S. 67). Eine Sonderform der Erlebnisgastronomie ist die Themengastronomie, bei der spezielle Erlebniskonzepte neben der Gastronomie besonderen Einfluss auf das gesamte Erscheinungsbild eines Unternehmens haben. Von der Architektur und dem Ambiente bis zu den angebotenen Produkten und Serviceleistungen ist alles möglichst authentisch auf ein Thema abgestimmt. In der Themengastronomie findet – in Abgrenzung zur Erlebnisgastronomie – weniger Show und Animation statt und es gibt kein festes Programm. Somit sind die entsprechenden Lokale ohne Anmeldung für Gäste offen. Sie sind zumeist auch der Systemgastronomie zuzuordnen. Als ein Vorreiter gilt die seit den 1970er Jahren bestehende Kette der Hard Rock Cafés. Kagelmann et al. (2004, S. 195ff) haben verschiedene Formen der Erlebnis- und Themengastronomie differenziert: In der Konzeption der Theme Eatery wird die Umsetzung eines Mottos oder Themas in allen Bereichen des Unternehmens verfolgt. Angefangen beim Leitbild des Unternehmens, über das Marketing bis hin zur Corporate Identity. Häufig sind diese Themenrestaurants in großen Städten, Metropolen und Urlaubsgebieten angesiedelt. Beispiele sind unter anderem das Hard Rock Cafe oder Planet Hollywood. Aber auch spezielle Design-Bars können in dieser Rubrik eingeordnet werden, z.B. Cocktailbars mit kubanischem Flair, Art-Bars oder Suppen-Bars, in denen ausgefallene Suppenvariationen angeboten werden. Auch Erlebnisbrauereien, in denen der Kult rund um das Bier erlebt werden kann, sind entsprechend themenorientiert, genau wie viele Coffee Shop-Konzepte (s.o.). Bei den Character Meals handelt es sich um eine spezielle Form der Themengastronomie in Erlebniswelten, die Ende der 1950er Jahre zum ersten Mal im kalifornischen Disneyland durchgeführt wurde. Während die Gäste im Lokal speisen, erscheinen berühmte Figuren, verteilen Autogramme oder posieren für Erinnerungsphotos mit den Gästen. Die Kostümie-

240

5 Freizeitmärkte

rung der Figuren untermauert das dargstellte Setting, was zu einem besonders hohen Grad der Inszenierung führt. Als Beispiele können inzwischen fast alle Freizeitparks angeführt werden, in denen Zeichentrickcharaktere oder Maskottchen für besondere Erlebnisse auch in der Gastronomie sorgen. Thematische Events und Volksfeste, wie z.B. das Oktoberfest in München oder die Matjestage in Emden, können auch unter dieser Rubrik eingeordnet werden. Hierbei handelt es sich um historisch gewachsene „Erlebniswelten“, die ebenfalls eine klare thematische Ausrichtung in der Gastronomie verfolgen. Häufig werden diese authentischen Character Meals sogar schon in den neuen Erlebniswelten kopiert. Auch in der Lebensmittel-Branche wurden inzwischen viele Brand Lands errichtet. Bei diesem Konzept wird die Markenwelt eines Unternehmens in einer Erlebnisinszenierung dargestellt. Beispiele hierfür sind die Kellogg’s Cereal City oder die Maggi-Suppenküchen. Bei Dinner Events werden den Gästen Essen mit Shows oder Shows mit Essen in einem thematisierten Ambiente geboten. Die Angebote reichen von Ritterspektakeln, WildwestMythen, 1001-Nacht-Motiven bis hin zu Piratengeschichten. Die Gäste bekommen während des Besuchs meist ein einheitliches Menü und Getränke sowie ein Programm mit Tanz, Unterhaltung oder Schauspiel. Zudem werden sie über die gesamte Dauer des Events aktiv einbezogen. Beispiele sind „Mystery Dinner Shows“, bei denen unter aktiver Mitwirkung der Gäste ein inszenierter Kriminalfall aufgedeckt wird, oder das Konzept „Dinner im Dunklen“. Als neue Form von Dinner Events kann die Inszenierung der Esskultur unter Mitwirkung prominenter Köche gesehen werden. Insgesamt betrachtet weisen die verschiedenen Trends und die entsprechenden Formen von Erlebnis- und Themengastronomie vielfältige Überschneidungen auf. Zudem haben wir es mit einem sehr kreativen und innovativen Markt zu tun, der sich ständig neu erfindet. Kein aufkeimender gesellschaftlicher Trend wird lange auf seine Entsprechung in der Gastronomie warten müssen.

6

Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Der dritte Schwerpunkt dieser Publikation zur Freizeitwissenschaft umfasst verschiedene Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung der Freizeit. Dabei geht es um neue Balancen für eine ökologisch verträgliche, soziokulturell kompatible und wirtschaftlich tragfähige Gestaltung der Freizeit, ihrer Strukturen und Angebote. Neben grundlegenden Prinzipien werden vor allem die ökologisch relevanten Auswirkungen der Handlungsfelder Freizeitverkehr, Freizeit-Erlebniswelten, Freizeitgroßveranstaltungen, landschaftsgebundene Freizeitaktivitäten und Freizeitkonsum thematisiert. Darüber hinaus werden die Rahmenbedingungen für Planungsprozesse mit Bezug auf eine nachhaltige Freizeitentwicklung vorgestellt.

6.1

Nachhaltigkeit als Leitprinzip für eine zukunftsfähige Freizeitgestaltung

Was ist unter dem Schlagwort „Nachhaltigkeit“ zu verstehen und woher kommt die Diskussion um eine „nachhaltige“ Entwicklung in vielen Lebensbereichen? Das folgende Kapitel führt systematisch in die Geschichte des Begriffs ein und stellt handlungsleitende Prinzipien für eine Orientierung an den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit vor. Dabei ist die Übertragung auf Planungs- und Entwicklungsprozesse im Freizeitsektor immer mit im Blick.

6.1.1

Historische Herleitung, Definitionen und Dimensionen der Nachhaltigkeit

Ursprung in der Forstwirtschaft Die Nachhaltigkeitsidee ist überall, wo sie in der Geschichte auftauchte, ein Kind der Krise. Die erste, in diesem Zusammenhang gewichtige Krise führt zurück ins Mittelalter, als etwa ab dem 12. Jahrhundert der Raubbau an den Wäldern Mitteleuropas kontinuierlich zunahm und zum Ausgang des 16. Jahrhunderts dramatische Ausmaße erreichte. Die Ressource Holz wurde für nahezu alle Wirtschaftsbereiche benötigt: Bau von Siedlungen, Häusern, Kriegschiffen, als Brennholz für die Salinen (Salzgewinnung), für den Grubenausbau und Erzabbau, vor allem aber die mit Holzkohle betriebenen Öfen der Schmelzhütten verschlan-

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6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

gen ganze Wälder. Harz, Schwarzwald und Erzgebirge waren, wie viele andere Gebiete in Mitteleuropa, durch jahrhundertlange Übernutzung weitgehend kahlgeschlagen mit dramatischen ökologischen Folgen für Boden (Erosion!), Natur- und Wasserhaushalt sowie wirtschaftlichen Problemen für die in den betroffenen Regionen lebenden Menschen. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschland waren von einstmals überwiegend bewaldeten Flächen zum Ausgang des Mittelalters nur noch etwa 10 bis 15 Prozent des Landes mit geschlossenem Wald bedeckt. Heute beträgt der Anteil des Waldes an der Landesfläche Deutschlands wieder mehr als das Doppelte, nämlich rund 30 Prozent. Und dieser Umstand hat sehr viel mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ zu tun (vgl. Hasel/Schwartz 2002). Als Schöpfer des forstlichen Nachhaltigkeitsbegriffs gilt Hans Carl von Carlowitz, Oberberghauptmann am kursächsischen Hof in Freiberg (Sachsen). Der Silberbergbau im Erzgebirge, seinerzeit das wirtschaftliche Rückgrat Sachsens, war in seiner Existenz bedroht. Dies nicht etwa aus Mangel an Silbererzen, sondern wegen einer sich rasant verschärfenden Holzknappheit. Holz wurde für den Ausbau der Gruben (Traghölzer), den Abbau des Erzes (mittels Feuersetzen) und insbesondere für den Betrieb der Schmelzöfen mit Holzkohle benötigt. Jahrhunderte lang hatte man die umliegenden Wälder übernutzt, so dass die Umgebung der Bergstädte weitgehend kahl geschlagen war (vgl. Radkau 1996, S. 35). Aus heutiger Sicht würde man formulieren: Aufgrund der Vernachlässigung der ökologischen Erfordernisse sind massive ökonomische und soziale Probleme (Arbeitslosigkeit, Brennstoffmangel) entstanden. Angesichts dieser Entwicklungen formulierte von Carlowitz 1713 in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“ als erster das Prinzip der Nachhaltigkeit, um dauerhaft ausreichende Holzmengen für den Silberbergbau verfügbar zu haben. Bei der Erörterung, wie „eine sothane Conservation und Anbau des Holzes anzustellen, dass es eine continuirliche, beständige und nachhaltende Nutzung gebe“, taucht zum ersten Mal der neue Begriff auf. Zur weiteren Durchsetzung des Nachhaltigkeitsbegriffes in der Forstwirtschaft trug später auch Georg Ludwig Hartig, Landforstmeister und Leiter des preußischen Forstwesens, entscheidend bei. Er schrieb 1804 in seiner „Anweisung zur Taxation der Forste oder zur Bestimmung des Holzertrags der Wälder“: „Es läßt sich keine dauerhafte Forstwirtschaft denken und erwarten, wenn die Holzabgabe aus den Wäldern nicht auf Nachhaltigkeit berechnet ist. Jede weise Forstdirektion muss daher die Waldungen [...] so hoch als möglich, doch so zu benutzen suchen, daß die Nachkommenschaft wenigstens ebensoviel Vorteil daraus ziehen kann, wie sich die jetzt lebende Generation zueignet.“ So waren es die Forstleute, die den Gedanken der Nachhaltigkeit zur Basis ihrer neuen Wissenschaft machten. Sie entwickelten auf der Grundlage der Geometrie verschiedene Messmethoden und sog. Nachhaltsweiser, anhand derer sie genau festlegten, dass nur soviel Holz geerntet werden darf, wie im gleichen Jahr wieder aufgeforstet wird bzw. an Volumen bis zum nächsten Holzeinschlag im verbliebenen Waldbestand nachwachsen kann. Nach diesem Prinzip wurde ab dem 18. Jahrhundert die Entwaldung vieler Landstriche nach und nach rückgängig gemacht und das Problem des Holzmangels gelöst. Die deutsche Forstwissenschaft und damit das Konzept des nachhaltigen Holzertrags erlangten im Laufe des 19.

6.1 Nachhaltigkeit als Leitprinzip für eine zukunftsfähige Freizeitgestaltung

243

Jahrhunderts weltweite Geltung. Absolventen deutscher Forstschulen trugen die Idee in zahlreiche Länder und damalige Kolonien und machten die nachhaltige Waldbewirtschaftung („sustained yield forestry“) zu einem Schlüsselbegriff (vgl. Radkau 1996; Grober 1999, S. 98). Aus forsthistorischer Sicht war Nachhaltigkeit somit ein rein wirtschaftliches Prinzip zur dauerhaften Sicherung kontinuierlicher Holzlieferungen für die darauf angewiesenen Betriebe. Dennoch kann die nachhaltige Forstwirtschaft durchaus auch als Basis für die Anfänge des Natur- und Umweltschutzes gelten, da insbesondere die Wälder durch zunehmende Nutzung und Zerstörung betroffen waren. Der Raubbau an der Natur hatte mit der Industrialisierung, Urbanisierung und Kolonisierung im 18. und 19. Jahrhundert schon größere Ausmaße angenommen, erreichte aber mit der wissenschaftlich-technischen Revolution im 20. Jahrhundert eine globale Dimension. Club of Rome 1972: Die Grenzen des Wachstums So, wie es vielen Wäldern in Mitteleuropa ging, so kann es der industrialisierten Welt ergehen. Das jedenfalls war - auf einen kurzen Nenner gebracht - der Inhalt der Studie „Grenzen des Wachstums“, die auf eine globale ökologische und ökonomische Krise hinwies und heute als eine der Ur-Studien zur nachhaltigen Entwicklung gilt. Dieser erste Bericht an den Club of Rome sagte einen katastrophalen Niedergang der Weltwirtschaft, des Lebensstandards und der Weltbevölkerung voraus. Gründe dafür waren der ungebremste Raubbau am Kapital des Planeten und die Steigerung der Weltbevölkerung (vgl. Meadows et al. 1972). Die zentrale Botschaft der Studie lautete: Trotz Ausweitung der Grenzen gibt es Grenzen des Wachstums, da „ein unbegrenztes Wachstum in einer begrenzten Welt nicht möglich ist“ (Loske/Bleischwitz 1997). Das war letztlich die „Geburtsstunde“ der nachhaltigen Entwicklung, auch wenn sie diesen Namen erst später mit dem Brundtland-Report erhielt (s.u.) und hier noch als „dauerhafter Gleichgewichtszustand“ bezeichnet wurde. Global 2000 - Bericht an den Präsidenten der USA, 1980 Fünf Jahre nach Veröffentlichung der „Grenzen des Wachstums“ beauftragte der damalige US-Präsident Jimmy Carter amerikanische Wissenschaftler und Regierungsbehörden mit der Erstellung einer umfassenden Studie zur Belastbarkeit der Erde. Es sollten, so der Auftrag, „die voraussichtlichen Veränderungen der Bevölkerung, der natürlichen Ressourcen und der Umwelt auf der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts“ untersucht werden. Nach drei Jahren intensiver Arbeit legte der Rat für Umweltqualität (Council on Environment Quality) im Juli 1980 den Bericht „Global 2000“ vor. Er beschreibt und analysiert eine Reihe von Zukunftsproblemen, aufgegliedert nach Weltregionen, die zu erwarten und teilweise schon eingetreten waren. Schwerpunkte sind Bevölkerung, Klima, Wasser, Nahrungsmittel, Landwirtschaft, Wälder, Energie und andere mehr. Zusammenfassend zeichnet der Bericht ein eindringliches Bild von der stark wachsenden Belastung und dem gleichzeitigen Rückgang der Belastbarkeit der Erde und ruft die Regierungen zu verstärkten Anstrengungen in der Umweltpolitik auf (vgl. Global 2000).

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6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1983 / Brundlandt-Bericht 1987 Auch wenn Global 2000 zunächst nur in wissenschaftlichen Kreisen diskutiert wurde, hatte der Bericht an den US-Präsidenten seine politische Wirkung nicht verfehlt. So gründeten die Vereinten Nationen 1983 als unabhängige Sachverständigenkommission die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED = World Commission on Environment and Development). Ihr Auftrag war die Erstellung eines Perspektivberichts zu langfristig tragfähiger, umweltschonender Entwicklung im Weltmaßstab bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus. Zur ersten Vorsitzenden wurde die frühere Umweltministerin und damalige Ministerpräsidentin von Norwegen, Gro Harlem Brundtland, gewählt. Die Kommission veröffentlichte vier Jahre später (1987) ihren auch als Brundtland-Report bekannt gewordenen Zukunftsbericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ („Our Common Future“). Dieser beeinflusste die internationale Debatte über Entwicklungs- und Umweltpolitik maßgeblich. Er wurde auf zwei internationalen Konferenzen eingehend diskutiert und war der auslösende Hauptfaktor für die Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992. Der Abschlussbericht der Brundtland-Kommission war deswegen so bedeutend für die internationale Debatte über Entwicklungs- und Umweltpolitik, weil hier das alte forstliche Konzept der Nachhaltigkeit durch Übertragung auf alle menschlichen Lebensbereiche neu belebt und so zum Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung (engl.: sustainable development) ausformuliert wurde. Die Kommission versteht darunter eine „Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“ Das von der Kommission vorgestellte Konzept bildete zum ersten Mal die Grundlage einer integrativen globalen Politikstrategie. So wurden herkömmlich als getrennt betrachtete Problembereiche wie u.a. Umweltverschmutzung in Industrieländern, globale Hochrüstung, Schuldenkrise, Bevölkerungsentwicklung und Wüstenausbreitung in der Dritten Welt in einem Wirkungsgeflecht gesehen, das durch einzelne Maßnahmen nicht würde gelöst werden können. Nach Ansicht der Kommission muss einerseits die Armut in den Ländern des Südens überwunden werden. In den Industrieländern ist dagegen der materielle Wohlstand mit der Erhaltung der Natur als Lebensgrundlage in Einklang zu bringen. Für die Zukunft muss davon ausgegangen werden, dass sich die Konsum- und Lebensweisen der Menschen in den westlichen Industrieländern nicht auf die gesamte derzeitige und zukünftige Weltbevölkerung übertragen lassen. Weiter stellt die Kommission fest, dass die Weltwirtschaft zwar die Bedürfnisse und legitimen Wünsche der Menschen befriedigen müsse. Das Weltwirtschaftswachstum dürfe aber die ökologischen Grenzen der Erde nicht sprengen. Auch müssten die Menschen viele ihrer Tätigkeiten und Lebensweisen ändern, wenn die Welt nicht vor unannehmbare menschliche Leiden und Umweltschäden gestellt werden solle (vgl. Loske/ Bleischwitz 1997). Eine nachhaltige, auf Dauer angelegte Entwicklung muss somit den Bestand an natürlichen Ressourcen soweit erhalten, dass die Lebensqualität zukünftiger Generationen gewährleistet ist. Daher sind Lösungen anzustreben, die ökologisches Gleichgewicht, ökonomische Sicherheit und soziale Gerechtigkeit zusammenführen und auf lange Sicht weltweit stabilisieren können – das Dreieck der Nachhaltigkeit war geboren (Abb. 40).

6.1 Nachhaltigkeit als Leitprinzip für eine zukunftsfähige Freizeitgestaltung

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Abb. 40 Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit

UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 Der Bericht der Brundtland-Kommission hatte auf einen dringenden Handlungsbedarf der internationalen Völkergemeinschaft hingewiesen. Doch die in diesem Bericht erhobenen Forderungen und Vorschläge mussten auch in international verbindliche Verträge und Konventionen umgesetzt werden, um wirksam zu werden. Als Instrument wählte die UN hierfür die Form einer Konferenz (UNCED = UN Conference on Environment and Development), die über mehrere Jahre vorbereitet wurde. An dieser Konferenz in Rio de Janeiro nahmen rund 10.000 Delegierte aus 178 Staaten teil. Nicht nur umweltpolitische Probleme waren Gegenstand der Konferenz; vielmehr sollten auch die drängenden globalen Entwicklungsprobleme im umwelt- und sozialpolitischen Zusammenhang behandelt werden. Ziel war es, die Weichen für eine weltweite nachhaltige Entwicklung zu stellen. Schlussendlich kamen in Rio fünf Dokumente zustande, die vor dem Hintergrund der Vielzahl der Interessengegensätze (z.B. bei den Themen Wald und Klimaschutz) von vielen Seiten als ein erfolgreicher Schritt für eine globale Umwelt- und Entwicklungspartnerschaft gesehen werden: Die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (Rio-Deklaration) mit ihren 27 Prinzipien legt anspruchsvolle Ziele und Pflichten für das Verhalten der Staaten untereinander fest. Erstmals wurde global das Recht auf Entwicklung verankert und das Vorsorge- und Verursacherprinzip als Leitprinzipien anerkannt. Armutsbekämpfung und angemessene Bevölkerungspolitik werden ebenso als unerlässliche Voraussetzung einer nachhaltigen Entwicklung betont wie Verringerung und Abbau nicht nachhaltiger Konsum- und Produktionsweisen und die umfassende Einbeziehung der Bevölkerung in politische Entscheidungsprozesse.

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6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Die Klimarahmenkonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen souveränen Staaten. Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten zum Klimaschutz, vor allem zur Abbremsung der globalen Erwärmung und ihrer Folgen durch Reduktion der Treibhausgase. Ziel ist, die „Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen auf einem Niveau zu erreichen, ... dass sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann“ (Artikel 1). Gemäß Konvention sind die Vertragsstaaten verpflichtet, regelmäßig Auskunft zu geben über ihre Treibhausgasemissionen und die eingeleiteten Klimaschutzmaßnahmen. Außerdem treffen sich die Unterzeichnerstaaten einmal pro Jahr bei der Vertragsstaatenkonferenz, dem sog. Weltklimagipfel, wo sie ihre Klimapolitik bilanzieren und z.T. wichtige Beschlüsse fassen. Die bekannteste dieser Konferenzen fand 1997 im japanischen Kyoto statt und erarbeitete das Kyoto-Protokoll, das unter anderem den Handel mit Emissionsrechten etablierte. Die Konvention über die biologische Vielfalt, oder auch Biodiversitätskonvention, (engl.: Convention on Biological Diversity, CBD), ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen souveränen Staaten. Die Konvention verfolgt drei Ziele: (1) die Erhaltung der biologischen Vielfalt, (2) die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und (3) der gerechte Vorteilsausgleich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen. Mit diesen Zielen wird versucht, ökologische, ökonomische und soziale Aspekte beim Umgang mit biologischer Vielfalt in Einklang zu bringen. Damit geht die CBD weit über die „klassischen“ Schutzansätze hinaus und ist somit von ihrem Anspruch her das weltweit umfassendste Übereinkommen im Bereich des Naturschutzes. Global sollen Tier- und Pflanzenarten geschützt und ihre bedrohten Lebensräume und das dort vorhandene genetische Potenzial gesichert werden. Gesetze zum Schutz gefährdeter Arten sollen ausgearbeitet, Schutzgebiete geschaffen und eine umweltgerechte Entwicklung der umliegenden Gebiete gefördert, geschädigte Ökosysteme rehabilitiert und wiederhergestellt werden. Bei Projekten, die die biologische Vielfalt gefährden, soll eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt werden, um Schäden zu vermeiden bzw. auf ein Minimum zu begrenzen. Das wichtigste Instrument und Entscheidungsgremium der CBD ist die Vertragsstaatenkonferenz (VSK; engl.: COP = Conference of the Parties), die im zweijährigen Rhythmus stattfindet, um die z.T. relativ allgemeinen Aussagen des Konventionstextes zu konkretisieren und an deren gemeinsamer Umsetzung zu arbeiten. Die Waldgrundsatzerklärung stellt Leitsätze für die Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltige Entwicklung der Wälder der Erde auf. Sie gilt als wichtige Stufe hin zu einer völkerrechtlich verbindlichen Waldkonvention. Diese konnte wegen des Widerstands zahlreicher Entwicklungsländer, die sich auf die Souveränität über die nationale Ressource Wald beriefen, in Rio nicht erreicht werden. Sie betrachteten den Wald nicht nur als wichtigen Faktor für das ökologische Gleichgewicht, sondern insbesondere auch als Wirtschaftsfaktor. Die Agenda 21 ist ein weltweites Aktionsprogramm für nachhaltige Entwicklung im 21. Jahrhundert. Sie umfasst alle wesentlichen Politikbereiche und Handlungsfelder und ist thematisch in vier Bereiche mit insgesamt 40 Kapiteln unterteilt: (I) Die „soziale und wirtschaftliche Dimension“ behandelt die wichtigen Aspekte Armutsbekämpfung, Bevölkerungsdynamik, Gesundheitsschutz und nachhaltige Siedlungsentwicklung. Der II. Abschnitt „Erhaltung

6.1 Nachhaltigkeit als Leitprinzip für eine zukunftsfähige Freizeitgestaltung

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und Bewirtschaftung der Ressourcen für die Entwicklung“ umfasst die ökologieorientierten Themen vom Schutz der Erdatmosphäre über die Bekämpfung der Entwaldung, dem Erhalt der biologischen Vielfalt bis hin zur umweltverträglichen Entsorgung von Abfällen. Im III. Bereich „Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen“ werden Partizipationsaspekte von diversen gesellschaftlichen Gruppen angesprochen, die für die Umsetzung der Agenda von besonderer Bedeutung sind. Der IV. Abschnitt „Möglichkeiten der Umsetzung“ behandelt die Rahmenbedingungen hinsichtlich der finanziellen und organisatorischen Instrumente (Technologietransfer, Bildung, internationale Zusammenarbeit usw.), die für die Umsetzung erforderlich sind. In einzelnen Kapiteln lassen sich Querbezüge zum Freizeitsektor finden, auch wenn dieses Themenfeld in der Agenda 21 nicht explizit adressiert wurde. Zur Förderung der Umsetzung der Agenda 21 und der „Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung“ wurde ein UN-Gremium gegründet, die Kommission für nachhaltige Entwicklung (engl.: Commission on Sustainable Development, CSD), die ihre Arbeit im Jahr 1993 aufnahm. Die CSD erarbeitet politische Richtlinien für die lokale, regionale, nationale und internationale Ebene, entwickelt Vorschläge zur Förderung der Nachhaltigkeit und bemüht sich um den Dialog und die Vernetzung der Akteure. Auf jährlichen Konferenzen werden jeweils ausgewählte Themen- und Handlungsfelder der Agenda 21 behandelt. In erster Linie sind es aber die Regierungen der einzelnen Staaten, die auf nationaler Ebene die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung planen müssen in Form von Strategien und nationalen Umweltaktionsplänen. Dabei sind auch regierungsunabhängige Organisationen und andere Institutionen zu beteiligen. Wichtig für den Erfolg der Maßnahmen und Projekte ist eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit, da nachhaltige Entwicklung auch in den Köpfen der Bevölkerung Einzug finden muss. Eine besondere Rolle und Verantwortung kommt hier auch den Kommunalverwaltungen zu, die für ihren Bereich die Umsetzung der „Lokalen Agenda 21“ im Konsens mit ihren Bürgern herstellen sollen. Mit Einrichtung der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ befasste sich ab Mitte der 90-er Jahre auch der Deutsche Bundestag mit der nationalen Umsetzung des Konzeptes der nachhaltigen Entwicklung. In ihrem 1998 vorgelegten Abschlußbericht griff die Enquete-Kommission das bereits im Brundtland-Bericht skizzierte Dreieck der Nachhaltigkeit auf und definierte es als sog. „Drei-Säulen-Modell“: „Nachhaltigkeit ist die Konzeption einer dauerhaft zukunftsfähigen Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension menschlicher Existenz. Diese drei Säulen der Nachhaltigkeit stehen miteinander in Wechselwirkung und bedürfen langfristig einer ausgewogenen Koordination. Die drei Dimensionen bzw. Säulen der Nachhaltigkeit umriss die Enquete-Kommission wie folgt: 

Ökologische Nachhaltigkeit: Sie orientiert sich am stärksten am ursprünglichen Gedanken, keinen Raubbau an der Natur zu betreiben. Ökologisch nachhaltig wäre eine Lebensweise, die die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht, wie diese sich regenerieren.  Ökonomische Nachhaltigkeit: Eine Gesellschaft soll wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse leben, da dies zwangsläufig zu Einbußen der nachkommenden Generationen

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6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

führen würde. Allgemein gilt eine Wirtschaftsweise dann als nachhaltig, wenn sie dauerhaft betrieben werden kann.  Soziale Nachhaltigkeit: Ein Staat oder eine Gesellschaft sollte so organisiert sein, dass sich die sozialen Spannungen in Grenzen halten und Konflikte nicht eskalieren, sondern auf friedlichem und zivilem Wege ausgetragen werden können. Das Drei-Säulen-Modell geht somit von der Vorstellung aus, dass nachhaltige Entwicklung nur durch das gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzen von umweltbezogenen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen erreicht werden kann, da nur so sowohl die ökologische, als auch die ökonomische und die soziale Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft sichergestellt und verbessert werden kann. Die drei Aspekte bedingen sich dabei gegenseitig. Das Nachhaltigkeitsdreieck soll auch die mannigfaltigen Wechselwirkungen und Rückkopplungen zwischen den drei Dimensionen verdeutlichen. Dies veranschaulicht zudem, dass oft nur komplexe Lösungsansätze Erfolg versprechend sind. Rio + 10: Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, Südafrika 2002 Zehn Jahre nach Rio kam die Staatengemeinschaft 2002 in Johannesburg zum Weltgipfel (World Summit) für nachhaltige Entwicklung zusammen. Zum einen sollte Bilanz gezogen und zum anderen beraten werden, wie das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in Zeiten der Globalisierung und des rasanten technologischen Fortschritts weiter in die Praxis umgesetzt werden kann. So wurde auf dem Gipfel ein Aktionsplan verabschiedet, der die Entwicklungsziele, welche die Staats- und Regierungschefs von 189 Ländern bereits auf der sog. Millenniumskonferenz im Jahr 2000 erörtert hatten, und das Kyoto-Protokoll bestätigt. Konkrete Ziele waren, die Armut zu bekämpfen, den Anteil der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu Kanalisation bis 2015 zu halbieren, umweltschädliche Subventionen abzubauen, das Artensterben deutlich zu verringern, den Verlust der natürlichen Ressourcen zu stoppen und die negativen Auswirkungen bei der Produktion und dem Gebrauch von Chemikalien zu minimieren. Zudem wurden Vorschläge unterbreitet, wie das durch die Dokumente von Rio de Janeiro mit Leben gefüllte Konzept der nachhaltigen Entwicklung für die verschiedensten Themen- und Handlungsfelder weiter konkretisiert und umgesetzt werden kann. Nachdem 1992 mit der Agenda 21 das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung umfassend für alle wesentlichen Politik-, Wirtschafts- und Lebensbereiche formuliert worden war, sollte es kein langer Weg mehr bis zur Aufstellung nachhaltiger Entwicklungsstrategien speziell auch für den Freizeitsektor sein. Dabei rückten zunächst die Auswirkungen des Teilsegments Tourismus in das Blickfeld, da dieser einerseits bereits seit den 70-er Jahren als umweltschädlich und sozial unverträglich in der Kritik stand (vgl. Krippendorf 1975; Jungk 1980; Euler 1989), andererseits aber auch für viele Länder des Südens in der sozioökonomischen und politischen Entwicklung eine wichtige und durchaus auch positive Rolle spielte. Um die negativen Auswirkungen des Tourismus zu minimieren und seinen positiven Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung zu fördern, fanden in den 90-er Jahren mehrere internationale Konferenzen statt, bei denen Politiker, Ökologen und Wissenschaftler, Repräsentanten von Entwicklungs- und Tourismusorganisationen sowie Wirtschaftsverbänden gemeinsam nach

6.1 Nachhaltigkeit als Leitprinzip für eine zukunftsfähige Freizeitgestaltung

249

Lösungen für einen nachhaltige Tourismusentwicklung suchten. Ergebnisse dieser Konferenzen waren zumeist Erklärungen, von denen die wichtigsten nachfolgend aufgeführt sind:     

Charta für nachhaltigen Tourismus, 1995, Lanzarote/Spanien Agenda 21 for the Travel & Tourism Industry, 1996 Malé Declaration on Sustainable Tourism, 1997, Malé/Malediven Berliner Erklärung - Biologische Vielfalt und nachhaltiger Tourismus, 1997 Umwelterklärung der deutschen Tourismuswirtschaft, 1997 (BTW-Erklärung).

Im Juni 1997 forderte schließlich die UN Sondergeneralversammlung in New York die Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD) auf, ein maßnahmenorientiertes internationales Arbeitsprogramm zum Thema nachhaltiger Tourismus vorzulegen. Diese Aufforderung nahmen 1998 die deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, zusammengeschlossen im Forum Umwelt und Entwicklung, zum Anlass, der CSD ein Positionspapier vorzulegen, das kritisch die ökologischen, ökonomischen, politischen und kulturellen Aspekte des Tourismus und dessen Auswirkungen auf die Länder des Südens beleuchtet. Um die negativen Auswirkungen des Tourismus zu minimieren und seinen positiven Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung zu fördern, forderte das Papier gezielte Maßnahmen für einen nachhaltigen Tourismus, der von den Grundsätzen der Rio-Deklaration und den Empfehlungen der Agenda 21 geleitet ist. Dieser muss „soziale, kulturelle, ökologische und wirtschaftliche Verträglichkeitskriterien erfüllen. Nachhaltiger Tourismus ist langfristig, in Bezug auf heutige wie auf zukünftige Generationen, ethisch und sozial gerecht und kulturell angepasst, ökologisch tragfähig sowie wirtschaftlich sinnvoll und ergiebig“ (Forum Umwelt und Entwicklung 1998). Ausgehend von dieser Definition wurde ein umfassendes Aktionsprogramm erstellt, das Ziele, Maßnahmen und Akteure benennt. Ein Jahr später nahm die CSD auf ihrer 7. Sitzung das Thema „umweltverträglicher Tourismus“ offiziell in ihre Agenda auf. Bis zum Weltgipfel 2002 in Johannesburg sollten konkrete Vorschläge zur Umsetzung und Förderung eines nachhaltigen Tourismus ausgearbeitet werden. Das Thema wurde schließlich über eine Initiative zur Armutsbekämpfung durch Tourismus auf dem Weltgipfel behandelt und diskutiert. Seit dem sind von zahlreichen Regierungen, touristischen Organisationen und wissenschaftlichen Institutionen in etlichen Positionspapieren und Erklärungen nachhaltige Entwicklungsziele, Kriterien und Indikatoren für diesen Wirtschaftsbereich entwickelt und formuliert worden, die im Rahmen dieses Buches nicht weiter thematisiert werden. Als auch international bedeutsame Meilensteine gelten: 

der Global Codes of Ethics for Tourism (1999)



das Internationales Jahr des Ökotourismus mit der Erklärung von Québec (2002)



die „Djerba Declaration on Tourism and Climate Change“ (2003)



die „Richtlinien über biologische Vielfalt und Tourismusentwicklung“ als sektoraler Beitrag zur Umsetzung der Biodiversitätskonvention (2004) sowie

250

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit 

die weltweit gültigen Kriterien für eine nachhaltige Tourismusentwicklung (2008)

Etliche Zielaussagen in diesen Dokumenten beziehen sich dabei nicht nur auf die mobile Freizeit, dem Tourismus, sondern weisen auch vielfältige Querbezüge zum gesamten Freizeitsektor auf.

6.1.2

Ziele und handlungsleitende Grundprinzipien nachhaltiger Entwicklung

Nachhaltigkeit wird oft als eine neue Art von Umweltpolitik verstanden und ist doch mehr als Umweltschutz. Sie berücksichtigt die Zukunftsverantwortung für die kommenden Generationen (intergenerative Gerechtigkeit) und die Verantwortung für die heute lebenden Menschen (Verteilungsgerechtigkeit). Ziel einer nachhaltigen Entwicklung ist die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, soziale Gerechtigkeit und die Gewährleistung einer ausgewogenen, stabilen und selbstbestimmten wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in allen Ländern der Erde, wobei die Gestaltungsmöglichkeiten für die Zukunft offen gehalten werden sollen (vgl. Luks 2002). Die Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung erfordert weitreichende Gestaltungs- und Umgestaltungsmaßnahmen in allen Bereichen des menschlichen Handelns. Umwelt, Ökonomie und Soziales als die relevanten Bereiche des menschlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems werden bei der Idee der Nachhaltigkeit angesprochen. Alle drei Dimensionen müssen gleichrangig bedacht und auftretende Konflikte zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Entwicklungen überwunden werden. Zur Umsetzung der Vision der Nachhaltigkeit lassen sich konkrete Ziele für die einzelnen Dimensionen festlegen (vgl. u.a. Becker/Job/Witzel 1996; Burger 1997; Grunwald/Kopfmüller 2006; Luks 2002). Ziele ökologischer Nachhaltigkeit sind:     

Verbesserung der Umweltqualität Verringerung des Rohstoffverbrauchs Verringerung des Energieverbrauchs Erhaltung und Schutz der natürlichen Ressourcen Vermeidung unvertretbarer technischer Risiken.

Ziele ökonomischer Nachhaltigkeit sind:     

Sicherung der Grundlage materieller Bedürfnisbefriedigung Erhalt der Leistungsfähigkeit des gesamten Produktionsvermögens Vollbeschäftigung, fairer Lastenausgleich zwischen den Generationen Beitrag zur internationalen wirtschaftlichen Stabilität Ausgleich extremer Einkommens- und Vermögensunterschiede.

6.1 Nachhaltigkeit als Leitprinzip für eine zukunftsfähige Freizeitgestaltung

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Ziele sozialer Nachhaltigkeit sind:      

Befriedigung der Grundbedürfnisse Gerechte Verteilung der Lebenschancen Ermöglichung einer selbstbestimmten Lebensführung durch eigene Arbeit Gleichberechtigte Teilhabe an der Bürgergesellschaft Erhaltung der sozialen Ressourcen Erhaltung des kulturellen Erbes und der kulturellen Vielfalt.

In der Praxis ist die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung häufig noch weit von den theoretischen Zielen entfernt. So ist es u.a. nach Auffassung der Autoren der Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“ (2008) trotz aller Bemühungen unter dem Siegel der Nachhaltigkeit bislang nicht erreicht worden, die Umwelt zu schützen, die Wirtschaft zu stabilisieren oder die Zahl der Armen in dieser Welt zu verringern. Sie weisen darauf hin, dass die Interpretation des Nachhaltigkeitsdreiecks unter dem Deckmantel eines flexiblen Umgangs mit der betonten Gleichrangigkeit der einzelnen Dimensionen allzu häufig zugunsten von wirtschaftlichen Interessen ausfällt, während soziale und ökologische Aspekte ins Hintertreffen geraten. Um die Idee einer zukunftsfähigen Gesellschaft zu verwirklichen, müssen diese Denk- und Handlungsmuster überwunden werden: Ökonomische Ziele müssen von „menschenrechtlichen Leitplanken und ökologischen Begrenzungen“ eingerahmt und gegebenenfalls beschränkt sein. Die Märkte müssen sich am Gemeinwohl orientieren, wobei hier die globale Dimension der Weltgesellschaft bedacht werden muss. Außerdem wird das in den Rio-Dokumenten skizzierte Leitbild nachhaltiger Entwicklung häufig als zu vage kritisiert oder gar als Leerformel bezeichnet, weil es nicht exakt bestimmt, wie die o.g. Entwicklungsziele in Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft verlaufen bzw. umgesetzt werden sollen. Burger (1997, S. 5) sieht diese Kritik als unbegründet an, da erstens ein deterministisches Konzept nachhaltiger Entwicklung weder möglich noch sinnvoll ist und zweitens ein Leitbild, auch wenn es nicht deterministisch ist, sehr wohl handlungsleitend sein kann. Er nennt fünf Grundprinzipien einer nachhaltigen Entwicklung, die zu beachten sind. Die wesentlichen Aussagen zu diesen fünf Grundprinzipien werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt. Vorsorgeprinzip: Grundgedanke ist die Vorsorge für die Ressourcenausstattung künftiger Generationen. Diese sollen mindestens so reich an Möglichkeiten sein wie die heutigen Generationen, weshalb ihnen der Reichtum an Ressourcen ungeschmälert übergeben werden muss. Sie sollen ihren Lebensstil- und Wirtschaftsstil wählen können. Das Vorsorgeprinzip betont die Ressourcensicherung für die Zukunft, für spätere Generationen und Überlegungen gegen Ressourcenverlust. Als Ressourcen werden die Reichtümer der Menschen benannt, die in der menschengemachten Wirtschaft verwendet werden. Nach Burger (1997, S. 7) lassen sich diese unterscheiden in Ressourcen der 

natürlichen Umwelt wie Luft, Wasser, Boden, Vegetation, Rohstoffe

252

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit 

Wirtschaft wie Menschen gemachtes Sachkapital (Maschinen, Straßen, Gebäude)



Gesellschaft, wie Humankapital (Menschen mit Ausbildung und Gesundheit) und Sozialvermögen (Bestand an Regelungen, Einrichtungen und kollektiven Wissen).

Diese Ressourcen werden lokal, national und global genutzt, wobei zwischen diesen drei Bereichen enge Wechselbeziehungen bestehen. Effizienzprinzip: Beim Effizienzprinzip stehen quantitative Aspekte des Umweltverbrauchs im Vordergrund. Der Focus liegt auf einer effizienten Ressourcennutzung (Aufwands/Wirkungsverhältnis). Ziel ist die Erhöhung der Ressourcenproduktivität durch eine Minimierung des Energie- und Materialeinsatzes je Produktionseinheit. Wirtschaftsleistung und Umweltverbrauch sollen entkoppelt werden, so dass wirtschaftliche Aktivitäten mit weniger Folgeproblemen verbunden sind. Möglich wird dies vor allem durch die Veränderung der Technik bei der Produktion und Nutzung von Gütern sowie durch Längerlebigkeit oder Mehrfachnutzung von Produkten. Bei aller Bedeutung des Effizienzprinzips muss zweierlei bedacht werden. Auch bei effizientester Nutzung sind die Ressourcen der Erde begrenzt, das Vorsorgeprinzip muss also immer beachtet werden. Zudem ist Effizienz richtungslos, so dass auch bei höchster Effizienz falsch eingesetzte Ressourcen zu Fehlentwicklungen führen können (vgl. Burger 1997; Grunwald/ Kopfmüller 2006). Suffizienzprinzip: Das Suffizienzprinzip betrifft den Konsum von Ressourcen. Es verlangt einen verschwenderischen Ressourcenverbrauch zu unterlassen und nur soviel zu konsumieren, wie notwendig ist. Dies spricht auch den Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit an: „Alle genug und keiner zuviel“ (Burger 1997, S. 12). Dem Überverbrauch von Stoffen und Energien kann nur durch eine Änderung der Lebens- und Wirtschaftsweise ein Ende gesetzt werden, was die Notwendigkeit eines freiwilligen Verzichts beinhaltet, denn auch erzielte Effizienzgewinne können durch verändertes Konsumverhalten in Form von vermehrtem Konsum wieder kompensiert werden. Um dies zu verhindern, wird ein Lebensstil gefordert, der stärker von Genügsamkeit und Selbstbegrenzung geprägt ist. Um den hier rasch entstehenden Eindruck der bloßen Askese und Verzichtsphilosophie entgegenzuwirken und ihre Akzeptanzfähigkeit zu erhöhen, werden Suffizienzstrategien zunehmend mit dem Begriff der „neuen Wohlstandsmodelle“ verknüpft, in denen mehr Lebensqualität nach dem Motto „besser leben statt mehr haben“ im Vordergrund stehen. (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 77). Partnerschaftsprinzip: Die für eine nachhaltige Entwicklung notwendigen Veränderungen können nur mit Partnerschaften zwischen Staaten, gesellschaftlichen Gruppen und Personen bewerkstelligt und aufrechterhalten werden. Nur über Partnerschaften können Konsum- und Produktionsmuster zukunftsfähig gestaltet werden. Partnerschaft bedeutet Teilhabe und Teilnahme am Ganzen und erfordert dabei wenigstens eine minimale Gemeinsamkeit in den orientierenden Leitbildern. Gemeinsame Werte müssen von den Akteuren einer nachhaltigen Entwicklung verhandelt und Allianzen geschlossen werden. Partnerschaften sind Teil des Sozialvermögens und erfordern in der Regel eine gewisse formelle Vereinbarung bezüglich der gegenseitigen Erwartungen (vgl. Burger 1997, S. 12f). Konsistenzprinzip: Dieses Prinzip fordert Verträglichkeit, Vereinbarkeit und Widerspruchsfreiheit zwischen Sektoren, Regionen und Planungsebenen. Inkonsistenzen müssen ausge-

6.1 Nachhaltigkeit als Leitprinzip für eine zukunftsfähige Freizeitgestaltung

253

leuchtet und Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessen und Sichtweisen bereinigt werden. Inkonsistenzen können beispielsweise auftreten zwischen verschiedenen Sektoren (z. B. Naturschutz und Freizeitaktivitäten bei der Landschaftsnutzung) oder zwischen unterund übergeordneten Systemen (z.B. lokal, national). Diese Konflikte können u.a. durch Verhandlungen zwischen den Teilsystemen (z.B. Integration in übergreifende Programme), durch Anpassung der Teilsysteme an die Rahmenbedingungen oder auch durch Zwang über Gesetze, Vorschriften und Sanktionen bereinigt bzw. gemindert werden (vgl. Burger 1997, S. 14f). Eine weitere Anwendung findet das Konsistenzprinzip in der Strategie, menschliches Wirtschaften als Teilsystem mit dem Gesamtsystem Erde auf Dauer verträglich zu gestalten. Hierbei rücken qualitative Aspekte des Umweltverbrauchs in den Vordergrund. Es geht hier um die Vereinbarkeit von Natur und Technik. Mit dem Übergang zu naturverträglichen Technologien, welche die Stoffe und Leistungen der Ökosysteme nutzen ohne sie zu zerstören, können Produktion und Konsum umweltverträglicher gestaltet werden. Andere Beispiele sind die biologische Landwirtschaft oder die Verwendung von Rohstoffen in Waschmitteln oder Kunststoffen, die die Natur nicht auf Jahrzehnte hinaus belasten (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 77). Diese Grundprinzipien sind Bausteine für lokale, regionale, nationale oder globale Strategien nachhaltiger Entwicklung. Im Prozess nachhaltiger Entwicklung wird der Umgang der Gesellschaft mit ihren natürlichen und wirtschaftlichen Ressourcen sowie der Umgang miteinander hinterfragt und verändert. Daraus folgt, dass nachhaltige Entwicklung primär ein politischer und gesellschaftlicher Prozess ist. Damit haben diese handlungsleitenden Grundprinzipien nachhaltiger Entwicklung auch Relevanz für den gesellschaftlich bedeutenden Bereich der Freizeit.

6.1.3

Nachhaltige Entwicklung in der Freizeit als komplexer und dynamischer Prozess

Es ist davon auszugehen, dass das Konzept der nachhaltigen Entwicklung nicht nur auf den Tourismus („mobile Freizeit“), sondern prinzipiell auch auf andere Freizeitsektoren übertragen und angewendet werden kann und muss. In einem solchen konzeptionellen Ansatz einer nachhaltigen Freizeitgestaltung und -entwicklung sind dann analog zu anderen Wirtschafts- und Lebensbereichen ebenfalls ganzheitliche Lösungsansätze anzustreben, in denen ökologische Vertretbarkeit, ökonomische Dauerhaftigkeit sowie soziokulturelle Verträglichkeit gleichermaßen Berücksichtigung finden müssen. Dabei ist eine nachhaltige Entwicklung in der Freizeit als komplexer und dynamischer Prozess zu verstehen, in dem Ziele, Potenziale, Wirkungen, Konflikte und Handlungsmöglichkeiten zur Steuerung der Entwicklung zu berücksichtigen sind (vgl. Stecker 1998, 2004). Der Bereich der alltäglichen Freizeit rückt erst in den letzten Jahren allmählich ins Blickfeld der Nachhaltigkeitsstrategien, und die öffentliche Diskussion über die Beachtung von ökologischen und sozialen Grenzen für die Freizeitentwicklung wird zukünftig ein viel stärkeres Gewicht bekommen.

254

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Ziele einer nachhaltigen Freizeitgestaltung und -entwicklung Zur inhaltlichen Annäherung an diesen komplexen und dynamischen Prozess müssen wir uns zunächst eine ganzheitliche Betrachtung dieser Thematik zueigen machen. Zur besseren Veranschaulichung soll dieser ganzheitliche Ansatz auf einige wesentliche Betrachtungsebenen – in Form einer Matrix – konzentriert werden (vgl. Abb. 41). Auf der obersten Ebene sind zunächst die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung des Freizeitsektors darzulegen. Im ökologischen Bereich können wir uns sicherlich sehr schnell auf das Ziel, dass unsere Freizeitaktivitäten einen Beitrag zur „Erhaltung der natürlichen Ressourcen (Klima, Luft, Boden, Biodiversität, Wasser)“ zu leisten haben, einigen. Zur Erfüllung der ökonomischen oder auch sozioökonomischen Dimension der Nachhaltigkeit, muss der Freizeitsektor sicherlich über die Schaffung von Arbeit und Einkommen zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensqualität der Lokalbevölkerung wie der Freizeitsuchenden beitragen. Im soziokulturellen Bereich ist es sinnvoll, ein Ziel wie „Stabilisierung des gesellschaftlichen bzw. kulturellen Gefüges einer Freizeitregion“ zu formulieren (vgl. Stecker 2004).

Nachhaltige Freizeitgestaltung Ökologische Dimension

Ökonomische Dimension

Soziale Dimension

Zielebene

Schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen

Wirtschaftliche Entwicklung von Regionen/Kommunen

Stabilisierung sozialer und kultureller Strukturen

Naturlandschaften (Wälder, Berge, Küste, Seen) Flora und Fauna Klima, Luftreinheit

Arbeitskräfte Freizeitinfrastruktur (Freizeitparks, Sportanlagen, Badelandschaften etc.)

Kulturerbe, Traditionen Volksfeste, Festivals regionale Sprachen

Potentialebene Angebot Nachfrage

Wirkungsebene positive/negative Wirkungen der Freizeitgest auf

International, national, regional, lokal (diverse Zielgruppen, u.a. Ausflügler, Touristen) Naturlandschaften Klima, Boden, Wasser Flora und Fauna Menschen

Regionaler Arbeitsmarkt Regionaleinkommen Erwerbstruktur Infrastruktur

Wirkungen positiv = Zielerreichung!

Kulturelle Identität; Tradition, Wertemuster und Verhaltensweisen Regionaler Baustil

negative Wirkungen

Konfliktebene

Übernutzung v. Ressourcen Verlust von Arten Umweltverschmutzung (Müll, Lärm usw.)

Monostrukturierung Saisonalität Preissteigerungen Bodenspekulation

Freizeitstress zw. Besuchern Kommerzialisierung Verfremdung von Trachten und Volksmusik

Handlungsebene

umfassende Planung; UVP, Besucherlenkung, Umweltinformationen

Schaffung regionaler Netzwerke, Betriebsberatung/ Marketing, breite Einkommensverteilung

Partizipation/ Mitbestimmung, Aus- und Fortbildung Kulturschutz/-förderung

Abb. 41 Gesamtsystem Nachhaltige Freizeitentwicklung

Akteure Politik: Kommunen, lokale Behörden Freizeitwirtschaft: Veranstalter, Anlagenbetreiber, Verkehrsbetriebe Freizeitaktive: Naherholungssuchende, Ausflügler, Freizeitsportler Umweltverbände, Fachverbände

Betrachtungsebene:

6.1 Nachhaltigkeit als Leitprinzip für eine zukunftsfähige Freizeitgestaltung

255

Dies ist allerdings leichter gesagt als getan. Der Freizeitbereich setzt sich aus einer großen Angebotsvielfalt mit zahlreichen Teilmärkten und einer ebenso großen Anzahl unterschiedlicher Zielgruppen auf der Nachfrageseite zusammen, so dass für einzelne Freizeitmärkte z.T. recht unterschiedliche Ziele Priorität haben dürften. Dennoch lassen sich auch für den gesamten Freizeitbereich einige grundlegende Nachhaltigkeitsziele identifizieren und formulieren. Eine nachhaltige Freizeitgestaltung und -entwicklung ist so durchzuführen, dass  

  

natürliche Ressourcen möglichst schonend und unter größtmöglichem Einsatz regenerierbarer Ressourcen eingesetzt werden; der durch Freizeitinfrastruktur und -aktivitäten genutzte (Natur)-raum in seiner vollen Leistungsfähigkeit (d h. mit seinen wesentlichen Funktionen, biologisches Ertragspotenzial, Widerstandsfähigkeit der Böden gegenüber Erosion, Grundwasserneubildung und -schutz, Habitatfunktion) erhalten bleibt, oder sich in kurzer Zeit wieder dahingehend regeneriert; vom Freizeitsektor ausgehende Störungen auf Flora und Fauna minimiert werden bzw. keine nicht kompensierbaren Auswirkungen auf die biologische Vielfalt entstehen; Freizeitinfrastruktur und -aktivitäten zur dauerhaften wirtschaftlichen Entwicklung von Regionen und Kommunen beitragen; Freizeitveranstaltungen und die Ausübung von Freizeitaktivitäten gewachsene, tragfähige soziale und kulturelle Strukturen nicht gefährden bzw. zu ihrer Stabilisierung beitragen.

Um die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung im Freizeitbereich erreichen zu können, müssen zunächst einmal entsprechende Potenziale vorhanden sein, die grundlegende Voraussetzung überhaupt für die Entwicklung jeglicher Formen von Freizeitangeboten und -aktivitäten sind (vgl. Stecker 1998; Stecker/Klimpel 2006). Dabei ist noch zwischen dem Angebotspotenzial und dem Nachfragepotenzial, d.h. den unterschiedlichen Zielgruppen von Freizeitnutzern, zu differenzieren (→ Potenzialebene). Unter den vorgegebenen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen führt nun das Wechselspiel zwischen Nachfragepotenzial und den lokal/regional angebotenen Potenzialfaktoren zu aktuellen Potenzialnutzungen. Diese können wiederum in sehr unterschiedlicher Weise aktiviert sein und bringen dadurch spezifische Wirkungen im ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Bereich mit sich (→ Wirkungsebene, vgl. Kap. 6.3). Eine optimale Steuerung dieser Potenziale wäre dann erreicht, wenn positive Wirkungen in allen Bereichen festgestellt werden können. Das wäre der Idealfall und wir hätten unsere zuvor formulierten Ziele einer wirklich nachhaltigen Freizeitentwicklung erreicht. Dies ist jedoch in der Realität so gut wie nie der Fall, wie die bisherigen Erfahrungen mit der Errichtung und dem Betrieb von Freizeitinfrastrukturen sowie der Ausübung von Freizeitaktivitäten vielfach belegen. Vielmehr führen die Übernutzung, die mangelnde Ausschöpfung oder gar der Verlust einzelner Potenziale zu unterschiedlichen Konflikten (→ Konfliktebene, vgl. Kap. 6.3).

256

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Diese sind meistens auf widersprüchliche Interessen der am System beteiligten Akteure zurückzuführen. Die Analyse von Interessenkonflikten ist somit als weiterer Schritt unabdingbar für die Beurteilung des Gesamtsystems. Die Ziele einer nachhaltigen Freizeitentwicklung geben dabei die Maßstäbe vor, anhand derer die Intensität der Konflikte zu bewerten ist. Ergibt diese Bewertung, dass die Freizeitgestaltung in ihrer bisherigen Form aufgrund ihrer negativen Wirkungen und ihres hohen Konfliktpotenzials unvereinbar mit den Leitvorstellungen einer nachhaltigen Freizeitentwicklung ist, müssen Maßnahmen ergriffen bzw. Handlungen vollzogen werden, um die freizeitrelevante Potenzialnutzung entsprechend zu ändern (→ Handlungsebene, vgl. Kap. 6.4).

6.2

Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

Im Folgenden werden die wichtigsten Problemfelder in Anlehnung an die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit kurz skizziert. Priorität liegt dabei auf den besser dokumentierten Umweltauswirkungen. Denn das Konzept der nachhaltigen Freizeitentwicklung ist in erster Linie ein ökologischer Ansatz, sowohl was die theoretische Fundierung als auch was die Ansätze zur Operationalisierung und Umsetzung in der Praxis angeht. Allerdings gewinnt neuerdings die Suche nach praktischen Ansatzpunkten auch im wirtschaftlichen und sozialen Bereich an Bedeutung.

6.2.1

Die ökologische Dimension

Freizeit als Zeit für Erholung, Erlebnis und Geselligkeit erfüllt wichtige soziale Funktionen, und der Konsum von Produkten und Dienstleistungen wird heute in einem erheblichen Maße von der Ausprägung verschiedener Freizeitlebensstile mit den dazu gehörigen Präferenzen und Freizeitaktivitäten geprägt. Etwa ein Viertel der Konsumausgaben kann dem Freizeitsektor zugerechnet werden (vgl. Agricola 2002). Einerseits ist die gesellschaftliche Bedeutung der Freizeit für die Lebensqualität und die wirtschaftliche Entwicklung unverkennbar. Andererseits wächst die öffentliche Aufmerksamkeit für die unbestreitbare Gefährdung von Natur und Umwelt durch Freizeitaktivitäten, insbesondere durch Flächenversiegelung, Rohstoffverbrauch, klimaschädliche und giftige Emissionen, Abfall und Lärm. Umweltauswirkungen, die im Freizeitbereich entstehen, hängen beispielsweise zusammen mit dem Energie- und Wasserverbrauch von Freizeitparks und Badelandschaften, dem Flächenverbrauch durch Sporthallen und andere Freizeitanlagen sowie der Lärmbelastung im Rahmen von Freizeitgroßveranstaltungen. Hinzu kommen die Beeinträchtigung von sensiblen Naturräumen durch die Errichtung von Infrastruktur (wie Skiliften, Anfahrtsstraßen oder Parkplätzen) sowie Umweltbelastungen durch den Freizeitverkehr (Kohlendioxid-Emissionen, Energieverbrauch, Lärm- und Bodenbelastung). Neuesten Einschätzungen zufolge stehen Tourismus und Erholung nach Landwirtschaft und Forst-

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

257

wirtschaft/Jagd an dritter Stelle der Verursacher des heute zu beobachtenden Artenrückgangs (vgl. Henseling et al. 2002). Während in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die umweltschädigende Wirkung des Massentourismus durchaus vorhanden zu sein scheint, sind die im alltäglichen Handeln versteckten gravierenden Umweltfolgen des Freizeitbereichs weniger offensichtlich und auch schwieriger zu thematisieren. Gleichwohl zeigen erste Analysen die zahlreichen Umweltauswirkungen (ebd.). Folgende Tabelle fasst die wesentlichen Umweltproblemfelder und die (Mit)-Verursacher im Freizeitsektor zusammen.

Umweltproblem

allgemeine Ursachen

Klimawandel, globale Erwärmung

Energieverbrauch (Verbrennung fossiler Energieträger in Kraftwerken, Industrie, Verkehr, Gebäude führt zu CO2-Emissionen), Viehhaltung, Mülldeponien (Emission von Methan CH4), Waldrodung

Boden: Versiegelung und Flächenverbrauch; Bodenverdichtung und erosion

Bebauung (Anlage von Siedlungsund Verkehrsflächen); Trittbelastung

Verlust von Biodiversität

Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft; Zerstörung und Zerschneidung von Lebensräumen; Verschmutzung von Luft, Gewässern und Böden; Jagd, Fischerei; Klimawandel; Einschleppung gebietsfremder Arten Wasserverbrauch und -verschmutzung durch Industrie, Landwirtschaft, Haushalte Bau und Betrieb von Industrieanlagen, Verbrauch von Konsumgütern im Haushalt Geräuschimmissionen durch Verkehr, Bau und Betrieb von Infrastruktur, Veranstaltungen

Wasser: Trinkwasserdefizite und Gewässerbelastung Abfall, Giftmüll

Lärmbelästigung

Tab. 10 Umweltproblemfelder und (Mit)-Verursacher im Freizeitbereich

(Mit)-Verursacher im Freizeitsektor Freizeitverkehr (An- und Abreise zu Freizeitattraktionen und veranstaltungen), Bau und Betrieb von Freizeitinfrastruktur (z.B. Erlebnisparks, Sporthallen, Badelandschaften), Produktion von Freizeitkonsumgütern Freizeitverkehr; Grün-, Freizeitund Erholungsanlagen; Erlebnisparks; Open-Air Großveranstaltungen (sportliche Wettkämpfe, Konzerte); Freizeitaktivitäten (z.B. Wandern, Camping, Mountainbiking) Bau von Freizeitinfrastruktur (z.B. Sporthallen, Freizeit- und Erlebnisparks); Freizeitaktivitäten (z.B. Skifahren, Felsenklettern, Tierbeobachtung)

Freizeitparks und Badelandschaften, Wasser- und Wintersport, Veranstaltungen Betrieb von Freizeitparks, Großveranstaltungen, Shopping und Gastronomie, Sportartikelindustrie Freizeitverkehr, Sport- und Freizeitanlagen, Freizeitveranstaltungen (z.B. Open-Air Konzerte) und aktivitäten

258

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Klimawandel und globale Erwärmung Nach Artikel 1 der Klimarahmenkonvention von 1992 ist Klimawandel definiert als „Änderungen des Klimas, die unmittelbar oder mittelbar auf menschliche Tätigkeiten zurückzuführen sind, welche die Zusammensetzung der Erdatmosphäre verändern, und die zu den über vergleichbare Zeiträume beobachteten natürlichen Klimaschwankungen hinzukommen“ (Klimarahmenkonvention (1992) 2009). Problem: Durch die Freisetzung großer Mengen klimawirksamer Gase, die sich in der Atmosphäre anreichern, wurden die Konzentrationen der natürlich vorkommenden Gase in der Atmosphäre (Wasserdampf - H2O, Kohlendioxid - CO2, Ozon - O3, Lachgas - N2O und Methan - CH4) durch Eingriffe des Menschen verändert. Gegenüber vorindustriellen Zeiten stiegen weltweit die Konzentrationen von CO2 um ca. 30 % und von Methan um 145 %. Zum Teil gelangen auch völlig neue Stoffe (z.B. FCKW) sowie in größeren Höhen durch den Flugverkehr emittierter Wasserdampf in die Atmosphäre. Die Akkumulation dieser anthropogenen, d.h. durch den Menschen, freigesetzten klimarelevanten Gase in der Atmosphäre bewirkt neben dem natürlichen Treibhauseffekt, ohne den kein Leben auf der Erde möglich wäre, einen zusätzlichen anthropogenen Treibhauseffekt. Dieser und die damit verbundenen Klimaänderungen werden mit großer Wahrscheinlichkeit für viele Regionen der Erde massive nachteilige Auswirkungen haben (vgl. Abb. 42). Die ersten befürchteten Änderungen sind bereits innerhalb weniger Jahrzehnte eingetreten und auch Dürreperioden, Überschwemmungen und Stürme nehmen zu. Durch die Änderung der jahreszeitlichen Temperatur- und Niederschlagsmuster verschieben sich die Vegetationszonen der Erde tendenziell immer weiter polwärts. Dies verursacht eine Veränderung der Zusammensetzung und der geographische Verteilung vieler Ökosysteme. Klimaänderungen führen darüber hinaus zu einer Intensivierung des globalen hydrologischen Kreislaufes und können damit erhebliche Auswirkungen auf die regionalen Wasservorkommen hinsichtlich der Menge als auch der Qualität haben. Daneben begünstigt die Erderwärmung auch die Bildung von Wüsten, da viele Wüstengebiete heißer, aber nicht feuchter werden. Die globale Erwärmung trägt durch zunehmendes Abtauen der Inlandgletscher gemeinsam mit der thermischen Ausdehnung erwärmter Meere in den nächsten 100 Jahren zu einem Meeresspiegelanstieg von ca. 50 cm im globalen Mittel bei. Werden keine Gegenmaßnahmen ergriffen, verdoppelt sich nach neueren Einschätzungen die Anzahl der weltweit durch Sturmfluten gefährdeten Menschen von etwa 50 Mio. auf rund 100 Mio. Insbesondere flache Inselstaaten oder tropische Küstenländer laufen Gefahr, zumindest teilweise nicht mehr bewohnbar zu sein – auch in den Niederlanden und an der deutschen Nord- und Ostseeküste werden die Auswirkungen spürbar sein. Zudem werden Klimaänderungen wahrscheinlich vielfältige und vornehmlich negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben und möglicherweise zu einem bedeutsamen Anstieg von Todesfällen führen. Außerdem können negative Auswirkungen auf die Qualität von Nahrungsmitteln und Wasser in den betroffenen Gebieten zu einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen (Hitzewellen, Infektionskrankheiten etc.). Insgesamt ist in den betroffenen Gebieten mit erheblichen sozialen Auswirkungen infolge klimabedingter Verschlechterung der natürlichen Lebensgrundlagen zu rechnen,

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

259

einhergehend mit verstärkten Migrationsbewegungen und der Gefahr einer Konfliktverschärfung bei künftigen Verteilungskämpfen von knapper werdenden Ressourcen.

Treibhausgas-Emissionen

Meeresspiegelanstieg (durch thermische Ausdehnung + Abschmelzvorgänge)

Überflutung küstennaher Wohn- und Anbaugebiete

Temperaturanstieg Häufigere Stürme

• Ausbreitung von Krankheiten •Dürren (Wassermangel) •Hitzestress für Menschen sowie •für (Nutz-)Pflanzen und –Tiere -> Rückgang landwirt. Produktion

Veränderter Niederschlag Mancherorts mehr Mancherorts weniger

Dürren • Sturmschäden und –opfer • sturmbedingte Flutkatastrophen

• Erosion • Flutkatastrophen

Wirtschaftliche Schäden, Tote/Verletzte durch Wetterkatastrophen + Hungersnöte, Migration/Kriege,… Abb. 42 Folgen des Treibhauseffektes

Verursacher: Treibhausgase (THG) entstehen vor allem bei Verbrennungsprozessen durch das Freisetzen von Kohlendioxid (C02). Mit einem Anteil von durchgehend über 80 % ist Kohlendioxid seit 1990 mit Abstand Hauptverursacher bei den THG in Deutschland. Fast die gesamten C02-Emissionen sind auf die stationäre und mobile Verbrennung fossiler Brennstoffe zurückzuführen, während die nicht energetischen Prozessemissionen einen Anteil von unter 3 % ausmachen. Der Großteil der verbrennungsbedingten C02-Emissionen entfiel 2005 auf die Energieerzeugung in fossilen Kraftwerken (ca. 43 %). Die Anteile der restlichen Quellgruppen sind: Verkehr 20 %, Haushalte und Kleinverbraucher 21 % und Industriefeuerungen 15 %. Während sich der Anteil der Industrie an den gesamten C02-Emissionen seit 1970 etwa halbiert hat, stieg der des Verkehrs bis 2005 auf nahezu das Dreifache. Die Treibhausgasemissionen des Verkehrs gehen vor allem vom Automobilverkehr, vom Straßengüterverkehr und vom Luft- und Seeschifffahrtsverkehr aus.

260

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Abb. 43 Sektorenanteile der weltweit freigesetzten CO2-Emissionen und Treibhausgase (Stern 2007)

Bereits Ende der 1990er Jahre wurde für die Freizeit ein Anteil von 17 % am Primärenergieverbrauch Deutschlands bilanziert (vgl. BUND/Misereor 1998, S. 108), womit der Bereich Freizeit beim Energieverbrauch an dritter Stelle nach den Bereichen Wohnen und Ernährung stand. Verbraucht wird Energie im Freizeitbereich vor allem beim Bau und Betrieb von Freizeitinfrastruktur sowie bei der Produktion von Freizeitkonsumgütern. Weiterhin ist der Freizeit- und Tourismussektor ohne räumliche Mobilität nicht vorstellbar. Auch deshalb hat dieser Sektor einen erheblichen Anteil am weltweit zunehmenden Verkehrsaufkommen und den damit verbundenen umweltschädlichen Treibhausgasemissionen, die als ursächlich für den fortschreitenden Klimawandel gelten. Die Anreise ins Ferien- bzw. Freizeitgebiet erfolgt zumeist mit Auto, Bus, Flugzeug oder Bahn. Die hierdurch verursachten Emissionen sind eines der größten Umweltprobleme von Freizeit und Tourismus. Insbesondere die Belastung durch den – zum größten Teil touristischen - Flugverkehr nimmt mit einer Wachstumsrate um 5 Prozent jährlich ständig zu. Der Freizeitverkehr hatte im Jahr 2005 mit 35,6 % mit Abstand den größten Anteil an den Beförderungsleistungen in Deutschland. Der Anteil des Berufsverkehrs belief sich auf 17,6 %, es folgten der Einkaufsverkehr (17,2 %) und der Geschäftsverkehr mit 12,9 % (DESTATIS 2008).

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

261

Boden und Flächenverbrauch Ein Boden besteht natürlicherweise aus zwei Horizonten über dem wasserregulierenden Untergrund (Muttergestein): humusreicher Oberboden und durchwurzelter Unterboden (siehe Abb. 44).

Oberboden ca 5-30 cm

Unterboden ca 80-120 cm

Grenze der Durchwurzelung (Muttergestein)

Abb. 44 Bestandteile des Bodens (BUWAL 2004)

Böden haben vielfältige natürliche Funktionen. Sie sind Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen. Böden sind durch ihre Eigenschaften aber auch Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen und schützen durch ihre Filtereigenschaften insbesondere das Grundwasser. Darüber hinaus haben sie zahlreiche Nutzungsfunktionen, etwa für die Erzeugung von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen, als Rohstofflagerstätte oder als Fläche für Verkehr, Siedlung und Erholung. Entsprechend ist der Boden- oder Flächenverbrauch definiert als „Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Diese wiederum umfasst sämtliche Gebäudeflächen, befestigte und begrünte Freiflächen (Hausgärten, Abstandsflächen etc.); Verkehrsflächen, Straßenbegleitflächen; Erholungsflächen (Parkanlagen, Sportstätten); Betriebsflächen (Deponien, Kraftwerksanlagen u.a.) sowie Friedhöfe“ (vgl. BUND 2006). Gegenwärtig werden in Deutschland jeden Tag über 100 Hektar freie Landschaft durch Zersiedlung und Versiegelung verbaut. Das sind 12 Quadratmeter in der Sekunde. Der Boden- und Flächenschutz spielt für eine zukunftsfähige Entwicklung eine große Rolle. Die deutsche Bundesregierung hat in ihrer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel aufgenommen, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar pro Tag, also um rund zwei Drittel, zu reduzieren.

262

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Das Problem besteht also in der stetigen Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche, was vielfältige negative ökologische Wirkungen zur Folge hat. Wichtige Lebensräume für Flora und Fauna gehen verloren, Böden werden degradiert, die Zerschneidung und Verkleinerung von Lebensräumen führt zu einem Rückgang der Arten- und Biotopvielfalt und einer Zersiedlung der Landschaft. Grundwasser ist immer weniger gegen Stoffeinträge geschützt und seine Neubildung durch eine verringerte Niederschlagsversickerung erschwert. Versiegelter Boden kann seine Funktion für die Grundwasserneubildung und -reinhaltung nicht mehr erfüllen. Insbesondere bei starken Regenfällen und ungünstiger Wetterlage kommt es zu erhöhtem Oberflächenabfluss und damit zu einer Beeinträchtigung des Wasserhaushalts mit der Folge einer wachsenden Hochwassergefahr. Auf bebauten und versiegelten Flächen müssen erhöhte Mengen an Niederschlagswasser über Kanalisation und Oberflächengewässer abgeführt werden. Auch das Stadtklima wird durch die Bebauung und Versiegelung negativ beeinflusst. Nicht zuletzt führt eine Ausweitung der Verkehrsflächen auch zu einer weiteren Entstehung von Verkehr, erhöhtem Energieverbrauch, Schadstoff- und Lärmemissionen. Die Ausweitung der Gewerbeflächen und der Wohngebiete in der Peripherie der Ballungsräume begünstigt verkehrserzeugende, material- und energieintensive Betriebsabläufe, Bauweisen, Wohnformen und Lebensstile. Durch Verkehrswege werden die Landschaft und damit der Lebensraum von Tieren und Pflanzen immer stärker zerschnitten. Biotope werden geschädigt oder zerstört, Wanderkorridore werden unterbrochen und Tiere mit größeren Aktionsradien verlieren ihren Lebensraum. Die Flächenzerschneidung gilt als eine wesentliche Ursache für die Bedrohung bzw. den Verlust von biologischer Vielfalt. Durch die Flächeninanspruchnahme werden auch (siedlungsnahe) Erholungslandschaften der Menschen beeinträchtigt oder gehen gar verloren. In der Folge müssen für das Naturerleben immer weitere Strecken zurückgelegt werden. Hinzu kommen zusätzliche Verkehrsbelastungen durch längere Wege, somit mehr Lärm und Abgase, verstärkt durch die meist fehlende oder ungenügende Anbindung neuer Baugebiete an die Netze des öffentlichen Nahverkehrs und des Radverkehrs. Die Verursacher bzw. die Gründe für den Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche sowie für weitere Bodenbelastungen sind vielfältig. Der größte Teil hiervon geht auf das Konto neuer Wohn- und Gewerbegebiete und zu Lasten landwirtschaftlich genutzter Fläche. Rund ein Viertel wird zu neuen Straßen und anderen Verkehrswegen, vor allem in den neuen Bundesländern. Hinzu kommen Grün- und Erholungsflächen, Parks, Friedhöfe und Gärten. Freizeit als Mitverursacher: Der Flächenbedarf für Freizeitinfrastruktur ist enorm, da er sich oftmals getrennt von der autochthonen Infrastruktur und Flächennutzung abspielt. So hat der Ausbau von flächenintensiven Freizeit- und Erlebnisparks, Campingplätzen, Golfplätzen und Sportanlagen oder der freizeitorientierten Verkehrsinfrastruktur (Zufahrtsstraßen, Parkplätzen, Seilbahnen und Flughäfen) einen erheblichen Flächenverbrauch und damit enorme Bodenverdichtungen und -versiegelungen zur Folge. Hinzu kommen Trittbelastungen durch Freizeitaktivitäten wie Wandern, Camping oder Mountainbiking, die wiederum ursächlich für teilweise gravierende Bodenerosionen sind (siehe Kap. 6.3).

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

263

Verlust der biologischen Vielfalt Die biologische Vielfalt (Biodiversität) umfasst die Vielfalt an Arten und Lebensräumen wie auch die genetische Vielfalt innerhalb der einzelnen Tier- und Pflanzenarten. Alle drei Bereiche sind eng miteinander verknüpft und wirken aufeinander ein. Sie bilden immer neue Kombinationen – wie ein riesiges Netz, in dem immer neue Knoten geknüpft werden. Dieses Netzwerk der biologischen Vielfalt macht die Erde zu einem einzigartigen, bewohnbaren Raum für die Menschheit. Es gibt keine konkreten Zahlen darüber, wie viele Arten auf unserer Erde wirklich existieren. Schätzungen bewegen sich zwischen 10 und 100 Millionen, Experten gehen von ca. 15 Millionen existierenden Arten aus. Derzeit bekannt und beschrieben sind ca. 1,8 Millionen Arten, auf ihre Gefährdung hin untersucht wurden bisher ca. 40.000 Arten. Zwei Drittel aller zurzeit bekannten Arten gehören zur Gruppe der Insekten. Es gibt allein unter den Käfern etwa doppelt so viele Arten wie bei den Pflanzen. Die biologische Vielfalt ist nicht gleichmäßig über die Erde verteilt. Ca. 70 % aller Arten finden sich in den 17 so genannten Megadiversitätsländern – in Gebieten höchster Artenvielfalt der Tropen und Subtropen („hotspots“ der Biodiversität). Bei den höheren Pflanzen beispielsweise, steht allen voran Brasilien mit ca. 56.000 Arten, gefolgt von Kolumbien mit ca. 51.000 Arten und China mit ca. 32.000 Arten. Deutschland mit nur 2.682 höheren Pflanzenarten ist dagegen vergleichsweise arm (vgl. BfN 2007). Die Kulturlandschaft Mitteleuropas hat in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Maximum an Arten- und Biotopvielfalt erreicht. Durch traditionelle, regional unterschiedliche Nutzungsformen sind zahlreiche Nischen für Arten entstanden und entsprechende Lebensräume haben sich herausgebildet (ebd.). Eine große Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen ist eine wesentliche Voraussetzung für einen leistungsfähigen Naturhaushalt und bildet eine wichtige Lebensgrundlage des Menschen. Natur und Landschaft in Deutschland sind durch Jahrhunderte lange Nutzungen geprägt. Zur Erhaltung der daraus entstandenen und der natürlich gewachsenen Vielfalt reicht ein kleinflächiger Schutz von Arten und Lebensräumen nicht aus. Vielmehr sind nachhaltige Formen der Landnutzung in der Gesamtlandschaft, eine Begrenzung von Emissionen und ein schonender Umgang mit der Natur erforderlich. Auf diese Weise kann die Artenvielfalt erhalten und zugleich die Lebensqualität des Menschen gesichert werden. Das Problem besteht darin, dass die Biodiversität weltweit kontinuierlich abnimmt. Die aktuelle Rate des globalen Artensterbens übersteigt die angenommene natürliche Aussterberate um das 100- bis 1.000-fache. Laut der Roten Liste bedrohter Arten, die die Weltnaturschutzunion IUCN im Jahr 2006 veröffentlicht hat, sind ca. 15.500 Arten weltweit vom Aussterben bedroht, darunter 23 % aller Säugetiere, 12 % der Vögel und 31 % der Amphibien. Die Gesamtzahl der Arten hat zwischen 1970 und 2000 um 40 % abgenommen. Nicht nur Tier- und Pflanzenarten, sondern auch zahlreiche Ökosysteme sind weltweit in Gefahr. Schon 1990 waren nach Schätzungen der FAO vermutlich 42 % des tropischen Regenwaldes vernichtet. Seither ging die Zerstörung unvermindert weiter. Noch immer gehen jedes Jahr 0,5 bis 1 % der tropischen Wälder verloren.

264

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Auch innerhalb der einzelnen Arten schwindet die genetische Vielfalt enorm. Experten sprechen inzwischen von „genetischer Erosion“. Wie groß diese bei wildlebenden Arten ist, lässt sich nur schwer schätzen, denn hier bestehen erhebliche Datenlücken. Bessere Kenntnis besitzen wir bei gezüchteten, landwirtschaftlich genutzten Arten. Über Jahrtausende hinweg wurden ca. 3.000 Sorten Weizen, 5.000 Sorten Reis und 6.000 Sorten Mais gezüchtet. Heutzutage werden jedoch nur noch wenige Hochleistungssorten angebaut. Weltweit liefern nur 30 Arten etwa 95 % der pflanzlichen Nahrungsmittel. Der Rest wird kaum noch verwendet und droht unwiederbringlich zu verschwinden. Genetische Vielfalt und Artenreichtum sind eng miteinander verknüpft. Je geringer die genetische Vielfalt einer Art, desto größer ist das Risiko, dass sie ausstirbt. Ist die genetische Vielfalt dagegen groß, wächst die Chance, dass sich Teile der Population an neue Umweltbedingungen – etwa den Klimawandel – anpassen und überleben können. Der Mensch - entweder direkt oder indirekt - ist der Hauptverursacher dieses Rückgangs der biologischen Vielfalt. Global betrachtet gehen die stärksten Bedrohungen u.a. aus von     

der großflächigen Zerstörung, Verkleinerung und Zersplitterung von Lebensräumen Umweltzerstörungen und Umweltschäden wie Verschmutzung von Luft, Meeren, Flüssen und Böden von der Übernutzung natürlicher Ressourcen aufgrund von Jagd, Fischerei, Entwaldung, Landnutzungsänderungen, Anlage von Monokulturen etc. vom Klimawandel und von eingewanderten bzw. durch den Menschen eingeschleppten gebietsfremden Arten und Organismen, die einheimischen Arten den Lebensraum streitig machen und sie im schlimmsten Fall endgültig verdrängen.

Die wichtigsten Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt in Deutschland sind die Intensivierung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, die Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft, die Versiegelung von Flächen sowie Stoffeinträge (zum Beispiel Säurebildner oder Nährstoffe) und der Klimawandel. Im Siedlungsbereich wirken sich Verluste an naturnahen Flächen und dörflichen Strukturen aufgrund von Bautätigkeit und Flächenversiegelung negativ aus. Zudem hat der Verlust von Biodiversität vielfältige Querbezüge zu anderen Umweltproblemfeldern. So führt der Klimawandel bereits heute zu einer Verschiebung der Verbreitungsgebiete vieler Arten und beginnt die Landschaften in Deutschland umzuformen. Der vom Menschen verursachte Klimawandel könnte künftig die Artenvielfalt sowie das Artenspektrum durch Einwanderung und Aussterben von Tier- und Pflanzenarten wesentlich verändern. Auch der Freizeitsektor ist ein Mitverursacher für den Rückgang der Biodiversität. Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist dieser Sektor auf eine intakte Natur und Umwelt angewiesen. Das Natur- und Landschaftserlebnis gehört zu den wichtigsten Freizeitmotiven. Allerdings können von der Freizeitinfrastruktur und insbesondere den Freizeitaktivitäten gerade in sensiblen Naturräumen erhebliche Beeinträchtigungen ausgehen. Dazu gehören Erschließungsmaßnahmen im hochalpinen Bereich (Pistenbau, Skilifte etc.) und davon durch Erosion ausgehende Gefährdungen genauso wie Störungen von Brutplätzen in Küsten- oder

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

265

Schilfgebieten an Seen. Viele Freizeitaktivitäten wie Skifahren, Sporttauchen, Bootfahren, Felsenklettern, Bergwandern und Trekking belasten die Naturräume und die darin lebenden Tiere und Pflanzen. Der Bau von Freizeitinfrastruktur (Sporthallen, Freizeit- und Erlebnisparks) kann zu einer Veränderung oder gar Zerstörung von Biotopen führen mit negativen Folgen für die Artenzusammensetzung eines bestimmten Lebensraumes. Das folgende Wirkungsschema (Abb. 45) verdeutlicht mögliche negative Auswirkungen von Freizeitaktivitäten am Beispiel der Tierwelt.

Freizeitaktivität

Direkte Einwirkungen

Indirekte Einwirkungen

Störungen

Veränderung des Biotops

Anpassung Gewöhnung

Rückkehr nach Ende der Störung

Flucht oder Wanderung

Veränderung der Fortpflanzungsrate

Tötung

Veränderung der Population Veränderung der Artenzusammensetzung

Abb. 45 Wirkungsschema (eigene Darstellung in Anlehnung an Scharpf/Harfst 1983)

Zur Bewertung der Auswirkungen von Freizeitaktivitäten und -veranstaltungen auf die Tierwelt kommt dem Begriff Störung eine zentrale Bedeutung zu. Der Begriff Störung ist an sich schon wertend und bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch die negativen Folgen menschlichen Handelns. Eine Störung muss als erheblich eingestuft werden, wenn eine der folgenden Kriterien erfüllt wird (vgl. BUWAL 1996): 

Schwächung der Individuen und/oder Rückgang der Individuenzahl einer Population (Verminderung der Kondition; Verminderung der Überlebens und/oder Fortpflanzungsrate, Fitness)

266

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit  

Verlust von wichtigem Lebensraum einer Population Folgewirkungen auf andere Elemente des Lebensraumes (Benachteiligung anderer Arten, Schäden an der Vegetation, etc.).

Während der Setz- und Aufzuchtzeit gelten beispielsweise wildlebende Tiere als besonders störempfindlich. Generell gilt daher, dass Störungen während der Balz-, Brut-, Setz- oder Aufzuchtzeit gefährdeter Tierarten zu vermeiden sind. Flächige und über Stunden oder mehrere Tage andauernde Störungen machen ein kurzes Ausweichen unmöglich und verursachen Verhaltensänderungen, die in Abhängigkeit von Tierart und Konstitution mit erheblichen Auswirkungen (bis hin zu erhöhter Mortalität) verbunden sein können. In Deutschland werden zahlreiche Veranstaltungen während dieser Zeiten durchgeführt. In Populationen, die aufgrund geringer Größe oder anderer Faktoren wenig stabil sind, können selbst Störungen einzelner Individuen auf der Basis veränderter Fitness schwerwiegende Folgen für lokale Bestände oder gar die gesamte Population haben (siehe Kap. 6.3.4). Wasserverbrauch und Gewässerbelastung Wasser ist in reinem Zustand und bei Normalbedingungen eine farb-, geruchs- und geschmacklose Flüssigkeit. Es ist das am weitesten verbreitete Lösungsmittel auf der Erde, unersetzbar für Stofftransporte und maßgeblich beteiligt am Aufbau organischer Systeme (Pflanzen, Tiere, Menschen). Wasser nimmt zudem bedeutende Regulierungsfunktionen im Klimasystem unseres Planeten wahr (vgl. Müller, H. 2007, S. 117). Knapp 97 % der weltweiten Wasservorräte sind als Salzwasser in den Meeren gespeichert. Nur rund 3 % finden sich als potenzielles Süßwasser auf dem Festland bzw. in der Atmosphäre. Davon sind etwa die Hälfte im Grundwasser und die andere Hälfte in Eiskappen und Gletschern gespeichert. Das Verhältnis von Süßwasser (theoretisches Trinkwasser) und tatsächlich genutztem Trinkwasser beträgt 10:1 (TUI 1993, S. 39). Obwohl Wasser eine erneuerbare Ressource darstellt, ist seine Verfügbarkeit begrenzt. Das erneuerbare Wasserpotenzial (Niederschläge minus Verdunstung) schwankt regional innerhalb weiter Grenzen. Weltweit werden 8 – 10 % des vorhandenen Süßwasserpotenzials genutzt. Die Verfügbarkeit von weniger als 1000 Kubikmeter pro Person und Jahr wird als nicht mehr ausreichend erachtet (Tilzer 2002, S. 1). Bereits heute leben mindestens 1,6 Mrd. Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser in genügender Qualität und Quantität. Im Jahr 2025 werden bereits 35 % der Weltbevölkerung akutem Wassermangel ausgesetzt sein (Brunner et al. 2000). Nach Tilzer (2002, S. 1) dient Wasser der Menschheit in vielfältigen Funktionen:    

Lebenserhaltungsfunktion: Wasser als Lebensmittel sowie für die Erzeugung von Lebensmitteln Lebensraumfunktion: Wasser als Lebensmedium für Organismen Regelungsfunktion: Wasser als steuernder Faktor des globalen und regionalen Klimas Nutzungsfunktionen: Nutzung von lebenden Ressourcen und Nutzung als Wasserwege

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit 

267

Kulturfunktionen: Bedeutung des Wassers für Kunst und Religion.

Probleme mit dem Wasser ergeben sich nach Tilzer (2002, S. 2) vor allem durch die anthropogene Beeinflussung der Süßwasserressourcen und seiner o.g. Funktionen. Das sind zum einen Eingriffe in den Wasserhaushalt, wobei dann eine nicht nachhaltige Wassernutzung gegeben ist, wenn nicht erneuerbare Wasserressourcen (fossiles Grundwasser) genutzt werden. Ineffiziente Bewässerung und große Stauhaltungen erhöhen die Wasserverdunstung und verringern die Verfügbarkeit von Wasser für stromabwärts liegende Nutzer. Zum anderen werden Gewässerökosysteme und ihre Lebensraumfunktionen auf vielfältige Weise beeinträchtigt: Dazu zählen der Eintrag von Nährstoffen (Eutrophierung), von Schadstoffen (Verschmutzung), von Säuren (Gewässerversauerung), die Übernutzung lebender Ressourcen (Fischerei) sowie die Konversion von Gewässerökosystemen beispielsweise durch Baumaßnahmen. Belgien

122

Deutschland

129

Dänemark

136

Spanien

145

England

147

Frankreich

151

Finnland

155

Polen

158

Österreich

160

Niederlande

166

Luxenburg

170

Schweden

188

Italien

213

Schweiz

237

Kanada

255

Australien

256

Norwegen

260

Japan

278

USA

295 0

50

100

150

200

250

300

350

Abb. 46 Haushaltswasserverbrauch im internationalen Vergleich – in Litern pro Einwohner und Tag – Quellen OECD 1999; IWSA 1999; BGW-Wasserstatistik 2000

Der Verbrauch von Wasser ist regional sehr unterschiedlich. Weltweit gesehen entfallen rund 69 % des Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft, 23 % auf Industrie und Gewerbe und 8 % auf private Haushalte. Wir benötigen Wasser für so alltägliche Dinge wie Duschen, Baden, Waschen, Abwaschen und Putzen im Haushalt, zur Bewässerung in der Landwirtschaft, als Transportweg, für die Elektrizitätsgewinnung und auf vielfältige Weise in der Industrie. Zudem trägt Wasser als wesentliches Element der Landschaft zu deren Erholungsund Wohlfahrtsfunktion bei (vgl. Müller, H. 2007, S. 117).

268

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Generell ist der Verbrauch in Industrie und Haushalten in den westlichen Industrieländern deutlich höher als in den Ländern des Südens, wo der Verbrauch in der Landwirtschaft dominiert. Während der Wasserverbrauch pro Kopf und Tag in westeuropäischen Ländern bei durchschnittlich um die 160 Liter liegt (Deutschland: 129 Liter), werden z.B. in Japan oder den USA sogar bis zu 300 Liter pro Einwohner und Tag verbraucht (vgl. Abb. 46). Dagegen stehen den Menschen in zahlreichen afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Ländern oftmals weniger als 5 Liter Wasser täglich zur Verfügung. In der Freizeit spielt Wasser in zweierlei Hinsicht eine zentrale Rolle. Erstens ist Wasser ein prägender Teil des Landschaftsbildes (Bäche, Flüsse, Seen, Schnee und Eis), zweitens dient Wasser als Grundlage für viele Freizeitaktivitäten. Baden, Schwimmen, Tauchen, Segeln, Surfen, Rudern oder Angeln finden alle auf, im oder am Wasser statt. Darüber hinaus gilt der Wasserbedarf beispielsweise in Freizeitparks und Badelandschaften als Mitverursacher von hohen Wasserverbrauchsmengen. Auch Großveranstaltungen benötigen für die vielen Besucher erhebliche Mengen Wasser in den sanitären Anlagen. Naturgebundene Freizeitaktivitäten wie der Wintersport (künstlicher Schnee) oder Sportanlagen (Beregnung von Spielflächen, Golfplätzen) sind ebenfalls auf große Mengen Wasser angewiesen (vgl. Müller, H. 2007, S. 118). Schließlich wird Wasser auch in der Gastronomie und Beherbergung benötigt. In der Gastronomie liegt der Wasserverbrauch dabei insgesamt niedriger als im Beherbergungssektor. So werden in der Gastronomie pro Gast zwischen 24 und 67 Liter Wasser „verbraucht“, zwischen 65 und 103 Litern sind es dagegen z.B. in mittelständischen Hotels (BfN 1998, S. 10). Abfallaufkommen Abfall ist der unbrauchbare Überschuss aus menschlichen Siedlungen und Produktionsstätten. „Abfälle sind bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss und deren geordnete Beseitigung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit insbesondere des Schutzes der Umwelt geboten ist. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung“. (Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen - Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1994, zuletzt geändert durch Art. 3, Gesetz v. 11.8.2009, I 2723). Problem: Im Jahr 2006 betrug das Brutto-Abfallaufkommen in Deutschland 372,9 Mio. t. Das in diesem enthaltene Netto-Abfallaufkommen (339,9 Mio t.) sank im Vergleich zu 1999 um 16 % (vgl. Abb. 47). Der Rückgang ist hauptsächlich auf die Abnahme der Bau- und Abbruchabfälle zurückzuführen. Rund 14,8 % der Abfälle stammten aus der Produktion und dem Gewerbe. Das waren 55,1 Mio. t. Nach den Bauabfällen war dies demnach die bedeutendste Abfallgruppe. Etwa 46,4 Mio. t (12,4 %) des Abfallaufkommens waren 2006 den Siedlungsabfällen zuzurechnen. 70 % der Siedlungsabfälle wurden 2006 verwertet. Haushaltsabfälle machten 2006 mit 40,8 Mio. t fast 90 % der Siedlungsabfälle aus (siehe Abb. 47). Jeder Bundesbürger erzeugte im Jahr 2006 rund 496 kg Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle.

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

269

Abb. 47 Abfallaufkommen (einschließlich gefährlicher Abfälle) ( Statistisches Bundesamt 2008)

Die Zusammensetzung der Haushaltsabfälle ist in Abb. 48 dargestellt. Abfälle aus der Biotonne 9%

Sperrmüll

Garten- und Parkabfälle 10 %

6%

Hausmüll, hausmüllähnliche Gewerbeabfälle 35 %

Andere getrennt gesammelte Fraktionen 40 % Leichtverpackungen, Kunststoffe 11 % Papier, Pappe, Kartonagen

20 % 4% 5% Glas

Elektroaltgeräte 1% Sonstiges (Verbunde, Metalle, Textilien usw.)

Abb. 48 Zusammensetzung der Haushaltsabfälle 2006 (Statistisches Bundesamt, Abfallentsorgung 2006, Wiesbaden 2008)

270

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Als Hauptquellen bzw. -verursacher von Abfall im Freizeitbereich gelten: 









Großveranstaltungen/Events: Nur wenige Kommunen stellen bislang Geschirr und Besteck für die Organisatoren und Veranstalter von Rockkonzerten, Festivals, Sportevents, Messen, Volksfesten usw. zur Verfügung. So ist das Aufkommen an Einweggeschirr und anderem Veranstaltungsmüll nach wie vor erheblich. Bei Straßenparaden oder Stadt(teil)festen müssen häufig mehrere Entsorgungstrupps der kommunalen Müllabfuhr anrücken, damit die Spuren so schnell wie möglich beseitigt werden können. So hinterließen die 580.000 Besucher der „Grünen Woche“ in Berlin 1991 ca. 773 Tonnen Abfall (vgl. BfN 1998, S. 11). Konsumgüterindustrie: Hier fallen u.a. alte Mobilfunkgeräte, Videokassetten, ausrangierte HiFi-Türme, alte Elektronikspiele usw. an. Da man immer mit der Mode gehen will und sich auch neuen Modellen nicht verschließen will, werden alte Konsumartikel regelmäßig zu „Freizeitmüll“. Sportartikelindustrie: Die Kurzlebigkeit vieler Güter gilt auch für die sportliche Ausstattung, vor allem bei Trendsportarten. So ist die Ausübung von Freizeitsport sehr häufig mit dem Gebrauch spezieller Sportausrüstung (Bekleidung, Geräte, Ausrüstung) verbunden. Hierdurch entsteht auch Abfall in Form ausgedienter Sportbekleidung und geräte. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Materialien – mechanische Belastbarkeit bei Sportgeräten, Thermo-Eigenschaften der Sportbekleidung – werfen diese Produkte Probleme nicht nur bei der Herstellung durch Energieverbrauch (CO2-Emissionen!) sondern auch beim Recycling oder bei der Deponierung auf. Da viele High-TechSportschuhe aus neuen Kunststoff-Kombimaterialien bestehen, sind sie einerseits in der Produktion, andererseits in der späteren Verwertung sehr problematisch. Auch Surfbretter und Boote bestehen meist aus Kunststoffverbünden, die schwer wieder verwendbar sind. Glasfaserverstärkte Kunststoffe können bestenfalls für Press- oder Füllmaterial verwendet werden. Der Sportgeräte-Abfall eines Wassersportlers beläuft sich auf rund 1,4 kg pro Jahr. In Skiern sind bis zu 20 verschiedene Kunst- und Werkstoffe als Verbund eingesetzt. Ein Recycling wird als eingeschränkt bis unmöglich eingeschätzt. Allein Ski- und Sportschuhe verursachen das Äquivalent von der Menge Müll, die eine Kleinstadt im Jahr an Abfall produziert. Der Anteil des Bedarfsfeldes Freizeit am gesamten Materialverbrauch der Deutschen rangierte im Jahr 1990 mit 13% (6,8 t pro Kopf) an dritter Stelle nach Wohnen und Ernährung (vgl. IFEU 1997, S. 105). Landschaftsgebundene Freizeitaktivitäten (Tagesausflügler): Verpackungsmüll durch Wegwerfverpackungen und gleichgeartete Wegeverpflegung an Imbissständen oder im Rucksack bereichern den Abfallberg im Freizeitsektor erheblich. Die scheinbar kleinen Müllmengen entlang von Wanderwegen in den deutschen Naturparks und Nationalparks, in Grünanlagen sowie an Badeseen und -stränden, sind personalintensiv und kostspielig zu beseitigen, da sie oft per Hand eingesammelt werden müssen. So fallen z.B. in St. Peter-Ording jährlich 30-60 Tonnen Strandmüll an, an Spitzentagen füllt dieser Abfall 300 Müllsäcke. Allein die Leerung der Abfallkörbe am Strand, auf öffentlichen Wegen und in Kuranlagen kostet die Gemeinde einen fünfstelligen Eurobetrag monatlich in der Saison (vgl. Möller 1992 zitiert in BfN 1998). Gastronomie und Beherbergung: In der Hotellerie entstehen nach Angaben der TUI (1993, S. 42) pro Tag und Gast zwischen zwei und fünf Volumenliter Müll. Dieser fällt

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

271

zum großen Teil in Küche und Restauration (Portionsverpackungen, Altglas, Büchsen, Fertigprodukte, Essensreste und Kochabfälle), auf der Etage (Portionsverpackungen für Seifen und Duschgels, Reinigungsmittel, ausgediente Textilien) sowie im Büro (Papier, Tonerkassetten, Folien, Kugelschreiber etc.) an. Auf Campingplätzen, in Jugendherbergen, Erholungsheimen, aber auch in kleinen Pensionen ist das Müllaufkommen pro Gast in der Regel geringer als in Hotels, bei denen allerdings auch der Abfall der Außer-HausGäste des Restaurants enthalten ist (vgl. BfN 1998, S. 10). In einem durchschnittlichen Restaurant in Ostholstein fielen nach Angaben des BfN (1998, S. 11) etwa 66 kg Abfälle pro Sitzplatz im Jahr an; davon waren über die Hälfte Küchen- und Speiseabfall (53 %), gefolgt von Papier und Pappe (17 %), Verpackungen (14 %), Glas (7 %) und Sonstiges (9 %). Die durchschnittlichen Abfallmengen unterschiedlicher Beherbergungsarten sind in Abb. 49 dargestellt.

Abb. 49 Abfall (kg) pro Gast und Tag nach Unterkunft (BfN 1997)

Lärmbelästigung Als Lärm werden Geräusche (Schalle) bezeichnet, die durch ihre Lautstärke und Struktur für den Menschen und die Umwelt gesundheitsschädigend oder störend bzw. belastend wirken. Dabei hängt es von der Verfassung, den Vorlieben und der Stimmung eines Menschen ab, ob Geräusche als Lärm wahrgenommen werden. Problem: Lärm wirkt sich nicht nur auf das Gehör aus, sondern kann auch sonst die Gesundheit beeinträchtigen. Lärm ist ein Umweltfaktor, der sich nicht nur auf den Menschen

272

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

bezieht, da auch zahlreiche Tiere in ihrer Kommunikation auf Schallsignale angewiesen sind. Auswirkungen wurden auch bei Singvögeln z.B. in städtischer Umgebung beobachtet. Bei Dauerschalleinwirkungen mit A-bewerteten Schalldruckpegeln ab 85 dB ist das menschliche Gehör gefährdet. Bei einem Schalldruckpegel über 120 dB(A) kann schon ein einmaliges Lärmereignis das Gehör schädigen (akutes Schalltrauma). Häufige Lärmereignisse z.B. durch Fluglärm können bereits bei weitaus niedrigeren Schallpegeln die Gesundheit gefährden. So führt nächtlicher Lärm bereits bei Einzelpegeln von unter 45 dB(A) zu Gesundheitsgefährdungen, wenn sich die Einzelpegel um mehr als 3 dB vom Geräuschhintergrund unterscheiden. Nach übereinstimmenden wissenschaftlichen Untersuchungen wird eine Erhöhung um 10 dB als Verdopplung der Lautstärke empfunden. Bereits bei einem Schalldruckpegel ab 55 dB(A) werden Geräusche vermehrt als Lärmbelästigung empfunden. Halten diese über einen längeren Zeitraum an, werden die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden verringert. Schon Geräusche von 65 bis 75 dB(A) bewirken im Körper Stress. Dieser kann zu arterieller Hypertonie (hohem Blutdruck), Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Myokardinfarkt (Herzinfarkt) führen. Weitere Folgen durch Lärmeinwirkung sind: Beeinträchtigung des Befindens, da Lärm als lästig, nervend oder störend empfunden wird, erhöhtes Unfallrisiko durch Verdecken von Warnsignalen sowie Verminderung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens (s. Abb. 50). Verursacher: In der Alltagswelt sind die Menschen einer Vielzahl möglicher Lärmquellen ausgesetzt. Straßen, Schienenwege, Flugplätze, Gewerbeanlagen, Nachbarn, Sportanlagen u.a. führen nicht selten zu Lärmproblemen bei den Betroffenen. Freizeitlärm im „klassischen“ Sinn ist ein Geräusch, das von Freizeitanlagen (Anlagen, die von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt werden, z.B. Vergnügungsparks, Abenteuer-Spielplätze, Musikdarbietungen auch auf Anlagen, die sonst der Sportausübung dienen) ausgeht und die Nachbarschaft beeinträchtigen bzw. belästigen kann. Zum Freizeitlärm kann auch der Sportlärm gezählt werden, der durch den Betrieb von Sportanlagen, soweit sie zum Zweck der Sportausübung betrieben werden, ausgeht. Nach offizieller Definition des Umweltbundesamtes werden Geräusche von Kinderspielplätzen sowie aus kulturellen Einrichtungen und Diskotheken nicht zum Freizeitlärm gerechnet. Freizeit- bzw. Sportlärm findet häufig zu Tageszeiten statt, wenn Lärm grundsätzlich nicht erwartet wird, z.B. am Feierabend oder an Sonn- und Feiertagen und in den Tagesrandzeiten (zwischen Feierabend und Nachtdämmerung). Dies führt oft zu Konflikten beispielsweise wenn Freizeitanlagen in der Nähe von Wohngebieten angesiedelt sind. Für die Betroffenen kann Freizeitlärm gesundheitsgefährdend werden, wenn sie ihm nicht entweichen können. Einfluss auf die Lärm-Emission von Sport- aber auch Freizeitanlagen sind Größe, Anzahl der Teilanlagen, Anzahl der Spieler, Anzahl und Verhalten der Zuschauer sowie die technische Ausrüstung z.B. mit Lautsprechern.

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

Überschall-Verkehrsflugzeug beim Start

273

dB(A) 150 (((((((((((((((((((((((((((((((((((((

Düsenflugzeug

130 (((((((((((((((((((((((((((((((((((

Propellerflugzeug, Signalhorn

120 ((((((((((((((((((((((((((((((((

Presslufthammer, Disco

110 (((((((((((((((((((((((((((((

Metallwerkhalle, ungedämpftes Motorrad

100 (((((((((((((((((((((((((((

Schwerer Lkw (80 kmh), frisiertes Moped

90 ((((((((((((((((((((((((

Pkw (100 kmh) Rasenmäher

80 (((((((((((((((((((((

Pkw (50 kmh), Rufen

70 ((((((((((((((((((

Normale Radiomusik, Sprechen

60 (((((((((((((((

Laufender Wasserhahn, Schreibmaschine

50 (((((((((((((

Leise Radiomusik, starkes Blätterrauschen

40 ((((((((((

Flüstern

30 ((((((((

Taschenuhr, feiner Landregen, Atemgeräusch

20 (((((

Raschelndes Blatt

10 (((

Absolute Stille

0

Schmerzbereich

Schädigungsbereich

Belästigungsbereich

Sicherer Bereich

Abb. 50 Lärmquellen im Vergleich (TUI 1993)

6.2.2

Die wirtschaftliche Dimension

Die menschliche Wirtschaftsweise hat einen zentralen Einfluss auf die nachhaltige Entwicklung. Dies betrifft sowohl den Umgang mit natürlichen Ressourcen (Energie, Material) als auch Fragen der Sicherung der Grundversorgung aller Menschen, der globalen wirtschaftlichen Entwicklung oder sozialer Probleme wie beispielsweise Arbeitslosigkeit. Das ökonomische System setzt sich aus den drei Akteuren Staat, Unternehmen und private Haushalte zusammen. Der Wirtschaftsprozess selbst ist bestimmt von der Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Diese und die aus ihnen erzielten Einkommen dienen der materiellen Bedürfnisbefriedigung der einzelnen Gesellschaftsmitglieder und der Sicherung der materiellen Existenz einer Gesellschaft. Sie tragen somit zum Nutzen der Individuen und der Gesellschaft als ganzes bei (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006). Grundlegendes Ziel der Nachhaltigkeit ist die Sicherung des menschlich erzeugten Wirtschaftssystems. Die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Menschen und der Erhalt der Leistungsfähigkeit des Produktionsvermögens zur Gewährleistung eines bestimmten Mindestlebensstandards stehen dabei im Vordergrund. Daneben spielen gerade in der Nachhal-

274

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

tigkeitsdiskussion Verteilungsfragen und die begrenzten Ressourcen als Teil der gesellschaftlichen Realität eine wichtige Rolle. Eine zentrale Frage ist hierbei, ob eine nachhaltige Entwicklung mit einem unbegrenzten quantitativen Wachstum vereinbar ist, was nicht nur von den Autoren der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“ (2008) bezweifelt wird (vgl. Kap. 6.1.2).

Anteile an den Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutschland, 2007 Wohnungskosten

24,50%

Verkehr

13,60%

Lebensmittel

12,70%

Dienstleistungen

12,10%

Freizeit/Kultur

9,30%

Haushalt

6,90%

Hotel/Restaurant

5,50%

Bekleidung

5,30%

Gesundheitspflege

4,80%

Kommunikation

2,80%

Tabak Bildung

1,70% 0,80%

0,00% Quelle: Statista.org (2008)

5,00%

10,00%

15,00%

20,00%

25,00%

30,00%

Anteile der Kosten

Abb. 51 Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutschland (Statistica.org 2008)

Die Bedeutung der Freizeit als Wirtschaftsfaktor hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Waren die ursprünglichen ökonomischen Ziele der Freizeit die Erhaltung der Arbeitskraft, Erholung und Regeneration, so hat sich die Freizeit in der heutigen Gesellschaft zu einem vielfältigen und bedeutenden Wirtschaftsbereich entwickelt. Die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen lassen sich allerdings nur schwer berechnen. Nach Schätzungen von Agricola (2002) lagen die Freizeitausgaben der privaten Haushalte in Deutschland im Jahr 2000 bei über 200 Mrd. Euro. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft stiegen die privaten Ausgaben für Freizeitvergnügen (Sport, Reisen, Ausgehen, Fernsehen) in Deutschland von 241 Mrd. Euro im Jahr 1995 sogar auf über 285 Mrd. Euro im Jahr 2001. Zudem bietet der Freizeitsektor Arbeitsmöglichkeiten für zahlreiche Menschen; so gab es im Jahr 2000 in Deutschland nach Schätzung der Deutschen Gesellschaft für Freizeit rund 6,9 Mio. freizeitbezogene Arbeitsplätze (ebd.). Eine ganze Bandbrei-

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

275

te von Dienstleistungsunternehmen offeriert bei guter Ausbildung die Chance auf eine zukunftsfähige Beschäftigung. Oft ist die Arbeit in Freizeitberufen aber auch schlecht bezahlt und unqualifiziert. Insgesamt ist der Freizeitsektor ein sehr heterogener Wirtschaftsbereich mit unterschiedlichsten Branchen. Hierzu gehören der Tourismus, Freizeiteinrichtungen, der Bereich der Freizeitmobilität, der Kulturbetrieb, der Medienbereich, der Sport und vieles mehr. Sowohl die Herstellung von Freizeitprodukten als auch die Bereitstellung von Freizeitangeboten im Dienstleistungsbereich lassen sich zum Bereich Freizeitwirtschaft zählen. In unserer Gesellschaft existiert zudem eine umfangreiche Freizeitinfrastruktur, deren gesamter Umfang nur schwer zu erfassen ist. Ein guten Überblick liefert der Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, Band 10 Freizeit und Tourismus (2001). Vom Freizeitsektor gehen also neben einer Verbesserung des Freizeitwertes und der Lebensqualität auch wichtige Impulse für die Wirtschaft aus. Entscheidende Stichworte sind hierbei regionale Wertschöpfung und die Schaffung von Einkommen und Beschäftigung. Investitionen in Freizeitinfrastruktur beispielsweise in Form von Freizeitgroßeinrichtungen können für die lokale Bevölkerung einer Region eine Erwerbsalternative darstellen, indem hierdurch Einkommen und Arbeitsplätze geschaffen werden. Multiplikatoreffekte auf vor- und nach gelagerte Wirtschaftssektoren wie Handwerk oder Landwirtschaft können diese positiven wirtschaftlichen Effekte noch verstärken. Von einem notwendigen Infrastrukturausbau (z.B. Verkehrswege, Kommunikationsnetze, Energieversorgung) können dabei Entwicklungsimpulse für die gesamte Region ausgehen, welche der gesamten Regionalwirtschaft und der Bevölkerung zugute kommen. Zu den positiven Effekten gehören natürlich auch die Gewinne für die Anbieter von Freizeitinfrastruktur und -dienstleistungen. Allerdings sind auch zahlreiche negative ökonomische Auswirkungen von Freizeitinfrastruktur und -aktivitäten dokumentiert. So sind Arbeitsplätze beispielsweise in Freizeitparks oft durch Saisonalität gekennzeichnet und unqualifizierte Beschäftigungen kommen nicht selten vor. Mögliche Sogwirkungen auf den Arbeitsmarkt haben den „Import“ regionsfremder Arbeitskräfte zur Folge. Die Ansiedlung von Freizeitanlagen kann zudem zu einem Abfluss von Kapital und Einnahmen aus dem Zielgebiet führen. Die Ortsansässigen müssen gegebenenfalls mit einem Anstieg der Verbraucher- und Bodenpreise rechnen. Um kommunale Standorte für Gäste und auch zukünftige Investoren reizvoll zu machen, muss in vielen Fällen die Freizeitinfrastruktur den zielgruppenspezifischen Bedürfnissen und Ansprüchen gemäß gestaltet bzw. ausgebaut werden. Die Kosten dafür tragen die Kommunen, also die Einwohner. Hinzu kommt die Unsicherheit, ob sich diese Vorleistungen bezahlt machen, stehen doch viele Freizeitanlagen in Konkurrenz zu anderen und unterliegen zudem sich ändernden Trends (vgl. Becker et al. 1996). Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass von Investitionen in Freizeitinfrastruktur wichtige wirtschaftliche Impulse ausgehen können, wenn bestimmte Kriterien beachtet werden. Die langfristige Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen und der positiven Auswirkungen der Freizeitaktivitäten in der Region sollten dabei vorrangige Ziele sein. Hierzu gehört die Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe, indem beispielsweise Erwerbskombinationen mit anderen Branchen gefördert oder im Freizeitbereich möglichst viele regionale Produkte verkauft werden. Eine hohe Wertschöpfung sollte dabei mit der Förderung einer ausgewogenen

276

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Wirtschaftsentwicklung in der Region einhergehen. Zudem erfährt ein vielfältiges, innovatives Freizeitangebot idealer Weise eine hohe, über das ganze Jahr verteilte Auslastung, wodurch Nachteile hinsichtlich der Saisonalität der Arbeitsplätze und der Einkommenssituation der Beschäftigten vermieden werden. Zudem sollte ein hohes Qualitätsniveau des Freizeitangebots angestrebt werden, in dem die unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt sind. Dies stellt auch Ansprüche an die Beschäftigten und bietet qualifizierten Mitarbeitern die Chance auf eine zukunftsfähige Beschäftigung. Langfristige und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze sowie ein ausreichendes Angebot von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sollten hierfür gefördert werden.

6.2.3

Die soziale Dimension

Die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung ist nicht nur eine ökologische und ökonomische Herausforderung, sondern auch eine Frage der Gerechtigkeit, die als Ziel der Nachhaltigkeitsdebatte als deren eigentlicher Ausgangspunkt angesehen werden kann. Soziale Nachhaltigkeit ist die gerechte Verteilung der Lebenschancen zwischen den Individuen, global und für zukünftige Generationen. Dabei geht es um die gerechte Verteilung sozialer Grundgüter. Zu diesen gehören das Leben selbst, Gesundheit, eine Grundversorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Wohnung, Bildung sowie elementare politische Rechte. Diese ermöglichen es dem Individuum, ein selbst bestimmtes Leben zu gestalten. Schließlich sind auch soziale Ressourcen wie Toleranz, Solidarität, Integrationsfähigkeit, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeitssinn wichtige Aspekte, die den Zusammenhalt einer Gesellschaft gewährleisten können (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 49). Die Erhaltung des sozialen Friedens als grundlegendes Ziel der sozialen Nachhaltigkeit erfordert Lösungen für Verteilungsprobleme zwischen Regionen, sozialen Schichten, Geschlechtern, Altersgruppen, aber auch Antworten auf Fragen kultureller Integration, Zugehörigkeit und Identitäten. Wesentliche Aspekte sind dabei neben der sozialen Akzeptanz eines Wandels in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung soziale Schutz- und Gestaltungsziele wie Gesundheitsschutz, Sicherung der sozialen Stabilität und der Entwicklungs- und Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft, gerechte Verteilung von Wohlstand und Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung (ebd., S. 49f). Die aktuelle Situation der Gerechtigkeit innerhalb einer Generation wird dabei vor allem im internationalen Maßstab von vielen Menschen als ungerecht empfunden. Ein relativ kleiner Teil der Weltbevölkerung lebt in Frieden und Wohlstand, während viele andere Menschen in bitterer Armut und in Furcht vor Kriegen leben. Aber auch innerhalb der „reichen“ westlichen Gesellschaften gibt es zahlreiche Probleme wie Armut und große Einkommensunterschiede, Bildungsdefizite, Diskriminierung und mangelnde Chancengleichheit. Die Freizeit als wichtiger Lebensbereich in unserer heutigen Gesellschaft kann einen entscheidenden Beitrag leisten zur Sicherung und Förderung der Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten der Menschen. Dabei bedeutet Freizeit für den Einzelnen an sich schon oft eine Erhöhung der Lebensqualität. Im soziokulturellen Bereich können positive Effekte

6.2 Freizeitrelevante Problemfelder der Nachhaltigkeit

277

beispielsweise durch den Schutz von Kulturdenkmälern oder bei der Stärkung bzw. Wiederbelebung regionaler Kunst, Kultur und Identität entstehen. Qualifizierung, Aus- und Fortbildung für den Freizeitsektor und auch informelle Bildung in der Freizeit bieten die Möglichkeit der Horizonterweiterung und erhöhen die Chancen der gesellschaftlichen Teilhabe. Gerade im Hinblick auf eine Bildung für nachhaltige Entwicklung fällt der Freizeit eine besondere Rolle zu, da hier die unterschiedlichsten Menschen außerhalb der formalen Bildungseinrichtungen erreicht werden können (vgl. Kap. 3.5.6). Im Vergleich zu den durch Freizeit verursachten ökologischen Problemen sind die soziokulturellen Belastungen oft schwieriger zu erfassen. Es ist äußerst kompliziert, hier Grenzwerte zu bestimmen, bei deren Überschreitung das gesellschaftliche und kulturelle Gefüge eines Freizeitraumes beeinträchtigt wird, da dieser Punkt auch stark von subjektiven Empfindungen abhängt. Dennoch kann auch für den Freizeitbereich soziales Konfliktpotenzial benannt werden. Es gibt eine Reihe von Kriterien, die es ermöglichen, die soziokulturelle Belastung durch Freizeitinfrastruktur und -aktivitäten genauer zu beschreiben. Dazu gehören u.a. der Belastungsgrad als Verhältnis von Einwohnerzahl zur Besucherzahl in Regionen mit bedeutender Freizeitinfrastruktur, die demographische Struktur der ansässigen Bevölkerung und der Freizeitsuchenden oder die Zahl der Zweitwohnsitze in attraktiven Erholungsgebieten. Ein qualitativer Aspekt ist dagegen, ob die ansässige Bevölkerung im Zuge der Entwicklung von Freizeitangeboten und -dienstleistungen die Fähigkeit zur Selbstbestimmung erhalten konnte. Damit hängt auch die kulturelle Identität zusammen, die umso mehr gestört sein wird, je stärker z.B. die regionale Kunst und Kultur im Freizeitangebot kommerzialisiert wird. Traditionelle Lebensformen können durch neue dominante Freizeitformen zerstört werden. Freizeitinfrastruktur in Form einer aufdringlichen Architektur (z.B. bei Freizeitparks) kann zu ästhetischen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes führen. Zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen kann es zu Konflikten und Stress kommen, so beispielsweise zwischen Naherholungssuchenden und Freizeitsportlern, wenn sie den gleichen Raum (z.B. ein Waldgebiet) für ihre Freizeitbedürfnisse beanspruchen.

6.2.4

Die Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Soziales als Herausforderung

In den vorangegangenen Kapiteln ist bereits angedeutet worden, dass die Wirkungen von Freizeitinfrastruktur und -aktivitäten in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit z.T. erheblich sein können. In Tabelle 11 sind potenzielle positive und negative Wirkungen des Freizeitsektors zusammenfassend gegenübergestellt. Nachhaltige Entwicklung in der Freizeit ist somit nicht nur ein komplexer sondern auch ein hoch dynamischer Prozess, dessen Ziel es sein muss, negative Wirkungen durch geeignete Handlungsoptionen zu vermeiden bzw. zu minimieren und positive Wirkungen in allen drei Dimensionen aktiv zu fördern und zu stärken und auf allen Ebenen zu implementieren. Letztendlich geht es also bei der nachhaltigen Freizeitentwicklung um eine angemessene Ausbalancierung der drei Dimensionen unter Einhaltung der in Kap. 6.1.2 diskutierten Grundprinzipien nachhaltiger Entwicklung.

278

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Ö K O L O G I E Ö K O N O M I E S O Z I A L E S

Negative Wirkungen Energieverbrauch, Emissionen, Treibhauseffekt; Luftverschmutzung Flächenverbrauch und Beeinträchtigung von Biodiversität Bodenverdichtung/-erosion, Trittbelastung Wasserverbrauch und -verschmutzung Abfallaufkommen Lärmbelastung

Positive Wirkungen Anreize zu Einsatz regenerativer Energiequellen Erhaltung der Biodiversität durch Schutz intakter Natur- und Kulturlandschaften Erweiterung bzw. Ausweisung neuer Schutzgebiete Erhöhung des Umweltbewusstseins durch Lernen in Erlebniswelten; Naturschutz durch Naturgenuss

Saisonalität der Arbeitsplätze; unqualifizierte Arbeitsplätze „Import“ regionsfremder Arbeitskräfte; Sogwirkungen Hohe Investitionskosten für Ausbau von Freizeitinfrastruktur (Kredite, Schulden) Abfluss von Kapital/ Einnahmen aus Zielgebiet (Entzugseffekte) Anstieg der Verbraucher- und Bodenpreise für Ortsansässige

Schaffung von Einkommen und Arbeitsplätzen; Erwerbsalternativen für lokale Bevölkerung Multiplikatoreffekte auf vor- und nach gelagerte Wirtschaftssektoren (z.B. Handwerk, Baugewerbe, Landwirtschaft) Regionale Entwicklungsimpulse: Infrastrukturausbau (z.B. Verkehrswege, Kommunikationsnetze, Energieversorgung) Gewinne für Anbieter von Freizeitinfrastruktur und dienstleistungen

Kommerzialisierung regionaler Kunst und Kultur („Kitsch“) Verfestigung von Vorurteilen durch Oberflächlichkeit der Begegnungen Konflikte und Stress zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen Ästhetische Beeinträchtigungen durch Freizeitinfrastruktur Zerstörung traditioneller Lebensformen

Stärkung bzw. Wiederbelebung regionaler Kunst, Kultur und Identität Schutz von Kulturdenkmälern Horizonterweiterung für Besucher und Besuchte Qualifizierung, Aus- und Fortbildung im Freizeitund Tourismussektor Erhöhung der Lebensqualität

Tab. 11 Negative und positive Wirkungen der Freizeit in den drei Nachhaltigkeitsdimensionen

6.3

Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

Der Trend zu immer differenzierteren Freizeitaktivitäten außer Haus ist ungebrochen. Dabei umfasst der Begriff Freizeit eine Fülle und Vielfalt von Tätigkeiten wie:   

Bewegung, Spiel und Sport (z.B. Wandern, Joggen, Mountainbiking, Nutzung von Naherholungsgebieten, Schwimmen) Besuchen von Ereignissen und Einrichtungen zum Zweck der Unterhaltung (z.B. Theater, Kino, Sportveranstaltungen, Jahrmärkte, Freizeitparks, Erlebnis-Shoppingcenter) Fortbewegungsaktivitäten selbst (z.B. Spazierengehen oder Fahrradfahren).

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

279

Die verschiedenen Freizeitaktivitäten haben unterschiedliche Wirkungen auf Aspekte der Nachhaltigkeit. Sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite kommt es zu einer Vielzahl von ökologischen, aber auch ökonomischen und sozialen Folgewirkungen. So sind je nach Blickwinkel auf der Nachfrageseite nicht nur die tatsächlich ausgeübten Aktivitäten von Belang, sondern auch die mittelbar damit zusammenhängenden Aktivitäten wie beispielsweise der Erwerb von Spiel- und Sportgeräten, Spezialkleidung oder Fortbewegungsmitteln (z.B. Autos und Fahrräder). Zu den Aktivitäten der Angebotsseite gehören z.B. die Errichtung oder der Betrieb von Freizeiteinrichtungen und die Produktion von Freizeitgütern. Die außerhäusigen Freizeitaktivitäten stellen dabei wachsende Ansprüche an Raum und Umwelt. Ursächliche Faktoren hierfür sind die Verkehrsströme, die Versiegelung und Zerschneidung von Flächen durch Freizeitinfrastruktur, aber auch die Ausübung der Freizeitaktivitäten selbst. Die negativen Entwicklungen gewinnen mit wachsender Freizeit und Mobilität der Bevölkerung weiter an Gewicht. Häufig treten die Umweltbeeinträchtigungen dabei gerade in ökologischen empfindlichen und bereits belasteten Räumen auf (vgl. Becker et al. 1996, S. 8). Die negativen Auswirkungen im Freizeitbereich sind vielfältig. Dies sind z.B. Energie- und Wasserverbrauch durch Badelandschaften, Flächenverbrauch durch Freizeitparks, Lärmbelastung durch Freizeitveranstaltungen, Beeinträchtigung von sensiblen Naturräumen durch die Errichtung von Freizeitinfrastruktur und Luftschadstoff- und Klimagasemissionen im Freizeitverkehr. Da unterschiedliche Freizeitbereiche verschiedene Problemfelder der Nachhaltigkeit adressieren, ist für eine Bewertung eine differenzierte Betrachtung notwendig. Die folgenden Freizeitbranchen sollen daher in den nächsten Kapiteln einer detaillierten Analyse unterzogen werden: Freizeitverkehr: Alle ausserhäusigen Freizeitaktivitäten sind mit Verkehr verbunden, der häufig in Form des motorisierten Individualverkehrs stattfindet. Mit zunehmender Freizeit ist auch ein wachsender Freizeitverkehr zu beobachten, der sich in vielfältiger Weise negativ auf die Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung auswirkt. Freizeit- und Erlebniswelten: Ein großer Trend im Freizeitbereich sind seit einigen Jahren die Freizeit- und Erlebniszentren, wie z.B. Freizeit- und Erlebnisparks, Erlebnisbäder, Multiplex-Kinos oder Indoor-Skihallen. Diese Freizeitgroßeinrichtungen führen zu einer ganzen Reihe von Problemen. So ist der Bau und Betrieb der Anlagen u.a. mit Ressourcenverbrauch und Schadstoffemissionen verbunden und die induzierten Besucherströme führen zu einer Zunahme des Freizeitverkehrs mit damit verbundenen Umweltauswirkungen. Zudem kann die Ansiedlung dieser Großanlagen negative ökonomische und soziale Effekte nach sich ziehen. Großveranstaltungen: Großveranstaltungen und Mega-Events liegen in der heutigen Zeit voll im Trend. Dabei sind sie nicht zuletzt aufgrund der hohen Besucherzahlen immer verbunden mit negativen Umweltauswirkungen. Zudem können negative Auswirkungen im sozialen und ökonomischen Bereich festgestellt werden. Naturgebundene Freizeitaktivitäten: Von großer Bedeutung sind die Freizeitaktivitäten in der freien Natur, die zu einem Massenphänomen geworden sind. Freizeitaktivitäten wie

280

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Wandern, Radfahren oder Klettern finden oft gerade in ökologisch wertvollen Naturräumen statt und haben ein hohes Gefährdungspotenzial für sensible Ökosysteme. Freizeitkonsum/Erlebnis-Shopping: In unserer Wohlstandsgesellschaft wird das Einkaufen als Erlebnis und Genuss dargestellt. Der Lebensstil ist häufig auf den Konsum ausgerichtet, wodurch es zu überhöhten Konsumansprüchen kommt. Zudem kommt es durch die Freizeitaktivitäten selbst zu vermehrtem Konsum z.B. von Freizeitgeräten und Freizeitkleidung. Dabei sind alle Lebenszyklusstationen dieser Produkte – Herstellung, Vermarktung, Nutzung und Entsorgung – mit Ressourcenverbrauch verbunden. Unser Konsumverhalten trägt maßgeblich zu einer Ausbeutung unseres Planeten bei und steht somit auch im Widerspruch zur Forderung nach intergenerativer Gerechtigkeit.

6.3.1

Freizeitverkehr (Mobilität)

Freizeitverkehr umfasst so unterschiedliche Aktivitäten und Wege wie den Gang um die Ecke in die nächste Kneipe, Wochenendausflüge, Verwandtenbesuche oder den Besuch kultureller Veranstaltungen. Weitgehend anerkannt ist die Unterscheidung zwischen alltäglichem und nicht-alltäglichem Freizeitverkehr (Abb. 52), wobei ersterer alle Wege zu Freizeitaktivitäten umfasst, die eher im alltäglichen Umfeld stattfinden bzw. oft mit hoher Regelmäßigkeit ausgeübt werden, wie z. B. die Fahrt ins Kino oder zu Vereinsaktivitäten. Beim nichtalltäglichen Freizeitverkehr ist dies nicht der Fall. Dieser lässt sich nach zeitlichen Dimensionen differenzieren: In Tagesausflüge, die am selben Tag enden, an dem sie begonnen haben, und in Kurzreisen mit bis zu drei Übernachtungen. Ab vier Übernachtungen spricht man vom Urlaubsverkehr, wobei beim Kurzreise- und Urlaubsverkehr noch die Mobilität am Urlaubsziel erwähnenswert ist (vgl. Lanzendorf 2001, S. 37). Der Urlaubsverkehr gehört im engeren Sinn nicht mehr zum Forschungsbereich Freizeitverkehr. Personenverkehr in Deutschland Das vorherrschende Verkehrsmittel im Personenverkehr in Deutschland ist der PKW. Im früheren Bundesgebiet wurden seit Mitte der 1950er Jahre mehr Fahrten mit dem eigenen Pkw als mit öffentlichen Verkehrsmitteln unternommen. Besaßen 1962 im früheren Bundesgebiet ein Viertel aller Haushalte einen Pkw, so waren es 2006 mit 78 % mehr als drei Viertel (vgl. DESTATIS 2008). Die Zahl der Pkw in Deutschland beträgt 2006 über 46 Mio., 13 % mehr als 1997. Die Zahl der Krafträder stieg im gleichen Zeitraum um über 50 % auf 4 Mio. (ebd.).

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

281

Freizeit- und Urlaubsverkehr

Alltäglicher Freizeitverkehr

Nicht-alltäglicher Freizeitverkehr

Tagesausflugsverkehr

Kurzreiseverkehr

Urlaubsverkehr

Verkehr am Zielort

Abb. 52 Systematisierung von Freizeitmobilität (eigene Darstellung, nach Lanzendorf 2001, S. 37)

2003 wurden im Personenverkehr 99 Mrd. Wege zurückgelegt, bei denen über 1,1 Billionen Personenkilometer zurückgelegt wurden. Bezogen auf die zurückgelegten Kilometer ist der Personenverkehr in den alten Bundesländern in den letzten 20 Jahren um etwa 35 % gewachsen. Bei den zurückgelegten Wegstrecken ist im Personenverkehr ein Zuwachs zu beobachten. Im Vergleich zu 1994 stieg die Verkehrsleistung in Form der Personenkilometer (Pkm) um 18 %, die Verkehrsmenge (Anzahl der Wege) hingegen nur um 6 % (vgl. DESTATIS 2006a). Eine genauere Betrachtung des Modal Split im Personenverkehr zeigt, dass 58 % aller Wege und 77 % der zurückgelegten Kilometer mit dem Auto oder Motorrad zurückgelegt wurden. Die öffentlichen Verkehrsmittel wurden bei 10 % der Wege benutzt. Der Flugverkehr hat einen geringen Anteil am Personenverkehr in Deutschland. Auf ihn entfallen 0,1 % der Wege bzw. 4 % der zurückgelegten Kilometer. Durchschnittlich ist ein Mensch in Deutschland eine Stunde und 21 Minuten am Tag unterwegs. Jeder Einwohner hat dabei im Jahr 2006 rund 700 Fahrten mit dem Auto oder Motorrad unternommen, knapp zwei Fahrten am Tag. Im öffentlichen Personenverkehr mit Bussen und Bahnen wurden je Einwohner rund 130 Fahrten im Jahr unternommen. Freizeitverkehr Nach Angaben des statistischen Bundesamtes hatte der Freizeitverkehr im Jahr 2005 mit 35,6 % den mit Abstand größten Anteil an den Beförderungsleistungen im motorisierten Individualverkehr. Der Anteil des Berufsverkehrs belief sich auf 17,6 %, gefolgt vom Einkaufsverkehr mit 17,2 % und dem Geschäftsverkehr mit 12,9 %. In der Schweiz machen die Frei-

282

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

zeitwege sogar 44 % und die Einkaufswege weitere 11 % des gesamten Personenverkehrsvolumens aus (vgl. Müller, H. 2007, S. 35) (s. Abb. 53). Sonstige

Freizeitverkehr

16,7 % Geschäftsverkehr

35,6 % 12,9 %

17,2 % 17,6 %

Einkaufsverkehr Berufsverkehr Abb. 53 Anteil der Wegezwecke im Personenverkehr in Deutschland (DESTATIS 2008)

Freizeitwege verursachten 2002 rund 42 % der Gesamtverkehrsleistung im Personenverkehr (über 1,1 Mrd. Pkm täglich) und der damit verbundenen Verkehrsbelastung (vgl. Infas/DIW 2004). Der Anteil des Freizeitverkehrs an den Wegen wie an der Verkehrsleistung hält sich dabei seit Jahren relativ konstant und unterliegt keinen außergewöhnlichen Wachstumstendenzen (vgl. Lanzendorf 2001; Götz et al. 2002). Auch im Freizeitverkehr dominieren die individuellen Fortbewegungsmittel: 2002 entfielen 53 % der Wege und 78 % der Verkehrsleistung auf den motorisierten Individualverkehr. Der öffentliche Personenverkehr hatte einen Anteil von 6 % (Wege) bzw. 13 % (Pkm). Über 40 % der Freizeitwege wurden zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. Aufgrund der relativ kurzen Distanzen der Wege lag der Anteil an den zurückgelegten Kilometern allerdings nur bei 9 % (vgl. Abb. 54). Das Flugzeug spielt beim alltäglichen Freizeitverkehr in Deutschland eine geringe Rolle. Dabei lassen sich die Zweckstrukturen der zurückgelegten Wege nach Wochentagen differenzieren. Wege im Rahmen von Freizeitaktivitäten dominieren vor allem am Wochenende den Verkehr. Der Anteil der Freizeitwege liegt Wochentags bei rund 25 %, am Sonnabend erhöht er sich auf rund 45 % und am Sonntag auf 70 % (vgl. Infas/DIW 2004). Knapp zwei Drittel aller Freizeitwege sind kürzer als 5 Kilometer. Eine Besonderheit bilden die Tagesausflüge. Sie machen nur rund 2 % der Freizeitwege aus, die dabei zurückgelegten

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

283

Entfernungen sind jedoch groß. Die durchschnittliche Distanz zwischen Ausgangs- und Zielort beträgt 82 km (vgl. Maschke 2007, S. 110). Der Besuch von Verwandten und Freunden ist der häufigste Grund von Ausflügen, aber auch Besuche von Veranstaltungen und Attraktionen gehören zu den Anlässen (ebd., S. 47). Die in folgender Abbildung genannten Fahrtzeiten verdeutlichen die längere Fahrtdauer bei Ausflügen zu beliebten Freizeitzielen.

PKM (Personenkilometer) ÖPV (Öffentlicher Personalverkehr) MIV (motorisierter Individualverkehr) Abb. 54 Verkehrsmittelanteile auf Freizeitwegen in Deutschland 2002 (Infas/DIW 2004)

Fahrten zu Freizeitzwecken werden meist von mehreren Menschen gemeinsam unternommen und dienen in erster Linie der Pflege sozialer Beziehungen (vgl. auch Götz et al. 2002). Nach Ergebnissen der Untersuchung „Mobilität in Deutschland MID 2002“ (Infas/DIW 2004) dienen über 30 % aller Freizeitwege dem Zweck „Besuche und Treffen“. Der Anteil von Cafe-, Kneipen- und Restaurantbesuchen sowie kultureller und sportlicher Aktivitäten ist etwa ebenso groß. Spaziergänge und Ausflüge machen 18 % aus, wobei die Spaziergänge weit überwiegen. Lanzendorf (2001, S. 248) leitet aus den Aktivitäten auf Freizeitreisen fünf Reisezwecke ab: Freizeit-Infrastruktur (Reisen zu gebauten Freizeiteinrichtungen), soziale Kontakte (Besuch oder Treffen von Verwandten und Freunden), Freizeit-Infrastruktur und soziale Kontakte (eine Kombination der beiden vorangegangenen Reisezwecke), Fortbewegung (die Fortbewegung selbst als Zweck) und Natur (Wege ins Grüne).

284

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Die Ausprägung des Freizeitverkehrs hängt von unterschiedlichen Einflüssen ab wie z.B. sozioökonomischen Faktoren (Alter, Geschlecht, Erwerbsstatus usw.), der Verkehrsmittelverfügbarkeit, dem Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Wegezweck etc. (vgl. Lanzendorf 2001; Maschke 2007). Arbeitslose und Menschen ohne qualifizierten Berufsabschluss weisen eine unterdurchschnittliche Tagesreiseintensität auf; generell nimmt die Tagesreiseintensität mit dem verfügbaren Einkommen zu (vgl.: Maschke 2007). Nach Lanzendorf (2001, S. 250) spielt die Routine bei der Verkehrmittelwahl eine große Rolle: Rund drei Viertel der Verkehrsmittelentscheidungen im Freizeitverkehr werden routiniert getroffen.

Abb. 55 Akzeptierte Fahrtdauer zu Freizeitzielen in Minuten (Deutschland, Repräsentativbefragung BAT Freizeitforschungsinstitut) (Opaschowski et al. 2006, S. 149)

Das Verkehrsverhalten ist zudem stark durch persönliche Lebensstile und Präferenzen bestimmt (vgl. Lanzendorf 2001; Götz et al. 2002). Die Studie des Öko-Instituts im Auftrag des Umweltbundesamtes zur „Minderung der Umweltbelastungen des Freizeit- und Tourismusverkehrs“ hat beispielsweise fünf unterschiedliche Mobilitätsstiltypen herausgearbeitet (Götz et al. 2002, S. 4ff):     

Fun-Orientierte mit ausgeprägtem Spaß- und Erlebnisbedürfnis Modern-Exklusive mit dem Wunsch nach Luxus und Exklusivität Belastet-Familienorientierte mit dem Bedürfnis nach Entlastung Benachteiligte mit Anspruch auf Integration und Aufwertung Traditionell-Häusliche mit traditionellen Werteorientierungen.

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

285

Die einzelnen Mobilitätsstiltypen unterscheiden sich in Bezug auf Verkehrsaufwand für Freizeitwege, Wegehäufigkeit, Verkehrsmittelnutzung etc. zum Teil deutlich voneinander. Beispielsweise hat die Gruppe der Benachteiligten den geringsten Freizeitverkehrsaufwand aller Gruppen und liegt 20 % unter dem Durchschnitt, während die Fun-Orientierten im Freizeitverkehr einen überdurchschnittlichen Verkehrsaufwand erbringen. Die verursachten CO2Emissionen im Freizeitverkehr pro Person und Tag unterscheiden sich je nach Mobilitätsstilgruppe um bis zu 100 %: Die Werte reichen von 0,7 kg (Benachteiligte und TraditionellHäusliche) bis 1,3 kg (Fun-Orientierte) (ebd.). Umweltbelastungen durch den Freizeitverkehr Der Straßenverkehr hat sich zu einem der größten Verbraucher der weltweit knappen Ressource Energie entwickelt, wobei die eingesetzten Energierohstoffe fast vollständig aus nicht erneuerbaren und nur begrenzt vorhandenen fossilen Energieträgern stammen. Rund 29 % des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland entfielen 2006 auf den Verkehrssektor (vgl. DESTATIS 2006a). Einen großen Anteil daran hat auch der Freizeitverkehr.

Abb. 56 CO2-Emissionen im Personenverkehr (Quelle INFRAS 2007)

286

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Vor allem mit der Verbrennung von Kraftstoff trägt der Verkehr zum Treibhauseffekt, dem wichtigsten globalen Umweltproblem bei. Die direkten CO2-Emissionen machten im Jahr 2003 über 20 % des gesamten CO2–Ausstoßes in Deutschland aus, der Pkw-Anteil hieran liegt bei 60 % (vgl. UBA 2005). Seit 1999 sind die CO2-Emissionen im Verkehr rückläufig (ohne Transitverkehr), unter anderem durch eine verbesserte Energie-Effizienz der Pkw. Dennoch ist das Auto einer der größten Verursacher von Klimagasemissionen. Abb. 56 zeigt die einzelnen Verkehrsmittel im Vergleich. Die angeführten indirekten CO2-Emissionen beinhalten die Emissionen vor- und nachgelagerter Prozesse, die zur Bereitstellung und zum Betrieb der Verkehrsmittel notwendig sind (Stahlherstellung, der Produktion der Kraftstoffe etc.). Bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entstehen eine ganze Reihe von Schadstoffen, die zur Luftverschmutzung beitragen: Stickoxide (NOx), Staub und Russpartikel, Ozonvorläufersubstanzen sowie Schwefeldioxid (SO2) sind die wichtigsten davon. Diese Luftschadstoffe stellen eine große Belastung für Mensch und Umwelt dar. So sind Stickoxide für die Versauerung der Böden und damit u.a. für das Waldsterben verantwortlich. Sie tragen mit zur Bildung von bodennahem Ozon bei, das die Atemwege angreift (Sommersmog). Saurer Regen hat zudem negative Folgen für historische Bauwerke, deren Fassade von der Säure zerfressen wird. Russpartikel entstehen vor allem bei der Verbrennung im Dieselmotor und stehen ebenso wie andere Feinstaubpartikel (z.B. aus Reifenabrieb) im Verdacht, krebserregend zu sein. Schadstoff*

Pkw

Reisebus

Eisenbahn Fernverkehr

Flugzeug

Linienbus Metro/ Eisenbahn Tram Nahverkehr

Kohlenmonoxid

Gramm/Personen-km

1,45

0,06

0,02

0,39

0,21

0,02

0,06

Kohlendioxid

Gramm/Personen-km

144

32

52

369**

75

72

95

Flüchtige Kohlenwasserstoffe

Gramm/Personen-km

0,18

0,02

0,01

0,09

0,08

0,00

0,02

Stickoxide

Gramm/Personen-km

0,29

0,34

0,07

0,58

0,83

0,07

0,36

Partikel

Gramm/Personen-km

0,009

0,008

0,001

0,002

0,017

0,000

0,004

6,2

1,4

2,7

5,8

3,3

3,9

4,8

1,5 Pers./ Pkw

60 %

73 %

21 %

20 %

21 %

Verbrauch Benzinäquivalent Auslastung

Liter/100 Personen-km

44 %

*Emissionen zur Erzeugung der Energieträger (Strom, Kerosin, Benzin, Diesel) sind berücksichtigt. ** Unter Berücksichtigung aller klimawirksamen Effekte des Flugverkehrs.

Tab. 12 Vergleich der Schadstoffemissionen einzelner Verkehrsträger (Umweltbundesamt)

Einer der Hauptverursacher dieser Luftschadstoffemissionen ist der motorisierte Straßenverkehr. Tab. 12 zeigt die Emissionen der einzelnen Verkehrsträger. Zwar konnten in den letzten Jahren strengere Abgasgesetze den Schadstoffausstoß zum Teil deutlich reduzieren, dennoch führt Luftverschmutzung durch den Verkehr immer noch zu massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen, speziell in städtischen Ballungsgebieten.

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

287

Durch Luftmassenbewegung werden die Schadstoffe auch in Erholungsgebiete transportiert, so dass es hier ebenso zu einer Zunahme der Immissionsbelastungen kommen kann. Dies führt u.a. zu einer Beeinträchtigung der Erholungsfunktion der Natur. Freizeitaktivitäten im Freien und Erholung in der Natur sind hiervon betroffen, da sie besonders hohe Anforderungen an die Luftqualität stellen. Der enorme Flächenbedarf des Straßenverkehrs ist ein gravierendes Problem. Fast 5 % der Bodenfläche Deutschlands sind mittlerweile Verkehrsflächen. Der Zuwachs der gesamten Siedlungs- und Verkehrsfläche betrug 2003 pro Tag 93 ha, 20 ha hiervon waren Verkehrsflächen (vgl. UBA 2005). Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung soll der Landschaftsverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsflächen bis 2020 täglich auf maximal 30 ha gesenkt werden. Die Verkehrsinfrastruktur führt zu einer Landschaftszerschneidung, bei der naturnahe oder natürliche Landschaften in Restflächen zerfallen und Lebensräume von Flora und Fauna eingeengt werden. Die Wanderungslinien vieler Arten werden hierdurch unterbrochen und Mikroklimate sowie lokale Umwelten und Lebensbedingungen verändert. Diese reduzierten Lebensräume sind für manche Tier- und Pflanzenarten zu klein, was zu einer genetischen Verarmung führen kann. Die Folge sind Populationsrückgänge, eine Verringerung der Artenzahl sowie eine Veränderung der Artenzusammensetzung, also insgesamt ein Rückgang der Biodiversität. Zudem kommt es durch den Verkehrswegebau zu einer indirekten Flächeninanspruchnahme unter anderem durch die Lärm- und Schadstoffbelastung entlang der Trassen, durch Lärmschutzwände und Sickergräben, wodurch die gesamte Flächeninanspruchnahme der Verkehrsinfrastruktur noch größer ist, als in Flächenstatistiken angegeben wird (vgl. Coenen/Grunwald 2003, S. 444). Aufgrund seiner Dimensionen kann der Freizeitverkehr als eine treibende Kraft für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur angesehen werden, u.a. beim Ausbau der Infrastruktur in Urlaubs- und Naherholungsregionen oder zu spezifischen Freizeit(groß)einrichtungen. Der Flächenverbrauch hat auch negative Auswirkungen auf Aktivitäten im Rahmen naturnaher Erholung, da die Qualität einer Landschaft durch eine ausgebaute Verkehrsinfrastruktur stark beeinträchtigt wird. Die Erhaltung von Freiräumen ist Voraussetzung für Freizeitaktivitäten in der Natur. So setzt beispielsweise eine Tageswanderung, die nicht von Hauptverkehrsströmen berührt ist, eine unzerschnittene Fläche von mindestens 100 km2 voraus (vgl. Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland Bd. 10, S. 134). Der Verkehr ist die Hauptursache für Lärmbelastungen in Deutschland. Dominierend ist hier vor allem der Straßenverkehr, durch den sich über die Hälfte der Bevölkerung belästigt und rund 10 % stark bzw. äußerst belästigt fühlen (vgl. UBA 2005). Rund ein Drittel der Bevölkerung fühlt sich durch Fluglärm belästigt und jeder Fünfte durch den Schienenverkehr entlang der Bahnstrecken. Ein Lärmkorridor von 65 Dezibel beiderseits von Verkehrswegen in Deutschland schließt 17 % aller Wohnungen ein, was für die Bewohner mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden ist (vgl. Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland Bd. 9, 2001, S. 23). Lärmbelastungen sind ein Gesundheitsrisiko und können

288

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Herz-Kreislauferkrankungen hervorrufen. Zudem beeinträchtigen sie die Erholungsfunktion der Natur. Motorisierter Verkehr erzeugt Abfall. So werden nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft anerkannter und unabhängiger Kfz-Sachverständiger (vgl. ARGE-SV 2009) pro Jahr in Deutschland über 2 Mio. Pkw entsorgt. Ein großer Teil hiervon ist Metallschrott, für dessen Wiederverwendung ein hoher Energieaufwand nötig ist. Zu den weiteren Stoffen gehören Kunststoffe, Glas und Gummi, aber auch problematische Abfälle wie Altreifen, Autobatterien, Betriebsöle etc., die als Sondermüll anfallen. Abfälle entstehen auch bei den anderen Verkehrsträgern, jedoch fallen die größten Mengen bei den Pkw an.

Abb. 57 Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland (INFRAS 2007)

Wirtschaftliche Aspekte Die unterschiedlichen Verkehrsarten sind ihrerseits verbunden mit so genannten „externen Kosten“, also den Kosten, die von den Verkehrsteilnehmern verursacht, jedoch nicht von ihnen selbst getragen werden (Abb. 57). Berechnungen gehen dahin, dass z.B. die mittleren externen Kosten einer Pkw-Fahrt bezogen auf die Beförderung einer Person über eine bestimmte Strecke das Dreifache einer Busfahrt und das 4,5fache eine Bahnreise betragen (Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland Bd. 9, 2001, S. 142). Folgende Bereiche sind die wichtigsten, die bei diesen nicht abgedeckten Verkehrskosten erfasst werden: Unfallfolgen, Lärmwirkungen, luftverschmutzungsbedingte Schäden der Gesundheit und der Biosphäre,

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

289

Material- und Gebäudeschäden, das Klima, Schäden in Natur und Landschaft sowie die Kosten aus vor- und nach gelagerten Prozessen. Unter ökonomischen Gesichtspunkten sind auch die Verkehrsunfälle und die damit verbundenen gesellschaftlichen Kosten mit einzubeziehen. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2008 auf Deutschlands Straßen 4.467 Personen getötet und 407.859 verletzt. Soziale Aspekte Unter sozialen Gesichtspunkten ist die Chancengleichheit hinsichtlich Mobilität ein wichtiger Punkt. Der Zugang zu Mobilität sollte allen Menschen gleichermaßen offen stehen, also auch Armen, Menschen mit Behinderungen und der ländlichen Bevölkerung. Wichtige Mobilitätsziele auch aus dem Bereich der Freizeit sollten mit für alle Bevölkerungsgruppen zugänglichen Fortbewegungsarten erreichbar sein. In allen Städten und größeren Gemeinden gibt es mittlerweile erhebliche Verkehrsprobleme. Diese Probleme werden in Gemeinden, die in der Nähe von attraktiven FreizeitAusflugszielen liegen, noch potenziert, wenn zum Verkehr der Einwohner auch noch der Verkehr der Besucher hinzukommt. Im Freizeitausflugsverkehr betrifft dies vor allem das Wochenende und die Feiertage. Gerade der Wochenendausflugsverkehr führt zu gravierenden Überlastungen in Orten, die von Ausflüglern gerne besucht werden. Je nach örtlicher Situation unterscheiden sich die Problemlagen, jedoch ist der Durchgangsverkehr eines der am häufigsten auftretenden Probleme (vgl. Becker et al. 1996, S. 89). Massenhafter Freizeitverkehr führt zu Belastungen für Anwohner sowie auch für die Freizeitausflügler selbst. Gerade bei naturnaher Erholung ist zwar eine dichte Verkehrsinfrastruktur günstig für die Erreichbarkeit, die negativen Einflüsse wie Flächeninanspruchnahme, Lärm und Schadstoffemissionen führen zu einer Beeinträchtigung der Erholungsqualität hinsichtlich Luft, Landschaft und Freizeiteinrichtungen.

6.3.2

Freizeit- und Erlebniswelten

Kommerziell ausgerichtete Freizeitgroßeinrichtungen haben in den letzten Jahren einen deutlichen Zuwachs erfahren. Das Angebot reicht von Musical-Theatern, multifunktionalen Großveranstaltungshallen und Multiplex-Kinos über Freizeitparks und Brand-Parks bis hin zu Ski-Indoor-Hallen sowie Spaß- und Erlebnisbädern. Neben der Multifunktionalität gehört die Erlebnisorientierung zu den zentralen Merkmalen dieser Einrichtungen. Die unterschiedlichsten Freizeit- und Konsumbedürfnisse können hier an einem Ort nachgefragt werden und gleichzeitig wird dem Bedürfnis nach reproduzierbaren, in immer wieder gleicher Qualität erfahrbaren Erlebnissen nachgekommen. Diese Einrichtungen haben große Nutzerzahlen sowie hohe Zufriedenheitswerte und Wiederholerraten, was für ein nachfragegerechtes Angebot spricht (vgl. Steinecke 2000).

290

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Baumgartner (2001, S. 10) verwendet für die unterschiedlichen Freizeiteinrichtungen als Oberbegriff Erlebniswelten und gliedert diese in drei Kategorien: Freizeit- und Vergnügungsparks, Ferienwelten sowie städtische und stadtnahe Erlebniswelten. Freizeit- und Vergnügungsparks werden definiert als künstlich geschaffene, großflächig angelegte, in sich abgeschlossene und primär stationäre Ansammlung von verschiedenartigen Attraktionen. Eine thematische Orientierung ist bei ihnen möglich wie beispielsweise bei Brand-Parks oder Safari-Parks. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei über 50 % der Besucher dieser Einrichtungen beträgt unter einem Tag (vgl. Hochfeld, Strubel und Havers 2002). Im Unterschied zu den Freizeit- und Vergnügungsparks ist bei Ferienwelten die Übernachtungsmöglichkeit das dominante Merkmal. Bei städtischen und stadtnahen Erlebniswelten ist die zentrale urbane Lage der entscheidende Faktor für die Standortwahl wie z.B. bei Großkinos, Shopping-Centern und Urban Entertainment Centern. Freizeit- und Erlebnisparks als auch Ferienwelten sind eher im ländlichen Raum angesiedelt. Eine Klassifizierung dieser Einrichtungen wird aufgrund der stark zunehmenden Diversifizierung der Konzepte immer schwieriger (ebd.). In Deutschland gibt es mehr als 50 Freizeitparks mit über 100.000 Besuchern pro Jahr. Die 11 größten Anlagen hatten 2003 sogar deutlich mehr als 1 Mio. Besucher (vgl. Themata 2003, S. 104). Die drei größten Anlagen in Deutschland sind das Phantasialand Brühl und die VW-Autostadt mit jeweils etwa 2 Mio. und der Europa-Park Rust mit über 3,5 Mio. Besuchern jährlich, mit steigender Tendenz. Insgesamt besuchen in Deutschland jährlich rund 21 Mio. Menschen einen Freizeit- und Erlebnispark (ebd., S. 103). Diese Zahlen verdeutlichen die Anziehungskraft, die von diesen Einrichtungen ausgeht (vgl. auch Kap. 5.2.1 „Erlebniswelten“). Ökologische Auswirkungen Die Umweltauswirkungen von Freizeit- und Erlebnisparks sind abhängig vom jeweiligen Betriebskonzept. Auslösende Faktoren sind vor allem die Planung und Errichtung der Anlage, der Betrieb der Anlage und die induzierten Besucherverkehre. Das Ausmaß der Umweltbelastungen ist zudem stark abhängig von der räumlichen Reichweite und der Empfindsamkeit des Standortes. Die zu erwartenden ökologischen Folgewirkungen lassen sich in system-immanente und standortabhängige Auswirkungen unterteilen (vgl. Strasdas in Bensberger Protokolle 1998, S. 140). Die system-immanenten Auswirkungen treten bei dem Betrieb der Anlagen immer auf und lassen sich durch technische und gestalterische Maßnahmen bestenfalls reduzieren. Zu diesen Auswirkungen gehören Flächenverbrauch und -versiegelung, Ressourcenverbrauch sowie das Abwasser- und Abfallaufkommen. Standortabhängige Auswirkungen betreffen die Beeinträchtigung oder Zerstörung von Vegetation und Fauna, die Störung des Landschaftsbildes und die Verkehrsbelastung. Diese Auswirkungen lassen sich bei entsprechender Standortwahl der Anlage vermeiden.

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

291

Der Flächenverbrauch der Anlagen ist sehr unterschiedlich und variiert bei den deutschen Parks zwischen 80 und 400 ha (vgl. Hochfeld et al. 2002). Der Anteil der versiegelten Fläche ist dabei wiederum von Park zu Park unterschiedlich. Neben der Versiegelung kommt es auf den Flächen zusätzlich noch zu erheblicher Bodenverdichtung und -modellierung (ebd.). Die beanspruchte Fläche umfasst zumeist nicht nur die Fläche der Parkanlage selbst, sondern auch die der benötigten Verkehrsinfrastruktur, seien es Parkplätze oder die notwendigen Verkehrswege zur Erschließung der Großeinrichtung. Der große Konkurrenzdruck und die relative Kurzlebigkeit der dargebotenen Attraktionen zwingen zu immer neuen Investitionen und einer Vergrößerung des Angebots, woraus ein anhaltendes Flächenwachstum vieler Freizeitparks resultiert (vgl. Steinecke 2006, S. 272). Die benötigten Flächen stehen meistens an innerörtlichen Standorten nicht zur Verfügung, so dass Freizeitparks in der Regel im Außenbereich urbaner Räume liegen. Gerade in der Vergangenheit wurden dabei landschaftlich attraktive Räume bevorzugt, was zu einer Gefährdung ökologisch wertvoller Landschaften führte. So wurden Großprojekte oft in der Nähe von Landschaftsschutzgebieten errichtet. Die häufig in der Eigenwerbung genannte Naturnähe besteht dann meistens aus einer künstlich angelegten Grünanlage, welche die zerstörte ursprüngliche Vegetation nicht ersetzen kann (vgl. Becker et al. 1996, S. 45). Tabelle 13 gibt einen Überblick der Flächen und Naturräume, die sich für eine Ansiedlung von Freizeit- und Erlebniswelten grundsätzlich eignen (Positivkriterien) bzw. welche hierfür aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes nicht geeignet sind (Ausschlusskriterien). Ausschlusskriterien Nationalparks Naturschutzgebiete und Schongebiete Gebiete in räumlicher Nähe und Beziehung zu Schutzgebieten Biosphärenreservate, Landschaftsschutzgebiete und Elemente der Biotopvernetzung Wasserschutz-, Wasservorbehalts- und Wassermangelgebiete sowie Gebiete mit geringem Grundwasserflurabstand Kultur- und Bodendenkmalsbereiche Biotope nach § 20c BNatSchG und Standorte der Rote-ListeArten Nicht gesetzlich geschützte Gebiete besonderer landschaftlicher Vielfalt, Eigenart und Schönheit naturnaher Waldflächen Gebiete mit besonderer Bedeutung für die landschaftsgebundene Erholung (einschl. Kur- und Badeorte) Lufthygienisch belastete Gebiete Gebiete im unbebauten Außenbereich gemäß § 35 BauGB

Positivkriterien Devastierte Flächen (z. B. Tagebauflächen der Braunkohle) Brachliegende Flächen vormaliger gewerblicher oder militärischer Nutzung Innerstädtische, hoch versiegelte Flächen oder Flächen in Randlagen von Ballungsgebieten Landschaftliche unattraktive Flächen Flächen mit vorhandenen oder geplanten Erschließungseinrichtungen Flächen im bebauten Innenbereich gemäß § 34 BauGB Großräumig ausgeräumte, intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen (großflächige Monokulturen)

Tab. 13 Standortkriterien von Freizeit- und Erlebniswelten hinsichtlich naturräumlicher und landschaftlicher Aspekte. (Hochfeld et al. 2002)

Der Wasserverbrauch in Freizeitparks ist im Vergleich zum Verbrauch beispielsweise in Erlebnisbädern relativ gering; aufgrund der z.T. hohen Besucherzahlen ist die absolute Menge jedoch erheblich. Der Trinkwasserverbrauch im Europa-Park Rust lag 1999 bei 43,5 l pro Besucher (ohne Tagungs-, Abendveranstaltungs- und Übernachtungsgäste), was sich bei 3

292

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Mio. Besuchern im Jahr auf 130.000 m3 Wasser summiert (vgl. Hochfeld et al. 2002). Zudem sind oftmals mit Wasser verbundene Attraktionen wie z.B. Wildwasserbahnen vorhanden, die ebenfalls mit einem hohen Wasserverbrauch verbunden sind. Bei den hohen Besucherzahlen ist außerdem mit großen Mengen von Abwasser zu rechnen, für die zusätzliche Klärwerks-Kapazitäten benötigt werden. In einer Freizeitgroßeinrichtung mit großen Besucherzahlen fällt immer Abfall an, der entsorgt werden muss (z.B. bei der Verköstigung der Besucher). Im Europa-Park Rust betrug beispielsweise in der Saison 1999 das Abfallaufkommen rund 200 g pro Parkbesucher, was in diesem Jahr zu einem Aufkommen von insgesamt 900 t kostenpflichtigen Abfalls führte (ebd.). Die Bedeutung der Abfallproblematik für die Umwelt ist dabei abhängig von der Abfalllogistik und -beseitigung der einzelnen Parkanlagen. Der Energieverbrauch in einem Freizeit- und Erlebnispark wird verursacht durch den Betrieb der Anlage sowie durch den induzierten Besucherverkehr. Bei der Anlage selbst hängt der Verbrauch stark von der Ausstattung der Anlagen und Fahrbetriebe ab, wobei aufgrund der immer aufwendigeren Attraktionen ein steigender Energiebedarf zu beobachten ist (ebd., S. 63). Eine Sonderrolle nehmen die Anlagen mit einem sehr energieintensiven Angebot ein, die im Verhältnis zur relativ kleinen Gesamtfläche viel Energie verbrauchen, wie z.B. SkiIndoor-Anlagen. Diese benötigen sehr viel Energie zur Kühlung. So hat beispielsweise das „Alpincenter“ in Bottrop einen jährlichen Strombedarf von rund 32.400 GJ, was dem Gesamt-Energieverbrauch von ca. 1000 Personen in Deutschland entspricht (ebd.). Der Energiebedarf bei der An- und Abreise der Besucher macht häufig den größeren Anteil am Verbrauch aus. Dies hat verschiedene Ursachen: die An- und Abreisestrecke, die Anbindung an den öffentlichen Personenverkehr und die Wahl der Verkehrsmittel. Aufgrund der außerstädtischen Lage ist die durchschnittliche Entfernung für die Anfahrt sehr hoch. Hochfeld et al. (2002) schätzten die durchschnittlich zurückgelegte Anfahrtsentfernung auf 150 bis 200 km, wobei sich die Einzugsbereiche der Freizeitparks vorwiegend an dem Fahrtzeitaufwand orientieren. Nach Opaschowski et al. (2006) liegt die akzeptierte Fahrtzeit für einen Freizeitparkbesuch bei 1,4 Stunden, unter günstigen Umständen können es aber auch bis zu 2,5 Stunden sein (vgl. Scherrieb 1998, S. 8). Die Anbindung der Freizeitparks an öffentliche Verkehrsmittel gerade im ländlichen Raum ist oftmals eher schlecht, so dass viele Besucher mit dem eigenen Pkw anreisen. Über 80 % der Gäste reisen mit dem eigenen Fahrzeug an (vgl. Opaschowski 2000, S. 44). Ein zusätzlicher Grund für den hohen Anteil des motorisierten Individualverkehrs ist die NullAttraktivität der Bundesbahn als Verkehrsmittel für Freizeitpark-Besucher (ebd.). Exemplarisch für die Verkehrsproblematik steht der Europa-Park Rust. Dieser verfügt über einen eigenen Autobahnanschluss mit einer teilweise vierspurig ausgebauten Zubringerstraße. Zudem besitzt der Flughafen Lahr eine Passagierfluglizenz als Zubringer für Gäste des Europa-Parks Rust. Resultierend aus dem Energieverbrauch zum Betrieb des Parks und der An- und Abreise der Besucher ergeben sich die Umweltwirkungen, vor allem die Luftschadstoff- und Klimagasemissionen. Der größte Anteil dieser Emissionen entsteht beim An- und Abreiseverkehr. Berechnungen ergeben, dass eine Million Parkbesucher Kohlendioxidemissionen von rund

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

293

12.140 Tonnen pro Jahr verursachen, was den jährlichen Pro-Kopf-Emissionen von 1.200 Bundesbürgern entspricht (vgl. Hochfeld et al. 2002). Der hohe Anteil des motorisierten Individualverkehrs bei der An- und Abreise führt bei dem zum Teil enormen Besucheraufkommen zu einer Lärmbelastung in den umliegenden Gemeinden. Gerade die spezifische lokale und zeitweilige Lärmbelästigung, mit Spitzen an Wochenenden und Feiertagen sowie zu bestimmten Tageszeiten, stellt ein Problem dar. Zudem kann je nach Angebot der Attraktionen auch vom Park selbst und seinen Besuchern eine Lärmbelästigung ausgehen. Ökonomische und soziale Auswirkungen Die ökonomischen Auswirkungen von Freizeit- und Erlebnisparks sind abhängig von der konzeptionellen Ausrichtung der Anlagen, wobei man eher innenorientierte und eher außenorientierte Anlagen unterscheiden kann (vgl. Baumgartner 2001, S. 37). Innenorientierte Anlagen bieten neben den Erlebnis-Attraktionen auch Übernachtungsmöglichkeiten, Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten an. Sie verursachen ein konzentriertes Verkehrsaufkommen und bringen für die örtlichen Dienstleistungsbetriebe kaum wirtschaftliche Impulse. Das meiste spielt sich im Freizeitpark ab. Außenorientierte Anlagen ohne parkinterne Übernachtungsmöglichkeiten und mit weniger zusätzlichen Dienstleistungsangeboten können demgegenüber unterstützend auf die örtliche Wirtschaft wirken. Die Besucher nutzen eher die örtlichen Dienstleistungen in den angrenzenden Gemeinden, was dort zu höheren Umsätzen führt. Allerdings kommt es auch zu einem dezentralisierten Verkehrsaufkommen. Hier kann es zudem eher zu Konflikten zwischen Anlagenbesuchern und traditionellen Ausflüglern kommen, vor allem dann, wenn die Anlage in einem Erholungsraum angesiedelt ist und sich traditionelle Gäste durch Anlagenbesucher gestört fühlen (ebd.). Mit der Ansiedlung einer Erlebniswelt sind positive Effekte für den regionalen Tourismus zu erwarten und die betroffene Kommune kann mit direkten Steuereinnahmen rechnen. Die hohen Besucherzahlen erfordern allerdings häufig verstärkte Ausgaben der öffentlichen Hand für den Ausbau der Verkehrswege und der sonstigen Infrastruktur. Diese Mehrausgaben führen wiederum zu einer Belastung des Finanzhaushaltes. Anderseits kann dieser Infrastrukturausbau positive Impulse für die regionale Entwicklung geben. Eine Belebung der Regionalwirtschaft ist zudem durch Multiplikatoreffekte möglich, wenn beispielsweise regionale Produzenten für den Bedarf im Bereich der Gastronomie liefern können oder örtliche Handwerksbetriebe mit Instandhaltungsarbeiten beauftragt werden. Die direkten Arbeitsmarkteffekte sind vom Betriebskonzept und der Größe der Einrichtung abhängig. So entstehen neue Arbeitsplätze in der Anlage und gegebenenfalls in der Region, was für die Einwohner eine Einkommensalternative darstellen kann. Als Folge kann sich die Zahl der Auspendler aus der Region verringern, allerdings auch der zusätzliche Pendlerverkehr von auswärts erhöhen. Viele der Arbeitsplätze in Freizeitparks sind dabei von Saisonalität gekennzeichnet. So weist Baumgartner (2001, S. 39) darauf hin, dass beispielsweise nur 16,5 % aller Angestellten des Europa-Park Rust ganzjährig beschäftigt sind. Zudem handelt es sich bei den Arbeitsplätzen häufig um niedrig qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze (ebd.).

294

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Freizeitgroßanlagen im ländlichen Raum verstärken eine Suburbanisierung, in deren Folge der motorisierte Individualverkehr weiter ansteigt. Sie führen als Konkurrenz für natürlich gewachsene Standorte zu einer Schwächung von Stadtteilzentren, können andererseits eine Aufwertung der Angebotsvielfalt für die Region bedeuten (ebd,, S. 44). Von einer Freizeitanlage kann eine Initialwirkung für die Region ausgehen, wenn sie beispielsweise auf devastierten Flächen angesiedelt wird und diese ehemals brachliegenden Flächen revitalisiert. Freizeitanlagen erhöhen zudem häufig den Bekanntheitsgrad der Standortgemeinde und können sich positiv auf das Image auswirken (ebd., S. 31f). Besonders familienfreundliche Angebote bedeuten überdies eine Angebotserweiterung im Freizeitbereich für die ortsansässige Bevölkerung. Hier ist allerdings zu bedenken, dass die privatwirtschaftliche Ausrichtung und die hohen Investitionskosten der Anlagen häufig einen relativ hohen Eintrittspreis zur Folge haben, der wiederum einkommensschwache Bevölkerungsteile von den Angeboten ausschließt. In vielen Fällen sind die Anlagen nicht kulturell in der Region verankert und für die Einwohner ein Fremdkörper, der zwar Arbeitsmöglichkeiten bietet, aber mit dem man sich nicht weiter identifiziert (ebd., S. 51f). Ein Verlust an kulturellen Werten kann dazu führen, dass zwischen Einwohnern und Parkbesuchern bestenfalls ein Dienstleistungsverhältnis entsteht. Zudem besteht in den Gemeinden die Gefahr einer Polarisierung der Bevölkerung zwischen Kritikern und Befürwortern einer solchen Anlage (ebd.). Im Fall einer politischen Dominanz der Freizeitparkbetreiber in kleineren Gemeinden kann es zudem zu einem Verlust von kommunalpolitischer Autonomie kommen (vgl. Strasdas 1998, S. 146).

6.3.3

Events und Großveranstaltungen

Großveranstaltungen und Events gehören zu den großen Freizeittrends der heutigen Zeit. Für viele Menschen ist der Besuch einer Großveranstaltung ein fester Bestandteil ihrer Freizeitgestaltung. Rund ein Drittel der Bevölkerung nimmt mindestens einmal jährlich an einer regionalen oder überregionalen Großveranstaltung teil (vgl. Stahl/Hochfeld 2002). Großveranstaltungen sind in der Regel zeitlich und räumlich begrenzte Ereignisse mit zum Teil sehr hohen Besucherzahlen. So konzentrieren sich bei Open-Air-Konzerten, Fußballbundesligaspielen oder auch bei der bekannten Loveparade zehn- bis hunderttausende Besucher für eine kurze Zeit auf einen räumlich eng begrenzten Bereich (vgl. Kap. 4.4.5 „Event- und Erlebnismarketing“). Abb. 58 zeigt eine Übersicht unterschiedlicher Veranstaltungs- bzw. Eventarten. Freyer und Groß (2002, S. 2) unterteilen hier Events je nach Größe in Mega-, Medium- oder MiniEvent. Mega-Events sind universelle internationale Großveranstaltungen, deren Ausrichtung immer unabhängiger wird vom jeweiligen Ort oder Land der Durchführung, wie beispielsweise die olympischen Spiele oder die Weltausstellung Expo. Medium-Events sind dagegen eher von regionaler Bedeutung und Besucherstruktur, verbunden mit einem meist regionalen bis nationalen Medieninteresse. Mini-Events schließlich sind auf der lokalen Ebene angesiedelt, können aber hier von großer Bedeutung sein (ebd.).

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

295

• Mega-Events (Groß-Events) • Medium-Events (Mittel-Events) • Mikro-Events (Klein-Events)

KulturEvents Musik-Events Theater-Events Religiöse Ev. Kunst-Events • Malerei • Happenings Wissenschaftliche Events Traditions-Events Brauchtum Technische Kunst Medien-Events

SportEvents Olympiaden

Wirtschaftliche Events

Gesellschaftspolit. Events

Expo

Politische Events

Meisterschaften

Messen

(Parteitage, Wahlen, Gipfeltreffen)

Wettkämpfe, Turniere • seltene TopEreignisse • regelmäßige Punktspiele

Kongresse VerkaufsShows Produktpräsentation

Freizeitsport: • Volkslauf • Trimm-Dich • Sportfeste

Wissenschaftl. Events (Kongresse, Jahrestagungen, Antrittsvorlesungen)

Besuch von Berühmtheiten (Könige, Papst)

Eröffnungen (Bauwerke, Straßen, Jungfernfahrten, Raketenstarts)

Natürliche Events Naturereignisse • Sonnenwende • Blüten • Zug der Kraniche • Ernten • Sonnenfinsternis • Almabtrieb Naturkatastrophen • Vulkanausbruch • Erdbeben • Seuchen

Naturschutzwochen Gartenschau Paraden, Umzüge, Karneval Negative Events: Kriege, Verbrechen

Abb. 58 Vielfalt von Events (Freyer/Groß 2002)

Neben dem Freizeitwert bringt die Massenansammlung von Menschen immer auch eine starke Belastung für die Umwelt und die betroffenen Anwohner im jeweiligen Umfeld mit sich, wobei diese Belastungen u.a. von Art und Ort der Veranstaltung abhängig sind. Großveranstaltungen können an einen festen Ort wie z.B. ein Stadion gebunden sein. Andere Großveranstaltungen wie z.B. die Austragung von Marathonläufen oder auch die LoveParade sind weniger ortsgebunden. Allen Großveranstaltungen gemeinsam ist, dass Belastungen von Umwelt und Natur nicht vermieden werden können. Der Sport ist ein Bereich, in dem sich die Ausführung von Großveranstaltungen konzentriert. So gab es 2005 in Deutschland 154 Großveranstaltungen mit mehr als 10.000 Zuschauern oder mehr als 5.000 Teilnehmern, die Spiele der Fußballbundesliga nicht eingeschlossen. Am beliebtesten waren Marathonläufe, Motorsport- und Radsportveranstaltungen, die zusammen rund 20 Millionen Besucher verzeichneten. Zum Vergleich: In der Saison 2004/2005 besuchten 11,6 Millionen Besucher die Spiele der Fußball-Bundesliga.

296

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Ökologische Auswirkungen Großveranstaltungen sind immer verbunden mit hohen Stoffströmen in den verschiedensten Bereichen wie z.B. Abfall, Energie oder Baumaterialien, aber auch die große Zahl der Besucher bringt Umweltbeeinträchtigungen mit sich. Konflikte mit Umweltaspekten können in der Regel nicht vermieden werden, wobei es keine Rolle spielt, ob der Austragungsort in der Stadt oder auf der grünen Wiese liegt, die Veranstaltung in einem Gebäude oder open-air stattfindet (vgl. Schmied 2002, S. 190f). Bei den negativen Folgewirkungen für die Umwelt stehen dabei je nach Veranstaltungsform und Sportart vor allem zwei Bereiche im Vordergrund. Zum einen kommt es bei der Errichtung und beim Betrieb der Infrastruktur (z.B. der Stadien) zu negativen Folgewirkungen. Dies sind vor allem Ressourcenverbrauch, Energieverbrauch und Klimagasemissionen, Wasserverbrauch, Anfall von Abfall, Lärmemissionen und Flächeninanspruchnahme, z.B. für Parkplätze. Zum anderen ist der Bereich der Mobilität aufgrund der hohen Besucher- und Teilnehmerzahlen eine Quelle erheblicher Umweltbelastungen. Der erhöhte Verkehr führt zu: Energieverbrauch und Klimagasemissionen, Emissionen von Luftschadstoffen und Lärmemissionen (siehe Kap. 6.3.1).

Abb. 59 Treibhausgasemissionen von Sportgroßveranstaltungen im Vergleich (Öko-Institut/DSHS, Köln in BMU 2007)

2005 verursachten die 154 Sportgroßveranstaltungen ohne Berücksichtigung von Übernachtung und Catering rund 300.000 t Treibhausgase (Abb. 59). Dies entspricht ungefähr den Emissionen, die bei der Erzeugung des jährlichen Strombedarfs für 140.000 Durchschnittshaushalte entstehen (BMU 2007, S. 14). Den überwiegenden Anteil der Treibhausgasemissionen erzeugten dabei die An- und Abreiseverkehre der Besucher und Teilnehmer (rund 95

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

297

%). Alle 154 Sportgroßveranstaltungen hatten zusammen einen Strombedarf von rund 16 Mio. kWh, hinzu kommt noch ein Bedarf von knapp 8 Mio. kWh an Wärmeenergie. Im Durchschnitt lag der Stromverbrauch einer Veranstaltung bei 100.000 kWh. Großveranstaltungen sind in der Regel überregionale Events. Die Umweltbelastungen, verursacht durch den Verkehr und dabei hauptsächlich durch die An- und Abreise von Besuchern und Teilnehmern, sind dadurch ganz erheblich. Neben den Treibhausgasemissionen stellen Luftverschmutzung, Verkehrslärm und zugeparkte Straßen eine Belastung für die Anwohner dar. Bei den 154 Sportgroßveranstaltungen im Jahr 2005 erzeugten die 25,6 Mio. Besucher einen Klimagas-Ausstoß von 210.000 t, das waren rund 8 kg pro Besucher. Bei der An- und Abreise der ca. 500.000 Teilnehmer entstanden pro Kopf noch mal rund 100 kg, wobei der hohe Wert auf die Flugreisen bei internationalen Teilnehmern zurückzuführen ist (vgl. BMU 2007, S. 15). Der Modal Split bei der Anreise der Besucher variiert von Sportart zu Sportart. So sind bei Motorsportveranstaltungen über 85 % der Besucher mit dem Auto oder Motorrad unterwegs, beim Berlin Marathon z.B. nur 20 % der Besucher (ebd.). Je höher der Anteil des motorisierten Individualverkehrs, desto schlechter ist die Öko-Bilanz des Veranstaltungsverkehrs. Berge von Abfall, viel Müll auf Straßen und Plätzen, leere Dosen und Flaschen, Flugblätter, Werbeartikel: Großveranstaltungen sind immer auch mit viel Abfall verbunden. Dabei entsteht Abfall in allen Phasen einer Großveranstaltung. So fällt Abfall in der Planungs- und Aufbauphase an, z.B. beim Stadienbau, bei der Modernisierung von Rennstrecken oder dem Bau temporärer Einrichtungen wie Zelten oder Bühnen zur Durchführung einer Veranstaltung. Dieser Abfall besteht aus Baustoffen, Dekorationsmaterial oder auch aus Sonderabfällen wie Lacken und Klebstoffen. Nach Beendigung der Veranstaltung fallen beim Abbau wiederum die unterschiedlichsten Abfälle an. Während der Veranstaltung entsteht der meiste Abfall in der Regel beim Catering (vgl. BMU 2007, S. 16). Aber auch Werbematerialien wie Flyer und Give-Aways sind häufig Bestandteil der Müllmengen, die entsorgt werden müssen. Abfälle entstehen dabei auch in den nichtöffentlichen Bereichen (z.B. Küchen) oder den Medieneinrichtungen. Bei den 154 Sportgroßveranstaltungen fielen pro Tag im Durchschnitt 6 t Abfall an, insgesamt mussten 3.000 t entsorgt werden. Pro Kopf lag die Müllmenge bei rund 200 g (ebd.). Wasser ist eine unverzichtbare Ressource, die auch bei Großveranstaltungen in vielen Bereichen verwendet wird, sei es als Trinkwasser oder als Brauchwasser in den sanitären Anlagen. Im Bereich des Sports wird Wasser zudem für die Sportstätten oder Disziplinen benötigt, z.B. für die Beregnung von Fußballfeldern oder die Herstellung der Eisflächen beim Eishockey. Bei Wintersportveranstaltungen verursacht die Herstellung von Kunstschnee einen großen Wasserverbrauch. Die Sportgroßveranstaltungen im Jahr 2005 verursachten einen Wasserverbrauch von 90.000 m3, dies sind pro Tag und Veranstaltung rund 190 m3 Wasser. Pro Person lag der durchschnittliche Wasserverbrauch bei 6 l (vgl. BMU 2007, S. 17). Folgende Abbildung stellt die Verwendung von Wasser in WM-Fußball-Stadien während des Bundesligabetriebs dar. Es wird deutlich, dass der Wasserverbrauch für Toiletten, Urinale und Wascharmaturen mit über 50 % den größten Anteil hat, aber auch die Pflege des Spiel-

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6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

feldes mit knapp 30 % nimmt einen großen Anteil ein. Der Wasserbedarf insgesamt ist dabei abhängig von Faktoren wie z.B. der Anzahl der Veranstaltungen, den Zuschauerzahlen oder auch der lokalen Niederschlagsmenge. Die typischen Jahresverbrauchswerte der WMStadien liegen bei 10.000 bis 20.000 m3 Wasser (vgl. FIFA 2006).

Duschen und Entspannungsbäder; 3%

Außenanlagen; 2% Waschbecken; 11% Toiletten und Urinale; 43%

Spielfeld; 29%

Sonstiges; 8%

Gastronomie; 4%

Abb. 60 Wasserverbrauch ausgewählter WM-Stadien im Bundesligabetrieb (FIFA 2006)

Abwasser fällt bei Großveranstaltungen vor allem im Bereich der Küchen und bei den sanitären Anlagen an. Gerade Küchenabwässer sind dabei mit Essensresten, Fetten und Spülmitteln verunreinigt, die erhebliche Umweltbelastungen darstellen. Die Aufbereitung dieses Abwassers stellt hohe Anforderungen an das Klärsystem. Ein großes Problem sind Großveranstaltungen in der freien Natur, besonders in oder in der Nähe von Natur- und Wasserschutzgebieten. Oftmals ist die Anzahl der Toiletten eher knapp bemessen, mit der Folge, dass die Landschaft als Toilette genutzt wird. Dies führt zu einer erheblichen ökologischen Belastung. Großveranstaltungen kommen mit Natur- und Landschaftsschutzzielen in verschiedener Weise in Konflikt. Für Verkehr und Parkraum wird viel Fläche beansprucht, ebenso für Nebenveranstaltungen, Ausstellungsflächen, die berichtenden Medien und Unterkünfte. Speziell im Sport wird Fläche benötigt für die Wettkampfstätten, wie z.B. Stadien oder Rennstrecken. Gerade bei ortsgebundenen Großveranstaltungen, deren Austragung an bestimmte Gebäude und Anlagen gebunden ist, treten dabei Konflikte in Zusammenhang mit einer Flächenversiegelung auf.

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

299

Naturnahe Biotope entlang der Strecken und rund um die Veranstaltungsstätten werden durch die Zuschauer in Mitleidenschaft gezogen, die den vorhandenen Freiraum für sich beanspruchen. Hier kommt es zu Schäden an Boden und Vegetation, verursacht z.B. durch Trittbelastung, wildes Parken oder Campen. Großveranstaltungen sind auch immer mit Lärm verbunden. Gerade Veranstaltungen, die unter freiem Himmel stattfinden, sind häufig Ursache von Lärmstörungen für die Anwohner, aber auch Wildtiere können hiervon betroffen sein. Eine Lärmquelle, die kaum zu vermeiden ist, stellt hierbei der Verkehr dar. Dies gilt für Open-Air-Konzerte ebenso wie für Sportveranstaltungen. Ein kritischer Punkt ist hierbei, dass Großveranstaltungen im Rahmen der Freizeitgestaltung häufig an Wochenenden oder in den Abendstunden stattfinden, eben in der freien Zeit, in der für viele Menschen das Ruhebedürfnis am größten ist. Ökonomische und soziale Auswirkungen Großveranstaltungen, besonders in den Bereichen Sport und Kultur, haben sich zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Faktor für Veranstalter und Sponsoren entwickelt. Aber es gibt auch vielfältige ökonomische und soziale Auswirkungen für die Bevölkerung eines Veranstaltungsortes. Diese Effekte sind abhängig von der Art der jeweiligen Großveranstaltung, also von Kriterien wie Größe, Häufigkeit, Zuschauerzahlen, Dauer und Zeitraum. Großveranstaltungen können eine Steigerung der Attraktivität des Austragungsortes zur Folge haben, weshalb sie auch zur Erreichung touristischer Ziele eingesetzt werden (vgl. Freyer/Groß 2006, S. 2). Zu den direkten ökonomischen Wirkungen gehören zusätzliche Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten, die gegebenenfalls in Zusammenhang mit der Veranstaltung entstehen. Die Ausgaben des Veranstalters, der Zuschauer und sonstiger Beteiligter wie beispielsweise Journalisten führen zu einer Einkommenssteigerung bei den entsprechenden Wirtschaftsbetrieben in der Region. Eine Veranstaltungsdauer von mehreren Tagen hat einen Anstieg der Übernachtungszahlen zur Folge, wovon wiederum ansässige Betriebe profitieren. Insgesamt sind diese direkten Effekte allerdings durch den zeitlichen Rahmen begrenzt. Notwendige Maßnahmen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur wie beispielsweise ein Ausbau des ÖPNV wirken sich ebenfalls positiv auf die ansässige Bevölkerung aus. Dies ist allerdings verbunden mit zusätzlichen Kosten für die Kommunen, da Ausgaben für die benötigte Verkehrsinfrastruktur häufig nicht von den Veranstaltern getragen werden. Ebenso müssen Kosten für Sicherheitsmassnahmen in der Regel von den Kommunen übernommen werden. Faktoren wie Imageverbesserung und die Vorteile eines verbesserten ÖPNV können eine positive Stimmung in der Bevölkerung hinsichtlich der Veranstaltung fördern. Eine Großveranstaltung kann dadurch Identität stiftend wirken und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bevölkerung stärken (ebd., S. 134). Allerdings treten auch Belastungen auf. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität der Anwohner im näheren Umfeld von Veranstaltungen dürfte hierbei am schwerwiegendsten sein, u.a. verursacht durch die Störung des Ruhebedürfnisses und durch die ökologischen Belas-

300

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

tungen aufgrund des Besucherverkehrs. Bedenken hinsichtlich des Umweltschutzes oder auch aufgrund der Art der Großveranstaltung können zu sozialem Dissens führen. Im Umfeld der Veranstaltungen besteht außerdem die Gefahr von Vandalismus z.B. durch alkoholisierte Besucher oder, wie in Folge von Fußballbundesligaspielen, durch randalierende Fans.

6.3.4

Landschaftsgebundene Freizeitaktivitäten

Landschaftsgebundene Freizeitaktivitäten erfreuen sich seit Jahren einer zunehmenden Beliebtheit. Viele dieser Aktivitäten haben mit Bewegung und Sport zu tun. Das Bundesumweltministerium schätzt z.B. die Zahl der Menschen, die regelmäßig in der Natur Sport treiben, auf 15 Millionen (vgl. BMU 2006). Wandern, Jogging und Walking sowie Radfahren gehören dabei zu den beliebtesten Sportarten in Deutschland, die sowohl im Urlaub als auch in der alltäglichen Freizeit ausgeübt werden (vgl. Opaschowski et al. 2006, S. 223). Im Verband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine e.V. sind rund 650.000 Wanderer organisiert und der deutsche Alpenverein e.V. (DAV) zählt mit seinen rund 670.000 Mitgliedern zu den größten deutschen Verbänden. Rad fahren ist in Deutschland ein Breitensport: Rund 80 % der Haushalte besitzen in Deutschland mindestens ein betriebsbereites Fahrrad (vgl. MID 2002). Weitere Bereiche mit einer großen Zahl an Aktiven sind beispielsweise der Wintersport mit schätzungsweise 6 Mio. Ski-Fahrern in Deutschland (vgl. Schemel/Erbguth 2000, S. 645) und der Wassersport in seinen vielfältigen Erscheinungsformen. Auch das Reiten erfreut sich in Deutschland großer Beliebtheit. Die Zahl der Reiter in Deutschland liegt bei ca. 2,4 Mio. Menschen, die Zahl der Pferde bei 750.000 (vgl. BMU 2006). Es entwickeln sich zudem im Freizeitsport in den letzten Jahren immer neue Trendsportarten, wobei es sich meist um neue Bewegungsformen mit neuen Sportgeräten handelt. Diese treten immer mehr in den Vordergrund und bringen zusätzliche Freizeitaktive in die freie Natur. Mountainbiking und Nordic Walking sind zwei Beispiele für relativ junge Sportarten, die mittlerweile eine weite Verbreitung gefunden haben. Die naturorientierten Freizeitaktivitäten nutzen vielfältige Landschaftsräume. Die Landschaft dient dabei nicht nur als schöne Kulisse, sondern das Erleben der Natur spielt neben Erholung und Entspannung eine zentrale Rolle. Die Freizeit profitiert von der Attraktivität intakter Natur und Landschaft, jedoch kann eine übermäßige Nutzung eben diese Grundlage zerstören. Die Landschaftsbeanspruchung durch die einzelnen Aktivitäten ist dabei unterschiedlich. Viele Aktivitäten konzentrieren sich hinsichtlich der nutzbaren Landschaft häufig auf Gebiete mit einer bestimmten naturräumlichen Ausstattung. Gerade diese Landschaften weisen oft auch ökologisch einen besonderen Wert auf. Durch nationale und europäische Gesetzgebung haben viele dieser Flächen einen besonderen Schutzstatus (siehe Kasten). Dies hat zur Folge, dass viele naturorientierte Aktive und Erholungssuchende nicht selten in Schutzgebieten ihren Wünschen nachgehen. Aber daneben gibt es in Deutschland natürlich auch Naturräume ohne eine solche Schutzregelung.

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

301

Die Aufgabe der Schutzgebiete ist es, mit unterschiedlicher Gewichtung, wertvolle Ökosysteme zu schützen und zugleich den Menschen einen Erholungsraum zu bieten. Je nach Schutzgebiet sind dabei Einschränkungen hinsichtlich der Nutzung möglich, die im Schutzziel begründet sind.

Die wichtigsten Schutzgebietskategorien in Deutschland Naturschutzgebiete (§ 23 BNatSchG) dienen insbesondere der Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung von Lebensräumen und der daran gebundenen wildlebenden Tierund Pflanzenarten. In ihnen ist jede Zerstörung, Veränderung oder Beeinträchtigung ausgeschlossen. Nutzungen sind nur soweit zulässig, wie sie dem Schutzzweck nicht entgegenstehen. Nationalparke (§ 24 BNatSchG) sind großräumige Landschaften nationaler Bedeutung, die sich in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet sind, sich in einen solchen Zustand zu entwickeln oder entwickelt zu werden. Frei von nutzenden und lenkenden Eingriffen des Menschen soll Natur sich nach ihren eigenen Gesetzen entwickeln können. Nationalparke tragen zur Bewahrung der Schöpfung und der natürlichen Artenvielfalt bei und schaffen Rückzugsgebiete für wildlebende Pflanzen und Tiere. Biosphärenreservate (§ 25 BNatSchG) dienen dem großräumigen Schutz von Naturund Kulturlandschaften. Vornehmliche Ziele sind die Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch hergebrachte vielfältige Nutzungen geprägten Landschaft und der darin historisch gewachsenen Arten- und Biotopvielfalt. Darüber hinaus sollen sie beispielhaft der Entwicklung und Erprobung nachhaltiger Wirtschaftsweisen in allen Wirtschaftssektoren, so auch dem Freizeit- und Tourismussektor, dienen. Landschaftsschutzgebiete (§ 26 BNatSchG) obliegt die Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes. In der Regel handelt es sich um großflächigere Gebiete, die auch eine Bedeutung für die Erholung des Menschen haben. Naturparke (§ 27 BNatSchG) sind großräumige Kulturlandschaften, in denen der Schutz und die Erhaltung der Biotop- und Artenvielfalt stark mit der Erholungsfunktion der Landschaften für den Menschen verbunden sind. In ihnen werden umweltverträglicher Tourismus und dauerhaft umweltverträgliche Landnutzungen unterstützt. Quelle: Bundesamt für Naturschutz 2009

Gerade in ländlichen Regionen sind Schutzgebiete eine bedeutende Destination für Touristen und Besucher aus angrenzenden Verdichtungsräumen. So wird die Besucherzahl pro Jahr im gesamten Nationalpark Harz auf rund 5 Millionen geschätzt (pers. Mitteilung Friedhart Knolle, NP Harz, 2009), davon allein auf dem Brocken ca. 1,3 Millionen Besucher pro Jahr. Genauere Zahlen sind nicht bekannt. Im Naturpark Lüneburger Heide wurden bis zu 3 Mio. Besucher jährlich gezählt (vgl. Revermann/Petermann 2003, S. 95). Dies ist besonders zu

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6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

den Spitzenzeiten verbunden mit negativen Folgen wie hohem Verkehrsaufkommen, Abfall und Lärm. Für die Naturräume bedeutet die Ausübung von Freizeitaktivitäten und Natursportarten eine Belastung. Es kommt zu Störungen und Eingriffen in die Natur. Flora und Fauna können durch eine Übernutzung geschädigt werden. Weitere Nutzungskonflikte entstehen zwischen der Erholungs- und Sportnutzung und anderen Nutzungen wie z. B. Jagd und Forstwirtschaft sowie zwischen den unterschiedlichen Erholungs- und Sportaktivitäten wie beispielsweise zwischen Wanderern und Mountainbikern (vgl. Roth in BfN 2006, S. 9). Die Konflikte verschärfen sich vor allem durch eine zeitliche und räumliche Konzentration der Erholungssuchenden und Aktiven (vgl. Revermann/Petermann 2003, S. 95). Es kommt zudem in Schutzgebieten zu Problemen durch Verstöße gegen bestehende Regeln, was meist auf mangelnde Aufklärung über das richtige Verhalten zurückzuführen ist. Diese Beeinträchtigungen werden dabei vor allem von den Naherholungssuchenden verursacht, da diese meist zeitlich konzentriert auftreten, wie z.B. am Wochenende oder Feiertagen (ebd.). Betroffen sind hiervon vorrangig Gebiete in der Nähe von Verdichtungsräumen bzw. die in einer verkehrsgünstigen Lage zu diesen liegen. Ökologische Auswirkungen Outdoor-Aktivitäten haben ein vielfältiges Konfliktpotenzial. Eine Auswahl möglicher Umweltfolgen von Freizeitaktivitäten in der Natur ist im Folgenden angeführt (vgl. Revermann/ Petermann 2003, S. 96f). Die Aktivitäten Wandern, Radfahren und Reiten benötigen zur Ausübung ein Wegenetz. Ist dieses zu dicht oder sind ökologische Zusammenhänge nicht berücksichtigt, können hierdurch Biotope zerschnitten oder zerstört werden. Je nach Bauart kann es auch zu Bodenversiegelung bei der dazugehörigen „Wanderinfrastruktur“ wie Park- und Grillplätzen kommen. Eine falsche Standortwahl dieser Plätze kann zudem zu Beeinträchtigungen in empfindlichen Bereichen führen. Beim Verlassen der Wege oder durch wildes Parken auf naturnahen Flächen entstehen weitere Belastungen wie z.B. die Schädigung der Vegetationsdecke sowie Bodenverdichtung und Erosion. Schlecht begehbare Wege führen wiederum zu neuen Trampelpfaden („spontane Ausweichpfade“). In von Menschen stark besuchten Gebieten kann es durch die Einbringung von Fäkalien und Abfällen zu einer Eutrophierung (Nährstoffanreicherung) kommen, mit Auswirkungen auf den Boden und die Vegetation. In manchen Fällen führt Unachtsamkeit zu Waldbränden. Diese sind zwar selten, aber meist von Menschen verursacht. Das Sammeln von Pflanzen kann zu einer Beeinträchtigung der Biodiversität führen. Die Präsenz von Menschen abseits der Wege oder auch mitgeführte Hunde verursachen Störungen in der Tierwelt. Besonders belastend sind Veranstaltungen wie Wandertage, Volks- und Orientierungsläufe, bei denen sich eine große Anzahl von Aktiven gleichzeitig in der freien Natur aufhält. Bei der Trendsportart Mountainbiking kommt es häufig zu Belastungen der Natur, wenn die Wege verlassen werden und die Fahrer in geschützte Bereiche eindringen. Dies ist mit einer Zerstörung der Vegetation und einer Störung der Tierwelt verbunden. Nach einer Schweizer

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

303

Studie (vgl. BUWAL 1994) werden vom „normalen“ Mountainbikebetrieb u.a. Rauhfußhühner, Rothirsche, Feldhasen, Rehe und Steinadler gestört. Auch wenn diese Studie keine wissenschaftlich abgesicherten Ergebnisse liefert, sind ihr doch Anhaltspunkte zu entnehmen, welche Arten potenziell von Mountainbike-Veranstaltungen betroffen sein könnten. Weigand (1993) gibt an, bei Rehen panische Fluchtreaktionen aufgrund einer schnellen Annäherung von Mountainbikern gegen den Wind beobachtet zu haben. Dagegen konnte Gander (1994) keinen statistisch gesicherten Unterschied in der Reaktions- und Fluchtdistanz von Gemsböcken bei der Annäherung von Wanderern, Joggern oder Mountainbikern feststellen. Lediglich der Fluchtweg und die Fluchtdauer waren bei der Annäherung von Joggern und Mountainbikern etwas größer. Nach den bisherigen Erkenntnissen ist von einem je nach Tierart und Struktur der Umgebung ca. 25-400 m breitem Streifen beidseitig längs der befahrenen Wege auszugehen, auf dem Tiere durch von der Mountainbike-Veranstaltung ausgehende Reize mit deutlichen Reaktionen bis hin zur Flucht antworten (vgl. Herbold 1992). Dieser Lebensraum steht Arten, die auf die von Mountainbikern ausgehenden Reize empfindlich reagieren, zumindest während der Trainings- und Wettkampfzeiten nicht zur Verfügung. Weniger empfindliche Arten werden den Raum wahrscheinlich eingeschränkt nutzen können. Aus diversen unveröffentlichten UVP-Begleitstudien zu Auswirkungen von Sportaktivitäten auf die Avifauna wird immer wieder die hohe Bedeutung von Randstrukturen für viele Vogelarten als unverzichtbares Brut- und Nahrungsbiotop deutlich. Es kann angenommen werden, dass lang andauernde und sehr hoch frequente Störungen bei störempfindlichen Arten besonders während der Brutzeiten zu erheblichen Konsequenzen führen können. Sehr große, inhomogene Teilnehmerfelder erzeugen lang andauernde und zudem hoch frequente Störreize. Die Vernachlässigung der Gelege oder der Brut über einen Zeitraum von wenigen Stunden reicht in der Regel bereits aus, um eine erhöhte Mortalität unter den Jungtieren zu begründen. Es ist davon auszugehen, dass sich die heimischen Wildtiere an Störungen längs gegebener Achsen, wie sie Wege darstellen, in gewissem Rahmen gewöhnen können oder als Anpassung diese während der meisten Zeit des Tages meiden. Herbold (1992) gibt an, dass sich Rehe an Erholungssuchende auf Wegen in gewissem Rahmen gewöhnen. Sie reagieren nur in den seltensten Fällen mit Flucht, wenn sie sich in ausreichender Deckung, wie Jungwuchs, Dickungen und Stangenhölzer, und in Ruhe befinden. Mit Gewöhnungs- oder Anpassungserscheinungen an die speziell von Mountainbike-Veranstaltungen ausgehenden Reize ist aufgrund der kurzen Dauer von Veranstaltungen jedoch nicht zu rechnen. Eine Gewöhnung kann allerdings wie oben angeführt schon vor der Veranstaltung stattgefunden haben, wenn die Tiere schon zuvor regelmäßig Kontakt mit Mountainbikern hatten. Weitere mögliche Folgen des Mountainbiking sind Bodenverdichtung und eine Erosion der Wege, verursacht durch die grobstolligen Reifen.

304

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Felsenklettern Der Klettersport wird seit ca. 100 Jahren überwiegend in den Alpen und Mittelgebirgen ausgeübt. Seit den 1970er und 80er Jahren erfreut sich dieser Sport einer zunehmenden Beliebtheit und wurde aufgrund der sich verbessernden Technik im Bereich der Sicherung zu einer Breitensportart. In Deutschland gibt es rund 100.000 aktive Felskletterer. Im Laufe der Jahre haben sich diverse Varianten des Klettersports wie z.B. das Freiklettern oder das Eisklettern herausgebildet. In erster Linie sind für Kletterer Felsen bzw. Felswände attraktiv, die möglichst festes Gestein und zugleich wenig oder gar keinen Bewuchs aufweisen. Bei der Ausübung selbst geht es meist um das Durchklettern einer bestimmten Route, deren Schwierigkeit auf einer Skala von I bis VII bemessen werden kann.

Abb. 61 Typische Abfolge der Teilbiotope einer Felswand im Frankenjura (Deutscher Alpenverein 1998, S. 21)

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

305

Die hohe Frequentierung von attraktiven Klettergebieten durch viele Kletterer hat indirekte und direkte Auswirkungen zur Folge. Häufig kommt es im Umfeld des Klettergebiets zu Störungen insbesondere durch den Pkw-Anreiseverkehr, durch falsches Parkverhalten, anfallenden Abfall und wildes Campieren. Direkte Auswirkungen durch das Klettern selbst entstehen am Kletterfelsen. Hierzu gehören beispielsweise Trittschäden an Pflanzen in den einzelnen Teilbiotopen einer Felswand (vgl. Abb. 61), Bodenerosion im Zugangsbereich, am Felsfuß und auf den Felsköpfen. Im Fels werden Kalkspuren hinterlassen („Magnesiaproblem“) und es kommt zu Schäden durch Bohrlöcher. Weiter kommt es zu Störungen der Fauna durch Lärm und die physische Anwesenheit von Menschen. Gerade geschützte, an Felsen brütende Vogelarten wie der Uhu oder der seltene Wanderfalke können dabei so stark gestört werden, dass sie ihren Brutplatz aufgeben. Somit stellt das Felsenklettern als Breitensport eine Gefährdung für die Biodiversität in den betroffenen Gebieten dar.

Klettern und Bergsteigen finden häufig in besonders schützenswerten und manchmal sogar in geschützten Naturräumen statt, die von speziell an diese Lebensräume angepassten Tieren und Pflanzen besiedelt sind. Am Fels kommt es zu mechanischen Belastungen durch Tritt oder die Anbringung von Sicherungshaken, unter der die spärliche Vegetation leidet. Zudem können Tierarten wie z.B. das Gamswild, Wanderfalke, Uhu oder Dohle aufgescheucht und gestört werden. In der Umgebung der Kletterfelsen kann es zu Belastungen durch Trampelpfade, das Abstellen von Pkw, wildes Campen, Abfälle u.ä. kommen. Beim Schwimmen oder Baden führt häufig schon die hohe Zahl der Aktiven zu einer Belastung der Gewässer, wobei der Schädigungsgrad von der Sensibilität des jeweiligen Gewässers abhängt. Mögliche Belastungen sind vor allem Trittschäden und die Zerstörung der Ufervegetation. Brütende oder rastende Vögel werden gestört und durch Badende vertrieben. Bei kleinen Seen ist zudem die Gefahr der Eutrophierung groß. Viele natürliche und künstliche Seen Mitteleuropas unterliegen einer anthropogen bedingten Eutrophierung und damit einem beschleunigten Alterungsprozess. Dieser Prozess besteht in einer starken Zunahme von Phytoplankton, einer Verminderung des Sauerstoffs in den unteren Wasserschichten und einem Absterben von Makrophyten. Die Folge ist, dass der See „umkippt“ und nicht mehr als Freizeitsee genutzt werden kann. Die Ursachen des Umkippens sind weitgehend auf das Verhalten der Nutzer zurückzuführen. So führen zum Beispiel in Freizeitseen die Badegäste dem See ein Viertel ihrer täglichen Urinmenge zu, wie eine Untersuchung der Universität Köln am Beispiel des im Norden Kölns gelegenen Fühlinger Sees ergab. Bei einer Anzahl von 25.000 bis 50.000 Besuchern pro Sonnentag wird die jährliche Phosphorzufuhr durch Urin auf 116 bis 233 kg geschätzt (vgl. Universität Köln 2009). Weitere Belastungen entstehen durch wildes Campen (Abfallprobleme), Vandalismus und bei der PKW-Anreise. Beim Surfen entsteht das Problem, dass mit den Surfbrettern das Befahren der besonders empfindlichen Flachwasserregionen möglich ist, was zu einer Störung der dort lebenden Vögel und zu einer Schädigung der Ufervegetation führen kann. Gerade die Uferzone ist als (Teil-)Lebensraum für Wasservögel von besonderer Bedeutung. Dieses Problem wird dadurch erschwert, dass ein einziger gestörter Vogel einen ganzen Schwarm aufschrecken kann

306

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

und so eine vermeintlich kleine Störung zu einer verstärkten Belastung der Vogelwelt führt. Eine weitere Beeinträchtigung entsteht häufig durch die Bemühungen der Sportler, mit dem Auto besonders nahe an die Gewässer heranzufahren, um die Ausrüstung nicht weit tragen zu müssen. Dies kann wiederum die Zerstörung der lokalen Flora, Bodenverdichtung und Bodenerosion zur Folge haben. Beim Ski-Langlauf kommt es zu negativen Auswirkungen durch Fahrten abseits der Pisten und Loipen, aber auch die Wegeführung selbst kann empfindliche Bereiche tangieren. Eine mögliche Folge ist die Schädigung der Vegetation in sensiblen Biotopen wie beispielsweise Moor- oder Heideflächen. Noch gravierender ist die mögliche Vertreibung störungsempfindlicher Tierarten. Gerade im Winter führt dies bei den Tieren zu einer Minderung ihrer Energiereserven, so dass häufige Flucht letztlich den Tod zur Folge haben kann. Der Motorsport, ob mit Pkw oder dem Zweirad, führt zu zahlreichen negativen Effekten. Bei Veranstaltungen verursacht der Verkehr der zahlreichen Besucher und Teilnehmer eine große Belastung der Tier- und Pflanzenwelt (Lärm, Abgase etc.). Zudem ist am Rand der Strecken mit Trittschäden und Abfällen zu rechnen. Die negativen Folgewirkungen sind beim Motorradsport noch massiver. Eine große Zahl von Geländemotorradfahrern geht bevorzugt am Wochenende in der freien Natur ihrem Hobby nach. Neben Lärm und Abgasen kommt es dabei durch die Motorräder zu erheblichen Schäden an Flora und Fauna wie z.B. Bodenverdichtung und -erosion, Baumwurzelverletzungen oder der Zerstörung von schutzwürdigen Pflanzen. Beim anlagegebundenen Motorsport stellen Großveranstaltungen wie beispielsweise die Rennen am Nürburgring eine große Belastungsquelle dar. Bis zu 100.000 Besucher führen zu erheblichen Beeinträchtigungen des gesamten Gebiets durch das starke Verkehrsaufkommen. Häufig kommt es hier durch wildes Campen zudem zu starken Boden- und Vegetationsstörungen und hohen Schadstoffeinträgen. Auch bei anderen anlagegebundenen Aktivitäten entstehen negative ökologische Auswirkungen, z.B. durch den Bau und Betrieb der jeweiligen Anlage. Ein Beispiel hierfür ist der Golfsport. Die Sportart selbst ist mit wenigen Auswirkungen verbunden; so gibt es nur relativ wenige Spieler und selten viele Zuschauer. Jedoch entstehen Belastungen vor allem durch die Standortwahl und den Betrieb der Golfanlage. Diese haben einen hohen Flächenbedarf und die Betreiber bevorzugen in der Regel landschaftlich reizvolle Gebiete. Zu einer Anlage gehören zudem ein Clubhaus und Parkplätze. Für die Spielbahnen selbst werden häufig intensive Eingriffe in die Landschaft vorgenommen wie Bodennivellierungen oder die Rodung von Bäumen und Sträuchern. Die Spielbahnen werden z.T. einer intensiven Pflege unterzogen, wobei durch Düngung, Pestizideinsatz und häufiges Mähen Tierwelt und Vegetation beeinträchtigt werden und Chemikalien in das Grundwasser gelangen. Der Wasserverbrauch von Golfplätzen ist außerordentlich hoch. Dies kann zu einer Grundwasserabsenkung führen, was gerade in Regionen mit einem unsicheren Wasserhaushalt bedenklich ist. Wassersportaktivitäten wie Segeln und Motorboot fahren benötigen eine bauliche Infrastruktur in Form von Bootshäfen, die direkten Zugang zum Wasser haben. Diese liegen immer in der sensiblen Übergangszone zwischen Wasser und Land, wodurch ökologisch wertvolle Räume verloren gehen oder mindestens beeinträchtigt werden. Die benötigte Infrastruktur ist

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

307

verbunden mit Flächenversiegelung und Bodenverdichtung. Zudem können die in das Wasser führenden Anlagen zu Störungen der Gewässerböden führen. Häufig gelangen zudem über die Wartung der Boote vielfältige Schadstoffe in Form von Öl, Benzin, Fäkalien, Reinigungsmittel oder Anti-Fouling-Mittel ins Wasser. Der Segelsport führt zu Belastungen, die denen des Surfens ähneln. Beim Motorbootsport sind die Belastungen noch gravierender. Hier kommt es zu einer Einbringung von Motorbetriebsstoffen und einer Lärmbelastung. Zudem führt schnelles Boot fahren zu starkem Wellenschlag, der wiederum Schädigungen der Ufervegetation zur Folge hat. Beim alpinen Ski-Sport kommt es zu Belastungen durch die Erstellung der Infrastruktur, der Anlage und Pflege der Pisten und durch den Skibetrieb selbst. Das Anlegen der Pisten ist mit vielfältigen Auswirkungen auf die Natur verbunden. Die Rodung von Bergwäldern hat gravierende Folgen im Hinblick auf Bodenstruktur, Wasserhaushalt, Tier- und Pflanzenwelt, Lawinenschutz etc. Großflächige Trassierungen zerschneiden wertvolle Lebensräume schützenswerter Tier- und Pflanzenarten (vgl. Abb. 62). Bei Planierungen der Pisten nimmt die Wasserspeicherfähigkeit der Böden ab mit der Folge von erhöhtem Oberflächenabfluss und Bodenabtrag. Die Pistenpflege mit Schneeraupen hat mechanische Schäden an Vegetation und Boden zur Folge, der Lärm führt zu Störungen in der Tierwelt. Beim Ski-Betrieb selbst kann es bei zu geringer Schneeauflage auf den Pisten zu Schäden an der Vegetation kommen (vgl. Abb. 63). Es kann zum „Abrasieren“ der Pflanzen kommen. Durch das Herausreißen der Wurzeln wird die Erosionsgefahr erhöht. Das Abknicken von Zweigen und Ästen sowie sonstige mechanische Schäden an Knospen und Pflanzentrieben führen zu vermehrtem Krüppelwuchs oder zum Absterben der Pflanzen, wodurch wiederum die notwendige Verjüngung der Vegetation ausbleibt. Das Verlassen der Wege und Lärm führen zu Beeinträchtigungen in der Tierwelt. Es kommt zu einer Verdrängung aus dem Lebensraum. Die Lebens- und Tageszyklen der Tiere werden gestört. Flucht im hohen Schnee bedeutet z.B. für Gemsen oder das Rotwild einen stark erhöhten Energieverbrauch, was zu einer erheblichen Schwächung der Tiere führt.

308

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Skisport Seit Mitte der 1970er Jahre hat sich der alpine Skilauf zu einer sehr populären und weit verbreiteten Massensportart entwickelt, die in Deutschland in den Mittelgebirgen und vor allem in den Alpen ausgeübt wird. Mit Seilbahnen oder Liften werden dabei die Aktiven zu den Gipfeln bzw. Bergstationen transportiert, um dann von dort aus auf Skiern in kurzen oder langen Schwüngen Richtung Tal zu gleiten. Nach geschätzten Zahlen gibt es in Deutschland ca. 6 Mio. Skifahrer, wovon ca. drei Millionen Alpinski ausüben, 1,5 Mio. Alpinski und Langlauf gleichermaßen fahren und 1,5 Mio. ausschließlich Langlauf betreiben (vgl. Schemel/Erbguth, 2000). Im Skisport entwickeln sich zudem immer neue Trendsportarten wie z.B. das Snowboarden.

Immer neue Pisten, Abfahrten und Infrastrukturobjekte haben die Lebensräume des Rehund Rotwildes zerschnitten und zu Belastungskonzentrationen in den verbliebenen Einständen geführt. Abb. 62 Zerschneidung von Lebensräumen (Ammer/Pröbstl 1991, S. 111)

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

309

Schäden an der Bergwaldvegetation durch Skifahren.

Das Aktivitätsdiagramm des Schneehuhns zeigt, dass dieses ohne Störung seine gut isolierende Schneehöhle nur wenige Stunden am Tag verlässt. Abb. 63 Störung und Schädigung von Flora und Fauna durch den Skisport (Ammer/Pröbstl 1991, S. 79 u. 113)

310

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Ökonomische und soziale Auswirkungen In Naherholungsgebieten können ansässige Dienstleistungsbetriebe von dem Besucheraufkommen profitieren, was die ökonomische Basis der heimischen Bevölkerung verbessert. Bei besonders hohem Aufkommen von Naherholungssuchenden und Tagesausflüglern kann es allerdings gerade in Spitzenzeiten allein durch ihre hohe zahlenmäßige Präsenz zu Belastungen psychischer Art kommen, bei denen unterschiedliche Wertemuster und Verhaltensweisen von (städtischen) Besuchern und (traditionell ländlicher) Bevölkerung aufeinander treffen. Dies kann zu Konflikten führen bis hin zu unerwünschten Akkulturationserscheinungen (vgl. Becker et al. 1996, Revermann/Petermann 2003). Der übermäßige Ausflugsverkehr stellt für die Ortsansässigen eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität dar, die sich gerade zu den Erholungszeiten (Wochenende, Feiertage) verstärkt zeigt. Das Verkehrsaufkommen ist dabei auch für die Ausflügler eine Belastung. So kann die Anfahrt mit dem eigenen Pkw mit Stress verbunden sein, z.B. durch Staus und überfüllte Parkplätze. Lärm und Luftverschmutzung beeinträchtigen wiederum die Erholung am Zielort. Eine hohe Zahl von Ausflüglern ist zudem Quelle von Konflikten zwischen den Freizeitaktiven selbst, da sie miteinander um die Nutzung des freien Raums rivalisieren. So fühlen sich Wanderer, die Stille und Erholung im Wald suchen, schon durch Gleichgesinnte in einer Entfernung von unter 100 m gestört (vgl. Becker et al. 1996, S. 42). Auch das Nebeneinander verschiedener Freizeitaktivitäten führt zu Störungen. Ein Beispiel sind mögliche Konflikte zwischen Wanderern und Mountainbikefahrern (vgl. Ammer in Buchwald/Engelhardt 1998, S. 245).

6.3.5

Freizeitkonsum und Erlebnis-Shopping

Mit der allgemeinen Wohlstandssteigerung hat sich der Stellenwert des Konsums in unserer Gesellschaft gewandelt. Unser Konsumverhalten geht weit über die Deckung der Grundbedürfnisse hinaus und die Erlebnisorientierung rückt in diesem Bereich immer weiter in den Vordergrund. So gibt es nach Opaschowski et al. (2006, S. 43ff) eine Polarisierung der Bundesbürger zwischen Versorgungs- und Erlebniskonsumenten, wobei sich gerade in der Freizeit der Erlebniskonsum zu einem immer größeren Markt entwickelt. Dabei zeichnen sich Versorgungskonsumenten (rund 60 % der Bevölkerung) dadurch aus, dass sie hauptsächlich Waren und materielle Güter kaufen. Notwendigkeit bzw. Sparsamkeit sind bei den Kaufentscheidungen wichtige Aspekte. Dagegen ist für die Erlebniskonsumenten nicht der Bedarf entscheidend, sondern der Wunsch nach Erleben. Erlebniskonsum ist Ausdruck eines bestimmten Lebensstils, von Dazugehörigkeit, von Erfolg und Lebensgenuss (ebd.). Die Freizeit ist ein besonders konsumintensiver Lebensbereich in der heutigen Gesellschaft. Freizeit ist Konsumzeit und auch das Einkaufen selbst gilt als Genuss und Erlebnis. Gerade jüngere Menschen scheinen sich dabei über den Erlebniskonsum zu definieren. 2003 fanden es 75 % der deutschen 14- bis 29-Jährigen wichtig, zu wissen, was „in“ ist und 68 % der jungen Menschen legten Wert auf eine modische Bekleidung, die als Statussymbol dient (ebd., S. 68ff). Es herrscht fast ein Konsumzwang: 62 % der Jugendlichen hatten das Gefühl, zuviel Geld auszugeben (ebd.).

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

311

Das Geschäft mit der Freizeit gehört zu den stabilsten Wirtschaftsbranchen unserer Zeit. Die deutschen Haushalte haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (vgl. DESTATIS 2008) im Jahr 2005 pro Monat durchschnittlich 232 Euro für Freizeit, Unterhaltung und Kultur ausgegeben, rund 12 % des zur Verfügung stehenden Konsumbudgets (vgl. Abb. 64). Bezogen auf das gesamte Jahr beläuft sich die Summe der Ausgaben für Freizeit, Unterhaltung und Kultur 2005 auf rund 99 Mrd. Euro. Ein Viertel der Ausgaben wurde für Pauschalreisen ausgegeben, die zweithöchste Position waren Freizeit- und Kulturdienstleistungen, zu denen auch Theater- und Konzertbesuche zählen. Dabei stagniert der Freizeitmarkt mittlerweile auf hohem Niveau. Deutschland

Früheres Bundesgebiet

Neue Länder (einschl. Berlin-Ost)

In EUR Freizeit, Unterhaltung und Kultur

232

236

216

Audio-, Video- und andere optische Geräte und Träger

22

22

21

Datenverarbeitungsgeräte und Zubehör

13

13

15

Sonstige langlebige Gebrauchsgüter, Verbrauchsgüter u. Reparaturen (Kultur, Sport, Camping u.Ä.)

14

15

(9)

Spielwaren und Hobbys

13

14

11

Blumen und Gärten

15

15

16

Haustiere

11

11

8

Freizeit- u. Kulturdienstleistungen

52

53

46

Bücher, Zeitungen, Zeitschriften u.Ä.

35

37

30

Pauschalreisen

58

57

62

Abb. 64 Ausgaben privater Haushalte für Freizeit, Unterhaltung, Kultur (2005) (DESTATIS 2008, Datenreport 2008)

Der Sport ist ein Beispiel dafür, wie stark Freizeit mit Konsum verbunden ist. Eine ganze Industrie liefert die notwendigen Geräte, Bekleidung und Accessoires für die vielen unterschiedlichen Freizeitaktivitäten, denen die Aktiven zu Wasser, zu Lande und in der Luft nachgehen. Alle paar Jahre löst ein Trend den anderen ab und jeder neue Trend ist mit einer neuen Ausrüstung verbunden, die dann extra angeschafft werden muss. Übrig bleibt u.a. Freizeitmüll, der zudem oftmals aus problematischen Stoffen besteht. Allein in der Schweiz waren es beispielsweise im Jahr 1994 rund 4.300 Tonnen Skisportartikel, 4.000 Tonnen Sportbekleidung und 2.800 Tonnen Sportschuhe, die als Abfall entsorgt werden mussten (vgl. Opaschowski 1999, S. 37).

312

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Der Sport stellt nur einen Teilbereich der Freizeit dar. Die Vielfalt der Produkte und Dienstleistungen für Freizeitzwecke ist groß, sie reicht von der Campingausstattung über die Unterhaltungselektronik bis hin zum Heimwerker- und Gartenbedarf. Der durch Freizeitkonsum anfallende Abfall ist dabei nur ein negativer Teilaspekt. Bei der Öko-Bilanz von Produkten müssen Herstellung, Vermarktung und Verkauf, Nutzung sowie Entsorgung und Recycling mit bedacht werden (vgl. Agricola 2002, S. 181). Freizeitkonsum – Auswirkungen und Konflikte Die Zusammenhänge zwischen Konsum und Gesellschaft sind vielfältig. Konsum ermöglicht einerseits die Befriedigung von Bedürfnissen für den Einzelnen, die Verbesserung der Lebensqualität und die gesellschaftliche Teilhabe. Gesamtgesellschaftlich führt Konsum zu Wertschöpfung oder zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Andererseits ist Konsum mit negativen Folgen für die Umwelt (Ressourcenverbrauch, Emissionen, Abfälle etc.) und für künftige Generationen verbunden. Bei bestimmten Produktionsbedingungen werden auch die Lebensbedingungen einer bestimmten Region verschlechtert (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006). Der Anteil des Bedarfsfeldes Freizeit am gesamten Materialverbrauch der Deutschen rangierte im Jahr 1990 mit 13 % (6,8 t pro Kopf) an dritter Stelle nach Wohnen und Ernährung (vgl. IFEU 1997, S. 105). Ein Beispiel stellt der Gebrauch von Sportausrüstung (Bekleidung, Geräte, Ausrüstung) im Rahmen des Freizeitsports dar. Hierdurch entsteht u.a. kaum wiederverwertbarer Abfall in Form ausgedienter Sportbekleidung und –geräte (vgl. Kap. 6.2.1). Produktion und Konsum als grundlegende Aktivitäten der menschlichen Wirtschaft nutzen Umweltressourcen, und die dabei entstehenden Emissionen führen zu einer Belastung der Ökosphäre. Seit langem schon wird die Biosphäre von der Menschheit übernutzt. Dies verursacht die globalen ökologischen Krisen wie den Klimawandel oder den Verlust an Artenvielfalt mit ihren vielfältigen Folgen. Die meisten Ressourcen dieser Welt werden dabei nur von wenigen verbraucht. Der Konsumstil der wohlhabenden 20 % der Weltbevölkerung verursacht den Verbrauch von 80 % der natürlichen Ressourcen (vgl. Liedtke, Welfens und Stengel 2007). Erschwerend kommt hinzu, dass Schwellenländer wie China und Indien bei der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Konsum aufholen. Konsumenten sind in die globalen Wertschöpfungsketten eingebunden und Konsumentscheidungen sind mit höherem Ressourcenverbrauch verbunden, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Eine Methode zu Bewertung des Umweltverbrauchs von Produkten und Dienstleistungen ist der ökologische Rucksack (vgl. BUND/Brot für die Welt/EED 2008, S. 143). Hierbei werden die gesamten Primärmaterialien zur Herstellung eines Produktes erfasst, die nicht in das Produkt selbst eingehen, also beispielsweise die Menge an Abraum, die bei der Förderung von Erzen anfällt, aber auch die benötigten Energieträger zur Herstellung des Produkts. Der ökologische Rucksack wird in Gewicht pro entsprechendes Produkt gemessen und wiegt für die meisten Alltagsprodukte mehr als die Produkte selbst. So wiegt der ökologische Rucksack beispielsweise für eine Jeanshose 30 kg und für ein Fahrrad wiegt er ca. 400 kg (ebd.). Ein weiteres Instrument zur Messung des Umweltverbrauchs ist der ökologische Fußabdruck. Dieser Indikator übersetzt die verschiedenen Elemente der Ressourcennutzung und

6.3 Auswirkungen und Konflikte in ausgewählten Freizeitsektoren

313

Umweltinanspruchnahme (Verbrauch an Wald, Weideland, Fisch, Kohle, Erdöl etc.) in einen einheitlichen Flächenindex „globaler Hektar (gha)“ als vergleichbare Maßeinheit. Man beschreibt hiermit die Fläche, die notwendig ist, um die genutzten Ressourcen bereitzustellen und die Emissionen aufzunehmen (vgl. BUND et al. 2008, S. 121ff). Der ökologische Fußabdruck der Weltbevölkerung übertrifft derzeit die zur Verfügung stehende biologisch produktive Fläche um etwa 20 %; das bedeutet, die Menschheit verbraucht zur Zeit mehr Ressourcen, als die Natur wieder erneuern kann. 2003 betrug der ökologische Fußabdruck in den Industrieländern pro Kopf 6,6 gha, in der übrigen Welt rund 2 gha (ebd., S. 72). An globaler Biokapazität stünden jedem Erdenbürger jedoch lediglich 1,7 gha zu. Es zeigt sich, dass es große regionale Unterschiede sowohl im Angebot als auch im Verbrauch von Ressourcen auf der Erde gibt. Auf die Industrieländer entfallen rund 45 % des weltweiten Energieverbrauchs (ebd.). In Deutschland liegt der CO2 Ausstoß pro Kopf aktuell bei rund 10 Tonnen, während er in vielen Ländern des Südens nur 1,5 Tonnen beträgt. Einen Großteil dieser ökologischen Überlastung haben die Industrieländer zu verantworten. Der ökologische Fußabdruck, gerade der westlichen Wohlstands- und Konsumgesellschaften, ist zu groß und der ökologische Rucksack zu schwer, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Die ungleiche Verteilung der Ressourcennutzung steht im Gegensatz zur Forderung nach intergenerativer Gerechtigkeit. Der durch übermäßigen Konsum geprägte Lebensstil in den Industriegesellschaften verschärft die ökologischen Probleme, mit der die heutige Welt konfrontiert ist. Gerade die Freizeit als konsumintensiver Lebensbereich ist hierbei ein bedeutender Mitverursacher. Eine genauere Betrachtung der Bevölkerung verdeutlicht dabei eine paradoxe Situation hinsichtlich Umweltbewusstsein und Ressourcenverbrauch in unterschiedlichen Milieus. Untersuchungen zeigen, dass Menschen aus den oberen sozialen Schichten (gemessen an Einkommen, Bildung und Beruf) zwar häufig ein hohes Umweltbewusstsein aufweisen und beispielsweise öfter ökologische Produkte kaufen, also auch durchaus umweltverantwortliche Entscheidungen treffen. Jedoch ist ihr Anteil am umweltbelastenden Konsum am größten (vgl. Abb. 65), da sie sich aufgrund ihrer materiellen Lage mehr leisten können und dies auch tun. Durch den „Vielverbrauch“ ist der Lebensstil der oberen sozialen Milieus insgesamt ressourcenintensiver als der von eher niedrigeren sozialen Milieus mit nicht so stark ausgeprägtem Umweltbewusstsein. Deren Lebensstil ist aufgrund der Konsumbeschränkungen als Folge der geringeren Einkommen insgesamt weniger ressourcenintensiv und dadurch umweltfreundlicher (vgl. BUND et al. 2008, S. 152).

Hedonisten

Experimentalisten

Konsummaterialisten

Bürgerliche Mitte

DDR-Nostalgische

Traditionsverwurzelte

Konservative

Moderne Performer

Postmaterielle

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Etablierte

314

Werte und Einstellungen Geringe Konsumorientierung Hohes Umweltbewusstsein Hohes Qualitätsbewusstsein Hohe Informationsorientierung Verhalten Umweltbewusster Konsum Gesunde Ernährung Geringe Autonutzung Umweltverträgliches Reisen Geringer Ressourcenverbrauch Sehr stark ausgeprägt

Stark ausgeprägt

Mittel ausgeprägt

Abb. 65 Nachhaltigkeitstendenzen in den sozialen Milieus (BUND et al. 2008, S. 153)

Zudem ist laut einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage zum Umweltbewusstsein in Deutschland eine Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten in allen Milieus zu beobachten (vgl. BMU 2008, S. 59). Hierfür wurden vielfältige Ursachen genannt: So werden beispielsweise Konflikte zwischen Nachhaltigkeitsorientierungen und persönlichen Wünschen selten zugunsten nachhaltiger Alternativen entschieden. Zudem empfinden es viele Menschen als schwierig, Gewohnheiten zu ändern. Auch wird die Diskrepanz zwischen Verhalten und Einstellungen oft gar nicht wahrgenommen: Hier gibt es ein Wissensdefizit. Die Bereitschaft zur Änderung des eigenen Lebensstils schwindet außerdem bei den meisten, wenn sie das Gefühl haben, dafür auf Lebensqualität verzichten zu müssen, während andere keinen solchen Beitrag leisten. Die wahrgenommene Gerechtigkeit spielt hier offensichtlich eine gewichtige Rolle (ebd.).

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

6.4

315

Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

Freizeitsuchende wie Freizeitanbieter stehen im Spannungsfeld zwischen Ökologie, Erlebnisorientierung und Märkten. Gleichzeitig ist klar, dass es eine pauschale Lösung für die anstehenden Probleme nicht geben kann. Hierzu sind die Aktivitäten, die wirtschaftlichen Voraussetzungen und die ökologischen Folgen zu verschiedenartig. Die Zielgruppe der Freizeitsuchenden ist groß und heterogen, so dass Einheitslösungen auch aus diesem Grund wenig Erfolg versprechend sind. Dennoch können auf der Basis der vorangegangenen Kapitel einige grundlegende Lösungsansätze und Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Hervorzuheben ist die große Bedeutung, die die Vernetzung der verschiedenen Akteure für die Umsetzung tragfähiger Lösungen hat. Nur im gegenseitigen Dialog zwischen Verwaltung, Unternehmen und Freizeitsuchenden, in der offenen und zugleich sachlichen Diskussion, kann ein Verständnis für die vielfältigen ökologischen Wechselbeziehungen erreicht und können tragfähige Lösungen erarbeitet werden. Will man beispielsweise die Besucher eines Freizeitparks zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel bewegen, bietet eine Zusammenarbeit zwischen Betreiber und Verkehrsanbieter sicherlich die größten Erfolgschancen. So können kooperativ entwickelte attraktive Angebote (z.B. Nutzung der Eintrittskarte als Bahnticket, höhere Taktzeiten etc.) Anreize zum Umsteigen bieten. Hierzu müssen die Akteure jedoch erst an einem Tisch sitzen. Neue Planungsinstrumente und -systeme, Öko-Audits und Umweltmediation in Kombination mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen ergeben perspektivisch ein weites Handlungsfeld. Das setzt ein paradigmatisches Denken in der Umweltpolitik und in der Freizeitwirtschaft voraus. Freizeitverhalten kann nur so umweltfreundlich und nachhaltig sein, wie es die Gesellschaft und mit ihr die Wirtschaft gerade sind. Der Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgesellschaft führt über eine Vielzahl von differenzierten Lösungsansätzen. Die nachfolgenden Kapitel geben eine Übersicht darüber, welche Instrumente und Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung und Gestaltung des Freizeitsektors eingesetzt werden können. Den höchsten Erfolg versprechen dabei diejenigen Maßnahmen, die auf ein miteinander von Nachhaltigkeit und Erlebnisorientierung in der Freizeit setzen (vgl. Agricola 2002).

6.4.1

Messbarkeit von Nachhaltigkeit in der Freizeit

Kritiker weisen zu Recht auf die Gefahr missbräuchlicher Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs hin. Daher sind Nachhaltigkeitsbilanzen erforderlich, um die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen einzelner Freizeitbereiche besser abschätzen und jene Bereiche identifizieren zu können, bei denen ein besonders großes Optimierungspotenzial besteht. Um also beurteilen zu können, ob sich eine Branche zukunftsverträglich entwickelt, braucht es so genannte Indikatoren, also Messgrößen, mit denen Veränderungen qualitativ und/oder quantitativ erfasst werden können. Im Folgenden wird der hierarchische Auf-

316

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

bau eines methodischen Verfahrens aus Zielen, Kriterien und Indikatoren vorgestellt, das zur „Messung“ einer nachhaltigen Freizeitgestaltung und -entwicklung eingesetzt werden kann.

Oberziel: Nachhaltige Freizeitgestaltung Unter- bzw. Teilziele ökologisch vertretbar

ökonomisch stabil

sozial verträglich

Kriterien (= angestrebte ökologische, ökonomische und soziale Systemzustände)

Indikatoren Indikatoren

Indikatoren

Indikatoren

Indikatoren

Indikatoren

Indikatoren

(= quantitativ und/oder qualitativ messbare Parameter)

Bewertung (z.B. durch Stufen- bzw. Klassenbildung) ↑= tendenziell günstig ↓= tendenziell ungünstig →= (noch) keine eindeutige Tendenz erkennbar

Abb. 66 Hierarchische Ebenen mit Zielen, Kriterien und Indikatoren

Der Aufbau des methodischen Verfahrens orientiert sich am heute international üblichen Leitbild-Konzept, bei dem „vorgefundene Zustände mit theoretischen Vorgaben (‚Sollzustände‘, ‚Qualitätsziele‘, ‚Leitbilder‘, etc.) verglichen werden“. Dazu werden in einem ersten Schritt die Ziele einer nachhaltigen Freizeitgestaltung definiert und in ein in sich konsistentes Zielsystem zusammengeführt (vgl. Kap. 6.1.3). Denn ohne ein konsistentes Zielsystem muss die Aufstellung von Kriterien und Indikatoren selbst zum normativen Vorgang werden, der jeder weitergehenden Bezugsgrundlage entbehrt. Aus den Zielen werden in einem zweiten Schritt die Kriterien abgeleitet, denen in einem dritten Schritt Indikatoren zugeordnet werden. Die Indikatoren sollen das Zielsystem vollständig abbilden. Ihre Erfassung erfolgt über die Auswertung vorhandener Informationsquellen und/ oder über neu zu erhebende Daten. Die Indikatoren werden analysiert und anschließend hinsichtlich ihrer „Erfüllungsgrade“ bewertet. Die Aufstellung, Erfassung und Bewertung der Indikatoren sind somit das inhaltliche Kernstück des methodischen Verfahrens (vgl. Stecker 1998, 2002) (s. Abb. 66).

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

317

Die Ziele beschreiben einen beabsichtigten zukünftigen Soll-Zustand und sind Grundlage für eine empirische Erfassung des Systemzustands. Hier werden unter Beachtung der Nachhaltigkeit Forderungen bezüglich der ökologischen, ökonomischen und sozialen Leistungsfähigkeit des Freizeitsektors formuliert. Die Ziele werden normativ durch Abwägungs- und Entscheidungsprozesse der dazu legitimierten Personen bestimmt und basieren in erster Linie auf Expertenmeinungen. Die Strukturierung des Zielsystems mit einem noch vage formulierten, strategischen Oberziel und den daraus abgeleiteten dimensionsbezogenen Teilzielen beinhaltet mit abnehmender Hierarchieebene eine geringere Allgemeingültigkeit und eine zunehmende Operationalität, die auf Kriterienebene durch Formulierung spezifischer Maßnahmen weiter zu konkretisieren ist (ebd.). Die Kriterien erfüllen somit die Funktion, die definierten Teilziele mit konkreten und möglichst operationalen Merkmalen zu untermauern. Jedes Teilziel kann mit einem oder mehreren Kriterien „bedient“ werden. Durch Kombination aller Kriterien sollte das Zielsystem vollständig abgedeckt sein (vgl. Lammerts van Bueren/Blom 1996, S. 17). In der Formulierung der Kriterien sollte eine „Ergebnisorientierung“ zum Ausdruck kommen, was durch die „Verwendung eines Verbs oder substantivierten Verbs“ erfolgen kann (ebd.). Dies bedeutet, dass ein Kriterium beschreibt, welcher Zustand oder welche Maßnahme in einem Öko- oder Sozialsystem anzustreben ist, damit die gesetzten Ziele erreicht werden können (z.B. „Naturschonende Steuerung der Freizeitaktivitäten“ oder „Partizipation der Lokalbevölkerung“). Kriterien sind somit das Resultat eines „von Menschen betriebenen Abwägungs- und Bewertungsprozesses“. Daraus folgt weiterhin, dass „ein Kriterium, welches kein Werturteil oder Maßnahmeziel beschreibt, in einem Parameter resultieren würde, der zu bedeutungslos und nicht verpflichtend ist und daher nur als ein unbedeutender Beurteilungsschritt zwischen dem Teilziel und dem Indikator fungieren würde, was zu vermeiden ist“. In Anlehnung an Lammerts van Buehren und Blom (1996, S. 16) wird daher ein Kriterium für Analyse- und Beurteilungszwecke definiert als ein charakteristischer Zustand oder Prozess, der in einem Ökosystem bzw. in dem darauf einwirkenden Sozialsystem anzustreben ist, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Ein Kriterium ist gekennzeichnet durch eine Anzahl zugehöriger Indikatoren, anhand derer beurteilt werden kann, ob bzw. inwieweit das Kriterium erfüllt ist. Die Indikatoren haben somit die Funktion, die Kriterien mit quantitativen oder qualitativen Parametern zu erfassen. Sie sind der Maßstab zur Beurteilung, ob bzw. inwieweit die Kriterien erfüllt sind und damit den einzelnen Teilzielen gefolgt wird. Indikatoren „basieren auf Forschung und sind ein Kompromiss zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und dem Bedarf nach kurzen und prägnanten Informationen“ (Lammerts van Bueren/Blom 1996, S. 17). Indikatoren können sowohl als wissenschaftliches Analyse-Instrument als auch in der Praxis zur Steuerung einer nachhaltigen Entwicklung genutzt werden. Können Indikatoren direkt gemessen werden (z.B. in Anzahl, Menge, Volumen, Prozent), haben sie gleichzeitig den Charakter eines quantitativen Parameters. Qualitative Parameter dagegen beschreiben einen Zustand oder Prozess, der nicht unmittelbar messbar ist. Vor diesem Hintergrund wird ein Indikator in Anlehnung an Lammerts van Buehren und Blom (ebd.) für Analyse- und Beurteilungszwecke definiert als

318

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

ein qualitativer oder quantitativer Parameter zur Beurteilung, ob ein Kriterium erfüllt ist. Er kennzeichnet einen wesentlichen Aspekt des Zustandes eines Öko- oder Sozialsystems bzw. der politischen Rahmenbedingungen und Durchführungsvoraussetzungen, der für Entscheidungsträger zur Steuerung einer nachhaltigen Entwicklung bedeutsam ist. Der Parameter basiert auf verfügbaren Informationen oder neu erhobenen Daten und kann beschrieben oder gemessen werden. Bei periodischer Wiederholung zeigt er Veränderungen an. Allgemein gesprochen sind Indikatoren also Messgrößen zur Bewertung eines Ist-Zustands und Grundlage für die Verfolgung und Kontrolle von Zielen, Entwicklungen und Veränderungen. Indikatoren können im Rahmen der Politik wichtige Funktionen übernehmen:      

Sie helfen bei der Identifizierung von Fortschritten gegenüber vereinbarten Zielen. Sie signalisieren, wo Verbesserungen und/oder Verschlechterungen stattfinden. Sie können deutlich machen, wo Handlungsbedarf besteht. Sie dienen der Kommunikation über Ziele der Nachhaltigkeit. Sie lassen den Vergleich mit anderen Städten bzw. Regionen zu. Sie können Lücken in den vorhandenen Datenbeständen identifizieren.

Wie bereits erwähnt, sind die Aufstellung, Erfassung und Bewertung der Indikatoren das inhaltliche Kernstück des methodischen Verfahrens. Die Bewertung ist dabei eine Beziehung zwischen „einem wertenden Subjekt und einem gewerteten Objekt“, die formal durch Bewertungsverfahren vorgenommen wird. Ziel der Bewertung ist es, die „Einstufung der werturteilsfrei erhobenen Indikatoren unter dem Gesichtspunkt der Zielsetzung vorzunehmen“ (Stecker 1998, S. 90). Die Einstufung erfordert für die Indikatoren die Festlegung von Qualitätsstandards und Grenzwerten, die aus Vergleichsgründen möglichst unumstritten sein und breite Akzeptanz haben sollten. Entsprechend schwierig sind sie zu definieren. Für zahlreiche Indikatorenkataloge, die bereits heute in den unterschiedlichsten Politikbereichen und Wirtschaftssektoren eingesetzt werden, fehlen häufig noch wissenschaftlich etablierte, objektive und breit akzeptierte Standards und Grenzwerte zur Etablierung von Bewertungskategorien. Insbesondere, weil die ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Situationen und Rahmenbedingungen in verschiedenen Städten und Regionen sehr unterschiedlich sind. Aus diesem Grund werden die Indikatoren meistens deskriptiv dargestellt und analysiert und anschließend – im Hinblick auf Kriteriumserfüllung und damit Zielerreichung – beispielsweise in Form einer Tendenzangabe (z.B. positiv, negativ oder günstig, ungünstig oder gut, mittel, schlecht) beurteilt. Die tendenzielle Ausprägung der Indikatoren kann z.B. in Form eines einfachen graphischen Bewertungsprofils (ebd.) dargestellt werden. Eine solche deskriptive Übersichtsdarstellung vermittelt eine Zusammenschau über die gesamthafte Ausprägung aller nach den übergeordneten Kriterien zusammengestellten Indikatoren. Sie erleichtert so die Aufdeckung von Schwachstellen und die Identifizierung möglicher Wechselwirkungen und Rückkopplungen im System, die zu analysieren sind. Daraus lassen sich entsprechende Handlungsempfehlun-

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

319

gen für eine bessere und zielorientierte Steuerung einer nachhaltigen Entwicklung, auch im Freizeitsektor, ableiten. Schließlich ist das beschriebene methodische Verfahren auch eine geeignete Grundlage für weiterführende Bewertungsansätze, wie z.B. für die Entwicklung von Umweltlabeln und Gütesiegeln (vgl. Kap. 6.4.6). Indikatorensysteme zur Messung der Nachhaltigkeit von Entwicklungsprozessen können für unterschiedliche politische Ebenen (national, regional, kommunal) oder für unterschiedliche Wirtschaftssektoren (so auch für den Freizeit- und Tourismussektor) erstellt werden. Liste der Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie 1a Energieproduktivität 11c 1b

Rohstoffproduktivität

11d

2 3a

12a 12b 13

Schadstoffbelastung der Luft

14a 14b 15 16

Vorzeitige Sterblichkeit (unter 65 Jahre) Zufriedenheit mit der Gesundheit Wohnungseinbruchdiebstahl Erwerbstätigenquote

17

Ganztagsbetreuungsangebote für Kinder

18

Durchschnittlicher Lohn von Frauen

19

9c

Treibhausgasemissionen Anteil erneuerbarer Energien am (Brutto-) Stromverbrauch Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche Artenvielfalt und Landschaftsqualität Staatsdefizit Verhältnis der Bruttoanlageninvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung 25-Jährige ohne Abschluss der Sekundarstufe II und ohne Ausbildungsplatz 25-Jährige mit abgeschlossener Hochschulausbildung Studienanfängerquote

Anteil des Schienenverkehrs an der Güterbeförderungsleistung Anteil der Binnenschifffahrt an der Güterbeförderungsleistung Stickstoffüberschuss Anbaufläche des ökologischen Landbaus

10 11a 11b

Bruttoinlandsprodukt je Einwohner Gütertransportintensität Personentransportintensität

Ausländische Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen Einfuhr der EU-15 aus Entwicklungsländern Die umweltbezogenen Nachhaltigkeitsindikatoren (kursiv) werden durch das Statistische Bundesamt im Internet regelmäßig aktualisiert. (www.destatis.de). Stand: Indikatorenbericht 2006.

3b 4 5 6 7 8 9a 9b

20 21

Abb. 67 Indikatoren der Nachhaltigkeitsstrategie in Deutschland. Quelle DESTATIS 2008, Datenreport 2008. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland

So wurden beispielsweise für die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung im Jahr 2002 konkrete Nachhaltigkeitsziele für alle Politikfelder festgelegt, die sich an den vier Leitlinien Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt und internationale Verantwortung orientieren. Zur Umsetzung der Strategie wurden 21 Schlüsselindikatoren mit konkreten qualitativen und quantitativen Parametern festgelegt (Abb. 67).

320

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Deren Umsetzung wird alle vier Jahre in einem Fortschrittsbericht veröffentlicht. 2008 wurden weitere Instrumente zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie vereinbart. So werden u.a. künftig alle neuen Gesetze einer Gesetzesfolgenabschätzung in Hinblick auf Aspekte der Nachhaltigkeit unterzogen. Ein Beispiel für ein Indikatorensystem auf kommunaler Ebene ist der von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) initiierte Wettbewerb „Zukunftsfähige Kommune“. Hier wurde den Verantwortlichen auf kommunaler Ebene ein Maßstab für die Lokale Agenda 21 an die Hand gegeben. Mit dessen Hilfe sollten die Kommunen die Ergebnisse ihrer Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung konkret überprüfen und die Qualität ihrer Agenda-21-Projekte bewerten können. Hierfür wurden Nachhaltigkeitsindikatoren herausgearbeitet, anhand derer sich Fort- oder Rückschritte einer nachhaltigen, d h. sozial gerechten, ökonomisch tragfähigen und die Umwelt schützenden Entwicklung einer Stadt bzw. Gemeinde messen lassen. Etliche dieser Indikatoren könnten auch zur Messung einer nachhaltigen Freizeitgestaltung und -entwicklung innerhalb einer Kommune dienen.

Leitkategorie „Wohlbefinden“ 1. Flächen zur Erholung 2. Vereinsleben 3. Kulturelles Leben 4. Bevölkerungsentwicklung 5. Fahrradwege 6. Pkw-Dichte 7. Verkehrsunfälle mit Kindern 8. Kriminalitätsrate 9. Kinder mit Übergewicht 10. Erschließung mit Bus und Bahn 11. Wohnungsnahe Grundversorgung 12. Lärmbelastung Leitkategorie „Umweltqualität und Ressourceneffizienz“ 22. Geschützte Natur 23. Flächenverbrauch 24. Sparsamer Umgang mit Flächen 25. Qualität der Fließgewässer 26. Trinkwasserverbrauch 27. Abfall 28. Niedriger Energie-Einsatz 29. Umwelt- und ressourcenschonende Energieerzeugung 30. Verkehrsmittelwahl 31. Bäume auf der Siedlungsfläche 32. Vorkommen der Mehlschwalbe Tab. 14 Indikatoren-Set „Zukunftsfähige Kommune“

Leitkategorie „Soziale Gerechtigkeit“ 13. Betreuung von Kindern 14. Geschlechtergerechtigkeit 15. Kommunales Engagement für Kinder und Jugendliche 16. Engagement für Behinderte 17. Bezahlbarer Wohnraum 18. Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt 19. Bildungschancen für Migranten 20. Kommunales Eine-Welt-Engagement 21. Einrichtungen für Kinder und Jugendliche

Leitkategorie „Wirtschaftliche Effizienz“ 33. Ausbildungschancen 34. Arbeitslosigkeit 35. Existenzgründungen 36. Ausgeglichene Wirtschaftsstruktur 37. Kommunale Schulden 38. Arbeitsplatzangebot 39. Öko-zertifizierte Unternehmen 40. Flächeneffizienz der Wirtschaft 41. Ökologische Landwirtschaft

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

321

Das Indikatoren-Set setzt sich aus den vier Leitkategorien zusammen, denen die Indikatoren zugeordnet sind. Das „Drei-Säulen-Modell“ der Agenda 21 (Umwelt, Soziales und Wirtschaft) wurde durch den Bereich Wohlbefinden erweitert, womit der Lebensqualität der Menschen in Städten und Gemeinden eine besondere Bedeutung zugewiesen wurde. Die Leitkategorien stellen die inhaltlichen Grundlagen des Indikatoren-Sets dar. Bei der Auswahl der Indikatoren wurde nach Größe der Städte und Gemeinden differenziert. Tab. 14 zeigt das Indikatoren-Set für Städte mit über 15.000 Einwohner (vgl. DUH 2004). Die langfristige Beobachtung dieser 41 Indikatoren wird zukünftig- im zeitlichen und räumlichen Vergleich – Aufschluss über die Nachhaltigkeit des Entwicklungsverlaufs in den beteiligten Kommunen geben. Die Erstellung von Nachhaltigkeitsbilanzen für den Freizeitsektor mit Hilfe der o.g. Methodik aus Zielen, Kriterien und Indikatoren ist jedoch nur ein erster Schritt, um die von diesem Sektor ausgehenden ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Wirkungen besser abschätzen und steuern zu können. Darüber hinaus bedarf es natürlich weiterer Maßnahmen, die für die Umsetzung einer nachhaltigen Freizeitgestaltung und -entwicklung erforderlich sind. Diese werden in den nächsten Kapiteln vorgestellt und beschrieben.

6.4.2

Politik und Gesetzgebung

Zur Realisierung einer nachhaltigen Freizeitgestaltung ist es unumgänglich, dass bestimmte Bereiche gesetzlich geregelt sind, damit die Grenzen von Natur und Umwelt gewahrt bleiben. Dies bezieht sich beispielsweise auf die Sperrung besonders sensibler Naturräume für den Freizeitsport, Genehmigungsverfahren für größere Veranstaltungen oder gesetzliche Vorschriften, die den Lärm bei Veranstaltungen regeln. Die Umsetzung vorhandener Instrumente wie beispielsweise der Freizeitlärm-Richtlinie wird dabei in den verschiedenen Bundesländern noch unterschiedlich gehandhabt. Zu einer Verbesserung der vorhandenen Lösungswege ist eine stärkere Zusammenarbeit der beteiligten Behörden zu fordern. Relevante gesetzliche Vorgaben gibt es für viele Freizeitbereiche und -aktivitäten (Tab. 15). Bei Großveranstaltungen oder Freizeitanlagen sind insbesondere die Bereiche Natur und Landschaft sowie Lärm durch Bundesgesetze geregelt. Auf kommunaler Ebene existieren Vorgaben insbesondere für den Umgang mit Abfällen und die Lenkung der Verkehrsströme. Eine umweltverantwortliche Verkehrspolitik und -gesetzgebung ist angesichts der in Kap. 6.1.3 dargestellten Umweltprobleme (Emissionen!) von großer Bedeutung (siehe Kasten).

322 Gesetz Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) NATURA 2000

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) Schutzgebietsverordnungen der Länder Bundesartenschutzverordnung Bundeswaldgesetz/ Waldgesetze der Länder Wasserhaushaltsgesetz/ Landeswassergesetze

TA Lärm Sportanlagen-LärmSchutzverordnung Freizeitlärmrichtlinien der Bundesländer Kommunale Abfall- und Abwassersatzungen

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit Grundsätze / Ziele Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes sind zu vermeiden oder auszugleichen Gebietsspezifischer Schutz und die Verpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung. Es gilt das „Verschlechterungsverbot“ Bestimmung der Zulässigkeit eines Projekts unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorschriften zu Umweltaspekten. Zerstörung, Beschädigung, Veränderung und längerfristige Störung sind verboten Geschützte Tier- und Pflanzenarten dürfen nicht gefährdet werden Wald ist wegen seiner wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Nutzfunktionen zu erhalten und zu Schützen Gewässer müssen so bewirtschaftet werden, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit dienen und jede vermeidbare Beeinträchtigung unterbleibt Begrenzung der Lärmauswirkungen Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärm Begrenzung der Lärmauswirkungen auf ein für die Anwohner zumutbares Maß Abfallvermeidung, Abfalltrennung und umweltgerechte Entsorgung; Ordnungsgemäße Entsorgung der Abwässer

Tab. 15 Wichtige gesetzliche Vorgaben und ihre Ziele für den Freizeitbereich

Verkehrspolitik Eine umweltverantwortliche Verkehrspolitik setzt auf Verkehrsvermeidung gerade im Bereich des motorisierten Individualverkehrs. Wichtige Schritte sind hierbei die Verlagerung des Verkehrs auf umweltverträgliche Verkehrsmittel, Ausbau der öffentlichen Personenverkehre und eine Förderung der nicht-motorisierten Verkehrsarten. Im Individualverkehr müssen Verkehrsleistung und Energieverbrauch entkoppelt werden. Mehr Energieeffizienz und „weg vom Öl“ sind dabei Strategien, die mit gesetzlichen Vorgaben gefördert werden. Die geplante stufenweise Senkung des CO2-Ausstoßes von Neuwagen

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

323

in der EU ab 2012 stellt in diesem Zusammenhang eine wichtige Weichenstellung für Energieeffizienz und CO2-Reduktion in Europa dar. Die Umgestaltung der Kfz-Steuer, eine transparentere und kundenfreundliche Verbrauchskennzeichnung bei Pkw und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den nachhaltigen Einsatz von Biokraftstoffen können eine weitere Reduzierung der CO2-Emissionen im Personenverkehr unterstützen. Zukunftsfähiger Freizeitverkehr muss ein Verkehr der kurzen Wege und mit umweltverträglichen Verkehrsmitteln sein. Maßnahmen zur Förderung einer umweltverträglichen Mobilität sollten dabei die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen beachten (Freizeitverkehr dient vorrangig sozialen Zwecken). Dies verlangt auch eine vorausschauende Stadt- und Regionalplanung, die soweit möglich eine Nahversorgung der Freizeitbedürfnisse realisiert. Umweltfreundliches Freizeitverkehrsverhalten kann u.a. durch folgende Maßnahmen gefördert werden. - Aufwertung des Nahraums als Freizeitziel sowie Gestaltung, Kommunikation und Vermarktung bedarfsgerechter Angebote - Bessere Angebote des ÖPNV sowie Ausbau der Angebote auf Freizeitbedürfnisse (Abendund Wochenendangebote) - Förderung von Freizeitangeboten in der Region und bessere Anbindung an den ÖPNV sowie eine gemeinsame Vermarktung dieser Angebote - Förderung der Fahrradnutzung durch den Ausbau des Fahrradwegenetzes (kommunal, regional und überregional – Radfernwege), Angebote von Fahrradmitnahme in Bus und Bahn, Fahrradstationen und Fahrradverleih.

6.4.3

Handlungsoptionen im Rahmen der Planung Martin Mencke

Eine der wesentlichen Handlungsoptionen für die Entwicklung einer nachhaltigen Freizeitgestaltung stellt die Steuerung über politische Instrumente der Naturschutzgesetzgebung und der politisch verantworteten Rahmenplanung für den Bau und den Betrieb von Freizeitinfrastruktur dar. Daher geben die nachfolgenden Darlegungen einen Überblick über das Thema Planung und die möglichen Bezugspunkte zu Freizeitnutzungen. Die genannten Planungsarten und Planungsinstrumente können jedoch aufgrund der stark reduzierten Form nicht in all ihren fachlichen und rechtlichen Details behandelt werden. Planen heißt werten: Planung kann jeder, Planung ist alltäglich. Ganz so einfach ist es leider nicht. Denn von der alltäglichen Planung (z.B. des Urlaubs, der Abendgestaltung) und der in diesem Kapitel behandelten Planung gibt es zwei grundlegende Unterscheidungen. Denn Grundlage jeder Planung sind i.d.R. Wertungen. Hier unterscheidet man zwischen so genannten „individualistischen Wertungen“ und „Werturteilen“ (vgl. Bechmann 1981). Die individualistischen Wertungen der alltäglichen Planung drücken Werthaltungen aus, die ein

324

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Individuum zu einer bestimmten Zeit einem bestimmten Wertträger gegenüber einnimmt. Sie haben keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit. Die Werturteile jedoch beanspruchen Gültigkeit und besitzen häufig einen Forderungscharakter. Werturteile haben Geltung, indem sie verbindlich sind (sein sollen), befolgt werden sollen oder müssen oder Verhalten steuern oder bestimmen sollen. Wenn nachfolgend somit von Planung gesprochen wird, so handelt es sich um Planungen, denen Werturteile zugrunde liegen bzw. liegen müssen. Grundmuster von Planungen: Für Planung bedarf es i.d.R. eines Planungsanlasses. So kann es erforderlich sein, Entscheidungen zu treffen oder Problemstellungen lösen zu müssen (z.B. zur Konfliktvermeidung oder Schadensabwehr). Denkbare Planungsanlässe sind aber auch der Auftrag oder der Wunsch zu gestalten (z.B. Räume, Landschaften). Nicht zuletzt geht es in der Planungspraxis auch oft darum, z.B. Nutzungen im Raum zu steuern oder zu koordinieren (vgl. Abb. 68). All diese Planungsanlässe können durch eine Planung bewältigt/bearbeitet werden. Dabei ist zu unterscheiden, ob die jeweils erforderliche Planung durch Rechtsvorgaben (Gesetze, Verordnungen oder Satzungen) normiert ist, oder ob sie frei von Rechtsvorgaben lediglich informellen Charakter haben soll. Die rechtlich normierten Planungen sind dabei oft mit Rechtsfolgen, also Verpflichtungen gegenüber Bürgern oder Verwaltungen verbunden. Die informellen Planungen dienen oft lediglich als Diskussions- oder Informationsgrundlage. Wenn nachfolgend von Planung gesprochen wird, so handelt es sich um rechtlich normierte Planung. Informelle Arten von Planungen werden nicht behandelt. Der Planungsanlass ist verknüpft mit einer bestimmten Ausgangssituation, die planerisch bewältigt werden soll. Der Planer, der für eine Planung zuständig ist, muss zunächst den Bestand der Ausgangsituation erfassen und bewerten und ggf. vorhandene oder zu erwartende Konflikte erkennen und beschreiben. Hierfür sind ein ausreichender Sachverstand sowie die Kenntnis von geeigneten Methoden und den einschlägigen Rechtsvorgaben unbedingt erforderlich. Erst nach der Analyse der Ausgangssituation beginnt die eigentliche Planung. Der Planer erarbeitet mit dem jeweiligen Planungsinstrument oft erst eine übergeordnete Idee, das Leitbild. Dieses wird i.d.R. durch Ziele konkretisiert. Die Ziele wiederum werden schließlich durch konkrete Maßnahmen oder Erfordernisse weiter präzisiert. Mittels der Planung soll dann eine „Zukunftssituation“ erreicht werden, die den jeweiligen Planungsanlass bewältigt. Inwiefern eine Planung jedoch auch wirklich umgesetzt wird, ist sehr vom jeweiligen Planungsinstrument abhängig. In manchen rechtlich normierten Planungsverfahren ist noch eine Art Beobachtung vorgesehen, inwiefern die Planung umgesetzt wurde und auf den Planungsanlass wirkt (Monitoring) oder gar eine genaue Überprüfung der Wirksamkeit von Planung (Evaluation). Die Abb. 68 zeigt ein abstraktes Grundmuster von normierten Planungen, welches von Planungsfall zu Planungsfall aufgrund unterschiedlicher Planungsanlässe verschieden ausfallen kann. Bei manchen Planungen steht die Analyse des Status Quo im Vordergrund, bei anderen wiederum die Herleitung ganz konkreter Maßnahmen. Planungsabläufe unterscheiden sich auch innerhalb verschiedener Bundesländer, innerhalb der EU oder gar weltweit. Wenn nachfolgend von Planung gesprochen wird, so handelt es

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

325

sich um deutsche Arten von Planung und in Teilen um Planungen, die aufgrund EUrechtlicher Vorschriften durchgeführt werden.

Planungsanlass Ents cheidungserfordernis / Problemstellung Gestaltungswunsch, -auftrag Steuerung / Koordination informell

normiert

Ausgangsituation

Analyse

Planer

Bestandserfassung Bestandsbewertung Konfliktanalyse

Sachverstand Me thoden Re chtsvo rgab en Planungsinstrument Planung Leitbild Zie le Efordernisse / Maßnahmen

Ums etzung

Monitoring Evaluation Zukunftssituation

Abb. 68 Grundmuster vieler Planungsabläufe

326

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Ausgewählte Planungsarten und -instrumente Zahlreiche Freizeitnutzungen sind an das Vorhandensein bestimmter Infrastruktureinrichtungen gebunden. So erfordern Freizeitreisen z.B. Verkehrswege und Beherbergungsstätten. Die Ausübung von Sport ist oft an das Vorhandensein von Sportstätten geknüpft. Aber auch kulturelle und soziale Tätigkeiten in der Freizeit sind i.d.R. auf entsprechende Einrichtungen angewiesen. All diese möglichen Infrastruktureinrichtungen müssen geplant, koordiniert, überprüft und gebaut werden. Für den großen Themenbereich „Freizeit“ gibt es keine spezifische Planung und keine eigenen Rechtsnormen. Die Tätigkeiten, die Individuen in ihrer Freizeit ausüben sind hierfür zu verschieden. Bedeutung für die Freizeitwissenschaft können aber Planungen haben, die bestimmte Freizeitnutzungen lenken, ermöglichen oder einschränken. Hierunter fallen vor allem Planungen, die eine räumliche Entwicklung steuern, relevante Infrastrukturvorhaben ermöglichen sowie Planungen aus dem Umweltbereich. Die Auswahl der nachfolgenden Planungen stellt lediglich einen Teil gängiger Planungsarten und –instrumente dar, die Bedeutung für bestimmte Freizeitnutzungen haben oder haben können. Diese Auswahl erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Die ausgewählten Planungsarten und Planungsinstrumentarien beschränken sich    

auf Rechtsnormen basierende Planungen, unberücksichtigt bleiben sog. informelle Planungen, auf in Deutschland rechtlich normierte Planungen, Planungsarten der räumlichen Gesamtplanung und der Umweltplanungen sowie auf Beispiele aus dem Raum Berlin-Brandenburg.

In der deutschen Planungswelt gibt es zahlreiche rechtlich normierte Planungsarten. Um hier eine bestimmte Kategorisierung vorzunehmen, können diese Planungen anhand des Planungsanlasses grob gegliedert werden. Der Anlass von Planung kann darin bestehen    

räumliche Entwicklungen insgesamt zu steuern oder zu lenken (Gesamtplanung), bauliche Projekte oder sonstige Vorhaben zu prüfen und/oder zu optimieren (Prüfplanungen), bestimmte bauliche Vorhaben zu realisieren oder bestimmte Nutzungen zu lenken (Fachplanungen), oder Mischformen hieraus (Querschnittsplanung).

Die folgende Abbildung zeigt die nachfolgend ausgewählten Planungsarten. Neben der Einteilung in die o.g. Planungsanlässe werden die übergeordneten Rechtsbegriffe und die jeweiligen Planungsinstrumente aufgezeigt. Die genannten Arten von Planungen werden in den nachfolgenden Kapiteln etwas näher beleuchtet. Einzelne Planungsinstrumente werden dabei in einem „Steckbrief“ vorgestellt. Bezüge zu anderen Instrumenten werden unterstrichen dargestellt.

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

Gesamtplanung Umfasst alle Arten von Nu tzun ge n und den Schutz der Ressourcen Re chtsbegriff Planungsinstrument Raumordnung / Landesplanung Landesraumordnungsprogramm* Landesentwicklungsplan*

Fa chplanung

Prüfplanung Prüfen der (Umwelt)Folgen von Planungen oder Projekten

Strateg. Umweltprüfung (SUP)/ Umweltprüfung (UP) Umwelt bericht (UB) Ei ngri ffsr egel ung (ER)

In spez. Fachgesetzen ist die Planung u. Zulassung geregelt: z.B. Bundesf ernstraßen Wasserstraßén Flughäf en Abfa lbeseit igungsanlagen Kraf twerke Leistungst rassen u.a.

Landschaftspflegerischer Begleitplan (LBP)

Regionalplanung Regionalplan Bauleitplanung

Querschnittsplanung

Umfasst spezifische Arten von Nu tzu nge n und baulichen Projekten Bauen

Re chtsbegriff Planungsinstrument

327

Steuern In spez. Fachgesetzen ist die Planung u. Zulassung geregelt, z. B.: Agrarplanungen Forstliche Planungen Wasserwirtschaftliche Planungen

Ha ben sowohl den Ch arakter v. Fachwie von Prüfplanung u. Koordinationsaufgaben Re chtsbegriff Planungsinstrument Landschaftsplanung Landschaftsprogramm Landschaftsrahmenplan Landschaftsplan Grünordnungsplan

FFH-Verträglichkeitsprüfung FFH-Verträglichkeitsstudie (FFH-VS)

Flächennutzungsplan Bebauungsplan * Begrifflichkeiten sind in den Bundesländern verschieden

Umweltver träglichkei tsprüfung (UVP) Umweltverträglichkeitsstudie (UVS)

Abb. 69 Kategorisierung rechtlich normierter Planungen

Die Räumliche Gesamtplanung Unter dem Begriff der räumlichen Gesamtplanung werden Planungen verstanden, die sich um räumliche Entwicklung insgesamt „kümmern“. Hiervon werden bauliche Nutzungen genauso umfasst wie auch andere Nutzungen (Freizeit). Auch der Schutz der natürlichen Ressourcen ist Gegenstand der räumlichen Gesamtplanung. Je nachdem, auf welcher räumlichen Ebene die Gesamtplanung stattfindet, unterscheidet man die Raumordnung und Landesplanung, die Regionalplanung und die Bauleitplanung. Die Grundlage der Raumordnung und Landesplanung bilden die übergeordneten Gesichtpunkte der „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und die sparsame Verwendung der Ressourcen“ aus dem Bundesraumordnungsgesetz (ROG). Das ROG legt die Grundsätze fest, nach denen sich die nachfolgende Landesplanung zu richten hat (Schmidt-Eichstädt 1993). Vereinfacht ausgedrückt, hat die Raumordnung und Landesplanung die Aufgabe, sowohl die Ausstattung eines Bundeslandes mit Infrastruktur für die soziale, kulturelle und ökonomische Entwicklung als auch die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen zu steuern. Die Raumordnung und Landesplanung findet auf der Ebene der Bundesrepublik (in Leitbildern der räumlichen Entwicklung), in den Bundesländern (in Landesraumordnungsprogrammen) und in Teilräumen der Bundesländer (Landesentwicklungspläne, in Regionalplänen o. Regionalen Raumordnungsprogrammen) statt. In den Raumordnungsprogrammen und – plänen sowie Regionalplänen werden Grundsätze und Ziele festgeschrieben. Die Grundsätze müssen bei allen anderen Planungen berücksichtigt werden. Die Ziele sind zwingend zu beachten und dürfen nicht abgewogen, d.h. zugunsten anderer Interessen zurückgestellt, werden.

328

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Für die Koordinierung bestimmter Fachplanungen in Bezug zu den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung wird das sog. „Raumordnungsverfahren“ (ROV) eingesetzt. In ihm werden die öffentlichen Interessen abgewogen. Für welche Fachplanungen eine ROV durchzuführen ist, ist in einer Bundesverordnung (RoV) bestimmt. Konkrete Aussagen oder Festlegungen zu Freizeitnutzungen sind aufgrund der Maßstabsebene nicht zu erwarten. Dennoch gibt die Raumordnung und Landesplanung sowie Regionalplanung Grundlagen vor, die vor allem in der Bauleitplanung zu berücksichtigen sind. Insbesondere hier sind wesentliche Aussagen und Festlegungen zu Freizeitnutzungen möglich. Daneben ist bei der Planung von bestimmten freizeitrelevanten Bauprojekten wie der Errichtung von Feriendörfern, Hotelkomplexen und sonstigen großen Einrichtungen für die Ferien- und Fremdenbeherbergung sowie von großen Freizeitanlagen ein Raumordnungsverfahren durchzuführen. Die Bauleitplanung hat die Aufgabe, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe des Baugesetzbuches (BauGB) vorzubereiten und zu leiten. Somit werden sämtliche bauliche und sonstige Vorhaben, die die gemeindlichen Grundstücke und die gemeindlichen Aufgaben berühren über die Bauleitplanung geregelt. Hierunter fallen z.B. die Ausweisung von Wohnbauflächen, innerstädtische Grünanlagen oder die Ausweisung von Gewerbeflächen. Andere Vorhaben, die nicht primär in den Aufgaben- und Kompetenzbereich der Kommunen fallen, werden in einzelnen Fachgesetzen geregelt und fallen unter das so genannte Fachplanungsrecht. Wenn z.B. eine Fernstraße oder eine Abfallverbrennungsanlage geplant und gebaut werden soll, so geschieht dies nicht nach den Vorgaben der Bauleitplanung, sondern nach den Vorgaben des jeweiligen Fachgesetzes (Bundesfernstraßengesetz, Abfallgesetz). Die Bauleitplanung kennt zwei Planungsinstrumente: den Flächennutzungsplan (FNP) und den Bebauungsplan (B-Plan) die nachfolgend als Steckbrief erläutert sind:

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

329

Rechtsbegriff/ Rechtsgrundlage Planungsinstrument Zuständigkeit Planungsanlass

Bauleitplanung Baugesetzbuch (BauGB) Flächennutzungsplan (FNP), auch „Vorbereitender Bauleitplan“ Gemeinde Die bauliche oder sonstige Nutzung in einer Kommune soll vorbereitet werden. Dient als Grundlage für den Bebauungsplan

Aufgabe / Funktion





Darstellung der baulichen Nutzung, z.B. –

Für die Bebauung vorgesehene Flächen

–

Allgemeine Art der Bebauung: z.B. Wohnungs- oder Gewerbeflächen

–

Flächen für den überörtlichen Verkehr und örtliche Hauptverkehrszüge

Darstellungen der sonstigen Nutzung, z.B. –

Grünflächen, u.a. Parkanlagen, Kleingärten, Zelt- und Badeplätze

–

Flächen für die Forst- o. Landwirtschaft, Wasserflächen

–

Flächen für den Naturschutz

Wesentliche Inhalte



Räumliche Ebene Rechtsfolgen

 Textfassung als Begründung des FNP Gesamtfläche einer Gemeinde In der gesamten Bundesrepublik hat der FNP lediglich für die Behörden eine gewisse Bindungspflicht, konkrete Rechtsverbindlichkeit erlangt er nicht. Im Verfahren sind die Öffentlichkeit u. die Träger öffentlicher Belange (TÖB) zu beteiligen.

FNP als Planzeichnung

Tab. 16 Steckbrief Flächennutzungsplan

Rechtsbegriff/ Rechtsgrundlage Planungsinstrument Zuständigkeit Planungsanlass

Bauleitplanung Baugesetzbuch (BauGB) Bebauungsplan (B-Plan), auch „Verbindlicher Bauleitplan“ Gemeinde Die bauliche oder sonstige Nutzung in einer Kommune soll, abgeleitet aus dem FNP, konkret rechtlich festgeschrieben werden. Dient als Rechtsgrundlage für die Baugenehmigung

Aufgabe / Funktion



Festsetzung der baulichen Nutzung, z.B. –

Art der Bebauung: z.B. Wohnungs-, Gewerbe- oder Industriebau u.a.

–

Maß der Bebauung: z.B. Breite, Höhe, o. Dichte der Bebauung

–

Dimension und Lage von Verkehrsflächen



Festsetzung der sonstigen Nutzung, z.B. –

Grünflächen, u.a. Spiel-, Sport, Zelt- und Badeplätze

–

Flächen für die Forst- o. Landwirtschaft, Wasserflächen

–

Flächen für den Naturschutz

Wesentliche Inhalte



Räumliche Ebene Rechtsfolgen

 Eine Textfassung als Begründung Teilfläche einer Gemeinde In der gesamten Bundesrepublik werden die B-Pläne als Satzung für alle Bürger rechtsverbindlich. Im Verfahren sind die Öffentlichkeit u. die Träger öffentlicher Belange (TÖB) zu beteiligen.

Tab. 17 Steckbrief Bebauungsplan

Die Planzeichnung als Satzung

330

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Bezug zu Freizeitnutzungen: Da die Bauleitplanung die bauliche und sonstige Nutzung der gemeindlichen Flächen regelt, können eine Vielzahl von Einrichtungen und Nutzungen für Freizeittätigkeiten im kommunalen Bereich hierüber gelenkt oder ermöglicht werden. Denkbar sind z.B. Festlegungen für Sport- und Spielstätten, Kultureinrichtungen oder für eine Vielzahl von Nutzungen auf Freiflächen (Parkanlagen, Zeltplätze, Golfplätze usw.). Somit kann die Bauleitplanung eine ganz zentrale Funktion bei der Steuerung und Festlegung von Flächenfunktionen für Freizeitnutzungen in den Gemeinden erfüllen. Prüfplanungen Der Begriff „Prüfplanung“ ist in der Fachwelt und den einschlägigen Rechtsvorschriften nicht eingeführt oder näher definiert. Er soll hier lediglich diejenigen Arten von Planungen umschreiben, deren Aufgabe es ist, die Folgen von anderen Planungen und baulichen Projekten abzuschätzen. Dergleichen Planungen werden i.d.R. nur dann durchgeführt, wenn bestimmte andere Planungen oder spezielle bauliche Vorhaben durchgeführt werden sollen. Die Strategische Umweltprüfung (SUP) bzw. Umweltprüfung (UP) wurde aufgrund einer EU-Richtlinie in deutsches Recht integriert. Einmal in das Baugesetzbuch (BauGB) - dort spricht man von „Umweltprüfung“ - und einmal in das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) - dort ist der Begriff „Strategische Umweltprüfung“ enthalten. Beide Begriffe meinen aber fachlich-inhaltlich das Gleiche. Das Planungsinstrument der SUP wie der UP ist der Umweltbericht.

Rechtsbegriff/ Rechtsgrundlage Planungsinstrument Zuständigkeit Planungsanlass

Strategische Umweltprüfung / Umweltprüfung Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG), Baugesetzbuch (BauGB) Umweltbericht (UB) Die für die jeweilige Planung zuständige Stelle ist auch für die SUP zuständig. Für die UP ist die Gemeinde zuständig. Für Planungen, die in der Anlage III des UVPG aufgelistet sind, ist eine SUP durchzuführen. Für die meisten Bauleitpläne ist eine UP durchzuführen

Aufgabe / Funktion



Wesentliche Inhalte



Prognose der Umweltauswirkungen einer Planung



Prüfung von Planungsalternativen



Maßnahmen zur Vermeidung u. zur Kompensation erheblicher Umweltauswir-

Abschätzung der möglichen erheblichen Auswirkungen einer Planung auf die Umwelt

kungen  Räumliche Ebene Rechtsfolgen

Überwachung der Prognose, um unvorhergesehene erhebliche Auswirkungen zu

erkennen Abhängig von der räumlichen Ebene der zu prüfenden Planung Die UP mit dem UB dient lediglich als Entscheidungsgrundlage, Rechtsverbindlichkeit erlangt der UB nicht. Im jeweiligen Verfahren sind i.d.R. die Öffentlichkeit u. die Träger öffentlicher Belange (TÖB) zu beteiligen.

Tab. 18 Steckbrief Umweltbericht

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

331

Die Aufgabe dieser „Prüfplanung“ besteht darin, bereits bei Planungen die möglichen Umweltfolgen abzuschätzen. Zwar entstehen Folgen für die Umwelt erst, wenn z.B. eine Autobahn real gebaut wird, bis der Bau aber erfolgt, sind bereits verschiedene Planungsebenen durchlaufen worden, die z.B. die Lage und auch Dimensionierung der Straße bestimmt haben. Diese Aspekte haben aber mitunter schon erheblichen Einfluss auf die Umwelt. Eine Prüfung der Umweltfolgen für Planungsebenen ist daher sinnvoll. Die SUP oder UP ist sozusagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Pläne und Programme. Bezug zu Freizeitnutzungen: Die SUP wird für spezifische Planungen durchgeführt, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Welche Planungen einer SUP unterzogen werden müssen, regelt der Anhang des UVP-Gesetzes. Da es spezifische Planungen für Freizeitnutzungen nicht gibt, sondern diese über andere Instrumentarien beplant werden, muss im Einzelfall geprüft werden, ob eine SUP-Pflicht für eine Planung mit „Freizeitinhalten“ besteht. Dies kann z.B. bei Bauleitplänen oder der Landschaftsplanung der Fall sein. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wurde aufgrund einer EU-Richtlinie in deutsches Recht - in das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) - integriert. Hier sind diejenigen Bauvorhaben aufgelistet, für die eine UVP durchzuführen ist (z.B. Autobahnen, Deponien etc.). Anders als die SUP/UP hat die UVP also bestimmte Bauprojekte und nicht die Planung zu diesen als Prüfgegenstand. Das Planungsinstrument ist die Umweltverträglichkeitsstudie (UVS). Rechtsbegriff/ Rechtsgrundlage Planungsinstrument Zuständigkeit Planungsanlass

Umweltverträglichkeitsprüfung Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) und die UVP-Gesetze der einzelnen Bundesländer Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) Die für die Genehmigung des jeweiligen Bauprojektes zuständige Stelle ist auch für die UVP zuständig Für Projekte, die in der Anlage I des UVPG aufgelistet sind, ist eine UVP durchzuführen.

Aufgabe / Funktion



Wesentliche Inhalte



Prognose der Umweltauswirkungen eines Bauprojektes



Prüfung von Planungsalternativen



Maßnahmen zur Vermeidung u. zur Kompensation erheblicher Umweltauswir-

Abschätzung der möglichen erheblichen Auswirkungen eines Bauprojektes auf die Umwelt

kungen Räumliche Ebene

Rechtsfolgen



Meistens auf der Zulassungsebene eines Bauprojektes



In bestimmten Fällen auch schon auf vorgelagerten Ebenen (z.B. Raumord-

nungsverfahren) Die UVP mit der UVS dient lediglich als Entscheidungsgrundlage ohne Rechtsverbindlichkeit. Im Verfahren sind die Öffentlichkeit u. die Träger öffentlicher Belange (TÖB) zu beteiligen.

Tab. 19 Steckbrief Umweltverträglichkeitsstudie

332

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Bezug zu Freizeitnutzungen: Im Rahmen der UVP werden bestimmte Bauprojekte auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt untersucht. Welche Projekte im Einzelnen einer UVP zu unterziehen sind, regelt der Anhang des UVP-Gesetzes. Hier enthalten sind u.a. Bauvorhaben wie Feriendörfer, Hotelanlagen, Campingplätze, Freizeitparks, große Parkplätze oder auch bestimmte Verkehrswege. Für einige Bauprojekte von Freizeiteinrichtungen ist somit eine UVP durchzuführen. Im Rahmen der Genehmigung dieser Einrichtungen dienen die Ergebnisse der UVP als Entscheidungsgrundlage. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) wurde aufgrund einer EU-Richtlinie in deutsches Recht - in das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und die jeweiligen Landesnaturschutzgesetze - integriert. FFH steht für „Fauna – Flora – Habitat“, so der Name der EURichtlinie. Grundlage der FFH-VP ist das in den Mitgliedstaaten der EU im Aufbau befindliche, europaweite Netz von Schutzgebieten, das Netz „Natura 2000“. Von den EU-Mitgliedstaaten werden FFH-Gebiete und auch Vogelschutzgebiete (aufgrund der EU-Vogelschutzrichtlinie) nach Brüssel gemeldet, die dann das Schutzgebietssystem Natura 2000 bilden. Sowohl in den EU-Richtlinien als auch im BNatSchG ist geregelt, dass Planungen oder Projekte in oder in der Nähe von FFH- oder Vogelschutzgebieten nur durchgeführt werden dürfen, wenn vorher ihre Verträglichkeit mit den Schutzzielen des jeweiligen FFH- oder Vogelschutzgebietes nachgewiesen ist. Planungs- bzw. Prüfinstrument hierfür ist die FFHVerträglichkeitsstudie (FFH-VS) die nachfolgend im Steckbrief vorgestellt wird. Rechtsbegriff/ Rechtsgrundlage Planungsinstrument Zuständigkeit Planungsanlass

FFH-Verträglichkeitsprüfung Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) FFH-Verträglichkeitsstudie (FFH-VS) Die für die Genehmigung des jeweilige Bauprojektes oder für eine Planung zuständige Stelle ist auch für die FFH-VP zuständig Für jedes Projekt oder jede Planung, welches ein FFH-Gebiet o. ein Vogelschutzgebiet negativ beeinflussen kann, ist eine FFH-VP durchzuführen.

Aufgabe / Funktion



Wesentliche Inhalte



Prognose der möglichen erheblichen Beeinträchtigungen eines Bauprojektes oder einer Planung auf ein FFH- oder Vogelschutzgebiet Prognose der Auswirkungen eines Bauprojektes oder einer Planung auf –

die dort geschützten Lebensräume oder

–

die dort geschützten Arten



Ableitung von Maßnahmen zur Schadensbegrenzung

Räumliche Ebene



Auf der Zulassungsebene eines Bauprojektes

Rechtsfolgen

 Auf verschiedenen Planungsebenen Die Ergebnisse der FFH-VP sind mit strengen Rechtsverbindlichkeiten verbunden 

Wird durch eine Planung oder ein Projekt ein FFH- o. Vogelschutzgebiet negativ beeinflusst ist sie/es unzulässig



Ausnahmen sind an sehr strenge Vorgaben gebunden

Tab. 20 Steckbrief FFH-Verträglichkeitsstudie

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

333

Bezug zu Freizeitnutzungen: Einer FFH-Verträglichkeitsprüfung sind sämtliche Planungen oder Bauprojekte zu unterziehen, die ein FFH- oder Vogelschutzgebiet beeinflussen können. Als relevante Planungen kommen insbesondere die Bauleitpläne in Betracht. Ein Bauleitplan mit freizeitrelevanten Inhalten, der ein FFH-Gebiet tangiert, fällt z.B. unter die Prüfpflicht. Als relevantes Bauprojekt für Freizeitnutzungen kann beispielsweise der Bau von Rad, Reitoder Wanderwegen eine Prüfpflicht auslösen, wenn durch den Bau oder den Betrieb ein FFH-Gebiet negativ beeinflusst werden kann. Wenn im Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung festgestellt wird, dass eine Planung oder ein Bauprojekt zu erheblichen Beeinträchtigungen in einen FFH- Schutzgebiet führen kann, dann ist die Planung oder das Projekt unzulässig. Die Eingriffsregelung (ER) des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und der einzelnen Ländernaturschutzgesetze befasst sich mit erheblichen Eingriffen in Natur und Landschaft. Erhebliche Eingriffe liegen z.B. vor, wenn Boden versiegelt, Biotope zerstört oder das Landschaftsbild stark überprägt wird. Bei vorliegenden Eingriffen verpflichtet die ER den Verursacher eines Eingriffs dazu, vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen und die unvermeidbaren Beeinträchtigungen durch bestimmte Maßnahmen zu kompensieren. Die Eingriffsregelung hat zwei Anwendungsfelder: Eingriffe durch Pläne der Bauleitplanung und durch Vorhaben des Fachplanungsrechtes. Im Rahmen der Bauleitplanung wird die Eingriffsregelung i.d.R. über die Umweltprüfung mit dem Umweltbericht oder die Landschaftsplanung mit dem Landschaftsplan oder Grünordnungsplan bewältigt. Im Fachplanungsrecht gibt es ein eigenständiges Instrument: den Landschaftspflegerischen Begleitplan (LBP), der nachfolgend im Steckbrief vorgestellt wird. Rechtsbegriff/ Rechtsgrundlage Planungsinstrument Zuständigkeit Planungsanlass Aufgabe / Funktion

Eingriffsregelung Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) Landschaftspflegerischer Begleitplan (LBP) Die für die Genehmigung des jeweilige Bauprojektes zuständige Stelle ist auch für die Eingriffsregelung zuständig Für Bauprojekte, welche Natur und Landschaft erheblich beeinträchtigen können, ist die Eingriffsregelung anzuwenden 

Ermittlung der erheblichen Beeinträchtigungen eines Bauprojektes auf Natur und Landschaft



Ableitung von Maßnahmen zur Vermeidung u. zur Kompensation erheblicher Beeinträchtigungen

Wesentliche Inhalte



Ermittlung der bau-, anlage- u. betriebsbedingten Beeinträchtigungen



Ableitung von Maßnahmen zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen

Räumliche Ebene Rechtsfolgen



Ableitung von Ausgleichs- u. Ersatzmaßnahmen



Bilanzierung von Eingriff u. Kompensation

 Auf der Zulassungsebene eines Bauprojektes Der LBP mit seinen Maßnahmen zur Vermeidung u. zur Kompensation wird im Rahmender Planfeststellung rechtsverbindlich

Tab. 21 Steckbrief Landschaftspflegerischer Begleitplan

334

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Bezug zu Freizeitnutzungen: Eingriffe in Natur und Landschaft können durch Bauleitpläne oder durch bestimmte Bauprojekte (Fachplanungsrecht) hervorgerufen werden. Folglich sind bestimmte Bauleitpläne mit freizeitrelevanten Regelungen (z.B. Campingplätze, Kultureinrichtungen usw.) und bauliche Vorhaben (z.B. Gewässerausbau für Wassersportanlagen) der Eingriffsregelung zu unterziehen. Fachplanungen Anders als die Arten der Gesamtplanung behandeln die sog. Fachplanungen „lediglich“ eine ganz spezifische Art von Nutzung. Dabei können grob zwei Formen von Fachplanungen unterschieden werden. Zum Einen existieren Fachplanungen für bestimmte bauliche Vorhaben, wie z.B. Bundesfernstraßen, Abfallbeseitigungsanlagen, Kraftwerke usw. („Bauende Fachplanungen“). Wie diese baulichen Vorhaben geplant und zugelassen werden, steht im jeweiligen Fachgesetz, daher auch der Name „Fachplanungsrecht“. Zum anderen haben bestimmte Fachgebiete wie z.B. die Land-, Forst- und Wasserwirtschaft eigene Fachplanungen, mit denen diese Nutzungen insbesondere gesteuert werden („Steuernde Fachplanungen“). Bauende Fachplanungen / Planfeststellung: Neben den baulichen Vorhaben, für die die Kommunen im Rahmen der Bauleitplanung zuständig sind (z.B. Wohn- und Gewerbegebiete), gibt es zahlreiche bauliche Vorhaben mit ortsübergreifender Bedeutung, die nicht über die Bauleitplanung geregelt sind. Hierunter fallen z.B. Fernstraßen, Bahnstrecken, Flughäfen, Wasserstraßen, Abfallbehandlungsanlagen usw., für die jeweils einzelne Fachgesetze die Planung und die Zulassung regeln. Solche baulichen Vorhaben werden unter dem Begriff des Fachplanungsrechtes zusammengefasst. All diesen Gesetzen des Fachplanungsrechtes ist gemeinsam, dass sie für die Genehmigung der Planung ein eigenes Zulassungsvorhaben vorsehen: das Planfeststellungsverfahren. Das Planfeststellungsverfahren wiederum ist im Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt und besteht aus zwei Verfahrensschritten. Dem Anhörungs- und dem Beschlussverfahren. Im Anhörungsverfahren werden sämtliche für ein Bauprojekt erarbeiteten Unterlagen (Baubeschreibungen und Bauzeichnungen, Gutachten usw.) für die Öffentlichkeit ausgelegt und Behörden beteiligt. Die Beteiligten können Einwendungen gegen die Planung vorbringen, die dann in einem Erörterungstermin besprochen werden. Über die eingebrachten Einwendungen, für die keine Einigung in der Erörterung erzielt werden konnte, entscheidet dann die zuständige Behörde im Beschlussverfahren. Am Ende des Verfahrens steht der Planfeststellungsbeschluss. Dieser Beschluss hat die Funktion einer Baugenehmigung, nach der der Projektträger mit dem Bau beginnen kann. Im Bereich der Freizeitnutzungen sind bauliche Vorhaben wie z.B. Gewässer- und Gewässeruferausbau, Radwegebau oder Freizeitparks außerhalb der Ortschaften im Fachplanungsrecht geregelt.

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

335

Steuernde Fachplanungen: Als „steuernde Fachplanungen“ seien beispielhaft hier die Planungen aus der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft herangezogen (verkürzt nach Jessel, Tobias 2002). In den Bundesländern werden über die sog. Agrarstrukturelle Vorplanung (AVP) landwirtschaftliche Flächenfunktionen ausgewiesen, Nutzungseignungen bestimmt, landwirtschaftlicher Entwicklungsbedarf ausgewiesen und Handlungskonzepte entwickelt. An die Stelle der AVP sind in manchen Bundesländern so genannte Agrarstrukturelle Entwicklungsplanungen (AEP) getreten. Die Flurneuordnung (auch Flurbereinigung) hat die Aufgabe, den ländlichen Grundbesitz neu zu ordnen. Die Dorferneuerungs- und -entwicklungspläne bieten vor allem Gestaltungsmöglichkeiten für das ländliche Siedlungsbild. Die so genannten Forstlichen Rahmenpläne haben die Aufgabe, die Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion von Wald zu sichern. Sie werden von den Forstbehörden für ein Landesgebiet (bei kleinen Bundesländern) oder für Teilflächen eines Bundeslandes aufgestellt. Als Beitrag zur Rahmenplanung fungieren häufig die Waldfunktionenkartierung und die daraus abgeleitete Waldfunktionsplanung, welche eine räumliche Darstellung und Zuweisung der einzelnen Waldfunktionen enthält. Auf der örtlichen Ebene der Forstplanung existiert die so gennante Forsteinrichtung. Auf Basis der Forsteinrichtung werden für den Forstbetrieb jährliche Wirtschaftspläne erstellt. Planungen der Wasserwirtschaft werden seit dem Jahr 2000 durch die europarechtliche Wasserrahmenrichtlinie bestimmt. Der Schwerpunkt der Regelungen dieser Richtlinie zielt auf eine Verbesserung der Gewässergüte ab. Die Umsetzung der Richtlinie führt zu Auswirkungen auf das in Deutschland existierende wasserwirtschaftliche Planungsinstrumentarium. Bisher existieren in Deutschland die Abwasserbeseitigungspläne, die den Ausbau der Abwasserbehandlungsanlagen regeln und die Wasserwirtschaftlichen Rahmenpläne, die sich auf die Flussgebiete als Wirtschaftsräume beziehen. Querschnittsplanung / Landschaftsplanung Die Landschaftsplanung wird als Querschnittsplanung bezeichnet, weil sie ganz verschiedene Funktionen zu erfüllen hat. Insbesondere die Aufgabe, für andere Fachplanungen und die Gesamtplanung Informationsgrundlagen zu liefern, hat Querschnittscharakter. Neben dieser Funktion erfüllt die Landschaftsplanung auch noch die Funktion einer Fachplanung für Natur und Landschaft (vgl. nachfolgende Tab.).

336

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Hauptfunktion Landschaftsplanung als sektorale Fachplanung

Funktion Fachplanung für Naturschutz und Landschaftspflege

Landschaftsplanung als Beitrag zu anderen Fachplanungen

Beitrag zur räumlichen Gesamtplanung Querschnittsorientierte Mitwirkungsplanung gegenüber anderen raumbedeutsamen Planungen

Teilfunktionen / Teilaufgaben a) Planung für Arten- und Lebensgemeinschaften; b) Planung für die Regulation und Regeneration von Boden, Gewässern, Luft und Klima; c) Planung für Natur- und Landschaftserleben und die Erholung in Natur und Landschaft. a) Lieferung von Material für den planerischen Abwägungsprozess. Entscheidungsgrundlagen für a) die Prüfung der Umweltverträglichkeit von Nutzungen b) die sachgerechte Abwägung in Fachplanungsverfahren (Planfeststellung); c) die etwaige Versagung eines Vorhabens bzw. für die Bemessung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Rahmen der Eingriffsregelung; d) ressortspezifische Aktivitäten wie z.B. der Extensivierung in der Landwirtschaft.

Tab. 22 Funktionen der Landschaftsplanung

Die Landschaftsplanung ist im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geregelt. Als Rahmengesetz gibt es den Bundesländern zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Entsprechend vielfältig sind die einzelnen „Modelle“ von Landschaftsplanung. Landschaftsplanung findet wie die Gesamtplanung auf verschiedenen räumlichen Ebenen statt (vgl. nachfolgende Tab.). Planungsraum Land Region; Reg. Bez. Kreis Gemeinde Teil des Gemeindegebietes

Gesamtplanung Landesraumordnungsprogramm* Regionalplan*

Landschaftsplanung Landschaftsprogramm* Landschaftsrahmenplan*

Maßstab 1:500.000 bis 1:200.000 1:50.000 bis 1:25.000

Flächennutzungsplan Bebauungsplan

Landschaftsplan Grünordnungsplan

1:10.000 bis 1:5.000 1:2.500 bis 1:1.000

Tab. 23 Planungsebenen der Landschaftsplanung

*Die Planwerke werden in den Bundesländern z.T. anders bezeichnet.

Als Beispiel für ein Planungsinstrument der Landschaftsplanung wird nachfolgend der Landschaftsplan in Form des Steckbriefes vorgestellt.

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung Übergeordneter Rechtsbegriff / Rechtsgrundlage Planungsinstrument Planungsanlass Aufgabe / Funktion

337

Landschaftsplanung Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und die Landesnaturschutzgesetze Landschaftsplan In den einzelnen Bundesländern sehr verschieden. Oft wird er parallel zum FNP aufgestellt. 

Fachplanung Naturschutz: was ist aus Sicht des Naturschutzes erforderlich –

um wertvolle und funktionsfähige Bereiche und Strukturen zu erhalten und zu schützen

–

um in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkte Bereiche und Strukturen zu verbessern, zu entwickeln



Beitrag zu anderen Planungen: welche Inhalte sind aus Sicht des Naturschutzes –

für die Abwägung beim FNP von Bedeutung

–

für andere Fachplanungen, die sich auf Natur und Landschaft beziehen (z.B. Agrarplanungen, Eingriffsfolgenabschätzung bei der Vorhabenszulassung (Fachplanung) von Bedeutung

Wesentliche Inhalte

Räumliche Ebene Rechtsfolgen



Texte und Karten über den derzeitigen und zu erwartenden Zustand –

von Boden, Wasser, Klima / Luft,

–

der Tier- und Pflanzenwelt

– sowie vom Landschaftsbild und dem Erholungswert der Landschaft Gemeindeebene In den meisten Bundesländern hat der L. keine Rechtsverbindlichkeit. In NRW und den Stadtstaaten wird der L. als Satzung oder Rechtsverordnung rechtsverbindlich.

Tab. 24 Steckbrief Landschaftsplan

Bezug zu Freizeitnutzungen: Eine wichtige inhaltliche Aufgabe der Landschaftsplanung umfasst den Aspekt des Natur- und Landschaftserlebens sowie die Erholung in Natur und Landschaft. Viele denkbare Freizeitaktivitäten werden in Natur und Landschaft vollzogen, und auch die Erholung ist ein wichtiger Gesichtspunkt in der Freizeit. Insofern kann die Landschaftsplanung hier wichtige planerische Aussagen liefern. Die Bestimmtheit sowie der Konkretisierungsgrad solcher Aussagen sind jedoch abhängig von der räumlichen Ebene (Land, Region, Gemeinde), den rechtlichen und fachlichen Vorgaben des Bundeslandes sowie den spezifischen Gegebenheiten des Planungsraumes.

338

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Praxisbeispiel: In einer Gemeinde soll ein großer Freizeitpark (10 ha) errichtet werden. Bevor dieser gebaut werden kann, müssen zahlreiche Planungsschritte durchlaufen werden. Zunächst muss für das Vorhaben ein Raumordnungsverfahren (ROV) durchgeführt werden. Dies schreibt § 5 Ziffer 15 der Raumordnungsverordnung des Bundes vor. Im ROV wird geprüft, wie sich das Vorhaben auf die Raumentwicklung auswirkt und ob es mit den Vorgaben der Raumordnung und anderen großen „raumbedeutsamen“ Vorhaben vereinbar ist. Im Rahmen des ROV werden auch die Auswirkungen auf die Umwelt untersucht. Hierzu wird i.d.R. eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt, bei der auch verschiedene Standortalternativen hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen untersucht werden. Als nächster Schritt muss ein Bebauungsplan (B-Plan) erarbeitet werden, der aus dem Flächennutzungsplan (FNP) der Gemeinde entwickelt wird. Da die in Frage kommende Fläche aber bisher nur landwirtschaftlich genutzt wurde, stellt der FNP diese als „Fläche für Landwirtschaft“ dar. Daher muss zunächst der FNP geändert werden, bevor der BPlan erarbeitet werden kann. Das Verfahren zur Änderung oder Aufstellung eines FNP durchläuft verschiedene Verfahrensstufen. Zunächst beschließt die Gemeinde, dass der FNP geändert oder neu aufgestellt werden soll. Dann wird ein erster Vorentwurf der Planung erarbeitet und den Bürgern, Behörden und anderen wichtigen Institutionen (die Träger öffentlicher Belange, TÖB) zur Kenntnis und Diskussion gegeben. Die ggf. vorgebrachten Anregungen und Bedenken aus dieser ersten Beteiligungsstufe werden abgewogen und fließen ggf. in die weitere Planung ein. Auf dieser Basis wird dann ein weiterer Entwurf des FNP erarbeitet. Dieser wird in einer zweiten Beteiligungsstufe noch einmal für die Bürger, Behörden und TÖB öffentlich gemacht. Auch in dieser Beteiligungsstufe können wieder Anregungen und Bedenken geäußert werden, die dann wieder abgewogen werden und ggf. in die endgültige Fassung des FNP einfließen. Am Ende des Verfahrens beschließt die Gemeinde den FNP, der dann noch von der höheren Verwaltungsbehörde genehmigt werden muss. Ist dies geschehen, wird der FNP öffentlich bekannt gemacht und ist wirksam. Im Rahmen der Änderung oder Aufstellung des FNP müssen auch die möglichen Auswirkungen der Planung auf die Umwelt untersucht werden. Hierzu wird parallel zum FNP eine Umweltprüfung (UP) durchgeführt. Im Rahmen der Umweltprüfung werden die möglichen Umweltfolgen erfasst und bewertet und es werden Hinweise gegeben, wie diese nach Möglichkeit vermieden, gemindert oder kompensiert werden können (Eingriffsregelung, ER). Auch die Ergebnisse der Umweltprüfung werden den Bürgern, Behörden und TÖB zur Kenntnis gegeben und diese haben das Recht, sich auch hierzu zu äußern. Wenn nun der geänderte oder neu gefasste FNP wirksam ist, kann die Gemeinde den erforderlichen Bebauungsplan (B-Plan) aufstellen. Das Aufstellungsverfahren ist dasselbe wie beim FNP. Auch muss wie im FNP-Verfahren wieder eine Umweltprüfung durchgeführt werden. Am Ende des Verfahrens beschließt die Gemeinde den B-Plan als Satzung. Damit werden sämtliche zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des B-Plans rechtsverbindlich.

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

339

Sollte sich die für den Freizeitpark vorgesehene Fläche in der Nähe oder gar innerhalb eines europäischen Schutzgebietes (FFH- oder Vogelschutzgebiet) befinden, so ist spätestens parallel zum B-Planverfahren auch noch eine FFH-Vertäglichkeitsprüfung durchzuführen. Dabei wird untersucht, ob die Planung möglicherweise zu erheblichen Beeinträchtigungen der Schutzziele eines solchen Gebietes führt. Ist eine solche Beeinträchtigung nicht auszuschließen, ist die Planung und damit das Bauprojekt unzulässig. Besteht diese Gefahr nicht, so kann das Projekt weiterverfolgt werden. Nun kann der Eigentümer des Grundstücks bei der Baugenehmigungsbehörde einen Bauantrag für den Freizeitpark einreichen. Stimmen die Angaben des Bauantrags mit den Festsetzungen des B-Plans überein, muss dem Bauantrag stattgegeben werden und es könnte gebaut werden. Da das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG, Anlage 1, Nr. 18.3.1) nun aber verpflichtend vorsieht, für einen großen Freizeitpark eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen, muss zunächst dieser Verpflichtung nachgekommen werden. Dabei ist zu beachten dass, bereits bei jedem der o.g. Planungsschritte jeweils mögliche Umweltfolgen abgeschätzt wurden. Beim Raumordnungsverfahren war es die UVP, beim FNP und beim B-Plan wurde eine Umweltprüfung durchgeführt und auf der Baugenehmigungsebene ist wieder eine UVP zu erarbeiten. Dabei ist auf jeder Planungsstufe zu beachten, dass nicht jedes Mal die Umweltfolgenprüfung des vorangegangenen Planungsschrittes wiederholt wird. Nur das, was in der nachfolgenden Stufe konkreter oder aktueller abprüfbar ist, ist auch zu untersuchen. Wenn nun bereits auf der B-Plan-Ebene die Umweltprüfung sehr genau vorgenommen wurde und der Bauantrag zeitnah zum B-Plan eingereicht wird, kann im Einzelfall auch auf die UVP im Baugenehmigungsverfahren verzichtet und mit dem Bau des Freizeitparks begonnen werden. Andernfalls, wenn z.B. zwischen dem B-Planverfahren und dem Bauantragsverfahren sehr lange Zeit verstrichen ist, muss vor Baubeginn noch eine UVP durchgeführt werden. Zusammenfassende Übersicht In der nachfolgenden Abbildung sind die Planungsinstrumente der Gesamtplanung verschiedenen Prüfplanungen gegenübergestellt. Es wird deutlich, dass die Eingriffsregelung (ER) lediglich in der Bauleitplanung beim Flächennutzungsplan und beim Bebauungsplan zur Anwendung kommt [X]. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) kommt auf jeder Planungsstufe zur Anwendung, vorausgesetzt es besteht die Möglichkeit des Einwirkens in ein FFH- oder Vogelschutzgebiet [x]. Die Strategische Umweltprüfung (SUP) bzw. Umweltprüfung (UP) ist i.d.R. für sämtliche Planungsinstrumente der Gesamtplanung durchzuführen [X]. Das Gleiche gilt auch für die Landschaftsplanung; diese ist auch auf allen Planungsstufen einer Strategischen Umweltprüfung zu unterziehen.

Raumordnung, Landes-, Regionalplanung

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Land Region/Kreis

ROG

BNatSchG

BNatSchG

UVPG (BauGB)

Gesamtplanung

ER

FFH

SUP (UP)

Landesent wicklungsprogramm Landesent wicklungspläne

x

Regionalplan

Gemeinde

Flächennutzungsplan

Gemeindeteil

Bebauungsplan

UVPG

BNatSchG

Landschaftsplanung

SUP

X

Landschaftsprogramm

X

x

X

Landschaftsrahmenplan

X

X

x

X

Landschaftsplan

X

X

x

X

Grünordnungsplan

X

BauGB

Bauleit planung

und deren Bezug zu den Instrumenten des Umwelt- u nd Naturschutzes

Räumliche Gesamtplanungen

340

Abb. 70 Anwendung der „Prüfplanungen“ in der Räumlichen Gesamtplanung und der Landschaftsplanung

(als Beispiel Straßenplanung)

Planungsstufe und deren Bezug zu den Instrumenten des Umweltund Naturschutzes

Vorhabenplanungen (Verkehr, Abfall usw.)

Fachplanungsrecht

In der nachfolgenden Abbildung sind die Planungsinstrumente des Fachplanungsrechtes verschiedenen Prüfplanungen gegenübergestellt. Es wird deutlich, dass die Eingriffsregelung (ER) lediglich auf der Ebene der Planfeststellung zur Anwendung kommt [X]. Die Strategische Umweltprüfung ist für die Planungsstufe auf Bundesebene des Beispiels Straßenplanung durchzuführen [X]. In den weiteren Planungsebenen kommt dann die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zum Einsatz. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) kommt auf fast jeder Planungsstufe zur Anwendung, vorausgesetzt es besteht die Möglichkeit des Einwirkens in ein FFH- oder Vogelschutzgebiet [x].

BRD

Bundes verkehrswegeplan

"Region"

L nienbestimmungsverfahren

"Bereich"

Raumordnungsverfahren

Strecke

Planfeststell ungsverfahren

BNatSchG

UVPG

UVPG

ER

SUP

UVP

FFH

X

x

X

x

X

x

VwVfG

Planfeststellungsverfahren Anhörungsverfahren: T B, Bür ger Beschlussverfahren: Entscheidung Beschluss (Rechtsverbindlich)

Abb. 71 Anwendung der „Prüfplanungen in der Fachplanung

BNatSchG

X

X

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

6.4.4

341

Förderung und Einsatz von Umwelttechnologien

Eine nachhaltig umweltverträgliche Entwicklung in der industrialisierten Welt ist ohne technische Entwicklungen nicht zu realisieren. Umweltschutz ist in der heutigen Zeit notwendigerweise mit dem Einsatz moderner Umwelttechnik verbunden, mit der Schadwirkungen gemindert oder vermieden werden können. Rahmenbedingungen sind dabei neben dem technischen Entwicklungsstand die Marktsituation und die gesetzlichen Regelungen. Der Bereich Umwelttechnik hat sich mittlerweile zu einer Branche des technischen Fortschritts und des ökonomischen Wachstums entwickelt. Ein wichtiger Bereich für den Einsatz umweltfreundlicher Technik ist der Verkehr. Die Möglichkeiten, hier etwas für den Umweltschutz zu tun, sind vielfältig, z.B. durch die Wahl verbrauchsarmer Fahrzeuge mit hohen Abgasstandards oder alternativen Antrieben und den Einsatz von Hybrid- und Erdgasfahrzeugen. Schon der Einsatz von Leichtlaufreifen reduziert den Kraftstoffverbrauch spürbar. Wichtige Weichenstellungen geben hier die gesetzlichen Vorgaben zur Reduzierung der CO2-Emissionen für PKW (ab 2015 dürfen Neuwagen nur noch durchschnittlich 120 Gramm pro gefahrenen Kilometer ausstoßen). Auch für den umweltfreundlichen Betrieb von Freizeiteinrichtungen, wie beispielsweise Freizeitparks oder Veranstaltungszentren, bietet sich der Einsatz von Umwelttechnik in vielen Bereichen an. Bei Neu- und Umbauten kann dies bereits in der Planung berücksichtigt werden, wodurch der Einsatz umweltfreundlicher Technologien leichter zu realisieren ist. Aber auch in bestehenden Anlagen lassen sich beispielsweise in Bereichen wie Energie und Wasser erhebliche Verbesserungen durch entsprechende Maßnahmen erreichen. Durch den gezielten Einsatz umweltfreundlicher Technik lassen sich große Einsparpotenziale erzielen. So sollte der Strombedarf vollständig durch Strom aus regenerativen Energien wie Sonne oder Windkraft gedeckt werden (beim Stromeinkauf sollte auf ein entsprechendes Ökosiegel geachtet werden). Die benötigte Fläche beispielsweise für Photovoltaikanlagen ist in Freizeitparks oder großen Veranstaltungscentern in der Regel vorhanden. Auch bei der Wärmeerzeugung sollte der schonende Umgang mit Energie beachtet werden. Mit erneuerbaren Energien wie Holzhackschnitzel, Biogas oder Solarwärme lässt sich umweltfreundlicher und auf längere Sicht kostengünstiger heizen als mit Gas oder Öl. Auch Brennwertkessel und Blockheizkraftwerke senken den Verbrauch deutlich. Energiesparmaßnahmen sind oberstes Gebot. Durch den Einsatz von Gebäudeleittechnik zur zentralen Steuerung einzelner Wärme- und Stromverbraucher lässt sich der Energieverbrauch optimieren. Eine gute Gebäudedämmung verringert den Verlust an Wärmeenergie. Elektrogeräte (Kühl- und Klimaanlagen, Geschirrspüler) mit höchster Energieeffizienz-Stufe sowie Energiesparleuchten helfen, den Stromverbrauch zu reduzieren. Auch im Bereich Wasser lässt sich mit technischen Mitteln der Verbrauch senken. Für Toiletten, Urinale oder die Beregnung von Flächen lässt sich beispielsweise Trinkwasser durch Regenwasser substituieren. Der Einsatz von Wasser sparenden Geräten und sanitären Einrichtungen hilft ebenfalls, den Wasserverbrauch beispielsweise in Freizeiteinrichtungen deutlich zu verringern.

342

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Neuausrichtung des technischen Fortschritts Von Ernst Ulrich von Weizsäcker wurden sieben Kriterien für eine Neuausrichtung des technischen Fortschritts unter dem Zwang eines neuen umwelt- und ressourcenschonenden Wohlstandsmodells aufgestellt (vgl. Förstner 2004): Sauberkeit: Im Wesentlichen werden nur noch emissionsfreie oder emissionsarme Technologien eingesetzt. Die Emissionsvermeidung wird durch Ausmustern von emissionsträchtigen Techniken, nur im Ausnahmefall durch Emissionsrückhaltung am Ende des Prozesses erreicht. Rohstoffeffizienz: Der Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe wird auf ein Minimum reduziert. Das Verbrennen fossiler Kohlenwasserstoffe wird sehr stark zurückgedrängt und in den hochentwickelten Ländern schließlich völlig eingestellt. Metalle werden weitgehend recycelt. Langlebigkeit von Produkten sowie bequeme Rohstoffrückführung nach Gebrauch werden selbstverständliche Prinzipien im Produktdesign. Energieproduktivität: Maschinen, Raumheizung, Beleuchtung, Transport und Verteilersysteme werden auf höchste Energieeffizienz bzw. Energieproduktivität getrimmt. Ökologische Flächennutzung: Landwirtschaft, Siedlungen, Industrie und Verkehrswege werden nach dem Gesichtspunkt minimaler Versiegelung, Bodenerosion und Gewässerbelastung umgestaltet, und große Teile des Landes werden vorrangig dem Erhalt ökologisch wertvoller Funktionen gewidmet. Hohe Informationsintensität: Produkte, Dienstleistungen, Produktions- und Konsumprozesse nehmen relativ an Informationsintensität zu. Wissenschaft und Technik, Datensysteme und Kundeninformation, sprachliche und kulturelle Übersetzungsleistungen belasten die Umwelt wenig und liefern doch Komfort und Freiheit. Fehlerfreundlichkeit: Politik und Technologie müssen hohes Augenmerk auf Fehlerbegrenzung legen. Da völlige Fehlerfreiheit utopisch ist, muss das Konstruktions- und Nutzungsprinzip der Technik die „Fehlerfreundlichkeit“ sein – eine entscheidende Vorraussetzung der Evolutionsfähigkeit. Eignung für Eigenarbeit: Da die Bedürfnisbefriedigung durch Konsum von kurzlebigen, weither transportierten, ressourcenverschlingenden Waren abnehmen muss, wird das Bedürfnis nach befriedigenden und nutzbringenden Tätigkeiten jenseits der formalisierten Erwerbswelt, d.h. nach befriedigender Eigenarbeit zunehmen.

6.4.5

Besucherlenkung

Gerade bei naturgebundenen Freizeitaktivitäten stehen Naturschutz und Naturnutzung häufig im Konflikt. Gleichzeitig erfüllen Aktivitäten wie der Freizeitsport wichtige gesellschaftlichsoziale Funktionen wie z.B. Gesundheitsvorsorge und Stärkung des persönlichen Wohlbefindens. Dies muss bei Lösungsansätzen berücksichtigt werden. Naturgebundene Freizeitaktivitäten sollten nicht per se durch den Naturschutz in Frage gestellt werden. Da diese Freizeitaktivitäten in der Regel an eine möglichst intakte Natur und eine Landschaft mit entspre-

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

343

chenden Qualitäten gebunden sind, sollte das Ziel ein Miteinander von Naturschutz und Naturnutzung sein. Hierfür sind differenzierte Schutz- bzw. Nutzungskonzepte zur Vermeidung bzw. Minimierung der negativen Auswirkungen von Sport- und Freizeitaktivitäten auf Natur und Landschaft notwendig. Es bieten sich eine Reihe unterschiedlicher Strategien an, wobei der kombinierte Einsatz verschiedener Lösungsansätze und Maßnahmen deren Effektivität erhöht (vgl. Mönnecke/Wasem in BfN 2006, S. 92ff). Wo die Ausübung sportlicher Aktivitäten aus naturschutzfachlichen Gründen nicht überall möglich ist, muss sie ggf. in weniger sensible, aber trotzdem landschaftlich attraktive und für die Sportausübung geeignete Gebiete gelenkt werden. Ein planerisches Instrument, das den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten angepasst ist, ist die Zonierung von Gebieten. Durch die Ausweisung verschiedener Nutzungs- und Schutzzonen erfolgt so die räumliche Funktionstrennung eines Gebietes mit z.B. Nutzungsschwerpunkten und Tabuzonen. Eine Zonierung kann dabei beispielsweise im Rahmen kommunaler Landschaftsplanungen (vgl. Kap. 6.4.3) oder bei der Planung großer Schutzgebiete erfolgen. Unterstützende Maßnahmen wie eine konsequente Ausweisung von Grün- und Erholungsflächen in Verdichtungsräumen helfen zudem, den Nutzungsdruck in Schutzgebieten zu verringern. Maßnahmen zum Schutz von Natur und Umwelt sollen für die Freizeitsuchenden nachvollziehbar und möglichst attraktiv sein. Es muss erkennbar sein, dass es nicht um das Verhindern von Freizeitaktivitäten geht, sondern um Maßnahmen für eine Freizeitgestaltung, die die Grenzen von Natur und Umwelt berücksichtigen. Beispielhafte Konzepte zur Lösung von Konflikten zwischen Freizeitsport und Naturschutz gibt es bereits aus den unterschiedlichsten Bereichen (Felsenklettern, Mountainbiking etc.). Kennzeichnend für alle ist, dass der Naturschutz die Menschen willkommen heißt anstatt sie aus den Naturschutzgebieten auszusperren. Statt Verbotsschildern steht der Naturerlebnis-Charakter im Vordergrund. Mithilfe von direkter und indirekter Besucherlenkung (Besucherzentrum, Informationstafeln, geführte Wanderungen etc.) wird um mehr Akzeptanz von Naturschutzmaßnahmen geworben (vgl. Abb. 72) Die Vermittlung von Umweltwissen durch Information und Aufklärung ist dabei die Voraussetzung, um das Verhalten und Handeln der Freizeitaktiven zugunsten eines respektvollen Umgangs mit der Natur zu beeinflussen. Die Besucherlenkung, die in den meisten größeren Schutzgebieten in der einen oder anderen Form praktiziert wird, kann sensible Gebiete schützen sowie die Entwicklung improvisierter Infrastrukturen vermeiden. Konkrete Maßnahmen infrastruktureller Lenkung beeinflussen und kanalisieren dabei die Erholungssuchenden in ihrer Routenwahl (vgl. Revermann/ Petermann 2003: 111f). Dies kann beispielsweise durch gezielte Angebote wie Wegeführung und Beobachtungsstände, aber auch durch Barrieren wie Aufschüttungen oder Wassergräben erfolgen.

344

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

6.4.6

345

Marktwirtschaftliche Instrumente: Labels, Gütesiegel

Natur- und Umweltschutz sollten nicht als Spielverderber oder als Verhinderer von wirtschaftlichen oder sozialen Entwicklungen in Erscheinung treten. Freiwillige marktwirtschaftliche Instrumente wie Umweltlabel und Öko-Gütesiegel machen es möglich, diesen Konflikt aufzulösen und sogar eine Win-Win-Situation herzustellen, in der Umweltschutzmaßnahmen gleichzeitig die Freizeitqualität steigern. Ein Beispiel sind die Umweltauszeichnungen, mit denen die Tourismusbranche umweltverantwortliche Tourismusformen auszeichnet. So werden mit der deutschen Umweltdachmarke Viabono Freizeit- und Tourismusangebote ausgezeichnet, die hohe Umweltstandards erfüllen und gleichzeitig durch eine intakte Natur ein Mehr an Genuss und Erholung bieten. Daneben gibt es noch viele weitere ÖkoGütesiegel wie beispielsweise die „blaue Flagge“ oder die „blaue Schwalbe“. Diese Umweltzeichen leisten häufig einen sinnvollen Beitrag zur Steigerung der Umweltverantwortung. Sie tragen zu einer Sensibilisierung der Anbieter für umweltverantwortliches Handeln bei, die dieses für eigene Marketingzwecke nutzen können, womit ein wirtschaftlicher Gewinn mit der Umweltentlastung einhergehen kann. Umweltlabel sind zudem wichtige Instrumente bei der Verbraucherinformation zur Förderung eines nachhaltigen Konsums. Hierzu gehören Label für bestimmte Produkteigenschaften wie beispielsweise das Bio-Siegel, Fairtrade-Logo oder FSC-Kennzeichen (Holz aus kontrollierter Holzwirtschaft), aber auch Produktkennzeichnungspflichten zu bestimmten Inhaltsstoffen. Die Broschüre „Der nachhaltige Warenkorb“ (RNE 2008), herausgegeben im Auftrag des Rates für nachhaltige Entwicklung, gibt ein positives Beispiel für gezielte Verbraucherinformationen. Dieser regelmäßig erscheinende Einkaufsführer für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen gibt Konsumenten Entscheidungshilfen und unterstützt einen von Nachhaltigkeitsaspekten geprägten Konsum.

Umweltdachmarke Viabono

Die Umweltdachmarke Viabono wurde initiiert vom Bundesumweltministerium und wird getragen von Tourismus-, Kommunal-, Umwelt-, und Verbraucherverbänden (u.a. DEHOGA, DTV, NABU, BUND, ADAC). Sie steht nach dem Motto „Viabono – Reisen natürlich genießen“ für ein qualitativ hochwertiges und gleichzeitig umweltverträgliches touristisches Angebot in Deutschland. Das Marketingkonzept sieht die Umweltaspekte als Basis für qualitativ hochwertige Angebote. Bewusst wurde hier eine Marke geschaffen, mit der man sich von anderen Gütesiegeln abgrenzt. In der Markenkommunikation bleiben die umweltrelevanten Kriterien eher im Hintergrund, die Reisenden und ihre Wünsche stehen im Mittelpunkt. Lizenznehmer der Viabono GmbH müssen einen Kriterienkatalog mit einer Mindestpunktzahl erfüllen. Kriterienkataloge existieren u.a. für die Bereiche Hotels/Gastronomie,

346

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Naturparke, Kommunen und Campingplätze. Die Einhaltung der Kriterien dient der Verminderung von Umweltbelastungen. Es werden folgende Indikatorenbereiche und inhaltliche Schwerpunkte adressiert (vgl. Heilmann 2004): - Abfall: Reduzierung des Abfallaufkommens - Energie: Verringerung des Energieverbrauchs - Wasser: Verringerung des Abwasseraufkommens und der Wasserbelastung - Mobilität: Reduzierung der verkehrsinduzierten Umweltbelastungen - Lärm: Lärmvermeidung und -minderung - Wohlbefinden der Gäste: Maßnahmen zur Förderung des Wohlbefindens und der Gesundheit der Gäste - Information: Bereitstellung von Informationen z.B. Umweltschutzaktivitäten - Natur und Landschaft: Durchführung von Natur- und Landschaftsschutzmaßnahmen - Siedlung und Architektur. Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit beim Bauen und Einrichten - Regionale Wirtschaftskreisläufe: Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe - Management: langfristiges Management zur kontinuierlichen Verringerung negativer Umweltauswirkungen Die Kriterienkataloge umfassen 40 Fragen, die sich in Kann- und Pflichtkriterien unterscheiden. Die Angaben der Lizenznehmer werden stichprobenartig unangekündigt überprüft und die Nichteinhaltung der Kriterien kann bis zum Ausschluss als Viabono-Partner führen. Für die Lizenznehmer ergeben sich aus dem Beitritt zur Dachmarke Viabono eine Reihe von Marketingvorteilen, so beispielsweise die Präsentation der Partner durch das Internetportal, die kontinuierliche Pressearbeit, die Messeauftritte und die Kooperationen mit anderen Marken. Daneben ermöglicht der Kriterienkatalog es den Lizenznehmern, Schwachstellen in ihren Unternehmen zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln, wodurch ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess für ein umweltverträgliches Freizeitangebot unterstützt wird.

6.4.7

Umweltmanagementsysteme

Zur Umsetzung einer nachhaltigen Freizeitgestaltung und -entwicklung sind neben gesetzgeberischen und planerischen Instrumenten auch freiwillige Instrumente notwendig. Hierzu gehören Umweltmanagementsysteme, deren Einsatz gerade auch bei gewerblichen Freizeitanbietern zu fordern ist. In vielen Betrieben der produzierenden Industrie oder im Bereich der Dienstleistungen (z.B. Banken, Versicherungen) ist dies bereits seit Jahren geschehen und das Ökomanagement wird als Teil des Qualitätsmanagements verstanden, das in allen Unternehmensbereichen eine wichtige Rolle spielt. Dies sollte auch in Unternehmen der Freizeitbranche realisiert werden, was sicherlich in manchen Fällen eine grundlegende Veränderung der Unternehmensphilosophie erfordert.

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

347

Mit Umweltmanagementsystemen lassen sich Umweltschutzvorgaben einer Organisation umsetzen und überwachen. Grundlage bilden dabei die gesetzlichen Anforderungen sowie freiwillige Festlegungen von Umweltschutzzielen. Neben den zur Erreichung der Ziele notwendigen Vorgaben werden hierbei auch die jeweiligen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten bestimmt. Beispiele für betriebliche Umweltmanagementinstrumente sind Umwelterklärungen, das CSR oder Öko-Audits. Der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) steht für ein Prinzip unternehmerischen Handelns und lässt sich mit unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung übersetzen. Dieser Begriff steht für die freiwillige Verpflichtung von Unternehmen zu einer gesellschaftlichen Verantwortung, die über die gesetzlichen Rahmenbestimmungen hinausgeht. Es hat sich vor dem Hintergrund der wachsenden Macht vor allem multinationaler Unternehmen entwickelt. Im „Grünbuch der Europäischen Kommission: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ wird CSR als Konzept definiert, „das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in ihre Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“ (Europäische Kommission 2001, S. 7). Der Bezug zur Nachhaltigkeit wird durch die Benennung von sozialen und ökologischen Kriterien für private Wirtschaftsunternehmen (ökonomische Dimension) deutlich. Abb. 73 zeigt die Angleichung der Zielsetzungen von CSR und nachhaltiger Entwicklung.

Abb. 73 CSR und nachhaltige Entwicklung. (Loew et al. 2004, S. 9)

Zu den wichtigen CSR-Initiativen in Deutschland gehört das vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie vom Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ins Leben gerufene Online-Portal „CSR Germany“, das dem Erfahrungsaustausch

348

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

und der Netzwerkbildung zur Förderung von CSR dient. „CSR Germany“ betont ebenfalls die Bedeutung der Nachhaltigkeit: „CSR ist ein Konzept gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen, das die Aspekte der Nachhaltigkeit aufnimmt und sich auf die drei Säulen Wirtschaft, Soziales und Umwelt stützt. CSR-Initiativen sind Beiträge, die Unternehmen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit für eine zukunftsfähige Gesellschaft leisten. Sie entspringen dem Engagement des jeweiligen Unternehmens und beruhen auf Eigeninitiative und Eigenverantwortung“ (CSR Germany 2007). Das Konzept der Corporate Social Responsibility gewinnt in Deutschland an Bedeutung und immer mehr Unternehmen gehen dazu über, CSR-Maßnahmen in ihre Unternehmensstrategie einzubinden. Hier gibt es allerdings keinerlei verpflichtendes Konzept oder zusätzliche Regulierungen jenseits gesetzlicher Rahmenbedingungen; der Fokus liegt auf freiwilligen Maßnahmen. Bei der Umsetzung kommen die unterschiedlichsten Instrumente zum Einsatz, über Einführungsleitlinien und Anleitungen bis hin zu CSR-Berichtleitfäden. Diese Instrumente sind nicht einheitlich. Dies kann Unsicherheiten hinsichtlich der Aussagekraft von CSR-Maßnahmen mit sich bringen, die durch Zugrundelegung von beispielsweise ISONormen vermieden werden können. Zu den zertifizierten Umweltmanagementsystemen gehört u.a. die formale EMASVerordnung (Environmental Management and Audit Scheme). Diese wird häufig auch als EG-Öko-Audit bezeichnet. Diese Verordnung legt Mindestanforderungen für betriebliches Umweltmanagement fest. Hierzu gehören die schriftliche Festlegung einer betrieblichen Umweltpolitik unter Einhaltung von Anforderungen des Umweltrechts sowie die Festlegung von Verantwortlichkeiten für umweltrelevante Aufgaben und Abläufe. Ein fester Bestandteil ist die umfangreiche Veröffentlichung der betrieblichen Umweltpolitik, zu denen u.a. die relevanten Umweltauswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens gehören. Inhaltlich weitgehend vergleichbar ist die DIN Norm ISO 14001 der Weltnormungsorganisation, für die es allerdings im Gegensatz zum Öko-Audit kein zentrales Register gibt. Die ISO 14000-Normen beziehen sich auf das Umweltmanagement im Hinblick auf Umweltauswirkungen des Unternehmens sowie auf kontinuierliche Verbesserung der Leistungen auf diesem Gebiet. Sowohl die EMAS-Verordnung als auch die ISO-Norm bieten Organisationen und Unternehmen die Möglichkeit, durch Zertifizierung (ISO 14001) bzw. öffentliche Registereintragung (EMAS) ihre ökologische Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu erhöhen und schaffen dadurch einen zusätzlichen Anreiz zur Erhöhung der freiwilligen Umweltverantwortung. Im Freizeitbereich bietet das EMAS-System beispielsweise Organisatoren von Veranstaltungen den passenden Rahmen, um Umweltziele und interne Verantwortlichkeiten der verschiedenen Ebenen festzulegen, die Maßnahmen kontrolliert umzusetzen und ihre Umweltleistungen mit Hilfe der „Umwelterklärung“ für die interessierte Öffentlichkeit darzustellen. Beispiele für Großveranstaltungen, welche EMAS eingeführt haben, sind etwa der katholische Weltjugendtag 2005 in Köln oder der Deutsche Evangelische Kirchentag 2009. Weitere EMAS-Teilnehmer sind z.B. die Allianz-Arena München oder das Franken-Stadion in Nürnberg.

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

6.4.8

349

Förderung der regionalen Wirtschaft

Regionen werden häufig als Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung und des globalen Wandels gesehen. Dabei befinden sich gerade viele ländliche Räume in einem z.T. schon lange währenden Strukturwandel, der u.a. durch einen Bedeutungsverlust der Landwirtschaft, Arbeitsplatzverlusten in diesem Bereich und einer Abwanderung der Bevölkerung in die städtischen Verdichtungsräume gekennzeichnet ist. Gleichzeitig übernehmen besonders landschaftlich attraktive Regionen wichtige Funktionen im Freizeit-, Naherholungs- und Fremdenverkehr, wodurch sich hier neue Chancen für eine ökonomische Stabilisierung ergeben. Nach Revermann/Petermann (2003, S. 144f) haben seit Mitte der 1970er Jahre alternative Entwicklungsansätze die Eigenverantwortung und das Engagement der lokalen Bevölkerung für den eigenen Lebens- und Arbeitsraum in den Mittelpunkt einer „eigenständigen Regionalentwicklung“ gestellt, um die regionale Wirtschaftskraft zu stärken und die politische und kulturelle Eigenständigkeit zu bewahren. Zu den Zielsetzungen zählen dabei u.a. die Wiederbelebung regionaler Wirtschaftskreisläufe durch Rückgriff auf eigene Ressourcen und Fähigkeiten, Strategien zur Stärkung der Landwirtschaft (z.B. durch Förderung der Vermarktung regionstypischer Produkte und von ökologischem Landbau), die Diversifizierung der Wirtschaftsbereiche, die Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips und Angebote zur Partizipation der regionalen Akteure (ebd., S. 145). Nachhaltige Regionalentwicklung setzt an dieser Strategie an und verbindet eigenständige Regionalentwicklung mit dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung. Im Rahmen einer nachhaltigen Regionalentwicklung sind hierbei besonders folgende Aspekte von Belang (vgl. Revermann/Petermann 2003, S. 145f):

  

Aufbau einer zirkulären Ökonomie (für eine Wirtschaft der „kurzen Wege“, die den Verbrauch natürlicher Ressourcen und den Ausstoß von Schadstoffen in den Produktions- und Konsumtionsprozessen reduziert) Steigerung regionaler Wertschöpfung durch den Aufbau regionaler ökonomischer Netzwerke (Entwicklung neuer Produktionsketten und -netze) Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten der regionalen Bevölkerung an den Ziel- und Maßnahmenplanungen zur regionalen Entwicklung (verstärkte Einbeziehung der Bevölkerung in die Gestaltung der Lebensumwelt).

Konkrete Handlungsansätze ergeben sich im Freizeitbereich (Großveranstaltungen, Erlebniswelten etc.) beispielsweise beim Lebensmitteleinkauf im Zusammenhang mit der Verköstigung von Besuchern. Produkte aus der Region und aus der Direktvermarktung von Landwirten sollten bevorzugt werden. Das fördert die regionale Wirtschaft und mindert die Transportemissionen der Produkte. Auch die gezielte Auswahl saisonaler Lebensmittel entlastet die Umwelt. Zudem erhöht eine regionale Beschaffung die Transparenz bei Herkunft und Produktion. Auch die Aufnahme von biologisch erzeugten Produkten in das Speisenund Getränkeangebot ist ein Weg, um z.B. Freizeitveranstaltungen umweltfreundlicher zu gestalten. Ökologische Landwirtschaft reduziert den Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngern und schont damit vor allem Boden und Grundwasser. Regionale und Bio-

350

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

Produkte können aufgrund ihrer besseren Qualität und umweltfreundlicheren Herstellung im Einkauf zwar teurer sein als Massenware, jedoch können hier gezielte Partnerschaften mit Anbietern diese Mehrkosten abfedern.

6.4.9

Konsum, Lebensstil und Verhaltensänderungen

Unser materieller Wohlstand ist mit dem Erhalt der Natur als Lebensgrundlage in Einklang zu bringen. Die Konsum- und Lebensweise gerade der Industrieländer lässt sich nicht auf die gesamte derzeitige und zukünftige Weltbevölkerung übertragen. Auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung müssen die Menschen viele ihrer Tätigkeiten und Lebensweisen ändern. Das private Konsumverhalten ist dabei ein Schlüsselfaktor, und bei vielen Verbrauchern ist mittlerweile der Wunsch nach einer nachhaltigeren Lebensweise zu beobachten. Voraussetzung hierfür ist das Wissen über Handlungsmöglichkeiten und ein Verständnis der Probleme unserer Zeit. Jeder einzelne Bürger kann als Konsument durch bewusste Konsumentscheidungen einen Beitrag zur Umweltentlastung und Nachhaltigkeit leisten. Konsumenten haben Einfluss auf den Markt und sie können eine treibende Kraft für die Gestaltung von nachhaltigen Wertschöpfungsketten durch bewusste Kaufentscheidungen beispielsweise zu Gunsten von ökologisch korrekten Produkten sein. In diesem Zusammenhang ist häufig vom Konsumententyp LOHAS („Lifestyle of Health and Sustainability“) die Rede, d.h. Verbrauchern, die einen gesünderen und umweltfreundlicheren Lebensstil verwirklichen wollen. Dieses Verbrauchermarktsegment wird immer größer und hat sich zu einer wichtigen Zielgruppe entwickelt. Bei allen positiven Aspekten dieser Änderungen im Verbraucherverhalten sollte jedoch bedacht werden, dass der „grüne“ Lifestyle als am Konsum orientierter Lebensstil die Gefahr mit sich bringt, die Notwendigkeit des Wenigerkonsumierens als Bestandteil eines nachhaltigen Lebensstils außer Acht zu lassen (vgl. Kap. 6.3.5). Zu einem nachhaltigen Lebensstil gehört die Bevorzugung von regionalen und biologischen Produkten bei der Ernährung. Sowohl bei der Herstellung als auch beim Transport der Produkte sollte die Umwelt möglichst wenig belastet werden und die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung sollten für die Menschen zumutbar sein. Auch die globale Armut sollte bei Kaufentscheidungen nicht vergessen werden. Fair-Trade-Produkte garantieren einen gewissen sozialen und gesundheitlichen Standard für die Produzenten. Wasser wird weltweit immer mehr zu einem knappen Gut. Ein verringerter Fleischkonsum führt zu erheblichen Ressourceneinsparungen. Im Bereich Energie gibt es in den privaten Haushalten vielfältiges Einsparpotenzial. Ein Beispiel ist der Stand-by-Modus vieler elektrischer Geräte, was gerade in Hinblick mit der zunehmenden Ausbreitung der vielfältigen Kommunikations- und Unterhaltungselektronik bedeutsam ist. Der Stromverbrauch der privaten Haushalte ist in den letzten Jahren gestiegen, Effizienzgewinne bei Produkten und Dienstleistungen werden hier durch Ausweitung des Konsums überkompensiert. Ein wesentlicher Beitrag zur Problemlösung für die Zukunft ist ein verändertes Freizeitverhalten zugunsten der Umwelt. Von zentraler Bedeutung für das Freizeitverhalten sind die

6.4 Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Freizeitgestaltung

351

Individuen und ihr emotionales Erleben. Für den Freizeitsuchenden bedeutet die Rücksichtnahme auf die Umwelt immer auch eine innere Bereitschaft zum Umdenken und auch eine Bereitschaft, auf bestimmte Dinge zu verzichten oder besser: andere Schwerpunkte bei der Freizeitgestaltung zu setzen. Alternative Konzepte und Angebote für die unterschiedlichen Freizeit- und Lebensstile sind dabei zu entwickeln (vgl. Loose 2002). Wenn es um Freizeit und Erholung geht, sind wir viel unterwegs. Die Wahl des Verkehrsmittels ist dabei entscheidend, ob wir umweltfreundlich reisen. Der eigene PKW oder das Flugzeug sind keine besonders nachhaltigen Verkehrsmittel. Zu Fuß zu gehen, mit dem Rad zu fahren sowie die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, sollte bei Freizeitunternehmungen Vorrang erhalten. Freizeitanbieter sind aufgefordert, anstelle bisheriger nicht-nachhaltiger Aktivitäten neue attraktive Angebote auf den Markt zu bringen, die den heutigen Erfordernissen einer global nachhaltigen Entwicklung Rechnung tragen, und diese entsprechend zu bewerben. Eine umweltverträgliche und sozialverantwortliche Gestaltung der Freizeit ist mit gezielten Maßnahmen - Anreizen wie Auflagen - in verschiedensten Politikbereichen (Verkehr, Raumordnung, Umwelt, Konsum und Lebensstil, Wirtschaft, Bildung, Außen- und Entwicklungspolitik etc.) zu unterstützen. Dazu gehören:

   

Förderung einer breiten Palette von attraktiven Möglichkeiten zur Naherholung, die mit ökomobilen Verkehrsmitteln leicht erreichbar sind. Konkrete Auflagen bezüglich nachhaltiger Entwicklung für alle Fördermaßnahmen im Freizeitsektor. Schaffung und Unterstützung von neuen Initiativen zur verträglichen Ausgestaltung des Freizeitbereiches. Ausbau der fachlichen Ausbildung im Freizeitsektor auf die Ziele der nachhaltigen Entwicklung, das heißt der umfassende Einbezug von Lehrgängen zur nachhaltigen Entwicklung auf allen Aus- und Weiterbildungsstufen. Die Schaffung von einheitlichen Dachmarken und differenzierten Produktdeklarationen, die alle Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigen und von unabhängiger Stelle überprüft werden, ist ein weiterer zukunftsweisender Weg.

6.4.10

Bildung und Kommunikation

Die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen gelingt nur mit verstärkten Bildungsanstrengungen. Der notwendige grundlegende Wandel von Einstellungen, Lebens- und Konsumstilen angesichts so drängender Probleme wie dem Klimawandel erfordert ein Umdenken und Umlernen in vielen Bereichen, für das passende Lernformen und Lernstrukturen gefunden werden müssen. Nachhaltige Bildung orientiert sich dabei am Leitziel der „Gestaltungskompetenz“, deren Erreichung eine aktive Teilnahme am notwendigen Wandel unserer Gesellschaft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ermöglicht. Sie setzt auf das Lernpotenzial jedes Einzelnen und von Gemeinschaften, um im Sinne eines lebenslangen Lernens den wachsenden Spannungen zwischen lokalen und globalen Entwicklungen zu begegnen. Entscheidende Schlüs-

352

6 Ökologie und Nachhaltigkeit in der Freizeit

selfaktoren für eine aktive und eigenverantwortliche Gestaltung der Zukunft sind dabei die Veränderung von Lebensstilen und die Stärkung der Selbstorganisations- und Selbstlernkompetenzen (vgl. Kap. 3.5.6). Die Vereinten Nationen haben die Zeit von 2005 bis 2014 zur „Dekade der Bildung für nachhaltige Entwicklung“ erklärt. Fragen der Generationengerechtigkeit oder des Umgangs mit den begrenzten Ressourcen werden hier global als Lernherausforderung und -chance aufgegriffen. Das Ziel ist die Verankerung des Leitbilds der nachhaltigen Entwicklung in die nationalen Bildungssysteme. Es geht um die Eröffnung von Bildungsmöglichkeiten zum Erlernen nachhaltiger Verhaltensweisen und Lebensstile, die für eine zukunftsfähige Entwicklung in den Gesellschaften erforderlich sind. Im Rahmen der Dekade wird in Deutschland unter der Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die Integration des Leitbilds der nachhaltigen Entwicklung in alle Bereiche des Bildungswesens unterstützt. Auch die informelle Bildung wird mit einbezogen. Dieser Bildungsbereich wird schon seit dem Beschluss der Agenda 21 im Jahre 1992 in Rio de Janeiro als wesentlicher Bestandteil zur Realisierung von nachhaltiger Entwicklung angesehen, da ein großer Teil der menschlichen Lernprozesse informell im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis und insbesondere in der Freizeit stattfindet (vgl. BMU/Agenda 21, Kapitel 36). Die Freizeit bietet besondere Potenziale für ein informelles Lernen zum Thema Nachhaltigkeit. Dies wird von der Freizeitbildungsforschung aufgegriffen u.a. mit der Entwicklung von Lernorten, innovativen Lernformen und Lernstrukturen im Kontext von Freizeit und nachhaltiger Entwicklung. Ein Beispiel ist das Projekt „Aquilo“ (Aktivierung und Qualifizierung erlebnisorientierter Lernorte), das nachhaltiges Lernen in Erlebniswelten zum Ziel hat (vgl. Freericks et al. 2005a).

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