Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen: Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen [1 ed.] 9783428511488, 9783428111480

Internationaler Standortwettbewerb und demographische Entwicklung zwingen den deutschen Steuergesetzgeber zunehmend, inv

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German Pages 448 Year 2004

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Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen: Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen [1 ed.]
 9783428511488, 9783428111480

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Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 78

Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen

Von Christian Dorenkamp

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN DORENKAMP

Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen

Schriften zum Steuer recht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 78

Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen

Von Christian Dorenkamp

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: WB-Druck GmbH & Co., Rieden im Allgäu Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-11148-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Teil: Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen – Bemessungsgrundlage und Belastungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Kapitel 1: Bemessungsgrundlage von traditioneller und nachgelagerter Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Kapitel 2: Belastungswirkungen der nachgelagerten Besteuerung . . . . 60 2. Teil: Steuergerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Kapitel 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung . . 91 Kapitel 4: Lebenseinkommen „geeignetster“ Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit – Keine Besteuerung von Kapitaleinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Teil: Nachgelagerte Besteuerung im derzeitigen Abgabenrecht . . . . . . . . . . . . 149 Kapitel 5: Allgemeine Verbrauchsteuer, staatliche und betriebliche Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Kapitel 6: Private Zukunftsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Kapitel 7: Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip . . . . . . 210 Kapitel 8: Ausländische Steuerrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4. Teil: Einwände gegen die nachgelagerte Besteuerung begründet? . . . . . . . . . 231 Kapitel 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug 231 Kapitel 10: Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Kapitel 11: Administrative und fiskalische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 5. Teil: Limitiert nachgelagerte Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Kapitel 12: Limitierter Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

6

Inhaltsübersicht

6. Teil: Partiell nachgelagerte Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Kapitel 13: Partielle Verwirklichung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Kapitel 14: Verwirklichung in der derzeitigen steuerlichen Lastenausteilung – eine abgabenartenübergreifende Betrachtung . . . 320 Kapitel 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung der Personenunternehmen, insbesondere Körperschaftsteuer-Option . . . . . . 353 Kapitel 16: Partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge . 387 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Erster Teil

Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen – Bemessungsgrundlage und Belastungswirkungen

31

Kapitel 1 Bemessungsgrundlage von traditioneller und nachgelagerter Besteuerung von Einkommen A. Traditionelle Besteuerung von Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Reinvermögenszugangstheorie – Einkommensteuer vom Schanz-HaigSimons-Typ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erweiterte Markteinkommenstheorie als „auf das Praktikable zurückgenommene Reinvermögenszugangstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erwerbseinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgrenzung der Konsumsphäre (Konsumgutlösung) . . . . . . . . . . b) Ausgrenzung unrealisierter Vermögensmehrungen (Realisationsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anderweitig beobachtbare Reinvermögensmehrungen . . . . . . . . . . . . . a) Staatliche Transferleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erbschaften/Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Exkurs: Karlsruher EStG-Entwurf (Kirchhof ’sche enge Markteinkommenstheorie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Lebensendvermögen – Nachbelastung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . B. Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nachgelagertes Korrespondenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Späterer steuerlicher Zugriff auf investierte Reinvermögensmehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Größeres Konsumpotential trotz Einmalbelastung von Einkommen . . II. Unmittelbar konsumtiv verwendete Reinvermögensmehrungen . . . . . . . . III. Investierte Reinvermögensmehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ersparnisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersparnisauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konsumtive Vermögensverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 32 32 35 35 36 37 38 38 39 42 44 45 45 47 47 51 52 53 53 53

8

Inhaltsverzeichnis b) Wertverluste im Vermögensbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ersparniserträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Individuelle Wiederanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalsammelstelle – Keine Besteuerung reinvestierter Ersparniserträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vermögensminderungen, veranlasst durch investiv verwendete Vermögensmehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 55 55 55 55 57

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

Kapitel 2 Belastungswirkungen der nachgelagerten Besteuerung A. Belastungsunterschiede zwischen nachgelagerter und traditioneller Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Belastungswirkungen der traditionellen Einkommensteuer . . . . . . . . . . . 1. Besteuerung von Ersparnisbildung und Kapitaleinkommen . . . . . . . . 2. Anstieg der überperiodischen Steuerlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Intertemporale Neutralität des nachgelagerten Korrespondenzprinzips . . 1. Implizite Steuerbefreiung der marktüblichen Kapitalverzinsung . . . . 2. Belastung überdurchschnittlicher Kapitalverzinsungen . . . . . . . . . . . . 3. Intertemporale Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterschiedsmaß Belastungskorrekturfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

60 60 60 62 64 64 69 70 71

B. Belastungsäquivalenz zwischen nachgelagerter Besteuerung und zahlungsstromorientierter Einkünfteermittlung (Cash Flow-Besteuerung) . . . . . . . . . . 73 I. Zahlungsstromorientierte Einkünfteermittlung (Cash Flow-Besteuerung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Belastungsäquivalenz von Cash Flow- und nachgelagerter Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 C. Belastungsäquivalenz zwischen nachgelagerter und zinsbereinigter Besteuerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Belastungsäquivalenz bei marktüblich verzinsten Investitionsprojekten II. Unterschiede zwischen nachgelagerter und zinsbereinigter Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Belastungsäquivalenz bei überrentierlichen Investitionsprojekten? . . 2. Übergangsdivergenz (Altkapital) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Veranlagungszeitraumbezogene Zielgenauigkeit des Maßstabs steuerlicher Lastenausteilung – Akzeptanzproblem der zinsbereinigten Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75 76 79 79 83

86

Inhaltsverzeichnis

9

Zweiter Teil

Steuergerechtigkeit

90

Kapitel 3 91

Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung A. Steuergerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Alternatives Kopfsteuerprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinfachungszwecknorm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rawl’sche verfassungsgebende Versammlung risikoneutral? . . . . 2. Alternatives Äquivalenzprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Periodeneinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Periodenkonsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lebenseinkommen als Periodenkonsum sowie Lebensendvermögen

91 91 92 92 93 94 95 96 97 99

B. Freiheitsrechtliche Grenzen der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Eigentum (Art. 14 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Finanzverfassung (Art. 106 Abs. 3 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 D. Nachgelagerte Besteuerung der Alterssicherung im Rahmen der traditionellen Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fiskalzwecknorm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorsorge für zukünftiges Existenzminimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorsorge für zukünftigen „angemessenen“ Lebensunterhalt? . . . . . . . II. Sozialzwecknorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

113 113 113 114 117

Kapitel 4 Lebenseinkommen „geeignetster“ Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit – Keine Besteuerung von Kapitaleinkommen A. Lebenseinkommen vs. Periodeneinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Lebensstandardansatz (Besteuerungsmaßstab Nutzen) . . . . . . . . . . . . . . 1. Periodenkonsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lebensausstattungsansatz (Besteuerungsmaßstab Leistungsfähigkeit) . 1. Lebenseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Periodeneinkommen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Freiheit in der Zeit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Gleichheit in der Zeit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117 . . . . . . . . .

118 118 118 119 120 121 122 122 125

10

Inhaltsverzeichnis (1) Vergleichbarkeit in der Zeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gebot einer gegenwartsgerechten Besteuerung („Belastungsgleichheit in der Zeit“)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) BVerfG/BFH-Rechtsprechung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) BVerfG-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) BFH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Geeignetheit von Steuererhebungstechniken zur gleichmäßigen Belastung des Lebenseinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Traditionelle Einkommensteuer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachgelagertes Korrespondenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125 127 129 129 130 131 131 133

B. Besteuerung von Kapitaleinkommen, weil Arbeitseinkommen besteuert wird? 135 I. Steuertheorie: Unbeobachtbarkeit potentiellen Arbeitseinkommens . . . . 136 II. Besteuerungswirklichkeit: Weitgehende Deckungsgleichheit von potentiellem und tatsächlichem Arbeitseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 C. Cash Flow-Besteuerung einzig praktikable Einkünfteermittlungsmethode für alle Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 I. Ökonomischer Gewinn – Unpraktikabilität des Bemessungsgrundlagenideals der traditionellen Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 II. Alternative zahlungsstromorientierte Einkommensermittlung (Cash Flow-Besteuerung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Dritter Teil

Nachgelagerte Besteuerung im derzeitigen Abgabenrecht

149

Kapitel 5 Allgemeine Verbrauchsteuer, staatliche und betriebliche Altersvorsorge 150 A. Allgemeine Verbrauchsbesteuerung (Umsatzsteuer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Umsatzsteuerbelastung investierter Reinvermögensmehrungen . . 1. Keine Belastung der Ersparnisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachbelastung der Ersparnisauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterschiede zwischen indirekter Verbrauchsbesteuerung und direkt nachgelagerter Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Proportionaltarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systemwidrige Befreiungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Subjektives und objektives Nettoprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kreditfinanzierte Konsumausgaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 152 152 154 154 155 155 155 156 156 157 157

Inhaltsverzeichnis

11

III. Spezielle Verbrauchsteuern (z. B. Ökoabgaben)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 B. Staatliche Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beamtenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Besteuerung der Ersparnisbildung (Erwerb des Versorgungsstammrechts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung der Ersparnisauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erwerb des Rentenstammrechts (Rentenversicherungsbeiträge) . . . . . 2. Rentenrechtliche Versorgungsleistungen (Ertragsanteilsbesteuerung gem. § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung von Kapitaleinkommen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159 159

C. Betriebliche Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formen der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besteuerung der Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung 1. Direktzusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsorgebeiträge, Rückdeckungsversicherung, Vorsorgeträger, Versorgungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitaleinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterstützungskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsorgebeiträge, Vorsorgeträger, Versorgungsleistungen . . . . . . . b) Kapitaleinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Direktversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsorgebeiträge, Vorsorgeträger, Versorgungsleistungen . . . . . . . b) Kapitaleinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pensionskasse, Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsorgebeiträge, Vorsorgeträger, Versorgungsleistungen . . . . . . . b) § 3 Nr. 63 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitaleinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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160 161 162 163 164 164

171 175 175 176 179 179 180 182 182 183 184 184

Kapitel 6 Private Zukunftsvorsorge A. Lückenhafte Erfassung privater Zinseinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zinsen aus Kapitallebensversicherungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Strukturelle Vollzugshindernisse (§ 30a AO; ausländische Kapitalanlagen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184 185 185 186 186

B. Einkünftedualismus – Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen im privaten Einkünfteerzielungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte (§§ 17; 23 EStG, §§ 40 Abs. 1; 46 Abs. 1 KAGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

12

Inhaltsverzeichnis II.

Kompensation der verwehrten Sofortabschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

C. Konsumgutlösung für selbstgenutztes Wohneigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nettonutzungswert „fraglos Einkommen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nettonutzungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsumgutlösung markteinkommenstheoretisch gerechtfertigt? . . . II. Prepayment-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit mit traditioneller Besteuerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit nachgelagerter Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

191 191 191 192 193 193 194

D. Nachgelagerte Besteuerung der sog. Riester-Rente (§§ 10a; 22 Nr. 5 EStG) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kombinationsmodell – Sonderausgabenabzug und Grund- sowie Kinderzulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adressatenkreis des § 10a Abs. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anforderungen an Altersvorsorgeverträge (§ 1 AltZertG) . . . . . . . . . II. Nachgelagerte Besteuerung des Regelfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerverschonung der Ersparnisbildung (§ 10a Abs. 1 EStG) . . . . . 2. Besteuerung der Ersparnisauflösung (§ 22 Nr. 5 EStG) . . . . . . . . . . . 3. Keine Besteuerung des Vorsorgeträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Versicherungsprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bankguthaben mit Zinsansammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG im Rahmen des § 22 Nr. 5 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nachgelagerte Besteuerung auch der Ausnahmefälle („schädliche“ Verwendung, Vererbung, Wegzug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Schädliche Verwendung“ (§ 93 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 EStG) . . . . . . . a) Abgabenrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Sanktionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Steuersatzabhängige Zufallsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Steuerlich unbelastete Akkumulierung des Vorsorgekapitals – Belastungskorrekturfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lebensendvermögensbesteuerung (§ 93 Abs. 1 Satz 5 EStG) . . . . . . 3. Wegzug (§ 95 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

195 196 196 197 198 199 199 199 200 200 200 201 201 202 203 203 203 203 204 206 207

Kapitel 7 210

Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip A. Realisationsprinzip im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Steuerbarkeit nichtrealisierter Wertsteigerungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebsvermögen (Realisationsprinzip im engeren Sinne) . . . . . . . . 2. Privatvermögen (Zuflussprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

211 211 211 213

Inhaltsverzeichnis

13

II.

Besteuerungsaufschub für Vermögensmehrungen, die in investiver Verwendung verbleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Durchbrechung des reinvermögenszugangstheoretischen Belastungsideals markteinkommenstheoretisch begründet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reinvermögenszugangstheoretische Erfassung auch unrealisierter Wertzuwächse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Markteinkommenstheoretische Begründung der Durchbrechung tragfähig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Liquiditätsmangel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertungsproblematik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 214 214 216 217 220

B. Vereinfachte Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 3 EStG)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 C. Beschleunigte steuerliche Abschreibung (§§ 7d ff. EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D. Übertragung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. § 6b EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. UmwStG, § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG (Rechtsträgerwechsel) . . . . . . . . . . . . 224

Kapitel 8 225

Ausländische Steuerrechtsordnungen

A. Spreizung zwischen Körperschaftsteuer und Spitzensatz der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I. Betriebliche Altersvorsorge in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Altersvorsorge in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

Vierter Teil

Einwände gegen die nachgelagerte Besteuerung begründet?

231

Kapitel 9 231

Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug A. Investiertes Auslandseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Welteinkommensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freistellungsmethode (Territorialitätsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anrechnungsmethode (Welteinkommensprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

232 232 232 232 234

B. Auslandsinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 C. Inlandsinvestitionen von Steuerausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

14

Inhaltsverzeichnis

D. Wegzug, Zuzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wegzug – Einmalbelastung investierter Reinvermögensmehrungen . . . . 1. Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Inland . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Ausland . . . . . . . . . . . 3. Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirtschaftliche Grundfreiheiten (Art. 39, 43, 49, 56 EG) . . . . . . b) Freizügigkeit (Art. 18 EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung – Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „Bachmann“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Wielockx“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnismäßigkeitsgebot: Steuerstundung bei Sicherung des inländischen Besteuerungsanspruchs; sukzessive Tilgung . . . . . . . . (1) Keine Gefährdung des inländischen Besteuerungsanspruchs – Steuerstundung gegen Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sukzessive Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Exkurs: Vergleichbare Regelungen bei traditioneller Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: § 95 EStG und § 6 AStG gemeinschaftsrechtskonform? . . . a) § 95 EStG gemeinschaftsrechtskonform? – Wegzugsbesteuerung von Riester-Rentnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 6 AStG gemeinschaftsrechtskonform? – Stille Reserven in inländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuzug – Keine Doppelbelastung gesparten Einkommens . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenstaatliche Aufteilung der Steuerquelle Ersparnisauflösung (Belastungsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237 237 238 239 239 241 243 247 247 250 253 253 254 255 258 259 261 262 263

Kapitel 10 264

Lebensendvermögen A. Größerer Nach-Steuer-Nachlass trotz Lebensendvermögensbesteuerung . . . I. Stille Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Größerer Vor- und Nach-Steuer-Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

265 266 266 267

B. Gesamtbelastung intergenerativer Vermögensübertragungen . . . . . . . . . . . . . . I. Niedrigere Gesamtbelastung investiv verwendeter Erbschaften . . . . . . . . 1. Traditionelle Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachgelagerte Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Größere Nach-Steuer-Erbschaft auch bei konsumtiver Nachlassverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267 268 268 269 270

Inhaltsverzeichnis

15

Kapitel 11 Administrative und fiskalische Aspekte A. Praktikablität der nachgelagerten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Status Quo: „Chaos der Investitionsbesteuerung“; Entschärfung bilanzsteuerlicher Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inflationsneutralität der nachgelagerten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen: Anreiz zur Selbstdeklaration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fiskalische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuermindereinnahmen bei nachgelagerter Besteuerung? . . . . . . . . . . . . 1. Steuertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerungswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übergangsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verlagerung von Steueraufkommen in zukünftige Haushaltsjahre – Erhöhung der intergenerativen Gerechtigkeit (Nachhaltigkeitslücke der deutschen Finanzpolitik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersatz von Altkapital durch Neukapital und Deklaration dieser Vermögensumschichtung als Ersparnisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übergangsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271 271 272 274 274 275 276 276 277 279

279 281 284

Fünfter Teil

Limitiert nachgelagerte Besteuerung

285

Kapitel 12 Limitierter Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen

285

A. Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Staatliche Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betriebliche Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Private Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausweitung des Adressatenkreises von § 10a EStG . . . . . . . . . . . . . . 2. Sukzessive Erhöhung der sonderausgabenabzugsfähigen Altersvorsorgebeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285 286 286 289 290

B. Private Zukunftsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Limitiert nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge (§§ 10a Abs. 6; 22 Nr. 5 EStG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abzugstatbestand (§ 10a Abs. 6 EStG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachversteuerungstatbestand (§ 22 Nr. 5 EStG-E) . . . . . . . . . . . . . . .

291 291

291

292 292 293

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Inhaltsverzeichnis

C. Lebensendvermögensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konsumtive Erbschaftsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Investive Erbschaftsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erbschaftsteuer als Lebensendvermögensbesteuerung . . . . . . . . . . . . 2. Steuerentstrickung der Lebensendvermögensbelastung . . . . . . . . . . .

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294 294 296 296 297

D. Wegzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkte Einkommensteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. DBA-rechtlicher Besteuerungsverzicht – Rückfallklauseln . . . . . . . . II. Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

299 299 299 300 301

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Sechster Teil

Partiell nachgelagerte Besteuerung

303

Kapitel 13 304

Partielle Verwirklichung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips A. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Niedrigere Belastung investierter Reinvermögensmehrungen . . . . . . . . 1. Thesaurierungsbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einkommensteuerliche Regelbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nachbelastung der Ersparnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ersparnisauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konsumtive Erbschaftsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Investive Erbschaftsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wegzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erhöhung der einkommensteuerlichen Regelbelastung? . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

304 304 304 305 307 307 308 308 309 312 312

B. Rechtfertigung einer nur partiell nachgelagerten Besteuerung . . . . . . . . . . . . 313 I. Übergangsregelung zur vollumfänglichen Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip . . . . . . . . . . 313 II. Folgerichtige Kombination unterschiedlicher Belastungsideale . . . . . . . . 314 C. Allokationstheoretische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Finanzierungsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Investitionsneutralität (kein lock in-Effekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Intertemporale Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

317 318 318 319

Inhaltsverzeichnis

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Kapitel 14 Verwirklichung in der derzeitigen steuerlichen Lastenausteilung – eine abgabenartenübergreifende Betrachtung A. Steuerartenübergreifende Betrachtung von Einkommens-, allgemeiner Verbrauchs- und Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dualismus von Einkommensteuer und Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Niedrigere, weil ausschließlich einkommensteuerliche Belastung investierter Reinvermögensmehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsatzsteuerliche Nachbelastung der Ersparnisauflösung . . . . . . . . . 3. Implizite partielle Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen . . . . . . . . II. Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lebensendvermögen (Erblassereinkommen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbenbereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Spreizung zwischen Körperschaftsteuer- und Spitzensatz der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Niedrigere Belastung investierter Reinvermögensmehrungen (thesaurierte Kapitalgesellschaftsgewinne) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nachbelastung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne (Ersparnisauflösung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollanrechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 lit. d EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Berücksichtigung der Gewerbesteuer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geringere Steuersatzspreizung bei Einbeziehung der Gewerbesteuer 2. Einbeziehung der Gewerbesteuer steuersystematisch geboten? . . . . . a) Inkongruente Bemessungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Äquivalenztheoretische Rechtfertigung oder Gleichheitssatzwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Äquivalenztheoretische Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine äquivalenztheoretische Rechtfertigung – Gleichheitssatzwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . IV. Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Investiertes Auslandseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslandsinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inlandsinvestitionen von Steuerausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wegzug des Kapitalgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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320 322 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 333 333 334 336 337 339 339 340 340 341 343 343 344 346 346 347 347

C. Intensivierung der partiell nachgelagerten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 I. Erhöhung des Anteils der Umsatzsteuer am Gesamtsteueraufkommen . . 349 II. Zweidritteleinkünfteverfahren, Vierfünfteleinkünfteverfahren . . . . . . . . . 351

18

Inhaltsverzeichnis Kapitel 15 Brühler Empfehlungen zur Besteuerung der Personenunternehmen, insbesondere Körperschaftsteuer-Option

353

A. Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ersparnisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgängervorschrift § 32b EStG 1951 – Körperschaftsteuertarif für einbehaltene Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sämtliche Gewinneinkunftsarten sowie private Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investierte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit? . . . . . . . . . . . . . . II. Gewinnentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Inhabersteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhabersteuerliche Vorbelastung investierter Reinvermögensmehrungen 1. Einbehaltene Unternehmensgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkommensteuerliche Nachbelastung der Ersparnisauflösung . . . . . . . . III. Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

362 363 363 363 364 365 366

C. Option für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft (§ 4a KStG-E) I. Körperschaftsteuer-Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 4a KStG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mängel des Gesetzentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffnung für alle Einkommensteuersubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einbeziehung sämtlicher Gewinneinkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . b) Einbeziehung der privaten Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . c) Einbeziehung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . . . . II. Niedrige (Körperschaftsteuer-)Belastung der Ersparnisbildung (§ 4a KStG-E i.V. m. § 23 Abs. 1 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. (Einkommensteuerliche) Nachbelastung der Ersparnisauflösung (Halbeinkünfteverfahren, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 i.V. m. § 3 Nr. 40 EStG-E) IV. Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Investiertes Auslandseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslandsinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inlandsinvestitionen von Steuerausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wegzug optierter Steuerpflichtiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weder in- noch ausländische Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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376 377 377 378 379 381 384 385

Inhaltsverzeichnis

V.

b) Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 12 KStG – Thesaurierungsbelastung der stillen Reserven . . (2) § 6 AStG – Nachbelastung der niedrig besteuerten Ersparnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 385 385 386 386

Kapitel 16 Partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge A. Ersparnisbildung (Thesaurierungsbelastung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zukunftsvorsorgebeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkommensteuerlicher Sondertarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pauschaler Lohnsteuersatz (§ 40 Abs. 3 EStG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anbieterbesteuerung (reinvestierte Zukunftsvorsorgekapitalerträge) . . . . 1. Körperschaftbesteuerung von Investmentfonds (Streichung des § 38 KAGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Quellenbesteuerung von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen . .

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B. Ersparnisauflösung (Nachbelastung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 I. Halbeinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 II. Alternative Nachbelastungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 C. Wegzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 D. Lebensendvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

Abkürzungsverzeichnis a. A. abl. Abl. EG Abschn. abw. a. E. a. F. AfA allg. AltZertG amtl. Anm. AO AöR Art. AStG Aufl. ausf. AVmG BAG BB Bd. Begr. Beil. BetrAVG BewG BFH BFHE BFH/NV BFuP BGB BGBl. BMF BStBl.

anderer Ansicht ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Abschnitt abweichend am Ende alte Fassung Absetzung für Abnutzung allgemein Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen (Art. 7 AVmG) amtlich Anmerkung Abgabenordnung Archiv für öffentliches Recht Artikel Außensteuergesetz Auflage ausführlich Altersvermögensgesetz v. 26.06.2001, BGBl. I S. 1310. Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater Band Begründung Beilage Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung v. 19.12.1974, BGBl. I S. 3610. Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesministerium der Finanzen Bundessteuerblatt

Abkürzungsverzeichnis BVerfG BVerfGE DB DBW ders. d.h. dies. Diss. DStJG DStR DStZ DVBl. ebd. Einf. entspr. ErbStG EStDV EStG EStR ET EU EuGH EuGHE EuZW EWS FAZ GewStG GG gl.A. GmbH HdWW HGB HStR i. d. F. IdW IFA IStR i. S. v. i.V. m. JbFSt JZ KAGG

21

Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlungen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Der Betrieb Die Betriebswirtschaft derselbe das heißt dieselbe/n Dissertation Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht Deutsche-Zeitung Deutsches Verwaltungsblatt ebenda Einführung entsprechend Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuerrichtlinien European Taxation Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften Handelsgesetzbuch Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung Institut der Wirtschaftsprüfer International Fiscal Association Internationales Steuerrecht im Sinne von in Verbindung mit Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristenzeitung Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften

22 KOM KStDV KStG KStR LStR MDR m. w. N. m.zahlr.N. n. F. N.F. NJW NVwZ OECD OECD-MA ÖStZ RAO RdA Rdnr. re. Sp. RFH RFHE RGBl. RIW Rspr. RStBl. Rz. S. Sec. SGB Slg. sog. Stbg. StbJb. StEntlG SteuerStud st. Rechtspr. StRO StSenkG StuB StuW SWI u. a.

Abkürzungsverzeichnis Dokumente der Europäischen Kommission Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinie Lohnsteuer-Richtlinie Monatsschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen mit zahlreichen Nachweisen neue Fassung Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen Österreichische Steuerzeitung Reichsabgabenordnung Recht der Arbeit Randnummer rechte Spalte Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Recht der Internationalen Wirtschaft Rechtsprechung Reichssteuerblatt Randziffer Seite Section Sozialgesetzbuch Amtliche Sammlung des EuGH sogenannt Die Steuerberatung Steuerberater-Jahrbuch Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.03.1999, BGBl. I S. 402 Steuer und Studium Ständige Rechtsprechung Steuerrechtsordnung Steuersenkungsgesetz v. 23.10.2000, BGBl. I S. 1433 Steuer und Bilanzen Steuer und Wirtschaft Steuer & Wirtschaft International und andere, unter anderem

Abkürzungsverzeichnis UmwStG UntStfG UR UStDV UStG UStR v. Vol. Vorb. VwGH WM zahlr. z. B. ZEV ZfB ZfBF zust. zzgl.

23

Umwandlungssteuergesetz Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz v. 20.12.2001, BGBl. I S. 3858 Umsatzsteuer-Rundschau Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Richtlinien von, vom Volume Vorbemerkung österreichischer Verwaltungsgerichtshof Wertpapier-Mitteilungen zahlreich zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Familiennachfolge Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung zustimmend zuzüglich

Einleitung Als herausragende finanzwirtschaftliche Reformen der XIV. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages gelten die Unternehmenssteuerreform 2001 und die Rentenreform 2002.1 Sie weisen eine Gemeinsamkeit auf, obgleich sie mit der Ersetzung des körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahrens durch das sog. Halbeinkünfteverfahren und dem Einstieg in die kapitalgedeckte Altersvorsorge zwei gänzlich unterschiedliche Regelungsbereiche betreffen. Sowohl das Steuersenkungsgesetz (StSenkG2) als auch das Altersvermögensgesetz (AVmG3) gewähren investierten Reinvermögensmehrungen einen Besteuerungsaufschub. Das StSenkG hat den körperschaftsteuerlichen Thesaurierungssatz von 40% auf 25% abgesenkt.4 Ziel5 war eine Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmensbesteuerung. Der Gesetzgeber wollte der zwischenstaatlichen 1 In der XV. Legislaturperiode sind steuersystematisch bedeutsame Reformen bis April 2003 ausgeblieben. Das Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen vom 10.04.2003 (Steuervergünstigungsabbaugesetz – StVergAbG) hat, anders als noch im Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 21.02.2003 vorgesehen, weder die private Veräußerungsgewinnbesteuerung eingeführt noch Maßnahmen getroffen, um den Erhebungsdefiziten bei der Kapitaleinkünftebesteuerung entgegenzuwirken (Beibehaltung des sog. Bankgeheimnisses [§ 30a AO], keine neuen Mitwirkungspflichten für Kapitalsammenstellen [§ 24b EStG-E StVergAbG-E]), vgl. unten Kapitel 6 Abschn. B., S. 187 ff. Allerdings ist im Referentenentwurf des Gesetzes zur Neuregelung der Zinsbesteuerung und zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 17.03.2003 (Zinsabgeltungssteuergesetz – ZinsAbG) eine abgeltende Zinsbesteuerung von 25% vorgesehen, vgl. §§ 32c, 45e EStG-E ZinsAbGE sowie unten Kapitel 6 Abschn. A., S. 185 ff. 2 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23.10.2000 (Steuersenkungsgesetz – StSenkG), BGBl. I S. 1433. Vgl. zum Halbeinkünfteverfahren bereits J. Thiel, Umgestaltung der Körperschaftsteuer?, StbJb 1998/99, S. 71 (76 ff.). 3 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens vom 26.06.2001 (Altersvermögensgesetz – AVmG), BGBl. I S. 1310. 4 Vgl. § 23 Abs. 1 KStG 2000 und 2001. 5 Vgl. Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG), BT-Drucks 14/2683 v. 15.02.2000, Begründung, S. 92 [Wachstums- und Beschäftigungsförderung durch niedrige Unternehmenssteuersätze]. Zur Motivation zum StSenkG aus Sicht der Ministerialbürokratie G. MüllerGatermann, Grundentscheidungen der Unternehmenssteuerreform, Entlastungswirkungen und Gegenfinanzierungsmaßnahmen, GmbHR 2000, 650 ff.

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Einleitung

Standortkonkurrenz um Investitionen Rechnung tragen6, die mit der zunehmenden Verflechtung der nationalen Volkswirtschaften einhergeht (Globalisierung7). In Deutschland beträgt die – international übliche8 – Spreizung zwischen Körperschaftsteuer und Spitzensatz der Einkommensteuer nunmehr 23,5%-Punkte.9 Sie wird auch nach 2005 nicht unter 17%-Punkte sinken.10 Wachstumsfördernd11 entlastet die Steuersatzspreizung Investitionen, die in Kapitalgesellschaften organisiert werden.12 Das AVmG fördert die zusätzliche private Altersvorsorge. Diese soll die umlagefinanzierte Alterssicherung ergänzen, deren bisheriges Versorgungsniveau die ungünstige demographische Entwicklung gefährdet. Reinvermögensmehrungen, die in Anwartschaften auf sog. Riester-Renten investiert werden (Altersvorsorgebeiträge), wird ein Besteuerungsaufschub gewährt. Ab 2008 sind bis zu 2.100 Euro als Sonderausgaben abzugsfähig (§ 10a EStG), um mitsamt Erträgen und Wertsteigerungen als Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen nachversteuert zu werden, § 22 Nr. 5 EStG.

Nicht zuletzt diese Reformmaßnahmen haben zu der vorliegenden Arbeit motiviert. Sie zeigen, dass ein Konzept steuerlicher Lastenausteilung, das investierten Reinvermögensmehrungen einen Besteuerungsaufschub gewährt (nachgelagerte Besteuerung von Einkommen), als geeignet angesehen wird, den großen wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft zu begegnen, nämlich der fortschreitenden Globalisierung sowie der Alterung der Industriegesellschaften. Die Arbeit versucht u. a. gangbare Wege für eine systemkonsequent nachgelagerte Besteuerung und damit eine Konzeption steuerlicher Lastenausteilung aufzuzeigen13, die seit über zweihundert Jah6 Krit. zur Geeignetheit der Unternehmenssteuerreform zur Förderung inländischer Realinvestitionen z. B. Sinn/Scholten, Steuerreform, Kapitalkosten und Sozialprodukt, ifo-Schnelldienst 28/99, S. 14 ff.; S. Homburg, Die Unternehmenssteuerreform 2001 aus Sicht der Wissenschaft, Stbg 2001, 8 (9); G. Krause-Junk, Unternehmenssteuerreform – Chancen und Risiken aus volkswirtschaftlicher Sicht, in J. Lüdicke (Hrsg.), Internationale Aspekte der Unternehmenssteuerreform, 2001, S. 1 (13). 7 Vgl. zum Steuerwettbewerb als steuerlicher Konsequenz der Globalisierung z. B. Gerken/Märkt/Schick, Internationaler Steuerwettbewerb, Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik Bd. 40, S. 261. 8 Vgl. dazu unten Kapitel 8 Abschn. A., S. 225 ff. 9 § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG 2002 normiert einen Spitzensatz von 48,5% [– 25% KSt {FN 4} = 23,5%-Punkte]. 10 § 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001 normiert für 2005 einen Spitzensatz von 42% [– 25% KSt {FN 4} = 17%-Punkte]. 11 Vgl. zahlr. Nachw. in FN 274 [Seite 85]. 12 Mit ihrer Ausschüttung werden Kapitalgesellschaftsgewinne durch die hälftige Einbeziehung von Dividenden in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage nachbelastet, §§ 20 Abs. 1 Nr. 1; 3 Nr. 40 lit. d EStG (Halbeinkünfteverfahren), vgl. dazu unten Kapitel 14 Abschn. B.II.2., S. 334 ff. 13 Vgl. fünfter und sechster Teil, S. 245 ff. u. 303 ff. (limitiert und partiell nachgelagerte Besteuerung).

Einleitung

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ren14 zwischen Philosophen, Ökonomen sowie Juristen diskutiert wird. Insbesondere Wirtschaftswissenschaftler15 griffen sie in der jüngeren Vergangenheit unter dem Stichwort „Konsumorientierung der Besteuerung“ erneut auf. Der sich an diese Einführung anschließende erste Teil der Arbeit leitet in Kapitel 1 die Bemessungsgrundlage der nachgelagerten Besteuerung ab, und zwar in Abgrenzung von dem Ideal der traditionellen Einkommensteuer, der Einkommensteuer vom Schanz-Haig-Simons-Typ. Dieses Besteuerungsleitbild dient auch als Eichstrich der Belastungswirkungen, die mit dem späteren Zugriff auf investierte Reinvermögensmehrungen einhergehen, und in Kapitel 2 erörtert werden, nämlich der impliziten Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen. Ein zweiter Teil untersucht verfassungsrechtliche Aspekte der nachgelagerten Besteuerung. Kapitel 3 zeigt, dass ihr weder der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch Freiheitsrechte (Art. 2; 14 GG) oder die Finanzverfassung entgegenstehen. Kapitel 4 vertieft Fragen der Steuergerechtigkeit, indem nach dem „geeignetsten“ Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit gesucht wird. Er ist es, der den „richtigen“ Zeitpunkt der Besteuerung investierter Reinvermögensmehrungen bestimmt, über den Steuertheoretiker seit Thomas Hobbes16 streiten. Insbesondere werden die 14

Für eine nachgelagerte Besteuerung von Einkommen traten z. B. ein T. Hobbes, Leviathan oder der kirchliche und bürgerliche Staat, Bd. 1, Halle 1794, S. 310; J. St. Mill, Grundsätze der politischen Ökonomie [Principles of Political Economy, 1848], Bd. 2, 1921, S. 483 f.; I. Fisher, Double Taxation on Savings, American Economic Review 1939, 16 ff.; Fisher/Fisher, Constructive Income Taxation – A Proposal for Reform, 1942; J. A. Schumpeter, Ökonomie und Soziologie der Einkommensteuer, Der deutsche Volkswirt 1929/1930, wiederabgedruckt in Stolper/Seidl (Hrsg.), J. A. Schumpeter, Aufsätze zur Wirtschaftspolitik, Tübingen 1985, S. 123 (125); N. Kaldor, An Expenditure Tax, London 1955. Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung der sog. Ausgabensteuer, die Ersparnisse ebenfalls erst im Zeitpunkt ihrer konsumtiven Verwendung belastet, auch P. Zumstein, Die Ausgabensteuer, St. Gallen, Diss. Nr. 662, 1977, S. 4 ff. 15 Vgl. stellv. die Beiträge in M. Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, 1991, und Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, 1999, sowie die Diskussion zwischen E. Wenger, Gleichmäßigkeit der Besteuerung von Arbeits- und Vermögenseinkünften, Finanzarchiv N.F. 42 (1983), 207 ff; ders., Lebenszeitbezogene Gleichmäßigkeit als Leitidee der Abschnittsbesteuerung, Finanzarchiv N.F. 44 (1985), 307 (311 ff.); ders., Die Festlegung auf einperiodische Modelle steuerlicher Gleichmäßigkeit – Eine Kapitulation vor der Problematik der Kapitaleinkommensbesteuerung, Finanzarchiv N.F. 45 (1986), 258 ff. und D. Schneider, Der Einkommensbegriff und die Einkommensteuerrechtsprechung, Finanzarchiv N.F. 43 (1984), 407 ff.; ders., „Lebenszeitbezogene Gleichmäßigkeit“ als Fehlvorstellung von Gleichmäßigkeit, Finanzarchiv N.F. 44 (1985), 470 ff. sowie D. Schneider, Staatsbürgersteuer – ein Schildbürgerstreich, StuW 1974, 369 ff. und J. Mitschke, Trivialarithmetik der Staatsbürgersteuer, StuW 1975, 69 ff.

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Einleitung

Leistungsfähigkeitsindikatoren Lebenseinkommen und Periodeneinkommen gegeneinander abgewogen (technisch-budgetärer vs. materiell-rechtlicher Charakter des einkommensteuerlichen Periodizitätsprinzips). Überprüft wird, ob die Erhebungstechniken nachgelagerte und traditionelle Besteuerung geeignet sind, vorgenannte Besteuerungsmaßstäbe gleichmäßig umzusetzen, auch wenn Klaus Tipke meint: „Das Leistungsfähigkeitsprinzip beantwortet nicht die Frage, ob die Leistungsfähigkeit am Lebenseinkommen oder an dem Einkommen eines kürzeren Zeitabschnitts zu messen ist.“17

Der dritte Teil der Arbeit analysiert, inwieweit die gegenwärtige steuerliche Lastenausteilung dem Belastungsideal der nachgelagerten Besteuerung folgt, Kapitaleinkommen also unbesteuert lässt (Kapitel 5–Kapitel 7), und zwar aus zwei Gründen. Zum einen ist der Reformbedarf einer Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip um so geringer, je mehr das staatliche Abgabenrecht Einkommen bereits derzeit nachgelagert besteuert. Zum anderen begründet jede explizite oder implizite Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen Zweifel an der Umsetzbarkeit des Leitbilds der traditionellen Einkommensteuer. Das Hauptaugenmerk gilt deshalb nicht den Ausnahmevorschriften (z. B. Einkommensteuerbefreiung von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen18, Sparerfreibetrag19, Sonderabschreibungstatbestände20). Im Vordergrund stehen vielmehr die Grundentscheidungen des staatlichen Abgabenrechts, die die marktübliche Kapitalverzinsung steuerlich unbelastet belassen (z. B. allgemeine Verbrauchsbesteuerung21, Besteuerung der staatlichen22 und betrieblichen23 Altersvorsorge, Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte24, Realisationsprinzip25, Konsumgutlösung für selbstgenutztes Wohneigentum26). Der vierte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Einwänden, die regelmäßig gegen eine nachgelagerte Besteuerung erhoben werden. Er gelangt 16

Vgl. T. Hobbes, Leviathan (FN 14), S. 310. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. 2000 [StRO I2], S. 502. 18 § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG. 19 § 20 Abs. 4 EStG. 20 Vgl. z. B. § 7g EStG. 21 Vgl. unten Kapitel 5 Abschn. A., S. 151 ff. 22 Vgl. zur Beamtenversorgung und gesetzlichen Rentenversicherung unten Kapitel 5 Abschn. B., S. 159 ff. 23 Vgl. unten Kapitel 5 Abschn. C., S. 168 ff. 24 Vgl. zur steuersystematischen Einordnung des Einkünftedualismus außerhalb der Fristen bzw. Beteiligungsgrenzen der §§ 23; 17 EStG unten Kapitel 6 Abschn. B., S. 187 ff. 25 Vgl. unten Kapitel 7 Abschn. A., S. 210 ff. 26 Vgl. zur Abschaffung der Investitionsgutlösung (§§ 21 Abs. 2; 21a EStG a. F.) durch Gesetz vom 15.05.1986 BGBl. I S. 730 unten Kapitel 6 Abschn. C., S. 190 ff. 17

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zu dem Ergebnis, dass weder grenzüberschreitende Sachverhalte (z. B. Wohnsitzwechsel) noch die Erforderlichkeit einer Lebensendvermögensbesteuerung oder administrative Gesichtspunkte einer Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip entgegenstehen, Kapitel 9–Kapitel 11. Der fünfte und sechste Teil der Arbeit stellen Reformkonzepte vor, die der fiskalischen Übergangsproblematik Rechnung tragen (limitiert und partiell nachgelagerte Besteuerung). Die limitiert nachgelagerte Besteuerung begrenzt die zeitweiligen Steuermindereinnahmen dadurch, dass investierte Reinvermögensmehrungen nur bis zu einem bestimmten – schrittweise anzuhebenden – Betrag zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden (Kapitel 12). Mit der abgabenrechtlichen Behandlung der RiesterRente27 hat der Gesetzgeber diesen Weg eingeschlagen, und zwar gestützt auf einen breiten Konsens28 der Steuerwissenschaften zur nachgelagerten Besteuerung der Alterssicherung. 27 Vgl. zur limitierten (Sonderausgaben-)Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgebeiträgen sowie Nachversteuerung des Altersvorsorgevermögens als Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen (§§ 10a; 22 Nr. 5 EStG) unten Kapitel 6 Abschn. D., S. 195 ff. 28 Vgl. nur Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Gutachten zur einkommensteuerlichen Behandlung von Alterseinkünften, BMF-Schriftenreihe Heft 38, 1986, S. 40 ff.; 57. Deutscher Juristentag, 1988, Sitzungsbericht N der steuerrechtlichen Abteilung, Beschluss VII.3, S. 215; Gerke-Kommission, Bericht des Arbeitskreises „Betriebliche Pensionsfonds“, BMF-Schriftenreihe Heft 64, 1998, S. II u. 50; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1999/2000, Tz. 379; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2001, S. 61; Börsch-Supan/Lührmann, Prinzipien der Renten- und Pensionsbesteuerung, 2000, S. 49; R. Peffekoven, Rentenbesteuerung: Für das nachgelagerte Verfahren, ifo-schnelldienst 21/2000, S. 3 (4); W. Förster, Vorzüge der nachgelagerten gegenüber der vorgelagerten Besteuerung aller Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung, in Adresen/Förster/Doetsch (Hrsg.), Betriebliche Altersversorgung in Deutschland im Zeichen der Globalisierung, FS Rößler, 2000, S. 329 (335); H. Söhn, Sonderausgaben und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1985, 395 (404); K.-D. Henke, Steuerliche Behandlung der Vorsorgeaufwendungen und der Alterseinkünfte aus finanzwissenschaftlicher Sicht, in Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und Gestaltung e. V. (Hrsg,), Steuerliche Behandlung der Alterseinkünfte, 1987, S. 28 (36); Borell/Schemmel/Stern, Steuerentlastung, Steuervereinfachung, Steuergerechtigkeit, 1996, S. 122 ff.; O. Klingebiehl, Die Weiterentwicklung der betrieblichen Altersversorgung aus alterssicherungspolitischer und steuersystematischer Sicht, 1994, S. 167 ff.; R. Seer, Die Besteuerung der Alterseinkünfte und das Gleichbehandlungsgebot, StuW 1996, 323 (335); K. Offerhaus, Kritische Auseinandersetzung mit den Vorschlägen zur Steuerreform, Wpg 1998, 1035 (1042); D. Birk, Nachgelagerte Besteuerung in der betrieblichen Altersversorgung – Eine verfassungskonforme Alternative für den Gesetzgeber?, StuW 1999, 321 (326 f.); ders., Die steuerliche Behandlung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, BetrAV 2000, 315 (320). A. A. F. Ruland, (Rentenbesteuerung und Rentenreform, NZS 2001, 7 [11]), der gegen eine Vollbe-

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Einleitung

Alternativ kann die steuerliche Lastenausteilung sukzessive am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet werden, indem investierten Reinvermögensmehrungen zunächst ein nur teilweiser Besteuerungsaufschub gewährt wird (Kapitel 13–Kapitel 16). Mit dem Nebeneinander von Einkommens- und allgemeiner Verbrauchsbesteuerung sowie der Absenkung der körperschaftsteuerlichen Thesaurierungsbelastung auf 25% hat der Gesetzgeber auch diesen Pfad bereits beschritten (Kapitel 14). Da sich die Niedrigbelastung investierter Reinvermögensmehrungen bislang jedoch auf den körperschaftsteuerpflichtigen Sektor beschränkt, sind hier weitere Reformmaßnahmen erforderlich. So ist nicht ersichtlich, womit die Begrenzung der Belastungsvorteile aus dem teilweisen Besteuerungsaufschub auf Kapitalgesellschaftsgewinne gerechtfertigt werden könnte. Praktikable Reformvorschläge für eine Öffnung des Niedrigsteuersystems für sämtliches investiertes Einkommen und damit für eine gleichheitssatzkonforme29 partiell nachgelagerte Besteuerung zu unterbreiten (Zukunftsvorsorgeverträge30, Körperschaftsteueroption für alle Einkommensteuersubjekte31), ist wesentliches Anliegen dieser Arbeit. Sie wird durch einen achten Teil beschlossen, der die Ergebnisse zusammenfasst.

steuerung der Renten eintritt, solange das EStG auch andere Reinvermögensmehrungen unbesteuert lässt, sowie P. Fischer (Missverständnisse zur nachgelagerten Besteuerung von Altersbezügen am Beispiel der sog. Riester-Rente, FR 2001, 613 [618]; ders., Altersvorsorge und Altersbezüge, in I. Ebling [Hrsg.], Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 [2001], S. 463 [472]), der Umverteilungen innerhalb der Versichertengemeinschaft in den nichtsteuerbaren Privatvermögenssphäre verweist. 29 Vgl. zur gleichheitssatzrechtlichen Problematik der gegenwärtigen Spreizung zwischen körperschaftsteuerlicher Thesaurierungsbelastung und Einkommensteuerspitzensatz z. B. J. Lang, Die Unternehmenssteuerreform – eine Reform pro GmbH, GmbHR 2000, 453 (456); H.-J. Pezzer, Kritik des Halbeinkünfteverfahrens, StuW 2000, 144 (147 f.); ders., Kommentar, FR 2000, 450 (451). 30 Vgl. unten Kapitel 16, S. 387 ff. 31 Vgl. unten Kapitel 15 Abschn. C., S. 367 ff.

Erster Teil

Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen – Bemessungsgrundlage und Belastungswirkungen Um die Bemessungsgrundlage einer Besteuerungskonzeption abzuleiten und ihre Belastungswirkungen zu analysieren, bedarf es eines Eichstrichs.32 Die nachgelagerte Besteuerung von Einkommen definiert sich dadurch, dass sie investierte Reinvermögensmehrungen zu einem späteren Zeitpunkt belastet als das reinvermögenszugangstheoretische Ideal der traditionellen Einkommensteuer, der Einkommensteuer vom Schanz-Haig-Simons-Typ. Infolgedessen ist die Beschäftigung mit dem reinvermögenszugangstheoretischen Leitbild auch dann unerlässlich, wenn sein umfassender Besteuerungsanspruch unpraktikabel sein mag.33 Anderenfalls besteht die Gefahr, den reinvermögenszugangstheoretischen Besteuerungsanspruch aus Praktikabilitätserwägungen mit dem Ergebnis einer nachgelagerten Besteuerung zurückzunehmen, ohne diese Rücknahme überhaupt als Einschränkung des „geeignetsten Maßstabes steuerlicher Leistungsfähigkeit“34 wahrzunehmen, als den Klaus Tipke das reinvermögenszugangstheoretisch bestimmte Einkommen erachtet. Ein Beispiel hierfür ist das Realisationsprinzip, welches unrealisierte – und damit in investiver Verwendung belassene – Wertsteigerungen aus der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage ausgrenzt (Besteuerungsaufschub für stille Reserven), vgl. dazu unten Kapitel 7 Abschn. A., Seiten 211 ff.

32 Vgl. zur Erforderlichkeit eines Eichstrichs als Ausgangspunkt jeder steuersystematischen Analyse nur D. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Aufl. 1992, S. 192, 196 f.; ders., Mängel in der ökonomischen Begründung einer Steuerfreiheit für Kapitaleinkünfte, StuW 2000, 412 (430). 33 Vgl. dazu S. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2. Aufl. 2000, S. 221. 34 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 1. Aufl. 1993 [StRO II1], S. 560.

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

Kapitel 1

Bemessungsgrundlage von traditioneller und nachgelagerter Besteuerung von Einkommen A. Traditionelle Besteuerung von Einkommen I. Reinvermögenszugangstheorie – Einkommensteuer vom Schanz-Haig-Simons-Typ Die traditionelle Einkommensteuer sucht die periodische Reinvermögensmehrung zuzüglich des Periodenkonsums des Steuerpflichtigen zu belasten (Reinvermögenszugangstheorie).35 Die Einkommensteuer bemisst sich idealiter nach der Differenz zwischen den Reinvermögensbeständen, über die ein Steuerpflichtiger zu Beginn und am Ende einer Besteuerungsperiode verfügt.36 Hinzuzuaddieren ist der Periodenkonsum.37 Auch die hierfür verwendeten Vermögensbestandteile hätten in dem jeweiligen Besteuerungsabschnitt an das Gemeinwesen transferiert werden können38, ohne dass der Steuerpflichtige in seinem Reinvermögen „zurückgekommen“39 wäre. 35 Vgl. nur J. Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 24, 30, 36 ff.; ders., Die einfache und gerechte Einkommensteuer – Ziele und Chancen einer Fundamentalreform, 1987, S. 17. 36 Das Belastungsideal der Reinvermögenszugangstheorie findet sich im Gewinnbegriff des § 4 EStG wieder (Betriebsvermögensvergleich zuzüglich Entnahmen). So ist auch der Amtlichen Begründung des EStG 1920 zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Definition des steuerbaren Einkommens in § 4 EStG „grundsätzlich auf den Boden des Schanzschen Auffassung“ stellte, vgl. Amtliche Begründung des EStG 1920, Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, Drucks. 1624, S. 18. 37 Unmittelbar einsichtig ist dies zunächst nur für die Konsumaufwendungen, die aus aktuellem Periodeneinkommen finanziert wurden. Denn wenn Ersparnisse aufgelöst werden, sind diese nach dem Ideal der traditionellen Einkommensteuer bereits belastet worden. Allerdings fließt die Ersparnisauflösung bereits negativ in die Reinvermögensänderung ein. Diesen Effekt neutralisiert die Einbeziehung des gesamten Periodenkonsums, d.h. nicht nur der konsumtiv verwendeten aktuellen Periodeneinkünfte. 38 Von der Berücksichtigung des Existenzminimums sowie Unterhaltsverpflichtungen und anderer unvermeidbarer Privataufwendungen (subjektives Nettoprinzip) sei hier aus Vereinfachungsgründen abgesehen, vgl. dazu J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 9 Rz. 88–104. 39 Dieser altertümlich anmutende Begriff wird in der amtlichen Begründung des EStG 1920 verwendet (Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, Drucks. 1624, S. 18), in der die Konsumtionsfonds-, Quellen- und Reinvermögenszugangstheorie erörtert wird, vgl. dazu J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 36 ff. Die Terminologie geht auf Gustav Schmoller zurück, der die „Summe von

A. Traditionelle Besteuerung von Einkommen

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Die reinvermögenszugangstheoretische Bemessungsgrundlage umfasst nicht nur erwirtschaftete und realisierte Vermögensmehrungen, sondern auch Erbschaften und Schenkungen sowie staatliche Transferleistungen (unentgeltliche Vermögenszugänge), unrealisierte Wertsteigerungen40, den Nutzungswert privater Wirtschaftsgüter und Wertschöpfungen in der Privatsphäre41. Formal stellt sich die Bemessungsgrundlage der traditionellen Einkommensteuer wie folgt dar: BGLESt-trad = RVPeriodenende – RVPeriodenanfang + KonsumPeriode = DRVPeriode + KonsumPeriode mit BGL = Bemessungsgrundlage; ESt-trad = traditionelle ESt; RV = Reinvermögen; D = Veränderung

Entwicklung der Reinvermögenszugangstheorie (S-H-S concept of income) Entwickelt wurde die reinvermögenszugangstheoretische Einkommensdefinition von Georg von Schanz42, und zwar auf Grundlage der sog. Konsumtionsfondstheorie. Diese Lehre wurde wiederum von Gustav Schmoller43 begründet und begreift Einkommen als Summe von Mitteln, die ein Besteuerungssubjekt in einer WirtMitteln, welche der Einzelne, ohne in seinem Vermögen zurückzukommen, für sich und seine Familie, für seine geistigen und körperlichen Bedürfnisse, für seine Genüsse und Zwecke, kurz für die Steigerung seiner Persönlichkeit in einer Wirtschaftsperiode verwenden kann“, besteuern wollte (ders., Die Lehre vom Einkommen in ihrem Zusammenhang mit den Grundprinzipien der Steuerlehre, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 19 [1863], 1 [52]). Vgl. dazu auch R. Hansen, Die praktischen Konsequenzen des Methodenstreits – Eine Aufarbeitung der Einkommensbesteuerung, 1996, S. 179 ff. 40 Ob deshalb die Bezeichnung Reinvermögenszuwachstheorie das Ideal der traditionellen Einkommensteuer besser trifft (so Küting/Kessler, Einige Bemerkungen zum Verhältnis von Imparitätsprinzip und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuB 2000, 21 [23]; S. Homburg, Steuerlehre2 [FN 33], S. 223), sei hier dahingestellt. Denn jedenfalls hat sich der Begriff Reinvermögenszugangstheorie für diesen Maßstab steuerlicher Lastenausteilung eingebürgert, vgl. z. B. J. Lang, in Tipke/ Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 107. Vgl. ausführlich zur Belastung unrealisierter Wertsteigerungen im Einkünfteerzielungsvermögen unten Kapitel 7 Abschn. A., S. 211 ff. 41 Vgl. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 8 Rz. 32. 42 Vgl. G. v. Schanz, Der Einkommensbegriff und die Einkommensteuergesetze, Finanz-Archiv 13 (1896), 1 ff. (6 ff.); ders., Der privatwirtschaftliche Einkommensbegriff, Finanz-Archiv 39 (1922), 505 ff. 43 Vgl. G. Schmoller, Die Lehre vom Einkommen in ihrem Zusammenhang mit den Grundprincipien der Steuerlehre, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 19 (1863), S. 1 (52) [vgl. auch FN 39]. Vgl. zum Schmoller’schen Einkommensbegriff auch R. Hansen, Gustav Schmollers Beitrag zur allgemeinen Steuerlehre, in Strümpel (Hrsg.), Beiträge zur Wirtschaftswissenschaft in Berlin, 1999, S. 1 (10 ff.).

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

schaftsperiode zum Konsum verwenden kann, ohne sein Anfangsvermögen zu schmälern. Nach von Schanz sind Einkommen alle „Reinerträge“ sowie „Wertsteigerungen“ und „geldwerte Leistungen Dritter, alle Geschenke, Erbschaften, Legate, Lotteriegewinne, Versicherungskapitalien, Versicherungsrenten, Konjunkturgewinne jeder Art“ und zudem „Nutzungen“, also „auch jeder unmittelbare Verbrauch, der in der Benutzung eines eigenen Hauses, eigener Pferde, eines eigenen Gartens oder auch nur in dem Genusse der Möglichkeit einer solchen Benutzung liegt“44. Im angelsächsischen Schrifttum geht die reinvermögenszugangstheoretische Definition von Einkommen auf Haig und Simons zurück. Haig betrachtete den periodischen Zuwachs an Bedürfnisbefriedigungsfähigkeit als Einkommen, nämlich „the increase of accretion in one’s power to satisfy his wants in a given period in so far that power consists of a) money itself, or b) anything susceptible of valuation in terms of money“45. Eingänglicher definiert Haig Einkommen als bewertete Reinvermögensänderung: „Income is the money value of the net accretion of one’s economic power between two points of time.“46 Inhaltsgleich bezeichnet Simons die Summe von Konsumausgaben und Reinvermögensänderungen in einer Periode als Einkommen, nämlich „the algebraic sum of 1) the market value of the store of property rights exercised in consumption and 2) the change in the value of the store of property rights between the beginning and the end of the period in question“47.

Infolgedessen wird eine Einkommensteuer, deren Bemessungsgrundlage an der Reinvermögenszugangstheorie ausgerichtet ist, als Einkommensteuer vom Schanz-Haig-Simons-Typ bezeichnet (S-H-S concept of income, comprehensive income tax base48). Robert Goode fasst ihr Leitbild wie folgt zusammen: „. . . a comprehensive income tax base would include all accretions to economic power of wealth – that is, the sum of consumption and the increase or decrease in a person’s net worth“49.

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G. v. Schanz, Einkommensbegriff (FN 42), Finanz-Archiv 1896, 1 (12). M. Haig, The Concept of Income, in ders. (Hrsg.), The Federal Income Tax, New York 1921, S. 1 ff. ( 27). 46 M. Haig, Concept of Income (FN 45), S. 7. 47 H. C. Simons, Personal Income Taxation, Chicago/London 1938, S.15 (50). 48 Vgl. nur R. Goode, The Comprehensive Income Tax, in Walker/Bloomfield (Hrsg.), New Directions in Federal Tax Policy for the 1980s, 1984, S. 265 ff. 49 R. Goode, The Comprehensive Income Tax (FN 48), S. 268. Vgl. auch ders., The Economic Definition of Income, in J. A. Pechman (Hrsg.), Comprehensive Income Taxation, 1977, S. 1 ff. 45

A. Traditionelle Besteuerung von Einkommen

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II. Erweiterte Markteinkommenstheorie als „auf das Praktikable zurückgenommene Reinvermögenszugangstheorie“ Die Reinvermögenszugangstheorie wurde in ihrer Reinform zu keinem Zeitpunkt in die Besteuerungswirklichkeit umgesetzt. Schon bald erkannten die Steuergesetzgeber weltweit, dass der Schanz-Haig-Simons’sche Einkommensbegriff nur eingeschränkt administrabel ist. Die Einkommensteuergesetze sind von der sog. Markteinkommenstheorie geprägt, die den steuerlichen Zugriff auf Erwerbseinkünfte beschränkt. Diese sind mit verhältnismäßigen finanzbehördlichen Maßnahmen zu ermitteln (Beobachtbarkeit). Eine gleichmäßige steuerliche Erfassung von Nutzungen des privaten Konsumvermögens sowie Eigenleistungen (Schatteneinkommen50, sog. imputed income) und unrealisierten Wertveränderungen im Vermögensbestand wäre mit unzumutbaren Eingriffen in die Privatsphäre verbunden. Das Verhältnismäßigkeitsgebot staatlicher Ermittlungsmaßnahmen schließt es allerdings nicht aus, auch anderweitig, d.h. nicht am Markt beobachtbare Reinvermögensmehrungen in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen. So belastet die von Joachim Lang51 entwickelte und von Klaus Tipke als „auf das Praktikable zurückgenommene Reinvermögenszugangstheorie“52 bezeichnete erweiterte Markteinkommenstheorie auch staatliche Transfers sowie Erbschaften und Schenkungen, da diese regelmäßig mit Akten des Rechtsverkehrs einhergehen. Die Lang’sche Markteinkommenstheorie trägt dem Umstand Rechnung, dass die „Markteinkommenstheorie nicht an sich erstrebenswert, sondern eine Teilkapitulation vor Informationsproblemen ist“53.

1. Erwerbseinkünfte Die Durchsetzung eines Besteuerungsanspruchs, der sich auf periodische Reinvermögensmehrungen beschränkt, die am Markt erzielt wurden, kann 50 Vgl. dazu S. Homburg, Das einkommensteuerliche Ehegattensplitting, StuW 2000, 261 (266). 51 Vgl. J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 32, 90; ders., Gewinnrealisierung – Rechtsgrundlagen, Grundtatbestände und Prinzipien im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG, in H.-G. Ruppe (Hrsg.), Gewinnrealisierung im Steuerrecht, DStJG 4 (1981), S. 47 (54 f.), mit Verweis auf H.-G. Ruppe, Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung von Einkunftsquellen als Problem der Zurechnung von Einkünften, in K. Tipke (Hrsg.), Übertragung von Einkunftsquellen im Steuerrecht, Möglichkeiten und Grenzen der Einkommensverlagerung durch Nießbrauch, Beteiligung und Darlehen mit einem rechtsvergleichenden Teil, DStJG 1 (1978), S. 7 (15 ff.) 52 K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 580. 53 S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 224.

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

sich auf Bewertungen stützen, die Transaktionen zwischen fremden Dritten zugrunde gelegen haben. Aufgrund von Marktpreisen sind Erwerbseinkünfte regelmäßig beobachtbar: „Der Interessengegensatz zwingt die Parteien, den Vertrag wahrheitsgemäß zu formulieren, und an die damit offenbarten Tatsachen kann der Fiskus steuerlich anknüpfen.“54 Tatbestandlichen Niederschlag findet die Markeinkommenstheorie in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach Voraussetzung der Steuerbarkeit von Reinvermögensmehrungen eine „nachhaltige Betätigung“ ist, „die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt“55. Schon Wilhelm Roscher subsumierte unter Einkommen nur solche Reinvermögensänderungen, „die aus einer wirtschaftlichen Tätigkeit herrühren“56. Unter „wirtschaftlicher Tätigkeit“ verstand er hierbei die „planmäßige Tätigkeit des Menschen, um seinen Bedarf an äußeren Gütern zu befriedigen“57.

a) Ausgrenzung der Konsumsphäre (Konsumgutlösung) Eigenleistungen sowie Nutzungen des privaten Konsumvermögens sind nach der Markteinkommenstheorie nicht steuerbar.58 Es bedarf regelmäßig unverhältnismäßiger Maßnahmen der Finanzbehörden, um sie zu ermitteln. Tiefen Eingriffen in die Privatsphäre59 stehen nur ausnahmsweise nennenswerte Verbesserungen der steuerlichen Gerechtigkeit gegenüber (unangemessene Zweck-Mittel-Relation). So werden z. B. hauswirtschaftliche Tätigkeiten von der weit überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen in S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 326. Würde der in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG normierte Begriffskern der Markteinkommenstheorie nur für den Gewerbebetrieb gelten, müssten die anderen Einkunftsarten, die mit einer selbständigen Tätigkeit verbunden sind, nicht wieder ausdrücklich ausgegrenzt werden („[. . .] ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist“]. 56 W. Roscher, System der Volkswirtschaft, Bd. 1: Die Grundlagen der Nationalökonomie, 1864, S. 292. 57 W. Roscher, Volkswirtschaft (FN 56), 17. Aufl. 1883, § 2. 58 Vgl. nur J. Lang, Reformentwurf zu Grundvorschriften des Einkommensteuergesetzes, 1985, S. 31 ff. Die markteinkommenstheoretisch begründete persönliche Zurechnung von Einkünften wird hier außer Betracht gelassen, vgl. dazu H. G. Ruppe, Übertragung von Einkunftsquellen (FN 51), DStJG 1 (1978), S. 7, 15 ff.; ders., in Herrmann/Heuer/Raupach (Hrsg.), Einkommensteuergesetz und Körperschaftsteuergesetz – Kommentar (H/H/R), Einf. ESt, Anm. 17. 59 Sollte z. B. das imputed income erfasst werden, das aus einer Hobby-Pferdehaltung resultiert, müssten nicht nur Informationen über Fremdvergleichspreise beschafft werden (Pferdemiete). Zudem wäre zu ermitteln, wie häufig der Hobbyreiter seiner Freizeitbeschäftigung nachgeht. Entsprechend wäre bei anderen Hobbys zu verfahren. 54 55

A. Traditionelle Besteuerung von Einkommen

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Eigenarbeit erledigt. Zudem kann das Schatteneinkommen, welches mit selbst verrichteter Hausarbeit einhergeht, indirekt dadurch berücksichtigt werden, dass Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG a. F.60). Nachdem der Gesetzgeber 1987 die Besteuerung der Nutzungswerte aus selbstgenutzten Wohnimmobilien61 abgeschafft hat (sog. Investitionsgutlösung), gilt für Konsumvermögen ausschließlich die sog. Konsumgutlösung. Hiernach sind Nutzungen aus Gegenständen, die nicht der Einkünfteerzielung dienen, ebenso unbeachtlich wie Aufwendungen, die hierdurch veranlasst sind, vgl. ausführlich zu alternativen Methoden der Eigenheimbesteuerung und ihren Belastungswirkungen unten Kapitel 6 Abschn. C., Seiten 190 ff. b) Ausgrenzung unrealisierter Vermögensmehrungen (Realisationsprinzip) Neben dem Umfang der einkommensteuerbaren Sphäre bestimmt die Markteinkommenstheorie auch den Zeitpunkt des Steuerzugriffs. Belastet werden lediglich realisierte Reinvermögensmehrungen.62 Auch insoweit werden Praktikabilitätsgesichtspunkte für die Abweichung vom reinvermögenszugangstheoretischen Leitbild angeführt, vgl. dazu ausführlich Kapitel 7 Abschn. A., Seiten ff. Eine zeitnahe Erfassung auch jener Wertsteigerungen, die noch nicht durch eine Transaktion am Markt bestätigt wurden63, soll eine laufende Bewertung des Vermögensbestandes erfordern. Welche Schwierigkeiten hiermit verbunden sind, hat die bis 1996 erhobene Vermögensteuer gezeigt.64 60 BGBl. I 1989, 1267. Der Sonderausgabenabzugstatbestand wurde in 2001 abgeschafft, und zwar mit der Begründung, dass er seine arbeitsmarktpolitischen Ziele nicht verwirklicht und überwiegend einkommensstarke Haushalte begünstigt habe (BT-Drucks 14/1660, S. 11). Die Rechtfertigung des sog. Dienstmädchenprivilegs lag aber – was auch von Joachim Lang verkannt wird (vgl. ders., in Tipke/Lang, Steuerrecht17 [FN 38], § 9 Rz. 718: „§ 10 Abs. 1 Nr. 8 war in der Tat nicht zu rechtfertigen, da er Unterhaltsaufwendungen der gehobenen Lebensführung betraf“) – in der indirekten Belastung von Schatteneinkommen (Gleichstellung von Einverdiener- und Doppelverdiener-Ehepaaren, die auf eine Haushaltshilfe angewiesen sind). Systemgerecht ist ein (unlimitierter) Erwerbsaufwendungentatbestand, vgl. z. B. M. A. Chirelstein, Federal Income Taxation, 9. Aufl. 2002, S. 105. 61 §§ 21 Abs. 2; 21a EStG a. F., aufgehoben durch Gesetz vom 15.05.1986, BGBl. I S. 730. 62 Vgl. nur J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 52, 404 ff. 63 Vgl. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 107, § 8 Rz. 30. 64 Vgl. dazu BVerfG v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 ff. [Gleichheitssatzwidrigkeit der Vermögensteuer wegen Bewertungsdiskrepanzen z. B. zwischen Grund- und Geldvermögen].

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

2. Anderweitig beobachtbare Reinvermögensmehrungen Nach der erweiterten Markteinkommenstheorie sind neben realisierten Erwerbseinkünften staatliche Sozialtransfers65 sowie Erbschaften bzw. Schenkungen66 steuerbar. Insoweit sind Informationsdefizite, die eine Einschränkung des reinvermögenszugangstheoretischen Besteuerungsanspruchs rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich. Sowohl Sozialleistungen als auch (intergenerative) Vermögensübertragungen gehen regelmäßig mit Akten des Rechtsverkehrs einher. Zudem erhöhen die finanzbehördlichen Eingriffe in die Privatsphäre die steuerliche Gerechtigkeit erheblich (Verhältnismäßigkeit staatlicher Ermittlungen). Dies folgt aus dem Ausmaß ungleich verteilter unentgeltlicher Vermögensmehrungen. So machen Sozialtransfers in Deutschland 32% des Bruttoinlandsproduktes aus.67 Für 2002 werden intergenerative Vermögensübertragungen in Höhe von 212 Mrd. Euro erwartet.68 a) Staatliche Transferleistungen Staatliche Transferleistungen erhöhen das Reinvermögen des Transferempfängers ebenso wie Erwerbseinkünfte („Privatbezüge“69). Informationsdefizite hindern ihre gleichmäßige Besteuerung nicht. Selbst wenn keine Quellensteuer erhoben wird, weil es jedenfalls bei der Hilfe zum allgemeinen Lebensunterhalt (Sozialhilfe) regelmäßig zu einer – vorläufigen – Belastung des Existenzminimums käme, genügt ein Informationsaustausch zwischen der Finanz- und Sozialverwaltung, um die entsprechenden Angaben der Steuerpflichtigen zu überprüfen. Die Aktenkundigkeit der gewährten Sozialtransfers schafft ideale Voraussetzungen für die Ergänzung des Deklarationsprinzips um das Verifikationsprinzip.70 65

Vgl. z. B. für staatliche Sozialtransfers J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 87 ff. Sozialleistungen sollen als „persönliche Einnahmen“ auf Ebene der subjektiven Leistungsfähigkeit in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einfließen. Im angestrebten Belastungsergebnis unterscheidet sich Joachim Lang damit nicht von Rolf Zappernick (Die Bedeutung der Finanz- und Sozialpolitik für die Einkommensverteilung, Finanzarchiv N.F. 32 [1973/74], 435 [438 ff.]), der für eine einheitliche Basisbezugsgröße für einkommensumverteilende Maßnahmen plädiert (Markteinkommen zuzüglich staatlicher Transfers). 66 Vgl. J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 50. 67 Der Sozialbericht 2001 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales weist für 2000 Sozialleistungen in Höhe von 1.298 Mrd. DM und damit 32% des Bruttoinlandsprodukts aus (vgl. auch FAZ v. 07.03.2002, S. 14). 68 Vgl. FAZ v. 04.04.2002, S. 23. 69 J. Lang, Grundvorschriften des Einkommensteuergesetzes (FN 58), S. 98 (§ 29 Nr. 2 EStG-E); ders., Entwurf eines Steuergesetzbuchs, BMF-Schriftenreihe Heft 49, 1993, S. 273 (§ 106 Abs. 1 Nr. 2 StGB-E): öffentlich-rechtliche Unterhalts- und Versorgungsleistungen als „Privatbezüge“.

A. Traditionelle Besteuerung von Einkommen

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Die erweiterte Markteinkommenstheorie wurde insoweit jüngst vom BVerfG bestätigt.71 Nach der engen Markteinkommenstheorie dürften die Versorgungsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung auch dann nicht vollumfänglich besteuert werden, wenn Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile der Rentenversicherungsbeiträge zur Gänze zum Abzug von der Bemessungsgrundlage berechtigen würden72 (Erwerb der Versorgungsanwartschaft aus unversteuertem Einkommen). Denn die Rentenversicherung finanziert sich mittlerweile zu einem Drittel73 aus dem allgemeinen Staatshaushalt (staatliche Transferleistungen). Der Zweite Senat des BVerfG führte in seinem jüngsten Rentensteuer-Urteil jedoch aus, dass bei Rentenbezügen auch insoweit „grundsätzlich einkommensteuerbares Einkommen vorliegt“, als es sich um „staatliche Transferleistungen handelt“74. Peter Fischer meint, dass die „umfängliche Diskussion über die – diesbezüglich begrenzende – Wirkung der sog. Markteinkommenstheorie jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht damit gegenstandslos sein dürfte“75.

b) Erbschaften/Schenkungen Erbschaften und freigiebige Zuwendungen unter Lebenden (Schenkungen) erhöhen das Reinvermögen des Erben bzw. Beschenkten ebenfalls. Wiederum ist hinsichtlich der vermittelten Fähigkeit zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen ein Unterschied zu Reinvermögensmehrungen, die am Markt erwirtschaftet werden, nicht erkennbar.76 Insbesondere steht der Erfassung von Erbschaften bzw. Schenkungen beim Begünstigten nicht ent70

Vgl. BVerfG v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (273). Vgl. FN 74 (Rentensteuer-Urteil) sowie das nachfolgende Zitat aus dieser Entscheidung. 72 Aus diesem Grunde gegen die (enge) Markteinkommenstheorie auch P. Fischer, Altersvorsorge und Altersbezüge (FN 28), DStJG 24 (2001), S. 463 (493 f.). 73 Vgl. M. Wallerath, Gegenwärtiges System der Finanzierung der sozialen Sicherung, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes, Bd. 45, 1998, S. 32. 74 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (364) [Gliederungspunkt C.V.1.c]]. 75 P. Fischer, Kommentar, FR 2002, 410 (411). Allerdings umfasst auch Fischers Einkommensbegriff nicht jede Reinvermögensmehrung. So führt er zu Klaus Tipke (StRO II1 [FN 34], S. 942) aus: „Weiterhin heißte es kühn und – z. B. im Falle des investierenden Erben oder Lotteriegewinners – unzutreffend: ,Wer ein Grundstück entgeltlich anschafft, verwendet Einkommen.‘“, vgl. P. Fischer, Vorbemerkung, in E. P. Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz – Kommentar, 14. Aufl. 1997, Rz. 113. 76 Vgl. nur K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 505; R. Seer, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gesamtbelastung von Unternehmen, in J. Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 87 (114 f.); ders., Die neue Erbschaft- und Schenkungsteuer auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, StuW 1997, 283 (284 f.); S. Homburg, Die Erbschaft71

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

gegen, dass (intergenerative) Vermögensübertragungen regelmäßig aus Reinvermögensmehrungen stammen, die bereits beim Erblasser bzw. Schenker der Einkommensteuer unterlegen haben.77 Dessen Steuerlast ändert nichts daran, dass nunmehr das Reinvermögen und damit die Leistungsfähigkeit des Erben/Beschenkten um den Nachlas bzw. die Zuwendung erhöht wurde.78 Allein hierauf kommt es nach dem Prinzip der Individualbesteuerung79 an (Subjektbezogenheit der Einkommensteuer). Auch sind die finanzbehördlichen Ermittlungsmaßnahmen, die für eine gleichmäßige Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen erforderlich sind, nicht unverhältnismäßig. Zwar mag die derzeitige Erfassung ererbter Reinvermögensmehrungen lückenhaft sein. Es fehlt jedoch an unbehebbaren Informationsproblemen, an denen die gleichheitssatzkonforme Erhebung einer Erbschaftsteuer scheitern könnte. So sind gut 40%80 des Volksvermögens in inländischen Immobilien verhaftet, die einer Bewertung durch den Steuergläubiger grundsätzlich zugänglich sind. Zudem gehen Vermögensübertragungen regelmäßig mit Akten des Rechtsverkehrs einher. Die hierüber gefertigten Aufzeichnungen (z. B. Notarrollen) stehen der Finanzverwaltung zur Informationsgewinnung zur Verfügung. Insbesondere erfordert die Erbschaft- und Schenkungsteuer lediglich eine Bedarfsbewertung, nicht aber eine laufende Verkehrswertermittlung bzw. -fortschreibung. Schließlich hätte der Verzicht auf die Besteuerung von Erbschaften/ Schenkungen ein beträchtliches Maß an Ungleichbehandlung zur Folge, nämlich die Diskriminierung von Erwerbseinkünften gegenüber (intergenesteuer muss erhöht werden, Handelsblatt v. 10.04.2002: „Es gibt keinen Grund, bestimmte Vermögen nicht zu Marktpreisen zu erfassen.“ 77 A. A. wohl J. Lang, Einfachheit und Gerechtigkeit der Besteuerung von investierten Einkommen, in M. Rose (Hrsg.), Integriertes Steuer- und Sozialsystem in der Zukunft, Tagungsband, 2003, Gliederungspunkt IV.2.a)cc), wonach bei Erbschaften und Schenkungen „keine steuerliche Leistungsfähigkeit entsteht, sondern [. . .] lediglich transferiert wird“. 78 Vgl. G. Crezelius, Verhältnis der Erbschaftsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, in D. Birk (Hrsg.), Steuern auf Erbschaft und Vermögen, DStJG 22 (1999), S. 73 (121). Ebenso M. Ohmer, Die Grundlagen der Einkommensteuer – Gerechtigkeit und Effizienz, 1997, S. 319: „Das Konzept der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit stellt auf Personen und nicht auf ,Einkommensteile‘ ab.“ 79 So führte bereits Adam Smith aus: „Wenn aber ein Eigentum aus einer Hand in die andere geht, wenn es von einem Lebenden auf einen anderen kommt, so ist es oft mit Steuern belegt worden, die notwendig einen Teil des Kapitalwertes wegnehmen müssen.“ (ders., An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Bd. 5, Kap. 2 [zit. nach der deutschen Übersetzung der 5. Aufl. 1974]). Vgl. zum Subjektsteuerprinzip auch K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 381 ff; J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 624 ff.; W. Reiß, Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts bei Mitunternehmerschaften, BB 2001, 1225 (1227). 80 41,4% [vgl. FN 81].

A. Traditionelle Besteuerung von Einkommen

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rativen) Vermögensübertragungen. So beeinflussen Erbschaften bzw. Schenkungen die Fähigkeit des Einzelnen zum Ressourcentransfer angesichts eines Gesamtvermögens der deutschen Steuerinländer von ca. 4,5 Billionen Euro81 erheblich. Selbst wer lediglich ein Reihenhaus in einem Ballungsgebiet erbt, erfährt hieraus eine Reinvermögensmehrung, die regelmäßig acht durchschnittlichen Brutto- bzw. fünfzehn Netto-Jahresgehältern entspricht.82 In Anbetracht einer ungleichen Vermögensverteilung gilt die Relativität von Praktikabilitätsproblemen gerade für die Besteuerung (intergenerativer) Vermögensübertragungen. Stefan Homburg führt hierzu aus: „Wie die Geschichte der Besteuerung zeigt, stellen Informationsprobleme kein absolutes Hemmnis dar, sondern unterliegen selbst einer Bewertung und Abwägung: Mehr Gerechtigkeit und Effizienz erfordern ein tieferes Eindringen der Finanzbehörde in die Privatsphäre.“83

Eigenständige Erbschaftsteuer als interperiodischer Progressionsausgleich Allerdings bezieht auch die erweiterte Markteinkommenstheorie Erbschaften und Schenkungen nicht in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage ein, und zwar aufgrund der ergänzenden Funktion einer eigenständigen Erbschaft- und Schenkungsteuer. Intergenerative Vermögensübertragungen dürfen ebenso wenig mehrfach belastet werden wie andere Reinvermögensmehrungen (keine kumulative Belastung mit Einkommenund Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer). Gegen eine eigenständige Erbschaftsteuer bestehen keine Bedenken, solange sie im Grundsatz die gleichen Belastungswirkungen wie die Einkommensteuer entfaltet („Spezialeinkommensteuer“84). Dann ist die Erbschaftsteuer Annexsteuer zur Einkommensteuer (Erbschaften/Schenkungen als achte Einkunftsart85). Eine eigenständige Abgabe mag bei einem direkt progressiven Einkommensteuertarif 81 Das Gesamtvermögen der Deutschen beträgt 4.488 Mrd. Euro und entfällt zu 58% (2.628 Mrd. Euro) auf Geldvermögen (1.262 Mrd. Euro Bankeinlagen, 358 Mrd. Euro Rentenpapiere, 337 Mrd. Euro Aktien, 433 Mrd. Euro Investmentzertifikate, 138 Mrd. Euro sonstige Beteiligungen, 100 Mrd. Euro Schwarzgeld [Ausland]), vgl. DER SPIEGEL 33/2002 v. 12.08.2002 (Quelle: Deutsche Bundesbank, Bundesministerium der Finanzen). 82 Diese Verhältnisse ergeben sich bei einem Eigenheimwert von 300.000 Euro und einem Durchschnittsjahresgehalt von 37.500 Euro (= 1/8 * 300.000 Euro). Die Abgabenbelastung von 46,66%, die zu einem Nettojahresgehalt von 20.000 Euro führt (= 1/15 * 300.000 Euro), ist angesichts der kumulativen Steuer- und Sozialversicherungsabgabenbelastung gewiss nicht zu hoch gegriffen. 83 S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 224. 84 G. v. Schanz, Einkommensbegriff (FN 42), Finanz-Archiv 1896, 1 (73). Ebenso z. B. E. Becker, Zur Rechtsprechung: Allgemeines Steuerrecht, Einkommensteuerrecht, StuW 1930 Teil I, Sp. 666 f.

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

sogar erforderlich sein, um den interperiodischen Progressionsverzerrungen zu begegnen, die aus einer zeitlichen Zusammenballung von Einkünften folgen. Ein Erbschaftsteuertarif, der den Spitzensatz der Einkommensteuer unterschreitet, wirkt als pauschalierter interperiodischer Progressionsausgleich.86 c) Exkurs: Karlsruher EStG-Entwurf (Kirchhof ’sche enge Markteinkommenstheorie) Ein gänzlich anderes Verständnis der Markteinkommenstheorie als das einer „auf das Praktikable zurückgenommenen Reinvermögenszugangstheorie“87 vertritt seit jeher Paul Kirchhof88, wenn auch gegen erheblichen Widerstand in den Steuerwissenschaften89. Der Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes90 empfiehlt die Kodifikation dieser Sichtweise.91 Kirchhof sieht in der Einkommensteuer „keine Bereicherungsteuer, sondern staatliche Teilhabe am Erfolg individuellen marktabhängigen Wirtschaftens. Dementsprechend sind die Erwerbseinnahmen, nicht die Vermögenszuflüsse Ausgangstatbestand der Einkommensbesteuerung“92. Vgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 747; J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 260; R. Seer, Grenzen der Unternehmensbelastung (FN 76), DStJG 23 (2000), S. 87 (114 f.); G. Crezelius, Erbschaftsteuer sowie Einkommen- und Körperschaftsteuer (FN 78), DStJG 22 (1999), S. 73 (105); R. Mellinhoff, Das Verhältnis der Erbschaftsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer – Zur Vermeidung steuerlicher Mehrbelastungen, in D. Birk (Hrsg.), Steuern auf Erbschaft und Vermögen, DStJG 22 (1999), S. 127 (160). 86 In diesem Sinne K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 747. 87 K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 580. 88 Vgl. nur P. Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, in Deutscher Juristentag (Hrsg.), Gutachten F zum 57. Deutschen Juristentag, 1988, F20, F22 f. 89 Vgl. nur K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 528 ff.; A. Steichen, Die Markteinkommenstheorie: Ei des Kolumbus oder rechtswissenschaftlicher Rückschritt?, sowie H. Söhn, Erwerbsbezüge, Markteinkommenstheorie und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, beide in J. Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS Tipke, 1995, S. 365 (370 ff.) sowie S. 343 (349 ff.); W. Schön, Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative, in Kirchhof/Jacob/Beermann (Hrsg.), Steuerrechtsprechung, Steuergesetz, Steuerreform, FS Offerhaus, 1999, S. 385 (396 f.); J.-P. Meincke, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, DB 1998, 1869. 90 Vgl. P. Kirchhof u. a. [Altehofer/Arndt/Bareis/Eckmann/Freudenberg/Hahnemann/Kopei/F. Lang/Lückhardt/Schutter], Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001. 91 So wird der Gegenstand der Einkommensteuer als „Einkünfte aus erwerbswirtschaftlichem Handeln“ definiert, vgl. P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 90), § 2 EStG-E. 85

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Nach Kirchhof sind es nicht Informationsdefizite bzw. Praktikabilitätsgesichtspunkte, die die Beschränkung des Besteuerungsanspruchs auf Markteinkünfte rechtfertigen. Vielmehr sei sie geboten, weil die Allgemeinheit allein an der Entstehung dieser Einkünfte beteiligt sei (Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur, Rechtsordnung etc.). Kirchhofs Argumentation offenbart letztlich ein äquivalenztheoretisches Verständnis von steuerlicher Gerechtigkeit93 (Austauschgerechtigkeit), auch wenn ein solches ebenso ausdrücklich verneint94 wird wie der bereicherungssteuerliche Charakter der Einkommensteuer. Kirchhof bemüht sich, die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage „mit der Mitwirkung des Staates am Entstehen individueller Leistungsfähigkeit zu erklären und zu begrenzen“. Der „Leistungsempfang außerhalb des Marktes“ dürfe nicht belastet werden, da Einkommen „vom Markt, von der Rechts- und Wirtschaftsgemeinschaft“ abhänge, da der Einkommenserwerb „ein Vorgang des wirtschaftlichen Begegnens mit dem Vertragspartner, mit dem staatlich organisierten und geförderten Markt unter Nutzung der vom Staat angebotenen rechtlichen Ordnung“ sei und damit ein „individueller Vermögenszugang durch individuelle Nutzung gemeinschaftlich angebotener Erwerbsmöglichkeiten“95.

Nach Kirchhofs Einkommensteuerverständnis sind Reinvermögensmehrungen, die nicht auf einer im Inland ausgeübten Erwerbstätigkeit beruhen, nicht belastungswürdig. (z. B. Erbschaften/Schenkungen96, Sozialtransfers, Schwarzarbeit97, Auslandseinkünfte). Hinsichtlich solcher Reinvermögensmehrungen fehlt es an Vorteilen aus der Existenz eines Marktes, die es zu entlohnen gälte. Eine derartige Beschränkung des Besteuerungsanspruchs belastet den Einzelnen nicht länger nach seiner Fähigkeit, einen Ressourcentransfer an das Gemeinwesen zu leisten (Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip der steuerlichen Lastenausteilung98). Denn sämtliche Reinvermögensmehrungen befähigen gleichermaßen zu Steuerzahlungen. Als „singuläre These“, die im Ausland, „soweit sie überhaupt zur Kenntnis genommen wird, abgelehnt wird“99, sei die Kirchhof ’sche Markteinkommenstheorie auch hier vernachlässigt.

92

P. Kirchhof, Gutachten (FN 88), F 20. So auch K. Tipke, Der Karlsruher Entwurf zur Reform der Einkommensteuer – Versuch einer steuerjuristischen Würdigung, StuW 2002, 148 (156, 166); ders., StRO I2 (FN 17), S. 233. 94 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuerrechtsordnung als Wertordnung, StuW 1996, 3 (7) [„Belastungsgerechtigkeit, nicht Austauschgerechtigkeit“]. 95 P. Kirchhof, Wertordnung (FN 94), StuW 1996, 3 (7). 96 Vgl. hierzu K. H. Friauf, Einleitung, in ders. (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, DStJG 12 (1989), S. 3 (7). 97 Vgl. hierzu K. Tipke, Diskussionsbeitrag, in K. H. Friauf (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, DStJG 12 (1989), S. 207. 98 Vgl. dazu unten Kapitel 3 Abschn. A.I., S. 91 ff. 93

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

III. Lebensendvermögen – Nachbelastung stiller Reserven Das Lebensendvermögen eines Steuerpflichtigen besteht aus den Reinvermögensmehrungen, die er zu Lebzeiten akkumuliert hat. Soweit diese Ersparnisse aus versteuertem Einkommen gebildet wurden, verstieße eine Lebensendvermögensbesteuerung gegen das (auch verfassungsrechtliche100) Verbot der Mehrfachbelastung von Einkommen. So würden Reinvermögensmehrungen, die zu Lebzeiten nicht konsumtiv verwendet wurden, juristisch101 doppelt besteuert. Der Einkommensteuergläubiger griffe zweimal auf dasselbe Steuerobjekt (gespartes Einkommen) bei demselben Steuersubjekt zu (Investor bzw. Erblasser). Zumindest in einem Punkt weichen die Einkommensteuergesetze allerdings weltweit102 vom Leitbild der traditionellen Einkommensteuer ab. Das Realisationsprinzip103 lässt die Ersparnisbildung aus unversteuerten Reinvermögensmehrungen zu (stille Reserven), da hiernach unrealisierte Wertsteigerungen nicht der Besteuerung unterliegen. Infolgedessen sind stille Reserven am Lebensende nachzubelasten (ultima ratio-Maßnahme).104 Anderenfalls blieben diese Reinvermögensmehrungen bei dem, der sie erwirtschaftet hat, endgültig unversteuert (keine Einmalbelastung von Einkommen). Die Besteuerungswürdigkeit des Lebensendvermögens, das auf stillen Reserven beruht, entfällt insbesondere nicht deshalb, weil eine Nachbelastung beim Rechtsnachfolger erfolgt, sobald dieser die stillen Reserven realisiert. Denn nach dem Individualbesteuerungsgrundsatz105 hat jeder Steuerpflichtige seine Reinvermögensmehrungen zu versteuern.106 Damit der Erblasser nicht niedriger und der Erbe nicht hö-

99 K. Tipke, Steuerjuristische Würdigung des Karlsruher Entwurfs (FN 93), StuW 2002, 148 (156). Klaus Tipke wirft Paul Kirchhof vor, dass dieser auf seine Kritiker (vgl. Nachweise in FN 89) „nicht eingeht, sondern seine singuläre These nur beharrlich wiederholt“. 100 Vgl. BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (362) [Gliederungspunkt C.III.1]. 101 Vgl. zur Unterscheidung von Mehrfachbesteuerung und Mehrfachbelastung (Besteuerung durch einen oder mehrere Steuergläubiger) und juristischer sowie wirtschaftlicher Doppelbesteuerung (ein Steuersubjekt bzw. mehrere Steuersubjekte) S. Grotherr, in Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen (Hrsg.), DBA-Kommentar, 10/1996, Grundlagen Teil 1 Abschn. 1, Rz. 21 ff.; H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 1998, Rz. 12.4 f. 102 Vgl. Nachw. in FN 886. 103 Vgl. dazu oben Abschn. II.1.b), S. 37 f. sowie ausführlich unten Kapitel 7 Abschn. A., S. 211 ff. 104 Vgl. dazu z. B. J. Thiel, Die grenzüberschreitende Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften im Ertragsteuerrecht, GmbHR 1994, 277 sowie grundlegende Nachweise in FN 79. 105 Vgl. dazu Nachweise in FN 79.

B. Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen

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her belastet wird als es ihren Reinvermögenspositionen entspricht, ist die Differenz zwischen den Verkehrs- und Buchwerten der Wirtschaftsgüter des Lebensendvermögens beim Erblasser zu erfassen (Marktwert abzüglich Anschaffungskosten zuzüglich Abschreibungen). Bei einer Veräußerung durch den Erben sind dann als Anschaffungskosten der Nachlasswirtschaftsgüter jene Werte anzusetzen, die der nachholenden Besteuerung des Erblassers zugrunde gelegt wurden. Zumindest letzteres sieht z. B. die U.S.-amerikanische Erbschafts- und Veräußerungsgewinnbesteuerung vor.107

Ebenso wie die Erbschaftsbesteuerung bedarf die nachholende Belastung der stillen Reserven lediglich einer Bedarfsbewertung. Ihre Verwaltungspraktikabilität zeigt im Übrigen die Besteuerungswirklichkeit im Ausland. So normiert das kanadische Abgabenrecht eine sog. Vermögenszuwachssteuer.108 Mit dem Ableben des Steuerpflichtigen wird eine Veräußerung seiner Vermögensgegenstände zum Verkehrswert fingiert. Ähnliche Regelungen existieren mit einer kommunalen Wertzuwachsbesteuerung in Spanien.109

B. Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen I. Nachgelagertes Korrespondenzprinzip Auch der nachgelagerten Besteuerung liegt die periodische Reinvermögensänderung sowie der Periodenkonsum zugrunde. Im Gegensatz zum reinvermögenszugangstheoretischen Belastungsideal110 der traditionellen Einkommensteuer werden allerdings investierte Reinvermögensmehrungen zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen. Dafür wird die Auflösung der Ersparnisse belastet, die aus unversteuertem Einkommen gebildet wurden.111 Die Ausgrenzung der Ersparnisbildung korrespondiert 106

Vgl. auch FN 78. Sec.1014 Internal Revenue Code. 108 Vgl. R. Gocke, in Debatin/Wassermeyer (Hrsg.), Doppelbesteuerung – Kommentar, Bd. III: Länderteil, Art. 2 DBA-Kanada Rz. 18 f. Eine Vermögenszuwachssteuer wird auch erhoben, wenn der Steuerpflichtige aus Kanada verzieht („departure tax“) oder einen Vermögensgegenstand verschenkt. 109 Spanische Gemeinden erheben auf jeden Rechtsträgerwechsel, d.h. also auch mit dem Ableben des Steuerpflichtigen, eine Wertzuwachssteuer auf den Wertzuwachs von Baulandgrundstücken („Plus-Valia“), vgl. B. Löber, Erben und Vererben in Spanien – Die deutsch-spanische Erbrechtssituation, 3. Aufl. 1998, S. 117 f.; P. S. Espuny, Keine Angst vor der Erbschaftsteuer, FAZ v. 27.07.2001, S. 53. 110 Vgl Abschn. A.I., S. 32 ff. [Einkommen als „Zugang von Reinvermögen während einer Periode“, vgl. auch J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 36 ff.]. 111 Vgl. J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 117; ders., Konsumorientierung – eine Herausforderung für die Steuergesetzgebung?, in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, 1999, S. 143 (156). 107

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

mit der Erfassung der Ersparnisauflösung (nachgelagertes Korrespondenzprinzip112). Damit stellt sich das nachgelagerte Korrespondenzprinzip als Unterfall des intertemporalen Korrespondenzprinzips dar113, das von der Finanzwissenschaft entwickelt wurde114 und einen interperiodischen Grundsatz der Einmalbesteuerung von Einkommen postuliert.115 Reinvermögensmehrungen dürfen veranlagungszeitraumübergreifend weder keinmal noch mehrfach belastet werden. Doppelbelastungen und Besteuerungslücken sind auch unzulässig, wenn Reinvermögensmehrungen investiert und damit erst in zukünftigen Veranlagungszeiträumen einer konsumtiven Verwendung zugeführt werden. Im Gegensatz zum allgemeinen Korrespondenzprinzip, welches im Einkommensteuerrecht nur rudimentär verwirklicht ist (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V. m. 22 Nr. 1a EStG; 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 i.V. m. 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG) und dem darüberhinausgehende Geltung abgesprochen wird116, verstößt das nachgelagerte Korrespondenzprinzip nicht gegen den Grundsatz der Individualbesteuerung.117 Es ist personenbezogen, da die Ausgrenzung der Ersparnisbildung und Erfassung der Ersparnisauflösung denselben Steuerpflichtigen trifft.

112 Das nachgelagerte Korrespondenzprinzip verstößt wegen seiner Personenbezogenheit im Gegensatz zum allgemeinen Korrespondenzprinzip, das im Einkommensteuergesetz nur rudimentär verwirklicht ist (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 i.V. m. § 22 Nr. 1a EStG; §§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2 i.V. m. 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG) und dessen darüber hinausgehende Geltung abgelehnt wird (vgl. nur P. Kirchhof in Kirchhof/Söhn [Hrsg.], Kommentar zur Einkommensteuer, Stand 05/2002, § 2 EStG Rn. A 189; J. Lang, Bemessungsgrundlage [FN 35], S. 80 ff.), nicht gegen das Prinzip der Individualbesteuerung. 113 Vgl. z. B. C. Gröpl, Intertemporale Korrespondenz und konsumorientierte Betrachtungsweise im System des geltenden Einkommensteuerrechts, FR 2001, 568 (568, 569). 114 Vgl. K. Littmann, Besteuerung von Alterseinkommen, in Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme, Vergleich der Alterssicherungssysteme und Empfehlungen der Kommission, Bd. 2, 1983, S. 425 ff.; ders., Besteuerung von Renten und anderen Alterseinkommen, WSI-Mitteilungen 1997, 396 (399); Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Alterseinkünfte (FN 28), S. 9; N. Andel, Einkommensteuer, in F. Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 2, 3. Aufl. 1979, S. 338; ders., Finanzwissenschaft, 4. Aufl. 1988, S. 318; D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, 1996, S. 295; T. Stöhr, Reform der einkommensteuerlichen Behandlung von Alterseinkünften, 1998, S. 135 ff. 115 So auch C. Esser, Lässt sich das Korrespondenzprinzip halbieren? – Zur Rentenbesteuerung nach den Petersberger Steuervorschlägen, StuW 1997, 244 (245). 116 Vgl. nur P. Kirchhof in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 2 EStG Rn. A 189; J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 80 ff. 117 Vgl. dazu FN 79.

B. Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen

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1. Späterer steuerlicher Zugriff auf investierte Reinvermögensmehrungen Das nachgelagerte Korrespondenzprinzip schmälert die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage nicht endgültig, sondern verschiebt die Besteuerung investierter Reinvermögensmehrungen in zukünftige Veranlagungszeiträume: Infolge der Nachbelastung der Ersparnisauflösung wird investiertem Einkommen keine Steuerbefreiung, sondern ein Besteuerungsaufschub gewährt. Von der traditionellen Einkommensteuer unterscheidet sich das nachgelagerte Korrespondenzprinzip allein hinsichtlich des Zeitpunktes, in dem investierte, d.h. nicht konsumtiv verwendete Reinvermögensmehrungen belastet werden. Formal ausgedrückt ist die oben auf Seite 33 abgeleitete Bemessungsgrundlage der traditionellen Einkommensteuer RVPeriodenende – RVPeriodenanfang + KonsumPeriode = DRVPeriode + KonsumPeriode = BGLESt-trad mit BGL = Bemessungsgrundlage; ESt-trad=traditionelle ESt; RV = Reinvermögen; D = Veränderung

demnach um die Veränderung der Ersparnisse zu ergänzen, um Einkommen nachgelagert zu besteuern: RVPeriodenende – RVPeriodenanfang + KonsumPeriode – (SPeriodenende – SPeriodenanfang) = DRVPeriode + KonsumPeriode – DSPeriode = BGLESt-nach mit BGLESt-nach = nachgelagerte ESt; S = nachgelagert besteuerte Ersparnisse Von der Entwicklung des Reinvermögens wird die Veränderung der nachgelagert besteuerten Ersparnisse subtrahiert. Diese kann positiv (Ersparnisbildung) oder negativ sein (Ersparnisauflösung). Hierbei neutralisieren sich die Summanden Reinvermögensänderung (DRVPeriode) und Ersparnisbildung bzw. -auflösung (DSPeriode) immer dann, wenn sämtliche Ersparnisse nachgelagert besteuert werden. Werden Ersparnisse durch eine konsumtive Verwendung der Reinvermögensmehrungen vergangener Veranlagungszeiträume aufgelöst – und nicht etwa durch Wertverluste im Vermögensbestand118 –, erhöht der Summand KonsumPeriode die Bemessungsgrundlage.

2. Größeres Konsumpotential trotz Einmalbelastung von Einkommen Obgleich sowohl traditionelle als auch nachgelagerte Besteuerung jegliches Einkommen einmal belasten, wirken sie sich grundlegend unterschiedlich auf das Konsumpotential investierender Steuerpflichtiger aus. Dies wer118

Vgl. dazu unten Abschn. III.2.b), S. 53 ff.

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

den die Ausführungen unten in Kapitel 2 Abschn. A.II. auf den Seiten 64 ff. zeigen. Die Bemessungsgrundlagen stimmen überperiodisch nur unter der – unrealistischen – Annahme überein, dass kein Kapitaleinkommen erwirtschaftet wird (Zinssatz von Null).119 In einer Welt mit positivem Zinssatz hingegen erzielen sparende Steuerpflichtige bei nachgelagerter Besteuerung zusätzliche Einkünfte und verfügen über ein größeres Vor- und NachSteuer-Konsumpotential (ungeschmälertes Einkünfteerzielungspotenzial).120 Dies zeigt folgendes Beispiel: Betrachtet sei ein Steuerpflichtiger, der in Periode 1 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 100.000 Euro erwirtschaftet. Da er seinen Lebensunterhalt aus anderen Einkünften bestreitet, spart er die unverhoffte Reinvermögensmehrung, um hiermit später beispielsweise eine größere Konsumausgabe zu finanzieren. Bei traditioneller Besteuerung stehen ihm hierfür nach zehn Jahren 85.457 Euro121 zur Verfügung, wenn Vor-Steuer-Verzinsung und einkommensteuerliche Grenzbelastung 6% bzw. 40% betragen und der Sparer die nach Steuern verbleibenden Kapitaleinkünfte reinvestiert. Der Betrag setzt sich aus 60.000 Euro122 Arbeitslohn nach Steuern und dessen Nach-Steuer-Verzinsung zusammen (25.457 Euro123), da auf dem Arbeitslohn 40.000 Euro und auf den Einkünften aus Kapitalvermögen (42.429 Euro124) 16.972125 Euro Einkommensteuer lasten. Wird der sparende Arbeitnehmer nachgelagert besteuert, steht im ersten Jahr der Arbeitslohn vor Lohn- bzw. Einkommensteuer (100.000 Euro) als Investitionskapital zur Verfügung (Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung). In der Folgezeit erhöht sich das Sparkapital um die ebenfalls steuerlich unbelastete Verzinsung (6%). Nach zehn Jahren beträgt es 179.085 Euro.126 Zwar wird diese Summe noch um die 40%-ige (latente) Einkommensteuerlast geschmälert (71.634 Euro127), bevor sie zum Konsum verwendet werden kann (nachholende Besteuerung der Ersparnisauflösung). Dennoch verbleibt dem nachgelagert besteuerten Sparer ein Konsumpotential (107.451 Euro128), das jenes des traditionell besteuerten Investors (85.457 Euro129) um ein Viertel130 übersteigt. Mit 79.085 Euro131 konnte der nachgelagert besteuerte Vgl. auch S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 133. 120 So auch J. Mitschke, Ökonomische Analyse einkommensteuerlicher Einkunftsermittlung und Alternativen steuerlicher Einkommensperiodisierung, StuW 1988, 111 (123). 121 100.000 Euro * (1 – 40% ESt) * [1 + (1 – 40% ESt) * 6%]10 = 85.457,23 Euro. 122 100.000 Euro * (1 – 40% ES) = 60.000 Euro. 123 85.457 Euro [FN 121] – 60.000 Euro [FN 122] = 25.457 Euro. 124 25.457 Euro [FN 123]/(1 – 40% ESt) = 42.428,71 Euro. 125 42.429 Euro [FN 124] * 40% ESt = 16.971,48 Euro. 126 100.000 Euro * (1 + 6%) 10 = 179.084,77 Euro. 127 40% ESt * 179.084 Euro = 71.633,91 Euro. 128 (1 – 40% ESt) * 179.085 Euro [FN 126] = 107.451 Euro. 129 Vgl. FN 121. 130 107.451 Euro [FN 128] – 85.457 Euro [FN 121] = 21.994 Euro = 85.457 Euro * 25,73%. 119

B. Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen

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Sparer nahezu doppelt132 so hohe Einkünfte aus Kapitalvermögen erwirtschaften. Bei einer Anlagedauer von 40 Jahren beträgt diese Relation knapp 300%.133 Sie wächst auf 500%, wenn eine Rendite von 10% erwirtschaftet wird.134

Zumindest missverständlich sind aufgrund dieser Zusammenhänge rechtswissenschaftliche Beiträge, die den Unterschied zwischen nachgelagerter und traditioneller Besteuerung im Wesentlichen auf eine regelmäßig niedrigere Tarifprogression im Alter reduzieren135, oder ausführen, die Steuerfreistellung von Investitionen werde durch die Besteuerung der Ersparnisauflösung neutralisiert.136 Selbst der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung unterlag noch in seinem Jahresgutachten 1999/2000 einer Fehleinschätzung137, als er meinte, es komme nicht 131 179.085 Euro [FN 126] – 100.000 Euro [Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit] = 79.085 Euro. 132 79.085 Euro [FN 131] = 42.429 Euro [FN 124] * 186%. 133 Kapitaleinkünften des nachgelagert besteuerten Sparers in Höhe von 928.572 Euro (= 100.000 Euro * [1 + 6%]40 – 100.000 Euro) stehen solche des traditionell besteuerten Investors in Höhe von 311.520 Euro gegenüber (= {60.000 Euro * [1 + (1 – 40% ESt) * 6%]40 – 60.000}/[1 – 40%]). 134 Der nachgelagert besteuerte Sparer erwirtschaftet 4.425.926 Euro (= 100.000 Euro * [1 + 10%]40 – 100.000 Euro], der traditionell besteuerte Investor 928.572 Euro (= {60.000 Euro * [1 + (1 – 40% ESt) * 10%]40 – 60.000}/[1 – 40% ESt]). 135 So zutreffend Krause-Junk/Müller, Nachgelagertes Verfahren bei der Besteuerung der Alterseinkünfte – Erwiderung zu Birk/Wernsmann, DB 1999, 2282 (2283) zu Birk/Wernsmann (Die Besteuerung der betrieblichen Altersversorgung – Reformbedarf und Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, DB 1999, 166 [168]). Ähnlich noch Birk/Wernsmann, Replik zu Krause-Junk/Müller, DB 1999, 2285 (2286); R. Wernsmann, Steuerliche Diskriminierung und ihre Rechtfertigung durch die Kohärenz des nationalen Rechts – Zur Dogmatik der Schranken der Grundfreiheiten, EuR 1999, 755 (771). Anders bereits D. Birk, Nachgelagerte Besteuerung in der betrieblichen Altersversorgung (FN 28), StuW 1999, 321 (322, 326). Auch J. Hackmann (Die Besteuerung des Lebenseinkommens, 1979, S. 269 ff.) konzentriert sich – allerdings begründet – auf die Modellierung interperiodischer Progressionsunterschiede und regt eine mehrjährige Durchschnittsbesteuerung an (Progressionsglättung). 136 So meint A. Nachreimer (Verwendung des Altersvorsorgekapitals für eine eigenen Wohnzwecken dienende Wohnung nach dem Altersvermögensgesetz, NJW 2001, 3517 [3519]), bei der nachgelagerten Besteuerung der sog. Riester-Rente (vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 6 Abschn. D., S. 195 ff.) finde „im Endeffekt keine Förderung statt, da nur eine Steuerfreistellung im Zeitpunkt der Einzahlung erfolgt [Sonderausgabenabzugsfähigkeit der Altersvorsorgebeiträge, § 10a EStG], die Beiträge aber später (bei Auszahlung) in voller Höhe besteuert werden, so dass sich der Vorteil des Sonderausgabenabzugs neutralisiert“. Zeiteffekte des Steuerzugriffs – die Auszahlung des Altersvorsorgevermögens wird in der Regel erst Jahrzehnte nach dem Sonderausgabenabzug der Altersvorsorgebeiträge erfolgen – werden hier völlig vernachlässigt. 137 Wie hier auch W. Wiegard, Nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften: Das trojanische Pferd der Befürworter einer Konsumsteuer, ifo-schnelldienst 2000, 8 (10). Diesem im Jahre 2000 in den Sachverständigenrat berufenen Finanzwissenschaftler und jetzigen Vorsitzenden dieses Gremiums ist es wohl zu verdanken, dass

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

darauf an, wann Sparkapital der Besteuerung unterliege, solange intertemporale Einkommensübertragungen „einmal, aber auch nur einmal“138 belastet würden. Irreführend139 sind auch Rechtsprechung und juristisches Schrifttum zur weitgehenden Gleichwertigkeit von § 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG (Betriebsvermögensvergleich versus vereinfachte Gewinnermittlung). Dies gilt jedenfalls, soweit nicht die Ausnahmen140 vom Kassenrechnungsprinzip141 im Vordergrund stehen, d.h. die Sätze 3 und 4 des § 4 Abs. 3 EStG, sondern der sog. Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit.142 Diesem vermeintlichen Grundsatz würde auch die unmittelbare Erfolgswirksamkeit von Investitionsauszahlungen für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens genügen, d.h. die steuerliche Sofortabschreibung. Hier führt nämlich ebenfalls „jeder Geschäftsvorfall, der im Rahmen eines Bestandsvergleichs erfasst wird, irgendwann auch zu Einnahmen und Ausgaben“143. Bei unterschiedlichen Besteuerungszeitpunkten folgt daraus aber gerade nicht, dass „auf Dauer gesehen beide Gewinnermittlungsarten zu demselben Gesamtgewinn führen müssen“144. Der Überschussermittler erzielt einen höheren Gesamtgewinn, da die vereinfachte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Grundsatz nunmehr auch der Sachverständigenrat zu der Auffassung gelangt ist, die nachgelagerte Besteuerung entfalte gänzlich andere Belastungswirkungen als die traditionelle Einkommensteuer, vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2001/2002 Tz. 252 [S. 235 ff., Kasten 5]. 138 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1999/2000 Tz. 379. Vgl. auch ders., Jahresgutachten 1993/94, BT-Drucks.12/6170, Tz. 313 [Besteuerung von Kapitallebensversicherungen]. Die angebliche Belastungsäquivalenz ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Erträge der intertemporalen Einkommensübertragung nicht sowohl auf der Ebene des Vorsorgeträgers als auch beim Sparer der Besteuerung unterworfen werden, vgl. dazu unten Abschn. III.3.b), S. 55 ff. 139 Wie hier auch M. Elicker, Darf der Steuerzugriff ein Unternehmen zahlungsunfähig machen?, StuW 2002, 217 (229 f.) sowie bereits C. Dorenkamp, Unternehmenssteuerreform und partiell nachgelagerte Besteuerung von Einkommen, StuW 2000, 121 (123). 140 Vgl. J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 459; H. Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 4 EStG Rn. D 7; K.-P. Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 50; H. Segebrecht, Die Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, 10. Aufl. 2000, S. 30 Rz. 15. 141 Vgl. dazu J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 452 u. 465; W. Heinicke, in L. Schmidt (Hrsg.), Einkommensteuergesetz – Kommentar, 21. Aufl. 2002, § 4 Rz. 373. 142 Vgl. BFH v. 08.09.1988 IV R 66/67, BStBl II 1989, 32 (34); v. 23.02.1984 IV R 128/81, BStBl II 1984, 516 (518); v. 31.08.1972 IV R 93/67, BStBl II 1973, 51. Vgl. auch W. Bergkemper in H/H/R (FN 58), § 4 EStG Anm. 504; R. Wacker, in Blümich (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, Körperschafteuergesetz und steuerliche Nebengesetze, 74. Erg.-Lief. 04/2001, § 4 EStG Rz. 30; H. Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 4 EStG Rn. D 10. 143 W. Bergkemper in H/H/R (FN 58), § 4 EStG Anm. 504. 144 W. Bergkemper in H/H/R (FN 58), § 4 EStG Anm. 504.

B. Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen

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eine Cash Flow-Rechnung ist, die Investitionsauszahlungen einen Besteuerungsaufschub gewährt.145 Die Mittel, welche der bilanzierende und damit traditionell besteuerte Steuerpflichtige zu einem früheren Zeitpunkt zur Steuerzahlung benötigt, können zur Erwirtschaftung zusätzlicher Reinvermögensmehrungen eingesetzt werden. Existierten die Sätze 3 und 4 des § 4 Abs. 3 EStG nicht, wäre dieser Zusammenhang, nicht aber „progressive Steuersätze, Tarifänderungen usw.“146, für die „fehlende Totalsteueridentität“ 147 zwischen § 4 Abs. 3 EStG und § 4 Abs. 1 EStG verantwortlich.

II. Unmittelbar konsumtiv verwendete Reinvermögensmehrungen Hinsichtlich der Belastung von Reinvermögensmehrungen, die unmittelbar einer konsumtiven Verwendung zugeführt werden, weisen nachgelagerte und traditionelle Besteuerung keine Unterschiede auf. Insoweit werden Ersparnisse weder gebildet noch aufgelöst. Bei einer gesamtwirtschaftlichen Sparquote von 10% des Volkseinkommens148 entsprechen sich neun Zehntel der Bemessungsgrundlagen von traditioneller und nachgelagerter Besteuerung.149 Der Periodenkonsum kann auf zweierlei Weise ermittelt werden. Die additive Methode summiert die Konsumausgaben, die ein Steuerpflichtiger während einer Besteuerungsperiode tätigt. Die subtraktive Methode ermittelt – ebenso wie die traditionelle Einkommensteuer – die periodische Reinvermögensmehrung, um hiervon die Ersparnisbildung zu subtrahieren (sparbereinigte Einkommensteuer).150 Den folgenden Ausführungen liegt letztgenannte Ermittlungsmethode zugrunde. Da Konsumausgaben sich „nur 145 Vgl. zur Belastungsäquivalenz von Cash Flow-Besteuerung und nachgelagerter Besteuerung unten Kapitel 2 Abschn. B., S. 73 ff., sowie F. W. Wagner, Die zeitliche Erfassung steuerlicher Leistungsfähigkeit, in Hax/Kern/Schröder (Hrsg.), Zeitaspekte in betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis, 1989, S. 261, 270; ders., Kann es eine Beseitigung aller steuerlichen Ausnahmen geben, wenn es gar keine Regel gibt?, in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte zur aktuellen Steuerreform, 1997, S. 37 ff.; E. Wenger, Traditionelle versus zinsbereinigte Einkommens- und Gewinnbesteuerung: Vom Sammelsurium zum System, in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte zur aktuellen Steuerreform, 1997, S. 115 (131); Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Gutachten zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe Heft 43, 1990, S. 19 f. Vgl. auch BFH v. 12.07.1990 IV R 137 u. 138/89, BStBl II 1991, 13 (14). 146 H. Weber-Grellet, in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 4 EStG Rn. D 10. 147 H. Weber-Grellet, in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 4 EStG Rn. D 10. 148 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2002. 149 Etwas anderes gilt für die Übergangszeit, die sich an einen Systemwechsel anschließt, vgl. dazu unten Kapitel 11 Abschn. B.II., S. 278 ff. 150 Vgl. z. B. P. Zumstein, Ausgabensteuer (FN 14), S. 344 ff.

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

mit unverhältnismäßigem Aufwand rechnungslegungstechnisch festhalten“151 lassen, stößt eine direkte152 Besteuerung des Periodenkonsums auf rechtstechnische Schwierigkeiten153 (Ausgabensteuer154, sog. expenditure tax). Praktikabilitätsbedingte Rücknahme des Besteuerungsanspruchs Wegen der oben in Abschn. A.II. auf den Seiten 35 ff. erörterten Informationsdefizite hat auch eine nachgelagerte Besteuerung auf die Belastung des imputed income zu verzichten. So erfasst sie konsumtiv verwendete Reinvermögensmehrungen, die am Markt erwirtschaftet werden (Erwerbseinkünfte155), oder ebenfalls verhältnismäßig ermittelbaren staatlichen Sozialtransfers oder Erbschaften bzw. Schenkungen entstammen (beobachtbare Akte des Rechtsverkehrs156). Allerdings bedarf die Belastung konsumtiv verwendeter Erbschaften bzw. Schenkungen keiner eigenständigen Abgabenart. Der Besteuerungsaufschub für übertragenes Vermögen, das in investiver Verwendung verbleibt, geht regelmäßig mit einer Progressionsglättung einher. Bei sukzessiver Ersparnisauflösung entfällt die zeitliche Zusammenballung von Einkünften, die einen eigenständigen Erbschaftsteuertarif als pauschalen interperiodischen Progressionsausgleich erforderlich machen soll.157 Dieses Instrument ist der Lebensendvermögensbesteuerung vorzubehalten, vgl. dazu unten Abschn. IV., Seiten 56 ff.

III. Investierte Reinvermögensmehrungen Die nachgelagerte Besteuerung unterscheidet sich von der traditionellen Einkommensteuer hinsichtlich der abgabenrechtlichen Behandlung der Ersparnisbildung und der Ersparnisauflösung. Erstere ist bei nachgelagerter Besteuerung abzugsfähig, letztere wird entweder besteuert (konsumtive Vgl. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 116. Vgl. zur Erfassung des Konsums durch indirekte Steuern aber unten Kapitel 5 Abschn. A., S. 150 ff. 153 Vgl. zu den Praktikabilitätsproblemen der indischen und ceylonischen Ausgabensteuer (expenditure tax) P. Zumstein, Ausgabensteuer (FN 14), S. 423 ff. 154 Vgl. dazu I. Fisher, Income in Theory and Income in Practice, Econometrica (5), 1937, 1 ff.; N. Kaldor, An Expenditure Tax (FN 14); P. Zumstein, Ausgabensteuer (FN 14); R. Peffekoven, Persönliche allgemeine Ausgabensteuer, in F. Neumark (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 2, 3. Aufl. 1979, S. 417 ff.; J. Mitschke, Methoden der indirekten Konsummessung für Zwecke einer persönlichen allgemeinen Ausgabensteuer, Finanzarchiv N.F. 38 (1980), 274. 155 Vgl. dazu oben Abschn. A.II.1., S. 35 ff. 156 Vgl. dazu oben Abschn. A.II.2., S. 38 ff. 157 Vgl. dazu oben Abschn. A.II.2.b), S. 39 ff. 151 152

B. Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen

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Sparkapitalverwendung) oder findet dadurch Berücksichtigung, dass Ersparnisse keiner konsumtiven Verwendung zugeführt werden können (Wertverluste im nachgelagert besteuerten Vermögensbestand). Ersparniserträge unterliegen der Besteuerung, soweit sie nicht reinvestiert werden. 1. Ersparnisbildung Dass die nachgelagerte Besteuerung die Ersparnisbildung aus der Bemessungsgrundlage ausgrenzt, um ihre konsumtive Verwendung zu erfassen, stellt sich formal wie folgt dar: BGLESt-nach = RVPeriodenende – RVPeriodenanfang + KonsumPeriode – (SPeriodenende – SPeriodenanfang) = DRVPeriode + KonsumPeriode – DSPeriode mit BGLESt-nach = nachgelagerte ESt; S = nachgelagert besteuerte Ersparnisse; D = Veränderung

Im Zeitpunkt ihrer Entstehung bleiben investierte Reinvermögensmehrungen steuerlich unbelastet. Zwar erhöhen sie das Reinvermögen des Steuerpflichtigen (RVPeriodenende – RVPeriodenanfang > 0). Die positive Reinvermögensänderung (DRVPeriode > 0) wird jedoch durch einen gleich hohen Anstieg des nachgelagert besteuerten Sparkapitals kompensiert, der zum Bemessungsgrundlagenabzug berechtigt (Ersparnisbildung ) SPeriodenende – SPeriodenanfang = DSPeriode > 0). 2. Ersparnisauflösung a) Konsumtive Vermögensverwendung Ersparnisse können auf zweierlei Weise aufgelöst werden. Zum einen wird das Sparkapital gemindert, wenn es zur Finanzierung von Konsumausgaben eingesetzt wird. Zum anderen reduzieren Wertverluste den Vermögensbestand. Um den Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen zu verwirklichen, erfasst das nachgelagerte Korrespondenzprinzip die konsumtive Verwendung des Vermögensbestandes. Das gespeicherte158 und bislang unversteuerte Einkommen wird nachbelastet, sobald der Steuerpflichtige es zur Finanzierung von Konsumausgaben einsetzt. Zwar gehen die Konsumaufwendungen zwangsläufig mit einer Reinvermögensminderung einher (RVPeriodenende – RVPeriodenanfang < 0). Diese wird durch die VerVgl. zu dieser Terminologie K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 97 [„als Vermögen gespeichertes Einkommen“]. 158

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

ringerung des Sparkapitals auch nicht überkompensiert, sondern lediglich ausgeglichen, da die Verringerung des Sparkapitals der negativen Reinvermögensänderung entspricht (SPeriodenende – SPeriodenanfang = DSPeriode [= DRVPeriode] < 0). Die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage wird jedoch um den Summanden Periodenkonsum erhöht (KonsumPeriode > 0).

b) Wertverluste im Vermögensbestand Wertverluste im nachgelagert besteuerten Vermögensbestand lösen ebenfalls Ersparnisse auf. Die Reduzierung der Sparkapitalbestände wird insoweit allerdings durch Reinvermögensminderungen kompensiert (DSPeriode = DRVPeriode < 0), ohne dass der steuerpflichtige Periodenkonsum ansteigt (KonsumPeriode = 0). Wertverluste im nachgelagert besteuerten Einkünfteerzielungsvermögen sind zwar erfolgswirksam (DRVPeriode < 0), jedoch bemessungsgrundlagen- und damit steuerneutral (DRVPeriode = DSPeriode ) DRVPeriode – DSPeriode = 0). Die Steuerneutralität folgt daraus, dass die im Wert gesunkenen Vermögensbestände bei nachgelagerter Besteuerung aus unversteuertem Einkommen gebildet wurden. Den Wertverlust zu berücksichtigen hieße, ihn doppelt in Ansatz zu bringen. Dieses Ergebnis ist nicht unmittelbar einsichtig. Eine Reinvermögensminderung, die betrieblich bzw. beruflich veranlasst ist, wirkt sich nicht einkommensteuermindernd aus. Ebenso verfährt das geltende Ertragsteuerrecht allerdings überall dort, wo das Leitbild der traditionellen Einkommensteuer nicht systemkonsequent verwirklicht ist. Wurden beispielsweise Sofortabschreibungen159 oder Sonderabschreibungen160 geltend gemacht, die die steuerlichen Abzugsbeträge vom tatsächlichen Wertverzehr abgekoppelt haben, kann das Wirtschaftsgut kein zweites Mal abgeschrieben werden, wenn der periodische Wertverzehr tatsächlich eintritt (§ 7 Abs. 9 EStG) oder ein niedrigerer Teilwert anzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Gleiches gilt bei unrealisierten Wertsteigerungen, die durch Wertminderungen neutralisiert werden. So sind z. B. Grundstücke mit ihren Anschaffungskosten zu bilanzieren (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG), und zwar vermindert um die AfABeträge nach § 7 Abs. 4 bzw. 5 EStG. Steigt der Wert des Grundstücks, unterliegt die Reinvermögensmehrung vor ihrer Realisierung nicht der Besteuerung (stille Reserven).161 Fallen die Grundstückspreise in zukünftigen Veranlagungszeiträumen, wird das Reinvermögen des Grundstückeigentümers gemindert. Die Verflüchtigung der stillen Reserven wirkt sich jedoch erst steuermindernd aus, wenn der Marktwert die Anschaffungskosten abzüglich der geltend gemachten AfA-Beträge unterschreitet.

Zwar sind Wertverluste bei nachgelagerter Besteuerung nicht abzugsfähig. Sie reduzieren die Steuerlast jedoch indirekt. Soweit der Vermögensbe159 160 161

Z. B. § 6 Abs. 2 EStG (geringwertige Wirtschaftsgüter). Z. B. § 4 Abs. 2 FördergebietsG (Investitionen im Beitrittsgebiet bis 1998). Vgl. ausführlich zum Realisationsprinzip unten Kapitel 7 Abschn. A., S. 211 ff.

B. Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen

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stand reduziert wurde, kann er nicht mehr – steuerpflichtig – konsumtiv verwendet werden (DSPeriode = 0). Wegen fehlender unmittelbarer Auswirkungen bleiben Wertverluste nachfolgend unberücksichtigt. Unter Ersparnisauflösung wird allein die konsumtive Verwendung des Sparkapitals verstanden. 3. Ersparniserträge a) Individuelle Wiederanlage Die nachgelagerte Besteuerung belastet Ersparniserträge erst, wenn sie konsumtiv verwendet werden (keine Reinvestition). Die Abzugsfähigkeit reinvestierter Erträge liegt auf der Hand bei individueller Organisation dieser Ersparnisbildung. Ebenso wie bei anderen Reinvermögensmehrungen wird erst die konsumtive Verwendung besteuert. b) Kapitalsammelstelle – Keine Besteuerung reinvestierter Ersparniserträge Wird die Ersparnisbildung in Kapitalsammelstellen organisiert, ist die sachgerechte Behandlung der Erträge weniger offensichtlich (z. B. Anteile thesaurierender Investmentfonds, Lebensversicherungsverträge). Sie würden auch dann nicht – zumindest nicht juristisch162 – doppelt besteuert, wenn sie im Entstehungszeitpunkt auf Ebene der Kapitalsammelstelle und mit der Ersparnisauflösung beim Investor belastet würden (keine Identität der Steuersubjekte). Allerdings käme es zu wirtschaftlichen Doppelbelastungen. Wie unten in Kapitel 2 Abschn. A.II.1. a. E. gezeigt werden wird, würde Einkommen im Ergebnis traditionell statt nachgelagert besteuert.163 Das nachgelagerte Korrespondenzprinzip hat Kapitalsammelstellen mit den von ihnen erwirtschafteten Ersparniserträgen infolgedessen von der Besteuerung auszunehmen (z. B. Kapitalanlagegesellschaften, Versicherer). 4. Vermögensminderungen, veranlasst durch investiv verwendete Vermögensmehrungen Die Abzugsfähigkeit investierter Reinvermögensmehrungen hat nicht zur Folge, dass hierdurch veranlasste Vermögensminderungen nicht aus der Bemessungsgrundlage auszugrenzen wären. Zwar legt dies z. B. der Wortlaut 162 Vgl. zu dem Unterschied zwischen juristischer und wirtschaftlicher Doppelbesteuerung FN 101. 163 Vgl. zu dieser Art der „nachgelagerten“ Besteuerung auch W. Wiegard, Trojanisches Pferd (FN 137), ifo-schnelldienst 2000, 8 (11).

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Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

des § 3c Abs. 1 EStG164 nahe. Nach dieser Vorschrift sind Erwerbsaufwendungen steuerlich nicht zu berücksichtigen, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Eine Anwendung dieses Grundsatzes auf die nachgelagerte Besteuerung von Investitionen würde jedoch verkennen, dass investierte Vermögensmehrungen nicht endgültig von der Besteuerung befreit werden, sondern ihnen lediglich einen Belastungsaufschub gewährt wird.165 Insbesondere wäre es auch systemwidrig, Aufwendungen, die im Zusammenhang mit investierten Einnahmen stehen, erst in den Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigen, in denen die Ersparnisse einer – steuerpflichtigen – konsumtiven Verwendung zugeführt werden.166 Denn Ausgangspunkt der nachgelagerten Besteuerung ist die periodische Reinvermögensmehrung.167 Aufwendungen, die i. S. v. § 4 Abs. 4 EStG beruflich veranlasst sind168, mindern das Reinvermögen aber auch, wenn Einnahmen investiv verwendet werden. So lässt das geltende Einkommen- bzw. Lohnsteuerrecht Werbungskosten eines Arbeitnehmers im Veranlagungszeitraum ihres Abflusses (§ 11 Abs. 2 EStG) auch zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zu, soweit der Dienstverpflichtete durch ein Versorgungsversprechen entlohnt wird (aufgeschobene Vergütung durch Pensionszusage169). Hier unterliegt die Vermögensmehrung, die mit dem Erwerb der Versorgungsanwartschaft einhergeht, ebenfalls erst Jahre nach dem Werbungskostenabzug der Einkommensteuer. Sie fließt erst im Ruhestand i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V. m. 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu (Versorgungsleistungen170). 164 Vgl. dazu z. B. BFH v. 04.05.1993 VIII R 7/91, BStBl II 1993, 832 ff. [Aufteilung von Erwerbsaufwendungen auf steuerpflichtige Kapitaleinkünfte und nichtsteuerbare Wertveränderungen im privaten Stammvermögen]. 165 In diesem Sinne [zu § 3c Abs. 2 EStG] auch S. Homburg, German Tax Reform: Description and Appraisal, Finanzarchiv N.F. 57 (2000), 504 (507): „Of course the proper solution had been to allow a full interest offset.“ Ebenso W. Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, 381 (386 f.); ders., Zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000, 151 (154); H.-J. Pezzer, Halbeinkünfteverfahren (FN 29), StuW 2000, 144 (150); ders., Die Besteuerung des Anteilseigners, in S. Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 37 (55); Rödder/Schumacher, Unternehmenssteuerreform 2001 – Eine erste Analyse des Regierungsentwurfs aus Beratersicht, DStR 2000, 353 (355); R. Maiterth, Zur sachgerechten Behandlung von Beteiligungsaufwendungen im Steuerrecht, DBW 2002, 169 (177 f.): § 3c Abs. 2 EStG systemwidrig trotz § 3 Nr. 40 EStG. 166 So auch W. Schön, Abzugsschranken des § 3c EStG (FN 165), FR 2001, 381 (387), der die gegenteilige Auffassung von G. Crezelius (Dogmatische Grundstrukturen der Unternehmenssteuerreform, DB 2001, 221 [226 f.]) zu § 3c Abs. 2 EStG kritisiert. 167 Vgl. formale Darstellung der Bemessungsgrundlage der nachgelagerten Besteuerung oben auf S. 53. 168 Vgl. zum Veranlassungsprinzip nur J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 227 ff. 169 Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 5 Abschn. C.II.1., S. 171 ff.

B. Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen

57

IV. Lebensendvermögen Eine Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip bedarf einer Lebensendvermögensbesteuerung. Unterbliebe die nachholende Belastung des Erblassereinkommens, das zu Lebzeiten keiner konsumtiven Verwendung zugeführt wurde, würde kein Besteuerungsaufschub gewährt, sondern eine endgültige Steuerbefreiung. Die steuerlichen Lasten würden nach dem Lebenskonsum ausgeteilt171, nicht nach dem Lebenseinkommen. Dieser Leistungsfähigkeitsindikator ist es jedoch, den die nachgelagerte Besteuerung von Einkommen gleichmäßig zu belasten sucht172 (Bemessungsgrundlage Periodenkonsum und Lebensendvermögen als Steuererhebungstechnik173). Auf eine Lebensendvermögensbesteuerung kann insbesondere auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die konsumtive Nachlassverwendung beim Erben der Besteuerung unterliegt. Vor dem Hintergrund des Subjektsteuerprinzips174 ersetzt dies die nachholende Belastung des Erblassers nicht (Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit), da Lebensendvermögens- und Konsumbesteuerung unterschiedliche Personen belasten.175 Die Bemessungsgrundlage der nachgelagerten Besteuerung ist um den Summanden Lebensendvermögen (LEV) zu ergänzen: RVPeriodenende – RVPeriodenanfang + KonsumPeriode – (SPeriodenende – SPeriodenanfang) + LEV = BGLESt-nach = DRVPeriode – DSPeriode + KonsumPeriode + LEV mit BGLESt-nach = Bemessungsgrundlage nachgelagerte ESt; RV = Reinvermögen; S = Ersparnis; D = Veränderung; KonsumPeriode = Periodenkonsum; LEV = Lebensendvermögen Vgl. nur W. Heinicke, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 11 Rz. 30 [„Zukunftssicherungsleistungen“]. 171 So auch M. Rose, Zur praktischen Ausgestaltung einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung, in A. Oberhauser (Hrsg.), Probleme der Besteuerung I, 1998, S. 99: Differenzierung zwischen Lebenskonsum in einem engeren Sinne (ohne Erbschaften) oder in einem – dem Lebenseinkommen entsprechenden, weil das Lebensendvermögen einbeziehenden – weiteren Sinne. 172 Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 4 Abschn. A.II.1., S. 121 ff. 173 So auch Richter/Wiegard, Die Besteuerung deutscher Renten im Ausland – Effizienzorientierte Besteuerung von Renten bei Freizügigkeit, in Verband deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.), Besteuerung von Beiträgen und Leistungen in der Altersvorsorge, DRV-Schriften Bd. 29, 2001, S. 143 (149); R. Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme, 1992, S. 93. 174 Vgl. Nachweise in FN 79. 175 Dies gilt selbstverständlich auch, wenn Erblasser und Erbe in einem verwandtschaftlichen Näheverhältnis zueinander stehen (intergenerative Vermögensübertragung). Vgl. allerdings zu familienpolitisch begründeten Durchbrechungen des reinvermögenszugangstheoretischen Erbschaftsteuerideals FN 180. 170

58

Kap. 1: Bemessungsgrundlage der Besteuerung

Abgrenzung zur derzeitigen Erbschaftsteuer Die Lebensendvermögensbesteuerung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips ist zu unterscheiden von der Erbschaftsteuer, die derzeit in Deutschland erhoben wird. Zwar belasten beide Abgaben im Grundsatz den gesamten Nachlass. Auch treffen sie jeweils den Rechtsnachfolger. Die Erbschaftsteuer ist jedoch Einkommensteuer des Erben (Erbanfallsteuer).176 Bei nachgelagerter Besteuerung verhält es sich umgekehrt: Der Erblasser ist nachbelastungswürdig, da sein Lebensendvermögen177 unversteuertem Einkommen entstammt (ultima ratio-Besteuerung). Der Rechtsnachfolger wird bei nachgelagerter Besteuerung mit dem Nachlass erst zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen herangezogen, wenn die ererbten Reinvermögensmehrungen konsumtiv verwendet (Ersparnisauflösung) oder wiederum vererbt werden (Lebensendvermögen). Trotz der ursprünglich unterschiedlichen Belastungsziele bietet sich die Erbschaftsteuer an, um das Lebensendvermögen nachzubesteuern. So kennen zum einen nahezu alle OECD-Länder eine Erbschaftsteuer.178 Dies erleichtert eine systemgerechte Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte. Zum anderen verhindert ein niedrigerer Erbschaftsteuertarif interperiodische Progressionsverzerrungen (pauschaler Progressionsausgleich179). Schließlich kann eine eigenständige Abgabe instrumentalisiert werden, um familien-180, wirtschaftspolitische181 oder sonstige Ziele zu verfolgen, wenn dies denn gewünscht wird (Sozialzwecknorm). 176 Vgl. J. P. Meincke, Erbschaftsteuergesetz, 12. Aufl. 1999, Einf. Rz. 2; K. Tipke, Über die Einheit der Rechtsordnung, in Wendt/Höfling/Karpen/Oldiges (Hrsg.), Staat, Steuern, Wirtschaft, FS Friauf, 1996, S. 741 (749). 177 Das Konsumvermögen (z. B. Eigenheim) hingegen wird der Erblasser regelmäßig aus versteuertem Einkommen erworben haben, da das nachgelagerte Korrespondenzprinzip – ebenso wie die traditionelle Einkommensteuer – die hiermit einhergehenden Reinvermögensänderungen (z. B. Nutzungswert des Eigenheims sowie diesbezügliche Aufwendungen) aus Praktikabilitätsgründen von der Einkommensbesteuerung ausnimmt, vgl. dazu oben Abschn. A.II.1.a), S. 36 ff. (Konsumgutlösung). Infolgedessen wird das Konsumvermögen des Erblassers mit dessen Tode nicht nachholend belastet, da die betreffenden Reinvermögensmehrungen ja bereits einmal der Einkommensteuer unterlegen haben, nämlich im Zeitpunkt der Anschaffung. Das vererbte Konsumvermögen ist allerdings beim Rechtsnachfolger der Einkommensteuer zu unterwerfen, wenn dieser es ebenso wenig investiv verwendet wie sein Rechtsvorgänger. Denn dann werden Reinvermögensmehrungen konsumtiv verwendet. 178 Zwar bemüht sich der U.S.-amerikanische Steuergesetzgeber derzeit, die Erbschaftsteuer auslaufen zu lassen. So sinkt der Erbschaftsteuertarif kontinuierlich bis 2009, in 2010 wird er nach derzeitiger Gesetzeslage 0% betragen. In 2011 lebt allerdings das alte Recht mit einem Erbschaftsteuertarif von bis zu 55% wieder auf (sog. „sunset-provision“), vgl. Chapter 11 Internal Revenue Code (Sections 2001 ff.). 179 Vgl. Nachweise in FN 86.

C. Zusammenfassung

59

C. Zusammenfassung Das reinvermögenszugangstheoretische Ideal der traditionellen Einkommensteuer belastet die periodische Reinvermögensänderung zuzüglich des Periodenkonsums des Steuerpflichtigen. Die Markteinkommenstheorie reduziert den Besteuerungsanspruch auf Einkommen, das am Markt erwirtschaftet wird (Erwerbseinkünfte). Diese Beschränkung ist allein Informationsdefiziten geschuldet (praktikabilitätsbedingte Rücknahme). Denn auch anderweitige Reinvermögensmehrungen steigern die Fähigkeit des Einzelnen zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen. Deshalb belastet die erweiterte Markteinkommenstheorie diese Reinvermögensmehrungen ebenfalls, soweit sie mit verhältnismäßigen finanzbehördlichen Maßnahmen ermittelbar, d.h. beobachtbar sind (staatliche Sozialtransfers, Erbschaften/Schenkungen). Die markteinkommenstheoretisch begründete Ausgrenzung unrealisierter Wertsteigerungen aus der Bemessungsgrundlage gebietet eine Nachbelastung der stillen Reserven beim Erblasser (ultima ratio-Lebensendvermögensbesteuerung). Anderenfalls blieben diese Reinvermögensmehrungen endgültig unbelastet. Die nachgelagerte Besteuerung unterscheidet sich von der traditionellen Einkommensteuer ausschließlich hinsichtlich des Zeitpunktes, in dem auf investierte Reinvermögensmehrungen zugegriffen wird. Gespartes Einkommen wird aus der periodischen Bemessungsgrundlage ausgegrenzt, um im Veranlagungszeitraum seiner konsumtiven Verwendung (Ersparnisauflösung) oder als Lebensendvermögen nachbelastet zu werden (nachgelagertes Korrespondenzprinzip). Infolge des späteren Besteuerungszeitpunktes können zusätzliche Kapitaleinkünfte erwirtschaft werden (ungeschmälertes Investitionskapital). Anders als die traditionelle Einkommensteuer hat die nachgelagerte Besteuerung nicht nur die stillen Reserven, sondern auch die Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter des Lebensendvermögens nachzubelasten. Die Reinvermögensmehrung, die der Rechtsnachfolger durch die Erbschaft erfährt, ist hingegen erst mit der konsumtiven Verwendung des Nachlasses zu besteuern. 180 Für das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sei hier nur auf die Staffelung der Freibeträge und Steuersätze nach der Enge der familiären Bindung verwiesen, §§ 15 Abs. 1; 16 Abs. 1 ErbStG. 181 Das ErbStG privilegiert die Übertragung von Betriebsvermögen durch einen gesonderten Freibetrag, § 13a Abs. 1 ErbStG, sowie einen 40%-igen Bewertungsabschlag, § 13a Abs. 2 ErbStG. Vgl. dazu allerdings die Beitrittsaufforderung des BFH an das BMF v. 24.10.2001 II R 61/99, BStBl II 2001, 834 sowie den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss v. 22.05.2002 II R 61/99, www.bundesfinanzhof.de, welche die erbschaftsteuerliche Begünstigung des Betriebsvermögens als gleichheitssatzwidrig erachten. Vgl. auch D. Birk, Die Begünstigungstatbestände des Erbschaftsteuergesetzes auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, ZEV 2002, 165 ff.

60

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

Kapitel 2

Belastungswirkungen der nachgelagerten Besteuerung Jede Konzeption steuerlicher Lastenausteilung bestimmt sich vornehmlich nach ihren Belastungswirkungen. Nachfolgend werden jene der nachgelagerten Besteuerung zunächst mit denen der traditionellen Einkommensteuer verglichen. Anschließend wird die Belastungsäquivalenz zwischen nachgelagerter Besteuerung und zahlungsstromorientierter Einkünfteermittlung abgeleitet (Cash Flow-Besteuerung). Abschließend zeigt ein Vergleich des nachgelagerten Korrespondenzprinzips mit der zinsbereinigten Einkommensteuer nicht nur die Gemeinsamkeiten, sondern auch die Unterschiede zwischen diesen beiden konsumorientierten Besteuerungskonzepten auf (über- bzw. unterdurchschnittlich verzinste Investitionsprojekte, Übergangsdivergenz, Akzeptanzproblem der Zinsbereinigung).

A. Belastungsunterschiede zwischen nachgelagerter und traditioneller Besteuerung Was für die Ableitung der Bemessungsgrundlage der nachgelagerten Besteuerung gilt, trifft auf die Analyse ihrer Belastungswirkungen ebenfalls zu. Sie bedarf eines Eichstrichs.182 Auch hierfür bietet sich die traditionelle Einkommensteuer nicht zuletzt deshalb an, weil ihr reinvermögenszugangstheoretisches Belastungsideal weltweit anerkannt ist.183 I. Belastungswirkungen der traditionellen Einkommensteuer 1. Besteuerung von Ersparnisbildung und Kapitaleinkommen Die Bemessungsgrundlagen von nachgelagerter und traditioneller Besteuerung unterscheiden sich ausschließlich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Belastung investierter Reinvermögensmehrungen. Ihnen gewährt das nachgelagerte Korrespondenzprinzip einen Besteuerungsaufschub. Lediglich bei Ersparnissen kommt es zu Belastungsdivergenzen. Außer Betracht bleiben die mittelbaren Belastungsunterschiede zwischen traditioneller und nachgelagerter Besteuerung. So meint Stefan Homburg, Arbeitseinkünfte seien „zwangsläufig“184 höher zu belasten, wenn investierten Reinvermögensmeh182 183

Vgl. Nachweise in FN 32. Vgl. nur R. Goode, The Comprehensive Income Tax (FN 48), S. 268.

A. Nachgelagerte und traditionelle Besteuerung

61

rungen ein Besteuerungsaufschub gewährt werde (implizite Steuerbefreiung der marktüblichen Kapitalverzinsung185). Gegebene staatliche Finanzbedürfnisse verlangten nach einer höheren Belastung von Arbeitseinkommen (differentielle Steuerinzidenz). Gegen die „Zwangsläufigkeit“ der Mehrbelastung von Arbeitseinkommen wendet Ekkehard Wenger186 ein, gespartes Arbeitseinkommen werde nicht höher belastet. Sie wird zudem durch die Besteuerungswirklichkeit in Frage gestellt, die – wie der dritte Teil dieser Arbeit in Kapitel 5–Kapitel 7 auf den Seiten 149 ff. zeigt – Kapitaleinkommen weitgehend unbesteuert lässt. Von einer Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen in Höhe der marktüblichen Kapitalverzinsung sind im Vergleich zum Status Quo infolgedessen keine nennenswerten Mindereinnahmen zu erwarten, die eine höhere Besteuerung konsumtiv verwendeter Arbeitseinkünfte erforderlich machen würden.187

Da Ersparnisse das Reinvermögen erhöhen, können sie bei traditioneller Besteuerung nur aus versteuertem Einkommen gebildet werden. Denn das Ideal der traditionellen Einkommensteuer erfasst ausnahmslos jede Reinvermögensmehrung. Auch Ersparniserträge unterliegen der Besteuerung, da sie sich ebenfalls positiv auf das Reinvermögen auswirken. Infolgedessen greift die traditionelle Einkommensteuer (mindestens) zweimal auf investierte Reinvermögensmehrungen zu. Zunächst werden die Reinvermögensmehrungen besteuert, die das Investitionskapital bilden. Sodann beteiligt sich der Steuergläubiger an den hiermit erwirtschafteten Erträgen. Die Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen und die Belastung der Ersparniserträge hat zur Folge, dass investierte Reinvermögensmehrungen [DV] nicht nur um den Einkommensteuersatz [t] gemindert werden, sondern zudem lediglich in Höhe des Nettozinssatzes wachsen (Rendite nach Einkommensteuer [(1 – t) * r]). In einer Welt ohne Steuern würden sich Ersparnisse hingegen zum Bruttozinssatz akkumulieren (Rendite vor Einkommensteuer [r]). Formal ausgedrückt stellen sich die Belastungswirkungen der traditionellen Einkommensteuer wie folgt dar. Während aus einer investierten Reinvermögensmehrung in einer Welt ohne Steuern ein Konsumpotential [K] von 184 S. Homburg, Soll die klassische Einkommensteuer wiederbelebt werden?, in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte zur aktuellen Steuerreform, 1997, 107 (112). 185 Vgl. dazu unten Abschn. A.II.1., S. 64 ff. 186 Vgl. E. Wenger, Warum die Finanzwissenschaft bei der Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer erfolglos bleiben musste, in Smekal/ Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37 (58 f.). 187 Vgl. ausführlich zu den fiskalischen Auswirkungen einer nachgelagerten Besteuerung unten Kapitel 11 Abschn. B.I.2., S. 277 ff. Dies gilt allerdings nicht für den Übergang von der traditionellen Einkommensteuer zur nachgelagerten Besteuerung, vgl. dazu unten Kapitel 11 Abschn. B.II.2., S. 281 ff. (Umschichtung von Altkapitalbeständen in Neukapital und Deklaration als abzugsfähige Ersparnisbildung). Mit Übergangsregelungen beschäftigen sich der sechste und siebente Teil der Arbeit auf den Seiten 285 ff. und 303 ff. (limitiert und partiell nachgelagerte Besteuerung).

62

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung K = DV * (1 + r)t mit K = Konsumpotential; DV = Ersparnisbildung (Verm.-Änderung); t = Anlagedauer; r = Bruttorendite

erwachsen würde, reduziert die traditionelle Einkommensteuer [ttrad] das Konsumpotential auf Ktrad. mit Ktrad.

ESt

ESt

= (1 – tESt) * DV * [1 + (1 – tESt) * r]t

= Konsumpotential nach traditioneller ESt; tESz = ESt.

2. Anstieg der überperiodischen Steuerlast Zwar belastet die traditionelle Einkommensteuer die Reinvermögensmehrungen der Steuerpflichtigen jeweils nur einmal. Weder die investierten Einkommensbestandteile noch die hiermit erwirtschafteten Erträge (Kapitaleinkommen) fließen mehrfach in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage ein. Dennoch vertritt „von Thomas Hobbes über John Stuart Mill, Irving Fisher oder Nicholas Kaldor das Gros der Ökonomen sowie ein Teil der Philosophen und Juristen die Auffassung, dass [. . .] die in der Einkommensteuer enthaltene Belastung von Kapitaleinkommen [. . .] ungerecht sei“188.

Zu dem Ergebnis einer Doppelbesteuerung investierter Reinvermögensmehrungen gelangten vorgenannte Steuertheoretiker, indem sie die abgabenrechtliche Behandlung von Ersparnisbildung und Kapitaleinkommen aus einem überperiodischen Blickwinkel betrachteten.189 Diese Sichtweise liegt auch nahe, da es sich bei der Ersparnisbildung es sich um ein überperiodisches Phänomen handelt. In einer einperiodigen Welt würden rationale Individuen keine Ersparnisse bilden, da sich für sie keine Verwendung ergäbe. Für Ekkehard Wenger ist die Suche nach Antworten auf Fragen, die die Besteuerung von Ersparnissen betreffen, „in einer Einperiodenwelt [. . .] ebenso sinnlos wie die Jagd nach Krokodilen auf der Rückseite des Mondes“190.

S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 225 [Hervorhebung der Namen nicht im Original]. 189 Dies verkennt z. B. C. Freitag (Die Besteuerung der Zinsen, 2000, S. 143), wenn er eine „nach fiskalen Gesichtspunkten ungerechtfertigte Besserstellung der Kapitaleinkünfte im Vergleich zu den anderen Einkunftsarten“ annimmt, ohne den überperiodischen Anstieg der Steuerlast investierter Reinvermögensmehrungen zu diskutieren. 190 E. Wenger, Kapitulation vor der Problematik der Kapitaleinkommensbesteuerung (FN 15), Finanzarchiv 1986, 258 (260). 188

A. Nachgelagerte und traditionelle Besteuerung

63

Bei überperiodischer Betrachtung hat die Besteuerung sowohl der Ersparnisbildung als auch der Ersparniserträge einen kontinuierlichen Anstieg der Steuerlast investierten Einkommens zur Folge. Bei veranlagungszeitraumbezogener Sicht stellen sich die betreffenden Reinvermögensmehrungen hingegen als Einkünfte ohne Besonderheiten dar. Ihre Belastung erscheint zwingend. Den überperiodischen Anstieg der Steuerlast illustriert folgende Tabelle. Ihre zweite Spalte weist das Konsumpotential aus, das aus investierten Reinvermögensmehrungen in Höhe von 1.000 Euro bei einem Anlagezeitraum von 40 Jahren und einer Rendite von 6% resultiert (10.258,72 Euro191), wenn keine Steuern erhoben werden (Welt ohne Steuern). Die sechste Tabellenspalte zeigt die Entwicklung des Konsumpotentials bei Erhebung einer 40%-igen traditionellen Einkommensteuer (2.469,12 Euro192). In der siebenten Spalte wird der überperiodische Anstieg der Steuerlast aus dem Verhältnis der beiden vorgenannten Größen berechnet. Nach 40 Jahren ist das investierte Einkommen mit 76%193 belastet.

Anstieg der überperiodischen Steuerlast* Welt ohne ESt Ertrag

Welt mit traditioneller ESt

Veranlagungszeitraum

Konsumpotential

Sparkapital Ertrag nach ESt nach ESt

KonsumÜberpotential periodische nach ESt Steuerlast

0

1.000,00

0,00

600,00

0,00

600,00

40,0%

1

1.000,00

60,00

600,00

21,60

621,60

41,4%

2

1.060,00

63,60

621,60

22,38

643,98

42,7%

3

1.123,60

67,42

643,98

23,18

667,16

44,0%

...

...

...

...

...

...

...

39

9.154,25

549,26

2.300,50

82,82

2.383,32

75,4%

40

9.703,51

582,21

2.383,32

85,50

2.469,12

76,0%

2.469,12 1.869,12

2.469,12

76,0%

Summe

10.285,72 9.285,72

* 40% ESt; 6% Rendite; 1.000 investiertes Einkommen.

1.000 Euro * (1 + 6%)40 = 10.285,72 Euro. (1 – 40% ESt) * 1.000 Euro * [1 + (1 – 40% ESt) * 6%)40 = 2.469,12 Euro. 193 (10.285,72 Euro [FN 191] – 2.469,12 Euro [FN 192])/10.285,72 Euro [FN 191] = 75,99%. 191 192

64

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

II. Intertemporale Neutralität des nachgelagerten Korrespondenzprinzips 1. Implizite Steuerbefreiung der marktüblichen Kapitalverzinsung Indem die Steuerlast bei nachgelagerter Besteuerung der konsumtiven Verwendung statt Entstehung von Einkommen folgt, gewährt sie investierten Reinvermögensmehrungen einen Besteuerungsaufschub. Obgleich auch eine steuerliche Lastenausteilung, die am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet ist, sämtliche Reinvermögensmehrungen einmal belastet (konsumtiv verwendetes Einkommen sowie Lebensendvermögen), entfaltet sie gänzlich andere Belastungswirkungen als die traditionelle Einkommensteuer.194 Bei nachgelagerter Besteuerung können, gemessen am Leitbild der traditionellen Einkommensteuer, zusätzliche Reinvermögensmehrungen erwirtschaftet werden.195 Einkommen in Höhe der marktüblichen Kapitalverzinsung wird dadurch implizit von der Besteuerung befreit. Zwar verringert auch die nachgelagerte Besteuerung das Konsumpotential, das aus investierten Reinvermögensmehrungen erwächst, um die einkommensteuerliche Grenzbelastung. Während der Investitionsphase akkumulieren sich die Ersparnisse aber zum Bruttozinssatz, was sich formal wie folgt darstellt: Knachgel.

ESt

= (1 – tESt) * [DV * (1 + r) t]

Der Vergleich dieses Ausdrucks mit dem Konsumpotential, das nach dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer verbleibt, nämlich Ktradit.

ESt

= (1 – tESt) *DV * [1 + (1 – tESt) * r]t,

zeigt, dass die nachgelagerte Besteuerung das Konsumpotential, über das in einer Welt ohne Steuern verfügt werden könnte, nämlich K = DV * (1 + r)t,

194 Vgl. auch Krause-Junk/Müller, Nachgelagertes Verfahren (FN 135), DB 1999, 2282 (2284) sowie W. Wiegard (Trojanisches Pferd [FN 137], ifo-schnelldienst 2000, 8 [11]), die aufzeigen, wie die nachgelagerte Besteuerung ausgestaltet werden könnte, damit ihr Belastungsergebnis der traditionellen Einkommensbesteuerung entspricht (Anwendung eines höheren Steuersatzes bei der Auflösung von aus unversteuertem Einkommen gebildeten Ersparnissen bzw. Belastung der Vorsorgekapitalerträge und der gesamten Versorgungsleistungen [Doppelbesteuerung des Ertragsanteils]). 195 Vgl. auch J. Mitschke, Lebenseinkommensbesteuerung durch interperiodischen Progressionsausgleich, StuW 1980, 122 (124); ders., Alternativen steuerlicher Einkommensperiodisierung (FN 120), StuW 1988, 111 (123).

A. Nachgelagerte und traditionelle Besteuerung

65

nur einmal mit Einkommensteuer [tESt] belastet. Bei traditioneller Besteuerung taucht der einkommensteuerliche Kürzungsterm [tESt] zweimal auf. Bei nachgelagerter Besteuerung wird die Bruttorendite nicht um einen Steuerkeil gekürzt. Spiegelbildlich hat der Steuergläubiger keinen Anteil an (normalverzinslichen) Investitionsprojekten. Zwar wird ein nominal positives Steueraufkommen generiert, da die Einnahmen aus der Besteuerung des Investitionsrückflusses bei positiver Rendite den Besteuerungsverzicht in der Investitionsperiode (Abzugsfähigkeit investierter Reinvermögensmehrungen) betragsmäßig übersteigen. Barwertmäßig entspricht der Besteuerungsverzicht in der Sparperiode jedoch exakt den Einnahmen, die aus der Besteuerung der konsumtiven Verwendung des Sparkapitals und seiner marktüblichen Verzinsung196 resultieren (Ersparnisauflösung). Dass es folglich entscheidend auf den Zeitpunkt des Steuerzugriffs ankommt – und nicht allein auf die Einmalbelastung von Einkommen –, zeigt folgendes Beispiel: Unter Annahme einer einkommensteuerlichen Grenzbelastung von 50% und einer marktüblichen Verzinsung von 5% kann ein Steuerpflichtiger, der 1.000 Euro seines Nettoeinkommens sparen will (gegenwärtiger Konsumverzicht), bei nachgelagerter Besteuerung 2.000 Euro investiv verwenden. Die Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage reduziert den Nettokapitaleinsatz auf 1.000 Euro, da aus der Investitionssumme von 2.000 Euro eine Steuerersparnis von 1.000 Euro folgt (50% ESt * 2.000 Euro). Wird das Sparkapital samt Verzinsung nach einem Jahr konsumtiv verwendet (Ersparnisauflösung), unterliegen 2.100 Euro197 der Einkommensteuer. Dem Zensiten verbleibt ein NachSteuer-Konsumpotential von 1.050 Euro198. Die traditionelle Einkommensteuer hingegen lässt gesparte Einkünfte nicht zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zu. Da aus versteuertem Einkommen gespart werden muss, steht bei einem gegenwärtigen Konsumverzicht von 1.000 Euro auch nur ein Investitionskapital in dieser Höhe zur Verfügung. Im Folgejahr (Ersparnisauflösung) wird dafür nur die Verzinsung belastet (50 Euro199), die Rückzahlung des Sparkapitals kann als bereits belastetes Einkommen steuerfrei vereinnahmt werden. Der traditionell besteuerte Zensit verfügt folglich nach Steuern über 1.025 Euro200, weshalb er sich um 25 Euro201 schlechter steht als der nachgelagert besteuerte Sparer. Dieser Betrag entspricht genau der Steuer, die der traditionell besteuerte Investor auf den Ertrag seines Sparkapitals schuldet.202 Folglich bleibt die 196 Die Höhe der marktüblichen Verzinsung bestimmt zugleich den Abdiskontierungsfaktor. 197 2.000 Euro [Investitionskapital] * (1 + 5% Rendite) = 2.100 Euro. 198 (1 – 50% ESt) * 2.100 Euro [FN 197] = 1.050 Euro [Nettokonsumpotential]. 199 1.000 Euro [Investitionskapital] * 5% Rendite) = 50 Euro [Bruttoertrag]. 200 1.000 Euro [Investitionskapital] + (1 – 50% ESt) * 50 Euro [FN 199] = 1.025 Euro [Nettokonsumpotential]. 201 1.050 Euro [FN 198] – 1.025 Euro [FN 200] = 25 Euro. 202 50% * 50 Euro [FN 199] = 25 Euro. Die Größenordnung der Belastungsunterschiede vervielfältigt sich bei längerfristiger Kapitalanlage (Zins- und Zinseszins-

66

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

marktübliche Verzinsung des gegenwärtigen Konsumverzichts bei einer steuerlichen Lastenausteilung, die dem nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet ist, faktisch unbelastet, obgleich die hiermit finanzierten Konsumausgaben zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen herangezogen werden. Spiegelbildlich generiert der Fiskus bei nachgelagerter Besteuerung aus normalverzinslichen Investitionsprojekten kein barwertmäßig positives Steueraufkommen. Der Gegenwartswert der Steuereinnahmen aus der Ersparnisauflösung entspricht mit 1.000 Euro203 exakt dem Besteuerungsverzicht204, den der Steuergläubiger in der Investitionsperiode geübt hat.205

Das Ausmaß der Belastungsdivergenz zwischen traditioneller und nachgelagerter Besteuerung hängt zum einen von dem Zeitraum ab, in dem die betrachtete Reinvermögensmehrung in investiver Verwendung verbleibt. Zum anderen bestimmt es sich nach der erwirtschafteten Rendite sowie einkommensteuerlichen Grenzbelastung. Wie beträchtlich die Belastungsunterschiede aufgrund der Zins- und Zinseszinseffekte werden können, illustriert folgendes Beispiel: Ein gegenwärtiger Konsumverzicht von 600 Euro wächst unter der Voraussetzung einer Bruttorendite von 6% und einer einkommensteuerlichen Grenzbelastung von 40% bei nachgelagerter Besteuerung – das Sparkapital beträgt dann 1.000 Euro, da der Fiskus in der Investitionsperiode einen Besteuerungsverzicht in Höhe von 400 Euro206 übt – nach 40 Jahren auf ein Nach-Steuer-Konsumpotential von 6.171,43 Euro207 an. Die überperiodische Steuerlast beträgt gleichmäßig 40%, wie nebenstehende Tabelle zeigt. Der traditionell besteuerte Sparer hingegen (Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen sowie Besteuerung der Ersparniserträge) kann nach 40 Jahren nur über 2.469,12 Euro208 verfügen, wie die Tabelle auf Seite 90 zeigt. Zwar unterliegt die Ersparnisauflösung nicht der Einkommensteuer. Dafür stand dem Investor aber lediglich ein Sparkapital von 600 Euro zur Verfügung, das zudem nur in Höhe der um effekt), zu quantitativen Analysen vgl. Krause-Junk/Müller, Nachgelagertes Verfahren (FN 135), DB 1999, 2282 (2283) sowie Sinn/Leibfritz/Weichenrieder, ifo-Vorschlag zur Steuerreform, ifo-Schnelldienst 18/1999, S. 3 (12). 203 (50% ESt * 2.100 Euro [FN 197])/(1 + 5%) = 1.000 Euro. 204 50% ESt * 2.000 Euro = 1.000 Euro. 205 Vgl. auch S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 136: „Zwar wird der durch Zinseinkünfte finanzierte Konsum besteuert; aber weil die Steuer erst später, zum Zeitpunkt des Konsums, entsteht, beträgt der Barwert des hieraus gezogenen Steueraufkommens Null.“ 206 40% * 1.000 Euro = 400 Euro. Wären die 1.000 Euro nicht gespart worden, hätte der Steuerpflichtige 400 Euro mehr Einkommensteuer zahlen müssen, da 1.000 Euro weniger zum Abzug von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage berechtigt hätte. Insofern muss der Investor nur einen Konsumverzicht von 600 Euro leisten, um 1.000 Euro Sparkapital zu finanzieren. 207 (1 – 40% ESt) * [1.000 Euro * (1 + 6% Rendite)40] = (1 – 40% ESt) * 10.285,71 Euro = 6.171,43 Euro. 208 600 Euro * [1 + (1 – 40% ESt) * 6% Rendite]40 = 2.469,12 Euro.

A. Nachgelagerte und traditionelle Besteuerung

67

Kein Anstieg der überperiodischen Steuerlast* Welt ohne ESt Ertrag

Welt mit nachgelagerter ESt

VZ

Sparkapital

Sparkapital Ertrag nach ESt nach ESt

Konsum Übernach ESt periodische Steuerlast

0

1.000,00

0,00

1.000,00

0,00

600,00

40,0%

1

1.000,00

60,00

1.000,00

60,00

636,00

40,0%

2

1.060,00

63,60

1,060,00

63,60

674,16

40,0%

3

1.123,60

67,42

1.123,60

67,42

714,60

40,0%

...

...

...

...

...

...

...

39

9.154,25

549,26

9.154,25

549,26

5.822,10

40,0%

40

9.703,51

582,21

9.703,51

582,21

6.171,43

40,0%

10.285,72 9.285,72

10.285,72

9.285,72

6.171,43

40,0%

Summe

* 40% ESt; 6% Rendite; 1.000 investiertes Einkommen.

die einkommensteuerliche Grenzbelastung gekürzten Rendite wachsen konnte (Nettorendite). Im Ergebnis verbleiben dem traditionell besteuerten Investor lediglich 40% des Nach-Steuer-Konsumpotentials, über das der nachgelagert besteuerte Sparer verfügen kann. Wäre eine Rendite von 10% erwirtschaftet worden, hätte sich der traditionell besteuerte Investor sogar mit 23%209 des Konsumpotentials des nachgelagert belasteten Zensiten begnügen müssen. Bereits nach 10 Jahren hätten ihm nur 70%210 dieser Vergleichsgröße zur Verfügung gestanden.

Der wesentliche Unterschied zwischen nachgelagerten Korrespondenzprinzip und traditioneller Einkommensteuer besteht damit nicht in der Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung. Denn diese korrespondiert mit der Besteuerung der Ersparnisauflösung. Er liegt vielmehr in der impliziten Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen.211 So kennzeichnet nach Stefan Homburg 209 Dem nachgelagert besteuerten Sparer hätten 27.155,55 Euro zur Verfügung gestanden {= (1 – 40% ESt) * [1.000 Euro * (1 + 10% Rendite)40] = (1 – 40% ESt) * 45.259,26 Euro}, dem traditionell besteuerten nur 6.171,43 Euro {= 600 Euro * [1 + (1 – 40% ESt) * 10% Rendite]40}, woraus sich ein Verhältnis von 22,72% errechnet. 210 Während der gegenwärtige Konsumverzicht in Höhe von 600 Euro dem nachgelagert besteuerten Investor ein Nach-Steuer-Konsumpotential von 1.556,25 Euro beschert hätte {= (1 – 40% ESt) * [1.000 Euro * (1 + 10% Rendite)10] = (1 – 40% ESt) * 2.593,74 Euro}, könnte der traditionell besteuerte Investor mit 1.074,51 Euro {= 600 Euro * [1 + (1 – 40% ESt) * 10% Rendite]10} nur über 69% dieses Betrages verfügen.

68

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

„nicht die Absetzbarkeit von Ersparnissen das Wesen der Ausgabensteuer[212], sondern die implizite Steuerbefreiung des Kapitaleinkommens“213.

Dieses Ergebnis verdeutlicht die – unrealistische – Annahme einer Welt mit einem Zinssatz von Null. Existierten weder positive noch negative Kapitalrenditen, unterschieden sich nachgelagerte und traditionelle Besteuerung im Belastungsergebnis nicht. Bei einem Zinssatz von Null könnten keine zusätzlichen Kapitaleinkünfte dadurch erwirtschaftet werden, dass das Investitionskapital erst zu einem späteren Zeitpunkt steuerlich geschmälert wird. Steuerpflichtige und Steuergläubiger wären hinsichtlich des Besteuerungszeitpunktes indifferent. Doppelbelastung von Ersparnissen: Beispiel von Kapitalsammelstellen Abschließend sei auf die oben in Abschn. B.III.3.b) auf Seite 55 erörterte Notwendigkeit eingegangen, Kapitalsammelstellen mit den von ihnen erwirtschafteten Erträgen von der Besteuerung auszunehmen, wenn Einkommen nachgelagert besteuert werden soll. So zeigt sich bei Steuerpflichtigen, die ihre Ersparnisbildung in Kapitalanlagegesellschaften, Lebensversicherungen o. ä. organisieren, besonders deutlich, worauf der Vorwurf der Doppelbesteuerung von Ersparnissen zielt, den Philosophen und Ökonomen seit über zweihundert Jahren gegen die traditionelle Einkommensteuer erheben.214 Würden die Ersparniserträge auf Ebene der Kapitalsammelstelle be211 Dies verkennt z. B. C. Gröpl, Intertemporale Korrespondenz (FN 113), FR 2001, 568 (570): „Das Hauptunterscheidungskriterium [. . .] liegt in der Tatsache, dass die Konsumeinkommensteuer das Sparen und Investieren nicht belastet, indem Spar- bzw. Investitionsanteile steuerlich gleichsam ,aufschiebend bedingt‘ verschont werden. Als Ausgleich dazu findet allerdings in der Phase der Kapitalauflösung eine Besteuerung statt, unabhängig davon, ob es sich um bloße Vermögensrückflüsse oder um Erträgnisse (Zinsen) handelt.“ Zu der impliziten Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen durch den Besteuerungsaufschub, den die nachgelagerte Besteuerung investierten Reinvermögensmehrungen gewährt, verliert Gröpl – ebenso wie A. Nachreimer (Eigene Wohnzwecke [FN 136], NJW 2001, 3517 [3519]), den FN 136 wörtlich zitiert – kein Wort. 212 Die Ausgabensteuer grenzt – wie das nachgelagerte Korrespondenzprinzip – gesparte Reinvermögensmehrungen aus der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage aus, um die Ersparnisauflösung zu belasten, vgl. nur R. Peffekoven, Persönliche Ausgabensteuer (FN 154), in HdF II, S. 417 ff. 213 S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 136. 214 Vgl. nur I. Fisher, Double Taxation of Saving (FN 14), American Economic Review 1939, 16 ff. sowie Fisher/Fisher, Constructive Income Tax (FN 14), S. 194 [„it double-taxes – takes both the tree and its fruits“] sowie FN 188. Aus jüngerer Zeit Kronberger Kreis, Abgeltungssteuer bei Kapitaleinkommen, 2000, S. 17; dies., Vorschläge zu einer „Kleinen Steuerreform“, 1983, S. 13. Krit. S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 188.

A. Nachgelagerte und traditionelle Besteuerung

69

lastet, ohne dass dies auf der Ebene des nachgelagert besteuerten Investors Berücksichtigung fände, spräche jedermann zumindest von einer wirtschaftlichen Doppelbelastung. Die Ersparniserträge unterlägen sowohl im Zeitpunkt ihrer Entstehung (Kapitalsammelstelle) als auch konsumtiven Verwendung (Investor) der Besteuerung. Der Investor würde aber nur traditionell besteuert, wie folgendes Beispiel zeigt: Spart ein Steuerpflichtiger 1.000 Euro aus unversteuertem Einkommen und erwirtschaftet die Kapitalsammelstelle eine Bruttorendite von 10%, steht bei einer Steuerbelastung der Kapitalsammelstelle von 40% nach einem Jahr ein Betrag von 1.060 Euro215 zur Auszahlung bereit (Sparkapital zuzüglich versteuerter Ersparniserträge). Ist die Auszahlung vollumfänglich steuerpflichtig (Ersparnisauflösung), verbleiben dem Investor nach 40% Steuern 636 Euro216. Über den gleichen Betrag kann ein Steuerpflichtiger verfügen, der aus versteuertem Einkommen spart und mit seinen Ersparniserträgen steuerpflichtig ist (traditionelle Besteuerung). Die Einkommensteuer mindert das Investitionskapital von 1.000 Euro um 400 Euro auf 600 Euro217 und kürzt den Kapitalertrag von 60 Euro ebenfalls um 40% auf 36 Euro218. Da die Ersparnisauflösung nicht belastet wird, kann der traditionell belastete Sparer diese Beträge ungeschmälert zum Konsum verwenden und verfügt mit 636 Euro über ein ebenso großes Konsumpotential wie der obige – formell219 im nachgelagerten Verfahren besteuerte – Investor (Besteuerung der Erträge im Entstehungs- und Verwendungszeitpunkt).

2. Belastung überdurchschnittlicher Kapitalverzinsungen Wie im vorigen Abschnitt auf den Seiten 64 ff. gezeigt, befreit ein Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen Kapitaleinkommen implizit von der Einkommensteuer. Allerdings kann auch bei nachgelagerter Besteuerung nicht sämtliches Kapitaleinkommen faktisch steuerlich unbelastet vereinnahmt werden. Vielmehr greift das nachgelagerte Korrespondenzprinzip auf überdurchschnittliche Kapitalrenditen ebenso zu wie die traditionelle Einkommensteuer. Von diesen profitiert der Steuergläubiger auch bei nachgelagerter Besteuerung in Form eines barwertmäßig positiven Steueraufkommens. Dies zeigt folgendes Beispiel: Rentiert sich ein gegenwärtiger Konsumverzicht von 1.000 Euro, aus dem bei nachgelagerter Besteuerung und einem Einkommensteuersatz von 50% ein Investitionskapital von 2.000 Euro220 erwächst, mit 100%, 215 1.000 Euro * [1 + (1 – 40% Steuer Kapitalsammelstelle) * 10% Rendite] = 1.060 Euro. 216 (1 – 40% ESt) * 1.060 Euro [FN 215] = 636 Euro. 217 (1 – 40% ESt) * 1.000 Euro = 600 Euro. 218 600 Euro [FN 217] * [1 + (1 – 40% ESt) * 10% Rendite] = Euro. 219 Vgl. zum rein formalen Charakter dieser Art der nachgelagerten Besteuerung auch W. Wiegard, Trojanisches Pferd (FN 137), ifo-schnelldienst 2000, 8 (11).

70

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

schuldet der Investor bei Ersparnisauflösung Einkommensteuer in Höhe von 2.000 Euro221. Dieser Steuerschuld steht bei einer marktüblichen Verzinsung von beispielsweise 10% ein Steuerverzicht gegenüber, der, aufdiskontiert auf die Konsumperiode, 1.100 Euro222 beträgt. Der Steuergläubiger generiert aus dem überrentierlichen Investitionsprojekt Steuereinnahmen in Höhe von 900 Euro223. Die Reinvermögensmehrung von 2.000 Euro, die der Steuerpflichtige mit dem Investitionsprojekt vor Steuern erwirtschaftet hat, beruht zu 90%, nämlich in Höhe von 1.800 Euro, auf der überdurchschnittlichen Rendite (100%). Hierauf zahlt er 50% Einkommensteuer, da der Endwert der mit dem Investitionsprojekt zusammenhängenden Steuerzahlungen 900 Euro224 beträgt. Höher wird die aus der Überrendite resultierende Reinvermögensmehrung auch bei traditioneller Besteuerung nicht belastet. Spart der Steuerpflichtige aus versteuertem Einkommen, steht ihm bei einem gegenwärtigen Konsumverzicht von 1.000 Euro ein Investitionskapital in eben dieser Höhe zur Verfügung. Bei einer Rendite von 100% wächst es auf 2.000 Euro. Der überdurchschnittliche Ertrag von 900 Euro wird mit 450 Euro Einkommensteuer belastet, d.h. mit 50%. Hinzu kommt die Einkommensteuer von 50 Euro, die auf die marktübliche Verzinsung (100 Euro) entfällt.

3. Intertemporale Neutralität Bei marktüblicher Kapitalrendite entspricht der Besteuerungsverzicht, den der Steuergläubiger in der Investitionsperiode übt, dem Barwert der Steuereinnahmen aus den Investitionsrückflüssen (Gegenwartswert des Steueraufkommens = 0). Werden nicht nur die Ressourcentransfers an das Gemeinwesen in Gegenwartswerten betrachtet, sondern auch die jährlichen Konsumausgaben sowie das Lebensendvermögen der Steuerpflichtigen, belastet die nachgelagerte Besteuerung Steuerpflichtige immer dann gleich hoch, wenn sich die Barwerte ihres Lebenskonsums (einschließlich des Lebensendvermögens) entsprechen. Die Steuerlast bestimmt sich demnach unabhängig von der Verteilung der Konsumausgaben auf die einzelnen Besteuerungsperioden.225 Die Konsum-Spar-Entscheidung bleibt steuerlich unbeeinflusst, 220 1.000 Euro [Konsumverzicht] + 50% ESt * 2.000 Euro [ESt-Minderung] = 2.000 Euro [Investitionskapital]. 221 50% ESt * 2.000 Euro * (1 + 100%) = 2.000 Euro. 222 1.000 Euro [Konsumverzicht] * (1 + 10% [Aufdiskondierungsfaktor]) = 1.100 Euro. 223 2.000 Euro [Steuereinnahme, FN 221] – 1.100 Euro [aufdiskontierter Besteuerungsverzicht, FN 222] = 900 Euro [Barwert der Steuereinnahmen aus dem Investitionsprojekt]. 224 (50% ESt * 4.000 Euro Investitionsrückfluss) – [(50% ESt * 2.000 Euro abzugsfähiges Investitionskapital) * (1 + 10% Aufdiskontierungsfaktor)] = 2.000 Euro Steuerzahlung in der Investitionsrückflussperiode – 1.100 Euro aufgezinste Steuererstattung aus der Investitionsperiode = 900 Euro Gegenwartswert Steuerlast.

A. Nachgelagerte und traditionelle Besteuerung

71

da die Steuerlasten unabhängig von der Art und Weise ausgeteilt werden, in der die Steuerpflichtigen ihr Konsumpotential auf die einzelnen Lebensabschnitte aufteilen.226 Das nachgelagerte Korrespondenzprinzip ist intertemporal neutral. Zwar ermöglicht der gegenwärtige Konsumverzicht bei positivem Zinssatz Konsumausgaben in zukünftigen Veranlagungszeiträumen, deren Nominalwert den gegenwärtigen Konsumverzicht überschreitet. Für ihren Barwert gilt dies jedoch nicht. Denn der Zukunftskonsum ist abzudiskontieren, wobei als Abdiskontierungsfaktor allein die marktübliche Verzinsung in Betracht kommt. Insoweit hätte jeder Sofortkonsument sein nominales Konsumpotential steigern können, ohne auf besonderes Anlagegeschick bzw. -glück angewiesen zu sein.

Im Gegensatz zum nachgelagerten Korrespondenzprinzip besteuert die traditionelle Einkommensteuer die zeitliche Struktur des Lebenskonsums.227 Sie belastet zwei Steuerpflichtige mit barwertmäßig identischem Konsumpotential nur gleich, wenn sich ihre Konsumausgaben auch periodenweise entsprechen. Ist der barwertidentische Lebenskonsum unterschiedlich auf die einzelnen Lebensabschnitte verteilt, zahlt der, der seinen Lebenskonsum in späteren Veranlagungszeiträumen tätigt, mehr Einkommensteuer als jener, der seine Reinvermögensmehrungen früher konsumtiv verwendet und infolgedessen weniger Kapitaleinkommen erwirtschaftet. Gegenwartskonsum kann nicht barwertneutral in die Zukunft verlagert werden, ohne dass der Barwert der Steuerlast ansteigt. Aufgrund der Besteuerung der marktüblichen Kapitalverzinsung belastet die traditionelle Einkommensteuer den Zukunftskonsum (Ersparnisbildung) höher als den Gegenwartskonsum. Sie besteuert den Investor höher als den Sofortkonsumenten. III. Unterschiedsmaß Belastungskorrekturfaktor Aufgrund des späteren Steuerzugriffs wird der nachgelagert besteuerte Investor niedriger belastet als der traditionell besteuerte Sparer (Zins- und Zinseszinseffekte). Dies folgt daraus, dass das Sparkapital bei nachgelagerter Besteuerung mit einer Rate wächst, die der Bruttorendite [r] entspricht, d.h. nicht um die Grenzsteuerbelastung gemindert wird (Nettorendite [rt = (1 – tESt) * r mit t = Grenzsteuerbelastung]. Wie groß der Belastungsunterschied ist, illustriert der nachfolgende Belastungskorrekturfaktor.228 Er reduziert das Nach-Steuer-Konsumpotential des nachgelagert 225 Vgl. nur E. Wenger, Gleichmäßigkeit der Besteuerung (FN 15), Finanzarchiv 1983, 207 (226 i.V. m. 210 ff.). 226 Vgl. zu dieser Definition der intertemporalen Neutralität der Besteuerung D. Kiesewetter, Zinsbereinigte Einkommen- und Körperschaftsteuer, 1999, S. 34. 227 Vgl. R. Schwinger, Konsum oder Einkommen als Bemessungsgrundlagen direkter Steuern?, StuW 1994, 39 (42).

72

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

besteuerten Investors auf den Betrag, der dem traditionell besteuerten Sparer verbleibt (Doppelbelastung von Ersparnissen). Zur Berechnung des Belastungskorrekturfaktors ist zunächst die Rendite zu ermitteln, die mit dem unversteuerten Sparkapital erwirtschaftet wurde (Bruttorendite). Wird hiervon die einkommensteuerliche Grenzbelastung abgezogen, welcher der Steuerpflichtige während der Ansparphase unterlegen hat, erhält man die Nettorendite, die ein traditionell besteuerter Sparer bei gleicher Vermögensanlage erwirtschaftet hätte. Addiert man zu der ermittelten Netto- und Bruttorendite jeweils 1, setzt die Summen zueinander ins Verhältnis, potenziert diesen Quotienten mit den Jahren des Anlagezeitraums und subtrahiert diesen Term von 1, ergibt sich der gesuchte Faktor. Seine Multiplikation mit dem Betrag, der dem nachgelagert besteuerten Sparer nach der Regelbelastung der Ersparnisauflösung verbleibt, errechnet jene Belastung, die den nachgelagert besteuerten Investor so stellt, als wäre er traditionell besteuert worden. Belastungskorrekturfaktor = 1 – [(1 + Nettorendite)/(1 + Bruttorendite)]Anlagezeitraum = 1 – {[1 + (1 – t ESt) * r]/[1 + r]}t

{Jahre}

mit t = Anlagedauer in Jahren, r = Bruttorendite und t = Grenzsteuersatz Die Belastungswirkungen des Korrekturfaktors zeigt folgendes Beispiel, dessen Zahlen auf § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG abgestimmt sind (nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente229). Spart ein Steuerpflichtiger in 2008 2.100,– Euro aus unversteuertem Einkommen, ergibt sich hieraus bei einer Bruttorendite von 6% im Jahre 2048 ein Kapitalstock von 20.377,37 Euro230. Lässt sich der Sparer das Investitionskapital in 2048 vollumfänglich auszahlen, um es konsumtiv zu verwenden, unterliegt er mit dem gesamten Betrag seiner – mit 42% angenommenen – einkommensteuerlichen Grenzbelastung. Nachdem der Steuerpflichtige 8.558,50 Euro Einkommensteuer gezahlt hat, verbleiben ihm 11.818,87 Euro231 für Konsumzwecke (NachSteuer-Konsumpotential). Wird auf diesen Betrag nun der Belastungskorrekturfaktor angewendet, welcher hier 60,8734%232 beträgt und dem vorherigen Sparer und nunmehrigen Konsumenten zusätzliche 7.194,55 Euro233 abverlangt, verfügt dieser mit 4.624,32 Euro234 über genau das Konsumpotential, das ein traditionell besteuerter Investor bei gleicher Rendite und gleichem Konsumverzicht235 akkumuliert hätte (Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen). 228 Vgl. dazu bereits C. Dorenkamp, Die nachgelagerte Besteuerung der sog. Riester-Rente – einkommensteuerrechtlich ein großer Wurf, zumindest für den Regelfall, StuW 2001, 253 (264 f.). 229 Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 6 Abschn. D., S. 195 ff. 230 2.100 Euro * (1 + 6% {Rendite})39 = 20.377,37 Euro. 231 (1 – 42% ESt) * 20.377,37 Euro [FN 230] = 11.818,87 Euro. 232 1 – {[1 + (1 – 42% ESt) * 6%]/[1 + 6%]}39 = 1 – 0,391266 = 60,8734%. 233 60,8734% [FN 232]) * 11.818,87 Euro [FN 231] = 7.194,55 Euro. 234 11.818,87 Euro [FN 231] – 7.194,55 Euro [FN 233] = 4.624,32 Euro = [(1 – 42% ESt) * 2.100 Euro] * [1 + (1 – 42% ESt) * 6% {Rendite}]39{Anlagedauer}.

B. Nachgelagerte Besteuerung und Einkünfteermittlung

73

Wie groß der Belastungsvorteil aus der nachgelagerten Besteuerung ist, kann nur für jeden Einzelfall gesondert berechnet werden. Er hängt von der Anlagedauer, der Rendite sowie der Grenzbelastung ab. So verfügt ein nachgelagert besteuerter Investor, der dem Einkommensteuerspitzensatz 2005 unterliegt (42%236), bei einer Anlagedauer von 40 Jahren und einer Bruttorendite von 6% über 250% des Betrages, der einem traditionell besteuerten Sparer zur Verfügung steht. Bei einer Bruttorendite von 10% ist sein Konsumpotential schon fünfmal höher.237 Bereits nach 10-jähriger Anlagedauer müsste ein Drittel des Konsumpotentials abgeschöpft werden, das dem nachgelagert besteuerten Investor nach Steuern verbleibt, um ihn wie einen traditionell besteuerten Sparer zu stellen.238

B. Belastungsäquivalenz zwischen nachgelagerter Besteuerung und zahlungsstromorientierter Einkünfteermittlung (Cash Flow-Besteuerung) I. Zahlungsstromorientierte Einkünfteermittlung (Cash Flow-Besteuerung) Die Cash Flow-Besteuerung ermittelt Einkommen zahlungsstromorientiert. Sie belastet nicht die periodische Reinvermögensveränderung eines Steuerpflichtigen, sondern den Zahlungsmittelüberschuss einer Besteuerungsperiode.239 Ausgaben für investive Zwecke (z. B. Anschaffung von 235

Aus dem Konsumverzicht von 1.218 Euro folgt bei traditioneller Besteuerung auch nur ein Investitionskapital in dieser Höhe, während es bei nachgelagerter Besteuerung infolge der steuermindernden Wirkung der Abzugsfähigkeit der investierten Reinvermögensmehrungen von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage um den Faktor 1,724 [= 1/(1 – 42% ESt)] auf 2.100 Euro erhöht wird. 236 §§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001. 237 Auf die Sparleistung von 2.100 Euro entfällt dann Kapital von 86.404 Euro [= 2.100 Euro * (1 + 10%)39], dessen 42%-ige Besteuerung dem Investor 50.114 Euro belässt. Hätte er aus versteuertem Einkommen sparen müssen, könnte er nur über 10.980 Euro verfügen kann [= (1-42% ESt) * 2.100 Euro * [1 + (1 – 42% ESt) * 10%]39]. 78% der Nettoauszahlung müssten zurückgefordert werden. 238 Dieser hätte 2.140 Euro zur Verfügung {= (1 – 42% ESt) * 2.100 Euro * [1 + (1 – 42% ESt) * 10%]10}. Die 42%-ige Besteuerung reduziert das Sparkapital des nachgelagert besteuerten Investors nur von 5.447 Euro [= 2.100 Euro* (1 + 10%)10] auf 3.159 Euro. Eine zusätzliche Belastung mit 32,25% wäre erforderlich, um den nachgelagert besteuerten Investor wie einen traditionell besteuerten zu stellen. 239 Vgl. D. Bach, Die Idee der Cash-Flow-Steuer vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Steuersystems, 1992, S. 425. Zu den verschiedenen Ausgestaltungen einer Cash Flow-Besteuerung z. B. M. A. King, The Cash Flow Corporate Income Tax, in M. Feldstein (Hrsg.), The Effects of Taxation on Capital Accumulation, 1987, S. 377 (379 ff.); M. Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbe-

74

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens [Aktivtausch]) sind vollumfänglich im Veranlagungszeitraum des Mittelabflusses abzugsfähig, zahlungsunwirksame Aufwendungen steuerneutral (z. B. Zuführungen zu Rückstellungen). Dem Grundprinzip der vereinfachten Gewinnermittlung des § 4 Abs. 3 EStG folgend, würde der betriebliche Cash Flow belastet, wenn für Besteuerungszwecke alle herkömmlichen Bilanzpositionen mit Null bewertet würden240 (Überschuss der Erwerbseinnahmen über die Erwerbsausgaben).241 II. Belastungsäquivalenz von Cash Flowund nachgelagerter Besteuerung Aus der sofortigen Erfolgswirksamkeit von investiven Ausgaben bei einer Cash Flow-Besteuerung folgt die steuerliche Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung (Sofortabschreibung). Im Gegenzug unterliegt die Ersparnisauflösung der Besteuerung. Den Rückflüssen aus den Investitionsprojekten stehen solange keine Abzugsposten gegenüber, wie die betreffenden Zahlungen nicht reinvestiert werden. Die Steuerlast hängt allein von den Zahlungsströmen zwischen betrieblicher Investitions- und privater Konsumsphäre ab.242 Infolgedessen greifen die zahlungsstromorientierte Ermittlung und die nachgelagerte Besteuerung von Einkommen auf dieselbe Bemessungsgrundlage zu. Beide Besteuerungskonzeptionen gewähren investierten Reinvermögensmehrungen einen Besteuerungsaufschub und befreien die marktübliche Verzinsung von Investitionskapital implizit von der Besteuerung.243 Die Bemessungsgrundlagenidentität ist offensichtlich für die Aktivposten einer herkömmlichen Bilanz. Diese spiegeln für Zwecke des Betriebsvermögensvergleichs die aktivierungspflichtigen Investitionsauszahlungen wider (Anschaffungskosten). So mindern Investitionsausgaben die Bemessungsgrundlage einer Cash Flow-Steuer steuerung, 1992, S. 90 ff.; D. Cansier, Cash-flow-Steuern: Neue Wege der Unternehmensbesteuerung?, Wirtschaftsdienst 1989, 49 ff. 240 Vgl. E. Wenger, Vom Sammelsurium zum System (FN 145), in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte, S. 115 (127); ders., Erfolglose Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer (FN 186), in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen vs. Konsum, S. 37 (46 f.). 241 Vgl. zu diesbezüglichen Forderungen aus der Steuerrechtswissenschaft sowie BFH-Richterschaft FN 543 und FN 544 sowie FN 545. 242 Vgl. auch Meade Committee, The Structure and Reform of Direct Taxation, 1978, S. 248 ff.; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Gutachten zur Reform der Unternehmens-besteuerung, BMF-Schriftenreihe Heft 43, 1990, S. 20, Tz. 51. Zur Bedeutung betrieblichen Cash Flow für das Konsumpotential des Investors C. Helbling, Unternehmensbewertung auf der Basis von Einnahmen, Ausschüttungen, Cash Flows oder Gewinnen?, in ders. (Hrsg.), Fortschritte im Rechnungswesen, 1994, 33 ff. 243 Vgl. dazu oben Abschn. A.II.1., S. 64 ff.

C. Nachgelagerte und zinsbereinigte Besteuerung?

75

ebenso wie jene der nachgelagerten Besteuerung (Ersparnisbildung). Bei der zahlungsstromorientierten Ermittlung von Einkommen folgt dies daraus, dass investive Aufwendungen regelmäßig mit dem Abfluss von Zahlungsmittelbeständen einhergehen. Die nachgelagerte Besteuerung geht zwar vom reinvermögenszugangstheoretisch bestimmten, d.h. durch Betriebsvermögensvergleich ermittelten Einkommen aus, auf das sich Auszahlungen für Investitionsprojekte nicht negativ auswirken (erfolgsneutraler Aktivtausch). Die Ersparnisbildung ist jedoch auf der Ebene der Einkünfteverwendung abzugsfähig. Bemessungsgrundlagenidentität besteht auch auf der Passivseite einer herkömmlichen Bilanz. Hier unterscheidet sich die zahlungsstromorientierte Einkommensermittlung vom Betriebsvermögensvergleich dadurch, dass weder Rückstellungen gebildet noch Verbindlichkeiten angesetzt werden dürfen. Bei Rückstellungen mindert die Reinvermögensminderung die Bemessungsgrundlage der nachgelagerten Besteuerung bereits auf Ebene der Einkünfteentstehung. Das gleiche Ergebnis erzielt eine Cash Flow-Besteuerung, indem das Unternehmensvermögen reinvestiert wird (investive Einkommensverwendung): In Ermangelung eines Zahlungsmittelabflusses in die Konsumsphäre entsteht keine Cash Flow-Steuer.244 Ähnlich verhält es sich bei fremdfinanzierten Investitionen, d.h. bei betrieblich veranlassten Verbindlichkeiten. Bei nachgelagerter Besteuerung fehlt es insoweit sowohl an einer Reinvermögensänderung als auch an einer Ersparnisbildung. Einerseits kompensiert die empfangene Kreditauszahlung bzw. die hiermit finanzierte Investition die Vermögensminderung, die mit der Verbindlichkeit einhergeht (erfolgsneutrale Bilanzverlängerung). Andererseits ist die kreditfinanzierte Investition nicht mit einer – abzugsfähigen – Ersparnisbildung verbunden, da dem betreffenden Wirtschaftsgut eine entsprechende Darlehensschuld gegenübersteht. Ebenso steuerneutral ist die fremdfinanzierte Investition bei der Cash Flow-Besteuerung. Während die zugeflossene Kreditsumme die Bemessungsgrundlage erhöht, sind die hiermit finanzierten Investitionsausgaben abzugsfähig.

C. Belastungsäquivalenz zwischen nachgelagerter und zinsbereinigter Besteuerung? Das Konzept der zinsbereinigten Einkommensbesteuerung wurde von Ekkehard Wenger245 und Broadway/Bruce246 entwickelt.247 Kroatien hat es 244 Verwendet die zahlungsstromorientiert besteuerte betriebliche Einheit ihre Einkünfte hingegen konsumtiv, sind die Sachverhalte, die der jeweiligen Besteuerung zugrunde liegen, inkongruent (keine Ersparnisbildung). 245 Vgl. E. Wenger, Gleichmäßigkeit der Besteuerung (FN 15), Finanzarchiv 1983, 207 ff. 246 Vgl. Broadway/Bruce, A General Proposition on the Design of a Neutral Business Tax, Journal of Public Economics 1984 (13), 231 ff. 247 Vgl. zu einer Quantifizierung der Belastungswirkungen einer Zinsbereinigung der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage O. Jacobs, Ist die zinskorrigierte Besteuerung ein Ansatz zur Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa?, in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, DBA und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS Debatin, 1997, S. 207 (222 ff.).

76

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

unter Mitwirkung von Manfred Rose, Franz W. Wagner und Ekkehard Wenger in 1994 implementiert.248 Das kroatische249 Einkommen- und Gewinnsteuerrecht nahm Kapitaleinkünfte in Höhe der marktüblichen Verzinsung des Einkünfteerzielungsvermögens von der Besteuerung aus. Eine abgeltende Unternehmensteuer (Gewinnsteuer) ließ eine sog. Schutzverzinsung des bilanzierten Eigenkapitals zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zu. Hierdurch wurden Unternehmensgewinne nur insoweit belastet, als sie die marktübliche Verzinsung des eingesetzten Kapitals überschritten. Entsprechend war bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung das Produkt aus dem marktüblichen Zinssatz und dem Buchwert des Vermietungsobjektes abzugsfähig. Private Zinseinkünfte wurden vereinfachend zur Gänze von der Einkommensteuer befreit. Der kroatische Gesetzgeber ging davon aus, dass sie regelmäßig der marktüblichen Kapitalverzinsung (Schutzzinssatz) entsprechen. I. Belastungsäquivalenz bei marktüblich verzinsten Investitionsprojekten Die zinsbereinigte Einkommensteuer wird mit ihrer Barwertäquivalenz zur zahlungsstromorientierten Einkünfteermittlung (Cash Flow-Besteuerung250) bzw. nachgelagerten Besteuerung gerechtfertigt.251 Von Befürwortern einer konsumorientierten Ausgestaltung der steuerlichen Lasten248 Vgl. zum kroatischen Einkommens- und Gewinnsteuersystem Wagner/Wenger, Theoretische Konzeption und legislative Transformation eines marktwirtschaftlichen Steuersystems in der Republik Kroatien, in Sadowski/Czap/Wächter (Hrsg.), Regulierung und Unternehmenspolitik, 1996, S. 399 ff.; H. Wissel, Einkünfteerzielungsabsicht und Einkommensbegriff, 1997, S. 231 ff.; D. Kiesewetter, Theoretische Leitbilder einer Reform der Unternehmensbesteuerung, StuW 1997, 24 ff.; Stöckler/Wissel, Die Gewinnbesteuerung in der Republik Kroatien, IWB, F. 5 [Kroatien], Gr. 2, 1 ff.; Greß/Rose/Wiswesser, Marktorientierte Einkommensteuer, 1998; N. Schneider, Einkommensteuer und Gewinnsteuer in der Republik Kroatien, IStR 1998, 193 (199 f.); L. Lammersen, Die zinsbereinigte Einkommen- und Gewinnsteuer – Ökonomische Analyse eines aktuellen Reformvorschlags, 1999, S. 60 ff.; L. Knoll, Unternehmensgewinnbesteuerung in Kroatien, Italien und Österreich, DBW 2001, 335 (339 ff.). 249 Obwohl Kroatien Einkommen lediglich zwischen 1994 und 2001 zinsbereinigt besteuerte (vgl. zum kroatischen „Gesetz über Investitionsanreize“, das für reinvestierte Gewinne eine Belastung von 0 – 7% vorsieht, S. Pürner, IStR-Länderbericht zu Heft 13/2000, S. 3*), liegt den nachfolgenden Ausführungen diese Version der zinsbereinigten Einkommensteuer zugrunde. Denn nur in Kroatien wurde sie bislang in die Besteuerungswirklichkeit umgesetzt. 250 Vgl. dazu unten Abschn. B.I., S. 73 ff. 251 Vgl. nur M. Rose, Reform der Besteuerung des Sparens und der Kapitaleinkommen, BB 1992, Beilage Nr. 5, S. 7; ders., Praktische Ausgestaltung einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung (FN 171), S. 99 (103 f.); F. W. Wagner, Die

C. Nachgelagerte und zinsbereinigte Besteuerung?

77

austeilung wird sie dem nachgelagerten Korrespondenzprinzip häufig aus steuererhebungstechnischen Gründen vorgezogen252 (Praktikabilitätsgesichtspunkte). So erfordert die Zinsbereinigung der Bemessungsgrundlage keine Überprüfung der Einkommensverwendung (Konsum-Spar-Entscheidung). In Bezug auf Einkommen, das der Finanzierung normalverzinslicher Investitionsprojekte dient – d.h. solchen, deren Rendite der Verzinsung risikoloser Anleihen entspricht (z. B. vom Staat emittierte festverzinsliche Wertpapiere) –, trägt die Rechtfertigung der zinsbereinigten Einkommensteuer. Insoweit sind zinsbereinigte Einkommensteuer und nachgelagerte Besteuerung bzw. Cash Flow-Einkünfteermittlung tatsächlich belastungsäquivalent. Die marktübliche Verzinsung des Investitionskapitals bleibt jeweils steuerlich unbelastet. Bei der zinsbereinigten Einkommensteuer ergibt sich dies unmittelbar aus der Bemessungsgrundlage (Abzugsfähigkeit des Produktes aus Schutzzinssatz und eingesetztem Eigenkapital). Wie oben in Abschn. A.II. auf den Seiten 64 ff. gezeigt, entfaltet die nachgelagerte Besteuerung bzw. Cash Flow-Einkünfteermittlung dieselbe Belastungswirkung (implizite Steuerbefreiung). Dass das Konsumpotential [K] aus Reinvermögensmehrungen [DV], die in normalverzinsliche [r] Investitionsprojekte angelegt wurden, bei nachgelagerter und zinsbereinigter Besteuerung gleich hoch ist, ergibt sich unmittelbar aus der formalen Darstellung dieser beiden Besteuerungskonzeptionen. So entspricht der Term Knachgelagerte

ESt

= (1 – t) * [DV * (1 + r)t]

dem Ausdruck Kzinsbereingte

ESt

= [(1 – t) * DV] * (1 + r)t.

Die zinsbereinigte Einkommensteuer kann infolgedessen auch als vorgelagerte Besteuerung bezeichnet werden. Dieser Begriff wird dann für ein Konzept steuerlicher Lastenausteilung verwandt, das von dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer – ebenso wie die nachgelagerte Besteuerung – dadurch abweicht, dass Kapitaleinkommen in Höhe der marktüblichen Verzinsung von der Besteuerung Integration einer Abgeltungssteuer in das Steuersystem – Ökonomische Analyse der Kapitaleinkommensbesteuerung in Deutschland und der EU, DB 1999, 1520 (1523). 252 Vgl. nur McLure/Zodrow, Administrative Vorteile des individuellen Steuervorauszahlungsansatzes gegenüber einer direkten Konsumbesteuerung, in M. Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, 1991, S. 117 (134 ff.); E. Wenger, Lebenszeitbezogene Gleichmäßigkeit (FN 15), Finanzarchiv 1985, 307 (311 ff.); M. Hiller, US-amerikanische Vorschläge zur Konsumbesteuerung, DBW 1999, 792 (804 f.). Vgl. dazu auch C. Seidl, Administration Problems of an Expenditure Tax, in M. Rose, Heidelberg Congress on Taxing Consumption, 1990, S. 407 (417 ff.).

9.703,51

10.285,72

40

S

9.285,72

582,21

549,26

...

67,42

63,60

60,00

0,00

Ertrag

10.285,72

9.703,51

9.154,25

...

1.123,60

1,060,00

1.000,00

1.000,00

Sparkapital nach ESt

9.285,72

582,21

549,26

...

67,42

63,60

60,00

0,00

Ertrag nach ESt

6.171,43

6.171,43

5.822,10

...

714,60

674,16

636,00

600,00

Konsum nach ESt

40,0%

40,0%

40,0%

...

40,0%

40,0%

40,0%

40,0%

6.171,43

5.822,10

5.492,55

...

674,16

636,00

600,00

600,00

5.571

349,33

329,55

...

40,45

38,16

36,00

0,00

Ertrag nach ESt

6.171,43

6.171,43

5.822,10

...

714,61

674,16

636,00

600,00

40,0%

40,0%

40,0%

...

40,0%

40,0%

40,0%

40,0%

Konsum Überperiod. nach ESt ESt-Last

Welt mit zinsbereinigter ESt

Überperiod. Sparkapital ESt-Last nach ESt

Welt mit nachgelagerter ESt

* 40% ESt; 6% Rendite (= Schutzzinssatz); 1.000 Euro gesparte Einkünfte.

...

9.154,25

...

39

1.060,00

1.123,60

1.000,00

1

2

1.000,00

0

3

Sparkapital

VZ

Welt ohne ESt

Identische überperiodische Steuerlast bei nachgelagerter und zinsbereinigter Besteuerung*

78 Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

C. Nachgelagerte und zinsbereinigte Besteuerung?

79

befreit wird. Unglücklich gewählt ist der Begriff vorgelagerte Besteuerung bzw. vorgelagertes Korrespondenzprinzip/Verfahren hingegen für ein Konzept der Alterseinkünftebesteuerung, das den Erwerb von Versorgungsanwartschaften ebenso belastet wie den Ertragsanteil der Versorgungsleistungen.253 Denn dies entspricht exakt dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer (Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen, Besteuerung der Ersparniserträge).

II. Unterschiede zwischen nachgelagerter und zinsbereinigter Besteuerung Trotz der Belastungsäquivalenz bei normalverzinslichen Investitionen bestehen zwischen nachgelagerter und zinsbereinigter Besteuerung Unterschiede. Mit ihnen beschäftigt sich dieser Abschnitt. Sie stehen einer Bevorzugung der zinsbereinigten Einkommensteuer allein aus steuererhebungstechnischen Gesichtspunkten254 entgegen. 1. Belastungsäquivalenz bei überrentierlichen Investitionsprojekten? Eine Investition verzinst sich überdurchschnittlich, wenn ihre Rendite die Verzinsung risikoloser Kapitalanlagen überschreitet (überrentierliche Investition). Die Rückflüsse aus derartigen Investitionsprojekten werden von einer zinsbereinigten Einkommensteuer belastet, da sie nur das Produkt aus dem marktüblichen Zinssatz und dem eingesetzten Eigenkapital zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zulässt. Damit generiert der Fiskus aus überdurchschnittlich verzinsten Investitionen der Steuerpflichtigen auch barwertmäßig ein positives Steueraufkommen. Wie oben in Abschn. A.II.2. auf den Seiten 69 ff. gezeigt, gilt gleiches für die nachgelagerte Besteuerung. Infolgedessen scheint die zinsbereinigte Einkommensteuer dem nachgelagerten Korrespondenzprinzip auch insoweit belastungsäquivalent. Dass es für den Steuerpflichtigen bei überrentierlichen Investitionsprojekten aber keineswegs irrelevant ist, ob er nachgelagert oder zinsbereinigt besteuert wird, zeigt folgendes Beispiel: Betrachtet sei zunächst ein nachgelagert besteuerter Investor, der auf Gegenwartskonsum in Höhe von 1.000 Euro verzichtet, um diesen Betrag in ein Anlageobjekt zu investieren, welches sich mit 100% rentiert. Bei einer marktüblichen Verzinsung von 10% handelt es sich um ein überrentierliches Investitionsprojekt. Bei einem Steuersatz von 50% steht dem Investor nach einem Jahr ein Nach-Steuer-Konsum253 In diesem Zusammenhang sprechen von vorgelagerter Besteuerung z. B. der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium, Alterseinkünfte (FN 28), S. 9 f. und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1993/94, BT-Drucks 12/6170, Tz. 312. Krit. hierzu auch Krause-Junk/Müller, Nachgelagertes Verfahren (FN 135), DB 1999, 2282. 254 Vgl. Nachweise in FN 252.

80

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

potential von 2.000 Euro zur Verfügung. Sein Investitionskapital betrug infolge des Besteuerungsaufschubs 2.000 Euro255. Auf die Investitionsrückflüsse (4.000 Euro) schuldete der Investor 2.000 Euro Einkommensteuer (50%). Der zinsbereinigt besteuerte Sparer kann hingegen nur 1.000 Euro investieren, da das Investitionskapital seine Einkommensteuerschuld in der Investitionsperiode nicht mindert. Dafür hat er die Investitionsrückflüsse nur insoweit zu versteuern, als sie auf Kapitalerträgen beruhen, welche die marktübliche Verzinsung übersteigen. Folglich schuldet der zinsbereinigt besteuerte Investor 450 Euro Einkommensteuer auf 900 Euro (Überrendite256). Es verbleibt ein Konsumpotential von 1.550 Euro. Zwar steht er sich damit um 50 Euro besser als ein traditionell besteuerter Sparer, der zusätzlich die marktübliche Rendite (100 Euro) zu versteuern gehabt hätte. Allerdings ist sein Nach-Steuer-Konsumpotential um 450 Euro geringer als jenes des nachgelagert besteuerten Investors. Diesem stehen nämlich, wie oben gezeigt, trotz gleich hohen Konsumverzichts in der Investitionsperiode, nunmehr 2.000 Euro zur Verfügung.

Zwar liegt diese Belastungsdivergenz nicht darin begründet, dass das nachgelagerte Korrespondenzprinzip die Reinvermögensmehrungen aus überrentierlichen Investitionsprojekten geringer belasten würde als die zinsbereinigte Einkommensteuer. Vielmehr beruht das unterschiedlich hohe Konsumpotential allein darauf, dass der nachgelagert besteuerte Investor wegen seines höheren Investitionsvolumens in größerem Ausmaß an den überdurchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten partizipiert hat, die mit dem überrentierlichen Investitionsprojekt verbunden waren. So würde der zinsbereinigt besteuerte Sparer ebenfalls über ein Konsumpotential von 2.000 Euro verfügen, wenn auch er – z. B. nach Aufnahme eines Kredits – 2.000 Euro in das betreffende Projekt investiert hätte. Von den Investitionsrückflüssen (4.000 Euro) wären lediglich 1.000 Euro in die Kredittilgung geflossen sowie 100 Euro für die Fremdkapitalzinsen (10%) und 900 Euro Einkommensteuer257 aufzubringen gewesen.

255

Wer bei nachgelagerter Besteuerung auf einen bestimmten Gegenwartskonsum verzichtet, kann einen Betrag investieren, der den Konsumverzicht um den Faktor [1/(1 – t)] übersteigt. Denn der Fiskus „beteiligt“ sich in Höhe der Grenzbelastung an der Investitionssumme, da er sie zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zulässt. Bei einem Einkommensteuersatz von 50% berechnet sich ein Vervielfältiger von 2, der Sparer kann folglich 2.000 Euro investieren, wenn er auf 1.000 Euro Gegenwartskonsum verzichten will. Infolge der Investitionstätigkeit sinkt seine Einkommensteuerschuld um 1.000 Euro. 256 Der Investitionsrückfluss von 2.000 Euro beruht in Höhe von 1.000 Euro auf bereits versteuertem Einkommen (Investitionskapital) und in Höhe von 100 Euro auf der marktüblichen Rendite von 10% auf das Investitionskapital. 257 Die geschuldeten Steuerzahlungen in Höhe von 900 Euro ergeben sich aus dem erwirtschafteten Kapitalertrag von 2.000 Euro, da hiervon 100 Euro Fremdkapitalzinsen (objektives Nettoprinzip) und 100 Euro Schutzzins auf das eingesetzte Eigenkapital (10% von 1.000 Euro) abzugsfähig sind. Es verbleibt eine einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage von 1.800 Euro.

C. Nachgelagerte und zinsbereinigte Besteuerung?

81

Kann sich allerdings nicht jeder Steuerpflichtige, der von einem vielversprechenden Investitionsprojekt weiß, zum marktüblichen Zinssatz beliebig hoch fremdfinanzieren (unvollkommener Kapitalmarkt) und wird von akkumuliertem Vermögen abgesehen, bestimmen sich die Investitionsmöglichkeiten allein nach den aktuellen Einkünften.258 Hiervon belässt die nachgelagerte Besteuerung dem Investor einen höheren Anteil als die zinsbereinigte Einkommensteuer. Sie schränkt die ökonomischen Aktivitäten und damit verbundenen Chancen und Risiken weniger ein, was sich im Belastungsergebnis auswirkt (unterschiedlich hohe Nach-Steuer-Konsumpotentiale). Zwar mag die zinsbereinigte Einkommensteuer intellektuell herausfordernder sein als das nachgelagerte Korrespondenzprinzip.259 Bei Investitionsprojekten, die sich nicht zum marktüblichen Zinssatz rentieren, fehlt es ihr bei unvollkommenen Kapitalmärkten aber an der Belastungsäquivalenz mit der nachgelagerten bzw. Cash Flow-Besteuerung260, die zu ihrer Rechtfertigung bemüht261 wird. Dies zeigen auch die unterschiedlichen Belastungsergebnisse von zinsbereinigter und nachgelagerter Besteuerung bei Investitionsprojekten, die sich unterdurchschnittlich rentieren. Wird der Extremfall der vollständigen Kapitalvernichtung betrachtet, verbleibt dem nachgelagert besteuerten Sparer von den 2.000 Euro, die er aus unversteuertem Einkommen in das Totalverlustprojekt investiert hat, ein Konsumpotential von Null. Hierauf schuldet er keine Einkommensteuer, da den Reinvermögensmehrungen der Investitionsperiode (2.000 Euro) Vermögensminderungen aus der Folgeperiode in gleicher Höhe gegenüberstehen. Die ursprünglich erwirtschaftete Reinvermögensmehrung wird nicht besteuert, da es insoweit an Ersparnissen fehlt, die steuerpflichtig aufgelöst werden könnten (Wertverluste). Der zinsbereinigt besteuerte Investor hingegen erfährt keinen Totalverlust. Auf die Reinvermögensmehrungen in Höhe von 2.000 Euro hatte er bei einer Grenzbelastung von 50% zunächst 1.000 Euro Einkommensteuer zu zahlen. Deshalb konnte er

258 So z. B. Richter/Wiegard, Besteuerung deutscher Renten im Ausland (FN 173), in VDR (Hrsg.), Besteuerung der Altersvorsorge, S. 143 (149). 259 So ist wohl Ekkehard Wenger zu verstehen, wenn er in Bezug auf eine periodische Konsumsteuer ausführt, dass hier „das Problem der Besteuerung eines vom Konsum abweichenden Einkommens dadurch ,gelöst‘ [wird], dass man es beseitigt“, vgl. ders., Gleichmäßigkeit der Besteuerung (FN 15), Finanzarchiv 1983, 207 (227). 260 So wohl auch Ekkehard Wenger (Vom Sammelsurium zum System [FN 145], in M. Rose [Hrsg.], Standpunkte, S. 115 [132]), der einräumt, dass Cash Flow-Besteuerung und zinsbereinigte Einkommensteuer „auf Kapitalmarktunvollkommenheiten [. . .] zwar nicht exakt gleich“ reagieren. Allerdings meint Wenger, dass „die insoweit bestehenden Unterschiede aber keine Entscheidung in dem Sinne zulassen, dass sich eine unter rein steuersystematischen Gesichtspunkten überlegenere Alternative identifizieren ließe“. Ebenso E. Wenger, Erfolglose Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer (FN 186), in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen vs. Konsum, S. 37 (49). 261 Vgl. Nachweise in den Fußnoten 251 und 252.

82

Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

nur 1.000 Euro in das Verlustprojekt investieren. Von der Steuerzahlung, welche er in der Investitionsperiode geleistet hat, erhält er die Hälfte zurück (500 Euro). Denn die mit der Fehlinvestition verbundene Reinvermögensminderung (1.000 Euro) berechtigt zum Verlustrücktrag, § 10d EStG. Hinzu kommt die einkommensteuerliche Berücksichtigung des „Verlustes“, welcher aus der marktüblichen Verzinsung des Investitionskapitals resultiert. Diese wurde mit 10% angenommen (100 Euro = 10% * 1.000 Euro), weshalb dem zinsbereinigt besteuerten Steuerpflichtigen ein Erstattungsanspruch von weiteren 50 Euro zusteht. Der Steuergläubiger überweist dem zinsbereinigt besteuerten Sparer insgesamt 550 Euro, die ihm zum Konsum zur Verfügung stehen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich die Nach-Steuer-Konsumpotentiale von nachgelagert und zinsbereinigt besteuerten Investoren stets im Gleichklang entwickelten, wenn die zinsbereinigte Einkommensteuer nicht nur die marktübliche Kapitalverzinsung zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zuließe, sondern die gesamte Rendite. Dann wirkten sich zinsbereinigte und nachgelagerte Besteuerung allerdings für den Fiskus unterschiedlich aus. Nur die nachgelagerte Besteuerung würde aus Überrenditen ein barwertmäßig positives Steueraufkommen generieren. Die Gemeinschaft der Steuerzahler steigt bei renditebereinigter Bemessungsgrundlage früher aus der Risikogemeinschaft mit dem einzelnen Steuerpflichtigen aus. David F. Bradford formuliert dies wie folgt: „Depending on the details, the cash-flow acoounting required for consumptiontype taxation either leaves the government out of saving and investment transactions altogether (with the tax system sharing neither the cost nor the gains nor the losses) or it has the effect of making the government a full partner, sharing costs and payoffs in equal measure.“262 So verbleiben dem renditebereinigt besteuerten Sparer die gesamten 2.000 Euro, die er mit einem 100%-verzinslichen Investitionsprojekt erwirtschaftet, an dem er mit 1.000 Euro beteiligt war. Sein Nach-Steuer-Konsumpotential entspricht dem des nachgelagert besteuerten Investors, der infolge des späteren Steuerzugriffs bei einem Steuersatz von 50% 2.000 Euro in das überrentierliche Investitionsprojekt anlegen konnte, dafür aber mit der Ersparnisauflösung Steuern in Höhe von 2.000 Euro schuldet. Der Steuergläubiger hingegen steht sich bei nachgelagerter Besteuerung besser, da der Endwert der 1.000 Euro, die dem renditebereinigt besteuerten Sparer in der Investitionsperiode abverlangt wurden (Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen), den Ressourcentransfer des nachgelagert besteuerten Investors (2.000 Euro) um 900 Euro263 unterschreitet. Wie ein Totalverlust der investierten Reinvermögensmehrungen zeigt, verhält es sich umgekehrt bei unterdurchschnittlich verzinsten Investitionsprojekten: Während

262 D. F. Bradford, Untangling the Income Tax, Harvard University Press, 1986, S. 313 f. 263 2.000 Euro [Steuer des nachgelagert besteuerten Investors {Konsumperiode}] – 1.000 Euro [Steuer des renditebereinigt besteuerten Investors {Investitionsperiode}] * (1 + 10% [Aufdiskontierungsfaktor]) = 900 Euro.

C. Nachgelagerte und zinsbereinigte Besteuerung?

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renditebereinigt und nachgelagert besteuerten Investoren gleichermaßen ein NachSteuer-Konsumpotential von Null zur Verfügung steht, generiert der Fiskus aus den renditebereinigt belasteten Investitionsprojekten ein positives Steueraufkommen. Spiegelbildlich zur Nichtbeteiligung des Steuergläubigers an positiven Renditen werden Wertverluste nicht zur Verlustverrechnung zugelassen.

2. Übergangsdivergenz (Altkapital) Belastungsdivergenzen zwischen zinsbereinigter und nachgelagerter Besteuerung treten abgesehen von Grundfreibeträgen, die bei zinsbereinigter Bemessungsgrundlage im Alter möglicherweise nicht mehr ausgeschöpft werden können264, auch während des Übergangs von der traditionellen Besteuerung auf (Übergangsdivergenz).265 Zinsbereinigung und nachgelagertes Korrespondenzprinzip wirken sich unterschiedlich auf bereits akkumuliertes Vermögen aus (Altkapital). Die zinsbereinigte Einkommensteuer ist das Barwertäquivalent der steuerlichen Sofortabschreibung auch des gesamten Altkapitalbestands.266 Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Abzugsfähigkeit der Schutzverzinsung nicht auf neu gebildetes Einkünfteerzielungsvermögen beschränkt wird. Diese Beschränkung hat bislang, soweit ersichtlich, noch kein Befürworter der zinsbereinigten Einkommensteuer empfohlen.267 Eine Begrenzung des schutzzinsberechtigten Eigenkapitals würde auch die Praktikabilität der Zinsbereinigung beeinträchtigen 268, die ja ihre Vorzugswürdigkeit gegenüber der nachgelagerten Besteuerung begründen soll.269 264 Vgl. M. Rose, Praktische Ausgestaltung einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung (FN 171), S. 99 (104). 265 Vgl. ausführlich zum Übergang von der traditionellen Einkommensteuer zum nachgelagerten Korrespondenzprinzip Kapitel 11 Abschn. B.II., S. 278 ff. sowie fünfter und sechster Teil (Kapitel 12, S. 285 ff. [limitiert nachgelagerte Besteuerung] und Kapitel 13 ff., S. 304 ff. [partiell nachgelagerte Besteuerung]). 266 Vgl. D. Kiesewetter, Zinsbereinigte Einkommen- und Körperschaftsteuer (FN 226), S. 33. 267 Um der fiskalischen Übergangsproblematik Rechnung zu tragen, wird lediglich eine zunächst realitätsfern niedrige Festsetzung des Schutzzinses sowie anschließende schrittweise Anhebung auf das Niveau der marktüblichen Verzinsung vorgeschlagen (vgl. zu der belastungsäquivalenten Lösung einer abgeltenden Zinsbesteuerung F. W. Wagner, Integration einer Abgeltungssteuer (FN 251), DB 1999, 1520 [1528]). Da der Schutzzinssatz aber gleichermaßen auf Alt- wie Neukapital Anwendung finden soll, unterscheidet sich diese Übergangsregelung qualitativ nicht von der Reinform der zinsbereinigten Einkommensteuer. 268 Dies zeigt bereits der ausufernde Textumfang von § 11 des österreichischen Einkommensteuergesetzes (Ö-EStG), der den Eigenkapitalzuwachs einer niedrigeren Besteuerung unterwirft, sowie die Vielzahl der Berechnungen, die hierfür anzustellen sind (Ermittlung des gewichteten Eigenkapitalbestandes der letzten sieben Wirtschaftsjahre, § 11 Abs. 1 Nr. 1–4 EStG-Ö, vgl. dazu Begründung der Regierungsvorlage des österreichischen Ministerrats zu Art. I Z 6 Steuerreformgesetz 2000, ÖStZ 1999, 249 [257–262]).

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Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

Die nachgelagerte Besteuerung begrenzt die Einbeziehung des Altkapitals – und zwar unabhängig von betragsmäßigen Limitierungen, die in der Übergangsphase fiskalisch geboten sein mögen270 – auf eine Größe, die das akkumulierte Vermögen regelmäßig unterschreitet, nämlich die periodische Reinvermögensmehrung. Die Steuerpflichtigen haben jedenfalls dann keinen Anreiz, sich negative Einkünfte271 dadurch zu verschaffen, dass sie Altkapital in Neukapital umschichten und diesen Vorgang als Ersparnisbildung deklarieren, wenn hierfür weder verzinsliche Verlustrück- noch -vorträge gewährt werden. Zum einen geht die steuerliche Geltendmachung der Vermögensumschichtung mit der Steuerverstrickung des umgeschichteten Altkapitals einher (Einkommensteuerpflicht der Ersparnisauflösung). Zum anderen ergeben sich keine positiven Zinseffekte. Negative Einkünfte aus einer Ersparnisbildung, welche die periodische Reinvermögensmehrung überschreitet, können weder verzinslich zurück- noch vorgetragen werden. Gegen eine Zinsbereinigung der Bemessungsgrundlage lässt sich infolgedessen insbesondere anführen, dass eine Sofortabschreibung des Altkapitalbestandes – bzw. eine hierzu barwertäquivalent Regelung – anreiztheoretisch nicht geboten ist.272 Um die negativen Anreize der traditionellen Besteuerung zu eliminieren273 (Entzerrung der Konsum-Spar-Entscheidung, intertemporale Neutralität der Besteuerung), bedarf es keiner Besserstellung des Altkapitalbestandes. Der Substitutionseffekt der Kapitaleinkommensbesteuerung, von dem gemeinhin angenommen wird, dass er den entgegengesetzt wirkenden Einkommenseffekt überwiegt, und von dessen Wegfall man sich eine Zunahme der Investitionstätigkeit274 und privaten Altersvorsorge275 verspricht, 269

Vgl. Nachweise in FN 252. Vgl. dazu unten Kapitel 12, S. 285 ff. (limitiert nachgelagerte Besteuerung). 271 P. Kirchhof u.a. (Karlsruher Entwurf [FN 90], § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG-E mit Begründung) lassen negative Einkünfte ausdrücklich auch dann zu, wenn sie auf nachgelagert besteuerten und damit zum Abzug von der Bemessungsgrundlage berechtigenden Zukunftsvorsorgeaufwendungen beruhen. 272 Vgl. H.-W. Sinn, Alternativen zur Einkommensteuer, Beihefte zur Konjunkturpolitik, Heft 33, 1987, S. 11 (24); S. Homburg, Eine kommunale Unternehmensteuer für Deutschland, Wirtschaftsdienst 1996, 491 (393); D. F. Bradford, Untangling the Income Tax (FN 262), S. 320: „one-time tax on real assets“. Krit. hierzu E. Wenger, Wirtschaftswachstum, Unternehmensfinanzierung und internationaler Kapitalverkehr unter dem Einfluss der Besteuerung von Vermögenseinkünften, Finanzarchiv N.F. 47 (1989), 181 (217, 219). Zu anreizkompatiblen Übergangsregelungen vgl. auch D. F. Bradford, Consumption Taxes: Some Fundamental Transition Issues, in M. J. Boskin (Hrsg.), Frontiers of Tax Reform, 1996, S. 123 (142). 273 Vgl. zu Nachweisen zu den negativen Auswirkungen der traditionellen Einkommensteuer auf die Investitionstätigkeit und Altersvorsorge FN 274 und FN 275. 274 Vgl. Fehr/Wiegard, Lohnt sich eine konsumorientierte Neugestaltung des Steuersystems?, in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen versus Konsum, 1999, S. 65 (78); dies., Effizienzorientierte Steuerreformen – lässt sich die Verteilungsfrage vernachlässigen?, in G. Krause-Junk (Hrsg.), Steuersysteme der Zukunft, 270

C. Nachgelagerte und zinsbereinigte Besteuerung?

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wird auch ausgeschaltet, wenn nur die Erträge neuen Kapitals entlastet werden. Diese anreiztheoretischen Überlegungen mögen den österreichischen Gesetzgeber veranlasst haben, mit dem Steuerreformgesetz 2000 die marktübliche Verzinsung nur des Eigenkapitalzuwachses einer geringeren als der Regelbelastung zu unterwerfen276: Ab 2000 schulden österreichische Steuerpflichtige auf diesen Gewinnbestandteil nur 25% statt 34% Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer (Abzug der Verzinsung des Eigenkapitalzuwachses als Betriebsausgabe und Ansatz als Sondergewinn, § 11 Abs. 1 Satz 1 Ö-EStG). Allerdings ist die österreichische Begrenzung des Schutzzinsabzugs missglückt. Zwar ist ein Sondersteuersatz auf die Verzinsung Schriften des Vereins für Socialpolitik Bd. 256, 1998, S. 199 (221); C. Brown, Business-Income Taxation and Investment Incentives, in J. A. Metzler (Hrsg.), Income, Employment and Public Policy, FS Alvin H. Hansen, 1984, S. 300 (301); H.-W. Sinn, The Policy of Tax-Cut-Cum-Base-Broadening: Implications for International Capital Movements, in Neumann/Roskamp (Hrsg.), Public Finance and Performance of Enterprises, 1989, S. 153 (166); ders., Taxation and the Cost of Capital: The „old“ view, the „new“ view, and another view, in D. F. Bradford (Hrsg.), Tax policy and the Economiy, 1991, S. 25 (25 f.); ders., Kapitaleinkommensbesteuerung, 1985, S. 137 ff.; Kronberger Kreis, Steuerreform für Arbeit und Umwelt, 1996; S. 11 (23) M. Rose, Konsumorientierung des Steuersystems – theoretische Konzepte im Lichte empirischer Erfahrungen, in G. Krause-Junk (Hrsg.), Steuersysteme der Zukunft, Schriften des Vereins für Socalpolitik Bd. 256, 1998, S. 247 (258); ders., Reform der öffentlichen Finanzen zur Stärkung der Standortqualität, in H. Siebert (Hrsg.), Steuerpolitik und Standortqualität, 1996, S. 145 (155); ders, The Superiority of a Cosnumption-based Tax System, in M. Rose (Hrsg.), Heidelberg Congress on Taxing Consumption, 1990, S. 3 (14); U. Schreiber, Notwendigkeit und Alternativen einer Reform der Besteuerung von Kapitaleinkommen, in Jacobs/Spengel (Hrsg.), Aspekte der Unternehmensbesteuerung in Europa, ZEW-Wirtschaftsanalysen Bd. 4, 1996, S. 85 (101); Fuest/Huber, Why do countries subsidize investment and not employment?, NBER-Working Paper No. 6685, 1998, S. 2 ff. [empirische Nachweise des Zusammenhangs zwischen Investitionsförderung und der Schaffung von Arbeitsplätzen]; Hall/Rabushka, The Flat Tax, 2. Aufl. 1995, S. 40; King/Fullerton, The Taxation of Income from Capital – A Comparative Study of the United States, the United Kingdom, Sweden, and West Germany, 1984, S. 1; A. Sandmo, Investment Incentives and the Corporate Income Tax, Journal of Political Economy 1974 (Vol. 82), 287 (301); Bond/Devereux/Gammie, Tax Reform to Promote Investment, Oxford Review of Economic Policy 1996 (Vol. 12), 109 (113 f.); W. Leibfritz, Steuerliche Belastung und staatliche Förderung der Kapitalbildung in der Bundesrepublik Deutschland, ifo-Studien zur Finanzpolitik 36, 1986, S. 17*, 70 ff.; D. Bach, Cash-Flow-Steuer (FN 239), S. 435; R. Wiswesser, Einkommens- und Gewinnbesteuerung bei Inflation – Analyse bestehender Steuersysteme und Entwicklung eines Reformvorschlags, 1996, S. 279. 275 Vgl. z. B. E. Wenger, Kapitulation vor der Problematik der Kapitaleinkommensbesteuerung (FN 15), Finanzarchiv 1986, 258 (262); Börsch-Supan/Lührmann, Renten- und Pensionsbesteuerung (FN 28), S. 38 ff. 276 Vgl. Begründung der Regierungsvorlage des österreichischen Ministerrats zu Art. I Z 6 Steuerreformgesetz 2000 (§ 11 EStG-Ö), ÖStZ 1999, 249 (256): „Im Interesse der Förderung der Eigenkapitalbildung soll der Eigenkapitalzuwachs steuerlich begünstigt werden.“.

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Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

des Eigenkapitalzuwachses grundsätzlich geeignet, die intertemporale Neutralität der Besteuerung zu verbessern, ohne zugleich den Altkapitalbestand steuerlich besser zu stellen. § 11 Ö-EStG findet aber nur ein einziges Mal Anwendung, nämlich in dem Veranlagungszeitraum des Eigenkapitalzuwachses.277 Dadurch wird die marktübliche Verzinsung des Investitionskapitals nicht dauerhaft entlastet. Einer steuersystematischen Rechtfertigung ist die österreichische Regelung infolgedessen nicht zugänglich.

3. Veranlagungszeitraumbezogene Zielgenauigkeit des Maßstabs steuerlicher Lastenausteilung – Akzeptanzproblem der zinsbereinigten Einkommensteuer Zinsbereinigte und nachgelagerte Besteuerung entfalten nicht nur teilweise divergierende Belastungswirkungen.278 Sie dürften von der Gemeinschaft der Steuerzahler auch unterschiedlich wahrgenommen werden, da ihre Belastungswirkungen in den einzelnen Veranlagungszeiträumen grundlegend verschieden sind. Selbst wenn der Steuergesetzgeber sich auf überperiodische Gleichmäßigkeitsüberlegungen279 stützt, wird er auf nachvollziehbare Belastungsmaßstäbe innerhalb der einzelnen Besteuerungsabschnitte nicht verzichten können (Akzeptanzproblem der zinsbereinigten Einkommensteuer280). Auch Manfred Rose als engagierter Befürworter der zinsbereinigten Besteuerung meint: „Als Ökonom präferiere ich die sparbereinigte Einkommensteuer, weil hiermit die effektive und die gewünschte und die finanzpolitisch wünschenswerte Steuerwirkung direkt zusammenfallen.“281

Bleibt die Besteuerungsperiode außer Betracht, in der das Investitionskapital gebildet und zumindest idealiter auch besteuert wurde, vermittelt die Bemessungsgrundlage der zinsbereinigten Einkommensteuer den Eindruck, der Leistungsfähigkeitsindikator (Lebens-)Einkommen werde nur lückenhaft erfasst. Diese Lücken werden auch nicht durch einen unausweislichen Steuerzugriff in zukünftigen Veranlagungszeiträumen kompensiert. So zahlt ein Steuerpflichtiger, der Kapitaleinkünfte erwirtschaftet, im Gegensatz zu seinem Nachbarn, der z. B. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, auch dann keine Einkommensteuer, wenn sich weder seine zum Konsum 277 Vgl. auch Aigner/Ehrke/Heinrich, Österreich: Steuerreform 2000 liegt im Entwurf vor, IStR 1999, 337. 278 Vgl. dazu oben Abschn. 1. u. 2., S. 90 ff. und 83 ff. 279 Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 4 Abschn. A.II., S. 120 ff. 280 Wie hier auch J. Lang, Prinzipien und Systeme der Besteuerung von Einkommen, in I. Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 49 (81) sowie C. Dorenkamp, Partiell nachgelagerte Besteuerung (FN 139), StuW 2000, 121 (127 f.). 281 M. Rose, Ein einfaches Steuersystem für Deutschland, Wirtschaftsdienst 1994, 423 (428).

C. Nachgelagerte und zinsbereinigte Besteuerung?

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verfügbaren noch zum Konsum verwendeten Reinvermögensmehrungen von denen des Arbeitnehmers unterscheiden. Stefan Homburg beantwortet die Frage, „wie die Zinsbereinigung vom Normalbürger wahrgenommen würde“282, mit folgendem Beispiel: „Nehmen wir an, ein deutschstämmiger Aussiedler sei in Russland auf legale (oder vielleicht auch nicht so legale) Weise zu einem Vermögen von 1 Mio. DM gekommen. Nach seiner Einreise legt er das Geld an und erhält bei einem Nominalzins von 6% einen jährlichen Zinsertrag von 60.000 DM. Mir erscheint ausgeschlossen, dass der Arbeiternehmer die Zinsbereinigung als gerecht ansieht, wenn diese jedoch bedeutet, dass er selbst z. B. 10.000 DM Steuer zahlt und sein Nachbar nichts. Die KNS[283]-Gruppe könnte dem Arbeitnehmer auch kaum erklären, dass die jährlichen Zinseinnahmen von 60.000 DM in Wirklichkeit ja kein Einkommen sind, wenn man die Dinge nur richtig im Rahmen eines Arrow-Debreu-Modells sieht, innerhalb dessen der Gegenwartswert künftiger Zinsen definitorisch verschwindet. Der Arbeitnehmer würde möglicherweise entgegnen, dass die Realität nicht Arrow-Debreu-artig gestrickt ist, dass es Revolutionen, Umwälzungen und damit verbundene Vermögensverschiebungen gibt, außerdem Erbschaften und Schenkungen. Darin würde ich ihm zustimmen.“284

Die nachgelagerte Besteuerung dürfte bei der Gemeinschaft der Steuerzahler auf größere Akzeptanz stoßen. Auch innerhalb eines Besteuerungsabschnitts weisen die ausgeteilten Steuerlasten einen Bezug zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Steuerpflichtigen auf, da das nachgelagerte Korrespondenzprinzip die Einkünfteverwendung in die Bemessungsgrundlage einbezieht. Belastet wird die aktuelle Konsumleistungsfähigkeit: Wer sich in der Gegenwart weniger leistet, zahlt – jedenfalls zunächst – weniger Steuern. Gesparte Einkünfte werden in zukünftigen Veranlagungszeiträumen be282

S. Homburg, Wiederbelebung der klassischen Einkommensteuer? (FN 184), in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte, S. 107 (112). 283 „KNS“ steht für „Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems“, die KNS-Gruppe bestand aus den Wirtschaftswissenschaftlern Manfred Rose, Ekkehard Wenger und Franz W. Wagner. 284 S. Homburg, Wiederbelebung der klassischen Einkommensteuer? (FN 184), in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte, S. 107 (112). Krit. zu diesem Beispiel in dem gleichen Tagungsband allerdings E. Wenger, Vom Sammelsurium zum System (FN 145), in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte, S. 115 (132): „Wenn man Umfragen in der Bevölkerung glauben darf, wird die Zinsbesteuerung keineswegs als so gerecht empfunden, wie Homburg dies suggeriert. Im Übrigen ist auch der Verfasser in erster Linie Arbeitnehmer und hat in dieser Eigenschaft für sich selbst zu jener Beurteilung gefunden, die Homburg ,ausgeschlossen‘ erscheint. Soweit Homburg, auf ,Revolutionen, Umwälzungen und damit verbundene Vermögensverschiebungen‘ verweist, ist eine Zinsbesteuerung kaum das geeignete Instrument, um diese mit einer auch nur bescheidenen Treffsicherheit rückgängig zu machen. Abgesehen davon wäre auch die Frage zu stellen, wieviel Prozent des Volksvermögens auf solche ,Verschiebungen‘ zurückzuführen sind.“

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Kap. 2: Belastungswirkungen und Besteuerung

lastet, nämlich im Zeitpunkt der Ersparnisauflösung oder des Ablebens des Investors (Lebensendvermögensbesteuerung). Die steuerliche Lastenausteilung bestimmt sich bei nachgelagerter Besteuerung auch abschnittsweise nach einem Maßstab, der nutzentheoretisch begründbar ist und der allgemeinen Verbrauchsbesteuerung (Umsatzsteuer285) bereits heute286 zugrunde liegt. So vermag das Beispiel nicht zu überzeugen, mit dem Stefan Homburg seine Skepsis gegenüber der „in sich schlüssigen“287 Konzeption der nachgelagerten Besteuerung zu begründen sucht: „Angenommen, A verdiene jedes Jahr 50.000, die er sogleich konsumiert, B verdiene 1.000.000 und konsumiere ebenfalls 50.000 [. . .]. B ist eben persönlich anspruchslos und investiert jährlich 950.000 in den Aufbau seines Vermögens. [. . .] Im System der Ausgabensteuer[288] werden A und B bis zu ihrem Tod gleich besteuert, während sich bei Anwendung der Einkommensteuer für den B wesentlich höhere Steuerbeträge ergeben.“

Zwar sind die Steuerfolgen zutreffend dargestellt. Vernachlässigt wird jedoch, dass das Einkommen, welches B akkumuliert hat, der Besteuerung unterliegt, sobald B verstirbt. Die Nachbelastung des Lebensendvermögens kompensiert die gleiche Belastung der unterschiedlichen periodischen Reinvermögensmehrungen zu Lebzeiten von A und B. Im Ergebnis zahlt B mehr Steuern als A. Barwertmäßig übersteigt seine Steuerlast jene des A genau um das Zwanzigfache. Um diesen Faktor waren seine jährlichen Einkünfte höher, und auch die Ersparniserträge unterliegen der Lebensendvermögensbesteuerung. Dass B zusätzlich höher zu belasten ist, weil er periodische Reinvermögensmehrungen teilweise investiv verwendet hat (Anstieg der überperiodischen Steuerlast bei traditioneller Besteuerung289), dürfte die Gemeinschaft der Steuerzahler, d.h. der von Homburg bemühte „Normalbürger“, nicht als zwingend empfinden. Demnach verwirklicht das nachgelagerte Korrespondenzprinzip ein überperiodisches Gleichmäßigkeitskonzept290 (Leistungsfähigkeitsindikator Le285 Vgl. zur Umsatzsteuer als allgemeiner Verbrauchsteuer unten Kapitel 5 Abschn. A., S. 151 ff. 286 Vgl. dazu unten Kapitel 5 Abschn. A.I.1., S. 152 ff. Sowie z. B. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 903 ff. (905). 287 S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 226. 288 Die Ausgabensteuer entspricht der nachgelagerten Besteuerung von Einkommen, wenn die Vererbung des Lebensendvermögens als Konsum des Erblassers betrachtet wird, da diesen z. B. altruistische Motive zur Vermögensbildung veranlasst haben. 289 Vgl. dazu oben Abschn. A.I.2., S. 62 ff. 290 Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 3 Abschn. A.II.3., S. 99 ff. [Gleichheitssatzkonformität der nachgelagerten Besteuerung] sowie Kapitel 4 Abschn. A.III., S. 131 ff. [Geeignetheit der nachgelagerten Besteuerung zur gleichmäßigen Belastung des Leistungsfähigkeitsindikators Lebenseinkommen].

C. Nachgelagerte und zinsbereinigte Besteuerung?

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benseinkommen), ohne innerhalb der einzelnen Besteuerungsabschnitte einen als plausibel empfundenen Zusammenhang zwischen individuellen Steuerlasten und ökonomischen Lebensumständen vermissen zu lassen (Konsumleistungsfähigkeit). Letztgenannte Eigenschaft weist die zinsbereinigte Einkommensteuer nicht auf. Dies dürfte der Akzeptanz überperiodischer Gerechtigkeitsüberlegungen bei der letztlich wertungsabhängigen291 Entscheidung über den „richtigen“ Zeitpunkt der Besteuerung investierter Reinvermögensmehrungen nicht zuträglich sein. Auch deshalb steht die nachgelagerte Besteuerung im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit.

291 Vgl. H. Pollak, Anmerkungen zur Gerechtigkeit der Konsumausgabensteuer, in Bea/Kitterer (Hrsg.), Finanzwissenschaft im Dienst der Wirtschaftspolitik, FS Pohmer, 1990, S. 69 (84); S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 227; R. Peffekoven, Persönliche Ausgabensteuer (FN 154), HdF II, S. 417 (428 f.); M. Rose, Besteuerung des Sparens und der Kapitaleinkommen (FN 251), BB 1992, Beilage Nr. 5, S. 10; R. Elschen, Steuerliche Gerechtigkeit – Unzulässiger oder unzulänglicher Forschungsgegenstand der Steuerwissenschaften, StuW 1988, 1 (5 f.); M. Jachmann, Leistungsfähigkeitsprinzip und Umverteilung, StuW 1998, 293; D. Bach, Die Perspektiven des Leistungsfähigkeitsprinzips im gegenwärtigen Steuerrecht, StuW 1991, 116 (119). Vgl. auch bereits F. K. Mann, Die Gerechtigkeit in der Besteuerung, in H. Teschemacher (Hrsg.), Beiträge zur Finanzwissenschaft II, Festgabe für Schanz, 1928, S. 121 (139).

Zweiter Teil

Steuergerechtigkeit Rechtfertigt die Existenz des staatlichen Gemeinwesens die Erhebung von Steuern292 (Deutschland als Steuerstaat293), besteht die Aufgabe des staatlichen Abgabenrechts darin, die Gesamtsteuerlast auf die Mitglieder des Gemeinwesens zu verteilen. Dabei gilt die Gerechtigkeit der Steuerlastenausteilung als Voraussetzung der materialen Rechtsstaatlichkeit des Steuerrechts, als „Imperativ der Ethik“294. Das BVerfG leitet das Gebot der Steuergerechtigkeit aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ab (Art. 3 Abs. 1 GG).295 Dieser dritte Teil der Arbeit legt zunächst dar, dass eine Einkommensbesteuerung, die am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet ist, den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes an eine gerechte steuerliche Lastenausteilung genügt. Sie überschreitet auch die freiheitsrechtlichen Grenzen der Besteuerung nicht (Art. 2 Abs. 1; 14 GG), und ist mit der Finanzverfassung vereinbar (Art. 106 GG), vgl. Kapitel 3, Seiten 91 ff. Auf den Seiten 117 ff. versucht Kapitel 4 zu zeigen, dass das Lebenseinkommen der „geeignetste“296 Leistungsfähigkeitsindikator ist, und dass allein die nachgelagerte Besteuerung geeignet ist, ihn gleichmäßig zu belasten.

Vgl. dazu K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 228 ff. Vgl. dazu auch unten Abschn. 2, S. 94 ff. 293 Vgl. J. Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in Stödter/Thieme (Hrsg.), Hamburg, Deutschland, Europa, FS Ipsen, 1977, S. 409 [„Der Staat des Grundgesetzes ist Steuerstaat.“]; auch z. B. K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, 1980, S. 1092 („Die Steuer ist heute unentbehrliches Finanzierungsmittel des Staates und damit ebenso gerechtfertigt wie er selbst.“). Krit. allerdings S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 9: Durch den Hinweis, der liberale Rechtsstaat sei ein Steuerstaat, werde „das Problem [der Rechtfertigung von Steuern] nicht geklärt, sondern umgangen“. 294 K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 236. 295 Vgl. BVerfG v. 17.01.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55 (70); seitdem st. Rspr., vgl. Nachw. in J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 70 FN 1. 296 Vgl. zu dieser Terminologie K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 560. 292

A. Steuergerechtigkeit

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Kapitel 3

Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung A. Steuergerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt Steuergerechtigkeit297 und damit einen gerechten Maßstab der steuerlichen Lastenausteilung (iustitia distributiva bzw. contributiva298; Verteilungsgerechtigkeit, austeilende Gerechtigkeit). Ein gerechter Maßstab setzt neben Prinzipienhaftigkeit (formale Gerechtigkeit) die Sachgerechtigkeit des Prinzips voraus, dem die Austeilung der Steuerlasten folgt (materiale Gerechtigkeit).299 Hierbei bestimmt sich Sachgerechtigkeit „als auf die Sache bezogene, sachangemessene Gerechtigkeit“300 nach dem jeweiligen Regelungsgebiet und Regelungszweck.301 Es besteht ein gewisser „Bewertungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum“302 des Gesetzgebers. I. Leistungsfähigkeitsprinzip Als Fundamentalprinzip der Besteuerung gilt allgemein das Leistungsfähigkeitsprinzip.303 Die Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen 297

Vgl. Nachweis dieser st. BVerfG-Rspr. in FN 295. Gerechtigkeitsphilosophen unterscheiden seit Aristoteles und damit seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. zwischen der iustitia commutativa (vgl. dazu unten Abschn. 2., S. 94 ff. [Äquivalenzprinzip] sowie Kapitel 5 Abschn. A.III., S. 158 ff. [Umweltabgaben]) und der iustitia distributiva, vgl. dazu m.w.N. K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 260 f. sowie A. Kaufmann, Über Gerechtigkeit, 1993, S. 29 ff. Während das erstgenannte Gerechtigkeitskonzept den Leistungsaustausch zwischen privaten Rechtssubjekten umfasst (Tauschgerechtigkeit), beschäftigt sich die iustitia distributiva mit der Gewährung von Gütern durch das Gemeinwesens an seine Mitglieder (Verteilungsgerechtigkeit). Da das staatliche Abgabenrecht keine Leistungen an die Bürger gewährt (Verteilung von Überschüssen), sondern solche einfordert (Austeilung von Steuerlasten), ist die Gerechtigkeit in diesem Regelungsbereich allerdings treffender mit iustitia contributiva umschrieben. 299 Vgl. K. Tipke, StRO I1 (FN 34), S. 281 u. 284. 300 K. Tipke, StRO I1 (FN 34), S. 296. 301 Vgl. K. Tipke, StRO I1 (FN 34), S. 296 f. 302 K. Tipke, StRO I1 (FN 34), S. 303. 303 Vgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 560 mit zahlr. Nachw. in FN 35. Krit. hingegen K. Littmann, Ein Valet dem Leistungsfähigkeitsprinzip, in H. Haller (Hrsg.), Theorie und Praxis des finanzpolitischen Interventionismus, FS Neumark, 1970, S. 113 ff; H. W. Kruse, Die Einkommensteuer und die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, in Wendt/Höfling/Karpen/Oldiges (Hrsg.), Staat, Steuern, Wirtschaft, FS Friauf, 1996, S. 793 (796) [„Im Steuerrecht steht hinter dem Gleichheitssatz zunächst nur das Willkürverbot. Das liegt daran, dass dem Steuereingriff eine 298

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Kap. 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung

Leistungsfähigkeit richtet die Steuerlast des Einzelnen an seiner Fähigkeit aus, einen Ressourcentransfer an das Gemeinwesen zu erbringen (ability to pay principle). Insbesondere sind, wie nachfolgend gezeigt wird, weder das Kopfsteuer- noch das Äquivalenzprinzip geeignet, steuerliche Lasten gerecht auszuteilen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist alternativlos. 1. Alternatives Kopfsteuerprinzip? Das Kopfsteuerprinzip verlangt allen Steuerpflichtigen einen gleich hohen Geldbetrag zur Finanzierung der Staatsausgaben ab (head tax304). Die individuelle Steuerlast bestimmt sich unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Einzelnen. Die Ungerechtigkeit einer Steuerlastenausteilung nach Köpfen, die zuletzt in Großbritannien scheiterte305, scheint auf der Hand zu liegen. Die individuelle Steuerlast ist weder eine Funktion der Fähigkeit zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen noch eine des Nutzens, den der Einzelne aus der Existenz staatlicher Einrichtungen erfährt. So hieß es bereits 1866: „Es lässt sich ja wohl kaum eine Steuer denken, die ungleichmäßiger verteilt wäre, wie die, wo Herr von Rothschild und der niedrigste Tagelöhner mit gleichen Summen zur Steuerlast hergezogen werden.“306

a) Vereinfachungszwecknorm? Eine Kopfsteuer kann allerdings als Vereinfachungszwecknorm gerechtfertigt sein.307 Ist ein Gemeinwesen nur unzulänglich über die wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Mitglieder informiert, kann typisierend angenommen werden, dass alle Abgabeverpflichteten gleichermaßen zum Ressourvorgegebene Steuergesetzlichkeit fehlt.“]; ebenso ders. Über die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, StuW 1990, 322 (324 f.); W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung und Eigentum, 1978, S. 26; jüngst Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Verhandlungen des 14. Österreichischen Juristentages, Bd. III/1, 2000, S. 117 ff.; dies., Die mangelnde Leistungsfähigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips, ÖStZ 2000, 643 (644): „Wem gar nichts anderes mehr einfällt, der führt das Leistungsfähigkeitsprinzip ins Treffen.“ 304 Head taxes bzw. poll taxes unterscheiden sich von Pauschalsteuern (lump-sum taxes) dadurch, dass sie unabhängig von der persönlichen Anfangsausstattung erhoben werden (persönlich undifferenzierte Pauschalsteuern), vgl. dazu S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 172. 305 Die sog. poll tax (Community Charge) wurde schon bald nach ihrer Einführung wieder abgeschafft, vgl. dazu Butler/Adonis/Travers, Failure in British Government: The Politics of the Poll Tax, Oxford University Press, 1994. 306 E. Pfeiffer, Die Staatseinnahmen, Band 2, 1866, S. 122. 307 Vgl. zu Vereinfachungszwecknormen J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 130 ff.

A. Steuergerechtigkeit

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centransfer an das Gemeinwesen befähigt sind (Leistungsfähigkeitsprinzip) oder einen gleich hohen Nutzen aus der Existenz des Gemeinwesens erfahren (Äquivalenzprinzip). So sind Kopfsteuern in der Steuergeschichte häufig anzutreffen, weil Informationen über die individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse in der Frühzeit die Ausnahme waren.308 Angesichts der Möglichkeiten gegenwärtiger Steuergläubiger, sich über Einkommens-, Vermögens- oder Konsumverhältnisse der Steuerpflichtigen zu informieren, wäre eine derartige „vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung“309 derzeit jedoch unverhältnismäßig.310 b) Rawl’sche verfassungsgebende Versammlung risikoneutral? Mit der Rawl’schen Gerechtigkeitstheorie311 lässt sich eine Kopfsteuer allerdings auch in modernen, typischerweise hinlänglich informierten Staatswesen rechtfertigen. Wird Risikoneutralität in Bezug auf das Steuer- und Transfersystem unterstellt, würden die Mitglieder einer verfassungsgebenden Versammlung, die die Wirklichkeit mit Ausnahme ihrer eigenen Position darin genau kennen (sog. Schleier des Nichtwissens, veil of ignorance312), für eine Kopfsteuer optieren.313 Sie wüssten, dass die Fähigkeitssteuer aufgrund von Informationsproblemen nicht erhoben werden kann. Ebenfalls wäre bekannt, dass infolgedessen allein ein pauschaler Ressourcentransfer das Konsumpotential maximiert, welches jedes einzelne Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung zu erwarten hat. Aufgrund seiner Unausweichlichkeit entstünden keine effizienzmindernden Zusatzlasten der Besteuerung (kein excess burden).

308 Vgl. zum beständigen Wandel der steuerpolitischen Ideale und Besteuerungswirklichkeiten von der Frühzeit bis zur Gegenwart S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 25–54 (28). 309 BVerfG v. 25.09.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 (172). 310 Zu den Grenzen zulässiger Typisierung durch abgabenrechtliche Vorschriften H.-W. Arndt, Gleichheit im Steuerrecht, NVwZ 1988, 787 (789). 311 Vgl. dazu J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1971. 312 Vgl. J. Rawls, Theorie der Gerechtigkeit (FN 311), S. 159 ff.: Regelungen des staatlichen Gemeinwesens werden danach beurteilt, ob sie von einer verfassungsgebenden Versammlung beschlossen würden, deren Mitglieder die Realität mit all ihren Wirkungszusammenhängen kennen, nicht aber ihre eigene künftige Stellung in der Gesellschaft (Vermögen, physische und intellektuelle Fähigkeiten etc.). Eher krit. [zu konkreten Schlussfolgerungen aus diesem gesellschaftsvertraglichen Ansatz] K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 277; „Nun ist es aber praktisch wohl leider so, dass es keinen Menschen gibt, dem es wirklich gelänge, sich den ,Schleier der Unwissenheit‘ voll vorzuhängen, unparteilich und objektiv zu sein und die Interessen aller zu berücksichtigen.“ 313 Vgl. S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 233.

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Allerdings ist die Annahme risikoneutraler Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung unrealistisch. So verheißt die Kopfsteuer nicht nur den maximalen Erwartungswert des eigenen Konsumpotentials, sondern auch den Tod, falls sich mit der Lüftung des Schleiers des Nichtwissens herausstellt, dass der Entscheider hilfsbedürftig ist. Aus dem Selbsterhaltungstrieb folgt deshalb ein risikoscheues Abstimmungsverhalten.314 Die verfassungsgebende Versammlung wird für ein umverteilendes Steuersystem stimmen, das zwar weniger effizient ist als eine Kopfsteuer, jedoch das Überleben jedes Einzelnen sichert315 (staatliche Versicherung z. B. gegen körperliche oder geistige Behinderung316). Eine Austeilung der Steuerlasten nach dem Kopfsteuerprinzip lässt sich bei realistischen Annahmen über die Risikoeinstellungen der Mitglieder eines Gemeinwesens demnach auch aus der gesellschaftsvertraglichen Gerechtigkeitsphilosophie nicht ableiten. Im Übrigen würde eine steuerliche Lastenausteilung nach dem Kopfsteuerprinzip bereits an seiner Ungeeignetheit scheitern, ein Steueraufkommen in einer Höhe zu generieren, wie sie für ein modernes Staatswesen typisch ist. Die Steuerlast müsste an der Leistungsfähigkeit des schwächsten Mitglieds des Gemeinwesens ausgerichtet werden.317 2. Alternatives Äquivalenzprinzip? Das Äquivalenzprinzip begreift den Ressourcentransfer des Einzelnen als Preis für das Leistungsbündel, welches das staatliche Gemeinwesen erbringt (do ut des-Grundsatz). Die Steuerschuld bestimmt sich entweder nach dem Wert, den die staatlichen Leistungen für den Steuerpflichtigen bzw. für Gruppen von Steuerpflichtigen aufweisen (nutzenmäßige Individual- bzw. Gruppenäquivalenz), oder nach den Kosten, die dem Gemeinwesen verursacht werden (kostenmäßige Äquivalenz).318 Während das Äquivalenzprinzip durchaus die Erhebung von Steuern rechtfertigen kann, ist es nicht geeignet, die hieraus resultierenden Lasten gerecht auszuteilen. Dies zeigt das Beispiel – sozialstaatlich motivierter – umverteilender Steuern. Nach dem Äquivalenzprinzip ist die Auferlegung einer Steuer insoweit gerechtfertigt, als sie „keinen endgültigen Nutzenver314 So auch K. Walzer, Hauptgründe für die Wahl einer Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip, StuW 1986, 201 (205). 315 Vgl. S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 234. 316 Vgl. H.-W. Sinn, Das Selektionsprinzip und der Systemwettbewerb, in A. Oberhauser (Hrsg.), Fiskalföderalismus in Europa, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F. Bd. 253, 1997, S. 9 (30 ff.); ders., The Subsidiarity Principle and Market Failure in Systems Competition, CES-Working Paper No. 103, 1996, S. 2. 317 So auch K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 474 m. w. N. in FN 9. 318 Vgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 475.

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lust für die Gesamtheit bedeutet, sondern eine Leistung für entsprechende Gegenleistungen des Staates darstellt“319. So rechtfertigt sich die Unterstützung hilfsbedürftiger Mitglieder des Gemeinwesens aus der Versicherungsfunktion, die das staatliche Steuer-Transfer-System hinsichtlich von Risiken übernimmt, die privat nicht versicherbar sind (z. B. Geburt eines behinderten Kindes).320 Wie soll aber das Steueraufkommen, welches für die Transferleistungen benötigt wird, von den Nutznießern der staatlichen Unterstützung bzw. den Verursachern der Kosten, also den Transferberechtigten, generiert werden (nutzen- bzw. kostenmäßige Äquivalenz)? Da das Äquivalenzprinzip auf diese Frage keine Antwort gibt, führt es sich als Steuerausteilungsmaßstab selbst ad absurdum321.322 II. Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit Der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist kein unbestimmbares, aber ein unbestimmtes Prinzip323, das auch als Vergleichsmaßstab im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG (Steuergerechtigkeit324) der Konkretisierung bedarf.325 Erforderlich ist ein Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit. Hier räumt das BVerfG dem Gesetzgeber einen S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 9. Vgl. oben Abschn. 1.b), S. 93 f. sowie Nachweise in FN 315 u. 316. 321 So z. B. auch C. Rasenack, Neuorientierung des Steuersystems durch Einführung einer direkten Verbrauchsbesteuerung an Stelle der traditionellen Einkommensbesteuerung?, in Murswiek/Storost/Wolff (Hrsg.), Staat – Souveränität – Verfassung, FS Quaritsch, 2000, S. 364 (370); K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 476. 322 Zudem setzt eine Steuerlastenausteilung nach dem marktwirtschaftlichen do ut des-Grundsatz voraus, dass der Wert der Staatstätigkeit bzw. die zurechenbaren Kosten quantifizierbar sind. Dies ist für den Kernbereich der staatlichen Aufgaben, nämlich die Bereitstellung öffentlicher Güter (vgl. z. B. H.-W. Sinn Subsidiarity Principle and Market Failure [FN 316], S. 2), gerade nicht der Fall, da öffentliche Güter sich durch ihre Nichtausschließbarkeit und Nichtrivalität im Konsum auszeichnen. Aus ersterem folgt, dass die Nutznießer ihre Zahlungsbereitschaften nicht offenlegen (Unbestimmbarkeit des Wertes steuerfinanzierter Leistungen). Letzteres schließt eine Zuordnung der Kosten aus, die die Erstellung der öffentlichen Güter verursacht (Grenzkosten von Null). Zwar mögen Betätigungsfelder des Gemeinwesens existieren, in denen eine do ut des-Finanzierung möglich ist. Dies spricht aber weniger für die Geeignetheit des Äquivalenzprinzips als für eine ineffiziente Ausdehnung des steuerfinanzierten Sektors. Denn in einer marktwirtschaftlichen Ordnung besteht die Aufgabe des Staates darin, Ausnahmen vom Wettbewerb zu verwalten, d.h. dort tätig zu werden, wo der Marktmechanismus versagt (vgl. H.-W. Sinn, Deutschland im Steuerwettbewerb, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1997, 673 [692]; ders., Subsidiarity Principle and Market Failure [FN 316], S. 1). Sind Nutzen und Kosten öffentlicher Leistungen individuell oder gruppenbezogen zurechenbar, besteht keine Notwendigkeit für eine staatliche Leistungserstellung und damit auch nicht für eine steuerliche Lastenausteilung. 323 Vgl. K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 492 f. 319 320

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weitreichenden Entscheidungsspielraum ein, solange „die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit“326 umgesetzt wird (sog. Gestaltungsgleichheit327). Auch Klaus Tipke gesteht dem Gesetzgeber insoweit einen „gewissen Wertungsspielraum“328 zu. Ist die traditionelle Einkommensteuer ebenso mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar wie die allgemeine Verbrauchsbesteuerung, gilt selbiges für die nachgelagerte Besteuerung. Mit der Belastung des Lebenskonsums und des Lebensendvermögens kombiniert sie vorgenannte Konzepte steuerlicher Lastenausteilung lediglich miteinander. 1. Periodeneinkommen Nach Klaus Tipke ist das reinvermögenszugangstheoretisch bestimmte Einkommen der „geeignetste Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit“329. Als sachgerechteste Bemessungsgrundlage erachtet er die Erfassung jeder periodischen Reinvermögensmehrung, d.h. die Besteuerung nicht nur des konsumierten, sondern auch des konsumierbaren Periodeneinkommens: „Umstritten ist aber, ob der gesamte Vermögenszuwachs oder nur das für den Konsum disponible[330] Einkommen (kurz: Konsumeinkommen) die geeignetere Bemessungsgrundlage ist. Dass das gesamte disponible Einkommen – auch das nicht für den Konsum benötigte – zur Steuerzahlung befähigt, ist m. E. evident.“331

324 Vgl. nur BVerfG v. 17.01.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55 (70); seitdem st. Rspr., vgl. Nachw. in J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 70 FN 1. 325 Vgl. J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (55 ff.). 326 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (363) [Gliederungspunkt C.IV.1.]. Ebenso BVerfG v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); v. 7.5.1968 – 1 BvR 420/63, BVerfGE 23, 242 (256); v. 24.1.1962 – 1 BvR 232/60, BVerfGE 13, 318 (328). 327 Vgl. nur P. Kirchhof, in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, Allgemeine Grundrechtslehren (HStR V), 1992, § 124 Rz. 222 ff.; W. Heun in H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 1996, Art. 3 Rn. 34; C. Stark in v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 4. Aufl. 2000, Art. 3 Rz. 52 ff, 88. 328 K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 573. 329 K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 560. 330 Mit „für den Konsum disponiblem Einkommen“ ist wohl das zum Konsum verwendete Einkommen gemeint. Dies ergibt sich aus dem zweiten (oben zitierten) Satz, der das „gesamte disponible Einkommen“ von dem für den Konsum benötigtem abgrenzt. 331 K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 502.

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Richtet der Gesetzgeber die steuerliche Lastenausteilung am Periodeneinkommen aus, bewegt er sich infolgedessen schon deshalb innerhalb seines Wertungsspielraums, weil der „Doyen des deutschen Steuerrechts“ diesen Leistungsfähigkeitsindikator für den sachgerechtesten hält. Zwar fordert Tipke einen Verlustrück- und -vortrag332 sowie einen interperiodischen Progressionsausgleich333. Diese Ergänzungen, die die überperiodische, die Lebenskomponente des Tipkes’schen Belastungsideals ausmachen sollen, scheinen im Widerspruch zu dem – uneingeschränkt periodenbezogenen – Leitbild der traditionellen Einkommensteuer zu stehen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass in Besteuerungsperioden, in denen das Einkommen des Steuerpflichtigen negativ ist (Reinvermögensminderung), idealiter ein Transfer des Gemeinwesens an den Steuerpflichtigen erforderlich ist (spiegelbildliche Behandlung einer Reinvermögensmehrung). Ein interperiodischer Verlustausgleich holt diesen Transfer nach, den die Besteuerungswirklichkeit nicht kennt. Wird Barwertäquivalenz mit dem Idealzustand angestrebt, ist der Verlustrück- bzw. -vortrag verzinslich zu gewähren. Zum anderen leitet Klaus Tipke den direkt progressiven Tarif nicht vom Leistungsfähigkeitsgrundsatz ab, sondern vom Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG (Umverteilungseffizienz der Einkommensteuer). Schon deshalb widerspricht ein interperiodischer Progressionsausgleich nicht dem Leistungsfähigkeitsindikator Periodeneinkommen. Zudem sind interperiodische Progressionsverzerrungen keine Eigenart der traditionellen Einkommensteuer. Die treten auch bei einer Belastung des Lebenseinkommens auf (Periodenkonsum sowie Lebensendvermögen334). Zwar mögen Konsumausgaben regelmäßig gleichmäßiger über die einzelnen Besteuerungsabschnitte verteilt sein als Einkünfte. Bei überdurchschnittlichen Konsumausgaben oder der nachholenden Belastung des Lebensendvermögens kommt es aber ebenfalls zu Progressionssprüngen.

2. Periodenkonsum Zwar sieht Klaus Tipke Einkommen als den geeignetsten Leistungsfähigkeitsindikator an. Er meint jedoch nicht, Art. 3 Abs. 1 GG lege den Gesetzgeber auf die Verwirklichung des Belastungsideals der traditionellen Einkommensteuer fest. Das Leistungsfähigkeitsprinzip sei ein „mehr oder minder unbestimmtes“ Prinzip, woraus sich ein „gewisser Wertungsspielraum für den Gesetzgeber bei der Ausfüllung“ ergebe.335 „Gute Gründe“ sprächen nicht lediglich für die Erfassung des konsumierbaren Einkommens, sondern auch für die Belastung „nur des Konsumeinkommens“. „Mindestens vertretbar“ sei deshalb die „Annahme, die Steuerlastverteilung nach dem Konsumeinkommen sei sachgerecht“336: Vgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 671. Vgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 669. 334 Vgl. ausführlich zur Lebenseinkommensbesteuerung via nachgelagertes Korrespondenzprinzip unten Kapitel 4 Abschn. A.II.1. u. III.2., S. 122 f. u. 133 ff. 335 K. Tipke, Über Umsatzsteuer-Gerechtigkeit, StuW 1992, 103 (111). 332 333

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„Wenn nun selbst eminente Steuerwissenschaftler in aller Welt sich nicht darüber einigen können, für welche Version die besseren Gründe sprechen, dann ist es dem Gesetzgeber erlaubt, sich für die eine oder die andere Version zu entscheiden (ohne mit der Verfassung in Konflikt zu kommen).“337

So erachtet z. B. der amerikanische Philosoph John Rawls, dessen Gerechtigkeitstheorie, wenn auch in anderem Zusammenhang338, bereits Eingang in die BVerfG-Rechtsprechung gefunden hat, die Belastung nur des konsumierten Einkommens unter Gerechtigkeitsaspekten als vorzugswürdig: „Abgesehen von vielen Komplikationen sollte man doch festhalten, dass eine proportionale Verbrauchsteuer zu einem besten Steuersystem gehören kann. Einmal ist sie jeder Einkommensteuer vorzuziehen, wenn man von den Gerechtigkeitsforderungen des gemeinen Verstandes ausgeht, denn sie belastet gemäß den in Anspruch genommenen Gütern, nicht gemäß den Leistungen [. . .].“339

Damit befindet Rawls sich in der Tradition von Thomas Hobbes, der ausführte: „The equality of imposition consisteth rather in the quality of that which is consumed, than of the riches of the persons that consume the same. For what reason is there, that he which laboureth much and sparing the fruits of his labor, consumeth little, shall be more charged, than he that liveth idely, getteth little, and spendeth all he gets; seeing that the one hath no more protection from the Commonwealth than the other?“340

Aufgrund des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Ausfüllung des Leistungsfähigkeitsprinzips verstößt auch die Besteuerung des Periodenkonsums nicht gegen den Gleichheitssatz.341 Dies hat der BFH342 für 336 K. Tipke, Umsatzsteuergerechtigkeit (FN 335), StuW 1992, 103 (111). Ebenso D. Birk, in H/H/Sp (FN 355), § 4 AO Rz. 470. 337 K. Tipke, Umsatzsteuergerechtigkeit (FN 335), StuW 1992, 103 (111). 338 Der Zweite Senat des BVerfG hat in seiner Finanzausgleichsentscheidung vom 11.11.1999 – 2 BvL 2/98, NJW 2000, 1097 den Rawl’schen Schleier des Nichtwissens bemüht, um die Erforderlichkeit eines sog. Maßstäbegesetzes aus der Finanzverfassung abzuleiten. Krit. hierzu z. B. P. Pieroth, Die Missachtung gesetzter Maßstäbe durch das Maßstäbegesetz, NJW 2000, 1086 f. 339 J. Rawls, Theorie der Gerechtigkeit (FN 311), S. 312. 340 T. Hobbes, Leviathan, 3. Aufl. 1887, Kap. 30, S. 158 [zitiert nach H. Groves, Tax Philosophers – 200 Years of Thought in Great Britain and the United States, The University of Wisconsin Press, 1974, S. 14]. 341 Vgl. stellv. Nachweise in FN 336 sowie z. B. K. Schmidt, Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit – Reflexionen über ein altes Thema, in Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1996, S. 31 (37); C. Rasenack, Neuorientierung des Steuersystems durch Einführung einer direkten Verbrauchsbesteuerung? (FN 321), FS Quaritsch, S. 364 (379): „Gleichwohl lassen sich unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten wohl kaum gravierende Einwände gegenüber einer entsprechend ausgestalteten Konsumbesteuerung vorbringen.“ 342 BFH v. 09.08.1968 VI R 220/65, BStBl II 1969, 5 (6): „Mit [. . .] ist vielmehr davon auszugehen, dass die Möglichkeit einer Besteuerung nach dem Verbrauch

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die direkte Verbrauchsbesteuerung bereits entschieden, indem das Gericht den 1980 abgeschafften343 Tatbestand des § 48 EStG344 als verfassungskonform erachtete. Hiernach konnte die Einkommensteuer nach dem Verbrauch des Steuerpflichtigen veranlagt werden.345 Auch Stefan Homburg meint, die Steuergerechtigkeitswissenschaft346 stoße dort an ihre Grenzen, wo über bestimmte Werturteile keine Einigkeit erzielt werden könne. Es sei „wissenschaftlich nicht entscheidbar, ob steuerliche Leistungsfähigkeit besser durch den Konsum oder besser durch das Einkommen gemessen wird und folglich, ob die direkte Steuer natürlicher Personen am Konsum oder am Einkommen ansetzen sollte. Hierzu bedarf es einer Grundwertung des Steuergesetzgebers.“347

Abschließend sei Klaus Tipke zitiert, der im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip und damit Art. 3 Abs. 1 GG die gleiche Schlussfolgerung zieht: „M. E. ist das Leistungsfähigkeitsprinzip weit genug, um sowohl die Kapital- als auch die Konsumeinkommensteuer mit ihm vereinbaren zu können, zumal wenn man davon ausgeht, dass früher oder später jedes (gespeicherte) Einkommen konsumiert wird, so dass das Einkommen durch die Konsumeinkommensteuer nur mit einer zeitlichen Verschiebung, aber schließlich doch zur Gänze erfasst wird. Ein bestimmter Zugriffszeitpunkt lässt sich dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht entnehmen.“348

3. Lebenseinkommen als Periodenkonsum sowie Lebensendvermögen Die Abschnitte 1. und 2. haben auf den Seiten 95 ff. und 97 ff. gezeigt, dass die Besteuerung des Periodeneinkommens ebenso gleichheitssatzkonform ist wie die Besteuerung des Periodenkonsums. Beide Maßstäbe liegen eher dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung der Staatsbürger dient, statt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen.“ Vgl. auch BFH v. 02.02.1951 IV 44/50 S, BStBl III 1951, 55 f. 343 Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18.08.1980 (BGBl. I 1537, BStBl I 581). 344 Die Wortlaut der Vorschrift sei auszugsweise wiedergegeben: „Der Steuerpflichtige kann nach dem Verbrauch besteuert werden, wenn der Verbrauch im Kalenderjahr 10.000 DM überstiegen hat und um mindestens die Hälfte höher ist als das Einkommen. [. . .] Zum Verbrauch gehören alle Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seinen Haushalt und für seine Lebensführung und die Lebensführung seiner Angehörigen. [. . .] Zum Verbrauch gehören nicht 1. die Sonderausgaben [. . .].“ 345 Vgl. dazu G. Falk, in Blümich (FN 142), 11. Aufl. 1982, § 48 EStG Rz. 2. 346 Vgl. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 1 Rz. 34. 347 S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 238. Vgl. zur Wertungsabhängigkeit der Entscheidung zwischen den Leistungsfähigkeitsindikatoren Einkommen und Konsum auch Nachweise in FN 291. 348 K. Tipke, Gedanken zu einem Steuergesetzbuch, StuW 2001, 309 (313).

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innerhalb des Wertungsspielraums, über den der Gesetzgeber bei der Ausfüllung des Leitungsfähigkeitsprinzips verfügt.349 Dann aber ist auch die nachgelagerte Besteuerung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Wird die Vererbung von Vermögensgegenständen als Konsum des Erblassers angesehen350 (Befriedigung altruistischer Bedürfnisse), folgt dies bereits aus der Gleichheitssatzkonformität der Konsumbesteuerung.351 Denn neben dem Periodenkonsum belastet das nachgelagerte Korrespondenzprinzip lediglich das Lebensendvermögen, d.h. die vererbten Reinvermögensmehrungen. Auch wenn der Nachlass nicht als „Lebensendkonsum via letztwilliger Verfügung“ klassifiziert wird, ist die Lebensendvermögensbesteuerung gleichheitssatzkonform. So korrespondiert die Belastung des Lebensendvermögens mit der Steuerverschonung, die die nachgelagerte Besteuerung investierten Reinvermögensmehrungen im Zeitpunkt ihrer Entstehung gewährt. Ist aber die Belastung des gesamten, d.h. auch des gesparten Periodeneinkommens mit dem Gleichheitssatz vereinbar352, gilt dies auch für die (nachholende) Besteuerung der akkumulierten Ersparnisse (Lebensendvermögen). Die nachgelagerte Besteuerung belastet investierende Steuerpflichtige niedriger als die traditionelle Einkommensteuer (Besteuerungsaufschub für investierte Einkünfte) und höher als eine Konsumbesteuerung (Erfassung des Lebensendvermögens). Nicht ersichtlich ist, warum die Belastung des aufsummierten Periodenkonsums zuzüglich des Lebensendvermögens (Lebenseinkommen) Art. 3 Abs. 1 GG verletzen sollte, wenn sowohl das Periodeneinkommen als auch der Periodenkonsum gleichheitssatzkonforme Anknüpfungspunkte der steuerlichen Lastenausteilung sind. So meint auch Klaus Tipke: „Das Leistungsfähigkeitsprinzip beantwortet nicht die Frage, ob die Leistungsfähigkeit am Lebenseinkommen oder an dem Einkommen eines kürzeren Zeitabschnitts zu messen ist.“ 353

B. Freiheitsrechtliche Grenzen der Besteuerung In jüngerer Zeit widmen sich deutsche Steuerrechtswissenschaftler vermehrt den Schranken, die Freiheitsrechte dem staatlichen Besteuerungsanspruch setzen sollen.354 Während die Abwehrfunktion der Art. 2 Abs. 1; 12 349 Ebenso D. Birk, Nachgelagerte Besteuerung in der betrieblichen Altersversorgung (FN 28), StuW 1999, 321 (327). 350 Vgl. zu diversen Erbschaftsmotiven R. Schwinger, Einkommens- und konsumorientierte Steuersysteme (FN 173), S. 96 ff. 351 Vgl. oben Abschn. 2., S. 97 f. 352 Vgl. oben Abschn. 1., S. 95 ff. 353 K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 502.

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Abs. 1; 14 Abs. 1 GG früher auf den Schutz vor übermäßigen Steuereingriffen beschränkt wurde355, finden sich z. B. in dem Vermögensteuer-Beschluss356 des Zweiten BVerfG-Senats Ausführungen zu Art. 14 GG357, auch wenn diese durch den zugrundeliegenden Vorlagebeschluss nicht veranlasst gewesen sein mögen.358 Zwar erscheint zweifelhaft, ob freiheitsrechtliche Besteuerungsgrenzen, die über eine Effektuierung des Übermaßverbots359 hinausgehen, auf Dauer Bestand in der BVerfG-Rechtsprechung sowie im Schrifttum haben werden.360 Wäre dies der Fall, beschritte Deutschland einen Sonderweg in der globalen Steuerwelt. Joachim Lang meint: „International anerkannt ist das Verbot konfiskatorischer Besteuerung, mehr nicht.“361 354 Vgl. z. B. R. Seer, Grenzen der Unternehmensbelastung (FN 76), DStJG 23 (2000), S. 87 ff. Grundlegend P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (VVDStRL) Bd. 39 (1981), S. 213 (231 ff). 355 Vgl. dazu J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 213; D. Birk, in Hübschmann/Hepp/Spitaler (Hrsg.), Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung (H/H/Sp), 10. Aufl. 2001, Lfg. 155 11/1997, § 4 AO Rz. 606 ff. 356 BVerfG v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 ff. Vgl. auch BVerfG v. 25.09.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 (169) [Existenzminimum]: „Das vorliegende Verfahren gibt keinen Anlass zu entscheiden, aufgrund welcher Maßstäbe und wie im Einzelnen die – je nach Steuerart und Steuergegenstand möglicherweise unterschiedlichen – verfassungsrechtlichen Grenzen der staatlichen Besteuerungsgewalt zu bestimmen sind. Steuergesetze sind in ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung jedenfalls an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs.1, Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen.“ 357 Vgl. dazu W. Leisner, Eigentum, in Isensee/Kirchhof (Hrsg), HStR V (FN 327), § 149 Rz. 125 ff. Krit. K. Tipke, Erbschaftsteuerreform und Grundgesetz, ZRP 1971, 158 (162 f.). Zur älteren BVerfG-Rechtsprechung K. H. Friauf, Steuergesetzgebung und Eigentumsgarantie, JurA 1970, 299 (301 ff.). 358 Vgl. nur E.-W. Böckenförde, Sondervotum zum BVerfG-Beschl. v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (149 ff.); D. Birk, in H/H/Sp (FN 355), § 4 AO Rz. 421. 359 Vgl. dazu J. Lang, Wider Halbteilungsgrundsatz und BVerfG, NJW 2000, 457 (459 f.). 360 So z. B. auch J. Hey, in H/H/R (FN 58), Einf. KSt, 196. Lfg. 09/1999, Anm. 32; D. Birk, in H/H/Sp (FN 355), § 4 AO Rz. 626 ff.; ders., Der Gleichheitssatz im Steuerrecht, Tipke/Bozza (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen – Rechtsvergleich Italien, Deutschland und Spanien als Beitrag zur Harmonisierung des Steuerrechts in Europa, 2000, S. 123 (138); Krit. zu einer Überbetonung freiheitsrechtlicher Grenzen der Besteuerung auch J. Wieland, Freiheitsrechtliche Vorgaben für die Besteuerung von Einkommen, in I. Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 29 (46 f.). 361 J. Lang, Wider Halbteilungsgrundsatz (FN 359), NJW 2000, 457 (459).

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Kap. 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung

Auch hierzulande hat sich bislang nicht ein einziger Finanzwissenschaftler gefunden, der bereit wäre, den Schutz des Eigentümers in den Vordergrund seiner Steuergerechtigkeitsüberlegungen zu rücken. Mit Wolfgang Schön erachten Steuerjuristen den Streit um Art. 14 GG ebenfalls als „Schlacht des 20. Jahrhunderts“362. Anderer Auffassung ist insoweit Paul Kirchhof, „der Art. 14 GG als Magna Charta[363] des Steuerpflichtigen begreift und das gesamte Steuersystem daran ausrichtet“364.365 Kirchhof vertritt darüber hinaus die Auffassung, ein Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen greife unzulässigerweise in die Freiheit der Einkommensverwendung ein366, welche dem Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit unterfalle (Art. 2 Abs. 1 GG). Mögliche freiheitsrechtliche Grenzen der Besteuerung können hier dahinstehen, da das nachgelagerte Korrespondenzprinzip der allgemeinen Handlungs- und Eigentümerfreiheit zu einer größeren Entfaltung verhilft als die traditionelle Einkommensteuer. Dies gilt es nachfolgend zu zeigen.

362 W. Schön, Diskussionsbeitrag, in I. Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 144. 363 R. Herzog bezeichnet den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als „magna charta des Steuerrechts“, vgl. ders., Steuer- und Finanzpolitik im geeinten Deutschland – Die Sicht des Bundesverfassungsgerichts, in Bund der Steuerzahler (Hrsg.), Steuer- und Finanzpolitik im geeinten Deutschland und in Europa, VI. Deutscher Steuerzahler-Kongress 1991, S. 10 (11). 364 R. Seer, Grenzen der Unternehmensbelastung (FN 76), DStJG 23 (2000), S. 87 (88). 365 Statt von Einkommen ist bei Kirchhof von „Zuwachs an freiheitlichem Eigentum“ oder „Zuwachs an Eigentümerfreiheit“ die Rede, aus der Einkommensverwendung wird „Eigentumsgebrauch“ oder „zum Tausch angebotenes Eigentum“, vgl. zu dieser Terminologie P. Kirchhof, Verfassungsmaßstäbe eines vereinfachten, freiheitlichen Steuerrechts, in P. Bornfelder, Steuergerechtigkeit durch Steuervereinfachung, 1997, S. 23 (27) sowie K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 500. Klaus Tipke vermag in dieser Terminologie einen Mehrwert nicht zu entdecken: „Was wäre z. B. gewonnen, wenn man die Einkommensteuer künftig als ,Steuer auf den Zuwachs an freiheitlichem Eigentum‘ bezeichnen würde, zumal der Begriff ,Einkommensteuer‘ weltweit eingeführt ist? In Europa ist eine ziemlich einheitliche Steuerfachterminologie entwickelt worden. Eine Terminologie, die wegen Art. 14 GG davon abweicht, wird sich in Europa wahrscheinlich nicht durchsetzen.“ (ders., StRO I2 [FN 17], S. 500). 366 Vgl. P. Kirchhof, Standortbestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 13 (15): „Ein steuerliches Investitionsprivileg nimmt dem Einkommensbezieher ein Stück ökonomischer Freiheit, die Entscheidung für die Investition oder den Konsum [. . .].“ Vgl. auch ders., Diskussionsbeitrag, in I. Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 147: „Die Begünstigung des Konsums [gemeint ist wohl Investition] wäre möglicherweise eine freiheitsrechtliche Bevormundung.“

B. Freiheitsrechtliche Grenzen der Besteuerung

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I. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) Art. 2 Abs. 1 Satz 1 1. HS GG gewährt jedermann das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Garantiert wird – sachlich unbeschränkt – die allgemeine Handlungsfreiheit.367 Da unter Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne selbst Beschäftigungen fallen, die von nur geringem Gewicht für die Persönlichkeitsentfaltung sind368, erfasst sie jedenfalls auch die „Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr“369. Diese wird durch einen erzwungenen Ressourcentransfer an das Gemeinwesen beschränkt, weshalb die Auferlegung steuerlicher Lasten dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG unterfällt.370 Insbesondere weisen Besteuerungsregelungen auch die Qualität eines klassischen Grundrechtseingriffs auf, da abgabenrechtliche Verpflichtungen die Handlungsfreiheit des Grundrechtsträgers ebenso final und unmittelbar wie rechtlich und tatsächlich beeinträchtigen (Rechtsverkürzung).371 Ob steuergesetzliche Vorschriften es zudem vermögen, wie von den Verfassern des Karlruher Entwurfs zur Reform des Einkommensteuergesetzes angenommen372, die „Freiheit zur ökonomischen Vernunft“ zu beeinträchtigen, bezweifelt Franz W. Wagner373. Da Steuerpflichtige stets NachSteuer-Ergebnisse verschiedener Handlungsalternativen zum Maßstab ihrer persönlichen Vernunft machten, sei keine staatliche Abgabe geeignet, ihnen die Freiheit zu nehmen, ökonomisch vernünftig zu handeln. Steuerlasten würden in den individuellen Vernunftmaßstab integriert, die Handlungen – ökonomisch rational – angepasst.374

Schranken und Schranken-Schranken Wie sich bereits aus dem allgemeinen Schrankenvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 2. HS GG ergibt, verletzt die Auferlegung von Steuerpflichten die allgemeinen Handlungsfreiheit solange nicht, wie das „Recht des 367 Vgl. nur BVerfG v. 16.01.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 ff.; v. 06.06.1989 – 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 ff. 368 Vgl. BVerfG v. 23.05.1980 – 2 BvR 854/79, BVerfGE 54, 143 (146). 369 BVerfG v. 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57, BVerfGE 8, 274 (328). 370 Vgl. nur D. Birk, in H/H/Sp (FN 355), § 4 AO Rz. 525. 371 Vgl. J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in Isensee/Kirchhof (Hrsg), HStR V (FN 327), § 111 Rz. 61. 372 P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 88), S. 20. 373 So führt F. W. Wagner („Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes“ – Anmerkungen aus der Perspektive ökonomischer Vernunft, StuW 2001, 354 [356]) aus: „Die individuelle Freiheit, solchen Vernunftsmaßstäben zu folgen, braucht ihm [dem Steuerpflichtigen] schon deshalb vom Karlsruher Entwurf nicht zurückgegeben zu werden, da sie ihm von niemandem genommen werden kann.“ 374 Vgl. F. W. Wagner, Anmerkungen zum Karlsruher Entwurf (FN 373), StuW 2001, 354 (356).

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Kap. 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung

Bürgers“ gewahrt ist, „nur aufgrund solcher Rechtsvorschriften zur Steuer herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind und deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören“375 (gerechtfertigter Eingriff). Dass der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG einem Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen nicht entgegensteht, wurde oben in Abschn. A.II.3. auf den Seiten 97 ff. gezeigt. Fraglich ist, ob die nachgelagerte Besteuerung auch verhältnismäßig ist.376 Ein Ressourcentransfer an die Allgemeinheit ist stets geeignet, den Finanzbedarf des Staates zu decken. Deshalb scheitert eine steuerliche Lastenausteilung, die am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet ist, ebenso wenig auf der ersten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung wie jede andere Zwangsabgabe. Die nachgelagerte Besteuerung müsste zudem erforderlich sein. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn mit der traditionellen Einkommensteuer ein gleich geeignetes Instrument der Staatsfinanzierung zur Verfügung stünde, das die allgemeine Handlungsfreiheit weniger stark beeinträchtigte. Innerperiodische Betrachtung Werden nur einzelne Besteuerungsperioden betrachtet, erwächst dem Steuerpflichtigen bei nachgelagerter Besteuerung im Zeitpunkt der Einkommensentstehung ein zusätzlicher Freiheitsgrad, um der freiheitsbeeinträchtigenden Steuerlast auszuweichen. Er bleibt von Steuerlasten nicht nur dann 375

BVerfG v. 03.12.1958 – 1 BvR 458/57, BVerfGE 9, 3 (11). Bislang hat sich das Verhältnismäßigkeitsprinzip als nur ineffizienter Schutz vor der Auferlegung steuerlicher Lasten erwiesen. Joachim Lang hat allerdings einen Ansatz entwickelt, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu einer größeren Wirkungskraft im staatlichen Abgabenrecht zu verhelfen, vgl. ders., Wider Halbteilungsgrundsatz (FN 359), NJW 2000, 457 (459). Danach sollen hohe Steuersätze dann nicht mehr erforderlich sein, wenn sie auf das gesetzgeberische Unfähigkeit zurückzuführen sind, systemwidrige Steuervergünstigungen abzuschaffen. Denn die Verbreiterung einer durchlöcherten Bemessungsgrundlage sei ein milderes Mittel als hohe Grenzsteuersätze, um ein gegebenes Steueraufkommen zu erzielen. Diese Erkenntnis steht im Einklang mit der finanzwissenschaftlichen Erkenntnis, dass steuerliche Verzerrungen mit der Höhe der Abgabensätze überproportional zunehmen (vgl. dazu nur Alan J. Auerbach, The Theory of Excess Burden and Optimal Taxation, in Auerbach/Feldstein [Hrsg.], Handbook of Public Economics, 1985 [Vol. 1], S. 61 [78]). Gegen das nachgelagerte Korrespondenzprinzip kann die Forderung nach einer Verbreiterung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage allerdings nicht ins Feld geführt werden. Denn der Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen ist erforderlich, um die intertemporale Neutralität der Besteuerung zu gewährleisten. Die Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung ist damit ebenso systematisch begründet wie die Ausgrenzung von Erwerbsaufwendungen oder unvermeidbarer Privataufwendungen aus der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage (objektives bzw. subjektives Nettoprinzip). 376

B. Freiheitsrechtliche Grenzen der Besteuerung

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verschont, wenn er seine Einkünfte auf die Höhe des steuerlich unbelasteten Existenzminimums beschränkt (eingeschränkte Ausnutzung des Erwerbspotentials). Ferner kann der Steuerpflichtige seinem Erwerbsstreben – steuerlich unbelastet – nachgehen, wenn er die hieraus erzielten Einkünfte vollumfänglich investiv verwendet. Infolge des Besteuerungsaufschubs, den das nachgelagerte Korrespondenzprinzip investierten Reinvermögensmehrungen gewährt, entsteht keine Einkommensteuer. Kehrseite der via Ersparnisbildung vermiedenen Steuerlast ist zwar die Einkommensteuer, die der Investor in der Periode der Ersparnisauflösung schuldet. Wird der Zuwachs an wirtschaftlicher Handlungsfreiheit in der Einkünfteerzielungsperiode mit der Freiheitsbeschränkung in der Einkünfteverwendungsperiode verglichen, folgt aus der nachgelagerten Besteuerung jedoch per saldo ein Freiheitsgewinn, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen kann der Steuerpflichtige nicht nur bestimmen, ob er überhaupt Einkommensteuer zahlt (Aufnahme einer Erwerbstätigkeit [Arbeit-Freizeit-Entscheidung]), sondern hat zusätzlich Einfluss auf den Zeitpunkt des Steuerzugriffs (Konsum-Spar-Entscheidung). Zum anderen ermöglicht es der Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen, zusätzliches (Kapital-)Einkommen zu erwirtschaften. Dadurch wird die Intensität des Steuereingriffs abgeschwächt, da ein größeres Konsumpotential nach Steuern verbleibt. Überperiodische Betrachtung Letztgenannter Gesichtspunkt zeichnet auch dafür verantwortlich, dass das nachgelagerte Korrespondenzprinzip sich bei überperiodischer Betrachtung ebenfalls als die freiheitsschonendere Besteuerungsalternative darstellt. Zwar antizipiert der Steuerpflichtige die zukünftige Steuerbelastung, die aus der Steuerverstrickung der investierten Reinvermögensmehrungen folgt. Ihm ist bewusst, dass die Ausgrenzung aus der Bemessungsgrundlage lediglich vorläufiger Natur ist (Besteuerungsaufschub). In einer Welt ohne Zinsen würde das nachgelagerte Korrespondenzprinzip die Handlungsfreiheit des Steuerpflichtigen infolgedessen nicht weniger, aber eben auch nicht mehr einschränken als die traditionelle Einkommensteuer (Indifferenz gegenüber dem Zeitpunkt der Besteuerung). In einer Welt mit positivem Zinssatz erwächst dem Steuerpflichtigen aus der Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip jedoch ein Zuwachs an Handlungsfreiheit. Im Gegensatz zur traditionellen Einkommensteuer diskriminiert die nachgelagerte Besteuerung den Sparer nicht gegenüber dem Sofortkonsumenten, beide haben gleich hohe Steuerlastbarwerte zu tragen (intertemporale Neutralität des nachgelagerten Korrespondenzprinzips377).

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Kap. 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung

Entgegen der Auffassung von Paul Kirchhof nimmt ein „steuerliches Investitionsprivileg dem Einkommensbezieher ein Stück ökonomischer Freiheit, die Entscheidung für die Investition oder den Konsum“378, nicht weg, sondern gibt es ihm zurück (Entzerrung der Konsum-Spar-Entscheidung). Referenzmaßstab kann insoweit nur eine Welt ohne Steuern sein, die ebenfalls intertemporal neutral ist (keine Besteuerung von Kapitaleinkommen, keine Höherbelastung von Zukunftskonsum, unverzerrte intertemporale Faktorallokation). Folglich gelangen inner- und überperiodische Sichtweise zum gleichen Ergebnis, nämlich einem Zuwachs an wirtschaftlicher Handlungsfreiheit. Eine Entscheidung zwischen ihnen kann dahinstehen. Auch Joachim Lang meint: „Wird auf ein hohes Maß an Umverteilung Wert gelegt, auf die Einebnung von reich und arm, auf egalitäre Verteilung des Volksvermögens, dann muss der Anteil des Staates möglichst früh, möglichst vor dem Konsum, also in den Zeitpunkten abgeschöpft werden, in denen Vermögen entsteht oder noch nicht verwendet worden ist [. . .]. Soll jedoch die Gesellschaft möglichst freiheitlich und individualistisch nach dem Subsidiaritätsprinzip konzipiert sein und in erster Linie dem Bürger die Verantwortung für seinen Wohlstand und ,pursuit of happiness‘ zugewiesen sein, hat der Staat abzuwarten, bis der Bürger konsumiert. Der Steuergriff ist also möglichst spät anzusetzen [. . .].“379

Nach Dieter Birk ist der Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen ebenfalls „die freiheitsschonendere Form der Besteuerung“. Sie erhöhe das „Maß der Wahlfreiheit, sich steuerlich zu belasten (Entscheidung für Konsum) oder nicht (Entscheidung für Ersparnis)“. Der nachgelagerten Besteuerung komme „ein höherer Freiheitsgrad zu als der Einkommensteuer, da die Entscheidung über Steuerbelastung an die Entscheidung über den Konsum gekoppelt ist und damit in die Hand des Einzelnen gelegt wird“.380

Auch Monika Jachmann meint: „Im Übrigen erweist sich die Besteuerung eines Umweltverbrauchs – wie jede Konsumsteuer – aus freiheitsrechtlicher Sicht wegen ihrer grundsätzlichen Vermeidbarkeit als durchaus freiheitsschonend.“ 381

377

Vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1. u. 3., S. 64 ff. u. 69 ff. P. Kirchhof, Standortbestimmung (FN 366), in Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 13 (15). 379 Vgl. J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 97. 380 D. Birk, Die Umsatzsteuer aus juristischer Sicht, in Kirchhof/Neumann (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Effizienz – Ökonomische und verfassungsrechtliche Grundlagen der Steuergesetzgebung, 2001, S. 61 (68). 381 M. Jachmann, Steuerrechtfertigung aus der Gemeinwohlverantwortung, DStZ 2001, 225 (229). 378

B. Freiheitsrechtliche Grenzen der Besteuerung

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II. Eigentum (Art. 14 GG) Paul Kirchhof hat Art. 14 GG von einer objektbezogenen Eigentumsgarantie zu einer subjektbezogenen Eigentümerfreiheit hingeführt.382 Für Besteuerungszwecke wird zwischen „werdendem“ Eigentum (Einkommenserzielung), „ruhendem“ Eigentum (Vermögensbestand) und „hingegebenem“ Eigentum (Einkommensverwendung) unterschieden.383 Nachdem Kirchhof diese Differenzierung „als Verfassungsrichter in die Gründe der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ein[gebracht]“384 hat, unterscheidet der Zweite Senat des BVerfG385 ebenfalls zwischen „konsolidiertem“ und anderem Vermögen.386 Vermögen soll konsolidiert sein, sobald die betreffende Reinvermögensmehrung der Besteuerung unterlegen hat. Anschließend „ruhe“ sie in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen. Dergestalt „innegehabtem“ Vermögen gewähre Art. 14 GG Substanzschutz vor erneuter Besteuerung. Wie immer man zu dieser Dogmatik zu Art. 14 GG steht387 – Dieter Birk meint, sie finde „nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck in Art. 14 GG keine Stütze“388 –, einer nachgelagerten Besteuerung steht sie nicht entgegen. Aus der besonderen Stellung, die Art. 14 GG „konsolidiertem“ Vermögen einräumen soll, folgt lediglich der Schutz vor einer doppelten Besteuerung von Einkommen.389 Das nachgelagerte Korres382 So z. B. O. Depenheuer, in Mangoldt/Klein/Strack, GG (FN 327), Art. 14 Rz. 12 ff. 383 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung (HStR IV), 1992, § 88 Rz. 70 ff. (73, 75). 384 K. Tipke, Steuerjuristische Würdigung des Karlsruher Entwurfs (FN 93), StuW 2002, 148 (152 [FN 27]): „Folgender Kreislauf lässt sich beobachten: P. Kirchhof vertritt in der Literatur bestimmte Meinungen. Diese bringt er als Verfassungsrichter in die Gründe der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ein. In späteren Vorträgen und Aufsätzen beruft er sich auf diese Entscheidungen. Nur formal stützt es sich dabei nicht – selbstreferenziell – auf sich selbst. Wenn P. Kirchhof im Vorwort seiner Schrift ,Besteuerung im Verfassungsstaat‘, 2000, feststellt: ,Die vorliegende Schrift [. . .] stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Steuerrecht‘, so beruft er sich nur formal nicht weitgehend auf sich selbst, auf seine eigene Autorität.“ 385 Vgl. BVerfG v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 ff. 386 Vgl. zum Begriff des „konsolidierten“ Vermögens BVerfG v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (137) sowie das Sondervotum E.-W. Böckenfördes (BVerfGE 93, 153 f.). 387 Krit., im Ergebnis allerdings mit Kirchhof übereinstimmend, z. B. R Seer, Grenzen der Unternehmensbelastung (FN 76), DStJG 23 (2000), S. 87 (107). 388 D. Birk, in H/H/Sp (FN 355), § 4 AO Rz. 626. 389 So z. B. auch R. Seer, Grenzen der Unternehmensbelastung (FN 76), DStJG 23 (2000), S. 87 (107).

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Kap. 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung

pondenzprinzip greift auf die Auflösung von Ersparnissen aber nur zu, soweit sie aus unversteuertem Einkommen gebildet wurden. Die betreffenden Reinvermögensmehrungen genießen auch nach der Kirchhof ’schen Auffassung noch keinen steuerlich relevanten eigentumsrechtlichen Bestandsschutz. Im Entstehungszeitpunkt wurden sie aus der Bemessungsgrundlage ausgegrenzt, und zwar im Hinblick auf ihre Nachbelastung in zukünftigen Veranlagungszeiträumen (Ersparnisauflösung, Lebensendvermögen).390 Da ein Zugriff des Steuergläubigers, der aus den investierten Einkommenbestandteilen „konsolidiertes“ Vermögen werden ließe, erst mit der Ersparnisauflösung stattfindet391, entspricht die konsumtive Einkommensverwendung dem Zufluss von „aufschiebend bedingt steuerbarem Einkommen“. Diesen Begriff bemüht Kirchhof, um die Besteuerungswürdigkeit von Renten zu begründen, die auf unversteuerten Vorsorgeaufwendungen beruhen.392 Zudem kann auf den Kirchhof ’schen Ausdruck vom „Kassenhäuschen des Einkommensteuerrechts“ zurückgegriffen werden, hinter dem der „Garten der Freiheit beginnt“393. Macht der Finanzbeamte erst im Zeitpunkt der Ersparnisauflösung seine Aufwartung, hat das gebildete Vermögen zuvor keine Kontrollstelle passiert394, die den Steuerpflichtigen in den „Garten der Freiheit“ entließe. Verwiesen sei des Weiteren auf das jüngste Rentensteuer-Urteil des Zweiten BVerfG-Senats, wonach zwar „nicht ein zweites Mal, also doppelt, besteuert werden darf, was bereits der Einkommensteuer unterlegen hat“. Eine „,spätere‘ steuerliche Erfassung einer Vermögensmehrung“ komme „dagegen in Betracht, wenn die Besteuerung zu einem – möglichen – früheren Zeitpunkt unterblieben ist oder ,aufgeschoben‘ wurde“395.

390

So auch C. Gröpl, Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine konsumorientierte Betrachtungsweise, FR 2001, 620 (625), der von einer „aufschiebend bedingten“ Freistellung gesparter Einkünfte von der Einkommensteuer spricht. 391 So wohl auch D. Birk, Nachgelagerte Besteuerung in der betrieblichen Altersversorgung (FN 28), StuW 1999, 321 (325). 392 Vgl. P. Kirchhof, Die steuerliche Behandlung der verschiedenen Leistungen zur Altersversorgung, Schriftenreihe des Deutschen Sozialgerichtsverbandes Bd. 17, 1978, S. 127 (131) [„Wegen Beitragsleistungen bleibt die Steuerschuld gestundet.“]. 393 P. Kirchhof, SPIEGEL-Interview „Im Garten der Freiheit“, Spiegel 21/2000, S. 90. Vgl. auch P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag, Symposion zu Ehren von Klaus Vogel: Steuern im Verfassungsstaat, 1996, S. 62. 394 Vgl. hierzu auch P. Fischer, Altersvorsorge und Altersbezüge (FN 28), DStJG 24 (2001), S. 463 (475 f.), der das Kirchhof ’sche Kassenhäuschen der Einkommensteuer (vgl. FN 393) in Übereinstimmung mit der BFH-Rechtsprechung in § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG vermutet. Ebenso wenig wie derzeit Einkünfte, die noch nicht i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen sind, einen eigentumsrechtlichen Schutz vor einer Einkommensbesteuerung genießt, steht Art. 14 GG einer Belastung der Ersparnisauflösung entgegen, soweit aus unversteuerten Reinvermögensmehrungen gespart werden konnte (nachgelagerte Besteuerung).

B. Freiheitsrechtliche Grenzen der Besteuerung

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Keine Diskriminierung der Eigentumsbildung bei intertemporal neutraler Besteuerung Für eine Vereinbarkeit der nachgelagerten Besteuerung mit Art. 14 GG spricht nicht zuletzt, dass dieses Konzept steuerlicher Lastenausteilung die Eigentumsbildung – und zwar im Gegensatz zur traditionellen Einkommensteuer – nicht behindert. Der eigentumsbewusste Steuerpflichtige profitiert von dem neuen Standort des einkommensteuerlichen Kassenhäuschens, von der späteren Aufsuchung durch den Finanzbeamten.396 Zwar korrespondiert die Steuerverschonung der Ersparnis- und damit Eigentumsbildung mit der Belastung der Ersparnisauflösung. Der in zukünftige Veranlagungszeiträume verschobene Steuerzugriff belässt dem Eigentümer aber ein größeres Einkünfteerzielungspotenzial, wodurch Kapitaleinkommen in Höhe der marktüblichen Verzinsung implizit von der Einkommensteuer befreit wird.397 Der gegenwärtige Konsumverzicht als Grundlage jeder Eigentumsbildung ist steuerlich attraktiver als bei traditioneller Besteuerung: Der relative Preis von Eigentum sinkt, da der Zukunftskonsum nicht länger eine barwertmäßig höhere Steuerlast zu tragen hat als der Gegenwartskonsum. Steuerpflichtige bilden ebenso viel Eigentum wie in einer Welt ohne Steuern und aller Voraussicht nach mehr Eigentum als bei traditioneller Besteuerung. Mikroökonomisch liegt letzterer These die – wohl einzig realistische398 – Annahme zugrunde, dass der Substitutionseffekt der Besteuerung von Kapitaleinkommen ihren Einkommenseffekt überwiegt. Der Substitutionseffekt entfällt bei nachgelagerter Besteuerung, da die Bruttorendite infolge des Besteuerungsaufschubs für investierte Reinvermögensmehrungen nicht länger um einen Steuerkeil gekürzt wird. Infolgedessen sinkt der relative Preis der Eigentumsbildung. Der Wegfall des Einkommenseffektes der Kapitaleinkommensbesteuerung hingegen dämpft die Ersparnisbildung. Die Steuerpflichtigen müssen auf weniger Gegenwartskonsum verzichten, um über einen bestimmten Zukunftskonsum verfügen zu können. Der Sparer antizipiert, dass der anvisierte Vermögensbestand zu einem größeren Anteil durch Kapitalerträge gespeist werden kann, die nicht länger besteuert werden. Allerdings würde auch ein Einkommenseffekt, der den Substitutionseffekt überwiegt, der Vereinbarkeit der nachgelagerten Besteuerung mit Art. 14 GG nicht ent395 BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (362) [Gliederungspunkt C.III.1]. 396 So auch C. Gröpl, Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine Konsumorientierung (FN 390), FR 2001, 620 (626). 397 Vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., S. 64 ff. 398 Verhielte es sich umgekehrt, wäre z. B. die Erhebung einer Vermögensteuer als geeignete Maßnahme zur Förderung der Vermögensbildung anzusehen: Die Steuerpflichtigen wüssten, dass ihr Vermögensbestand um die vorgenannte Substanzbzw. Sollertragsteuer gemindert wird. Obgleich die Vermögensbildung steuerlich an Attraktivität verlöre, würden die Steuerpflichtigen mehr sparen (Überkompensation des Substitutionseffekts durch den Einkommenseffekt der Vermögensbesteuerung).

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Kap. 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung

gegenstehen. Im Ergebnis würde nicht weniger Eigentum gebildet als bei traditioneller Besteuerung. Zwar reduzierte sich die periodische Ersparnisbildung. Die niedrigere Sparquote würde aber durch steuerlich unbelastete Kapitalerträge kompensiert, bis der Steuerpflichtige das Eigentumsniveau erreicht hat, welches er benötigt, um den anvisierten Zukunftskonsum zu finanzieren.

Lebensendvermögensbesteuerung Art. 14 GG steht schließlich der nachholenden Belastung des Lebensendvermögens nicht entgegen. Zwar existiert mit einer Beschränkung des Besteuerungsanspruchs auf den Periodenkonsum ein Konzept steuerlicher Lastenausteilung, das die Eigentumsgarantie bzw. Eigentümerfreiheit des Art. 14 GG in noch größerem Maße gewährleistet als die nachgelagerte Besteuerung. Lebensendvermögen bliebe unbelastet, wenn die Vererbung von Vermögen nicht als Konsum des Erblassers begriffen würde. Eigentum, welches der Investor zu Lebzeiten nicht zur Finanzierung von Konsumausgaben verwendet, wäre nicht nur vorübergehend, sondern endgültig von der Besteuerung befreit. Ein eigentumsschonenderes Konzept steuerlicher Lastenausteilung kann der nachgelagerten Besteuerung aber solange nicht entgegengehalten werden, wie die traditionelle Einkommensteuer ebenfalls als mit Art. 14 GG vereinbar erachtet wird. Denn das nachgelagerte Korrespondenzprinzip teilt die steuerlichen Lasten trotz Lebensendvermögensbesteuerung eigentumsschonender aus als dieser Vergleichsmaßstab (vermehrte Eigentumsbildung durch zusätzliches Kapitaleinkommen).399 Dies zeigt bereits die Überlegung, dass angesichts der positiven Zins- und Zinseszinseffekte eines späteren Steuerzugriffs ebenso wenig ein Steuerpflichtiger vorstellbar ist, der eine zeitnahe Belastung der investierten Reinvermögensmehrungen einer Besteuerung seines Lebensendvermögens vorziehen würde, wie derzeit Bestrebungen erkennbar sind, steuerverstrickte stille Reserven möglichst früh zu realisieren.400

C. Finanzverfassung (Art. 106 Abs. 3 GG) Die nachgelagerte Besteuerung ist finanzverfassungskonform (Art. 106 Abs. 3 GG). Dies gilt selbst dann, wenn die Auffassung von Klaus Tipke401 399 Vgl. dazu den vorangegangenen Abschnitt sowie ausführlich unten Kapitel 10 Abschn. A. u. B., S. 265 f. u. 267 ff. (geringere Belastung intergenerativer Vermögensübertragungen bei investiver Erbschaftsverwendung und größerer Nach-SteuerNachlass auch bei konsumtiver Erbschaftsverwendung). 400 Vgl. zur eigentumsschonenden Wirkung des Realisationsprinzip J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 404.

C. Finanzverfassung

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und Joachim Lang402 abgelehnt wird403, Art. 106 GG diene ausschließlich der gebietskörperschaftlichen Aufteilung des Steueraufkommens. Neben dem Steuergläubiger werde höchstens ein „materieller Minimalgehalt“ der Steuerarten bestimmt, die „gegenüber dem Wandel der Anschauungen über Formen ,richtiger‘ Besteuerung weit offen“404 seien. Jedenfalls gibt der finanzverfassungsrechtliche Einkommensteuerbegriff den Zeitpunkt der Besteuerung gesparten Einkommens nicht alternativlos vor. Dies folgt bereits daraus, dass auch das geltende EStG investierte Reinvermögensmehrungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten besteuert, ohne dass seine Finanzverfassungskonformität bestritten würde. So werden Einkünfte teilweise mit ihrer Entstehung, teilweise aber auch erst im Zeitpunkt ihrer konsumtiven Verwendung belastet (z. B. Sonderausgabenabzugsfähigkeit von Altersvorsorgebeiträgen und Nachversteuerung der Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen405, §§ 10a i.V. m. 22 Nr. 5 EStG; Zufluss der Reinvermögensmehrung aus einer Pensionszusage erst im Ruhestand406, § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Trotz der hiermit verbundenen Verlagerung des Besteuerungszeitpunktes dürfte es finanzverfassungsrechtlich unbedenklich sein, das einkommensteuerliche Zuflussprinzip dergestalt zu konkretisieren, dass Zuwendungen an Pensionskassen oder Pensionsfonds nicht länger als zugeflossener Arbeitslohn gelten. Für die Finanzverfassungskonformität407 der nachgelagerten Besteuerung spricht zudem nicht nur, dass sie bei überperiodischer Betrachtung Einkommen ebenso einmal belastet wie die traditionelle Einkommensteuer.408 Viel401 Vgl. K. Tipke, StRO III1 (FN 34), S. 1088 ff.; ders., Einheit der Rechtsordnung (FN 176), FS Friauf, S. 741 (744 f.). 402 Vgl. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 3 Rz. 3 ff. m. w. N. 403 So z. B. K. Vogel, Zur Auslegung des Artikels 106 GG, in J. Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS Tipke, 1995, S. 93 (98 ff.); ders., Steuerrechtswissenschaft und Steuergerechtigkeitswissenschaft, JZ 1993, 1121 (1125); P. Fischer, Vorbemerkung (FN 75), in E. P. Boruttau, GrEStG, Rz. 115 ff. 404 J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 3 Rz. 5. 405 Vgl. dazu unten Kapitel 6 Abschn. D., S. 195 ff. 406 Vgl. dazu unten Kapitel 5 Abschn. C.II.1., S. 171 ff. 407 Bejahend auch C. Rasenack (Neuorientierung des Steuersystems durch Einführung einer direkten Verbrauchsbesteuerung? [FN 321], FS Quaritsch S. 364 [377]), der die Vereinbarkeit einer direkten Verbrauchsbesteuerung mit der bundesdeutschen Finanzverfassung allerdings auf die Wesensverwandtschaft mit der Umsatzsteuer stützt. 408 So auch J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 3 Tz. 6. Die entgegengesetzte Auffassung von D. Birk (Verfassungsrechtliche Grenzen der Konsumbesteuerung, in M. Rose [Hrsg.], Konsumorientierte Neugestaltung des Steuersystems, 1991, S. 351 [358 ff.]) bezieht sich auf die Konsumausgabensteuer, die in ihrer ökonomischen Wirkung zwar der nachgelagerten Besteuerung von Einkommen entspricht, deren Bemessungsgrundlage aber durch eine Addition der Verbrauchsaufwendungen ermittelt wird statt durch eine Subtraktion der Ersparnisbildung von den

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Kap. 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung

mehr grenzt das nachgelagerte Korrespondenzprinzip auch bei einperiodiger Betrachtung weniger Reinvermögensmehrungen aus der Bemessungsgrundlage aus als z. B. die (enge) Markteinkommenstheorie von Paul Kirchhof409, die bislang zumindest nicht Gegenstand finanzverfassungsrechtlicher Bedenken gewesen ist. So beträgt die – bei nachgelagerter Besteuerung abzugsfähige – Sparquote nur 10% des Volkseinkommens410, während die Sozialleistungsquote einen 32%-igen Anteil staatlicher, nach Kirchhof nicht einkommensteuerbarer411 Transferleistungen am Bruttoinlandsprodukt ausweist.412 Selbst Klaus Vogel, der das Steuererfindungsrecht durch Art. 106 GG limitiert sieht413, will mit Blick auf das Verhältnis der Mehrwertsteuer zur früheren Allphasenbruttoumsatzsteuer in Bezug auf eine direkte Konsumsteuer „immerhin erwägen, ob solch eine Steuer nicht noch unter den Begriff der ,Einkommensteuer‘ fiele, sofern sie von einem nach herkömmlichen Grundsätzen ermittelten Einkommen ausgeht und lediglich den Abzug der Ersparnisse vorsieht“414.

Auch Paul Kirchhof meint, dass Art. 106 GG an „bestimmte steuerrechtliche Regelungen“ anknüpfe, diese aber „keinesfalls festschreibt“. So habe „die fundamentale Änderung der Umsatzsteuer 1968 ohne Änderung des Verfassungstextes stattgefunden [. . .] und 1977 ist die Körperschaftsteuer elementar geändert worden, ohne dass der Verfassungstext geändert worden wäre“. Auch für die Zukunft sei z. B. nicht „von Verfassungs wegen fixiert, dass die Körperschaftsteuer eine juristische Person treffen muss“.415

jährlichen Einkünften. Damit entspricht die Konsumausgabensteuer schon erhebungstechnisch dem Bild der traditionellen Einkommensteuer wesentlich weniger als das nachgelagerte Korrespondenzprinzip. 409 Vgl. dazu oben Kapitel 1 Abschn. A.II.2.c), S. 42 ff. 410 Vgl. FN 148. 411 Vgl. z. B. P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 90), § 2 EStG-E: „Einkünfte aus erwerbswirtschaftlichem Handeln“ als Gegenstand der Einkommensteuer. 412 Vgl. FN 67. 413 Vgl. K. Vogel, in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV (FN 383), S. 3 (23 f.). 414 So wohl auch K. Vogel, Auslegung des Artikels 106 GG (FN 403), FS Tipke, S. 95: Im Hinblick auf das Verhältnis der Mehrwertsteuer zur früheren Allphasenbruttoumsatzsteuer könne man in Bezug auf eine direkte Konsumsteuer (expenditure tax) „immerhin erwägen, ob solch eine Steuer nicht noch unter den Begriff der ,Einkommensteuer‘ fiele, sofern sie von einem nach herkömmlichen Grundsätzen ermittelten Einkommen ausgeht und lediglich den Abzug der Ersparnisse vorsieht“. 415 P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag, in S. Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 72.

D. Nachgelagerte Besteuerung der Alterssicherung

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D. Nachgelagerte Besteuerung der Alterssicherung im Rahmen der traditionellen Einkommensteuer Gemeinhin wird das nachgelagerte Korrespondenzprinzip als Leitbild für die Besteuerung der Alterssicherung diskutiert.416 Auch Vertreter der traditionellen Einkommensteuer begrüßen es insoweit – trotz der oben in Kapitel 2 Abschn. A.III. auf den Seiten 71 ff. dargestellten Belastungsunterschiede – nahezu uneingeschränkt.417 Die folgenden Ausführungen untersuchen, ob die nachgelagerte Besteuerung der Alterssicherung im Rahmen der traditionellen Einkommensteuer als Fiskalzwecknorm gerechtfertigt werden kann, oder ob ihre Gleichheitssatzkonformität eines Gemeinwohlzwecks bedarf (Sozialzwecknorm).418 I. Fiskalzwecknorm? 1. Vorsorge für zukünftiges Existenzminimum Die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde verpflichtet den Staat, die materiellen Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu schaffen. Im Widerspruch hierzu stünde eine Besteuerung, die Mittel beansprucht, welche der Einzelne zur Finanzierung seines Existenzminimums benötigt.419 Bei einer rein periodenbezogenen Sicht der steuerlichen Lastenausteilung kann hieraus zwar noch keine verfassungsrechtliche Verpflichtung abgeleitet werden, auch die Vorsorge für das zukünftige Existenzminimum von der Einkommensbesteuerung auszunehmen. Schließlich findet das Altersexistenzminimum in den zukünftigen Veranlagungszeiträumen über den Grundfreibetrag Berücksichtigung (§ 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG). Der Abgabeverpflichtete soll aber infolge eines Ressourcentransfers an das Gemeinwesen nicht seinerseits auf Leistungen der Steuerzahlergemeinschaft angewiesen sein (Sozialhilfe), und wenn auch erst in der Zukunft. Im Hinblick auf die „freie, selbstverantwortliche und sozial zu achtende Persönlichkeit“420 als Menschenbild des Grundgesetzes wird – die Periodenbezogenheit der traditionellen Einkommensteuer durchbrechend – gemeinhin gefordert, jedenfalls die für das zukünftige Existenzminimum be416 Vgl. zuletzt C. Gröpl, Intertemporale Korrespondenz (FN 112), FR 2001, 568 ff. 417 Vgl. Nachweise (auch der Gegenmeinung) in FN 28. 418 Vgl. zu Fiskal- und Sozialzwecknormen J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 19 ff. 419 Vgl. dazu nur J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 202. 420 Söhn/Müller-Franken, Vorgelagerte und/oder nachgelagerte Besteuerung von Altersbezügen?, StuW 2000, 442 (448).

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Kap. 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung

nötigten Mittel von der Besteuerung zu verschonen.421 Wegen ihrer faktischen Zwangsläufigkeit unterfalle die „Mindestaltersvorsorge“ dem subjektiven Nettoprinzip. In der Tat handelte das Gemeinwesen widersprüchlich, wenn er seinen Mitgliedern heute etwas wegnähme, was es ihnen morgen zurückzugeben hätte. Der individuelle Anspruch gegenüber dem Gemeinwesen auf Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums (Hilfe zum allgemeinen Lebensunterhalt) lässt einen Abzugstatbestand für das zukünftige Existenzminimum auch bei einer im Übrigen periodenbezogenen Besteuerung gerechtfertigt erscheinen. Unklar ist allerdings, wie die Abzugsbeträge zu ermitteln sind, die das Existenzminimum im Alter sichern. Hierfür genügt es nicht, das Sozialhilfeniveau422 im Alter sowie den hierfür erforderlichen Vorsorgekapitalbestand zu berechnen. Da die benötigten periodischen Vorsorgeaufwendungen von der Länge des Einzahlungsbzw. Ansparzeitraums sowie der Verzinsung des Vorsorgekapitals abhängen, sind sie nicht für alle Steuerpflichtigen gleich hoch. Beginnt jemand beispielsweise 10 Jahre vor seinem voraussichtlichen Ruhestand mit dem Aufbau einer eigenständigen Altersvorsorge, wären ihm höhere Abzugsbeträge zuzugestehen als dem Berufsanfänger. Wird die Durchbrechung der Periodenbezogenheit der traditionellen Einkommensteuer konsequent zu Ende gedacht, müsste ein Steuerpflichtiger, dessen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum gerade ausreichen, um seine zukünftigen Existenzminima zu finanzieren, gänzlich von der Besteuerung ausgenommen werden.

2. Vorsorge für zukünftigen „angemessenen“ Lebensunterhalt? Fraglich ist, ob es mit dem Leitbild der traditionellen Einkommensteuer vereinbar ist, für einen höheren als den sozialhilferechtlich vorgesehenen, z. B. also für einen angemessenen Lebensstandard im Alter aus unversteuer421 Vgl. Söhn/Müller-Franken, Vor- und/oder nachgelagerte Besteuerung (FN 420), StuW 2000, 442 (447); W. v. Eichborn, Zur (steuerlichen) Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen am Beispiel Selbständiger, DB 2000, 944 (945); W. Brandt, Steuerrechtliche Erfordernisse im Rahmen der Harmonisierung gesetzlicher Alterssicherungssysteme, 1991, S. 161 ff.; H. Söhn, Sonderausgaben und Leistungsfähigkeit (FN 28), StuW 1985, 395 (404); ders., Verfassungsrechtliche Bindungen bei der Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen durch Höchstbeträge, StuW 1990, 356 (362); R. Wernsmann, Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen, StuW 1998, 317 (330) [mit Verweis auf BVerfG v. 20.08.1997 – 1 BvR 1523/88 u. 1300/89, HFR 1998, 397]; P. Fischer, Altersvorsorge und Altersbezüge (FN 28), DStJG 24 (2001), S. 463 (479, 502). 422 Ein verfassungsrechtliches Gebot, Vorsorgeaufwendungen auch insoweit von der Besteuerung auszunehmen, als sie der Einhaltung eines Abstands zum Sozialhilfeniveau dienen, wird jedenfalls vom BFH abgelehnt, vgl. BFH v. 14.05.1998 X R 38/93, BFH/NV 1999, 163.

D. Nachgelagerte Besteuerung der Alterssicherung

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tem Einkommen vorzusorgen. Lautete die Antwort „ja“, wäre – neben der Frage, wie die erforderlichen Vorsorgeaufwendungen von jüngeren wie älteren Steuerpflichtigen auf die einzelnen Veranlagungszeiträume aufgeteilt werden dürfen – zu klären, welches Versorgungsniveau „angemessen“ ist. Relationen zur aktuellen Einkommenshöhe kommen jedenfalls nicht in Betracht. Den Zugang zu einem günstigeren Besteuerungskonzept von der Höhe der gegenwärtigen Einkünfte abhängig zu machen, wäre schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil ungleiche Einkommensverteilungen zementiert würden. Warum sollte ein Steuerpflichtiger nicht einen ebenso hohen Lebensstandard im Alter genießen dürfen wie sein Nachbar, der zwar zur Zeit einkommensstärker, zugleich aber konsumfreudiger ist? Paul Kirchhof will Altersvorsorgeaufwendungen, die höchstpersönliche, d.h. nicht vererbbare Versorgungsanwartschaften begründen, sogar unlimitiert423 zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zulassen.424 Hierin scheint er keinen Widerspruch zum periodenbezogenen Belastungsideal des Karlsruher Entwurfs zur Reform des Einkommensteuergesetzes zu sehen, da dieser ausweislich der Entwurfsbegründung „von allen Lenkungs-, Interventions- und Verfremdungstatbeständen befreit“425 sein soll. So meint Kirchhof426, mit der ausschließlichen Begünstigung des Erwerbs nicht vererbbarer Versorgungsansprüche ein Kriterium gefunden zu haben, das „eine Abgrenzung zur Vermögensbildung klar und eindeutig“ ermögliche und zudem Höchstbeträge für die abzugsfähigen Zukunftssicherungsbeiträge überflüssig mache. Allerdings besteht der Unterschied zwischen einer Rentenanwartschaft und einem Kapitalstock allein in der Vermögensart, aus versicherungsmathematischer Sicht handelt es sich um äquivalente Vermögensbestandteile. So können z. B. Rentenanwartschaften in Kapitalauszahlungen umgewandelt (Ausübung des Kapitalwahlrechts) oder durch Einmalzahlungen erworben werden. Insbesondere würde die unlimitierte Abzugsfähigkeit von Zukunftssicherungsbeiträgen einkommensstarke oder vermögende Steuerpflichtigen befähigen, Millionenbeträge in Rentenversicherungsprodukten anzulegen, die sich über Jahrzehnte zum Bruttozinssatz akkumulierten und Rentenansprüche begründeten, die sich im Alter nur schwerlich einer konsumtiven Verwendung zuführen ließen. Mittelbar würden die Erben von der unlimitierten Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen profitieren (Vererbung der Ersparnisse aus den Versorgungsleistungen). Eine „tatsächliche Grenze“, die eine „Kapitalbildung über den Tod ausschließt“, kann der „höchstpersönliche Charakter“ der Zukunftssicherung angesichts der Belastungsunterschiede zwischen nachgelagerter und traditioneller Besteuerung nicht ziehen.427

423

Zu den fiskalischen Auswirkungen dieses Reformvorschlags, die für die Gläubiger der Einkommensteuer wohl nicht verkraftbar sein dürften, vgl. unten Kapitel 11 Abschn. B.II.2., S. 281 ff. 424 Vgl. P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 90), § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG-E. 425 Vgl. P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 90), Begründung Allg. Teil I. a. E. 426 Vgl. P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 90), Begründung zu § 9 EStG-E.

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Kap. 3: Verfassungskonformität der nachgelagerten Besteuerung

Selbst die Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen, die einen einheitlichen, möglicherweise durchschnittlichen Lebensstandard im Alter gewährleisten, ist vor dem Hintergrund des Belastungsideals der traditionellen Einkommensteuer aber nicht als Fiskalzwecknorm zu rechtfertigen.428 So findet die Vorsorge für das Altersexistenzminimum aus unversteuertem Einkommen ihr Pendant in dem Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, der das gegenwärtige Existenzminimum von der Einkommensteuer verschont. Zudem lässt sich zu ihrer Rechtfertigung der individuelle Sozialhilfeanspruch heranziehen. Eine Steuerbefreiung des Durchschnittseinkommens sieht das EStG jedoch nicht vor, und insoweit besteht auch kein sozialstaatlicher Teilhabeanspruch. Warum sollte ein periodenbezogenes Konzept steuerlicher Lastenausteilung den künftigen Lebensstandard besser behandeln als den gegenwärtigen? Etwas anderes mag sich aus einer vom Gesetzgeber auferlegten Verpflichtung ergeben, Altersvorsorge zu betreiben, und zwar in einen größeren Umfang als zur Sicherung des zukünftigen Existenzminimums erforderlich. Eine solche besteht sowohl hinsichtlich von Rentenversicherungsbeiträgen (Arbeitsentgelt sozialversicherungspflichtig Beschäftigter) als auch in Bezug auf die Beamtenversorgung.429 Gegen die Abzugsfähigkeit von Pflichtbeiträgen spricht zwar, dass auch sie mit Reinvermögensmehrungen einhergehen, nämlich dem Erwerb von Versorgungsanwartschaften. Ein Aktivtausch lässt die Reinvermögensposition unverändert, selbst wenn er gesetzlich erzwungen ist (Erfolgsneutralität).430 Allerdings ist es in gewisser Weise widersprüchlich, zunächst das verfügbare Einkommen auf parafiskalischem Wege zu reduzieren (Sozialversicherungsabgaben), um es anschließend ungemindert zu besteuern.431 Insbesondere begründet die Zwangsmitgliedschaft in den kollektiven Versorgungssystemen Zweifel an der Werthaltigkeit der Versorgungsanwartschaften: Stände den Rentenbeiträgen äquivalenter Versicherungsschutz gegenüber, bedürfte es keiner Rentenversicherungspflicht, Arbeitnehmer würden sich freiwillig rentenversichern. Diesen Zweifeln trägt die Abzugsfähigkeit der betreffenden Vorsorgeaufwendungen Rechnung.

427 So erhält ein Steuerpflichtiger seine Zukunftssicherungsbeiträge schon dann zurück, wenn er die durchschnittliche Lebenserwartung erreicht hat – und zwar akkumuliert zum Bruttozinssatz, woraus bei langen Ansparzeiträumen ein Vermögensbestand erwächst, der ein Vielfaches des Kapitals beträgt, welches aus versteuertem Einkommen hätte aufgebaut werden können, vgl. zur Quantifizierung der Belastungsunterschiede oben Kapitel 2 Abschn. A.III., S. 71 ff. 428 So wohl auch das in FN 421 zitierte Schrifttum. 429 Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 5 Abschn. B., Seiten 159 ff. 430 So auch W. Wiegard, Trojanisches Pferd (FN 137), ifo-schnelldienst 2000, 8 (11); Krause-Junk/Müller, Nachgelagertes Verfahren (FN 135), DB 1999, 2282 (2283). 431 So z. B. Söhn/Müller-Franken, Vor- und/oder nachgelagerte Besteuerung (FN 420), StuW 2000, 442 (446 f.).

D. Nachgelagerte Besteuerung der Alterssicherung

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II. Sozialzwecknorm Ist die Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgeaufwendungen, die einen Lebensstandard im Alter sichern, der das Existenzminimum übersteigt, keine Fiskalzwecknorm, sind die Abzugstatbestände nur als Sozialzwecknormen zu rechtfertigen. Sozialzwecknormen „treffen keine Steuerwürdigkeitsentscheidungen. [. . .] Wer sich ,sozial erwünscht‘ verhält, wird steuerlich entlastet, wer sich ,sozial unerwünscht‘ verhält, wird steuerlich sonderbelastet.“432

Die staatliche Verhaltenslenkung muss auf einem „Gemeinwohlanliegen von hohem Rang beruhen“433. Ein solches wird man in der Förderung eines durchschnittlichen Lebensstandards im Alter erkennen können. Wirtschaftssubjekte neigen dazu, ihre zukünftigen Konsumbedürfnisse zu unterschätzen. Eine staatliche Sparförderung in Form einer steuerlichen Begünstigung von Altersvorsorgemaßnahmen ist deshalb geeignet, individueller Altersarmut entgegenzuwirken. Da Steuerpflichtige, die ausreichend für ihren Ruhestand vorgesorgt haben, einer Unterstützung durch die Gemeinschaft der Steuerzahler nicht bedürfen, kommt die Verhaltenslenkung auch der Allgemeinheit zugute.434 Im Rahmen der traditionellen Einkommensteuer ist die limitiert nachgelagert Besteuerung der Alterssicherung infolgedessen zwar nicht als Fiskalzwecknorm, aber doch als Sozialzwecknorm gerechtfertigt. Kapitel 4

Lebenseinkommen „geeignetster“ Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit – Keine Besteuerung von Kapitaleinkommen Der gerechte Zeitpunkt der Besteuerung investierter Reinvermögensmehrungen beschäftigt bedeutende Steuertheoretiker seit über 200 Jahren.435 Einigkeit herrscht lediglich darüber, dass gespartes Einkommen einmal zu belasten ist. Die Frage des wann ist allerdings zugleich eine Frage des ob. Wie oben in Kapitel 2 Abschn. A.II.1. auf den Seiten 64 ff. gezeigt wurde, befreit der Belastungsaufschub, den das nachgelagerte Korrespondenzprinzip investierten Reinvermögensmehrungen gewährt, Kapitaleinkommen in Höhe der marktüblichen Verzinsung implizit von der Besteuerung. Im Kern geht es bei J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 21. K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 524. 434 So auch R. Müller, Betriebliche und private Altersvorsorge aus steuersystematischer Sicht, Konjunkturpolitik 1999, 290 (304 f.). 435 Vgl. Nachweise in FN 14. 432 433

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

der Suche nach dem „richtigen“ 436 Zeitpunkt der Besteuerung investierter Reinvermögensmehrungen also darum, ob Einkommen, welches jedermann durch gegenwärtigen Konsumverzicht erwirtschaften kann, besteuerungswürdig ist. Dass dem nicht so ist, versucht dieses Kapitel zu zeigen.

A. Lebenseinkommen vs. Periodeneinkommen Für eine Austeilung der steuerlichen Lasten kommen grundsätzlich zwei Maßstäbe in Betracht.437 Einerseits kann die individuelle Steuerlast an dem Nutzenniveau der Mitglieder des Gemeinwesens ausgerichtet werden (Lebensstandardansatz). Andererseits können Steuerlasten nach der individuellen Fähigkeit zum Ressourcentransfer ausgeteilt werden (Lebensausstattungsansatz, Leistungsfähigkeitsprinzip). Folgt aus beiden Konzeptionen die Sachgerechtigkeit dergleichen Bemessungsgrundlage, kann eine Entscheidung zwischen ihnen dahinstehen. Ergebnis dieses Abschnitts ist, dass sowohl das Nutzen- als auch der Leistungsfähigkeitskonzept eine Belastung des Lebenseinkommens gebieten (aufsummierter Periodenkonsum zuzüglich Lebensendvermögen), und die nachgelagerte Besteuerung, nicht aber die traditionelle Einkommensteuer, geeignet ist, diesen Besteuerungsmaßstab gleichmäßig umzusetzen. I. Lebensstandardansatz (Besteuerungsmaßstab Nutzen) 1. Periodenkonsum Sollen die Mitglieder eines Gemeinwesens entsprechend ihres Lebensstandards, ihrer Bedürfnisbefriedigung, ihres Nutzens zur Staatsfinanzierung herangezogen werden, ist der individuelle Konsum idealer Maßstab steuerlicher Lastenausteilung.438 Jedenfalls Konsumausgaben, die oberhalb des 436

Vgl Nachweise zur Wertungsabhängigkeit dieser Entscheidung in FN 291. Vgl. z. B. D. F. Bradford and the US-Treasury Tax Policy Staff, Blueprints for Basic Tax Reform, 2. Aufl. 1984, S. 33 f.; auch M. Hiller, Intergenerative Vermögensübertragungen in Systemen der Konsumbesteuerung, StuW 2001, 57 (60); P. Mühl-Schimmele, Die Behandlung von Erbschaften und Schenkungen in einem konsumorientierten Einkommensteuersystem, 1999, S. 81 f.; C. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung – Eine vergleichende Analyse des deutschen und US-amerikanischen Steuerrechts, 1991, S. 40 f. 438 Vgl. zur Besteuerungswürdigkeit des Einkommensverwendung z.B. J. Förster, Die Verbrauchsteuern – Geschichte, Systematik, finanzverfassungsrechtliche Vorgaben, 1989, S. 98 f. sowie (von rechtshistorischem Interesse) P. Mombert, Eine Verbrauchseinkommensteuer für das Reich als Ergänzung zur Vermögenszuwachssteuer, Tübingen 1916. A. A. A. Oberhauser, Deutsches Steuersystem und Steuergerechtigkeit, in A. Rauscher (Hrsg.), Steuergerechtigkeit, 1995, S. 11 (17 f.). 437

A. Lebenseinkommen vs. Periodeneinkommen

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Existenzminimums getätigt werden, erhöhen den Nutzen der Steuerpflichtigen. Wer insoweit anderer Auffassung ist, hat nach Franz W. Wagner „die gesamte Investitionstheorie neu zu konzipieren, die sich auf die Annahme stützt, dass die Vorteilhaftigkeit von Handlungsalternativen durch das mit ihnen realisierbare Konsumniveau gemessen wird“439.

Deutlich bringen die Idee des Lebensstandardansatzes auch John Rawls und Thomas Hobbes zum Ausdruck, die bereits oben in Kapitel 3 Abschn. A.II.2. auf Seite 98 zitiert wurden: „Einmal ist [die Verbrauchsteuer] jeder Einkommensteuer vorzuziehen, wenn man von den Gerechtigkeitsforderungen des gemeinen Verstandes ausgeht, denn sie belastet gemäß den in Anspruch genommenen Gütern, nicht gemäß den Leistungen [. . .].“440 „For what reason is there, that he which laboureth much and sparing the fruits of his labor, consumeth little, shall be more charged, than he that liveth idely, getteth little, and spendeth all he gets [. . .] ?“441

2. Lebensendvermögen Zudem wäre nach dem Lebensstandardansatz das Lebensendvermögen zu belasten. Neben den getätigten Konsumausgaben erhöht auch die Vererbung von Wirtschaftsgütern den Nutzen des Erblassers, indem altruistische oder egoistische Vererbungsmotive befriedigt werden.442 So zieht ein altruistisch motivierter Erblasser Nutzen daraus, dass den Begünstigten Gutes widerfährt. Ein egoistisch motivierter Erblasser hingegen hat sich das Wohlverhalten anderer bereits zu Lebzeiten erkauft: Die Erwartung der Erbschaft wird die Begünstigten zu bestimmten, dem Erblasser nützlichen Verhaltensweisen veranlasst haben.443 Eine steuerliche Lastenausteilung nach dem Lebensstandardansatz hätte infolgedessen den aufsummierten Periodenkonsum sowie das Lebensendvermögen (Lebenseinkommen) der Steuerpflichtigen zu belasten. Investierten Reinvermögensmehrungen würde ein Besteuerungsaufschub gewährt, Kapitaleinkommen in Höhe der marktüblichen Verzinsung implizit von der Besteuerung befreit, vgl. oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., Seiten 64 ff. 439 F. W. Wagner, Neutralität und Gleichmäßigkeit als ökonomische und rechtliche Kriterien steuerlicher Normkritik, StuW 1992, 2 (6 f.). 440 J. Rawls, Theorie der Gerechtigkeit (FN 311), S. 312. 441 T. Hobbes, Leviathan, 3. Aufl. 1887, Kap. 30, S. 158 [zitiert nach H. Groves, Tax Philosophers – 200 Years of Thought in Great Britain and the United States, The University of Wisconsin Press, 1974, S. 14]. 442 A. A. wohl D. Schneider, Zur Rechtfertigung von Erbschaft- und Vermögensteuer, StuW 1979, 38 (41) sowie hinsichtlich altruistischer Vererbungsmotive M. Hiller, Intergenerative Vermögensübertragungen (FN 437), StuW 2001, 57 (61). 443 Vgl. dazu S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 150 ff.

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

Insbesondere kann vor dem Hintergrund des Lebensstandardansatzes eine zeitnahe Belastung gesparten Einkommens nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Nutzen erfasst werden soll, welcher aus akkumulierten Ersparnissen über das zukünftige Konsumpotential hinaus erwächst (z. B. Sicherheit, Prestige).444 Dies gilt selbst für den Fall, dass eine Ausweitung des Besteuerungsanspruchs auf immaterielle Bedürfnisbefriedigungen (z. B. Vorfreude auf künftigen Konsum als psychic income445) auch dann nicht als ungerecht empfunden würde, wenn zwar die Sicherheit und das Prestige aus Vermögen besteuert würde, die Sicherheit, die mit dem Beamtenstatus einhergeht, oder das Prestige aus dem Hochschullehrerberuf aber unbelastet bliebe. Jedenfalls wäre die Besteuerung gesparten Einkommens nicht das geeignetste Mittel, den immateriellen Nutzen aus akkumulierten Ersparnissen zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen heranzuziehen. Zielgenauer wäre insoweit die Erhebung einer Vermögensteuer.446 Dies folgt schon daraus, dass die Einkommensteuer auf eine Stromgröße rekurriert, während die Vermögensteuer eine Bestandsgröße erfasst. Sicherheits- oder Prestigebedürfnisse werden aber nicht aus aktueller Ersparnisbildung befriedigt, sondern aus bereits akkumuliertem Vermögen.447 So wiegt sich ein vermögender Steuerpflichtiger auch dann in Sicherheit bzw. verfügt über prestigeträchtigen Reichtum, wenn er sein gegenwärtiges Einkommen zum Konsum verwendet.

II. Lebensausstattungsansatz (Besteuerungsmaßstab Leistungsfähigkeit) Der Lebensausstattungsansatz teilt die steuerlichen Lasten nach der Fähigkeit des Einzelnen aus, einen Ressourcentransfer an das Gemeinwesen zu leisten (Leistungsfähigkeitsprinzip). Als „geeigneten oder gar geeignetsten“448 Leistungsfähigkeitsindikator erachtet Klaus Tipke das Einkommen. Fraglich ist allerdings, welches Einkommen sachangemessener Maßstab 444 Kritisch zu dieser Sichtweise der älteren Finanzwissenschaft (z. B. H. Haller, Die Steuern, 3. Aufl. 1981, S. 54 ff.) auch F. W. Wagner, Neutralität und Gleichmäßigkeit (FN 439), StuW 1992, 2 (6 f.). 445 Vgl. dazu E. Wenger, Gleichmäßigkeit der Besteuerung (FN 15), Finanzarchiv 1983, 207 (211) zu C. W. Guillebaud, Income Tax and „Double Taxation“ of Saving, Economic Journal, Vol. 45 (1935), 489 ff. 446 So auch E. Schlicht, Plädoyer für eine Konsumsteuer, Wirtschaftsdienst 1984, 323 (326). 447 Die traditionelle Einkommensteuer kann den Nutzen aus der Vermögenshaltung über die Kapitaleinkommensbelastung höchstens indirekt erfassen. Für eine indirekte Belastung besteht aber kein Anlass, wenn eine direkte Belastung ebenfalls möglich ist (Vermögensteuer). Zudem scheitert die indirekte Belastung via Kapitaleinkommensbesteuerung, wenn die Grenzrendite des Vermögens nicht als Surrogatsmaß des Nutzens angesehen werden kann, welcher aus den akkumulierten Ersparnissen über das zukünftige Konsumpotential hinaus erwächst, vgl. dazu D. Kiesewetter, Zinsbereinigte Einkommen- und Körperschaftsteuer (FN 226), S. 24. 448 K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 560. Wenige Zeilen später wird diese Aussage allerdings relativiert, wenn es heißt, dass „es einen richtigen Einkommensbegriff

A. Lebenseinkommen vs. Periodeneinkommen

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steuerlicher Lastenausteilung ist, nämlich das Lebenseinkommen oder das Abschnittseinkommen, d.h. über welchen Zeitraum die Vermögensänderung zu messen ist. 1. Lebenseinkommen Nach Klaus Tipke trägt allein der Besteuerungsmaßstab Lebenseinkommen449 der empirischen Grunderkenntnis des Steuerrechts Rechnung, dass Steuerzahlungen „nur aus dem Einkommen (aus dem als Vermögen gespeichertem Einkommen)“450 aufgebracht werden können. Die Periodizität der Einkommensteuer versteht Tipke – und hierin folgt ihm die Steuerrechtswissenschaft fast ausnahmslos451 – nicht als materiell-rechtliches, sondern lediglich technisches Prinzip der Einkommensbesteuerung, als Steuererhebungstechnik452 zur gleichmäßigen Erfassung des Lebenseinkommens (fiskalische Notwendigkeit der Abschnittsbesteuerung). Für die Vorzugswürdigkeit eines überperiodischen Maßstabs steuerlicher Lastenausteilung sei stellvertretend David F. Bradford zitiert: „Ideally, two taxpayers should be compared on the basis of a whole lifetime of circumstances [. . .].“453

nicht gibt“, weshalb auch der Einkommensbegriff teleologisch – das heißt hier: am Leistungsfähigkeitsprinzip – auszurichten (und zu interpretieren)“ sei. 449 Vgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 669. 450 K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 97. 451 Vgl. nur J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 187; ders., Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, in Tipke/Bozza (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen – Rechtsvergleich Italien, Deutschland und Spanien als Beitrag zur Harmonisierung des Steuerrechts in Europa, 2000, S. 123 (138); v. Groll in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 10d EStG Rn. A 12; K. H. Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, in ders. (Hrsg.), Steuerrecht und Verfassungsrecht, DStJG 12 (1989), S.18 [„Als gänzlich unzureichend erweist sich die periodenbezogene Betrachtungsweise aus verfassungsrechtlicher Sicht dort, wo es um die gerechte Erfassung der intertemporalen Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen (,Lebenseinkommen‘) geht.“]; J. Hackmann, Die Besteuerung des Lebenseinkommens, 1979, S. 47 ff.; Raupach/ Schencking in H/H/R (FN 58), § 2 EStG Anm. 601; R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, 1996, S. 313; R. Beiser, Das Leistungsfähigkeitsprinzip – Irrweg oder Richtschnur?, ÖStZ 2000, 413 (417). Wohl auch U. Sachse, Die Abschnittsbesteuerung im deutschen Ertragsteuerrecht – Prinzip und Ausnahmen, 1977, S. 20, 75, 250; J. Hey, Verbot und Auflösung von Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen: Gerechtigkeit in der Zeit?, BB 2000, 1453 (1456) [„Es kann nicht kurz aufeinander folgend zwei unterschiedliche Leistungsfähigkeitsmaßstäbe geben.“]. A. A. insb. die in FN 454 zitierte Literatur. 452 Vgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 671. Krit. zur Unterscheidung von technischen und materiellen Prinzipien des Einkommensteuerrechts K.-D. Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn (FN 140), S. 126 f.

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

Eine gleichmäßige Besteuerung des Lebenseinkommens wäre verfehlt, wenn der Regelungsbereich des staatlichen Abgabenrechts eine Sachgesetzlichkeit aufwiese, die eine Aufteilung der Lebenszeit in Abschnitte nicht nur aufgrund technisch-budgetärer, sondern materiell-rechtlicher Gesichtspunkte gebieten würde. Abschnittseinkommen als Besteuerungsmaßstab wäre dann unter Leistungsfähigkeitsaspekten zwingend, nicht willkürlich. Der nachfolgende Abschnitt zeigt, dass es an einem solchen Gesichtspunkt fehlt. 2. Periodeneinkommen? Für die Sachgerechtigkeit einer Abschnittsbesteuerung und damit den materiell-rechtlichen Charakter454 des einkommensteuerlichen Periodizitätsprinzips (Leistungsfähigkeitsindikator Periodeneinkommen) werden drei Gesichtspunkte angeführt. Zum einen soll der Steuerpflichtige über „finanzielle Leistungsfähigkeit und damit über die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer nur zeitgebunden“455 verfügen (Freiheit in der Zeit; Einkommen als „ökonomische Grundlage gegenwärtiger Handlungsfreiheit“456). Zum anderen sollen nur zeitlich abgeschlossene oder zumindest überschaubare Sachverhalte wertend miteinander in Beziehung gesetzt werden können („Vergleichbarkeit in der Zeit“457). Schließlich existiere ein Gebot „gegenwartsgerechter Besteuerung“458. a) „Freiheit in der Zeit“? Nach Paul Kirchhof ist die im Besteuerungsgegenstand Einkommen vergegenständlichte ökonomische Handlungsfreiheit lediglich „Freiheit in der 453 D. F. Bradford and the US-Treasury Tax Policy Staff, Blueprints For Basic Tax Reform (FN 437). Insbesondere geht es bei dem Zeitpunkt der Besteuerung nicht lediglich um Progressionseffekte (so aber T. Birtel, Die Zeit im Einkommensteuerrecht, 1985, S. 156 f.), sondern auch – bei proportionalen Steuertarifen sogar ausschließlich – um Zinseffekte. Krit. insoweit auch [zu E. Schipporeit, Grundsätze und Möglichkeiten einer Unternehmungsteuer, 1979, S. 51] R. Elschen, Institutionale oder personale Besteuerung von Unternehmensgewinnen, 2. Aufl. 1994, S. 90. 454 Vgl. P. Kirchhof, Gutachten (FN 88), F 75 f.; z. B. auch ders., in Kirchhof/ Söhn (FN 112), § 2 EStG, Rn. A 138, A 362; R. Schick, Der Verlustrücktrag, 1976, S. 12 ff.; E. Kamman, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bewertung, 1988, S. 177 ff. 455 So aber P. Kirchhof in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 2 EStG, Rn. A 136. 456 P. Kirchhof, Gutachten (FN 88), F 76. 457 R. Schick, Verlustrücktrag (FN 454), S. 13. Krit. insb. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 668. 458 P. Kirchhof, in ders. (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar, 2. Aufl. 2001, § 2 Rz. 17.

A. Lebenseinkommen vs. Periodeneinkommen

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Zeit“459. Das Leistungsfähigkeitsprinzip erfordere die gegenwartsbezogene Belastung erworbener Wirtschaftsgüter. Allein die abschnittsweise Einkommensbesteuerung sichere eine zeitgerechte Erfassung individueller Leistungsfähigkeit, nur sie verteile die individuellen Steuerlasten situationsgerecht.460 So ließen sich die „Privatnützigkeit des Hinzuerwerbs, alle für den Steuerpflichtigen unverzichtbaren und zur Erhaltung der Erwerbsquelle benötigten Aufwendungen nur für die Gegenwart, nicht für das Lebenseinkommen des Steuerpflichtigen bestimmen“461.

Diese Argumentation übersieht zunächst, dass auch die Belastung allein der konsumtiv verwendeten Reinvermögensmehrungen und des Lebensendvermögens (Lebenseinkommen) Erwerbsaufwendungen zeitnah aus der periodischen Bemessungsgrundlage ausgrenzt.462 Insoweit fehlt es bereits an einer Reinvermögensmehrung, die konsumtiv verwendet würde und damit zu besteuern wäre. Eine Lebenseinkommensbesteuerung verwirklicht das objektive Nettoprinzip gegenwartsgerecht im Kirchhof ’schen Sinne. Kirchhof kann auch nicht gefolgt werden, wenn er ausführt: „Der Einkommensbezieher verfügt jetzt über eine Zahlungsfähigkeit, ist aber nicht verpflichtet, diese Fähigkeit auf Jahre hinaus zum Zweck der Besteuerung zu erhalten. [. . .] Deshalb erfasst nur die periodische, abschnittsweise Besteuerung des Einkommens die im Einkommen angelegte Leistungsfähigkeit.“463

Dies würde selbst dann gelten, wenn Franz W. Wagner zu Unrecht meinte, Kirchhofs Schlussfolgerungen beruhten auf der „irrigen Annahme“, zwischen Einkommen und Liquidität bestünde kein Unterschied: „Die arbiträren Ergebnisse der Abschnittsbesteuerung, insbesondere der Abschnittsprogression, zu einem wesentlichen Merkmal der Leistungsfähigkeit zu erklären, ist bei Kirchhof nicht Ausfluss rechtlicher Wertungen, sondern das Ergebnis seines ökonomischen Fehlurteils, dass Einkommen ein Liquiditätsüberschuss sei.“ 464 459 P. Kirchhof, Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, StuW 1985, 319 (322). 460 Vgl. P. Kirchhof, Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (FN 459), StuW 1985, 319 (329). 461 P. Kirchhof, Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (FN 459), StuW 1985, 319 (322). 462 Vgl. zur Abzugsfähigkeit von Erwerbsaufwendungen bei nachgelagerter Besteuerung unten Kapitel 1 Abschn. B.III.4., S. 55 ff. 463 P. Kirchhof, Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (FN 459), StuW 1985, 319 (322). Vgl. auch P. Kirchhof, Gutachten (FN 88), F 75 f. 464 F. W. Wagner, Neutralität und Gleichmäßigkeit (FN 439), StuW 1992, 2 (10). Wagner (ebd., S. 7) führt derartige Missverständnisse darauf zurück, dass neuere ökonomische Literatur „nur von wenigen Vertretern der Steuerrechtswissenschaft zur Kenntnis genommen“ werde, die „ansonsten mehrheitlich eine Vorliebe für die älteren finanzwisschaftlichen Literaturbestände erkennen lassen“. In Fußnote 36

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

Denn dass der Steuerpflichtige über „finanzielle Leistungsfähigkeit und damit über die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer nur zeitgebunden“465 verfüge, trifft lediglich für konsumierte Periodeneinkünfte zu. Investierte Reinvermögensmehrungen, die von einer Lebenseinkommensbesteuerung erst in zukünftigen Veranlagungszeiträumen erfasst werden (Ersparnisauflösung bzw. Lebensendvermögen), zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie auch in künftigen Besteuerungsabschnitten Zahlungsfähigkeit und damit Handlungsfähigkeit vermitteln (Vermögen als gespeichertes Einkommen). Infolgedessen widerspricht auch der Kirchhof ’sche „Typus von Einkommensempfänger, der in der jeweiligen Gegenwart seinen Bedarf deckende Eigentümer, der sein Einkommen zu gegenwärtigem Nutzen mehrt“466 – Arndt Raupach bezeichnet ihn als „lebensfremd“467 – der Lebenseinkommensbesteuerung nicht. Vielmehr trägt der Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen dem im Kirchhofschen Sinne atypischen Einkommensempfänger Rechnung, der Einkommen erwirtschaftet, um Ersparnisse zu bilden (Handlungsspielräume in zukünftigen Veranlagungszeiträumen). Kirchhof ist zwar zuzugestehen, dass die im erwirtschafteten Einkommen vergegenständlichte ökonomische Handlungsfreiheit jeweils nur „Freiheit in der Zeit“468 ist. Bezüglich des Zeitraums, in der Einkommen Freiheit vermittelt, ist allerdings zu differenzieren zwischen konsumtiv und investiv verwendeten Reinvermögensmehrungen. Wird Einkommen für Konsumaufwendungen eingesetzt, vermittelt es in zukünftigen Veranlagungszeiträumen keine gegenwärtige ökonomische Handlungsfreiheit. Da es später nicht mehr existiert, wird es sowohl von der traditionellen Einkommensteuer als auch von einer Besteuerung des Lebenseinkommens in jener Periode belastet, in der es erwirtschaftet wird (Periodenkonsum). Anders verhält es sich mit investiertem Einkommen. Solange dieses als gespeichertes Einkommen (Vermögen) zur Verfügung steht, d.h. nicht für Konsumzwecke eingesetzt heißt es: „Dies wird besonders deutlich bei Kirchhof, Gutachten (FN 88), 1988. Es werden insgesamt drei wirtschaftswissenschaftliche Autoren nach 1945 zitiert.“ Unmittelbar zuvor führt Wagner aus (ebd., S. 2): „Die Durchsicht der steuerrechtlichen Literatur vermittelt in der Tat manchmal den Eindruck, dass die Auswertung ökonomischer Literatur nicht unmaßgeblich durch Lücken in den Autoren jeweils verfügbaren Literaturbeständen behindert wird.“ Als Beispiel führt Fußnote 2 die Habilitationsschrift von Dieter Birk (Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983) an: „So sind etwa bei Birk [. . .] unter ca. 500 zitierten Titeln 3 Diskussionsbeiträge aus der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre angegeben.“ 465 P. Kirchhof, in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 2 EStG Rn. 136. 466 P. Kirchhof, in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 2 EStG Rn. 136. 467 Raupach/Schenking, in H/H/R (FN 58), § 2 EStG Anm. 601. 468 P. Kirchhof, Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (FN 459), StuW 1985, 319 (322).

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wurde, ist es „ökonomische Grundlage gegenwärtiger Handlungsfreiheit“469 in der Zukunft, die der aus aktuellen Periodeneinkünften in nichts nachsteht. b) „Gleichheit in der Zeit“? (1) Vergleichbarkeit in der Zeit? Reiner Schick meint, Gleichheit bestehe aus zwei Komponenten, der Vergleichbarkeit in der Sache und der Vergleichbarkeit in der Zeit.470 Aus der Vergleichbarkeit in der Zeit soll folgen, dass nur zeitlich abgeschlossene oder zumindest überschaubare Sachverhalte wertend miteinander in Beziehung gesetzt werden könnten und zudem der Vergleichszeitraum für alle Steuerpflichtigen identisch sein müsse (materiell-rechtlicher Gehalt des Periodizitätsprinzips). Zunächst ist Schick beizupflichten, dass steuerliche Gerechtigkeit „auch und gerade“ ein Problem der Gleichheit der Steuerpflichtigen untereinander ist. Allerdings setzt Steuergerechtigkeit neben Gleichbehandlung die Sachangemessenheit des Besteuerungsmaßstabs voraus (materiale Gerechtigkeit471). Hat die bereichsbezogene Anwendung des Gleichheitssatzes demnach an Lebenssachverhalte anzuknüpfen, weil es an einer Sachgesetzlichkeit des betreffenden Regelungsbereichs fehlt, welche eine Aufteilung der Lebenszeit in kürzere Vergleichszeiträume rechtfertigen würde, gebietet die materiale Rechtsstaatlichkeit, die Vergleichbarkeit in bestimmten Zeitabschnitten gegenüber der Gleichbehandlung der Lebenssachverhalte zurücktreten zu lassen.472 Ein Beispiel für die Unangemessenheit eines Vergleichs abgeschlossener oder zumindest überschaubarer Zeiträume bei Lebenssachverhalten, die von Natur aus unterschiedlich lang sind, ist die allgemeine Wehr- und Dienstpflicht (Art. 12a GG). Jeder männliche Deutsche ist verpflichtet, einmal in seinem Leben Grundwehr- bzw. Wehrersatzdienst zu leisten, Art. 12a Abs. 1 GG i.V. m. §§ 1 ff. Wehrpflichtgesetz (WPflG). Eine mehrfache Heranziehung zu dieser staatsbürgerlichen Pflicht bedarf im Hinblick auf das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Gebot der Wehrgerechtigkeit ebenso einer sachlichen Rechtfertigung wie die Verschonung vom Grundwehrdienst.473 Einen Anspruch des Wehrpflichtigen, zeitgleich mit 469

P. Kirchhof, Gutachten (FN 88), F 76. Vgl. R. Schick, Verlustrücktrag (FN 454), S. 12 ff. (13). 471 Vgl. Nachweise in FN 299. 472 So auch K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 669. 473 Vgl. BVerfG v. 13.04.1978 – 2 BvF 1-5/77, BVerfGE 48, 127 (159); v. 05.11.1974 – 2 BvL 6/71, BVerfGE 38, 154 (166); R. Scholz, in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 23. Lfg. 10/1984, Art. 12a Rz. 20; F. Kirchhof, Bundeswehr, in Isen470

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

seinen Altersgenossen eingezogen zu werden, wird aus Art. 3 Abs. 1 GG hingegen nicht herausgelesen. Ein Vergleichszeitraum von ein, zwei, drei oder mehr Jahren lässt auch keinen Schluss auf die Einhaltung des Gebots der Wehrgerechtigkeit zu. Wer z. B. für Studiumszwecke vorübergehend von der Verpflichtung zur Ableistung seines Grundwehr- oder Wehrersatzdienstes befreit wurde (Zurückstellung), würde nicht als Dienstleistender erfasst. Gehaltvolle Aussagen zur Wehrgerechtigkeit ermöglicht nur die Betrachtung von Lebenszeiträumen. Wie vorstehendes Beispiel zeigt, gebührt immer dann, wenn die Vergleichbarkeit in der Sache die Vergleichbarkeit innerhalb zeitlich fixierter Perioden ausschließt, dem sachangemessenen Vergleichsmaßstab der Vorrang gegenüber der Überschaubarkeit des Vergleichszeitraums. Eine Sachgesetzlichkeit des staatlichen Abgabenrechts, die eine Aufteilung der Lebenszeit des Steuerpflichtigen in Besteuerungsabschnitte rechtfertigen könnte, ist aber nicht ersichtlich. Einzige Sachgesetzlichkeit der steuerlichen Lastenausteilung ist, dass Steuern lediglich aus (gespeichertem) Einkommen geleistet werden können.474 Die Austeilung der Steuerlasten erhält schon dadurch einen überperiodischen Bezug, dass Steuerschulden auch aus akkumulierten, aus gespeicherten Reinvermögensmehrungen beglichen werden können. Auch die steuerfinanzierte Staatstätigkeit hat häufig einen Lebensbezug.475 Sie trägt der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitablauf z. B. dadurch Rechnung, dass Erziehungsaufwendungen und Gesundheits- bzw. Pflegekosten subventioniert werden (Transfermaßstab Lebensverhältnisse476). Darüber hinaus enthält das staatliche Abgabenrecht keine Anhaltspunkte für die sachgerechte Länge eines Besteuerungszeitraums. Ekkehard Wenger fragt: „Wie lang soll die Periode sein, für die Schneiders Idealvorstellung von steuerlicher Gleichmäßigkeit expliziert wird? Einen Monat? Ein Jahrzehnt? Soll es auf die Dienstzeit eines Finanzministers ankommen oder den Zeitraum zwischen zwei Steuerreformen? Oder vielleicht doch auf die Lebenszeit des Steuerpflichtigen?“477

see/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Das Handeln des Staates (HStR III), 2. Aufl. 1996, § 78 Rz. 48; G. Gornig, in Mangoldt/Klein/Strack, GG (FN 327), Art. 12a Rz. 10 f. 474 Vgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 669. 475 Vgl. Atkinson/Stiglitz, Lectures on Public Economics, 1980, S. 262 f. 476 Vgl. zur Ablehnung der Aufteilung der Lebensdauer in Abschnitte für Zwecke staatlicher Transfers auch R. Zappernick, Transfer-Einkommen und Einkommensverteilung, 1995, S. 147 ff., 153 f.; Transfer-Enquete-Kommission, Zur Einkommenslage der Rentner, 1979, S. 55. 477 E. Wenger, Kapitulation vor der Problematik der Kapitaleinkommensbesteuerung (FN 15), Finanzarchiv 1986, 258 (261).

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(2) Gebot einer gegenwartsgerechten Besteuerung („Belastungsgleichheit in der Zeit“)? Paul Kirchhof leitet aus Art. 3 Abs. 1 GG das Gebot einer „gegenwartsgerechten Besteuerung“478 ab. Hiernach soll „insbesondere der Einkommensteuerpflichtige mit seinem gegenwärtigen steuerpflichtigen Einkommen zur Deckung des gegenwärtigen staatlichen Finanzbedarfs“479 beitragen („Belastungsgleichheit in der Zeit“480). Auf die Kirchhof ’sche Ableitung481 der Belastungsgleichheit in der Zeit aus dem „zugleich“ des zweiten Satzes von Art. 14 Abs. 2 GG wird hier nicht näher eingegangen. Zum einen sind die Ergebnisse, welche Kirchhof aus der Auslegung dieses Wörtchens gewinnt, bereits häufig Gegenstand vehementer Kritik gewesen, wenn auch in anderem Zusammenhang (sog. Halbteilungsgrundsatz).482 Zum anderen setzt der materiell-rechtliche Charakter einer Abschnittsbesteuerung aufgrund des „zugleich“ voraus, dass Art. 14 GG die Erhebung von Steuern rechtfertigt. Klaus Tipke weist diesbezüglich auf andere Staaten hin, die ebenfalls zur Erhebung von Steuern berechtigt sind, obgleich ihre Rechtsordnungen keine Vorschrift enthalten, die Art. 14 GG vergleichbar wäre. Zudem ist „dieses ,Zugleich‘ “ selbst nach einer jüngeren Kirchhof-Veröffentlichung „kein Zeitbegriff, sondern ein Wertungsbegriff, der die Gleichwertigkeit von Gemeinwohldienlichkeit und Privatnützigkeit konstituiert“483.

Keine Vorgabe einer bestimmten periodischen Bemessungsgrundlage Zwar mag der laufende staatliche Finanzbedarf eine Abschnittsbesteuerung erfordern. Dies gilt aufgrund von Art. 115 Abs. 1 Satz 2 HS 1 GG (Beschränkung der staatlichen Kreditaufnahme auf die Investitionssumme484) auch dann, wenn es angesichts einer Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte in Höhe des sechsfachen Bundeshaushalts485 nicht leicht fällt, in der Verfassungswirklichkeit einen unauflösbaren Konnex zwi478 P. Kirchhof, in ders. (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar (FN 458), § 2 Rz. 17. Vgl. auch ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, 2000, S. 41. 479 P. Kirchhof, Die Widerspruchsfreiheit im Steuerrecht als Verfassungspflicht, StuW 2000, 316 (320); ders., Der Karlsruher Entwurf und seine Fortentwicklung zu einer Vereinheitlichten Ertragsteuer, StuW 2002, 3 (9). Vgl. auch ders., Verfassungsrechtliche und steuersystematische Grundlagen der Einkommensteuer, in I. Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 9 (17). 480 P. Kirchhof, Widerspruchsfreiheit (FN 479), StuW 2000, 316 (320). 481 Vgl. P. Kirchhof, Gutachten (FN 88), F 76. 482 Vgl. nur K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 452 ff. (453). 483 P. Kirchhof, Der Einfluss des Verfassungsrechts auf die Entwicklung des Steuerrechts, Stbg. 1995, 68 (71). Vgl. dazu auch K.-D. Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn (FN 140), S. 87 (FN 452).

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

schen Steuereinnahmen und Staatsausgaben eines Haushaltsjahres zu erkennen. Die budgetäre Notwendigkeit einer Abschnittsbesteuerung legt den Steuergesetzgeber allerdings nicht auf eine bestimmte periodische Bemessungsgrundlage fest (z. B. Periodeneinkommen). Es ist Aufgabe des Steuersatzes, den gegenwärtigen Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte mit einer sachangemessenen Bemessungsgrundlage abzustimmen.486 Anderenfalls stünden z. B. das objektive und das subjektive Nettoprinzip zur Disposition des Gesetzgebers, sobald der Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte nur groß genug wäre. Auch Kirchhof will die Bemessungsgrundlage „im Wesentlichen“ vom Leistungsfähigkeitsprinzip definiert wissen, nicht aber von den staatlichen Finanzbedürfnissen.487 Gebietet eine überperiodische Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips, investierten Reinvermögensmehrungen einen Besteuerungsaufschub zu gewähren, um den Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen gleichmäßig zu belasten, teilt die Anwendung eines Einkommensteuertarifs auf die periodisch konsumierten Reinvermögensmehrungen, der in Abhängigkeit von den staatlichen Finanzbedürfnissen festgesetzt wurde, die steuerlichen Lasten ebenso gegenwartsgerecht aus wie die traditionelle Einkommensteuer. Die Ausgrenzung gesparten Einkommens aus der periodischen Bemessungsgrundlage ist insoweit der Abzugsfähigkeit von Erwerbsaufwendungen vergleichbar, die das objektive Nettoprinzip gebietet. Einheitlichkeit der Rechtsordnung – Keine sozialrechtliche „Gegenwartsgerechtigkeit“ Bedenken gegen das Gebot einer „gegenwartsgerechten Besteuerung“488 im Kirchhof ’schen Sinne folgen auch aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung. So bekräftigt Klaus Tipke489 sein überperiodisches Verständnis von Steuergerechtigkeit, indem er einen Vergleich zwischen Steuerrecht und Sozialrecht zieht. Die Sozialgerechtigkeit ende unstreitig nicht mit Ablauf eines Jahres. Wer im Jahre 01 Hilfe zum allgemeinen Lebensunterhalt (Sozialhilfe) in Anspruch genommen habe, müsse die emp484 Vgl. allerdings die Ausnahmevorschrift des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 HS 2 GG, der „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ eine höhere Kreditaufnahme zulässt. 485 Der Bundeshaushalt 2003 soll 246,3 Mrd. Euro betragen, vgl. FAZ v. 17.06.2002, S. 13), der Schuldenstand hat 1,6 Billionen Euro überschritten. 486 Vgl. dazu auch unten Kapitel 11 Abschn. B., S. 275 ff. 487 P. Kirchhof, Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (FN 459), StuW 1985, 319 (322, 329). 488 P. Kirchhof, in ders. (Hrsg.), EStG-KompaktKommentar (FN 458), § 2 Rz. 17. 489 Vgl. K. Tipke, Steuerjuristische Würdigung des Karlsruher Entwurfs (FN 93), StuW 2002, 148 (165).

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fangenen Transfers zurückgewähren, wenn er hierzu im Jahre 02 in der Lage sei. Eine „Gegenwartsgerechtigkeit“ existiert im sozialen Bereich nicht. Wenn es aber an einer sozialen Gegenwartsgerechtigkeit fehlt, würde das Gebot einer gegenwartsgerechten steuerlichen Lastenausteilung die Einheitlichkeit der Rechtsordnung gefährden. Gerade das Sozialrecht ist dem Steuerrecht besonders wesensverwandt, da es den Ressourcentransfer des Gemeinwesens an seine bedürftigen Mitglieder regelt (Spiegelbild des staatlichen Abgabenrechts). c) BVerfG/BFH-Rechtsprechung? Nach Klaus Tipke muss „es noch nicht zwingend gegen die Kirchhof ’sche These von der ,Gleichheit oder Gerechtigkeit in der Zeit‘ sprechen“, dass sie ihm bislang „weder in der inländischen noch in der ausländischen Fachliteratur begegnet“ sei.490 Allerdings finden sich auch in der Rechtsprechung des BVerfG oder BFH keine Argumente dafür, die Messung steuerlicher Leistungsfähigkeit auf einen Besteuerungsabschnitt zu begrenzen. Im Gegenteil: Sowohl das BVerfG als auch der BFH erkennen einen „Wertungswiderspruch“491 zwischen einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung und dem einkommensteuerlichen Periodizitätsprinzip. Die Abschnittsbesteuerung sei allein der Rechtssicherheit geschuldet. (1) BVerfG-Rechtsprechung Zwar hat der Erste Senat des BVerfG in seinem Beschluss vom 22. Juli 1991492 § 10 Abs. 1 Satz 4 EStG 1976 und damit eine Vorschrift als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen, welche die interperiodische Verrechenbarkeit von Verlusten auf sieben Jahre begrenzte.493 Die Gleichheitssatzkonformität der Nichtgewährung zeitlich unlimitierter Verlustverrechnungsmöglichkeiten wurde allerdings nicht damit begründet, dass der Leistungsfähigkeitsindikator Periodeneinkommen geeignet sei, Steuerlasten gerecht auszuteilen. Vielmehr hat das BVerfG den „Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips“ gewertet: Der interperiodische Verlustausgleich sei Aus-

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K. Tipke, Steuerjuristische Würdigung des Karlsruher Entwurfs (FN 93), StuW 2002, 148 (165). 491 BVerfG v. 22.07.1991 – 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423 (424). 492 BVerfG v. 22.07.1991 – 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423 f.; ebenso BVerfG v. 08.03.1978 – 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293 f. [„Abschnittbesteuerung verfassungsrechtlich unbedenklich“]. 493 Je ein Jahr Verlustrücktrag und Verlustausgleich, fünf Jahre Verlustvortrag.

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druck der materiellen Richtigkeit eines Steueranspruchs, welcher an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sein muss“494.

Gerechtfertigt sei die Begrenzung der Verlustvortrags auf fünf Jahre allein als verhältnismäßiges Ergebnis einer gesetzgeberischen Abwägung zwischen der „Rechtssicherheit einerseits und der Einzelfallgerechtigkeit andererseits“. Demzufolge misst auch das BVerfG steuerliche Gerechtigkeit überperiodisch. Anders werden die Ausführungen nicht verständlich, dass ein „Wertungswiderspruch“495 zwischen der Abschnittsbesteuerung als Ausdruck der Rechtssicherheit und der Gerechtigkeit im Einzelfall bestehe, dessen abwägende Auflösung den Gesetzgeber berechtige, die interperiodische Verlustverrechnung in verhältnismäßiger Weise zu begrenzen („Gewichtung von Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit“496). Für einen materiell-rechtlichen Charakter des Periodizitätsprinzip kann auch nicht der Beschluss des Zweiten Senats vom 25. September 1992497 angeführt werden498, wonach es „Aufgabe des Einkommensteuerrechts“ ist, „den Gegenwartsbedarf der öffentlichen Haushalte durch Teilhabe am jeweiligen Gegenwartseinkommen der Steuerpflichtigen zu decken“. Denn was Gegenwartseinkommen ist, bestimmt sich nach den Vorschriften den Einkommensteuerrechts. Dieses kann z. B. dadurch am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet sein, dass die Ersparnisbildung zum (Sonderausgaben-)Abzug berechtigt.

(2) BFH-Rechtsprechung Auch die Rechtsprechung des BFH versteht den „Grundsatz der Periodizität als Ausdruck der Rechtssicherheit“, der den „überperiodischen Verlustabzug als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips“ lediglich überlagere.499 Der „,idealen‘ Besteuerung entspräche allein die steuerliche Erfassung des Totalgewinns eines Steuerpflichtigen“500.

Aspekte materieller Gerechtigkeit, welche für eine Abschnittsbesteuerung angeführt werden könnten, sind der BFH-Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Als „idealer“ Leistungsfähigkeitsindikator wird der Totalgewinn angesehen. Dessen gleichmäßige Belastung lasse sich allerdings „haushaltspolitisch und technisch nicht bewältigen“501, da der Fiskus auf den re494 BVerfG v. 22.07.1991 – 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423 (424) [Hervorhebungen nicht im Original]. 495 BVerfG v. 22.07.1991 – 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423 (424). 496 BVerfG v. 22.07.1991 – 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423 (424). 497 BVerfG v. 25.09.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 (179). 498 Vgl. dazu auch FN 386. 499 BFH v. 11.02.1998 I R 81/97, BStBl II 1998, 485 (486). 500 BFH v. 11.02.1998 I R 81/97, BStBl II 1998, 485 (486).

A. Lebenseinkommen vs. Periodeneinkommen

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gelmäßigen Eingang von Steuern angewiesen sei. Sachangemessener Besteuerungsmaßstab unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten ist damit auch nach der BFH-Rechtsprechung das Lebenseinkommen. Eine Entscheidung zwischen Lebensstandard-502 und Lebensausstattungsansatz (Leistungsfähigkeitsprinzip) erübrigt sich demnach, da der aufsummierte Periodenkonsum zuzüglich des Lebensendvermögens (Lebenseinkommen) nach beiden Konzepten steuerlicher Lastenausteilung die sachangemessene Bemessungsgrundlage ist. Ergibt der nachfolgende Abschnitt, dass allein die nachgelagerte Besteuerung geeignet ist, das Lebenseinkommen gleichmäßig zu belasten, ist sie der traditionellen Einkommensteuer unter Gerechtigkeitsaspekten überlegen. III. Geeignetheit von Steuererhebungstechniken zur gleichmäßigen Belastung des Lebenseinkommens Um den periodischen Finanzbedürfnissen des Staates Rechnung zu tragen, kann der Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen in zweierlei Weise in Besteuerungsabschnitte aufgeteilt werden. Die traditionelle Einkommensteuer zerlegt ihn in periodische Reinvermögensmehrungen, die nachgelagerte Besteuerung greift auf abschnittsweise konsumiertes Einkommen sowie Lebensendvermögen zu. Die Überprüfung beider Steuererhebungstechniken auf ihre Geeignetheit zur gleichmäßigen Belastung des Lebenseinkommens erfordert, das Nach-Steuer-Lebenseinkommen mit dem Lebenseinkommen in einer Welt ohne Steuern zu vergleichen. Hierbei wird mit der Annahme eines konstanten Grenzsteuersatzes, ausgeschöpfter periodischer Grundfreibeträge und ausschließlich positiver Einkünfte von interperiodischen Progressionsverzerrungen und Verlustausgleichsbeschränkungen abgesehen, welche regelmäßig ausschließlicher Gegenstand der juristischen Kritik am einkommensteuerlichen Periodizitätsprinzip sind.503 Die grundsätzliche Problematik der traditionellen Einkommensteuer besteht nämlich darin, dass diese Steuererhebungstechnik bereits die Höhe des Vor-Steuer-Lebenseinkommens beeinflusst.

1. Traditionelle Einkommensteuer? Unterliegt Periodeneinkommen ungeachtet seiner konsumtiven oder investiven Verwendung der Besteuerung, erwirtschaftet der sparende, in zukünftigen Veranlagungszeiträumen Kapitaleinkünfte erzielende Steuerpflichtige 501

BFH v. 11.02.1998 I R 81/97, BStBl II 1998, 485 (486). Vgl. dazu oben Abschn. I., S. 118 ff. 503 Vgl. nur K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 668 ff. m. w. N. in FN 376; H. G. Ruppe in H/H/R (FN 58), Einf ESt, Anm. 33. Anders aber J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 119. 502

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

bereits ein geringeres Vor-Steuer-Lebenseinkommen als in einer Welt ohne Steuern. Der aufsummierte Periodenkonsum zuzüglich des Lebensendvermögens reduziert sich nicht nur um die geleisteten Steuerzahlungen. Es wird zusätzlich durch Kapitaleinkommen gemindert, welches infolge der Belastung auch der investierten Reinvermögensmehrungen nicht erzielt werden konnte (Reduzierung des Ohne-Steuer-Welt-Investitionskapitals). Die traditionelle Einkommensteuer „double-taxes – taxes both the tree and its fruits“504.

Hieraus folgt die Ungeeignetheit der traditionellen Einkommensteuer zur gleichmäßigen Belastung des Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen, und zwar unabhängig von interperiodischen Progressionsverzerrungen oder Verlustausgleichsbeschränkungen. Die Besteuerung des Periodeneinkommens verwandelt eine Frage der horizontalen Gleichbehandlung (identische Lebenseinkommen in einer Welt ohne Steuern) in eine Frage der vertikalen Gleichbehandlung (unterschiedliche Vor-Steuer-Lebenseinkommen). Dadurch wird die horizontale Steuergerechtigkeit verletzt. Dies illustriert folgendes Beispiel505: Zwei Steuerpflichtige mögen in einer Welt ohne Steuern in ihrem zweiperiodigen Leben ein Einkommen von je 105.000 Euro erwirtschaften. Der eine verwende sein Lebenseinkommen, das er vollumfänglich in Periode 1 erwirtschaftet hat, unmittelbar zum Konsum. Der zweite Steuerpflichtige habe hingegen in der ersten Periode lediglich Einkommen in Höhe von 100.000 Euro erwirtschaftet, diesen Betrag investiv verwendet und deshalb in der zweiten Periode Kapitaleinkommen in Höhe von 5.000 Euro erzielt (5%). Bei einer Austeilung der Steuerlasten nach dem Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen müssten beide Steuerpflichtigen die gleiche Steuerlast tragen. In einer Welt ohne Steuern haben sie jeweils 105.000 Euro erwirtschaftet (Lebenseinkommen). Bei einem Steuersatz von 50% müssen jeweils 52.500 Euro als NachSteuer-Konsumpotential bzw. -Lebensendvermögen verbleiben. Wird Einkommen traditionell besteuert (Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen, Besteuerung der Ersparniserträge), verfügt nur der erste Steuerpflichtige (Sofortkonsument) über den vorgenannten Betrag (105.000 Euro Vor-Steuer-Lebenseinkommen ./. 52.500 Euro [50%] Einkommensteuer = 52.500 Euro Nach-SteuerKonsumpotential). Dem zweiten Steuerpflichtigen (Investor) verbleibt hingegen nur 504 Fisher/Fisher, Constructive Income Tax (FN 14), S. 194. Ebenso z. B. A. Moxter, Betriebswirtschaftliche Gewinnermittlung, 1982, S. 17: „Ist das (lebenslang erreichbare) Konsumniveau bei zwei Steuerpflichtigen gleich, so darf in dem Umstand, dass einer von beiden spart, also Sparerträge bezieht, kein Ausdruck erhöhter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gesehen werden.“ 505 Vgl. zu einem ähnlichen Beispiel H. Haller, Die Steuern – Grundlinien eines rationalen Systems öffentlicher Abgaben, 3. Aufl. 1981, S. 55: Diskriminierung des Steuerpflichtigen, der Kapitaleinkommen erwirtschaften muss, um über ein gleich hohes Konsumpotential verfügen zu können wie sein höher entlohnter Nachbar. Ebenso ders., Bemerkungen zur progressiven Besteuerung, Finanzarchiv N.F. 20 (1959/60), 35 (50, 55).

A. Lebenseinkommen vs. Periodeneinkommen

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ein Nach-Steuer-Konsumpotential von 51.250 Euro: Auf seine Reinvermögensmehrung aus der ersten Besteuerungsperiode (100.000 Euro) zahlt er 50.000 Euro Steuern, wodurch sich sein Investitionskapital auf eben diesen Betrag verringert. Dadurch reduziert sich das Kapitaleinkommen, welches in der zweiten Besteuerungsperiode erwirtschaftet wird, auf 2.500 Euro, worauf 1.250 Euro Einkommensteuer geschuldet werden. Der Belastungsunterschied resultiert daraus, dass die traditionelle Einkommensteuer bereits das Vor-Steuer-Einkommen des Investors gemindert hat: Während er in einer Welt ohne Steuern 105.000 Euro verdient hätte – und damit ebenso viel wie der Sofortkonsument (horizontale Gleichbehandlung) –, ist sein Vor-Steuer-Einkommen (102.500 Euro) nunmehr um 2.500 Euro niedriger als das des Sofortkonsumenten (vertikale Gleichbehandlung).

Joseph A. Schumpeter beschrieb diese Zusammenhänge 1929 wie folgt: „Was der Sparer von dem gesparten Einkommensteil hat, ist der Ertrag aus seiner Investition. Dieser Ertrag wird nun durch die herrschende Praxis zweimal geschmälert. Zuerst dadurch, dass die auf die Sparsumme entfallende Einkommensteuer den Ertrag kleiner macht als er sonst wäre und sodann dadurch, dass von diesem also durch die Einkommensteuer schon verringerten Betrag nochmals Einkommensteuer zu zahlen ist.“506

2. Nachgelagertes Korrespondenzprinzip Eine steuerliche Lastenausteilung, die am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet ist, besteuert den Periodenkonsum und das Lebensendvermögen.507 Die Belastung des konsumtiv verwendeten Einkommens ist nicht Ziel, sondern Mittel, um den Besteuerungsmaßstab Lebenseinkommen gleichmäßig zu erfassen (Steuererhebungstechnik). So sind auch Richter/Wiegard zu verstehen, wenn sie ausführen, man werde „in der Praxis an einer Besteuerung periodischen Einkommens nicht ganz vorbeikommen“, wenn das Lebenseinkommen gleichmäßig belastet werden soll: „Die Besteuerung periodischen Einkommens stellt dann aber keinen Selbstzweck dar; sie ist vielmehr als Erhebungsform einer Steuer zu begreifen, deren eigentliche Bemessungsgrundlage das Lebenseinkommen darstellt.“508

Im Gegensatz zur traditionellen Einkommensteuer belastet die nachgelagerte Besteuerung das Lebenseinkommen unabhängig davon, ob Einkommen konsumtiv oder investiv verwendet wird. Investierte Reinvermögens506 J. A. Schumpeter, Ökonomie und Soziologie der Einkommensteuer (FN 14), Der deutsche Volkswirt 1929/1930, wiederabgedruckt in Stolper/Seidl (Hrsg.), J. A. Schumpeter, S. 123 (125). 507 Vgl. ausführlich zur Bemessungsgrundlage der nachgelagerten Besteuerung oben Kapitel 1 Abschn. B., S. 45 ff. 508 Richter/Wiegard, Besteuerung deutscher Renten im Ausland (FN 173), in VDR (Hrsg.), Besteuerung der Altersvorsorge, S. 143 (149).

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

mehrungen als Quell zukünftigen Kapitaleinkommens werden aus der periodischen Bemessungsgrundlage ausgegrenzt, weshalb das Vor-Steuer-Lebenseinkommen von der Besteuerung unbeeinflusst bleibt. Es entspricht dem Lebenseinkommen, das in einer Welt ohne Steuern erwirtschaftet hätte werden können. Hiervon wiederum unterscheidet sich das Nach-Steuer-Lebenseinkommen allein durch die geleisteten Steuerzahlungen. Das nachgelagerte Korrespondenzprinzip ist geeignet, den Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen gleichmäßig zu belasten.509 Dieses Ergebnis sei an dem Beispiel des vorangegangenen Abschnitts illustriert: Bei nachgelagerter Besteuerung verfügen sowohl der Sofortkonsument als auch der Investor (Lebenseinkommens in einer Welt ohne Steuern je 105.000 Euro [105.000 Euro in Periode 1 bzw. 100.000 Euro in Periode 1 und 5.000 Euro Kapitaleinkommen in Periode 2]) über ein Nach-Steuer-Konsumpotential von jeweils 52.500 Euro. Beim Sofortkonsumenten ergibt sich dieser Betrag aus der in Periode 1 erwirtschafteten Reinvermögensmehrung (105.000 Euro) abzüglich der hierauf geschuldeten 50%-igen Einkommensteuer (52.500 Euro). Der zweite Steuerpflichtige kann sein gesamtes Einkommen aus der ersten Besteuerungsperiode (100.000 Euro) investiv verwenden, da die nachgelagerte Besteuerung einen Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen gewährt. Korrespondierend unterliegt das Sparkapital sowie die hiermit erwirtschafteten Erträge (105.000 Euro) als Ersparnisauflösung bzw. Lebensendvermögen in Periode 2 der Besteuerung (52.000 Euro = 50% * 105.000 Euro). Als Nach-Steuer-Konsumpotential verbleiben 52.500 Euro.

Ab- bzw. Aufdiskontierung An der Geeignetheit des nachgelagerten Korrespondenzprinzips zur gleichmäßigen Belastung des Lebenseinkommens ändert auch eine Ab- bzw. Aufdiskontierung der Steuerlasten und Lebenseinkommensbeträge nichts. Zwar übersteigt der Endwert der Steuerlast des Sofortkonsumenten die des Investors (52.500 Euro * [1 + 5%] = 55.125 Euro > 52.500 Euro). Der höhere Endwert der Steuerlast korrespondiert jedoch mit dem ebenfalls höheren – weil zeitlich früher angefallenen – Lebenseinkommen des Sofortkonsumenten, welches sich aus der Aufdiskontierung des Periodenkonsums ergibt (105.000 Euro {Konsum in Periode 1} * [1 + 5%] = 110.250 Euro > 105.000 Euro {Konsum in Periode 2 bzw. Lebensendvermögen}). Auf die positive Differenz von 5.250 Euro schuldet der Sofortkonsument mit 2.625 Euro genau 50% Einkommensteuer. Ein höherer Endwert des Lebenseinkommens (aufdiskontierter Periodenkonsum zuzüglich Lebensendvermögen) geht demnach bei nachgelagerter Besteuerung auch mit einem höheren Endwert der Steuerlast einher (vertikale Steuergerechtigkeit). 509 Vgl. auch J. Mitschke, Steuer- und Transferordnung aus einem Guß, 1985, S. 51 ff.; ders., Über die Eignung von Einkommen, Konsum und Vermögen als Bemessungsgrundlage der direkten Besteuerung, 1976, S. 163 ff.; ders., Alternativen steuerlicher Einkommensperiodisierung (FN 120), StuW 1988, 111 (128); Engels/ Mitschke/Starkloff, Staatsbürgersteuer, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler Heft 26, 1973, S. 52; Kronberger Kreis, Bürgersteuer, 1986, S. 14 ff.

B. Besteuerung von Kapitaleinkommen

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Die traditionelle Einkommensteuer hingegen belastet den investierenden Steuerpflichtigen bei (Bar- oder) Endwertbetrachtung zu hoch. Obgleich die Differenz der auf die Periode 2 diskontierten Lebenseinkommensbeträge in einer Welt ohne Steuern nur 5.250 Euro beträgt (= 105.000 Euro {Konsum in Periode 1} * [1 + 5%] – 105.000 Euro {Konsum in Periode 2 bzw. Lebensendvermögen}), verfügt der investierende Steuerpflichtige mit 51.250 Euro510 über ein Nach-Steuer-Lebenseinkommen (Konsum in Periode 2 bzw. Lebensendvermögen), welches das aufdiskontierte Konsumpotential des Sofortkonsumenten um 3.875 Euro unterschreitet (= 52.500 {Konsum in Periode 1} * [1 + 5%] – 51.250 Euro). Bei gleichmäßiger Belastung des Lebenseinkommens dürfte dieser Unterschied nur 50% der Differenz betragen (2.625 Euro).

B. Besteuerung von Kapitaleinkommen, weil Arbeitseinkommen besteuert wird? Die traditionelle Finanzwissenschaft rechtfertigt die Belastung der marktüblichen Verzinsung damit, dass auch Arbeitseinkommen besteuert werde, obgleich es – ebenso wie Kapitaleinkommen – die Fähigkeit zum Ressourcentransfer lediglich umforme.511 Gerechtfertigt sei die Arbeitseinkommensbesteuerung – und damit auch die Kapitaleinkommensbesteuerung – allein deshalb, weil die Anfangsausstattung nicht beobachtet werden könne (traditionelle Einkommensteuer als second best-System steuerlicher Lastenausteilung). Diese Rechtfertigung trägt allenfalls, wenn potentielles und tatsächliches Arbeitseinkommen nicht nur steuertheoretisch, sondern auch in der Besteuerungswirklichkeit unterschiedlich hoch sind. Dies ist, wie nachfolgend gezeigt wird, zumindest sehr zweifelhaft. Selbst wenn dem aber so wäre, folgte aus der Verzerrung der Arbeit-Freizeit-Entscheidung nicht zwingend, dass auch die Konsum-Spar-Entscheidung verzerrt werden müsste. Zudem wird die individuelle Fähigkeit zur Steuerzahlung zunehmend durch Erbschaften beeinflusst.512 Jedenfalls insoweit ist die Anfangsausstattung beobachtbar. Welcher Aspekt steuerlicher Gerechtigkeit spricht dafür, einen sparsamen Erben höher zu belasten als einen gleichermaßen Begünstigten, der konsumfreudiger ist?

510 (1 – 50% ESt) * 100.000 Euro {Investitionskapital} * [1 + (1 – 50% ESt) * 5%] = 51.250 Euro. 511 Vgl. nur S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 188; Krause-Junk/Müller, Einkommensteuer, Konsumsteuer und die ausgelassenen Chancen der Einkommenserzielung, Wirtschaftsdienst 1999, 545 (546). 512 Vgl. dazu oben Kapitel 1 Abschn. A.II.2., S. 38 ff. [FN 68]. Allein für 2002 werden Erbschaften im Wert von 212 Mrd. Euro erwartet.

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

I. Steuertheorie: Unbeobachtbarkeit potentiellen Arbeitseinkommens Steuerwissenschaftler, die für die traditionelle Einkommensteuer eintreten, obgleich sie um ihre intertemporalen Verzerrungen wissen, rechtfertigen die Kapitaleinkommensbesteuerung mit der Belastung des Arbeitseinkommens.513 Es wird eingeräumt, dass Kapitaleinkünfte in Höhe der marktüblichen Verzinsung die Fähigkeit des Einzelnen zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen nicht erhöhen, da sie von jedermann durch gegenwärtigen Konsumverzicht erwirtschaftet werden können. Mit tatsächlich erzieltem Arbeitseinkommen verhalte es sich aber nicht anders, es beruhe ebenfalls nur auf einer Umformung der Anfangsausstattung.514 Potentielle Arbeitszeit sei – statt in Freizeit – in Arbeitseinkommen umgewandelt worden. Belaste das staatliche Abgabenrecht mit Arbeitseinkünften die eine ausgenutzte Chance der Einkommenserzielung (Arbeit-Freizeit-Entscheidung), dürfe die andere ausgenutzte Chance der Einkommenserzielung, nämlich die investive Verwendung von Einkommen (Ersparnisbildung), nicht unbesteuert bleiben.515 Leistungsfähigkeitsgesichtspunkte könnten die Besteuerung keiner der beiden Einkunftsarten rechtfertigen, da die Fähigkeit zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen sich allein nach der Anfangsausstattung bestimme. Aufgrund der Unbeobachtbarkeit der Anfangsausstattung sei die traditionelle Einkommensteuer als second best-System steuerlicher Lastenausteilung gerechtfertigt. Formal stellt sich diese Argumentation wie folgt dar: Wird von Erbschaften und Schenkungen abgesehen, bestimmt sich die Anfangsausstattung eines Steuerpflichtigen nach dem potentiellen Arbeitseinkommen. Dieses ergibt sich aus einer Multiplikation des Lohns mit der längstmöglichen Arbeitszeit [w * l0]. Die Anfangsausstattung kann für Gegenwartskonsum [c1], barwertäquivalenten Zukunftskonsum [c2 /(1 + r)] oder Freizeit verwendet werden, wobei letztere mit ihren Opportunitätskosten bewertet wird [w * (l0 – l)]:

513

Vgl. Nachweise in FN 511. Die Anfangsausstattung selbst bestimme sich hingegen, wenn von Erbschaften und Schenkungen abgesehen werde, nach der individuellen Arbeitskraft. Ihre Verwertung am Arbeitsmarkt erbringe erst das Arbeitseinkommen, auf welches die IstEinkommensbesteuerung zugreife. Da bei investiver Verwendung der Arbeitseinkünfte zudem Kapitaleinkünfte erwirtschaftet werden könnten, die ebenfalls zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen befähigen, bemesse sich das Potential zur Leistung von Steuerzahlungen nach dem potentiellen Arbeitseinkommen zuzüglich des hiermit erzielbaren Kapitaleinkommens (Anfangsausstattung), vgl. FN 511. 515 Vgl. Krause-Junk/Müller, Chancen der Einkommenserzielung (FN 511), Wirtschaftsdienst 1999, 545 (546). 514

B. Besteuerung von Kapitaleinkommen

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c1 + c2 /(1 + r) + w * (l0 – l) = w * l0 mit c1 = Gegenwartskonsum, c2 = Zukunftskonsum, r = Zinssatz, w = Lohnsatz, l = Arbeitszeit, l0 = potentielle Arbeitszeit Bietet der Steuerpflichtige seine Arbeitskraft am Markt an, verwandelt er Anfangsausstattung in Arbeitseinkommen, um gegenwärtige oder zukünftige Konsumausgaben zu finanzieren. Seine Leistungsfähigkeit erhöht sich dadurch nicht, da die Anfangsausstattung unverändert bleibt: Der Liquiditätszuwachs, den der Steuerpflichtige erfährt (Arbeitseinkommen), geht mit einem geringeren Freizeitkonsum einher. Dennoch werden Arbeitseinkünfte besteuert. Formt der Steuerpflichtige Gegenwarts- in Zukunftskonsum um, indem er Arbeitseinkommen investiv verwendet, wird Kapitaleinkommen erwirtschaftet [r * c1]. Wiederum hat sich die Fähigkeit zum Ressourcentransfer nicht geändert, da die getroffene Konsum-Spar-Entscheidung keinen Einfluss auf die Anfangsausstattung hat. Für eine Besteuerung besteht deshalb eigentlich kein Anlass. Da es sich bei der Umwandlung von Freizeit in Arbeitseinkommen aber nicht anders verhält – und Arbeitseinkommen dennoch besteuert wird –, soll auch die Belastung von Kapitaleinkommen gerechtfertigt sein.

Wird von einer autonomen Arbeit-Freizeit-Entscheidung ausgegangen wird, sanktioniert eine steuerliche Lastenausteilung, die am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet ist, in der Tat nur den, der arbeitet (Besteuerung von Arbeitseinkommen). Die traditionelle Einkommensteuer bestraft zusätzlich den, der spart (Besteuerung von Kapitaleinkommen). Dies zeigt folgendes Beispiel: Betrachtet seien drei Steuerpflichtige, die gleichermaßen befähigt sein sollen, Arbeitseinkünfte von je 2 Mio. Euro zu erwirtschaften. Wird das Einkündteerzielungspotenzial vollumfänglich ausgeschöpft, d.h. Arbeitseinkommen in vorgenannter Höhe erzielt und investiv angelegt, können annahmegemäß weitere 2 Mio. Euro Kapitaleinkommen erwirtschaftet werden (potentielles Lebenseinkommen von 4 Mio. Euro). Eine Fähigkeitssteuer, die ein Steueraufkommen von 2 Mio. Euro zu generieren hätte, würde die Steuerpflichtigen mit je 666.667 Euro belasten (Abschöpfung von 16,675% der Anfangsausstattung). Bei traditioneller (Ist-)Einkommensbesteuerung müsste der Tarif 33,3% (= 2 Mio. Euro/6 Mio Euro) betragen, wenn der eine Steuerpflichtige fleißig und sparsam ist, d.h. ein Lebenseinkommen von 4 Mio. Euro erwirtschaftet (Arbeits- und Kapitaleinkünfte in Höhe von je 2 Mio. Euro [volle Ausschöpfung des Potentials zur Einkünfteerzielung]), der zweite Steuerpflichtige lediglich fleißig ist (Arbeitseinkünfte in Höhe von 2 Mio. Euro) und der dritte Steuerpflichtige die Freizeit der Erwerbstätigkeit vorzieht und infolgedessen weder Arbeits- noch Kapitaleinkommen erwirtschaftet. Während der letztgenannte Steuerpflichtige keine Einkommensteuer zu zahlen hätte, würden dem ersten Steuerpflichtigen 1.333.333 Euro (= 33% * 4 Mio. Euro) und dem zweiten Steuerpflichtigen 666.667 Euro (= 33% * 2 Mio. Euro) abverlangt. Und dies, obgleich alle drei aufgrund ihrer identischen Anfangsausstattung gleichermaßen zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen befähigt waren. Die nachgelagerte Besteuerung belastet den ersten und zweiten Steuerpflichtigen infolge der impliziten Steuerbefreiung von Kapitaleinkommens gleich hoch, nämlich

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

mit je 1 Mio. Euro (50% des erzielten – mit dem erzielbaren identischen – Arbeitseinkommens). Der dritte Steuerpflichtige, welcher weder arbeitet noch spart, hat – wie bei traditioneller Besteuerung – trotz gleicher Anfangsausstattung in Ermangelung von Ist-Einkommen keinen Ressourcentransfer an das Gemeinwesen zu leisten.

II. Besteuerungswirklichkeit: Weitgehende Deckungsgleichheit von potentiellem und tatsächlichem Arbeitseinkommen Gegen die vorstehende Rechtfertigung der Kapitaleinkommensbesteuerung spricht nicht nur, dass sie auf der Annahme beruht, es sei geboten, einer steuerlichen Verzerrung, nämlich die der Arbeit-Freizeit-Entscheidung, eine weitere Verzerrung, nämlich die der Konsum-Spar-Entscheidung, hinzuzufügen, wenn sich die eine Verzerrung nicht vermeiden lasse.516 Insbesondere steht und fällt die Argumentation mit der Annahme, dass die tatsächlich vorhandene Fähigkeit der Steuerpflichtigen zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen (Anfangsausstattung) nicht gemessen werden könne, da das potentiell erzielbare Arbeitseinkommen nicht beobachtbar sei.517 Ihr wäre der Boden entzogen, wenn in der Besteuerungswirklichkeit die erzielten Arbeitseinkünfte den erzielbaren entsprechen würden (Exogenität des Arbeitseinkommens). Dann würde das potentielle Arbeitseinkommen durch das tatsächliche abgebildet, die Anfangsausstattung wäre beobachtbar. Allein Kapitaleinkommen beruhte auf einer – nicht besteuerungswürdigen – Umformung der Anfangsausstattung, nämlich dem jedermann möglichen Austausch von Gegenwartskonsum durch Zukunftskonsum. Relevanz autonom bestimmbarer Zusatzeinkünfte? Zwar kann gegen eine weitgehende Deckungsgleichheit von erwirtschaftetem und erwirtschaftbarem Arbeitseinkommen z. B. angeführt werden, 516 Vgl. hierzu E. Wenger, Erfolglose Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer (FN 186), in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen vs. Konsum, S. 37 (58 f.). Nach Stefan Homburg (Steuerlehre2 [FN 33], S. 184) ist war das „reine Abzählen von Verzerrungen nach dem Muster ,eine Verzerrung ist besser als zwei Verzerrungen‘ kein Argument“. Die Frage nach dem „optimalen Mix von Arbeitseinkommensteuer und Kapitaleinkommensteuer“ lasse sich allerdings „nicht leicht“ beantworten (ebd., S. 185, 187). 517 Vgl. dazu oben Abschn. I., S. 136 ff. Der Besteuerung von potentiellem Arbeitseinkommen soll im Übrigen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) entgegenstehen, weil es die Selbstbestimmung in ökonomischen Angelegenheiten respektiere, vgl. W. Reiß, Rechtsformabhängigkeit der Unternehmensbesteuerung, in F. Wassermeyer (Hrsg.), Grundfragen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 14 (1994), S. 3 (8); P. Kirchhof, Gutachten (FN 88), F 14 [N 74]; D. Birk, in H/H/Sp (FN 355), § 4 AO Rz. 457 a. E. A. A. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 569 [Berufswahlfreiheit umfasst nicht das Recht, keinen Beruf auszuüben].

B. Besteuerung von Kapitaleinkommen

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dass manche Abiturienten sich zunächst den „Wind um die Nase wehen lassen“518, während ihre strebsameren Altersgenossen unmittelbar in das Berufsleben eintreten oder eine weiterführende Ausbildung beginnen. Auch selbständig tätige Rechtsanwälte mögen autonom zwischen neuen Mandaten bzw. den hiermit verbundenen zusätzlichen Einkünften und mehr Freizeit wählen können. Schließlich ist die Neigung, bezahlte Überstunden zu leisten, unterschiedlich ausgeprägt. Allerdings ist fraglich, ob vorstehenden und vergleichbaren Sachverhalten eine gewisse Relevanz zukommt, oder ob es sich lediglich um Ausnahmeerscheinungen handelt, die bei typisierender Betrachtung, welche dem Steuerrecht als Massenfallrecht immanent ist519, vernachlässigt werden können. Selbst wenn das eine Jahr, das manche Abiturienten im Anschluss an ihre Schulausbildung im Ausland verbringen, nicht als Investition in die Persönlichkeitsentwicklung oder Fremdsprachenkenntnisse betrachtet wird, die im Ergebnis mit höheren Arbeitseinkünften einhergeht, umfasst dieser Zeitraum lediglich ein Fünfundvierzigstel bzw. 2,2% eines Berufslebens, das 45 Jahre andauert. Auch die Mandate, deren Übernahme ein ausgelasteter Rechtsanwalt zugunsten seiner Freizeit ablehnt, werden regelmäßig keinen nennenswerten Anteil der gesamten Honorareinnahmen ausmachen. Dies gilt insbesondere, weil es zumeist die weniger lukrativen sein werden. Das Gewicht der Überstundenvergütungen an der Gesamtentlohnung von Arbeitnehmern dürfte ebenfalls gering sein. So meint Dieter Schneider, die Annahme, „dass die Arbeitszeit vom Einzelnen aus freier Entscheidung marginal oder mindestens in Sprüngen verändert werden kann“, schwebe „sowohl gegenüber Selbständigen und Managern [. . .] als auch für Tarifangestellte im Wolkenkuckucksheim“520.

Zwar kommt es für die negativen Anreizwirkungen der Arbeitseinkommensbesteuerung (Arbeit-Freizeit-Entscheidung) nicht auf den Umfang der Erwerbstätigkeit an, die möglicherweise in einer Welt ohne Steuern zusätzlich geleistet worden wäre, sondern allein auf die Höhe der Grenzbelastung. Allerdings gilt für die in diesem Abschnitt aufgeworfene Fragestellung das 518

Krause-Junk/Müller, Chancen der Einkommenserzielung (FN 511), Wirtschaftsdienst 1999, 545 (546). 519 Vgl. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 130 ff. Auch BVerfG v. 29.09.1992 – 2 BvL 5, 18, 14/01, BVerfGE 87, (172, wonach die „vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung“ zulässig ist, sowie BVerfG v. 10.04.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96,1, wonach der Gesetzgeber „einen steuererheblichen Vorgang um der materiellen Gleichheit willen im typischen Lebensvorgang erfassen und individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen“ darf. Vgl. auch H.-W. Arndt, Gleichheit (FN 310), NVwZ 1988, 787 (789). 520 D. Schneider, Reform der Unternehmensbesteuerung aus betriebswirtschaftlicher Sicht, StuW 1989, 328 (330).

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

Gegenteil. Je geringer der Anteil der wirklich autonom bestimmbaren Verdienstmöglichkeiten an den Gesamteinkünften ist, desto eher entspricht das Arbeitseinkommen, das die einzelnen Steuerpflichtigen erwirtschaftet haben (Ist-Einkommen), den Arbeitseinkünften, die sie hätten erwirtschaften können (Potentialeinkommen). Hierbei lässt ein Blick auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten darauf schließen, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Steuerpflichtigen keinesfalls frei in ihrer Entscheidung zwischen bezahlter Arbeit und unbezahlter Freizeit ist. Zum einen sind viele gezwungen, existentielle materielle Bedürfnisse zu befriedigen. Zum andern stehen gesellschaftliche Wertvorstellungen einem Leben des Müßiggangs entgegen. So führen auch Reding/Müller aus, „dass es außer dem [von der Besteuerung beeinflussten] Erwerbsmotiv noch zahlreiche andere Leistungsmotive zu beachten gibt: Karrierebewusstsein, soziale Anerkennung, Entscheidung- und Verantwortungsbefugnisse und – oft vergessen – der natürliche Antrieb des ,Schumpeter-Unternehmers‘, der aus einer quasi triebhaften Suche nach Neuerungen heraus zu den wachstumstheoretisch entscheidenden Innovationsleistungen fähig und bereit ist. Damit lassen sich durchaus beachtliche Argumente dafür finden, dass die Einkommensteuer keine allzu starken ,disincentives to work‘ auslöst [. . .].“521

Arbeitsfleiß Bestandteil der Anfangsausstattung Selbst wenn aber z. B. (bezahlten) Überstunden ein größeres Gewicht zukommen und damit das Arbeitseinkommens in höherem Maße von individuellen beruflichen Anstrengungen abhinge, spräche dies noch nicht gegen eine weitgehende Deckungsgleichheit von tatsächlich erzieltem und potentiell erzielbarem Arbeitseinkommen. So ist nicht ersichtlich, warum der individuelle Arbeitsfleiß bzw. unterschiedliche Erholungsbedürfnisse nicht ebenso zur Anfangsausstattung zu zählen sind wie z. B. die intellektuelle oder emotionale Intelligenz des Einzelnen. Auf den beruflichen Erfolg wirken sich sämtliche vorgenannte Faktoren aus. Insbesondere kann einer Einbeziehung der individuellen Erholungsbedürftigkeit bzw. beruflichen Belastbarkeit in die Anfangsausstattung nicht entgegenhalten werden, dass dann auch divergierende Konsumbedürfnisse für Besteuerungszwecke zu berücksichtigen wären, die sich in unterschiedlich hohen Existenzminima, Sparquoten und damit auch Kapitaleinkünften niederschlagen würden. Insoweit treffen grundgesetzliche Vorschriften eine entgegenstehende Wertung. So ist jedenfalls ein staatlicher Zwang zur Wahl des höchstdotierten Berufes mit Art. 12 GG unvereinbar.522 Die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Menschenwürde sowie das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährte Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung begründet hingegen nur die staatliche Pflicht zur Sicherung bzw. Nichtbesteuerung des sozio-kulturellen 521 522

Reding/Müller, Einführung in die Allgemeine Steuerlehre, 1999, S. 521. Vgl. Nachweise in FN 517.

C. Cash Flow-Besteuerung

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Existenzminimums.523 Oberhalb der „Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein“ darf die Besteuerung einsetzen bzw. der Ressourcentransfer des Gemeinwesens an hilfsbedürftige Mitglieder eingestellt werden. Infolgedessen entspricht es den Wertungen des Grundgesetzes, für Besteuerungszwecke zu unterstellen, dass die Steuerpflichtigen ab dieser – sozialhilferechtlich festgelegten – Grenze gleichermaßen zu nicht existenznotwendigen Aufwendungen und damit auch zur Ersparnisbildung befähigt sind.

Wenn nur vernachlässigenswert geringe Möglichkeiten bestehen, die Höhe des Arbeitseinkommens zu beeinflussen – weil entweder die Arbeitsmärkte nicht flexibel genug sind oder auch die Fähigkeit und Motivation zu einem überdurchschnittlichen beruflichen Engagement bzw. geringe individuelle Erholungsbedürfnisse als „angeboren“ betrachtet werden (Anfangsausstattung) –, bestimmt das tatsächlich erwirtschaftete Arbeitseinkommen die Anfangsausstattung. Da Arbeitseinkünfte infolgedessen – anders als Kapitaleinkommen – keine Umformung der Anfangsausstattung darstellen, sondern diese bilden, sind sie unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten besteuerungswürdig, und nicht allein aufgrund von Praktikabilitätsaspekten. Als Teil eines second best-Systems steuerlicher Lastenausteilung ist die Kapitaleinkommensbesteuerung dann nicht gerechtfertigt. Formal stellen sich diese Zusammenhänge (exogenes Arbeitsangebot/-einkommen aufgrund der Einbeziehung von Arbeitsfleiß in die Anfangsausstattung) wie folgt dar: c1 + c2 /(1 + r) = w * l [= w * l0] Die Anfangsausstattung wird durch die tatsächlich erzielten Arbeitseinkünfte (w*l) abgebildet. Kapitaleinkünfte [= (w * l0 – c1) * r = s1*r] werden aus der Umformung von Gegenwarts- in Zukunftskonsum erwirtschaftet, ohne dass sich die Anfangsausstattung des Steuerpflichtigen [w * l0] verändern würde.

C. Cash Flow-Besteuerung als einzig praktikable Einkünfteermittlungsmethode für alle Einkunftsarten Der vierte Teil der Arbeit, der sich an diesen Abschnitt anschließt, beschäftigt sich in Kapitel 5–Kapitel 7 auf den Seiten 149–224 mit den zahlreichen Regelungen des geltenden Abgabenrechts, die Kapitaleinkommen explizit oder implizit von der Besteuerung befreien und damit das Belastungsideal des nachgelagerten Korrespondenzprinzips verwirklichen. Diese Bestandsaufnahme begründet Zweifel an der Umsetzbarkeit des Leitbilds der traditionellen Einkommensteuer. Vorgezogen seien Überlegungen, welche eine Ermittlung und infolgedessen auch Belastung des Bemessungsgrundlagenideals der traditionellen Einkommensteuer – des sog. ökonomi523

Vgl. BVerfG v. 29.05.1990 – 1 BvL 20, 26, 164, 4/86, BVerfGE 82, 60.

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

schen Gewinns – jedenfalls hinsichtlich von Humankapital (Arbeitseinkommen) gänzlich unrealistisch erscheinen lassen. Um Einkünfte aus dem Einsatz von Arbeitskraft, Sach- und Finanzkapital einheitlich zu besteuern, bleibt deshalb nur die zahlungsstromorientierte Ermittlung von Einkommen (Cash Flow-Besteuerung). Diese verwirklicht das derzeitige Einkommensteuerrecht nicht nur u. a. bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG (Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 EStG). Sie ist zudem der nachgelagerten Besteuerung belastungsäquivalent.524 I. Ökonomischer Gewinn – Unpraktikabilität des Bemessungsgrundlagenideals der traditionellen Einkommensteuer Die traditionelle Einkommensteuer sucht Reinvermögensmehrungen, die mit dem Einsatz von Sach- und Finanzkapital erwirtschaftet werden und damit kein Arbeitseinkommen sind525, als ökonomischen Gewinn zu ermitteln, den ein Steuersubjekt in einer Besteuerungsperiode erzielt526 (Johansson-Samuelson-Steuer527). Hierunter wird der Vermögenswert verstanden, den ein Steuerpflichtiger zu Konsumzwecken verwenden kann, ohne sein Anfangsvermögen zu mindern.528 524

Vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. B.II., S. 74 ff. Der Einkünftekatalog des § 2 Abs. 1 EStG nimmt eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Einkünften aus dem Einsatz von Sach- und Finanzkapital einerseits und Humankapital andererseits nicht vor. So sind beispielsweise in den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V. m. 15 EStG) auch Reinvermögensmehrungen enthalten, die auf der Verwertung der Arbeitskraft des Gewerbetreibenden beruhen, während Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§§ 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V. m. 18 EStG) teilweise auf Kapitaleinsatz zurückgeführt werden können (z. B. Büroausstattung). Dennoch wird man vergröbernd annehmen können, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung und ein Teil der sonstigen Einkünfte (insbesondere aus privaten Veräußerungsgeschäften) vorwiegend auf dem Einsatz von Sach- und Finanzkapital beruhen, während die Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit im Wesentlichen aus der Verwertung von Humankapital resultieren. 526 Vgl. nur H.-W. Sinn, Kapitaleinkommensbesteuerung (FN 274), S. VII. Häufig wird der ökonomische Gewinn auch nur indirekt angesprochen, indem die Ertragswertabschreibung als zugehörige Abschreibungsmethode als „ökonomisch richtige Abschreibungsmethode“ (true ceonomic depreciation) bezeichnet wird, vgl. z. B. J. E. Stiglitz, The Corporation Tax, Journal ob Public Economics 1976 (5), 303. 527 Vgl. P. A. Samuelson, Tax Deductibilty of Economic Depreciation to Insure Invariant Valuations, Journal of Political Economy 1964 (72), S. 604 (605). 528 Vgl. D. Haase, Investitionsneutrale Besteuerung: Praktikabilität und Steuergerechtigkeit, BB 1990, 112; S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 332. Die Inhaltsgleichheit mit den Gedanken v. Schanz’, der sämtliche Reinvermögensmehrungen besteuern wollte, welche dem Steuerpflichtigen nach einer Besteuerungsperiode zur Verfügung stehen, ohne in seinem Reinvermögen „zurückzukommen“ (vgl. dazu 525

C. Cash Flow-Besteuerung

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Im kapitaltheoretischen Standardmodell (Existenz eines vollkommenen Kapitalmarktes, auf dem jederzeit Finanzkapital zu einem festen Zinssatz angelegt und aufgenommen werden kann), ist der ökonomische Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Vermögensbestand am Ende und am Anfang einer Besteuerungsperiode, zuzüglich des Zahlungsmittelüberschusses aus sämtlichen Einkunftsquellen. Er entspricht der Verzinsung des Ertragswertes des Gesamtvermögens.529 Beispiele für den ökonomischen Gewinn einer Einkunftsquelle sind der Kursgewinn einer Aktie (Wertveränderung) sowie der Dividendenanspruch (Zahlungsmittelüberschuss) oder die Verzinsung eines festverzinslichen Wertpapiers (Zahlungsmittelüberschuss), das keinen Kursschwankungen unterliegt (keine Wertveränderung). Um die Veränderung des Ertragswertes zu ermitteln, sind Ertragswertabschreibungen und -zuschreibungen vorzunehmen, die die tatsächliche Wertentwicklung des Einkünfteerzielungsvermögens widerspiegeln. Da der ökonomische Gewinn die „ökonomische Ratio“530 des Betriebsvermögensvergleichs ist, bestimmen sie die Abschreibungsmethode, die im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG „ökonomisch richtig“ ist (true economic depreciation531). Untauglichkeit des ökonomischen Gewinns als einheitliche Einkünfteermittlungsmethode Die gemäß § 4 Abs. 1 EStG für die Besteuerung der Gewinneinkünfte buchhalterisch ermittelte Rechengröße (Gewinn) stimmt nur dann mit dem ökonomischen Gewinn überein, wenn die steuerlichen Abschreibungen, Rückstellungen etc. (§§ 6 ff. EStG) die Ertragswertentwicklung des Betriebsvermögens realitätsgerecht abbilden. Das ist regelmäßig nicht der Fall, da die Ertragswertermittlung Prognosen über zukünftige Zahlungsüberschüsse voraussetzt. Diese sind naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden und stellen sich deshalb im Nachhinein zumeist als fehlerhaft heraus. Infolgedessen unternimmt das Bilanzsteuerrecht jedenfalls in Bezug auf Abschreibungen (Absetzung für Abnutzung, §§ 7 ff. EStG) erst gar nicht den Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, Amtliche Begründung des EStG 1920, Drucks. 1624, S. 18 sowie J. Lang, Bemessungsgrundlage [FN 35], S. 36 ff.), ist unverkennbar. 529 Den mathematischen Beweis hierfür erbringt z. B. S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 332. Da der Zahlungsmittelüberschuss im kapitaltheoretischen Standardmodell als für Konsumzwecke entnommen gilt, ähnelt der ökonomische Gewinn dem Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG (Betriebsvermögensvergleich zuzüglich Entnahmen abzüglich Einlagen). 530 S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 334. 531 Vgl. nur J. E. Stiglitz, The Corporation Tax (FN 526), Journal ob Public Economics 1976, 303.

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

Versuch, die zukünftig zu erwartenden Zahlungsüberschüsse aus dem betreffenden Wirtschaftsgut zu ermitteln und mit dem „richtigen“ Zinssatz abzudiskontieren. Vielmehr bedient man sich vergangenheitsorientierter Konventionen der Buchhaltung. Infolgedessen weicht die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage stets von ihrem Ideal ab, manchmal mehr (z. B. Bildung stiller Reserven aufgrund des Anschaffungskostenprinzips, § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und manchmal weniger (z. B. Einkünfte aus festverzinslichen Wertpapieren, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG532). Solche Abweichungen vom Leitbild der traditionellen Einkommensteuer sind Praktikabilitätsgesichtspunkten geschuldet und hinzunehmen, wenn ihr Ausmaß vernachlässigbar gering ist (Vereinfachungszwecknormen533). Ob dies für Einkünfte, die mit dem Einsatz von Kapital erwirtschaftet werden, noch angenommen werden kann534, sei hier dahingestellt. Jedenfalls ist es unmöglich, die periodische Veränderung des Ertragswertes von Humankapital zu ermitteln. Hierfür müssten für jeden einzelnen Steuerpflichtigen Prognosen über den zukünftigen Zahlungsmittelüberschuss erstellt werden, und zwar von dem Veranlagungszeitraum der Geburt bis zu dem des Todes. Selbst wenn hier äußerst grobe Näherungslösungen akzeptiert würden – mit der Geburt eines (gesunden) Kindes könnte die Erzielung des Durchschnittslohns unterstellt, aufsummiert und abgezinst werden, mit dem Bestehen der Abitur- oder Hochschulprüfung wäre ein höherer Überschuss anzusetzen –, entstünden Steuerschulden zu Zeitpunkten, in denen jedenfalls unvermögende Abgabenpflichtige über keinerlei Liquidität verfügen (Kindheit, Hochschulausbildung). Zwar wären Steuerstundungen bis zum Eintritt 532 Wenn von Zinsschwankungen im Zeitablauf und Bonitätsrisiken beim Emittenten abgesehen wird, stimmt die Belastung der Zinserträge mit dem Ideal der Besteuerung des ökonomischen Gewinns exakt überein, vgl. E. Wenger, Erfolglose Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer (FN 186), in Smekal/ Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen vs. Konsum, S. 37 (42). 533 Vgl. zu Vereinfachungszwecknormen J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 130 ff. 534 H.-W. Sinn (Neue Wege der Unternehmensbesteuerung, Wirtschaftsdienst 1984, 328 [329]) erachtet die Anforderungen, die das Schanz-Haig-Simons’sche Belastungsideal insoweit an die Finanzämter stellt, „angesichts des Informationsvorsprunges der Unternehmen für utopisch“. Zweifelhaft erscheint das vernachlässigenswert geringe Ausmaß der Belastungsunterschiede, die Praktikabilitätsgesichtspunkten geschuldet sind, insbesondere im Hinblick auf das markteinkommenstheoretisch begründete Realisationsprinzip im weiteren Sinne, wonach unrealisierte Wertzuwächse im Einkünfteerzielungsvermögen nicht als Gewinn auszuweisen sind, vgl. dazu unten Kapitel 7 Abschn. A., S. 211 ff. Die sich zwangsläufig bildenden stillen Reserven bewirken nämlich nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig einen zu niedrigen Ausweis des Ertragswertes einer Einkunftsquelle, vgl. zu den hieraus resultierenden Verzerrungswirkungen auch J. Sigloch, Einkommensbesteuerung der Unternehmen – Stand und Perspektiven, in Elschen/Siegel/Wagner (Hrsg.), Unternehmenstheorie und Besteuerung, FS Schneider, 1995, S. 674 (695).

C. Cash Flow-Besteuerung

145

in das Berufsleben und ratenweise Tilgungsvereinbarungen denkbar. Soll Arbeitseinkommen im Ergebnis ebenso belastet werden wie Einkünfte aus dem Einsatz von Kapital (ökonomischer Gewinn), wären die gestundeten Steuern jedoch zu verzinsen.535 Auch wegen der hieraus resultierenden erdrückenden Steuerbelastungen fordert niemand ernsthaft, Humankapital gemäß des Ideals der traditionellen Einkommensteuer zu belasten. So führt Hans-Werner Sinn aus: „Abschreibung und Wertzuwächse bezieht man normalerweise auf materielle Anlagegüter. Aus theoretischer Sicht gibt es jedoch nichts, was diese Anlagegüter gegenüber dem Humankapital, nämlich dem Barwert der Arbeitseinkünfte der Menschen, auszeichnet. Selbstverständlich würde eine ganz konsequente Anwendung der Einkommensbesteuerung verlangen, dass man nicht bloß die laufenden Lohnzahlungen besteuert, sondern die Änderung des Barwertes der noch für die Zukunft erwarteten Lohnzahlungen ebenfalls der Steuer unterwirft. Wenn in einer stürmisch wachsenden Wirtschaft der Barwert der zu erwartenden Arbeitseinkommen von Jahr zu Jahr wächst, müsste man die Steuerbemessungsgrundlage folglich verbreitern. Wenn hingegen von einer Stagnation ausgegangen wird und man berücksichtigt, dass Arbeitnehmer irgendwann aus dem Arbeitsprozess ausscheiden, ergibt sich ein abnehmender Barwert; man müsste also Abschreibungen vornehmen. Natürlich sind diese Implikationen absurd; niemand würde sagen, dass man so verfahren sollte. Aber gerade das belegt meine Behauptung. Alle sind wir uns darin einig, dass bei den Lohneinkünften nur die laufenden Zahlungsströme, nicht aber die ökonomischen Einkommen besteuert werden sollten. Eine Cash Flow-Besteuerung von Arbeitseinkünften ist die allseits akzeptierte Praxis.“536

Als einheitliche Ermittlungsmethode für alle Einkunftsarten, d.h. auch der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, scheidet der Betriebsvermögensvergleich demnach aus.537 Ekkehard Wenger warnt die Befürworter der traditionellen Einkommensteuer vor dem Vorwurf, „dass derjenige, der ihn mit den Problemen des Schanz-Haig-Simons-Konzepts konfrontiert, zu Übertreibungen neigt und ,das Kind mit dem Bade ausschüttet‘. Niemand sollte sich vor der Einsicht verschließen, dass die etablierte Finanzwissenschaft seit hundert Jahren in einer Wanne planscht, in der noch nie ein Kind gebadet hat.“538 535 Vgl. E. Wenger, Gleichmäßigkeit der Besteuerung (FN 15), Finanzarchiv 1983, 207 (216, 246 f.); L. Kaplow, On the Divergence between „Ideal“ and Conventional Income-Tax Treatment of Human Capital, American Economic Review 1996, 347 (348, 350). 536 H.-W. Sinn, Einkommensteueralternativen (FN 272), Beihefte zur Konjunkturpolitik 1987, S. 11 (13). 537 So z. B. auch P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer, 1999, S. 23. 538 E. Wenger, Erfolglose Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer (FN 186), in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen vs. Konsum, S. 37 (61).

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Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

II. Alternative zahlungsstromorientierte Einkommensermittlung (Cash Flow-Besteuerung) Mit der zahlungsstromorientierten Einkünfteermittlung (Cash Flow-Besteuerung) steht eine Alternative zum ökonomischen Gewinn zur Verfügung, die durch das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bei der quantitativ bedeutendsten Einkunftsart, nämlich den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§§ 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V. m. 19 EStG), bereits verwirklicht ist. Da die Cash Flow-Besteuerung nicht auf die periodische Reinvermögensveränderung abstellt, sondern auf den Zahlungsmittelüberschuss, der in einer Besteuerungsperiode erwirtschaftet wird539, bedarf sie keiner Ermittlung von Ertragswertveränderungen. Insbesondere erübrigt sich auch eine Bewertung von Humankapitalveränderungen. Die Cash Flow-Besteuerung ist infolgedessen für alle Einkunftsarten praktikabel.540 Das geltende Bilanzsteuerrecht würde den betrieblichen Zahlungsmittelüberschuss belasten, wenn alle herkömmlichen Bilanzpositionen, d.h. nicht nur, wie derzeit, die menschliche Arbeitskraft sowie geringwertige Wirtschaftsgüter541, mit Null bewertet würden.542 Schlüge der Gesetzgeber diesen Weg ein und erhöbe damit, wie mittlerweile von Klaus Tipke543 und anderen Steuerrechtswissenschaftlern544 sowie BFH-Richtern545 gefordert, das Kassenrechnungsprinzip546 der vereinfachten Gewinnermittlung nach 539

Vgl. dazu Kapitel 2 Abschn. B.I., S. 73 ff. So z. B. Kronberger Kreis, Abgeltungssteuer (FN 214), S. 24. 541 § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG. 542 Vgl. E. Wenger, Vom Sammelsurium zum System (FN 145), in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte, S. 115 (127); ders., Erfolglose Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer (FN 186), in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen vs. Konsum, S. 37 (46 f.). 543 Vgl. K. Tipke, Steuerjuristische Würdigung des Karlsruher Entwurfs (FN 93), StuW 2002, 148 (164 f.); ders., Steuerliche Ungleichbelastung durch einkunfts- und vermögensartdifferenzierte Bemessungsgrundlagenermittlung und Sachverhaltsverifizierung, in Drenseck/Seer (Hrsg.), FS Kruse, 2001, S. 215 (219 f.); ders., Gedanken zu einem Steuergesetzbuch (FN 348), StuW 2001, 309 (314). 544 Vgl. z. B. M. Elicker, Zahlungsunfähigkeit (FN 139), StuW 2002, 217 ff. Krit. A. Ehrhardt-Rauch, Zur Diskussion – Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung als einheitliche Gewinnermittlungsart?, DStZ 2001, 423 (427). 545 Vgl. H.-J. Kanzler, Die steuerliche Gewinnermittlung zwischen Einheit und Vielfalt, FR 1998, 233 (247); ders., in H/H/R (FN 58), vor §§ 4–7 EStG Rz. 32; H. Weber-Grellet, Bestand und Reform des Bilanzsteuerrechts, DB 1998, 1343 (1349); ders., Der Maßgeblichkeitsgrundsatz im Lichte aktueller Entwicklungen, BB 1999, 2659 (2666); wohl auch ders., Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2002, S. 123 ff. Weber-Grellet will allerdings die Ausnahmevorschriften der Sätze 3 u. 4 des § 4 Abs. 3 EStG beibehalten. Die vereinfachte Gewinnermittlung wäre dann keine zahlungsstromorientierte mehr, da Investitionsauszahlungen zum Erwerb von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nicht unmittelbar erfolgswirksam würden. 540

D. Zusammenfassung

147

§ 4 Abs. 3 EStG zur Regel, wären alle Einkunftsquellen zahlungsstromorientiert besteuert. Klaus Tipke meint zu dieser Konzeption steuerlicher Lastenausteilung: „Als Gradmesser der Leistungsfähigkeit wäre die Überschuss- oder Cash-flowErmittlungsmethode besonders geeignet, da die Fähigkeit, Geldleistungen zu erbringen, in der Zahlungsfähigkeit besteht. Darüber hinaus würde der Wegfall der bilanziellen Gewinnermittlung für das Steuerrecht eine enorme Vereinfachung bewirken. Die zum Steuerbilanzrecht geschriebenen Literaturmassen würden zu Makulatur. Außenprüfung und Finanzgerichtsbarkeit würden ganz erheblich entlastet. Die vielen Streitereien um Aktivierung, Rückstellung und Aufdeckung stiller Reserven würden entfallen. [. . .] Könnten Investitionsausgaben sofort abgeschrieben werden, so wäre das zugleich eine optimale Investitionsförderung.“547

Einkommen würde nicht nur einheitlich ermittelt548, sondern zudem nachgelagert besteuert. Investierten Reinvermögensmehrungen würde ein Besteuerungsaufschub gewährt (Belastungsäquivalenz von Cash Flow- und nachgelagerter Besteuerung549), die marktübliche Kapitalverzinsung implizit von der Einkommensteuer befreit.

D. Zusammenfassung „Geeignetster“ Leistungsfähigkeitsindikator ist das Lebenseinkommen. Das staatliche Abgabenrecht kennt keine Sachgesetzlichkeit, die eine Aufteilung der Lebenszeit der Steuerpflichtigen in Besteuerungsabschnitte rechtfertigen könnte (weder „Freiheit in der Zeit“ noch „Gleichheit in der Zeit“ noch Gebot einer „gegenwartsgerechten Besteuerung“). Auch das BVerfG erachtet eine veranlagungszeitraumübergreifende Steuerlastenausteilung als „Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzip“, als „Ausdruck der materiellen Rechtsrichtigkeit des Steueranspruchs“550. Dem folgt der BFH, indem er den Totalgewinns als „idealen“ Besteuerungsmaßstab ansieht. Die Periodizität der Einkommensteuer wird hingegen als „Ausdruck der Rechtssicherheit“551 begriffen. Anders als die traditionelle Einkommensteuer ist die nachgelagerte Besteuerung geeignet, den Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen 546 547

Vgl. dazu Nachweise in FN 141. K. Tipke, Gedanken zu einem Steuergesetzbuch (FN 348), StuW 2001, 309

(314). 548

Vgl. H.-W. Sinn, Einkommensteueralternativen (FN 272), Konjunkturpolitik 1987, S. 11 (13). 549 Vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. B.II., S. 74 ff. 550 BVerfG v. 22.07.1991 – 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423 (424). 551 BFH v. 11.02.1998 I R 81/97, BStBl II 1998, 485 (486).

148

Kap. 4: Lebenseinkommen – steuerliche Leistungsfähigkeit

gleichmäßig zu belasten. Die Erhebungstechnik des nachgelagerten Korrespondenzprinzips lässt die Höhe des Vor-Steuer-Lebenseinkommens unbeeinflusst. Das Vor-Steuer-Einkommen entspricht aufgrund des Besteuerungsaufschubs für Reinvermögensmehrungen, die der Erzielung zukünftigen Einkommens dienen (investierte Einkünfte), dem Einkommen in einer Welt ohne Steuern. Dieses wiederum unterscheidet sich von dem Nach-SteuerEinkommen nur durch die geleisteten Steuerzahlungen, nicht aber durch entgangene Kapitaleinkünfte. Die Besteuerung von Arbeitseinkommen kann die Besteuerung von Kapitaleinkommen nicht rechtfertigen (traditionelle Einkommensteuer kein second best-Steuersystem). Die Unbeobachtbarkeit der Fähigkeit zum Ressourcentransfer (Anfangsausstattung) wäre allenfalls geeignet, die Belastung der Umformung von Gegenwartskonsum in Zukunftskonsum zu begründen (Kapitaleinkommen in Höhe der marktüblichen Verzinsung), wenn das tatsächliche Arbeitseinkommen das potentielle nicht weitestgehend abbilden würde. Dem ist aber so. Auch der individuelle Arbeitsfleiß sowie Erholungsbedarf gehören zur Anfangsausstattung der Steuerpflichtigen, weshalb die Höhe des Arbeitseinkommens nur sehr beschränkt autonom beeinflussbar ist. Zudem bestimmen zunehmend Erbschaften die individuelle Fähigkeit zum Ressourcentransfer, die beobachtbar sind. Ohnehin scheidet das Bemessungsgrundlagenideal der traditionellen Einkommensteuer, der ökonomische Gewinn, als praktikable Einkünfteermittlungsmethode für alle Einkunftsarten aus. Jedenfalls für Humankapital kann er nicht ermittelt werden, da verlässliche Prognosen über die zukünftigen Zahlungsüberschüsse insoweit faktisch unmöglich sind (Ertragswertab- und -zuschreibungen). Einkünfte können einheitlich nur als Zahlungsstromüberschuss ermittelt werden (Cash Flow-Besteuerung). Investierten Reinvermögensmehrungen würde ein Besteuerungsaufschub gewährt. Infolge der hieraus resultierenden impliziten Steuerbefreiung der marktüblichen Kapitalverzinsung wäre der Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen gleichmäßig belastet.

Dritter Teil

Nachgelagerte Besteuerung im derzeitigen Abgabenrecht Die nachgelagerte Besteuerung von Einkommen ist dem deutschen Steuerrecht keineswegs fremd, wie dieser Teil der Arbeit zeigt. Zum einen wird ihr Belastungsideal durch die allgemeine Verbrauchsbesteuerung verwirklicht (Umsatzsteuer). Die Einnahmen hieraus betrugen in 2000 95% des Einkommensteueraufkommens. 552 Zum anderen ist die nachgelagerte Besteuerung auch im Binnensystem des Ertragsteuerrechts weit verbreitet. So folgt die Besteuerung der staatlichen und betrieblichen Altersvorsorge weitestgehend dem nachgelagerten Korrespondenzprinzip. Auch in der privaten Zukunftsvorsorge dominieren seine Belastungswirkungen, Kapitaleinkommen bleibt infolge der belastungsäquivalenten vorgelagerten Besteuerung zumeist unbelastet. Schließlich finden sich im Bilanzsteuerrecht zahlreiche Regelungen, die investierten Einkünften einen Besteuerungsaufschub gewähren. Besondere Beachtung verdient hier das Realisationsprinzip. Unrealisierte und damit in investiver Verwendung belassene Reinvermögensmehrungen werden nur ausnahmsweise belastet. Der Reformbedarf wäre infolgedessen groß, wenn die steuerliche Lastenausteilung am Leitbild der traditionellen Einkommensteuer ausgerichtet und zugleich dem Auftrag der BVerfG-Rechtsprechung nachgekommen werden soll, die „einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umzusetzen“553. Hierbei gleicht nicht nur die gegenwärtige steuerliche Lastenausteilung in Deutschland einem „Zwitter“554. So führt David F. Bradford für das U.S.-Steuerrecht aus, mit dem sich das letzte Kapitel dieses Teils auf den Seiten 224 ff. beschäftigt: „Because the existing system is a hybrid composed of consumption-type and accrual-income-type rules applicable to saving and investing, a shift to a full 552 Ein Umsatzsteueraufkommen von 140,8 Mrd. Euro stand Einkommensteuereinnahmen von 148 Mrd. Euro gegenüber, vgl. Stbg 2002, Heft 3, M 10. 553 BVerfG v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95). Vgl. auch BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271). 554 J. E. Stiglitz, Finanzwissenschaft, 1989, S. 573. Vgl. zu den konsumorientierten Elementen des U.S.-Steuerrechts z. B. auch Atkinson/Stiglitz, Lectures on Public Economics (FN 475), S. 62 f.

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

accrual-income system [. . .] involves changing a number of rules in one direction. A shift to a consumption-type tax would involve changing the rules in the other direction. [. . .] Either change might be regarded as major, but the second is not obviously more radical or more difficult than the first.“555

Insbesondere kommt es für die Frage, ob abgabenrechtliche Vorschriften der vom BVerfG eingeforderten Belastungsgleichheit entgegenstehen, weil sie gleiche wirtschaftliche Sachverhalte unterschiedlich besteuern, nicht darauf an, welches Ziel der Gesetzgeber mit den betreffenden Normen verfolgt. So befreit ein Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen Kapitaleinkommen auch dann implizit von der Besteuerung, wenn „man überhaupt keinen Schritt hin zur Konsumeinkommensteuer machen wollte“556. Franz W. Wagner bemerkt in diesem Zusammenhang: „Den Befürwortern einer Konsumbesteuerung kann die begriffliche Anerkennungsverweigerung der Verwirklichung ihrer Konzeption im Grunde gleichgültig sein, da sie wissen, dass die Konzeption faktisch in Kraft tritt.“557

Kapitel 5

Allgemeine Verbrauchsteuer, staatliche und betriebliche Altersvorsorge Eine allgemeine Verbrauchsbesteuerung gewährt investierten Reinvermögensmehrungen einen Besteuerungsaufschub. Steuerträger ist der Privatkonsument, weshalb die Steuerlast der konsumtiven Einkommensverwendung folgt. Auch die staatliche Altersvorsorge wird nachgelagert besteuert. Für die Beamtenversorgung gilt dies uneingeschränkt; im Hinblick auf das kollektive Versorgungssystem gesetzliche Rentenversicherung, dessen Besteuerung derzeit ein klares Konzept vermissen lässt, will der Gesetzgeber den entsprechenden Vorgaben folgen, die das BVerfG in seinem jüngsten Ren555

D. F. Bradford, Untangling the Income Tax (FN 262), S. 316 f. K. Tipke, Steuerjuristische Würdigung des Karlsruher Entwurfs [FN 93], StuW 2002, 148 (171). Die Ratio der Abzugsfähigkeit von Zukunftsvorsorgeaufwendungen, die in § 9 des Karlsruher Entwurfs geregelt ist, erkennt Tipke in der Ausgrenzung des indisponiblen Einkommens und meint deshalb, insoweit würde man – ebenso wie bei der abgabenrechtlichen Behandlung der Beamtenversorgung – „zur Vermeidung von Missverständnissen besser nicht von ,nachgelagerter Besteuerung‘ sprechen“. Ebenso Söhn/Müller-Franken, Vor- und/oder nachgelagerte Besteuerung (FN 420), StuW 2000, 442 (450): „Eine Konsumorientierung der Besteuerung ist tatsächliche Folge, nicht aber (verfassung-)rechtliche Rechtfertigung der getroffenen Regelung.“ [zu C. Dorenkamp, Partiell nachgelagerte Besteuerung (FN 139), StuW 2000, 121 (122 ff.)]. 557 F. W. Wagner, Nachgelagerte Rentenbesteuerung – Bruch oder Vervollkommnung der Steuersystematik?, BB 2002, Heft 13, I. 556

A. Allgemeine Verbrauchsteuer (Umsatzsteuer)

151

tensteuer-Urteil558 formuliert hat. Dann würde „diejenige Form der Ersparnisbildung, die für die meisten Steuerpflichtigen die wichtigste ist, nämlich das Zwangssparen der gesetzlich Versicherten“559, ebenfalls nachgelagert besteuert. Auch die Besteuerung der betrieblichen Altersversorgung verwirklicht weitestgehend das Belastungsideal des nachgelagerten Korrespondenzprinzips. Mit der privaten Zukunftsvorsorge und dem Bilanzsteuerrecht beschäftigen sich Kapitel 6 und Kapitel 7 auf den Seiten 184 ff. und 210 ff.

A. Allgemeine Verbrauchsbesteuerung (Umsatzsteuer) In 1999 vereinnahmten die Steuergläubiger in Deutschland insgesamt 886,2 Mrd. DM.560 Hiervon entfielen 71,1% auf die Gemeinschaftssteuern Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, wobei die Körperschaftsteuer mit einem Vierzehntel561 nur einen bescheidenen Anteil hatte. Das Steueraufkommen in Deutschland beruht demnach zu ungefähr je einem Drittel auf der Einkommensteuer (35,8%) und der Umsatzsteuer (30,3%).562 Da die Umsatzsteuereinnahmen in 1999 62% des Aufkommens aller direkten Steuern563 und 85% der Einnahmen aus der Einkommensteuer betrugen, wurde die steuerliche Lastenausteilung wesentlich von den Belastungswirkungen geprägt, die mit der Erhebung dieser Abgabe verbunden sind. Voraussichtlich wird dies für die Zukunft sogar noch mehr gelten, da der Umsatzsteueranteil am Gesamtsteueraufkommen beständig ansteigt. So betrugen die Umsatzsteuereinnahmen in 2000 bereits 95% des Einkommensteueraufkommens.564

558 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (365) [Gliederungspunkt D.II. a. E.]. 559 F. W. Wagner, Nachgelagerte Rentenbesteuerung (FN 557), BB 2002, Heft 13, I. 560 Vgl. hierzu sowie zu den folgenden Steuerdaten Volks- und finanzwirtschaftliche Berichte des Bundesministeriums der Finanzen, Datensammlung zur Steuerpolitik, 2000, S. 32 f. 561 Die Körperschaftsteuerzahlungen machten 4,9% des Gesamtsteueraufkommens und damit 6,9% der Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern aus, vgl. FN 560. 562 Vgl. FN 560. 563 Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbeertragsteuer. 564 Umsatzsteuereinnahmen in Höhe von 140,8 Mrd. Euro standen in 2000 einem Einkommensteueraufkommen von 148 Mrd. Euro gegenüber, vgl. Stbg 2002, Heft 3, M10.

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

I. Keine Umsatzsteuerbelastung investierter Reinvermögensmehrungen Die Umsatzsteuer belastet Einkommen nachgelagert. Während die Ersparnisbildung nicht der Umsatzsteuer unterliegt, wird die Ersparnisauflösung umsatzsteuerlich erfasst. Investierte Reinvermögensmehrungen erfahren einen Besteuerungsaufschub. 1. Keine Belastung der Ersparnisbildung Die Umsatzsteuer ist eine allgemeine Verbrauchsteuer.565 So versteht der EuGH die Umsatzsteuer als eine Abgabe, die den Privatkonsum belastet.566 Klaus Tipke bemerkt zu den „Verkehrsteuerapologeten der Gegenwart“, sie hätten „das deutsche Umsatzsteuerrecht [1992] auf einen Stand zurückgeführt, den schon Popitz überwunden hatte“567: „Bundesfinanzrichter pflegen sonst auch die Gesetzesmaterialien zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass ihre ,Auslegungstheorien‘ mit dem Gesetz (s. insb. § 1 Nr. 2, 4 UStG) vereinbar sind. In diesem Fall scheint das alles nicht zu gelten. Selbst die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs macht keinen Eindruck.“568

In der Finanzwissenschaft herrscht ebenfalls Einigkeit darüber, dass zwischen einer allgemeinen Verbrauchsteuer und dem Typus der Mehrwertsteuer vom Konsumtyp, zu dem die europäische Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug gehört, kein Unterschied besteht.569 Investierte Reinvermögensmehrungen bleiben infolgedessen umsatzsteuerlich unbe-

565 Vgl. nur K. Tipke, Umsatzsteuergerechtigkeit (FN 335), StuW 1992, 103 (106) m. zahlr. weit. Nachw. in FN 17; ebenso ders., StRO I2 (FN 17), S. 507; W. Reiß, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 14 Rz. 1 m. w. N. in FN 2; ders., in Reiß/Kräusel/Langer (Hrsg.), Kommentar zum UStG, 1. Aufl. 1995, Einf. Anm. A.II.; P. Kirchhof, Einnahmen, in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV (FN 383), § 88 Rz. 156; T. Siegel, Steuern, in W. Korff (Hrsg.), Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. 3: Ethik wirtschaftlichen Handelns, 1999, S. 388. Vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. IV/1590; Begründung zum Entwurf des Steuerreformgesetzes 1999, BT-Drucks. 11/2157, S. 189. 566 Vgl. nur v. 09.03.2000 – Rs. C-437/99, Slg. 2000 I-1157 (Krankenhausverein); EuGH v. 05.05.1982 – Rs. 15/81, Slg. 1982, 1409 (Schul). 567 K. Tipke (FN 568) zitiert L. Woerner mit dem Diskussionsbeitrag: „Es mag Stadie zugestanden werden, dass er die Schlussfolgerungen aus seinem Verständnis des Systems der Umsatzsteuer als einer Verbrauchsteuer mit radikaler Folgerichtigkeit zieht. Zu fragen ist, ob dieses systematische Verständnis haltbar ist: Kann man unter dem Aspekt der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung über die verkehrsteuerrechtliche Ausgestaltung des Gesetzes so souverän hinweggehen?“ 568 K. Tipke, Umsatzsteuergerechtigkeit (FN 335), StuW 1992, 103 (107 f.).

A. Allgemeine Verbrauchsteuer (Umsatzsteuer)

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lastet, da Einkommen entweder gespart oder konsumtiv verwendet, d.h. verbraucht wird. Regelmäßig570 schuldet der Unternehmer die Umsatzsteuer, nicht der Privatkonsument, § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG (indirekte Steuer). Allerdings folgt der Verbrauchsteuercharaker der Umsatzsteuer nicht aus der Art und Weise ihrer Erhebung.571 Denn zwischen einer indirekten Abgabenerhebung und einer Konsumbesteuerung besteht ebenso wenig ein Gleichlauf wie zwischen direkten Steuern und einer Besteuerung des Leistungsfähigkeitsindikators Abschnittseinkommen.572 Entscheidend ist allein, dass Umsatzsteuerlasten nur auf diejenigen überwälzt werden können, die ihr Einkommen konsumtiv verwenden.573 Träger der Umsatzsteuer werden Steuerpflichtige nur insoweit, als sie Mehrungen ihres Reinvermögens nicht investieren. Dies folgt aus dem Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 UStG, wonach die Umsatzsteuer, die in angeschafften Investitionsgütern enthalten ist, die Steuerschuld des Unternehmers mindert. Im Verfahren ähnlich und im Ergebnis gleich wirkt die direkt erhobene Flat Tax, die eine Cash Flow-Besteuerung auf Unternehmensebene (sofortige Abzugsfähigkeit 569 Vgl. nur S. Homburg, Steuerlehre 2 (FN 33), S. 145 f. [zur Äquivalenz der Umsatzsteuer mit einer Ausgabensteuer]. Skeptischer P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer (FN 537), S. 40 f. 570 Die Einfuhrumsatzsteuer schuldet der Endverbraucher, wenn er einen Direkterwerb im Ausland tätigt, §§ 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V. m.13 Abs. 3; 21 Abs. 2 UStG, die Umsatzsteuer auf Leistungen an den Unternehmer dieser in seiner Eigenschaft als Privatkonsument, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1; 3 Abs. 9 i.V. m. 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG. 571 A. A. wohl P. Kirchhof, Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (FN 459), StuW 1985, 319 (324), vgl. dazu die in der nachfolgenden FN 572 wiedergegebenen Ausführungen von Franz W. Wagner. 572 Vgl. zu der abweichenden Auffassung Paul Kirchhofs (vgl. FN 571) Franz W. Wagner (Neutralität und Gleichmäßigkeit [FN 439], StuW 1992, 2 [10]): „Auch bei seiner Ablehnung des Konsums als Leistungsfähigkeitsmaß verdichtet Kirchhof die ,juristische Methode‘ auf bestechend einfache Argumente: Da das Prinzip nur für die direkten Steuern zur Anwendung kommen könne, während eine indirekte Steuer ,nicht nach individueller Leistungsfähigkeit bemessen‘ sei, schließt Kirchhof, dass eine Besteuerung des Konsums nicht der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit entspreche, da dessen Besteuerung durch die indirekte Umsatzsteuer erfolge. Leider kann auch dieser Argumentation nicht gefolgt werden: Zwar wird gegenwärtig für die Konsumbesteuerung die Erhebungstechnik der ,indirekten‘ Besteuerung angewendet, doch schließt dies andere Erhebungsverfahren für die Konsumbesteuerung, die entsprechend persönlichen Verhältnissen konstruiert werden, keineswegs aus. Da eine Konsumsteuer auch als persönliche Ausgaben-Steuer konzipiert werden kann, wird die Argumentation Kirchhofs gegenstandslos, da sie offensichtlich die Besteuerungsmaßstäbe ,Einkommen‘ und ,Konsum‘ mit den Erhebungsformen ,direkt‘ und ,indirekt‘ verwechselt.“ 573 Der Umsatzsteuerbelastung des Privatkonsums steht insbesondere nicht entgegen, dass die Überwälzung der Umsatzsteuerzahllast vom Unternehmer auf die Verbraucher auf kurze Sicht an einer preiselastischen Nachfrage scheitern kann. Denn langfristig wird die Umsatzsteuer stets auf den Konsumenten vorgewälzt. Anbieter, denen es nicht gelingt, die Umsatzsteuerzahllast über höhere Preise weiterzugeben, scheiden auf Dauer aus dem Markt aus.

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

von Investitionsauszahlungen) mit einer proportionalen Besteuerung von Arbeitseinkommen kombiniert.574 Zwar sind hier – anders als bei einer Umsatzbesteuerung – auch Löhne und Gehälter abzugsfähig. Dafür werden die Arbeitsentgelte aber auf Haushaltsebene besteuert, soweit sie das Existenzminimum überschreiten (indirekt progressiver Tarif [steigende Durchschnittsbelastung trotz Proportionalsteuersatz]). Da die Bemessungsgrundlage der Haushaltsbesteuerung Kapitaleinkünfte ausgrenzt, werden sie von einer Flat Tax ebenso wenig belastet wie von einer Verbrauchsteuer.

2. Nachbelastung der Ersparnisauflösung Werden Ersparnisse aufgelöst, lastet hierauf Umsatzsteuer. Denn die Ersparnisauflösung geht mit Konsumausgaben einher, auf welche Umsatzsteuerzahllasten überwälzt werden können. Umsatzsteuerbaren Rückflüssen aus Investitionen, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, stehen solange keine Vorsteuerabzugsbeträge gegenüber, wie die Investitionsrückflüsse nicht zur Anschaffung neuer Wirtschaftsgüter verwendet werden. Solange werden aber auch Ersparnisse aufgelöst, d.h. akkumuliertes Kapital konsumtiv verwendet (keine bestandserhaltende Reinvestitionen). Infolge des Besteuerungsaufschubs für investierte Reinvermögensmehrungen befreit die Umsatzsteuer die marktübliche Kapitalverzinsung implizit von der Besteuerung575, vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., Seiten 64 ff. II. Unterschiede zwischen indirekter Verbrauchsbesteuerung und direkt nachgelagerter Besteuerung Zwar entfalten eine allgemeine Verbrauchsteuer und eine Einkommensteuer, die am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet ist, im Grundsatz die gleichen Belastungswirkungen. Aus den unterschiedlichen Erhebungsformen (indirekte bzw. direkte Besteuerung) folgen aber auch Divergenzen. So kann eine allgemeine Verbrauchsbesteuerung allenfalls indirekt progressiv besteuern. Auch werden grenzüberschreitende Sachverhalte unterschiedlich belastet, soweit die ausländischen Steuerrechtsordnungen keine vergleichbaren Abgaben kennen. Soll nicht der Lebenskonsum, sondern das Lebenseinkommen gleichmäßig belastet werden, bedarf die Umsatzsteuer zudem der Ergänzung durch eine Erbschaftsteuer (Lebensendvermögensbesteuerung).

574 Vgl. grundlegend Hall/Rabushka, The Flat Tax, 2. Aufl. 1995; dies., The Flat Tax: A Simple, progressive Consumption Tax, in M. J. Boskin (Hrsg.), Frontiers of Tax Reform, 1996, S. 3 ff.; C. E. McLure, International Implications of the Flat Tax, Bulletin for International Fiscal Documentation 1996 (Vol. 50), 511 (511 f.). 575 Vgl. nur S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 139 f., 142.

A. Allgemeine Verbrauchsteuer (Umsatzsteuer)

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1. Proportionaltarif Indirekt erhobene Steuern können konsumierte Reinvermögensmehrungen lediglich einem Proportionaltarif unterwerfen. Zwar wird Einkommen indirekt progressiv besteuert (steigende Durchschnittsbelastung), wenn die Umsatzsteuer erstattet wird, welche auf steuerlichen Existenzminima lastet.576 Eine Grenzbelastung, die mit zunehmender Bemessungsgrundlage ansteigt (direkt progressive Besteuerung), erfordert jedoch eine direkte Abgabenerhebung. Allerdings entspricht der deutsche Einkommensteuertarif mittlerweile ebenfalls eher einem proportionalen als einem direkt progressiven Tarif577. Während die obere Proportionalzone des Einkommensteuertarifs 1958 mit 53% erst bei einem zu versteuernden Einkommen von 110.000 DM einsetzte578, wird sie in 2005 mit 42% trotz 50-jähriger Geldentwertung bereits bei 52.152 Euro beginnen579. Noch in 1968 war dies erst bei einem Betrag der Fall, der dem 21-fachen des Durchschnittseinkommens entsprach.580 Paul Kirchhof bezeichnet den derzeitigen Einkommensteuertarif infolgedessen als „Linearbelastung mit sozialer Anfangskomponente“581, Joachim Lang spricht von einem „Übergangstarif für Durchschnittsverdiener“582 und Roman Seer von einem „hohen Proportionaltarif mit lediglich vorgelagerter Eingangszone“583.

2. Bemessungsgrundlage a) Systemwidrige Befreiungstatbestände Selbst wenn das Einkommensteuerrecht um einen Abzugstatbestand für die Ersparnisbildung und einen Nachbelastungstatbestand für die Ersparnisauflösung ergänzt würde, blieben einkommen- und umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlagen inkongruent. So nehmen § 4 UStG einerseits und §§ 3, 3b EStG andererseits gänzlich unterschiedliche Sachverhalte von der 576

Vgl. dazu unten Abschn. 4, S. 157 ff. Vgl. hierzu auch unten Kapitel 13 Abschn. A.I.2., S. 305 ff. [Spitzensatz als einkommensteuerliche Regelbelastung]. 578 StÄndG 1958 v. 18.07.1958, BGBl. I S. 492. 579 §§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2002. 580 Vgl. hierzu sowie krit. zur verbliebenen direkten Progression des deutschen Einkommensteuertarifs M. Elicker, Kritik der direkt progressiven Einkommensbesteuerung, StuW 2000, 3 (4 f.). 581 P. Kirchhof, Grundlagen der Einkommensteuer (FN 479), DStJG 24 (2001), S. 9 (24). 582 J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (116). 583 R. Seer, Amerika hat die Steuerbelastung deutlich gesenkt, FAZ v. 17.11.2001, S. 23. 577

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

Bemessungsgrundlage aus (z. B. Umsatzsteuerbefreiung von Vermietungsleistungen; Einkommensteuerbefreiung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschlägen). Allerdings handelt es sich bei den vorgenannten Befreiungstatbeständen weitestgehend um Sozialzwecknormen, die einer gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung nicht zugänglich sind. Deshalb seien sie hier vernachlässigt. b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Systembedingte Bemessungsgrundlagenunterschiede bestehen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Eine direkt erhobene Abgabe, die Einkommen nachgelagert besteuert, belastet sämtliche Reinvermögensmehrungen, die entweder von Steuerinländern (Welteinkommensprinzip) oder von Steuerausländern im Inland (Territorialitätsprinzip) erwirtschaftet wurden (unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht). Dies gilt auch dann, wenn sie im Besteuerungsausland zum Konsum verwendet werden. Eine Umsatzsteuer, die das Bestimmungslandprinzip verwirklicht, greift hierauf indes nicht zu. Stattdessen erfasst sie sämtliche Reinvermögensmehrungen, die im Inland konsumtiv verwendet werden. Eines darüber hinausgehenden Inlandsbezuges bedarf es nicht. Die Steuerpflichtigen werden jedoch gleich hoch belastet, soweit sich die Abgabenarten und Steuersätze grenzüberschreitend entsprechen (Kongruenz der Steuerrechtsordnungen). So unterliegt z. B. der inländische Investor, der sein Einkommen im Ausland zum Konsum verwendet, der dortigen Verbrauchsteuer, vgl. zu einer abgabenartenübergreifenden Analyse oben Kapitel 14 Abschn. A.III., Seiten 327 ff. 3. Lebensendvermögen Im Gegensatz zum nachgelagerten Korrespondenzprinzip erfasst eine indirekt erhobene Umsatzsteuer das Lebensendvermögen der Steuerpflichtigen nicht. Insoweit erfolgt zu Lebzeiten des Erblassers keine konsumtive Einkommensverwendung, auf welche die Umsatzsteuer abgewälzt werden könnte. Belastet wird infolgedessen nicht das Lebenseinkommen, sondern der Lebenskonsum.584 Wird neben einer Umsatzsteuer eine Erbschaftsteuer erhoben, unterliegt jedoch auch das Lebensendvermögen der Besteuerung (Nachlassschmälerung). Das Erblassereinkommen wird jedenfalls dann systemgerecht nachbelastet, wenn die Erbschaftsteuerlast der Umsatzsteuer 584

Vgl. auch J. Mitschke, Steuer- und Transferordnung (FN 509), S. 200. Diesem Ergebnis steht aufgrund des Prinzips der Individualbesteuerung (vgl. dazu Nachweise in FN 79) nicht entgegen, dass das Lebensendvermögen der Verbrauchsteuer unterliegt, sobald es vom Rechtsnachfolger konsumtiv verwendet wird. Denn Erblasser und Erbe sind unterschiedliche Steuersubjekte.

A. Allgemeine Verbrauchsteuer (Umsatzsteuer)

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entspricht, die bei konsumtiver Nachlassverwendung zur Entstehung gelangt wäre. Die (umsatz)steuerliche Belastung der Erbenbereicherung folgt, sobald der Rechtsnachfolger die Erbschaft zur Finanzierung von Konsumausgaben einsetzt.585 4. Subjektives und objektives Nettoprinzip? Steuerliche Existenzminima berücksichtigt eine indirekte Verbrauchsbesteuerung nur, wenn die hierauf lastende Umsatzsteuer vergütet wird. Zwar hat die Steuerrechtswissenschaft dies bislang vergeblich gefordert.586 Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen einer indirekten Verbrauchs- und direkten Einkommensbesteuerung besteht insoweit jedoch nicht, da das Umsatzsteuerrecht um entsprechende Vergütungstatbestände ergänzt werden könnte.587 Eine indirekte Abgabenerhebung steht auch der Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips nicht entgegen. Hierfür wäre der Kreis der Vorsteuerabzugsberechtigten auszuweiten, § 15 UStG. Würde z. B. Arbeitnehmern der umsatzsteuerliche Unternehmerstatus zugestanden, wären auch ihre Erwerbsaufwendungen nicht verbrauchsteuerbelastet.588 5. Kreditfinanzierte Konsumausgaben? Nur scheinbar unterscheiden sich Verbrauchsteuer und direkt nachgelagerte Besteuerung in Bezug auf kreditfinanzierte Konsumausgaben. Die Umsatzsteuer belastet sie im Veranlagungszeitraum ihrer Verausgabung. Das nachgelagerte Korrespondenzprinzip berücksichtigt sie zunächst nicht, da Konsumentenkredite zur nichtsteuerbaren Konsumsphäre zählen (keine Einkünfteerzielungsabsicht). Diese Belastungsdivergenz wird jedoch neutralisiert, sobald der Verbraucherkredit mit Zins- und Zinseszins zurückgezahlt wird. Während der umsatzbesteuerte Kreditnehmer hierfür unversteuerte Reinvermögensmehrungen verwenden kann (kein umsatzsteuerbelasteter Privatkonsum), hat der einkommensbesteuerte Konsument neben dem Tilgungsdienst auch Zins- und Zinseszins aus versteuertem Einkommen zu leisten. Beide Steuerpflichtigen tragen barwertmäßig die gleiche Steuerlast. 585 Vgl. ausführlich zum Zusammenspiel von Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftsteuer unten Kapitel 14 Abschn. A.II., S. 325 ff. (steuerartenübergreifende Analyse der steuerlichen Lastenaufteilung). 586 Vgl. nur J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 85, 202; ders., Steuergesetzbuch (FN 69), S. 101 [§ 473 StGB-E]; K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 922 ff. 587 Vgl. Nachweise [mit Formulierungsvorschlag (§ 473 StGB-E)] in FN 586. 588 Vgl. dazu P. Schmidt, Konsumbesteuerung durch Mehrwertsteuer (FN 537), S. 155 ff.

158

Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

Dies illustriert folgendes Beispiel: Beträgt der Umsatzsteuersatz 25% und entspricht damit einem Einkommensteuertarif von 20%589, gehen Nettokonsumaufwendungen von 80.000 Euro mit Umsatzsteuerzahlungen von 20.000 Euro einher, und zwar sowohl bei Eigen- wie bei Fremdfinanzierung. Ein zur nachgelagerten Einkommensteuer veranlagter Verbraucher, der einen Konsumentenkredit in Anspruch nimmt, zahlt hingegen erst dann Steuern, wenn der Tilgungs- sowie Zins- und Zinsesdienst einsetzt. Hierfür benötigt er Mittel, die regelmäßig versteuertem Einkommen entstammen. Die Tilgung des 80.000 Euro-Darlehens erfordert Einkünfte in Höhe von 100.000 Euro, da hierauf 20.000 Euro Einkommensteuer (20%) geschuldet werden. Hinzu kommt der – beispielsweise 10% betragende – Kreditzins, dessen Tilgung Nettoeinkünfte in Höhe von 8.000 Euro erfordert. Hierauf werden wiederum 2.000 Euro Einkommensteuer geschuldet (Zinsdienst für Konsumentenkredite aus versteuertem Einkommen). Beträgt nun auch die marktübliche Verzinsung und damit der Abdiskontierungsfaktor 10%, tragen der umsatz- und der direkt nachgelagert besteuerte Konsument einen Steuerlastbarwert von 20.000 Euro.590 Ihre NachSteuer-Konsumausgaben (80.000 Euro) sind gleichermaßen mit 25% belastet.

III. Spezielle Verbrauchsteuern (z. B. Ökoabgaben)? Auch spezielle Verbrauchsteuern vereinigen einen erheblichen Anteil der Gesamtsteuereinnahmen auf sich (Ökosteuern, Güterbesteuerung). So machten in 2000 allein die Einnahmen aus der Mineralölsteuer 25,5% des Einkommensteueraufkommens aus.591 Zwar belasten die speziellen Verbrauchsteuern investierte Reinvermögensmehrungen ebenso wenig wie die Umsatzsteuer. Wiederum fehlt es an Konsum, auf den Zahllasten überwälzt werden könnten. Allerdings folgt die Besteuerung z. B. des Umweltverbrauchs (Ökosteuern) einem anderen Gerechtigkeitsideal als dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das der nachgelagerten Besteuerung zugrunde liegt. Sie dienen, soweit sie überhaupt steuersystematisch gerechtfertigt sind, der Herstellung von Austauschgerechtigkeit (iustitia commutativa592), indem z. B. externe Effekte des Umweltverbrauchs internalisiert werden593 (Ökoabga589 Die Umsatzsteuersatz wird auf den Nettokonsum angewendet, während die Einkommensteuer aus versteuerten Reinvermögensmehrungen zu leisten ist. Umsatzsteuersatz [tUmsatzsteuer] und äquivalenter Einkommensteuersatz [tESt] stehen infolgedessen in folgendem Verhältnis zueinander: tUmsatzsteuer = tESt /(1 – tESt) [= 20%/(1 – 20%) = 25%]. 590 Die Einkommensteuerzahlungen des nachgelagert besteuerten Konsumenten (insgesamt 22.000 Euro) sind mit der marktüblichen Verzinsung (10%) auf den Zeitpunkt abzuzinsen, in dem der umsatzbesteuerte Zensit seinen Ressourcentransfer an das Gemeinwesen geleistet hat: 22.000 Euro/(1 + 10%) = 20.000 Euro. 591 Dem Mineralölsteueraufkommen von 37,8 Mrd. Euro standen Einkommensteuereinnahmen von 148 Mrd. Euro gegenüber, vgl. Stbg 2002, Heft 3, M 10. 592 Vgl. dazu FN 298. 593 Vgl. z. B. U. Sacksofsky, Verfolgung ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, NJW 2000, 2619 (2624).

B. Staatliche Altersvorsorge

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ben als sog. Pigou-Steuern594). Unverzerrte Preise aber sind Bedingung der Schaffung von Verteilungsgerechtigkeit, von zuteilender Gerechtigkeit durch Austeilung steuerlicher Lasten (iustitia distributiva bzw. contributiva595). Spezielle Verbrauchsteuern schaffen erst die Voraussetzung für eine Leistungsfähigkeitsbesteuerung. Elemente einer nachgelagerten Besteuerung im geltenden Steuerrecht sind sie infolgedessen nicht.

B. Staatliche Altersvorsorge Für die überwiegende Mehrheit der Steuerpflichtigen dominiert die staatliche Alterssicherung (Beamtenversorgung, gesetzliche Rentenversicherung) die materielle Absicherung der Zukunft. So erachtet Franz W. Wagner das „Zwangssparen der gesetzlich Versicherten“ als „diejenige Form der Ersparnisbildung, die für die meisten Steuerpflichtigen die wichtigste ist“596.

Zudem ist die Besteuerung der staatlichen Altersvorsorge im Binnensystem der Einkommensteuer geregelt, was Systembrüche besonders deutlich zutage treten lässt. Deshalb nennt Wolfgang Wiegard, der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die „nachgelagerte Besteuerung von Altersrenten das trojanische Pferd der Befürworter eines konsumorientierten Steuersystems“597.

I. Beamtenversorgung Die Alterssicherung der Beamten wird uneingeschränkt nachgelagert besteuert.598 Dies hat auch das BVerfG in seinem jüngsten Urteil zur Rentenbesteuerung erkannt (Rentensteuer-Urteil599). Während der Erwerb des Ver594 595 596

Vgl. grundlegend A. C. Pigou, The Economics of Welfare, 1920. Vgl. dazu FN 298. F. W. Wagner, Nachgelagerte Rentenbesteuerung (FN 557), BB 2002, Heft

13, I. 597

W. Wiegard, Trojanisches Pferd (FN 137), ifo-schnelldienst 2000, 8 (12). Vgl. nur E. Wenger, Erfolglose Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer (FN 186), in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen vs. Konsum, S. 37 (44 f.); J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 117; ders., Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (80); L. Knoll, Zwischen allen Stühlen – Zur bevorstehenden Entscheidung des BVerfG über die Rentenbesteuerung, StuB 2002, 19 (21); P. Bareis, Zur Kritik am „Karlsruher Entwurf zur Reform des EStG“, StuW 2002, 135 (142); V. Lietmeyer, Neuregelung der Rentenbesteuerung – eine längst überfällige Reform, DStZ 2000, 1 (4); C. Dorenkamp, Partiell nachgelagerte Besteuerung (FN 139), StuW 2000, 121 (124). 598

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

sorgungsstammrechts steuerlich unbelastet bleibt (kein Zufluss von Einkünften i. S. d. § 11 Abs. 1 EStG), unterliegen die beamtenrechtlichen Versorgungsleistungen als Vermögensumschichtung vollumfänglich600 der Einkommensteuer (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 LStDV). 1. Keine Besteuerung der Ersparnisbildung (Erwerb des Versorgungsstammrechts) Beamte erwerben gegenüber ihrem Dienstherrn eine Versorgungsanwartschaft, ohne dass hierfür Vorsorgebeiträge an einen externen Versorgungsträger erbracht werden müssten. Daraus haben Teile des steuerjuristischen Schrifttums geschlossen, bei der Beamtenvergütung sei trotz vollumfänglicher einkommensteuerlicher Erfassung der Versorgungsbezüge (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) für die Annahme einer nachgelagerten Besteuerung kein Raum. Hierfür fehle es an einer Vermögensumschichtung in der Ruhestandsphase.601 Der Zweite Senat des BVerfG ist zum gegenteiligen Ergebnis gelangt, und zwar aufgrund der „wirtschaftlichen Ähnlichkeit zwischen den rentenrechtlichen tatsächlichen Beiträgen und den nur ,fiktiven‘ Beiträgen der Beamten“602. Der Erwerb der beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften sei auch dann als Gegenwert für die in der Berufstätigkeitsphase geleisteten Dienste anzusehen, wenn dieser Vergütungsbestandteil nicht als zugeflossen im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG gelte.603 Bei „wirtschaftlicher Betrachtung“604, die verfassungsrechtlich geboten sei und aus 599 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 ff. Vgl. dazu ausführlich C. Dorenkamp, Das BVerfG-Urteil zur Renten- und Pensionsbesteuerung – Weichenstellungen und Fragwürdigkeiten, DStZ 2002, 668 ff. 600 Von dem nicht entscheidungserheblichen, im Streitjahr 6.000 DM und nunmehr 3.072 Euro betragenden Versorgungsfreibetrag des § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG sei hier abgesehen. Leonhard Knoll spricht insoweit von „im Einzelfall durchaus relevanten, systematisch aber uninteressanten Details“, vgl. L. Knoll, Zwischen allen Stühlen (FN 598), StuB 2002, 19 (21). 601 So P. Fischer, Altersvorsorge und Altersbezüge (FN 28), DStJG 24 (2001), S. 463 (469, 476); ders., Missverständnisse zur nachgelagerten Besteuerung von Altersbezügen am Beispiel der sog. Riester-Rente, FR 2001, 613 (616): Die Beamtenpension sei ein „untaugliches Beispiel für die ,nachgelagerte Besteuerung‘“, da es beim beamtenrechtlichen Versorgungsstammrecht „schon im Hinblick auf das biometrische Risiko an einem Vermögenswert“ fehle. Krit. hierzu C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente (FN 228), StuW 2001, 253 (260 [FN 61]). Wie Fischer auch C. Gröpl, Nachgelagerte Besteuerung – juristische Aspekte, in Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.), Besteuerung von Beiträgen und Leistungen in der Altersvorsorge, DRV-Schriften Bd. 29, 2001, S. 85 (92); ders., Intertemporale Korrespondenz (FN 112), FR 2001, 568 (575). 602 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (363) [Gliederungspunkt C.V.1.a)].

B. Staatliche Altersvorsorge

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der die Unzulässigkeit rein „rechtstechnischer“605 Anknüpfungspunkte der steuerlichen Lastenausteilung folge, komme es nicht darauf an, ob ein externer Versorgungsträger zwischen Dienstherr und Dienstverpflichteten geschaltet sei, der – wie z. B. die gesetzliche Rentenversicherung – Zahlungsströme schon vor Eintritt in den Ruhestand mit sich bringe. Maßgeblich sei allein, dass sich der Erwerb des jeweiligen Anwartschaftsrechts „unmittelbar als wirtschaftliches Ergebnis der Arbeits- und Dienstleistung“606 darstelle. Gerade „bezogen auf die wirtschaftliche Begründung und auf den Bestand einer vermögenswerten Rechtsposition zu Beginn des Renten- oder Versorgungsbezugs“ zeige sich, „dass der Unterschied zwischen den ,echten‘ Beiträgen der Arbeitnehmer zur Rentenversicherung und den nur ,fiktiven‘ Beiträgen der Beamten eher rechtstechnischer Art ist“607.

Auch Beamte erwerben demnach mit dem sukzessiven Aufbau ihres Versorgungsstammrechts einen Vermögenswert. Da sie in der Berufstätigkeitsphase insoweit einkommensteuerlich nicht belastet werden, bleiben die Reinvermögensmehrungen, die in die Altersvorsorge investiert werden, unbesteuert. 2. Besteuerung der Ersparnisauflösung Wenn Beamte durch den sukzessiven Erwerb des Versorgungsstammrechts bereits in der Berufstätigkeitsphase Vermögen bilden, stellen die Versorgungsleistungen lediglich eine Vermögensumschichtung dar. Die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge lösen Ersparnisse auf, die für den Alterskonsum gebildet wurden. Die Besteuerung dieser Ersparnisauflösung rechtfertigt sich allein daraus, dass der Fiskus im Zeitpunkt des Erwerbs der Versorgungsanwartschaft auf einen Zugriff verzichtet hat. Das BVerfG führt aus: „Eine ,spätere‘ steuerliche Erfassung einer Vermögensmehrung kommt dagegen in Betracht, wenn die Besteuerung zu einem – möglichen – früheren Zeitpunkt unterblieben ist oder ,aufgeschoben‘ wurde.“608

603 Vgl. zu der Unerheblichkeit dieser Frage BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/ 99, DStRE 2002, 364 [Gliederungspunkt C.V.1.b)]. 604 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (359) [Gliederungspunkt C.II.2.a)aa)]. 605 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (362) [Gliederungspunkt C.III.2. a. E.]. 606 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (364) [Gliederungspunkt C.V.1.b)]. 607 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (362) [Gliederungspunkt C.III.2.].

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

Reinvermögensmehrungen, die in die Alterssicherung investiert werden, wird demnach ein Besteuerungsaufschub gewährt. Der Ertrag der Beamtenversorgung, welcher aus der Anknüpfung des Versorgungsniveaus an die ruhegehaltsfähigen Bezüge folgt (Entwicklung der Beamtenvergütung), wird dadurch implizit von der Besteuerung befreit, vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., Seiten 64 ff. II. Gesetzliche Rentenversicherung Ebenso wie die Beamtenversorgung finanziert sich die gesetzliche Rentenversicherung im Umlageverfahren. Die Versorgungsansprüche der Ruhestandsgeneration (rentenrechtliche Versorgungsleistungen) werden aus den Vorsorgeaufwendungen der gegenwärtig sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bedient (Rentenversicherungsbeiträge). Diese erwerben wiederum Versorgungsanwartschaften gegenüber künftigen Generationen. Nach dem jüngsten Rentensteuer-Urteil609 des BVerfG wird gemeinhin erwartet, dass auch die Besteuerung der gesetzlichen Rentenversicherung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet wird (Abzugsfähigkeit der Rentenversicherungsbeiträge, Erfassung der Versorgungsleistungen). Hierauf haben sich zum einen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrer Koalitionsvereinbarung geeinigt, die sie nach der Bundestagswahl 2002 getroffen haben.610 Zum anderen ist die vom BVerfG ebenfalls als zulässig erachtete einheitlich vorgelagerte Besteuerung von gesetzlichen Renten und Beamtenpensionen nach der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen „größtenteils theoretischer Natur. [. . .] Realistischerweise kommt nur die von der Kommission vorgeschlagene nachgelagerte Besteuerung in Betracht.“611 Dann wäre der Ertrag der Gesetzlichen Rentenversicherung ebenso implizit von der Besteuerung befreit wie die Rendite der Beamtenversorgung (Besteuerungsaufschub für Investitionen in die Alterssicherung).612 Auch derzeit bleibt die „Rendite der Rente“ allerdings weitgehend steuerlich unbelastet, nämlich aufgrund einer unzuläng608 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (362) [Gliederungspunkt C.III.1.]. 609 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 ff. 610 Vgl. SPD/Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Erneuerung – Gerechtigkeit – Nachhaltigkeit, S. 16. 611 Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, Abschlussbericht, 2003, S. 22. So auch bereits C. Dorenkamp, BVerfG-Urteil zur Rentenbesteuerung (FN 599), DStZ 2002, 668 (676). 612 Vgl. dazu oben Abschn. I.2., S. 161 f.

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lichen Ertragsanteilsbesteuerung (keine Erfassung der Rendite aus der Anwartschaftsphase) und der hälftigen Steuerbefreiung der Rentenversicherungsbeiträge. 1. Erwerb des Rentenstammrechts (Rentenversicherungsbeiträge) Arbeitnehmeranteil Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung werden von den Arbeitsvertragsparteien je zur Hälfte getragen.613 Der Arbeitnehmeranteil gilt als zugeflossen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG, sobald er vom Arbeitgeber an den Rentenversicherungsträger abgeführt wird.614 Insoweit unterliegen die Rentenversicherungsbeiträge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Einkommensteuer, § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V. m. 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Gemäß § 2 LStDV sind sie auch lohnsteuerpflichtig, § 38 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 EStG. Hierbei ist die Annahme eines Lohnzuflusses keineswegs zwingend.615 § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG stellt auf die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über Vermögensgegenstände ab, also z. B. bei Geldbeträgen auf deren Vereinnahmung.616 Sozialversicherungsbeiträge werden dem Arbeitnehmer aber zu keinem Zeitpunkt gutgeschrieben, auch wenn er eine Anwartschaft auf künftige Rentenleistungen erwirbt, §§ 34 Abs. 1; 50 ff. SGB VI. Allerdings erfüllt der Arbeitgeber mit der Abführung der Rentenversicherungsbeiträge eine Pflicht des Arbeitnehmers.617 Der BFH begreift diesen Vorgang als Abkürzung des Zahlungswegs.618

Zwar berechtigt der Arbeitnehmeranteil der Rentenversicherungsbeiträge zum Sonderausgabenabzug (Vorsorgeaufwand), § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG. Dieser ist jedoch der Höhe nach beschränkt, § 10 Abs. 3 EStG. Hierbei kann die Begrenzung des § 10 Abs. 3 EStG auch als vollständiges Abzugsverbot für Sozialversicherungsbeiträge aufgefasst werden. Denn es ist den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verwehrt, andere Vorsorgemaßnahmen, z. B. Lebensversicherungsprämien, aus unversteuertem Einkommen zu erbringen. Der Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge schöpft den Sonderausgabenabzug bereits aus. Faktisch wird der Arbeitnehmeranteil infolgedessen zur Gänze aus versteuertem Einkommen geleistet (keine Abzugsfähigkeit der privaten Zukunftsvorsorge).619 613

§ 168 Abs. 1 Nr. 1 HS 1 SGB VI. Vgl. BFH v. 27.03.1992 VI R 35/89, BStBl II 1992, 664; W. Heinicke, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 11 Rz. 30 [„Zukunftssicherungsleistungen“]. 615 Vgl. auch C. Gröpl, Intertemporale Korrespondenz (FN 112), FR 2001, 568 (572). 616 Vgl. BFH v. 28.11.2000 I R 102/99, BStBl II 2001, 195 (197). 617 §§ 168 Abs. 1 Nr. 1; 173 Satz 1; 174 Abs. 1 SGB VI i.V. m. 28g SGB IV. 618 Vgl. BFH v. 29.07.1986 IX R 206/94, BStBl II 1986, 747 (784). 614

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

Arbeitgeberanteil Ob die Rentenversicherungsbeiträge auch in Höhe des Arbeitgeberanteils im Sinne des § 11 EStG zufließen620, kann dahinstehen. Jedenfalls sind sie einkommensteuerbefreit, § 3 Nr. 62 EStG. Rentenrechtliche Versorgungsanwartschaften werden infolgedessen zur Hälfte, nämlich in Höhe des Arbeitgeberanteils, aus unversteuertem Einkommen erworben. 2. Rentenrechtliche Versorgungsleistungen (Ertragsanteilsbesteuerung gem. § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG) Rentenrechtliche Versorgungsleistungen unterliegen als wiederkehrende Bezüge mit ihrem Ertragsanteil der Einkommensteuer, § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG (Leibrente). Die Höhe des Ertragsanteils der Leibrente bestimmt sich nach dem Renteneintrittsalter, vgl. Tabelle zu § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a Satz 3 EStG (z. B. 27% bei Renteneintrittalter von 65 Jahren). Der Ertragsanteil, der der Einkommensbesteuerung zugrunde gelegt wird, kann, da pauschal ermittelt, mit dem tatsächlichen Zinsanteil der individuell bezogenen Versorgungsleistungen höchstens zufallsbedingt übereinstimmen.621 Die Werte der Ertragsanteilstabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a Satz 3 EStG erfassen den Ertragsanteil nur dann exakt, wenn die Lebensdauer des Versorgungsberechtigten der durchschnittlichen Lebenserwartung männlicher Versicherter entspricht und der – fiktive – Kapitalstock des Rentenstammrechts sich mit 5,5% verzinst.622

3. Besteuerung von Kapitaleinkommen? Sozialrentner nehmen über die Kopplung der Versorgungsleistungen an das Lohnniveau an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung teil. Infolgedessen erhalten sie bei durchschnittlicher Rentenbezugsdauer Leistungen, deren aufsummierter Nominalbetrag die eingezahlten Rentenversicherungsbeiträge übersteigt. Hierin wird die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung gesehen623 („Rendite der Rente“624). Für derzeitige Ruheständler übersteigt sie den langfristigen Kapitalmarktzins von 5,5%.625 619 Vgl. ebenso BVerfG v. 20.03.1980 – 1 BvR 121/76, BVerfGE 54, 11 (32) sowie BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (363) [Gliederungspunkt C.V.1.a]. 620 Abl. z. B. W. Drenseck, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 19 Rz. 50 [„Arbeitgeberanteil zur Gesamtsozialversicherung“]. 621 Vgl. hierzu Kiesewetter/Niemann, Zur Entscheidungsneutralität der Ertragsanteilsbesteuerung von Renten, StuW 2002, 48 (51 ff.). 622 Vgl. W. Heinicke, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 22 Rz. 101. 623 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Alterseinkünfte (FN 28), S. 17.

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Die Rendite der Rente bleibt weitestgehend unbelastet. Zwar wird die gesetzliche Rentenversicherung (noch) nicht nachgelagert besteuert. Zum einen sind die Vorsorgeaufwendungen nur teilweise abzugsfähig (Arbeitgeberanteil), zum anderen werden die Rentenleistungen nicht zur Gänze nachbelastet, sondern lediglich in Höhe des pauschalen Ertragsanteils nach § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG. Die derzeitige Rentenbesteuerung belastet Einkommen aber auch nicht traditionell. Der Arbeitgeberanteil ist nach § 3 Nr. 62 EStG einkommensteuerbefreit (Vermögensbildung aus unversteuertem Einkommen) und die Ertragsanteilsbesteuerung erfasst lediglich die Rendite des Rentenstammrechts, welche auf die Versorgungsphase entfällt. Dies folgt schon aus dem Wortlaut § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a Satz 2 EStG, der ausdrücklich auf den Ertrag während der „Dauer des Rentenbezugs“ abstellt. Die Beschränkung der Ertragsanteilsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a Satz 3 EStG auf die Rendite der Versorgungsphase zeigt sich auch daran, dass die Norm auf Leibrenten angewendet wird, die gegen Einmalzahlung erworben wurden. Insoweit existiert bereits überhaupt keine Anwartschaftsphase, auf die Vorsorgekapitalerträge entfallen könnten. Bei sämtlichen Versorgungsleistungen, die auf Zukunftsvorsorgeaufwendungen beruhen, welche über einen längeren Zeitraum getätigt wurden, genügt § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer infolgedessen nicht, und zwar auch nicht in pauschaler Weise.626

Die Rendite aus der Anwartschaftsphase bleibt demnach bereits aufgrund der unzulänglichen Ertragsanteilsbesteuerung unbelastet. Wird die teilweise Besteuerung der gesetzlichen Renten als Nachbelastung des hälftigen Rentenstammrechts begriffen, das wegen § 3 Nr. 62 EStG aus unversteuertem Einkommen erworben wurde627, gilt gleiches für den Ertrag, der auf die 624 Auch das BVerfG ist in seinem jüngsten Rentensteuer-Urteil zu dem Ergebnis gelangt, dass es bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht darauf ankomme, worauf der „Ertrag“ der gesetzlichen Rentenversicherung beruhe. Erheblich sei allein, dass sich die Versorgungsleistungen nicht als Rückzahlung bereits versteuerten Kapitals darstellten, vgl. BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (353) [Gliederungspunkt A.I.5.b]bb]]. 625 Vgl. m. w. N. H.-J. Papier, Alterssicherung und Eigentumsschutz, in Isensee/ Lecheler (Hrsg.), Freiheit und Eigentum, FS Leisner, 1999, S. 721 (741); Eitenmüller, Die Rentabilität der gesetzlichen Rentenversicherung – Kapitalmarktanaloge Renditeberechnungen für die nahe und die ferne Zukunft, DRV 1996, 784. 626 Vgl. auch R. Seer, Alterseinkünfte und Gleichbehandlungsgebot (FN 28), StuW 1996, 323 (330). 627 Dieser Ansatz lag wohl auch den sog. Petersberger Steuervorschlägen (Petersberger Steuerreformkommission v. 22.01.1997, BMF-Schriftenreihe Heft 71, 1999) zugrunde, welche eine Anhebung des einkommensteuerpflichtigen Anteils von Rentenzahlungen auf 50% empfohlen haben. P. Fischer hält es hingegen für „nicht erfindlich“, „was rechnerisch die Steuerfreiheit der Arbeitgeberbeiträge mit einer nur hälftigen Einbeziehung der Renten in die Steuerbemessungsgrundlage zu tun haben könnte“ (ders., Altersvorsorge und Altersbezüge [FN 28], DStJG 24 [2001], S. 463 [497]).

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

Versorgungsphase entfällt. Die Rendite der Rente bleibt zur Gänze steuerlich unbelastet, wenn der auf die Versorgungsphase entfallende Ertrag dem hälftigen Rentenstammrecht entspricht (Kompensation des § 3 Nr. 62 durch § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG).628 Exkurs: Nichtsteuerbarkeit von Transfers innerhalb von Versichertengemeinschaften? Peter Fischer will „versicherungsimmanente Vorteile“629 nicht in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einbeziehen.630 Diese Umverteilung fände „in der Vermögenssphäre des Versicherten“631 statt, die Versicherungsleistungen würden insoweit „durch die versicherungsimmanente Umverteilung ,mediatisiert‘ (überlagert)“632. Ungeachtet der Tatsache, dass die Fischer’sche Auffassung nicht den Besteuerungszeitpunkt betrifft, sondern die Steuerbarkeit von Reinvermögensmehrungen, wird sie der nachgelagerten Besteuerung der gesetzlichen Rente entgegengehalten. 633 Allerdings ist nicht ersichtlich, warum Umverteilungen innerhalb einer Versichertengemeinschaft die Fähigkeit des Transferempfängers, Steuerzahlungen zu leisten, nicht erhöhen sollten. Da diese Reinvermögensmehrungen zudem beobachtbar sind, besteht jedenfalls dann kein Anlas, sie dem nichtsteuerbaren Privatvermögensbereich zuzuordnen, wenn der Einkünftedualismus als gleichheitssatzwidrig erachtet wird.634 So will Fischer Rentenbezüge, die auf staatlichen Transfers beruhen, auch besteuern, und zwar mit einer Begründung, die auch auf Reinvermögensmehrungen aufgrund versicherungsimmanenter Redistribution zutrifft: „Der Gesetzgeber ist durch die Markteinkommenstheorie nicht gehindert, die genannten Transferleistungen grundsätzlich zu besteuern. [. . .] Der Steuergesetzgeber kann auf das staatliche Transfereinkommen zugreifen, zumal nur auf diese 628 Vgl. dazu C. Dorenkamp, BVerfG-Urteil zur Rentenbesteuerung (FN 599), DStZ 2002, 668 (674). 629 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Alterseinkünfte (FN 28), S. 15. 630 Vgl. Nachweise zur ganz herrschenden Meinung, die insoweit gegenteiliger Ansicht ist, in FN 28. 631 P. Fischer, Altersvorsorge und Altersbezüge (FN 28), DStJG 24 (2001), S. 463 (482); ebenso ders., Missverständnisse zur nachgelagerten Besteuerung (FN 28), FR 2001, 613 (617). 632 P. Fischer, Kommentar (FN 75), FR 2002, 410 (411). 633 Vgl. C. Gröpl, Intertemporale Korrespondenz (FN 112), FR 2001, 568 (573). 634 So insbesondere K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 645 ff.; J. Lang, in Tipke/ Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 185 ff. Vgl. auch W. Schön, Zur Unternehmenssteuerreform, Stbg 2000, 1 (8): „Erfassung der Veräußerungsgewinne ein Beitrag zur Steuervereinfachung und wohl auch zur Steuergerechtigkeit“. Weitere Nachweise in FN 738.

B. Staatliche Altersvorsorge

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Weise vor allem bei Inhabern mehrerer Einkunftsquellen eine gleichheitsgerechte Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bewirkt werden kann.“635

Das BVerfG ist in seinem jüngsten Rentensteuerurteil der Auffassung Fischers nicht gefolgt. Obgleich es sich beim Leitbild der Ertragsanteilsbesteuerung auf ihn beruft636, wird gerügt, bei der Besteuerung der gesetzlichen Rente werde der Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen – anders als bei der Beamtenversorgung – nicht eingehalten (Privilegierung).637 Hier hätte das Fischer’sche Versicherungsprinzip einen Rechtfertigungsansatz geboten, es wurde vom BVerfG jedoch nicht erwähnt.638 Mit dem Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen ist das Versicherungsprinzip jedenfalls nicht vereinbar. Denn es verlangt gerade die Nichtsteuerbarkeit eines Teils der Renten. Die Diskussion über die Steuerbarkeit „versicherungsimmanenter Vorteile“639 dürfte „jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht“ ebenso „gegenstandslos“640 sein wie Fischer dies hinsichtlich der Ausgrenzung staatlicher Transfers durch die Kirchhof ’sche Markteinkommenstheorie641 annimmt.

635 P. Fischer, Altersvorsorge und Altersbezüge (FN 28), DStJG 24 (2001), S. 463 (493 f.). 636 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (362) [Gliederungspunkt C.III.1.]. 637 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (364) [Gliederungspunkte C.V.1.b] u. c]]. 638 P. Fischer (Gleichheitsgerechte Besteuerung von Pensionen und Renten – Zum Urteil des BVerfG v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99, NWB F. 3 S. 11985 [11994]) deutet die Nichterwähnung des Versicherungsprinzip durch das BVerfG allerdings lediglich als Nichthervorhebung, die die verfassungsrechtliche Existenzberichtigung des Versicherungsprinzips unberührt lasse: „Es hätte die nunmehr beginnende rechtliche Diskussion gefördert, wenn das BVerfG diese Bedeutung des Versicherungsprinzips, das – freilich modifiziert durch die Grundsätze der Fürsorge und der sozialen Verantwortung – auch im Sozialversicherungsrecht gilt, hervorgehoben hätte. Ungeachtet dessen gehört gerade das Versicherungsprinzip zu den vom Gesetzgeber ,selbst statuierten Sachgesetzlichkeiten‘.“ 639 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Alterseinkünfte (FN 28), S. 15. P. Fischer (Missverständnisse zur nachgelagerten Besteuerung [FN 28], FR 2001, 613 [617]) spricht von „versicherungstechnischer Umverteilung“. 640 P. Fischer, Kommentar (FN 75), FR 2002, 410 (411). 641 Die enge Markteinkommenstheorie (vgl. oben Kapitel 1 Abschn. A.II.2.c), S. 42 f.) grenzt allein im Hinblick auf den Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung 72,18 Mrd. Euro aus (vgl. Bundeshaushalt 2002, Kap. 11.13, Titelgruppe 02), da sie staatliche Sozialtransfers als nicht besteuerungswürdig erachtet.

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

C. Betriebliche Altersversorgung Die staatliche Alterssicherung wird durch die betriebliche Altersversorgung als zweite Säule der Absicherung des biometrischen Risikos Langlebigkeit ergänzt. Die Erheblichkeit ihrer Besteuerung für die Belastungswirkungen der derzeitigen steuerlichen Lastenausteilung folgt schon aus dem Umfang der Deckungsmittel, die für die betriebliche Altersversorgung akkumuliert wurden. Sie beliefen sich in 1999 auf 600 Mrd. DM642 und entfielen zu ca. 60% auf Pensionsrückstellungen (Direktzusage), 20% auf Pensionskassen und je 10% auf Direktversicherungen und Unterstützungskassen.643 Kapitaleinkommen, das im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung erwirtschaftet wird, bleibt weitgehend steuerlich unbelastet. Bei den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse folgt die Steuerfreiheit aus dem Besteuerungsaufschub, der dem Vorsorgekapital gewährt wird. Bei der Direktversicherung, der Pensionskasse und dem Pensionsfonds sind für dieses Belastungsergebnis die Körperschaftsteuerbefreiung der Vorsorgeträger sowie die Ertragsanteilsbesteuerung des § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a Satz 3 EStG verantwortlich, da sie die Rendite aus der Anwartschaftsphase unbesteuert lässt. Soweit an Pensionskassen und Pensionsfonds geleistete Vorsorgebeiträge gemäß § 3 Nr. 63 EStG644 von der Einkommensteuer befreit sind, wird Kapitaleinkommen wiederum implizit von der Einkommensteuer befreit (Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen). I. Formen der betrieblichen Altersversorgung Die betriebliche Altersvorsorge umfasst sämtliche Vergütungsabreden, in denen sich der Arbeitgeber verpflichtet, Leistungen für die Altersvorsorge seiner Arbeitnehmer zu erbringen. Möglich sind Leistungszusagen, Beitragszusagen oder beitragsorientierte Leistungszusagen.

642

Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2001, S. 56. Vgl. Asmis/Falk/Neumann, Betriebliche Altersversorgung, 1999, S. 33; auch FAZ v. 16.05.2001, S. 35 [Quelle: UBS Asset Management (Direktzusagen 360 Mrd. Euro [60%]; Pensionskassen 125,2 Mrd. Euro [20]; Direktversicherungen 73,5 Mrd. Euro [12%]; Unterstützungskassen 44,2 Mrd. Euro [8%])]. 644 Zu den betriebsrentenrechtlichen Neuerungen des AVmG ausführlich R. Höfer, Die Neuregelung des Betriebsrentenrechts durch das Altersvermögensgesetz (AVmG), BetrAV 2001, 314 ff. 643

C. Betriebliche Altersversorgung

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Leistungszusage (defined benefit) Bei der Leistungszusage verspricht der Arbeitgeber eine bestimmte Versorgungsleistung. Die Leistungshöhe hängt weder vom Bestand oder Ertrag des akkumulierten Vorsorgekapitals noch von der Realisierung biometrischer Risiken ab. Der Versorgungsaufwand entwickelt sich für jeden Arbeitnehmer unterschiedlich, er ist weder bestimmt noch bestimmbar. Als klassische Ausgestaltung der betrieblichen Altersvorsorge wird die Leistungszusage auch als betriebliche Altersversorgung bezeichnet.645 Mit dem Eintritt des Versorgungsfalls erstarkt die Leistungsanwartschaft zu einem Leistungsanspruch, der ebenso wenig mit den geleisteten Vorsorgebeiträgen wie mit der Verzinsung des Vorsorgekapitals korreliert ist (defined benefit).

Beitragszusage (defined contribution) Bei der Beitragszusage verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Versorgungsleistung, sondern einen bestimmten Vorsorgeaufwand. Die Höhe der späteren Versorgungsleistung bestimmt sich allein nach dem Bestand des Vorsorgekapitals. Dieser wiederum hängt von den geleisteten Vorsorgebeiträgen sowie der Rendite des Vorsorgekapitals ab. Der Beitragsleistung kommt gem. § 362 BGB schuldbefreiende Wirkung im Hinblick auf das Versorgungsversprechen zu646, weshalb der Arbeitgeber weder nachschussverpflichtet noch rückflussberechtigt ist. In Deutschland fehlte der Beitragszusage bis zum AVmG die gesetzliche Grundlage. Das BetrAVG sah mit Ausnahme der nachfolgend behandelten beitragsorientierten Leistungszusage ausschließlich defined benifit-Zusagen vor.647 Nunmehr kennt § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG die sog. Beitragszusage mit Mindestleistung. Diese gleicht der Beitragszusage, die in den angelsächsischen Ländern weit verbreitet ist (defined contribution). Der Arbeitgeber verpflichtet sich, Vorsorgebeiträge an einen externen Träger zu leisten, damit Versorgungskapital, mindestens in Höhe der Summe der zugesagten Beiträge, vorgehalten wird. Die Beitragsgarantie bezieht sich allerdings lediglich auf den Nominalwert der Vorsorgebeiträge.

645 Zwar fürchten Hanau/Arteaga Verwechslungen, wenn mit dem Begriff „Betriebliche Altersvorsorge“ nicht ausschließlich die hier als „klassische Ausgestaltung der betrieblichen Altersvorsorge“ verstandene betriebliche Altersversorgung bezeichnet wird, vgl. dies., Pensions-Sondervermögen und betriebliche Altersversorgung, BB 1997, Beilage zu Heft 17, S. 5 FN 34. Die hier gewählten Begriffe lehnen sich allerdings an die Terminologie von W. Blomeyer an (Betriebsrente durch Pensionsfonds?, ZIP 1997, 1397 [1400, 1404]) und werden auch vom Gesetzgeber verwendet: So haben sie z. B. Eingang in das KAGG gefunden (vgl. §§ 37h ff. KAGG: „Altersvorsorge-Sondervermögen“ [AS-Fonds]). 646 Vgl. W. Blomeyer, Arbeitsrechtliche Grundlinien der beitragsorientierten Leistungszusage zwischen Beitrags- und Leistungszusage, BetrAV 1996, 308 (310); Bode/Grabner, Pensionsfonds in Deutschland?, DB 1997, 927 (928). 647 Vgl. R. Grabner, Der betriebsinterne Pensionsfonds, DB 1999, 903 (904).

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

Beitragsorientierte Leistungszusage (Mischform) Die beitragsorientierte Leistungszusage kombiniert die vorstehenden Formen der betrieblichen Altersvorsorge.648 Versprochen wird eine Versorgungsleistung, die einem vertraglich vereinbarten Vorsorgeaufwand unter bestimmten Zinsannahmen und biometrischen Prämissen versicherungsmathematisch gleichwertig ist. Infolgedessen hängt das Versorgungsniveau nicht von der Vermögensentwicklung bzw. der realisierten biometrischen Risiken ab. Allerdings entsteht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Nachschussverpflichtung, soweit bei der Berechnung der Beiträge und Leistungen (über)vorsichtige Annahmen getroffen werden. Wird darüber hinaus vereinbart, dass höhere als die „erwarteten“ Erträge zur Steigerung der Versorgungsanwartschaften verwendet werden sind, entsteht faktisch eine beitragsdefinierte Leistungszusage.649

II. Besteuerung der Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung Maßnahmen der betrieblichen Altersversorgung beruhen auf einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Deshalb hat eine steuerliche Belastungsanalyse die abgabenrechtliche Behandlung bei beiden Arbeitsvertragsparteien zu berücksichtigen. Hierbei ist sämtlichen Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung, d.h. Direktzusage, Unterstützungskasse, Direktversicherung, Pensionskasse sowie Pensionsfonds, gemein, dass die Vorsorgebeiträge beim Arbeitgeber unmittelbar erfolgswirksam werden, § 5 Abs. 1 EStG i.V. m. § 275 Abs. 2 Nr. 6b HGB („Personalaufwand, soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung, davon für Altersversorgung“). Ihre einkommensteuerlichen Folgen beim Arbeitnehmer richten sich danach, ob Arbeitsentgelt bereits in der Anwartschaftsphase im einkommen- bzw. lohnsteuerlichen Sinne zufließt650 (§§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 1; § 38a Abs. 1 EStG), auch wenn diese Differenzierung unter Leistungsfähigkeitsaspekten nicht überzeugt.651 Stets652 erwirbt der Arbeitnehmer eine Versorgungsanwartschaft, die sein Reinvermögen erhöht. 648

Vgl. dazu R. Grabner, Pensionsfonds (FN 647), DB 1999, 903 (904 ff.). Vgl. dazu R. Grabner, Pensionsfonds (FN 647), DB 1999, 903 (904 ff.); auch ders., Beitragsprimat und Pensionsfonds, BetrAV 1997, 254 (256 ff.). 650 Vgl. dazu BMF-Schreiben von 04.02.2000 – IV C 5 – S 2232 – 11/00, BStBl I 2000, 354. 651 So auch Elbinger/Grawert/Knoll, Deferred Compensation, Zeit-Wertpapiere und die (un)einheitliche Kalibrierung fiskalischer „Schlupflöcher“, StuB 2000, 986 (988 f.); R. Müller, Altersvorsorge aus steuersystematischer Sicht (FN 434), Konjunkturpolitik 1999, 290 (296). 652 Zwar gewähren Unterstützungskassen gemäß § 1 Abs. 4 S. 1 BetrAVG auf ihre Leistungen keinen Rechtsanspruch. Gleichwohl gelten auch für Unterstützungs649

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1. Direktzusage Bei der betrieblichen Altersvorsorge via Direktzusage verpflichtet sich der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer, bei Eintritt des Versorgungsfalls Versorgungsleistungen aus betrieblichen Mitteln zu gewähren653 (unmittelbare Versorgungszusage, Pensionszusage). Zunächst entsteht eine Versorgungsanwartschaft, die unter den Voraussetzungen der §§ 1; 1b; 2 BetrAVG unverfallbar wird654 und mit der Realisierung des biometrischen Risikos zu einem Versorgungsanspruch erstarkt655. a) Vorsorgebeiträge, Rückdeckungsversicherung, Vorsorgeträger, Versorgungsleistungen Vorsorgebeiträge Sagt ein Arbeitgeber, der seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt (§§ 4 Abs. 1; 5 Abs. 1 EStG), seinem Arbeitnehmer eine Pension zu, kann er hierfür eine Rückstellung bilden (Pensionsrückstellung, § 6a EStG). Rückstellungen dienen der periodengerechten Gewinnermittlung, indem sie prognostizierbare, in den Folgeperioden anfallende Ausgaben für betriebliche Verpflichtungen berücksichtigen, die in der Gegenwartsperiode verursacht wurden. Das zeitliche Auseinanderfallen von realisierten Umsätzen (Einzahlungen) und hierdurch veranlassten Auszahlungen bewirkt eine Zwangskapitalbildung im Unternehmen.656 Die Vorsorgeaufwendungen des Arbeitgebers stellen sich als Zuführungen zu den Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen dar (betriebsinterne Organisation, bilanzieller Ausweis der Reinvermögensminderung aus der eingegangenen Versorgungsverpflichtung). Die Bildung der Pensionsrückstellung folgt der Berechnung des Deckungskapitals einer Versicherungsgesellschaft. Ein Versicherungsvertrag, welcher der betrieblichen kassen seit dem BAG-Urteil v. 10.03.1972 3 AZR 278/71 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB (Ruhegehalt) die Unverfallbarkeitsvorschriften des BetrAVG. Zudem sind die Versorgungsberechtigten im Insolvenzfall gegenüber dem Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) anspruchsberechtigt. Deshalb bezeichnen Hanau/Arteaga (Gehaltsumwandlung zur betrieblichen Altersversorgung, 1999, E Rz. 6 ff. [13]) den fehlenden Rechtsanspruch als „klassisches juristisches Paradoxon“. 653 Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil, 4. Aufl. 1995, Rz. 1. 654 Vgl. Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Auf. 1997, S. 1321. 655 Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), Rz. 4. 656 Vgl. Rogall/Spengel, Abzinsung von Rückstellungen in der Steuerbilanz, BB 2000, 1234.

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

Altersversorgung via Direktzusage entspricht, verpflichtet den Versicherungsnehmer (Arbeitgeber), gleichbleibende Versicherungsprämien zu leisten. Mit Zins und Zinseszins wachsen die fingierten Versicherungsprämien zum abdiskontierten Erwartungswert der Versorgungsleistungen an. Die periodischen Zuführungen setzen sich aus betragsmäßig identischen Jahresbeiträgen und dem Zinsertrag zusammen, der auf den Rückstellungsbestand der Vorperiode entfällt.657 Bis zum Versorgungsfall wachsen die Rückstellungszuführungen kontinuierlich an. Dem trägt § 6a Abs. 3 EStG Rechnung, der einen Ansatz der Pensionsrückstellung bis zur Höhe des Teilwerts der Pensionsverpflichtung zulässt. Teilwert ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den der Erwerber eines Betriebs für das einzelne Wirtschaftsgut unter der Annahme der Fortführung des Betriebs ansetzen würde. Als Entlohnungsbestandteil ist die Versorgungszusage auf die gesamte Dienstzeit zu verteilen.658 Die versicherungsmathematische Definition des § 6a Abs. 3 EStG ist infolgedessen spezielle Ausprägung659 des allgemeinen Teilwertbegriffs. Als Teilwert gilt der „Barwert der künftigen Pensionsverpflichtung am Schluss des Wirtschaftsjahrs abzüglich des sich auf denselben Zeitpunkt ergebenden Barwerts betragsmäßig gleichbleibender Jahresbeträge“660.

In der Anwartschaftsphase hat die Direktzusage für den Arbeitnehmer keine lohn- bzw. einkommensteuerlichen Konsequenzen. Die Nichtsteuerbarkeit der Reinvermögensmehrung, die mit dem Erwerb der Versorgungsanwartschaft einhergeht, folgt aus dem Zuflussprinzip, nach dem Überschusseinkünfte ermittelt werden, §§ 8 Abs. 1; 11 Abs. 1 EStG.661 Insbesondere verneint der BFH662 einen Zufluss auch dann, wenn die Pensionsanwartschaft bereits unverfallbar geworden ist. Hieraus folgt die sog. Korrespondenzlücke663 zwischen der steuerlichen Berücksichtigung der 657

Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 2. Teil Rz. 208. Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 2. Teil Rz. 212. 659 Vgl. R. Höfer, Gesetz zur betrieblichen Altersversorgung, Bd. 2: Steuerrecht, 1. Aufl. 1976, Rz. 159. 660 Vgl. § 6a Abs. 3 Nr. 1 EStG sowie Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 2. Teil Rz. 213. Der Unterschied zwischen Teilwert- und Gegenwartsprinzip stellt sich nur bei Pensionszusagen ein, die erst nach Dienstbeginn erteilt werden, und soll hier wegen fehlender grundsätzlicher Bedeutung nicht vertieft erörtert werden, vgl. dazu Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 2. Teil Rz. 213 ff. 661 Vgl. F. W. Wagner, Kann es eine Beseitigung aller steuerlichen Ausnahmen geben, wenn es keine Regel gibt?, DStR 1997, 517 (519). Korrespondenzlücken existieren auch bei Geschäften zwischen bilanzierenden Steuerpflichtigen, wenn der ökonomische Vorteil einer Reinvermögensminderung des einen Vertragspartner zu schwach ist, um bereits in der Bilanz des anderen Vertragspartners angesetzt zu werden (ebd., S. 519). 662 Vgl. nur BFH v. 31.10.1957 VI 1/54 U, BStBl III 1958, 4; v. 3.7.1964 VU 262/63 U, BStBl III 1965, 83. 663 Vgl. F. W. Wagner, Kann die Reform von Rechnungslegung und Steuersystem leisten, was die Finanzmärkte fordern?, in Becker/Klock/Schmidt/Wäscher (Hrsg.), Unternehmen im Wandel und Umbruch, 1998, S. 51 (66); Rogall/Spengel, Abzinsung von Rückstellungen (FN 656), BB 2000, 1234 (1237). 658

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Reinvermögensänderungen beider Arbeitsvertragsparteien. Die Steuerentlastung beim Arbeitgeber (Pensionsrückstellung) ist der korrespondierenden Steuerbelastung beim Arbeitnehmer (Versorgungsleistungen) zeitlich vorgelagert. Der Fiskus finanziert den Steuerausfall aus der Pensionsrückstellung über Jahrzehnte zwischen.664 Rückdeckungsversicherung Schließt der Arbeitgeber zur Abdeckung seiner Versorgungsverpflichtung eine Rückdeckungsversicherung ab (rückgedeckte Direktzusage), werden die biometrischen Risiken auf einen Versicherer übertragen.665 Der Arbeitgeber ist Versicherungsnehmer, Beitragszahler und zugleich Bezugsberechtigter der (Rückdeckungs-)Versicherung, die auf den Versorgungsberechtigten abgeschlossen wird. Gegenüber der betrieblichen Altersversorgung via Direktversicherung (§ 1 Abs. 2 BetrAVG, vgl. dazu unten Abschn. 3, Seiten 179 ff.) grenzt sich die rückgedeckte Direktzusage durch das Bezugsrecht des Arbeitgebers ab. Deshalb wird die einkommensteuerliche Sphäre des Arbeitnehmers durch den Abschluss einer Rückdeckungsversicherung nicht tangiert.666 Gleiches gilt im Ergebnis für die Besteuerung des Arbeitgebers. Der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung lässt die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen unberührt. Pensionsverpflichtung und Rückdeckungsversicherung werden getrennt bilanziert, da weiterhin ein unmittelbarer Versorgungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber besteht. Die Prämien, die im Rahmen des Rückdeckungsversicherungsvertrages geleistet werden, sind ebenfalls betrieblich veranlasst i. S. d. § 4 Abs. 4 EStG (Sicherheitsinteressen des Betriebs667). Im Gegenzug hat der Arbeitgeber jedoch die Versicherungsanwartschaft zu aktivieren, die mit dem Deckungskapital668 der Versicherungsgesellschaft anzusetzen ist.669 Im Ergebnis wirken sich die Vorsorgebeiträge sowohl bei rückgedeckter als auch bei rein 664 Vgl. dazu R. Schwinger, Der Einfluss der Einkommensbesteuerung auf die Vorteilhaftigkeit einer Pensionszusage, ZfbF 1993, 227 ff. 665 Der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung wird insbesondere empfohlen, wenn ein Arbeitgeber nur wenige Pensionszusagen erteilt und somit das sog. Gesetz der Großen Zahl keine Geltung hat (kein innerbetrieblicher Risikoausgleich), vgl. nur Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 2. Teil Rz. 360. 666 Vgl. R. Höfer, BetrAVG (FN 659), Rz. 620. 667 Vgl. R. Höfer, BetrAVG (FN 659), Rz. 622. 668 Das Deckungskapital entspricht dem Zeitwert des Vorsorgekapitals nach § 176 Abs. 3 VVG, welcher nach den Regeln der Versicherungsmathematik zu errechnen ist, vgl. R. Höfer, BetrAVG (FN 659), Rz. 1160. 669 Allerdings überschreitet das Deckungskapital die Pensionsrückstellung auch bei kongruenter Rückdeckung. Denn es ist ab dem 01.07.2000 aufgrund eines Rech-

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betriebsinterner Direktzusage beim Arbeitgeber steuermindernd aus, während sie die Steuerbelastung des Arbeitnehmers nicht erhöhen. Gesparten Reinvermögensmehrungen wird ein Besteuerungsaufschub gewährt. Vorsorgeträger Vorsorgeträger ist bei betriebsinterner Organisation der Altersvorsorge der Arbeitgeber selbst. Die im Unternehmen erwirtschafteten Einkünfte unterliegen der Einkommensteuer (Einzelunternehmer, Personengesellschaft [§§ 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V. m. 15 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG]) bzw. der Körperschaftsteuer (Kapitalgesellschaft [§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG]).670 Da den Pensionsrückstellungen jedoch in jedem Veranlagungszeitraum Mittel in Höhe einer 6%-igen Verzinsung des bereits akkumulierten Vorsorgekapitals zugeführt werden können (§ 6a Abs. 3 Satz 3 i.V. m. Satz 2 Nr. 1 u. 2 EStG), bleibt der Zins- und Zinsesanteil der Versorgungsleistung in dieser Höhe steuerlich unbelastet. Dennoch ginge eine Erhöhung des in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG mit 6% normierten Rechnungszinsfußes nicht zwangsläufig mit einer Vergrößerung des Belastungsvorteils aus einer Pensionszusage einher. Zwar würde die Verzinsung ansteigen, die auf der Ebene des Vorsorgeträgers (Arbeitgeber) steuerfrei verbliebe. Der Vorteil hieraus würde jedoch dadurch überkompensiert, dass die eingegangene Versorgungsverpflichtung stärker abzudiskontieren und infolgedessen das Vorsorgekapital zu reduzieren wäre. Bliebe die Höhe der Pensionsrückstellung allerdings unverändert – z. B. weil die Pensionszusage entsprechend erhöht wurde –, profitierten die Arbeitsvertragsparteien von einem höheren Rechnungszinssatz. Denn er bestimmt das Ausmaß, in dem der Arbeitgeber Kapitaleinkommen steuerlich unbelastet vereinnahmen kann.671

Versorgungsleistungen Beim Arbeitgeber erfolgt die Erbringung der Versorgungsleistungen erfolgsneutral. Der gewinnmindernden Auszahlung steht die ergebniserhöhende Auflösung der Pensionsrückstellung gegenüber. Bei rückgedeckten Direktzusagen sind die Versicherungsleistungen Betriebseinnahmen, die durch den korrespondierenden Aufwand aus der sukzessiven Auflösung des bilanzierten Versicherungsanspruchs neutralisiert werden.672 Beim Versornungszinssatzes von 3,25% zu berechnen (vgl. FAZ v. 27.06.2000, S. 27), während für Pensionsrückstellungen ein Zinsfuß von 6% gilt, § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG. 670 Dies gilt nicht für Tätigkeiten des Öffentlichen Dienstes, solange kein Betrieb gewerblicher Art begründet wird, vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V. m. 4 KStG. 671 Vgl. dazu E. Wenger, Erfolglose Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer (FN 186), in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen vs. Konsum, S. 37 (45 [FN 22]).

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gungsberechtigten unterliegen die Versorgungsleistungen als nachträgliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Einkommensteuer (Versorgungsbezüge), §§ 2 Abs. 1 Nr. 4; 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. b) Kapitaleinkommen Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich auf eine bestimmte Höhe des Arbeitsentgelts geeinigt, besteht ob der Art und Weise, in der die Vergütung geleistet wird, regelmäßig kein Interessengegensatz. Will der Arbeitnehmer mit Ersparnissen für die Zukunft vorsorgen, verbleibt ihm nach dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer hierfür nur sein Nettolohn. Zudem mehren sich seine Ersparnisse lediglich zum Nach-Steuer-Zinssatz.673 Verzichtet der Arbeitnehmer hingegen auf die gegenwärtige Auszahlung eines Teils der vereinbarten Vergütung und verpflichtet sich der Arbeitgeber im Gegenzug zur Erbringung von Versorgungsleistungen, kann der betreffende Betrag dem betriebsintern organisierten Vorsorgekapital zugeführt werden (Pensionsrückstellung), ohne zuvor durch Ertragsteuern gemindert worden zu sein. Infolgedessen steht ein größeres Vorsorgekapital zur Erwirtschaftung von Kapitalerträgen zur Verfügung. Zudem akkumuliert sich das Vorsorgekapital im Unternehmen zum Bruttozinssatz. Deshalb verfügt der Arbeitnehmer trotz der Besteuerung der Versorgungsleistungen über ein höheres Versorgungsniveau als bei traditioneller Besteuerung. Der spätere Steuerzugriff befreit das Kapitaleinkommen, das mit den Vorsorgebeiträgen erwirtschaftet wird, in Höhe der marktüblichen Verzinsung implizit von der Besteuerung, vgl. oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., Seiten 64 ff. 2. Unterstützungskasse Bei der betrieblichen Altersversorgung via Unterstützungskasse leistet der Arbeitgeber Zuwendungen an eine Versorgungseinrichtung, die als rechtlich selbständige Körperschaft674 von einem oder mehreren Unternehmen getragen wird und bei Eintritt des Versorgungsfalls die versprochenen Leistun672 Vgl. H.-P. Reuter, Die Lebensversicherung im Steuerrecht, 9. Aufl. 1997, Rz. 468. 673 Dies gilt nicht bei Kapitaleinkünften in Höhe des sog. Sparerfreibetrags bzw. dem Abschluss von steuerbegünstigten Kapitallebensversicherungen. Allerdings durchbrechen § 20 Abs. 4 EStG (Sparerfreibetrag) und § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG (Steuerbefreiung der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus Kapitallebensversicherungen i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG) ihrerseits das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer, vgl. dazu unten Kapitel 6 Abschn. A., S. 185 ff. 674 Unterstützungskassen sind zumeist in der Rechtsform einer GmbH oder eines eingetragenen Vereins organisiert, vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG (FN 654), S. 1324, Rz. 7.

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gen erbringt.675 Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG gewähren Unterstützungskassen auf ihre Leistungen keinen Rechtsanspruch. Gleichwohl gelten seit dem BAG-Urteil vom 10. März 1972676 auch für Leistungsanwartschaften gegenüber Unterstützungskassen die Unverfallbarkeitsvorschriften des BetrAVG. Zudem sind die Versorgungsberechtigten im Insolvenzfall gegenüber dem Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) anspruchsberechtigt.677 Hanau/Arteaga678 bezeichnen den angeblich fehlenden Rechtsanspruch deshalb als „klassisches juristisches Paradoxon“. a) Vorsorgebeiträge, Vorsorgeträger, Versorgungsleistungen § 4d EStG lässt Zuwendungen des Arbeitgebers an Unterstützungskassen zum Abzug von der einkommen- bzw. körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu.679 Zuwendungen in diesem Sinne sind Leistungen des Arbeitgebers, die eine einseitige Vermögensverlagerung im Interesse der Versorgung der Begünstigten darstellen.680 Vorbehaltlich der Beschränkungen durch § 4d EStG kann der Arbeitgeber selbst bestimmen, wann er der Unterstützungskasse das Vorsorgekapital zuwendet (Freiheit der Unterstützungskassenfinanzierung). Eine Zuwendungsverpflichtung entsteht nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Trägerunternehmen und Unterstützungskasse regelmäßig erst mit dem Eintritt des Versorgungsfalls.681 Dem trägt § 4d EStG Rechnung, indem er den Betriebsausgabenabzug von Zuwendungen an Unterstützungskassen beim Arbeitgeber in zweifacher Weise begrenzt. Zum einen dürfen die jährlichen Zuwendungen für lebenslänglich laufende Leistungen nicht die in § 4d Abs. 1 Nr. 1 lit. a–d EStG kodifizierten Grenzen überschreiten. Zum anderen sind Zuwendungen gemäß § 4d Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abzugsfähig, wenn das Vermögen der Unter675 Vgl. zum Modell der Unterstützungskasse Harle/Weingarten, Die Unterstützungskasse, BB 2001, 2501 f. sowie dies., Die pauschaldotierte Unterstützungskasse, DB 2001, 2357 f. 676 BAG v. 10.03.1973 – 3 AZR 278/71 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB (Ruhegehalt). 677 Die Unterstützungskasse unterliegt wegen des Wortlauts des § 1 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG allerdings nicht der Versicherungsaufsicht, vgl. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung (FN 652), Rz. 6 ff. (13). Dies ist insoweit von Bedeutung, als dass weder das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen den Arbeitgeber dazu anhalten kann, der Unterstützungskasse Mittel in ausreichender Höhe zuzuführen, noch Restriktionen in Bezug auf die Vermögensanlagepolitik der Unterstützungskasse bestehen, vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 3. Teil Rz. 260. 678 Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung (FN 652), E Rz. 13. 679 Vgl. allg. zur Besteuerung von Unterstützungskassen A. Buttler, Steuerliche Behandlung von Unterstützungskassen, 3. Aufl. 2000. 680 Vgl. BFH v. 25.10.1975 GrS 6/71, BStBl II 1973, 79 (81). 681 Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG (FN 654), S. 1379, Rz. 167.

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stützungskasse das in § 4d Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG normierte zulässige Kassenvermögen übersteigt. Im Ergebnis kann den Unterstützungskassen das Deckungskapital für die laufenden Leistungen zuzüglich eines Betrags in Höhe von zwei durchschnittlichen Jahresrenten pro Leistungsanwärter mit steuerlicher Wirkung zugewendet werden. Damit ist die Abzugsfähigkeit der Zuwendungen dergestalt beschränkt, dass das Versorgungskapital steuermindernd erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aufgebaut werden kann (Rentendeckungsverfahren).682 Insbesondere folgt auch aus der erweiterten Zuwendungsmöglichkeit nach § 4d Abs. 1 Nr. 1 lit. b EStG keine Anwartschaftsdeckung. Sie ermöglicht lediglich ein Reservepolster (partielle Anwartschaftsfinanzierung).683 Wegen des – wenn auch nur formal684 – fehlenden Rechtsanspruchs des Arbeitnehmers auf Versorgungsleistungen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG) gelten die Zuwendungen des Arbeitgebers an die Unterstützungskasse beim Arbeitnehmer nicht als zugeflossen i. S. v. §§ 8 Abs. 1; 11 Abs. 1 EStG.685

682

Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG (FN 654), S. 1385, Rz. 184. Vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG (FN 654), S. 1385, Rz. 184; Ahrend/Förster/ Rößler, StR BetrAV (FN 653), 3. Teil Rz. 40; Spengel/Schmidt, Betriebliche Altersversorgung, Besteuerung und Kapitalmarkt, ZEW-Schriftenreihe Bd. 15, 1997, S. 112 f. 684 Krit. dazu Anmerkung und Literatur in FN 652. 685 Vgl. BFH v. 5.11.1992 I R 61/89, BStBl II 1992, 1985; v. 27.5.1993 VI R 19/92, BStBl II 1994, 246 (247); Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 3. Teil Rz. 248; Blomeyer/Otto, BetrAVG (FN 654), S. 1577, Rz. 31 f. Die Verneinung des Zuflusses steht im Widerspruch zu § 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 LStDV, wonach Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers auch dann Arbeitslohn sind, wenn kein Rechtsanspruch auf die Versorgungsleistungen besteht. Allerdings erachtet der BFH (Urt. v. 27.05.1993 VI R 19/92, BStBl II 1994, 246 [248]; vgl. auch W. Drenseck, in L. Schmidt, EStG21 [FN 141], § 19 Rz. 50 [„Zukunftssicherungsleistungen“]; G. Heuer in H/H/R [FN 58], § 19 EStG Anm. 236; C. Trzaskalik, in Kirchhof/Söhn [FN 112], § 11 EStG Rn. B 103) § 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 LStDV als nichtig. Die Vorschrift stehe im Widerspruch zu § 19 EStG und weise deshalb gesetzesändernden Charakter auf, der von der Kompetenzvorschrift des Art. 80 GG nicht gedeckt sei. Zwar komme es nach § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht darauf an, ob auf die geleisteten Bezüge ein Rechtsanspruch bestehe oder nicht. Daraus folge aber lediglich, dass der Arbeitslohnbegriff auch freiwillige Zuwendungen umfasse. Der Zufluss von Arbeitslohn bei Leistungen, zu denen sich der Arbeitgeber gegenüber Dritten (Unterstützungskasse) verpflichte, erfordere die Realisierung beim Arbeitnehmer, die erst mit der Vereinnahmung der Versorgungsleistungen anzunehmen sei, vgl. dazu auch W. Drenseck, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 11d Rz. 30 [„Zukunftssicherungsleistungen“]; S. Seeger, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 4d Rz. 5. 683

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Rückdeckungsversicherung Eine über das Rentendeckungsverfahren hinausgehende Dotierung lässt sich bei der betrieblichen Altersversorgung via Unterstützungskasse erzielen, indem eine Rückdeckungsversicherung auf das Leben der Versorgungsberechtigten abgeschlossen wird (kongruent rückgedeckte Unterstützungskasse). Gemäß § 4d Abs. 1 Nr. 1 lit. c EStG kann das Trägerunternehmen die Erstattung der Beiträge, die die Unterstützungskasse an die Versicherungsgesellschaft zu entrichten hat, als Betriebsausgaben abziehen und die Regelzuwendungen dadurch erheblich ausweiten (Anwartschaftsdeckung).686 Insbesondere gelten auch die Zuwendungen an eine kongruent rückgedeckte Unterstützungskasse beim Versorgungsberechtigten nicht als zugeflossener Arbeitslohn.687 Das Versicherungsunternehmen wiederum ist gemäß §§ 21a; 8 Abs. 1 u. 2 KStG; 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V. m. § 341f HGB688 befugt, Deckungsrückstellungen zu bilden. Hierdurch wird eine steuerfreie Akkumulierung der Vorsorgekapitalerträge ermöglicht, vgl. dazu unten Abschn. 3.a) auf den Seiten 180 ff. Vorsorgeträger Unterstützungskassen sind regelmäßig in der Rechtsform des eingetragenen Vereins, der GmbH oder Stiftung organisiert. Sie unterliegen infolgedessen der Körperschaftsteuer, § 1 Abs. 1 Nr. 1–5 KStG. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG sind sie jedoch von der Körperschaftsteuer befreit, vgl. auch §§ 1–3 KStDV. Gleiches gilt für die Gewerbesteuer, § 3 Nr. 9 GewStG. Die Steuerfreiheit der Unterstützungskasse ist an die Voraussetzung gebunden, dass ihr tatsächliches Vermögen das zulässige Kassenvermögen i. S. v. § 4d EStG um nicht mehr als 25% übersteigt, § 5 Abs. 1 Nr. 3 lit. e KStG.689 Anderenfalls wird der Vorsorgeträger insoweit körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig (partielle Steuerpflicht überdotierter Unterstützungskassen, § 6 Abs. 5 KStG).690 Die Körperschaftsteuerbefreiung umfasst nicht die Einkünfte, von denen ein Steuerabzug vorzunehmen ist, § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG. Die Unterstützungskasse ist mit diesen Einkünften, zu denen insbesondere Dividenden gehören, beschränkt steuerpflichtig, § 2 Nr. 2 KStG. Die Steuerschuld gilt zwar mit dem Abzug der Kapitaler-

686

Vgl. Spengel/Schmidt, Betriebliche Altersversorgung (FN 683), S. 113 f. Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 3. Teil Rz. 248. 688 Vgl. dazu auch § 25 der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) v. 08.11.1994, BGBl. I S. 3379. 689 Vgl. detailliert zu den Voraussetzungen der Steuerbefreiung Ahrend/Förster/ Rößler, Betriebliche Unterstützungskassen, 6. Aufl. 1990, S. 20 f. 690 Vgl. dazu Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 3. Teil Rz. 333 ff. 687

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tragsteuer als abgegolten, § 32 Abs. 1 Nr. 1 KStG.691 Da die einbehaltene Kapitalertragsteuer dem steuerbefreiten Körperschaftsteuersubjekt jedoch nur zur Hälfte erstattet wird (§ 44c Abs. 2 Nr. 2 EStG), verbleibt eine 10%-ige Definitivbelastung von Dividenden.692 Zinseinkünfte von steuerbefreiten Unterstützungskassen hingegen nimmt § 44a Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 EStG vom Kapitalertragsteuerabzug aus.693

Versorgungsleistungen Versorgungsleistungen der Unterstützungskasse gelten beim Versorgungsberechtigten – ebenso wie Leistungen aus einer Direktzusage694 – als nachträglicher Arbeitslohn695 (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), vgl. dazu oben Abschn. 1.a) a. E., Seite 174. b) Kapitaleinkommen Wird die betriebliche Altersvorsorge im Rahmen einer Unterstützungskasse organisiert, ist die steuerliche Geltendmachung von Vorsorgeaufwand in der Anwartschaftsphase grundsätzlich unzulässig (Rentendeckungsverfahren). Kapitaleinkommen wird infolgedessen nur im Rahmen der partiellen Anwartschaftsfinanzierung des § 4d Abs. 1 Nr. 1 lit. b EStG implizit von der Besteuerung befreit. Eine Ausnahme vom Rentendeckungsverfahren gilt allerdings bei rückgedeckten Unterstützungskassen (Anwartschaftsdekkung). Hier resultiert aus dem Zusammenspiel der Besteuerung der Unterstützungskasse (Körperschaftsteuerbefreiung) und des Versicherers (Deckungsrückstellungen) sowie des Nichtzuflusses von Arbeitslohn ein Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen. Kapitaleinkommen sowohl aus der Anwartschaftsphase als auch aus der Versorgungsphase wird implizit von der Besteuerung befreit, vgl. oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., Seiten 64 ff. 3. Direktversicherung Bei der Direktversicherung schließt der Arbeitgeber eine Lebensversicherung zugunsten des bezugsberechtigten Arbeitnehmers ab. Er verpflichtet sich gegenüber dem Versicherer, Beiträge zum Aufbau des Vorsorgekapitals zu entrichten (Deckungsverhältnis). Diese Verpflichtung wird zugleich 691 Vormals § 50 Abs. 1 Nr. 1 KStG (bis Veranlagungszeitraum 2000 bei mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr, vgl. § 32 Abs.1 u. 1a KStG). 692 Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 3. Teil Rz. 319. 693 Vgl. H. Webber-Grellet in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 44a Rz. 11. 694 Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 3. Teil Rz. 249. 695 Vgl. nur BFH v. 28.3.1958 VI 233/56 S, BStBl III 1958, 268.

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

durch die Aufnahme des Arbeitnehmers in den Direktversicherungsvertrag begründet (Valutaverhältnis). Die Leistungen werden allein zwischen Versicherer und Versorgungsberechtigtem abgewickelt (Vollzugsverhältnis).696 a) Vorsorgebeiträge, Vorsorgeträger, Versorgungsleistungen Die Vorsorgebeiträge, die der Arbeitgeber im Rahmen des Versicherungsvertrages leistet, sind betrieblich veranlasst (Personalaufwand, § 275 Abs. 2 Nr. 6 lit. b HGB). Sie mindern die einkommen- bzw. körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage (Betriebsausgaben, § 4 Abs. 4 EStG). § 4b Satz 1 EStG normiert für den Versicherungsanspruch ein Aktivierungsverbot des Arbeitgebers, soweit der Arbeitnehmer bezugsberechtigt ist.697 Gleichzeitig unterliegen die Beiträge, die der Arbeitgeber an das Lebensversicherungsunternehmen entrichtet, beim Arbeitnehmer der Lohn- bzw. Einkommensteuer. Als sog. Zukunftssicherungsleistungen gehören sie zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 3 LStDV. Da dem Arbeitnehmer ein unmittelbarer Rechtsanspruch gegen die Versicherungsgesellschaft zustehe, soll die Direktversicherung wirtschaftlich einer eigenständigen Alterssicherung entsprechen (Abkürzung des Zahlungswegs).698 Die Versicherungsprämien können allerdings bis zu 1.200 Euro pauschal mit 20% lohnversteuert werden, § 40 Abs. 3 Satz 3 EStG.699 696 Vgl. dazu Westermann, in Erman (Hrsg.), BGB, 9. Aufl. 1993, vor § 328 Rz. 5 f. 697 Die Vorschrift ist bei einem unwiderruflichem Bezugsrecht des Arbeitnehmers nur deklaratorischer Natur, da es sich bei dem Versicherungsanspruch dann nicht um ein Wirtschaftsgut des Arbeitgebers handelt, vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 4. Teil Rz. 43. 698 Vgl. R. Schmitz, Besteuerung wiederkehrender Bezüge, 1999, S. 113; Blomeyer/Otto, BetrAVG (FN 654), S. 157, Rz. 4. 699 Auf diesen Betrag sind auch keine Sozialversicherungsabgaben zu entrichten, vgl. Hanau/Arteaga Gehaltsumwandlung (FN 652), C Rz. 429 ff. (431). Bemessungsgrundlage der Sozialversicherungsabgaben ist das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV), das grundsätzlich auch Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers umfasst. Allerdings ermächtigt § 17 SGB IV die Bundesregierung, „einmalige Einnahmen . . . oder laufende Zulagen oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen“. Gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 SGG IV ist hierbei eine „weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen“. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung in § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung – Arbeitsentgeltverordnung (ArEV), BGBl. I 1984, S. 1842 (1844) Gebrauch gemacht und bestimmt, dass „Beiträge und Zuwendungen nach § 40b EStG, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden“, dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen sind, „soweit der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz erhebt“.

C. Betriebliche Altersversorgung

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Auf Ebene des Versicherers bleiben die Vorsorgekapitalerträge, die dem Versicherungsnehmer gutgeschrieben werden, steuerlich unbelastet. Zwar sind die Vorsorgekapitalerträge im Jahresabschluss auszuweisen und die erworbenen Wirtschaftsgüter sogar mit zeitnahen Werten zu aktivieren, § 341d HGB.700 Zugleich können jedoch die korrespondierenden701 Ansprüche bzw. Anwartschaften der Versicherungsnehmer den Deckungsrückstellungen zugeführt werden702, §§ 21a; 8 Abs. 1 u. 2 KStG i.V. m. §§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; 341f HGB. Die auf den Vorsorgekapitalerträgen lastende Kapitalertragsteuer ist auf die Körperschaftsteuer des Versicherers anrechenbar, §§ 31 Abs. 1 KStG i.V. m. 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Gemäß § 65 VAG sind für laufende Versicherungsverträge Deckungsrückstellungen zu bilden, deren Höhe sich nach § 5 DeckRV703 bestimmt. Versicherungsmathematisch berechnet sie sich aus der Differenz zwischen der Summe der Barwerte aller künftigen Verpflichtungen und der Summe der Barwerte aller künftig noch eingehenden Nettobeiträge (Zuwendungen abzüglich Verwaltungskostenanteil).704 Die Zuwendungen werden in der Weise eingefordert, dass das Deckungskapital für das einzelne Mitglied bei Erreichen der Altersgrenze dem Kapital entspricht, das zur Finanzierung seiner Altersrente versicherungsmathematisch erforderlich ist.705

Fließt dem Arbeitnehmer die Versicherungsleistung in Form einer Einmalzahlung zu, ist ihr Kapitalanteil nicht einkommensteuerbar. Er wurde vom Versorgungsberechtigten bereits als Einkommen versteuert. Bei den rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen handelt es sich zwar um Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ist der Zinsanteil der Versicherungsleistung jedoch einkommensteuerbefreit, wenn der Versicherungsvertrag die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG erfüllt. Dies ist bei Kapitallebensversicherungen, die im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossen werden, regelmäßig der Fall (insbesondere Mindestvertragsdauer von 12 Jahren, § 10 Abs. 1 Nr. 2b lit. bb EStG). Werden die Versicherungsleistungen als Leib-

700 Die nicht realisierten Gewinne aus Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Inhabern von Lebensversicherungspolicen sind gemäß § 39 RechVersV (FN 688) in der GuV-Rechnung als „Nicht realisierte Gewinne aus Kapitalanlagen“ auszuweisen. 701 Vgl. dazu H. Schröer, in Ensthaler, Gemeinschaftskommentar zum HGB, 6. Aufl. 1999, § 341d Rz. 4. 702 Vgl. zur zugrundeliegenden EG-Versicherungsbilanzrichtlinie Ellenbürger/ Kölschbach, Ausgewählte Fragen zur VersBiRiLi, Wpg 1992, 221 (224). 703 Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellung (Deckungsrückstellungsverordnung – DeckRV) v. 6.5.1996, BGBl. I 1996, 670. 704 Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 5. Teil Rz. 47. Sind neben Altersrenten auch Invaliden- und Hinterbliebenenrenten vor Altersbeginn vorgesehen, teilen sich die Nettobeiträge zudem in einen Spar- und einen Risikoanteil auf. 705 Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 5. Teil Rz. 48.

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Kap. 5: Allgemeine Verbrauchsteuer und Altersvorsorge

rente ausgezahlt, unterliegen sie als wiederkehrende Bezüge mit ihrem Ertragsanteil der Einkommensteuer, § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG. b) Kapitaleinkommen Die Vorsorgekapitalerträge, die im Rahmen einer Direktversicherung in der Anwartschaftsphase erwirtschaftet werden, bleiben steuerfrei. Dies ergibt sich aus der Einkünfteermittlung des Versicherers (Deckungsrückstellungen), dem Befreiungstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG sowie der Ertragsanteilsbesteuerung von Leibrenten gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG, die lediglich die auf die Versorgungsphase entfallenden Erträge erfasst706, vgl. dazu oben Abschn. B.II.3., Seiten 164 f. 4. Pensionskasse, Pensionsfonds Eine Pensionskasse ist eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung707, die von einem oder mehreren Unternehmen getragen wird und dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen einen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen einräumt, § 1 Abs. 3 BetrAVG.708 Sie übernimmt das Versorgungsrisiko und betreibt infolgedessen ein Versicherungsgeschäft. Als Rechtsträger kommen lediglich Versicherungsaktiengesellschaften oder Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG) in Betracht. Ein Pensionsfonds ist ebenfalls eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die dem Arbeitnehmer, zu dessen Gunsten ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und Pensionsfonds abgeschlossen wird (Pensionsplan), einen Rechtsanspruch auf Versorgungsleistungen vermittelt.709 Die Pensionspläne können sowohl leistungsbezogen (defined benefit) als auch beitragsbezogen (defined contribution) ausgestaltet werden.710 Da auch beitragsbezogene Pensionspläne eine Mindestleistung garantieren, unterliegen Pensionsfonds ebenfalls der Versicherungsaufsicht. Von Pensionskassen unterscheiden sie sich durch den – außersteuerlichen – Gesichtspunkt, dass sie in der Anlage des Vorsorgekapitals weniger beschränkt sind.711

706 Vgl. auch R. Seer, Alterseinkünfte und Gleichbehandlungsgebot (FN 28), StuW 1996, 323 (330). 707 § 18 BetrAVG stellt die nichtrechtsfähigen Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes den Pensionskassen gleich. 708 Vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 5. Teil Rz. 8. 709 Vgl. Förster/Rühmann/Recktenwald, Auswirkungen des Altersvermögensgesetzes auf die betriebliche Altersversorgung, BB 2001, 1406 (1409). 710 Vgl. dazu oben Abschn. I., S. 168 f.

C. Betriebliche Altersversorgung

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a) Vorsorgebeiträge, Vorsorgeträger, Versorgungsleistungen Zuwendungen an Pensionskassen und Pensionsfonds sind im Rahmen der §§ 4c; 4e EStG als Betriebsausgaben abzugsfähig (Personalaufwand, § 275 Abs. 2 Nr. 6b HGB). Sie sind so zu bemessen, dass die Versorgungseinrichtungen bei Eintritt des Versorgungsfalls die zugesagten Leistungen erbringen können (Anwartschaftsdeckungsverfahren). Das Vorsorgekapital ist planmäßig in der aktiven Zeit des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers anzusammeln. Es muss dem Barwert der übernommenen Versorgungsverpflichtung entsprechen, der sich unter Berücksichtigung zukünftiger Zinserträge berechnet.712 Der Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Versorgungsleistungen hat zur Folge, dass ihm in der Anwartschaftsphase Arbeitslohn i. S. d. § 11 Abs. 1 EStG zufließt (Zukunftssicherungsleistungen, § 2 Abs. 2 Nr. 3 LStDV).713 Wie Direktversicherungsprämien können jedoch zumindest Zuwendungen an Pensionskassen bis zu 1.200 Euro pauschal mit 20% lohnversteuert werden, § 40b Abs. 1 Satz 1; 40 Abs. 3 Satz 3 EStG.714 Die Versorgungsleistungen unterliegen als wiederkehrende Bezüge mit ihrem Ertragsanteil der Einkommensteuer, § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG. Die Pensionskasse ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Insoweit sei auf die Ausführungen zur Unterstützungskasse oben in Abschn. 2.a), Seiten 176 ff. verwiesen. Pensionsfonds unterliegen hingegen der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Soweit das Vorsorgekapital in Aktien angelegt ist, folgt eine „faktische“715 Steuerbefreiung allerdings aus § 8b KStG, wonach Dividenden und Einkünfte aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen bei der Besteuerung außer Ansatz bleiben. Zudem sind Beitragsrückerstattungen abzugsfähig, § 21 KStG. Schließlich werden Pensionsfonds handelsbilanziell wie Versicherungsunternehmen behandelt. Wertzuwächse im Vorsorgekapital erhöhen die Deckungsrückstellungen.716 711 Vgl. K. Heubeck, Pensionsfonds – Grenzen und Möglichkeiten, DB 2001, Beilage Nr. 5, S. 2(4); Höfer/Friedrich, Pensionsfonds sind die modernste Form der Altersversorgung, FAZ v. 27.05.2002, S. 32. 712 Der Barwert einer Versorgungsverpflichtung zu einem bestimmten Zeitpunkt ist das Kapital, das man zu diesem Zeitpunkt verzinslich anlegen müsste, um alle nach dem Gesetz der großen Zahl in Zukunft fälligen Zahlungen für den Berechtigten leisten zu können, vgl. Ahrend/Förster/Rößler, StR BetrAV (FN 653), 5. Teil Rz. 39 ff. 713 Vgl. nur W. Heinicke, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 11 Rz. 30 [„Zukunftssicherungsleistungen“]. 714 Zur Sozialversicherungsabgabenfreiheit vgl. FN 699. 715 Förster/Rühmann/Recktenwald, AVmG und betriebliche Altersversorgung (FN 709), BB 2001, 1406 (1409).

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

b) § 3 Nr. 63 EStG § 3 Nr. 63 EStG befreit Arbeitgeberbeiträge an Pensionskassen oder Pensionsfonds beim Arbeitnehmer von der Einkommensteuer, und zwar in Höhe von bis zu 4% der rentenrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze.717 Korrespondierend wird das Vorsorgekapital nachversteuert, indem sämtliche Versorgungsleistungen aus Pensionskassen und Pensionsfonds gem. § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG der Einkommensteuer unterliegen.718 c) Kapitaleinkommen Soweit die Vorsorgebeiträge nicht einkommensteuerpflichtig sind (§ 3 Nr. 63 EStG), befreit der hierdurch gewährte Besteuerungsaufschub die Vorsorgekapitalerträge implizit von der Besteuerung, vgl. oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., Seiten 64 ff. Im Übrigen wird das auf die Anwartschaftsphase entfallende Kapitaleinkommen ebenso wenig belastet wie bei Direktversicherungen. Die Pensionskasse ist von der Körperschaftsteuer befreit, was faktisch auch für den Pensionsfonds gilt. Zudem unterliegen die Versorgungsleistungen der Ertragsanteilsbesteuerung des § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG. Diese erfasst nur die Rendite aus der Versorgungsphase, vgl. oben Abschn. B.II.3., Seiten 164 f. Kapitel 6

Private Zukunftsvorsorge Das Belastungsideal der nachgelagerten Besteuerung dominiert nicht nur die staatliche und betriebliche Alterssicherung.719 Es ist, wie dieses Kapitel zeigt, auch im Rahmen der privaten Zukunftsvorsorge weit verbreitet. So werden private Zinseinkünfte derzeit nur lückenhaft erfasst, teilweise aufgrund ausdrücklicher Einkommensteuerbefreiungen (z. B. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG), teilweise infolge struktureller Erhebungsdefizite (z. B. § 30a AO). Erlangte der Referentenentwurf zum Zinsabgeltungssteuergesetz (ZinsAbG720) Gesetzeskraft, würden Zinsen abgeltend mit 25% besteuert. Sie 716

Vgl. dazu oben 3.a), S. 181. Jedenfalls bis 2008 ist die Einkommensteuerbefreiung der Vorsorgebeiträge von ihrer Sozialversicherungsabgabenfreiheit flankiert, § 2 Abs. 2 Nr. 5 Arbeitsentgeltverordnung. 718 Vgl. M. Myßen, Die neuen steuerlichen Rahmenbedingungen für die Pensionskassen, BetrAV 2002, 128 (132). 719 Vgl. dazu oben Kapitel 5 Abschn. B. und C., S. 159 ff. und 168 ff. 720 Vgl. FN 1. 717

A. Lückenhafte Erfassung privater Zinseinkünfte

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wären lediglich mit 60% des ab 2005 42%-igen Einkommensteuerspitzensatzes belastet. Weniger offensichtlich ist, dass die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte (Einkünftedualismus) Kapitaleinkommen ebenfalls von der Besteuerung befreit (Kompensation der verwehrten Sofortabschreibung). Anders als ursprünglich vorgesehen, hat das Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG721) den Einkünftedualismus bestehen lassen, die geplante private Veräußerungsgewinnbesteuerung ist dem Vermittlungsverfahren zum Opfer gefallen. Zudem entspricht die Konsumgutlösung für selbstgenutztes Wohneigentum dem Belastungsideal der nachgelagerten Besteuerung (prepayment-Ansatz). Tatbestandlichen Ausdruck hat das nachgelagerte Korrespondenzprinzip bei der abgabenrechtlichen Behandlung der sog. Riester-Rente gefunden, weshalb die §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG besondere Beachtung verdienen, vgl. dazu unten Abschn. D. auf den Seiten 195 ff.

A. Lückenhafte Erfassung privater Zinseinkünfte § 20 Abs. 1 Nr. 5–7 EStG erfasst Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Insoweit belastet das EStG Einkommen traditionell. In der Besteuerungswirklichkeit bleiben Zinseinkünfte allerdings häufig unbesteuert, womit dem Leitbild des nachgelagerten Korrespondenzprinzips entsprochen wird. I. Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) Gemäß § 20 Abs. 4 EStG sind bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen 1.500 Euro abzuziehen (Sparerfreibetrag). In Höhe dieses Betrages bleiben Kapitaleinkünfte auch bei steuerehrlichen Steuerpflichtigen unbelastet. Würde der Sparerfreibetrag nur von einem Viertel der Steuerpflichtigen ausgeschöpft, blieben deklarierte Kapitaleinkünfte in Höhe von 30 Mrd. Euro722 unbesteuert.723

721

Vgl. FN 1. 20 Mio. Einkommensteuerpflichtige [= 1/4 * 80 Mio. Einwohner] * 1.500 Euro = 30 Mrd. Euro. 723 Dies gilt selbstverständlich unabhängig von dem Ziel, das der Gesetzgeber mit der Einführung des Sparerfreibetrags durch das Zinsabschlagsgesetz v. 09.11.1992 (BGBl. I S. 1853) verfolgte. Dass er sich zur Lösung des Problems der Scheingewinnbesteuerung nicht eignet, liegt angesichts seiner absoluten Höhe sowie der ungleichen Finanzvermögensverteilung ohnehin auf der Hand. 722

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

II. Zinsen aus Kapitallebensversicherungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG) § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i.V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b EStG befreit Zinsen von der Einkommensteuer, die im Rahmen von Risikoversicherungen für den Todesfall, Rentenversicherungen und Kapitallebensversicherungen mit einer mindestens 12-jährigen Laufzeit erwirtschaftet und mit Beiträgen verrechnet oder erst im Versicherungsfall bzw. nach Ablauf von mindestens 12 Jahren seit Vertragsschluss ausgezahlt werden.724 Diese Regelung durchbricht das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer ebenfalls. Kapitaleinkommen, das im Rahmen von Lebensversicherungsverträgen erwirtschaftet wird, bleibt unversteuert. Das sog. Lebensversicherungsprivileg existiert seit über 100 Jahren725, weshalb diese Form der privaten Zukunftsvorsorge weite Verbreitung gefunden hat. Ein dementsprechend bedeutendes Ausmaß an Zinsen bleibt jährlich gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG unbelastet. Erträge, die mit dem angesparten Vorsorgekapital im Rahmen von Rentenversicherungen oder verrenteten Kapitallebensversicherungen während der Versorgungsphase erwirtschaftet werden, unterliegen hingegen der Einkommensteuer, nämlich der Ertragsanteilsbesteuerung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG, vgl. dazu oben Kapitel 5 Abschn. B.II.3., Seiten 164 f. III. Strukturelle Vollzugshindernisse (§ 30a AO; ausländische Kapitalanlagen) Das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer wird nicht nur durch einkommensteuergesetzliche Ausnahmevorschriften unterlaufen, sondern auch durch erfolgreiche Steuerhinterziehungsbemühungen. Naturgemäß sind diese schwer quantifizierbar. Ihre Erheblichkeit hat das BVerfG aber veranlasst, in seinem Zinssteuer-Urteil vom 27. Juni 1991726 die Bedeutung der Rechtsanwendungsgleichheit zu betonen. Erst die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip gewährleiste Gleichheitseffizienz. Anderenfalls sei nicht sichergestellt, dass „die Steuerpflichti724 Vgl. zu den Voraussetzungen der Steuerbefreiung im Einzelnen W. Hennicke, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 20 Rz. 151 ff. sowie § 10 Rz. 75 [„Lebensversicherung“]. 725 Vgl. zur Historie der Einkommensteuerbefreiung von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen, die auf das Preußische Einkommensteuergesetz von 1891 (G. S. 1891, S. 175) zurückgeht, und insbesondere Eingang in das EStG 1920 gefunden hat (§ 12 Nr. 2 EStG 1920, RGBl. 1920, S. 359), C. Treisch, Die private Rentenversicherung im Einkommensteuerrecht, StuW 1995, 28 (35 f.). 726 BVerfG v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 ff.

A. Lückenhafte Erfassung privater Zinseinkünfte

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gen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden“727. Allerdings bestehen nach wie vor strukturelle Vollzugshindernisse, die die „rechtliche Misere der Zinsbesteuerung“728 begründen. Neben den Schwierigkeiten beim grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden (ausländische Kapitalanlagen729) zählen hierzu insbesondere die Auswirkungen von § 30a AO730 (sog. Bankgeheimnis). Zwar hat der BFH731 die Schwelle der Unzulässigkeit von „Ermittlungen ins Blaue hinein“ inzwischen angehoben. Dennoch schränkt § 30a AO das Verifikationsprinzip weiterhin ein.732 Dies lässt sich schon daraus ableiten, dass der Referentenentwurf zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG-E) die ersatzlose Streichung von § 30a AO vorsah sowie die Kreditund Finanzdienstleistungsinstitute dazu verpflichten wollte, die „für die nach Besteuerung nach § 20 erforderlichen Angaben“ zu bescheinigen (§ 24b EStG-E StVergAbG-E). Beide Maßnahmen, die zu einer besseren Erfassung von Kapitalerträgen hätten beitragen können, haben keine Gesetzeskraft erlangt. Soweit die infolgedessen weiterhin bestehenden Ermittlungsdefizite die Schwelle zur strafbewehrten Nichtdeklaration von Kapitaleinkünften herabsetzen, werden unehrliche Steuerpflichtige im Ergebnis nachgelagert belastet. In welchem Ausmaß Kapitaleinkünfte nicht deklariert werden, zeigt folgende überschlägige Rechnung. Nach dem Monatsbericht Juni 2000 der Deutschen Bundesbank verfügten die Privathaushalte in 1995 über ein Geldvermögen von 4.650 Mrd. DM (1999: 6.150 Mrd. DM). Bei einem Zinssatz von z. B. 4% resultierten hieraus Kapitaleinkünfte in Höhe von 186 Mrd. DM. Die Einkommensteuerstatistik weist für 1995 jedoch lediglich 44 Mrd. DM Einnahmen aus Kapitalvermögen aus.733 Auf den Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) könnte diese Diskrepanz nur zurückgeführt werden, wenn 76%734 der einkommensteuerpflichtigen Kapitalein727 BVerfG v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (273). Wortgleich BVerfG v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (134). 728 K. Tipke, Die rechtliche Misere der Zinsbesteuerung, BB 1989, 157. 729 Vgl. dazu E. Wenger, Das Quellensteuerexperiment, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (ZBB) 1990, 177 (188 ff.). 730 Vgl. zur Vorgänger(verwaltungs)vorschrift K. Tipke, Der Arbeitslohnerlass, StuW 1989, 199 f. 731 BFH v. 25.07.2000 VII B 28/99, BStBl II 2000, 643. Vgl. dazu BMF-Schreiben v. 12.12.2000 – IV A 4 – S 0130a – 9/00, BStBl I 2000, 1549. 732 Vgl. zum „Verifizierungshindernis ,Schutz des Bankkunden‘“ K. Tipke, Über Deklarieren und Verifizieren, in Kirchhof/Jacob/Beermann (Hrsg.), Steuerrechtsprechung, Steuergesetz, Steuerreform, FS Offerhaus, 1999, S. 819 (824 f.). Ebenso U. Niehus, Kritische Anmerkungen zum Systemcharakter des Einkommensteuerrechts, DStZ 2000, 697 (702 f.); ders., Die steuerliche Behandlung investiv verwendeter Einkommensbestandteile im Spannungsverhältnis zwischen Systemwahrung und Systemveränderung, 2000, S. 166 ff.

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

künfte dem Sparerfreibetrag unterfielen. Dies ist angesichts einer ungleichmäßigen Finanzvermögensverteilung in Deutschland wenig wahrscheinlich. An dem Ergebnis der weitgehenden Nichtbesteuerung von Kapitaleinkommen würde es im Übrigen nichts ändern.

B. Einkünftedualismus – Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen im privaten Einkünfteerzielungsvermögen I. Grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte (§§ 17; 23 EStG, §§ 40 Abs. 1; 46 Abs. 1 KAGG) Wird von ein- und mehrprozentigen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen (§ 17 EStG) und Veräußerungen abgesehen, die innerhalb der Fristen des § 23 EStG735 getätigt werden, können Wirtschaftsgüter des Privatvermögens veräußert werden, ohne dass die hierbei erzielten Einkünfte steuerbar wären (grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungsgewinne). Realisiert ein privater Investor Aktienkurssteigerungen im Rahmen von Investmentfonds, sind sie sogar unabhängig736 von Behaltefristen einkommensteuerbefreit, § 40 Abs. 1 Satz 1 KAGG. Die Steuerfreiheit privater Veräußerungsgewinne begründet den – ursprünglich quellentheoretisch737 gerechtfertigten – Einkünftedualismus, wonach Wertveränderungen im privaten Einkünfteerzielungsvermögen nicht einkommensteuerbar sind. Mit Art. 3 Abs. 1 GG ist dies wohl unvereinbar.738 Auch der jüngste Versuch der Re733 Vgl. zu dieser und den vorgenannten Zahlen auch P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 90), VI.1. [Finanzielle Auswirkungen, Erläuterungen]. 734 76% = (186 Mrd. DM – 44 Mrd. DM)/186 Mrd. DM. 735 Die Fristen betragen für Grundstücke zehn Jahre, für andere Wirtschaftsgüter ein Jahr, § 23 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 EStG. 736 Die einjährige „Spekulationsfrist“ des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG gilt nur für die Veräußerung des Investmentfondsanteils, vgl. W. Heinicke, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 23 Rz. 1. Allerdings unterliegen Gewinne, die ein Investmentfonds mit Termingeschäften i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG erwirtschaftet, nunmehr beim Anteilseigner der Besteuerung, vgl. dazu W. Heinicke, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 20 Rz. 114. Die Steuerfreiheit der Ausschüttungen von Grundstücks-Sondervermögen, die auf Veräußerungsgewinnen beruhen, erfordert hingegen die Einhaltung der Zehnjahrsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf Fondsebene, § 46 Abs. 1 KAGG. 737 Vgl. grundlegend zur Quellentheorie B. Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, 4. Bd. – Grundzüge der Steuerlehre, 1902, S. 110, 147 ff.; auch J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 181. 738 So fordern nahezu sämtliche Steuerrechtswissenschaftler die Einkommensteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte, vgl. nur K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 646 f., 649 ff.; J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 56 f., 170, 514; ders., in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 597 f.; P. Kirchhof u. a., Karlsruher

B. Einkünftedualismus

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gierungsfraktionen der XV. Legislaturperiode, zumindest eine mäßige, d.h. 15%-ige Besteuerung privater Veräußerungsgewinne einzuführen, ist allerdings gescheitert. § 23 EStG-E in der Fassung des Entwurfs zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG-E), der im Wesentlichen eine Ausweitung der Ein- bzw. Zehnjahresfristen des geltenden § 23 EStG auf unendlich vorsah, hat keine Gesetzeskraft gelangt. II. Kompensation der verwehrten Sofortabschreibung Dass die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte gegen das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer verstößt, liegt auf der Hand. So stellen sich Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens (z. B. Mietwohnungen, Aktien739) als Reinvermögensmehrungen dar, die ebenso zur Steuerzahlung befähigen wie z. B. Mietoder Dividendeneinkünfte bzw. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Ausgrenzung des Privatvermögens aus der einkommensteuerbaren Sphäre scheint allerdings auch mit dem nachgelagerten Korrespondenzprinzip nicht vereinbar zu sein. Weder wird die Ersparnisbildung, nämlich der Erwerb des privaten Einkünfteerzielungsvermögens, zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen, noch die Ersparnisauflösung erfasst (keine Besteuerung konsumtiv verwendeter Veräußerungsgewinne). Allerdings besteuert die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte Einkommen lediglich erhebungstechnisch nicht nachgelagert. Denn die Reinvermögensmehrungen werden vorgelagert besteuert (prepaymentAnsatz: Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen, keine Belastung der Ersparniserträge). Wie oben in Kapitel 2 Abschn. C.I. auf den Seiten 76 ff. gezeigt, ist die vorgelagerte Besteuerung eine barwertäquivalente Umformung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips bzw. der Cash Flow-Einkünfteermittlung.740 Für das Konsumpotential des Investors ist es Entwurf (FN 90), § 2 EStG-E mit Begründung; W. Schön, Unternehmenssteuerreform (FN 634), Stbg 2000, 1 (8); Deutscher Juristentag, Beschluss des 57. DJT, NJW 1988, 3006; Steuerreformkommission 1971, Gutachten der Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe Heft 17, 1971, Tz. II 96; K. Merkenich, Die unterschiedlichen Arten der Einkünfteermittlung im deutschen Einkommensteuerrecht, 1982, S. 147. 739 Insbesondere konnte die Nichtsteuerbarkeit der Gewinne aus der Aktienveräußerungen zumindest bis zur Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahrens (StSenkG) nicht mit dem Grundsatz der Einmalbelastung von Reinvermögensmehrungen gerechtfertigt werden. Denn die Körperschaftsteuer wurde nicht definitiv, da sie mit der Gewinnausschüttung zur Anrechnung auf die Einkommensteuer des Anteilseigners berechtigte, § 36 Abs. 2 Nr. 3 KStG a. F. 740 Soweit Investitionen sich über- oder unterdurchschnittlich verzinsen, besteht allerdings für den Fiskus ein Unterschied zwischen der nachgelagerten Besteuerung

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

unerheblich, ob Wirtschaftsgüter aus unversteuertem Einkommen erworben werden können, um später als Veräußerungserlöse erfasst zu werden (nachgelagerte Besteuerung), oder ob aus versteuerten Reinvermögensmehrungen ein geringeres Einkünfteerzielungsvermögen finanziert werden kann, dafür aber Veräußerungsgewinne nicht steuerbar sind (vorgelagerte Besteuerung). So kann ein nachgelagert besteuerter Sparer bei einem Steuersatz von 50% Einkünfte von z. B. 2.000 Euro ungeschmälert beispielsweise in Aktien investieren (Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung). Werden die Wertpapiere nach einem Jahr mit 200 Euro Gewinn veräußert (Rendite von 10%), beträgt die Einkommensteuerschuld 1.100 Euro.741 Die gleiche Summe verbleibt dem Steuerpflichtigen. Damit steht er sich wie ein vorgelagert besteuerter Investor, der zwar aus versteuertem Einkommen sparen musste und deshalb nur 1.000 Euro anlegen konnte, dafür aber mit dem 10%-igen Veräußerungsgewinn (100 Euro) nicht der Einkommensteuer unterliegt. Auch die abdiskontierten Steuerlasten der Investoren entsprechen sich (1.000 Euro742).

Während sich die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte im Rahmen der traditionellen Einkommensteuer als systemwidrig darstellt743, ist sie bei nachgelagerter Besteuerung als Kompensation dafür gerechtfertigt, dass die Ersparnisbildung nicht zum Bemessungsgrundlagenabzug berechtigt hat.744 Die Steuerfreiheit entschädigt den Investor für den Zinsverlust aus der verweigerten Sofortabschreibung.745 So führt David F. Bradford aus: „For example, existing law provides for a special lower rate of tax on long-term capital gains. Consumption-type rules would ignore capital gains altogether unless the purchase of the asset in question had been deducted (for example, via an IRA[746]). Accrual-income rules would tax all capital gains at full rates (and on accrual rather than on realization). von Veräußerungseinkünften und ihrer Nichtsteuerbarkeit. Bei vorgelagerter Besteuerung verlässt er die Risikogemeinschaft mit dem Investor früher, d.h. er profitiert weder von überdurchschnittlichen Renditen noch beteiligt er sich an Verlusten, vgl. oben Kapitel 2 Abschn. C.II.1., S. 79 ff. (83). 741 50% ESt * 2.200 Euro [bislang unversteuertes Invesitionskapital + Rendite] = 1.100 Euro ESt. 742 1.100 Euro ESt [nachgelagert besteuerter Investor]/(1 + 10% Abdiskontierungsfaktor) = 1.000 Euro ESt. 743 Vgl. Nachweise in FN 738. 744 So auch E. Wenger, Vom Sammelsurium zum System (FN 145), in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte, S. 115 (129); ders., Erfolglose Suche nach einer theoretischen Basis für die Einkommensteuer (FN 186), in Smekal/Sendlhofer/Winner (Hrsg.), Einkommen vs. Konsum, S. 37 (47 ff.). 745 Alternativ könnten Veräußerungseinkünfte auch besteuert werden. Sie wären dann aber als Differenz zwischen Veräußerungspreis und aufgezinsten Anschaffungskosten zu ermitteln, vgl. E. Wenger, Vom Sammelsurium zum System (FN 145), in M. Rose (Hrsg.), Standpunkte, S. 115 (129 f.).

C. Konsumgutlösung für selbstgenutztes Wohneigentum

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Converting the hybrid tax to a closer approximation to an accrual-income tax thus implies changing the rules applicable to long-term capital gains toward full taxation on accrual. Converting the hybrid tax to a consumption-type tax implies changing the rules in the other direction (to ignoring capital gains).“747

C. Konsumgutlösung für selbstgenutztes Wohneigentum Für viele Steuerpflichtige steht der Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums im Mittelpunkt ihrer privaten Zukunftsvorsorge. Die Eigenheimbesteuerung beeinflusst die Belastungswirkungen des Steuerrechts daher in erheblichem Maße. Sie folgt derzeit der sog. Konsumgutlösung, die allein mit dem Leitbild der nachgelagerten Besteuerung vereinbar ist (prepayment-Ansatz). Während der Nutzungswert von Eigenheimen in neun EU-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz und Norwegen besteuert wird748, wurde die Investitionsgutlösung in Deutschland 1987 abgeschafft.749 I. Nettonutzungswert „fraglos Einkommen“750 1. Nettonutzungswert Der Nutzungswert des Konsumvermögens erfasst die konsumtiven Nutzungen, die aus den betreffenden Wirtschaftsgütern gezogen werden. Er ist anhand von Fremdvergleichspreisen zu ermitteln, bei selbstgenutzten Wohnimmobilien also anhand von Vergleichsmieten. Als Nutzungswert eines Eigenheims ist der Betrag anzusetzen, der als Mietzins erzielt werden könnte (Bruttonutzungswert). Werden von dem Bruttonutzungswert die Aufwendungen subtrahiert, die durch das Eigenheim veranlasst sind, insbesondere also der periodische Wertverzehr (Abschreibungen) sowie der Finanzierungsaufwand (Fremdkapitalzinsen751), ergibt sich der Nettonutzungswert. Dieser ist nach dem reinvermögenzugangstheoretischen Ideal der traditio746 IRA = Individual Retirement Account (nach US-Steuerrecht nachgelagert besteuertes qualifiziertes Sparkonto), vgl. dazu unten Kapitel 8 Abschn. B.II., S. 229 ff. 747 D. F. Bradford, Untangling the Income Tax (FN 262), S. 316 f. 748 Vgl. Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Loseblattausgabe 1998 [Länderübersichten Niederlande, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Finnland, Spanien, Portugal, Italien, Griechenland, Schweiz, Norwegen]. 749 §§ 21 Abs. 2; 21a EStG a. F., aufgehoben durch Gesetz vom 15.05.1986 BGBl. I S. 730. 750 J. Hackmann, Die unterlassene Besteuerung der Nutzungswerte selbstgenutzten Wohneigentums: Vergebene Reformpotentiale, in Lüdicke/Scherf/Steden, Wirtschaftswissenschaft im Dienste der Verteilungs-, Geld- und Finanzpolitik, FS Oberhauser, 1999, S. 387 (388).

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

nellen Einkommensteuer zu belasten (Investitionsgutlösung). Nach ihrem Begründer Georg von Schanz zählt zum Einkommen neben Reinvermögensmehrungen auch „jeder unmittelbare Verbrauch, der in der Benutzung eines eigenen Hauses [. . .], eines eigenen Gartens oder auch nur in dem Genusse der Möglichkeiten einer solchen Benutzung liegt“752. Johannes Hackmann meint ebenfalls, dass es sich „bei den Nutzungswerten (Eigenmietwerten) selbstgenutzten Wohnungseigentums aus ökonomischer Sicht wie bei den Nutzungswerten sonstigen Konsumvermögens fraglos um Einkommen handelt“753.

2. Konsumgutlösung markteinkommenstheoretisch gerechtfertigt? Die markteinkommenstheoretische Rechtfertigung der Konsumgutlösung für Eigenheime ist zweifelhaft754, auch wenn es auf ihre Tragfähigkeit für eine Belastungsanalyse letztlich nicht ankommt. So spricht gegen einen Verzicht auf die Besteuerung der Nettonutzungswerte aus selbstgenutzten Wohnimmobilien, dass die Eigenheimnutzung ein Produkt ist, das am Markt angeboten werden könnte. Sie begründet ökonomische Verfügungsmacht. Im Unterschied zur Belastung der Freizeit weist eine Nutzungswertbesteuerung infolgedessen nicht den Charakter einer Fähigkeitssteuer auf.755 So meint auch Wilhelm Roscher, der als Begründer der Markteinkommenstheorie gilt756: „Es liegt [. . .] im Allgemeinen kein Grund vor, weshalb man die vom Eigentümer selbst bewohnten Häuser nicht ebenso gut besteuern sollte, wie die vermieteten.“757

751 Die gegenwärtige Nichtabzugsfähigkeit von Zinsen, die durch den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums veranlasst sind, nähert die Besteuerung von Eigenheimen infolgedessen an das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer an. Dies gilt allerdings weder für Nettorenditen noch eigenfinanzierte Eigenheime. 752 Vgl. G. v. Schanz, Einkommensbegriff (FN 42), Finanz-Archiv 1896, 1 (12): Einkommensteuerbar ist u. a. „jeder unmittelbare Verbrauch, der in der Benutzung eines eigenen Hauses, eigener Pferde, eines eigenen Gartens oder auch nur in dem Genusse der Möglichkeiten einer solchen Benutzung liegt“. 753 J. Hackmann, Unterlassene Besteuerung der Nutzungswerte selbstgenutzten Wohneigentums (FN 750), FS Oberhauser, S. 387 (388). Ebenso z. B. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 581. 754 So z. B. auch A. Oberhauser, Steuergerechtigkeit (FN 438), in A. Rauscher (Hrsg.), Steuergerechtigkeit, S. 11 (21). 755 Vgl. J. Hackmann, Unterlassene Besteuerung der Nutzungswerte selbstgenutzten Wohneigentums (FN 750), FS Oberhauser, S. 387 (405). 756 Vgl. dazu FN 56 und J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 47. 757 Zitiert nach J. Hackmann, Unterlassene Besteuerung der Nutzungswerte selbstgenutzten Wohneigentums (FN 750), FS Oberhauser, S. 387 [FN 38].

C. Konsumgutlösung für selbstgenutztes Wohneigentum

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Auch Bewertungsprobleme können die Konsumgutlösung für selbstgenutztes Wohneigentum nicht rechtfertigen (Beschränkung des Besteuerungsanspruchs auf beobachtbare Reinvermögensmehrungen758). Zum einen bedarf es bei funktionierenden Immobilienmärkten keiner intensiven Eingriffe in die Privatsphäre, um Bruttonutzungswerte zu ermitteln (Preisvergleich, marktübliche Vergleichsmiete). Zum anderen ist von einer Nutzungswertbesteuerung in Anbetracht der regelmäßig großen Bedeutung des Eigenheims für das Privatvermögen sowie der Ungleichverteilung selbstgenutzten Wohneigentums ein erhebliches Mehr an Steuergerechtigkeit zu erwarten. Hiergegen sind die finanzbehördlichen Eingriffe in die Privatsphäre abzuwägen.759 So machen „Eigenmietwerte“ in der Schweiz trotz unterdurchschnittlicher Eigenheimquote 5% der steuerpflichtigen Einkünfte aus.760 Für Deutschland schätzt Johann Eekhoff die Höhe der Einnahmen aus einer Nutzungswertbesteuerung auf 3% des Einkommensteueraufkommens, wobei weder die Kontrollfunktion der Investitionsgutlösung (geringere Attraktivität der Schwarzarbeit wegen Abzugsfähigkeit von Reparaturaufwendungen) noch die regelmäßig überdurchschnittliche Steuerprogression von Eigenheimbesitzern berücksichtigt ist. Johannes Hackmann begründet die Konsumgutlösung politökonomisch mit der Meinungsmacht der Bezieher hoher Einkünfte, deren Vermögen größtenteils aus ihrem Eigenheim besteht: „Schaut man sich den Kreis der Profiteure an, dann dürften dazu typischerweise neben Journalisten, den politischen und juristischen Entscheidungsträgern und der Ministerialbürokratie auch die Experten des Steuerrechts in den Steuerbehörden, in der Wissenschaft und in den steuerberatenden Berufen gehören. Bei ihnen dürften die beiden – den Klienteleffekt einer fehlenden Nutzungswertbesteuerung konstituierenden – Merkmale regelmäßig zusammenkommen, nämlich hohe Grenzsteuersätze und ein hoher Wert des selbstgenutzten Wohnvermögens relativ zum Gesamtvermögen.“761

II. Prepayment-Ansatz 1. Vereinbarkeit mit traditioneller Besteuerung? Die Konsumgutlösung für Eigenheime ist mit dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer nur vereinbar, soweit ein Nettonutzungswert nicht existiert, d.h. dem Bruttonutzungswert entsprechend hohe Eigenheimaufwendungen gegenüberstehen (keine Eigenheimrendite). Dann wirkt 758

Vgl. oben Kapitel 1 Abschn. A.II.1.a), S. 36 ff. Vgl. nur S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 224. 760 Vgl. zu solchen Schätzungen der eidgenössischen Steuerverwaltung J. Hackmann, Unterlassene Besteuerung der Nutzungswerte selbstgenutzten Wohneigentums (FN 750), FS Oberhauser, S. 387 (391 f. [FN 16]). 761 J. Hackmann, Unterlassene Besteuerung der Nutzungswerte selbstgenutzten Wohneigentums (FN 750), FS Oberhauser, S. 387 (409). 759

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

es sich im Belastungsergebnis nicht aus, dass die Konsumgutlösung Einkommen vorgelagert besteuert, indem Ersparnisse (Eigenheimerwerb) zwar aus versteuertem Einkommen zu bilden sind, die Ersparniserträge (Nettonutzungswert) aber steuerfrei vereinnahmt werden können (sog. prepayment-Ansatz, vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. C.I., Seiten 76 ff.). Dass Steuerpflichtige ein Eigenheim erwerben, ohne sich hiervon eine Rendite zu versprechen (Bruttonutzungswert größer Eigenheimaufwendungen), ist ebenso unwahrscheinlich wie die Anschaffung von Einkünfteerzielungsvermögen, das keinen Ertrag abwirft. Der Eigenheimerwerb entspräche dem Kauf einer Wohnung, deren Vermietung und spätere Veräußerung gerade die Anschaffungskosten und laufenden Aufwendungen deckt. Weil Steuerpflichtige sich auf solche Anlageobjekte üblicherweise jedenfalls nicht dauerhaft einlassen, spricht die Vielzahl der Eigenheime in Deutschland dafür, dass der Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum mit positiven Nettonutzungswerten einhergeht. Da diese unbelastet bleiben (Rendite des Eigenheims), ist die Konsumgutlösung mit dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer unvereinbar.762 2. Vereinbarkeit mit nachgelagerter Besteuerung Auch eine nachgelagerte Besteuerung von Einkommen hat die Nettonutzungswerte selbstgenutzter Wohnimmobilien zu erfassen. Zeitgleich mit seiner Entstehung wird Einkommen einer konsumtiven Verwendung zugeführt (Konsumgut Wohnen). Allerdings sind die Reinvermögensmehrungen, die zum Erwerb des Eigenheims aufgewendet werden, zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zuzulassen.763 Insoweit werden Ersparnisse gebildet, die im Wege der Nettonutzungswert- und Veräußerungserlösbesteuerung nachzubelasten sind.764 Gegenwärtig sind weder Anschaffungskosten für selbstgenutztes Wohneigentum abzugsfähig noch Nutzungswerte oder Veräußerungserlöse steuerpflichtig.765 Steuertechnisch folgt das geltende Recht infolgedessen ebenso wenig dem nachgelagerten Korrespondenzprinzip wie der traditionellen Einkommensteuer.

762 Vgl. Eberle/Wenger, Investitions- und Konsumgutlösungen im Bereich der Immobilienbesteuerung, StuW 1986, 256 (257, 267). 763 Vgl. z. B. S.-O. Lodin, Progressive Expenditure Tax – an Alternative? A Report of the 1972 Government Commission of Taxation, 1978, S. 84. 764 Eine systemkonsequente Umsetzung der nachgelagerten Besteuerung von Eigenheimen findet sich bei J. Lang, Steuergesetzbuch (FN 69), Tz. 584 sowie §§ 109 Abs. 1 Nr. 4; 115 Abs. 3; 123 Abs. 5 StGB-E. 765 Vgl. zur Abschaffung der Investitionsgutlösung in 1987, die übergangsweise bis 1998 praktiziert wurde, FN 749.

D. Nachgelagerte Besteuerung der sog. Riester-Rente

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Die Konsumgutlösung entfaltet jedoch immer dann die gleichen Belastungswirkungen wie eine nachgelagerte Eigenheimbesteuerung, wenn der Nettonutzungswert der marktüblichen Kapitalverzinsung entspricht.766 Diese wird jeweils implizit von der Besteuerung befreit, vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., Seiten 64 ff. Angesichts des wirtschaftlichen Gewichts eines Eigenheimerwerbs kann davon ausgegangen werden, dass der Nettonutzungswert von selbstgenutzten Immobilien jedenfalls ungefähr der Rendite entspricht, die das eingesetzte Kapital bei anderweitiger Verwendung erwirtschaftet hätte. Auch im Rahmen der Investitionsgutlösung wird es als vertretbar erachtet, den Nutzungswert als marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals zu ermitteln, das im Eigenheim gebunden ist.767 So sieht die Expertenkommission Wohnungspolitik in der Konsumgutlösung einen „wichtigen Schritt“ auf dem Weg zu einer nachgelagerten Besteuerung. Sie führt aus: „Die Steuerfreiheit der eigengenutzten Wohnung ist ein wichtiger Schritt in Richtung auf die intertemporale Neutralität der Besteuerung [. . .]. [Es] wäre wohl falsch, aus Symmetriegründen alle Formen der Sachkapitalbildung gleichmäßig zu diskriminieren. Das Ziel der intersektoralen Neutralität sollte gegenüber dem Ziel, in möglichst vielen Sektoren intertemporale Neutralität herzustellen, zurückstehen. Der Wohnungsbau ist auf einem Weg vorangeschritten, auf den sich vielleicht einmal das gesamte System der Kapitaleinkommensbesteuerung begeben wird.“768

D. Nachgelagerte Besteuerung der sog. Riester-Rente (§§ 10a; 22 Nr. 5 EStG) Mit der abgabenrechtlichen Behandlung der sog. Riester-Rente hat das nachgelagerte Korrespondenzprinzip erstmals tatbestandlich Ausdruck im EStG gefunden (§§ 10a, 22 Nr. 5 EStG). Dieser Abschnitt zeigt u. a., dass Kapitaleinkommen, welches im Rahmen eines Altersvorsorgevertrages erzielt wird, regelmäßig auch dann implizit von der Besteuerung befreit ist, wenn das Altersvorsorgevermögen – anders als vom Gesetzgeber intendiert769 – nicht für eine dauerhafte Erhöhung des Lebensstandards im Alter 766 Ebenso J. Hackmann (Unterlassene Besteuerung der Nutzungswerte selbstgenutzten Wohneigentums (FN 750), FS Oberhauser, S. 387 [402 f.]), der meint, dass „eine steuerliche Freistellung von Nutzungswerten unter bestimmten Bedingungen in der Tat gut [mit dem Leitbild der Konsumbesteuerung] vereinbar“ sei. 767 Vgl. Dazu J. Hackmann, Unterlassene Besteuerung der Nutzungswerte selbstgenutzten Wohneigentums (FN 750), FS Oberhauser, S. 387 (389 [FN 8]). 768 Expertenkomission Wohnungsbaupolitik, Wohnungspolitik auf dem Prüfstand, 1994, Tz. 9106 u. 8132. 769 Ausweislich der Gesetzesbegründung soll das AVmG trotz der angesichts der demographischen Entwicklung unvermeidlichen Leistungskürzungen der Gesetzli-

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

verwendet wird (Ausnahmefall770 der Riester-Rente). Nur geringfügiger Änderungen bedarf die derzeitige Besteuerung des Altersvorsorgevermögens, um auch Lebensendvermögen systemkonform zu belasten und die Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht sachgerecht zu behandeln (Wegzug des Altersvorsorge-Sparers). I. Allgemeines 1. Kombinationsmodell – Sonderausgabenabzug und Grund- sowie Kinderzulage Altersvorsorgebeiträge berechtigen zum Sonderausgabenabzug (§ 10a EStG) und werden mit Grund- sowie Kinderzulagen direkt subventioniert (Altersvorsorgezulage, §§ 79 ff. EStG). Hierbei profitieren die Altersvorsorge-Sparer von der Altersvorsorgezulage nur insoweit, als sie die Entlastung aus dem Sonderausgabenabzug übersteigen. Von Amts wegen wird geprüft, ob der Sonderausgabenabzug oder die gewährte Altersvorsorgezulage günstiger ist (Günstigerprüfung, § 10a Abs. 2 EStG). Die Mehrheit der Altersvorsorge-Sparer wird sich mit dem Sonderausgabenabzug der Altersvorsorgebeiträge besser stehen als mit der Altersvorsorgezulage. Selbst bei einer einkommensteuerlichen Grenzbelastung in Höhe des ab 2005 geltenden Eingangssteuersatzes von 15%771 reicht einem ledigen und kinderlosen AltersvorsorgeSparer hierfür ein Altersvorsorge-Eigenbeitrag von jährlich 1.026,68 Euro772. Für Steuerpflichtige in der oberen Proportionalzone des Einkommensteuertarifs (42%773 in 2005) reduziert sich die Sparleistung, ab welcher der Sonderausgabenabzug gemäß § 10a EStG günstiger ist als der Zulagenanspruch, auf 366,68 Euro774. Für zusammenveranlagte Ehegatten ist ein zusätzlicher Altersvorsorgebeitrag in gleicher Höhe, für jedes Kind ein weiterer, um 20% höherer Betrag erforderlich. Beispielsweise profitiert ein Ehepaar mit drei Kindern, das den Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 EStG vollumfänglich ausnutzt (Eigenbeiträge von 4.200 Euro775), bechen Rentenversicherung die Aufrechterhaltung des gewohnten Lebensstandards im Alter zu ermöglichen, vgl. Koalitionsentwurf AVmG, BT-Drucks. 14/4595, S. 62. 770 Vgl. dazu unten Abschn. III., S. 202 ff. sowie C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente (FN 228), StuW 2001, 253 (263 ff.). 771 §§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001. 772 15% * 1026,67 Euro [= Einkommensteuerermäßigung] = 154 Euro [= Grundzulage in 2008]. 773 §§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001. 774 42% * 366,67 Euro [= Einkommensteuerermäßigung] = 154 Euro [= Grundzulage in 2008]. 775 Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug von 4.200 Euro ist gemäß § 10a Abs. 3 Satz 2 EStG, dass beide Ehegatten dem Adressatenkreis des § 10a Abs. 1 EStG angehören, vgl. auch A. Risthaus, Steuerliche Fördermöglichkeiten für eine zusätzliche private Altersvorsorge nach dem AVmG, DB 2001, 1269 (1275). Damit

D. Nachgelagerte Besteuerung der sog. Riester-Rente

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reits ab einer einkommensteuerlichen Grenzbelastung von 20,5% nicht mehr von der Altersvorsorgezulage.776

2. Adressatenkreis des § 10a Abs. 1 EStG Ursprünglich war nur zum Sonderausgabenabzug von Altersvorsorgebeiträgen berechtigt, wer in der Gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert war. Nachdem auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in den Adressatenkreis des § 10a EStG einbezogen wurden, sind im Wesentlichen allein Selbständige sowie Angehörige berufsständischer Versorgungswerke vom Sonderausgabenabzug ihrer Altersvorsorgebeiträge ausgeschlossen. Dieser Begünstigungsausschluss erscheint gleichheitsrechtlich bedenklich, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des jüngsten Rentensteuer-Urteils des BverfG.777 Hiernach müssen „Vergünstigungseffekte [. . .], die in spezifischer Weise die Alterssicherung betreffen [. . .], allen Einkünftebeziehern [. . .] gewährt werden“778. Allerdings hat die 3. Kammer des Zweiten BVerfG-Senats am 18. Dezember 2002779 entschieden, dass die Nichteinbeziehung von selbständig tätigen Rechtsanwälten in den Adressatenkreis des § 10a EStG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei. Unter Hinweis auf die AVmG-Gesetzesmaterialien wird darauf abgestellt, dass die Absenkung des Rentenniveaus diese Steuerpflichtigen nicht betreffe. Jedoch hat sich die Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen ohnehin dafür ausgesprochen, „alle unbeschränkt Steuerpflichtigen in den Anwendungsbereich der §§ 10a und 79 ff. EStG aufzunehmen“780.

besteht eine Inkongruenz zwischen der Direktsubventionierung – vollumfänglich zulageberechtigt ist auch ein zusammenveranlagter Ehegatte, der nicht zu dem von § 10a Abs. 1 EStG umfassten Personenkreis gehört, für den aber ein eigener Altersvorsorgevertrag abgeschlossen wurde, § 79 Satz 2 EStG – und der steuerlichen Förderung gemäß § 10a EStG, deren Höchstgrenze sich nicht verdoppelt. 776 Aus der Grundzulage (ab 2008) von bis zu 154 Euro je Ehegatte und einer für jedes Kind gewährten Zulage von bis zu 185 Euro resultiert bei drei Kindern eine Altersvorsorgezulage von insgesamt höchstens 863 Euro (§§ 83 ff. EStG). Dies entspricht 20,5% der Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 4.200 Euro, die ein zusammenveranlagtes Ehepaares als Sonderausgaben von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen kann (§ 10a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 EStG). 777 Vgl. bereits C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente (FN 228), StuW 2001, 253 (258). 778 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (362) [Gliederungspunkt C.III.1 a. E.]. 779 Vgl. BVerfG v. 18.12.2002 – 2 BvR 367/02, DB 2003, 371 f.

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

Sollte der Gesetzgeber dieser Empfehlung wider Erwarten nicht folgen, könnte der ungekürzte Sonderausgabenabzug, der Selbständigen gemäß § 10 EStG zur individuellen Altersvorsorge zur Verfügung steht, einen Rechtfertigungsansatz für den Begünstigungsausschluss bieten. Gleiches gilt für die partielle Kapitaldeckung berufsständischer Versorgungswerke. Jeweils profitiert der von § 10a EStG ausgeschlossene Personenkreis in ähnlicher Weise wie ein nachgelagert besteuerter Altersvorsorge-Sparer (implizite Steuerbefreiung der marktüblichen Verzinsung der Altersvorsorgeaufwendungen). Insbesondere sind berufsständische Versorgungswerke ebenso körperschaftsteuerbefreit wie Anbieter von Altersvorsorgeverträgen, § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG.781

3. Anforderungen an Altersvorsorgeverträge (§ 1 AltZertG) Ersparnisse für eine zusätzliche private Alterssicherung sind nach § 10a Abs. 1 EStG nur sonderausgabenabzugsfähig sowie altersvorsorgezulageberechtigt, soweit sie im Rahmen eines Vertrages gebildet werden, der gem. § 5 AltZertG782 zertifiziert wurde (Altersvorsorgebeiträge, § 82 EStG). Die Zertifizierungsvoraussetzungen normiert § 1 Abs. 1 u. 2 AltZertG. Altersvorsorgeverträge können von Lebensversicherungsunternehmen, Kreditinstituten und Kapitalanlagegesellschaften angeboten werden (Kapitalsammelstelle).783 § 1 Abs. 1 AltZertG formuliert die konkreten Anforderungen an die förderfähige Ersparnisbildung, die eine sichere Altersversorgung (Ziffern 1–7, 11) und einen renditeträchtigen Wettbewerb der Anbieter auch nach Abschluss des Altersvorsorgevertrages gewährleisten sollen (Ziffern 8–10).784 780

Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (FN 611), Abschlussbericht, 2003, S. 17. 781 Vgl. dazu unten Abschn. II.3., S. 200 ff. 782 Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorgeverträgen v. 26.06.2001 (AltZertG), BGBl. I 2001, S. 1310 (1322). 783 Haben diese ihren Sitz außerhalb ihres des Inlandes oder Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), normiert § 1 Abs. 2 Nr. 3 AltZertG mit dem Verweis auf das Kreditwesen- und Versicherungsaufsichtsgesetz weitere Voraussetzungen. 784 Ziffer 1 verpflichtet zur beständigen Ersparnisbildung. Ziffer 2 bestimmt, dass Leistungen nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres ausgezahlt werden dürfen. Ziffer 3 verlangt dem Anbieter eine Leistungsgarantie in Höhe des Nominalwerts der eingezahlten Altersvorsorgebeiträge ab. Die Ziffern 4 und 5 schreiben die Auszahlung des Altersvorsorgevermögens als mindestens gleichbleibende monatliche Leibrenten bzw. Raten eines Auszahlungsplans vor, der eine Teilkapitalverrentung für die Zeit nach dem 85. Lebensjahr vorsieht. Ziffer 6 ermöglicht die Absicherung der Hinterbliebenen des Altersvorsorge-Sparers. Ziffer 7 verlangt die Anlage der Altersvorsorgebeiträge sowie Vorsorgekapitalerträge in Rentenversicherungsprodukte, Bankguthaben mit Zinsansammlung oder in- und ausländischen Investmentfondsanteile. Ziffer 8 verpflichtet den Anbieter zur Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten auf zehn Jahre, Ziffer 10 verlangt eine jährliche Information des

D. Nachgelagerte Besteuerung der sog. Riester-Rente

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II. Nachgelagerte Besteuerung des Regelfalls Der Regelfall der Riester-Rente zeichnet sich dadurch aus, dass der Altersvorsorge-Sparer beständig Altersvorsorgebeiträge leistet, welche die Kapitalsammelstelle ertragsbringend anlegt. Im Alter werden die Ersparnisse sukzessive aufgelöst, indem das Altersvorsorgevermögen für eine dauerhafte Erhöhung des Lebensstandards verwendet wird. 1. Steuerverschonung der Ersparnisbildung (§ 10a Abs. 1 EStG) § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG lässt ab dem Veranlagungszeitraum 2008 Altersvorsorgebeiträge bis zu 2.100 Euro zum Sonderausgabenabzug zu.785 Die Ersparnisbildung wird aus der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage ausgegrenzt. 2. Besteuerung der Ersparnisauflösung (§ 22 Nr. 5 EStG) Nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG unterliegen Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen, d.h. ausgezahlte Altersvorsorgevermögensbestandteile, vollumfänglich der Einkommensteuer. Dadurch werden die investierten Reinvermögensmehrungen (Altersvorsorgebeiträge sowie hierauf beruhende Erträge), die bislang nicht besteuert wurden, nachbelastet (Ersparnisauflösung). Dies gilt insbesondere auch für die Reinvermögensmehrungen, die auf Wertsteigerungen beruhen, die außerhalb der Spekulationsfristen des § 23 EStG realisiert wurden (§ 22 Nr. 5 EStG als lex specialis zu § 23 Abs. 1 EStG bzw. § 40 Abs. 1 KAGG786). Altersvorsorge-Sparers über die Entwicklung und Anlage des jeweiligen Altersvorsorgevermögens. Gemäß Ziffer 9 muss dem Altersvorsorge-Sparer das Recht eingeräumt werden, sein Altersvorsorgevermögen auf einen anderen Anbieter übertragen oder vorübergehend zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum entnehmen zu können. Ziffer 11 schließt die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit von Rechten aus dem Altersvorsorgevertrag aus. 785 Diese Limitierung ist keine wirkliche. Denn sie erfasst nicht die Erträge, die mit Altersvorsorgebeiträgen erwirtschaftet werden, die nicht zum Sonderausgabenabzug nach § 10a berechtigt haben (Überzahlungen), vgl. C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente (FN 228), StuW 2001, 253 (259 f.). 786 Vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG („Sonstige Einkünfte sind [. . .] 5. Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen [. . .], auch wenn sie von inländischen Sondervermögen oder ausländischen Investmentgesellschaften erbracht werden [. . .].“) sowie die Begründung des Regierungsentwurfs zum AVmG, BRDrucks. 764/00, S. 168.

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

3. Keine Besteuerung des Vorsorgeträgers Aus der Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgebeiträge (§ 10a EStG) sowie korrespondierenden Erfassung der Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen (§ 22 Nr. 5 EStG) folgt nicht zwingend, dass Altersvorsorgevermögen auch im Belastungsergebnis nachgelagert besteuert wird. Hierfür ist zusätzlich erforderlich, dass die Kapitalsammelstellen hinsichtlich der von ihnen erwirtschafteten Erträge nicht besteuert werden.787 Anderenfalls wären die Vorsorgekapitalerträge wirtschaftlich doppelt belastet, da sie sowohl auf der Ebene der Kapitalsammelstelle (Entstehung) als auch beim AltersvorsorgeSparer (Verwendung) besteuert würden. a) Versicherungsprodukte Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 lit. a AltZertG können Altersvorsorgebeiträge in Rentenversicherungen sowie Kapitalisierungsprodukte im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) angelegt werden. Vorsorgekapitalerträge bleiben insoweit auf der Ebene der Kapitalsammelstelle steuerlich unbelastet, vgl. dazu oben Kapitel 5 Abschn. C.II.3.a), Seiten 180 ff. Die Aktivierung der Vorsorgekapitalerträge mit zeitnahen Werten788 wird durch die Passivierung der korrespondierenden Anwartschaften der Versicherungsnehmer kompensiert (Deckungsrückstellungen, §§ 21a; 8 Abs. 1 u. 2 KStG i.V. m. §§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; 341f HGB), die Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer des Versicherers angerechnet, §§ 31 Abs. 1 KStG i.V. m. 36 Abs. 2 EStG. b) Bankguthaben mit Zinsansammlung Auch die Anbieter der gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 lit. b AltZertG förderfähigen Bankguthaben mit Zinsansammlung können die von ihnen erwirtschafteten Vorsorgekapitalerträge erfolgsneutral vereinnahmen. Zwar haben die Kreditinstitute die Wirtschaftsgüter, die mit den Altersvorsorgebeiträgen und Erträgen hieraus erworben wurden, zu aktivieren. In Höhe der Zinsen, die dem Altersvorsorgevermögen gutgeschrieben werden, ist jedoch eine Verbindlichkeit auszuweisen.789 Die Kapitalertragsteuer wird auf die Kör787 Vgl. zu dieser Voraussetzung der impliziten Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen durch das nachgelagerte Korrespondenzprinzip oben Kapitel 1 Abschn. B.III.3.b), S. 55 ff. 788 Vgl. § 341d HGB sowie § 39 RechVersV (FN 700). 789 Wegen des lex specialis-Charakters des § 22 Nr. 5 EStG (vgl. dazu FN 786) sind beim Altersvorsorge-Sparer weder Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1

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perschaftsteuer der Kreditinstitute angerechnet, §§ 31 Abs. 1 KStG i.V. m. 36 Abs. 2 EStG. c) Investmentfonds § 1 Abs. 1 Nr. 7 lit. c AltZertG berechtigt zur Anlage von Altersvorsorgebeiträgen in Anteilen an thesaurierenden sowie ausschüttenden und unverzüglich reinvestierenden Investmentfonds. Investmentfonds sind Sondervermögen von Kapitalanlagegesellschaften und gelten gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 KAGG als Körperschaftsteuersubjekte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Dennoch erfolgt keine Besteuerung auf Anbieterebene, da § 38 Abs. 1 Satz 2 KAGG Investmentfonds von der Körperschaftsteuer befreit.790 Insbesondere findet auch die Zuflussfiktion des § 39 Abs. 1 Satz 2 KAGG keine Anwendung. § 22 Nr. 5 EStG ist insoweit die speziellere Regelung791, was § 39 Abs. 1 KAGG n. F. bestätigt. Zudem sind Zinserträge des Investmentfonds vom Kapitalertragsteuerabzug befreit, § 44a Abs. 4 Nr. 1 EStG, im Übrigen wird die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer der Depotbank erstattet, § 38 Abs. 2 KAGG.792 d) Keine Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG im Rahmen des § 22 Nr. 5 EStG § 22 Nr. 5 EStG ist lex specialis793 zu §§ 3 Nr. 40 i.V. m. 17; 20; 23 EStG. Deshalb gilt bei Dividenden, die im Rahmen von Altersvorsorgeverträgen vereinnahmt werden, das Halbeinkünfteverfahren nicht, welches eine körperschaft-794 und einkommensteuerliche Doppelbelastung von Kapitalgesellschaftsgewinnen vermeidet.795 Um Altersvorsorge-Sparer insoweit nicht Nr. 7 EStG) noch zugeflossene sonstige Einkünfte anzunehmen, solange das Altersvorsorgevermögen nicht ausgekehrt wird. 790 Vgl. zur Steuerfreiheit auf Fonds-Ebene J. Stotz, Besteuerung von WertpapierInvestmentfonds, 1998, S. 159. 791 Vgl. dazu FN 786. 792 Vgl. zur Reformbedürftigkeit des § 38 Abs. 3 KAGG (Vermeidung einer Definitivbelastung mit KapErtrSt) allerdings C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente (FN 228), StuW 2001, 253 (263). 793 Vgl. dazu FN 786. 794 Von der ebenfalls definitiven Gewerbesteuer sei hier abgesehen. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG ist sie nach wie vor äquivalenztheoretisch gerechtfertigt, vgl. dazu unten Kapitel 14 Abschn. B.III., S. 336 ff. sowie BVerfG v. 14.02.2001 – 2 BvR 466/93 u. 1488/93, NJW 2001, 1853 f. [Verweis auf BVerfG v. 25.04.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224 (233 ff.)]. 795 Vgl. dazu unten Kapitel 14 Abschn. B.II.2., S. 334 ff. sowie den Entwurf des StSenkG, BT-Drucks. 14/2683 (FN 5), S. 94. Vgl. dazu auch W. Schön, Abzugs-

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gegenüber anderen Investoren zu diskriminieren, ist § 22 Nr. 5 EStG um eine Regelung zu ergänzen, die § 40 Abs. 2 KAGG796 entspricht. Fände § 3 Nr. 40 EStG infolgedessen auch auf Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen Anwendung, die dem körperschaftsteuerpflichtigen Sektor entstammen, bliebe die Ebene der Kapitalsammelstelle in Bezug auf Dividenden ebenfalls steuerlich unbelastet. III. Nachgelagerte Besteuerung auch der Ausnahmefälle („schädliche“ Verwendung, Vererbung, Wegzug) Bei den Ausnahmefällen der Riester-Rente wird das Altersvorsorgevermögen nicht sukzessive aufgelöst, um den Lebensstandard des Altersvorsorge-Sparers im Ruhestand zu erhöhen. Stattdessen wird es vorzeitig ausgezahlt (sog. schädliche Verwendung, § 93 Abs. 1 Sätze 1 u. 2. EStG) oder vererbt (§ 93 Abs. 1 Satz 5 EStG).797 Zudem gelten Sonderregelungen für die Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Altersvorsorge-Sparers (Wegzugsbesteuerung, § 95 EStG). Altersvorsorgevermögen wird, obgleich vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt798, im Ergebnis auch dann nachgelagert besteuert, wenn es „schädlich“ verwendet wird. Die Sondervorschriften entfalten Zufalls-, keine Sanktionswirkungen.

schranken des § 3c EStG (FN 165), FR 2001, 381 (387); ders., Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940 (944). 796 Vgl. dazu F. Tibo, Steuersenkungsgesetz – Besteuerung von Erträgen aus Wertpapier-Investmentfonds, DB 2000, 2291. 797 Zur „Zwischenentnahme“ von Altersvorsorgevermögen zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum (§ 92a EStG), die steuersystematisch nicht erforderlich gewesen wäre, da die sog. Konsumgutlösung für Eigenheime die Rendite des für den Hausbau eingesetzten Kapitals ebenso unbesteuert lässt (vgl. dazu oben Kapitel 6 Abschn. C, S. 190 ff.) wie die nachgelagerte Besteuerung die Verzinsung des Altersvorsorgevermögens, vgl. C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente (FN 228), StuW 2001, 253 (259 f.); L. Knoll, Zwischenentnahmemodell nach dem Altersvermögensgesetz bei selbstgenutzten Immobilien: ein „Steuerschlupfloch“?, FR 2001, 775 f. sowie L. Knoll, Zwischenentnahmemodell – Zugleich Anmerkungen zu Dorenkamp, StuW 2001, 363 f.; C. Dorenkamp, Stellungnahme zu der Anmerkung von Leonhard Knoll, StuW 2001, 365. 798 Vgl. AVmG-Koalitionsentwurf, BT-Drucks. 14/4595, S. 66.

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1. „Schädliche Verwendung“ (§ 93 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 EStG) a) Abgabenrechtliche Folgen Wird das Altersvorsorgevermögen • vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder • weder als Leibrente noch im Rahmen eines Auszahlungsplans ausgezahlt, der zumindest gleich hohe Teilraten sowie eine Teilkapitalverrentung für die Zeit nach dem 85. Lebensjahr vorsieht, werden die gewährten Zulagen und Einkommensteuerermäßigungen aus dem Sonderausgabenabzug der Altersvorsorgebeiträge zurückgefordert, soweit sie auf das dergestalt schädlich verwendete Altersvorsorgevermögen entfallen (Rückzahlungsbetrag), § 93 Abs. 1 Sätze 1 u. 2. EStG. Zudem unterliegt die Auszahlung abzüglich der Eigenbeiträge und Zulagen der Einkommensteuer, § 22 Nr. 5 Sätze 1 u. 4 EStG. b) Keine Sanktionswirkung (1) Steuersatzabhängige Zufallsergebnisse Sanktionierend wirken die abgabenrechtlichen Folgen der schädlichen Verwendung, soweit sie den Steuerpflichtigen schlechter stellen als er stünde, wenn das Altersvorsorgevermögen AltZertG-gemäß ausgezahlt worden wäre (dauerhafte Erhöhung des Lebensstandard im Alter). Dies gilt für die Anwendung der §§ 93 Abs. 1 Satz 1; 22 Nr. 5 Satz 4 EStG • in Bezug auf die Vorsorgekapitalerträge, wenn die einkommensteuerliche Grenzbelastung des Altersvorsorge-Sparers im Zeitpunkt der schädlichen Verwendung höher ist als in den Veranlagungszeiträumen, in denen die AltZertG-gemäßen Auszahlungen erfolgt wären (Alterssteuersatz), und • in Bezug auf die Altersvorsorgebeiträge, wenn der Alterssteuersatz die einkommensteuerliche Grenzbelastung während des Aufbaus des Altersvorsorgevermögens799 unterschreitet. So erfährt z. B. ein Steuerpflichtiger, der in den vergangenen Veranlagungszeiträumen stets dem Einkommensteuerspitzensatz (ab 2005 42%800) unterlegen hat und bei dem dies auch für die Zukunft zu erwarten ist, einen Nachteil weder aus der Rückforderung der gewährten Zulagen und gemäß 799 Wenn sich die gewährten Zulagen im Belastungsergebnis ausgewirkt haben sollten, kommt es auf einen Vergleich des Alterssteuersatzes mit dem Anteil der Altersvorsorgezulagen an den Altersvorsorgebeiträgen an. 800 §§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001.

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§ 10a Abs. 4 EStG gesondert festgestellten Steuerermäßigungen noch aus der Besteuerung des schädlich verwendeten Altersvorsorgevermögens. Zwar ist die 42-prozentige801 Förderung der Altersvorsorgebeiträge zurückzuzahlen. Dafür unterliegt das schädlich verwendete Altersvorsorgevermögen aber insoweit nicht der 42-prozentigen Einkommensteuer, § 22 Nr. 5 Satz 4 EStG. Infolgedessen entsprechen sich sowohl die Bemessungsgrundlagen als auch die Tarife der Regel- und schädlichen Verwendung des Altersvorsorgevermögens. Die fehlende Sanktionierung verwandelt sich sogar in eine Subvention, wenn die einkommensteuerliche Grenzbelastung im Veranlagungszeitraum der schädlichen Verwendung niedriger ist als der Alterssteuersatz.802 Dann unterliegen die Vorsorgekapitalerträge einem niedrigeren Einkommensteuersatz als bei AltZertG-gemäßer Auszahlung. In Bezug auf die Altersvorsorgebeiträge ist der Alterssteuersatz mit der Grenzbelastung zu vergleichen, welcher der Altersvorsorge-Sparer während des Aufbaus des Altersvorsorgevermögens unterlegen hat.803 Zugunsten des Altersvorsorge-Sparers wirkt sich die schädliche Verwendung zusätzlich aus, wenn die Förderquote der Altersvorsorgebeiträge den aktuellen Grenzsteuersatz unterschreitet. Es wird lediglich der Rückzahlungsbetrag eingefordert und auf eine Besteuerung des vorzeitig ausgezahlten Altersvorsorgevermögens verzichtet, soweit es auf Eigenbeiträgen/Zulagen beruht. (2) Steuerlich unbelastete Akkumulierung des Vorsorgekapitals – Belastungskorrekturfaktor Die §§ 93 Abs. 1 Satz 1; 22 Nr. 5 Satz 4 EStG sind aber selbst dann nicht geeignet, den eigentlichen Belastungsvorteil der nachgelagerten Besteuerung abzuschöpfen, wenn die einkommensteuerliche Grenzbelastung im Veranlagungszeitraum der schädlichen Verwendung den Alterssteuersatz bzw. die staatliche Förderung der Eigenbeiträge übersteigt. Auch der nur 801 Eine höhere Förderung ist in der oberen Proportionalzone des Einkommensteuertarifs ab 2005 (§§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG) trotz Zulagengewährung nicht möglich, da sich die tarifliche Einkommensteuer gemäß §§ 10 Abs. 2; 2 Abs. 6 Satz 2 EStG um den Anspruch auf Zulage erhöht, wenn dieser die Einkommensteuerermäßigung aus dem Sonderausgabenabzug unterschreitet. 802 Diesen Vorteil als Subvention zu bezeichnen, ist allerdings nur vor dem Hintergrund der veranlagungszeitraumbezogenen Sichtweise des AVmG-Gesetzgebers gerechtfertigt. Wird hingegen die gleichmäßige Belastung des Lebenseinkommens angestrebt, wirkt der Belastungsvorteil als sachgerechter interperiodischer Progressionsausgleich, vgl. hierzu K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 669. 803 Sollten sich die gewährten Grund- sowie Kinderzulagen im Belastungsergebnis ausgewirkt haben, kommt es auf den Anteil der Zulagen an den Altersvorsorgebeiträgen an.

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vermeintliche, d.h. das Altersvorsorgevermögen „schädlich“ verwendende Altersvorsorge-Sparer profitiert davon, dass das Altersvorsorgevermögen aus unversteuertem Einkommen aufgebaut werden konnte (Zins- und Zinseszinseffekt). Zwar wird die Besteuerung nachgeholt. Dennoch konnte das Altersvorsorgevermögen infolge der Steuerbefreiung der Kapitalsammelstellen804 mit einer Rate wachsen, die der Bruttorendite entspricht, statt – wie bei traditioneller Besteuerung – der Nettorendite. Soll der vermeintliche Altersvorsorge-Sparer so gestellt werden, als ob er seine Ersparnisse aus versteuertem Einkommen gebildet hätte, ist eine zusätzliche, d.h. die Rechtsfolgen der §§ 93 Abs. 1 Satz 1; 22 Nr. 5 Satz 4 EStG ergänzende Belastung des schädlich verwendeten Altersvorsorgevermögens erforderlich.805 Anderenfalls steht sich auch der nur vermeintliche Altersvorsorge-Sparer günstiger als der traditionell besteuerte Investor, wobei das Ausmaß des Belastungsvorteils von der Anlagedauer, der erwirtschafteten Rendite und dem persönlichen Grenzsteuersatz abhängt.806 Eine derartige Zusatzbelastung enthält § 22 Nr. 5 Satz 5, 2. HS EStG. Hiernach unterliegt in einem speziellen Fall der schädlichen Verwendung, nämlich der Fremdvermietung oder Veräußerung von Wohneigentum, das mit Altersvorsorgevermögen erworben wurde, eine fiktive fünfprozentige Verzinsung (Zins- und Zinseszins) der Einkommensteuer. Vergleichbar wirkt die USamerikanische Regelung der Section 72 (t) Internal Revenue Code, wonach auf vorzeitige Auszahlungen unversteuerter Ersparnisse eine Strafsteuer erhoben wird.807 Der Weg einer systemgerechten Zusatzbelastung wurde bereits oben in Kapitel 2 Abschn. A.III. auf den Seiten 71 ff. beschrieben (Belastungskorrekturfaktor).

804

Vgl. dazu oben Abschn. II.3., S. 200 ff. A. Risthaus, Förderung der zusätzlichen privaten Altersvorsorge (FN 775), DB 2001, 1269 (1278) kommt zu dem gegenteiligen Ergebnis, indem sie nicht das reinvermögenszugangstheoretische Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer, sondern dessen äußerst lückenhafte Umsetzung in die Besteuerungswirklichkeit zum Vergleichsmaßstab nimmt. Dann dürften in der Tat nach der Rückzahlung der steuerlichen Förderung weder die im Rahmen von Investmentfonds erwirtschafteten Veräußerungsgewinne besteuert werden (§ 40 Abs. 1 KAGG) noch Zinsen aus Kapitallebensversicherungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG). Ebenso könnte im Hinblick auf den Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) argumentiert werden, vgl. P. Fischer, Missverständnisse zur nachgelagerten Besteuerung (FN 28), FR 2001, FR 2001, 613 (619). 806 Vgl. dazu Kapitel 2 Abschn. A.III., S. 71 ff. [Belastungskorrekturfaktor]. 807 Diese Zusatzbelastung beträgt 10%, vgl. dazu ausführlich m. w. N. D. Wellisch, Steuerliche Förderung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge und Rentenbesteuerung, StuW 2001, 271 (279). 805

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

2. Lebensendvermögensbesteuerung (§ 93 Abs. 1 Satz 5 EStG) Verstirbt der Steuerpflichtige und vererbt er das Altersvorsorgevermögen jemand anderem als seinem zusammenveranlagten Ehegatten, sind die Regelungen für die schädliche Verwendung entsprechend anzuwenden, § 93 Abs. 1 Sätze 5 u. 6 EStG.808 Die gewährten Zulagen sowie Einkommensteuerermäßigungen aus dem Sonderausgabenabzug der Altersvorsorgebeiträge werden zurückgefordert, soweit sie auf das vererbte Altersvorsorgevermögen entfallen (§ 93 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dieses unterliegt abzüglich der Zulagen und Eigenbeiträge zudem beim Erben der Einkommensteuer, § 22 Nr. 5 Sätze 1 i.V. m. 4 EStG. Hinzu kommt die Erbschaftsteuer auf das durch Erbanfall erworbene Altersvorsorgevermögen, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. § 93 Abs. 1 Satz 5 i.V. m. § 22 Nr. 5 Sätze 1 u. 4 EStG besteuert das Lebensendvermögen, das der Erblasser aus unversteuertem Einkommen gebildet hat. Insbesondere macht es – abgesehen von interpersonalen Progressionsverzerrungen – keinen Unterschied, ob das Altersvorsorgevermögen, welches infolge des frühen Ablebens des Altersvorsorge-Sparers nicht als Riester-Rente ausgezahlt wurde, beim Erblasser oder beim Erben nachbelastet wird.809 Im Ergebnis kann der Erbe jeweils über das um Einkommensteuer (und Erbschaftsteuer) geminderte Altersvorsorgevermögen verfügen. Die Einkommensteuer belastet indirekt die bislang unversteuerten Reinvermögensmehrungen des Erblassers nach, die Erbschaftsteuer besteuert unmittelbar die Bereicherung des Rechtsnachfolgers. Allerdings sind der Rückzahlungsbetrag (§ 93 Abs. 1 Satz 1 EStG) sowie die Einkommensteuer, die der Rechtsnachfolger gem. § 22 Nr. 5 Satz 4 EStG auf das ererbte Altersvorsorgevermögen schuldet, als Erblasserschulden gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zum Abzug von der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage zuzulassen. Sie rühren noch vom Erblasser her (nachholende Besteuerung des Erblassereinkommens). Zwar kommt nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung ein Abzug latenter Einkommensteuerlasten von der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage nicht in Betracht. Erst der Erbe verwirkliche den einkommensteuerlichen Tatbestand. Die Einkommensteuerschuld rühre infolgedessen nicht vom Erblasser her.810 Allerdings stützte sich diese Auffassung u. a. auf § 35 EStG a. F., der eine Anrech808 Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine „Auszahlung“ des zur Altersvorsorge angesammelten Vorsorgekapitals erforderlich, § 93 Abs. 1 Satz 5 EStG. Hierunter ist aber wohl auch die Übertragung des Vorsorgekapitals auf den Altersvorsorgevertrag eines anderen Steuerpflichtigen zu subsumieren. Denn anderenfalls hätte es der Ausnahmeregelung des § 93 Abs. 1 Satz 6 EStG nicht bedurft, wonach § 93 Abs. 1 Satz 5 EStG nicht anzuwenden ist, wenn das Altersvorsorgevermögen auf einen Altersvorsorgevertrag der zusammenveranlagten Ehegatten übertragen wird. 809 Dieser Rechtsgedanke kommt auch in § 45 Abs. 1 Satz 1 AO zum Ausdruck, wonach bei Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger übergehen.

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nung der Erbschaftsteuer auf die Einkommensteuer vorsah. Nachdem diese Vorschrift durch das StSenkG außer Kraft gesetzt wurde, rechnet das Schrifttum mit einer Rechtsprechungsänderung.811 Sollte der BFH auf seinem Standpunkt verharren, ist der Gesetzgeber gefordert, der Belastung trotz fehlender Erbenbereicherung mit einem Abzugstatbestand Einhalt zu gebieten812, vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 12 Abschn. C.II.2., Seiten 297 ff.

Dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer genügt die Einkommen- und Erbschaftsteuerbelastung des Altersvorsorgevermögens nicht. Wiederum wird der Vorteil aus der Akkumulierung der Altersvorsorgebeiträge zum Bruttozinssatz nicht abgeschöpft. Der verstorbene Altersvorsorge-Sparers und sein Erbe stehen sich trotz einkommensteuerlicher Nachbelastung (§ 93 Abs. 1 Satz 5 i.V. m. § 22 Nr. 5 Satz 4 EStG) besser als ein traditionell besteuerter Investor und sein Rechtsnachfolger. Ihre Gleichbehandlung würde die Anwendung des in Kapitel 2 Abschn. A.III. auf den Seiten 71 ff. vorgestellten Belastungskorrekturfaktors auf das vererbte Altersvorsorgevermögen erfordern, das nach der Rückforderung der steuerlichen Förderung (§ 93 Abs. 1 Satz 1 EStG) Einkommensbesteuerung (§ 22 Nr. 5 Satz 4 EStG) verbleibt. 3. Wegzug (§ 95 EStG) Endet die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht durch Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts (Wegzug), sind die gewährten Zulagen sowie die gemäß § 10a Abs. 4 EStG gesondert festgestellte Steuerermäßigung aus dem Sonderausgabenabzug zurückzuzahlen, § 95 Abs. 1 i.V. m. 93 Abs. 1 Satz 1 EStG. Auf Antrag des AltersvorsorgeSparers wird der Rückzahlungsbetrag bis zum Beginn der Auszahlung des Altersvorsorgevermögens gestundet, § 95 Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Stundung verlängert sich über den Auszahlungsbeginn hinaus, wenn der Rückzahlungsbetrag mit mindestens 15% der Leistungen aus dem Altersvorsorgevertrag getilgt wird, § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG. Die Rückzahlung wird erlassen, sobald die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht erneut begründet wird, § 95 Abs. 3 Satz 1 EStG. Zudem soll das Altersvorsorgevermögen, welches an den verzogenen Altersvorsorge-Sparer ausgezahlt wird, der Einkommensteuer unterliegen, § 22 Nr. 5 Satz 4 EStG.

810 Vgl. BFH v. 11.01.1961 II 272/58 U, BStBl III 1961, 162; v. 05.07.1978 II R 64/73, BStBl II 1979, 23 (24); v. 06.12.1989 II B 70/89, BFH/NV 1990, 643. 811 Vgl. J. P. Meincke, ErbStG (FN 176), § 10 Rz. 32; Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 03/1999, § 10 Rz. 140. 812 So auch J. P. Meincke, Zur Abstimmung von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer, in J. Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS Tipke, 1995, S. 391 (400).

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Kap. 6: Private Zukunftsvorsorge

Keine Einmalbelastung von Altersvorsorgevermögen Bei einem Wegzug des Altersvorsorge-Sparers ist die Einmalbelastung des Altersvorsorgevermögens nicht gewährleistet. Kennt das Einkommensteuergetz des neuen Ansässigkeitsstaates keinen Tatbestand, der Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen erfasst, hat der umgezogene AltersvorsorgeSparer zwar die steuerliche Förderung sukzessive zurückzuzahlen, §§ 95 Abs. 1 u. 2 i.V. m. 93 Abs. 1 EStG. Der Rückzahlungsbetrag korrespondiert aber lediglich mit den geleisteten Altersvorsorgebeiträgen. Infolgedessen bleiben die hiermit erwirtschafteten Erträge unbelastet. Diese sollen zwar von § 22 Nr. 5 Satz 4 EStG erfasst werden, der seinem Wortlaut nach auch in den Fällen des § 95 EStG Anwendung findet. Für eine deutsche Besteuerung der Vorsorgekapitalerträge fehlt es jedoch an dem erforderlichen Inlandsbezug. So ist die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1–3 EStG) Tatbestandsvoraussetzung des §§ 22 Nr. 5 Satz 4 i.V. m. 95 Abs. 1 Satz 1 EStG. Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen unterliegen aber auch nicht der beschränkten Einkommensteuerpflicht, §§ 1 Abs. 4 i.V. m. 49 EStG. Der Gesetzgeber hat es versäumt, § 22 Nr. 5 EStG in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG aufzunehmen. Damit läuft § 22 Nr. 5 Satz 4 EStG leer. Die Altersvorsorgekapitalerträge unterliegen weder im Zuzugsstaat noch im Wegzugsstaat der Besteuerung (sog. weiße Einkünfte). Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Rückforderung der steuerlichen Förderung Zieht der Altersvorsorge-Sparer in einen EU-Mitgliedstaat, in dem Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen der Einkommensteuer unterliegen, verstößt § 95 EStG gegen den EG-Vertrag813, vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 9 Abschn. D.I.4.a) auf den Seiten 259 ff. Selbst wenn der Wohnsitzwechsel nicht mit grenzüberschreitenden ökonomischen Aktivitäten einhergehen sollte und die wirtschaftlichen Grundfreiheiten des EG-Vertrages deshalb nicht eingreifen mögen814, ist jedenfalls Art. 18 EG einschlägig, der die allgemeine Freizügigkeit innerhalb der EU gewährleistet. Diese wird durch eine Doppelbelastung der Altersvorsorgebeiträge beschränkt, soweit die Riester-Rente im neuen Ansässigkeitsstaat der Einkommensteuer unterliegt (Besteuerung und Rückforderung der steuerlichen Förderung). 813 Im Ergebnis ebenso H. Hügelschäffer, Rückzahlung der „Riesterförderung“ bei Wegzug in das Ausland – Ein Fall für den Europäischen Gerichtshof?, BetrAV 2002, 134 (137). Krit. zur Rückforderung der Riester-Förderung auch V. Heydt, Die Besteuerung von Alterssicherung im Ausland, in Verband deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.), Besteuerung von Beiträgen und Leistungen in der Altersvorsorge, DRV-Schriften Bd. 29, 2001, S. 118 (127). 814 Vgl. dazu H. Hahn, Von Spartanern und Athenern, DStZ 2000, 14 (16, 18).

D. Nachgelagerte Besteuerung der sog. Riester-Rente

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Insbesondere kann die Kohärenz815 der Ersparnisbesteuerung die Beschränkung des allgemeinen Freizügigkeitsrechts nicht rechtfertigen. Zwar existieren bei der nachgelagerten Besteuerung der Riester-Rente zwei Rechtssätze, zwischen denen eine Beziehung dergestalt besteht, dass der eine, nämlich die Sonderausgabenabzugsfähigkeit der Altersvorsorgebeiträge (§§ 10a EStG), ohne den anderen in seiner Funktion beeinträchtigt wäre. Nur die Nachbelastung der Ersparnisauflösung durch § 22 Nr. 5 EStG sichert die Einmalbelastung des Altersvorsorgevermögens. „Zwingende Gründen des Allgemeininteresses“816 können für eine deutsche Besteuerung aber nicht angeführt werden, wenn Deutschland sich seines Besteuerungsrechts freiwillig begeben hat. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Besteuerungsbefugnis für Ruhegehälter in Anlehnung an Art. 18 OECD-MA817 DBArechtlich dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen wurde. Dann ist die „Makro,Kohärenz‘ auf Ebene der Doppelbesteuerungsabkommen“818, auf die der EuGH seit seinem Urteil vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-80/ 94819 (Wielockx) abstellt, auch ohne die Rückforderung der steuerlichen Förderung gewährleistet. Gemeinschaftsrechtskonforme Einmalbelastung des Altersvorsorgevermögens Eine gemeinschaftsrechtskonforme Einmalbelastung des Altersvorsorgevermögens auch bei grenzüberschreitenden Umzügen in einen EU-Mitgliedstaat erfordert zunächst, § 22 Nr. 5 EStG in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG aufzunehmen. Dies gewährleistet die Besteuerung der Vorsorgekapitalerträge auch jener Altersvorsorge-Sparer, die ihren Ruhestand in einem 815 Grundlegend EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992, I-249 Tz. 28 (Bachmann); einschränkend EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 24 (Wielockx). Vgl. dazu W. Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in W. Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 743 (763 ff., 770); R. Wernsmann, Kohärenz (FN 135), EuR 1999, 755 (762 ff.); H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (22 f.); U. Wölker, in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Bd. 1, 1997, Art. 48 Rz. 46. 816 EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. I-4165, 4197 Tz. 37 (Gebhard). 817 Vgl. zu Art. 18 OECD-MA nur J. Mössner, Generalbericht, sowie P. A. Dötsch, Deutschland, in International Fiscal Association (Hrsg.), International tax aspects of deferred remuneration, Munich Congress 2000, Vol. LXXXVb (2000), S. 21 (57), S. 415 (427 ff.); W. Gassner, International Tax Aspects of Deferred Remuneration, IStR 2000, 486 (488 f.); T. Ebel, Lohnsteuerliche Gestaltungen durch Deferred Compensation (Arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung), FR 2000, 241 (246). 818 W. Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit (FN 815), in GS Knobbe Keuk (FN 815), S. 743 (770). 819 EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 24 (Wielockx).

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Kap. 7: Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip

Staat verbringen, in dem Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen nicht der Einkommensteuer unterliegen. Darüber hinaus wäre auf die Rückforderung der steuerlichen Förderung zu verzichten. Würde DBA-rechtlich das sog. Belastungsprinzip820 vereinbart, wäre der deutsche Steuergläubiger dennoch an den Alterseinkünften der ins Besteuerungsausland verzogenen Steuerpflichtigen beteiligt. Als Vorbild könnte das DBA-Kanada821 dienen. Dessen Art. 18 Abs. 1 Satz 2 räumt dem anderen als dem Ansässigkeitsstaat die Befugnis ein, Ruhegehälter zu besteuern, „wenn die Beiträge zu den Altersversorgungskassen oder -systemen im anderen Staat steuerlich abzugsfähig waren“. Kapitel 7

Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip Das Bilanzsteuerrecht dient der Ermittlung von Einkommen. Es wird geprägt vom Realisationsprinzip, das Vermögensmehrungen, die in investiver Verwendung belassen werden, nachgelagert besteuert (unrealisierte Wertzuwächse). Markteinkommenstheoretisch ist diese Durchbrechung des Belastungsideals der traditionellen Einkommensteuer nicht gerechtfertigt. Weder Liquiditätsgesichts- noch Praktikabilitätsgesichtspunkte hindern eine Besteuerung, die unrealisierte Wertsteigerungen im Ergebnis ebenso belastet wie Reinvermögensmehrungen, die bereits durch einen Umsatzakt in Erscheinung getreten sind (Verteilung des Veräußerungsgewinns auf die Behaltedauer, Aufzinsung der Wertzuwachssteuer auf den Realisierungszeitpunkt). Realisierten Einkünften gewähren beschleunigte steuerliche Abschreibungen (z. B. § 7g EStG) sowie die Übertragbarkeit stiller Reserven (z. B. § 6b EStG) einen Besteuerungsaufschub.

820 Vgl. dazu R. Beiser, Die Gleichheit der Pensionsbesteuerung, DB 2002, 703 (706) sowie unten Kapitel 9 Abschn. D.III., S. 263 ff. Beiser begreift das Belastungsprinzip als Ausprägung des Territorialitätsprinzips (vgl. dazu H. Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht, in J. Lang [Hrsg.], Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS Tipke, 1995, S. 125 [128 ff.] m. w. N.), da die Reinvermögensmehrungen, die den Versorgungsleistungen zugrunde liegen, im Tätigkeitsstaat erwirtschaftet worden sind. 821 Gesetz zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen (DBA-Kanada) v. 23.03.2002, BGBl. II 2002, 670.

A. Realisationsprinzip im weiteren Sinne

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A. Realisationsprinzip im weiteren Sinne Der Einkommensteuer unterliegen nur realisierte Vermögensmehrungen.822 Das EStG823 grenzt Wertsteigerungen im Einkünfteerzielungsvermögen solange aus der Bemessungsgrundlage aus, wie sie nicht durch einen Umsatzakt in Erscheinung getreten sind. Dies gilt gleichermaßen für die Gewinn- und Überschusseinkunftsarten.824 I. Keine Steuerbarkeit nichtrealisierter Wertsteigerungen 1. Betriebsvermögen (Realisationsprinzip im engeren Sinne) Gewinneinkünfte werden regelmäßig durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt (§ 4 Abs. 1 EStG). Dabei sind die Bewertungsvorschriften der §§ 6 ff. EStG anzuwenden (§ 4 Abs. 1 Satz 6 EStG). Dies gilt gemäß § 4 Abs. 3 Sätze 3–5 EStG auch für die vereinfachte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG825 (Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben). Während nach § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG 1925 Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens grundsätzlich noch mit dem gemeinen Wert anzusetzen waren826, schreibt das Anschaffungswertprinzip der Num822 Vgl. B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, § 7 I; vgl. auch bereits E. Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, 1940, S. 207. Eine bilanzsteuerrechtliche Ausnahme vom Realisationsprinzip hat das StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.03.1999 (BGBl. I S. 402) mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 u. 3a EStG eingeführt: Die Abzinsungsgebot für langfristige unverzinsliche Verbindlichkeiten sowie Rückstellungen beruht auf dem Gedanken, dass mit dem bilanzierten Verbindlichkeits- oder Rückstellungsbetrag Erträge in Höhe von 5,5% erwirtschaftet werden können. Insofern bildet das Bilanzsteuerrecht auch nichtrealisierte Vermögensmehrungen ab. 823 Gleiches gilt für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer, deren Bemessungsgrundlagen den Einkommensbegriff des EStG und die Regelungen zur Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugrunde legen (vgl. § 8 Abs. 1 u. 2 KStG sowie § 7 GewStG). 824 Vgl. dazu sowie zu den Ausnahmen [insb. Entnahme- und Betriebsaufgabebewertung, §§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1; 16 Abs. 3 S. 2 u. 3 EStG] H.-G. Ruppe in H/H/R (FN 58), § 2 EStG Anm. 11a; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (FN 822), § 7 I–III. 825 Wertsteigerungen werden auch bei vereinfachter Gewinnermittlung erst berücksichtigt, wenn das betreffende Wirtschaftsgut veräußert und der gezahlte Kaufpreis vereinnahmt wurde, vgl. H. Weber-Grellet, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 3 Rz. 392 u. 398. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die Absetzung für Abnutzung zu verringern (§ 4 Abs. 3 S. 4 EStG) bzw. in ein Anlageverzeichnis aufzunehmen (§ 4 Abs. 3 S. 5 EStG). 826 Allerdings enthielt § 19 Abs. 2 EStG 1925, der insoweit § 32 Abs. 2 Satz 2 EStG 1920 entsprach, das Wahlrecht, Wirtschaftsgüter stattdessen mit den Anschaf-

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Kap. 7: Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip

mern 1 und 2 des § 6 Abs. 1 EStG nunmehr den Ansatz von Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten vor, gemindert um die Absetzung für Abnutzung (AfA). Das Anschaffungswertprinzip entspricht dem handelsrechtlichen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung, „Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind“, 252 Abs. 1 Nr. 4 HS 2 HGB. Infolgedessen findet das Realisationsprinzip bei der Ermittlung des Betriebsvermögens von bilanzierenden Steuerpflichtigen bereits über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG Anwendung827 (Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz). Es ist Ausdruck des allgemeinen Vorsichtsprinzips und gilt als Maßstab für den zeitgerechten Ausweis von Erträgen und Aufwendungen („grundlegendes Aktivierungs- und Passivierungsprinzip“828).

Unrealisierte Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens treten aufgrund des Realisationsprinzips in Ermangelung eines Umsatzaktes einkommensteuerlich nicht in Erscheinung.829 Wertminderungen hingegen werden als Erwerbsaufwendungen berücksichtigt, sobald sie wirtschaftlich verursacht wurden, §§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HS 1, 253 Abs. 2 Satz 3 HGB (Imparitätsprinzip), § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG (Teilwertabschreibung).830 Für die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (§ 17 EStG) kommt es auf die Verwirklichung des Veräußerungstatbestands an.831 Zwar gilt § 17 EStG als „Gewinnermittlung eigener Art“832. Dennoch gilt der Veräußerungstatbestand in dem Zeitpunkt als erfüllt, „zu dem bei einer fungs- oder Herstellungskosten unter Abzug der Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung zu bilanzieren. 1934 wurde die Bewertungsregel des § 19 Abs. 2 EStG 1925 allerdings zum Grundsatz erhoben (Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 EStG: kaufmännisches Anschaffungswertprinzip); vgl. dazu Amtl. Begr. zum EStG 1934, RStBl. 1935, 33 (38): „Hauptsächlichster Maßstab für die Bewertung des Betriebsvermögens war bisher der gemeine Wert [. . .]. Im § 6 sind diese Bewertungsvorschriften völlig neu gestaltet worden mit dem Ziel, sie, soweit mit den fiskalischen Belangen vereinbar, an die kaufmännische Übung anzupassen. Deshalb sind an die Stelle des gemeinen Werts als grundsätzlicher Maßstab für die Bewertung die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getreten.“ 827 Vgl. K. Tipke, Rechtfertigung des Themas; Ziel der Tagung, in H.-G. Ruppe (Hrsg.), Gewinnrealisierung im Steuerrecht, DStJG 4 (1981), S. 1 (5). 828 H. Weber-Grellet, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 5 Rz. 78 m. w. Nachw. 829 Vgl. B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (FN 822), § 3 III 4 c; vgl. auch bereits BFH v. 27.5.1964 IV 352/62 U, BStBl II 1964, 478; v. 16.9.1970 I R 184/67, BStBl II 1971, 85. 830 Vgl. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 403; B. KnobbeKeuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (FN 822), § 3 III 4 c; H. Weber-Grellet, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 5 Rz. 80; H.-G. Ruppe, in H/H/R (FN 58), Einf. ESt, Anm. 20. 831 Vgl. BFH v. 30.06.1983 IV R 113/81, BStBl II 1983, 640 (641). 832 BFH v. 30.06.1983 IV R 113/81, BStBl II 1983, 640 (641).

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Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG) nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung Gewinn realisiert wäre“833. Unrealisierte Wertsteigerungen bleiben ebenfalls unberücksichtigt. 2. Privatvermögen (Zuflussprinzip) Wie oben in Kapitel 6 Abschn. B. auf den Seiten 187 ff. gezeigt, erfassen die Überschusseinkunftsarten (§ 2 Abs. 2 Nr. 4–7 EStG) Wertveränderungen nur ausnahmsweise, nämlich bei Veräußerungseinkünften, die innerhalb der Fristen des § 23 EStG erzielt werden. Hier gilt das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.834 Unrealisierte Wertsteigerungen werden infolgedessen auch im privaten Einkünfteerzielungsvermögen nicht erfasst, da insoweit der Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung maßgeblich ist.835 II. Besteuerungsaufschub für Vermögensmehrungen, die in investiver Verwendung verbleiben Solange Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern des Einkünfteerzielungsvermögens nicht durch einen Umsatzakt in Erscheinung treten und kein Ersatzrealisierungstatbestand verwirklicht wird (z. B. Entnahme), bleiben die betreffenden Reinvermögensmehrungen nach geltendem Abgabenrecht unbesteuert (Realisationsprinzip). Da sie solange aber auch nicht in die Konsumsphäre des Steuerpflichtigen überführt werden, verweilen sie in investiver Verwendung. Einkommen wird nachgelagert besteuert (Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen, zinsloser Steuerkredit836). Der spätere Steuerzugriff befreit die marktübliche Kapitalverzinsung implizit von der Besteuerung, vgl. oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1, Seiten 64 ff. So führt auch die Advisory Commission of Intergovernmental Relations zur traditionellen und nachgelagerten Besteuerung unrealisierter Wertzuwächse aus: „Taxes on real estate and other kinds of wealth require periodic assessments of property values. While market values art the conceptually correct basis for these valuations as they are for the expenditure tax, the important difference is that taxes on property neccissitate periodic valuations whether or not the property is

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BFH v. 30.06.1983 IV R 113/81, BStBl II 1983, 640 (641). Vgl. W. Heinicke, in L. Schmidt, EStG21 (FN 141), § 23 Rz. 56 [auch zur Ausnahme des § 23 Abs. 3 S. 7 EStG – Einlage in das Betriebsvermögen]. 835 Vgl. H/H/R (FN 58), § 11 EStG Anm. 5. 836 A. A. wohl D. Schneider, Einkommensteuer, Konsumsteuer und Steuerreformen der letzten Jahre, Finanzarchiv N.F. 49 (1991/92), 534 (550), 834

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Kap. 7: Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip

sold whereas under the expenditure tax market values are relevant only when transactions actually occur. In other words, the correct measurement of the tax base for taxation of income and property requires hypothesizing what the market would charge or pay, if the goods or the services they render were bought or sold on the market place while the expenditure tax mechanism allies on what the market did in fact charge or pay.“837

III. Durchbrechung des reinvermögenszugangstheoretischen Belastungsideals markteinkommenstheoretisch begründet? 1. Reinvermögenszugangstheoretische Erfassung auch unrealisierter Wertzuwächse Nach dem reinvermögenszugangstheoretischen Ideal der traditionellen Einkommensteuer werden Wertveränderungen im Vermögensbestand nicht erst dann belastet, wenn sie durch einen Umsatzakt in Erscheinung getreten sind, also realisiert wurden.838 Hinsichtlich der Schanz’schen Einkommensdefinition, die auf den „Reinvermögenszugang [innerhalb] eines bestimmten Zeitabschnittes“ abstellt, um „die wirtschaftliche Kraft einer Person in einer bestimmten Periode“ zu messen839, ist dies nicht unumstritten. So grenzt das Schrifttum die Reinvermögenszugangstheorie und die Reinvermögenszuwachstheorie in uneinheitlicher Weise voneinander ab. Während Joachim Lang840, H.-G. Ruppe841 und Max Lion842 meinen, beide Einkommensbegriffe würden auch unrealisierte Vermögensänderungen umfassen, sehen Dieter Schneider843, Küting/Kessler844 und wohl auch Stefan Homburg845 hierin den Unterschied zwischen dem Schanz’schen Einkommensbegriffs und der Reinvermögenszuwachstheorie. 837 Advisory Commission of Intergovernmental Relations, The Expenditure Tax: Concept, Administration and possible Applications, Information Report M-84, Washington 1974. 838 Einen anderen Ansatz vertritt z. B. Theodor Siegel, der dem Realisationsprinzip nicht nur aus Praktikabilitätsgesichtspunkten grundlegende Bedeutung beimisst, vgl. T. Siegel, Steuern (FN 565), Handbuch der Wirtschaftsethik, S. 382. Folgerichtig sollen aber auch unrealisierte Reinvermögensminderungen unbeachtlich (ebd., S. 366), d.h. Rückstellungen unzulässig sein. 839 Vgl. G. v. Schanz, Einkommensbegriff (FN 42), Finanzarchiv 1896, 1 (23 u. 5). 840 Vgl. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 107, § 8 Rz. 32; ders., Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 172 FN 676. 841 Vgl. H.-G. Ruppe in H/H/R (FN 58), Einf. ESt, Anm. 12 u. 20. Der Unterschied zwischen beiden Theorien bestehe darin, dass die Reinvermögenszuwachstheorie die konsumtiv verwendete Vermögensmehrungen nicht zur periodischen Reinvermögensänderung hinzu addiere (statischer Vergleich des Reinvermögens an zwei Stichtagen). 842 Vgl. M. Leon, Der Einkommensbegriff nach dem Bilanzsteuerrecht und die Schanzsche Einkommenstheorie, in H. Teschemacher (Hrsg.), Beiträge zur Finanzwissenschaft II, Festgabe für Schanz, 1928, S. 273 (286).

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Nach Dieter Schneider ist es eine „Fehldeutung zu folgern, dem Einkommensbegriff von Schanz entspräche es, unrealisierte Gewinne auszuweisen und zu besteuern“846. Schneider begründet seine Auffassung mit der Schanz’schen Ausführung, dass sich die „Steuerpflichtigen in dem Moment der Realisierung gleichstehen [müssen], und das geschieht, indem man die bis zum Moment der Realisierung sich ergebenden Wertmehrungen und Wertminderungen im Einkommen berücksichtigt“847. Joachim Lang folgert aus diesem Zitat genau das Gegenteil, nämlich das Gebot einer Wertzuwachsbesteuerung.848 Auch nach Popitz ist es „gleichgültig, ob es sich um tatsächlich zu- und abfließende Einnahmen und Ausgaben oder um Änderungen in der Bewertung der Vermögensgegenstände gegenüber dem Ausgangspunkt handelt“849. Selbst wenn sich von Schanz missverständlich ausgedrückt haben sollte, sind jedenfalls die Ausführungen von Haig und Simons, auf die das Schanz-HaigSimon’sche Ideal der traditionellen Einkommensteuer ebenfalls zurückgeführt wird, hinsichtlich unrealisierter Wertveränderungen eindeutig. So ist es sowohl für den periodischen Zuwachs an Bedürfnisbefriedigungsfähigkeit – „the increase of accretion in one’s power to satisfy his wants in a given period in so far that power consists of a) money itself, or b) anything susceptible of valuation in terms of money“850 – als auch für die Summe aus Verbrauch und Reinvermögensänderung einer Periode

843 Vgl. D. Schneider, Realisationsprinzip und Einkommensbegriff, in Baetge/ Moxter/Schneider (Hrsg.), Bilanzfragen, FS Leffson, 1976, S. 101 (109); ders., Steuerbilanzen, 1978, S. 53 ff. 844 Vgl. Küting/Kessler, Imparitätsprinzip und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (FN 40), StuB 2000, 21 (23) [mit Hinweis auf die uneinheitliche Terminologie]. 845 Vgl. S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 223 i.V. m. 219. 846 Vgl. D. Schneider, Steuerbilanzen (FN 844), S. 109. 847 G. v. Schanz, Einkommensbegriff (FN 42), Finanzarchiv 1896, 1 (44). Die vollständige Passage lautet: „Nicht absehen kann man aber von der Tatsache, dass beim Realisieren Gewinn oder Verlust gemacht wird. Denn ein erheblicher Unterschied darf doch nicht lediglich durch die Form der Gewinnfeststellung begründet werden, kann doch nicht davon abhängen, ob man kaufmännische Buchführung hat oder nicht. In dem Moment der Realisierung müssen sich die Steuerpflichtigen gleichstehen, und das geschieht, indem man die bis zum Moment der Realisierung sich ergebenden Wertmehrungen und Wertminderungen im Einkommen berücksichtigt.“ 848 Vgl. J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 172 [FN 676]. Vgl. auch oben FN 840. 849 J. Popitz, Einkommensteuer, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 2, Jena 1926, S. 400 ff. (415). 850 M. Haig, Concept of Income (FN 45), S. 1 ff. (7, 27); vgl. dort auch S. 81: „It is easy for most people to elevate rules-of-thumb into logical necessities; and persons do seriously mantain, with more than verbal paradox, that income not realized is not income.“

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– „the algebraic sum of 1) the market value of the store of property rights exercised in consumption and 2) the change in the value of the store of property rights between the beginning and the end of the period in question“851 – unerheblich, ob die Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern bereits durch einen Umsatzakt in Erscheinung getreten sind oder nicht. Haig formuliert dies wie folgt: „It is easy for most people to elevate rules-of-thumb into logical necessities; and persons do seriously maintain, with more than verbal paradox, that income not realized is not income.“852

So sieht auch Klaus Tipke lediglich einen Vermögensartunterschied zwischen realisierten und unrealisierten Vermögensmehrungen. Eine steuerliche Lastenausteilung, die sich allein an Leistungsfähigkeitsaspekten orientiere, habe auch unrealisierte Wertzuwächse zu erfassen.853 2. Markteinkommenstheoretische Begründung der Durchbrechung tragfähig? Die gegenwärtige Nichtsteuerbarkeit unrealisierter Wertzuwächse wird gemeinhin – markteinkommenstheoretisch – mit der fehlenden Liquidität des Steuerpflichtigen sowie ihrer Unpraktikabilität begründet.854 Allein der Gleichlauf von Steuerschulden und Liquidität sichere eine maßvolle Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.855 Zwinge der Steuerzugriff zur Veräußerung oder Beleihung im Wert gestiegener Wirtschaftsgüter, werde gegen das rechtsstaatliche Übermaßverbot verstoßen856 (faktische Substanz851 H. C. Simons, Personal Income Taxation (FN 47), S. 15 u. 50; vgl. auch R. Goode, The Comprehensive Income Tax (FN 48), S. 268: „. . .a comprehensive income tax base would include all accretions to economic power of wealth – that is, the sum of consumption and the increase or decrease in a person’s net worth“. 852 M. Haig, Concept of Income (FN 45), S. 81. 853 Vgl. K. Tipke, Rechtfertigung des Themas (FN 827), DStJG 4 (1981), S. 4 f. Krit. zu dieser „Umkehrung der bisherigen Sicht des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei der Besteuerung stiller Reserven“ [Entnahme, Betriebsaufgabe und ähnliche Tatbestände als Ausfluss des unter Leistungsfähigkeitsaspekten gebotenen Nichtrealisationsprinzips, das vom Anschaffungswertprinzip des § 6 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 EStG durchbrochen wird] B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht (FN 822), § 7 I. 854 So T. Siegel, Rückstellungen in der Steuerbilanz und Leistungsfähigkeitsprinzip, StuB 2000, 29 (30) zu Küting/Kessler, Imparitätsprinzip und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (FN 40), StuB 2000, 21 ff. 855 Vgl. J. Lang, Bemessungsgrundlage (FN 35), S. 173 f. Krit. J. Thiel, Bilanzrecht, 4. Aufl. 1990, S. 118. 856 Vgl. K. Tipke, Rechtfertigung des Themas (FN 827), DStJG 4 (1981), S. 5. Krit. zur angeblichen Unzumutbarkeit des Steuerzugriffs auf unrealisierte Reinvermögensmehrungen O. Gandenberger, Läuft die Besteuerung von Wertzuwächsen auf eine Doppelbesteuerung hinaus?, Kredit und Kapital 1974 (Bd. 7), 129 (136); O. Ebnet, Die Besteuerung des Wertzuwachses, 1978, S. 154.

A. Realisationsprinzip im weiteren Sinne

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besteuerung). Verhältnismäßig sei eine Belastung unrealisierter Wertsteigerungen nur, wenn die Durchsetzung des Steueranspruchs anderenfalls gefährdet sei (ultima ratio-Maßnahme).857 Zudem scheitere eine gleichmäßige Besteuerung von Wertzuwächsen an fehlenden objektiven Bewertungsmaßstäben. Es könne nicht auf Veräußerungspreise zurückgegriffen werden, die am Markt erzielt wurden (Praktikabilitätsgesichtspunkte).858 a) Liquiditätsmangel? Illiquidität bei Wertzuwächsen im Einkünfteerzielungsvermögen zwingend? Liquidität ist der Zahlungsmittelbestand, der dem Steuerpflichtigen zur Verfügung steht. Hierauf stellt das Leitbild der traditionellen Einkommensteuer allerdings gerade nicht ab, vielmehr sucht es die periodische Reinvermögensänderung zu belasten (Aktivierung erfolgsneutraler Investitionsauszahlungen; Passivierung zahlungsmittelbestandsneutraler Rückstellungen). Etwas anderes könnte jedoch in Bezug auf unrealisierte Wertzuwächse gelten. So soll eine Besteuerung, die den Zwang ausübt, Wirtschaftsgüter zu veräußern, „den Geist des Art. 14 GG“859 verletzen. Zweifelhaft ist bereits der Veräußerungszwang, der von einer Wertzuwachsbesteuerung ausgehen soll. So hat ein von der Wertentwicklung begünstigter Eigentümer die Möglichkeit, seine Dispositionen an die Wertsteigerung anzupassen.860 Die Reinvermögensmehrungen können indirekt dem Konsum zugeführt oder eben auch zur Tilgung von Steuerschulden verwendet werden, indem die Ersparnisbildung aus liquiden Einkünften vermindert oder ein Kredit aufgenommen wird.861 Selbst wenn weder anderweitige Li857 Vgl. die in FN 824 genannten Ausnahmen vom Realisationsprinzip [Entnahme, Betriebsaufgabe]; dazu auch K. Tipke, Rechtfertigung des Themas Rechtfertigung des Themas (FN 827), DStJG 4 (1981), S. 5. Vgl. [zu §§ 11, 12 KStG und § 6 AStG] auch H. Schaumburg, Systemdefizite im internationalen Steuerrecht, StuW 2000, 369 (373, 374). 858 Vgl. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 105. Vgl. zur Bewertungsproblematik auch die Einheitswertbeschlüsse des BVerfG v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91; 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 121 ff.; 165 ff. 859 Vgl. nur K. Tipke, Rechtfertigung des Themas Rechtfertigung des Themas (FN 827), DStJG 4 (1981), S. 5. 860 So z. B. O. Gandenberger, Läuft die Besteuerung von Wertzuwächsen auf eine Doppelbesteuerung hinaus?, Kredit und Kapital 1974, 129 (136 f.). 861 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Probleme und Lösungsmöglichkeiten einer Bodenwertzuwachsbesteuerung, BMF-Schriftenreihe Heft 22, 1976, S. 20. Krit. hierzu H.-G. Ruppe in H/H/R (FN 58), § 2 EStG Anm. 11a.

218

Kap. 7: Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip

quidität zur Verfügung steht noch die im Wert gestiegenen Wirtschaftsgüter beliehen werden können, bedarf es nicht der Veräußerung des gesamten Einkünfteerzielungsvermögens, das im Wert gestiegen ist. Erhöht sich z. B. der Kurswert von Anteilen an börsennotierten Aktiengesellschaften, genügt der Verkauf eines Teils der Aktien, um die Wertzuwachssteuer zu begleichen. Insoweit steht sich der Aktionär ebenso wie ein Steuerpflichtiger mit Einkünften z. B. aus nichtselbständiger Arbeit, der ebenfalls lediglich sein Nach-Steuer-Einkommen zum Aktienerwerb verwenden kann. Auch liquiditätsmäßig macht es allenfalls einen geringfügigen Unterschied, ob Steuerzahlungen von einem Gehaltskonto geleistet werden oder zuvor ein Verkaufsauftrag an die depotführende Bank erteilt wird. Warum die Aktionärsbesteuerung unzumutbar sein sollte, die Lohnsteuer aber nicht, ist deshalb nicht ersichtlich.862 Verzinsliche Steuerstundung Selbst wenn aber unterschiedliche Liquiditätsgrade vorhanden sind und auch tatbestandlich abgebildet werden sollen, sind die Belastungsvorteile für unrealisierte Wertsteigerungen (stille Reserven) nicht zwingend. So könnte die Einkommensteuer auf den unrealisierten Vermögenszuwachs periodisch festgesetzt und bis zur Realisierung der Wertsteigerung gestundet werden.863 Zwar ergäbe sich hieraus kein Unterschied zum Status Quo, wenn von interperiodischen Progressionsverzerrungen abgesehen und auf eine Verzinsung der gestundeten Wertzuwachssteuer verzichtet würde (zinsloser Steuerkredit). Sowohl dem reinvermögenszugangstheoretischen Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer als auch der Liquiditätslage der Steuerpflichtigen würde jedoch eine Aufdiskontierung der Wertzuwachssteuer Rechnung tragen. Realisierte und unrealisierte Wertsteigerungen würden im Ergebnis gleichermaßen belastet, ohne dass der Steuerzugriff unverhältnismäßig wäre (kein Veräußerungszwang). Liquiditätsunterschiede sind infolgedessen nicht geeignet, die gegenwärtige Beschränkung des reinvermögenszugangstheoretischen Belastungsideals der traditionellen Einkommensteuer auf realisierte Wertzuwächse zu rechtfertigen.864 Wie die letzten beiden Spalten der folgenden Tabelle zeigen, ginge die im Rahmen der traditionellen Einkommensteuer systemkonforme Aufdiskontierung einer gestundeten Wertzuwachssteuer allerdings mit erheblichen Mehrbelastungen 862 Wie hier auch Musgrave/Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis, Bd. 2, 1975, S. 70. 863 So auch R. Elschen, Institutionale oder personale Besteuerung von Unternehmensgewinnen (FN 453), S. 323. 864 So auch O. Ebnet, Die Besteuerung des Wertzuwachses – Ein theoretischer Ansatz im Rahmen der Einkommensermittlung, 1978, S. 155.

100.000,00

108.000,00

116.640,00

125.971,20

136.048,90

146.932,81

158.687,43

171.382,43

185.093,02

199.900,46

215.892,50

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Summe

* 40% ESt; 8% Wertzuwachs.

Wert des WG

VZ

115.892,50

15.992,04

14.807,44

13.710,59

12.694,99

11.754,62

10.883,91

10.077,70

9.331,20

8.640,00

8.000,00

Wertzuwachs

6.396,81

6.219,13

6.046,37

5.878,42

5.715,13

5.556,37

5.402,03

5.251,97

5.106,09

4.964,25

disk. 5%

22,0%

6.396,81

5.922,98

5.484,24

5.078,00

4.701,85

4.353,56

4.031,08

3.732,48

3.456,00

3.200,00

Nominal

38,0%

63.968,15

6.396,81

6.396,81

6.396,81

6.396,81

6.396,81

6.396,81

6.396,81

6.396,81

6.396,81

6.396,81

disk. 8%

Reinvermögenszugangstheoretische ESt

Mehrbelastung im Vergleich zu den EStG-Regelungen:

46.357,00

46.357,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

Nachgelagerte ESt

56.536,57

46.357,00

46.357,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

EStG § 23 I Nr.1

46.357,00

115.892,50

115.892,50

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

Davon realisiert

Belastungswirkungen der Nichtsteuerbarkeit unrealisierter Wertsteigerungen sowie Aufdiskontierung einer gestundeten Wertzuwachssteuer*

A. Realisationsprinzip im weiteren Sinne 219

220

Kap. 7: Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip

für Steuerpflichtige einher, die über Einkünfteerzielungsvermögen verfügen, das im Wert gestiegen ist. Erwirbt ein Steuerpflichtiger zwecks Vermietung ein Grundstück für 100.000,– Euro (Einkünfteerzielungsvermögen), und steigt dessen Wert um jährlich 8%, so kann es nach knapp 10 Jahren für ca. 216.000,– Euro verkauft werden. Der Veräußerungsgewinn von 116.000,– Euro unterliegt nach § 23 Satz 1 Nr.1 EStG der Einkommensteuer, der Investor schuldet bei einer Grenzbelastung von 40% 46.357,– Euro Einkommensteuer (fünfte Tabellenspalte). Die gleiche Steuerlast ist bei nachgelagerter Besteuerung zu tragen (sechste Tabellenspalte). Die nichtrealisierten Wertsteigerungen des Grundstücks sind Reinvermögensmehrungen, die in investiver Verwendung belassen werden (Besteuerungsaufschub). Bei traditioneller Besteuerung hat der Investor hingegen den jährlichen Wertzuwachs zu versteuern. Nominal würde er zwar ebenfalls nur mit 46.000,– Euro belastet (siebente Tabellenspalte). Die Steuerzahlungen wären aber zu einem früheren Zeitpunkt zu leisten, weshalb ihr Endwert – d.h. die auf den Realisierungszeitpunkt aufgezinste Einkommensteuerschuld – die Steuer, welche nach geltendem Recht entsteht (Realisationsprinzip), überstiege, und zwar bei einem Aufdiskontierungsfaktor von 5% um 22% und bei einem Aufdiskontierungsfaktor von 8% um 38% (achte und neunte Tabellenspalte). Diesen Belastungsvorteil unrealisierter Wertzuwächse würde die vorstehend beschriebene Stundung und Aufzinsung der Wertzuwachssteuer abschöpfen, ohne dem Steuerpflichtigen vor dem Realisierungszeitpunkt Liquidität abzuverlangen.

b) Bewertungsproblematik? Wertzuwächse nicht ermittelbar? Das Realisationsprinzip wird zudem mit Praktikabilitätsproblemen gerechtfertigt, da eine Belastung auch unrealisierter Wertzuwächse eine laufende Bewertung des ruhenden Vermögensbestandes erfordere. In der Tat fehlt es an Markttransaktionen, an die für die Ermittlung der Wertveränderungen angeknüpft werden könnte. Zum einen hindert dies das geltende Bilanzsteuerrecht allerdings nicht, Wertminderungen bereits vor ihrer Realisierung zu berücksichtigen (z. B. Teilwertabschreibung). Sind die Bewertungsprobleme bei negativen Reinvermögensänderungen lösbar, müssten sie es eigentlich auch bei positiver Wertentwicklung sein. Zum anderen ist im Hinblick auf einen beträchtlichen Teil des Einkünfteerzielungsvermögens die Ermittlung auch unrealisierter Wertzuwächse gänzlich unproblematisch. So wird die Wertentwicklung von Anteilen an börsennotierten Aktiengesellschaften börsentäglich und damit auch am Anfang und Ende eines Veranlagungszeitraums veröffentlicht. In Bezug auf Grundstücke, die vor Jahrzehnten erworben wurden, dürfte das Stadium einer bloßen Gewinnchance ebenfalls regelmäßig überschritten sein.865 Der Anschaffungskostenansatz

B. Vereinfachte Gewinnermittlung

221

erscheint infolgedessen auch vor dem Hintergrund des Rechtssicherheitsprinzips nicht zwingend. Selbst wenn alle 30 Jahre eine Verdoppelung der Anschaffungskosten widerleglich vermutet würde, würden voraussichtlich nur wenige Steuerpflichtige den Gegenbeweis antreten. Durchschnittsverteilung der realisierten Wertsteigerung auf die Haltedauer Die steuerliche Lastenausteilung könnte allerdings selbst dann am Ideal der traditionellen Einkommensteuer ausgerichtet werden, wenn die für das Realisationsprinzip angeführten Bewertungsprobleme unüberwindbar wären. Zwar hätte der Steuerzugriff dann die Realisierung der Wertzuwächse abzuwarten. Der erzielte Veräußerungsgewinn wäre aber auf die einzelnen Veranlagungszeiträume der Behaltedauer aufzuteilen, wobei eine konstante Wertsteigerung pro Veranlagungszeitraum widerleglich vermutet werden könnte. Würden die dergestalt ermittelten Wertsteigerungen mit dem marktüblichen Zinssatz auf den Veranlagungszeitraum der Realisierung aufdiskontiert, wären auch unrealisierte Wertzuwächse im Ergebnis traditionell – statt wie derzeit nachgelagert – besteuert. Infolgedessen können die Belastungswirkungen des Realisationsprinzips vor dem Hintergrund der traditionellen Einkommensteuer auch mit Praktikabilitätsgesichtspunkten nicht begründet werden. Ihre Beseitigung ginge allerdings mit erheblichen Mehrbelastungen866 sparender Steuerpflichtiger einher, da unrealisierten Vermögensmehrungen nicht länger ein (zinsloser) Besteuerungsaufschub gewährt würde.

B. Vereinfachte Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 3 EStG)? Gewinneinkünfte von Steuerpflichtigen, die weder gesetzlich zur Bilanzierung verpflichtet sind noch freiwillig bilanzieren, werden gemäß § 4 Abs. 3 EStG als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt (vereinfachte Gewinnermittlung867). Das sog. Kassenrechnungsprinzip belastet den Unterschied zwischen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. Betriebseinnahmen gelten mit ihrem Zufluss als vereinnahmt (Zuflussprinzip, § 11 Abs. 1 EStG), Betriebsausgaben als in dem Veranlagungszeitraum aufgewendet, in dem die entsprechenden Zahlungen 865 Vgl. zu diesem Beispiel K. Tipke, Rechtfertigung des Themas (FN 827), DStJG 4 (1981), S. 4. 866 Vgl. dazu Tabelle oben in Abschn. a). 867 Vgl. nur J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 453.

222

Kap. 7: Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip

erfolgt sind (Abflussprinzip, § 11 Abs. 2 EStG). Die vereinfachte Gewinnermittlung ermittelt Einkünfte im Grundsatz zahlungsstromorientiert (Cash Flow-Besteuerung). Da Investitionen in Sach- und Finanzanlagen unmittelbar erfolgswirksam werden (Sofortabschreibung), wird investierten Reinvermögensmehrungen ein Besteuerungsaufschub gewährt.868 Die Sätze 3 und 4 des § 4 Abs. 3 EStG kodifizieren allerdings Ausnahmen vom Prinzip der Kassenrechnung.869 So werden Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nicht in dem Veranlagungszeitraum erfolgswirksam, in dem die betreffenden Auszahlungen erfolgen. Satz 3 verweist auf die AfA-Vorschriften der §§ 7 ff. EStG. Hieraus folgt, dass Ausgaben für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens über die Dauer der voraussichtlichen Nutzungszeit zu verteilen sind. Satz 4 bestimmt, dass nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erst im Zeitpunkt ihrer Veräußerung oder Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind. Investitionsauszahlungen werden auch insoweit nicht unmittelbar erfolgswirksam. Diese Durchbrechungen des Abflussprinzips ebnen die Unterschiede zwischen dem Betriebsvermögensvergleich und der vereinfachten Gewinnermittlung weitgehend ein. § 4 Abs. 3 EStG ist wegen der Ausnahmevorschriften der Sätze 3 und 4 gerade keine „im Wesentlichen reine Geldrechnung“870. Nur Reinvermögensmehrungen, die in Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens investiert werden, erhalten einen Besteuerungsaufschub.

C. Beschleunigte steuerliche Abschreibung (§§ 7d ff. EStG) Nach dem Ideal der traditionellen Einkommensteuer wirken sich Investitionsauszahlungen steuerlich entsprechend des tatsächlichen Wertverzehrs der angeschafften Wirtschaftsgüter aus (Reinvermögensminderung), bei nachgelagerter Besteuerung sind sie vollumfänglich in der Investitionsperiode abzugsfähig (Ersparnisbildung). Beschleunigte steuerliche Abschreibungen, d.h. solche, die die steuerliche Nutzungsdauer von der tatsächlichen abkoppeln, nehmen eine Zwitterstellung zwischen traditioneller Einkommensteuer und nachgelagertem Korrespondenzprinzip ein.

868 Vgl. zur Belastungsäquivalenz zur nachgelagerten Besteuerung oben Kapitel 2 Abschn. B.II., S. 74 ff. 869 Vgl. H. Weber-Grellet, in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 4 EStG Rn. D 7. 870 BFH v. 19.02.1975 I R 154/73, BStBl II 1975, 441. A. A. H. Weber-Grellet, in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 4 EStG Rn. D 9; R. Wacker, in Blümich (FN 142), § 4 EStG Rz. 30.

D. Übertragung stiller Reserven

223

Ob die degressive Abschreibung für Absetzung (AfA) gem. § 7 Abs. 2 EStG die true economic depreciation871 der traditionellen Besteuerung widerspiegelt, ist angesichts der Unsicherheit zukünftiger Zahlungsströme schwer zu beurteilen (Ertragswertabschreibung872). Jedenfalls Sonderabschreibungstatbestände, die der Verhaltenslenkung dienen (z. B. Umweltschutz- sowie Bauinvestitionen, vgl. § 7 Abs. 5 EStG a. F.; §§ 7d–7k EStG; Fördergebietsgesetz873), haben aber einen beschleunigten steuerlichen Wertverzehr zur Folge. Hier nimmt § 7g EStG eine Sonderstellung ein874, da die Anschaffung jeglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens kleinerer und mittlerer Betriebe gefördert wird (Sonder- und Ansparabschreibungen). Bis zu 20% der Anschaffungskosten sind zusätzlich zur degressiven AfA abzugsfähig (Ersparnisbildung aus unversteuertem Einkommen).

D. Übertragung stiller Reserven I. § 6b EStG § 6b EStG875 gewährt realisierten stillen Reserven einen Besteuerungsaufschub, soweit sie in bestimmten876 Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verhaftet waren und ihre Aufdeckung in Zusammenhang mit der Anschaffung ebensolcher Wirtschaftsgüter steht.877 § 6b EStG weitet damit die Durchbrechung878 des reinvermögenszugangstheoretischen Belastungs871 Vgl. nur J. E. Stiglitz, The Corporation Tax (FN 526), Journal ob Public Economics 1976, 303. 872 Vgl. D. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung (FN 32), S. 218 ff. (226). 873 Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet vom 23.09.1993 (Fördergebietsgesetz), BGBl. I S. 1654. 874 Vgl. auch U. Niehus, Systemcharakter des Einkommensteuerrechts (FN 732), DStZ 2000, 697 (704 f.); ders., Steuerliche Behandlung investiv verwendeter Einkommensbestandteile (FN 732), 131 ff. 875 Vgl. zur permanenten Änderung dieser Vorschrift H.-J. Kanzler, Die Reinvestitionsvergünstigung des § 6b EStG i. d. F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes, FR 2002, 117 (118); M. Strahl, Die Übertragung stiller Reserven gem. § 6b EStG in der Entwurfsfassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes, FR 2001, 1154 ff. 876 Krt. zur Beschränkung von § 6b EStG auf abschließend aufgezählte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Grundstücke etc.) R. Thiel, Übertragung stiller Reserven, 1965, S. 31. 877 Gemäß § 6c EStG findet § 6b EStG auch Anwendung auf Einnahmenüberschussrechner (§ 4 Abs. 3 EStG) sowie Land- und Forstwirte, die ihren Gewinn nach Durchschnittssätzen ermitteln (§ 13a EStG). 878 Vgl. hierzu oben Abschn. A., S. 211 ff.

224

Kap. 7: Bilanzsteuerrecht, insbesondere Realisationsprinzip

ideals durch das Realisationsprinzip aus.879 Kapitaleinkommen in Höhe der marktüblichen Verzinsung wird auch insoweit implizit von der Besteuerung befreit, als es mit realisierten und reinvestierten Reinvermögensmehrungen erwirtschaftet wird (zinsloser Steuerkredit trotz Realisierung).880 II. UmwStG, § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG (Rechtsträgerwechsel) Sowohl das UmwStG881 als auch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG i. d. F. des UntStFG882 ermöglichen die Übertragung stiller Reserven sogar trotz eines Rechtsträgerwechsels. Obgleich mit einer „Außentransaktion“ eigentlich ein Gewinnrealisierungstatbestand verwirklicht wurde883, wird der Besteuerungsaufschub des Realisationsprinzips weiterhin gewährt, solange die Buchwertverknüpfung die zukünftige Belastung der Wertzuwächse sichert. Die Bedeutung dieses zinslosen Steuerkredits, der wiederum allein mit der dem Belastungsideal der nachgelagerten Besteuerung zu vereinbaren ist, zeigt die Empfehlung der Kommission zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, eine allgemeine Entstrickungsklausel zu normieren. Eine „Vereinheitlichung der bestehenden Einzelregelungen würde nicht nur eine Vereinfachung bedeuten, sondern eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit mehr Systemgerechtigkeit bedeuten“, ihre Bedeutung steige zudem „in dem Umfang, in dem im Rahmen der bisherigen und der künftigen Gesetzgebung vermehrt die Realisierung stiller Reserven, z. B. in Umwandlungs- und Umstrukturierungsvorgängen, aufgeschoben wird“884.

879 Vgl. z. B. J. Thiel, Aufschub der Gewinnrealisierung durch §§ 6b, 6c EStG sowie durch das Auslandsinvestitionsgesetz und das Entwicklungsländersteuergesetz, in H.-G. Ruppe (Hrsg.), Gewinnrealisierung im Steuerrecht, DStJG 4 (1981), S. 183 (185). 880 So auch F. Dötsch, Die Behandlung der Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG im Rahmen der Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe, in W. Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 411 (412). 881 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) v. 28.10.1994, BGBl. I S. 3267. 882 Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts v. 21.12.2001 (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG), BGBl. I S. 3858 [Konkretisierung des vormaligen Mitunternehmererlasses, vgl. BMF-Schreiben v. 20.12.1977 – IV B 2 – S 2241 – 231/77, BStBl I 1978, 8 ff.]. 883 Vgl. nur Kommission zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, Bericht der Bundesregierung, FR 2001, Beilage zu Heft 11, S. 12. 884 Kommission zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, Bericht (FN 883), FR 2001, Beil. 11, S. 12.

A. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer

225

Kapitel 8

Ausländische Steuerrechtsordnungen Ausländische Abgabenrechtsordnungen besteuern Einkommen ebenfalls in vielfältiger Weise nachgelagert. So verfügen nach der Einführung einer Mehrwertsteuer vom europäischen Typ in Australien sämtliche Industriestaaten über eine allgemeine Verbrauchsteuer.885 In Dänemark z. B. beträgt der Umsatzsteuersatz 25%, woraus ein beträchtliches Gewicht der Verbrauchsbesteuerung am Gesamtsteueraufkommen resultiert. Auch existiert, soweit ersichtlich, weltweit kein Ertragsteuerrecht, das unrealisierte Wertzuwächse belastet.886 Zudem sind Aufwendungen für die staatliche Alterssicherung weitestgehend abzugsfähig. Näher betrachtet werden nachfolgend die Spreizung zwischen der körperschaftsteuerlichen Thesaurierungsbelastung und dem Spitzensatz der Einkommensteuer, die mittlerweile international üblich geworden ist, sowie die Besteuerung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge. Insoweit haben die ausländischen Regelungen der Entwicklung des deutschen Abgabenrechts den Weg gewiesen (25%-ige Körperschaftsteuer; nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente). Dies gilt insbesondere für das US-Steuerrecht, welches John McNulty aufgrund seiner Mischung aus Elementen traditioneller und nachgelagerter Besteuerung als „hybrid income tax“887 bezeichnet und von Marvin A. Chirelstein wie folgt beschrieben wird: „Our tax system is as it stands in some ways an irrational hybrid part-income, part-consumption tax.“888

A. Spreizung zwischen Körperschaftsteuer und Spitzensatz der Einkommensteuer Das StSenkG hat die körperschaftsteuerliche Thesaurierungsbelastung von 40% auf 25% abgesenkt, § 23 Abs. 1 KStG. Dividenden fließen nunmehr zur Hälfte in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage ein, 885 Das US-Steuerrecht kennt zwar kein Umsatzsteuer im klassischen Sinne (value added tax). Eine indirekte Verbrauchsbesteuerung leisten jedoch die bundesstaatlichen sales taxes. 886 Vgl. M. Stewart, The Aha-Experience: Comparative Income Tax Systems, Tax Notes International 1999, 1323 (1327). 887 J. McNulty, Flat Tax, Consumption Tax, Consumption-Type Income Tax Proposals in the United States: A Tax Policy Discussion of Fundamental Tax Reform, California Law Review 2000 (Vol. 88), Gl.-Pkt. I.D. 888 M. A. Chirelstein, Federal Income Tax (FN 60), S. VII.

226

Kap. 8: Ausländische Steuerrechtsordnungen

§§ 20 Abs.1 Nr. 1 i.V. m. 3 Nr. 40 lit. d EStG (sog. Halbeinkünfteverfahren). Thesaurierte Kapitalgesellschaftsgewinne – und damit Reinvermögensmehrungen, die im körperschaftsteuerpflichtigen Sektor investiert wurden – werden im Vergleich zum Einkommensteuerspitzensatz 2002 (48,5%) um 23,5%-Punkte bzw. 17%-Punkte in 2005 (42%889) niedriger belastet. Neben dem Wechsel vom körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahren zum sog. Shareholder Relief-System war diese Steuersatzspreizung Hauptgegenstand der Kritik am StSenkG.890 International ist die Spreizung zwischen Körperschaftsteuer- und Spitzensatz der Einkommensteuer allerdings die Regel. So ist die unterschiedlich hohe Belastung thesaurierter und ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne nicht nur dem klassischen Körperschaftsteuersystem immanent, das die unternehmenssteuerliche Vorbelastung bei der Anteilseignerbesteuerung vollständig negiert. Vielmehr belasten die europäischen Steuerrechtsordnungen thesaurierte Kapitalgesellschaftsgewinne nahezu ausnahmslos niedriger als andere Reinvermögensmehrungen. Dies zeigt folgende Abbildung, die die Staaten nach dem relativen Ausmaß der Steuersatzspreizung ordnet. Je größer sie ist, desto umfangreicher ist der Besteuerungsaufschub, der investierten Reinvermögensmehrungen gewährt wird.891 In Finnland beispielsweise beträgt der Körperschaftsteuersatz 48% des Spitzensatzes der Einkommensteuer. Deutschland wird ab 2005 mit einer Relation von 60% im Mittelfeld liegen, falls die Körperschaftsteuerreduktion in Deutschland nicht weitere Absenkungen der unternehmenssteuerlichen Thesaurierungsbelastung hervorruft. In Russland und Hongkong beträgt die Belastung nicht ausgeschütteter Unternehmensgewinne bereits heute lediglich 15%, in Irland ist für 2005 ein Körperschaftsteuersatz von 12,5% anvisiert. Estland besteuert thesaurierte Gewinne mit 0%.892

889

§§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001. Vgl. nur Siegel/Bareis/Herzig/Schneider/Wagner/Wenger u. a. [78 Hochschullehrer], Verteidigt das Anrechnungsverfahren gegen unbedachte Reformen!, BB 2000, 1269 (1270) [Zi. 3–6]. Abl. aus verfassungsrechtlicher Sicht R. Wendt, Spreizung von Körperschaftsteuersatz und Einkommensteuerspitzensatz als Verfassungsproblem, in Wendt/Höfling/Karpen/Oldiges (Hrsg.), Staat, Steuern, Wirtschaft, FS Friauf, 1996, S. 859 (876 ff., 888); J. Mössner, Ist es verfassungsrechtlich geboten, den Körperschaftsteuersatz und den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer gleich hoch zu gestalten?, Unveröffentlichtes Gutachten, 1987, S. 43 [vgl. dazu Handelsblatt v. 04.02.1987]; M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit – Verfassungsrechtliche Grundlagen und Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, 2000, S. 77, 81. Vgl. zur (Nicht-)Berücksichtigungsfähigkeit der Gewerbesteuer unten Kapitel 14 Abschn. B.III., S. 336 ff. 891 Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 14 Abschn. B.I., S. 331 ff. [partiell nachgelagerte Besteuerung via Dualismus von Einkommen- und Körperschaftsteuer]. 892 Vgl. L. Lehis, Die Einkommensteuerreform in Estland – Steuerfreiheit thesaurierter Gewinne, IStR 2001, 707 (708). 890

Fi* 48%

Schw Nor 50% 57%

NL 58%

D 60%

Ir l 61%

Sp 63%

Lu x 65%

F 66%

B 68%

Ö 68%

Port 75%

GB 75%

Grie 78%

Ita* 81%

KSt-Satz

ESt-Spitzensatz

Abbildung 1: Spreizung der Körperschaft- und Einkommensteuerspitzensätze in Europa (1999/Deutschland 2005)

* % = Verhältnis KSt/ESt. Quelle: J. Hey, in H/H/R, Einf KSt, Anm. 448, Tab. 4.

0%

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

60 %

A. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer 227

228

Kap. 8: Ausländische Steuerrechtsordnungen

B. Altersvorsorge Die zunehmende innereuropäische Arbeitnehmer-Mobilität verlangt nach einer EU-weit einheitlichen Besteuerung der betrieblichen Altersvorsorge (sog. cross-border-pensions893). Eine solche hat die EG-Kommission im April 2001 vorgeschlagen.894 Auch aufgrund ihrer Dominanz wurde den Mitgliedstaaten die Implementierung der nachgelagerten Besteuerung empfohlen.895 In den USA wird in einem Umfang aus unversteuertem Einkommen für das Alter vorgesorgt, der jährliche Steuermindereinnahmen in Höhe von US$ 128 Mrd. verursacht.896 I. Betriebliche Altersvorsorge in Europa Durchführung und Besteuerung der betrieblichen Altersvorsorge sind in den EU-Mitgliedstaaten nicht einheitlich geregelt. Dominierend sind jedoch externe Vorsorgeträger sowie die nachgelagerte Besteuerung. So führt die EG-Kommission aus, dass alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Luxemburg und Deutschland (Pensionskasse, Direktversicherung) Vorsorgeaufwendungen zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zulassen und die Versorgungsleistungen besteuern. Zwölf der fünfzehn Mitgliedstaaten nehmen zudem die Vorsorgeträger von der Besteuerung aus897 (implizite Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen, vgl. oben Kapitel 2 Abschn. A.II., Seiten 64 ff.). „Unter praktischen Gesichtspunkten“898 empfiehlt die EU-Kom893 Vgl. dazu nur D. Williams, The Taxation of cross-border pension provision, General Report, Congress of the Association of European Tax Law Professors (EATLP), Lissabon 2001, www.eatlp.org; auch E. Fleißig, Taxation of Cross Border Pensions – A National Report on Germany, Congress of the Association of European Tax Law Professors (EATLP), Lissabon 2001, www.eatlp.org. 894 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung an den Rat, das europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss v. 19.04.2001, KOM(2001)214, Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse für die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung, abrufbar unter http://www.europa.eu.int/comm/ taxation_customs/publications/offical_doc/com/com.htm#com2001214. Vgl. dazu W. Bernhard, Die Besteuerung der betrieblichen Altersversorgung im Binnenmarkt, DB 2001, 1385 f. 895 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Beseitigung steuerlicher Hemmnisse (FN 894), S. 21. Ebenso W. Förster, Vorzüge der nachgelagerten Besteuerung (FN 28), FS Rößler, S. 329 (339 f.). 896 Vgl. Nachweis [auch zur Aufteilung auf die einzelnen Altersvorsorgemaßnahmen] in FN 1127. 897 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Beseitigung steuerlicher Hemmnisse (FN 894), S. 6 f. 898 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Beseitigung steuerlicher Hemmnisse (FN 894), S. 21.

B. Altersvorsorge

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mission allen Mitgliedstaaten, die betriebliche Altersversorgung nachgelagert zu besteuern. Das nachgelagerte Korrespondenzprinzip erhöhe zudem die intergenerative Gerechtigkeit.899 Es sei „in Anbetracht der steigenden Lebenserwartung zweckmäßig, als es zwar die Steuereinnahmen heute reduziert, dafür aber später, wenn die demographischen Verhältnisse wesentlich ungünstiger sind, für höhere Steuereinnahmen sorgt“900.

II. Altersvorsorge in den USA Die individuelle Altersvorsorge wird weltweit unterschiedlich und auch innerhalb der einzelnen Staaten nicht einheitlich belastet. Exemplarisch sei ihre Besteuerung in den USA betrachtet, die bereits dem britischen Gesetzgeber als Vorbild diente.901 Nach den Sections 401 ff. Internal Revenue Code (IRC) können im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge jährlich bis zu US$ 35.000 aus unversteuertem Einkommen gespart werden, soweit dieser Betrag 25% des steuerpflichtigen Einkommens nicht übersteigt902 (Abzugsfähigkeit der Vorsorgebeiträge beim Arbeitgeber, kein Zufluss beim Arbeitnehmer). Die Vorsorgeträger sind mit den von ihnen erwirtschafteten Erträgen steuerbefreit903, die Versorgungsleistungen unterliegen beim Berechtigten vollumfänglich der Einkommensteuer.904 Die in Section 408 IRC geregelten Keogh-Plans („HR-10-plans“) ermöglichen es auch selbständig tätigen Steuerpflichtigen, aus unversteuertem Einkommen für ihr Alter vorzusorgen.905 Die abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen sind ebenfalls auf US$ 35.000 begrenzt. Section 401 (k) IRC berechtigt Arbeitnehmer, zusätzliche US$ 10.500 ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unversteuert in einen Investmentsparplan einzuzahlen, 899

Vgl. dazu auch unten Kapitel 11 Abschn. B.II.1., S. 279 ff. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Beseitigung steuerlicher Hemmnisse (FN 894), S. 21. 901 Großbritannien hat die nachfolgend dargestellten Regelungen des Internal Reveniew Code zum Anlass genommen, in den 80er Jahren sog. „Personal Equity Plans“ („PEP“) einzuführen. Danach können britische Steuerpflichtige einen Anlagebetrag von bis zu 6.000 Pfund jährlich von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen. In 2000 wurden die PEPs durch die „Individual Savings Accounts“ („ISA“) ersetzt, ohne dass hierdurch wesentliche Änderungen bei der steuerlichen Behandlung des Zukunftsvorsorgekapitals bewirkt worden wären, vgl. H. Beck, FAZ v. 28.05.2001, S. 35. 902 Section 415 (c) (1) IRC. Der abzugsfähige Höchstbetrag, der sich mindert, wenn er 25% des Arbeitseinkommens überschreitet, entwickelt sich entsprechend des Konsumentenpreisniveaus. 903 Section 501 (a) IRC. Vgl. zu dieser Voraussetzung einer nachgelagerten Besteuerung oben Kapitel 1 Abschn. B.III.3.b), S. 55 ff. 904 Section 402 (a) IRC. 905 Vgl. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung (FN 652), S. 540. 900

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Kap. 8: Ausländische Steuerrechtsordnungen

um sie im Ruhestand nachzuversteuern. Erforderlich ist ein „qualified cash or deferred arrangement“ („CODA“), welches einer Arbeitnehmerbeteiligung am Unternehmensgewinn entspricht.906 Im Rahmen sog. Individual Retirement Accounts (IRA) können weitere US$ 2.000 steuerfrei für die Zukunftsvorsorge akkumuliert werden907, wiederum sind die Vorsorgeträger von der Besteuerung befreit. Sämtlichen vorgenannten Altersvorsorgemaßnahmen ist gemein, dass eine 10%-ige Strafsteuer908 auf Vorsorgekapital erhoben wird, soweit es vor dem 60. Lebensjahr ausgezahlt wird, Section 72 (t) IRC.

906 Vgl. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung (FN 652), S. 536; D. Wellisch, Steuerliche Förderung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge (FN 807), StuW 2001, 271 (279 f.). 907 Section 219 (b) (1) IRC. Dieser Betrag wird bei Beziehern hoher Einkünfte, deren betriebliche Altersversorgung bereits nachgelagert besteuert wird, allerdings abgeschmolzen, Section 219 (g) IRC. 908 Vgl. detailliert zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Strafsteuer D. Wellisch, Steuerliche Förderung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge (FN 807), StuW 2001, 271 (279).

Vierter Teil

Einwände gegen die nachgelagerte Besteuerung begründet? Gegen die nachgelagerte Besteuerung werden regelmäßig vier Einwände erhoben. Zunächst wird bezweifelt, diese Konzeption steuerlicher Lastenausteilung eigne sich, grenzüberschreitende Sachverhalte sachgerecht zu besteuern (insbesondere Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht [Wegzugsbesteuerung]).909 Sodann werden Bedenken gegen die Belastung intergenerativer Vermögensübertragungen erhoben (Lebensendvermögen). Neben administrativen Problemen bei der Nachbelastung der Ersparnisauflösung werden schließlich unverkraftbare Steuermindereinnahmen aus dem Besteuerungsaufschub befürchtet, der investierten Reinvermögensmehrungen gewährt wird, und zwar insbesondere während der Übergangsphase (Altkapitalbestände). Mit der Entkräftung vorgenannter Bedenken beschäftigen sich die nachfolgenden Kapitel. Der fünfte und sechste Teil dieser Arbeit greifen die Ergebnisse auf, wenn konkrete Maßnahmen einer Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip diskutiert werden (limitiert und partiell nachgelagerte Besteuerung). Kapitel 9

Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug Wie jede Konzeption der steuerlichen Lastenausteilung hat das nachgelagerte Korrespondenzprinzip hinsichtlich investierter Reinvermögensmehrungen vier Arten von grenzüberschreitenden Sachverhalten zu berücksichtigen. Neben der Besteuerung von Investitionen, die mit ausländischen Einkünften (Auslandseinkommen) oder im Ausland getätigt werden (Auslandsinvestitionen), bedürfen inländische Investitionen von Steuerausländern systemgerechter Regelungen, für die nachfolgend Anforderungen formuliert werden. Hierbei kommt es jeweils auf das Zusammenspiel der 909 Vgl. z. B. P. B. Musgrave, Internationale Koordinierungsprobleme beim Ersatz einer Einkommens- durch eine Konsumbesteuerung, in M. Rose (Hrsg.), Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems, 1991, S. 535 (555 f., 566).

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

beteiligten Steuerrechtsordnungen an.910 Zudem ist klärungsbedürftig, wann eine Nachversteuerung der Ersparnisse von Steuerinländern erforderlich ist, die ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt ins Besteuerungsausland verlegen (Wegzug).

A. Investiertes Auslandseinkommen I. Welteinkommensprinzip Nach dem Welteinkommensprinzip unterliegen Reinvermögensmehrungen unabhängig davon der Besteuerung, ob sie im Inland oder im Ausland erwirtschaftet werden (unbeschränkte Steuerpflicht). Wird inländischem Einkommen ein Besteuerungsaufschub gewährt, sind auch ausländische Reinvermögensmehrungen zum Bemessungsgrundlagenabzug zuzulassen. So berücksichtigt das Welteinkommensprinzip die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Abgabeverpflichteten umfassend911, d.h. insbesondere auch grenzüberschreitend. Da investiertes Auslandseinkommen ebenso der Einkünfteerzielung in zukünftigen Veranlagungszeiträumen dient wie gespartes Inlandseinkommen, sind die betreffenden Reinvermögensmehrungen ebenfalls erst als Ersparnisauflösung bzw. Lebensendvermögen zu besteuern, wenn der Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen gleichmäßig belastet werden soll. II. Doppelbesteuerungsabkommen Eine Gleichbehandlung der Ersparnisse aus inländischem und ausländischem Einkommen ist jedoch nicht geboten, soweit der inländische Besteuerungsanspruch durch zwischenstaatliche Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Doppelbesteuerungsabkommen [DBA]) aufgegeben wurde. Zu unterscheiden ist hier zwischen der Freistellungsmethode und der Anrechnungsmethode (Art. 23A/B OECD-MA). 1. Freistellungsmethode (Territorialitätsprinzip) Die Freistellungsmethode nimmt die im Ausland (Quellenstaat) erwirtschafteten Reinvermögensmehrungen von der inländischen Besteuerung aus, 910 Vgl. z. B. J. Mössner, Generalbericht (FN 817), in IFA (Hrsg.), International tax aspects of deferred remuneration, S. 21 (69): „Gefahr von Doppel- und Minderbesteuerungen“. 911 Vgl. nur H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (FN 101), Rz. 14.16; ders., Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht (FN 820), FS Tipke, S. 125 (130).

A. Investiertes Auslandseinkommen

233

sie werden im Quellenstaat abschließend belastet. Aus der DBA-rechtlichen Vereinbarung der Freistellungsmethode folgt ein Besteuerungsverzicht des Ansässigkeitsstaats (z. B. Art. 7 i.V. m. 23A OECD-MA für Betriebsstätteneinkünfte). Dem Territorialitätsprinzip liegt das Konzept zugrunde, dass Reinvermögensmehrungen, die im Ausland erzielt werden, die Leistungsfähigkeit nicht beeinflusst, die für die steuerliche Lastenausteilung im Inland maßgeblich sein soll. Die investive Verwendung von ausländischen Reinvermögensmehrungen ist im Hinblick auf den Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen damit ebenso wenig912 von Relevanz wie die Auflösung von Ersparnissen, die Auslandseinkommen entstammen. Die Ersparnisbildung (Ersparnisauflösung) ist negativen (positiven) Auslandseinkünften vergleichbar, die die traditionelle Besteuerung ebenfalls unberücksichtigt lässt. So war die Abschaffung913 des § 2a Abs. 3 EStG a.F systemgerecht, der DBArechtlich steuerbefreite Auslandseinkünfte im Inland zum Verlustausgleich zuließ. Der Nichtabzug der ausländischen Verluste ist lediglich die Kehrseite der abschließenden Besteuerung im Quellenstaat (Territorialitätsprinzip). Nicht nachvollziehbar ist, weshalb Harald Schaumburg914 und Klaus Vogel915 in der Nichtberücksichtigung ausländischer Verluste jedenfalls dann eine Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips erkennen, wenn der ausländische Steuersatz den inländischen übersteigt – erachten sie das Territorialitätsprinzip doch als eine mögliche Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips.916

Ersparnisse aus Inlands- und DBA-rechtlich steuerbefreitem Auslandseinkommen werden demnach bei nachgelagerter Besteuerung unterschiedlich belastet. Diese Ungleichbehandlung beruht allerdings nicht auf einer inkon912 Von dem üblicherweise gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG zur Anwendung gelangenden Progressionsvorbehalt sei hier aus Vereinfachungsgründen abgesehen. Er verliert infolge der Verkürzung der Progressionszone und beständigen Absenkung des Spitzensatzes der Einkommensteuer ohnehin zunehmend an Bedeutung (§ 32a Abs. 1 Nr. 4 EStG als einkommensteuerliche Regelbelastung, vgl. dazu unten Kapitel 13 Abschn. A.I.2., S. 305 ff.). 913 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.03.1999, BGBl. I S. 402. 914 Vgl. H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (FN 101), Rz. 14.23; ders., Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht (FN 820), FS Tipke, S. 125 (151). 915 Vgl. K. Vogel, Wesen und Wirken der Freistellung, in K. Vogel (Hrsg.), Freistellung im internationalen Steuerrecht, 1996, S. 9. 916 Die Systemgerechtigkeit des Verlustberücksichtigungsverbots wird insbesondere nicht dadurch in Frage gestellt, dass DBA-„Wortlaut und Sinnzusammenhang ausdrücklich nur die positiven Einkünfte freistellen“ (so aber Kessler/Schmitt/Janson, Berücksichtigung abkommensrechtlich „befreiter“ Betriebsstättenverluste?, IStR 2001, 729 [732] zum Urteil des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs v. 25.09.2001 – 99/14/0217 E). Denn steuersystematisch hätte die inländische Berücksichtigung ausländischer Verluste bei DBA-rechtlich freigestellten Einkünften eine „Lotterie“ zur Folge, „die den Wohnsitzstaat einseitig an ausländischen Verlusten beteiligt, nicht aber an ausländischen Gewinnen“, vgl. S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 264.

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

sequenten Verwirklichung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips. Sie ist vielmehr Konsequenz des Territorialitätsprinzips. Diesem ist immanent, dass in- und ausländische Reinvermögensänderungen unterschiedlich besteuert werden, obwohl sie gleichermaßen zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen befähigen. Deshalb ist das Territorialitätsprinzip (Freistellungsmethode) dem Welteinkommensprinzip (Anrechnungsmethode) unter Leistungsfähigkeitsaspekten auch unterlegen.917 Die Belastungsunterschiede dürften jedoch dadurch reduziert werden, dass sich Ersparnisse in der Besteuerungswirklichkeit nur schwerlich danach separieren lassen, ob sie inländischen oder DBA-rechtlich steuerbefreiten Auslandseinkünften entstammen. Insbesondere bestehen auch keine steuersystematischen Bedenken dagegen, dass der Steuerpflichtige seine Ersparnisse ausschließlich aus inländischen Einkünften bildet, während er seine Konsumausgaben mit Auslandseinkünften bestreitet. Denn die nachgelagerte Besteuerung stellt nicht auf den Leistungsfähigkeitsindikator Konsum ab, sondern bedient sich der Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung lediglich als Erhebungstechnik zur gleichmäßigen Belastung des einkommensteuerpflichtigen – und damit u. a. nicht DBA-steuerbefreiten – Lebenseinkommens. Zudem geht die investive Verwendung des Inlandseinkommens, die durch die konsumtive Verwendung der Auslandseinkünfte erst ermöglicht wird, mit der Steuerverstrickung des Vermögensbestands einher (Einkommensteuerpflicht der Ersparnisauflösung).

2. Anrechnungsmethode (Welteinkommensprinzip) Die Anrechungsmethode, die DBA-rechtlich918 z. B. regelmäßig für Dividenden vereinbart wird (Art. 10 i.V. m. 23B OECD-MA), bezieht auch ausländische Einkünfte in die inländische Veranlagung ein. Hierbei werden die im Ausland geschuldeten Abgaben auf die inländische Steuerschuld angerechnet, die auf die Auslandseinkünfte entfällt. Die Anrechnungsmethode verwirklicht das Welteinkommensprinzip, indem sie dem Ansässigkeitsstaat ein zumindest eingeschränktes Besteuerungsrecht vermittelt. Dessen Umfang hängt von der Differenz der Steuerschulden im Inland und Ausland und damit im Wesentlichen919 von dem in- und ausländischen Tarifniveau 917

Vgl. zur Überlegenheit des Welteinkommensprinzips unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 263 f. H. Schaumburg erachtet hingegen das Territorialitätsprinzip ebenfalls als mögliche Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips, vgl. ders., Internationales Steuerrecht (FN 101), Rz. 14.9 u.14.18. 918 Die Anrechnungsmethode gelangt gemäß § 34c Abs. 1 EStG bzw. § 26 KStG auch zur Anwendung, wenn es an bi- oder multilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung fehlt. Von dem Besteuerungswahlrecht für die Abzugsmethode gemäß § 34c Abs. 2 EStG (Abzug der ausländischen Steuer von der inländischen Bemessungsgrundlage) sei hier aus Vereinfachungsgründen abgesehen. 919 Von divergierenden Bemessungsgrundlagen im In- und Ausland sei aus Vereinfachungsgründen abgesehen.

B. Auslandsinvestitionen

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ab. So entsteht bei gleich hohen Steuersätzen im Ergebnis ebenso wenig ein inländischer Besteuerungsanspruch wie bei einer höheren Auslandssteuer. Im letztgenannten Fall erwächst dem Steuerpflichtigen zumindest idealiter ein Anspruch auf Auszahlung der Belastungsdifferenz (Erstattung des Anrechnungsüberhangs, full credit). Die Begrenzung des Anrechnungsanspruchs auf die anteilige Inlandssteuer, die die Besteuerungswirklichkeit dominiert (ordinary credit, Teilanrechnung920), stellt bereits eine Durchbrechung des Welteinkommensprinzips dar.921

Da das Welteinkommensprinzip die steuerliche Leistungsfähigkeit unter Einbeziehung von Auslandseinkünften misst, hat eine nachgelagerte Besteuerung auch investierten Reinvermögensmehrungen, die im Ausland erwirtschaftet wurden und der Anrechnungsmethode unterfallen, einen Besteuerungsaufschub zu gewähren. Dies bedarf nicht nur der Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung. Zudem ist die ausländische Steuer anzurechnen bzw. zu erstatten, und zwar, obgleich im Veranlagungszeitraum der Einkünfteentstehung keine inländische Steuer auf das investierte Auslandseinkommen entfällt (Abzugsfähigkeit von der inländischen Bemessungsgrundlage). Anderenfalls wären die mit Auslandseinkünften gebildeten Ersparnisse – im Gegensatz zu investierten Inlandseinkünften – (auslands)steuerlich belastet. Die Auslandssteuer ist z. B. dann anrechenbar, wenn investiertes Auslandseinkommen zum Sonderausgabenabzug berechtigt (z. B. § 10a EStG). § 34c Abs. 1 EStG würde die Anrechnung nicht auf Null begrenzen (keine anteilige Inlandssteuer), sondern auf die inländische Durchschnittsbelastung. Einer weiteren Entlastung steht allerdings die Teilanrechnungsmethode entgegen. Übersteigt der ausländische Steuersatz das inländische Belastungsniveau, ist der nicht vollumfängliche Besteuerungsaufschub allerdings wiederum nicht Folge einer unzulänglichen Umsetzung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips, sondern Resultat der Einschränkung des leistungsfähigkeitsgerechteren922 Welteinkommensprinzips.

B. Auslandsinvestitionen Reinvermögensmehrungen ist unabhängig davon ein Besteuerungsaufschub zu gewähren, ob sie im Inland oder Ausland investiert werden. Die Besteuerung der Ersparnisbildung wirkt sich gleichermaßen negativ auf die Höhe der erzielbaren Kapitaleinkünfte und damit des Vor-Steuer-Lebenseinkommens aus. Folglich sind auch eigenfinanzierte Investitionen, die im Ausland getätigt werden, zum Abzug von der inländischen Bemessungs-

920 Vgl. für Deutschland § 34c Abs. 6 Satz 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 3 EStG (per country limitation). 921 Vgl. nur J. Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in K. Vogel (Hrsg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 1985, S. 135 (160). 922 Vgl. Nachweise in FN 917.

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

grundlage zuzulassen. Korrespondierend ist die Auflösung der Auslandsersparnisse zu besteuern.

C. Inlandsinvestitionen von Steuerausländern Steuerausländer unterliegen nur mit ihren inlandsradizierten Einkünften der inländischen Besteuerung (beschränkten Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht, §§ 1 Abs. 4 i.V. m. 49 EStG sowie §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG; 49 EStG). Zwar werden die persönlichen Verhältnisse regelmäßig im Wohnsitzland berücksichtigt, wo beschränkt Steuerpflichtige üblicherweise923 den Großteil ihrer Einkünfte erzielen. Jedenfalls in Bezug auf Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten ist Deutschland allerdings bereits aufgrund der wirtschaftlichen Grundfreiheiten des EG-Vertrages (Art. 39, 43, 49, 56 EG924) verpflichtet, auch Inlandsinvestitionen von Steuerausländern zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zuzulassen (Kapitalimportneutralität). Anderenfalls würde der Zuzug von Unternehmen und Kapital behindert und das Gebot der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung verletzt (höhere Belastung von Investitionen von EG-Ausländern).925 Zwar setzt Kapitalimportneutralität voraus, dass DBA-rechtlich die Freistellungsmethode vereinbart wurde. Die Anrechnungsmethode kann allein Kapitalexportneutralität gewährleisten (Gleichbelastung von Investitionen von In- bzw. Ausländern im In- und Ausland). Bei unterschiedlichen Steuersätzen geht sie zwangsläufig mit einer Verletzung der Kapitalimportneutralität einher. Hierfür sind jedoch Regelungen des Staates verantwortlich, in dem der ausländische Investor ansässig ist (z. B. hohe ausländische Tarifbelastung). Die Diskriminierung von Steuerausländern durch eine etwaige höhere inländische Belastung (kein Besteuerungsaufschub) bleibt unzulässig.

923

Der Ausnahme trägt § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG Rechnung, der für die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht von Nicht-Gebietsansässigen voraussetzt, dass ihre Einkünfte zu 90% der deutschen Einkommensteuer unterliegen bzw. ihre anderen Einkünfte 12.000 DM unterschreiten. 924 Früher (vor Amsterdam) Art. 38, 52, 59, 73b EGV. 925 Vgl. W. Schön, Der „Wettbewerb“ der Europäischen Steuerrechtsordnungen als Rechtsproblem, in J. Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 191 (210); J. Kokott, Die Bedeutung der Europarechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EU-Mitgliedstaaten, in M. Lehner (Hrsg.), Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 23, 2000, S. 1 (12 ff.); J. Wouters, The principle of non-discrimination in European Community law, EC Tax Review 1999, 98 ff.

D. Wegzug, Zuzug

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D. Wegzug, Zuzug Verlegt eine natürliche Person926 ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt vom Inland in das Ausland (Wegzug), endet die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht im Wegzugsstaat, § 1 Abs. 1 EStG i.V. m. §§ 8, 9 AO.927 Selbige wird durch einen grenzüberschreitenden Umzug ins Inland begründet (Zuzug). Erfolgt der Wohnsitzwechsel zwischen zwei Staaten, in denen Einkommen entweder jeweils traditionell oder nachgelagert besteuert wird (Kongruenz der Steuerrechtsordnungen), sind, soweit die Steuerrechtsordnungen nicht von den jeweiligen Besteuerungsleitbildern abweichen928 (z. B. Realisationsprinzip), lediglich die Steuerquellen untereinander aufzuteilen. Verfolgen der Wegzugsstaat und der Zuzugsstaat hingegen unterschiedliche Besteuerungskonzeptionen, sind zusätzlich die Bemessungsgrundlagen dahingehend aufeinander abzustimmen, dass Reinvermögensmehrungen im Ergebnis weder unversteuert bleiben noch doppelt belastet werden. Die hieraus resultierenden Anforderungen an die Steuergesetzgebung, die Gegenstand der folgenden Ausführungen sind, haben die EUKommission veranlasst, in einer Mitteilung zur „Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse für die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung“ für eine einheitlich nachgelagerte Besteuerung der mitgliedstaatlichen Alterssicherungssysteme zu werben.929 I. Wegzug – Einmalbelastung investierter Reinvermögensmehrungen Wird Einkommen im Wegzugsstaat nachgelagert und im Zuzugsstaat traditionell besteuert, sind drei Wege denkbar, um die Einmalbelastung der Er926 Bei Kapitalgesellschaften kommt es auf Sitz und Geschäftsleitung an, §§ 1 Abs. 1; 2 Nr. 1 KStG; 10; 11 AO. 927 Von der erweiterten beschränkten Steuerpflicht gemäß § 2 AStG sei hier abgesehen. 928 Besteuern z. B. sowohl der Wegzugsstaat als auch der Zuzugsstaat Einkommen traditionell, grenzen aber dennoch unrealisierte Reinvermögensmehrungen aus der Bemessungsgrundlage aus, wird der Wegzugsstaat die Besteuerung der stillen Reserven auch dann für sich beanspruchen, wenn sie nicht durch einen Umsatzakt in Erscheinung getreten sind (Durchbrechung des Realisationsprinzips). Denn sie wurden unter seiner Steuerhoheit gebildet (Wegzugsbesteuerung als ultima ratio-Maßnahme). Folge der Durchbrechung des Besteuerungsleitbilds sind Vorschriften wie § 6 AStG (Wertzuwachsbesteuerung bei inländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen) oder Verwaltungsanweisungen wie das BMF-Schreiben vom 24.12.1999 IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl I 1999, 1076 (1086 [Tz. 2.6]) (Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten [Entstrickung und Steuerstundung]). 929 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Beseitigung steuerlicher Hemmnisse (FN 894), S. 20 (Zi. 6.2 a. E.).

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

sparnisse zu sichern. Zum einen kann die Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat verhindert, zum anderen ihre Steuerpflicht im Zuzugsstaat begründet werden (Steuerverstrickung im Inland oder Ausland). Geht die Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat nicht mit ihrer Steuerverstrickung im Zuzugsstaat einher, ist insoweit eine – dann auch gemeinschaftsrechtskonforme – Wegzugsteuer zu erheben. 1. Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Inland Ist die Ersparnisauflösung mit Einkünften verbunden, die vom Katalog des § 49 Abs. 1 EStG umfasst werden, unterliegt sie auch nach der Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht der inländischen Besteuerung (beschränkte Steuerpflicht, §§ 1 Abs. 4 i.V. m. 49 EStG). Infolgedessen hängt die Aufrechterhaltung der Steuerverstrickung im Inland von der konkreten Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ab. So können Reinvermögensmehrungen beispielsweise dadurch nachgelagert besteuert werden, dass die körperschaftsteuerliche Thesaurierungsbelastung auf Null reduziert wird und Dividenden vollumfänglich in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Ersparnisse würden weitgehend in inländischen Kapitalgesellschaften organisiert. Die Ersparnisauflösung unterläge insoweit der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG, als die inländische Besteuerungsbefugnis nicht durch DBA-Regelungen abbedungen ist.930 Sie ginge mit Gewinnausschüttungen an Anteilseigner einher, die nunmehr im Ausland ansässig sind. Weiteres Anschauungsbeispiel für eine Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Inland auch nach einem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel ist die nachgelagerte Besteuerung der sog. Riester-Rente, §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG.931 Die konsumtive Verwendung des Altersvorsorgevermögens, das aus unversteuertem Einkommen gebildet wurde (Sonderausgabenabzugsfähigkeit der Altersvorsorgebeiträge gem. § 10a EStG, kein Zufluss der Vorsorgekapitalerträge im Entstehungszeitpunkt), wäre im Inland steuerverhaftet, wenn der Gesetzgeber den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG um den Tatbestand des § 22 Nr. 5 EStG erweiterte (beschränkte Einkommensteuerpflicht von Leistungen aus Altervorsorgeverträgen). Gleiches gälte für Sozialversicherungsrenten, wenn sie einem Steuerabzug unterworfen würden, § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

930 931

Vgl. dazu unten Abschn. 2, S. 238 ff. Vgl. dazu ausführlich oben Kapitel 6 Abschn. D.III.3., S. 207 ff.

D. Wegzug, Zuzug

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2. Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Ausland Die Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat (Inland) endet mit dem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel, wenn entweder keine Einkünfte mit ihr verbunden sind, die von § 49 Abs. 1 EStG erfasst werden, oder die beschränkte Einkommensteuerpflicht DBA-rechtlich abbedungen ist (DBA-Regelung als lex specialis932 zu § 1 Abs. 4 i.V. m. 49 Abs. 1 EStG). So ist z. B. die Besteuerungsbefugnis hinsichtlich von Dividenden oder Ruhegehältern aus einer unselbständig ausgeübten Arbeit DBA-rechtlich regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat und damit dem Zuzugsstaat (Ausland) zugewiesen, Art. 10933, 18934 OECD-MA. Auf supranationaler Ebene bleibt die Ersparnisauflösung allerdings steuerverstrickt, soweit die Steuerentstrickung im Wegzugsstaat mit einer Steuerverhaftung im Zuzugsstaat korrespondiert. Dies ist dann der Fall, wenn der Zuzugsstaat von seiner Besteuerungsbefugnis Gebrauch macht, die ihm DBA-rechtlich zugewiesen ist (z. B. Dividenden, Ruhegehälter). Folge ist, dass ein steuerlicher Wegzugsanreiz sich allein aus Steuersatzdifferenzen ergeben kann. Selbst dieser ist jedoch nicht zwingend, da die DBA-Vertragspartner frei sind, Besteuerungsbefugnisse des vormaligen Ansässigkeitsund nunmehrigen Quellenstaates zu vereinbaren (z. B. Quellensteuer auf Dividenden gemäß Art. 10 Abs. 2 OECD-MA935). Insbesondere dürfte der Wegzugsstaat bei DBA-Neuverhandlungen insoweit über eine gute Verhandlungsposition verfügen. Schließlich war er es, der den Besteuerungsverzicht hinsichtlich der investierten Reinvermögensmehrungen geübt hat, für die er nun eine Besteuerungsbefugnis bzw. ein Quellensteuerrecht beansprucht. 3. Wegzugsbesteuerung Ist die Ersparnisauflösung weder im Wegzugsstaat noch im Zuzugsstaat steuerverstrickt, gewährleistet allein eine Wegzugsbesteuerung der Ersparnisse ihre Einmalbelastung. Fraglich ist, ob sie gemeinschaftsrechtskonform 932

Vgl. nur H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (FN 101), Rz. 16.41. Art. 10 Abs. 1 OECD-MA sieht die Besteuerung der Dividenden im Ansässigkeitsstaat vor. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA gewährt dem Sitzstaat der Kapitalgesellschaft allerdings ein Quellensteuerrecht von bis zu 15% der Bruttodividenden, wenn Gewinne an natürliche Personen ausgeschüttet werden oder an juristische Personen, die nicht dem DBA-rechtlichen Schachtelprivileg unterfallen. 934 Gemäß Art. 18 OECD-MA dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die auf einer früheren unselbständigen Arbeit beruhen, nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. 935 Vgl. dazu FN 933. 933

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

ist, wenn der Wohnsitz und gewöhnliche Aufenthalt von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen verlegt wird. So weist der EuGH regelmäßig darauf hin, „dass die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, dass diese ihre Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen“936.

Eine Nachbelastung von Ersparnissen, die ausschließlich anlässlich eines grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsels vorgenommen wird, erschwert den innereuropäischen Umzug.937 Denn der Steuerzugriff erfolgt früher als bei einem innerstaatlichen Wohnsitzwechsel (Besteuerungsaufschub bis zur Ersparnisauflösung). Hieraus resultieren neben Liquiditätseinbußen negative Zins- und Zinseszinseffekte, die einen größeren Barwert der Steuerlast zur Folge haben. Sie sind jedenfalls dann geeignet, einen Inländer davon abzuhalten, seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen EUMitgliedstaat zu verlegen, wenn die bislang unversteuerten Ersparnisse ein gewisses Ausmaß überschritten haben.938 Dies illustriert folgendes Beispiel: Beträgt das aus unversteuertem Einkommen gebildete Zukunftsvorsorgevermögen 1 Mio. Euro, wächst es in den folgenden 20 Jahren bei einer Rendite von 6% auf 3,2 Mio. Euro939 an, wenn der Steuerpflichtige im Inland verbleibt und die Ersparniserträge reinvestiert (keine Wegzugsbesteuerung). Abzüglich einer latenten Einkommensteuerlast von beispielsweise 40% kann für Konsumzwecke über 1,9 Mio. Euro940 verfügt werden. Verlegt der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz ins Ausland, verbleiben ihm bei gleicher Rendite und Steuersatzhöhe mit 1,2 Mio. Euro941 weniger als zwei Drittel942 dieses Betrages, wenn der Umzügler einer Wegzugsbesteuerung unterworfen wird und der neue Wohnsitzstaat Einkommen traditionell belastet. Besteuert auch der neue Ansässigkeitsstaat Einkommen nachgelagert, wächst das Zukunftsvorsorgevermögen nach der Wegzugsbesteuerung zwar wieder auf 1,9 Mio. Euro943 an. Da auf 936 EuGH v. 06.06.2000, Rs. C-35/98, EWS 2000, 303 ff., Tz. 32 (Verkooijen) mit Verweis auf EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 16 (Wielockx); v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, Slg. 1998 I-4695 Tz. 19 (ICI); v. 29.04.1999, Rs. C-311/97, Slg. 1999 I-2651 Tz. 19 (Royal Bank of Scotland). 937 Vgl. auch D. Birk, Wegzugsbesteuerung und Europarecht, in Kirchhof/Jacob/ Beermann (Hrsg.), Steuerrechtsprechung, Steuergesetz, Steuerreform, FS Offerhaus, 1999, S. 163 (171). 938 So meint Norbert Dautzenberg, bereits die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG, die lediglich die in inländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen enthaltenen stillen Reserven erfasst, entfalte prohibitive Wirkung, da sie „dem Vernehmen nach in der Praxis kaum angewandt“ werde (ders., Die Wegzugsteuer des § 6 AStG im Lichte des EG-Rechts, BB 1997, 180 [183]). 939 1.000.000 Euro * (1 + 6%) 20 = 3.207.135 Euro. 940 3.207.135 Euro [FN 939] * (1 – 40% ESt) = 1.924.281 Euro. 941 (1 – 40%) * 1.000.000 Euro * [1 + (1 – 40%) * 6%] 20 = 1.217.156 Euro. 942 1.217.156 Euro [FN 940]/1.924.281 Euro [FN 941] = 63,25%.

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den Erträgen, die nach dem Umzug erwirtschaftet wurden, jedoch noch latente ausländische Einkommensteuer lastet, kann der Investor mit 1,4 Mio. Euro944 nur über knapp drei Viertel945 des Betrages verfügen, den der im Inland ansässig gebliebene Sparer für Konsumzwecke verwenden kann.

Infolgedessen bedarf eine gemeinschaftsrechtskonforme Wegzugsbesteuerung einer Rechtfertigung, wenn der innereuropäische Wohnsitzwechsel vom Schutzbereich des EG-Vertrages umfasst ist. Wie nachfolgend gezeigt wird, ist dies auch bei einem privat veranlassten grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel der Fall. Anschließend werden die Voraussetzungen einer gerechtfertigten Wegzugsbesteuerung erörtert, und zwar mit folgendem Ergebnis: Die Nachbelastung der Ersparnisse ist immer dann – aber auch nur dann – gemeinschaftsrechtskonform, wenn mit dem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel eine Steuerentstrickung der investierten Reinvermögensmehrungen im Wegzugsstaat einhergeht, ohne dass es zu einer Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Zuzugsstaat kommt. Ist dem nicht so, wird der Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen auf supranationaler Ebene verwirklicht. Die Kohärenz des inländischen Subsystems der Ersparnisbesteuerung vermag die Wegzugsbesteuerung dann nicht zu rechtfertigen. Die „Makro-,Kohärenz‘ auf Ebene der Doppelbesteuerungsabkommen“946, auf die der EuGH seit seinem Urteil vom 11. August 1995947 (Wielockx) abstellt, ist auch ohne sie gewährleistet. a) Wirtschaftliche Grundfreiheiten (Art. 39, 43, 49, 56 EG) Gemäß Art. 14 Abs. 2 EG948 umfasst der EU-Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen des EG-Vertrages gewährleistet ist. Die Art. 39, 43, 49, 56 EG949 untersagen den EU-Mitgliedstaaten Diskriminierungen aufgrund der Nationalität sowie Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungs-, Dienstleistungsund Kapitalverkehrsfreiheit. Eine Wegzugsbesteuerung der Ersparnisse aus unversteuertem Einkommen anlässlich eines Umzugs in einen EU-Mitgliedstaat berührt die wirtschaftlichen Grundfreiheiten des EG-Vertrages zwar (1 – 40% ESt) * 1.000.000 Euro * (1 + 6%) 20 = 1.924.281 Euro. 1.924.281 Euro [FN 943] – (1 – 40% ESt) * (1.924.281 Euro – 600.000 Euro) = 1.394.569 Euro. 945 1.394.569 Euro [FN 944]/1.924.281 Euro [FN 940] = 72,47%. 946 W. Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit (FN 815), GS Knobbe Keuk (FN 815), S. 743 (770). 947 EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 24 (Wielockx). 948 Früher (vor dem Amsterdamer Vertrag v. 02.10.1997, ABl. Nr. C S. 173; BGBl. II S. 387, berichtigt BGBl. II 1999 S. 416) Art. 7a EGV. 949 Früher (vor dem Amsterdamer Vertrag [FN 948]) Art. 38, 52, 59, 73b EGV. 943 944

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

nur, wenn der Wegzug mit grenzüberschreitenden ökonomischen Aktivitäten einhergeht.950 Ebenso wenig wie sich ein Inländer, der wirtschaftliche Tätigkeiten ohne Auslandsbezug ausübt, auf die Art. 39, 43, 49, 56 EG berufen kann951 (gemeinschaftsrechtlich irrelevante Inländerdiskriminierung952), ist der Schutzbereich der wirtschaftlichen Grundfreiheiten tangiert, wenn der wohnsitzwechselnde Steuerpflichtige keinerlei ökonomische Aktivitäten über die Grenzen entfaltet953 (privat veranlasster Wegzug). Jeweils fehlt es an einem grenzüberschreitenden und wirtschaftlichen Sachverhalt.954 Insbesondere wurde diese Tatbestandsvoraussetzung der Art. 39, 43, 49, 56 EG auch durch das EuGH-Urteil955 in der Rechtssache Asscher nicht aufgegeben.956 Zwar ähnelten sich die Rechtssachen Werner957 und Asscher958 darin, dass beide Steuerpflichtige ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen verlegten. Im Gegensatz zu Werner wurde Asscher nach dem Umzug aber grenzüberschreitend wirtschaftlich aktiv. Deshalb konnte er sich auch als Inländer auf Art. 52 EGV (Art. 43 EG [Niederlassungsfreiheit]) berufen, ohne dass der EuGH von den Grundsätzen abweichen musste, die er in der Rechtssache Werner959 entwickelt hatte. Hartmut Hahn erachtet das Asscher-Urteil infolgedessen als distinguishing der EuGH-Rechtsprechung960, nicht als overruling.961

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Vgl. zum Charakter der Art. 39, 43, 49, 56 EG als wirtschaftliche Grundfreiheiten EuGH v. 27.10.1982, Rs 35 u. 36/72, Slg. 1982, 3723 (Morson). 951 Vgl. nur EuGH v. 14.07.1994, Rs. C-379/92, Slg. 1994 I-3454 (Peralta); v. 28.01.1992, Rs. C-332/90 Slg. 1992, 341 (Steen); v. 15.01.1985, Rs. 44/84, Slg. 1986, 29 (Hurd). 952 Vgl. dazu z. B. Mössner/Kellersmann, Grenzenlose Steuern – Fiktion oder Wirklichkeit?, DVBl. 1995, 968 (971 f.); P. Troberg, in Groeben (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl. 1991, Art. 52 Rz. 39; G. Saß, Zu den Auswirkungen des EU-Vertrags auf die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1998, 1482 (1483); H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (16). 953 Vgl. EuGH v. 26.01.1993, Rs. C-112/91, Slg. 1993 I-429 (Werner). Der Steuerpflichtige Werner war deutscher Staatsangehöriger und übte seinen Beruf auch nach seinem Wegzug nach Holland ausschließlich in Deutschland aus, woraus der EuGH auf eine private Veranlassung des Umzugs schloss. 954 Vgl. zu dieser Voraussetzung der Einschlägigkeit der wirtschaftlichen Grundfreiheiten des EG-Vertrages EuGH v. 27.10.1982, Rs 35 u. 36/72, Slg. 1982, 3723 (Morson); v. 08.12.1987, Rs. 20/87, Slg. 1987, 4897 (Gauchard); v. 28.01.1992, Rs. C-332/90, Slg. 1992, 341 (Steen). 955 EuGH v. 27.06.1996, Rs C-107/94 Slg. 1993 I-429 (Asscher). 956 Dies erkannte auch der BFH in seinem Beschluss [zu § 6 AStG] v. 17.12.1997 I B 108/97, DStZ 1998, 520. Krit. zwar N. Dautzenberg, Anmerkung (FN 961), IStR 1998, 305 (306). Vgl. dazu aber – die diesbezügliche Kritik des BFH-Beschlusses zurückweisend – H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (17). 957 Vgl. FN 953. 958 Vgl. FN 955. 959 Vgl. FN 953. 960 Vgl. H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (17).

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b) Freizügigkeit (Art. 18 EG) Selbst wenn die Verlegung des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen EU-Mitgliedstaat nicht mit grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Aktivitäten einhergeht und die Art. 39, 42, 49, 56 EG deshalb nicht einschlägig sind, berührt eine Wegzugsbesteuerung primäres Gemeinschaftsrecht, nämlich Art. 18 EG. Art. 18 Abs. 1 EG gewährt jedem Unionsbürger das Recht, sich in den anderen EU-Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in dem EG-Vertrag und den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten (allgemeines Freizügigkeitsrecht). Insbesondere umfasst das Aufenthaltsrecht auch die Befugnis, seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen (Wegzug). Sollte sich dies nicht bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergeben962, lassen jedenfalls die drei EG-Richtlinien zum Aufenthaltsrecht keinen anderen Schluss zu. Mit der Krankenversicherungspflicht und dem Nachweis eines gesicherten Existenzminimums regeln sie Bedingungen, unter denen eine Privatperson in einem anderen EU-Mitgliedstaat Wohnung nehmen darf.963 961 Nach Norbert Dautzenberg berührt eine Wegzugsbesteuerung die Kapitalverkehrsfreiheit allerdings auch bei einem privat veranlassten Umzug, vgl. ders., Anmerkung zum BFH-Beschl. v. 17.12.1997 I B 108/97 [§ 6 AStG], IStR 1998, 305 (306). Dies soll z. B. für § 6 AStG in Bezug auf Eigentümer von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen „einwandfrei“ der Fall sein, da die Nomenklatur in Anhang I der Kapitalverkehrsrichtlinie (Richtlinie des Rates v. 24.06.1988 zur Durchführung von Art. 67 EGV) u. a. „Vermögenstransfers von Auswanderern“ enthält. Hartmut Hahn vertritt insoweit die gegenteilige Auffassung, vgl. ders., Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (17 f.). So transferiere sich der auswandernde Steuerpflichtige „allenfalls selbst“ in den anderen Mitgliedstaat. Unterfiele dabei die zwangsläufige Mitnahme seines Vermögens, d.h. des Inbegriffs seiner subjektiven Rechte, dem Vermögenstransfer im Sinne der EG-vertraglich gewährleisteten Kapitalverkehrsfreiheit, führte dies zu „skurilen Ergebnissen“. So würde z. B. während einer Urlaubsreise der gesamte Grundbesitz mitgenommen. Nach Hahn dürfte „es evident sein, dass die Verfasser der Richtlinie und ihrer Annexe derart absonderliche Vorstellungen nicht gehabt haben können“ (ebd., S. 18).. Insbesondere ließe sich die Richtlinie nämlich zwanglos mit vernünftigen Ergebnissen deuten, wenn nur körperliche Gegenstände Objekte eines Vermögenstransfers sein könnten. Denn dann diente die Kapitalverkehrsrichtlinie u. a. der Abwehr von Grenzkontrollen, welche die Bekämpfung von Devisenausfuhren u. ä. bezwecken. 962 So wohl BFH v. 17.12.1997 I B 109/97, DStZ 1998, 520 [zu § 6 AStG: „Es ist schon fraglich, ob Art. 8a EUV das Recht auf freie Wohnsitznahme einschließt.“]. Krit. hierzu N. Dautzenberg, Anmerkung (FN 961), IStR 1998, 305 (306). 963 Vgl. Art. 1 der allgemeinen Richtlinie zum Aufenthaltsrecht des Rates vom 28.06.1990 (90/364/EWG, ABl. 1990 Nr. L 180 S. 26); Art. 1 der Rentner-Richtlinie des Rates vom 28.06.1990 (90/365/EWG, ABl. 1990, Nr. L 180, S. 28); Art. 1 der Studenten-Richtlinie des Rates vom 29.10.1993 (93/96/EWG, ABl. 1993, Nr. L 317, S. 59) [Ersatz der im Wesentlichen inhaltsgleichen Richtlinie 90/366/EWG des

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

Zwar gewährt Art. 18 EG die innergemeinschaftliche Freizügigkeit nicht schrankenlos. Dies folgt einerseits aus dem Wortlaut („vorbehaltlich der [. . .] in den Durchführungsbestimmungen vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“964), und andererseits daraus, dass auch das Aufenthaltsrecht, welches die wirtschaftlichen Grundfreiheiten der Art. 39, 43, 49, 56 EG als leges speciales zu Art. 18 EG965 beinhalten, beschränkt werden kann.966 So wäre es bei einer Rechtsgemeinschaft, die sich bislang zuvörderst als Wirtschaftsgemeinschaft versteht967, nicht einsichtig, warum der Unionsbürger, der sich in Ausübung seiner wirtschaftlichen Grundfreiheiten in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhält, weniger geschützt sein sollte als der ausschließlich privat motivierte Umzügler. Aus der Einschränkbarkeit des Art. 18 EG kann allerdings nicht mit dem BFH968 gefolgert werden, dass „die Freizügigkeit nur unter gleichzeitiger Wahrung der finanziellen Interessen des bisherigen Ansässigkeitsstaates“ garantiert sei, und infolgedessen eine nachholende Besteuerung von Einkommen, das im Inland bislang unbelastet geblieben ist, nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen könne.969 Grundrecht oder Grundfreiheit? Umstritten970 ist, ob Art. 18 EG ein Grundrecht oder eine Grundfreiheit ist. Von Relevanz ist die Klassifikation für die Rechtfertigung von BeRates v. 28.06.1990, ABl. 1990, Nr. L 180 S. 30]. Vgl. dazu auch A. Hatje, in J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 18 Rz. 6; W. Kluth, in Callies/ Ruffert, Kommentar EUV/EG, 1999, Art. 18 Rz. 3. 964 Bislang hat die EG-Kommission noch keine auf Art. 18 EG gestützten Vorschläge vorgelegt, vgl. M. Haag, in Gröben/Thiesing/Ehlermann (FN 815), Art. 8a EGV Rz. 10. 965 Vgl. M. Hilf, in Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 14. Erg.-Lief. 10/99, Art. 8a EGV, Rz. 5; A. Hatje, in J. Schwarze (FN 963), Art. 18 EG Rz. 12; W. Kluth, in Callies/Ruffert (FN 963), Art. 18 EU Rz. 10; E. Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme, in M. Lehner (Hrsg.), Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht Heft 23, 2000, S. 39 (73). 966 Vgl. dazu z. B. EuGH v. 05.02.1991, Rs. C-363/89, Slg. 1991 I-273 (Roux). 967 Vgl. nur die Bezeichnung „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“. 968 BFH v. 17.12.1997 I B 109/97, DStZ 1998, 520 [zu § 6 AStG]. 969 Krit. z. B. auch E. Reimer, für den ein allgemeiner Steuervorbehalt schon aus systematischen Erwägungen ausscheidet, da der gleichzeitig eingeführte Art. 95 Abs. 2 EGV einen solchen ausdrücklich normiere, vgl. ders., Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht (FN 965), S. 39 (73); unentschieden H. Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 1999, S. 78 f. 970 Als Grundfreiheit wird Art. 18 EG von M. Haag, in Gröben/Thiesing/Ehlermann (FN 815), Art. 8a EGV Rz. 4; E. Reimer, Auswirkungen der Grundfreiheiten

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schränkungen des Freizügigkeitsrechts. Während gegen eine Grundfreiheit bereits dann verstoßen wird, wenn ihre Ausübung „weniger attraktiv“971 wird, verlangt ein Grundrechtseingriff größeres Gewicht972, nämlich einem Rechtsakt, der die Ausübung des Grundrechts sinnlos macht, seinen Schutzbereich aushöhlt.973 Zudem wird eine Grundfreiheit bereits dadurch beeinträchtigt, dass die „fraglichen Maßnahmen geeignet sind“, die Handlungen, welche vom Schutzbereich umfasst sind, „mittelbar oder unmittelbar tatsächlich oder potentiell zu behindern“ (Dassonville-Formel974). Eine Grundrechtsverletzung setzt hingegen einen zielgerichteten Eingriff voraus.975 Schließlich ist ein Grundrecht stets einschränkbar, soweit das öffentliche Interesse an der hoheitlichen Maßnahme das Interesse des Einzelnen an der Vornahme der vom Schutzbereich umfassten Handlung überwiegt (Güterabwägung976). Da sich das Ergebnis einer Güterabwägung nach den Verhältnissen des Einzelfalls bestimmt, ist nicht allgemein feststellbar, ob eine Wegzugsbesteuerung das Freizügigkeitsrecht aushöhlt.977 So hängt die Intensität der Beschränkung, gegen die das Interesse des Wegzugsstaates an der Durchsetzung seines Besteuerungsanspruchs abzuwägen ist, zum einen von dem Umfang der Ersparnisse ab, die der Wegzugsbesteuerung unterliegen. Zum auf das Ertragsteuerrecht (FN 965), S. 39 (73, 99); wohl auch D. Birk, Wegzugsbesteuerung und Europarecht (FN 937), FS Offerhaus, S. 163 (170) eingestuft, als Grundrecht von A. Hatje, in J. Schwarze (FN 963), Art. 18 EG Rz. 1; wohl auch M. Hilf, in Grabitz/Hilf (FN 965), Art. 8a EGV, Rz. 1, 9 ff. sowie W. Kluth, in Callies/Ruffert (FN 963), Art. 18 EU Rz. 9. 971 St. Rspr. seit EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995 I-4165 Tz. 37 (Gebhard); EuGH v. 16.03.1999, Rs. C-222/97, IStR 1999, 286 (Trummer). 972 Vgl. H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (19) m. w. N. in FN 64. 973 Vgl. EuGH v. 13.12.1979, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727 Tz. 23 (Hauer). Vgl. auch A. Hatje, in J. Schwarze (FN 963), Art. 18 EG Rz. 10. 974 EuGH v. 11.07.1974, Rs. 8174, Slg. 1974, 837 (Dassonville). 975 Vgl. H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (19) unter Hinweis auf das EuGH v. 13.12.1979, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727 (Hauer). 976 Vgl. dazu EuGH v. 05.10.1994, Rs. C-280/93, Slg. 1994 I-4973 (Bananenurteil) [Bundesrepublik Deutschland ./. Rat].Vgl. zu der sich noch im „status nascendi“ befindlichen Grundrechtsdogmatik des Gemeinschaftsrechts im Übrigen H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (19 f.). 977 A. A. wohl H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (20), der im Hinblick auf § 6 AStG annimmt, eine Wegzugsbesteuerung sei nicht geeignet, dem Recht auf Freizügigkeit die Substanz zu nehmen, d.h. es auszuhöhlen. Haben sich in einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 EStG aber beträchtliche stille Reserven angesammelt und verfügt der Steuerpflichtige nicht über Mittel, die mit dem Wegzug aus § 6 AStG resultierende Steuerschuld zu begleichen, wird er faktisch zur Aufgabe seiner Umzugspläne gezwungen, wenn er die Kapitalgesellschaftsbeteiligung nicht veräußern möchte. Für ihn höhlt die Wegzugsbesteuerung das Recht auf Freizügigkeit aus.

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

anderen bestimmt sie sich nach ihrem Anteil am Gesamtvermögen des umzugswilligen Steuerpflichtigen sowie nach dessen Einkommensverhältnissen (Tragbarkeit der Mehrbelastung). Schließlich ist der Zeitraum von Relevanz, während dessen das Sparkapital noch thesauriert werden soll (Ausmaß der negativen Zins- und Zinseszinseffekte einer Wegzugsbesteuerung, vgl. dazu oben Abschn. 3 a. E., Seite 240). Jedenfalls gilt der Schutz durch eine Grundfreiheit aber als der effektivere. Deshalb kann der Streit über die Rechtsnatur des Art. 18 EG aufgrund eines Erst-Recht-Schlusses dahinstehen, soweit eine Wegzugsbesteuerung auch nach den Maßstäben, die für die Beschränkung von Grundfreiheiten gelten, gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt ist. Gleiches gilt für den Streit978 um die unmittelbare oder lediglich mittelbare – z. B. an die Rentner-Richtlinie (90/365/EWG979) anknüpfende – Anwendbarkeit des Art. 18 EG, der vom EuGH bislang ebenfalls offen gelassen wurde.980 Schließlich kann dahinstehen, ob diskriminierende Regelungen nur durch Gründe gerechtfertigt werden können, die der EG-Vertrag ausdrücklich nennt, oder auch durch ein zwingendes Allgemeininteresse.981 Eine Wegzugsbesteuerung findet ihrer Natur nach nur auf Inländer Anwendung (Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht) und schafft infolgedessen kein Sonderrecht für Ausländer. 978

Die unmittelbare Anwendbarkeit bejahen M. Hilf, in Grabitz/Hilf (FN 965), Art. 8a EGV Rz. 1 m. w. N.; M. Haag, in Gröben/Thiesing/Ehlermann (FN 815), Art. 8a EGV Rz. 4; W. Kluth, in Callies/Ruffert (FN 963), Art. 18 EU Rz. 3; N. Dautzenberg, Der Vertrag von Maastricht, das neue Grundrecht auf allgemeine Freizügigkeit und die beschränkte Steuerpflicht der natürlichen Personen, BB 1993, 1563 (1564 f.). Verneint wird die unmittelbare Anwendbarkeit von Kaufmann/Bühler, in C. O. Lenz (Hrsg), EG-Vertrag, 1. Aufl. 1994, Art 8a, Rz. 1. Ebenso wohl auch Geiger, EG-Vertrag, 2. Aufl. 1995, Art. 8a, Rz. 1 sowie H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (20). 979 Richtlinie des Rates vom 28.06.1990, 90/365/EWG, ABl. 1990, Nr. L 180, S. 28 [Art. 1 Abs. 2]. 980 So hat der EuGH in dem Verfahren Sala gegen Freistaat Bayern die Beantwortung dieser Frage vermieden, während der Generalanwalt Art. 8a EGV als unmittelbar anwendbar angesehen hatte. Gegen eine unmittelbare Anwendbarkeit dieses Artikels spricht allerdings, dass der EuGH in seinem Urteil v. 07.07.1992, Rs. C-295/90, Slg. 1992 I-4193 (Parlament), in dem er die Studenten-Richtlinie (RL 90/366/EWG, ABl. 1990, Nr. L 180, S. 30) für nichtig erklärte (ersetzt durch die Studenten-Richtlinie des Rates vom 29.10.1993 [93/96/EWG, ABl. 1993, Nr. L 317, S. 59]), als deren Rechtsgrundlage Art. 7 Abs. 2 EGV ansah, nicht aber Art. 8a EGV. 981 Vgl. zu dieser Tendenz in der EuGH-Rechtsprechung W. Weiß, Nationales Steuerrecht und Niederlassungsfreiheit, EuZW 1999, 493 (496 f.), der ausführt: „Es ist nacheinander zu prüfen, ob eine Bestimmung [. . .] das in Art. 48 EGV [. . .] verankerte Diskriminierungsverbot verletzen kann und ob solche Regelungen gegebenenfalls durch objektive, von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer unabhängige Erwägungen gerechtfertigt sind und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck stehen, der mit den nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt wird.“

D. Wegzug, Zuzug

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c) Rechtfertigung – Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung Der EuGH sieht Beschränkungen von Grundfreiheiten als gerechtfertigt an, wenn die betreffenden Regelungen folgenden Anforderungen genügen: „Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung diese Zieles erforderlich ist.“982

(1) „Bachmann“ Als zwingender Grund des Allgemeininteresses des Wegzugsstaates an der Nachbelastung der Ersparnisse kommt die Verwirklichung des Grundsatzes der Einmalbelastung von Einkommen in Betracht. Zwar ist das allgemeine Interesse der mitgliedstaatlichen Steuergläubiger an der Einnahmenerzielung kein „zwingender Grund des Allgemeininteresses“983. In den Rechtssachen Bachmann984 und Kommission985 hat der EuGH jedoch die Kohärenz der mitgliedstaatlichen Steuerrechtsordnungen als Rechtfertigungsgrund anerkannt. Ein zwingender Grund des Allgemeininteresses liege darin, einen „unmittelbaren Zusammenhang“986 zwischen Steuervorschriften zur Wahrung der Kohärenz aufrechtzuerhalten.987 Eine Norm, die bei isolierter Betrachtung den EG-Vertrag verletzte, könne infolge ihrer Beziehung der Kohärenz zu einer anderen Vorschrift in Gemeinschaftsrechtskonformi982

EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. I-4165, 4197 Tz. 37 (Gebhard). Vgl. dazu EuGH v. 08.05.1990, Rs. C-175/88, Slg. 1990, 1779 (Biehl); v. 14.11.1995, Rs. C-484/93, Slg. 1995 I-3955 (Svenson-Gustavsson); v. 16.07.1998, Rs. C-264/96, Slg. 1998 I-4695 (ICI); auch G. Saß, Einfluß der Dienstleistungsfreiheit in der EU auf die direkten Steuern, DB 2000, 176 (177); V. Heydt, Der Einfluss der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf das nationale Steuerrecht der Mitgliedstaaten und ihre Doppelbesteuerungsabkommen, in M. Lehner (Hrsg.), Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 2000 S. 25 (29). 984 EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992 I-249 (Bachmann). 985 EuGH v. 28.06.1992, Rs. C-300/90, Slg. 1992 I-305 (Kommission). Da die Entscheidungsgründe dieses Urteils denen der Bachmann-Entscheidung (FN 984) nahezu entsprechen, sei im Folgenden auf das Bachmann-Urteil verwiesen. 986 So EuGH v. 14.11.1995, Rs. C-484/93, Slg. 1995 I-3955 Rz. 18 (SvensonGustavsson) zu EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992 I-249 (Bachmann). 987 Vgl. dazu H. Hahn, Urteilsanmerkung [zu Verkooijen], IStR 2000, 436; auch G. Saß, Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die direkten Steuern und Schadensersatzfolgen, in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS Debatin, 1997, S. 381 (386); ders., Zur Rechtsprechung des EuGH und einigen Folgerungen für das deutsche Steuerrecht, FR 1998, 1 (2). Krit. R. Wernsmann, Kohärenz (FN 135), EuR 1999, 755 (768 ff.). 983

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

tät erwachsen. Voraussetzung sei, dass allein ihre Anwendung die Schlüssigkeit (Stimmigkeit, Systemgerechtigkeit988) eines Subsystems des mitgliedstaatlichen Abgabenrechts wahre und somit eine effektive Einkommensbesteuerung sichere.989 So sah der EuGH in der Rechtssache Bachmann990 eine belgische Steuernorm als gemeinschaftsrechtskonform an (gerechtfertigte Arbeitnehmerfreizügigkeitsbeschränkung991), die ausschließlich Altersvorsorgebeiträge, die an belgische Vorsorgeträger geleistet wurden, zum Abzug von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage zuließ. Der Abzugstatbestand stehe in einem kohärenten Verhältnis zu dem belgischen Nachbelastungstatbestand, der Besteuerung der Versorgungsleistungen. Die Kohärenz des Subsystems der Alterseinkünftebesteuerung sei nur dadurch zu gewährleisten, dass die von der Vorsorgeeinrichtung erbrachten Leistungen der belgischen Besteuerung unterliegen. Dies war nur bei den Versorgungsleistungen belgischer Versorgungsträger der Fall.

Der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz setzt demnach zwei Rechtssätze voraus, zwischen denen eine Beziehung dergestalt besteht, dass der eine ohne den anderen in seiner Funktion beeinträchtigt ist (funktionelle Beziehung992). Trotz (wirtschaftlicher) Grundfreiheiten soll verhindert werden, dass ein Marktteilnehmer allein aufgrund einer grenzüberschreitenden Tätigkeit an vorteilhaften Regelungen teilnimmt, die ein nationales Rechtssystem für den innerstaatlichen Bereich vorsieht, ohne zugleich die Belastungen tragen zu müssen, welche im zwingenden systematischen Kontext mit der Vorteilsgewährung stehen.993 Mit Axel Cordewener geht es darum, „eine ausgewogene Trennlinie zu ziehen zwischen dem ,free mover‘, der lediglich Beeinträchtigungen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit abwehrt, und dem ,free rider‘, welcher auf Kosten anderer das Belastungsgleichgewicht und Gerechtigkeitsgefüge innerhalb eines nationalen Steuerstaates einseitig verschiebt“994.

Werden die vorstehenden Grundsätze auf eine Ersparnisbesteuerung anlässlich eines grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsels angewandt, stellt 988 Vgl. E. Reimer, Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht (FN 965), S. 39 (61). W. Birkenfeld spricht von einem abgestimmten widerspruchsfreien Verhalten“, ders., Der Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsverwirklichung im Steuerrecht, StuW 1998, 55 (69 [FN 192]). 989 Vgl. B. Knobbe-Keuk, Restrictions on the fundamental freedoms, EC Tax Review 1994, 80 (84 f.); R. Eckhoff, in D. Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, 1995, § 19 Rz. 41; B. Matzka, Das österreichische Steuerrecht im Lichte der Freiheit des Kapitalverkehrs, 1998, S. 109. 990 EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992 I-249 (Bachmann). 991 Vgl. EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992 I-249 Tz. 28 (Bachmann). 992 Vgl. H. Hahn, Urteilsanmerkung (FN 987), IStR 2000, 436 (437); auch ders., Das ICI-Urteil des EuGH und die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG, IStR 1999, 609 (614). 993 Vgl. A. Cordewener, EG-Grundfreiheiten, 2001, § 21 II.1. 994 A. Cordewener, Grundfreiheiten (FN 993), § 21 II.1.

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sich der Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen als das verschränkende Moment dar. Der alte Ansässigkeitsstaat hat die Ersparnisbildung zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen, um die betreffenden Einkünfte als Ersparnisauflösung bzw. Lebensendvermögen nachzubelasten. Die Kohärenz zwischen den inländischen Steuervorschriften, die einerseits die Abzugsfähigkeit investierter Reinvermögensmehrungen, andererseits aber die steuerliche Erfassung der Ersparnisauflösung normieren (Subsystem der Ersparnisbesteuerung), bedarf einer Wegzugsbesteuerung. Anderenfalls bliebe gespartes Einkommen bei einem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel endgültig unversteuert, ihm würde nicht lediglich ein Besteuerungsaufschub gewährt.995 Insbesondere besteht bei der Wegzugsbesteuerung der Ersparnisse auch eine unmittelbare, persönliche und sachliche Verbindung996 zwischen dem Abzugstatbestand und dem Belastungstatbestand. So geht die Belastung unmittelbar mit der Steuerverschonung der Ersparnisbildung in den vergangenen Veranlagungszeiträumen einher, da eine Wegzugsbesteuerung nur auf bislang unversteuerte Reinvermögensmehrungen zugreift. Zudem sind die Adressaten von Abzugs- und Belastungstatbestand personenidentisch (Sparer und Entsparer). Dahinstehen kann deshalb, ob Personenidentität seit Verkooijen997 Voraussetzung des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz ist.998 Auch besteht zwischen der Wegzugsbesteuerung und der Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung ein sachlicher Konnex, d.h. steuersystematischer Zusammenhang.999 Die Nachbelastung verhindert eine endgültige Steuerverschonung investierter Reinvermögensmehrungen. Sie ist nach den Grundsätzen der Bachmann-Entscheidung1000 allerdings nur dann durch das Kohä995 So auch G. Toifl, Die Wegzugsbesteuerung – § 31 Abs. 2 Z 3 EStG, in M. Lang (Hrsg.), Schriftenreihe zum Internationalen Steuerrecht, Bd. 3, 1996, S. 162, der zwar eine Beeinträchtigung der EG-Grundfreiheiten durch die (österreichische) Wegzugsbesteuerung annimmt. Diese sei allerdings gerechtfertigt, weil erst sie die Realisierbarkeit des österreichischen Besteuerungsanspruchs sichere. 996 Vgl. EuGH v. 06.06.2000, Rs. C-35/98, EWS 2000, 303 ff., Tz. 57 (Verkooijen); v. 14.11.1995, Rs. C-484/93, Slg. 1995 I-3955 Tz. 18 (Svenson-Gustavsson). 997 EuGH v. 06.06.2000, Rs. C-35/98, EWS 2000, 303 ff., Tz. 57 (Verkooijen). 998 H. Hahn (Urteilsanmerkung [FN 987], IStR 2000, 436 [437 f.]) erachtet die Ausführungen zu der Identität der Rechtssubjekte als „überschießend“, als ein obiter dictum, das die Entscheidung nicht trägt. Jedenfalls in Bezug auf wirtschaftliche Einheiten wie Kapitalgesellschaften und ihre Anteilseigner spricht in der Tat wenig dafür, eine Identität der Normadressaten zu fordern, damit zwei Vorschriften in einer Kohärenzbeziehung zueinander stehen können, a. A. allerdings aber wohl Seer/ Haken, Bedeutung und Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts, SteuerStud 2001, 344 (348). 999 Vgl. T. Bieg, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und sein Einfluss auf das deutsche Steuerrecht, 1998, S. 215 u. 265. 1000 EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992 I-249 (Bachmann).

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

renzprinzip gerechtfertigt, wenn mit dem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel eine Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Inland einhergeht. Sind mit der Ersparnisauflösung inlandsradizierte Einkünfte verbunden, die der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterfallen, wäre die Erhebung einer Wegzugsteuer gemeinschaftsrechtswidrig. Die Verwirklichung des Grundsatzes der Einmalbelastung von Einkommen würde durch den Wegzug nicht gefährdet. (2) „Wielockx“ In der Rechtssache Wielockx1001 wurden die Grundsätze, die der EuGH in der Bachmann-Entscheidung1002 zum Rechtfertigungsgrund der Kohärenz entwickelt hat, eingeschränkt.1003 Der EuGH sieht es nunmehr als ausreichend an, wenn die Wechselbeziehung zwischen den Normen, die in einer kohärenten Beziehung zueinander stehen, auf Ebene der zwischenstaatlichen Doppelbesteuerungsabkommen gewährleistet ist.1004 Er verwarf eine niederländische Bestimmung als EG-vertragswidrig, die dem gebietsfremden Selbständigen ein Recht verweigerte, welches Gebietsansässigen zustand, nämlich den Abzug einer Altersrücklage vom zu versteuernden Einkommen. Insbesondere folgte der EuGH nicht der Argumentation der niederländischen Regierung, die Verwehrung des Abzugs sei aus Kohärenzgründen gerechtfertigt, weil die Niederlande nicht zur Besteuerung der Altersbezüge befugt seien (DBA-rechtliche Aufgabe des Besteuerungsrechts). Der EuGH führte aus: „[Der niederländische Staat besteuert] aufgrund der Dopppelbesteuerungsabkommen [. . .] alle Renten, die in seinem Gebiet ansässige Personen beziehen, unabhängig davon, in welchem Staat die Beiträge gezahlt wurden, er verzichtet aber umgekehrt darauf, die im Ausland bezogenen Renten der Besteuerung zu unterwerfen, auch wenn sie auf Beiträgen beruhen, die in seinem Gebiet gezahlt wurden und die er als abzugsfähig angesehen hat. Die steuerliche Kohärenz wird also nicht auf der Ebene der Einzelperson, durch eine strenge Wechselbeziehung zwischen der Abzugsfähigkeit der Beiträge und der Besteuerung der Renten, hergestellt, sondern sie wird auf eine andere Ebene, nämlich die der Gegenseitigkeit der in den Vertragsstaaten anwendbaren Vorschriften verlagert.“ 1005 1001

EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 (Wielockx). EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992 I-249 (Bachmann). Gleiches gilt für das zu selbigen (belgischen) Vorschriften ergangene EuGH v. 28.06.1992, Rs. C-300/90, Slg. 1992 I-305 (Kommission). 1003 Vgl. nur U. Wölker, in Gröben/Thiesing/Ehlermann (FN 815), Art. 48 EGV Rz. 46. 1004 Zuvor bereits B. Knobbe-Keuk, Restrictions (FN 989), EC Tax Review 1994, 80 f. [zu Bachmann]. 1005 EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 24 (Wielockx). 1002

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Wolfgang Schön1006 fasst diese EuGH-Rechtsprechung dahingehend zusammen, „dass die Mikro-,Kohärenz‘ einer konkreten nationalen Regelung durch den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen aufgehoben und durch eine Makro,Kohärenz‘ auf der Ebene der Doppelbesteuerungsabkommen ersetzt werden kann“.

Demnach kann sich nicht länger auf den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz berufen, wer sich freiwillig – nämlich durch Vereinbarung einer entsprechenden DBA-Regelung – angestammter Besteuerungsbefugnisse entledigt. Der EuGH beurteilt die Geschlossenheit eines steuerlichen Subsystems seit seiner Wielockx-Entscheidung auch anhand der einschlägigen DBA-Regelungen.1007 Wörtlich heißt es: „Da die steuerliche Kohärenz auf der Grundlage eines mit einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen bilateralen Abkommens gewährleistet wird, kann dieser Grundsatz nicht herangezogen werden, um die Verweigerung einer Abzugsmöglichkeit [. . .] zu rechtfertigen.“ 1008 Die EuGH-Rechtsprechung entwickelte sich bemerkenswert parallel1009 zur Judikatur des U.S.-Supreme Court. So misst das höchste U.S.-Gericht einzelstaatliche Regelungen an der verfassungsrechtlich verbürgten Interstate Commerce Clause, indem sie einem coherence- bzw. consistency-Test unterzogen werden. Untersucht wird, ob der Handel zwischen den Einzelstaaten durch inkonsistente einzelstaatliche Maßnahmen beeinträchtigt wird. Während zunächst der interstaatliche Handel innerhalb der USA durch ein Verbot jeglicher steuerlicher Belastung geschützt war1010, haben Regelungen mittlerweile1011 Bestand, wenn ein substantial nexus zwischen der besteuerten Tätigkeit und dem belastenden Einzelstaat besteht und die Steuer einem apportionment zwischen den beteiligten Staaten entspricht.1012 Der Supreme Court führt aus: 1006 W. Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit (FN 815), GS Knobbe Keuk (FN 815), S. 743 (770). 1007 Vgl. auch A. Rainer, Doppelbesteuerungsabkommen und die EuGH-Rechtsprechung zu den direkten Steuern, IStR 1995, 474 (475). 1008 EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 25 (Wielockx). 1009 Vgl. dazu ausführlich A. Cordewener, Grundfreiheiten (FN 993), § 21 II.2. mit Verweis auf J. Wouters, Het Europese vestigingsrecht voor ondernemingen herbekeken, S. 517 m. w. N. in FN 2537. 1010 Vgl. Supreme Court v. 07.03.1887, Robbins vs. Taxing District of Shelby County, 120 U.S. 489, 497 (1888): „Interstate commerce cannot be taxed at all, even though the same amount of tax should be laid on domestic commerce, or that which is carried on solely within the state“. 1011 Bereits in seinem Urteil vom 28.02.1938 (Western Live Stock vs. Bureau of Revenue, 303 U.S. 250, 254 [1938]) entschied der Supreme Court: „Even interstate business must pay its way.“ 1012 In der Entscheidung des Supreme Court vom 07.03.1977 (Complete Auto Transit, 430 U.S. 274 , 279 [1977]) heißt es, eine Steuer sei mit der Commerce Clause vereinbar, „when the tax is applied to an activity with a substantial nexus

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

„The Court determines whether a tax is fairly apportioned by deciding whether it is internally and externally consistent.“

Infolgedessen ist eine Wegzugsbesteuerung nicht nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat steuerverhaftet bleibt, vgl. dazu oben Abschn. (1), Seiten 247 ff. Primäres Gemeinschaftsrecht steht der Erhebung einer Wegzugsteuer in Ermangelung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses auch dann entgegen, wenn der Wegzugsstaat sich seiner Besteuerungsbefugnis freiwillig – z. B. DBA-rechtlich – begeben hat und die Ersparnisauflösung im Zuzugsstaat der Besteuerung unterliegt (Steuerverstrickung im Ausland). Hierbei kann dahinstehen, ob dem Wegzugsstaat sein (DBA-rechtlicher) Besteuerungsverzicht auf der Rechtfertigungsebene schon deshalb nicht zugute kommt, weil er regelmäßig eine korrespondierende Besteuerungsbefugnis erhalten hat.1013 Jedenfalls sorgt die Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Ausland dafür, dass die Verwirklichung des Grundsatzes der Einmalbelastung von Einkommen auf supranationaler Ebene auch ohne eine inländische (Wegzugs-)Besteuerung gesichert ist. Insbesondere können die Grundsätze der Wielockx-Entscheidung1014 nicht auf Maßnahmen der Alterssicherung beschränkt werden. Steuersystematisch unterscheiden sich Rücklagen, die für eine dauerhafte Erhöhung des Lebensstandards im Alter gebildet werden, nicht von anderen Ersparnissen. Jeweils werden Reinvermögensmehrungen investiert, um zukünftigen Konsum zu finanzieren.

Ist die Ersparnisauflösung hingegen nach dem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel weder im Inland noch im Ausland steuerverstrickt, sichert bei nachgelagerter Besteuerung allein eine Wegzugsbesteuerung den Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen (ultima ratio-Maßnahme1015). Beeinträchtigungen der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten, die aus der Wegzugsbesteuerung resultieren, sind dann durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung zu sichern. with the taxing State, is fairly apportioned, does not discriminate against interstate commerce, and is fairly related to the services provided by the State“. 1013 So der Schlussantrag des Generalstaatsanwalts P. Léger vom 31.05.1995, Slg. 1995, I-2495 Tz. 55 (Wielockx). Ebenso R. Prokisch, Die Bedeutung der Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EU-Mitgliedstaaten aus dem Blickwinkel des ungarischen, polnischen und tschechischen Rechts, in M. Lehner (Hrsg.), Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht Heft 20,2000, S. 119 (128); A. Reiner, Doppelbesteuerungsabkommen und die EuGH-Rechtsprechung zu den direkten Steuern, IStR 1995, 474 (475); J. Sedemund, Die Bedeutung des Prinzips der steuerlichen Kohärenz als Rechtfertigungsaspekt für Eingriffe in die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, IStR 2001, 190 (192). 1014 FN 1008. 1015 Vgl. zur (vergleichbaren) Erforderlichkeit der Abrechnung stiller Reserven zum letzten noch möglichen Zeitpunkt vor der Steuerentstrickung H. Schaumburg, Systemdefizite (FN 857), StuW 2000, 369 (373).

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d) Verhältnismäßigkeitsgebot: Steuerstundung bei Sicherung des inländischen Besteuerungsanspruchs; sukzessive Tilgung Beschränkungen von Grundfreiheiten sind allerdings nur gemeinschaftsrechtskonform, wenn sie verhältnismäßig sind (Übermaßverbot). So hat der EuGH in der Rechtssache Bachmann1016 eine Regelung des belgischen Steuerrechts, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt, lediglich deshalb als gemeinschaftsrechtskonform anerkannt, weil „beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Kohärenz einer solchen Steuerregelung nicht durch weniger einschränkende Bestimmungen [. . .] gewährleistet werden kann und jede andere Maßnahme [. . .] im Ergebnis ähnliche Folgen hätte“1017.

Implizit bejaht der EuGH die Geeignetheit der belgischen Vorschrift sowie verneint die Existenz einer weniger beschränkenden, aber gleichermaßen geeigneten Maßnahme (Erforderlichkeit). Es folgt eine – wenn auch indirekte – Abwägung des beabsichtigten Regelungsziels gegen das beeinträchtigte Gemeinschaftsinteresse.1018 Das gemeinschaftsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot, dem eine Wegzugsbesteuerung zu genügen hat, entspricht damit dem Übermaßverbot des deutschen Abgabenrechts1019 (legitimes Ziel, Geeignetheit, Erforderlichkeit, angemessene Zweck-Mittel-Relation1020). (1) Keine Gefährdung des inländischen Besteuerungsanspruchs – Steuerstundung gegen Sicherheitsleistung Aus dem Übermaßverbot folgt die Verpflichtung des Wegzugsstaates, die Steuerschuld aus der nachholenden Belastung der Ersparnisse zu stunden, soweit hierdurch der inländische Besteuerungsanspruch nicht gefährdet wird. Ist der inländische Steueranspruch gesichert, wäre eine stundungslos erhobene Wegzugsteuer auch dann nicht erforderlich, wenn die Ersparnisauflösung weder im Inland noch im Ausland steuerverstrickt ist, die Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung die Nachbelastung folglich im Grundsatz gebietet.1021 Die positiven Liquiditäts- und Zinseffekte einer 1016

EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992 I-249 (Bachmann). EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992 I-249 Tz. 27 (Bachmann). 1018 So auch T. Bieg, Einfluss des EuGH auf das deutsche Steuerrecht (FN 999), S. 217. 1019 Vgl. W. Weiß, Niederlassungsfreiheit (FN 1019), EuZW 1999, 493 (497) [zu EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. I-4165, 4197 Tz. 37 (Gebhard)]. Ebenso B. Weiser, Rechtsprechung und Rechtssetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung in der Europäischen Union, 1998, S. 159. 1020 Vgl. hierzu nur J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 209 ff. 1021 Vgl. zu dieser Voraussetzung einer gemeinschaftsrechtskonformen Wegzugsbesteuerung oben Abschn. 3.c), S. 246 ff. 1017

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

Steuerstundung mindern die grundrechtsbeschränkende Wirkung einer Wegzugsteuer. Gefährdet die Stundung den inländischen Besteuerungsanspruch, ist die aufgeschobene Wegzugsbesteuerung allerdings schon nicht geeignet, die Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung zu wahren. Eine Gefährdung der fiskalischen Interessen des Wegzugsstaates ist aber z. B. ausgeschlossen, wenn der wohnsitzwechselnde Investor Sicherheiten anbietet. So ist eine Steuerstundung gegen Sicherheitsleistung ebenso wie eine stundungslos erhobene Wegzugsteuer geeignet, den Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen zu verwirklichen. Trotz der Kosten, die mit einer Sicherheitsleistung verbunden sein mögen („Quasi-Besteuerung“1022), ist sie zudem weniger belastend.1023 Infolgedessen kann der Wegzugsstaat eine Steuerstundung gegen Sicherheitsleistung nicht verwehren, ohne gegen primäres Gemeinschaftsrecht zu verstoßen. (2) Sukzessive Tilgung Die gestundete Steuerschuld wäre ratierlich zu tilgen. Für inländische Besteuerungszwecke kann typisierend von einer sukzessiven Ersparnisauflösung ausgegangen werden. So dürfte der Wegzugsstaat nicht in der Lage sein, den tatsächlichen Gang der Ersparnisauflösung zu überprüfen. Insbesondere benötigen nämlich auch die Finanzbehörden des Zuzugsstaates, die möglicherweise zur Amtshilfe verpflichtet sind, keine entsprechenden Informationen, da sie Einkommen traditionell besteuern (Belastung im Entstehungszeitpunkt, Unbeachtlichkeit der Ersparnisauflösung). Bei zinsloser Steuerstundung hat die typisierende Annahme einer sukzessiven Ersparnisauflösung zur Folge, dass der ins Besteuerungsausland umgezogene Investor und der im Inland verbliebene Sparer, der sein akkumuliertes Vermögen nach und nach in den (Alters-)Konsum einfließen lässt, gleichermaßen belastet werden. Diese Zielsetzung liegt § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG1024 zugrunde. Hiernach ist die steuerliche Förderung der zusätzlichen privaten Altersvorsorge (§§ 10a; IX. EStGAbschnitt), die mit Ausscheiden des Altersvorsorge-Sparers aus der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht zurückgefordert wird, ab Beginn der Leistungen aus dem Altersvorsorgevertrag zu tilgen, und zwar in Höhe von 15% der vereinnahmten Riester-Rente (aufgeschobene Besteuerung via ratierlicher Tilgung der gestundeten Steuerschuld).

1022

J. Mitschke, Steuer- und Transferordnung (FN 509), S. 187. Die Kosten der Sicherheitsleistung werden regelmäßig günstiger sein als eine sofort fällige Wegzugsteuer. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, kann die Steuerschuld unmittelbar beglichen, d.h. die Stundung nicht in Anspruch genommen werden. 1024 Vgl. zu dessen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit unten Abschn. 4.a), S. 259 ff. 1023

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(3) Exkurs: Vergleichbare Regelungen bei traditioneller Besteuerung Zur zinslosen Stundung der Wegzugsteuer gelangt auch, wer die Grundsätze, welche bei traditioneller Besteuerung im Hinblick auf stille Reserven zur Anwendung gelangen, auf die nachgelagerte Besteuerung von Ersparnissen überträgt. Hier endet der Besteuerungsaufschub, der in investiver Verwendung belassenen Reinvermögensmehrungen gewährt wird (Wertzuwächse in Wirtschaftsgütern des Einkünfteerzielungsvermögens), ebenfalls nicht mit der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Betätigung. Finale Entnahmelehre Zwar hat der BFH in der Vergangenheit bei der Verlegung einer bislang im Inland ausgeübten selbständigen Tätigkeit ins Ausland eine Betriebsaufgabe im Sinne der §§ 16 Abs. 3; 18 Abs. 3 EStG angenommen, sobald die inländische Besteuerung der im Betriebsvermögen verhafteten stillen Reserven durch einen grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel gefährdet war (Steuerentstrickung bislang unbelasteter Reinvermögensmehrungen).1025 Diese Judikatur stützte1026 sich auf die sog. finale Entnahmelehre, die der BFH im Zusammenhang mit der Überführung von Wirtschaftsgütern des inländischen Stammhauses in eine ausländische Betriebsstätte entwickelt hat. Danach ist eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme anzusetzen, wenn der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte aufgrund eines mit dem Zuzugsstaat abgeschlossenen DBA nicht der inländischen Besteuerung unterliegt.1027 Überführungserlass vom 12. Februar 1990 Diese Rechtsprechung wendet die Finanzverwaltung seit dem BMFSchreiben1028 vom 12. Februar 1990 (sog. Überführungserlass) jedoch nicht 1025

Vgl. BFH v. 28.03.1984 I R 191/79, BStBl II 1984, 664 (665); v. 13.10.1977 I R 261/70, BStBl II 1977, 76 (77 f.); v. 28.04.1971 I R 55/65, BStBl II 1971, 630 (630 f.). Krit. dazu B. Knobbe-Keuk, Wegzug und Einbringung von Unternehmen zwischen Niederlassungsfreiheit, Fusionsrichtlinie und nationalem Steuerrecht, DB 1991, 298 (299 f.). Vgl. zur finalen Entnahmelehre des BFH B. Kempka, Systemkonforme steuerliche Behandlung stiller Reserven bei der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, StuW 1995, 242 (243 f.). 1026 Das grundlegende BFH-Urteil zur Betriebsaufgabe durch Wegzug (BFH v. 28.04.1971 I R 55/65, BStBl II 1971, 630) verweist ausdrücklich auf die in FN 1027 zitierte Entscheidung (finale Entnahmelehre). 1027 Vgl. BFH v. 16.07.1969 I 266/65, BStBl II 1970, 175 (176 f.).

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

mehr an.1029 So stundete der Überführungserlass über die Methode der sog. aufgeschobenen Gewinnverwirklichung faktisch die latenten Steuern, die auf den stillen Reserven lasten. Sie berechtigte den Steuerpflichtigen zur Bildung eines Korrekturpostens in Höhe der Differenz zwischen dem Fremdvergleichspreis und dem Buchwert des überführten Wirtschaftsgutes. Hierdurch wurde der Wertansatz in der Steuerbilanz neutralisiert. Der Korrekturposten war mit Ausscheiden des betreffenden Wirtschaftsgutes aus der ausländischen Betriebsstätte erfolgswirksam aufzulösen.1030 Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens wurde der Korrekturposten in Höhe des Wertverzehrs verringert, welcher während der Nutzung durch die ausländische Betriebsstätte eintrat.1031

§ 6 Abs. 5 Satz 1 EStG – Betriebsstättenerlass vom 24. Dezember 1999 Ausweislich der Begründung1032 des StEntlG1033 soll nunmehr § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG die stillen Reserven erfassen, die in Wirtschaftsgütern verhaftet sind, welche in ausländische Betriebsstätten überführt werden. Eine Buchwertfortführung ist nur zulässig, „sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist“. Zwar wird im Schrifttum1034 bezweifelt, dass der Wortlaut der Vorschrift das Auslegungsergebnis der Gesetzesbegründung trägt. So bleibt Deutschland regelmäßig zur Besteuerung der stillen Reserven befugt, die in überführten Wirtschaftsgütern ruhen, und zwar unabhängig davon, ob die ausländische Betriebsstätte in einem Land liegt, mit dem ein DBA abgeschlossen worden ist (DBA-Betriebsstätte). Selbst wenn DBA-rechtlich die Freistellungsmethode vereinbart wurde, weist Art. 7 OECD-MA dem Herkunftsland des überführten Wirt1028 BMF-Schreiben v. 12.02.1990, IV B 2 – S 2135 – 4/90, IV C 5 – S 1300 – 21/90, BStBl I 1990, 72. 1029 Vgl. F. Wassermeyer, Bericht über den 49. Fachkongress der Steuerberater, StbJb 1997/98, S. 517: „Durch das BMF-Schreiben vom 12.2.1990 hatte der BFH bisher keine Gelegenheit, sich zu äußern, ob er an seiner Rechtsprechung festhält. Diejenigen, die das Problem in den letzten 20 Jahren diskutiert haben, sind alle davon ausgegangen, dass die BFH-Rechtsprechung falsch ist und aus Rechtsgründen keine Gewinnrealisierung angenommen werden kann.“ 1030 Vgl. dazu M. Pfaar, Keine Besteuerung bei Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten, IStR 2000, 42 (44). 1031 Vgl. BMF-Schreiben v. 12.02.1990, IV B 2 – S 2135 – 4/90, IV C 5 – S 1300 – 21/90, BStBl I 1990, 72. 1032 BT-Drucks. 14/23 v. 09.11.1998, S. 173 (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Begründung Besonderer Teil, zu § 6 Abs. 4 EStG). 1033 BGBl. I 1999 S. 402. 1034 Vgl. z. B. M. Pfaar, Überführung von Wirtschaftsgütern (FN 1030), IStR 2000, 42 (46).

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schaftsguts das Besteuerungsrecht insoweit zu, als der Veräußerungsgewinn auf stillen Reserven beruht, die im Inland gebildet wurden.

Im Ergebnis1035 gelangt aber auch die Finanzverwaltung bei Überführungen von Wirtschaftsgütern in ausländische DBA-Betriebsstätten zu einer Steuerstundung.1036 Nach Ziffer 2.6.1 des BMF-Schreibens vom 24. Dezember 19991037 (Betriebsstättenerlass) sind die stillen Reserven „aus Billigkeit“ bis zu dem Zeitpunkt nicht zu versteuern, in dem das überführte Wirtschaftsgut veräußert wird.1038 Zuvor ist der Überführungsgewinn durch einen aktiven Merkposten (Ausgleichsposten) zu neutralisieren, der die betreffenden Reinvermögensmehrungen – ebenso wie das nachgelagerte Korrespondenzprinzip – aufgeschoben besteuert. § 6 Abs. 5 AStG – Stundung der Wegzugsteuer Zudem sei § 6 Abs. 5 AStG als Beispiel einer aufgeschobenen Besteuerung im Rahmen der traditionellen Einkommensteuer genannt. Hiernach kann die Steuerschuld, die bei einem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel aus dem Wertzuwachs entsteht, den eine wesentliche Kapitalgesellschaftsbeteiligung im Sinne des § 17 EStG erfahren hat, gegen Sicherheitsleistung gestundet werden. Die gestundete Steuer ist durch jährliche Ratenzahlungen zu tilgen, solange die Kapitalgesellschaftsbeteiligung nicht veräußert wird, § 6 Abs. 5 Satz 2 AStG. „Erscheint der Steueranspruch nicht gefährdet“, kann von einer Sicherheitsleistung abgesehen werden, § 6 Abs. 5 Satz 3 AStG 3. HS. Vorgeschlagen wird darüber hinaus, § 6 AStG um ein Stundungsverfahren im Sinne des Überführungserlasses1039 zu er-

1035 Dies gilt allerdings nicht bei einer Weiterverlagerung des überführten Wirtschaftsgutes in eine Betriebsstätte in einen dritten EU-Staat, wogegen E. Reimer (Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht [FN 965], S. 39 [92]) gemeinschaftsrechtliche Bedenken anmeldet (Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, Art. 43 EG). 1036 Krit. zum BMF-Schreiben vom 24.12.1999 IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl I 1999, 1076 ff., insbesondere zur Beschränkung auf DBA-Fälle, z. B. J.-D. Kramer, Verbringung von Wirtschaftgütern zwischen Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, IStR 2000, 449 (454 ff.). 1037 BMF-Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl I 1999, 1076 (1086 [Tz. 2.6.1]). 1038 Dogmatisch kann diese Verwaltungsanweisung nicht überzeugen. Denn nach allgemeiner Meinung dienen die Billigkeitsvorschriften der §§ 222, 227 AO allein der Herstellung von Gerechtigkeit im Einzelfall (vgl. nur R. Seer, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 [FN 38], § 22 Rz. 329 f.). Nicht geschaffen wurden sie, um Rechtsfolgen generell zu korrigieren (keine allgemeine Korrektur gesetzlicher Regelungen, die als unbillig empfunden werden). 1039 Vgl. FN 1028.

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

gänzen (Ausgleichsposten).1040 Auch Dieter Birk hält eine stundungslos erhobene Wegzugsteuer für verfehlt: „Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des aus Deutschland weggezogenen Steuerpflichtigen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2e EStG) wäre es nämlich durchaus möglich, die stillen Reserven für steuerliche Zwecke festzustellen, die Erfassung aber solange auszusetzen, bis der Gewinn tatsächlich realisiert wird. Die im Zeitraum der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gebildeten stillen Reserven würden danach – ebenso wie bei dem im Inland ansässigen Steuerpflichtigen – bei Realisierung erfasst. Die stillen Reserven müssten beim Wegzug nur festgestellt werden, um sie beim späteren Realisierungsakt der Einkommensteuer unterwerfen zu können. Damit würden die fiskalischen Interessen gewahrt und der wegziehende Steuerpflichtige nicht schlechter gestellt als wenn er im Inland verbliebe.“1041

Werden im vorstehenden Zitat die Worte „stille Reserven“ und „Realisierung“ durch „Ersparnisbildung“ und „Ersparnisauflösung“ ersetzt, ergibt sich eine Handlungsanweisung für eine sachgerechte nachgelagerte Besteuerung grenzüberschreitender Umzüge, die mit einer Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat verbunden sind, ohne mit ihrer Steuerverstrickung im Zuzugsstaat einherzugehen. 4. Exkurs: § 95 EStG und § 6 AStG gemeinschaftsrechtskonform? Mit § 95 EStG und § 6 AStG kennt das deutsche Ertragsteuerrecht zwei Normen, die abgabenrechtliche Sonderfolgen an die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland knüpfen (Wegzugsbesteuerung). § 6 AStG versucht, das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer durchzusetzen, indem die markteinkommenstheoretisch begründete1042 Nichterfassung unrealisierter Wertzuwächse korrigiert wird (Nachversteuerung der stillen Reserven als ultima ratio-Maßnahme). § 95 EStG soll die Einmalbelastung von Reinvermögensmehrungen im Rahmen einer nachgelagerten Besteuerung gewährleisten.1043 Hierfür wird auf die sonderausgabenabzugsfähigen Altersvorsorgebeiträge sowie die Vorsorgekapitalerträge zugegriffen, welche bislang ebenfalls unversteuert geblieben sind. Nachfolgend werden demnach zwei Wegzugsbesteuerungstatbestände auf ihre EG-

1040 Vgl. z. B. E. Reimer, Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht (FN 965), S. 39 (99); N. Dautzenberg, Wegzugsteuer (FN 938), BB 1997, 180 (183). 1041 Vgl. D. Birk, Wegzugsbesteuerung und Europarecht (FN 937), FS Offerhaus, S. 163 (172). 1042 Vgl. dazu oben Kapitel 7, S. 210 ff. 1043 Vgl. zur nachgelagerten Besteuerung der Riester-Rente durch §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG oben Kapitel 6 Abschn. D.II. u. III., S. 199 ff. u. 202 ff.

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Rechtskonformität untersucht, die unterschiedliche Belastungsideale zu verwirklichen suchen. a) § 95 EStG gemeinschaftsrechtskonform? – Wegzugsbesteuerung von Riester-Rentnern § 95 EStG erschwert den innergemeinschaftlichen Wohnsitzwechsel, soweit der Zuzugsstaat in Anlehnung an Art. 18 OECD-MA Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen besteuert. Hinsichtlich der Altersvorsorgebeiträge kommt es zu einer Doppelbelastung des Riester-Rentners, der seinen Wohnsitz in das EG-mitgliedstaatliche Besteuerungsausland verlegt. Zum einen werden sie als Altersrente der Einkommensteuer im neuen Wohnsitzstaat unterworfen, zum anderen fordert Deutschland den abgabenrechtlichen Vorteil aus der Sonderausgabenabzugsfähigkeit und Zulagenförderung zurück. Wie oben in Kapitel 6 Abschn. D.III.3. auf den Seiten 207 ff. dargestellt, wird die steuerliche Förderung des Altersvorsorgevermögens zurückgefordert, sobald die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Altersvorsorge-Sparers durch Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet. Nach § 95 Abs. 1 i.V. m. 93 Abs. 1 Satz 1 EStG sind die gewährten Zulagen sowie die gemäß § 10a Abs. 4 EStG gesondert festgestellte Steuerermäßigung aus dem Sonderausgabenabzug der Altersvorsorgebeiträge bei Wegzug zurückzuzahlen. Nach § 22 Nr. 5 Satz 4 EStG sollen zudem die Beträge, die an den ins Besteuerungsausland verzogenen Altersvorsorge-Sparer ausgezahlt werden, als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 5 Satz 1 EStG) besteuert werden, soweit sie die Eigenbeiträge und steuerliche Förderung übersteigen. Da letztgenannte Vorschrift leerläuft, weil sie nicht in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG aufgenommen wurde (fehlender Inlandsbezug), bleibt sie im Folgenden unberücksichtigt. Gleiches gilt für die Stundung des Rückzahlungsbetrages nach § 95 Abs. 2 Satz 1 EStG, da dieser ab Rentenbeginn – und damit dem hier interessierenden Zeitraum (Verbringung des Ruhestands in einem anderen EG-Mitgliedstaat) – mit mindestens 15% der Leistungen aus dem Altersvorsorgevertrag zu tilgen ist, § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG. Da die Belastung aus der Rückforderung der steuerlichen Förderung nicht eintritt, wenn der Altersvorsorge-Sparer innerhalb Deutschlands umzieht, ist der innergemeinschaftliche Wohnsitzwechsel mit einer höheren Abgabenlast verbunden. Insbesondere dürfte sich der EuGH nur schwerlich von dem Argument überzeugen lassen, bei dem Rückzahlungsbetrag des § 95 Abs. 1 i.V. m. 93 Abs. 1 Satz 1 EStG handele es sich lediglich um die Rückforderung einer Subvention. Denn die Rückzahlung der Altersvorsorgezulage sowie der Steuerermäßigung aus dem Sonderausgabenabzug belastet die geleisteten Altersvorsorgebeiträge regelmäßig1044 in glei1044

Rückforderungsbetrag nach § 95 EStG und Einkommensteuerschuld nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG entsprechen sich, wenn der frühere Altersvorsorge-Sparer und nunmehrige Riester-Rentner der gleichen Grenzsteuerbelastung unterlegen haben und die Günstigerprüfung des § 10 Abs. 2 EStG stets zugunsten des Sonderausgabenabzugs ausgefallen ist. Der Riester-Rentner steht sich mit der Rückforderung

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

cher Weise wie die Besteuerung der Riester-Rente, vgl. dazu oben Kapitel 6 Abschn. D.III.1.b), Seiten 203 ff.

Wird der innergemeinschaftliche Wohnsitzwechsel erschwert, behindert dies die allgemeine Freizügigkeit innerhalb der EU. Diese ist durch Art. 18 EG auch dann geschützt, wenn der innergemeinschaftliche Umzug nicht mit grenzüberschreitenden ökonomischen Aktivitäten einhergeht.1045 Zwar unterbindet Art. 18 EG nicht jede Beschränkung der Freizügigkeit1046 und damit auch nicht jede Form der Wegzugsbesteuerung.1047 Für die Rückforderung der steuerlichen Förderung gemäß §§ 95 Abs. 1 i.V. m. 93 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt aber insbesondere nicht der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz1048 des Subsystems der Ersparnisbesteuerung in Betracht. Zwar sind bei der nachgelagerten Besteuerung der Riester-Rente zwei Rechtssätze vorhanden, zwischen denen eine Beziehung dergestalt besteht, dass der eine Tatbestand – die Sonderausgabenabzugsfähigkeit und Zulagenförderung der Altersvorsorgebeiträge, §§ 10a; 79 ff. EStG – ohne den anderen – die Besteuerung der Ersparnisauflösung, § 22 Nr. 5 EStG – in seiner Funktion beeinträchtigt wäre. „Zwingende Gründen des Allgemeininteresses“1049 an einer Besteuerung durch den Wegzugsstaat bestehen allerdings nicht, wenn die Steuerentstrickung im früheren Ansässigkeitsstaat mit einer Steuerverstrickung im Zuzugsstaat einhergeht und der Wegzugsstaat sich seines Besteuerungsrechts freiwillig durch den Abschluss eines entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommens begeben hat.1050 Dann ist die „Makro-,Kohärenz‘ auf Ebene der Doppelbesteuerungsabkommen“1051 ohne die Rückforderung der steuerlichen Förderung gemäß § 93 Abs. 1 EStG gewährleistet. Auch in Deutschland wären Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen der steuerlichen Förderung anlässlich seines Wegzugs schlechter (besser) als bei einem innerdeutschen Wohnsitzwechsel, wenn seine Einkommensteuerprogression im Alter die in der Berufstätigkeitsphase unterschreitet (übersteigt). 1045 Vgl. dazu H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (16, 18) sowie oben Abschn. 3.a) u. b), S. 241 ff. 1046 Vgl. z. B. die in der Richtlinie 90/365/EWG des Rates vom 28.06.1990, ABl. 1990, Nr. L 180 S. 28 [Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen (Rentner-Richtlinie)] postulierte Voraussetzung, für den eigenen Lebensunterhalt sorgen zu können. 1047 Vgl. dazu BFH v. 17.12.1997 I B 108/97, DStZ 1998, 520 [zu § 6 AStG]. 1048 Vgl. dazu ausführlich oben Abschn. 30, S. 246 ff. sowie grundlegend EuGH v. 28.01.1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992, I-249 Tz. 28 (Bachmann); einschränkend EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 24 (Wielockx). Vgl. dazu W. Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit (FN 815), GS Knobbe Keuk (FN 815), S. 743 (763 ff., 770); R. Wernsmann, Kohärenz (FN 135), EuR 1999, 755 (762 ff.); H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (22 f.); U. Wölker, in Gröben/Thiesing/Ehlermann (FN 815), Art. 48 EGV Rz. 46. 1049 EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. I-4165, 4197 Tz. 37 (Gebhard). 1050 So wohl auch D. Birk, Wegzugsbesteuerung und Europarecht (FN 937), FS Offerhaus, S. 163 (171) [zu § 6 AStG].

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nur einmal einkommensteuerlich belastet worden, § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG. § 95 EStG genügt demnach den oben in Abschn. 3.c) und d) auf den Seiten 246 ff. und 253 ff. aufgezeigten Voraussetzungen einer gemeinschaftsrechtskonformen Wegzugsteuer nicht, soweit der Zuzugsstaat die Riester-Rente besteuert.1052 b) § 6 AStG gemeinschaftsrechtskonform? – Stille Reserven in inländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen § 6 AStG sucht die stillen Reserven zu erfassen, die in Beteiligungen an inländischen1053 Kapitalgesellschaften, d.h. solchen mit Sitz im Inland1054, verhaftet sind.1055 Diese Wegzugsbesteuerung ist regelmäßig ebenfalls gemeinschaftsrechtswidrig, nämlich immer dann, wenn das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne DBA-rechtlich dem neuen Ansässigkeitsstaat (Zuzugsstaat) zugewiesen ist. So beeinträchtigt auch § 6 AStG die jedenfalls vom Schutzbereich des Art. 18 EG umfasste innereuropäische Freizügigkeit. Denn bei einem Umzug innerhalb Deutschlands sind die stillen Reserven, die in inländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen enthalten sind, nicht zu versteuern. Gerechtfertigt werden könnte diese Mehrbelastung wiederum allein mit Kohärenzgesichtspunkten, nämlich mit der Kohärenz des 1051 W. Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit (FN 815), GS Knobbe Keuk (FN 815), S. 770 (zu EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 24 [Wielockx]). 1052 Im Ergebnis ebenso H. Hügelschäffer, Rückzahlung der Riesterförderung bei Wegzug (FN 813), BetrAV 2002, 134 (137). Krit. auch V. Heydt, Alterssicherung im Ausland (FN 813), in VDR (Hrsg.), Altersvorsorge, S. 118 (127). 1053 Krit. zu dieser Begrenzung H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (FN 101), Rz. 5.369; N. Dautzenberg, Wegzugsteuer (FN 938), BB 1997, 180 (182 f.). Allerdings treten die vorgenannten Autoren im Grundsatz für eine inländische Besteuerungsbefugnis in Bezug auf stille Reserven ein, die sich während der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gebildet haben, vgl. N. Dautzenberg, Wegzugsteuer (FN 938), BB 1997, 180 (182); H. Schaumburg, Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht (FN 820), FS Tipke, S. 125 (142). 1054 Vgl. F. Wassermeyer, in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuergesetz, 6. Aufl. 2001, § 6 AStG Rz. 16a. 1055 Gleiches soll § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG hinsichtlich von einbringungsgeborenen Kapitalgesellschaftsanteilen gewährleisten. Eine Besteuerung des Vermögenszuwachses erfolgt bei einbringungsgeborenen Anteilen jedoch nur dann, wenn die Besteuerungsbefugnis des Inlands z. B. DBA-rechtlich untergeht, vgl. dazu H. Schaumburg, Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht (FN 820), FS Tipke, S. 125 (142). § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG setzt das BFH v. 26.01.1977 VIII R 109/75, BStBl II 1977, 283 (285 f.). Hiernach war bei einem Wegzug, der die inländische Steuerverhaftung stiller Reserven gefährdet, ein fiktiver Veräußerungsgewinn i. S. d. § 16 Abs. 1 EStG zu unterstellen, wenn zuvor – unter Buchwertfortführung – ein Einzelunternehmen in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht wurde.

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Kap. 9: Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Wegzug

Subsystems der Besteuerung stiller Reserven. So existieren mit der Ausgrenzung unrealisierter Reinvermögensmehrungen aus der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage (Realisationsprinzip1056) und den Nachbelastungstatbeständen zwei Rechtssätze, von denen der eine ohne den anderen in seiner Funktion, nämlich der Einmalbelastung von Reinvermögensmehrungen, beeinträchtigt wäre. Ein zwingendes Allgemeininteresse1057 an einer Wegzugsbesteuerung besteht nach den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung1058 jedoch nicht, wenn die Steuerentstrickung im Wegzugsstaat mit einer Steuerentstrickung im Zuzugsstaat einhergeht und der Wegzugsstaat sich seiner Besteuerungsbefugnis – z. B. durch den Abschluss eines DBA – freiwillig begeben hat. Dies ist in Bezug auf den Regelungsbereich des § 6 AStG regelmäßig der Fall, da das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne in Anlehnung an Art. 13 Abs. 4 OECD-MA üblicherweise dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen ist. So verhielt es sich aufgrund von Art. 13 Abs. 3 DBA-Belgien beispielsweise auch in dem Sachverhalt, der dem Beschluss des I. BFH-Senats vom 17. Dezember 19971059 zugrundelag. Die Anwendung des § 6 AStG wäre infolgedessen als gemeinschaftsrechtswidrig zu verwerfen gewesen.1060 Die Einmalbelastung der stillen Reserven war auf supranationaler Ebene gewährleistet („Makro-,Kohärenz‘ auf Ebene der Doppelbesteuerungsabkommen“1061). II. Zuzug – Keine Doppelbelastung gesparten Einkommens Zieht eine natürliche Person von einem Staat, der Einkommen traditionell besteuert, in ein Gemeinwesen, welches Reinvermögensmehrungen nachgelagert belastet, wurden die Ersparnisse regelmäßig aus versteuertem Einkommen gebildet. Der Grundsatz der Einmalbesteuerung von Einkommen verbietet dann eine Besteuerung der Ersparnisauflösung. Eine Ertragsbesteuerung1062, die am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet ist, hat eine Doppelbelastung investierter Reinvermögensmehrungen dadurch zu 1056

Vgl. dazu oben Kapitel 7 Abschn. A, S. 211 ff. Vgl. FN 1049. 1058 Vgl. dazu oben Abschn. 3.c)(2), S. 250 ff. (Wielockx). 1059 BFH v. 17.12.1998 I B 108/97, DStZ 1998, 520. 1060 So auch H. Hahn, Spartaner (FN 814), DStZ 2000, 14 (24). Ähnlich ders., Vereinbarkeit von Normen des deutschen Steuerrechts mit EG-Recht (FN 969), S. 81 [hier allerdings Gemeinschaftsrechtskonformität des § 6 AStG bei privat veranlasstem Wegzug]. 1061 W. Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit (FN 815), GS Knobbe Keuk (FN 815), S. 770 (zu EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 24 [Wielockx]). 1057

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vermeiden, dass sie ausschließlich auf Ersparnisse bzw. Lebensendvermögensbestandteile zugreift, die nachweislich bislang unversteuertem Einkommen entstammen. Wege hierfür zeigen der sechste und siebente Teil dieser Arbeit auf den Seiten 285 ff. und 303 ff. auf (z. B. qualifizierte Zukunftsvorsorgeverträge1063, Körperschaftsteuer-Option1064). III. Zwischenstaatliche Aufteilung der Steuerquelle Ersparnisauflösung (Belastungsprinzip) Steuersystematisch ohne Relevanz ist, welcher der beiden beteiligten Staaten, d.h. der Wegzugsstaat oder der Zuzugsstaat, die Auflösung der Ersparnisse aus unversteuerten Reinvermögensmehrungen belastet. Denn jedenfalls wird das Einkommen des umziehenden Steuerpflichtigen einmal belastet. Im Ergebnis wird die zwischenstaatliche Aufteilung der Steuerquelle Ersparnisauflösung von der Verhandlungsmacht der beteiligten DBAStaaten abhängen. Fair wäre die Besteuerungsbefugnis des Vertragsstaates, der den Besteuerungsverzicht hinsichtlich der Ersparnisbildung geübt hat (sog. Belastungsprinzip1065).1066 Wiederum drängt sich die Parallele der nachgelagerten Besteuerung zur traditionellen Besteuerung stiller Reserven auf. Auch hier wird regelmäßig dem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht zugebilligt, in dessen Hoheit die stillen Reserven angewachsen sind, vgl. dazu oben Abschn. I.3.d)(3), Seiten 254 ff. Dem Belastungsprinzip folgt z. B. das am 28. März 2002 in Kraft getretene DBA-Kanada1067, weshalb es sich als Vorbild anbietet. So räumt Art. 18 Abs. 1 Satz 2 DBA-Kananda dem anderen Vertragsstaat als dem Ansässigkeitsstaat das Recht ein, Ruhegehälter zu besteuern, „wenn die 1062 Zu dem Nebeneinander von Einkommens- und allgemeiner Verbrauchsbesteuerung, das die Ersparnisauflösung unabhängig davon belastet, ob die Ersparnisse aus versteuertem Einkommen gebildet wurden oder nicht, vgl. oben Kapitel 14 Abschn. A.I., S. 322 ff. (abgabenartenübergreifende Analyse der steuerlichen Lastenausteilung). 1063 Vgl. unten Kapitel 12 Abschn. B., S. 291 ff. (limitiert nachgelagerte Besteuerung) sowie Kapitel 16, S. 387 ff. (partiell nachgelagerte Besteuerung). 1064 Vgl. unten Kapitel 15 Abschn. C., S. 367 ff. (partiell nachgelagerte Besteuerung). 1065 Vgl. dazu R. Beiser, Pensionsbesteuerung (FN 820), DB 2002, 703 (706). 1066 So auch K. Tipke, Steuerjuristische Würdigung des Karlsruher Entwurfs (FN 93), StuW 2002, 148 (172). 1067 Gesetz zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen (DBA-Kanada) v. 23.03.2002, BGBl. II 2002, 670.

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Kap. 10: Lebensendvermögen

Beiträge zu den Altersversorgungskassen oder -systemen im anderen Staat steuerlich abzugsfähig waren“. Auch das Committee on International Pensions plädiert für eine Steuerquellenaufteilung nach dem Belastungsprinzip: Für grenzüberschreitende Pensionszahlungen wird eine Besteuerungsbefugnis des alten Ansässigkeitsstaates empfohlen, und zwar flankiert von einer Quellensteuer.1068 Kapitel 10

Lebensendvermögen Eine steuerliche Lastenausteilung, die investierten Reinvermögensmehrungen einen Besteuerungsaufschub gewährt, ohne das Lebensendvermögen zu erfassen, belastet die Steuerpflichtigen nicht entsprechend ihres Lebenseinkommens, sondern in Abhängigkeit von ihrem Lebenskonsum.1069 Eine nachgelagerte Besteuerung von Einkommen bedarf infolgedessen einer nachholenden Belastung des Erblassereinkommens, das zu Lebzeiten des Einkünfteerzielers keiner konsumtiven Verwendung zugeführt wurde.1070 Sie wird nachfolgend nicht zuletzt deshalb vertieft erörtert, weil – wie Wolfram Reiß bemerkt – „die Aussagen [von Befürwortern einer Konsumorientierung der Besteuerung] zu einer Behandlung des ersparten (nicht oder geringer steuerbelasteten) Vermögens bei Tod des Steuersubjekts merkwürdig spärlich werden“1071. 1068 Vgl. dazu M. J. G. A. M. Weerepas, Taxation of pensions in Europe: a summary of the report of the Committee of International Pensions, ec-tax review 2000, 172 (184, 187). 1069 Vgl. unten Kapitel 1 Abschn. B.IV., S. 56 ff. sowie M. Rose, Praktische Ausgestaltung einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung (FN 171), S. 99. 1070 So auch W. D. Andrews, A consumption-type or cash flow personal income tax, Harvard Law Review 1974 (Vol. 87), 1113 (1169 ff., 1172 f., 1183 f.) [property transferred at death or gift); Kay/King, The British Tax System, 1978, S. 87 ff. [A Lifetime Expenditure Tax]; J. McNulty, Struktur der Einkommensteuer und Reformtendenzen der Besteuerung in den Vereinigten Staaten, StuW 1989, 120 (124); W. E. Weisflog, Die konsumbasierte oder Mittelabfluss-Einkommensteuer, StuW 1983, 337 (344). 1071 W. Reiß, Individualbesteuerung von Mitunternehmern nach dem Steuersenkungsgesetz, StuW 2000, 399 (400 [FN 10]). Ebenso W. Schön, Vermeidbare und unvermeidbare Hindernisse der Steuervereinfachung, StuW 2002, 23 (35). Vgl. allerdings P. Mühl-Schimmele, Erbschaften und Schenkungen in einem konsumorientierten Einkommensteuersystem (FN 437), S. 87 ff.; M. Hiller, Intergenerative Vermögensübertragungen (FN 437), StuW 2001, 57 (67 ff.) [Lebensausstattungsansatz]. Dass die Befürworter einer Konsumorientierung der Einkommensteuer sich wenig mit der Lebensendvermögensbesteuerung befassen, dürfte nicht zuletzt darin begründet liegen, dass häufig der Lebenskonsum als sachgerechter Leistungsfähigkeitsindikator erachtet oder der sog. prepayment-Ansatz präferiert wird (vorgelagerte Be-

A. Nach-Steuer-Nachlass trotz Lebensendvermögensbesteuerung

265

Zudem gründen sich z. B. Paul Kirchhofs Bedenken gegen eine Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip u. a. auf die Befürchtung, eine Lebensendvermögensbesteuerung zerschlage die „Strukturen der Unternehmen und der privaten Vermögensbildung“1072 ebenso wie die „Eigentümerkultur, die wir gegenwärtig genießen“1073. Befürwortern einer nachgelagerten Besteuerung gibt Kirchhof auf, hierüber „noch einmal sehr sorgfältig nachzudenken“1074. Dieses Kapitel zeigt, dass die Lebensendvermögensbesteuerung eine Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerte Korrespondenzprinzip nicht zu diskreditieren vermag. Dies gilt schon deshalb, weil Erblasser und Erbe bei nachgelagerter Besteuerung in ausnahmslos jedem Fall über ein größeres Nach-Steuer-Vermögen verfügen als bei systemkonsequenter traditioneller Besteuerung. Zudem wird die intergenerative Übertragung von Vermögen, welches in investiver Verwendung verbleibt, insoweit niedriger belastet, als das Einkünfteerzielungsvermögen des Erblasser stille Reserven enthält. Wie die Lebensendvermögensbesteuerung steuertechnisch auszugestalten ist, ist u. a. Gegenstand der Ausführungen im fünften und sechsten Teil dieser Arbeit, Seiten 285 ff. und 303 ff. (limitiert und partiell nachgelagerte Besteuerung). Insbesondere werden in Kapitel 12 Abschn. C. sowie Kapitel 13 Abschn. A.II.2. auf den Seiten 294 ff. und 308 ff. die erhebungstechnischen Besonderheiten erörtert, die aus einer Steuerverstrickung ererbter und in investiver Verwendung belassener Reinvermögensmehrungen resultieren (Entstrickung der Steuerschuld aus der nachholenden Erblasserbesteuerung, da insoweit keine Erbenbereicherung).

A. Größerer Nach-Steuer-Nachlass trotz Lebensendvermögensbesteuerung Das Lebensendvermögen ist die Summe der Ersparnisse, die der Erblasser in den einzelnen Besteuerungsperioden gebildet und zu Lebzeiten keiner konsumtiven Verwendung zugeführt hat. Diese Reinvermögensmehrungen steuerung). Im erstgenannten Fall ist das Lebensendvermögen jedenfalls dann nicht zu belasten, wenn die Vererbung nicht als Konsum angesehen wird. Im letztgenannten Fall werden die Ersparnisse aus versteuertem Einkommen gebildet, weshalb hinsichtlich der Lebensendvermögensbesteuerung kein Unterschied zur traditionellen Einkommensteuer besteht: Allein die stillen Reserven des Lebensendvermögens sind zu erfassen, vgl. dazu oben Kapitel 1 Abschn. A.III., S. 44 ff. 1072 P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag, in J. Pelka (Hrsg.), Unternehmenssteuerreform, DStJG-Sonderband, 2001, S. 99. 1073 P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag (FN 1072), DStJG-Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 99 f. 1074 P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag (FN 1072), DStJG-Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 100.

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Kap. 10: Lebensendvermögen

sind entweder erst gar nicht in die Bemessungsgrundlage eingeflossen (z. B. unrealisierte Wertsteigerungen) oder waren bei nachgelagerter Besteuerung abzugsfähig (z. B. Sonderausgabenabzug von Altersvorsorgebeiträgen gem. § 10a EStG). In Ermangelung einer konsumtiven Verwendung wurden sie bis zum Ableben des Steuerpflichtigen auch nicht nachbelastet (keine Ersparnisauflösung). Bei traditioneller Besteuerung stammt das Lebensendvermögen zumindest idealiter hingegen aus versteuertem Einkommen. I. Stille Reserven Die Besteuerungswirklichkeit weicht jedoch auch bei traditioneller Besteuerung jedenfalls im Hinblick auf unrealisierte Wertsteigerungen von ihrem Belastungsideal ab. Diese werden – markteinkommenstheoretisch begründet – nur ausnahmsweise belastet, bevor sie infolge eines Umsatzaktes in Erscheinung treten (Realisationsprinzip1075). Infolgedessen ist auch bei traditioneller Besteuerung jener Teil des Lebensendvermögens nachzubelasten, der auf stille Reserven entfällt (ultima ratio-Besteuerung1076). Ein Unterschied zwischen traditioneller Einkommensteuer und nachgelagertem Korrespondenzprinzip besteht insoweit nicht. II. Anschaffungskosten Lebensendvermögen, welches auf die Anschaffungskosten vererbter Wirtschaftsgüter des Einkünfteerzielungsvermögens entfällt, ist hingegen allein bei nachgelagerter Besteuerung zu belasten. Die betreffenden Reinvermögensmehrungen waren als Investitionen abzugsfähig. Inwieweit sich traditionelle und nachgelagerte Besteuerung hinsichtlich der Belastung des Lebensendvermögens voneinander unterscheiden, hängt infolgedessen von dem Anteil ab, zu dem der Nachlass aus stillen Reserven besteht. Hierbei dürfte das relative Gewicht der stillen Reserven bei langfristigen Investments regelmäßig beträchtlich sein, der Unterschied zwischen nachgelagerter und traditioneller Besteuerung entsprechend gering. Selbst wenn von realen Wertsteigerungen abgesehen wird, folgt aus einer Geldentwertung von 2,5%, dass die stillen Reserven nach 28 Jahren den Anschaffungskosten entsprechen.1077 Bei einer Inflation von 3% ist dies bereits nach 23 Jahren der Fall.1078 Kommen reale Wertsteigerungen von 3% hinzu, betragen die stillen Reserven bereits das Dreifache der Anschaffungskosten.1079 1075

Vgl. dazu oben Kapitel 7 Abschn. A., S. 210 ff. Vgl. dazu oben Kapitel 1 Abschn. A.III., S. 44 ff. 1077 Der Verkehrswert eines Wirtschaftsguts mit Anschaffungskosten von 100, dessen realer Wert unverändert bleibt, beträgt bei einer durchschnittlichen Inflation von 2,5% nach 28 Jahren 199,64 [= 100 * (1 + 2,5%)28]. 1076

B. Gesamtbelastung intergenerativer Vermögensübertragungen

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III. Größerer Vor- und Nach-Steuer-Nachlass Der Erbe steht sich bei nachgelagerter Besteuerung auch dann nicht schlechter – sondern besser – als bei traditioneller Besteuerung, wenn das Lebensendvermögen keine stillen Reserven enthält. Hätte der Erblasser sein Vermögen aus versteuertem Einkommen bilden müssen, wäre nämlich ein geringeres Vermögen akkumuliert worden. Infolge des geringeren Einkünfteerzielungspotenzials (frühere Besteuerung) wäre weniger Kapitaleinkommen erwirtschaftet worden, vgl. zu den – die Eigentumsbildung nicht diskriminierenden – Belastungswirkungen der nachgelagerten Besteuerung oben Kapitel 3 Abschn. B.II., Seiten 107 ff. Zwar belastet die Lebensendvermögensbesteuerung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips auch diese zusätzlichen Kapitalerträge des Erblassers nach. Bei jedem Steuersatz, der nicht konfiskatorisch ist, d.h. 100% unterschreitet, verbleibt dem Rechtsnachfolger aufgrund der umfangreicheren Vermögensbildung des Erblassers jedoch denknotwendig ein größerer Nach-Steuer-Nachlass als bei traditioneller Besteuerung. Warum die Lebensendvermögensbesteuerung die „Strukturen der Unternehmen und der privaten Vermögensbildung“1080 sowie die „Eigentümerkultur, die wir gegenwärtig genießen“1081, zerschlagen soll, ist nicht ersichtlich.

B. Gesamtbelastung intergenerativer Vermögensübertragungen Dass Paul Kirchhofs Befürchtungen gegen die Lebensendvermögensbesteuerung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips unbegründet sind, zeigt auch die nachfolgende Analyse der Gesamtbelastung intergenerativer Vermögensübertragungen. So wird bei nachgelagerter Besteuerung nicht nur ein größerer Nach-Steuer-Nachlass vererbt.1082 Hiervon verbleibt auch nach der Erbenbesteuerung mehr Eigentum als bei traditioneller Besteuerung. Bei investiver Nachlassverwendung werden sogar sowohl größere Erbschaften hinterlassen als auch weniger Steuern auf intergenerative Vermögens1078 Der Verkehrswert beträgt unter den in FN 1077 gemachten Annahmen bei einer Inflation von 3% nach 23 Jahren 197,38 [= 100 * (1 + 3%)23]. 1079 Der nominale Wert des betreffenden Wirtschaftsgut steigt dann um jährlich 6% und beträgt bei Anschaffungskosten von 100 nach 24 Jahren 404,89 Euro [= 100 * (1 + 6%)24]. 1080 P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag (FN 1072), DStJG-Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 99. 1081 P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag (FN 1072), DStJG-Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 99 f. 1082 Vgl. dazu vorangegangenen Abschn. A.III., S. 267 f.

268

Kap. 10: Lebensendvermögen

übertragungen geschuldet. Der Belastungsanalyse liegen die Leitbilder der traditionellen Einkommensteuer und des nachgelagerten Korrespondenzprinzips zugrunde, da Abweichungen hiervon (z. B. „besondere Gemeinwohlgebundenheit“ von Betriebsvermögen1083, Familienprinzip1084) bei beiden Besteuerungskonzeptionen gleichermaßen (un)zulässig sind. Werden intergenerative Vermögensübertragungen gegenwärtig nicht entsprechend des Leitbilds der traditionellen Einkommensteuer belastet, können die Vorteile, welche sich hieraus gegenüber einer systemkonsequent nachgelagerten Besteuerung ergeben, letzterer nicht entgegengehalten werden. Wer meint, gute Gründe für eine Durchbrechung des reinvermögenszugangstheoretischen Erbschaftsteuerideals zu haben, kann selbige Argumente nicht zurückweisen, wenn sie für eine Verschonung bestimmter Lebensendvermögensbestandteile von der nachgelagerten Besteuerung angeführt werden.

I. Niedrigere Gesamtbelastung investiv verwendeter Erbschaften 1. Traditionelle Besteuerung Die traditionelle Einkommensteuer unterscheidet nicht danach, ob Reinvermögensmehrungen investiv oder konsumtiv verwendet werden. Der Nachlass, der nach der Begleichung der Steuerschuld aus der Belastung des bislang unversteuerten Erblassereinkommens (stille Reserven1085) verbleibt, unterliegt idealiter der einkommensteuerlichen Regelbelastung (Erbschaftsteuer als Annexsteuer zur Einkommensteuer1086).

1083 BVerfG v. 22.06.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 (175): „Derartige Betriebe, die durch ihre Widmung für einen konkreten Zweck verselbständigt und als wirtschaftlich zusammengehörige Funktionseinheit organisiert sind, sind in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet: Sie unterliegen als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen insbesondere durch Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern, das Betriebsverfassungsrecht, das Wirtschaftverwaltungsrecht und durch die langfristigen Investitionen einer gesteigerten rechtlichen Bindung. Sie hat zur Folge, dass die durch die Erbschaftsteuer erfasste finanzielle Leistungsfähigkeit des Erben nicht seinem durch den Erbfall erworbenen Vermögenszuwachs voll entspricht.“ 1084 Vgl. dazu FN 180. Paul Kirchhof meint, eine Differenzierung der Erbschaftsteuerlast nach der familiären Nähe zwischen Erblasser und Erbe sei verfassungsrechtlich geboten, da das Verwandtschaftsverhältnis eine „persönliche Beziehung des Erben zur Erbmasse“ indiziere, vgl. ders., Einnahmen, in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV (FN 383), § 88 Rz. 172. 1085 Vgl. dazu oben Abschn. A.I., S. 266 f. 1086 Vgl. oben Kapitel 1 Abschn. A.II.2.b), S. 39 ff.

B. Gesamtbelastung intergenerativer Vermögensübertragungen

269

2. Nachgelagerte Besteuerung Die nachgelagerte Besteuerung belastet Reinvermögensmehrungen solange nicht, wie sie in investiver Verwendung verbleiben. Mit einer Belastung des Rechtsnachfolgers geht eine intergenerative Vermögensübertragung deshalb z. B. dann nicht einher, wenn das ererbte Unternehmen fortgeführt wird (Besteuerungsaufschub). Bei nachgelagerter Besteuerung werden intergenerative Vermögensübertragungen infolgedessen insoweit niedriger belastet, als das Lebensendvermögen des Erblassers stille Reserven enthält und der Erbe den Nachlass in investiver Verwendung belässt. Die Bemessungsgrundlage der nachgelagerten Besteuerung (Lebensendvermögen) unterschreitet die Summe aus den stillen Reserven, die im Lebensendvermögen verhaftet sind, sowie der Reinvermögensmehrung, die der Rechtsnachfolger durch die Erbschaft erfährt (Bemessungsgrundlage der traditionellen Einkommensteuer [Nachbelastung des Erblassereinkommens zuzüglich Besteuerung der Erbenbereicherung]). Die Gefahr einer steuerlichen Zerschlagung von Betriebsvermögen ist bei nachgelagerter Besteuerung infolgedessen – anders als von Paul Kirchhof1087 befürchtet – nicht größer, sondern kleiner als bei traditioneller Besteuerung. Dies illustriert folgendes Beispiel: Wird Betriebsvermögen mit einem Buchwert von 10 Mio. Euro vererbt, und sind in den bilanzierten Wirtschaftsgütern stille Reserven in Höhe von 5 Mio. Euro verhaftet, hat die traditionelle Einkommensteuer den Erblasser bei einem Steuersatz von 30% nachholend mit 1,5 Mio. Euro1088 zu belasten (ultima-ratio-Besteuerung der stillen Reserven). Hinzu kommt die Erbschaftsteuer auf 13,5 Mio. Euro1089 (4,05 Mio. Euro1090 Annexsteuer zur Einkommensteuer). Die intergenerative Vermögensübertragung wird nach dem Leitbild der traditionellen Besteuerung mit insgesamt 5,55 Mio. Euro (36,67%) belastet. Bei nachgelagerter Besteuerung beträgt die Steuerschuld nur 4,5 Mio. Euro1091, nämlich 30% des übertragenen Vermögens. Solange die Erbschaft in investiver Verwendung verbleibt, ist allein das Lebensendvermögen (nachholend) zu belasten. Der Reinvermögensmehrung des Erben wird ein Besteuerungsaufschub gewährt (Nachbelastung der Ersparnisauflösung). Hätten die stillen Reserven, die in den vererbten Wirtschaftsgütern verhaftet waren, den Anschaffungskosten entsprochen (10 Mio. Euro), wäre der nachgelagert besteuert Erbe sogar um 2,1 Mio. Euro (10,5%Punkte1092) niedriger belastet worden als bei traditioneller Besteuerung. 1087 1088

Vgl. Nachweis in FN 1081. 30% ESt * 5 Mio. Euro [stille Reserven im Lebensendvermögen] = 1,5 Mio.

Euro. 1089 Der Erbe ist bereichert um die ererbten 15 Mio. Euro abzüglich der „Nachlassverbindlichkeit“ von 1,5 Mio. Euro (=13,5 Mio. Euro), die er als Rechtsnachfolger des nachholend besteuerten Erblassers zu tragen hat. 1090 30% ErbSt * 13,5 Mio. Euro [Nettobereicherung des Erben] = 4,05 Mio. Euro. 1091 30% ESt * 15 Mio. Euro (bislang unversteuertes Lebensendvermögen) = 4,5 Mio. Euro.

270

Kap. 10: Lebensendvermögen

II. Größere Nach-Steuer-Erbschaft auch bei konsumtiver Nachlassverwendung Führt der Rechtsnachfolger das ererbte Vermögen unmittelbar einer konsumtiven Verwendung zu, belastet das nachgelagerte Korrespondenzprinzip die intergenerative Vermögensübertragung zwar höher als die traditionelle Einkommensteuer. Zusätzlich zu den stillen Reserven sowie der Bereicherung des Rechtsnachfolgers unterliegen die Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter des Lebensendvermögens der Besteuerung (nachholende Belastung des investierten Erblassereinkommens). Dennoch verfügt der Erbe in einer Welt mit positivem Zinssatz bei nachgelagerter Besteuerung im Ergebnis über ein größeres Nach-Steuer-Vermögen. Infolge des Besteuerungsaufschubs für investierte Reinvermögensmehrungen konnte der Erblasser zusätzliches Kapitaleinkommen erwirtschaften, das dem Rechtsnachfolger nun – wenn auch um die Besteuerung der intergenerativen Vermögensübertragung gemindert – für Konsumzwecke zur Verfügung steht. Zudem wäre die Vor-Steuer-Erbschaft bei traditioneller Besteuerung um die Belastung der Anschaffungskosten geringer ausgefallen (Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen). Dass die nachgelagerte Besteuerung die generationenübergreifenden „Eigentümerkultur“1093 zerschlägt, liegt infolgedessen fern. Warum sollte eine Eigentümerkultur dadurch beschädigt werden, dass nicht nur mehr Vermögen vererbt werden kann, sondern auch ein größerer NachSteuer-Nachlass verbleibt, und zwar sowohl bei investiver wie bei konsumtiver Verwendung? Auch dieses Belastungsergebnis sei anhand eines Beispiels illustriert: Ein Altersvorsorgebeitrag in Höhe von 2.100 Euro, der gemäß § 10a EStG zum Sonderausgabenabzug berechtigt, wächst bei einer Rendite von 6% in 40 Jahren auf 21.600 Euro1094 an. Verstirbt der Altersvorsorge-Sparer, bevor auch nur eine Rate der Riester-Rente ausbezahlt wurde, unterliegt das nachgelagert besteuerte – z. B. in Investmentfonds-Anteile angelegte – Altersvorsorgevermögen der Nachversteuerung mit z. B. 42% (Lebensendvermögensbesteuerung). Der Rechtsnachfolger ist um 12.528 Euro1095 bereichert (Nettonachlass). Führt er diesen Betrag einer konsumti1092 Die traditionelle Einkommensteuer hätte die stillen Reserven nachholend mit 3 Mio. Euro zu belasten (30% * 10 Mio. Euro), der Rechtsnachfolger wäre um 17 Mio. Euro bereichert, worauf er 5,1 Mio. Euro Erbschaftsteuer schulden würde (30% * 17 Mio. Euro). Die intergenerative Übertragung des Vermögens in Höhe von 20 Mio. Euro wäre mit 8,1 Mio. Euro bzw. 40,5% belastet. Bei nachgelagerter Besteuerung entstünde hingegen nur eine Gesamtsteuerschuld von 6 Mio. Euro (30% * 20 Mio. Euro), wenn die Erbschaft in investiver Verwendung belassen, d.h. das ererbte Unternehmen fortgeführt wird. 1093 P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag (FN 1072), DStJG-Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 99 f. 1094 2.100 Euro * (1 + 6%) 40 = 21.600 Euro. 1095 (1 – 42% ESt) * 21.600 Euro = 12.528 Euro.

A. Praktikabilität der nachgelagerten Besteuerung

271

ven Verwendung zu, verbleibt ihm bei einer Grenzbelastung von ebenfalls 42% ein Nach-Steuer-Konsumpotential von 7.266 Euro1096. Damit steht sich der Erbe um 2.931 Euro1097 besser als bei traditioneller Besteuerung. Bei gleich hohem Konsumverzicht hätte das Sparkapital, welches der Erblasser in den Erwerb der Investmentfonds-Anteile hätte investieren können, lediglich 1.218 Euro1098 betragen (keine Sonderausgabenabzugsfähigkeit gem. § 10a EStG). Dieser Betrag wäre nach dem Leitbild der traditionellen Einkommensteuer zudem jährlich nur in Höhe des Nettozinssatzes angewachsen (3,48%1099). Zwar wäre das Altersvorsorgevermögen mit dem Ableben des Altersvorsorge-Sparers nicht nachzuversteuern gewesen (keine nachholende Belastung des Erblassereinkommens). Mit 7.474 Euro1100 hätte es aber dennoch nur 60%1101 des Nachlasses betragen, den der nachgelagert besteuerte Altersvorsorge-Sparer nach Steuern vererben konnte (12.528 Euro1102). Hierauf würde der Rechtsnachfolger (Erbschaft-)Steuer in Höhe von 3.139 Euro schulden (42%). Deshalb wäre ihm lediglich ein Konsumpotential von 4.335 Euro1103 verblieben. Der Rechtsnachfolger des nachgelagert besteuerten Erblassers verfügt mit seinen 7.266 Euro1104 über zusätzliche 68%1105 dieses Betrages.

Kapitel 11

Administrative und fiskalische Aspekte A. Praktikabilität der nachgelagerten Besteuerung Der nachgelagerten Besteuerung wird Unpraktikabilität vorgeworfen. Diesen Vorwurf erheben auch Befürworter einer Konsumorientierung der steuerlichen Lastenaufteilung. Als verwaltungseffizientere Alternative einer gleichmäßigen Lebenseinkommensbelastung empfehlen sie die Zinsbereinigung1106 der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage.1107 In der Tat drängen sich Zweifel an der Administrierbarkeit des nachgelagerten Korrespondenzprinzips auf. Bereits die Erhebung der traditionellen Einkommensteuer stößt an ihre Grenzen, obgleich hier nur die Einkünfteentstehung zu 1096 1097 1098 1099 1100 1101 1102 1103 1104 1105 1106 1107

(1 – 42% ESt bzw. ErbSt) * 12.528 Euro = 7.266,24 Euro. 7.266 Euro [FN 1096] – 4.335 Euro [FN 1103] = 2.931 Euro. (1 – 42% ESt) * 2.100 Euro = 1.218 Euro. 6% Bruttozinssatz * (1 – 42% ESt) = 3,48% Nettozinssatz. 1.218 Euro * [1 + (1 – 42% ESt) * 6%]40 = 7.474,06 Euro. 7.474,06 Euro [FN 1100]/12.528 Euro [FN 1095] = 59,66%. Vgl. FN 1095. (1 – 42% ErbSt) * 7.474,06 Euro = 4334,95 Euro. Vgl. FN 1096. 2.931 Euro [FN 1097]/4.335 Euro [FN 1103] = 67,61%. Vgl. dazu unten Kapitel 2 Abschn. B., S. 73 ff. Vgl. Nachweise in FN 252.

272

Kap. 11: Administrative und fiskalische Aspekte

überprüfen ist. Bei nachgelagerter Besteuerung gilt es, zusätzlich die (investive oder konsumtive) Einkommensverwendung zu verifizieren. Dennoch meint Wolfgang Schön: „Trotz dieser Bedenken[1108] lässt sich unter dem Gesichtspunkt der Steuervereinfachung sagen, dass die Einführung einer konsumorientierten Besteuerung durch eine Veränderung der Bemessungsgrundlagen einerseits und eine proportionale Besteuerung andererseits zu einer Entlastung in der Steuerrechtsanwendung beitragen kann. Die maßgeblichen Einwände liegen an anderer Stelle [. . .].“1109

Auch Richard Goode ist der Auffassung: „The proposed two-part expenditure tax is ingenious and would be fairly simple administratively.“1110

I. Status Quo: „Chaos der Investitionsbesteuerung“; Entschärfung bilanzsteuerlicher Streitigkeiten Der pauschale1111 Hinweis auf das zusätzliche Konfliktpotential, welches aus der Überprüfung der Konsum-Spar-Entscheidung erwachsen soll (Verdopplung des Verwaltungsaufwands), greift zu kurz.1112 Er lässt unberück1108 W. Schön sieht „unvermeidbare“ Hindernisse der Steuervereinfachung bei einer Konsumorientierung der Besteuerung in der Erforderlichkeit einer präzisen Kontrolle des Zu- und Abgangs von Vermögenswerten zwischen der Investitions- und Konsumsphäre des Steuerpflichtigen, der latenten Steuerlasten im Bereich der Investitionssphäre („Ballooning-Effekte“) sowie der grenzüberschreitenden Entwicklung der Investitions- und Konsumsphäre. Steuervereinfachend wirke sich die sofortige Erfolgswirksamkeit von Investitionen (Minimierung der Bewertungsprobleme) sowie die weitgehende Beschränkung der Unternehmensbesteuerung auf ausgeschüttete Erträge aus. 1109 W. Schön, Steuervereinfachung (FN 1071), StuW 2002, 23 (35). 1110 R. Goode, Personal Expenditure Taxation: Would Exempting Capital Income Produce a Consumption Tax?, in Bea/Kitterer (Hrsg.), Finanzwissenschaft im Dienste der Wirtschaftspolitik, FS Pohmer, 1990, S. 87 (100). 1111 Die Administrierbarkeit konkreter Maßnahmen zur Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip wird im fünften und sechsten Teil dieser Arbeit erörtert, wenn auf den Seiten 285 ff. und 303 ff. entsprechende Änderungen des deutschen Abgabenrechts vorschlagen werden (limitiert und partiell nachgelagerte Besteuerung). Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich nachgelagert besteuerter Investoren, deren unbeschränkte Steuerpflicht endet (Wegzugsbesteuerung), sowie der Lebensendvermögensbesteuerung, vgl. dazu [limitiert nachgelagerte Besteuerung] Kapitel 12 Abschn. D., S. 297 ff. u. Abschn. C., S. 294 ff. sowie [partiell nachgelagerte Besteuerung] Kapitel 13 Abschn. A.II.2., S. 308 ff. u. Abschn. III., S. 311 ff.; Kapitel 15 Abschn. A.III., S. 360 ff. u. Abschn. IV., S. 362 ff. (Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns); Abschn. B.III., S. 365 ff. (Inhabersteuer) u. Abschn. C., S. 386 ff. (Option für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft); Kapitel 16 Abschn. C., S. 392 ff. u. Abschn. D., S. 393 ff. (Zukunftsvorsorgeverträge).

A. Praktikabilität der nachgelagerten Besteuerung

273

sichtigt, dass das gegenwärtige „Steuerchaos“1113 vornehmlich ein „Chaos der Investitionsbesteuerung“1114 ist, dem die nachgelagerte Besteuerung den Boden entzöge. Sämtlichen Investitionen würde gleichermaßen ein Besteuerungsaufschub gewährt. Insbesondere entschärft sich das streitanfällige1115 Bilanzsteuerrecht in dem Maße, in dem die Grenzbelastung investierten Einkommens sinkt. Denn auch thesaurierte bzw. einbehaltene Unternehmensgewinne sind gesparte Reinvermögensmehrungen. Würde Einkommen vollumfänglich nachgelagert besteuert, hätten weder Abschreibungen noch Rückstellungen – regelmäßig verzerrende1116 – Auswirkungen auf die Steuerlast von Unternehmen. So wirken sich die betreffenden Bilanzposten allein auf die Höhe des thesaurierten bzw. einbehaltenen Gewinns aus. Dieser verliert bei einer unternehmenssteuerlichen Thesaurierungsbelastung von 0%, die mit einem Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen einhergeht, jegliche steuerliche Relevanz. Jede Verringerung der Thesaurierungsbelastung reduziert die Verzerrungen aus unzulänglichen bilanzsteuerlichen Näherungslösungen an das Ideal des ökonomischen Gewinns, z. B. bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern und Rückstellungen. So meint David F. Bradford: „When turning from definition to practical implementation, one might expect consumption to pose greater problems than income (since one normally reckons consumption by subtracting savings from income). Yet I shall argue here that precisely the opposite is the case: a consumption tax can be readily constructed on the basis of current-year cash transactions only, virtually all of them also used in an income tax, while dispensing with the elements of income calculation that are based on transactions in the (sometimes distant) past and are designed to approximate unobservable quantities. These account for many of the most irksome features of income taxation in practice.“1117

1112

So z. B. auch A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, 1992, S. 167. So bereits K. Tipke, Steuerrecht – Chaos, Konglomerat oder System?, StuW 1971, 2 sowie z. B. Baron/Handschuh (Hrsg.), Wege aus dem Steuerchaos, 1996. 1114 J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (73). 1115 Nach F. W. Wagner (Beseitigung aller steuerlichen Ausnahmen ohne Regel? [FN 661], DStR 1997, 517 [519]) haben die zahlreichen Abhandlungen zu bilanzsteuerlichen Fragen Deutschland zum Weltmeister beim Ausstoß steuerrechtlicher Literatur werden lassen. 1116 Vgl. J. Sigloch, Verzerrende Wirkungen von Bemessungsgrundlagen und Tarif auf Unternehmensentscheidungen nach der Steuerreform 1990, StuW 1990, 229 (230 ff.), der deshalb für eine (konsumorientierte) Cash Flow-Besteuerung plädiert (ebd., S. 236). 1117 D. F. Bradford, The Case for a Personal Consumption Tax, in J. A. Pechman (Hrsg.), What Should Be Taxed: Income or Expenditure?, 1980, S. 75 (80 f.). 1113

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Kap. 11: Administrative und fiskalische Aspekte

II. Inflationsneutralität der nachgelagerten Besteuerung Für die Verwaltungspraktikabilität der nachgelagerten Besteuerung spricht zudem, dass sie ohne zusätzliche Regelungen inflationsneutral wirkt. Der reale Wert der Steuerzahlungen korrespondiert automatisch mit dem Realwert der Reinvermögensmehrungen, der durch Geldentwertungen gemindert sein mag (Reduzierung der Steuerbarwerte). Denn die periodische Bemessungsgrundlage umfasst ausschließlich die monetäre Bedürfnisbefriedigung (Konsum), sie stellt auf Zahlungsströme zwischen betrieblicher Investitionsund privater Konsumsphäre ab. Bei traditioneller Besteuerung sind hingegen Anschaffungskosten zu indexieren oder ähnliche – verwaltungsaufwändige – Maßnahmen zu treffen, um eine Scheingewinnbesteuerung zu vermeiden.1118 Dies erhöht die Verwaltungspraktikabilität des nachgelagerten Korrespondenzprinzips. David F. Bradford führt hierzu aus: „If basing taxes on accrual income is a challenge in the best of stable price times – recall the matters of [. . .] providing proper depreciation allowances, and of measuring the return to investing in owner-occupied homes – in times of inflation the problems are much compounded. [. . .] There are no technical solutions agreed upon among tax scholars for these various difficulties – simply more or less reasonable approximations. And the more technically sophisticated among the approximations (for example, the rules on instalment sales) are very complicated. By contrast, consumption-type taxes provide easy solutions to all these problems. The basic method of accounting – cash-flow – is inherently on a realization basis. The accounts automatically provide correction for inflation (because the proper figures on which to base taxes are always current cash flows).“1119

III. Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen: Anreiz zur Selbstdeklaration Der Verwaltungsaufwand der Überprüfung sowohl der Einkommensentstehung als auch der Einkommensverwendung verringert sich schließlich aufgrund der Interdependenzen, die zwischen den Angaben des Steuerpflichtigen über seine Investitionstätigkeit und der Höhe seiner zukünftigen Einkünfte bestehen. Wurden Einkünfte als gespart deklariert, weiß die Finanzverwaltung von ihrer Existenz und kann ihre Entwicklung, d.h. insbesondere die hiermit erwirtschafteten Erträge, verfolgen. Zwar kann auch die nachgelagerte Besteuerung nicht jegliche Nichtdeklaration von Einkünften verhindern. Die Deklaration wird dem Steuerpflichtigen aber leichter fallen, da ihm kein unmittelbarer Ressourcenentzug droht.1120 Infolge des Besteue1118 Vgl. zum Problem der Scheingewinne bei traditioneller Besteuerung nur J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 564. 1119 D. F. Bradford, Untangling the Income Tax (FN 262), S. 313.

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rungsaufschubs für investierte Reinvermögensmehrungen erscheinen Verstöße gegen Deklarationspflichten nicht nur unattraktiver als bei traditioneller Besteuerung (keine sofortige Steuer„ersparnis“ bei investiv verwendeten Einkünften). Sie sind auch weniger lohnend, da gespartes Einkommen barwertmäßig niedriger belastet wird (geringere Rendite von Steuerhinterziehungsbemühungen). So meint Joachim Lang: „Die Sparbereinigung der Einkünfte vermittelt einen natürlichen Anreiz zur Selbstdeklaration.“1121

B. Fiskalische Aspekte Zwar schränkt ein Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen den staatlichen Steueranspruch nicht endgültig ein. Die Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung korrespondiert mit der Belastung von Ersparnisauflösung sowie Lebensendvermögen. Der Steuergläubiger generiert jedoch barwertmäßig niedrigere Einnahmen aus investierten Reinvermögensmehrungen als nach dem Ideal der traditionellen Besteuerung (implizite Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen). Allerdings kann einer Bemessungsgrundlage, die – aus welchen Gründen auch immer, z. B. also aus überperiodischen Gleichmäßigkeitsaspekten – als leistungsfähigkeitsgerecht erachtet wird, nicht entgegengehalten werden, sie erbringe zuwenig Steuereinnahmen. Denn es ist alleinige Aufgabe des Steuersatzes, die staatlichen Finanzbedürfnisse mit der sachangemessenen, der leistungsfähigkeitsgerechten Bemessungsgrundlage in Übereinstimmung zu bringen. So lassen sich gleichheitssatzwidrige Belastungen auch nach der BVerfG-Rechtsprechung nicht dauerhaft durch staatliche Haushaltsbedürfnisse rechtfertigen: „Haushaltswirtschaftlich bedeutsame“, aber mit der Verfassung „unvereinbare steuerrechtliche Normen“ sind nur vorübergehend anwendbar.1122 Wer z. B. meint, das Existenzminimum oder andere indisponible Einkünfte dürften nicht besteuert werden (subjektives Nettoprinzip), wird den Gesetzgeber auf eine Tariferhöhung verweisen, wenn dieser den einkommensteuerlichen Grundfreibetrag (§ 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) abschaffen will, um beispielsweise unabweisbare Mehraufwendungen der öffentlichen Hand zu finanzieren. Wer eine Bruttobesteuerung für einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip hält, wird in der Abschaffung des objektiven Nettoprinzips auch dann eine Verletzung des allgemeinen Gleich1120 So auch A. Schrinner, Steuerliche Probleme der Altersvorsorge und der Vermögensbildung, IFSt-Schrift Nr. 377, 1999, S. 53. 1121 J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 122. 1122 Vgl. zuletzt BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (365) [Gliederungspunkt D.II.].

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heitssatzes erkennen, wenn der Gesetzgeber vorgibt, mit der Streichung von Betriebsausgaben- und Werbungskostentatbeständen eine Absenkung des Einkommensteuertarifs finanzieren zu wollen. Mit der gleichen Berechtigung kann derjenige, der das Lebenseinkommen als sachgerechten Besteuerungsmaßstab erachtet, verlangen, Mindereinnahmen aus der impliziten Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen über eine Tariferhöhung zu kompensieren. Sind Mindereinnahmen aus einer Verzicht auf die Besteuerung der marktüblichen Kapitalverzinsung allerdings nur steuertheoretisch, nicht jedoch in der Besteuerungswirklichkeit zu erwarten, fehlt es bereits an einem Zielkonflikt zwischen einer niedrigen Tarifbelastung und einer überperiodisch gerechten Steuerlastenausteilung. Die vielfältigen Regelungen des derzeitigen Abgabenrechts, die Kapitaleinkommen unbesteuert lassen (vgl. dazu oben Kapitel 5 bis Kapitel 7, Seiten 150 ff.), legen die Vermutung nahe, dass dem so ist. Fiskalisch unverkraftbar sind allerdings die Auswirkungen, die mit einem abrupten Wechsel von einer – wenn auch lückenhaften – traditionellen zu einer nachgelagerten Besteuerung einhergehen. Diese Übergangsproblematik erfordert es, die steuerliche Lastenausteilung schrittweise am nachgelagerten Korrespondenzprinzip auszurichten. Einkommen kann vorübergehend nur begrenzt (limitiert) oder teilweise (partiell) nachgelagert besteuert werden, vgl. dazu unten Abschn. II. u. III. auf den Seiten 278 ff. sowie Kapitel 12 und Kapitel 13 auf den Seiten 285 ff. und 304 ff. I. Steuermindereinnahmen bei nachgelagerter Besteuerung? 1. Steuertheorie Wird von den Effizienzverlusten der Kapitaleinkommensbesteuerung1123 abstrahiert, sind die fiskalischen Auswirkungen einer nachgelagerten Besteuerung steuertheoretisch eindeutig.1124 Ceteris paribus wird ein barwertmäßig niedrigeres Steueraufkommen generiert, da der Fiskus später auf in1123

Vgl. dazu zahlr. Nachw. in FN 274 [Seite 85]. Gleiches gilt für die Annahme, dass die Effizienzgewinne, die mit einer intertemporal neutralen Besteuerung verbunden sind (Vergrößerung der Besteuerungsbasis über Wachstumsimpulse), die Effizienzverluste nicht überkompensieren, welche mit einer höheren Belastung anderer Reinvermögensmehrungen einhergehen. So soll es sich nach Stefan Homburg „nach heutigem Wissensstand [. . .] nicht entscheiden [lassen], ob die Abschaffung der Kapitaleinkommensteuer bei gleichzeitiger aufkommensneutraler Verschärfung der Arbeitseinkommensteuer einen Effizienzgewinn erbringt“ (S. Homburg, Steuerlehre2 [FN 33], S. 187; vgl. auch ders., Wiederbelebung der klassischen Einkommensteuer? [FN 184], in M. Rose [Hrsg.], Standpunkte, S. 107 [112 f.] sowie [krit. hierzu] E. Wenger, Vom Sammelsurium zum System [FN 145], in M. Rose [Hrsg.], Standpunkte, S. 115 [134 f.]). Ein solcher sei „so1124

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vestierte Reinvermögensmehrungen zugreift. Der Gegenwartswert der Steuereinnahmen aus der Nachversteuerung entspricht dem Steuerverzicht in der Investitionsperiode, die marktübliche Kapitalverzinsung wird nicht belastet. Bei gegebenem Mittelbedarf verlangt die nachgelagerte Besteuerung infolgedessen eine höhere Tarifbelastung als das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer. Hierbei hängt das Ausmaß der Tarifdifferenz von dem Verhältnis der marktüblichen Kapitalverzinsung zu der übrigen Bemessungsgrundlage ab. Beträgt dieses z. B. 10%, d.h. beruht das Volkseinkommen zu einem Zehntel auf der marktüblichen Kapitalverzinsung, und benötigt das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer beispielsweise eine Tarifbelastung von 30%, bedarf die nachgelagerte Besteuerung eines Steuersatzes von 33,33%.1125 2. Besteuerungswirklichkeit Ein barwertmäßiger Verlust von Steueraufkommen ist allerdings nur zu erwarten, wenn Einkommen derzeit entsprechend des Belastungsideals der traditionellen Einkommensteuer belastet wird (Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen, Besteuerung der Ersparniserträge). Steuermindereinnahmen aus der impliziten Steuerbefreiung der marktüblichen Kapitalverzinsung setzen voraus, dass diese derzeit auch tatsächlich der Besteuerung unterliegt. Wie der vierte Teil dieser Arbeit auf den Seiten 150 bis 224 gezeigt hat, ist dem nicht so. Besonders bedeutsame Durchbrechungen des Leitbilds der traditionellen Einkommensteuer sind der hohe Umsatzsteueranteil am Gesamtsteueraufkommen, die nachgelagerte bzw. renditebereinigte Besteuerung der staatlichen und betrieblichen Alterssicherung, die Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte sowie nur lückenhafte Erfassung privater Zinseinkünfte, die Konsumgutlösung für Eigenheime sowie das Realisationsprinzip und schließlich die nachgelagerte Besteuerung der zusätzlichen privaten Altersvorsorge (Riester-Rente). Vorgenannte Regelungen zeichnen dafür verantwortlich, dass aus einer Steuerbefreiung der marktüblichen Kapitalverzinsung im Vergleich zum Status Quo keine nennenswerten Steuermindereinnahmen zu erwarten sind. Insbesondere geht es bei den maßgeblichen Aufkommenseinbußen nicht um jene Mindereinnahmen, die unmittelbar aus der Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung resultieren. Diesen stehen regelmäßig1126 barwertmäßig identische Einnahmen in zukünftigen Veranlagungszeiträumen gegenüber (Besteuerung von Ersparnisauflösung/ wohl theoretisch als auch empirisch unklar“ (S. Homburg, Steuerlehre2 [FN 33], S. 187 f.). 1125 [1 + (10 {Kapitaleinkommen}/90 {übrige Reinvermögensmehrungen})] * 30% {Tarif der traditionellen Einkommensteuer} = 33,33% [Tarif des nachgelagerten Korrespondenzprinzips}.

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Lebensendvermögen, z. B. § 22 Nr. 5 EStG: Nachbelastung der sonderausgabenabzugsfähigen Altersvorsorgebeiträge sowie Erträge und Wertsteigerungen hieraus). Infolgedessen zeichnen sie ein bestenfalls unvollständig zu nennendes Bild der fiskalischen Auswirkungen. Haushaltsjahrbezogene Aufkommensprognosen werden einer überperiodischen Besteuerungskonzeption nicht gerecht.1127

Auch wenn die gegenwärtige steuerliche Lastenausteilung das Leitbild der traditionellen Einkommensteuer nur sehr unzulänglich in die Besteuerungswirklichkeit umsetzt, verbleibt dennoch Kapitaleinkommen, das tatsächlich belastet wird (z. B. deklarierte Zinseinkünfte oberhalb des Sparerfreibetrags des § 20 Abs. 4 EStG). Seine implizite Steuerbefreiung erfordert allerdings nicht zwingend eine Erhöhung des Einkommensteuertarifs bei nachgelagerter Besteuerung. Es erscheint durchaus möglich, dass die Aufkommenseinbußen durch Mehreinnahmen aus dem „natürlichen Anreiz zur Selbstdeklaration“ 1128 (über)kompensiert werden, den die nachgelagerte Besteuerung entfaltet. So ist es derzeit ökonomisch rational, Reinvermögensmehrungen, die keine Kapitaleinkünfte sind, nur deshalb zu verschwiegen, um einer künftigen Kapitaleinkommensbesteuerung „auszuweichen“. Hat die Finanzverwaltung einmal Kenntnis von Einkünften erhalten, wird sie deren investive Verwendung überwachen, um auf die künftigen Kapitalerträge zugreifen zu können. Bei einem Zinssatz von 8% übersteigen die Kapitaleinkünfte bereits nach neun Jahren die ursprünglich verschwiegenen Einkünfte z. B. aus nichtselbständiger Arbeit. Werden Arbeitseinkünfte von 10.000 Euro nicht zur Einkommensteuer veranlagt, resultieren hieraus innerhalb von neun Jahren Kapitaleinkünfte in nahezu gleicher Höhe (9.990 Euro1129). Das Konsumpotential hat sich infolgedessen verdoppelt. Ein traditionell besteuerter Sparer kann hingegen bei einem Einkommensteuersatz von 40% nur über insgesamt 9.150 Euro1130 verfügen (überperiodische Steuerlast der Arbeitseinkünfte von 54%1131). Bei nachgelagerter Besteuerung würden ihm immerhin knapp 12.000 Euro1132 verbleiben. Vielleicht hätte ihn die nur 40%-ige1133

1126

Von Über- bzw. Unterrenditen sei hier ebenso abgesehen wie von Progressionsunterschieden in der aktiven (Ersparnisbildung) und der Ruhestandsphase (Ersparnisauflösung). 1127 So weist der Bericht der U.S.-Regierung über Besteuerungsausnahmen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgeaufwendungen Aufkommenseinbußen für 2003 in Höhe von US$ 128 Mrd. aus (401 (k) Plans US$ 60 Mrd.; Employer Plans US$ 53 Mrd.; Individual Retirement Account $US 18 Mrd.; Keogh Plans US$ 7 Mrd.). 1128 J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 122. 1129 10.000 Euro * (1 + 8%) 9 = 19.990 Euro. 1130 (1 – 40% ESt) * 10.000 Euro * [1 + (1 – 40% ESt) * 8%] 9 = 9.149,61 Euro. 1131 1 – (9.149,61 Euro/19.990 Euro) = 54,2%. 1132 (1 – 40% ESt) * [10.000 Euro * (1 + 8%) 9] = 11.994 Euro. 1133 1 – (11.994 Euro/19.990 Euro) = 40%.

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überperiodische Steuerlast an Stelle der 54%-igen, die in 20 (30) Jahren auf 67% (76%) anwächst1134, zur Deklaration seiner Arbeitseinkünfte veranlasst.

II. Übergangsproblematik Zu trennen von den Aufkommenseinbußen aus der impliziten Steuerbefreiung der marktüblichen Kapitalverzinsung, d.h. den eigentlichen fiskalischen Auswirkungen des nachgelagerten Korrespondenzprinzips, sind die Budgeteffekte, die mit einem Übergang von der traditionellen zur nachgelagerten Besteuerung verbunden sind. So könnten vermögende Steuerpflichtige bei einem abrupten Systemwechsel ihre Einkommensteuerschuld über Jahre auf Null reduzieren, indem sie Altkapitalbestände umschichteten und diesen Vorgang als Ersparnisbildung deklarierten. Die hieraus resultierenden Steuermindereinnahmen sind fiskalisch unverkraftbar, auch wenn intergenerative Gerechtigkeitsaspekte eine gewisse Verschiebung von Steuersubstrat in zukünftige Veranlagungszeiträume wünschenswert erscheinen lassen (hohe explizite und implizite Staatsverschuldung Deutschlands). Die steuerliche Lastenausteilung kann infolgedessen nur schrittweise am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet werden. 1. Verlagerung von Steueraufkommen in zukünftige Haushaltsjahre – Erhöhung der intergenerativen Gerechtigkeit (Nachhaltigkeitslücke der deutschen Finanzpolitik) Die nachgelagerte Besteuerung verlagert Steueraufkommen in zukünftige Veranlagungszeiträume, da investierte Reinvermögensmehrungen erst mit ihrer konsumtiven Verwendung oder als Lebensendvermögen belastet werden. Eine Sparquote von nur 10% des Bruttoinlandsprodukts1135 lässt die hiermit einhergehenden Steueraufkommenseinbußen in der Übergangsperiode verkraftbar erscheinen. Ein Zehntel der Ertragsteuereinnahmen sollte durch eine entsprechende Tariferhöhung oder Ausgabenkürzungen aufgefangen werden können. Zudem wäre der Weg einer zusätzlichen Verschuldung gangbar.1136 Die staatlichen Mehreinnahmen, die in zukünftigen Haushalts1134 Die überperiodische Steuerlast des traditionell besteuerten Investors beträgt nach 20 Jahren 67% (= 1 – 15.324 Euro/46.610 Euro), nach 30 Jahren 76% (= 1 – 24.490 Euro/100.627 Euro). 1135 Vgl. FN 148. 1136 Insbesondere steht Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG 1. HS, der die Nettokreditaufnahme des Bundes auf die „Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen“ begrenzt, einer Zwischenfinanzierung der Steuerausfälle nicht entgegen, solange die Investitionsquote des Bundeshaushalts die gesamtwirtschaftliche Sparquote bzw. den hieraus abzuleitenden Anteil der Einnahmen aus der Besteue-

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jahren aus der Nachversteuerung des gesparten Einkommens sowie der hiermit erwirtschafteten Erträge zu erwarten sind, reichen zur Finanzierung sowohl des Tilgungs- als auch des Zinsdienstes auch dann aus, wenn das Produktionspotential (Besteuerungsbasis) durch eine Sofortabschreibung sämtlicher Sachinvestitionen nicht erhöht werden sollte.1137 Insbesondere ist eine gewisse Verlagerung von Steuersubstrat in zukünftige Haushaltsjahre vor dem Hintergrund intergenerativer Gerechtigkeitsüberlegungen wünschenswert. Denn derzeit verschiebt die deutsche Finanzpolitik auch Lasten in die Zukunft. Diese drücken sich nicht nur in den staatlichen Verbindlichkeiten aus (Schuldenstand), die 2001 3 Billionen DM oder sechs Bundeshaushalte bzw. 60% des Bruttoinlandsprodukts betrugen (explizite Staatsverschuldung).1138 Hinzu kommt die implizite Staatsverschuldung, die aus der Umlagefinanzierung der sozialen Sicherungssysteme in Verbindung mit der ungünstigen demographischen Entwicklung folgt. Die Deutsche Bundesbank hat für 1996 eine Finanzierungslücke des deutschen Staates von 10,3 Billionen DM errechnet.1139 So zeigen denn auch intergenerative, die Ressourcentransfers der einzelnen Alterskohorten vergleichende Belastungsrechnungen (Generational Accounting1140), dass die jüngeren sowie noch nicht geborenen Generationen erheblich größere Steuerlasten zu tragen haben als ältere Steuerpflichtige. Die Deutsche Bundesbank berechnet eine Konsolidierungslücke von 6,3% des Bruttoinlandsprodukts1141, die OECD weist für Deutschland eine Nachhaltigkeitslücke (tax gap) von 3% aus.1142 Eine nachhaltige Finanzpolitik erfordert eine Erhöhung der Abgabenquote um 2,4%-Punkte oder entsprechende Absenkung der Staatsausgaben.1143 In gleicher Weise wirkt der Übergang von der traditionellen zur nachgelagerten Besteuerung. Zum einen verschiebt er die rung gesparter Einkünfte am gesamten Einkommensteueraufkommen nicht unterschreitet. 1137 Vgl. zu den investitionshemmenden Wirkungen einer Kapitaleinkommensbesteuerung zahlr. Nachw. in FN 274. 1138 Für 2003 sind Ausgaben des Bundes in Höhe von 246,3 Mrd. Euro vorgesehen, vgl. FAZ v. 17.05.2002, S. 13 über den Haushaltsgesetzentwurf 2003. 1139 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht November 1999. 1140 Vgl. zu der Methode des Generational Accounting, das den Saldo der von dem Gemeinweisen zu erwartenden und an den Staat zu leistenden Ressourcentransfer errechnet und auf den Geburtszeitpunkt der jeweiligen Alterskohorte abdiskontiert, z. B. W. Kitterer, Intergenerative Belastungsrechnungen („Generational Accounting“) – Ein Maßstab für die Belastung zukünftiger Generationen?, Finanzwissenschaftliche Diskussionsbeiträge des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Nr. 95-2, 1995. 1141 Vgl. Deutsche Bundesbank, Die fiskalische Belastung zukünftiger Generationen – eine Analyse mit Hilfe des Generational Accounting, 1997, Monatsbericht November, S. 17 ff. sowie dies., Monatsbericht November 1999. 1142 Vgl. OECD, Economic Outlook 1998, Nr. 64.

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Steuereinnahmen aus dem Sparkapital sowie der hiermit erwirtschafteten Erträge in die Zukunft. Zum anderen dürfte der Konsolidierungsdruck, den die Mindereinnahmen in der Übergangsperiode ausüben, überwiegend zu Lasten älterer Generationen gehen, da der Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung bereits jetzt knapp 30% des Bundeshaushalts beträgt1144 und auch die Versorgungslasten der Länder beständig zunehmen.1145 2. Ersatz von Altkapital durch Neukapital und Deklaration dieser Vermögensumschichtung als Ersparnisbildung Trotz einer unter intergenerativen Gerechtigkeitsaspekten wünschenswerten Verlagerung von Steuersubstrat in die Zukunft hat die Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip auch die Ordnungsmäßigkeit der gegenwärtigen Haushaltswirtschaft zu gewährleisten. Deshalb verbietet sich ein abrupter Systemwechsel1146, und zwar aufgrund des bereits akkumulierten Vermögens, der Altkapitalbestände.1147 Vermögende Steuerpflichtige könnten Altkapital durch Neukapital ersetzen und diesen Vorgang als abzugsfähige Ersparnisbildung deklarieren. Sie wären in der Lage, ihre Einkommensteuerschuld über Jahre auf Null zu reduzieren, indem sie ihre gesamten aktuellen Einkünfte investiv verwendeten und ihre Konsumausgaben ausschließlich aus Ersparnissen finanzierten, die sie in der Vergangenheit gebildet haben.1148 Zwar ist die Deklaration der Umschichtung von Altkapital in Neukapital als Ersparnisbildung steuersystematisch nicht zu beanstanden. Zum einen geht sie mit der Steuerverstrickung des Vermögensbestandes einher, d.h. die Einmalbelastung der „neuen“ Ersparnisse ist gesichert (Nachversteuerung 1143 Vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik – Konzepte für eine langfristige Orientierung öffentlicher Haushalte, BMF-Schriftenreihe, 2002, S. 26 [www. bundesfinanzminis terium.de]. 1144 Dem Zuschuss zur Rentenversicherung in Höhe von 72 Mrd. Euro (vgl. FN 641) steht einem Bundeshaushalt von 246 Mrd. Euro (FN 485) gegenüber. 1145 Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Absenkung der Versorgungsbezüge durch § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG n. F., wonach das Versorgungsniveau zukünftig nur noch 71,25% – statt 75% bis 2001 – der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge erreichen kann. 1146 So auch R. Mohr, Konsum- versus Vermögenszuwachsbesteuerung, 1992, S. 384. 1147 So auch S. Bach (Was soll besteuert werden: Einkommen oder Konsum?, Wirtschaftsdienst 1995, 391 [397]), der auf überschlägige Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verweist, wonach aus einer Steuerbefreiung der Investitionen Einnahmenausfälle von jährlich 55 Mrd. DM bei der Einkommensteuer und 16 Mrd. DM bei der Körperschaftsteuer zu erwarten seien. 1148 Vgl. auch J. Lang, Steuergesetzbuch (FN 69), Rz. 613.

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bei Ersparnisauflösung oder als Lebensendvermögen). Zum anderen wird auch bei einer nur lückenhaften Umsetzung des Leitbilds der traditionellen Einkommensteuer nicht unterstellt werden können, dass die Altkapitalbestände vollumfänglich unversteuertem Einkommen entstammen. Nur dann dürfte aber auf ihre konsumtive Verwendung zugegriffen werden, ohne gegen das Verbot1149 der Mehrfachbelastung von Einkommen zu verstoßen. Wird schon aus Praktikabilitätsgesichtspunkten angenommen, das gesamte Altkapital entstamme versteuerten Reinvermögensmehrungen1150, kann es den Steuerpflichtigen nicht verwehrt werden, akkumuliertes Vermögen einer konsumtiven Verwendung zuzuführen und zugleich neue – nachgelagert besteuerte – Ersparnisse zu bilden. Dennoch darf ein Systemwechsel die fiskalischen Auswirkungen der Altkapitalbestände nicht unberücksichtigt lassen.1151 So leisten 5% der Steuerpflichtigen (Einkünfte über 143.000 DM) 41% des Einkommensteueraufkommens.1152 Verfügt diese Gruppe von Steuerpflichtigen über Vermögenswerte, die ihre Jahreseinkünfte um den Faktor 2, 3 oder 4 übersteigen, würde die unbeschränkte Abzugsfähigkeit investierter Reinvermögensmehrungen das Einkommensteueraufkommen um 40% verringern, und zwar über einen Zeitraum von 2, 3 oder 4 Jahren (Umschichtung von Alt- in Neukapital). Sollten die Steuerpflichtigen mit Einkünften ab 65.000 DM, die 81% der Einkommensteuerlasten tragen1153, ebenfalls vermögend sein, wären bereits vier Fünftel der Einnahmen aus der Einkommensteuer gefährdet, die immerhin 35,8% des gesamten Steueraufkommens ausmachen.1154 Unabsehbare Haushaltsrisiken scheinen mit den Änderungen des Einkommensteuerrechts verbunden zu sein, die von Paul Kirchhof u. a. im sog. Karlsruher Entwurf vorgeschlagen wurden. Hiernach sollen private Altersvorsorgeaufwendungen unlimitiert abzugsfähig sein, soweit sie unvererbbare und nicht kapitalisierbare Anwartschaften auf eine lebenslängliche Versorgung ab dem 60. Lebensjahr begründen (sog. Zukunftssicherungsbeiträge).1155 Zwar meinen die Verfasser des Karlsruher 1149 Vgl. BVerfG v. 06.03.2002, 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 (362) [Gliederungspunkt C.III.1]. 1150 J. Mitschke (Steuer- und Transferordnung [FN 509], S. 200) schlägt vor, für Besteuerungszwecke eine pauschale Quote für den bereits versteuerten Anteil des Altkapitals anzunehmen. 1151 So auch bereits P. Zumstein, Ausgabensteuer (FN 14), S. 236 ff. 1152 Vgl. Bundesministerium für Finanzen, Datensammlung zur Steuerpolitik, 2000, S. 5 [Beitrag der Steuerpflichtigen zum Steueraufkommen 1998, Fortschreibung der Einkommensteuer-Stichprobe 1992 (zusammenveranlagte Steuerpflichtige rechnen als ein Steuerpflichtiger)]. 1153 Vgl. Bundesministerium für Finanzen, Datensammlung zur Steuerpolitik, 2000, S. 5. 1154 Vgl. Volks- und finanzwirtschaftliche Berichte des Bundesministeriums der Finanzen, Datensammlung zur Steuerpolitik, 2000, S. 32 f. 1155 Vgl. P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 90), § 9 Abs. 1 EStG-E.

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Entwurfs, auf Höchstbeträge für abzugsfähige Zukunftssicherungsbeiträge verzichten zu können, weil die Begünstigung auf den Erwerb höchstpersönlicher Versorgungsanwartschaften beschränkt sei. Der Ausschluss der Kapitalbildung über den Tod ziehe „eine tatsächliche Grenze“1156. Angesichts der Größenordnung der Belastungsunterschiede zwischen nachgelagerter und traditioneller Besteuerung wird die Höchstpersönlichkeit der erwerbbaren Ansprüche aber gerade jüngere Steuerpflichtige nicht davon abhalten, ihr Vermögen in Rentenversicherungsprodukte umzuschichten, um ihr zu versteuerndes Einkommen über Jahre auf das einkommensteuerliche Existenzminimum zu reduzieren.1157 So wächst die Einzahlung eines 25-jährigen Steuerpflichtigen in ein nachgelagert besteuertes Altersvorsorgeprodukt bei einem Zinssatz von 6% in 40 Jahren auf das Zehnfache an. Ein Zukunftssicherungsbeitrag von beispielsweise 1 Mio. Euro akkumuliert sich zu einem Altersvorsorgevermögen von 10,3 Mio. Euro1158. Wird eine Lebenserwartung des Versicherten von 85 Jahren und damit eine durchschnittliche Rentenbezugsdauer von 20 Jahren unterstellt, erhält der nachgelagert besteuerte Altersvorsorgesparer eine jährliche Versicherungsleistung von 750.000 Euro1159. Hiervon verbleiben ihm nach 40% Einkommensteuer 450.000 Euro. Damit lohnt sich die Umschichtung von Altkapital in ein Altersvorsorgeprodukt bereits nach sieben Ruhestandsjahren, d.h. einem Drittel der durchschnittlichen Rentenbezugsdauer. Der Altersvorsorge-Sparer verfügt dann mit knapp 3,2 Mio. Euro1160 über ein ebenso großes Konsumpotential wie der Steuerpflichtige, der auf den Erwerb der Rentenanwartschaft verzichtet hat, die Paul Kirchhof1161 als begünstigungswürdig erachtet. Letztgenanntem wären von seinem damaligen Einkommen (1 Mio. Euro) nach Abzug von 40% Einkommensteuer nur 600.000 Euro verblieben. Traditionell besteuert wären sie bis zu seinem 65. Lebensjahr auf knapp 2,5 Mio. Euro1162 angewachsen, nach weiteren sieben Jahren auf knapp 3,2 Mio. Euro1163. Der abdiskontierte Erwartungswert der Rentenzahlungen nach dem siebten Ruhestandsjahr ist die Begünstigung, die den Zukunftssicherungsbeiträgen im Kirch1156

P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 90), Begr. zu § 9 EStG-E. Die von der Verwirklichung der Karlsruher Reformvorschläge zu erwartenden Steuermindereinnahmen würden sich sogar noch erhöhen, falls der Empfehlung, den Verlustrücktrag des § 10d Abs. 1 EStG abzuschaffen, nicht gefolgt werden sollte. Denn dann würde die gemäß § 9 Abs. 1 EStG-E abzugsfähige Umschichtung des Altkapitalbestandes in (Zukunftssicherungs-)Anwartschaften nicht nur die Einkommensteuereinnahmen der Gegenwart gefährden, sondern auch diejenigen vergangener Veranlagungszeiträume, da nach dem Karlsruher Entwurf negative Einkünfte auch vorliegen sollen, wenn sie auf nachgelagert besteuerten Zukunftssicherungsbeiträgen beruhen, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG-E mit Begründung. 1158 1.000.000 Euro * (1 + 6%)40 = 10.285.718 Euro. 1159 10.285.718 Euro + 10.285.718 Euro * 6% – 750.000 Euro {= 10.152.861 Euro} + 10.152.861 Euro * 6% – 750.000 Euro {= 10.012.032 Euro} + . . . + . . . [Verbrauch des Altersvorsorgekapitals nach 19,3 Jahresrenten]. 1160 7 * (1 – 40% ESt) * 750.000 Euro = 3.150.000 Euro. 1161 Vgl. z. B. P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag, in I. Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 147. 1162 600.000 Euro * [1 + (1 – 40% ESt) * 6%]40 = 2.469.116 Euro. 1163 2.469.116 Euro * [1 + (1 – 40% ESt) * 6%]7 = 3.162.713 Euro. 1157

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Kap. 11: Administrative und fiskalische Aspekte

hof ’schen Sinne gewährt wird. Hierbei handelt es wahrscheinlichkeitstheoretisch um 17 Nachsteuer-Jahresraten à 450.000 Euro. Neben den bereits ausgezahlten 3,2 Mio. Euro steht ein Altersvorsorgevermögen von 7,3 Mio. Euro zur Verfügung. Nach Abzug der 40%-igen latenten Einkommensteuerlast errechnet sich hieraus ein NettoKonsumpotential von 4,4 Mio. Euro. Kann der Altersvorsorge-Sparer die Versorgungsleistungen nicht vollumfänglich konsumtiv verwenden, profitieren selbst die Erben von der Begünstigung der höchstpersönlichen Versorgungsansprüche, nämlich in Form eines größeren Nachlasses. Begünstigt das Steuerrecht den Erwerb von Leibrentenanwartschaften, wird bei dem Abschluss dementsprechend geförderter Verträge eben nicht „auf eine überdurchschnittlich lange Lebenserwartung gewettet“1164, was eine Limitierung der Abzugstatbestände überflüssig werden lassen könnte. Eine solche Wette wird nur bei steuerlicher Neutralität zwischen den verschiedenen Vorsorgeformen abgeschlossen.

III. Übergangsregelungen Die vorstehend aufgezeigten fiskalischen Auswirkungen einer übergangslosen Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip verlangen nach Übergangsregelungen, wenn Einkommen nachgelagert besteuert werden soll. Grundsätzlich sind zwei Wege eines sukzessiven Systemwechsels denkbar. Zum einen kann gespartes Einkommen zunächst nur in begrenzter Höhe zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen werden. Die Abzugsbeträge wären, soweit fiskalisch verkraftbar, schrittweise anzuheben (limitiert nachgelagerte Besteuerung). Zum anderen sind die Steuermindereinnahmen in der Übergangsphase dadurch begrenzbar, dass investierten Reinvermögensmehrungen zunächst ein nur teilweiser Besteuerungsaufschub gewährt wird. Auf investierte Reinvermögensmehrungen wäre ein Steuersatz anzuwenden, der zwar größer Null ist, die einkommensteuerliche Regelbelastung jedoch unterschreitet und bei der Nachbelastung der Ersparnisauflösung bzw. des Lebensendvermögens berücksichtigt wird (partiell nachgelagerte Besteuerung). Der Niedrigtarif wäre nach und nach abzusenken, nicht zuletzt in Abhängigkeit von den zukünftigen Mehreinnahmen aus der (partiellen) Nachversteuerung der Ersparnisse. Mit vorgenannten Übergangsregelungen beschäftigen sich der fünfte und sechste Teil dieser Arbeit. Sie sind zugleich Konzeptionen steuerlicher Lastenausteilung, die innerperiodische und überperiodische Gerechtigkeitsaspekte zum Ausgleich bringen können.

1164 So aber – unzutreffenderweise – die Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (FN 611), Abschlussbericht, 2003, S. 30.

Fünfter Teil

Limitiert nachgelagerte Besteuerung Kapitel 12

Limitierter Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen Die steuerliche Lastenausteilung kann haushaltsverträglich am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet werden, indem die Abzugsfähigkeit investierter Reinvermögensmehrungen zunächst betragsmäßig begrenzt und diese Limitierung schrittweise aufgehoben wird (limitiert nachgelagerte Besteuerung). Ersparnisse wären bei ihrer konsumtiven Verwendung sowie als Lebensendvermögen nachzuversteuern, soweit sie aus unversteuertem Einkommen gebildet wurden. Der Reformbedarf wäre gering, da die staatliche und betriebliche Altersversorgung bereits derzeit limitiert nachgelagert besteuert werden und dieser Weg bei der privaten Altersvorsorge ebenfalls eingeschlagen wurde (nachgelagerte Besteuerung der sog. Riester-Rente, §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG). Eine limitiert nachgelagerte Besteuerung auch jener Ersparnisse, die nicht für eine dauerhafte Erhöhung des Lebensstandards im Alter gebildet werden, kann an diese Regelungen anknüpfen. Einer sachgerechten Lebensendvermögensbesteuerung wäre durch eine Abstimmung der Einkommen- und Erbschaftsteuertatbestände Rechnung zu tragen. Geht die Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht mit einer Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat einher, ohne mit einer Steuerverstrickung im Zuzugsstaat verbunden zu sein, hat eine – dann gemeinschaftsrechtskonforme – Wegzugsbesteuerung den Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen zu verwirklichen.

A. Altersvorsorge Soll Einkommen limitiert nachgelagert besteuert werden, besteht hinsichtlich der staatlichen, betrieblichen und zusätzlichen privaten Altersvorsorge kein Änderungsbedarf. Versorgungsanwartschaften können bereits derzeit weitestgehend aus unversteuertem Einkommen erworben werden (Besteuerungsaufschub). Insbesondere erübrigt sich eine Lebensendvermögensbe-

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Kap. 12: Besteuerungsaufschub für Reinvermögensmehrungen

steuerung, da das biometrische Risiko Langlebigkeit regelmäßig höchstpersönlich und damit unvererbbar abgesichert wird. I. Staatliche Altersvorsorge Die Besteuerung der Beamtenversorgung folgt durchgängig dem nachgelagerten Korrespondenzprinzip.1165 Die Reinvermögensmehrungen, die mit dem Erwerb der Versorgungsanwartschaften während der aktiven Dienstzeit einhergehen (Ersparnisbildung), gelten nicht als i. S. v. § 11 Abs. 1 EStG zugeflossene Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Beamte können für ein Versorgungsniveau in Höhe von 71,25%1166 der letzten ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge aus unversteuerten Reinvermögensmehrungen vorsorgen. Die Versorgungsbezüge unterliegen hingegen vollumfänglich der Einkommensteuer, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ESt (Vermögensumschichtung, Ersparnisauflösung). Von der Umsetzung des jüngsten BVerfG-Urteils zur Renten- und Pensionsbesteuerung1167 wird gemeinhin erwartet, dass auch der sukzessive Erwerb von Versorgungsanwartschaften gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung zukünftig vollumfänglich nachgelagert besteuert wird (Abzugsfähigkeit auch des Arbeitnehmeranteils der Rentenversicherungsbeiträge, vollumfängliche Besteuerung der Sozialversicherungsrenten).1168 Reinvermögensmehrungen in Höhe von bis zu ca. 20% der rentenrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze, d.h. ca. 10.000 Euro jährlich, würde ein Besteuerungsaufschub gewährt.1169 II. Betriebliche Altersvorsorge Die betriebliche Altersvorsorge via Direktzusage sowie (rückgedeckter) Unterstützungskasse wird infolge der Korrespondenzlücke zwischen der Besteuerung beim Arbeitgeber und beim Arbeitnehmer nachgelagert belastet.1170 Gleiches gilt für die Durchführungswege der Pensionskasse und des Pensionsfonds, soweit die Altersvorsorgeaufwendungen der Einkommen1165

Vgl. dazu oben Kapitel 5 Abschn. B.I., Seiten 159 ff. § 14 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz in der Fassung des Versorgungsänderungsgesetzes 2001. 1167 BVerfG v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, DStRE 2002, 349 ff. 1168 Vgl. oben Kapitel 5 Abschn. B.II., S. 162 ff. 1169 In 2000 beanspruchte die Bundesversicherungsanstalt für Arbeiter und Angestellte (BfA) 19,75% des sozialversicherungspflichtigen Entgelts, um die Versorgungsansprüche der gegenwärtigen Ruheständler zu befriedigen. Da die Beitragsbemessungsgrenze monatlich 8.700 DM betrug, waren bis zu 20.619 DM an die BfA zu überweisen. 1166

A. Altersvorsorge

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steuerbefreiung des § 3 Nr. 63 EStG unterfallen.1171 Auch die Besteuerung der übrigen betrieblichen Altersvorsorgeaufwendungen (Direktversicherungsprämien sowie Zuwendungen bzw. Beiträge an Pensionskassen/-fonds außerhalb des Anwendungsbereichs von § 3 Nr. 63 EStG) bedürfte nicht zwingend einer Reform.1172 Hier wird dem Belastungsideal des nachgelagerten Korrespondenzprinzips ebenfalls weitgehend entsprochen, indem das während der Anwartschaftsphase erwirtschaftete Kapitaleinkommen steuerlich unbelastet bleibt1173, und zwar aufgrund der Körperschaftsteuerbefreiung der Vorsorgeträger (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG), der Steuerbefreiung von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG) sowie der Ertragsanteilsbesteuerung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG, die nur die Rendite aus der Versorgungsphase erfasst.1174 Eine einheitlich nachgelagerte Besteuerung der betrieblichen Altersvorsorge wäre allerdings aus Transparenzgründen wünschenswert.1175 Die derzeitige, an den formalen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers anknüpfende Differenzierung wird insbesondere von Dieter Birk1176 angegriffen. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise1177 als teleologischer Auslegungsmethode steuergesetzlicher Vorschriften ist es in der Tat wenig überzeugend1178, dass z. B. ein nur vermeintlich fehlender Rechtsan1170 Vgl. dazu oben Kapitel 5 Abschn. C.II.1., S. 171 ff. sowie Abschn. 2., S. 175 ff. 1171 § 3 Nr. 63 EStG befreit 4% der rentenrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze (4.176 DM in 2001) von der Einkommensteuer, vgl. dazu W. Niermann, Die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung durch das AVmG aus steuerlicher Sicht, DB 2001, 1380. 1172 A. A. [für Direktversicherungen] wohl D. Birk, Verfassungsfragen der Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung, BB 2002, 229 (234), vgl. dazu FN 1180. 1173 Vgl. dazu oben Kapitel 5 Abschn. C.II.3.b), S. 182 ff. sowie Abschn. 4.b), S. 184 ff. 1174 Vgl. dazu Kapitel 5 Abschn. B.II.3., S. 164 ff. 1175 So auch Gerke-Kommission, Betriebliche Pensionsfonds (FN 28), S. II u. 52; D. Birk, Nachgelagerte Besteuerung in der betrieblichen Altersversorgung (FN 28), StuW 1999, 321 (327); Birk/Wernsmann, Die Besteuerung der betrieblichen Altersversorgung (FN 135), DB 1999, 166 (169); H.-G. Horlemann, Altersversorgung im Blickpunkt, FR 999, 20 (24); R. Seer, Alterseinkünfte und Gleichbehandlungsgebot (FN 28), StuW 1996, 323 (335). 1176 Vgl. nur D. Birk, Nachgelagerte Besteuerung in der betrieblichen Altersversorgung (FN 28), StuW 1999, 321 (323 f.). Vgl. auch D. Gosch, in Kirchhof/Söhn (FN 112), § 4d EStG Rn. B 7 m. w. N. 1177 Vgl. dazu nur J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 5 Rz. 65 ff.; H.-W. Kruse, in Tipke/Kruse (Hrsg), Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl. 1996, 88. Erg.-Lief. 09/1999, § 39 AO Rz. 1. 1178 P. Fischer (Missverständnisse zur nachgelagerten Besteuerung [FN 28], FR 2001, 613 [617]) verteidigt hingegen diese Differenzierung, die vom wirtschaftlichen Ergebnis her nicht nachvollziehbar ist. Der Hinweis auf die Unverfallbarkeit

288

Kap. 12: Besteuerungsaufschub für Reinvermögensmehrungen

spruch gegenüber Unterstützungskassen („klassisches juristisches Paradoxon“1179) über den Zeitpunkt der Besteuerung entscheiden soll. Den Weg zu einer einheitlich nachgelagerten Besteuerung hat das AVmG aufgezeigt. Die Ausweitung des § 3 Nr. 63 EStG auf Direktversicherungen1180 und Streichung der betragsmäßigen Limitierung würde die Vorsorgeaufwendungen aus der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage ausgrenzen. Korrespondierend sicherte § 22 Nr. 5 Satz 1 HS 2 EStG die Nachversteuerung der Ersparnisauflösung. Limitierung? Fraglich ist, ob die nachgelagerte Besteuerung der betrieblichen Altersvorsorge der Höhe nach begrenzt werden sollte. In Betracht käme ausschließlich eine absolute, d.h. einkommensunabhängige Beschränkung der Abzugsfähigkeit. Denn es nicht ersichtlich, warum Steuerpflichtige mit höherem Einkommen überproportional von den Belastungsvorteilen der nachgelagerten Besteuerung profitieren sollten, wenn fiskalische Aspekte ihre betragsmäßige Begrenzung erfordern. Allerdings ist eine Limitierung nachgelagert besteuerter betrieblicher Altersvorsorgemaßnahmen verwaltungsaufwändig.1181 So wäre der Bemessungsgrundlagenabzug idealiter nach der Zeitspanne zu differenzieren, die dem einzelnen Steuerpflichtigen für den Aufbau einer Altersversorgung verbleibt. Anderenfalls würde die Akkumulierung von betrieblichem Altersvorsorgekapital aus unversteuertem Einkommen nicht gleichermaßen ermöglicht. Wer erst mit 50 Jahren eine Direktzusage seines Arbeitgebers erhält, benötigt für ein bestimmtes Versorgungsniveau höhere – nach § 6a EStG abzugsfähige – Zuführungen zu Pensionsrückstellungen als ein Arbeitnehmer, dem bereits zu Beginn seines einer Versorgungsanwartschaft gegenüber einer Unterstützungskasse oder einem Arbeitgeber sei zwar „arbeitsrechtlich zutreffend“, jedoch „steuerrechtlich unerheblich“. 1179 Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung (FN 652), E Rz. 13 [zu Unterstützungskassen, vgl. dazu ausführlich oben Kapitel 5 Abschn. C.II.2.a), S. 176 ff.]. 1180 D. Birk erkennt in der (isolierten) Ausgrenzung der Direktversicherung von der nachgelagerten Besteuerung sogar eine Verletzung des Gleichheitssatzes (ders., Verfassungsfragen der Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung [FN 1172], BB 2002, 229 [232, 234]). Aus überperiodischer Sicht bestehen allerdings bereits Zweifel an einer Ungleichbehandlung, da jedenfalls jenes Kapitaleinkommen, welches in der Anwartschaftsphase erwirtschaftet wird, wegen des Lebensversicherungsprivilegs des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG bei Direktversicherungen ebenso steuerlich unbelastet bleibt wie Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung, die nachgelagert besteuert werden. 1181 Dies mag P. Kirchhof u. a. (Karlsruher Entwurf [FN 90], § 9 Abs. 1 EStG-E) veranlasst haben, eine unbegrenzte Abzugsfähigkeit der Begründung höchstpersönlicher Versorgungsanwartschaften zu empfehlen

A. Altersvorsorge

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Berufsleben eine betriebliche Altersversorgung zugesagt wurde. Die Höhe der erforderlichen Altersvorsorgeaufwendungen hängt zudem von der Rendite ab, die mit dem betrieblichen Vorsorgekapital erwirtschaftet wird. Mit einer einheitlichen Zuteilung der Belastungsvorteile sind demnach Praktikabilitätsprobleme verbunden, die insoweit – wie bei der staatlichen Altersvorsorge – einen Verzicht auf jegliche Beschränkung der nachgelagerten Besteuerung nahelegen. Hierfür spricht nicht zuletzt die Neufassung des § 1a BetrAVG, die jedem Arbeitnehmer das Recht einräumt, eine Umwandlung von Barlohn in Altersvorsorgemaßnahmen zu verlangen.1182 Infolgedessen stehen die Belastungsvorteile einer unlimitiert nachgelagert besteuerten betrieblichen Altersvorsorge jedermann offen.1183 Insbesondere ist die unbegrenzte Abzugsfähigkeit betrieblicher Altersvorsorgeaufwendungen auch nicht mit unabsehbaren Haushaltsrisiken verbunden. So ist nicht zu erwarten, dass der gesamte Altkapitalbestand in neues (betriebliches Altersvorsorge)Kapital umgewandelt und dieser Vorgang als Ersparnisbildung deklariert wird.1184 Die Arbeitslohnabreden der Gegenwart zeigen, dass kaum ein Arbeitnehmer auf jeglichen Barlohn verzichtet, um ausschließlich durch Maßnahmen der betrieblichen Altersversorgung vergütet zu werden. Denn Umwandlungen des gesamten Barlohns sind derzeit trotz der hiermit verbundenen Belastungsvorteile die Ausnahme.

III. Private Altersvorsorge § 10a EStG lässt die private Altersvorsorge zum Sonderausgabenabzug zu (Altersvorsorgebeiträge), § 22 Nr. 5 EStG besteuert das ausgezahlte Altersvorsorgevermögen als Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen nach.1185 Zwar hat der Gesetzgeber mit der Sonderausgabenabzugsfähigkeit steuertechnisch nicht exakt den Weg eingeschlagen, den die Steuerrechtswissenschaft ihm für die nachgelagerte Besteuerung empfohlen hat. So sehen die Einkommensteuerreformvorschläge von Joachim Lang1186 und Paul Kirch1182

Vgl. dazu Förster/Rühmann/Recktenwald, AVmG und betriebliche Altersversorgung (FN 709), BB 2001, 1406. 1183 Allerdings werden Steuerpflichtige, die keinen Zugang zu einer betrieblichen Altersversorgung haben (z. B. Selbständige), durch eine unbegrenzte Abzugsfähigkeit benachteiligt, wenn außerbetriebliche Alters- oder Zukunftsvorsorgemaßnahmen nur limitiert zum Abzug von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage zugelassen werden. Dem könnten höhere Vorsorgeabzugsbeträge für Steuerpflichtige, die in keinem festen Beschäftigungsverhältnis stehen, Rechnung tragen. Im Übrigen wird die – auch derzeit existierende – Privilegierung der Nutznießer betrieblicher Altersvorsorgemaßnahmen bei limitiert nachgelagerter Besteuerung durch die sukzessive Erhöhung der Abzugsbeträge schrittweise abgebaut. 1184 Vgl. dazu oben Kapitel 11 Abschn. B.II.2., S. 281 ff. 1185 Vgl. dazu oben Kapitel 6 Abschn. D.II., S. 199. 1186 Vgl. J. Lang, Steuergesetzbuch (FN 69), §§ 109 Abs. 3; 123 Abs. 3 u. 4 StGB-E [Einkünfte aus qualifizierten Vermögensanlagen]).

290

Kap. 12: Besteuerungsaufschub für Reinvermögensmehrungen

hof u. a.1187 vor, die Zukunftssicherungsbeiträge der Steuerpflichtigen als Erwerbsaufwendungen und die Versorgungsleistungen als Erwerbseinnahmen zu behandeln. Danach wären Altersvorsorgebeiträge als Werbungskosten anzuerkennen, d.h. auf der Ebene des objektiven Nettoprinzips anzusiedeln. Die Abweichung vom wissenschaftlichen Ideal wiegt allerdings nicht schwer. Im Ergebnis bleibt die Ersparnisbildung, ob als Erwerbsaufwendung oder als Sonderausgabe, von der Besteuerung verschont. Die Ersparnisauflösung wird, ob als Erwerbs- oder als sonstige Einnahme, erfasst. Die Ansiedlung des Besteuerungsaufschubs auf der Ebene des subjektiven Nettoprinzips weist jedenfalls in der Übergangsphase sogar den Vorteil auf, die abzugsfähigen Ersparnisse auf das Einkommen des jeweiligen Veranlagungszeitraums zu begrenzen. Da für Sonderausgaben kein Verlustrücktrag gewährt wird (§ 10d EStG), gefährdet der Systemwechsel das bereits vereinnahmte Steueraufkommen nicht. Eine Umschichtung von Alt- in Neukapital und die Deklaration dieses Vorgangs als Ersparnisbildung1188 lässt die Einkommensteuer der vergangenen Veranlagungszeiträume unberührt.

1. Ausweitung des Adressatenkreises von § 10a EStG Der Sonderausgabenabzug von Altersvorsorgebeiträgen wird derzeit nur bestimmten Steuerpflichtigen gewährt. Zwar ist der Adressatenkreis des § 10a EStG sehr weit gezogen, da er sämtliche Arbeitnehmer einschließlich der im öffentlichen Dienst beschäftigten Steuerpflichtigen erfasst. Soll Einkommen limitiert nachgelagert besteuert werden, wäre der Anwendungsbereich der §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG, wie nun auch von der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen gefordert1189, für alle Einkommensteuersubjekte zu öffnen. Die Ausgrenzung z. B. der selbständig tätigen Steuerpflichtigen entbehrte jeder Begründung, da die §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG nicht länger als Sozialzwecknormen zu begreifen wären, die dem abgesenkten Versorgungsniveau von gesetzlicher Rentenversicherung und Beamtenversorgung Rechnung tragen.1190 Sie stellten sich als ein Subsystem 1187 P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf (FN 90), § 9 Abs. 1 u. 3 [Zukunftssicherungsbeiträge „gelten“ als Erwerbsausgaben und Leistungen hieraus „sind“ Erwerbseinnahmen]. 1188 Vgl. dazu oben Kapitel 11 Abschn. B.II.2., S. 281 ff. 1189 Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (FN 611), Abschlussbericht, 2003, S. 17. 1190 Vgl. zur Einordnung der §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG als Sozialzwecknormen C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente (FN 228), StuW 2001, 253 (256 f.).

B. Private Zukunftsvorsorge

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von Fiskalzwecknormen dar, die die steuerliche Lastenausteilung sukzessive am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausrichten.1191 2. Sukzessive Erhöhung der sonderausgabenabzugsfähigen Altersvorsorgebeiträge § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG begrenzt die sonderausgabenabzugsfähigen Altersvorsorgebeiträge ab 2008 auf jährlich 2.100 Euro. Dieser Betrag wäre schrittweise anzuheben, um überperiodischen Gerechtigkeitsaspekten nach und nach mehr Geltung zu verschaffen (Lebenseinkommensbesteuerung). Hierbei wäre die Länge des Übergangszeitraums von den fiskalischen Bedürfnissen der Gegenwart, aber auch der Zukunft abhängig zu machen (intergenerativ gerechte Steuerlastenausteilung1192). Je schneller der Gesetzgeber die Begrenzung in § 10a EStG aufhebt, desto mehr Steuersubstrat wird in zukünftige Veranlagungszeiträume verlagert (Auszahlung des sonderausgabenabzugsfähigen bzw. noch nicht zugeflossenen Altersvorsorgevermögens), um zur Finanzierung der expliziten und impliziten Staatsverschuldung Deutschlands beizutragen.

B. Private Zukunftsvorsorge I. §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG Die private Zukunftsvorsorge unterscheidet sich von der privaten Altersvorsorge allein dadurch, dass die Ersparnisse nicht für eine dauerhafte Erhöhung des Lebensstandards im Alter verwendet werden. Das Regelungssystem der §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG eignet sich auch, die private Zukunftsvorsorge limitiert nachgelagert zu besteuern. Für die Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen sowie die Nichtbesteuerung reinvestierter Vorsorgekapitalerträge1193 ist dies offensichtlich (Ersparnisbildung aus unversteuertem Einkommen). Die Nachbelastung der Ersparnisse hängt ebenfalls nicht davon ab, wie sie aufgelöst werden (z. B. Einmalzahlung oder ewige Rente). Im Grunde genommen bedarf es angesichts der abgabenrechtlichen 1191 Die Einbeziehung sämtlicher Steuerpflichtiger in den Adressatenkreis des § 10a EStG würde im Übrigen nicht nur ihren Textumfang verringern, sondern auch ihre Anwendung erheblich vereinfachen. Es entfielen die Abgrenzungsprobleme, die eine sechsseitige Anlage zum BMF-Schreiben zu §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG erforderlich gemacht haben, vgl. Anlage 1 (fünf Seiten) und 2 (eine Seite) zum BMFSchreiben v. 05.08.2002 – IV C 4 – S 2222 – 295/02/IV C 5 – S 2333 – 154/02, www.bundesfinanzministerium.de. 1192 Vgl. dazu oben Kapitel 11 Abschn. B.II.1., S. 279 ff. 1193 Vgl. dazu oben Kapitel 1 Abschn. B.III.3.b), S. 55 ff.

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Kap. 12: Besteuerungsaufschub für Reinvermögensmehrungen

Behandlung der Riester-Rente keiner weiteren gesetzgeberischen Aktivitäten, um die private Zukunftsvorsorge limitiert nachgelagert zu besteuern. So werden aus Altersvorsorgeverträgen – im Nachhinein – Zukunftsvorsorgeverträge, sobald die Vertragsparteien sich auf eine vorzeitige Auszahlung des Altersvorsorgevermögens einigen. Insbesondere geht die Durchführung einer derartigen Vereinbarung, wie oben in Kapitel 6 Abschn. D.III. auf den Seiten 202 ff. gezeigt, nicht mit steuerlichen Sanktionen einher, sondern lediglich mit alterssteuersatzabhängigen Zufallsergebnissen.1194 Progressionsverzerrungen aber haben in den letzten 40 Jahren beständig an Bedeutung verloren, der Einkommensteuertarif ist zu einer „Linearbelastung mit sozialer Anfangskomponente“1195 bzw. einem „Übergangstarif für Durchschnittsverdiener“ 1196 geworden (Einkommensteuerspitzensatz als Regelbelastung1197). II. Limitiert nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge (§§ 10a Abs. 6; 22 Nr. 5 EStG-E) 1. Abzugstatbestand (§ 10a Abs. 6 EStG-E) Soll dennoch ein eigenständiger Abzugstatbestand für die private Zukunftsvorsorge geschaffen werden, um z. B. die Zulagenförderung des XI. EStG-Abschnitts auf Altersvorsorgeaufwendungen zu begrenzen, würde hierfür die Ergänzung des § 10a EStG um einen Absatz genügen. § 10a Abs. 6 EStG-E hätte die Sonderausgabenabzugsfähigkeit von Zukunftsvorsorgebeiträgen zu normieren, d.h. solcher Ersparnisse, die zur Finanzierung jeglicher Konsumbedürfnisse in der Zukunft gebildet werden. Er könnte lauten: „Absatz 1 findet auch Anwendung auf qualifizierte Zukunftsvorsorgebeiträge. Qualifizierte Zukunftsvorsorgebeiträge sind Einzahlungen, die in Zukunftsvorsorgeverträge im Sinne des Zukunftsvorsorge-Zertifizierungsgesetzes geleistet werden.“

1194

Vgl. dazu oben Kapitel 6 Abschn. D.III.1.b)(1), S. 203 ff. P. Kirchhof, Grundlagen der Einkommensteuer (FN 479), DStJG 24 (2001), S. 9 (24). 1196 J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (116). 1197 Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 13 Abschn. A.I.2., S. 305 ff. Während dem 53%-igen Einkommensteuerspitzensatz von 1958 erst ein zu versteuerndes Einkommen von 110.000 DM unterlag (StÄndG 1958 v. 18.07.1958, BGBl. I S. 492), wird die 42%-ige Belastung in der oberen Proportionalzone ab 2005 trotz knapp 50-jähriger Geldentwertung bereits bei 100.000 DM greifen (§§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG). 1195

B. Private Zukunftsvorsorge

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Ein Zukunftsvorsorge-Zertifizierungsgesetz hätte möglichst geringe Anforderungen an die Ersparnisbildung i. S. d. § 10 Abs. 6 EStG-E zu stellen, um die Wahlmöglichkeiten der investierenden Steuerpflichtigen nicht unnötig zu beschränken. Beeinträchtigungen der intersektorellen Neutralität wären nur insoweit hinzunehmen, als sie aus steuererhebungstechnischen Gesichtspunkten unerlässlich sind. Die Normierung einer Besteuerungsaufsicht über die Anbieter der Zukunftsvorsorgeverträge (Kapitalsammelstellen) würde genügen, um die Administration der Nachversteuerung zu sichern. So wären die Kapitalsammelstellen zu verpflichten, die Finanzbehörden über geleistete Auszahlungen zu informieren. Dann könnten die Angaben der Zukunftsvorsorge-Sparer über die Ertragsentwicklung und insbesondere auch die konsumtive Verwendung des Zukunftsvorsorgevermögens verwaltungseffizient überprüft werden (Ersparnisauflösung). Zudem ist es denkbar, den Kapitalsammelstellen die Einbehaltung und Abführung einer Quellensteuer auf das ausgezahlte Zukunftsvorsorgevermögen aufzuerlegen, die auf die Einkommensteuerschuld des Zukunftsvorsorge-Sparers anzurechnen wäre. Joachim Lang1198 hat bereits in 1993 einen Formulierungsvorschlag für die nachgelagerte Besteuerung der privaten Vermögensbildung unterbreitet, der als Grundlage des Zukunftsvorsorge-Zertifizierungsgesetzes in Betracht kommt. So heißt es in § 832 Abs. 1 Steuergesetzbuch-Entwurf (StGB-E): „Zur Verwaltung von Vermögensanlagen im Sinne des § 123 [Einkünfte aus qualifizierten Vermögensanlagen] sind nur qualifizierte Sparinstitute im Sinne des Absatzes 2 berechtigt.“ Absatz 2 spricht „insbesondere Banken, Sparkassen, Bausparkassen, Versicherungen“ an – umfasst sind wohl auch Kapitalanlagegesellschaften –, „die nach Maßgabe des Absatzes 3 einer besonderen staatlichen Überwachung unterliegen“. Absätze 3 und 4 konkretisieren die Anforderungen, die an die qualifizierten Formen der Ersparnisbildung und deren Anbieter gestellt werden. Normiert wird, dass „die Überwachung sowohl den Schutz des Kapitalanlegers als auch die Besteuerung zu sichern“ hat und „steuerliche Unzuverlässigkeit gegeben ist, wenn die wiederholte und erhebliche Verletzung von Steuergesetzen die Annahme rechtfertigt, dass der Geschäftsbetrieb die vollständige Erfassung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nicht mehr gewährleistet“.

2. Nachversteuerungstatbestand (§ 22 Nr. 5 EStG-E) Auch die Schaffung eines Nachversteuerungstatbestandes bedarf nur einer minimalen Gesetzesreform. Der Tatbestand des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG wäre um die Worte „sowie Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen im Sinne des § 10a Abs. 6 EStG“ zu erweitern, um die private Zukunftsvorsorge auch außerhalb der Riester’schen Altersvorsorgeverträge limitiert nachgelagert zu besteuern. 1198

Vgl. J. Lang, Steuergesetzbuch (FN 69), §§ 123; 832 f. StGB-E, Rz. 583.

294

Kap. 12: Besteuerungsaufschub für Reinvermögensmehrungen

C. Lebensendvermögensbesteuerung Das Lebensendvermögen ist insoweit nachzubelasten, als es aus unversteuerten Reinvermögensmehrungen stammt. Bei der Besteuerung der Vermögensübertragung ist zwischen der konsumtiven und investiven Verwendung des ererbten Alters- bzw. Zukunftsvorsorgevermögens zu differenzieren. Der Bereicherung, die der Erbe in investiver Verwendung belässt, ist wiederum ein Besteuerungsaufschub zu gewähren. Im Hinblick auf nachgelagert besteuerte klassische Altersvorsorgemaßnahmen (Absicherung des biometrischen Risikos Langlebigkeit1199) erübrigt sich eine Lebensendvermögensbesteuerung. Hier werden höchstpersönliche Versorgungsanwartschaften gebildet, die mit dem Ableben des Versorgungsberechtigten erlöschen. Ein nachzubelastendes Lebensendvermögen existiert insoweit nicht, die unversteuerten Reinvermögensmehrungen werden erfolgswirksam neutralisiert. Die Differenz zwischen den empfangenen Versorgungsleistungen und ihrem Erwartungswert wirkt als interperiodischer Verlustausgleich (Minderung des Lebenseinkommens).1200

I. Konsumtive Erbschaftsverwendung Die private Zukunftsvorsorge akkumuliert vererbbares Vorsorgevermögen, und zwar bei limitiert nachgelagerter Besteuerung im Rahmen der Abzugsbeträge sowie nicht zugeflossenen Vorsorgekapitalerträge aus unversteuertem Einkommen. Verstirbt der Investor, ohne das Zukunftsvorsorgekapital zuvor konsumtiv verwendet zu haben, hat eine Nachversteuerung zu seinen Lebzeiten nicht stattgefunden (keine Ersparnisauflösung). Die Steuerschuld aus der Lebensendvermögensbesteuerung stellt sich als letzte abgabenrechtliche Verpflichtung des Erblassers dar. Sein Tod erfordert es allerdings, den Steuerpflichtigen in Anspruch zu nehmen, der um den Nachlass bereichert wurde (Erbe). Mit dem Lebensendvermögen geht auch die hierauf lastende Abgabenverpflichtung auf den Rechtsnachfolger über (latente Steuerlast). Die konsumtive Nachlassverwendung setzt die Auszahlung des Vorsorgevermögens durch die Kapitalsammelstelle voraus. Die Einkommensteuer1199

Vgl. zu dieser Definition klassischer Altersvorsorgemaßnahmen FN 645. Diese Zusammenhänge verkennt J. Thiel (Diskussionsbeitrag, in J. Pelka [Hrsg.], Unternehmenssteuerreform, DStJG-Sonderband, 2001, S. 100), wenn er meint, dass auf nachgelagert besteuerte Arbeitseinkünfte, die in Aktien investiert wurden, auch dann zuzugreifen sei, wenn ein Kurswertverlust das akkumulierte Vermögen vernichtet habe. Stehen den Arbeitseinkünften der Vergangenheit negative Kapitalerträge in der Gegenwart gegenüber, ist eine Nachversteuerung aber gerade nicht erforderlich (interperiodischer Verlustausgleich), vgl. dazu auch C. Dorenkamp, Diskussionsbeitrag, in J. Pelka (Hrsg.), Unternehmenssteuerreform, DStJGSonderband, 2001, S. 102. 1200

C. Lebensendvermögensbesteuerung

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pflicht dieser Auszahlung (§ 22 Nr. 5 EStG-E) trägt mittelbar dem Grundsatz der Individualbesteuerung Rechnung. So würden auch die Schulden aus einer Erblasserbesteuerung auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen, § 45 Abs. 1 Satz 1 AO. Insbesondere macht es aber im Belastungsergebnis keinen Unterschied, ob die Ersparnisse des Erblassers bei ihm oder seinem Erben nachbesteuert werden.1201 In beiden Fällen wird der Begünstigte lediglich um den Nachlass abzüglich der latenten Steuerlast des Lebensendvermögens bereichert. Die Erbenbereicherung wiederum unterliegt der Erbschaftsteuer, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Auf dem Gedanken der mittelbaren Erblasserbesteuerung fußt auch § 93 Abs. 1 Satz 5 i.V. m. 22 Nr. 5 Satz 4 EStG. Hiernach unterliegt vererbtes Altersvorsorgevermögen nicht beim Altersvorsorge-Sparer, sondern bei seinem Rechtsnachfolger der Einkommensteuer.1202 Hinsichtlich der Belastung der Bereicherung des Rechtsnachfolgers (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist allerdings die BFH-Rechtsprechung1203 zu Nachlassverbindlichkeiten i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG verfehlt. Denn sie betrachtet die latente Einkommensteuerschuld nicht als vom Erblasser herrührend (keine Abzugsfähigkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG), obgleich dieser die Reinvermögensmehrung erwirtschaftet hat, die das EStG erfassen will. Sollte sich diese – im Schrifttum wohl einhellig abgelehnte1204 – BFH-Rechtsprechung auch nach Abschaffung des § 35 EStG a. F. nicht ändern, wäre der Gesetzgeber gefordert, einen betreffenden Abzugstatbestand im ErbStG zu schaffen. Anderenfalls würde Altersvorsorgevermögen erbschaftsteuerlich belastet, das der Rechtsnachfolger zur Begleichung von Steuerschulden benötigt (keine Bereicherung), die dem Erblasser zuzuordnen sind (Nachbelastung der sonderausgabenabzugsfähigen Altersvorsorgebeiträge sowie nicht zugeflossenen Erträge).

1201 Handelt es sich bei dem limitiert nachgelagert besteuerten Lebensendvermögen um größere Beträge, können insbesondere interpersonale Progressionsverzerrungen vernachlässigt werden. Denn die Besteuerung des Lebensendvermögens beim Erblasser hätte ebenfalls zu einer Zusammenballung von Einkünften geführt, weshalb auch er in Höhe des Spitzensatzes der Einkommensteuer belastet worden wäre. 1202 Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine „Auszahlung“ des zur Altersvorsorge angesammelten Vorsorgekapitals erforderlich, § 93 Abs. 1 Satz 5 EStG. Hierunter ist aber wohl auch die Übertragung des Vorsorgekapitals auf den Altersvorsorgevertrag eines anderen Steuerpflichtigen zu subsumieren. Denn anderenfalls hätte es der Ausnahmeregelung des § 93 Abs. 1 Satz 6 EStG nicht bedurft, wonach § 93 Abs. 1 Satz 5 EStG nicht anzuwenden ist, wenn das Altersvorsorgevermögen auf einen Altersvorsorgevertrag der zusammenveranlagten Ehegatten übertragen wird. 1203 Vgl. BFH v. 11.01.1961 II 272/58, BStBl III 1961, 162; v. 05.07.1978 II R 64/73, BStBl II 1979, 23 (24); v. 06.12.1989 II B 70/89, BFH/NV 1990, 643. 1204 Vgl. nur J. P. Meincke, ErbStG (FN 176), § 10 Rz. 32; Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG (FN 811), § 10 Rz. 140; R. Mellinghoff, Erbschaftsteuer sowie Einkommenund Körperschaftsteuer (FN 85), DStJG 22 (1999), S. 73 (105).

296

Kap. 12: Besteuerungsaufschub für Reinvermögensmehrungen

II. Investive Erbschaftsverwendung Wird das Lebensendvermögen in investiver Verwendung belassen, ist die (intergenerative) Vermögensübertragung – anders als bei konsumtiver Erbschaftsverwendung – nur einmal zu belasten. Allein das Erblassereinkommen gilt es nachzubelasten, der Erbenbereicherung ist, da in investiver Verwendung belassen, ein Besteuerungsaufschub zu gewähren. 1. Erbschaftsteuer als Lebensendvermögensbesteuerung Im vorangegangenen Abschnitt wurde angenommen, dass die Einkommensteuerpflichtigkeit der Auszahlung des Vorsorgevermögens (vgl. §§ 93 Abs. 1 Satz 5 i.V. m. 22 Nr. 5 Satz 4 EStG) mittelbar das Erblassereinkommen nachbelastet und die Erbschaftsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) der Besteuerung der Erbenbereicherung dient (Bemessungsgrundlage Nachlass abzüglich latenter Einkommensteuerlast). Diese Einordnung wurde gewählt, weil sie vor dem Hintergrund der herkömmlichen Klassifikation der Erbschaftsteuer als Bereicherungssteuer vertrauter ist (Annexsteuer zur Einkommensteuer des Erben). Zudem kommt es bei konsumtiver Nachlassverwendung nicht darauf an, ob die Einkommensteuer von der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage abzugsfähig ist oder umgekehrt verfahren wird. Beide Steuern entstehen zum gleichen Zeitpunkt und zumindest idealiter auch in gleicher Höhe (Erbschaften als achte Einkunftsart1205). Wird das (intergenerativ) übertragene Vermögen investiv verwendet, ist die umgekehrte Interpretation des Zusammenspiels von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer zweckmäßig. Erfüllt die Erbschaftsteuer die Aufgabe der Lebensendvermögensbesteuerung und die Einkommensteuer die der Nachbelastung der Erbenbereicherung (Erbschaftsteuerpflicht des gesamten und Einkommensteuerpflicht des konsumtiv verwendeten Nachlasses), wird zum einen der regelmäßig sukzessiven – insoweit der Einkünfteerzielung vergleichbaren – Ersparnisauflösung Rechnung getragen. Die Erbschaftsteuer hingegen ist auf aperiodische Belastungen angelegt. Da die Lebensendvermögensbesteuerung mit einer Zusammenballung von Einkünften verbunden ist1206, wirkt ein niedrigerer Erbschaftsteuertarif als interperiodischer Progressionsausgleich. Zum anderen schuldet der Rechtsnachfolger zumindest Einkommensteuer auf die Belastungsvorteile, die Folge familien- und wirtschaftspolitisch oder sonstwie begründeter Abweichungen1207 des ErbStG von seinem reinvermögenszugangstheoretischen Ideal sind. Eine geringere 1205 Vgl. zum reinvermögenzugangstheoretischen Erbschaftsteuerideal oben Kapitel 1 Abschn. A.II.2.b), S. 39 ff. 1206 Vgl. dazu oben Kapitel 1 Abschn. A.II.2.b), S. 39 ff. 1207 Vgl. dazu FN 180 u. FN 180.

C. Lebensendvermögensbesteuerung

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Erbschaftsteuerlast erhöht den Nach-Steuer-Nachlass, der mit seiner Überführung in die Konsumsphäre der Einkommensteuer unterliegt (Ersparnisauflösung). 2. Steuerentstrickung der Lebensendvermögensbelastung Allerdings ist geerbtes Zukunftsvorsorgekapital insoweit von der Einkommensteuer zu befreien, als der Nachlass benötigt wird, um die auf das Zukunftsvorsorgevermögen entfallende Erbschaftsteuer zu begleichen (Steuerentstrickung). Diesbezüglich fehlt es an einer Bereicherung des Erben, der die latente Steuerlast des Erblassereinkommens zu tragen hat. Die Steuerentstrickung bedarf einer Gesetzesänderung. So verbleibt Alters- bzw. Zukunftsvorsorgevermögen nach seinem Übergang auf den Rechtsnachfolger in dem Alters- bzw. Zukunftsvorsorgevertrag, den der Erblasser abgeschlossen hat. Auszahlungen hieraus unterliegen gem. § 22 Nr. 5 EStG1208 auch dann der Einkommensteuer, wenn sie zur Tilgung von Erbschaftsteuerschulden verwendet werden, die auf das (Alters- bzw.) Zukunftsvorsorgevermögen entfallen (nachholende Besteuerung des Erblassereinkommens). Diese Belastung würde durch folgende Ergänzung des § 3 EStG vermieden: „Steuerfrei sind [. . .] – Leistungen aus Alters- bzw. Zukunftsvorsorgeverträgen in Höhe der Erbschaftsteuer, die auf das Alters- bzw. Zukunftsvorsorgevermögen entfällt.“ Die Belastungswirkungen seien am Beispiel von Altersvorsorgevermögen i. S. d. § 10a EStG illustriert, das in Bankguthaben mit Zinsansammlung oder Investmentfonds-Anteile angelegt wurde (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 lit. a u. c AltZertG). Soweit es nicht in die Riester-Rente geflossen ist (z. B. früher Tod des Altersvorsorge-Sparers), geht es auf den Rechtsnachfolger über. Lässt sich der Erbe das Altersvorsorgevermögen nicht unmittelbar auszahlen oder ist Rechtsnachfolger des Altersvorsorge-Sparers sein zusammenveranlagter Ehegatte, finden die Vorschriften des § 93 Abs. 1 Satz 5 EStG und § 22 Nr. 5 Satz 4 EStG keine Anwendung (keine Nachbelastung des Altersvorsorgevermögens [Altersvorsorgebeiträge sowie Vorsorgekapitalerträge]).1209 Die Bereicherung des Rechtsnachfolgers durch das ererbte Alters1208 Für Zukunftsvorsorgeverträge gilt dies nur nach der oben in Abschn. B.II. auf S. 292 vorgeschlagenen Reform des § 22 Nr. 5 EStG [Ergänzung des Nachversteuerungstatbestandes um „Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen im Sinne des § 10a Abs. 6 EStG“-E]. 1209 In Bezug auf Altersvorsorgevermögen, das ein Rechtsnachfolger „stehen lässt“, der nicht zusammenveranlagter Ehegatte des Erblasser ist, ist dieses Auslegungsergebnis – keine Anwendbarkeit der §§ 93 Abs. 1 Satz 5; 22 Nr. 1 Satz 4 EStG – allerdings nicht zwingend. Zwar spricht der Gesetzeswortlaut von „Auszahlung“, und eine solche kann nur schwerlich angenommen werden, wenn der Rechtsnachfolger das ererbte Altersvorsorgevermögen in dem Altersvorsorgevertrag des Erblassers belässt, der ja nun sein eigener geworden ist. Bei systematischer Auslegung kann allerdings auch dann eine Auszahlung im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 5

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Kap. 12: Besteuerungsaufschub für Reinvermögensmehrungen

vorsorgevermögen unterliegt allein der Erbschaftsteuer, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (Lebensendvermögensbesteuerung).1210 Die Einkommensteuer, die in künftigen Veranlagungszeiträumen gemäß § 22 Nr. 5 EStG mit der Auszahlung des Altersvorsorgevermögens entsteht, belastet die Bereicherung des Erben nach, die er durch den Nachlass erfahren hat (Ersparnisauflösung1211). Soweit der Rechtsnachfolger das Altersvorsorgevermögen zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld benötigt hat, war er allerdings nicht bereichert. Trägt ein Steuerpflichtiger z. B. 350.000 Euro Erbschaftsteuer1212, weil er ein Altersvorsorgevermögen von 1.000.000 Euro erbt, schuldet er bei einer einkommensteuerlichen Grenzbelastung von ebenfalls 35% zusätzlich 350.000 Euro Einkommensteuer, wenn das geerbte Altersvorsorgevermögen ausgezahlt wird, § 22 Nr. 5 EStG. Insgesamt ist die Vermögensübertragung mit 70% belastet. In Höhe von 122.500 DM (35% von 350.000 DM) hat der Erbe einen Ressourcentransfer an das Gemeinwesen zu leisten, obgleich er nicht bereichert war. Aufgrund der Erbschaftsteuerschuld hätten nur 650.000 Euro der Einkommensteuer unterworfen werden dürfen (1.000.000 Euro Altersvorsorgevermögen abzüglich 350.000 Euro Erbschaftsteuer). Die erbschaft- und einkommensteuerliche Doppelbelastung wird vermieden, wenn das ererbte und ausgezahlte Altersvorsorgevermögen von der Einkommensteuer befreit wird, soweit Erbschaftsteuer geschuldet wird. Der Erbe aus dem vorigen Beispiel könnte sich 350.000 Euro auszahlen lassen, um die Erbschaftsteuerschuld zu begleichen, ohne einkommensteuerlich belastet zu werden. Nun wird die tatsächliche Bereicherung des Rechtsnachfolgers in dem Vermögen abgebildet, das im Altersvorsorgevertrag verblieben ist (650.000 Euro). Zudem wird der Reinvermögensmehrung, die im Altersvorsorgevertrag und damit in investiver Verwendung verbleibt, ein Besteuerungsaufschub gewährt. Ihre Nachbelastung erfolgt einkommensteuerlich im Zeitpunkt der Ersparnisauflösung (Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen, § 22 Nr. 5 EStG), oder – sollte auch der Rechtsnachfolger das ererbte Altersvorsorgevermögen keiner konsumtiven Verwendung zuführen – erbschaftsteuerlich bei seinen Erben, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

EStG angenommen werden. So ist auch die Übertragung von Altersvorsorgevermögen auf den Altersvorsorgevertrag des zusammenveranlagten Ehegatten nicht zwingend mit einer Auszahlung im Wortsinne verbunden, und dennoch erklärt § 93 Abs. 1 Satz 6 EStG die §§ 93 Abs. 1 Satz 5; 22 Nr. 5 Satz 4 EStG für diesen Fall als nicht anwendbar. 1210 Vgl. dazu auch oben Kapitel 6 Abschn. D.III.2., S. 206 ff. 1211 Die ersatzlose Kündigung des Altersvorsorgevertrages kann hier vereinfachend einer konsumtiven Verwendung des Altersvorsorgevermögens gleichgesetzt werden, da z. B. die Übertragung des Altersvorsorgevermögens auf einen anderen Altersvorsorgevertrag (Reinvestition) nicht als einkommensteuerpflichtige Auszahlung gilt, § 10 Abs. 1 Nr. 10 lit. b AltZertG. 1212 Die Grenzbelastung von 35% entspricht dem mittleren Erbschaftsteuersatz in der Steuerklasse III, §§ 19 Abs. 1 i.V. m. 15 Abs. 1 ErbStG.

D. Wegzug

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D. Wegzug Wie in Kapitel 9 Abschn. D.I. auf den Seiten 237 ff. dargelegt, verlangt die Einmalbelastung von Reinvermögensmehrungen eine Wegzugsbesteuerung der Ersparnisse aus unversteuertem Einkommen nur insoweit, als der grenzüberschreitende Wohnsitzwechsel mit einer Steuerentstrickung im Wegzugsstaat einhergeht, ohne mit einer Steuerverstrickung im Zuzugsstaat verbunden zu sein. Unterliegt die Ersparnisauflösung der beschränkten Einkommensteuerpflicht (Aufnahme des § 22 Nr. 5 EStG in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG) und wurde DBA-rechtlich eine Rückfallklausel vereinbart, besteht kein Anlass für eine Nachbelastung des Alters- oder Zukunftsvorsorgevermögens, die an den Umzug anknüpft. I. Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Inland 1. Beschränkte Einkommensteuerpflicht Die Ersparnisauflösung bleibt im Wegzugsstaat trotz Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht steuerverstrickt, soweit die hiermit einhergehenden Einkünfte der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen, §§ 1 Abs. 4 i.V. m. 49 EStG. Dies ist z. B. bei der Beamtenversorgung (Vermögensumschichtung durch Versorgungsleistungen) sowie den nachgelagert besteuerten Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung der Fall. So erfasst § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch dann, wenn Leistungen aus öffentlichen Kassen für ein früheres Dienstverhältnis gewährt werden oder die Dienste im Inland verrichtet wurden.1213

Bei sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 5 EStG erfordert die Aufrechterhaltung der Steuerverstrickung im Inland die Aufnahme dieser Vorschrift in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG (Inlandsradizierung der Einkünfte aus Alters- bzw. Zukunftsvorsorgeverträgen). Anderenfalls entstehen sog. weiße Einkünfte, sobald der Alters- bzw. Zukunftsvorsorge-Sparer seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in ein Land verlegt, dessen Einkommensteuergesetz keine Vorschrift kennt, die § 22 Nr. 5 EStG entspricht (Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung weder im Wegzugsnoch im Zuzugsstaat1214). 1213

Vgl. auch H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (FN 101), Rz. 5.231 u.

5.234. 1214 Hieran ändert insbesondere die Rückforderung der steuerlichen Förderung von Altersvorsorgebeiträgen gem. §§ 95 Abs. 1 u. 2 i.V. m. 93 Abs. 1 EStG nichts. Zwar kann die Rückzahlungsverpflichtung als Einkommensbesteuerung gewertet werden, da sie jedenfalls bei konstanten Grenzsteuersätzen einen ebenso hohen Res-

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Kap. 12: Besteuerungsaufschub für Reinvermögensmehrungen

2. DBA-rechtlicher Besteuerungsverzicht – Rückfallklauseln DBA-rechtlich wird für Alterseinkünfte (Vermögensumschichtung, Ersparnisauflösung1215) in Anlehnung an Art. 18 OECD-MA regelmäßig die ausschließliche Besteuerungsbefugnis des Ansässigkeitsstaates vereinbart.1216 Der Wegzugsstaat verzichtet gemeinhin auch auf ein Quellenbesteuerungsrecht.1217 Soweit die Ersparnisauflösung im Zuzugsstaat steuerverstrickt ist, d.h. mit Einkünften einhergeht, die im neuen Ansässigkeitsstaat steuerbar und steuerpflichtig sind, ist ein DBA-rechtlicher Besteuerungsverzicht des Wegzugsstaats steuersystematisch unbedenklich. Einkommen wird nach wie vor einmal belastet; für eine gerechte Lastenzuteilung unerheblich ist, ob die Reinvermögensmehrungen im alten oder im neuen Ansässigkeitsstaat besteuert werden.1218 Erforderlich ist allerdings die Vereinbarung von Rückfallklauseln.1219 Anderenfalls entstehen weiße Einkünfte, falls der Zuzugsstaat von der Besteuerungsbefugnis keinen Gebrauch macht, die ihm DBArechtlich zugewiesen ist. DBA-rechtliche Rückfallklauseln sorgen dafür, dass die Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat nur steuerentstrickt wird, soweit eine Steuerverstrickung im Zuzugsstaat eintritt. Die Vereinbarung von Rückfallklauseln empfiehlt auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften1220, indem sie in Bezug auf betriebliche Altersvorsorgemaßnahmen (cross-border-pensions) auf das niederländisch-portugiesische DBA verweist. Dort ist eine Ausnahme von dem Besteuerungsverzicht des Wegzugsstaates (Aufleben der Besteuerungsbefugnis) für den Fall vorgesehen, dass die Versorgungsleistungen, die auf Versorgungsanwartschaften aus unversteuertem Einkommen beruhen, im Zuzugsstaat nicht mit dem Tarif für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit belastet werden oder weniger als 90% des Bruttobetrags der Rente den üblichen Besteuerungsregeln unterliegen.1221 sourcentransfer an das Gemeinwesen bewirkt, vgl. dazu oben Kapitel 6 Abschn. D.III.1.b), S. 203 ff. Sie korrespondiert jedoch lediglich mit den geleisteten Altersvorsorgebeiträgen, die Vorsorgekapitalerträge bleiben unbelastet. Für eine deutsche Besteuerung fehlt der erforderliche Inlandsbezug (keine Aufnahme des § 22 Nr. 5 EStG in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG. 1215 Vgl. z. B. für die Beamtenversorgung oben Kapitel 5 Abschn. B.I.2, S. 161 ff. [mit Nachw. der BVerfG-Rechtspr.]. 1216 Vgl. H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (FN 101), Rz. 16.463. 1217 Deutsche DBA’s weichen von diesem Grundsatz allerdings teilweise ab, indem sie Deutschland ein Quellensteuerrecht zuweisen, vgl. K. Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, 3. Aufl. 1996, Art. 18 Rz. 29, 35. 1218 Vgl. dazu oben Kapitel 9 Abschn. D.III., S. 263 ff. 1219 Vgl. dazu H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht (FN 101), Rz. 12.9. 1220 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Beseitigung steuerlicher Hemmnisse (FN 894), S. 22. 1221 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (FN 1220), Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse für die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung, S. 22 [FN 37].

E. Zusammenfassung

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II. Wegzugsbesteuerung Einer Wegzugsbesteuerung des Alters- bzw. Zukunftsvorsorgevermögens bedarf es nur, falls der beschränkten Steuerpflicht von Leistungen aus Alters- bzw. Zukunftsvorsorgeverträgen oder der Vereinbarung DBA-rechtlicher Rückfallklauseln unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen sollten. Solche sind nicht ersichtlich (Aufnahme des § 22 Nr. 5 EStG in § 49 Abs. 1 EStG). Besteht dennoch ausnahmsweise die Gefahr, dass Einkommen aufgrund der Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung nach einem grenzüberschreitenden Umzug endgültig unversteuert bleibt (Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung weder im Wegzugs- noch im Zuzugsstaat), ist eine Wegzugsbesteuerung gemeinschaftsrechtlich unbedenklich.1222 Die Kohärenz des inländischen Subsystems der Ersparnisbesteuerung würde die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten (Art. 39, 43, 49, 56 EG) und der allgemeinen Freizügigkeit (Art. 18 EG) rechtfertigen. Der Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen wäre ohne Wegzugsbesteuerung auch auf supranationaler Ebene nicht verwirklicht, vgl. oben Kapitel 9 Abschn. D.I.3.c), Seiten 246 ff.

E. Zusammenfassung Soll die steuerliche Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet werden, kann die Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung zunächst betragsmäßig begrenzt werden, um der fiskalischen Übergangsproblematik Rechnung zu tragen (limitiert nachgelagerte Besteuerung). Der Abzugsbetrag wäre haushaltsverträglich schrittweise anzuheben, wofür die zukünftigen Steuermehreinnahmen aus der Besteuerung von Ersparnisauflösung und Lebensendvermögen Spielräume schaffen. Der Gesetzgeber hat diesen Weg bei der Besteuerung der staatlichen sowie betrieblichen Altersvorsorge bereits beschritten. Bei der zusätzlichen privaten Altersvorsorge wurde er mit der nachgelagerten Besteuerung der Riester-Rente ebenfalls eingeschlagen (§§ 10a; 22 Nr. 5 EStG). Eine Ausweitung des Adressatenkreises von § 10a EStG sowie schrittweise Erhöhung der (sonderausgaben-) abzugsfähigen Altersvorsorgebeiträge wären eine systemkonsequente Fortsetzung. Altersvorsorgeverträge können genutzt werden, um jegliche Zukunftsvorsorge nachgelagert zu besteuern. Die vom Gesetzgeber als Sanktionsvor1222 Dies gilt jedenfalls, wenn die Wegzugsbesteuerung gestundet würde (Verhältnismäßigkeitsgebot), vgl. dazu oben Kapitel 9 Abschn. D.I.3.d)(2), S. 254 ff. In Anlehnung an § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG wäre typisierend eine sukzessive Ersparnisauflösung anzunehmen und ratierliche Tilgung der gestundeten Steuer vorzusehen.

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Kap. 12: Besteuerungsaufschub für Reinvermögensmehrungen

schriften intendierten §§ 93 Abs. 1 i.V. m. 22 Nr. 5 Satz 4 EStG schöpfen den Belastungsvorteil aus dem Besteuerungsaufschub nicht ab, wenn das Altersvorsorgevermögen anderweitig als für eine dauerhafte Erhöhung des Lebensstandards im Alter verwendet wird. Dennoch sollten eigenständige Zukunftsvorsorgeverträge zugelassen werden, um den Ausnahmefall der Riester-Rente (vorzeitige Auszahlung) nicht zum Regelfall werden zu lassen. Ihre Anbieter hätten der Besteuerungsaufsicht zu unterliegen, um die Nachbelastung der Ersparnisauflösung sowie des Lebensendvermögens zu erleichtern (Auskunftspflichten, etwaige Quellenbesteuerung). Als eigenständiger Abzugstatbestand für die private Zukunftsvorsorge kommt ein § 10a Abs. 6 EStG-E in Betracht, der auf § 10a Abs. 1 EStG verweist. Der Nachversteuerungstatbestand des § 22 Nr. 5 EStG wäre entsprechend zu ergänzen („Leistungen aus [Alters- und] Zukunftsvorsorgeverträgen“). Wird das limitiert nachgelagert besteuerte Alters- bzw. Zukunftsvorsorgevermögen vererbt, gewährleistet das Zusammenspiel von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer die Nachversteuerung sowohl des Lebensendvermögens als auch der Erbenbereicherung. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG belastet das Erblassereinkommen nach (aperiodische Besteuerung). § 22 Nr. 5 EStG gewährt dem Zukunftsvorsorgevermögen einen Besteuerungsaufschub, soweit der Rechtsnachfolger es in investiver Verwendung belässt. Allerdings ist das Alters- bzw. Zukunftsvorsorgevermögen von der Einkommensteuer zu befreien, soweit es zur Begleichung der hierauf entfallenden Erbschaftsteuer benötigt wird (keine Bereicherung des Erben). Wird § 22 Nr. 5 EStG in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG aufgenommen, bleibt die Ersparnisauflösung auch nach einem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel im Wegzugsstaat steuerverhaftet (Inlandsradizierung). Ein DBA-rechtlicher Besteuerungsverzicht ist unbedenklich, soweit Leistungen aus Alters- bzw. Zukunftsvorsorgeverträgen im Zuzugsstaat der Einkommensteuer unterliegen oder eine Rückfallklausel vereinbart wurde (keine Steuerentstrickung im Wegzugsstaat ohne Steuerverstrickung im Zuzugsstaat). Anderenfalls hätte eine – dann auch gemeinschaftsrechtskonforme – Wegzugsbesteuerung den Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen zu verwirklichen (Kohärenz der Ersparnisbesteuerung).

Sechster Teil

Partiell nachgelagerte Besteuerung Bei partiell nachgelagerter Besteuerung unterliegen investierte Reinvermögensmehrungen keinem Nullsteuersatz, sondern lediglich einem niedrigeren Tarif als konsumiertes Einkommen. Die Nachversteuerung von Ersparnisauflösung und Lebensendvermögen berücksichtigt diese Vorbelastung (teilweiser Besteuerungsaufschub). Hierbei kann die Steuersatzdifferenz in Abhängigkeit von den gerade noch als verkraftbar erachteten Steuermindereinnahmen bestimmt werden (fiskalische Übergangsproblematik1223). Mit einer Sondertarifierung investierter Reinvermögensmehrungen (z. B. Spreizung zwischen Körperschaftsteuer und Spitzensatz der Einkommensteuer) sind allein quantitative Veränderungen der steuerlichen Lastenausteilung verbunden. So gewährt das Nebeneinander von Einkommens-, allgemeiner Verbrauchs- und Erbschaftsbesteuerung investierten Reinvermögensmehrungen bereits derzeit einen partiellen Besteuerungsaufschub, da der kumulativen Belastung mit Einkommen- und Umsatzsteuer nur konsumiertes Einkommen unterliegt. Die Erbschaftsteuer belastet das Lebensendvermögen nach und die Bereicherung des Erben vor (Doppelfunktion der Erbschaftsteuer). Von den erhebungstechnischen Möglichkeiten einer partiell nachgelagerten Besteuerung (z. B. Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns, Inhabersteuer) verdient die Option für die Körperschaftsteuer besondere Beachtung.1224 Sie hat nicht nur Eingang in den Entwurf des StSenkG gefunden (§ 4a KStG-E) und ist damit bereits Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens gewesen. Eine partiell nachgelagerte Besteuerung via Körperschaftsteuer-Option könnte zudem selbst dann weitgehend an Regelungen des geltenden Steuerrechts anknüpfen, wenn die Körperschaftsteuer-Option allen Einkommensteuersubjekten zugänglich gemacht würde. Ebenfalls eines nur geringen gesetzgeberischen Reformaufwands bedürfte die Erstreckung des Halbeinkünfteverfahrens auf jene Ersparnisbildung, die in Kapitalsammelstellen organisiert wird (partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge1225). Sie wäre zudem höchst verwaltungseffizient, da die 1223 Vgl. dazu oben Kapitel 11 Abschn. B.II.2., S. 281 ff. [Deklaration der Umschichtung von Altkapital in Neukapital als abzugsfähige Ersparnisbildung]. 1224 Vgl. dazu unten Kapitel 15 Abschn. C., S. 367 ff.

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Kap. 13: Partielle Verwirklichung des Korrespondenzprinzips

Finanzverwaltung sich bei der Nachversteuerung von Ersparnisauflösung und Lebensendvermögen der Mitwirkung der Kapitalsammelstellen bedienen könnte. Kapitel 13

Partielle Verwirklichung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips A. Systematik I. Niedrigere Belastung investierter Reinvermögensmehrungen 1. Thesaurierungsbelastung Die partiell nachgelagerte Besteuerung wendet auf Ersparnisse einen Steuersatz an, der zwar größer Null ist, die einkommensteuerliche Regelbelastung1226 jedoch unterschreitet (Thesaurierungsbelastung). Investierten Reinvermögensmehrungen wird ein teilweiser1227 Besteuerungsaufschub gewährt (Nachbelastung als Ersparnisauflösung bzw. Lebensendvermögen). Die Intensität der nachgelagerten Besteuerung hängt von dem Ausmaß der Spreizung zwischen Regelbelastung und Thesaurierungsbelastung ab: (tESt – tThes)/tESt = Intensität der nachgelagerten Besteuerung mit tESt = einkommensteuerliche Regelbelastung; tThes = Thesaurierungsbelastung So ergibt sich bei einer einkommensteuerlichen Regelbelastung von 50% und einer 25%-igen Thesaurierungsbelastung eine Intensität der nachgelagerten Besteuerung von 50%.1228 Bei einem Thesaurierungssatz von 35% beträgt sie 30%.1229 1225

Vgl. dazu unten Kapitel 16, S. 386 ff. Vgl. zur einkommensteuerlichen Regelbelastung nachfolgenden Abschn. 2., S. 305 ff. 1227 Diesen Unterschied zwischen limitiert und partiell nachgelagerter Besteuerung (vgl. zu letztgenanntem Konzept bereits C. Dorenkamp, Partiell nachgelagerte Besteuerung [FN 139], StuW 2000, 121 [128 f.] sowie J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung [FN 280], DStJG 24 [2001], S. 49 [63, 87 ff.]) verkennt M. Myßen, wenn er meint, § 10a EStG habe mit der Begrenzung des Sonderausgabenabzugs von Altersvorsorgebeiträgen auf 2.100 Euro eine „lediglich ,partiell‘ nachgelagerte Besteuerung“ eingeführt (vgl. ders., Die private Altersvorsorge nach dem Altersvermögensgesetz, NWB F. 3, S. 11645 [11671]). Denn § 10a EStG gewährt gespartem Einkommen einen vollumfänglichen Besteuerungsaufschub und ist auf 2.100 Euro (2008) limitiert, vgl. ausführlich zur sog. Riester-Rente oben Kapitel 6 Abschn. D., S. 195 ff. 1226

A. Systematik

305

Eine Regelbelastung von 42%1230 und ein Thesaurierungstarif von 25%1231 besteuern Einkommen zu 40,5%1232 nachgelagert.

Jeder Unterschied zwischen einkommensteuerlicher Regel- und Thesaurierungsbelastung belastet Reinvermögensmehrungen nachgelagert. Dadurch wird die Übergangstauglichkeit dieses Konzepts steuerlicher Lastenausteilung begründet. So vermeidet eine Erhöhung des Einkommensteuertarifs sogar jegliche Mindereinnahmen aus einer sukzessiven Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip. Insofern ist die Sondertarifierung gesparten Einkommens einer Abgeltungsteuer für Zinseinkünfte vergleichbar, die auch auf die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung Anwendung findet (partiell vorgelagerte Besteuerung1233). Um überperiodischen Gerechtigkeitsaspekten stärkeres Gewicht zu verschaffen (Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen), wäre hier der Abgeltungssatz schrittweise abzusenken.

2. Einkommensteuerliche Regelbelastung Eichstrich Grenzbelastung Als einkommensteuerliche Regelbelastung kommen Grenz- und Durchschnittsbelastung in Betracht. Da sich traditionelle Einkommensteuer und nachgelagertes Korrespondenzprinzip allein hinsichtlich investierter Reinvermögensmehrungen unterscheiden, sollte ein Eichstrich gewählt werden, der die Belastungsdivergenzen ausschließlich der investiven Einkommensverwendung zurechnet. Dies vermag allein die Grenzbelastung. Die Verän1228 (50% [Regelbelastung] – 25% [Thesaurierungsbelastung])/50% [Regelbelastung] = 50% [Intensität]. 1229 (50% [Regelbelastung] – 35% [Thesaurierungsbelastung])/50% [Regelbelastung] = 30% [Intensität]. 1230 In dieser Höhe wird Einkommen ab 2005 in der oberen Proportionalzone des Einkommensteuertarifs belastet, §§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001. 1231 Dieser körperschaftsteuerlichen Tarifbelastung unterliegen ab 2001 Kapitalgesellschaftsgewinne, § 23 Abs. 1 KStG i. d. F. des StSenkG. 1232 (42% [Regelbelastung] – 25% [Thesaurierungsbelastung])/42% [Regelbelastung] = 40,476% [Intensität]. 1233 So auch F. W. Wagner, Integration einer Abgeltungssteuer (FN 251), DB 1999, 1520 (1528); ders., Konsumorientierte Reform der Einkommens- und Gewinnbesteuerung – Stand und Perspektiven ihrer Realisierung in Österreich, ÖStZ 1998, 402 (406). Vgl. zu Forderungen nach einer Abgeltungsteuer Kronberger Kreis, Abgeltungssteuer (FN 214), S. 33 ff.; L. Schemmel, Zur Reform der Zinsenbesteuerung – Vermeidung übermäßiger Belastungen durch angemessene Pauschalierung, Sparerfreibetrag und Vermögensteuer-Verzicht, 1999, S. 45 ff. Vgl. zur abgeltenden Zinsbesteuerung in Österreich W. Gassner, Die neue Endbesteuerung: Grundkonzept und Mängel, ÖStZ 1993, 4 ff.

306

Kap. 13: Partielle Verwirklichung des Korrespondenzprinzips

derung der Durchschnittsbelastung, die aus der Investition von Einkommen folgt, wird um den konsumtiv verwendeten Einkommensanteil verwässert. Dies zeigt folgendes Beispiel: Ausgegangen sei von einem Steuerpflichtigen, der 20% seiner Einkünfte investiv verwendet. Betrugen diese 100.000 Euro und wurden sie bei traditioneller Besteuerung mit 30.000 DM belastet1234, würde sich die Steuerschuld bei einer Thesaurierungsbelastung von 20% um 4.000 Euro reduzieren.1235 Die Verringerung der Durchschnittsbelastung verringert sich um 13,3% (von 30% auf 26%). Diese Veränderung gibt nur unzureichend Auskunft über den Belastungsvorteil aus der investiven Einkünfteverwendung. Die Einkommensteuer, die auf die investierten Reinvermögensmehrungen entfällt, verringert sich nicht lediglich um 13,3%, sondern um 50%. Statt 8.000 Euro (= 40% {Spitzensatz} * 20.000 Euro) werden 4.000 Euro (= 20% {Thesaurierungssatz} * 20.000 Euro) geschuldet. Hieraus folgt eine Intensität der nachgelagerten Besteuerung von 50%. Dieser Wert ergibt sich auch, wenn auf die Grenzbelastung als einkommensteuerliche Regelbelastung abgestellt wird ([40% {ESt-Grenzbelastung} – 20% {Thesaurierungsbelastung}]/40% {ESt-Grenzbelastung} = 50% {Intensität der nachgelagerten Besteuerung}).

Eichstrich Einkommensteuerspitzensatz Bei einem direkt progressiven Einkommensteuertarif variiert die Grenzbelastung mit der Einkommenshöhe. Auch wenn nicht alle Investoren dem Spitzensatz der deutschen Einkommensteuer unterliegen, ist bei einem Belastungsvergleich auf die obere Proportionalzone des Einkommensteuertarifs abzustellen.1236 Denn § 32a Abs. 1 EStG kodifiziert zwar formal einen direkt progressiven Tarif. Tatsächlich normiert die Vorschrift aber, so Paul Kirchhof, eine „Linearbelastung mit sozialer Anfangskomponente“1237. Dies entspricht faktisch einem indirekt progressiven Tarifverlauf (konstante Grenzbelastung). Joachim Lang bezeichnet § 32a EStG als „Übergangstarif für Durchschnittsverdiener“ 1238, Roman Seer spricht inhaltsgleich von einem „hohen Proportionaltarif mit lediglich vorgelagerter Eingangszone“1239.

1234

20% ESt {Eingangssteuersatz} * 50.000 Euro + 40% ESt {Spitzensteuersatz} * (100.000 Euro – 50.000 Euro) = 10.000 Euro + 20.000 Euro = 30.000 Euro. 1235 (40% {Spitzensteuersatz [FN 1234]} – 20% {Thesaurierungssatz}) * 20.000 Euro {Ersparnis} = 4.000 Euro. 1236 A. A. [für den Belastungsvergleich von Personen- und Kapitalgesellschaften] J. Pelka, Rechtsformneutralität im Steuerrecht – Verfassungsmäßigkeit der Steuersatzsenkung für Kapitalgesellschaften, StuW 2000, 389 (395 f.). 1237 P. Kirchhof, Grundlagen der Einkommensteuer (FN 479), DStJG 24 (2001), S. 9 (24). 1238 J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (116). 1239 R. Seer, U.S.-Steuerbelastung (FN 583), FAZ v. 17.11.2001, S. 23.

A. Systematik

307

So wurde weder die beständige Absenkung des Spitzensatzes der Einkommensteuer durch ein späteres Einsetzen der oberen Proportionalzone flankiert noch der schleichenden Geldentwertung der letzten 40 Jahren Rechnung getragen (keine Streckung des progressiven Tarifverlaufs, sog. kalte Progression). In 2005 unterliegen infolgedessen selbst Durchschnittsverdiener dem 42%-igen Spitzensteuersatz, der bei einem zu versteuerndem Einkommen von 52.152 Euro einsetzt.1240 In 1958, d.h. trotz knapp 50-jähriger Geldentwertung, begann die obere Proportionalzone des Einkommensteuertarifs hingegen erst bei 110.000 DM. Zudem betrug der Spitzensatz nicht 42%, sondern 53%1241. Um die gleichen Progressionswirkungen wie 1958 zu entfalten, dürfte die obere Proportionalzone des Einkommensteuertarifs erst bei 200.000 Euro einsetzen.1242

Zwar ändert die Klassifikation der gegenwärtigen Einkommensteuerprogression als Subvention für Geringverdiener (indirekter Sozialtransfer) nichts daran, dass Steuerpflichtige, die nicht dem Spitzensatz unterliegen, in geringerem Maße von dem teilweisen Besteuerungsaufschub profitieren. Diese Belastungswirkung ist jedoch Reflex der Umverteilungsfunktion der direkten Progression, die aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitet wird.1243 Steuersystematisch ist sie deshalb ebenso wenig zu beanstanden wie die höhere Entlastung, die einkommensstarke Steuerpflichtige aus der Abzugsfähigkeit von Erwerbsaufwendungen erfahren (niedrige Thesaurierungsbelastung als Fiskalzwecknorm im Dienste einer überperiodisch gerechten Steuerlastenausteilung).1244 II. Nachbelastung der Ersparnisse 1. Ersparnisauflösung Ersparnisse aus niedrig versteuertem Einkommen sind nachzubelasten, um auch investierte Reinvermögensmehrungen einmal zu besteuern. Hierbei hat der Nachbelastungstarif die Differenz zwischen einkommensteuerlicher Regelbelastung und Thesaurierungssatz zu überschreiten. Denn er findet nur auf die ursprüngliche Reinvermögensmehrung Anwendung, die bereits um die Thesaurierungsbelastung gemindert wurde. Der Nachbelastungstarif berechnet sich als Verhältnis der Differenz zwischen Regel- und Thesaurierungsbelastung zu dem von 1 subtrahierten Thesaurierungssatz:

1240 1241 1242 1243 1244

§§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 4 EStG. Vgl. StÄndG 1958 v. 18.07.1958, BGBl. 1958 I S. 492. Vgl. zuletzt R. Seer, U.S.-Steuerbelastung (FN 583), FAZ v. 17.11.2001, S. 23. Vgl. K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 403. Vgl. dazu J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 21 Rz. 7.

308

Kap. 13: Partielle Verwirklichung des Korrespondenzprinzips tNach = (tESt – tThes)/(1 – tThes)

mit tNach = Nachbelastungstarif; tESt = einkommensteuerliche Regelbelastung; tThes = Thesaurierungsbelastung Damit ergibt sich bei einer Regelbelastung von 40% und einem Thesaurierungssatz von 25% ein Nachbelastungstarif von 20% (= [40% – 25%]/[1 – 25%]). Dass diese Belastung den Grundsatz der Einmalversteuerung von Einkommen verwirklicht, zeigt folgendes Beispiel: Von einer investierten Reinvermögensmehrung von 10.000 Euro verbleibt dem Steuerpflichtigen nach Abzug der 25-prozentigen Thesaurierungsbelastung ein Sparkapital von 7.500 Euro. Wird hierauf ein Nachbelastungstarif von 20% angewendet und von Kapitalerträgen abgesehen – diese sind bei partiell nachgelagerter Besteuerung ebenfalls mit 25% vor- und 20% nachzubelasten –, resultiert aus der Ersparnisauflösung eine Steuerschuld von 1.500 Euro (= 20% * 7.500 Euro). Die ursprüngliche Reinvermögensmehrung (10.000 Euro) wurde mit insgesamt 4.000 Euro belastet, die 40%-ige Regelbelastung in zwei Schritten hergestellt (= 2.500 Euro Vorbelastung + 1.500 Euro Nachbelastung).1245

2. Lebensendvermögen a) Konsumtive Erbschaftsverwendung Löst ein partiell nachgelagert besteuerter Steuerpflichtiger seine Ersparnisse zu Lebzeiten nicht auf, erbt der Rechtsnachfolger lediglich niedrig vorbelastetes Vermögen (gespeichertes Erblassereinkommen). Die (intergenerative) Vermögensübergang ist deshalb zweimal zu besteuern.1246 Zum einen gilt es, die Ersparnisse des Erblassers nachzubelasten (Lebensendvermögensbesteuerung), und zwar mit dem gleichen Steuersatz, der auf die Ersparnisauflösung durch den Erblasser Anwendung gefunden hätte (Nachbelastungstarif1247). Zum anderen ist die Bereicherung des Erben zu besteuern, die dieser aus der Erbschaft erfährt, und zwar bei konsumtiver Nachlassverwendung in Höhe der Regelbelastung.

1245

Bei eine einkommensteuerlichen Regelbelastung von 50% und einer Thesaurierungsbelastung von 35% verlangt der Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen einen Nachbelastungstarif von 23% ([50% – 35%]/[1 – 35%] = 23,08%). Bei einem Thesaurierungssatz von 0%, also bei vollumfänglich nachgelagerter Besteuerung, wäre die Ersparnisauflösung mit 50% nachzubelasten ([50% – 0%]/ [1 – 0%] = 50%). 1246 Vgl. dazu bereits oben Kapitel 10, S. 264 ff. (Lebensendvermögen) sowie Kapitel 12 Abschn. C., S. 294 ff. (Lebensendvermögensbesteuerung bei limitiert nachgelagerter Besteuerung). 1247 Vgl. oben vorangegangenen Abschn. 1., S. 307 f.

A. Systematik

309

Diese Steuerfolgen intergenerativer Vermögensübertragungen, die familien- oder wirtschaftspolitischen Durchbrechungen ebenso (wenig) zugänglich sind wie das geltende Erbschaftsteuerrecht (z. B. Begünstigung von Angehörigen1248, Betriebsvermögen1249), sei an einem Beispiel illustriert, das eine einkommensteuerliche Regelbelastung von 40% und einen Thesaurierungssatz von 25% unterstellt. Hat der Erblasser Reinvermögensmehrungen von 1.000.000 Euro erwirtschaftet, ohne sie konsumtiv zu verwenden, ist ihm hiervon nach der Thesaurierungsbelastung ein Sparkapital von 750.000 Euro1250 verblieben. Vererbt er diesen Betrag, ist das betreffende Lebensendvermögen beim Begünstigten mit 20%1251 nachzubelasten (mittelbare nachholende Besteuerung des Erblassereinkommens). Mit dem Erbanfall gelangt beim Rechtsnachfolger eine Steuerschuld von 150.000 Euro1252 zur Entstehung. Der Erbe ist infolgedessen um 600.000 Euro1253 bereichert. Da die Bereicherung annahmegemäß nicht in investiver Verwendung belassen wird, unterliegt sie der 40%-igen Regelbelastung. Dem Erben verbleiben 360.000 Euro1254. Über das gleiche Konsumpotential hätte der Rechtsnachfolger verfügen können, wenn er und der Erblasser nicht partiell nachgelagert, sondern traditionell besteuert worden wären. Das Lebensendvermögen hätte dann nur 600.000 Euro1255 betragen. Hiervon wären 240.000 Euro (40%) Erbschaftsteuer zu zahlen gewesen (Annexsteuer zur Einkommensteuer). Werden allerdings die zusätzlichen Kapitalerträge berücksichtigt, die zu Lebzeiten des Erblassers erwirtschaftet werden konnten, steht sich der Erbe eines partiell nachgelagert belasteten Steuerpflichtigen besser als der Rechtsnachfolger eines traditionell besteuerten Erblassers. Dem erstgenanntem Rechtsvorgänger hätte mit 750.000 Euro (statt 600.000 Euro) ein größeres Einkünfteerzielungsvermögen zur Verfügung gestanden. Die zusätzlichen Einkünfte hätten das Lebensendvermögen erhöht.

b) Investive Erbschaftsverwendung Das Lebensendvermögen ist auch dann nachzubelasten, wenn die Erbschaft in investiver Verwendung belassen wird (niedrig besteuertes Erblassereinkommen). Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung hat zudem der Erbe die Bereicherung zu versteuern, die er durch die Erbschaft erfah1248

Vgl. dazu FN 180. Vgl. dazu FN 180. 1250 (1 – 25% [Thesaurierungssatz]) * 1.000.000 Euro [Reinvermögensmehrung] = 750.000 Euro [Lebensendvermögen]. 1251 (40% [ESt-Regelbelastung] – 25% [Thesaurierungsbelastung])/(1 – 25% [Thesaurierungsbelastung]) = 20% [Nachbelastungstarif]. 1252 20% [Nachbelastungstarif, vgl. FN 1251] * 750.000 Euro [Lebensendvermögen, vgl. FN 1250] = 150.000 Euro. 1253 ([1 – 20% [Nachbelastungstarif, vgl. FN 1251]) * 750.000 Euro [FN 1250] = 600.000 Euro [Erbenbereicherung]. 1254 (1 – 40% [ESt-Regelbelastung]) * 600.000 Euro [FN 1253] = 360.000 Euro [Nach-Steuer-Konsumpotential des Erben]. 1255 (1 – 40% [ESt-Regelbelastung]) * 1.000.000 Euro [Reinvermögensmehrung] = 600.000 Euro. 1249

310

Kap. 13: Partielle Verwirklichung des Korrespondenzprinzips

ren hat.1256 Allerdings unterliegt die Erbenbereicherung bei partiell nachgelagerter Besteuerung nur dem niedrigen Thesaurierungstarif. Auch ererbten Reinvermögensmehrungen, die investiert werden, ist ein teilweiser Besteuerungsaufschub zu gewähren. Nachbelastet werden sie in zukünftigen Veranlagungszeiträumen, nämlich entweder bei konsumtiver Nachlassverwendung oder wiederum als Lebensendvermögen. Die Belastungswirkungen seien anhand des Beispiels aus dem vorigen Abschnitt illustriert. Bei investiver Nachlassverwendung schuldet der Erbe 25% Steuern (Thesaurierungsbelastung) auf die 600.000 Euro, um die ihn die Erbschaft bereichert hat (750.000 Euro Lebensendvermögen abzüglich 150.000 Euro Steuern [20%-ige Nachbelastung des Erblassereinkommens]). Im Ergebnis verbleiben 450.000 Euro1257 in steuerverstrickter1258 investiver Verwendung. Löst der Rechtsnachfolger die ererbten Ersparnisse auf, hat er weitere 90.000 Euro1259 an das Gemeinwesen zu transferieren. Er verfügt über ein Nach-Steuer-Konsumpotential von 360.000 Euro. Im Ergebnis wird die intergenerative Vermögensübertragung von 750.000 Euro zunächst also mit 300.000 Euro belastet (150.000 Euro1260 Nachbelastung zuzüglich 150.000 Euro1261 Thesaurierungsbelastung).

Die zweifache Besteuerung der reinvestierten Erbschaft scheint kompliziert, ist es aber nicht. Obgleich jeweils unterschiedliche Belastungsmotive verwirklicht werden (Nachbelastung des Erblassereinkommens, Thesaurierungsbelastung des Erbeneinkommens), entspricht die Summe der Steuerschulden der einkommensteuerlichen Regelbelastung des Lebensendvermögens bzw. Nachlasses, der auf den Rechtsnachfolger übergeht. Infolgedessen eignet sich das Erbschaftsteuerrecht1262 zur gleichzeitigen Nachbelastung des Erblassereinkommens und Vorbelastung der Erbenbereicherung. Im Ergebnis sind intergenerative Vermögensübertragungen ebenso wie bei traditioneller Besteuerung einmal zu belasten. Dass sich einkommensteuerliche Regelbelastung und Nach- bzw. Vorbelastung des Erblasser- bzw. Erbeneinkommens entsprechen, zeigen folgende Gleichungen. 1256

Vgl. Nachw. in FN 79. (1 – 25% [Thesaurierungssatz]) * 600.000 Euro [Erbenbereicherung, vgl. FN 1253] = 450.000 Euro. 1258 Vgl. zur Entstrickung der Steuerschuld aus der Nach- und Thesaurierungsbelastung oben Kapitel 12 Abschn. C.II., S. 295 ff., sowie nachfolgenden Unterabschnitt. 1259 20% [Nachbelastungstarif] * 450.000 Euro [steuerverstrickter Nachlass] = 90.000 Euro. 1260 750.000 Euro [= Lebensendvermögen] * 20% [= (40% – 25%)/(1 – 25%)] = 150.000 Euro. 1261 600.000 Euro [= Erbenbereicherung] * 25% [Thesaurierungssatz] = 150.000 Euro. 1262 Vgl. zu den derzeitigen Durchbrechungen des reinvermögenszugangstheoretischen Erbschaftsteuerideals durch das ErbStG aus familien- sowie wirtschaftspolitischen Gründen FN 180 u. FN 180. 1257

A. Systematik

311

Als Nachlass muss dem partiell nachgelagert besteuerten Rechtsnachfolger bei investiver Erbschaftsverwendung das um die Nach- und Thesaurierungsbelastung reduzierte Lebensendvermögen verbleiben: Nach-Steuer-Nachlass = (1 – tNach) * Lebensendvermögen * (1 – tThes) Durch Einsetzen des Terms, aus dem oben in Abschn. II.1. auf den Seiten 307 ff. der Nachbelastungstarifs abgeleitet wurde1263, ergibt sich: Nach-Steuer-Nachlass = (1 – tThes) * [1 – (tESt – tThes)/(1 – tThes)] * Lebensendvermögen = (1 – tThes) – (1 – tThes) * (tESt – tThes)/(1 – tThes) * Lebensendvermögen = (1 – tThes) – (tESt – tThes) * Lebensendvermögen = (1 – tESt) * Lebensendvermögen mit tNach = Nachbelastungstarif, tESt = einkommensteuerliche Regelbelastung, tThes = Thesaurierungsbelastung

Steuerentstrickung in Höhe der Steuerbelastung der intergenerativen Vermögensübertragung Entsprechend der Ausführungen oben in Kapitel 12 Abschn. C.II.2. auf den Seiten 297 ff. zur limitiert nachgelagerten Besteuerung verbleibt auch bei partiell nachgelagerter Besteuerung die reinvestierte Erbschaft regelmäßig partiell (einkommen)steuerverstrickt. Diese Steuerverstrickung ist insoweit zu lösen, als der Rechtsnachfolger den Nachlass für die Steuerschulden aus der Nachbelastung des Erblassereinkommens benötigt. Gleiches gilt in Bezug auf die Thesaurierungsbelastung der Erbenbereicherung. Ohne Steuerentstrickung würde der Erbe belastet, ohne bereichert zu sein. Dies zeigt folgendes Beispiel: Wird Zukunftsvorsorgevermögen von 750.000 Euro vererbt, das einer Thesaurierungsbelastung von 25% unterlegen hat (ursprüngliche Reinvermögensmehrung von 1.000.000 Euro), ist das Lebensendvermögen bei einer einkommensteuerlichen Regelbelastung von 40% mit 20%1264 nachzubelasten (150.000 Euro). Zusätzlich ist die 25%-ige Thesaurierungsbelastung herzustellen, d.h. auf die (intergenerative) Vermögensübertragung werden weitere 150.000 Euro1265 Steuern geschuldet (600.000 Euro Erbenbereicherung). Insgesamt entstehen Steuern von 300.000 Euro oder 40% des Nachlasses (einkommensteuerliche Regelbelastung). Könnte die Abgabenlast von 300.000 Euro nicht steuerunschädlich, d.h. nachbelastungsfrei, aus dem Zukunftsvorsorgevermögen entnommen werden, würde dieser Betrag trotz fehlender Erbenbereicherung dem 20%-igen Nachbelastungstarif unterliegen. Dieser darf deshalb nur auf die Erbschaft Anwendung finden, die nach der 1263 1264 1265

tNach = (tESt – tThes)/(1 – tThes). Vgl. dazu oben Abschn. II.1., S. 307 ff. 25% * 600.000 Euro [Erbenbereicherung, vgl. FN 1253] = 150.000 Euro.

312

Kap. 13: Partielle Verwirklichung des Korrespondenzprinzips

Nachbelastung des Erblassereinkommens und der Thesaurierungsbelastung verbleibt.1266

III. Wegzug Hinsichtlich grenzüberschreitender Wohnsitzwechsel partiell nachgelagert besteuerter Sparer gelten die Ausführungen zur limitiert nachgelagerten Besteuerung entsprechend.1267 Die Verwirklichung des Grundsatzes der Einmalbelastung von Einkommen bedarf einer Wegzugsbesteuerung nur für den Fall, dass der grenzüberschreitende Wohnsitzwechsel mit einer Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat einhergeht (keine beschränkte Einkommensteuerpflicht oder DBA-rechtlicher Besteuerungsverzicht), ohne mit einer Steuerverstrickung im Zuzugsstaat verbunden zu sein (weder Erfassung im Ausland noch DBA-rechtliche Rückfallklausel). Sollten die Nachversteuerungstatbestände einer partiell nachgelagerten Besteuerung (z. B. § 22 Nr. 5 EStG) nicht in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG aufgenommen oder DBA-rechtliche Rückfallklauseln nicht durchgesetzt werden können, wäre eine Wegzugsbesteuerung auch bei einem Umzug in einen EU-Mitgliedstaat gemeinschaftsrechtskonform. Da der Grundsatz der Einmalbesteuerung von Einkommen anderenfalls auch auf DBA-Ebene nicht verwirklicht wäre, würde die Kohärenz der inländischen Ersparnisbesteuerung die Beschränkung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten (Art. 39, 43, 49, 56 EG) bzw. der allgemeinen Freizügigkeit (Art. 18 EG) rechtfertigen, vgl. ausführlich oben Kapitel 9 Abschn. D.I.3.c), Seiten 246 ff. IV. Erhöhung der einkommensteuerlichen Regelbelastung? Wolfgang Schön1268 macht gegen eine Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip geltend, dass der Gesetzgeber nicht darauf festgelegt werden könne, den einmal eingeschla1266 Zwar könnte alternativ ein Steuersatz in Höhe der Differenz zwischen der einkommensteuerlichen Regelbelastung und dem Thesaurierungsbelastung – d.h. ohne deren Division durch den von 1 abgezogenen Thesaurierungssatz – auf die intergenerative Vermögensübertragung angewendet werden ([40% – 25%] * 600.000 Euro = 15% * 600.000 Euro = 90.000 Euro = 20% * 450.000 Euro = [40% – 25%]/[1 – 25%] * [600.000 Euro – 25% * 600.000 Euro]). Dann müsste auf die Auflösung von Ersparnissen aus ererbten Reinvermögensmehrungen aber ein anderer Steuersatz angewendet werden als auf konsumtiv verwendetes erwirtschaftetes Einkommen. Dies würde die Praktikabilität der partiell nachgelagerten Besteuerung beeinträchtigen. 1267 Vgl. oben Kapitel 12 Abschn. D., S. 297 ff. sowie ausführlich Kapitel 9 Abschn. D.I., S. 237 ff. 1268 Vgl. W. Schön, Steuervereinfachung (FN 1071), StuW 2002, 23 (35).

B. Rechtfertigung einer nur partiell nachgelagerten Besteuerung

313

genen Weg konsequent fortzusetzen, z. B. die partiell nachgelagerte Besteuerung sukzessive zu intensivieren. Es bestehe die Gefahr, dass die einkommensteuerliche Regelbelastung angehoben werde. Dadurch würden auch die latenten Steuern erhöht, die auf der Ersparnisauflösung sowie dem Lebensendvermögen lasteten. Auch wenn der Gesetzgeber frei ist, das Niveau der einkommensteuerlichen Regelbelastung neu zu bestimmen, droht die Gefahr einer Erhöhung der latenten Steuerlasten in der Besteuerungswirklichkeit nicht. Denn selbst wenn der Nachbelastungstarif ebenfalls angehoben würde, könnten die Steuerpflichtigen ihre Ersparnisse auflösen, sobald die Tariferhöhung angekündigt wird oder sich abzeichnet. Die Ersparnisse unterlägen dann dem Gesamtsteuersatz, der in der Investitionsperiode gegolten hat (einkommensteuerliche Regelbelastung). Die Belastungsvorteile des partiellen Besteuerungsaufschubs würden nicht abgeschöpft. Denn während des Thesaurierungszeitraums, d.h. bis zur Kehrtwende des Gesetzgebers bzw. der Erhöhung des Regel- und Nachbelastungstarifs, stand den Investoren ein größeres Einkünfteerzielungspotenzial zur Verfügung (zusätzliche Kapitaleinkünfte). Eine (echt) rückwirkende Erhöhung des Nachbelastungstarifs aber, die den Belastungsvorteil theoretisch zunichte machen könnte, würde das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verletzen (Rechtssicherheitsprinzip1269, Dispositionsschutz1270).

B. Rechtfertigung einer nur partiell nachgelagerten Besteuerung I. Übergangsregelung zur vollumfänglichen Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip Eine Besteuerung investierter Einkünfte mit einem Tarif, der größer Null ist, die einkommensteuerliche Regelbelastung jedoch unterschreitet, ist zum einen als fiskalisch motivierte Einschränkung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips gerechtfertigt. Seine nicht vollumfängliche Verwirklichung beruht auf einem Kompromiss1271 zwischen Haushaltszwängen (fiskalische Übergangsproblematik1272) und einer Konzeption steuerlicher LastenausVgl. dazu J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 4 Rz. 170 ff. Vgl. BVerfG v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67; dazu J. Hey, Die rückwirkende Abschaffung der Sonderabschreibungen auf Schiffsbeteiligungen wider steuerliche Planungssicherheit, BB 1998, 1444 ff. Vgl. auch BVerfG v. 05.02.2002 – 2 BvR 305 u. 348/93, www.bverfg.de sowie J. Lang, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit rückwirkender Steuergesetze, Wpg 1998, 163 (168 ff.). 1269 1270

314

Kap. 13: Partielle Verwirklichung des Korrespondenzprinzips

teilung, die sich an überperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen orientiert1273 (Lebenseinkommensbesteuerung). So ist der Gesetzgeber z. B.1274 nach Dieter Birk berechtigt, „Reformen schrittweise zu verwirklichen. Er kann also durchaus aus Gründen mangelnder Finanzierbarkeit die Systemumstellung zunächst auf den Regelungsbereich der betrieblichen Altersversorgung beschränken, also eine umfassende Reform der Besteuerung der Alterseinkünfte bereichsbezogen und stufenweise verwirklichen“1275.

Auch Wolfgang Förster meint: „Da eine vollständige Durchführung eines Übergangs auf die nachgelagerte Besteuerung erhebliche fiskalische Auswirkungen hat [. . .], ist es dem Gesetzgeber gestattet, Reformen auch schrittweise zu verwirklichen.“1276

Der Kompromiss wäre schrittweise zugunsten einer vollumfänglichen Verwirklichung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips aufzulösen, indem die Thesaurierungsbelastung sukzessive abgesenkt und der Nachbelastungstarif korrespondierend erhöht wird. Die hierfür erforderlichen Haushaltsspielräume werden nicht zuletzt durch die Steuermehreinnahmen geschaffen, die in zukünftigen Veranlagungszeiträumen aus der Nachbelastung der Ersparnisauflösung sowie des Lebensendvermögens folgen. II. Folgerichtige Kombination unterschiedlicher Belastungsideale Der lediglich partielle Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen lässt sich zudem als folgerichtige Kombination zweier unterschiedlicher Belastungsideale rechtfertigen. So unterscheidet Klaus Tipke Gleichheitssatz- und damit auch Steuergerechtigkeitsdogmatiker in 1271 Vgl. ebenso J. Lang, Notwendigkeit und Verwirklichung der Unternehmensteuerreform in der 14. Legislaturperiode, Harzburger Steuerprotokoll 1999, 2000, S. 33 ff., 56 ff. 1272 Vgl. dazu oben Kapitel 11 Abschn. B.II.2., S. 281 ff. 1273 Vgl. dazu auch G. Krause-Junk, Zwischen Dividendenfreistellung und klassischem System: Halbheit als Steuerprinzip, Wirtschaftsdienst 1999, 335 (337) sowie [zu alternativen Übergangslösungen] J. Mitschke, Steuer- und Transferordnung (FN 509), S. 200 ff. 1274 Ebenso A. Schrinner, Steuerliche Probleme der Altersvorsorge und Vermögensbildung (FN 1120), S. 56 [„,Hineingleiten‘ in nachgelagerte Besteuerung denkbar“]; H.-G. Horlemann, Gesetzgebung der 14. Legislaturperiode zur Besteuerung der Altersbezüge, StuW 2001, 101 (112). 1275 D. Birk, Nachgelagerte Besteuerung in der betrieblichen Altersversorgung (FN 28), StuW 1999, 321 (326). 1276 W. Förster, Perspektiven für die Besteuerung der Alterssicherung – Auswirkungen des Übergangs der nachgelagerten Besteuerung auf die betriebliche Altersversorgung, Kreditwesen 2000, 356 (358).

B. Rechtfertigung einer nur partiell nachgelagerten Besteuerung

315

„strenge“ und „gemäßigte Relativisten“.1277 Während die einen dem Gesetzgeber bei der Auswahl von (Besteuerungs-)Regeln „völlig freie“ Hand lassen, ihn lediglich zur konsequenten Umsetzung der getroffenen Regelungen verpflichten wollen, erkennen die anderen zwar einen „Bewertungs- oder Ermessenspielraum“1278 des Gesetzgebers an. Jedoch könne nicht jede beliebige Regel zugleich gerecht und ungerecht sein. Vielmehr setze eine materiale Gleichbehandlung „sachgerechte Regeln“1279 voraus; mit einer gleichmäßigen Anwendung beliebiger, d.h. nicht sachgerechter und damit ungerechter Regeln werde dem Gleichheitssatz allenfalls formal genügt.1280 Strenge Relativisten Die Kriterien der strengen Relativisten („Regelhaftigkeit, Wertungsfolgerichtigkeit, Wertlogik, Sachlogik, Systemrationalität“1281) räumen dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum ein. Sie entsprechen insoweit der Gestaltungsgleichheit1282, die das BVerfG dem Gesetzgeber aufgibt, und die lediglich verlangt, eine „einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umzusetzen“1283. Wird die partiell nachgelagerte Besteuerung hieran gemessen, ist sie gleichheitsrechtlich unbedenklich. Denn die niedrigere Besteuerung der Ersparnisbildung und die Nachbelastung der Ersparnisauflösung kombiniert die traditionelle Einkommensteuer und das nachgelagerte Korrespondenzprinzip dadurch systemkonsequent miteinander, dass die niedrige Thesaurierungsbelastung allen investierten Reinvermögensmehrungen zugänglich gemacht wird.1284 Warum 1277

K. Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, 1981, S. 37. K. Tipke, Steuergerechtigkeit (FN 1277), S. 37. Vgl. auch K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 321: „Bei der Bestimmung, welches Fundamentalprinzip sachgerecht ist, hat der Gesetzgeber Wertungsspielraum (Beurteilungsspielraum).“ 1279 K. Tipke, Steuergerechtigkeit (FN 1277), S. 37. 1280 Vgl. K. Tipke, Steuergerechtigkeit (FN 1277), S. 37. 1281 K. Tipke, Steuergerechtigkeit (FN 1277), S. 37. 1282 Vgl. dazu P. Kirchhof, Widerspruchsfreiheit (FN 479), StuW 2000, 316 (322 ff.). 1283 BVerfG v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95). Vgl. auch BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271). 1284 Missverstanden hat Wolfram Reiß (Individualbesteuerung nach dem StSenkG [FN 1071], StuW 2000, 399 [400 (FN 9)]) die partiell nachgelagerte Besteuerung, wenn er meint, dass es „auf diesem abschüssigen Weg kein Halten“ mehr gebe, sobald erst einmal damit begonnen werde, fiskalische Aspekte zur Rechtfertigung von übergangsweisen Einschränkungen einer neuen Konzeption steuerlicher Lastenausteilung zu bemühen. Denn die partiell nachgelagerte Besteuerung verwirklicht nicht willkürlich Elemente einer konsumorientierten Besteuerung, während im Übrigen 1278

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Kap. 13: Partielle Verwirklichung des Korrespondenzprinzips

sollte ein nur teilweiser Besteuerungsaufschub gegen den Gleichheitssatz verstoßen, wenn der Gesetzgeber in seiner „Belastungsentscheidung“1285 ohnehin frei ist und z. B. gespartes Einkommen auch vollumfänglich von der Besteuerung ausnehmen könnte (Konsumbesteuerung1286)? Gemäßigte Relativisten Zwar formulieren die gemäßigten Relativisten strengere Voraussetzungen an die materiale Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen. Jedoch gestehen auch sie dem Gesetzgeber einen Wertungsspielraum bei der Ausfüllung des konkretisierungsbedürftigen1287 Leistungsfähigkeitsprinzips zu. Der Steuergesetzgeber ist nach Klaus Tipke nicht verpflichtet, „die sachgerechteste Lösung zu finden. Seine Wertung muss – damit sie Rechtsqualität hat – von der Sache her vertretbar, diskutabel sein, sie darf nicht unvernünftig sein“1288.

Insbesondere soll es innerhalb des Bewertungsspielraums des Gesetzgebers liegen, entweder das konsumierbare oder das konsumierte Einkommen zu belasten.1289 Auch Stefan Homburg erachtet beide Besteuerungskonzeptionen als „vertretbar und in sich schlüssig“1290. Schon weil bedeutende Steuertheoretiker seit nunmehr 200 Jahren über diese beiden Konzeptionen steuerlicher Lastenausteilung streiten1291, dürfte keine gänzlich unvernünftig und deshalb nach den Maßstäben der gemäßigten Relativisten als gleichdas Leitbild der traditionellen Einkommensteuer verfolgt wird. So heißt es in dem Beitrag, auf den Reiß sich bezieht, dass die partiell nachgelagerte Besteuerung „nicht den Ausschluss einzelner Einkunftsarten von der nachgelagerten Besteuerung“ bezeichne, sondern die „Intensität der nachgelagerten Besteuerung: Gespartes Periodeneinkommen wird nicht vollumfänglich bis zu seiner konsumtiven Verwendung von der Besteuerung freigestellt, sondern einem Proportionalsteuersatz unterworfen, der den Einkommensteuerspitzensatz unterschreitet. Spiegelbildlich berücksichtigt die Nachversteuerung die proportionale Vorbelastung.“, vgl. C. Dorenkamp, Partiell nachgelagerte Besteuerung (FN 139), StuW 2000, 121 (128). Werden zwei Besteuerungsleitbilder dergestalt systemgerecht miteinander kombiniert, dass alle investierten Reinvermögensmehrungen von dem progressiven Einkommensteuertarif abgeschichtet und einer niedrigeren Thesaurierungsbelastung unterworfen werden, fehlt es an dem „Systembruch“, den Reiß beklagt. 1285 BVerfG v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95). 1286 Vgl. zur Gleichheitssatzkonformität der Konsumbesteuerung oben Kapitel 3 Abschn. A.II.2., S. 97 f. 1287 Vgl. nur J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (55 ff.). 1288 K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 321. 1289 Vgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 573, 588. 1290 S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 226. 1291 Vgl. Nachweise in FN 14.

C. Allokationstheoretische Aspekte

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heitssatzwidrig zu verwerfen sein. Gleiches gilt dann aber auch für eine sachgerechte Kombination von traditioneller und nachgelagerter Besteuerung. So meint z. B. Klaus Tipke, der Gesetzgeber könne die Bemessungsgrundlagen der Konsum- und Einkommensbesteuerung miteinander kombinieren, da sowohl das zum Konsum verwendete als auch das zum Konsum verfügbare Einkommen vertretbare Besteuerungsmaßstäbe seien.1292 Nach Ferdinand Kirchhof ist es sogar „systemprägende Einheit unseres Steuersystems, die Leistungsfähigkeit eines Steuerbürgers zumindest an zwei Stellen, nämlich bei der Einkommenserzielung [. . .] und bei der Einkommensverwendung [. . .] zu erfassen, um die Leistungsfähigkeit adäquat und gleich ausschöpfen zu können“1293.

Dass die partielle Verwirklichung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips vorgenannte Leistungsfähigkeitsindikatoren sachgerecht miteinander kombiniert, folgt zum einen daraus, dass die Nachversteuerung der Ersparnisauflösung die Vorbelastung der Ersparnisbildung berücksichtigt. Der Nachbelastungstarif wird in Abhängigkeit von der Thesaurierungs- und einkommensteuerlichen Regelbelastung bestimmt.1294 Zum anderen unterscheidet die partiell nachgelagerte Besteuerung weder zwischen Art und Weise der Ersparnisbildung noch grenzt sie einzelne Steuerpflichtige von der niedrigen Thesaurierungsbelastung aus. Schließlich sind ihre Belastungswirkungen nicht weder mit dem Ideal der traditionellen Einkommensteuer noch dem Leitbild der nachgelagerten Besteuerung vereinbar (teilweise Belastung gesparten Einkommens, teilweiser Besteuerungsaufschub).

C. Allokationstheoretische Aspekte Wirken Steuern verzerrend, wird die Effizienz der marktwirtschaftlichen Ressourcenallokation gemindert.1295 Bei Abwesenheit von Marktversagen1296 kommt es zu Fehlallokationen, soweit die Preisverhältnisse auf den Faktormärkten verzerrt werden.1297 Als ökonomisches Postulat der BesteueVgl. K. Tipke, StRO II1 (FN 34), S. 905. F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten, 1990, S. 25. 1294 Vgl. oben Abschn. A.II., S. 307 ff. 1295 Vgl. allg. H.-W. Sinn, Kapitaleinkommensbesteuerung (FN 274), 1985, S. 5; Elschen/Hüchtebrock, Steuerneutralität in Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre – Diskrepanzen und Konsequenzen, Finanzarchiv N.F. 42 (1983), 253 ff.; F. W. Wagner, Der gesellschaftliche Nutzen einer betriebswirtschaftlichen Steuervermeidungslehre, Finanzarchiv N.F. 44 (1985), 30 (41 ff); Krit. D. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung (FN 32), S. 200 ff. (204). 1296 Das wohl populärste Beispiel von Marktversagen sind Preise für Produktionsfaktoren, die die umweltschädigenden Auswirkungen ihres Einsatzes nicht internalisieren (externe Effekte). Eine Besteuerung kann hier durchaus Voraussetzung einer effizienten Faktorallokation sein. 1292 1293

318

Kap. 13: Partielle Verwirklichung des Korrespondenzprinzips

rung gilt deshalb ihre Entscheidungsneutralität.1298 Diesem Postulat genügt eine niedrigere Belastung investierter Reinvermögensmehrungen, die allen Steuerpflichtigen offen steht.1299 Sie ist sowohl finanzierungs- als auch investitionsneutral. Zudem verringert sie die steuerliche Verzerrung der Konsum-Spar-Entscheidung. I. Finanzierungsneutralität Die Finanzierungsneutralität der partiell nachgelagerten Besteuerung folgt daraus, dass auch reinvestierte Zinseinkünfte der niedrigen Thesaurierungsbelastung unterliegen. Da zugleich die Nachbelastung konsumtiv verwendeter Zinsen mit der Nachbelastung ausgeschütteter und nicht reinvestierter Gewinne korrespondiert, ist der Gesellschafter indifferent zwischen der Ausstattung seines Unternehmens mit Eigen- oder Fremdkapital.1300 Der partielle Besteuerungsaufschub steht zudem der Beteiligungsfinanzierung nicht entgegen, da die niedrige Thesaurierungsbelastung auch auf Eigenkapital Anwendung findet, das dem Unternehmen von außen zugeführt wird (investive Einkommensverwendung). II. Investitionsneutralität (kein lock in-Effekt) Sperren steuerliche Gründe Kapital in einem Unternehmen ein, ist der Kapitalmarkt gehindert, diesen Produktionsfaktor seiner effizientesten Verwendung zuzuführen. Der sog. lock in-Effekt beeinträchtigt seine Allokationsfunktion.1301 Eine breite Abschichtung investierter Reinvermögensmeh1297

Vgl. z. B. F. W. Wagner, Anmerkungen zum Karlsruher Entwurf (FN 373), StuW 2001, 354 (356). 1298 Vgl. R. Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, 99 (102 ff.); F. W. Wagner, Leitlinien steuerlicher Rechtskritik als Spiegel betriebswirtschaftlicher Theoriegeschichte, in Elschen/Siegel/Wagner (Hrsg.), Unternehmenstheorie und Besteuerung, FS Schneider, 1995, S. 723 (741); Wagner/Wissel, Entscheidungsneutralität der Besteuerung als Leitlinie der Reform der Einkommensteuer, WiSt 1995, 65 (66 ff.). Zur Abschwächung der Forderung nach entscheitungsneutraler Besteuerung durch die „ökonomische Theorie des Zweitbesten“ vgl. E. Wenger, Unternehmenserhaltung und optimale Einkommensbesteuerung – Teil II, ZfB 1986, 132 (137 ff). Krit. zum Postulat der Entscheidungsneutralität R. König, Ungelöste Probleme einer investitionsneutralen Besteuerung – Gemeinsame Wurzel unterschiedlicher neutraler Steuersysteme und die Berücksichtigung unsicherer Erwartungen, ZfBF 1997, 42 (62). 1299 Vgl. auch C. Seidl, Betriebsteuer und Neutralität, StuW 1989, 350 ff. 1300 Vgl. C. Seidl, Betriebsteuer (FN 1299), StuW 1989, 350 (355 f.). 1301 Vgl. zu dieser Problematik z. B. F. W. Wagner, Unternehmenssteuerreform und Corporate Governance, StuW 2000, 109 (119); E Wenger, Die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen: Systemwidrigkeiten und systematische Notwendigkei-

C. Allokationstheoretische Aspekte

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rungen hingegen wirkt investitionsneutral. Denn Gewinnausschüttung und -reinvestition lösen keine steuerlichen Folgen aus. Einkünfte werden erst nachbelastet, wenn sie in die Konsumsphäre überführt werden. Dadurch wird die Allokationsfunktion des Kapitalmarkts nicht beeinträchtigt, da es an jedweder investiven Einkommensverwendung fehlt. Die partiell nachgelagerte Besteuerung verbessert sogar die Kapitalallokation. Ein niedriger Thesaurierungssatz verringert die steuerlichen Verzerrungen von Investitionsentscheidungen, die aus bilanzsteuerlichen Aufwandsvorverlagerungen bzw. Ertragsverschiebungen in die Zukunft resultieren.1302 Zwar würde sich die Einkünfteermittlung weiterhin an buchhalterischen Größen orientieren statt an Zahlungsströmen. Eine investitionsneutrale Besteuerung setzte demnach Ertragswertab- und zuschreibungen voraus.1303 Allerdings hängt das Ausmaß der Verzerrungen infolge unzulänglicher bilanzsteuerlicher Näherungslösungen von der Grenzbelastung thesaurierter Gewinne ab. Abschreibungen, Rückstellungen etc. beeinflussen allein diese Größe. Eine Absenkung der Thesaurierungssatzes entschärft deshalb die Verzerrungen einer fehlerhaften Periodisierung von Investitionsausgaben. Zwar wirkt eine Absenkung der einkommensteuerlichen Regelbelastung in die gleiche Richtung.1304 Ihr sind jedoch fiskalisch engere Grenzen gesetzt als einer Entlastung nur der investierten Einkünfte.

III. Intertemporale Neutralität Schließlich vermindert eine niedrigere Belastung investierter Reinvermögensmehrungen die intertemporalen Verzerrungen der Besteuerung.1305 Der Steuerkeil1306, den die Besteuerung sowohl der Ersparnisbildung als auch der Ersparniserträge (traditionelle Einkommensteuer) zwischen die Vorten, StuW 2000, 177 (178 f.); Herzig/Watrin, Betriebswirtschaftliche Anforderungen an eine Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, 378 (385 f.); C. Watrin, Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung: Heilmittel oder Sündenfall?, DStZ 1999, 238 (240 f.). Zum Ausmaß des lock in-Effekts beim Halbeinkünfteverfahren vgl. J. Hundsdoerfer, Halbeinkünfteverfahren und Lock-In-Effekt, StuW 2001, 113 (114 ff.). 1302 Vgl. Sinn/Scholten, Steuerreform und Sozialprodukt (FN 6), ifo-Schnelldienst 28/99, S. 14 (17). 1303 Vgl. D. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung (FN 32), S. 218 ff. u. 226. 1304 Diese Wirkungen sind den „mittelbaren Anreizen zum Investieren“ vergleichbar, die der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen von einer Tarifsenkung erwartet, vgl. ders., Gutachten zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe Heft 43, 1990, S. 20, Tz. 52. 1305 Ausführlich zur „intertemporalen Neutralität als Desideratum staatlicher Finanzpolitik“ E. Wenger, Besteuerung und Kapitalbildung als intertemporales Optimierungsproblem, in Hax/Kern/Schröder (Hrsg.), Zeitaspekte in betriebswirtschaftlicher Forschung und Praxis, 1989, S. 279 (282 ff.). 1306 Vgl. z. B. M. Rose, Besteuerung des Sparens und der Kapitaleinkommen (FN 251), BB 1992, Beilage Nr. 5, S. 9.

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Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

steuer- und die Nachsteuerrendite treibt, verringert sich um die Intensität der nachgelagerten Besteuerung. Die Konsum-Spar-Entscheidung wird weniger stark verzerrt als bei traditioneller Besteuerung (Verbesserung der intertemporalen Faktorallokation1307). Kapitel 14

Verwirklichung in der derzeitigen steuerlichen Lastenausteilung – eine abgabenartenübergreifende Betrachtung Im dritten Teil1308 wurde untersucht, inwieweit die steuerliche Lastenausteilung in Deutschland bereits heute dem Belastungsideal des nachgelagerten Korrespondenzprinzips entspricht (Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen). Dort wurden allerdings lediglich Regelungen erörtert, die einen vollumfänglichen Besteuerungsaufschub gewähren oder hierzu belastungsäquivalent sind. Da die partielle Verwirklichung des nachgelagerten Korrespondenzprinzips ebenfalls in diese Richtung wirkt, d.h. dem Leitbild der traditionellen Einkommensteuer widerspricht, verstärken die nachfolgenden Ausführungen die Zweifel an der Umsetzbarkeit des Schanz-Haig-Simons’schen Leitbildes. Sie zeigen, dass sowohl das Nebeneinander von Einkommens- und allgemeiner Verbrauchsbesteuerung sowie Erbschaftsteuer als auch das Zusammenspiel von Einkommen- und Körperschaftsteuer (Halbeinkünfteverfahren) investierten Reinvermögensmehrungen einen teilweisen Besteuerungsaufschub gewähren.

A. Steuerartenübergreifende Betrachtung von Einkommens-, allgemeiner Verbrauchs- und Erbschaftsbesteuerung Wer mit Klaus Tipke und anderen Steuerrechtswissenschaftlern1309 die Auffassung vertritt, es gebe „für alle Steuern nur eine, allen Steuern ge1307 Ob hieraus ein Effizienzgewinn folgt oder die Wachstumswirkungen einer Entzerrung der Konsum-Spar-Entscheidung durch eine größere Verzerrung der Arbeit-Freizeit-Entscheidung (über)kompensiert wird, ist umstritten (vgl. zu diesem Streit, der nach „heutigem Wissensstand“ nicht entscheidbar sei, S. Homburg, Steuerlehre2 [FN 33], S. 187 f.: „sowohl theoretisch als auch empirisch unklar“). 1308 Kapitel 5 ff., S. 149 ff. 1309 K. Tipke (FN 1310) folgen z. B. J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 3 Rz. 3 ff.; ders., Konkretisierungen und Restriktionen des Leistungsfähigkeitsprinzips, in Drenseck/Seer (Hrsg.), FS Kruse, 2001, S. 313 (329); C. Trzaskalik, Gutachten E für den 63. Deutschen Juristentag, 2000, S. 50; R. Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV (FN 383), S. 1021

A. Einkommens-, allgemeine Verbrauchs- und Erbschaftsbesteuerung

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meinsame Steuerquelle: das gespeicherte Einkommen“1310, mag sich in der Rechtsprechung des BVerfG nicht bestätigt finden, wenn er hieraus Schlussfolgerungen für die Reichweite des allgemeinen Gleichheitssatzes zieht. So hat das BVerfG bislang, unterstützt von staatsrechtlichem Schrifttum1311, die Anwendung Art. 3 Abs. 1 GG auf den Binnenraum der in Art. 106 GG aufgezählten Steuern beschränkt.1312 Mittlerweile scheint allerdings der Zweite Senat der Auffassung zuzuneigen, bei Steuergerechtigkeitsüberlegungen sei nicht an den Grenzen der Einzelsteuergesetze Halt zu machen. So heißt es in den sog. Einheitswertbeschlüssen vom 22. Juni 1995 – eine Beschränkung auf einzelne Steuerarten ist diesem Zitat nicht zu entnehmen –, der Gleichheitssatz verlange „in seiner bereichsspezifischen Anwendung auf das gegenwärtige Steuerrecht, dass jeder Inländer je nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird“1313. In Richtung einer Gesamtbetrachtung weist auch das Schrifttum, das indirekte Steuern in die Berechnungen zum sog. Halbteilungsgrundsatz einbeziehen will1314, den Paul Kirchhof1315 aus Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG ableitet – ob die „sehr gewagte Interpretation“1316 Eingang in die BVerfG-Rechtsprechung gefunden hat, ist unklar.1317 Zwar hält Kirchhof die Frage, ob auch indirekte Steuern zu berücksichtigen seien, für „bisher nicht entschieden“1318. Nachdem das Gewicht der direkten Steuern beständig abgenommen hat, soll es nun allerdings auch nach Kirchhof die Gesamtsteuerlast sein, die „dem Grundrechtsschutz und seiner Realisierung durch die Finanz- und Verfassungsgerichtsbarkeit wesentliche Aufgaben“1319 zuweise. Bis(1040 f.); H. Fischer-Menshausen, in I. v. Münch, GG-Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 1996, Art. 106 Rz. 14 ff. 1310 K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 301. 1311 Vgl. nur G. Wacke, Das Finanzwesen der Bundesrepublik, 1950, S. 62; K. Stern, Staatsrecht der BR Deutschland (FN 293), S. 1051 f. 1312 Vgl. m. zahlr. Nachw. zu dieser BVerfG-Rechtsprechung K. Tipke, StRO I2 (FN 17), S. 298 ff. 1313 BVerfG v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/92, BVerfGE 93, 121 (138). 1314 So will z. B. R. Seer die Umsatzsteuer bei der quantitativen Begrenzung der Gesamtsteuerlast nach Maßgabe des Halbteilungsgrundsatzes berücksichtigen, soweit sie auf den Verbrauch existenznotwendiger Güter durch den Unternehmer entfällt oder diesem die Überwälzung auf den Abnehmer nicht gelingt, vgl. ders., Grenzen der Unternehmensbelastung (FN 76), DStJG 23 (2000), S. 87 (115). 1315 Vgl. nur P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat (FN 478), S. 57. 1316 K. Tipke, Über Steuergerechtigkeit, in Ziemske/Langheid/Wilms/Haverkate (Hrsg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik, FS Kriele, 1997, S. 947 (962). 1317 Vgl. dazu nur J. Lang, Wider Halbteilungsgrundsatz (FN 359), NJW 2000, 457 f. sowie BFH v. 11.08.1999 XI R 77/97, DStR 1999, 1845 (keine Anwendbarkeit des Halbteilungsgrundsatzes auf Einkommen- und Gewerbesteuer). 1318 P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat (FN 478), S. 58 [Hinweis auf BVerfGE 44, 249 (265 ff.)]. 1319 P. Kirchhof, Grundlagen der Einkommensteuer (FN 479), DStJG 24 (2001), S. 9 (11).

322

Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

lang hatte Kirchhof stets die Auffassung vertreten, jede Steuerart habe ihren eigenen Belastungsgrund.1320

Jedenfalls eine steuersystematische Untersuchung darf das Zusammenspiel der verschiedenen Abgabenarten nicht außer Betracht lassen. Nur wenn die Strukturmerkmale der Einzelsteuern sowie ihre Beziehungen zu anderen Abgaben offengelegt werden, lassen sich insoweit gehaltvolle Aussagen treffen. So führt Stefan Homburg aus: „Um nicht missverstanden zu werden, sei ergänzt, dass gegen die Doppelbelastung durch Einkommen- und Mehrwertsteuer bei unverändertem Steuerrecht keine Bedenken erhoben werden können. Ob ein Arbeitseinkommen mit 30% Einkommensteuer oder effektiv mit 20% Einkommensteuer plus 10% Mehrwertsteuer belastet wird, macht hinsichtlich der Gesamtbelastung keinen Unterschied.“1321

I. Dualismus von Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1. Niedrigere, weil ausschließlich einkommensteuerliche Belastung investierter Reinvermögensmehrungen Periodische Reinvermögensmehrungen, die unmittelbar einer konsumtiven Verwendung zugeführt werden, unterliegen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer. Für die Einkommensteuer ist dies offensichtlich, da ihre traditionelle Ausgestaltung1322 auf die Besteuerung der periodischen Reinvermögensänderung zuzüglich des Periodenkonsums angelegt ist. Dass die Umsatzsteuer (Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug) im Ergebnis den Privatkonsum belastet (Überwälzung), d.h. die Ersparnisbildung umsatzsteuerverschont bleibt, hat oben Kapitel 5 Abschn. A. auf den Seiten 151 ff. gezeigt. Aus einem Umsatzsteuersatz größer Null folgt zwangsläufig eine höhere Gesamtbelastung des konsumierten Einkommens. So wird ein Einkommensteuerpflichtiger, der zusätzliche Einkünfte in Höhe von 10.000 Euro unmittelbar konsumieren will, bei einer angenommenen einkommen1320

Vgl. nur P.Kirchhof., Einnahmen (FN 383), in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 88 Rz. 145–166. 1321 S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 143. Folgerichtig meint Homburg (ebd., S. 142) zu der These, die Einkommensteuer sei im Vergleich zur Umsatzsteuer leistungsfeindlich, da sie von produktiver Tätigkeit abhalte: „Eine solche Ansicht verkennt die grundsätzliche Gleichwertigkeit von Einkommen und Verbrauch und damit die grundsätzliche Gleichwertigkeit von Einkommens- und Verbrauchsbesteuerung. Wenn jemand wegen der Steuer nicht arbeiten möchte, liegt dies daran, dass er für eine Arbeitsstunde zuwenig Güter erhält. Ob dies auf einer scharfen Besteuerung des Arbeitseinkommens beruht oder auf hohen Verbrauchsteuern, ist nebensächlich.“ 1322 Vgl. dazu oben Kapitel 1 Abschn. A., S. 32 ff.

A. Einkommens-, allgemeine Verbrauchs- und Erbschaftsbesteuerung

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steuerlichen Grenzbelastung von 40% nicht nur mit 4.000 Euro Einkommensteuer belastet. Zusätzlich ist er Träger von 1.000 Euro Umsatzsteuer, wenn ein Umsatzsteuersatz von 20% unterstellt wird. Der Nettokonsum beträgt ebenso wie die Gesamtsteuerlast des Sofortkonsumenten 5.000 Euro. Das gleiche Steueraufkommen hätte der Steuergläubiger unter Verzicht auf die Erhebung einer Umsatzsteuer mit einem Einkommensteuersatz von 50% generieren können. Auch für den Steuerpflichtigen ist es unerheblich, auf welche Weise er den Ressourcentransfer an das Gemeinwesen leistet.1323 Anders stellt sich das Zusammenspiel von Einkommen- und Umsatzsteuer für den sparenden Steuerpflichtigen dar. Zwar hat auch er 4.000 Euro Einkommensteuer zu zahlen. Von der Umsatzsteuer bleibt er aber zunächst, nämlich bis zur Auflösung seiner Ersparnisse, verschont (keine Überwälzung). Die Gesamtsteuerlast des Investors ist folglich um 1.000 Euro geringer als die des Sofortkonsumenten.

Insbesondere unterliegen auch reinvestierte Ersparniserträge der niedrigeren Gesamtbelastung (z. B. Erwerb einer Mietwohnung zur Erwirtschaftung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie privaten Veräußerungsgeschäften, §§ 21; 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG).1324 Sie werden wiederum ausschließlich mit Einkommensteuer belastet. In Ermangelung einer konsumtiven Einkünfteverwendung entsteht keine Umsatzsteuertraglast. 2. Umsatzsteuerliche Nachbelastung der Ersparnisauflösung Die geringere Belastung sparender Steuerpflichtiger in der Investitionsperiode korrespondiert mit der höheren Steuerlast, die Investoren in dem Veranlagungszeitraum der Ersparnisauflösung zu tragen haben. Zwar schuldet der Investor ebenso wenig wie der Sofortkonsument ein zweites Mal Einkommensteuer.1325 Der Sofortkonsument der Vorperiode wird aber umsatzsteuerlich nicht belastet (keine Ersparnisauflösung). Wird von Ersparniserträgen abgesehen, hat der Sparer aus dem Beispiel des vorigen Abschnitts in dem Veranlagungszeitraum der Ersparnisauflösung 1.000 Euro Umsatzsteuer zu tragen (20% von 5.000 Euro Nettokonsum). Der investierende Steuerpflichtige und der Sofortkonsument haben damit einen gleich1326 hohen Ressourcentransfer an das Gemeinwesen geleistet, nämlich 5.000 Euro (= 4.000 Euro Einkommensteuer + 1.000 Euro Umsatzsteuer).

1323 Zu den Abweichungen der Bemessungsgrundlagen des EStG und UStG von ihren Belastungsidealen vgl. oben Kapitel 5 Abschn. A.II.2., S. 155 ff. 1324 Vgl. zu dieser Voraussetzung einer nachgelagerten Besteuerung oben Kapitel 1 Abschn. B.III.3., S. 55 ff. 1325 Bislang wurde von Kapitalerträgen abgesehen, vgl. dazu nachfolgenden Abschnitt. 1326 Da Ersparniserträge annahmegemäß nicht erwirtschaftet werden konnten (Welt mit Zinssatz von Null), entsprechen sich auch die Steuerlastbarwerte.

324

Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

3. Implizite partielle Steuerbefreiung von Kapitaleinkommen Wird die – realitätsfremde – Annahme eines Zinssatzes von Null (keine Ersparniserträge) aufgegeben, zeigt sich, dass das Nebeneinander von Einkommens- und allgemeiner Verbrauchsbesteuerung Kapitaleinkommen teilweise von der Besteuerung befreit. Da der Steuergläubiger zum Teil, nämlich mit der Erhebung einer Umsatzsteuer, zu einem späteren Zeitpunkt auf investierte Reinvermögensmehrungen zugreift als bei ausschließlicher Einkommensbesteuerung, können Kapitaleinkünfte in Höhe des Anteils der Umsatzsteuer am Gesamtsteueraufkommen faktisch steuerfrei vereinnahmt werden (zusätzliches Einkünfteerzielungspotenzial, vgl. oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., Seiten 64 ff.). Der sparende Steuerpflichtige erwirtschaftet mit den 6.000 Euro, die ihm von seinem Einkommen aus der ersten Periode (10.000 Euro) nach Abzug der 40%-igen Einkommensteuer verblieben sind, bei einer mit 10% angenommenen marktüblichen Rendite 600 Euro Kapitaleinkommen (= 10% * 6.000 Euro). Hieraus folgt ein Nettokonsum von 300 Euro, da der Steuerpflichtige insoweit 240 Euro Einkommensteuer schuldet (40%) und eine Umsatzsteuerlast von 60 Euro trägt (20% des Nettokonsums). Nach der Auflösung seiner Ersparnisse hat er folglich Netto-Konsumausgaben in Höhe von 5.300 Euro bestritten. Wäre der Sparer ausschließlich traditionell besteuert worden (Einkommensteuer von 50%), hätte er nur über ein Netto-Konsumpotential von 5.250 Euro verfügen können. Das Investitionskapital wäre auf 5.000 Euro (statt 6.000 Euro) verringert worden, da der Steuergläubiger mit der Entstehung der Reinvermögensmehrung einen Betrag in gleicher Höhe beansprucht hätte. Anschließend hätte er sich mit 250 Euro (50%) an den Kapitalerträgen von 500 Euro (= 10% * 5.000 Euro) beteiligt. Der Sparer steht sich demnach mit dem Dualismus von Einkommens- und allgemeiner Verbrauchsbesteuerung um 50 Euro besser als bei ausschließlich traditioneller Besteuerung. Dieser Betrag entspricht genau der kumulierten Einkommen- und Umsatzsteuerbelastung einer Reinvermögensmehrung von 100 Euro (50%). Diese steht wiederum zu den Kapitaleinkünften, die bei ausschließlich traditioneller Besteuerung erwirtschaftet hätten werden können (500 Euro1327), in dem Verhältnis, mit dem die Umsatzsteuereinnahmen zum Gesamtsteueraufkommen beitragen (20%). Ein Fünftel (= Umsatzsteuereinnahmen/Gesamtsteueraufkommen) des Kapitaleinkommens konnte demnach infolge des Dualismus von Einkommen- und Umsatzsteuer steuerfrei vereinnahmt werden. Zum gleichen Ergebnis gelangt, wer die Barwerte der Steuerlasten des Sofortkonsumenten und des Investors miteinander vergleicht. Zwar übersteigt der Gegenwartswert der Steuerzahlungen des Investors (5.181,82 Euro1328) den Barwert der Steuerlast des Sofortkonsumenten (5.000 Euro1329) um 181,82 Euro. Die hiermit verbun1327 10% * 5.000 Euro {= (1 – 50% ESt) * 10.000 Euro} Invesitionskapital = 500 Euro Kapitalertrag. 1328 4.000 Euro ESt + (1.000 Euro USt + 240 Euro ESt + 60 Euro USt)/(1 + 10% {Abdiskontierungsfaktor}) = 5.181,82 Euro. 1329 4.000 Euro ESt + 1.000 Euro USt = 5.000 Euro.

A. Einkommens-, allgemeine Verbrauchs- und Erbschaftsbesteuerung

325

dene Beeinträchtigung der intertemporalen Neutralität würde aber 25% höher sein, wenn das gesamte Steueraufkommen durch eine 50%-ige Einkommensteuer generiert worden wäre. Dann fiele der Barwertvergleich für den Investor mit einer Zusatzlast von 227,27 Euro1330 noch ungünstiger aus. Die Erhebung einer allgemeinen Verbrauchsteuer, die mit 20% zum Gesamtsteueraufkommen beiträgt, vermindert die Mehrbelastung des Sparers in eben diesem Maße, hier 45,46 Euro1331.

Wurde bislang ein Einkommensteuersatz von 40% und ein Umsatzsteuersatz von 20% unterstellt, d.h. ein Anteil der Einnahmen aus der Einkommensteuer am Gesamtsteueraufkommen von vier Fünfteln und ein Umsatzsteueranteil von einem Fünftel, so stellt sich die Intensität der nachgelagerten Besteuerung als eine höhere dar, wenn die Besteuerungswirklichkeit in Deutschland betrachtet wird. In 1999 vereinigten die Steuern vom Einkommen (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) 43,3% des gesamten Steueraufkommens auf sich, während die Einnnahmen aus der Umsatzsteuer 30,3% ausmachten.1332 Hieraus errechnet sich eine Intensität der nachgelagerten Besteuerung von 41%1333, d.h. vier Zehntel der marktüblichen Kapitalverzinsung befreit das Nebeneinander von Einkommens- und Verbrauchsbesteuerung von der Besteuerung1334. II. Erbschaftsteuer Die deutsche Steuerrechtsordnung kennt nicht nur eine Einkommen- und Umsatzsteuer, sondern u. a. auch eine Erbschaftsteuer. Die Einordnung dieser Abgabe erfordert eine gedankliche Aufteilung der Erbschaftsteuerschuld in zwei Bestandteile. Während der eine Teil das Lebensendvermögen nachbelastet (nachholende Besteuerung des Erblassereinkommens), stellt der andere Teil die Thesaurierungsbelastung der Reinvermögensmehrung her, die der Rechtsnachfolger durch den Nachlass erfährt.

1330 5.000 Euro ESt + 250 Euro ESt/(1+10%) = 5.227,27 Euro. Hieraus ergibt sich eine Zusatzlast des sparenden Steuerpflichtigen von 227,27 Euro, da der sofort konsumierende Steuerpflichtige lediglich 5.000 Euro Einkommensteuer gezahlt hat (keine Kapitaleinkünfte). 1331 20% [Verhältnis USt-Einnahmen/Gesamtsteueraufkommen] * 227,27 Euro [Zusatzbelastung des Investors bei ausschließlich traditioneller Besteuerung (FN 1330)] = 45,46 Euro. 1332 Vgl. Volks- und finanzwirtschaftliche Berichte des Bundesministeriums der Finanzen, Datensammlung zur Steuerpolitik, Referat IA5, 2000, S. 32 f. [www. bundesfinanzministerium.de/finwiber/auswahl.html]. 1333 30,3% [USt-Anteil]/(30,3% [USt-Anteil] + 43,3% [ESt-/KSt-Anteil]) = 41,17% [vgl. Nachweis der USt- sowie ESt- und KSt-Anteile am Gesamtsteueraufkommen FN 1332]. 1334 Vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., S. 64 ff.

326

Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

1. Lebensendvermögen (Erblassereinkommen) Eine Besteuerung des allgemeinen Verbrauchs kann die Einmalbelastung investierter, d.h. lediglich einkommensteuerlich vorbelasteter1335 Reinvermögensmehrungen nur gewährleisten, wenn der Steuerpflichtige seine Ersparnisse zu Lebzeiten einer konsumtiven Verwendung zuführt. Anderenfalls entsteht keine Umsatzsteuer, die überwälzt werden könnte. Es bliebe unberücksichtigt, dass auch Reinvermögensmehrungen, die bis zum Lebensende in investiver Verwendung belassen wurden, den Erblasser zu einem Ressourcentransfer an das Gemeinwesen befähigt haben. Um den verstorbenen Steuerpflichtigen auch insoweit an den steuerlichen Lasten zu beteiligen, als die Umsatzsteuereinnahmen zum Gesamtsteueraufkommen beitragen, ist eine Lebensendvermögensbesteuerung erforderlich. Wenn sie das gleiche Konsumpotential abschöpft wie die Umsatzsteuer, werden der Sofortkonsument, der zunächst investierende und später konsumierende Steuerpflichtige sowie der bis zum Lebensende sparsame Investor gleichermaßen belastet. Hier schließt die Erhebung einer Erbschaftsteuer das System der partiell nachgelagerten Besteuerung via Einkommens- und allgemeiner Verbrauchsbesteuerung. Der Erbschaftsteuer unterliegen ausschließlich Reinvermögensmehrungen, die zu Lebzeiten des Erblassers nicht konsumtiv verwendet wurden. Infolgedessen lässt sie sich jedenfalls zum Teil als nachholende Belastung des Erblassereinkommens auffassen1336, nämlich in Höhe der Umsatzsteuerlast, welcher der Erblasser durch die Ersparnisbildung „aus1335

Bei einer uneingeschränkten Verwirklichung des Belastungsideals der traditionellen Einkommensteuer wären höhere Einkommensteuersätze erforderlich (keine Umsatzsteuer). Erst die Kumulation von Einkommen- und Umsatzsteuer stellt die Regelbelastung von Reinvermögensmehrungen her. 1336 Zwar scheint die hier vorgenommene steuersystematische Einordnung der Erbschaftsteuerlast im Widerspruch zur derzeitigen Ausgestaltung des Erbschaftsteuerrechts zu stehen. Denn das ErbStG stellt auf die Bereicherung des Erben ab. So normiert § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG den „Erwerb von Todes wegen“ als erbschaftsteuerpflichtigen Vorgang und gestaltet damit die Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer aus. Eine nachholende Belastung des Erblassereinkommens (Lebensendvermögensbesteuerung) wäre hingegen als Nachlasssteuer ausgestaltet. Wer allerdings nach Belastungsunterschieden sucht, die aus den beiden vorgenannten möglichen Ausgestaltungen einer Erbschaftsteuer resultieren, wird jedenfalls solange nicht fündig, wie ein proportionaler Erbschaftsteuertarif und ein geringes Gewicht des Familienprinzips (vgl. FN 180) und anderer Sozialzwecknormen (z. B. Begünstigung von Betriebsvermögen, vgl. FN 180) unterstellt wird. Denn unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung verringert die Erbschaftsteuer jeweils das Konsumpotential, welches der Erbe aus den investierten Reinvermögensmehrungen des Erblassers erfährt. So will auch Monika Jachmann bei einer steuersystematischen Einordnung der Erbschaftsteuer auf ihren „sozialen Sinn“, nicht aber ihre derzeitige Ausgestaltung als Bereicherungssteuer abstellen, vgl. dies., Diskussionsbeitrag, in J. Pelka (Hrsg.),

A. Einkommens-, allgemeine Verbrauchs- und Erbschaftsbesteuerung

327

gewichen“1337 ist. Der Anteil der Erbschaftsteuer, der gedanklich der Nachbelastung des Erblassereinkommens zuzuordnen ist, bemisst sich nach dem relativen Gewicht der Einkommen- und Umsatzsteuereinnahmen. Hieraus berechnet sich die Intensität der nachgelagerten Besteuerung, die wiederum die Höhe des Nachbelastungstarifs bestimmt. Wird z. B. unterstellt, dass die direkten Steuern mit vier Fünfteln und die indirekten Steuern mit einem Fünftel zum Gesamtsteueraufkommen beitragen, resultiert aus einem Einkommensteuertarif von 40% ein Umsatzsteuersatz von 20%. Hat der Erblasser Reinvermögensmehrungen von z. B. 10.000.000 Euro erwirtschaftet und zu Lebzeiten nicht konsumtiv verwendet, vererbt er 6.000.000 Euro1338. Bei ausschließlich traditioneller Besteuerung hätte sein Lebensendvermögen nur 5.000.000 Euro betragen, da ein Einkommensteuersatz von 50% erforderlich gewesen wäre, um die Finanzbedürfnisse der öffentlichen Haushalte zu decken. Die Erschaftsteuer hat in ihrer Nachbelastungsfunktion (Lebensendvermögensbesteuerung) demnach 1.000.000 Euro abzuschöpfen. Der auf die Nachbelastungsfunktion entfallende Erbschaftsteuersatz muss 16,67%1339 betragen.

2. Erbenbereicherung Auch die Reinvermögensmehrung des Erben ist zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen heranzuziehen.1340 Allerdings gilt es, ererbtes Einkommen ebenso partiell nachgelagert zu besteuern wie erwirtschaftete Reinvermögensmehrungen. Solange die Erbschaft in investiver Verwendung verbleibt, darf sie nur in Höhe des Einkommensteuertarifs belastet werden (Thesaurierungsbelastung). Im Zeitpunkt der konsumtiven Verwendung wird der Erbe Träger von Umsatzsteuer (Nachbelastung). Nachdem jener Teil der Erbschaftsteuer, der steuersystematisch als Nachbelastung des Erblassereinkommens einzuordnen ist (Lebensendvermögensbesteuerung), den Nachlass bereits von 6.000.000 Euro (um 1.000.000 Euro) auf 5.000.000 Euro reduziert hat (Netto-Nachlass), ist dieser Betrag nun idealiter dem Einkommensteuertarif Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 165. 1337 Diese Terminologie verwendet P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat (FN 478), S. 26 „[. . .]; wer hingegen Einkommen sparen, Finanzvermögen bilden und investieren kann, weicht der indirekten Steuer aus.“ 1338 (1 – 40% ESt) * 10.000.000 Euro = 6.000.000 Euro. Von Kapitalerträgen sei hier abgesehen. 1339 16,67% ErbSt * 6.000.000 Euro = 1.000.000 Euro. Dass der Erbschaftsteuersatz (16,67%) den Umsatzsteuersatz (20%) unterschreitet, obgleich beiden die Aufgabe zukommt, die mit Einkommensteuer vorbelasteten Reinvermögensmehrungen nachzubelasten, liegt in der unterschiedlichen Besteuerungstechnik begründet: Während der Umsatzsteuersatz auf eine Nettogröße Anwendung findet (Konsumausgaben), greift der Erbschaftsteuertarif auf eine Bruttogröße zu (Nachlass). Der Belastung ist mit je 1.000.000 Euro gleich hoch. 1340 Vgl. zum Grundsatz der Individualbesteuerung Nachweise in FN 79.

328

Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

(40%) zu unterwerfen (Erbschaftsteuer als Thesaurierungsbelastung des Erbeneinkommens). Hieraus resultiert eine Erbschaftsteuerschuld von 2.000.000 Euro, dem Erben verbleibt ein Nachlass von 3.000.000 Euro. Die im Ergebnis 50% betragende Erbschaftsteuer (3.000.000 Euro) entfällt zu einem Drittel (1.000.000 Euro = 16,67% ErbSt [= 20% USt1341] * 6.000.000 Euro Lebensendvermögen) auf die nachholende Belastung des Erblassereinkommens und zu zwei Dritteln (2.000.000 Euro = 40% ErbSt [= 40% ESt] * 5.000.000 Euro Netto-Nachlass) auf die Thesaurierungsbelastung des Erbeneinkommens. Verwendet der Rechtsnachfolger den Nach-Steuer-Nachlass konsumtiv, wird er Träger von 500.000 Euro Umsatzsteuer (Nachbelastung des Erbeneinkommens). Die Erbschaft hat das Konsumpotential folglich um 2.500.000 Euro erhöht. Da von Ersparniserträgen abgesehen wurde, steht sich der Rechtsnachfolger damit genauso wie bei ausschließlich traditioneller Besteuerung (keine Umsatzsteuer). Dann hätte der Erblasser 5.000.000 Euro Einkommensteuer zahlen müssen (50% ESt * 10.000.000 Euro), und auch die Bereicherung des Erben (5.000.000 Euro) wäre in dieser Höhe zu belasten gewesen (Erbschaftsteuer als Annexsteuer zur 50%-igen Einkommensteuer). Von der ursprünglichen Reinvermögensmehrung des Erblassers wäre dem Rechtsnachfolger ein Nach-Steuer-Konsumpotential von 2.500.000 Euro verblieben. Werden Ersparniserträge berücksichtigt, kann der Rechtsnachfolger bei partiell nachgelagerter Besteuerung (Erhebung einer Umsatzsteuer) allerdings über ein größeres Nach-Steuer-Konsumpotential verfügen. Das zusätzliche Kapitaleinkommen (größeres Einkünfteerzielungspotenzial infolge niedrigerer Einkommensteuer) erhöht das Lebensendvermögen.

III. Grenzüberschreitende Sachverhalte Das Nebeneinander von Einkommens- und allgemeiner Verbrauchsbesteuerung sowie Erbschaftsteuer prägt nicht nur das deutsche Steuerrecht, sondern ist in nahezu allen OECD-Staaten anzutreffen.1342 Dies gewährleistet, dass Reinvermögensmehrungen auch dann sowohl einkommensteuerlich als auch umsatz- bzw. erbschaftsteuerlich belastet werden, wenn ihre Erwirtschaftung, konsumtive Verwendung oder Vererbung mit grenzüberschreitenden Sachverhalten einhergeht (Kongruenz der Steuerrechtsordnungen1343). Einer Wegzugsbesteuerung bedarf es nicht. 1341

Vgl. FN 1339. So sind die Bemessungsgrundlagen der Umsatzsteuer in den EU-Mitgliedstaaten sogar nahezu identisch, da sie auf der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG v. 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern beruhen (ABl. EG Nr. L 145 S. 1). Auch Australien hat kürzlich eine Verbrauchsteuer nach europäischem Vorbild eingeführt. In den USA erfüllt die sales tax die Funktion einer Besteuerung des allgemeinen Verbrauchs. 1343 Zwar werden Binnen- und grenzüberschreitende Sachverhalte nur dann exakt gleichbehandelt, wenn sich sowohl das Gesamtsteueraufkommen als auch das relative Gewicht der Einzelsteuern weltweit entsprechen (identische Intensität der partiell nachgelagerten Besteuerung). Internationale Steuersatzdifferenzen werden jedoch auch bislang nur ausnahmsweise zum Anlass genommen, die DBA-rechtlich verein1342

A. Einkommens-, allgemeine Verbrauchs- und Erbschaftsbesteuerung

329

So ist z. B. bei einem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel die Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Inland (keine Überwälzung inländischer Umsatzsteuer) regelmäßig mit einer Steuerverstrickung im Zuzugsstaat verbunden (Überwälzung ausländischer Umsatzsteuer). Sind Reinvermögensmehrungen hingegen nicht mit inländischer Einkommensteuer vorbelastet, da sie entweder im Ausland (Quellenlandprinzip) oder von Steuerausländern (Wohnsitzlandprinzip) erwirtschaftet wurden, werden sie regelmäßig der ausländischen Einkommensteuer unterlegen haben. Die Nachbelastung besorgt die inländische Umsatz- bzw. Erbschaftsteuer. Schließlich werden Einkünfte, die Steuerausländer im Inland erwirtschaften, dadurch einmal belastet, dass sie der inländischen Einkommensteuer (Vorbelastung) und der ausländischen Umsatz- bzw. Erbschaftsteuer unterliegen (Nachbelastung). IV. Zusammenfassung Das Nebeneinander von Einkommens- und allgemeiner Verbrauchsbesteuerung sowie Erbschaftsteuer belastet Einkommen partiell nachgelagert. Die Erhebung einer Umsatzsteuer, die ausschließlich den Privatkonsum belastet, gewährt investierten Reinvermögensmehrungen dadurch einen teilweisen Besteuerungsaufschub, dass die Finanzierung der öffentlichen Haushalte einen niedrigeren Einkommensteuertarif erfordert. Erst die umsatzsteuerliche Belastung der Ersparnisauflösung stellt die Regelbelastung her. Infolgedessen wird Kapitaleinkommen in Höhe des Anteils der Umsatzsteuereinnahmen am gesamten Steueraufkommen implizit von der Besteuerung befreit. Ein Erbschaftsteuertarif in Höhe der aufsummierten Einkommen- und Umsatzsteuerbelastung gewährleistet sowohl die Nachversteuerung des Erblassereinkommens, das zu Lebzeiten keiner konsumtiven Verwendung zugeführt wurde (Lebensendvermögensbesteuerung), als auch die (einkommensteuerliche) Thesaurierungsbelastung der Bereicherung, die der Rechtsnachfolger durch die Erbschaft erfährt (Doppelfunktion der Erbschaftsteuer bei partiell nachgelagerter Besteuerung). Die (umsatzsteuerliche) Nachbelastung der Erbenbereicherung erfolgt bei Ersparnisauflösung. Grenzüberbarte zwischenstaatliche Aufteilung von Steuerquellen durch nationale Sondervorschriften zu durchbrechen (z. B. Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG bei ausländischer Niedrigbesteuerung i. S. d. § 8 Abs. 3 AStG). Zumeist begnügen sich die Steuergläubiger unabhängig von dem ausländischen Besteuerungsniveau damit, dass die im Ausland erwirtschafteten Reinvermögensmehrungen der dortigen Regelbelastung unterlegen haben. So gilt z. B. für Betriebsstätteneinkünfte regelmäßig auch dann die Freistellungsmethode (Art. 7 i.V. m. 23A OECD-MA), wenn das ausländische Belastungsniveau das inländische signifikant unterschreitet.

330

Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

schreitende Sachverhalte werden ebenfalls partiell nachgelagert besteuert, da auch die ausländischen Steuerrechtsordnungen regelmäßig eine Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftsteuer kennen. Bei grenzüberschreitenden Umzügen beispielsweise geht die Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat mit ihrer (umsatz- bzw. erbschaftsteuerlichen) Verstrickung im Ausland einher.

B. Spreizung zwischen Körperschaftsteuer- und Spitzensatz der Einkommensteuer Das Zusammenspiel von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer dient der umfassenden Besteuerung von Einkommen (Ergänzungsfunktion der Körperschaftsteuer1344). Das StSenkG hat die Thesaurierungsbelastung von Einkünften, die von Körperschaftsteuersubjekten, insbesondere also inländischen Kapitalgesellschaften1345, erzielt werden, auf 25% abgesenkt. Der Einkommensteuerspitzensatz hingegen beträgt in 2001 48,5%1346 und wird auch in 2005 mit dann 42%1347 vergleichsweise hoch liegen, nämlich 17%Punkte oder 68% über dem Körperschaftsteuersatz. Diese – international übliche1348 – Steuersatzspreizung ist ein Schritt in Richtung partiell nachgelagerter Besteuerung.1349 Das Zusammenspiel von Einkommen- und Körperschaftsteuer belastet nicht nur die Ersparnisbildung, die in Kapitalgesellschaften organisiert wird, niedriger als andere Reinvermögensmehrungen. Das Halbeinkünfteverfahren gewährleistet auch die Nachversteuerung der Ersparnisauflösung, indem ausgeschüttete Kapitalgesellschaftsgewinne zur Hälfte in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden (Dividenden). Zudem unterliegt das Lebensendvermögen einer (erbschaftsteuerlichen) Nachbelastung, und auch grenzüberschreitende Sachverhalte werden sachgerecht besteuert (Kongruenz der Steuerrechtsordnungen).

1344

Vgl. z. B. C. Rasenack, Die Theorie der Körperschaftsteuer, 1974, S. 229. Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. 1346 § 32a Abs. 1 Nr. 4 EStG 2001. 1347 §§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001. 1348 Vgl. dazu oben Kapitel 8 Abschn. A., S. 225 ff. 1349 So auch T. Menck, Unternehmensbesteuerung in Europa – ein Strategiepapier der EG-Kommission, FR 2002, 269 (272). Ebenfalls zustimmend jedenfalls für den Fall, dass empirische Belege dafür existierten, dass Gewinnausschüttungen typischerweise von den Anteilseignern konsumtiv verwendet würden, F. W. Wagner, Korrektur des Einkünftedualismus durch Tarifdualismus – Zum Konstruktionsprinzip der Dual Income Taxation, StuW 2000, 431 (440), Vgl. zu einer Öffnung der niedrigen Thesaurierungsbelastung für reinvestierte Dividenden unten Kapitel 15, S. 353 ff. und Kapitel 16, S. 387 ff. 1345

B. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer

331

I. Niedrigere Belastung investierter Reinvermögensmehrungen (thesaurierte Kapitalgesellschaftsgewinne) § 23 Abs. 1 KStG belastet Reinvermögensmehrungen, die von Körperschaftsteuersubjekten erwirtschaftet werden, mit 25%. Nach Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahrens (StSenkG) wird dieser Tarif einheitlich auf thesaurierte und ausgeschüttete Gewinne angewendet und wirkt definitiv. Da Gewinne, die den körperschaftsteuerpflichtigen Sektor verlassen1350, einer zusätzlichen Belastung unterliegen (Dividendenbesteuerung1351), werden thesaurierte Reinvermögensmehrungen niedriger belastet als ausgeschüttete. Das StSenkG markiert hier das Ende einer zwölfjährigen Entwicklung, in der sich die körperschaftsteuerliche Thesaurierungsbelastung kontinuierlich vom Spitzensatz der Einkommensteuer abgekoppelt hat.1352 Während der Einkommensteuerspitzensatz von 1989 bis 2001 lediglich von 56% auf 48,5% reduziert wurde (7,5%Punkte), verringerte sich die Belastung thesaurierter Kapitalgesellschaftsgewinne um 31%-Punkte. Die Körperschaftsteuer hat sich damit innerhalb von zwölf Jahren mehr als halbiert.

Die Gewinnthesaurierung von Kapitalgesellschaften ist im körperschaftsteuerpflichtigen Sektor organisierte Ersparnisbildung. Besonders deutlich wird dies am Beispiel einer Ein-Mann-GmbH. So ist es für die Reinvermögensposition des Alleingesellschafters ungeachtet der rechtlichen Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft unerheblich, ob er die im Rahmen der GmbH erwirtschafteten Reinvermögensmehrungen „stehen“ lässt, um beispielsweise Aktien oder festverzinsliche Wertpapiere zu erwerben (Kapitalgesellschaftsvermögen), oder ob er eine Gewinnausschüttung verfügt, um die Dividenden außerhalb der GmbH investiv zu verwenden. Im Grundsatz gilt gleiches für Publikumskapitalgesellschaften. Auch ihr Vermögen ist wirtschaftlich den Anteilseignern zuzurechnen. Mit der niedrigeren Belastung investierter Reinvermögensmehrungen erfüllt die Steuersatzspreizung damit die erste Voraussetzung einer partiell nachgelagerten Besteuerung von Einkommen.

1350 Mutterkapitalgesellschaften können für die Dividenden ihrer Töchterkapitalgesellschaften das Dividendenprivileg des § 8b Abs. 1 KStG 2001 beanspruchen (Vermeidung einer Mehrfachbelastung, sog. Kaskadeneffekt). 1351 Vgl. dazu unten Abschn. II., S. 331 ff. 1352 Vgl. zur Höhe der Einkommensteuerspitzensätze BGBl. 1974 I S. 2165; 1990 I S. 1898; 1999 I S. 402 u. 2601; 2000 I S. 1433 u. 1790; zur Höhe der körperschaftsteuerlichen Thesaurierungssätze BGBl. 1976 I S.2597; 1988 I S. 1093; 1993 I S. 1569; 1999 I S. 402; 2000 I S. 1433.

199 0 199 1

198 8 198 9

198 6 198 7

199 6 199 6

199 4 199 5

199 2 199 3

KSt-Thesaurierungssatz in %

199 7 199 8

198 4 198 5

198 2 198 3

198 0 198 1

197 8 197 9

Abbildung 2: Spreizung zwischen körperschaftsteuerlichem Thesaurierungssatz und Einkommensteuerspitzensatz

ESt-Spitzensatz in %

199 9 200 0 200 1 200 2 200 3 200 4 200 5

7

197

0

10

20

30

40

50

60

332 Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

B. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer

333

II. Nachbelastung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne (Ersparnisauflösung) Der Dualismus von Einkommen- und Körperschaftsteuer besteuert Reinvermögensmehrungen nur partiell nachgelagert, wenn die Überführung der Kapitalgesellschaftsgewinne in die Konsumsphäre der Anteilseigner nachbelastet wird, und zwar unter Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung.1353 Anderenfalls bleiben die Einkünfte, die im Rechtskleid einer Kapitalgesellschaft erwirtschaftet werden, entweder teilweise unversteuert, nämlich in Höhe der Differenz zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuersatz (keine Dividendenbesteuerung), oder sie werden höher belastet als andere Einkünfte (volle Dividendenbesteuerung). 1. Vollanrechnungsverfahren Das in 2000 abgeschaffte körperschaftsteuerliche Vollanrechnungsverfahren hätte es vorzüglich vermocht, das von Kapitalgesellschaften erwirtschaftete Einkommen auf Gesellschaftsebene vor- und auf Gesellschafterebene nachzubelasten.1354 So wies die nach § 30 KStG a. F. anzufertigende Gliederungsrechnung die körperschaftsteuerliche Vorbelastung ausgeschütteter Gewinne exakt aus.1355 Eine Thesaurierungsbelastung, die den Einkommen1353 Zwar ist eine Dividendenbesteuerung bei partiell nachgelagerter Besteuerung nur zu rechtfertigen, wenn die Gewinnausschüttungen nicht reinvestiert werden (krit. zum Halbeinkünfteverfahren deshalb z. B. F. W. Wagner, Korrektur des Einkünftedualismus durch Tarifdualismus [FN 1349], StuW 2000, 431 [440]). Denn es ist nicht ersichtlich, warum reinvestierten Dividenden nicht ebenso ein Besteuerungsaufschub zu gewähren sein sollte wie Gewinnen, die in der Kapitalgesellschaft belassen werden. Sie sind unterschiedslos Grundlage künftigen Kapitaleinkommens (insoweit krit. zum Halbeinkünfteverfahren H. Pollak, Sondervotum, in Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen [FN 1436], S. 27; D. Löhr, Die Brühler Empfehlungen – Wegweiser für eine Reform der Unternehmensbesteuerung?, StuW 2000, 33 [36]). Trotz der – systemwidrigen – Nachbelastung auch reinvestierter Dividenden stellt die niedrigere Belastung thesaurierter Kapitalgesellschaftsgewinne jedoch einen Schritt in Richtung einer partiell nachgelagerten Besteuerung dar. Denn jedenfalls für den Thesaurierungszeitraum erlangen die Anteilseigner einen teilweisen Besteuerungsaufschub. Im Übrigen werden unten in Kapitel 15 Abschn. C.I.3. auf den Seiten 371 ff. (Öffnung der Körperschaftsteuer-Option für alle Einkommensteuersubjekte) sowie in Kapitel 16 auf den Seiten 386 ff. (partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge) Reformmaßnahmen vorgeschlagen, die eine einkommensteuerliche Nachbelastung reinvestierter Dividenden verhindern. 1354 So auch Maiterth/Semmler, Kritische Anmerkungen zur geplanten Substitution des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens durch das sog. Halbeinkünfteverfahren, BB 2000, 1377 (1380 f.). 1355 So war z. B. mit EK01-Dividenden keine Körperschaftsteuergutschrift verbunden, die auf die Einkommensteuerschuld des (unbeschränkt steuerpflichtigen)

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Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

steuerspitzensatz unterschreitet, hätte zudem den gespaltenen Körperschaftsteuersatz überflüssig gemacht.1356 Die auf den Dividenden lastende Körperschaftsteuer wäre gem. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. auf die Einkommensteuer auf Nettodividende1357 und Ausschüttungsbelastung anzurechnen gewesen, die nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 3 EStG a.F zur Entstehung gelangt wäre. Auf diese Weise wurden Reinvermögensmehrungen in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 partiell nachgelagert besteuert. Der Körperschaftsteuersatz, der während dieses Zeitraums auf thesaurierte Kapitalgesellschaftsgewinne Anwendung fand (40%1358), unterschritt die Belastung in der oberen Proportionalzone des Einkommensteuertarifs (53%1359) um 13%-Punkte. Hieraus resultierte eine Intensität der nachgelagerten Besteuerung von 25%1360, ein Viertel der marktüblichen Kapitalverzinsung wurde implizit von der Besteuerung befreit. 2. Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 lit. d EStG) Mit dem Halbeinkünfteverfahren entschied sich der Gesetzgeber für ein gröberes System des Ineinandergreifens von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer. Nunmehr wird eine definitive 25%-ige Körperschaftsteuer (§ 23 Abs. 1 KStG) mit einer hälftigen Einbeziehung von Dividenden in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage kombiniert (§ 3 Nr. 40 lit. d EStG). Das Ziel, die im körperschaftsteuerpflichtigen Sektor erwirtschafteten Einkünfte ebenso einmal zu belasten wie andere Reinvermögensmehrungen, wurde durch den Systemwechsel allerdings nicht aufgegeben.1361 Anteilseigners hätte angerechnet werden können: Insoweit hatten die ausschütteten Gewinne nämlich nicht der (inländischen) Körperschaftsteuer unterlegen. 1356 Vgl. zu den Vereinfachungswirkungen eines einheitlichen Körperschaftsteuersatzes W. Ritter, Konzept einer Reform der Unternehmensbesteuerung, BB 1990, 2197 (2200). Vgl. zu weiteren Vereinfachungsmöglichkeiten (z. B. Verzicht auf die Gliederungsrechnung) H.-J. Krebs, Das Guthaben-Modell – Ein Weg zur Vereinfachung des Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahrens, IFSt-Schrift Nr. 366, 1988, S. 9 ff 1357 Von der – ebenfalls anrechenbaren – Kapitalertragsteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) sei hier abgesehen, da sie für den inländischen Anteilseigner lediglich einen durchlaufenden Posten darstellt. 1358 Vgl. § 23 Abs. 1 KStG 1999 u. 2000, BGBl. 1999 I S. 402. 1359 Vgl. § 32a Abs. 1 EStG 1999 u. 2000, BGBl. 1990 I S. 1898; 1999 I S. 402. 1360 (53% [ESt-Spitzensatz] – 40% [KSt-Thesaurierungssatz])/53% [ESt-Spitzensatz] = 24,53%. 1361 Zu diesem Ergebnis gelangen z. B. auch W. Schön, Abzugsschranken des § 3c EStG (FN 165), FR 2001, 381 (387); ders., Hinzurechnungsbesteuerung (FN 794), DB 2001, 940 (944) H.-J. Pezzer, Halbeinkünfteverfahren (FN 29), StuW 2000, 144 (150).

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Dies ergibt sich aus der Begründung des Koalitionsentwurfs1362 zum StSenkG, in der es heißt: „Ausgeschüttete Gewinne werden beim Anteilseigner nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert, das zusammen mit der steuerlichen Vorbelastung durch die Körperschaftsteuer eine ertragsteuerliche Einmalbesteuerung des Gewinns sicherstellt. Diese Ertragsteuerbelastung ausgeschütteter Gewinne entspricht typisierend und generalisierend der Steuerbelastung anderer Einkünfte.“ Im Schrifttum wird das Halbeinkünfteverfahren auch als pauschales Anrechnungsverfahren bezeichnet.1363 Zwar beschreibt dieser Begriff eigentlich ein System der Dividendenbesteuerung, das die Körperschaftsteuer – wie z. B. in Portugal1364 – in pauschalierter Höhe auf die Einkommensteuer anrechnet. Besteuerungskonzepte, die eine Doppelbelastung von Kapitalgesellschaftsgewinnen dadurch vermeiden, dass Dividenden einem niedrigeren Einkommensteuersatz unterworfen oder nicht vollumfänglich in die einkommensteuerliche Bemessungsrundlage einbezogen werden (z. B. Halbsatzverfahren, Halbeinkünfteverfahren), unterfallen diesem Typus nicht. Dennoch grenzt die Bezeichnung das Halbeinkünfteverfahren zutreffend vom klassischen Körperschaftsteuersystem ab. § 3 Nr. 40 lit. d EStG soll sicherstellen, dass die Körperschaftsteuer sich trotz ihres definitiven Charakters möglichst wenig auswirkt.

Exakt – und nicht lediglich „typisierend und generalisierend“1365 – entspricht die Belastung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne jener anderer Reinvermögensmehrungen bei Anteilseignern, die einer einkommensteuerlichen Grenzbelastung von 40% unterliegen. So können von einem Kapitalgesellschaftsgewinn von 100.000 Euro nach Abzug der 25%-igen Körperschaftsteuer (§ 23 Abs. 1 KStG) 75.000 Euro ausgeschüttet werden. Auf die Dividendeneinkünfte, die zur Hälfte einkommensteuerbefreit sind (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V. m. 3 Nr. 40 lit. d EStG), schuldet der Anteilseigner bei einer Grenzbelastung von 40% 15.000 Euro Einkommensteuer. Ihm verbleibt damit ein Konsumpotential von 60.000 Euro. Folglich wird die Reinvermögensmehrung, die in der Kapitalgesellschaft erwirtschaftet und an den Anteilseigner ausgeschüttet wurde, mit insgesamt 40.000 Euro Körperschaft- und Einkommensteuer belastet. Dies entspricht einer Belastung des Vor-Steuer-Gewinns (100.000 Euro) mit 40%.

1362 StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5), S. 94. Vgl. zu den Grenzen zulässiger Typisierung H.-W. Arndt, Gleichheit (FN 310), NVwZ 1988, 787 (789): Voraussetzung für eine zulässige Typisierung ist aber, dass die mit der gesetzlichen Typik erreichten Vorteile in angemessenem Verhältnis zu der mit der Typisierung verbundenen Ungleichheit stehen. Dies ist z. B. dann zweifelhaft, wenn die durch die typisierende Norm bewirkte Ungleichheit nicht nur geringfügig oder auf besondere Fälle beschränkt ist, sondern ganze Gruppen von Steuerpflichtigen wesentlich stärker belastet als andere.“ 1363 Vgl. z. B. H.-J. Pezzer, Halbeinkünfteverfahren (FN 29), StuW 2000, 144 (150). 1364 Vgl. dazu J. Hey, in H/H/R (FN 58), Einf. KSt (FN 360), Anm. 216, 382. 1365 StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5), S. 94.

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Bei einkommensteuerlichen Grenzbelastungen unterhalb 40% berücksichtigt die hälftige Steuerbefreiung von Dividenden die körperschaftsteuerliche Thesaurierungsbelastung nur unzureichend, bei Grenzsteuersätzen über 40% wird sie überkompensiert.1366 Trotz des ungenauen Entlastungsmechanismus korrespondiert die progressive Nachversteuerung der Dividenden im Grundsatz mit der körperschaftsteuerlichen Thesaurierungsbelastung. Der hiermit verbundene Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen, nämlich thesaurierte Kapitalgesellschaftsgewinne, belastet Einkommen partiell nachgelagert.1367 Dies gilt auch, falls – wie Crezelius1368 meint – die Kapitalgesellschaft seit dem StSenkG „kein Medium des Anteilseigners“ mehr sein sollte. Ausschlaggebend für die steuersystematische Einordnung des Halbeinkünfteverfahrens können allein die Belastungswirkungen sein, die es entfaltet. Auch ein Schritt zum „Unternehmen an sich“ ändert nichts daran, dass ein niedriger Körperschaftsteuersatz thesaurierten Kapitalgesellschaftsgewinnen einen Besteuerungsaufschub gewährt und Kapitaleinkommen partiell implizit von der Besteuerung befreit.

III. Berücksichtigung der Gewerbesteuer? Kapitalgesellschaften sind mit ihrem Einkommen nicht nur körperschaftsteuerpflichtig. Ihre „Tätigkeit“ unterliegt zudem der Gewerbesteuer, § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. Abs. 2 Satz 1 GewStG. Soweit der gemäß §§ 7 ff. GewStG zu ermittelnde Gewerbeertrag der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage entspricht, wird das Einkommen der Kapitalgesellschaft zusätzlich mit Gewerbesteuer belastet. Die Höhe dieser Zusatzlast bestimmt sich nach dem Gewerbesteuerhebesatz, der von der hebeberechtigten Gemeinde festgesetzt wird, § 16 GewStG.

1366

Grenzbelastungen über 40% erscheinen angesichts des bereits verkündeten Einkommensteuerspitzensatzes von 42% ab 2005 allerdings vernachlässigbar (§§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001 i. d. F. des Steuersenkungsergänzungsgesetzes – StSenkErgG – v. 19.12.2000, BGBl. I S. 1790]. Denn das Halbeinkünfteverfahren schleust die Gesamtsteuerbelastung in der oberen Proportionalzone des Einkommensteuertarifs auf dann 40,75% (100 Euro Gewinn vor Steuern – 25 Euro KSt – 15,75 Euro ESt [= 42% * 75 Euro/2] = 59,25 Euro Gewinn nach Steuern => Gesamtsteuerbelastung von 40,75%). Hieraus folgt eine Differenz von lediglich 1,25%-Punkten zum Einkommensteuerspitzensatz. 1367 So bereits C. Dorenkamp, Partiell nachgelagerte Besteuerung (FN 139), StuW 2000, 121 (128 f.); J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (87 ff.). 1368 Vgl. G. Crezelius, Dogmatik der Unternehmenssteuerreform (FN 166), DB 2001, 221 (224).

B. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer

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1. Geringere Steuersatzspreizung bei Einbeziehung der Gewerbesteuer Fraglich ist, ob die Gewerbesteuer beim Ausmaß der Steuersatzspreizung zwischen Körperschaftsteuer und Einkommensteuer zu berücksichtigen ist. Zwar unterliegen thesaurierte Kapitalgesellschaftsgewinne bei Einbeziehung der Gewerbesteuer ebenfalls einer niedrigeren Gesamtsteuerlast als Dividenden. Kapitalgesellschaftsgewinne würden auch bei Berücksichtigung dieser Realsteuer partiell nachgelagert besteuert. Die Gewerbesteuer wird unabhängig von der Thesaurierung oder Ausschüttung des Gewerbeertrags erhoben. Bei einem Hebesatz von 400% summieren sich Gewerbe- und Körperschaftsteuer, die auf thesaurierten Kapitalgesellschaftsgewinnen lasten, auf 37,5%.1369 Ausgeschüttete Kapitalgesellschaftsgewinne werden mit insgesamt 50%1370 belastet, wenn der Ausschüttungsempfänger eine natürliche Person ist, die einer einkommensteuerlichen Grenzbelastung von 40% unterliegt (hälftige Einbeziehung von Dividenden in die Bemessungsgrundlage, §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V. m. 3 Nr. 40 lit. d EStG).

Allerdings verringert die Gewerbesteuer die Belastungsdivergenz zwischen thesaurierten und ausgeschütteten Reinvermögensmehrungen, die im Rechtskleid einer Kapitalgesellschaft erwirtschaftet werden, wenn auch nur von 15%-Punkten1371 auf 12,5%-Punkte1372. Die Thesaurierungsbelastung betrüge 75%1373 der ertragsteuerlichen Regelbelastung (Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, hälftige Einkommensteuer). Der Belastungsvorteil, den thesaurierte Kapitalgesellschaftsgewinne im Vergleich zu Einkünften genießen, die nicht körperschaftsteuerpflichtig sind und deshalb entweder überhaupt 1369 Wegen der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer von der eigenen Bemessungsgrundlage folgt aus einem körper- und gewerbesteuerpflichtigen Gewinn von 120.000 Euro eine Gewerbesteuerlast von 20.000 Euro. Da die verbleibenden 100.000 Euro der 25%-igen Körperschaftsteuer unterliegen, verbleibt der Kapitalgesellschaft ein Nach-Steuer-Gewinn von 75.000 Euro, wenn von dem Solidaritätszuschlag (5,5% der Körperschaftsteuerschuld) abgesehen wird. Der Vor-Steuer-Gewinn (120.000 Euro) ist damit mit 37,5% belastet (45.000 Euro [GewSt + KSt]). Unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags (1.375 Euro) ergibt sich eine Gesamtbelastung thesaurierter Kapitalgesellschaftsgewinne von 38,6%. 1370 Zu der 37,5%-igen Gesamtbelastung thesaurierter Kapitalgesellschaftsgewinne (vgl. FN 1369) gesellt sich eine Einkommensteuerschuld von 150 Euro (40% ESt * 75.000 Euro [Dividende]), wenn der Vor-Gewerbe- und KörperschaftsteuerGewinn 120.000 Euro und der gewerbesteuerliche Hebesatz 400% betragen hat. Von der ursprünglich erwirtschafteten Reinvermögensmehrung verbleiben dem Anteilseigner folglich 60.000 Euro und damit 50%. 1371 40% ESt – 25% KSt = 15%-Punkte Differenz. 1372 50% KSt, GewSt, KSt {vgl. FN 1370} – 37,5% KSt, GewSt {vgl. FN 1369} = 12,5%-Punkte Differenz. 1373 37,5% KSt, GewSt {vgl. FN 1369}/50% KSt,GewSt, ESt/2 {vgl. FN 1370} = 75%.

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Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

nicht der Gewerbesteuer unterliegen oder jedenfalls im Ergebnis aufgrund der pauschalen Gewerbesteueranrechnung keine bzw. nur eine geringe Gewerbesteuerlast tragen (Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 35 EStG n. F.1374), würde sich jedoch erheblich vermindern.1375 So werden thesaurierte Kapitalgesellschaftgewinne nur noch knapp 7%-Punkte niedriger besteuert als gewerbliche Einkünfte, die von Einzelunternehmern oder Personengesellschaften erwirtschaftet werden. Die tarifliche Einkommensteuer auf Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1–3 EStG ermäßigt sich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 EStG n. F. um die Gewerbesteuer, die bei einem Hebesatz von 180% entsteht. Da die Gewerbesteuer zudem von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden kann, sinkt die Gesamtbelastung gewerblicher Einkünfte bei einem Einkommensteuersatz von 42% von 51,7%1376 auf 44,2%1377. Der Belastungsunterschied zwischen Kapitalgesellschaftsgewinnen und Einkünften, die nicht gewerbesteuerpflichtig sind und infolgedessen ab 2005 höchstens mit 42%1378 belastet werden, reduziert sich bei Einbeziehung der Gewerbesteuerlast sogar von 17%-Punkten1379 auf 4,5%-Punkte1380. Die Thesaurierungsbelastung erreicht fast 90%1381 der Einkommensteuerbelastung.

1374 Vgl. dazu z. B. Herzig/Lochmann, Steuersenkungsgesetz: Die Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte bei der Einkommensteuer in der endgültigen Regelung, DB 2000, 1728 ff.; J. Thiel, Die Ermäßigung der Einkommensteuer für gewerbliche Einkünfte – Das Basismodell des StSenkG zur Entlastung der Personenunternehmen, StuW 2000, 413 ff.; H.-G. Horlemann, „Dreiecksgeschäfte“ mit der Gewerbesteuer – § 35 EStG i. d. F. des StSenkG, in J. Pelka (Hrsg.), Unternehmenssteuerreform, DStJG-Sonderband, 2001, S. 39 ff.; J. Hey, Von der Verlegenheitslösung des § 35 EStG zur Reform der Gewerbesteuer – Wie die Mängel der pauschalen Gewerbesteueranrechnung den Gesetzgeber zum Handeln zwingen, FR 2001, 870 ff. 1375 Vgl. zu der Länge des Thesaurierungszeitraums, der die gewerbesteuerliche Zusatzbelastung der ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinne (über)kompensiert, F. Tischer, Rechtsformwahl nach der Unternehmenssteuerreform im EndwertModell, FR 2000, 1009 (1012 f.). Detaillierte Belastungsberechnungen finden sich auch bei J. Schiffers, Steuersenkungsgesetz: Steuerliche Rechtsformwahl und Rechtsformoptimierung, GmbHR 2000, 1005 ff. sowie F. Balmes, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung, in J. Pelka (Hrsg.), Unternehmenssteuerreform, DStJG-Sonderband, 2001, S. 25 (30 f.). 1376 120.000 Euro Gewinn – 20.000 Euro GewSt – 42.000 Euro ESt = 62.000 Euro = 51,67% * 120.000 Euro Gewinn. 1377 120.000 Euro Gewinn – 20.000 Euro GewSt – (42.000 Euro ESt + 9.000 § 35 EStG-Anrechnung {= [180%/400%] * 20 GewSt} = 51.000 Euro = 44,17% * 120.000 Euro Gewinn. 1378 §§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001. 1379 42% ESt [FN 1378] – 25% KSt [§ 23 Abs. 1 KStG] = 17%-Punkte. 1380 42% ESt [FN 1378] – 37,5% {GewSt zzgl. KSt; vgl. FN 1369} = 4,5%Punkte. 1381 37,5% {KSt zzgl. GewSt; vgl. FN 1369}/42% ESt [FN 1378] = 89,3%.

B. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer

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2. Einbeziehung der Gewerbesteuer steuersystematisch geboten? Die Einbeziehung der Gewerbesteuerlast bei der Bestimmung der Steuersatzspreizung ist steuersystematisch bedenklich. So sind nicht nur die Bemessungsgrundlagen von Gewerbesteuer und Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer teilweise inkongruent. Auch ihre Rechtfertigung fußt jedenfalls nach der Rechtsprechung des BVerfG auf unterschiedlichen Besteuerungsprinzipien (Äquivalenzprinzip vs. Leistungsfähigkeitsprinzip). Sollte sich die Gewerbesteuer entgegen der BVerfG-Rechtsprechung nicht äquivalenztheoretisch rechtfertigen lassen, spricht ihre Gleichheitssatzwidrigkeit gegen eine Einbeziehung in den Belastungsvergleich. Schließlich verstieße die Einbeziehung der Gewerbesteuerlast gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. a) Inkongruente Bemessungsgrundlagen Zwar ist der Ausgangspunkt des gewerbesteuerlichen Zugriffs (Gewerbeertrag, § 7 Abs. 1 GewStG) die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage, die nach den Vorschriften des EStG und des KStG zu ermitteln ist (§§ 7 Abs. 1; 8 Abs. 1 u. 2 KStG i.V. m. 15 EStG). Dennoch sind die Bemessungsgrundlagen teilweise inkongruent. So enthalten die §§ 8, 9 GewStG Hinzurechnungen und Kürzungen, die zu Abweichungen des Gewerbeertrags vom körperschaftsteuerpflichtigen Einkommen der Kapitalgesellschaft führen. Hervorzuheben sind die Hinzurechnung der hälftigen Dauerschuld-, Miet- und Pachtzinsen (§ 8 Nr. 1 u. 7 GewStG) sowie die Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 GewStG (sog. erweiterte Kürzung1382). So schulden Kapitalgesellschaften, die Grundstücke verwalten, regelmäßig überhaupt keine Gewerbesteuer. Ihr Gewerbeertrag wird auf Antrag um jene Einkünfte gekürzt, die auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfallen. Jedenfalls insoweit verbliebe es deshalb auch bei Berücksichtigung der Gewerbesteuer bei dem oben in Abschn. I. auf den Seiten 331 ff. ermittelten Ausmaß der Steuersatzspreizung. Das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG1383) hat die Divergenzen zwischen körperschaftsteuerlicher und gewerbesteuerlicher Bemessungsgrundlage noch vergrößert. So sieht § 8 Nr. 5 GewStG n. F. vor, dass Dividenden, die nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit sind bzw. bei der Einkommensermittlung außer Ansatz bleiben, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, wenn der Gewerbesteuerschuldner an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft mit weniger als 10% beteiligt ist (Verweis auf § 9 Nr. 7 GewStG). Außer1382

Vgl. dazu auch W. Schön, Steuersenkungsgesetz (FN 165), StuW 2000, 151

(152). 1383

FN 882.

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Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

halb des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs gilt demnach weder das Halbeinkünfteverfahren noch das körperschaftsteuerliche Dividendenprivileg.

b) Äquivalenztheoretische Rechtfertigung oder Gleichheitssatzwidrigkeit Die Rechtfertigung der Gewerbesteuer ist umstritten.1384 Allerdings sprechen steuersystematische Gesichtspunkte unabhängig davon, ob ihre ursprünglich äquivalenztheoretische Rechtfertigung1385 auch nach Abschaffung der Lohnsummen- und Gewerbekapitalsteuer noch trägt, gegen die Berücksichtigung dieser Gemeindesteuer. Während die Gewerbesteuer bei äquivalenztheoretischer Rechtfertigung erst die Voraussetzung der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit schaffte, nämlich Austauschgerechtigkeit, verstieße sie anderenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.1386 (1) Äquivalenztheoretische Rechtfertigung Jedenfalls ursprünglich dienten allein die Einkommen- und Körperschaftsteuer der umfassenden Besteuerung des Leistungsfähigkeitsindikators Einkommen.1387 Diese Zielsetzung kommt z. B. in der Abgrenzung der Körperschaftsteuerpflicht zum Ausdruck (§ 3 Abs. 1 KStG), die dem Totalitätsund Universalitätsprinzip1388 folgt (Ergänzungsfunktion der Körperschaftsteuer). So wurde die Gewerbesteuer noch in den BVerfG-Beschlüssen vom 14. Februar 20011389, wenn auch unter Verweis auf eine ältere Entscheidung1390, äquivalenztheoretisch gerechtfertigt. Das auf dem do ut des-Grundsatz fußende Äquivalenzprinzip setzt eine marktähnliche Austauschbeziehung zwischen Steuerpflichtigem und Steuergläubiger voraus.1391 Erhielte die Gesamtheit der Kapitalgesellschaften tatsächlich gemeindliche Gegenleistungen für den gewerbesteuerlichen Ressourcentransfer an das kommunale Gemeinwesen, handelte es sich bei der Gewerbesteuer einerseits und bei der Körperschaft- sowie Einkommen1384

Vgl. zu einem etwaigen Wandel der Gewerbesteuerrechtfertigung D. Gosch, Einige aktuelle und zugleich grundsätzliche Bemerkungen zur Gewerbesteuer, DStZ 1998, 327 (328 f.). 1385 Vgl. Nachweise der diesbezüglichen BVerfG-Rechtsprechung in FN 1390 und FN 1389. 1386 Ebenso W. Schön, Unternehmenssteuerreform (FN 634), Stbg 2000, 1 (16). 1387 Vgl. nur J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 8 Rz. 30. 1388 Vgl. dazu J. Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 9 Rz. 1. 1389 BVerfG v. 14.02.2001 – 2 BvR 466/93 u. 1488/93, NJW 2001, 1853 f. 1390 Vgl. BVerfG v. 25.04.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224 (233 ff.). 1391 Vgl. oben Kapitel 3 Abschn. A.I.2., S. 94 ff.

B. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer

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steuer andererseits um unterschiedlich motivierte Abgaben. Im Gegensatz zur Gewerbesteuer, die einen Preischarakter aufwiese, werden körperschaftund einkommensteuerliche Lasten leistungsfähigkeitsbezogen, d.h. ohne mittel- oder unmittelbare, einzel- oder gruppenbezogene Gegenleistungen ausgeteilt. Die Berücksichtigung entgeltähnlicher Abgaben bei einem Belastungsvergleich zwischen Leistungsfähigkeitssteuern ist aber steuersystematisch verfehlt. Dies zeigt das Beispiel der Ökosteuern im Pigou’schen Sinne, die externe Effekte umweltschädigenden Verhaltens dadurch internalisieren, dass der Umweltverbrauch mit einem gerechten Preis belegt wird (Austauschgerechtigkeit, iustitia commutativa). Eine Anrechnung auf die Einkommensteuer1392 würde die Lenkungsziele der ökologisch motivierten Abgaben unterlaufen, zudem schaffen gerechte Preise erst die Voraussetzung der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit im Aristoteles’schen Sinne1393 (iustitia distributiva bzw. contributiva). Knüpft eine Leistungsfähigkeitsbesteuerung an wirtschaftliche Begebenheiten an, die auf ungerechten Preisen beruhen, setzen sich diese Ungerechtigkeiten in den NachSteuer-Ergebnissen fort, wenn auch vermindert um die Steuerlasten. Daraus folgt für eine äquivalenztheoretisch gerechtfertigte Gewerbesteuer: Erst wenn die gemeindlichen Leistungen abgegolten sind, ist Raum für eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung. (2) Keine äquivalenztheoretische Rechtfertigung – Gleichheitssatzwidrigkeit Rechtfertigt die Äquivalenztheorie die Auferlegung gewerbesteuerlicher Lasten nicht – hierfür spricht z. B., dass der Gewerbeertrag kein überzeugender Indikator der Inanspruchnahme kommunaler Infrastrukturleistungen ist1394 –, scheitert eine Einbeziehung der Gewerbesteuer in den Belastungsvergleich an gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten.1395 Zwar ist es nach der BVerfG-Rechtsprechung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, steuerliche 1392 Von einer Belastung des einkommensteuerlichen Existenzminimums durch Ökosteuern sei hier abgesehen. 1393 Vgl. dazu FN 298. 1394 Die Finanzwissenschaft fordert seit langem die Ersetzung der Gewerbesteuer, z. B. durch eine kommunale Wertschöpfungsteuer (vgl. dazu z. B. S. Homburg, Reform der Gewerbesteuer, Archiv für Kommunalwissenschaften 2000, 42 [50 ff.]). Zum Alternativvorschlag eines gemeindlichen, mit Hebesatzrecht versehenen Anteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, wie ihn Art. 106 Abs. 5 GG für die Einkommensteuer vorsieht, vgl. zuletzt Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2001/2002, Tz. 374 ff. (384). 1395 A. A. J. Hey, Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Rechtsformneutralität, I. Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 155 (182 ff.).

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Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

Vor- bzw. Nachteile durch Mehr- oder Minderbelastungen an anderer Stelle zu kompensieren.1396 Allerdings hat das BVerfG ausgeführt, dass „in einen Gesamtvergleich freilich nur Bestimmungen einbezogen werden dürfen, die ihrerseits der Verfassung entsprechen“1397. Kann die Gewerbesteuer nicht äquivalenztheoretisch gerechtfertigt werden, ist sie mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG aber schlechterdings unvereinbar.1398 So verstoßen nicht nur die Hinzurechnungen des § 8 GewStG gegen das objektive Nettoprinzip. Auch eine Rechtfertigung der gewerbesteuerlichen Sonderbelastung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne ist nicht ersichtlich.1399 Den Zinsvorteil der niedrigen körperschaftsteuerlichen Thesaurierungsbelastung könnte im Übrigen auch eine gleichheitssatzkonforme Gewerbesteuer nicht ausgleichen. Denn eine Kompensation von steuerlichen Mehrbzw. Minderbelastungen durch Vor- bzw. Nachteile an anderer Stelle setzt einen inneren, einen rechtssystematischen Zusammenhang zwischen den zum Ausgleich gebrachten Belastungsvor- und -nachteilen voraus (Sachverhalts- und Personenidentität).1400 An einem derartigen Konnex fehlt es hinsichtlich der Spreizung von Körperschaftsteuer- und Einkommensteuerspitzensatz einerseits und der Gewerbesteuerbelastung von Kapitalgesellschaftsgewinnen andererseits (kein „verfassungsrechtlich relevanter Systemzusammenhang“1401).1402 So lassen sich weder der Fremdfinanzierungsan1396

Vgl. nur BVerfG v. 07.11.1972 – 1 BvL 4, 17/71, 10/72 u. 1 BvR 335/71, BVerfGE 34, 118 (128 ff.); v. 09.11.1988 – 1 BvL 22/84, 71/96, 9/87, BVerfGE 79, 87 (99); v. 10.04.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (8). 1397 BVerfG v. 10.04.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (9). 1398 Vgl. zur Verfassungswidrigkeit der Gewerbesteuer bereits K. Tipke, Steuerrechtswissenschaft und Steuersystem, in Tipke/Vogel (Hrsg.), Verfassung, Verwaltung, Finanzen, FS Wacke, 1972, S. 211 (221). Vgl. auch z. B. R. Seer, Gewerbesteuer im Visier des Verfassungsgerichts – Anmerkungen zu dem Vorlagebeschluss des FG Niedersachen vom 24.6.1998, FR 1998, 1022 (1023 f.); D. Gosch, Grundsätzliche Bemerkungen zur Gewerbesteuer (FN 1384), DStZ 1998, 327 (332); M. Jachmann, Ansätze zu einer gleichheitsgerechten Ersetzung der Gewerbesteuer, BB 2000, 1432 (1433 f.). Zur Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuerabschaffung vgl. P. Kirchhof, Diskussionsbeitrag (FN 1072), DStJG-Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 96. 1399 Vgl. insbesondere J. Lang, Verfassungswidrige Diskriminierung und Privilegierung der Personenunternehmen durch das Steuersenkungsgesetz, steuertip – Steuern Spezial 2000, Nr. 10/01. 1400 Vgl. dazu J. Hey, Saldierung von Vor- und Nachteilen in der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen, AöR 2003, 226 (232 f.). 1401 J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (104). 1402 So auch M. Jachmann, Die Gewerbesteuer im System der Besteuerung von Einkommen, in S. Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 195 (221): „Denn Gewerbesteuerbelastung und Tarifspreizung

B. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer

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teil einer Kapitalgesellschaft noch deren Tätigkeitsschwerpunkt (z. B. Grundstücksverwaltung) und damit Faktoren, die die Gewerbesteuerbelastung maßgeblich bestimmen (§§ 8 Nr. 1; 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 GewStG1403), in einen sinnvollen Kontext mit der niedrigen Belastung thesaurierter Kapitalgesellschaftsgewinne bringen. c) Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Schließlich steht einer Addition von körperschaftsteuerlicher Thesaurierungsbelastung und Gewerbesteuerlast der Grundsatz der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung1404 entgegen. Dieser begrenzt den Rechtfertigungsgrund der saldierenden Betrachtung gleichgewichtiger Vor- und Nachteile1405, um die Gefahr eines gänzlich konturenlosen Abgabenrechts zu bannen (Gebot einer transparenten steuerlichen Lastenausteilung). Würde die Gewerbesteuer als schlichtes Anhängsel der Körperschaftsteuer begriffen, fehlte es bereits an einer Rechtfertigung des Verwaltungsund Deklarationsaufwandes, der mit ihrer Erhebung verbunden ist. Eine zu einem „bloßen Instrument des Finanzausgleichs“ denaturierte Gewerbesteuer hätte keine verfassungsrechtliche Existenzberechtigung.1406 Der Gesetzgeber wäre gefordert, sie durch einen höheren Körperschaftsteuertarif zu ersetzen, gegebenenfalls ergänzt um eine gemeindliche Aufkommensbeteiligung mit Hebesatzrecht. Solange die Gewerbesteuer als eigenständige Abgabe erhoben wird, setzte sich die Rechtsordnung in Widerspruch zu sich selbst, wenn sie die Gewerbesteuer lediglich als zusätzliche Körperschaftsteuer verstünde. Dieses Verständnis ist aber Voraussetzung ihrer Berücksichtigung bei der Bestimmung der Steuersatzspreizung. IV. Grenzüberschreitende Sachverhalte Eine Spreizung zwischen körperschaftsteuerlicher Thesaurierungsbelastung und einkommensteuerlicher Regelbelastung ist international ebenso die Regel1407 wie eine Dividendenbesteuerung, die die körperschaftsteuerliche stehen nicht in einem steuersystematischen Zusammenhang.“. Ebenso dies., Diskussionsbeitrag, in S. Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S.281. 1403 Vgl. dazu oben Abschn. a), S. 90 f. 1404 Vgl. P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat (FN 478), S. 43 ff. [m. Nachw. der BVerfG-Rechtsprechung]. 1405 Vgl. J. Hey, Saldierung (FN 1400), AöR 2003, 226 (249 ff.). 1406 P. Kirchhof, Der Freiheit eine Chance, FAZ v. 29.11.2001, S. 10 [Spalte 2 oben]. 1407 Vgl. dazu oben Kapitel 8 Abschn. A., S. 225 ff.

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Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

Vorbelastung berücksichtigt (Kongruenz der Steuerrechtsordnungen). Das Halbeinkünfteverfahren besteuert Gewinne von Kapitalgesellschaften infolgedessen auch partiell nachgelagert, wenn ihre investive Verwendung (Thesaurierung) oder Ausschüttung mit grenzüberschreitenden Sachverhalten einhergeht. 1. Investiertes Auslandseinkommen Auslandsgewinnen inländischer Kapitalgesellschaften gewährt das Halbeinkünfteverfahren ebenso einen teilweisen Besteuerungsaufschub wie Reinvermögensmehrungen, die im Inland erwirtschaftet wurden. Solange die Auslandsgewinne thesauriert und damit investiert werden, unterbleibt eine Nachbelastung. Sie erfolgt via hälftiger Einbeziehung der Dividenden in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage erst, wenn die konsumtive Verwendung der Auslandsgewinne dadurch indiziert wird, dass sie an eine natürliche Person ausgeschüttet werden, §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V. m. 3 Nr. 40 lit. d EStG. Wurde DBA-rechtlich die Freistellungsmethode vereinbart, fließen die Gewinne der ausländischen Betriebsstätte erst gar nicht in die inländische Bemessungsgrundlage ein. Gleiches gilt, wenn die Reinvermögensmehrungen über eine ausländische Tochterkapitalgesellschaft erwirtschaftet werden. Bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft bleiben ausländische wie inländische Dividenden außer Ansatz, § 8b Abs. 1 KStG (Dividendenprivileg). Existiert kein DBA oder haben die Vertragsstaaten sich auf die Anwendung der Anrechnungsmethode verständigt, hindert § 26 Abs. 1 KStG1408 eine inländische Belastung der Auslandsgewinne mit mehr als 25% (Anrechnung der ausländischen auf die deutsche Körperschaftsteuer). Allerdings kann die ausländische Körperschaftsteuer 25% übersteigen. Dann sind Auslandsgewinne trotz investiver Verwendung höher belastet als thesaurierte Inlandseinkünfte. Was im Hinblick auf die Freistellungsmethode selbstverständlich ist, gilt auch für die Teilanrechnungsmethode, die das deutsche Körperschaftsteuerrecht verwirklicht. So beschränkt § 26 Abs. 1 KStG die Anrechenbarkeit der ausländischen Körperschaftsteuer auf die Höhe der deutschen Körperschaftsteuer, die auf die Auslandsgewinne entfällt. Infolge des Dividendenprivilegs des § 8b Abs. 1 KStG wurde mit dem Systemwechsel bei der Körperschaftsbesteuerung auch die indirekte Anrechnung1409 des § 26 Abs. 3 KStG a. F. abgeschafft.1410 Eine deutsche Körperschaftsteuer, auf die die Steuerlast ausländischer Tochterkapitalgesellschaften angerechnet werden könnte, kann nicht mehr entstehen.

1408 In DBA-Fällen findet § 26 Abs. 1 KStG über § 26 Abs. 6 KStG i.V. m. § 34c Abs. 6 EStG Anwendung. 1409 Bei indirekter Anrechnung kann die inländische Mutterkapitalgesellschaft die Körperschaftsteuer, die die Tochterkapitalgesellschaften im Ausland geleistet haben, auf die inländische Körperschaftsteuer anrechnen, die auf die Dividenden der Tochterkapitalgesellschaften entfällt. 1410 StSenkG v. 23.10.2000, BGBl. I S. 1433.

B. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer

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Wie oben in Kapitel 9 Abschn. A.II. auf den Seiten 232 ff. gezeigt, liegt die höhere Belastung investierter Auslandsgewinne aufgrund ausländischer Körperschaftsteuersätze, die die inländische Thesaurierungsbelastung übersteigen, allerdings nicht in einer partiell nachgelagerten Besteuerung begründet, die grenzüberscheitende Sachverhalte diskriminiert. Ursache ist vielmehr die internationale Praxis, dem Territorialitätsprinzip gegenüber dem Welteinkommensprinzip den Vorrang einzuräumen (Freistellungs-, Teilanrechnungsmethode). Die Anrechnungsmethode scheitert allerdings daran, dass die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der Gewinne ausländischer Tochter- und Enkelkapitalgesellschaften nur schwerlich zu ermitteln sein dürfte. Als pragmatische Lösung bietet sich die Vermutung an, die ausländische Körperschaftsteuerbelastung habe ebenfalls 25% betragen, was auch eine Gleichbehandlung in- und ausländischer Dividenden rechtfertigte. Bei Missbrauchsfällen (z. B. Domizilgesellschaften) könnte diese Vermutung widerlegt werden, und das Instrumentarium der Hinzurechnungsbesteuerung Anwendung finden (§§ 7 ff. AStG).

Insbesondere erwächst in den Fällen, in denen der inländische Körperschaftsteuersatz die Tarifbelastung in anderen EU-Mitgliedstaaten unterschreitet, keine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, Dividenden aus EUMitgliedstaaten niedriger zu belasten als inländische Dividenden. Zwar hat der EuGH in der Rechtssache Verkooijen1411 entschieden, dass die Vereinnahmung ausländischer Dividenden der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG unterfällt.1412 Die inländische Dividendenbesteuerung stellt auch ein Hindernis für ausländische Kapitalgesellschaften dar, im Inland Kapital zu sammeln.1413 Die gleich hohe Belastung in- und ausländischer Dividenden hält Inländer davon ab, Anteile von Kapitalgesellschaften mit Sitz außerhalb Deutschlands zu erwerben, wenn der inländische Körperschaftsteuersatz den ausländischen unterschreitet. Eine gleich hohe Nach-Steuer-Rendite erfordert eine höhere Vor-Steuer-Rendite im Ausland. Ein niedriger Körperschaftsteuersatz in Verbindung mit einer hohen Dividendenbesteuerung unterscheidet sich jedoch dadurch von der Rechtssache Verkooijen1414, dass die Ursache für die Behinderung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht vom Inland gesetzt wird. Sie beruht auf der Höhe der ausländischen Körperschaftsteuer, nicht aber auf einer unterschiedlichen abgabenrechtlichen Behandlung in- und ausländischer Dividenden. Für das ausländische Körperschaft1411 Vgl. EuGH v. 06.06.2000, Rs. C-35/98, EWS 2000, 303 ff., Tz. 31 (Verkooijen). 1412 So setze der Erwerb börslich gehandelter Wertpapiere voraus, der wiederum von der Nomenklatur des Art. 1 der Richtlinie 88/361 des Rates vom 24.06.1988 zur Durchführung von Art. 67 EGV (ABl. L 178, S. 5, Position III A 2) umfasst sei, welche den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit abstecke. 1413 Vgl. zu diesen Voraussetzungen einer verbotenen Beschränkung des Kapitalverkehrs EuGH v. 06.06.2000, Rs. C-35/98, EWS 2000, 303 ff. (Verkooijen). 1414 Die niederländische Einkommensteuer hatte die Gewährung eines Steuervorteils (Dividendenfreibetrag) von der Voraussetzung abhängig gemacht, dass die Einkünfte auf Gewinnausschüttungen von inländischen Gesellschaften beruhen, vgl. dazu EuGH v. 06.06.2000, Rs. C-35/98, EWS 2000, 303 ff., Tz. 36 (Verkooijen).

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Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

steuerniveau kann das Inland ebenso wenig zur Verantwortung gezogen werden wie z. B. für hohe ausländische Einkommensteuersätze. Obgleich letztere Arbeitnehmer davon abhalten mögen, in anderen EU-Mitgliedstaaten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, beschränkt ein vergleichsweise niedriger inländischer Einkommensteuertarif nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Alles andere wäre ein absurdes Ergebnis. 2. Auslandsinvestitionen Inländischen Kapitalgesellschaften steht es frei, ihre thesaurierten und deshalb nur mit 25% belasteten Gewinne im Ausland zu investieren. Die Rückflüsse der Investitionen werden ebenfalls mit 25% besteuert, soweit das Welteinkommensprinzip nicht DBA-rechtlich durchbrochen ist1415, § 23 Abs. 1 KStG. Zudem unterliegen sie der Halbeinkünftebesteuerung, wenn sie an den Anteilseigner ausgeschüttet werden, §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V. m. 3 Nr. 40 lit. d EStG. Das Zusammenspiel von Einkommen- und Körperschaftsteuer belastet Auslands- und Inlandsinvestitionen demnach gleich hoch.1416 3. Inlandsinvestitionen von Steuerausländern Ausländischen Steuerpflichtigen steht es frei, ihre Inlandsinvestitionen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zu organisieren (Gewinnthesaurierung). Auch der Ersparnisbildung von Steuerausländern wird damit ein partieller Besteuerungsaufschub gewährt. Die thesaurierten Inlandsgewinne ausländischer Kapitalgesellschaften oder inländischer Kapitalgesellschaften mit ausländischen Anteilseignern werden ebenfalls nur mit 25% besteuert, § 23 Abs. 1 KStG. Die Ersparnisauflösung wird dadurch nachbelastet, dass Gewinnausschüttungen regelmäßig der ausländischen Einkommensteuer unterliegen (Dividendenbesteuerung). Wurde ausnahmsweise kein DBA abgeschlossen oder die Besteuerungsbefugnis für Dividenden entgegen Art. 10 OECD-MA dem Inland als Quellenstaat zugewiesen, findet § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG Anwendung (beschränkte Einkommensteuerpflicht). Auch Reinvermögensmehrungen, die im Inland von Steuerausländern erwirtschaftet werden, belastet das Halbeinkünfteverfahren folglich einmal.

1415 Vgl. zu den hieraus resultierenden Einschränkungen des Leistungsfähigkeitsprinzips oben Kapitel 9 Abschn. A.II., S. 232 ff. 1416 Dies gilt als großer Vorteil des Halbeinkünfteverfahrens, vgl. z. B. W. Schön, Unternehmenssteuerreform (FN 634), Stbg 2000, 1 (12): „Seinen eigentlichen Reiz erhält das klassische Körperschaftsteuersystem mit ergänzender Halbbesteuerung beim Anteilseigner natürlich durch seine internationale Kompatibilität.“

B. Körperschaftsteuer und Einkommensteuer

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4. Wegzug des Kapitalgesellschafters Verlegt eine natürliche Person, die ihre Ersparnisbildung in einer inländischen Kapitalgesellschaft organisiert hat, ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt (§§ 8; 9 AO) ins Besteuerungsausland (Wegzug), bleibt die Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat nach innerstaatlichem Recht regelmäßig steuerverhaftet. Anstelle der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Anteilseigners (§ 1 Abs. 1 EStG) tritt die beschränkte Einkommensteuerpflicht der Dividenden. Da § 49 EStG auch Gewinnausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften an ausländische Anteilseigner erfasst (§§ 1 Abs. 4 i.V. m. 49 Abs. 1 Nr. 5a EStG [inlandsradizierte Einkünfte]), ist eine Wegzugsbesteuerung nicht erforderlich, um die Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung zu sichern. Entsprechende Regelungen verstießen bei einem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel in einen EG-Mitgliedstaat infolgedessen gegen primäres Gemeinschaftsrecht. Sie würden die wirtschaftlichen Grundfreiheiten der Art. 39, 43, 49, 56 EG bzw. das Recht auf Freizügigkeit (Art. 18 EG) beeinträchtigen, ohne durch die Verwirklichung des Grundsatzes der Einmalbelastung von Einkommen gerechtfertigt zu sein.1417 Diesem Ergebnis steht insbesondere nicht die Abkommenspraxis entgegen, die Besteuerungsbefugnis für Dividenden dem Wohnsitzstaat und damit dem neuen Ansässigkeitsstaat zuzuweisen (Zuzugsstaat), Art. 10 OECD-MA. Denn die Ersparnisauflösung, die durch die Gewinnausschüttung indiziert wird, unterliegt regelmäßig im Zuzugsstaat der Einkommensteuer (Dividendenbesteuerung). Haben die Vertragsstaaten eine Rückfallklausel1418 vereinbart, ist die Einmalbelastung von Einkommen sogar dann nicht gefährdet, wenn der Zuzugsstaat Dividenden von der Besteuerung ausnimmt. Die inländische Besteuerungsbefugnis würde wieder aufleben (beschränkte Einkommensteuerpflicht). V. Lebensendvermögen Wurden Kapitalgesellschaftsgewinne zu Lebzeiten des Anteilseigners nicht ausgeschüttet, haben die betreffenden Reinvermögensmehrungen lediglich dem 25%-igen Körperschaftsteuersatz unterlegen. In Ermangelung von Dividenden fehlt es an einer einkommensteuerlichen Nachbelastung. Die thesaurierten Gewinne unterliegen jedoch der Erbschaftsteuer. Die Ge1417

Vgl. dazu Kapitel 9 Abschn. D.I.3., S. 239 ff. Vgl. dazu z. B. S. Grotherr, Zweifelsfragen bei der Anwendung der Rückfallklausel („subject to tax clause“) gemäß DBA, IWB F. 3 Gr. 2, 689 ff.; T. Menck, Schwerpunkte der Anpassung des OECD-Musters für Steuerabkommen, IWB F. 10 Gr. 2, 1469 (1487 ff.). 1418

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Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

winnrücklagen erhöhen den Wert der Kapitalgesellschaftsanteile, der gem. §§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V. m. 11 Abs. 2 BewG für erbschaftsteuerliche Zwecke anzusetzen ist (gemeiner Wert). Infolgedessen findet im Hinblick auf Ersparnisse, die im Rechtskleid einer Kapitalgesellschaft organisiert werden, eine sachgerechte Lebensendvermögensbesteuerung statt, wenn der Erbschaftsteuertarif der einkommensteuerlichen Regelbelastung entspricht. Wie oben in den Abschnitten A.II.1. und A.II.2. auf den Seiten 326 ff. für das Nebeneinander von Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftsteuer sowie allgemein in Kapitel 13 Abschn. A.II.2. auf den Seiten 308 ff. gezeigt, ist die Erbschaftsteuer gedanklich in die nachholende Besteuerung des Erblassereinkommens und die Thesaurierungsbelastung der Erbenbereicherung aufzuteilen (Doppelfunktion der Erbschaftsteuer bei partiell nachgelagerter Besteuerung). Dies illustriert folgendes Beispiel, das einen Erblasser betrachtet, der als Alleingesellschafter einer GmbH 10 Mio. Euro erwirtschaftet und thesauriert hat. Nach Abzug der 25%-igen Körperschaftsteuer sollen die Kapitalgesellschaftsgewinne annahmegemäß auf ein Bankkonto eingezahlt und in die Gewinnrücklagen eingestellt worden sein (7,5 Mio. Euro). In Ermangelung von stillen Reserven im Kapitalgesellschaftsvermögen bestimmt sich der Wert der GmbH-Geschäftsanteile ausschließlich nach dem Bankguthaben, wenn aus Vereinfachungsgründen von der Stammeinlage abgesehen wird. Verstirbt der Erblasser, entsteht bei einem Erbschaftsteuertarif von 40% (einkommensteuerliche Regelbelastung) idealiter1419 eine Steuerschuld von 3 Mio. Euro (15%-ige Nachbelastung der körperschaftsteuerlich vorbelasteten Reinvermögensmehrungen des Erblassers sowie 25%-ige Vorbelastung der Erbenbereicherung). Dem Rechtsnachfolger verbleibt eine Nach-Steuer-Erbschaft von 4,5 Mio. Euro1420. Werden Gewinnausschüttungen in dieser Höhe veranlasst, schuldet der Erbe, der einer einkommensteuerlichen Grenzbelastung von 40% unterliegen soll, 900.000 Euro1421 Einkommensteuer (Halbeinkünftebesteuerung der Dividenden). Er verfügt über ein Nach-Steuer-Konsumpotential von 3,6 Mio. Euro. Über diesen Betrag hätte der Erbe auch verfügen können, wenn die Gewinnrücklagen noch zu Lebzeiten an den Erblasser ausgekehrt worden wären oder der körperschaftsteuerliche Thesaurierungssatz, dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer folgend, der einkommensteuerlichen Regelbelastung (40%) entsprochen hätte. Denn dann wären nur 6 Mio. Euro vererbt worden (= 7,5 Mio. Euro Nach-Körperschaftsteuer-Gewinn ./. 1,5 Mio. Halbeinkünftebesteuerung bzw. 6 Mio. Euro Nach-Körperschaftsteuer-Gewinn), auf die der Erbe 2,4 Mio. Euro Erbschaftsteuer geschuldet hätte (40%). 1419 Das sog. Stuttgarter Verfahren zur Bewertung von Anteilen an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften soll hier keine Anwendung finden. Denn die Ermittlung des gemeinen Werts (§ 11 Abs. 2 BewG) bereitet vorliegend keine Probleme, da er allein auf den Gewinnrücklagen beruht. 1420 (1 – 40% ErbSt) * 7,5 Mio. Euro = 4,5 Mio. Euro. 1421 4,5 Mio. Dividenden * (1 – 50% [§ 3 Nr. 40 lit. d EStG]) * 40% ESt = 900.000 Euro ESt.

C. Intensivierung der partiell nachgelagerten Besteuerung

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Allerdings hat der Gesetzgeber der partiellen Steuerverstrickung der Gewinnrücklagen Rechnung zu tragen (hälftige Einbeziehung der Dividenden in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage).1422 Um eine Erbenbelastung ohne Bereicherung zu vermeiden1423 (Lebensendvermögensbesteuerung, Thesaurierungsbelastung), sind Dividenden gänzlich von der Einkommensteuer zu befreien, soweit sie zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld benötigt werden, die auf die Kapitalgesellschaftsanteile entfällt.

C. Intensivierung der partiell nachgelagerten Besteuerung Wird die partiell nachgelagerte Besteuerung als Übergang zur vollumfänglichen Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip verstanden1424, ist ihre Intensität haushaltsverträglich sukzessive zu erhöhen. Gleiches gilt, wenn dem nachgelagerten Korrespondenzprinzip im Rahmen einer Kombination der Belastungsideale von traditioneller und nachgelagerter Besteuerung größeres Gewicht verschafft werden soll (Ausgleich über- und innerperiodischer Gerechtigkeitsüberlegungen1425). Sowohl das Nebeneinander von Einkommens-, allgemeiner Verbrauchs- sowie Erbschaftsbesteuerung als auch die Steuersatzspreizung zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuer sind übergangs- bzw. anpassungstauglich. I. Erhöhung des Anteils der Umsatzsteuer am Gesamtsteueraufkommen Die flexible Ausgestaltbarkeit der Kombination von Einkommens-, allgemeiner Verbrauchs- und Erbschaftsbesteuerung liegt auf der Hand. Für eine Intensivierung der partiell nachgelagerten Besteuerung ist lediglich der An1422 Vgl. dazu oben Kapitel 12 Abschn. C.II.2., S. 297 ff. (limitiert nachgelagerte Besteuerung) sowie Kapitel 13 Abschn. A.II.2.b), S. 309 ff. (partiell nachgelagerte Besteuerung). 1423 In dem in diesem Abschnitt gebildeten Beispiel ist der partiell nachgelagert besteuerte Erbe deshalb höher belastet als der traditionell besteuerte Erbe oder der Rechtsnachfolger, dessen Rechtsvorgänger noch zu Lebzeiten eine Vollausschüttung veranlasst hat, weil er auf die 3 Mio. Euro, die sich nach der oben unterstellten Gewinnausschüttung (4,5 Mio. Euro) noch im Rechtskleid der Kapitalgesellschaft befinden, weitere 600.000 Euro Einkommensteuer schuldet, sobald er sie als Dividenden vereinnahmt. Hätte die Erbschaftsteuerlast in Höhe von 3 Mio. Euro steuerfrei aus der Kapitalgesellschaft ausgekehrt werden können, wären die vom Erblasser erwirtschafteten 10 Mio. Euro auch nach der Vermögensübertragung gleich hoch belastet gewesen: Den Erben wären jeweils 3,6 Mio. Euro verblieben. 1424 Vgl. oben Kapitel 13 Abschn. B.I., S. 313 ff. 1425 Vgl. oben Kapitel 13 Abschn. B.II., S. 314 ff.

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Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

teil der Umsatzsteuereinnahmen am Gesamtsteueraufkommen zu erhöhen. Die Mehreinnahmen aus einer Anhebung des Umsatzsteuersatzes wären dazu zu verwenden, eine Absenkung des Einkommensteuertarifs zu finanzieren (aufkommensneutrale Umstrukturierung des Gesamtsteueraufkommens). Der beständig steigende Anteil der Umsatzsteuer am Gesamtsteueraufkommen und das hiermit einhergehende abnehmende Gewicht der Einkommensteuer1426 zeigen, wie ausgiebig sich der der Gesetzgeber dieses Instrumentariums in der Vergangenheit bedient hat. Die Anhebung des Umsatzsteuersatzes und Absenkung des Einkommensteuertarifs wird regelmäßig keinen Einfluss auf die sachgerechte Höhe des Erbschaftsteuertarifs haben. Hier wirken zwei gegenläufige Effekte, die sich jedenfalls bei einer maßvollen Veränderung der Steueraufkommensstruktur weitgehend ausgleichen. Zwar wäre die Besteuerung des Lebensendvermögens via Erbschaftsteuer zu verschärfen, um die nicht getragene – und nunmehr ja erhöhte – Umsatzsteuerlast zu kompensieren (Erbschaftsteuer als Annexsteuer zur Einkommensteuer des Erblassers1427). Die Reinvermögensmehrung des Erben wäre hingegen geringer zu belasten, da sie mit dem abgesenkten Einkommensteuertarif korrespondiert (Annexsteuer zur Einkommensteuer des Rechtsnachfolgers1428).

Altkapitalbestand Eine Intensivierung der nachgelagerten Besteuerung hätte allerdings zu berücksichtigen, dass erhöhte Umsatzsteuersätze auch die akkumulierten Kapitalbestände erfassen, sobald die Ersparnisse aufgelöst werden. Diese haben aber noch dem alten, d.h. nicht aufkommensneutral abgesenkten Einkommensteuertarif unterlegen (Übergangsproblematik). Deshalb wird die steuerliche Lastenausteilung über eine Erhöhung des Anteils der indirekten Steuern am Gesamtsteueraufkommen nur in kleinen Schritten am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet werden können. So ist es bei einer indirekt erhobenen Verbrauchsteuer unmöglich, zwischen zum Konsum verwendeten Altkapitalbeständen und aktuellen Periodeneinkünften zu differenzieren. „Bedenklich“ sind die Umverteilungen von ältere an jüngere Generationen bzw. vermögende an einkommensstarke Steuerpflichtige nach Stefan Homburg nur bei „schlagartigen Umstellungen des gesamten Steuersystems“1429. Erhöhte der Gesetzgeber den Umsatzsteuersatz des § 13 Abs. 1 UStG beispielsweise von 16% auf 32%, um auf die Erhebung einer 1426

Mit 140,9 Mrd. Euro in 2000 machten die Umsatzsteuereinnahmen 95% des Einkommensteueraufkommens aus, vgl. Stbg 2002, Heft 3, M10. Noch in 1999 betrug dieser Anteil nur 85%, vgl. Bundesministerium der Finanzen, Datensammlung zur Steuerpolitik, 2000, S. 32 f. 1427 Vgl. dazu oben Abschn. A.II.1., S. 326 ff. 1428 Vgl. dazu oben Abschn. A.II.2., S. 327 ff. 1429 S. Homburg, Steuerlehre2 (FN 33), S. 143.

C. Intensivierung der partiell nachgelagerten Besteuerung

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Einkommensteuer verzichten zu können, würden zum Konsum verwendete Altkapitalbestände doppelt belastet. II. Zweidritteleinkünfteverfahren, Vierfünfteleinkünfteverfahren Auch das Halbeinkünfteverfahren ermöglicht es dem Gesetzgeber, die steuerliche Lastenausteilung schrittweise am nachgelagerten Korrespondenzprinzip auszurichten. Soll die nachgelagerte Besteuerung intensiviert werden – und sei es nur, weil Globalisierungszwänge eine nochmalige Absenkung des Körperschaftsteuersatzes erfordern1430 –, kann die 25%-ige Körperschaftsteuer und hälftige Dividendenbesteuerung z. B. durch ein Zweidritteleinkünfteverfahren ersetzt werden. Würden Dividenden zu zwei Dritteln in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen, wäre bei einem Einkommensteuerspitzensatz von 40% (50%) eine Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 17,5%1431 (25%1432) gerechtfertigt. Würden Dividenden zu 80% der Einkommensteuer unterliegen (Vierfünfteleinkünfteverfahren), könnte der Körperschaftsteuersatz auf 11%1433 bzw. 15%1434 reduziert werden. Altkapitalbestand Anders als die Erhöhung des Anteils der Umsatzsteuer am Gesamtsteueraufkommen ermöglicht der Ausbau des Halbeinkünfteverfahrens zu einem Zweidrittel- oder Vierfünfteleinkünfteverfahren Übergangsregelungen für Altkapitalbestände. So kann bei der Ausschüttung von Kapitalgesellschaftsgewinnen, die nun nicht mehr nur zur Hälfte, sondern beispielsweise zu zwei Dritteln oder vier Fünfteln in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einfließen, die körperschaftsteuerliche Vorbelastung entsprechend abgesenkt werden. Zweckmäßigerweise würde die Thesaurierungsbelastung 1430 So rät z. B. Herzig, „einen Umbau der Steuersysteme mit einer deutlich stärkeren Gewichtung der Konsumbesteuerung in Angriff zu nehmen“, wenn es nicht gelingt, „die aufgezeigte Erosionsgefahr bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu stoppen“ (ders., Steuern erlangen im globalen Wettbewerb ein Element der Freiwilligkeit, FAZ v. 02.07.2001, S. 29). Vgl. auch bereits N. Herzig, Globalisierung und Besteuerung, Wpg 1998, 280 (289). 1431 17,5% KSt + ([1 – 17,5% KSt] * 2/3) * 40% ESt = 17,5% KSt + 22% ESt = 39,5% [ESt+KSt]. 1432 25% KSt + ([1 – 25% KSt] * 2/3) * 50% ESt = 25% KSt + 25% ESt = 50% [ESt+KSt]. 1433 11% KSt + ([1 – 11% KSt] * 4/5) * 40% ESt = 11% KSt + 28,5% ESt = 39,5% [ESt+KSt]. 1434 15% KSt + ([1 – 15% KSt] * 4/5) * 50% ESt = 15% KSt + 34% ESt = 49% [ESt+KSt].

0%

5%

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15 %

20 %

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30 %

35 %

40 %

2/3-Einkünfteverfahren

4/5-Einkünfteverfahren

ESt-Spitzensatz = 50 %

Abbildung 3: Intensivierung der partiell nachgelagerten Besteuerung – Körperschaftsteuersatz (erforderliche Thesaurierungsbelastung) beim Halbeinkünfte-, Zweidritteleinkünfte- und Vierfünfteleinkünfteverfahren

1/2-Einkünfteverfahren

ESt-Spitzensatz = 40 %

352 Kap. 14: Verwirklichung in der steuerlichen Lastenausteilung

C. Intensivierung der partiell nachgelagerten Besteuerung

353

auf Unternehmensebene abgesenkt. Als Vorbild kommt die Herabschleusung der Körperschaftsteuerbelastung auf einheitliche 30% beim Übergang vom Vollanrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren in Betracht (Überleitungsrechnung gemäß § 27 KStG n. F.). Kapitel 15

Brühler Empfehlungen zur Besteuerung der Personenunternehmen, insbesondere Körperschaftsteuer-Option Die Unternehmenssteuerreform 2001 geht auf eine Koalitionsvereinbarung zurück, die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Anschluss an die Bundestagswahl 1998 getroffen haben. Hierin wurde das Ziel formuliert, ein Unternehmenssteuerrecht zu schaffen, das „alle Unternehmenseinkünfte mit höchstens 35% besteuert“1435. Da die Koalitionsparteien nicht beabsichtigten, den Spitzensatz der Einkommensteuer entsprechend abzusenken, war das politische Ziel einer Spreizung zwischen unternehmenssteuerlicher Thesaurierungsbelastung und Spitzensatz der Einkommensteuer formuliert. Eine Bund-Länder-Kommission unter Beteiligung von Wissenschaft und Verbänden, die sog. Brühler Kommission, wurde beauftragt, kurzfristig umsetzbare Reformvorschläge zur Verwirklichung dieser politischen Zielsetzung zu erarbeiten. Die Brühler Empfehlungen1436 rieten, das körperschaftsteuerliche Vollanrechnungsverfahren durch eine definitive Körperschaftsteuer von 25% und die hälftige Einbeziehung von Dividenden in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage zu ersetzen (Halbeinkünfteverfahren1437). Dem ist der Gesetzgeber mit dem StSenkG gefolgt (§§ 23 Abs. 1 KStG; 3 Nr. 40 EStG). Auch Personenunternehmen sollte die niedrige Thesaurierungsbelastung zugänglich gemacht werden, wofür mit der Körperschaftsteuer-Option sowie Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns zwei Modelle vorgeschlagen wurden. Zudem zeichneten die Brühler Empfehlungen in einem Anhang zu den „Perspektiven der Unternehmenssteuerreform“ einen Weg auf, alle investierten Einkünfte von der Einkommensteuer abzuschichten (Inhabersteuer1438). Insoweit hat der Gesetzgeber die Empfehlungen der Brühler Kommission nicht aufgegriffen, auch wenn die Körper1435 Vgl. Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 20.10.1998, S. 16. 1436 Vgl. Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe Heft 66, 1999. 1437 Vgl. zu derartigen (gemeinschaftsweiten) Shareholder Relief-Systemen bereits Ruding-Kommission, Bericht, BT-Drucks. 13/4134, S. 219 f.

354

Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

schaftsteuer-Option noch Eingang in den StSenkG-Entwurf der Koalitionsfraktionen gefunden hat (§ 4a KStG-E1439). Stattdessen können Personenunternehmen die Gewerbesteuer pauschaliert auf die Einkommensteuer anrechnen, § 35 EStG n. F.

Wären auch einbehaltene Gewinne von Personenunternehmen der niedrigen körperschaftsteuerlichen Thesaurierungsbelastung unterworfen worden, hätte der Gesetzgeber einen Pfad beschritten, den Werner Flume1440 in der Tradition von Carl Boettcher1441 und dem Betriebssteuerausschuss 19491442 mit der Forderung bereitet hat, die Besteuerung des Unternehmers von der Belastung des einbehaltenen Gewinns („Objektivum“) zu separieren.1443 Diesem Gedanken folgt die von der Brühler Kommission vorgeschlagene Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns, die unten in Abschn. A. auf den Seiten 355 ff. erörtert wird. Würde diese Empfehlung aufgegriffen, wäre ein erster Schritt in Richtung einer partiell nachgelagerten Besteuerung getan. Während Klaus Tipke eine Betriebssteuer unter Gleichheitsaspekten noch dahingehend kritisierte, dass investiertes und konsumiertes Einkommen von Nichtunternehmern unterschiedslos belastet werde1444, haben die Reformvorschläge von Joachim Lang diesen Mangel behoben. Sie sehen vor, alle investierten Reinvermögensmehrungen einer Tarifbelastung zuzuführen, die 1438 Vgl. J. Lang, Perspektiven der Unternehmensteuerreform, in Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), Anhang Nr. 1. 1439 Vgl. StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5). 1440 Vgl. W. Flume, Die Betriebsertragsteuer als Möglichkeit der Steuerreform, DB 1971, 692 (694); ders., Einige Gedanken zur Steuerreform, StbJb 1971/72, S. 31 (37 ff.); ders., Besteuerung und Wirtschaftsordnung, StbJb 1973/74, S. 53 (67 ff.). Vgl. dazu auch B. Knobbe-Keuk, Möglichkeiten und Grenzen einer Unternehmenssteuerreform, DB 1989, 1303 (1305 f.); G. Heidinger, Nochmals: Für und Wider Betriebsteuer – zu den Argumenten des 53. DJT aus der Sicht eines Österreichers, StuW 1982, 268 ff.; ders., Österreich: Reform der Unternehmensbesteuerung in kleinen Schritten?, StuW 1985, 67 (72 ff.). 1441 Vgl. C. Boettcher, Vorschlag eines Betriebssteuerrechts, StuW 1949, 67 ff. 1442 Vgl. Betriebsteuerausschuss der Verwaltung für Finanzen, Bericht und Gesetzentwürfe zur Betriebsteuer, StuW 1949, 929 ff. 1443 Vgl. dazu auch B. Knobbe-Keuk, Empfiehlt sich eine rechtsformunabhängige Besteuerung von Unternehmen?, in Deutscher Juristentag (DJT) (Hrsg.), Verhandlungen des 53. DJT, 1980, Bd. 2 Teil O, S. O9 (O12 ff.); J. Englisch, Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung bei Ertragsteuern, DStZ 1997, 778 (783 ff.). Krit. zum Betriebssteuerkonzept W. Walz, Empfiehlt sich eine rechtsformunabhängige Besteuerung der Unternehmen?, in Deutscher Juristentag (Hrsg.), Gutachten F zum 53. Deutschen Juristentag, 1980, F61 ff.; R. Wendt, Reform der Unternehmensbesteuerung aus europäischer Sicht, StuW 1992, 66 (76). 1444 Vgl. K. Tipke, Zur Problematik einer rechtsformunabhängigen Besteuerung der Unternehmen, NJW 1980, 1079 (1080). Ebenso bereits D. Pohmer, Zur Abstimmung des Steuersystems auf die Wirtschaftsordnung, Finanzarchiv N.F. 15 (1954/ 55), 373 (381).

A. Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns

355

den Spitzensatz der Einkommensteuer unterschreitet.1445 Hierfür hat Lang die Inhabersteuer entwickelt, die unten in Abschn. B. auf den Seiten 362 ff. erörtert wird. Die Inhabersteuer würde Einkommen insgesamt partiell nachgelagert besteuern (Besteuerungsaufschub für sämtliche investierten Reinvermögensmehrungen). Besondere Beachtung verdient jene Brühler Empfehlung, die Eingang in den Entwurf des StSenkG gefunden hat, nämlich die KörperschaftsteuerOption für Mitunternehmerschaften und Einzelunternehmer mit Gewinneinkünften, § 4a KStG-E. Mit ihr beschäftigt sich Abschn. C. auf den Seiten 367 ff. Könnten alle Einkommensteuersubjekte für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft optieren, wäre Einkommen partiell nachgelagert besteuert, ohne dass es hierfür eines großen gesetzgeberischen Reformaufwandes bedürfte. Der Gesetzgeber könnte an die Regelungen des geltenden Körperschaftsteuerrechts anknüpfen, weshalb nach Brigitte Knobbe-Keuk „technische Schwierigkeiten gegen ein Optionsrecht nicht geltend gemacht werden können“1446.

Auch Harald Schaumburg meint: „Jeder Steuerberater in Deutschland, der sich heute mit Formwechsel beschäftigt, wird überhaupt kein Problem haben, den § 4a KStG anzuwenden.“1447

A. Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns Die Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns wurde von der Brühler Kommission in zwei (Nachbelastungs-)Varianten empfohlen.1448 Die Einheitslösung, die den „Einstieg in die Inhabersteuer erleichtert“1449, 1445 Vgl. J. Lang, Reform der Unternehmensbesteuerung, StuW 1989, 3 (10 f.); ders., Reform der Unternehmensbesteuerung auf dem Weg zum Europäischen Binnenmarkt, StuW 1990, 107 (118 f.); ders., Steuergesetzbuch (FN 69), Rn. 280 ff; ders., Unternehmenssteuerreform, in Elschen/Siegel/Wagner (Hrsg.), Unternehmenstheorie und Besteuerung, FS Schneider, 1995, S. 399 (417); ders., Notwendigkeit und Verwirklichung der Unternehmensteuerreform (FN 1271), S. 33 (52). Vgl. auch bereits G. Heidinger, Betriebsteuer und vollsynthetische Einkommensteuer – Vorschläge zu einer rationalen Unternehmens- bzw. Einnahmenbesteuerung, 1983, S. 90 ff.; ders., Reform der Unternehmensbesteuerung als Voraussetzung für eine horizontale Steuergerechtigkeit, in Doralt/Gassner/Lechner/Ruppe/Tanzer/Werndl (Hrsg.), FS Stoll, 1990, S. 53 (66 ff.) [generelle Trennung von betrieblicher und privater Sphäre]. 1446 B. Knobbe-Keuk, Ist das deutsche Körperschaftsteueranrechnungsverfahren zu halten? in Kirchhof/Offerhaus/Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, FS Klein, 1994, S. 353 (359 FN 49). 1447 H. Schaumburg, Wortprotokoll Nr. 57 der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum StSenkG v. 23.03.2000, S. 179 f. 1448 Vgl. dazu Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 82 ff.

356

Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

rechnet die Vorbelastung der einbehaltenen Gewinne auf die Einkommensteuer an, welche im Zeitpunkt der Gewinnentnahme zur Entstehung gelangt; bei der sog. Trennungslösung fließen Entnahmen – ebenso wie Dividenden – nur zur Hälfte in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage ein. I. Ersparnisbildung 1. Vorgängervorschrift § 32b EStG 1951 – Körperschaftsteuertarif für einbehaltene Einkünfte aus Gewerbebetrieb Das Sondertarifierungsmodell differenziert in Anlehnung an das Körperschaftsteuerrecht zwischen thesaurierten und entnommenen Gewinnen (ermäßigter Steuersatz für im Betrieb verbleibende Gewinne1450). Das für die Besteuerung von Kapitalgesellschaften typische Trennungsprinzip wird auf Personengesellschaften und Einzelunternehmer übertragen. Insoweit entspricht die Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns der Vorschrift des § 32b EStG 19511451, die – vor dem Hintergrund eines klassischen Körperschaftsteuersystems – eine „besondere Betriebssteuer gegenstandslos werden lassen“1452 sollte: Auf Antrag unterlagen nicht entnommene Gewinne von Gewerbetreibenden der Körperschaftsteuer (Einkünfte aus Gewerbebetrieb abzüglich angemessener Unternehmervergütung und Entnahmen1453).1454 Entnahmen sowie Gewinne, die der Gewerbe1449 Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 83. Vgl. zur Inhabersteuer unten Abschn. B., S. 362 ff. 1450 Vgl. zu einem Gesetzesvorschlag für das Sondertarifierungsmodell, der in § 2 Abs. 5 Satz 2 EStG-E die Einkünfte, die dem ermäßigten Steuersatz unterlegen haben, aus dem zu versteuerndem Einkommen ausgrenzt, Bundesministerium der Finanzen, Administrierbarkeit der Modelle zur Unternehmenssteuerreform bei Finanzverwaltung, Steuerpflichtigen und Steuerberatern, BMF-Schriftenreihe Heft 67, 2000, S. 62 ff. 1451 BGBl. 1951 I S. 411 (413, 417); BGBl. 1952 I S. 302. § 32b EStG 1951 wurde abgeschafft durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24.06.1953, BGBl. I S. 413. 1452 F. Merkle, Zur Problematik des § 32b EStG, Wpg 1951, 451 (452). Vgl. zu § 32b EStG 1951 J.-P. Voß, Erfahrungen und Schwierigkeiten bei der Anwendung des Körperschaftsteuersatzes auf Gewinne aus Gewerbebetrieb von Einzelkaufleuten und Personengesellschaften (§ 32b EStG 1951), IFSt-Schrift Nr. 324, 1994, S. 18 ff.; R. Grieger, Anwendung des Körperschaftsteuersatzes auf Gewinne aus Gewerbebetrieb natürlicher Personen, BB 1951, 481 ff., 889 ff. (Ergänzung); ders., Zur Entscheidung der Frage, ob § 32b EStG in Anspruch genommen werden soll, DStZ 1952, 327 f.; Theis, Risiko und Folgen der Option (§ 32b EStG), DB 1951, 552 f.; Siara, Anwendung des Körperschaftsteuertarifs auf gewerbliche Einkünfte – § 32b EStG in der Praxis, DB 1951, 512 f.; F. Merkle, § 32b EStG in der Praxis, Wpg 1952, 437 ff.

A. Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns

357

treibende zu Lebzeiten nicht entnommen hatte (Lebensendvermögen1455), wurden einkommensteuerlich nachversteuert. Hierin unterschied sich § 32b EStG 1951 von § 10a EStG 19901456 (Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns), der investierte Reinvermögensmehrungen Vertriebener und politisch Verfolgter1457 endgültig von der Einkommensteuer befreite.1458 Um den Anwendungsschwierigkeiten1459 des § 32b EStG 1951 zu begegnen, schlug die Brühler Kommission vor, die Sondertarifierung nicht an eine dreijährige Bindung zu knüpfen und weder einen fiktiven Unternehmerlohn noch Einlagen zu berücksichtigen, die kurz vor dem Bilanzstichtag erfolgt sind.1460 So sollen die „in der Nachkriegszeit vorgeschlagenen Konzepte einer Begünstigung des nichtentnommenen Gewinns überwiegend daran gescheitert [sein], dass die Teilhaber im Laufe eines Wirtschaftsjahres Beträge für ihren Unterhalt entnommen und diese kurz vor Jahresende wieder eingelegt haben.“1461

2. Sämtliche Gewinneinkunftsarten sowie private Vermögensverwaltung Das Sondertarifierungsmodell der Brühler Kommission unterscheidet sich aber nicht nur in steuertechnischer Hinsicht1462 von § 32b EStG 1951. Ins1453

§ 32b Abs. 2 u. 3 EStG 1951. Vgl. auch Verwaltungsanordnung zu § 32b EStG vom 23.08.1952, BStBl I 1952, 771 ff. 1455 § 32b Abs. 7 Nr. 2 EStG 1951. Nach § 50a Abs. 6 EStDV wurde die Steuerschuld aus der Besteuerung des Lebensendvermögens allerdings solange nicht erhoben, wie § 32b EStG bei der Veranlagung des Rechtsnachfolgers zur Anwendung gelangte, der Nachlass also in investiver Verwendung verblieb, vgl. R. Grieger, Körperschaftsteuersatz auf Gewinne aus Gewerbebetrieb (FN 1452), BB 1951, 481 (891). 1456 BGBl. 1990 I S. 1898. 1457 § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2. EStG 1990. 1458 § 10a Abs. 2 EStG 1990 sah eine Nachversteuerung der einbehaltenen Gewinne nur ihrer Entnahme in den nachfolgenden drei Veranlagungszeiträumen vor, vgl. dazu U. Clausen, in H/H/R (FN 58), § 10a EStG, Lfg. 167 09/1991, Anm. 2. 1459 Vgl. J.-P. Voß, Körperschaftsteuersatz auf Gewinne aus Gewerbebetrieb (FN 1452), IFSt-Brief Nr. 324, S. 25. 1460 Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 86 f. Vgl. dazu allerdings nachfolgenden Abschn. 2., S. 357 (kein Verbot der Berücksichtigung von Einlagen und Entnahmen, die sich im Jahresverlauf gerade ausgleichen). 1461 W. Schön, Unternehmenssteuerreform (FN 634), Stbg 2000, 1 (13). 1462 Vgl. zu den steuertechnischen Einzelheiten des Sondertarifierungsmodells H. Schaumburg, Unternehmensbesteuerung für Personengesellschaften und Einzelunter1454

358

Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

besondere sollte es nicht nur Personenunternehmen mit gewerblichen Einkünften zugänglich gemacht werden, sondern „allen Unternehmern i. S. d. UStG, die verpflichtet sind Bücher zu führen oder freiwillig Bücher führen“1463.

Die niedrige Thesaurierungsbelastung hätte nach dem Kommissionsvorschlag demnach zum einen allen Gewinneinkunftsarten offen gestanden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–3 EStG). Zum anderen wäre auch die private Vermögensverwaltung1464 in den Anwendungsbereich des Sondertarifierungsmodells einbezogen worden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5–7 EStG). Insoweit sind die Steuerpflichtigen ebenfalls selbständig und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig, § 2 Abs. 1 Sätze 1 u. 3 UStG.1465 3. Investierte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit? Lediglich die „nicht entnommenen“, d.h. investierten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wären von der Sondertarifierung ausgeschlossen gewesen, §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V. m. 19 EStG. Arbeitnehmer werden nicht selbständig tätig und sind deshalb keine Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne. Die Betätigung ihres geschäftlichen Willens steht unter der Leitung des Arbeitgebers, § 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV (Weisungsgebundenheit). Auch wenn die umsatzsteuerliche Eingrenzung der unternehmerischen Betätigung vordergründig plausibel erscheint, hat Peter Bareis1466 „als Steuerökonom gewisse Schwierigkeiten mit dem [steuerjuristischen] Begriff nehmen, in Institut der Wirtschaftsprüfer (IdW) (Hrsg.), Zukunft der Unternehmensbesteuerung, 1999, S. 74 (84 ff.). 1463 Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 84. 1464 Seite 84 des Kommissionsberichts (FN 1463) bezieht zwar lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) in den Anwendungsbereich des Sondertarifierungsmodells ein. Auf Seite 20 heißt es jedoch, dass „diese Besteuerungsform auch [. . .] den vermögensverwaltenden Unternehmen zugänglich gemacht wird“. Da auch die Erwerb von Wertpapieren zur privaten Vermögensverwaltung zählt, müssten Steuerpflichtige mit Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) und privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG) ebenfalls für die Sondertarifierung des nicht entnommenen „Gewinns“ optieren können. Der Gesetzentwurf zum Sondertarifierungsmodell, der den im Auftrag des Bundesfinanzministeriums durchgeführten Planspielen zugrunde lag, beschränkte die 25%-ige Besteuerung allerdings auf die Gewinneinkunftsarten, vgl. Bundesministerium der Finanzen, Administrierbarkeit der Unternehmenssteuerreform (FN 1450), S. 62. 1465 Vgl. zum umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriff W. Reiß, in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 14 Rz. 103 ff. 1466 P. Bareis, Diskussionsbeitrag, in S. Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 58.

A. Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns

359

des Unternehmers oder des Unternehmens“. So sei ein „Arbeitnehmer Unternehmer seines Wissens, seiner Fähigkeiten, seiner Kenntnisse, seiner Fertigkeiten“, auch wenn es an einer selbständigen Tätigkeit im umsatzsteuerlichen Sinne fehle. Insbesondere sind keine Leistungsfähigkeitsgesichtspunkte ersichtlich, die eine Ausgrenzung gesparten Arbeitseinkommens von der niedrigen Thesaurierungsbelastung rechtfertigen könnten.1467 Investierte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dienen nicht weniger als einbehaltene Gewinne aus Gewerbebetrieb oder reinvestierte Vermögenserträge der Erzielung von Kapitaleinkommen. Gespartem Arbeitseinkommen ist infolgedessen ebenso ein (teilweiser) Besteuerungsaufschub zu gewähren wie anderen investierten Reinvermögensmehrungen.1468 Allerdings mag der Ausschluss der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vom Sondertarifierungsmodell allein auf dem Kommissionsauftrag beruhen, Vorschläge für ein neues Unternehmenssteuerrecht zu unterbreiten. Jedenfalls ist er keineswegs zwingend.1469 So ziehen die Brühler Empfehlungen schon keine klare Trennlinie zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten. Auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V. m. 21 EStG) sollten auf Antrag dem einkommensteuerlichen Sondertarif unterliegen.1470 Würde dieser Steuersatz auch auf investiv verwendete Löhne und Gehälter, für die freiwillig Bücher geführt werden, Anwendung finden, könnten sämtliche Ersparnisse aus niedrig belasteten Reinvermögensmehrungen gebildet werden. Die erste Voraussetzung einer partiell nachgelagerten Besteuerung, nämlich ein Thesaurierungssatz, der die einkommensteuerliche Regelbelastung unterschreitet, wäre gegeben. II. Gewinnentnahme Für die Nachbelastung der entnommenen Gewinne hat die Brühler Kommission die Einrichtung eines zusätzlichen Entnahmekontos auf Personengesellschafts- bzw. Einzelunternehmensebene vorgeschlagen (sog. Nachversteuerungskonto).1471 Auf dem Nachversteuerungskonto wären sämtliche 1467 So z. B. auch W. Schön, Unternehmenssteuerreform (FN 634), Stbg 2000, 1 (9); J. Hey, Rechtsformneutralität (FN 1395), DStJG 24 (2001), S. 155 (220). 1468 So z. B. auch M. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit (FN 890), S. 84 f. mit Verweis auf Dorenkamp/Hey/Raber, Unveröffentlichtes Votum zur Verfassungsmäßigkeit der Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns, Unterarbeitsgruppe der DStJG-Arbeitsgruppe Steuerreform, 1999, Gliederungspunkt IV.3. 1469 Diese „Heilungsmöglichkeit“ der Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns wird nicht problematisiert von L. Schemmel, Zur Reform der Unternehmensbesteuerung: Geplante Tarifspreizung verfassungskonform?, Sonderinformation 36 des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler, S. 35 ff. 1470 Vgl. Nachweise in FN 1464.

360

Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

Einkünfte zu buchen, die der (25%-igen) Thesaurierungsbelastung unterlegen haben (sondertarifierter Gewinn). Entnahmen hätten entweder dem Regeltarif des § 32a EStG unterlegen, wobei die Thesaurierungsbelastung auf die Einkommensteuerschuld angerechnet worden wäre (Einheitslösung), oder dem Halbeinkünfteverfahren (Trennungslösung, 3 Nr. 40 EStG-E). Im Interesse einer „one-way-Lösung wie bei Ausschüttungen aus Kapitalgesellschaften“1472 sollten Entnahmen vorrangig aus dem Nachversteuerungskonto vorgenommen und Einlagen dem normalen Privatkonto („freies Entnahmekonto“1473) gutgeschrieben werden. Während der Planspiele zur Administrierbarkeit der Unternehmenssteuerreform ist die Ministerialbürokratie allerdings von dieser Forderung jedenfalls für die Fälle abgewichen, in denen sich Entnahmen und Einlagen im Jahresverlauf ausgleichen.1474 Insoweit werden Ersparnisse nicht aufgelöst.

Sowohl die Einheitslösung als auch die Trennungslösung würden die Ersparnisauflösung nachbelasten und damit den Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen verwirklichen. Insbesondere geht eine nach dem Sondertarifierungsmodell nachbelastungspflichtige Entnahme nämlich regelmäßig auch mit einer konsumtiven Verwendung der betreffenden Reinvermögensmehrungen einher (keine Reinvestition), da die Brühler Kommission Möglichkeiten steuerneutraler horizontaler und vertikaler Betriebsvermögenstransfers vorgeschlagen hatte (aufgeschobene Besteuerung [Buchwerterfassung der betreffenden Wirtschaftsgüter auf dem Nachversteuerungskonto]).1475 Unter der Voraussetzung seiner Öffnung für alle Einkommensteuersubjekte1476 würde das Sondertarifierungsmodell Einkommen partiell nachgelagert besteuern. III. Grenzüberschreitende Sachverhalte Das Sondertarifierungsmodell besteuert Einkommen auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten einmal. Investierte Auslandsgewinne unterliegen, soweit sie nicht ohnehin DBA-rechtlich von der Besteuerung befreit sind (z. B. Betriebsstätteneinkünfte, Art. 7 OECD-MA), ebenso dem ermäßigten Steuersatz wie Inlandseinkünfte. Sie sind dem Nachversteuerungs1471 Vgl. Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 84. 1472 Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 85. 1473 Bundesministerium der Finanzen, Administrierbarkeit der Unternehmenssteuerreform (FN 1450), S. 32. 1474 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Administrierbarkeit der Unternehmenssteuerreform (FN 1450), S. 37, 48. 1475 Vgl. Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 85. 1476 Vgl. dazu oben Abschn. I.3., S. 358 ff.

A. Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns

361

konto gutzuschreiben, eine etwaige Belastung im Quellenstaat wäre auf die inländische Steuer anzurechnen, § 34c EStG.1477 Im Ausland getätigte Investitionen, d.h. z. B. die Ausstattung ausländischer Betriebsstätten mit Dotationskapital, lösen keine Nachversteuerung aus. Es fehlt an einer Entnahme im Sinne des § 5 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 EStG-E1478, da keine Wirtschaftsgüter vom betrieblichen in den privaten oder einen anderen betriebs- bzw. berufsfremden Bereich wechseln.1479 Steuerausländer können Inlandsinvestitionen ebenfalls aus Inlandseinkünften tätigen, die der niedrigen Thesaurierungsbelastung unterlegen haben. So steht die Sondertarifierung ausländischen Gesellschaftern inländischer Personenunternehmen ebenso offen wie inländischen Betriebsstätten ausländischer Personenunternehmen (§§ 1 Abs. 4 i.V. m. 49 Abs. 1 EStG). Die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage ist auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht „um den Betrag des ermäßigt besteuerten Gewinns zu mindern“1480. Zwecks Nachbelastung der Ersparnisauflösung hat die Brühler Kommission eine branch tax1481 vorgeschlagen, um auch die Entnahmen von Personenunternehmer im Ergebnis einmal zu belasten, die im Ausland ansässig sind.1482 Einer Wegzugsbesteuerung bedarf die Verwirklichung des Grundsatzes der Einmalbelastung von Einkommen nicht. Wird eine branch tax auf Entnahmen beschränkt steuerpflichtiger Personenunternehmer erhoben1483, fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung einer steuersystematisch erforderlichen Wegzugsbesteuerung, nämlich der Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat. Eine Wegzugsbesteuerung wäre infolgedes1477

Vgl. Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 84. 1478 Vgl. Gesetzesvorschlag des Bundesministeriums der Finanzen zum Sondertarifierungsmodell (Administrierbarkeit der Unternehmenssteuerreform [FN 1450], S. 63): „Auf dem Nachversteuerungskonto sind aufzuzeichnen: [. . .] 2. Entnahmen [. . .].“ 1479 Vgl. zu dieser Entnahmedefinition R 14 Abs. 2 EStR 1999. Vgl. auch F. Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer (Hrsg.), Doppelbesteuerung – Kommentar, Bd. I: Systematik und Kommentierung des OECD-MA, Stand 03/2002 (86. Erg.Lief.), Art. 7 OECD-MA Rz. 243. 1480 § 2 Abs. 5 Satz 2 EStG-E (Bundesministerium der Finanzen, Administrierbarkeit der Unternehmenssteuerreform [FN 1450], S. 64). 1481 Vgl. zu ähnlichen Regelungen im Rahmen der Körperschaftsteuer-Option für Personenunternehmen (§ 4a KStG), die aufgrund des faktischen Trennungsprinzips zwischen Unternehmens- und Unternehmerebene auf Entnahmen sondertarifierter Personenunternehmer übertragbar sein dürften, unten Abschn. C.IV.3., S. 381 ff. [Kapitalertragsteuerpflicht von Entnahmen]. 1482 Vgl. Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 86. 1483 Vgl. dazu FN 1481.

362

Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

sen gemeinschaftsrechtswidrig (keine Rechtfertigung der Beschränkung EGrechtlicher Grundfreiheiten durch Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung).1484 Auf eine Steuerverstrickung im Zuzugsstaat kommt es nicht mehr an. IV. Lebensendvermögen Soweit die sondertarifierten Gewinne zu Lebzeiten des Personenunternehmers nicht entnommen wurden, haben sie zu seinen Lebzeiten nicht der einkommensteuerlichen Regelbelastung, sondern lediglich dem niedrigen Sondertarifierungssatz unterlegen. Deshalb ist eine Lebensendvermögensbesteuerung erforderlich. Da auf die Bereicherung des Erben zugleich der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist (Thesaurierungsbelastung), belastet ein Erbschaftsteuertarif in Höhe der einkommensteuerlichen Regelbelastung sowohl das Erblassereinkommen nach als auch das Erbeneinkommen vor (Doppelfunktion der Erbschafteuer bei partiell nachgelagerter Besteuerung), vgl. dazu oben Kapitel 13 Abschn. A.II.2.b), Seiten 309 ff. Allerdings ist die Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung zu lösen (steuerfreie Entnahme), soweit der Rechtsnachfolger den Nachlass zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld benötigt. In Höhe der Nachlassverbindlichkeit aus der nachholenden Besteuerung des Erblassereinkommens ist er ebenso wenig bereichert wie in Höhe der Thesaurierungsbelastung, vgl. dazu oben Kapitel 12 Abschn. C.II.2., Seiten 297 ff. sowie Kapitel 13 Abschn. A.II.2.b) a. E., Seiten 309 ff.

B. Inhabersteuer Im Rahmen seiner Mitarbeit in der Brühler Kommission entwickelte Joachim Lang1485 als „Perspektive der Unternehmenssteuerreform“ die Inhabersteuer.1486 Sie ist auf „kleine und mittelständische Unternehmen zugeschnitten“. Ihr Tarif korrespondiert mit der Höhe des Körperschaftsteuersatzes, was die „Thesaurierungsneutralität der Unternehmensbesteuerung optimiert“. Die inhabersteuerliche Vorbelastung wird „auf der Ebene der Einkommensteuer durch ein möglichst einfaches und gegen Missbrauch gesichertes Verfahren voll berücksichtigt“1487. Die Inhabersteuer steht auch Nichtunternehmern offen. Da insbesondere auch investierte Einkünfte von 1484

Vgl. oben Kapitel 9 Abschn. D.I.3.c), S. 246 ff. Vgl. J. Lang, Perspektiven der Unternehmensteuerreform, in Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), Anhang Nr. 1. Die Ausarbeitung enthält einen Gesetzesvorschlag (S. 36 ff) sowie eine Fallstudie (Anlage 2). 1486 Vgl. dazu z. B. D. Löhr, Wegweiser? (FN 1353), StuW 2000, 33 (42). 1487 J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 24. 1485

B. Inhabersteuer

363

Arbeitnehmern Zugang zu der niedrigen Thesaurierungsbelastung haben1488, wird sämtlichen investierten Reinvermögensmehrungen ein teilweiser Besteuerungsaufschub gewährt. I. Inhabersteuerliche Vorbelastung investierter Reinvermögensmehrungen 1. Einbehaltene Unternehmensgewinne Die Inhabersteuer knüpft an den umsatzsteuerlichen Unternehmensbegriff1489 an, ergänzt um das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht (Ausgrenzung der Liebhaberei).1490 Der Inhabersteuer unterliegen neben Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 EStG) die Überschusseinkunftsarten der privaten Vermögensverwaltung (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5–7 i.V. m. 20, 21, 23 EStG). Inhabersteuerpflichtig sind „mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte Betätigungen natürlicher Personen“1491.

Die „flexible Rechtsstruktur der Inhabersteuer“ ermöglicht auch natürlichen Personen, inhabersteuerpflichtige Beteiligungsunternehmen einzurichten, die sämtliche Vermögenswerte aktivieren (Kapitalgesellschaftsbeteiligungen, Investmentfonds-Anteile, Wertpapiere etc.).1492 So wird reinvestierten Reinvermögensmehrungen ebenfalls ein Besteuerungsaufschub gewährt, ein allokationsschädlicher lock in-Effekt1493 vermieden. 2. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Die Inhabersteuer steht auch investierten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit offen. So sollen Einlagen in ein inhabersteuerpflichtiges Beteiligungsunternehmen, die Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit entstammen, zum Abzug von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage berechtigen. Im Gegenzug unterliegen sie der Inhabersteuer.1494 Investierende Unternehmer und Nichtunternehmer erhalten gleichermaßen einen Besteuerungsaufschub. 1488 J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 49; ders., Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S 49 (109); ders., in Tipke/Lang, Steuerrecht17 (FN 38), § 8 Rz. 85 f. 1489 Vgl. dazu oben Abschn. A.I.2. a. E., S. 357 f. 1490 Vgl. J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 28. 1491 J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 36 [§ 2 Abs. 2 Satz 2 UntStG-E]. 1492 Vgl. J. Lang Inhabersteuer (FN 1485), S. 48. 1493 Vgl. dazu oben Kapitel 13 Abschn. C.II., S. 318 ff. 1494 Vgl. J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 49, 79.

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Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

II. Einkommensteuerliche Nachbelastung der Ersparnisauflösung Ihre Funktion als Vorsteuer zur Einkommensteuer hat zur Folge, dass die Inhabersteuer auf der Einkommensteuerebene voll berücksichtigt wird, sobald die Reinvermögensmehrungen das Beteiligungsunternehmen verlassen und in die Konsumsphäre des Investors gelangen (Gewinnausschüttung bzw. -entnahme).1495 Ursprünglich war für die Nachversteuerung der Ersparnisauflösung ein Auszahlungsabzugsverfahren vorgesehen1496, das auf dem sog. Dividendenabzugsverfahren beruhte (dividend paid deduction method1497). Entnahmen, Ausschüttungen und Gesellschaftervergütungen sollten gleichermaßen zum Abzug von der inhabersteuerlichen Bemessungsgrundlage berechtigen und beim Personenunternehmer als Gewinneinkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer unterliegen.1498 Die Einkünfte aus dem Beteiligungsbetrieb wären nach § 4 Abs. 3 EStG als Überschuss der Betriebseinnahmen (Auszahlungen) über die Betriebsausgaben zu ermitteln gewesen.1499 Die Berücksichtigung der inhabersteuerlichen Vorbelastung via Auszahlungsabzugsverfahren erfordert für den Fall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe allerdings eine Aufteilung des Eigenkapitals in Einlagen (EKE, z. B. Altkapital, Einlagen), inhaber- bzw. körperschaftsteuerlich vorbelastete Gewinnrücklagen (EK 25, steuergutschriftberechtigende Gewinnrücklagen) sowie unbelastetes Eigenkapital (EK 0, z. B. DBA-rechtlich steuerbefreite Betriebsstättengewinne).1500 Diese Gliederung erscheint nach Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahrens und seiner Ersetzung durch das Halbeinkünfteverfahren als „Anachronismus“, weshalb Joachim Lang nunmehr für ein einheitliches Nachbelastungsverfahren für inhaber- und körperschaftsteuerlich vorbelastete Reinvermögensmehrungen plädiert. Hierfür schlägt Lang – in Anlehnung an das italienische basket-Modell1501 – eine Teilanrechnung der Inhabersteuer (Körperschaftsteuer) auf die Einkommensteuer des Unternehmenseigners (Kapitalgesellschafters) 1495

Vgl. J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 27. Vgl. J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 41 ff. 1497 Vgl. dazu J. Hey, Unternehmensbesteuerung in Europa, 1997, S. 291 ff.; H.-W. Seiler, Zur Durchsetzung der Einmalbesteuerung deutscher Körperschaftsgewinne, 2000, S. 234. 1498 Vgl. auch J. Lang, Unternehmenssteuerreform pro GmbH (FN 29), GmbHR 2000, 453 (462 [FN 82]). 1499 Vgl. J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 42 f. Vgl. dazu auch ders., Prinzipien und Systeme der Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 49 (112). 1500 Vgl. zu dieser EK-Gliederung J. Lang, Inhabersteuer (1485), S. 44 f. 1501 Vgl. dazu E. Lobis, Neues Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren in Italien nach der Steuerreform, IStR 1999, 673 (675 ff.) [„Steuerkörbe A und B“]. 1496

B. Inhabersteuer

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vor.1502 Danach wird die Einkommensteuer, die auf die Einkünfte aus dem Beteiligungsbetrieb bzw. Dividenden entfällt und nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG ermittelt wird, um einen (nicht vergütungsfähigen) Teilanrechnungssatz gemindert. Dieser stellt typisierend die einkommensteuerliche Regelbelastung her. Die Höhe der Anrechnungsquote bildet nicht die exakt gezahlte Inhabersteuer (Körperschaftsteuer) ab, sondern orientiert sich an der regelmäßig erhobenen Thesaurierungsbelastung (25%).1503 III. Grenzüberschreitende Sachverhalte Aufgrund ihrer Vorsteuerfunktion ist die Inhabersteuer DBA-rechtlich als Einkommensteuer zu qualifizieren (Steuer vom Einkommen i. S. d. Art. 2 Nr. 2 OECD-MA).1504 Im Hinblick auf die Einmalbelastung von Einkommen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann infolgedessen auf die Ausführungen zur Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns verwiesen werden, vgl. dazu oben Abschn. A.III., Seiten 360 ff. Auslandseinkommen unterliegt, soweit nicht DBA-rechtlich steuerbefreit, bei investiver Verwendung ebenso wie Inlandseinkommen der Inhabersteuer (partieller Besteuerungsaufschub). Auslandsinvestitionen können aus lediglich inhabersteuerlich belasteten Gewinnen getätigt werden (kein nachbelastungswürdiger Einkommenstransfer in die Konsumsphäre). Personenunternehmen1505 sind mit ihren inländischen Einkünften beschränkt inhabersteuerpflichtig, wenn sie weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland haben (Thesaurierungsbelastung von Inlandsinvestitionen).1506 Auszahlungen aus dem inhabersteuerpflichtigen Beteiligungsbetrieb (Ersparnisauflösung) unterliegen als inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Dies gilt auch in DBA-Fällen, da es sich bei Gewinntransfers nicht um Di-

1502 Vgl. J. Lang, Prinzipien und Systeme der Einkommensbesteuerung (FN 280), DStJG 24 (2001), S. 49 (112 i.V. m. 95 f.). 1503 Vgl. zu Teilanrechnungssystemen auch J. Hey, in H/H/R (FN 58), Einf. KSt (FN 360), Anm. 216; dies., Reform des Körperschaftsteuersystems, in J. Pelka (Hrsg.), Unternehmenssteuerreform, DStJG-Sonderband, 2001, S. 5 (17 f.); C. Spengel, Wettbewerbswirkungen der Körperschaftsteuer in Europa – Analyse und Reformvorschläge, DBW 1998, 348 (351 ff.); E. Lobis, Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren in Italien (FN 1501), IStR 1999, 673; I. v. Lishaut, Der kleine Aktionär in der großen Unternehmenssteuerreform, FR 1999, 938 (940 ff.) [Teilsatzverfahren]. 1504 Vgl. J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 26. 1505 Personenunternehmen sind „selbständige nachhaltige, mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte Betätigungen natürlicher Personen“, § 2 UntStG-E (FN 1485). 1506 Vgl. J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 38 [§ 4 UntStG-E].

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Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

videnden i. S. d. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA handelt (keine Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Inland).1507 Eine Wegzugsbesteuerung der inhabersteuerlich belasteten Ersparnisse ist nur erforderlich, soweit mit dem grenzüberschreitenden Umzug auch die Einkunftsquelle in den Zuzugsstaat verlagert und dort nicht nachbelastet wird (Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat ohne Steuerverstrickung im Zuzugsstaat). Dann ist sie auch gemeinschaftsrechtskonform, soweit eine Stundung (gegen Sicherheitsleistung) sowie ratierliche Tilgung vorgesehen sind, vgl. dazu oben Kapitel 9 Abschn. D.I.3.c) u. d), Seiten 246 ff. Die Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung rechtfertigt die Beschränkung gemeinschaftsrechtlicher Grundfreiheiten, da ohne Wegzugsbesteuerung die Verwirklichung des Grundsatzes der Einmalbelastung von Einkommen auch auf DBA-Ebene nicht gewährleistet ist. Regelmäßig wird es aber bereits an der Steuerentstrickung in Deutschland fehlen, da die im Beteiligungsbetrieb bilanzierten Wirtschaftsgüter (z. B. vermietetes Grundvermögen) im Inland verbleiben. Insoweit kommt auch die Erhebung einer branch tax in Betracht, vgl. oben Abschn. A.III. a. E., Seite 361. IV. Lebensendvermögen Um auch die Reinvermögensmehrungen nachzubelasten, die zu Lebzeiten des Eigners des inhabersteuerpflichtigen Beteiligungsunternehmens keiner konsumtiven Verwendung zugeführt wurden, bedarf es einer Lebensendvermögensbesteuerung. Da das Beteiligungsunternehmen vom Rechtsnachfolger fortgeführt werden kann, genügt hierfür die Erhebung einer Erbschaftsteuer, deren Tarif idealiter1508 dem Tarif der Einkommensteuer zu entsprechen hätte. Denn diese belastet nicht nur das Erblassereinkommen nach, sondern stellt auch die Thesaurierungsbelastung der Erbenbereicherung her, vgl. dazu oben Kapitel 13 Abschn. A.II.2.b), Seiten 309 ff. (Doppelfunktion der Erbschaftsteuer bei partiell nachgelagerter Besteuerung). Allerdings sind Auszahlungen des inhabersteuerpflichtigen Beteiligungsunternehmens in Höhe der Erbschaftsteuerschuld von der Einkommensteuer zu befreien. Insoweit ist der Erbe nicht bereichert.1509

1507

Vgl. J. Lang, Inhabersteuer (FN 1485), S. 42. Vgl. zu familien- oder wirtschaftspolitischen Durchbrechungen des Erbschaftsteuerideals FN 180 u. 180. 1509 Vgl. dazu oben Kapitel 12 Abschn. C.II.2., S. 297 ff. sowie Kapitel 13 Abschn. A.II.2.b) a. E., S. 309 ff. 1508

C. Option für die steuerliche Behandlung als KG

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C. Option für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft (§ 4a KStG-E) Eingang in den Entwurf zum StSenkG fand mit § 4a KStG-E die Option von Personenunternehmen für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft. Die Körperschaftsteuer-Option hätte die Unternehmensbesteuerung dadurch rechtsformneutral ausgestaltet, dass die niedrige körperschaftsteuerliche Thesaurierungsbelastung auf Antrag auch auf nicht entnommene Gewinne von Personenunternehmen Anwendung gefunden hätte. Damit wäre eine Empfehlung Klaus Tipkes aufgegriffen worden, wonach „die Reform der Unternehmensbesteuerung [. . .] ein systematisches Weiterdenken auf der Grundlage der Körperschaftsteuer braucht“1510.

Aus dem Scheitern des § 4a KStG-E im Vermittlungsverfahren1511 folgt nach Stefan Homburg ein „gravierender Gerechtigkeitsverstoß“1512. Während des Gesetzgebungsverfahrens sei „jede Kritik an der Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften mit Hinweis auf die Optionsmöglichkeit zurückgewiesen“ worden. Dieser Rechtfertigung habe der Vermittlungsausschuss „den Boden entzogen“1513. § 4a KStG-E könnte aber nicht nur genutzt werden, um ein rechtsformneutrales Unternehmenssteuerrecht zu schaffen. Der Rechtsgedanke der Vorschrift ist vielmehr auch geeignet, Einkommen insgesamt partiell nachgelagert zu besteuern. Hierfür wäre der Anwendungsbereich der Körperschaftsteuer-Option dahingehend zu erweitern, dass sie allen Einkommensteuersubjekten zugänglich gemacht wird, d.h. nicht nur Personenunternehmen mit Gewinneinkünften. Die Spreizung zwischen körperschaftsteuerlicher Thesaurierungsbelastung und einkommensteuerlicher Regelbelastung, die auch in 2005 noch 17%-Punkte betragen wird1514, würde die Steuerpflichtigen ver1510

K. Tipke, Lehren aus der Steuerreform 1990, StuW 1989, 291 (304). Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum StSenkG, BT-Drucks. 14/3760: „§ 4a wird gestrichen.“ 1512 S. Homburg, Unternehmenssteuerreform 2001 aus Sicht der Wissenschaft (FN 6), Stbg 2001, 8 (10). 1513 S. Homburg, Unternehmenssteuerreform 2001 aus Sicht der Wissenschaft (FN 6), Stbg 2001, 8 (10). Für eine Körperschaftsteuer-Option von Personengesellschaften plädiert beispielsweise auch R. Hüttemann, Die Besteuerung der Personenunternehmen und ihr Einfluss auf die Rechtsformwahl, in S. Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 123 (140 f.). A. A. z. B. S. Sieker, Möglichkeiten rechtsformneutraler Besteuerung von Einkommen, in S. Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 145 (171) [keine Besteuerung nach Wahl]. 1514 42% ESt – 25% KSt = 17%-Punkte Differenz. Vgl. zum Spitzensatz der Einkommensteuer als einkommensteuerlicher Regelbelastung oben Kapitel 13 Abschn. A.I.2., S. 305 ff. 1511

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Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

anlassen, ihre Ersparnisbildung in virtuellen Kapitalgesellschaften zu organisieren. Die Nachbelastung der Ersparnisauflösung erfolgte, wie im Entwurf zum StSenkG vorgesehen, über die hälftige Einbeziehung der virtuellen Dividenden in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 i.V. m. 3 Nr. 40 lit. d EStG-E). Die partiell nachgelagerte Besteuerung via Körperschaftsteuer-Option weist den Vorteil auf, an bestehende Rechtsstrukturen anknüpfen zu können1515 und in ausländischen Steuerrechtsordnungen bekannt zu sein1516. Der Reformaufwand einer Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip würde minimiert, was insbesondere auch für eine sachgerechte Lebensendvermögensbesteuerung sowie Belastung grenzüberschreitender Sachverhalte gilt. So meint Wolfgang Schön: „Die Option für die Körperschaftsteuer zwingt am wenigsten zu Eingriffen in die herkömmliche Struktur unseres Steuerrechts.“1517

1515 So ist § 4a KStG-E nach H. Schaumburg ein „in sich geschlossenes System“, vgl. ders., Wortprotokoll (FN 1447), S. 179 f. Auch nach J. Schiffers (Entlastung der Personengesellschaften, Rechtsformvergleich und Option zur Körperschaftsteuer nach dem Gesetzentwurf eines „StSenkG“, GmbHR 2000, 253 [257]) ist das Modell „gesetzestechnisch einfach umzusetzen“, auch wenn „das Ziel ,zu einer Vereinfachung des Besteuerungssystems beizutragen und den Untenehmen keine zusätzlichen bürokratischen Lasten aufzuerlegen‘ nicht erreicht“ sein soll (S. 259). 1516 Vgl. z.B. Kußmaul/Schäfer, Die Option von Personengesellschaften für die Besteuerung durch die Körperschaftsteuer im französischen Steuerrecht, IStR 2000, 161 ff.; B. E. Bippus, Raus aus der Mitunternehmerschaft, rein in die Körperschaftsteuer – Überlegungen zur steuerrechtlichen Konzeption der Personengesellschaften, DStR 1998, 749 (754, 759); H. Hahn, Optionsrecht zur Besteuerung nach den Regeln des Körperschaftsteuergesetzes auch für Personengesellschaften, DStR 1999, 833 ff.; Hellio/Rädler, Anmerkungen zur Diskussion um die Option zur Körperschaftsteuer aus französischer Sicht, IStR 2000, 401 ff. Zu Bestrebungen des schweizerischen Gesetzgebers, eine niedrige unternehmenssteuerliche Thesaurierungsbelastung und einen progressiven Einkommensteuertarif durch eine Unternehmenssteuer-Option miteinander zu verbinden (Eidgenössisches Finanzdepartement [Hrsg.], Bericht der Expertenkommission rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung, 2001, www.estv.admin.ch. S. 38 f.), vgl. M. Maier-Frischmuth, Tendenzen der Unternehmensbesteuerung in der Schweiz, IWB aktuell Nr. 18 v. 26.09.2001, S. 889 (890); H. Haarmann, Diskussionsbeitrag, in S. Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 121. 1517 W. Schön, Unternehmenssteuerreform (FN 634), Stbg 2000, 1 (13).

C. Option für die steuerliche Behandlung als KG

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I. Körperschaftsteuer-Option 1. § 4a KStG-E § 4a KStG-E sah vor, Personenunternehmen mit Gewinneinkünften auf Antrag steuerlich als Kapitalgesellschaft zu behandeln.1518 Abs. 1 Satz 1 der Entwurfsvorschrift lautete: „Auf Antrag wird eine natürliche Person oder eine Mitunternehmerschaft, die in einem inländischen Betrieb Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt, mit den Einkünften aus diesem Betrieb wie eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft besteuert.“1519

Ausweislich der Entwurfsbegründung1520 steht „nach dem Systemwechsel ein einfaches und transparentes Körperschaftsteuerrecht zur Verfügung, das auch auf Personenunternehmen angewendet werden kann. Im Rahmen der Option wird daher dem Unternehmer das Wahlrecht eingeräumt, seinen Betrieb nach dem bisherigen Recht für Personenunternehmen oder den neuen, vereinfachten Regelungen für Kapitalgesellschaften besteuern zu lassen.“

Weiter heißt es: „Der Betrieb gilt nach der Option als in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt und wird in jeder Beziehung wie eine solche behandelt. Der Unternehmer hat nach der Option fiktive Anteile an dem Betrieb, die wie Anteile an einer Kapitalgesellschaft behandelt werden. Leistungsbeziehungen (Gehalts- bzw. Aufwendungen für die Altersvorsorge) zwischen dem Personenunternehmen und dem Unternehmer werden steuerlich anerkannt [1521]. Entnahmen aus dem Personenunternehmen gelten als Gewinnausschüttungen und unterliegen der Halbeinkünftebesteuerung. Nicht ausgeschüttete Gewinne unterliegen dem niedrigen Körperschaftsteuersatz.“1522

1518 Ausführlich zu den Voraussetzungen und der Rechtstechnik der Körperschaftsteuer-Option vgl. B. E. Bippus, Raus aus der Einkommensteuer, rein in die Körperschaftsteuer – Chancen und Risiken des körperschaftsteuerrechtlichen Optionsmodells für Einzel- und Mitunternehmer, DStZ 2000, 541 (542 ff.). 1519 StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5). 1520 StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5). 1521 Vgl. zu den Leistungsbeziehungen sowie den hiermit verbundenen Dokumentationspflichten ausführlich Weimar/Delp, Die Leistungsbeziehungen des Personenunternehmers zu seinem Betrieb nach dem geplanten Steuersenkungsgesetz, INF 2000, 225 ff. 1522 FN 1520.

370

Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

2. Mängel des Gesetzentwurfs § 4a KStG-E wies Mängel auf, die die Körperschaftsteuer-Option unnötig erschwert hätten.1523 So besteht insbesondere keine Notwendigkeit, bei der Option einer Mitunternehmerschaft für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft die Entnahme des Sonderbetriebsvermögens zu fingieren (§ 4a Abs. 3 Satz 7 KStG-E).1524 Die stillen Reserven bleiben auch steuerverstrickt, wenn das Sonderbetriebsvermögen als einbringungsgeborenes gewerbliches Vermögen fortgeschrieben wird; bei einer etwaigen späteren Veräußerung des Sonderbetriebsvermögen würden sie besteuert, und zwar dann systemgerecht1525, nämlich in Übereinstimmung mit dem Realisationsprinzip. So schlugen die Vertreter der Ministerialbürokratie im Rahmen der Planspiele zur Administrierbarkeit der Unternehmenssteuerreform auch vor, den optierten Steuerpflichtigen ein Wahlrecht für die Betriebsaufspaltung einzuräumen.1526 Zudem besteht kein Anlass, eine Körperschaftsteuerschuldnerschaft der optierten Mitunternehmer und damit eine Privilegierung des Fiskus gegenüber anderen Gesellschaftsgläubigern zu normieren (§ 1 Abs. 1a Satz 2 KStG-E, § 44 AO). So sind die Gesellschafter einer OHG oder KG auch nicht Schuldner der Gewerbesteuer, sondern haften für diese lediglich nach den zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 128; 161 Abs. 2 HGB). Gewerbesteuerschuldnerin ist allein die Personengesellschaft, § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG. Warum für die Körperschaftsteuer etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich.1527 Auch die Entwurfsbegründung1528 überzeugt insoweit 1523 Diese Mängel haben J. Lang (Editorial, StuW 2001, 1 [2]) zu der Äußerung des Verdachts veranlasst, das Optionsmodell des § 4a KStG-E sei nur als Verhandlungsmasse für den Vermittlungsausschuss in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. 1524 Krit. z. B. auch Kußmaul/Schäfer, Die Option eines Personenunternehmens für die Körperschaftsteuer, BB 2000, 901 (902); Dötsch/Pung, Die geplante Reform der Unternehmensbesteuerung, DB 2000, Beilage Nr.4, S. 15 [Stundungsende bei Rückoption als „Rückoptionshindernis“]. Vgl. zu Gestaltungen zwecks Vermeidung der Entnahmefiktion Haritz/Wisniewski, Das Ende des Umwandlungsmodells, GmbHR 2000, 161 (164) [nach § 24 UmwStG steuerneutrale Einbringung des Mitunternehmeranteils einschließlich des Sonderbetriebsvermögens in eine GmbH & Co. KG und anschließende Optionsausübung]. 1525 Vgl. W. Schön, Steuersenkungsgesetz (FN 165), StuW 2000, 151 (156 f.). 1526 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Administrierbarkeit der Unternehmenssteuerreform (FN 1450), S. 51. 1527 So z. B. auch Mentel/Schulz, Option von Personengesellschaften und Einzelunternehmern zur Körperschaftsteuer – steuerliche Auswirkungen und handelsrechtliche Aspekte, DStR 2000, 489 (494). 1528 StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5), Begründung zu § 1 Abs. 1a Satz 2 KStG-E.

C. Option für die steuerliche Behandlung als KG

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nicht. Hiernach sollte § 1 Abs. 1a Satz 2 KStG-E vermeiden, „dass der Steuergläubiger im Vergleich zu anderen Gläubigern schlechter gestellt wird“. Die Vorschrift stelle sicher, „dass der Steuergläubiger bei der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht auf das Vermögen des Betriebs beschränkt wird und auf den Unternehmer oder die Mitunternehmer nicht lediglich im Rahmen einer subsidiären Haftung, die im Übrigen auch an weitere Voraussetzungen gebunden ist, zurückgreifen kann“. Diese Ausführungen sind haftungsrechtlich nicht nachvollziehbar. Die Streichung der Körperschaftsteuerschuldnerschaft der Mitunternehmer würde den Steuergläubiger anderen Gläubigern gegenüber nicht schlechter-, sondern gleichstellen. Neben die Haftung des Gesellschaftsvermögens für die Steuerverbindlichkeiten der optierten Mitunternehmerschaft träte die persönliche Haftung der Gesellschafter. Diese umfasst die Körperschaftsteuerschuld ebenso wie andere Gesellschaftsverbindlichkeiten. Diese Aspekte mögen den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages bewogen haben, eine Ergänzung des § 4a Abs. 1 KStG-E um einen Satz 9 zu empfehlen. Hiernach war die Körperschaftsteuervollstreckung auf Antrag auf den Betrag zu beschränken, der dem Gewinnanteil des jeweiligen optierten Mitunternehmers entspricht.1529 Die belastenden Folgen einer eigenständigen Körperschaftsteuerschuldnerschaft würden dadurch zumindest abgemildert.

3. Öffnung für alle Einkommensteuersubjekte Das StSenkG stellt Bedenken gegen eine nur „typisierende und generalisierende“1530 Berücksichtigung der Thesaurierungsbelastung durch das Halbeinkünfteverfahren zurück.1531 Zudem hat der StSenkG-Entwurf die institutionalisierte Divergenz von Steuerrecht und Zivilrecht1532 akzeptiert, die aus der Rechtsfigur der „virtuellen Kapitalgesellschaft“ folgt.1533 Wird der 1529 Vgl. BT-Drucks. 14/3366, Begründung der Begrenzung der Körperschaftsteuervollstreckung auf Gewinnanteil. 1530 StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5), S. 94: „Diese Ertragsteuerbelastung ausgeschütteter Gewinne entspricht typisierend und generalisierend der Steuerbelastung anderer Einkünfte.“ Vgl. zu den Belastungswirkungen des Halbeinkünfteverfahrens oben Kapitel 14 Abschn. B.II.2., S. 334 ff. sowie J. Schiffers, Unternehmenssteuerreform – Überlegungen zu den Brühler Empfehlungen, GmbHR 1999, 741 (742 f.); P. Bareis, Das Halbeinkünfteverfahren im Systemvergleich, StuW 2000, 133 (135 ff.). 1531 Auch Dieter Birk meint, der pauschale Entlastungsmechanismus des Halbeinkünfteverfahrens sei „im Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Typisierungsmöglichkeiten nicht zu beanstanden“, vgl. ders. Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, 328 (334). 1532 Krit. insoweit A. Raupach, Perspektiven für den Steuerstandort Deutschland, StuW 2000, 341 (360); Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins, Stellungnahme Nr. 11/2000, NZG 2000, 758 ff. A. A. vgl. z. B. Nachweis in FN 1535.

372

Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

Unternehmenssteuerreform 2001 insoweit gefolgt, besteht kein Grund, die Körperschaftsteuer-Option Mitunternehmerschaften und Einzelunternehmern mit Gewinneinkünften vorzubehalten. Der teilweise Besteuerungsaufschub ist allen Einkommensteuersubjekten und damit insbesondere auch Arbeitnehmern zugänglich zu machen. Anderenfalls werden diese „gleichheitssatzwidrig diskriminiert“1534. So meint z. B. Jochen Sigloch: „Die für Steuerjuristen offenbar schwer akzeptierbare Fiktion von Verträgen zwischen dem Einzelunternehmer einerseits als Privatperson und als Unternehmer andererseits ist für Steuerökonomen ohne Belang.“1535

a) Einbeziehung sämtlicher Gewinneinkunftsarten Während die Tarifkappung des § 32c EStG noch auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb beschränkt war, sollte die Körperschaftsteuer-Option auch Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft sowie selbständiger Arbeit zugänglich sein (Gewinneinkunftsarten, §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 u. 3 i.V. m. 13, 18 EStG), und zwar zu Recht. Insoweit fehlt es gar an einer unterschiedlichen Einkünfteermittlungsmethode, die eine Ungleichbehandlung gegenüber Einkünften aus Gewerbebetrieb rechtfertigen könnte. So erachtet z. B. Wolfgang Schön die „Gleichbehandlung von landwirtschaftlichen, gewerblichen und freiberuflichen Betrieben“ im Hinblick auf die niedrige Thesaurierungsbelastung als ein „verfassungsrechtliches Gebot“1536. Auch die Brühler Empfehlungen rieten, anderen als gewerblichen Gewinneinkünften das niedrige Körperschaftsteuerniveau über eine Bilanzierungsoption zugänglich zu machen.1537

b) Einbeziehung der privaten Vermögensverwaltung Die Brühler Kommission hatte vorgeschlagen, die niedrige Thesaurierungsbelastung der privaten Vermögensverwaltung zu öffnen.1538 Die Ministerialbürokratie ist dieser Empfehlung nicht gefolgt. Eine tragfähige Begründung für die Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 4a KStG-E 1533

Vgl. dazu Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 79 f. 1534 J. Lang, Unternehmenssteuerreform pro GmbH (FN 29), GmbHR 2000, 453 (460). 1535 J. Sigloch, Unternehmenssteuerreform 2001 – Darstellung und ökonomische Analyse, StuW 2000, 161 (167 [FN 31]). 1536 W. Schön, Unternehmenssteuerreform (FN 634), Stbg 2000, 1 (7). 1537 Vgl. Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 74. 1538 Vgl. Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 20 [hinsichtlich der Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns].

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auf die Gewinneinkunftsarten enthält die Gesetzesbegründung nicht. Das Gleichbehandlungsgebot verlangt, die Körperschaftsteuer-Option auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen und private Veräußerungsgeschäfte zu öffnen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5–7 i.V. m. 20–23 EStG).1539 Dies folgt schon daraus, dass die Abgrenzung von privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit „hochproblematisch“ ist und „zu den wesentlichen Grundlagen der aktuellen Verwerfungen in unserem Einkommensteuerrecht“ zählt.1540 Auch die unterschiedlichen Einkünfteermittlungsmethoden, die bei den Gewinn- und Überschusseinkunftsarten zur Anwendung gelangen (Betriebsvermögensvergleich vs. Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten), können den Ausschluss der privaten Vermögensverwaltung von der Körperschaftsteuer-Option nicht rechtfertigen. So hätten auch optierte vermögensverwaltende Steuerpflichtige zu bilanzieren, da die Einkünfte der virtuellen Kapitalgesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu ermitteln wären, § 8 Abs. 2 KStG i.V. m. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG. Ohnehin nähert § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG die Einkünfteermittlungsmethoden weitgehend einander an, indem er auf die AfA-Vorschriften der §§ 7 ff. EStG verweist (keine sofortige Erfolgswirksamkeit von Investitionsauszahlungen). Schließlich hätte die Körperschaftsteuer-Option die Steuerbarkeit privater Stammvermögensänderungen zur Folge, die die Steuergerechtigkeitswissenschaft seit jeher fordert.1541 Nur vordergründig problematisch ist, dass für Wirtschaftsgüter des Privatvermögens möglicherweise keine Buchwerte existieren, die in entsprechender Anwendung der §§ 20 ff. UmwStG von der virtuellen Kapitalgesellschaft fortgeführt werden könnten, § 4a Abs. 3 Satz 3 KStG-E. Regelmäßig werden die Anschaffungskosten sowie vorgenommenen Abschreibungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG) jedenfalls dann bekannt sein, wenn die Vermögensgegenstände noch steuerverstrickt sind, d.h. die Körperschaftsteuer-Option innerhalb die Ein- bzw. Zehnjahresfrist des § 23 EStG ausgeübt wird. Ist bereits Steuerentstrickung eingetreten, verstieße die Anknüpfung an die Anschaffungskosten bei einer späteren Veräußerung aber gegen den Dispositionsschutz1542, den Art. 20 Abs. 3 GG gewährt (Rechtstaatsprinzip). Die Belastungsfolgen wären einer rückwirkenden Verlängerung der (Spekulations-)Fris1539 So auch z. B. H.-J Pezzer, Rechtfertigung der Körperschaftsteuer und ihre Entwicklung zu einer allgemeinen Unternehmensteuer, in J. Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS Tipke, 1995, S. 419 (430); ders., Rechtfertigung und Rechtsnatur der Körperschaftsteuer, in S. Widmann (Hrsg.), Besteuerung der GmbH und ihrer Gesellschafter, DStJG 20 (1997), S. 12 (19) mit Verweis auf K. Tipke, StRO III1 (FN 34), S. 1032, 1036; W. Schön, Steuersenkungsgesetz (FN 165), StuW 2000, 151 (152). 1540 So W. Schön, Unternehmenssteuerreform (FN 634), Stbg 2000, 1 (7). 1541 Vgl. Nachweise in FN 738. 1542 Vgl. dazu zuletzt BVerfG v. 05.02.2002, 2 BvR 305/93 u. 348/93, BVerfGE 105, 17, C.II.3.b)aa) sowie Nachw. in FN 1270.

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ten vergleichbar, eine vertrauensschützende Regelung würde als Abzugsposten bei einer späteren Veräußerung die Teilwerte der eingelegten Wirtschaftsgüter ansetzen.

c) Einbeziehung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Wird sowohl sämtlichen Gewinneinkünften als auch den Überschusseinkunftsarten der privaten Vermögensverwaltung die Option für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft zugestanden, wäre es allein Arbeitnehmern verwehrt, Ersparnisse aus niedrig besteuerten Reinvermögensmehrungen zu bilden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ihnen keine belastungsäquivalenten Möglichkeiten der Ersparnisbesteuerung eröffnet werden (z. B. partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge, vgl. dazu unten Kapitel 16, Seiten 387 ff.). Mit Leistungsfähigkeitsaspekten ist dieser Belastungsnachteil (keine implizite partielle Steuerbefreiung der marktüblichen Kapitalverzinsung1543) nicht zu rechtfertigen. Denn die Fähigkeit zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen wird weder von der Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers noch seiner Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers beeinflusst, die den Arbeitnehmer von anderen Steuerpflichtigen unterscheiden (§ 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV). Dem Arbeitnehmer-Anwalt die niedrige Proportionalbesteuerung investierter Reinvermögensmehrungen vorzuenthalten, während sie dem selbständigen Einzelanwalt zugänglich ist, könnte höchstens steuererhebungstechnisch begründet werden.1544 Die Praktikabilitätsprobleme müssten angesichts der Erheblichkeit der Belastungsunterschiede allerdings gewichtig sein (Zielkonflikt zwischen leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung und Administrierbarkeit). Solche sind nicht ersichtlich.1545 So würden die monatlichen Gehaltszahlungen zu fiktiven Betriebseinnahmen, die hieraus gebildeten Ersparnisse unterlägen als thesaurierter Gewinn der virtuellen Kapitalgesellschaft der Körperschaftsteuer. Der Lohnsteuerabzug könnte beibehalten werden, die niedrigere Thesaurierungsbelastung der Arbeitnehmer-Ersparnisse bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden (Erstattung der Belastungsdifferenz zwi1543

Vgl. dazu oben Kapitel 2 Abschn. A.II.1., S. 64 ff. Die Praktikabilität der Körperschaftsteuer-Option des Einzelunternehmers bejahend z. B. Mentel/Schulz, Option von Personengesellschaften und Einzelunternehmern zur Körperschaftsteuer (FN 1527), DStR 2000, 489 (495); H.-J. Priester, Unternehmenssteuerreform und Gesellschaftsrecht, Wpg 2000, 70 (76 f.): „Bei der steuerlichen Trennung zwischen betrieblicher und privater Sphäre beim Einzelunternehmer befinden wir uns auf bekanntem Terrain.“ 1545 Vgl. dazu bereits C. Dorenkamp, Partiell nachgelagerte Besteuerung (FN 139), StuW 2000, 121 (131); ders., Spreizung zwischen Körperschaftsteuerund Spitzensatz der Einkommensteuer, in J. Pelka (Hrsg.), Unternehmenssteuerreform, DStJG-Sonderband, 2001, S. 61 (82). 1544

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schen der 25%-igen Thesaurierungs- und einkommensteuerlichen Grenzbelastung). Die Geschäftsführervergütung, die der optierte Arbeitnehmer mit sich selbst „vereinbart“, würde eine Definitivbelastung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im unteren Einkommensbereich vermeiden. Die Werbungskosten des optierten Arbeitnehmers wären fiktive Betriebsausgaben der virtuellen Kapitalgesellschaft. Im Ergebnis wären investierte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit 25% belastet. Konsumtiv verwendete Reinvermögensmehrungen sowie die Ersparnisauflösung würden entweder als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unmittelbar einkommensbesteuert (Geschäftsführergehalt [fiktive Betriebsausgabe]) oder als fiktive Dividende via Halbeinkünfteverfahren nachbelastet (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG-E i.V. m. § 3 Nr. 40 lit. d EStG). Als „Hauptursache“ des administrativen Mehraufwands der KörperschaftsteuerOption erachtet die Finanzverwaltung „die Tatsache, dass die optierenden Unternehmen der Körperschaftsteuer und damit den Regelungen von Kapitalgesellschaften unterliegen. Folglich müssten entweder die bisher zuständigen ESt-Sachbearbeiter in diesem Rechtsgebiet geschult werden oder eine Sonderstelle für die optierenden Untenehmen eingerichtet werden.“1546 Einen dauerhaften Verwaltungsmehraufwand scheint die Finanzverwaltung nicht zu erwarten. Mit Umschulungen und Personalversetzungen werden ausschließlich Übergangsprobleme genannt.

Zwar mag die steuerliche Behandlung eines Arbeitnehmers als virtuelle Kapitalgesellschaft gewöhnungsbedürftig sein. Sie ist jedoch weder mit größeren zivilrechtlichen Fiktionen noch mit einem höheren Verwaltungsaufwand verbunden als die Körperschaftsteuer-Option des Einzelunternehmers. Eher dürfte das Gegenteil der Fall sein. So sind auf der virtuellen Betriebseinnahmenseite lediglich zwölf Geschäftsvorfälle zu buchen, nämlich die monatlichen Gehaltszahlungen. Die Bilanzierung des investiv verwendeten Arbeitslohns unterscheidet sich hingegen nicht von der Körperschaftsbesteuerung der privaten Vermögensverwaltung. Dass diese in den Anwendungsbereich des § 4a KStG-E einzubeziehen sei, war während des StSenkG-Gesetzgebungsverfahrens aber steuerwissenschaftlicher Konsens, vgl. dazu oben Abschn. b), Seiten 372 ff. Aus den Gründen dieses Konsenses, nämlich Aspekten steuerlicher Gleichbehandlung, sind auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zur Körperschaftsteuer-Option zuzulassen. Lautete § 4a Abs. 1 Satz 1 KStG-E wie folgt, hätte jedermann Zugang zu der niedrigen Thesaurierungsbelastung: „Auf Antrag wird eine natürliche Person oder Mitunternehmerschaft mit ihren Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–7 des Einkommensteuergesetzes wie eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft besteuert.“

1546 Bundesministerium der Finanzen, Administrierbarkeit der Unternehmenssteuerreform (FN 1450), S. 41, 53.

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II. Niedrige (Körperschaftsteuer-)Belastung der Ersparnisbildung (§ 4a KStG-E i.V. m. § 23 Abs. 1 KStG) Ist die Körperschaftsteuer-Option des § 4a KStG-E allen Einkommensteuersubjekten zugänglich, d.h. neben Personenunternehmen mit Gewinneinkünften auch der privaten Vermögensverwaltung sowie Arbeitnehmern, wird die Ersparnisbildung auf Antrag mit 25% belastet, § 23 Abs. 1 KStG. Als thesaurierter Gewinn der virtuellen Kapitalgesellschaft würden die betreffenden Reinvermögensmehrungen der Körperschaftsteuer unterliegen.1547 In 2002 ergäbe sich hieraus eine Differenz zur einkommensteuerlichen Regelbelastung1548 von 23,5%-Punkten und damit eine Intensität1549 der nachgelagerten Besteuerung von knapp 50%1550. Auch in 20051551 betrüge die Belastungsdifferenz noch 17%-Punkte, Reinvermögensmehrungen würden zu 40%1552 nachgelagert besteuert. Insbesondere belastet die Körperschaftsteuer-Option auch reinvestierte Dividenden nicht nach. Werden die zugrundeliegenden Aktien bzw. GmbH-Geschäftsanteile im virtuellen Kapitalgesellschaftsvermögen gehalten, unterliegen sie nicht der hälftigen Einkünftebesteuerung nach §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V. m. 3 Nr. 40 lit. d EStG. Auch für optierte Steuerpflichtigen gilt das Dividendenprivileg des § 8b Abs. 1 KStG, wonach empfangene Gewinnausschüttungen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben.

1547 Vgl. zu den Belastungswirkungen der Körperschaftsteuer-Option (unter Einbeziehung der Gewerbesteuer) Haase/Diller, Optionsrecht von Personenunternehmen für die Körperschaftsbesteuerung: Chancen und Risiken, BB 2000, 1068 ff.; H.-J. Kleineidamm, Einkommensteuerentlastungen und Optionsfolgen für gewerbliche Unternehmer durch die Unternehmenssteuerreform, DB 2000, 1289 ff. 1548 Vgl. zum Eichstrich einkommensteuerliche Regelbelastung (Einkommensteuerspitzensatz) oben Kapitel 13 Abschn. A.I.2., S. 305 ff. 1549 Vgl. zur Intensität der nachgelagerten Besteuerung als gewichteter Belastungsdifferenz oben Kapitel 13 Abschn. A.I.1., S. 304 ff. 1550 (48,5% {einkommensteuerliche Regelbelastung} – 25% {Thesaurierungsbelastung})/48,5% {einkommensteuerliche Regelbelastung} = 48,45% {Intensität der nachgelagerten Besteuerung}. 1551 Einkommensteuerspitzensatz von 42%, §§ 32a Abs. 1 i.V. m. 52 Abs. 41 Nr. 3 EStG 2001. 1552 42% {einkommensteuerliche Regelbelastung} – 25% {Thesaurierungsbelastung})/42% {einkommensteuerliche Regelbelastung} = 40,47% {Intensität der nachgelagerten Besteuerung}.

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III. (Einkommensteuerliche) Nachbelastung der Ersparnisauflösung (Halbeinkünfteverfahren, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 i.V. m. § 3 Nr. 40 EStG-E) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sind „Gewinnanteile (Dividenden) [. . .] und sonstige Bezüge aus Aktien, [. . .] aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG. Nach Satz 2 „gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen zu den sonstigen Bezügen“. § 3 Nr. 40 lit. d EStG befreit die Hälfte dieser Kapitaleinkünfte von der Einkommensteuer, um die definitive Körperschaftsteuer zu berücksichtigen.1553 „Typisierend und generalisierend“1554 wird die einkommensteuerliche Regelbelastung hergestellt. Der Entwurf1555 zum StSenkG sowie die hierzu ergangene Beschlussempfehlung1556 des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages sahen vor, die Sätze 1 und 2 des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG um den nachfolgend wiedergegebenen Satz 3 zu ergänzen: „Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Bezüge aus Betrieben im Sinne des § 4a des Körperschaftsteuergesetzes.“

Ausweislich der Gesetzesbegründung1557 hätten damit auch Entnahmen aus optierten Personenunternehmen der Halbeinünftebesteuerung unterlegen („Quasi-Dividenden“1558). Sie sollten „als Gewinnausschüttungen gelten“, § 4a Abs. 4 KStG-E. Hätten §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 i.V. m. 3 Nr. 40 lit. d EStG-E Gesetzeskraft erlangt, wäre die Ersparnisauflösung einkommensteuerlich nachbelastet worden. Wird die gesamte Ersparnisbildung in einer virtuellen Kapitalgesellschaft organisiert, kommt die Entnahme fiktiven Kapitalgesellschaftsvermögens seiner konsumtiven Verwendung gleich (keine Reinvestition). IV. Grenzüberschreitende Sachverhalte Entgegen Franz Wassermeyer1559 vermag die Körperschaftsteuer-Option es auch, grenzüberschreitende Sachverhalte sachgerecht zu besteuern.1560 1553

Vgl. dazu oben Kapitel 14 Abschn. B.II.2., S. 90 ff. Vgl. FN 1530. 1555 StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5). 1556 BT-Drucks. 14/3366. 1557 StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5). 1558 wfr, Warum § 4a KStG-E nicht funktionieren kann, DB 2000, 1102 (1103). 1559 Vgl. wfr, § 4a KStG-E kann nicht funktionieren (FN 1558), DB 2000, 1102; F. Wassermeyer, Außensteuerliche Aspekte der Unternehmenssteuerreform, in S. Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 103 (115 ff.). 1554

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Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

Einkommen wird einmal belastet, was für investierte Auslandseinkünfte sowie Auslandsinvestitionen von Steuerinländern und Inlandsinvestitionen von Steuerausländern ebenso gilt wie für den Wegzug des optierten Steuerpflichtigen. 1. Investiertes Auslandseinkommen Investierte Einkünfte, die eine virtuelle Kapitalgesellschaft im Ausland erwirtschaftet, werden ebenso wie nicht entnommene Inlandsgewinne mit 25% belastet, § 23 Abs. 1 KStG. Dies gilt jedenfalls, soweit sie DBA-rechtlich nicht ohnehin von der inländischen Besteuerung befreit sind1561, oder nach § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben (ausländische Tochterkapitalgesellschaften). Als thesaurierte Gewinne unterliegen sie der Körperschaftsteuer, auf die eine etwaige Einkommensteuer des Betriebsstättenstaats anzurechnen wäre.1562 Insbesondere wären optierte Personengesellschaften auch abkommensberechtigt.1563 Als „Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden“, unterfielen sie dem „Ausdruck ,Gesellschaft‘“ i. S. d. Art. 3 Abs. 1 lit. b OECD.1564 So sind Personenunternehmen, die der Körperschaftbesteuerung unterliegen, nach dem OECD-Bericht1565 zur Be1560 So auch B. Hock, Personengesellschaften und Internationales Steuerrecht – Option zur Körperschaftsteuer als Lösung anstehender Probleme, RIW 1995, 135 (141): „Damit kommt zu den vielen bestehenden Argumenten für eine rechtsformunabhängige Betriebsteuer in der Form einer ausgebauten Körperschaftsteuer ein weiteres hinzu: Die mit Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht zusammenhängenden Fragen werden gelöst.“ 1561 Vgl. zu den Durchbrechungen des unter Leistungsfähigkeitsaspekten gebotenen Welteinkommensprinzip durch die Freistellungs- und Teilanrechnungsmethode oben Kapitel 9 Abschn. A.II., S. 232 ff. 1562 Vgl. A. Raupach, Unternehmen und Unternehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, in Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi (Hrsg.), Staaten und Steuern, FS Vogel, 2000, S. 1067 (1086) mit Verweis auf OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation No. 6, 1999, Tz. 139. 1563 Vgl. Rödder/Schumacher, Unternehmenssteuerreform 2001 (FN 166), DStR 2000, 353 (365); T. Menck, Anpassung des OECD-Musters für Steuerabkommen (FN 1418) , IWB F. 10 Gr. 2, 1469 (1474); I. v. Lishaut, Die Reform der Unternehmensbesteuerung aus Gesellschaftersicht, StuW 2000, 182 (189); H. Schaumburg, Personengesellschaften – Laufende Besteuerung – DBA-Fälle, in M. Streck (Hrsg.), Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 1996, S. 27 (75). 1564 Vgl. OECD-Musterkommentar Ziffer 26. Vgl. auch K. Vogel, Art. 10 OECDMA Rz. 190; A. Raupach, Unternehmen und Unternehmer im DBA-Recht (FN 1562), FS Vogel, S. 1067 (1081, 1084). 1565 Vgl. OECD, OECD Model Tax Convention to Partnerships (FN 1562). Vgl. dazu C. Schmidt, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht nach dem

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handlung von Personengesellschaften als Personen i. S. d. DBA anzusehen, die in dem betreffenden Vertragsstaat ansässig sind.1566 Hierbei ist auf die Sitzstaatsqualifikation des Unternehmens abzustellen.1567 Die deutsche Finanzverwaltung wendet diese Rechtsauffassung seit jeher an.1568 Für optierte Einzelunternehmer empfiehlt Harald Schaumburg eine Abänderung der DBA, damit die Abkommensvorschriften auch insoweit Anwendung finden.1569 Da die Entnahme von Auslandsgewinnen ebenfalls als Quasi-Dividende via Halbeinkünfteverfahren nachbelastet wird (Ersparnisauflösung, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG-E i.V. m. § 3 Nr. 40 lit. d EStG), entspricht die Besteuerung investierten Auslandseinkommens exakt der Belastung inländischer Einkünfte. 2. Auslandsinvestitionen Investiert ein inländisches Personenunternehmen, das für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft optiert hat, seine Gewinne im Ausland, wird dort regelmäßig eine Betriebsstätte begründet (Ausstattung der ausländischen Betriebsstätte mit Dotationskapital). Der „inländische Betrieb“ im Sinne des § 4a Abs. 1 Satz 1 KStG-E umfasst nach Helmut Krabbe1570 OECD-Bericht „The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships“ und den Änderungen im OECD-MA und im OECD-Kommentar im Jahre 2000, IStR 2001, 489 (494). 1566 Vgl. H. Krabbe, OECD-Musterabkommen 2000, IStR 2000, 198 (197). Ebenso ders., Steuerliche Behandlung der Personengesellschaften nach den Doppelbesteuerungsabkommen, IWB F. 3 Gr. 2, 753 ff.; ders., Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze und Personengesellschaften, IWB F. 3 Gr. 2, 863 ff. Franz Wassermeyer (Soll Deutschland die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften in seinen DBA verankern?, IStR 1999, 481 [483, 485]) meint, im Ergebnis sei eine Personengesellschaft auch dann als abkommensberechtigt anzusehen, wenn sie in dem einen Vertragsstaat als transparent und in dem anderen Vertragsstaat als Körperschaft behandelt werde. 1567 Vgl. allg. U. Henkel, in J. Mössner (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 2. Aufl. 1998, E 131. 1568 Vgl. z. B. BMF-Schreiben v. 28.05.1998, IV C 5 – S 1301 Spa – 2/98, BStBl I 1998, 557 [zur steuerlichen Behandlung von spanischen Personengesellschaften nach dem DBA-Spanien], Ziffer 1: „Spanische Personengesellschaften sind für Zwecke des DBA als in Spanien ansässige Personen anzusehen (Artikel 4 Abs. 1 i.V. m. Artikel 3 Abs. 1 Buchstaben e und f DBA-Spanien), die als solche in Deutschland als dem Quellenstaat die Vorteile des DBA in Anspruch nehmen können.“ 1569 Vgl. H. Schaumburg, Unternehmensbesteuerung (FN 1462), in IdW (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, S. 74 (80). 1570 Vgl. H. Krabbe, Unternehmenssteuerreform: Das Optionsmodell für Personenunternehmen im internationalen Steuerrecht, FR 2000, 545 (547). Wohl auch

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Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

auch die ausländischen Betriebsstätten des optierten Unternehmens.1571 Nur dieses Auslegungsergebnis gewährleistet eine Gleichbehandlung von virtuellen und wirklichen Kapitalgesellschaften. Denn zum Betrieb einer wirklichen inländischen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gehören auch ihre ausländischen Betriebsstätten.1572 Wird Krabbe gefolgt, können auch Auslandsinvestitionen aus thesaurierten und damit niedrig besteuerten Gewinnen getätigt werden. Die Vorschriften des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG-E und § 4a Abs. 4 KStG-E wären dahingehend auszulegen, dass Ausstattungen ausländischer Betriebsstätten mit Dotationskapital keine Quasi-Dividenden (Entnahmen) sind und infolgedessen auch nicht nachbelastet werden.1573 So gehen die hierfür erforderlichen Geldmittel nicht vom betrieblichen in den privaten Bereich über.1574 Franz Wassermeyer fürchtet allerdings, dass diese abgabenrechtliche Behandlung die Nachversteuerung der Ersparnisauflösung gefährde, soweit ausländische Betriebsstätten mit Dotationskapital ausgestattet würden. Die deutsche Quasi-Dividendenbesteuerung könne „unschwer unterlaufen werden“1575, „das Scheunentor wäre endlich geöffnet“1576. Denn die inländische Befugnis zur Quasi-Dividendenbesteuerung ginge jedenfalls gegenüber beschränkt steuerpflichtigen Unternehmern verloren, wenn optierte Personenunternehmer ihre Entnahmen (für Konsumzwecke) über eine ausländische DBA-Betriebsstätte leiteten. Wassermeyers Befürchtungen sind im Ergebnis unbegründet. So kann das inländische Steuersubstrat dadurch gesichert werden, dass die (Direkt-)Entnahme von Dotationskapital aus einer ausländischen Betriebsstätte durch einen ausländischen Gesellschafter als Gewinnausschüttung der virtuellen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 4a Abs. 4 KStG-E gewertet1577 und der Halbeinkünftebesteuerung unterworfen wird (§ 20 Abs. 1 Satz 3 EStG-E). HierRödder/Schumacher, Unternehmenssteuerreform 2001 (FN 166), DStR 2000, 353 (365). 1571 A. A. wohl B. E. Bippus (Körperschaftsteuerrechtliches Optionsmodell [FN 1518], DStZ 2000, 541 [548]), die ihr Auslegungsergebnis allerdings als rechtspolitisch verfehlt erachtet. 1572 Vgl. wfr, § 4a KStG-E kann nicht funktionieren (FN 1558), DB 2000, 1102 (1103). 1573 So auch F. Wassermeyer, Außensteuerliche Aspekte (FN 1559), DStJG 25 (2002), S. 103 (116); wfr, § 4a KStG-E kann nicht funktionieren (FN 1558), DB 2000, 1102 (1103). 1574 Vgl. zu dieser Entnahmedefinition R 14 Abs. 2 EStR 1999. Vgl. auch F. Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer (FN 1479), Art. 7 OECD-MA Rz. 243. 1575 F. Wassermeyer, Außensteuerliche Aspekte (FN 1559), DStJG 25 (2002), S. 103 (116). 1576 wfr, § 4a KStG-E kann nicht funktionieren (FN 1558), DB 2000, 1102 (1103).

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für spricht zum einen, dass die Direktentnahme sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Abkürzung des Zahlungswegs einer Entnahme aus dem inländischen Stammhaus darstellt. Zum anderen verstößt ihre Besteuerung als Quasi-Dividende nicht gegen die DBA-rechtlich vereinbarte zwischenstaatliche Aufteilung des Steueraufkommens. Hierfür fehlt es bereits an einem ausländischen Steueranspruch. Die Dotationskapitalentnahme ist erfolgsneutral und damit bei traditioneller Besteuerung auch steuerneutral. Schließlich belastet die Halbeinkünftebesteuerung der Entnahme des Dotationskapitals den optierten ausländischen Personenunternehmer auch nicht höher als einen nicht optierten Personengesellschafter oder Anteilseigner einer wirklichen Kapitalgesellschaft. Erst die Nachbelastung durch § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG-E stellt die einkommensteuerliche Regelbelastung der inländischen Einkünfte her, die der ausländische Investor auch ansonsten zu tragen hat. So ist der nicht optierte Personengesellschafter mit seinen inländischen Einkünften beschränkt einkommensteuerpflichtig (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V. m. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Ein wirklicher Kapitalgesellschafter unterliegt mit den Reinvermögensmehrungen, die er über die Kapitalgesellschaft im Inland erwirtschaftet, der inländischen Körperschaftsteuer (§ 23 Abs. 1 KStG). Hinzu kommt die Halbeinkünftebesteuerung (§§ 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a i.V. m. 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder – sollte letztere DBA-rechtlich abbedungen sein – regelmäßig die ausländische Dividendenbelastung. 3. Inlandsinvestitionen von Steuerausländern Investieren Steuerausländer Einkommen im Inland, begründen sie regelmäßig inländische Betriebsstätten. Können diese für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft optieren, unterliegen Inlandsinvestitionen von Steuerausländern auch dann der 25%-igen Körperschaftsteuer, wenn sie nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft organisiert werden, § 23 Abs. 1 KStG i.V. m. § 4a KStG-E. Die Körperschaftsteuer wäre auf eine etwaige Einkommensteuer anzurechnen, die vom Ansässigkeitsstaat der Personengesellschafter erhoben wird.1578

1577 Diese Rechtsfolge könnte gesetzgeberisch durch folgenden § 4a Abs. 4 Satz 2 KStG-E klargestellt werden: „Als Gewinnausschüttung gilt auch die Entnahme von Dotationskapital einer ausländischen Betriebsstätte.“ 1578 Nach Auffassung der OECD (OECD Model Tax Convention to Partnerships [FN 1562], Tz. 139) hat der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter die Körperschaftsteuer des Betriebsstättenstaats auf die Einkommensteuer anzurechnen, wenn die Personengesellschaft vom Betriebsstättenstaat als juristische Person und vom Ansässigkeitsstaat als transparent behandelt wird. Aus dem Besteuerungsdurchgriff folge der Anrechnungsdurchgriff, vgl. auch A. Raupach, Unternehmen und Unternehmer im DBA-Recht (FN 1562), FS Vogel, S. 1067 (1086 f.).

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Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

Inländischen Personenunternehmen mit ausländischen Gesellschaftern steht die Körperschaftsteuer-Option ohnehin offen.1579 Auskehrungen an die ausländischen Personengesellschafter wären nicht als Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECDMA, sondern als Dividenden1580 zu behandeln (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA). Hieran ist der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter allerdings nicht gebunden.1581

Raupach/Volker meinen, § 4a Abs. 1 Satz 1 KStG-E wäre in Anlehnung an § 2 Abs. 1 GewStG auszulegen gewesen, weshalb er auch inländische Betriebsstätten umfasst hätte.1582 Sollte diese Begründung nicht tragen, wäre der Gesetzgeber gefordert, die Körperschaftsteuer-Option ausdrücklich für inländische Betriebsstätten zu öffnen.1583 Anderenfalls würde eine inländische Betriebsstätte eines Ausländers höher belastet als der inländische Betrieb eines optierten inländischen Personenunternehmens. Dieses (Auslegungs-)Ergebnis verstieße gegen Gemeinschaftsrecht.1584 So hat der EuGH in der Rs. C-311/971585 (Royal Bank of Scotland) entschieden, es sei mit der Niederlassungsfreiheit der Art. 52, 58 EGV (Art. 43, 48 EG) unvereinbar, dass Griechenland das Einkommen der Zweigniederlassung einer ausländischen Bank mit 40% belastet, während bei inländischen Bankgesellschaften ein Steuersatz von 35% zur Anwendung gelangt. Nach dem EuGH-Urteil in der Rs. C-307/971586 (Compagnie de Saint-Gobain) ist es gemeinschaftsrechtlich unzulässig, körperschaft- und vermögensteuerliche Vergünstigungen, die inländische Kapitalgesellschaften genießen, inländischen Betriebsstätten von Kapitalgesellschaften, die in einem anderen EGMitgliedstaat ansässig sind, vorzuenthalten.

1579 Vgl. Haritz/Wisniewski, Ende des Umwandlungsmodells (FN 1524), GmbHR 2000, 161 (164). 1580 Vgl. D. Piltz, in Debatin/Wassermeyer (FN 1479), Art. 7 OECD-MA Rz. 81. 1581 Vgl. aber FN 1578. 1582 Vgl. Raupach/Völkel, in Deutsches Aktieninstitut (DAI) (Hrsg.), Arbeitsbuch zur 51. Steuerrechtlichen Jahresarbeitstagung, 2000, S. 243 (322 ff.). Vgl. dazu auch wfr, § 4a KStG-E kann nicht funktionieren (FN 1558), DB 2000, 1102 (1103). 1583 So wohl auch B. E. Bippus, Raus aus der Mitunternehmerschaft, rein in die Körperschaftsteuer (FN 1516), DStR 1998, 749 (757) [Körperschaftsteuer-Option auch für ausländische Mitunternehmer]. 1584 So auch wfr, § 4a KStG-E kann nicht funktionieren (FN 1558), DB 2000, 1102 (1103) zu H. Krabbe, Das Optionsmodell im internationalen Steuerrecht, in Verlag Dr. Otto Schmidt (Hrsg.), Arbeitsunterlagen der Kölner Tage zur Reform der Unternehmensbesteuerung, 2000, S. 133 ff. Im Ergebnis wohl (trotz Rechtfertigungsversuche) ebenso H. Krabbe, Optionsmodell für Personenunternehmen im internationalen Steuerrecht (FN 1570), FR 2000, 545 (550). 1585 EuGH v. 29.04.1999 – Rs. C-311/97, Slg. 1999, I-2674 (Royal Bank of Scotland). 1586 EuGH v. 21.09.1999 – Rs. C-307/97, Slg. 1999, I-6161 (Compagnie de Saint-Gobain).

C. Option für die steuerliche Behandlung als KG

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Wiederum sieht Franz Wassermeyer1587 deutsches Steuersubstrat gefährdet. Die Quasi-Dividendenbesteuerung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStGE liefe bei einer Optionsfähigkeit inländischer Betriebsstätten leer, soweit Gewinne einer inländischen Betriebsstätte in das ausländische Stammhaus überführt würden, um sodann zeitverschoben entnommen zu werden. Da das Entnahmebesteuerungsrecht regelmäßig beim Sitzstaat des ausländischen Stammhauses liege, könne die Ersparnisauflösung nicht nachbelastet werden. Zwar stellt die Überführung der Betriebsstättengewinne in der Tat keine konsumtive Verwendung der betreffenden Reinvermögensmehrungen dar. Sie ist infolgedessen auch bei nachgelagerter Besteuerung nicht belastungswürdig. Dennoch ist der teilweise Besteuerungsaufschub via Halbeinkünftebesteuerung zu beenden, sobald die Inlandseinkünfte aus dem ausländischen Stammhaus entnommen werden (Ersparnisauflösung durch fiktive Gewinnausschüttung). Anderenfalls unterläge die Reinvermögensmehrung weder im Inland noch im Ausland der einkommensteuerlichen Regelbelastung. Zur Nachbelastung bietet sich die Festsetzung einer Kapitalertragsteuer in dem Zeitpunkt an, in dem die Betriebsstättengewinne grenzüberschreitend überführt werden (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a EStG i.V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG-E). Die hieraus resultierende Steuerschuld, die den Charakter einer branch tax hätte1588, wäre bis zur Entnahme der Inlandseinkünfte aus dem ausländischen Stammhaus zu stunden, wobei die Inlandseinkünfte als zuerst entnommen gelten könnten1589 (fiktive Entnahmereihenfolge). Mit Fälligkeit der Kapitalertragsteuerschuld wäre die 40%-ige1590 Regelbelastung hergestellt. Diese Besteuerungstechnik würde ebenso wie die mit ihr verbundene Belastungswirkung dem Ausgleichsposten entsprechen, der nach Ziffer 2.6.1 des BMF-Schreibens vom 24. Dezember 19991591 (Betriebsstättenerlass) bei der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern „aus Bil1587 Vgl. F. Wassermeyer, Außensteuerliche Aspekte (FN 1559), DStJG 25 (2002), S. 103 (115 ff.). 1588 Vgl. dazu Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen (FN 1436), S. 86. 1589 Steuersystematisch wäre nichts gegen die Annahme einzuwenden, dass Entnahmen aus dem ausländischen Stammhaus zuvörderst aus überführten Inlandsgewinnen gespeist werden. Denn auch im Inland unterliegt jede und damit auch die erste Entnahme dem Halbeinkünfteverfahren. 1590 Zu der Körperschaftsteuer von 25% (§ 23 Abs. 1 KStG) würde sich eine 20%-ige Kapitalertragsteuerbelastung der fiktiven Dividenden gesellen (75% der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage), was 15% des Vor-Steuer-Gewinns der virtuellen Kapitalgesellschaft entspricht. Zwar beträgt der Kapitalertragsteuersatz nur 20%, § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) und ist damit nur knapp halb so hoch wie der Einkommensteuerspitzensatz in 2005 (42%). Dafür wird die Kapitalertragsteuer jedoch auch von den (fiktiven) Dividenden erhoben, die nach § 3 Nr. 40 EStG von der Einkommensteuer befreit sind (50%).

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Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

ligkeit“1592 gebildet wird. Die Besteuerung der stillen Reserven wird solange gehindert, wie das überführte Wirtschaftsgut nicht veräußert wird (aufgeschobene Besteuerung). In beiden Sachverhaltskonstellationen verwirklicht die grenzüberschreitende Transaktion, nämlich die Überführung der Betriebsstättengewinne bzw. -wirtschaftsgüter, noch nicht den belastungswürdigen Tatbestand (Ersparnisauflösung bzw. Realisierung stiller Reserven). Folgerichtig werden sie nicht besteuert. Zu einer Steuerentstrickung im Inland kommt es dennoch nicht. Das inländische Steuersubstrat ist gesichert, ohne dass grenzüberschreitende und Inlandssachverhalte unterschiedlich behandelt würden. Insbesondere besteuert die Nachbelastung optierte ausländische Investoren nicht höher als Anteilseigner einer wirklichen Kapitalgesellschaft oder Gesellschafter eines nicht optierten Personenunternehmens. Im ersten Fall hätten die „entnommenen“ Reinvermögensmehrungen ebenfalls der inländischen Körperschaftsteuer und – in DBA-Fällen regelmäßig ausländischen – Dividendenbesteuerung unterlegen. Im zweiten Fall wäre die einkommensteuerliche Regelbelastung bereits im Zeitpunkt der Einkünfteentstehung entstanden, §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a i.V. m. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. 4. Wegzug optierter Steuerpflichtiger Verlegt der optierte Steuerpflichtige seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt vom Inland (Wegzugsstaat) ins Ausland (Zuzugsstaat) und wird dadurch die Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat steuerentstrickt, ohne das es zu einer Steuerverstrickung im Zuzugsstaat kommt, sind die §§ 11, 12 KStG sowie § 6 AStG anzuwenden, um die Ersparnisse aus niedrig (körperschaft-)besteuerten Reinvermögensmehrungen nachzubelasten (Wegzugsbesteuerung). Insbesondere verstieße eine solche Wegzugsbesteuerung nicht gegen die wirtschaftlichen Grundfreiheiten oder das allgemeine Freizügigkeitsrecht des EG-Vertrages (Art. 39, 43, 49, 56 sowie 18 EG). Der Belastungsnachteil des innereuropäischen Wohnsitzwechsels wäre durch die Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung gerechtfertigt. Ohne Wegzugsbesteuerung unterläge die Ersparnisauflösung weder im Inland noch im Ausland der Besteuerung. Da virtuelle Kapitalgesellschaften im Ausland regelmäßig nicht fortgeführt werden können, bestünde insoweit auch keine „Makro-,Kohärenz‘ auf der Ebene der Doppelbesteuerungsabkommen“1593, vgl. dazu oben Kapitel 9 Abschn. D.I.3.c), Seiten 246 ff.

1591 BMF-Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl I 1999, 1076 (1086 [Tz. 2.6.1]). 1592 Vgl. zur der dogmatischen Fragwürdigkeit dieser Regelung oben FN 1038.

C. Option für die steuerliche Behandlung als KG

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a) Weder in- noch ausländische Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung Nur ausnahmsweise wird ein grenzüberschreitender Wohnsitzwechsels nicht mit einer Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Inland einhergehen, wenn eine Einzelperson für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft optiert hat. Infolge des Wegzugs fehlt es an dem Inlandsbezug, den die beschränkte Einkommensteuerpflicht der fiktiven Dividenden voraussetzt, §§ 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG i.V. m. 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG-E. Denn auch der Sitz der virtuellen Kapitalgesellschaft wird infolge des Umzugs jedenfalls dann ins Ausland verlegt, wenn das virtuelle Betriebsvermögen allein aus Wertpapieren o. ä. besteht, die der Investor mit über die Grenze nimmt (fehlender inländischer Geschäftssitz der virtuellen Kapitalgesellschaft). Eine Steuerverstrickung der Ersparnisauflösung im Ausland ist mit dem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel nur verbunden, wenn das Steuerrecht des Zuzugsstaats ebenfalls virtuelle Kapitalgesellschaften kennt bzw. fiktive Dividenden belastet.1594 Weil dies nur ausnahmsweise der Fall sein dürfte, ist eine Wegzugsbesteuerung erforderlich, um Einkommen einmal zu belasten. b) Wegzugsbesteuerung (1) § 12 KStG – Thesaurierungsbelastung der stillen Reserven Die Wegzugsbesteuerung bedarf allerdings keiner gesetzgeberischen Reformmaßnahmen. Mit §§ 12 KStG; 6 AStG sind die entsprechenden Regelungen bereits vorhanden. Nach § 12 KStG unterliegt der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert des Kapitalgesellschaftsvermögens und seinem Buchwert der Körperschaftsteuer, wenn die Kapitalgesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung grenzüberschreitend verlegt, §§ 12 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. 11 KStG. Zieht mit dem optierten Einzelunternehmer auch die Geschäftsleitung der virtuellen Kapitalgesellschaft um, sichert § 12 KStG die Körperschaftbesteuerung der stillen Reserven, die im fiktiven Vermögen der virtuellen Kapitalgesellschaft verhaftet sind (Thesaurierungsbelastung).1595 1593 W. Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit (FN 815), GS Knobbe Keuk (FN 815), S. 743 (770) [zu EuGH v. 11.08.1995, Rs. C-80/94, Slg. 1995, I-2493 Tz. 24 (Wielockx)]. 1594 Eine Körperschaftsteuer-Option für Einzelunternehmer kennt das brasilianische Steuerrecht, vgl. H. Krabbe, in Debatin/Wassermeyer (FN 108), Länderteil II, 81. Erg.-Lfg. 05/2000, Anhang DBA-Brasilien Rz. 9. 1595 Vgl. zu einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs von § 12 KStG auf Betriebsvermögen, das im Inland nicht steuerverhaftet bleibt (gemein-

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Kap. 15: Brühler Empfehlungen zur Besteuerung

(2) § 6 AStG – Nachbelastung der niedrig besteuerten Ersparnisse § 6 AStG fingiert mit der Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht eine Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen i. S. d. § 17 EStG (Mindestbeteiligung von 1%). Als Veräußerungspreis ist der gemeine Wert im Zeitpunkt des grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsels anzusetzen, § 6 Abs. 1 Satz 3 AStG. Da auch Veräußerungsgewinne i. S. d. § 17 EStG zur Hälfte von der Einkommensteuer befreit sind (§ 3 Nr. 40 lit. c EStG), stellt § 6 AStG die einkommensteuerliche Regelbelastung der Ersparnisse her, die im Rahmen virtueller Kapitalgesellschaften i. S. d. § 4a KStG-E gebildet wurden. Denn diese entsprechen dem Unterschiedsbetrag zwischen den fiktiven Anschaffungskosten der virtuellen Kapitalgesellschaftsanteile (z. B. Einlage) und ihrem gemeinen Wert. Letzterer ist aus dem gemeinen Wert des virtuellen Kapitalgesellschaftsvermögens abzuleiten, der für Zwecke der Liquididationsbesteuerung nach § 12 KStG zu ermitteln war.1596 Die Bemessungsgrundlage entspricht dem Abwicklungsgewinn zuzüglich der Gewinnrücklagen, vermindert um die Körperschaftsteuer, die gem. § 12 KStG zur Entstehung gelangt ist. V. Lebensendvermögen Im Hinblick auf Gewinne der virtuellen Kapitalgesellschaft, die zu Lebzeiten des fiktiven Gesellschafters in Ermangelung ihrer Ausschüttung nicht der Halbeinkünftebesteuerung unterlegen haben (Lebensendvermögen), kann auf die Ausführungen zum derzeitigen Dualismus von Einkommenund Körperschaftsteuer verwiesen werden, vgl. oben Kapitel 14 Abschn. B.V., Seiten 347 ff. Die Nachversteuerung des Erblassereinkommens erfolgt erbschaftsteuerlich. So sah § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG-E des StSenkG-E vor, dass der Erwerb eines Betriebs1597 als Erwerb von Kapitalgesellschaftsanteilen gelten sollte, wenn die Einschaftsrechtskonforme Auslegung), H. Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen (II), GmbHR 1996, 585 (592); B. Knobbe-Keuk, Der Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht und vice versa, StuW 1990, 372 (379). 1596 Vgl. dazu oben Abschn. (1), S. 385. 1597 § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG-E enthielt eine Fiktion für den „Erwerb eines Gewerbebetriebs (§ 95 des Bewertungsgesetzes), eines diesem gleichstehenden Vermögens, das der Ausübung eines freien Berufs oder der Tätigkeit als Einnehmer einer staatlichen Lotterie dient (§ 96 des Bewertungsgesetzes), eines Betriebs der Landund Forstwirtschaft (§ 140, 141 des Bewertungsgesetzes) oder eines Anteils an einer Gesellschaft im Sinne des § 13 Abs. 7, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes“.

C. Option für die steuerliche Behandlung als KG

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künfte aus diesem Betrieb nach § 4a Abs. 1 KStG-E besteuert wurden (Gleichbehandlung von tatsächlichen und virtuellen Kapitalgesellschaftsanteilen 1598). Die fiktiven Gewinnrücklagen erhöhen den gemeinen Wert der virtuellen Kapitalgesellschaftsanteile, der gemäß §§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V. m. 11 Abs. 2 BewG als Erbenbereicherung anzusetzen gewesen wären.1599

Entspricht der Erbschaftsteuertarif der einkommensteuerlichen Regelbelastung, belastet die Steuerschuld, die mit der (intergenerativen) Vermögensübertragung entsteht, nicht nur das Erblassereinkommen nach, sondern stellt auch die Thesaurierungsbelastung der Bereicherung des Erben her (Doppelfunktion der Erbschaftsteuer bei partiell nachgelagerter Besteuerung, vgl. dazu oben Kapitel 13 Abschn. A.II.2., Seiten 308 ff.). Entnahmen in Höhe der Erbschaftsteuer, die auf die virtuellen Kapitalgesellschaftsanteile entfällt, sind gänzlich von der Einkommensteuer zu befreien (keine fiktiven Dividenden nach § 4a Abs. 4 EStG-E).1600 Insoweit ist der Rechtsnachfolger nicht bereichert. Kapitel 16

Partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge Ein weiter Unternehmensbegriff, wie ihn beispielsweise die Körperschaftsteuer-Option für sämtliche Einkommensteuersubjekte verwirklichen würde, ist Mittel zum Zweck, die niedrige Thesaurierungsbelastung allen investierten Reinvermögensmehrungen zugänglich zu machen. Deshalb ist es nicht erforderlich, jenen Steuerpflichtigen, die ihre Ersparnisbildung in Kapitalsammelstellen organisieren, die Bilanzierungs- und Aufzeichnungspflichten aufzuerlegen, die mit der Besteuerung von Unternehmensgewinnen verbunden sind. Hier kann sich die Finanzverwaltung der Mitwirkung der Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften u. a. bedienen, um die Thesaurierungsbelastung der Ersparnisbildung sowie die Nachbelastung der Ersparnisauflösung zu administrieren (partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge).

1598 Vgl. Scheipers/Bergemann, Überlegungen zur Vorteilhaftigkeit der Option i. S. des § 4a KStG-E, DStR 2000, 709 (715). 1599 Vgl. Koschmieder/Schwarz, Erbschaftsteuerliche Wirkungen des Optionsmodells nach dem Regierungsentwurf zur Unternehmenssteuerreform, DB 2000, 443. 1600 Vgl. dazu oben Kapitel 12 Abschn. C.II.2., S. 297 ff. (limitiert nachgelagerte Besteuerung) sowie Kapitel 13 Abschn. A.II.2.b), S. 309 ff. (partiell nachgelagerte Besteuerung) und Kapitel 14 Abschn. B.V., S. 347 ff. (Dualismus von Einkommenund Körperschaftsteuer).

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Kap. 16: Partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge

Ob die bilanzielle Erfassung des gesparten Einkommens erforderlich ist, hängt davon ab, wie flexibel der einzelne Steuerpflichtige in seiner Ersparnisbildung sein will. Wird Einkommen z. B. ausschließlich in Lebensversicherungsverträge oder Investmentfonds-Anteile investiert, bedarf es weder eines inhabersteuerpflichtigen Beteiligungsbetriebs noch einer virtuellen Kapitalgesellschaft, um Einkommen partiell nachgelagert zu besteuern. Ausreichend ist die Überwachung der Zahlungsströme, die aus qualifizierten1601, der Besteuerungsaufsicht unterliegenden Sparprodukten folgen. So hätten die Kapitalsammelstellen sowohl über die Einzahlungen Auskunft zu geben, auf die in Anlehnung an das Körperschaftsteuerniveau ein einkommensteuerlicher Sondertarif von 25% anzuwenden wäre (z. B. pauschale Lohnversteuerung der Zukunftsvorsorgebeiträge, § 40b Abs. 3 EStG-E), als auch über Auszahlungen des Zukunftsvorsorgevermögens. Diese wären als Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen nachzubelasten, wofür sich – nach dem Vorbild des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG1602 – ein § 22 Nr. 6 EStG-E anbieten würde. Wegen der Thesaurierungsbelastung wären Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen in den Anwendungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens einzubeziehen (§ 3 Nr. 40 lit. k EStG-E).

A. Ersparnisbildung (Thesaurierungsbelastung) Bei der Thesaurierungsbelastung der Ersparnisbildung, die in Zukunftsvorsorgeverträgen organisiert wird, ist zwischen den Zukunftsvorsorgebeiträgen des Steuerpflichtigen und den hiermit erwirtschafteten Erträgen zu unterscheiden. Während erstgenannte Reinvermögensmehrungen auf der Ebene des Investors besteuert werden könnten (z. B. pauschaler Lohnsteuersatz von 25%, § 40b Abs. 3 EStG-E), sollten letztere aus Vereinfachungsgründen auf der Ebene der Kapitalsammelstelle vorbelastet werden (Abschaffung der Steuerbefreiung von Wertpapier-Sondervermögen, § 38 KAGG; 25%-ige Quellensteuer auf Zinsen aus Lebensversicherungen, Banksparpläne etc.).

1601

Vgl. dazu bereits J. Lang, Steuergesetzbuch (FN 69), Rn. 473. § 22 Nr. 5 EStG belastet das sonderausgabenabzugsfähige bzw. noch nicht zugeflossene Altersvorsorgevermögen nach (Altersvorsorgebeiträge bzw. Vorsorgekapitalerträge, sog. Riester-Rente). 1602

A. Ersparnisbildung (Thesaurierungsbelastung)

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I. Zukunftsvorsorgebeiträge 1. Einkommensteuerlicher Sondertarif Zukunftsvorsorgebeiträgen würde ein partieller Besteuerungsaufschub gewährt, wenn der Gesetzgeber § 32a EStG um einen Sondertarif1603 ergänzte, dessen Niveau dem 25%-igen Körperschaftsteuersatz entspricht. Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer würde dem Zukunftsvorsorgesparer die Differenz zwischen der einkommensteuerlichen Grenzbelastung und dem Thesaurierungssatz erstattet. Der Steuerpflichtige hätte durch eine Bescheinigung des Anbieters des qualifizierten Zukunftsvorsorgevertrages (z. B. Kapitalanlagegesellschaft, Lebensversicherer) nachzuweisen, in welcher Höhe er in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum Zukunftsvorsorgebeiträge geleistet hat. 2. Pauschaler Lohnsteuersatz (§ 40 Abs. 3 EStG-E) Um die Administration der niedrigen Thesaurierungsbelastung weiter zu vereinfachen, könnte ein 25%-iger pauschaler Lohnsteuersatz für Zukunftsvorsorgebeiträge eingeführt werden, § 40b Abs. 3 EStG-E. Arbeitnehmer wären dann nicht allein aufgrund des Erstattungsanspruchs, der ihnen aus der niedrigeren Belastung der geleisteten Zukunftsvorsorgebeiträge erwächst, gehalten, sich zur Einkommensteuer veranlagen zu lassen. Ebenso wie bei der limitierten Pauschalbesteuerung von Direktversicherungsbeiträgen (§ 40b Abs. 1 EStG) könnte arbeitsvertraglich vereinbart werden, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer vom Arbeitsentgelt einbehält und unmittelbar an das Finanzamt abführt. II. Anbieterbesteuerung (reinvestierte Zukunftsvorsorgekapitalerträge) Wie oben in Kapitel 1 Abschn. B.III.3.b) auf Seite 55 erörtert, setzt die (partiell) nachgelagerte Besteuerung von Einkommen voraus, dass auch den reinvestierten Ersparniserträgen ein (teilweiser) Besteuerungsaufschub gewährt wird. Die steuerliche Behandlung der Erträge des Zukunftsvorsorgevermögens auf Ebene der Kapitalsammelstelle hat der Belastung der Zukunftsvorsorgebeiträge auf der Investorenebene zu entsprechen. Die Besteuerung der Kapitalsammelstellen ist der 25%-ige Belastung der Zukunftsvorsorgebeiträge anzupassen. 1603 Z. B. § 32a Abs. 1a EStG-E: „Abweichend von Absatz 1 beträgt die Einkommensteuer 25% des zu versteuernden Einkommens, soweit es für Zukunftsvorsorgebeiträge im Sinne des § 10a verwendet wurde.“

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Kap. 16: Partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge

1. Körperschaftbesteuerung von Investmentfonds (Streichung des § 38 KAGG) Der neunte KAGG-Abschnitt (§§ 37n ff. KAGG) enthält steuerliche Spezialvorschriften für Sondervermögen von Kapitalanlagegesellschaften. Zentrale Norm ist § 38 Abs. 1 Satz 2 KAGG, wonach Wertpapier-Sondervermögen von der Körperschaftsteuer befreit sind. Schaffte der Gesetzgeber, wie noch im Referentenentwurf zum StSenkG vorgesehen, die steuerlichen Vorschriften des KAGG ab, bedeutete dies nicht nur eine „gewaltige Vereinfachung des Steuerrechts“1604. Zudem würden die Erträge des Zukunftsvorsorgevermögens mit 25% belastet, da Kapitalanlagegesellschaften mit ihren Wertpapier-Sondervermögen der Körperschaftsteuer unterlägen, § 23 Abs. 1 KStG (Zinseinkünfte, Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die keine Kapitalgesellschaftsbeteiligungen sind, Vermietungseinkünfte etc.). Dividenden und Gewinne aus Beteiligungsveräußerungen blieben bei der Einkommensermittlung außer Ansatz, § 8b Abs. 1 u. 2 KStG. Die reinvestierten Ersparniserträge würden dem Zukunftsvorsorgesparer nicht i. S. d. § 11 EStG zufließen. Die Abschaffung der steuerrechtlichen Vorschriften des KAGG striche auch die Zuflussfiktion des § 39 Abs. 1 Satz 2 KAGG (keine Einkommensbesteuerung thesaurierter Investmentfonds-Erträge). Bleiben die steuerlichen KAGG-Vorschriften unverändert, ist der Nachversteuerungstatbestand entsprechend der Regelung des § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG1605 als lex specialis zur Zuflussfiktion des § 39 Abs. 1 Satz 2 KAGG auszugestalten.1606 Dividenden und Gewinne aus Aktienverkäufen würden nach der Logik des Halbeinkünfteverfahrens nach wie vor mit 25% vorbelastet. In Bezug auf andere Ersparniserträge (z. B. Mietzins) fehlte es hingegen an jeglicher Thesaurierungsbelastung. 2. Quellenbesteuerung von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen Werden Zukunftsvorsorgebeiträge in Lebensversicherungsverträge investiert, eignet sich eine an das Körperschaftsteuerniveau angelehnte definitive Steuer, um die erwirtschafteten, aber noch nicht ausgezahlten, d.h. thesaurierten und reinvestierten rechnungs- sowie außerrechnungsmäßigen Zinsen vorzubelasten. Ohne Quellenbesteuerung bleiben die akkumulierten Einkünfte gänzlich unbelastet. Dem Zukunftsvorsorge-Sparer fließen sie 1604

S. Altfelder, Investmentfonds – endlich verständlich?, FR 2000, 299 (310). Vgl. dazu C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung der Riester-Rente (FN 228), StuW 2001, 253 (263). 1606 Vgl. zu einem Formulierungsvorschlag für § 22 Nr. 6 EStG-E unten Abschn. B.I., S. 391. 1605

B. Ersparnisauflösung (Nachbelastung)

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nicht zu, vom Versicherer werden sie erfolgsneutral vereinnahmt (Deckungsrückstellung, §§ 21a; 8 Abs. 1 u. 2 KStG; 341f HGB).1607

B. Ersparnisauflösung (Nachbelastung) I. Halbeinkünfteverfahren Unterliegt das Zukunftsvorsorgevermögen, das die Anbieter der qualifizierten Zukunftsvorsorgeverträge an den Investor auszahlen, dem Halbeinkünfteverfahren, wird im Zeitpunkt der Ersparnisauflösung die einkommensteuerliche Regelbelastung der betreffenden Reinvermögensmehrungen hergestellt. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum StSenkG folgt aus der Halbeinkünftebesteuerung „zusammen mit der steuerlichen Vorbelastung durch die [25%-ige] Körperschaftsteuer eine ertragsteuerliche Einmalbesteuerung“, die „typisierend und generalisierend der Steuerbelastung anderer Einkünfte entspricht“1608. Als Nachversteuerungstatbestand kommt folgender § 22 Nr. 6 EStG-E in Betracht: „Sonstige Einkünfte sind 1. [. . .] 6. Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen im Sinne des § . . . [z. B. § 40b EStG-E: partiell nachgelagerte besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge1609], auch wenn sie von inländischen Sondervermögen oder ausländischen Investmentgesellschaften erbracht werden.“

Folgender § 3 Nr. 40 lit. k EStG-E bezöge die Auszahlung des Zukunftsvorsorgevermögens in den Anwendungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens ein: „Steuerfrei sind 1. [. . .] 40. die Hälfte [. . .] k) der Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen im Sinne des § 22 Nr. 6.“ 1607

Vgl. dazu oben Kapitel 5 Abschn. C.II.3.a), S. 180 ff. [Vorsorgeträger]. StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5), S. 94. 1609 Vgl. zu § 40b Abs. 3 EStG-E, in dem die 25%-ige Thesaurierungsbelastung der Zukunftsvorsorgebeiträge kodifiziert werden könnte, oben Abschn. A.I.2., S. 389 ff. Entschiede sich der Gesetzgeber für einen anderen Vorbelastungstatbestand, hätte der Nachbelastungstatbestand des § 22 Nr. 6 EStG-E auf diesen Bezug zu nehmen. Wird Einkommen ausschließlich partiell nachgelagert besteuert (d.h. keine limitiert nachgelagert besteuerten Zukunftsvorsorgeverträge), wäre auf das Zukunftsvorsorgevertrags-Zertifizierungsgesetz zu verweisen, welches die Besteuerungsaufsicht über die Anbieter der Zukunftsvorsorgeverträge zu regeln hätte, vgl. dazu oben Kapitel 12 Abschn. B.II., S. 292 ff. 1608

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Kap. 16: Partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge

Sowohl die Zukunftsvorsorgebeiträge als auch die hiermit erwirtschafteten Erträge wären regelbelastet, sobald sie einer konsumtiven Verwendung zugeführt würden.1610 Auch Wertveränderungen des privaten Einkünfteerzielungsvermögens wären steuerbar (§ 22 Nr. 6 EStG-E als lex specialis1611 zu § 23 EStG sowie § 40 Abs. 1 KAGG).1612 II. Alternative Nachbelastungssysteme Soll die Thesaurierungsbelastung der Zukunftsvorsorgebeiträge und hiermit erwirtschafteten Erträge bei der Nachversteuerung der Ersparnisauflösung nicht nur „typisierend und generalisierend“1613, sondern exakt berücksichtigt werden, wäre sie entweder individuell – d.h. in Anlehnung an das körperschaftsteuerliche Vollanrechnungssystem – oder pauschal1614 via Teilsteuersatzverfahren1615 auf die Einkommensteuer anzurechnen. Zwar setzte sich der Gesetzgeber in Widerspruch zu der Besteuerung von Kapitalgesellschaftsgewinnen, da er sich insoweit für die gröbere Lösung des Halbeinkünfteverfahrens entschieden hat, § 23 Abs. 1 KStG i.V. m. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1; 3 Nr. 40 EStG. Hieraus resultierende Belastungsunterschiede könnten jedoch mit den Praktikabilitätsproblemen gerechtfertigt werden, die mit der Besteuerung der Anteilseigner anonymer Publikumskapitalgesellschaften einhergehen.

C. Wegzug Bei partiell nachgelagert besteuerten Zukunftsvorsorgeverträgen ist eine Nachbelastung des Zukunftsvorsorgevermögens (Zukunftsvorsorgebeiträge sowie Erträge hieraus) anlässlich der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht des Zukunftsvorsorge-Sparers nur erforderlich, wenn der Wegzug 1610 Um einen intensiven Anbieterwettbewerb auch nach Abschluss des Zukunftsvorsorgevertrages zu gewährleisten und um lock in-Effekte zu vermeiden, wären Übertragungen des akkumulierten Zukunftsvorsorgevermögens in andere Zukunftsvorsorgeverträge, entsprechend der Regelung des § 93 Abs. 2 EStG für Altersvorsorgeverträge, von der Nachversteuerung auszunehmen. 1611 Vgl. dazu FN 1605 sowie Begründung des Regierungsentwurfs zum AVmG, BR-Drucks. 764/00, S. 168. 1612 Vgl. Nachweise zu Forderungen der Steuergerechtigkeitswissenschaft, den Einkünftedualismus abzuschaffen, FN 738. 1613 StSenkG-E, BT-Drucks 14/2683 (FN 5), S. 94. 1614 Vgl. zu Teilanrechnungssystemen J. Hey, in H/H/R (FN 58), Einf. KSt (FN 360), Anm. 216; O. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 4. Aufl. 1999, S. 126 f. 1615 Vgl. dazu I. v. Lishaut, Kleinaktionär in großer Unternehmenssteuerreform (FN 1503) FR 1999, 938 (940).

D. Lebensendvermögen

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zu einer Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Inland führt, ohne mit einer Steuerverstrickung im Ausland einherzugehen (keine Einmalbelastung von Einkommen). Deshalb kann der Gesetzgeber eine Wegzugsbesteuerung dadurch vermeiden, dass er den Nachbelastungstatbestand (§ 22 Nr. 6 EStG-E) in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG aufnimmt (beschränkte Steuerpflicht) und eine DBA-rechtliche Rückfallklausel für den Fall vereinbart, dass der andere Vertragsstaat von der ihm DBA-rechtlich möglicherweise zugewiesenen Besteuerungsbefugnis keinen Gebrauch macht. Zwar besteht für den Wegzugsstaat kein Anlass, auf die Besteuerung der Ersparnisauflösung zu verzichten. So hat er bereits im Zeitpunkt der Ersparnisbildung einen (teilweisen) Besteuerungsverzicht geübt (Belastungsprinzip1616). Sollten Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen dennoch weder im Wegzugsstaat noch im Zuzugsstaat (partiell [§ 3 Nr. 40 lit. k EStG-E]) steuerverstrickt sein, wäre die Wegzugsteuer festzustellen und zu stunden. Insbesondere ist der inländische Steueranspruch aufgrund der Besteuerungsaufsicht über die Kapitalsammelstelle durch entsprechende Haftungstatbestände sicherbar.1617 Der umgezogene Zukunftsvorsorge-Sparer hätte die Steuerschuld ratierlich zu tilgen, und zwar in Korrespondenz mit der konsumtiven Verwendung des Zukunftsvorsorgevermögens. Sollte diese nicht z. B. anhand der Reduzierung des Vermögensbestands nachvollzogen werden können, wäre in Anlehnung an § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG typisierend von einer sukzessiven Ersparnisauflösung auszugehen.1618

D. Lebensendvermögen Das Lebensendvermögen, das auf limitiert nachgelagert besteuertes Zukunftsvorsorgevermögen entfällt, wird dadurch systemgerecht nachbelastet, dass der Rechtsnachfolger auch insoweit zur Erbschaftsteuer herangezogen wird, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Wie oben in Kapitel 13 Abschn. A.II.2.b) auf den Seiten 309 ff. gezeigt, stellt eine Erbschaftsteuer, die der einkommensteuerlichen Regelbelastung entspricht, nicht nur die Thesaurierungsbelastung der Erbenbereicherung her. Sie belastet zugleich das zu Lebzeiten des Rechtsvorgängers keiner konsumtiven Verwendung zugeführte Erblassereinkommen nach. Der Nachbelastungstatbestand des §§ 22 Nr. 6 i.V. m. 3 Nr. 40 lit. k EStG-E dient der typisierenden Nachversteuerung des Erben, 1616 Vgl. dazu oben Kapitel 9 Abschn. D.III., S. 263 ff. sowie R. Beiser, Pensionsbesteuerung (FN 820), DB 2002, 703 (706). 1617 Vgl. zur Verhältnismäßigkeit einer Wegzugsbesteuerung oben Kapitel 9 Abschn. D.I.3.d), S. 253 ff. 1618 Vgl. dazu oben Kapitel 9 Abschn. D.I.3.d)(2), S. 254 ff. sowie [zu § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG] Kapitel 6 Abschn. D.III.3., S. 207 ff.

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Kap. 16: Partiell nachgelagert besteuerte Zukunftsvorsorgeverträge

indem Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen zur Hälfte der Einkommensteuer unterliegen. Allerdings sind Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen zur Gänze von der Einkommensteuer zu befreien, soweit sie zur Begleichung von Erbschaftsteuerschulden benötigt werden, die auf das Zukunftsvorsorgevermögen entfallen. In Höhe der Steuerschulden aus der Lebensendvermögensbesteuerung und Thesaurierungsbelastung fehlt es an einer Erbenbereicherung, vgl. dazu oben Kapitel 12 Abschn. C.II.2., Seiten 297 ff.

Zusammenfassung I. 1. Die nachgelagerte Besteuerung von Einkommen belastet die zum Konsum verwendeten Reinvermögensmehrungen (Erwerbseinkünfte, staatliche Transfers, Erbschaften und Schenkungen) sowie das Lebensendvermögen der Steuerpflichtigen. Damit unterscheidet sie sich vom reinvermögenszugangstheoretischen Ideal der traditionellen Einkommensteuer (Einkommensteuer vom Schanz-Haig-Simons-Typ) ausschließlich hinsichtlich des Zeitpunktes, in dem investierte Reinvermögensmehrungen zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen herangezogen werden. Gespartem Einkommen wird ein Besteuerungsaufschub gewährt. Die Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage korrespondiert mit der Erfassung der Ersparnisauflösung sowie des Lebensendvermögens (nachgelagertes Korrespondenzprinzip). 2. Obgleich nachgelagerte und traditionelle Besteuerung Reinvermögensmehrungen je einmal belasten, entfalten sie gänzlich unterschiedliche Belastungswirkungen. a) Dient das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer als Eichstrich, befreit der Besteuerungsaufschub, den das nachgelagerte Korrespondenzprinzip investierten Reinvermögensmehrungen gewährt, Kapitaleinkommen in Höhe der marktüblichen Verzinsung implizit von der Besteuerung. Zwar zahlt der investierende Steuerpflichtige nominal mehr Einkommensteuer als jener Steuerpflichtige, der seine periodischen Reinvermögensmehrungen unmittelbar einer konsumtiven Verwendung zuführt (Sofortkonsument) und infolgedessen kein Kapitaleinkommen erwirtschaftet. Aufgrund der unterschiedlichen Zeitpunkte der Besteuerung tragen beide Steuersubjekte aber eine gleich hohe abdiskontierte Steuerlast (Barwertbetrachtung). Anders als bei traditioneller Besteuerung steigt bei einer steuerlichen Lastenausteilung, die am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtet ist, die überperiodische Steuerlast investierter Reinvermögensmehrungen nicht an (intertemporale Neutralität). b) Die nachgelagerte Besteuerung ist der zahlungsstromorientierten Einkünfteermittlung belastungsäquivalent (Cash Flow-Besteuerung). Investitionen können hier ebenfalls aus unversteuerten Reinvermögensmehrungen getätigt werden, da die Besteuerung auf den Transfer von Zahlungsmittelbeständen zwischen der betrieblichen Investitionssphäre und der privaten Konsumsphäre abstellt (Sofortabschreibung).

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Zusammenfassung

c) Jedenfalls bei durchschnittlich verzinsten Investitionsprojekten entfalten auch die zinsbereinigte Einkommensteuer und die nachgelagerte Besteuerung die gleichen Belastungswirkungen. Während die Zinsbereinigung die marktübliche Verzinsung eigenfinanzierter Investitionen explizit zum Bemessungsgrundlagenabzug zulässt, befreit das nachgelagerte Korrespondenzprinzip diese Reinvermögensmehrungen implizit von der Besteuerung. Neben Übergangsdivergenzen unterscheidet sich die nachgelagerte von der zinsbereinigten Besteuerung aber dadurch, dass sie einen überperiodischen Anstieg der Steuerlast vermeidet, ohne einen Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen (Periodenkonsum, Lebensendvermögen) und seiner Steuerschuld vermissen zu lassen, der auch bei periodenbezogener Betrachtung nachvollziehbar ist (Akzeptanzproblem der zinsbereinigten Einkommensteuer). II. 1. Die nachgelagerte Besteuerung ist mit dem Grundgesetz vereinbar. a) Eine am nachgelagerten Korrespondenzprinzip ausgerichtete Einkommensteuer genügt den Gerechtigkeitsanforderungen, die der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) an die steuerliche Lastenausteilung stellt. Der Gesetzgeber hat bei der Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips einen weiten Gestaltungsspielraum. Deshalb kann er sich für die traditionelle Einkommensteuer, die ausschließliche Belastung des konsumierten Einkommens oder aber die nachgelagerte Besteuerung entscheiden. Die Gleichheitskonformität der letztgenannten Konzeption steuerlicher Lastenausteilung folgt bereits daraus, dass sie lediglich eine Kombination der beiden vorgenannten – gleichheitsrechtlich unbedenklichen – Besteuerungskonzepte ist (konsumiertes Einkommen und Lebensendvermögen [akkumulierte Ersparnisbildung]). b) Die nachgelagerte Besteuerung ist auch mit Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 14 GG vereinbar. Der Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen belässt dem Steuerpflichtigen – im Gegensatz zur traditionellen Einkommensteuer – die Freiheit, durch seine Konsum-Spar-Entscheidung den Zeitpunkt des Ressourcentransfers an das Gemeinwesen zu bestimmen (freiheitsschonende Besteuerung). Zudem diskriminiert die nachgelagerte Besteuerung die Eigentumsbildung nicht, da der Sparer keine höhere Steuerlast zu tragen hat als der Sofortkonsument (eigentumsschonende Besteuerung). c) Schließlich steht die Finanzverfassung einer nachgelagerten Besteuerung nicht entgegen. Dem Einkommensteuerbegriff des Art. 106 Abs. 3 GG kann ein bestimmter Zeitpunkt der Besteuerung investierter Reinvermögensmehrungen ebenso wenig entnommen werden wie z. B. eine Beschränkung des Besteuerungsanspruchs auf realisierte Reinvermögensmehrungen.

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2. „Geeignetster“ Leistungsfähigkeitsindikator ist das Lebenseinkommen. „Richtiger“ Zeitpunkt der Besteuerung investierter Reinvermögensmehrungen ist infolgedessen der Veranlagungszeitraum der Ersparnisauflösung. Anders als die traditionelle Einkommensteuer ist die Erhebungstechnik des nachgelagerten Korrespondenzprinzips geeignet, das Lebenseinkommen gleichmäßig zu belasten (Steuerbefreiung der marktüblichen Kapitalverzinsung). a) Jede Abschnittsbesteuerung ist willkürlich. So kennt das staatliche Abgabenrecht keine Sachgesetzlichkeit, die eine Aufteilung der Lebenszeit der Steuerpflichtigen in Besteuerungsabschnitte rechtfertigen könnte (weder „Freiheit in der Zeit“ noch „Gleichheit in der Zeit“ noch Gebot einer „gegenwartsgerechten Besteuerung“). b) Im Gegensatz zur traditionellen Einkommensteuer lässt die Erhebungstechnik des nachgelagerten Korrespondenzprinzips die Höhe des VorSteuer-Lebenseinkommens unbeeinflusst (Periodenkonsum und Lebensendvermögen als Bemessungsgrundlage). Da investierten, d.h. der Einkünfteerzielung in zukünftigen Veranlagungszeiträumen dienenden Reinvermögensmehrungen ein Besteuerungsaufschub gewährt wird, reduziert die Besteuerung nicht das erzielbare Kapitaleinkommen (ungeschmälertes Einkünfteerzielungspotenzial). c) Insbesondere kann die Arbeitseinkommensbesteuerung die Belastung von Kapitaleinkommen nicht rechtfertigen (traditionelle Einkommensteuer kein Second Best-System steuerlicher Lastenausteilung). Mit der Unbeobachtbarkeit der Fähigkeit der Steuerpflichtigen zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen könnte die Belastung der Umformung von Gegenwartskonsum in Zukunftskonsum (marktübliche Kapitalverzinsung) nur begründet werden, wenn das potentielle Arbeitseinkommen auch nicht näherungsweise durch die tatsächlich erzielten Arbeitseinkünfte abgebildet würde. Dem ist jedoch so, da auch der individuelle Arbeitsfleiß bzw. Erholungsbedarf zur Anfangsausstattung des Steuerpflichtigen zu zählen ist (weitgehende Exogenität des Arbeitseinkommens). Zudem wird die Fähigkeit zum Ressourcentransfer an das Gemeinwesen zunehmend durch intergenerative Vermögensübertragungen bestimmt, die ebenfalls beobachtbar sind (Erbschaften). d) Schließlich ist die Cash Flow-Besteuerung (zahlungsstromorientierte Ermittlung von Einkommen) die einzig praktikable Einkünfteermittlungsmethode für alle Einkunftsarten. Das Ideal der Bemessungsgrundlage der traditionellen Einkommensteuer, der ökonomische Gewinn (Betriebsvermögensvergleich), kann jedenfalls in Bezug auf Humankapital in der Besteuerungswirklichkeit nicht ermittelt werden. Hierfür müssten die zukünftigen Zahlungsüberschüsse aus der Verwertung der Arbeitskraft prognostiziert

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werden (Ertragswertab- und -zuschreibungen). Reinvermögensmehrungen aus dem Einsatz von Human-, Sach- sowie Finanzkapital können deshalb nur einheitlich belastet werden, indem der Ersparnisbildung ein Besteuerungsaufschub gewährt wird (Sofortabschreibung, nachgelagerte Besteuerung). III. Letztlich kann der Streit dahinstehen, den Philosophen, Juristen und Ökonomen seit über zweihundert Jahren über den „geeignetsten“ Leistungsfähigkeitsindikator (Lebenseinkommen vs. Periodeneinkommen) und damit den „richtigen“ Zeitpunkt der Besteuerung investierter Reinvermögensmehrungen führen. Das Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer lässt sich ohnehin nicht systemkonsequent in die Besteuerungswirklichkeit umsetzen (Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen, Belastung der Ersparniserträge). Hierfür müssten nämlich, was ausgeschlossen scheint, die zahlreichen Regelungen des geltenden Abgabenrechts, die Kapitaleinkommen explizit oder implizit von der Besteuerung befreien, im Sinne einer umfassenden Belastung von Kapitaleinkommen reformiert werden. 1. Allein das Aufkommen der Umsatzsteuer, das ausschließlich konsumiertes Einkommen belastet (Besteuerungsaufschub für investierte Reinvermögensmehrungen), betrug in 2000 95% der Einkommensteuereinnahmen. Es wäre auf die direkten Steuern umzulegen, falls die steuerliche Lastenausteilung am Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer ausgerichtet werden sollte. 2. Auch das Binnensystem der Einkommensteuer müsste umfassend reformiert werden. a) So wird die staatliche Altersvorsorge als bedeutendste Form der Ersparnisbildung nachgelagert besteuert. Hinsichtlich der Beamtenversorgung gilt dies bereits derzeit uneingeschränkt, für die gesetzliche Rentenversicherung sind entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen angekündigt und gleichheitsrechtlich unausweichlich. Die traditionelle Einkommensteuer hätte nicht nur der Erwerb der Versorgungsanwartschaften zu belasten, sondern auch die Rendite zu besteuern, die aus der Koppelung des Versorgungsniveaus an die allgemeine Lohnentwicklung folgt. b) Auch in der betrieblichen Altersvorsorge ist die nachgelagerte Besteuerung weit verbreitet (Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionsfonds und Pensionskassen in den Grenzen des § 3 Nr. 63 EStG). Mit der abgabenrechtlichen Behandlung der sog. Riester-Rente hat der Gesetzgeber diesen Weg in der privaten Altersvorsorge ebenfalls eingeschlagen, §§ 10a; 22 Nr. 5 EStG. c) In seiner barwertäquivalenten Umformung, der vorgelagerten Besteuerung von Einkommen (Ersparnisbildung aus versteuertem Einkommen, keine Besteuerung von Kapitaleinkommen), dominiert das nachgelagerte

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Korrespondenzprinzip die weiteren Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung (Direktversicherung, Pensionskassen und -fonds außerhalb der Grenzen des § 3 Nr. 63 EStG) sowie die private Zukunftsvorsorge. Letzteres folgt insbesondere aus der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungseinkünfte (Kompensation der verwehrten Sofortabschreibung), der Steuerbefreiung von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG), den strukturellen Erhebungsdefiziten bei Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 30a AO) sowie der Konsumgutlösung bei Eigenheimen. d) Schließlich gewähren nicht nur die bilanzsteuerlichen Regelungen der §§ 6b; 7g EStG investierten Reinvermögensmehrungen einen Besteuerungsaufschub. Gleiches gilt für das Realisationsprinzip, wonach nur realisierte Wertsteigerungen der Besteuerung unterliegen. Mit dem Belastungsideal der traditionellen Einkommensteuer ist die Bildung stiller Reserven unvereinbar. Sie wären zeitnah zu belasten, wobei eine Steuerstundung Liquiditätsengpässen oder Bewertungsschwierigkeiten Rechnung tragen könnte. Die Stundung dürfte allerdings nur verzinslich gewährt werden. IV. Gegen eine nachgelagerte Besteuerung werden regelmäßig vier Einwände erhoben. Es fehle an sachgerechten Lösungen für grenzüberschreitende Sachverhalte; eine Lebensendvermögensbesteuerung würde die gegenwärtige Eigentümerkultur zerschlagen; die Nachbelastung der Ersparnisauflösung sei unpraktikabel; schließlich gehe ein Systemwechsel mit unverkraftbaren Steuermindereinnahmen einher. Die Einwände sind unbegründet, was im Ergebnis auch für die fiskalische Übergangsproblematik gilt. Ihr kann mit einer sukzessiven Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip begegnet werden (limitiert oder partiell nachgelagerte Besteuerung). 1. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten besteht Regelungsbedarf nur hinsichtlich des Wegzugs eines nachgelagert besteuerten Sparers, und zwar auch insoweit lediglich in den Fällen, in denen der grenzüberschreitende Wohnsitzwechsel mit einer Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat einhergeht, ohne mit einer Steuerverstrickung im Zuzugsstaat verbunden zu sein. Anderenfalls wird der Grundsatz der Einmalbelastung von Einkommen auch ohne Wegzugsbesteuerung verwirklicht, nämlich auf supranationaler Ebene. Löst der Umzug die Steuerverhaftung der Ersparnisauflösung im Wegzugsstaat, ohne sie im Zuzugsstaat steuerlich zu verstricken, ist die Erhebung einer Wegzugsteuer gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Erst sie sichert die Kohärenz des Subsystems der Ersparnisbesteuerung, und zwar auch auf DBA-Ebene. So sind mit der Steuerverschonung der Ersparnisbildung und der Besteuerung der Ersparnisauflösung zwei Rechtssätze vorhan-

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den, die in ihrem funktionalen Zusammenspiel auf den jeweils anderen angewiesen sind, um ihr Ziel, nämlich die Einmalbelastung von Reinvermögensmehrungen, zu erreichen. Beschränkungen der wirtschaftlichen Grundfreiheiten (Art. 39, 43, 49, 56 EG) oder des allgemeinen Freizügigkeitsrechts (Art. 18 EG) sind infolgedessen gerechtfertigt. Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte erfordern allerdings eine Stundung der Wegzugsteuer, soweit der Besteuerungsanspruch dadurch nicht gefährdet wird (z. B. Sicherheitsleistung). Typisierend kann von einer sukzessiven Ersparnisauflösung im neuen Ansässigkeitsstaat ausgegangen werden, weshalb die gestundete Steuerschuld ratierlich zu tilgen wäre. 2. Eine Zerschlagung der gegenwärtigen Eigentümerkultur durch eine Besteuerung des Lebensendvermögens droht nicht. Sowohl der Erblasser als auch der Erbe verfügen bei nachgelagerter Besteuerung über mehr Eigentum als bei systemkonsequent traditioneller Besteuerung. Ausnahmen vom erbschaftsteuerlichen Belastungsideal (z. B. Familienprinzip, „gemeinwohlgebundenes“ Betriebsvermögen) ist das nachgelagerte Korrespondenzprinzip ebenso (un)zugänglich wie die traditionelle Einkommensteuer. a) Die nachgelagerte Besteuerung belastet intergenerative Vermögensübertragungen geringer als die traditionelle Einkommensteuer, soweit der Nachlass in investiver Verwendung verbleibt und stille Reserven enthält. Diese sind bei traditioneller Besteuerung nachzubelasten (Erblassereinkommen). Zudem unterliegt der verbleibende Nachlass der Erbschaftsteuer (Erbenbereicherung). Die kumulierte Bemessungsgrundlage übersteigt jene des nachgelagerten Korrespondenzprinzips, und zwar um die stillen Reserven. Denn die nachgelagerte Besteuerung gewährt der reinvestierten Erbschaft einen Besteuerungsaufschub, belastet also ausschließlich das Lebensendvermögen. b) Dem Erben steht bei nachgelagerter Besteuerung auch dann ein größerer Nachlass zur Verfügung, wenn die Erbschaft unmittelbar einer konsumtiven Verwendung zugeführt wird. Zwar schuldet der Rechtsnachfolger eine höhere Steuer, soweit das Lebensendvermögen nicht auf stillen Reserven beruht (Nachbelastung der Anschaffungskosten). Jedoch konnte der nachgelagert besteuerte Erblasser zusätzliche Kapitalerträge erzielen (ungeschmälertes Investitionskapital) und bei gleichem Anlagegeschick ein größeres Lebensendvermögen akkumulieren. 3. Der nachgelagerten Besteuerung können schließlich Praktikabilitätsgesichtspunkte nicht entgegengehalten werden. Zwar hat der Fiskus zusätzlich zur Einkünfteentstehung die Einkünfteverwendung zu überprüfen. Die Steuerpflichtigen erhalten jedoch einen Anreiz, ihr gespartes Einkommen zu deklarieren (Besteuerungsaufschub). Zudem entschärft jede Absenkung der Thesaurierungsbelastung das besonders streitanfällige Bilanzsteuerrecht

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(„Chaos der Investitionsbesteuerung“). Wird die Ersparnisbildung in Kapitalsammelstellen organisiert, die den Finanzbehörden gegenüber auskunftspflichtig sind (z. B. Anbieter der Riester’schen Altersvorsorgeverträge), ist die nachgelagerte Besteuerung besonders verwaltungseffizient. 4. Eine übergangslose Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip wäre fiskalisch unverkraftbar. Zwar ist es Aufgabe des Steuersatzes, eine als sachgerecht empfundene Bemessungsgrundlage mit den staatlichen Finanzbedürfnissen in Einklang zu bringen. Zudem wird Kapitaleinkommen derzeit ohnehin nur rudimentär erfasst. Schließlich würde die Verschiebung von Steuersubstrat in zukünftige Veranlagungszeiträume (Steuerverstrickung des Vermögensbestandes) die intergenerative Gerechtigkeit erhöhen (hohe explizite und implizite Staatsverschuldung Deutschlands). Allerdings gefährdete die Umschichtung des Altkapitalbestandes in Neukapital und die Deklaration dieses Vorgangs als abzugsfähige Ersparnisbildung eine ordnungsgemäße Haushaltswirtschaft im Übergangszeitraum. Vermögende Steuerpflichtige könnten ihre Steuerschulden trotz unveränderten Konsumverhaltens über Jahre auf Null reduzieren. Deshalb bedarf es einer Übergangslösung. Hierfür kommen die limitiert und die partiell nachgelagerte Besteuerung in Betracht. Diese Konzeptionen steuerlicher Lastenausteilung bringen zudem innerperiodische und überperiodische Gerechtigkeitsaspekte zum Ausgleich. V. Die limitiert nachgelagerte Besteuerung gewährt investierten Reinvermögensmehrungen betragsmäßig begrenzt einen Besteuerungsaufschub. 1. Mit der abgabenrechtlichen Behandlung der sog. Riester-Rente hat die limitiert nachgelagerte Besteuerung bereits tatbestandlichen Ausdruck im geltenden Einkommensteuerrecht gefunden (§§ 10a; 22 Nr. 5 EStG). Da es dem Gesetzgeber nicht gelungen ist, die vorzeitige Auszahlung des Altersvorsorgevermögens zu sanktionieren, würde es genügen, sämtliche Steuerpflichtige in den Adressatenkreis des § 10a EStG einzubeziehen und die Höchstbeträge der sonderausgabenabzugsfähigen Altersvorsorgebeiträge (in 2008 2.100 Euro) schrittweise anzuheben. Zudem wäre § 22 Nr. 5 EStG in den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG aufzunehmen, um die Ersparnisauflösung von Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt ins Besteuerungsausland verlegt haben (Wegzug), im Inland steuerzuverstricken. Schließlich wäre ausgezahltes Altersvorsorgevermögen von der Einkommensteuer zu befreien, soweit es für die auf das Altersvorsorgevermögen entfallende Erbschaftsteuer benötigt wird (keine Erbenbereicherung). 2. Um den Ausnahmefall der Riester-Rente (vorzeitige Auszahlung) nicht zum Regelfall werden zu lassen, könnte ein zusätzlicher Abzugstatbestand für Einzahlungen in Zukunftsvorsorgeverträge geschaffen werden (Zu-

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kunftsvorsorgebeiträge, § 10a Abs. 6 EStG-E). Korrespondierend wäre der Nachversteuerungstatbestand des § 22 Nr. 5 EStG auf Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen zu erstrecken, als deren Anbieter sämtliche Kapitalsammelstellen in Betracht kommen, die der Besteuerungsaufsicht unterliegen (Verpflichtung zur Auskunftserteilung, Einbehaltung und Abführung einer etwaigen Quellensteuer). Für eine sachgerechte Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte sowie die Lebensendvermögensbesteuerung gelten die Ausführungen zu den Riester’schen Altersvorsorgeverträgen entsprechend (Aufnahme des § 22 Nr. 5 EStG in § 49 Abs. 1 EStG; Einkommensteuerentstrickung von Zukunftsvorsorgevermögen in Höhe der hierauf entfallenden Erbschaftsteuer). VI. Die partiell nachgelagerte Besteuerung gewährt investierten Reinvermögensmehrungen nur einen teilweisen Besteuerungsaufschub. Sie unterliegen einem Steuersatz, der zwar die einkommensteuerliche Regelbelastung unterschreitet, jedoch größer Null ist (Thesaurierungsbelastung). Werden die niedrig versteuerten Ersparnisse aufgelöst oder verstirbt der partiell nachgelagert besteuerte Investor, stellt ein Nachbelastungstarif die Regelbelastung her. 1. Eine abgabenartenübergreifende Analyse der steuerlichen Lastenausteilung zeigt, dass Reinvermögensmehrungen in Deutschland bereits derzeit partiell nachgelagert besteuert werden, nämlich durch das Nebeneinander von Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftsteuer einerseits sowie den Dualismus von Körperschaft- und Einkommensteuer andererseits (Halbeinkünfteverfahren). a) Regelbelastung von Reinvermögensmehrungen ist die kumulierte Einkommen- und Umsatzsteuerlast. Da investierte Reinvermögensmehrungen zunächst nur der (traditionellen) Einkommensteuer unterliegen und erst im Zeitpunkt ihrer konsumtiven Verwendung (Ersparnisauflösung) umsatzsteuerlich (nach)belastet werden, wird ihnen ein teilweiser Besteuerungsaufschub gewährt. Werden Reinvermögensmehrungen zu Lebzeiten des Investors nicht konsumtiv verwendet, werden sie erbschaftsteuerlich nachbelastet (Lebensendvermögen). Soweit die Erbschaftsteuer die Umsatzsteuer übersteigt, die vom Erblasser bei einer Ersparnisauflösung zu Lebzeiten getragen gewesen wäre, belastet sie die Reinvermögensmehrung vor, die der Erbe durch den Nachlass erfährt (Annexsteuer zur Einkommensteuer des Erben, Thesaurierungsbelastung). Sobald der Rechtsnachfolger den Nachlass konsumtiv verwendet, wird er Träger von Umsatzsteuer. b) Im Binnensystem des Ertragsteuerrechts gewährt der Dualismus von Einkommen- und Körperschaftsteuer investierten Reinvermögensmehrungen einen teilweisen Besteuerungsaufschub. Thesaurierte Kapitalgesellschaftsge-

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winne unterliegen als Ersparnisbildung, die im körperschaftsteuerpflichtigen Sektor organisiert wird, nur einer 25%-igen Thesaurierungsbelastung. Der Spitzensatz der Einkommensteuer beträgt hingegen auch ab 2005 noch 42% (Steuersatzspreizung). Ähnlich hoch (40,75%) werden Kapitalgesellschaftsgewinne belastet, wenn sie ausgeschüttet werden (hälftige Einkommensteuerpflicht von Dividenden, sog. Halbeinkünfteverfahren). c) Die partiell nachgelagerte Besteuerung via Einkommen-, Umsatz- und Erbschaftsteuer könnte intensiviert werden, indem der Anteil der Umsatzsteuereinnahmen am Gesamtsteueraufkommen schrittweise angehoben wird (sukzessive Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip). Vergleichbar wirkt eine erneute Absenkung der körperschaftsteuerlichen Thesaurierungsbelastung, die mit einer umfassenderen Einbeziehung von Dividenden in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einhergeht (z. B. Körperschaftsteuersatz von 19% [12%] und Zweidritteleinkünfteverfahren [Vierfünfteleinkünfteverfahren]). 2. Steuersystematisch verfehlt und gleichheitsrechtlich problematisch ist, dass die partiell nachgelagerte Besteuerung via Halbeinkünfteverfahren nur der Ersparnisbildung, die in Kapitalgesellschaften organisiert ist, einen teilweisen Besteuerungsaufschub gewährt. Gleichermaßen unbefriedigend ist die einkommensteuerliche Nachbelastung auch reinvestierter Dividenden. Hier sind ergänzende gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich, damit der teilweise Besteuerungsaufschub als Übergangsregelung zu einer vollumfänglichen Ausrichtung der steuerlichen Lastenausteilung am nachgelagerten Korrespondenzprinzip oder als Ausgleich über- und innerperiodischer Gerechtigkeitsaspekte gerechtfertigt ist. Investierte Reinvermögensmehrungen dienen ungeachtet der Art und Weise der Ersparnisbildung der Erzielung von Einkommen in zukünftigen Veranlagungszeiträumen, ihre Besteuerung nimmt gleichermaßen Einfluss auf den Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen. a) Die Brühler Empfehlungen haben mit der Sondertarifierung des nicht entnommenen Gewinns, der Inhabersteuer und der Körperschaftsteuer-Option Schritte in Richtung einer Öffnung der niedrigen Thesaurierungsbelastung für alle Steuerpflichtigen vorgeschlagen. Würde das Sondertarifierungsmodell auch Arbeitnehmern zugänglich gemacht oder das Reformkonzept der Inhabersteuer verwirklicht (weiter Unternehmensbegriff), wäre Einkommen systemkonsequent partiell nachgelagert besteuert. Sämtlichen investierten Reinvermögensmehrungen würde ein teilweiser Besteuerungsaufschub gewährt. b) Gleiches leistet eine Option für die steuerliche Behandlung als Kapitalgesellschaft (§ 4a KStG-E), die allen Einkommensteuersubjekten offen steht, d.h. neben den Gewinneinkunftsarten auch der privaten Vermögens-

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Zusammenfassung

verwaltung sowie den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dieses Besteuerungsmodell ist nicht nur bereits Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens gewesen, sondern würde zudem den geringsten Reformaufwand verursachen. Der Gesetzgeber könnte weitgehend an Regelungen des geltenden Steuerrechts anknüpfen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Nachversteuerung der Ersparnisauflösung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG-E i.V. m. 3 Nr. 40 EStG) als auch für den Wegzug des fiktiven Anteilseigners der virtuellen Kapitalgesellschaft (Wegzugsbesteuerung, §§ 12 KStG; 6 AStG) sowie die Lebensendvermögensbesteuerung (§§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V. m. 11 Abs. 2 BewG). c) Soweit die individuelle Ersparnisbildung in Kapitalsammelstellen organisiert wird (Lebensversicherungen, Investmentfonds-Anteile), kann Einkommen über Zukunftsvorsorgeverträge partiell nachgelagert besteuert werden. Dann ist es nicht erforderlich, dem Steuerpflichtigen die Buchführungspflichten aufzuerlegen, die mit einem weiten Unternehmensbegriff verbunden sind (z. B. Körperschaftsteuer-Option). Die partiell nachgelagerte Besteuerung via Zukunftsvorsorgeverträge wäre höchst verwaltungseffizient. So könnte sich die Finanzverwaltung bei der Herstellung von Thesaurierungsbelastung und Nachbelastung der Mitwirkung der Vertragsanbieter bedienen, die u. a. zur Erteilung von Auskünften über die Entwicklung des Zukunftsvorsorgevermögens zu verpflichten wären (Besteuerungsaufsicht). Zukunftsvorsorgebeiträge wären in Anlehnung an den Körperschaftsteuertarif mit 25% zu besteuern (z. B. § 40b Abs. 3 EStG-E). Die Erträge unterlägen ebenfalls dieser Belastung, wenn die Körperschaftsteuerbefreiung der Wertpapier-Sondervermögen von Kapitalanlagegesellschaften (§ 38 KAGG) abgeschafft sowie reinvestierte Zinsen aus Kapitallebensversicherungen quellenbesteuert würden. Die Ersparnisauflösung (Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen) wäre in den Anwendungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens einzubeziehen (§§ 22 Nr. 6 i.V. m. 3 Nr. 40 lit. k EStG-E), um „typisierend und generalisierend“ die einkommensteuerliche Regelbelastung des Zukunftsvorsorgevermögens herzustellen. Einer Wegzugsbesteuerung bedürfte die Verwirklichung des Grundsatzes der Einmalbelastung von Einkommen nicht, wenn der Nachbelastungstatbestand (§ 22 Nr. 6 EStG-E) in § 49 Abs. 1 EStG aufgenommen sowie DBArechtlich eine Rückfallklausel vereinbart würde. Der grenzüberschreitende Umzug könnte nicht mit einer Steuerentstrickung der Ersparnisauflösung im Inland einhergehen, ohne mit einer Steuerverstrickung im Ausland verbunden zu sein. Im Sinne einer sachgerechten Lebensendvermögensbesteuerung sowie Thesaurierungsbelastung der Bereicherung des Erben müssten Leistungen aus Zukunftsvorsorgeverträgen gänzlich von der Einkommensteuer befreit werden, soweit sie zur Begleichung der Erbschaftsteuer benötigt werden, die auf das Zukunftsvorsorgevermögen entfällt.

Entscheidungsverzeichnis Europäischer Gerichtshof (EuGH) EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH EuGH

v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v.

11.07.1974 13.12.1979 05.05.1982 27.10.1982 15.01.1985 08.12.1987 08.05.1990 05.02.1991 28.01.1992 28.01.1992 28.06.1992 07.07.1992 26.01.1993 14.07.1994 05.10.1994 11.08.1995 14.11.1995 30.11.1995 27.06.1996 16.07.1998 16.03.1999 29.04.1999 21.09.1999 09.03.2000 06.06.2000

Rs. 8174 Rs. 44/79 Rs. 15/81 Rs 35, 36/72 Rs. 44/84 Rs. 20/87 Rs. C-175/88 Rs. C-363/89 Rs. C-204/90 Rs. C-332/90 Rs. C-300/90 Rs. C-295/90 Rs. C-112/91 Rs. C-379/92 Rs. C-280/93 Rs. C-80/94 Rs. C-484/93 Rs. C-55/94 Rs C-107/94 Rs. C-264/96 Rs. C-222/97 Rs. C-311/97 Rs. C-307/97 Rs. C-437/99 Rs. C-35/98

Slg. 1974, 837 (Dassonville) Slg. 1979, 3727 Tz. 23 (Hauer) Slg. 1982, 1409 (Schul) Slg. 1982, 3723 (Morson) Slg. 1986, 29 (Hurd) Slg. 1987, 4897 (Gauchard) Slg. 1990, 1779 (Biehl) Slg. 1991 I-273 (Roux) Slg. 1992 I-249 (Bachmann) Slg. 1992, 341 (Steen) Slg. 1992 I-305 (Kommission) Slg. 1992 I-4193 (Parlament) Slg. 1993 I-429 (Werner) Slg. 1994 I-3454 (Peralta) Slg. 1994 I-4973 (Bananenurteil) Slg. 1995, I-2493 (Wielockx) Slg. 1995 I-3955 (Svenson-Gustavsson) Slg. I-4165, 4197 (Gebhard) Slg. 1993 I-429 (Asscher) Slg. 1998 I-4695 (ICI) IStR 1999, 286 (Trummer) Slg. 1999, I-2674 (Bank of Scotland) Slg. 1999, I-6161 (Saint-Gobain) Slg. 2000 I-1157 (Krankenhausverein) EWS 2000, 303 (Verkooijen)

Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG

v. v. v. v. v. v. v.

16.01.1957 17.01.1957 12.11.1958 03.12.1958 24.01.1962 07.05.1968 07.11.1972

1 1 2 1 1 1 1

BvR 253/56 BvL 4/54 BvL 4, 26, 40/56 BvR 458/57 BvR 232/60 BvR 420/63 BvL 4, 17/71, 10/72

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

6, 32 6, 55 8, 274 9, 3 13, 318 23, 242 34, 118

406 BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG

Entscheidungsverzeichnis v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v.

05.11.1974 25.04.1977 08.03.1978 13.04.1978 20.03.1980 23.05.1980 09.11.1988 06.06.1989 25.05.1990 27.06.1991 22.07.1991 25.09.1992 22.06.1995 22.06.1995 10.04.1997 20.08.1997 03.12.1997 30.09.1998 14.02.2001 05.02.2002 06.03.2002 18.12.2002

2 1 1 2 1 2 1 1 1 2 1 2 2 2 2 1 2 2 2 2 2 2

BvL 6/71 BvR 15/75 BvR 117/78 BvF 1-5/77 BvR 121/76 BvR 854/79 BvL 22/84, 71/96, 9/87 BvR 921/85 BvL 20,26,164,4/86 BvR 1493/89 BvR 313/88 BvL 5, 8, 14/91 BvL 37/91 BvR 552/91 BvL 77/92 BvR 1523/88, 1300/89 BvR 882/97 BvR 1818/91 BvR 466/93, 1488/93 BvR 305/93, 348/93, BvL 17/99 BvR 367/02

BVerfGE 38, 154 BVerfGE 46, 224 HFR 1978, 293 f. BVerfGE 48, 127 BVerfGE 54, 11 BVerfGE 54, 143 BVerfGE 79, 87 BVerfGE 80, 137 BVerfGE 82, 60 BVerfGE 84, 239 HFR 1992, 423 BVerfGE 87, 153 BVerfGE 93, 121 BVerfGE 93, 165 BVerfGE 96, 1 HFR 1998, 397 BVerfGE 97, 67 BVerfGE 99, 88 NJW 2001, 1853 BVerfGE 105, 17 DStRE 2002, 349 DB 2003, 371

Bundesfinanzhof (BFH) BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH

v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v.

02.02.1951 31.10.1957 28.03.1958 11.01.1961 27.05.1964 03.07.1964 09.08.1968 16.07.1969 16.09.1970 28.04.1971 31.08.1972 19.02.1975 25.10.1975 26.01.1977 13.10.1977 05.07.1978 30.06.1983 23.02.1984

IV44/50 S VI 1/54 U VI 233/56 S II 272/58 U IV 352/62 U VU 262/63 U VI R 220/65 I 266/65 I R 184/67 I R 55/65 IV R 93/67 I R 154/73 GrS 6/71 VIII R 109/75 I R 261/70 II R 64/73 IV R 113/81 IV R 128/81

BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl BStBl

III 1951, 55 III 1958, 4 III 1958, 268 III 1961, 162 II 1964, 478 III 1965, 83 II 1969, 5 II 1970, 175 II 1971, 85 II 1971, 630 II 1973, 51 II 1975, 441 II 1973, 79 II 1977, 283 II 1977, 76 II 1979, 23 II 1983, 640 II 1984, 516

Entscheidungsverzeichnis BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH BFH

v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v. v.

28.03.1984 29.07.1986 08.09.1988 06.12.1989 12.07.1990 27.03.1992 04.05.1993 27.05.1993 17.12.1997 11.02.1998 14.05.1998 11.08.1999 25.07.2000 28.11.2000 22.05.2002

I R 191/79 IX R 206/944 IV R 66/67 II B 70/89 IV R 137-138/89 R 35/89 VIII R 7/91 VI R 19/92 I B 108/97 I R 81/97 X R 38/93 XI R 77/97 VII B 28/99 I R 102/99 II R 61/99

BStBl II 1984, 664 BStBl II 1986, 747 BStBl II 1989, 32 BFH/NV 1990, 643 BStBl II 1991, 13 BStBl II 1992, 664 BStBl II 1993, 832 BStBl II 1994, 246 DStZ 1998, 520 BStBl II 1998, 485 BFH/NV 1999, 163 DStR 1999, 1845 BStBl II 2000, 643 BStBl II 2001, 195 BStBl II 2002, 598

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Sachverzeichnis abgabenartenübergreifende Analyse 320 ff. Abgeltungssteuer 305 Abschreibung – Ertragswert- 143 – steuerlich beschleunigte 222 f. Administrabilität 271 ff. Akzeptanz 86 ff. Allokationstheorie 317 f. Altkapitalbestand 281 ff., 350 f. Anfangsausstattung 136 Anrechnungsdurchgriff 381 Anrechnungsmethode, international 234 f. – Anrechnungsüberhang 235 Anrechnungsverfahren – körperschaftsteuerliches Voll- 333 f. – pauschales 335 – Teil- 364 f. Anschaffungskosten 266 Äquivalenzprinzip 43, 94 ff., 340 f. Arbeitsfleiß 140 Ausgabensteuer 52, 68, 112 Ausschüttungsbelastung 334 Austauschgerechtigkeit 158, 340 Auszahlungsabzugsverfahren 364 Bankgeheimnis 186 Beamtenversorgung 159 ff., 286 Belastungsprinzip 210, 263 f., 393 Besteuerungsaufschub 47 Beteiligungsunternehmen 363 Betriebliche Altersversorgung, 168 ff., 286 f. – Beitragszusage 169 – Durchführungswege 171 ff. – in Europa 228 f.

– Leistungszusage 169 – lohnsteuerlicher Zufluss 170 Betriebsaufspaltung 370 Betriebsstättenerlass 256, 383 ff. Betriebsteuer 354 Bewertungsproblematik, unrealisierte Wertzuwächse 220 branch tax 361, 366, 383 Brühler Empfehlungen 353 ff. Cash Flow-Besteuerung 73 ff., 146 f., 222 cross-border pensions 228, 264, 300 Dienstmädchenprivileg“ 37 Dividendenabzugsverfahren 364 Doppelbelastung von Ersparnissen 62, 68 f. Doppelbesteuerung 44, 107 Doppelfunktion der Erbschafsteuer 348 Eigenkapitalzuwachsverzinsung 85 f. Eigentum 107 einbringungsgeborenes Vermögen 370 Einkommen – Gebot der Einmalbelastung 44, 308, 249 f. – Verbot der Mehrfachbelastung 44, 282 Einkommenseffekt 109 Einkommensteuer, sparbereinigte 51 Einkünftedualismus 188 Einnahmenüberschussrechnung 50 f., 146, 221 f. Entnahmelehre, finale 255 Entstrickungsklausel 224

Sachverzeichnis Erblasserbesteuerung, mittelbar 295 Erbschaften, Besteuerung von 33, 39, 41 f. Erbschaftsteuer 41 f., 58 Erwerbsaufwendungen 55 f. Exogenität des Arbeitseinkommens 138 externe Effekte 341 Faktorallokation, intertemporale 106 Finanzverfassung 110 ff. Fiskalismus 275 ff. Freiheitsrechte 100 ff. Freistellungsmethode 232 f. Freizügigkeit 243 ff. Gewerbesteuer 336 ff. Gewinnüberführung 383 Gewinnverwirklichung, aufgeschobene 256 Gleichheitssatzkonformität – nachgelagerte Besteuerung 99 f. – Periodeneinkommen 96 f. – Periodenkonsum 97 Halbeinkünfteverfahren 226 f., 334 f., 377 Handlungsfreiheit, allgemeine 103 ff. Hinzurechnungsbesteuerung 345 imputed income 52 Individualbesteuerung 40, 44, 46 Inhabersteuer 353 f., 362 ff. intergenerative Gerechtigkeit 229, 279 ff., 291 Investitionsgutlösung, Eigenheim 190 ff. Investmentfonds 201 Kapitalanlagegesellschaften 390 Kapitalexportneutralität 236 Kapitalimportneutralität 236 Kapitallebensversicherungen 390 f. Kapitalsammelstellen 55

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Kapitalverzinsung – Normal- 77 – überdurchschnittliche 69 Karlsruher Entwurf 42, 115, 282 f. Kassenrechnungsprinzip 50 f., 146, 221 f. Kohärenz 241, 247 ff. Kongruenz der Steuerrechtsordnungen 328, 330 Konsumgutlösung, Eigenheim 190 ff. Kopfsteuerprinzip 92 ff. Körperschaftsteuer-Option 353, 367 ff. Korrespondenzprinzip – allgemeines 46 – intertemporales 46 – nachgelagertes 46, 133 ff. Lebensausstattungsansatz 120 ff. Lebenseinkommen 121 ff. Lebensendvermögen 44, 57, 264 ff. Lebensstandardansatz 118 ff. Lebensversicherungsprivileg 186 Leibrente 165 Leistungsfähigkeitsprinzip 91 ff. limitiert nachgelagerte Besteuerung 285 ff. Liquidität 217 f. lock in-Effekt 318, 363 Markteinkommenstheorie – enge 42 ff. – erweiterte 35 ff. nachgelagerte Besteuerung, Definition 45 f. Nachhaltigkeitslücke (tax gap) 280 Nachversteuerungskonto 359 f. Neutralität der Besteuerung – Finanzierungs- 318 – intertemporal 70 ff., 319 f. – Investitions- 318 Nutzen 118 ff. Nutzungswertbesteuerung 191 ff.

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Sachverzeichnis

öffentliche Güter 95 ökonomischer Gewinn 142 Ökosteuern 341 partiell nachgelagerte Besteuerung 304 ff. Pensionsfonds 182 ff. Pensionskasse 182 ff. Pensionszusage 171 ff. Periodizitätsprinzip 121 Potentialeinkommen 140 psychic income 120 „Quasi-Dividenden“ 377 Rawl’scher Schleier des Nichtwissens 93 Realisationsprinzip 31, 44, 54, 37, 211 ff., 317 f. Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung 367 Regelbelastung, einkommensteuerliche 305 ff., 312 Reinvermögenszugangstheorie 32 ff. Reinvermögenszuwachstheorie 214 Reinvestition von Ersparniserträgen 55, 68 f. „Rendite der Rente“ 164 f. renditebereinigte Besteuerung 82 Rentenversicherung, gesetzliche 162 ff. Riester-Rente 195 ff. Rückfallklausel 300 Schanz-Haig-Simons 32 ff., 320 Selbstdeklaration 274 Sicherheitsleistung 253 f. Sondertarifierung des nichtentnommenen Gewinns 354, 355 ff. Sozialtransfers 38 f. Sparerfreibetrag 185 Steuerentstrickung – Erbschaftsteuer 297, 311 – international 250

Steuererhebungstechniken 131 ff. Steuerquellenaufteilung 263 Steuerrechtfertigung 90 Steuersatzspreizung 226 f., 330 ff. Steuerstundung 217 f. Steuerverstrickung, international 252 stille Reserven 44, 110, 255, 258 ff. Strafsteuer 230 Subjektbezogenheit der Einkommensteuer 40, 44 ff. Substitutionseffekt 109 Territorialitätsprinzip 232 f. Übergangsproblematik 278 ff., 303, 350 Übermaßverbot 253 überperiodischer Steuerlastanstieg 62, 68 Umsatzsteuer 151 ff. – Unternehmerbegriff 358 – Vorsteuerabzug für Arbeitnehmer 157 Unterstützungskasse 175 ff. Vereinfachungszwecknorm 92 Verhältnismäßigkeit 253 Vermögensverwaltung, private 373 Versicherungsfunktion der Besteuerung 95 versicherungsimmanente Umverteilungen 166 f. Versorgungsanwartschaft, höchstpersönliche 115 Vierfünfteleinkünfteverfahren 351 „virtuelle Kapitalgesellschaft“ 371, 374 f. vorgelagerte Besteuerung (prepayment) 189 ff. Vorsichtsprinzip 212 Wegzugsbesteuerung 239 ff., 299 Wehrgerechtigkeit 125

Sachverzeichnis weiße Einkünfte 208, 299 Welteinkommensprinzip 232 Wertungsabhängigkeit 89, 99 Wertverluste 54 f. Wohneigentum, selbstgenutzt 37, 190 ff. Zeitpunkt der Besteuerung 65

Zinsbereinigte Einkommensteuer 75 ff. – Belastungsäquivalenz 76 f. – Belastungsdivergenz 79 f. – Übergangsdivergenz 83 ff. Zuflussfiktion 390 Zukunftsvorsorgeverträge 292 ff., 387 ff. Zweidritteleinkünfteverfahren 351

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