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German Pages 953 [960] Year 1970
Meisner - Stern - Hodes Nachbarrecht im Bundesgebiet (ohne Bayern) und in West-Berlin 5. Auflage
Meisner - Stern - Hodes
Nachbarrecht im Bundesgebiet (ohne Bayern) und in West-Berlin 5. verbesserte und vermehrte Auflage
ab der 2. Auflage bearbeitet von
DR. F R I T Z
HODES
Richter am Oberlandesgericht Frankfurt a. M.
Zitierweise : M. - S. - Hodes, Bundesnachbarrecht
1970
IP
J. Schweitzer Verlag • Berlin
Sat2 und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Alle Rechte, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Potokopien und Mikrofilmen, vorbehalten.
Vorwort zur 5. Auflage Auch in der Zeit nach dem Erscheinen der 4. Auflage im April 1964 nat sich die Weiterentwicklung des Nachbarrechts fortgesetzt, und seine Bedeutung hat weiter zugenommen. Der Bundesgesetzgeber und die Länderparlamente haben wichtige nachbarrechtliche Vorschriften neu erlassen. Erinnert sei nur an das Bundesgesetz zum Schutz gegen Baulärm mit den entsprechenden Durchführungsverordnungen der Länder dazu, ferner an die Immissionsschutzgesetze der Länder Niedersachsen und RheinlandPfalz und nicht zuletzt an die Nachbarrechtsgesetze von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Ferner hat das Schrifttum mit zahlreichen nachbarrechtlichen Abhandlungen seinen wertvollen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet. An die Ländergerichte und an den Bundesgerichtshof sind laufend neue Rechtsfragen herangetragen worden, deren Entscheidungen im vorliegenden Werk zu verwerten waren. In diesem Zusammenhang darf ich allen denen danken, die mich durch Zusendung nicht veröffentlichter Gerichtsentscheidungen unterstützt haben. Besonderen Dank schulde ich Herrn Ministerialrat Pintschovius aus Mainz, der die beiden Abschnitte „Die Grenze und ihre Vermarkung" und „Grenzstreitigkeiten" mitgeprüft hat. Wie schon in den vorausgegangenen Auflagen habe ich auch dieses Mal wieder versucht, die Grundlinie des inzwischen stark angewachsenen Werkes beizubehalten, d. h. neben wissenschaftlicher Durchdringung des Stoffes durch klare und gemeinverständliche Sprache die Handhabung des Buches auch dem Laien zu ermöglichen. Möge das Werk auf seine Weise dem nachbarlichen Frieden dienen! Frankfurt, den 6. Februar. 1970
Dr. Hodes
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Aus dem Vorwort zum „Preußischen Nachbarrecht" Die vorliegende Abhandlung enthält die gesamten, auf das Nachbarrecht bezüglichen Vorschriften des Reichs- und Landesrechts mit Einschluß des Rechts der Grunddienstbarkeiten, jedoch unter Ausscheidung des Wasserrechts. Es wurde darauf Bedacht genommen, den Zusammenhang des neuen Rechts mit den alten Rechtsquellen einschließlich der Partikularrechte herzustellen. Die öffentlich-rechtlichen Normen sind insoweit einbezogen, als dies mit Rücksicht auf den Zweck einer zusammenfassenden Darstellung des Nachbarrechts geboten schien. Unbeschadet des Strebens nach wissenschaftlicher Durchdringung des Stoffes ist darauf Bedacht genommen, durch klare und gemeinverständliche Sprache auch dem Laien die Handhabung des Buches zu ermöglichen. Das eingehende Sachregister und das reichhaltige Wortverzeichnis wird dies wesentlich erleichtern. W ü r z b u r g und B e r l i n , im September 1926 Christian Meisner. Heinrich Stern
Aus den Vorworten zum „Nachbarrecht im Bundesgebiet (ohne Bayern) und in West-Berlin" z u r 2. A u f l a g e (Januar 1955): Das „Preußische Nachbarrecht" ist seit Jahren vergriffen. Dieser Umstand und die Tatsache, daß in den vergangenen Jahrzehnten durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung das Nachbarrecht eine erhebliche Um- und Fortbildung erfahren hat, ließen den Wunsch nach einer baldigen Neuauflage des Werkes entstehen. Dieser Wunsch verdichtete sich zu einer unausweichlichen Forderung, nachdem im Zuge des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs der Bundesrepublik auch der Wiederaufbau der durch den VI
Vorworte
totalen Krieg verwüsteten Städte und Dörfer in einem nicht für möglich gehaltenen Tempo und Ausmaß in Gang gekommen war und im Zusammenhang damit die nachbarrechtlichen Vorschriften für das Wirtschaftsund Rechtsleben eine höchst zeitnahe Bedeutung erlangt hatten. Diese Neuauflage konnte aber, nachdem inzwischen der Preußische Staat zu bestehen aufgehört hatte und seine Gebiete entweder zu selbständigen Bundesländern erklärt oder anderen ehemals außerpreußischen Gebieten zwecks Bildung einer neuen staatlichen Einheit zugeschlagen worden waren, sich nicht mehr auf die Darstellung des Preußischen Nachbarrechts beschränken, sondern mußte darüber hinaus sich mit dem im gesamten Bundesgebiet und West-Berlin geltenden Nachbarrecht — Bayern ausgenommen, dessen Nachbarrecht bereits von Ring abgehandelt ist — befassen. zur 4. A u f l a g e (April 1964): Seit der letzten Auflage im Jahre 1956 sind mehrere Jahre ins Land gegangen. In dieser verhältnismäßig kurzen Zeitspanne hat aber die Entwicklung des Nachbarrechts geradezu stürmische Formen angenommen. So hat der Bundesgesetzgeber durch das „Gesetz zur Änderung der Gewebeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs" die §§ 16 und 25 GewO. und § 906 B G B entscheidend geändert. Ferner hat er mit nachbarrechtlich bedeutsamen Vorschriften das Bundesbaugesetz, das Wasserhaushaltsgesetz und das Bundesatomgesetz erlassen. Zwei Länder, Baden-Württemberg und Hessen, haben sich eigene Landesnachbarrechtsgesetze geschaffen. Daneben sind in allen Ländern Landesstraßen- oder Wegegesetze sowie die Landeswassergesetze ergangen. Auf dem Gebiet der Lärmbekämpfung wurden zahlreiche Anti-Lärmverordnungen erlassen. Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben besondere Immissionsschutzgesetze geschaffen. Sowohl diese gesetzlichen Änderungen wie auch die weitere Aufwärtsentwicklung auf dem Bausektor haben Rechtsprechung und Schrifttum vor zahlreiche neue Probleme gestellt. Dr. Hodes
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Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorworte Verzeichnis der Abkürzungen Einleitung I. A b s c h n i t t . Die räumliche Begrenzung des Eigentums
V XXIV i 6
§ i. D a s G r u n d s t ü c k u n d s e i n e B e g r e n z u n g I. Begriff des Grundstücks II. Erdkörper und Luftraum 1 . Theorie 2. Praktische Auswirkung 3. Gesetzliche Ausnahmen 4. Anwendungsfälle 5. Schadenersatzpflicht 6. öffentliches Recht 7. Luftverkehrgesetz III. Verschiebungen der Erdoberfläche 1. Relativer Begriff der Unbeweglichkeit 2. Einfluß von Verschiebungen auf den rechtlichen Bestand des Grundstücks
6 6 9 9 Ii 15 19 21 21 34 36 36 41
§ 1 . B e s t a n d t e i l e des G r u n d s t ü c k s I. Begriff II. Wesentliche Bestandteile III. Vereinigung und Trennung der Bestandteile I V . Übergangsrecht
47 47 55 58 64
§ 3 . S t o c k w e r k s e i g e n t u m — W o h n u n g s e i g e n t u m (Dauerwohnrecht) I. Begriff und Inhalt nach bisherigem Recht 1. Gemeines Recht 2. Allgemeines Landrecht 3. Schleswig 4. Nassau 5. Großherzogtum Hessen 6. Frankfurt a. M 7. Rheinisches Recht 8. Baden 9. Württemberg 10. Bayerisches Landrecht 1 1 . Pfalz II. Wohnungseigentum und Dauerwohnrecht .
64 64 70 70 70 71 71 73 73 74 74 74 74 75
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Inhaltsverzeichnis Seite
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§ 4. D a s R e c h t an K e l l e r n I. Wesentlicher Bestandteil des Grundstücks II. Bisheriges Recht III. Inwieweit ist bisheriges Recht aufrechterhalten? IV. Inhalt des Kellerrechts 1. Dienstbarkeit 2. Erbbaurecht V. Schutz des Kellerrechts
78 78 79 79 82 82 83 86
§ 5. D i e G r e n z e und i h r e A b m a r k u n g I. Der Abmarkungsanspruch II. Das Abmarkungsgeschäft 1. Das Abmarkungsverfahren 2. Die Abmarkungsart 3. Die Grenzverhandlung 4. Die Abmarkungskosten III. Wirkung der Abmarkung IV. Grenzfeststellungsvertrag
86 87 92 92 93 93 94 94 96
§ 6. G r e n z s t r e i t i g k e i t e n I. Eigentums- und Grenzscheidungsklage II. Grenzverwirrung III. Beweismittel 1. Abmarkung 2. Kataster und Grundbuch 3. öffentlicher Glaube des Grundbuchs IV. Die Grenzscheidungsklage V. Prozessuale Fragen
98 98 103 104 104 104 109 119 123
§ 7. G r e n z e i n r i c h t u n g e n I. Begriff 1. Entstehung der Grenzeinrichtung 2. Kein Zwang zur Schaffung einer Grenzeinrichtung 3. Durchschnittensein der Einrichtung durch die Grenze . . . . 4. Selbständiges gemeinschaftliches Grundstück ist keine Grenzeinrichtung 5. Beispiele von Grenzeinrichtungen II. Wesen der Grenzeinrichtung III. Das Eigentum an der Grenzeinrichtung IV. Äußere Merkmale für und gegen das Sondereigentum eines Nachbarn an einer vor 1900 hergestellten Einrichtung V. Inhalt des gemeinschaftlichen Benutzungsrechtes VI. Die Verwaltung der Grenzeinrichtung
126 126 126 130 130
§ 8. D i e K o m m u n m a u e r I. Einleitung 1. Rechtsgeschichtliche Entwicklung 2. Rechtsvorschriften nach 1900 3. Irrige Konstruktionen II. Das Rechtsverhältnis vor dem Anbau 1. Errichtung mit Zustimmung des Nachbarn
170 170 170 173 179 181 184
137 137 138 139 155 158 164
Inhaltsverzeichnis Seite
2. Errichtung ohne Zustimmung des Nachbarn 3. Folgerungen für das Eigentumsverhältnis an der Kommunmauer III. Der gesetzliche Ablösungsanspruch 1. Änderung des Eigentums Verhältnisses durch den Anbau . . . 2. Grund und Höhe der Entschädigung 3. Gläubiger und Schuldner des Ablösungsanspruches I V . Der vertragsmäßige Ablösungsanspruch 1. Dinglicher Vertrag 2. Schuldrechtlicher Vertrag 3. Stillschweigender Vertrag § 9. H a f t u n g des N a c h b a r n f ü r die K o s t e n d e r H e r s t e l l u n g und U n t e r h a l t u n g v o n G r e n z e i n r i c h t u n g e n (Zäunen, Hecken, Mauern) (Eine Anwendung der in §§ 7, 8 entwickelten Grundsätze) I. Zäune, Hecken, Mauern (die keine Giebelmauern sind) 1. Einverständliche Errichtung 2. Errichtung ohne vorherige Einwilligung des Nachbars a) Nachbar widerspricht nachträglich nicht b) Nachbar hat ausdrücklich widersprochen 3. Landesgesetzliche Regelungen a) Baden-Württemberg b) Hessen c) Niedersachsen d) Nordrhein-Westfalen II. Giebelmauer als Grenzeinrichtung 1. Einverständliche Errichtung a) Hessen b) Niedersachsen c) Nordrhein-Westfalen 2. Errichtung ohne Einwilligung des Nachbars, aber unter den Voraussetzungen des § 912 B G B 3. Errichtung ohne Einwilligung des Nachbars und ohne die Voraussetzungen des § 912 B G B 4. Giebelmauer zwischen kriegszerstörten Gebäuden a) Beide Gebäude waren zerbombt b) Ein Gebäude war erhalten geblieben oder eines ist wieder errichtet worden § 10. E r h ö h u n g u n d V e r s t ä r k u n g der G r e n z m a u e r I. Recht der Erhöhung und Verstärkung 1. Ehemaliges Preußen, Baden und Bremen 2. Hessen 3. Niedersachsen 4. Nordrhein-Westfalen 5. Saarland II. Eigentumsverhältnisse an der Mauererhöhung und der Mauerverstärkung 1. Mauererhöhung a) Erhöhung vor dem Anbau an die Nachbarwand b) Erhöhung nach dem Anbau an die Nachbarwand
187 188 192 200 205 212 214 215 216 219
222 223 223 223 223 224 225 225 226 228 230 233 233 234 234 235 236 236 237 237 238 239 239 240 245 246 246 247 247 247 248 248 XI
Inhaltsverzeichnis Seite
c) Anbau an die Wanderhöhung d) Aufstocken des Nachbarn ohne Anbau an die E r h ö h u n g . . . 2. Mauerverstärkung a) vor dem Anbau an die Nachbarwand b) nach dem Anbau an die Nachbarwand III. Recht zur Beseitigung der Erhöhung oder der Verstärkung der Grenzmauer 1. Beseitigung der Erhöhung a) Vor dem Anbau an die Grenzmauer durch den Nachbarn . . b) Nach dem Anbau an die Grenzmauer durch den Nachbarn . c) Nach dem Anbau auch an die Mauererhöhung durch den Nachbarn 2. Beseitigung der Mauerverstärkung
248 249 249 249 249 250 250 250 255 255 254
§ 1 1 . G r u n d s t ü c k s s c h e i d u n g e n d i e s s e i t s der G r e n z e I. Partikularrechtliche Vorschriften 1 . Gemeines Recht 2. Preuß. Allg. Landrecht II. Neues Recht 1. Baden-Württemberg 2. Berlin 3. Bremen 4. Hamburg 5. Hessen 6. Niedersachsen 7. Nordrhein-Westfalen 8. Oldenburg 9. Rheinland-Pfalz 10. Saarland 1 1 . Schleswig-Holstein
254 255 255 255 258 258 259 260 260 261 262 262 263 263 263 263
§ 12. G r e n z b a u m
264
II. A b s c h n i t t . Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
267
A. A l l g e m e i n e E i g e n t u m s b e s c h r ä n k u n g e n
267
§ 13. Schikanöse Rechtsausübung
267
§ 14. N o t s t a n d s h a n d l u n g I. Einleitung II. Inhalt des Notstandsrechts 1 . Einwirkungen auf Sachen 2. Gefahr 3. Schaden 4. Notwendigkeit 5. Wirkung des Verbietungsrechtes 6. Schadenersatzpflicht
275 275 277 277 277 279 279 280 281
§ 15. V e r p f l i c h t u n g z u r D u l d u n g v o n T e l e g r a f e n - u n d anlagen A. Recht der Benutzung von Verkehrswegen I. Inhalt des Benutzungsrechtes XII
Telefon-
283 285 285
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1. Beschränkung des Gemeingebrauchs unzulässig 2. Schonen von Baumanlagen 3. Einwirkung auf andere Anlagen II. Verfahren vor Benutzung der Verkehrswege B. RechtderTelegrafenverwaltungzurBenutzungvonPrivatgrundstücken
285 286 287 291 291
B. D i e g e s e t z l i c h e n E i g e n t u m s b e s c h r ä n k u n g e n des N a c h b a r r e c h t s . .
292
§ 16. I m m i s s i o n e n I. Einleitung II. Einwirkungen 1. Sinnliche Wahrnehmbarkeit 2. Beispiele 3. Feste und flüssige Körper 4. Eindringen von Wasser 5. Eindringen von Unkrautsamen III. Voraussetzungen des § 906 B G B 1. Einwirkung von einem andern Grundstück 2. Positives Tun nicht erforderlich IV. Besondere Leitung V. Duldungspflicht 1. Unwesentliche Beeinträchtigung 2. Ortsüblichkeit und Nichtabwendbarkeit a) Ortsübliche Benutzung b) Wirtschaftlich zumutbare Abwehrmaßnahmen c) Ausgleichsanspruch 3. Duldungspflicht in anderen Fällen VI. Abwehrrecht VII. Eigentumsfreiheitsklage VIII. Beweislast I X . Änderungen während des Prozesses X . öffentliches Recht
292 292 295 295 296 305 306 314 3 20 320 322 3 24 325 325 331 332 342 343 346 347 351 353 354 354
§17. Verbotene Anlagen I. Allgemeines II. Begriffliche Voraussetzungen 1. Anlage 2. Einwirkung 3. Sicherheit künftiger Einwirkung 4. Sonderregelung einzelner Länder III. Anspruch auf Unterlassung der Herstellung und auf Beseitigung einer Anlage IV. Eigentumsfreiheitsklage V. Ausnahme
355 355 356 357 361 363 364 367 370 371
§ 1 8 . G r e n z a b s t a n d v o n A n l a g e n und G e b ä u d e n I. Schädliche Anlagen 1. Partikularrechtliche Vorschriften
372 372 372 XIII
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2. Geltendes Recht a) Baden-Württemberg b) Berlin c) Bremen d) Hamburg e) Hessen £) Nordrhein-Westfalen g) Oldenburg h) Rheinland-Pfalz i) Saarland k) Schleswig-Holstein II. Gebäude 1. Partikularrechtliche Vorschriften a) Gemeines Recht b) Preuß. Allg. Landrecht c) Frankfurter Privatrecht 2. Geltendes Recht 3. Abstand nach der Reichsgaragenordnung §19. G e f a h r d e s E i n s t u r z e s v o n G e b ä u d e n u n d s o n s t i g e n B a u w e r k e n I. Bisheriges Recht II. Recht des BGB 1. Voraussetzungen a) Gebäude oder Werk und Teile davon b) Gefahr der Beschädigung 2. Inhalt des Anspruchs a) Aktivlegitimation b) Klageantrag c) Passivlegitimation d) Ausschluß der Verjährung e) Selbsthilferecht und polizeil. Schutzvorschriften f ) öffentl. Recht 3. Schadensersatzpflicht III. Haftung für Trümmer-(Ruinen-)Grundstücke
373 373 374 374 375 375 375 376 376 376 376 377 377 377 377 378 378 379 380 380 381 381 381 383 386 386 387 387 390 390 390 390 394
§20. Verbotenes Vertiefen des E r d b o d e n s I. Unterlassungsanspruch 1. Vertiefung 2. Boden mit Anlagen 3. Erforderliche Stütze 4. Anderweitige Befestigung 5. Klageanspruch 6. Beweislast II. Schadenersatzpflicht III. Ausschluß der Verjährung IV. Abreißen von Gebäuden V. Erhöhung der Erdoberfläche 1. Rechtsverhältnis zwischen den Nachbarn 2. Landesrechtliche Sondernormen a) Preuß. Allg. Landrecht
396 396 396 399 406 413 414 418 418 422 422 423 423 425 425
XIV
Inhaltsverzeichnis Seite
b) c) d) e)
Baden-Württemberg Hessen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen
426 426 426 427
§ 21. Ü b e r h ä n g e n v o n Z w e i g e n , E i n d r i n g e n v o n W u r z e l n I. Selbsthilferecht II. Klagerecht neben Selbsthilferecht? III. Zeitliche Statutenkollision 1. Ehem. Preußen und Gebiet des Rhein. Rechts 2. Andere Länder a) Baden-Württemberg b) Braunschweig
427 428 433 436 437 437 437 437
§ 22. G r e n z a b s t a n d v o n P f l a n z e n I. Partikularrechtliche Vorschriften 1. Gemeines Recht 2. Preuß. Allg. Landrecht 3. Code civil 4. Rhein, und Westfäl. Recht II. Neues Recht 1. Baden 2. Hessen 3. Niedersachsen 4. Nordrhein-Westfalen 5. Württemberg 6. öffentliches Recht
437 438 438 438 438 439 440 440 445 447 450 453 453
§ 22 a. A n p f l a n z u n g e n auf und neben ö f f e n t l i c h e n S t r a ß e n . . . . 1. Die Bepflanzung des Straßenkörpers 2. Schonwald (Schutzwald) und Schutzmaßnahmen 3. Öffentlich-rechtliche Beschränkung für Anpflanzungen entlang öffentlicher Straßen
453 453 454 455
§23. Ü b e r f a l l v o n B a u m f r ü c h t e n
456
§ 24. U b e r b a u I. Voraussetzung der Duldungspflicht 1. Gebäude 2. Über die Grenze bauen 3. Ausführung durch den Eigentümer 4. Bei Errichtung des Gebäudes 5. Objektive Rechtswidrigkeit des Uberbaus 6. Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit 7. Widerspruch des Nachbarn II. Inhalt der Duldungspflicht III. Entschädigung des Grundeigentümers 1. Inhalt des Rentenanspruchs 2. Gläubiger der Rente 3. Schuldner der Rente 4. Höhe der Rente
459 461 461 464 468 469 470 473 476 479 484 484 485 486 486
XV
Inhaltsverzeichnis Seite
IV. V. VI.
VII.
5. Verfallzeit der Rente 6. Erlöschen des Anspruchs Recht auf Kapitalabfindung gegen Abtretung der überbauten Fläche Zeitliche Statuten-Kollision Grundbuchliche Behandlung der Rechte aus dem Uberbau . . . . 1. Herabsetzung oder Erhöhung der Rente 2. Verzicht 3. Rechtliche Schwierigkeiten Analoge Anwendung der Überbauvorschriften 1. Ab Veräußerung eines von mehreren in einer Hand vereinigten Grundstücken (Eigengrenzüberbau) 2. Überschreitung der vereinbarten Bebauungsgrenze 3. Überschreitung des landesgesetzlichen Bauabstandes 4. Verschiebung eines Gebäudes durch Erdbewegung 5. Mauerausbauchung 6. Verschiebung der Grenze durch Katasterraub 7. Erweiterung eines bestehenden Überbaues 8. Anbau an eine auf dem Nachbargrundstück stehende Giebelmauer
487 488 488 490 491 495 494 495 496 496 500 502 502 503 505 505 505
§ 25. F e n s t e r - u n d L i c h t r e c h t A. Reichs-(Bundes-)recht B. Gemeines Recht C. Preuß. Allgemeines Landrecht D. Code civil (Rheinisches Recht) E. Provinzial- und Partikularrechte I. Kurhessen II. Frankfurt III. Lübisches Recht IV. Rhein. Partikularrechte V. Schleswig-Holsteinische Partikularrechte VI. Stadtrechte F. Baden-Württemberg G. Hamburg H . Hessen I. Niedersachsen K. Nordrhein-Westfalen L. Besondere Rechtsverhältnisse
506 507 508 509 515 5 20 520 522 524 525 5 27 527 528 530 530 531 531 532
§ 26. T r a u f r e c h t I. Begriff und geschichtliche Entwicklung II. Weitergeltung unter BGB ? III. Vorschriften der Länder 1. Baden-Württemberg 2. Berlin 3. Hamburg 4. Hessen
533 533 537 538 538 539 539 539
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Inhaltsverzeichnis Seite
5. Niedersachsen 6. Nordrhein-Westfalen
539 540
§ 26 a. V e r ä n d e r u n g des G r u n d w a s s e r s p i e g e l s I. Allgemeines II. Landesgesetzliche Vorschriften 1. Preuß. Allg. Landrecht 2. Baden-Württemberg 3. Braunschweig 4. Hessen 5. Niedersachsen 6. Nordrhein-Westfalen
540 540 542 542 542 543 543 544 545
§ 27. N o t w e g I. Voraussetzungen des Notweganspruchs 1. Nur für Grundstücke 2. Mangelnde Verbindung mit öffentlichem Weg 3. Notwendigkeit der Verbindung mit dem öffentlichen Weg . . . 4. Herbeiführen der Notlage durch willkürliche Handlungen des Grundeigentümers II. Inhalt des Notweganspruchs 1. Nur auf Verlangen 2. Richtung des Notwegs 3. Wegfall der Verbindung durch Veräußerung 4. Bestimmung durch richterliches Urteil 5. Bestimmung der Richtung 6. Erlöschen des Notwegrechts 7. Eigentumsfreiheitsklage III. Entschädigung des Grundeigentümers 1. Rentenrecht und Rentenpflicht 2. Gläubiger der Rente 3. Schuldner der Rente 4. Höhe der Rente 5. Verfallzeit der Rente 6. Gegenseitiges Leistungsverweigerungsrecht IV. Kein Anspruch auf Kapitalabfindung V. Leistungsnotweg 1. Oberirdischer Leitungsnotweg 2. Unterirdischer Leitungsnotweg, 3. Landesrechtliche Regelungen a) Baden-Württemberg b) Hessen c) Niedersachsen
545 546 546 547 550
§ 28. H a m m e r s c h l a g s r e c h t , S c h a u f e l s c h l a g s r e c h t , A n w e n d e r e c h t , S c h w e n g e l - u. T r e p p r e c h t , Grundstücksbenutzungsrecht des W a l d b e s i t z e r s I. Hammerschlags- und Leiterrecht 1. Baden-Württemberg 2. Hamburg 3. Hessen
558 561 562 564 565 566 568 570 570 570 5 70 571 571 571 573 573 574 574 574 574 575 575 575 577
577 578 581 581 581 XVII
Inhaltsverzeichnis Seite
II. III.
IV. V.
4. Niedersachsen 5. Nordrhein-Westfalen 6. Saarland Schaufelschlagsrecht Anwenderecht und Schwengelrecht 1. Hessen 2. Niedersachsen 3. Nordrhein-Westfalen Trepprecht Grundstücksbenutzungsrecht des Waldbesitzers
§ 29. Eigentumsbeschränkungen auf G r u n d örtlichen heitsrechts I. Ehem. Preußen II. Rhein. Rechtsgebiet III. Observanz und Herkommen IV. Heutiges Recht
582 582 583 583 5 84 585 586 586 586 587 Gewohn-
m . Abschnitt. Grunddienstbarkeiten § 30. B e g r i f f und Wesen der Grunddienstbarkeiten I. Dingliche Belastung II. Gesetzliche Begriffsbestimmung 1. Benützung in einzelnen Beziehungen 2. Verbot bestimmter Handlungen 3. Ausschluß der Ausübung eines Rechts III. Erfordernisse 1. Vorteil für das Grundstück 2. Nachbarschaft und dauernder Vorteil nicht erforderlich 3. Bindung an das herrschende Grundstück 4. An öffentlichen Grundstücken 5. Nemini res sua servii 6. Servitus in faciendo consistere nequit 7. Gegenleistungen 8. Zeitliche Befristung
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. . . .
§ 3 1 . Inhalt und A u s ü b u n g der G r u n d d i e n s t b a r k e i t I. Beschränkte Anwendung des neuen Rechts auf altrechtliche Grunddienstbarkeiten II. Das Bedürfnis und seine Steigerung III. Mitbenutzungsrecht des Eigentümers. Schonende Ausübung der Grunddienstbarkeit IV. Recht des Berechtigten zu Verbesserungen V. Verpflichtung zur Unterhaltung der Anlagen VI. Verlegung der Grunddienstbarkeit VII. Widerstreit mit anderen dinglichen Rechten an demselben Grundstück VIII. Teilung des herrschenden oder dienenden Grundstücks
xvrn
587 587 588 588 591 592 593 598 598 602 604 605 605 610 611 614 615 616 621 622 622 623 625 634 642 643 645 650 651
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1. Teilung des herrschenden Grundstücks 2. Teilung des dienenden Grundstücks 3. Grundbuchberichtigung 4. Statutenkollision 5. Vereinbarungen im Falle der Teilung I X . Bindung der Grunddienstbarkeit an das herrschende Grundstück . § 32. Wegegerechtigkeiten I. Einleitung II. Wegegerechtigkeit an öffentlichen Wegen III. Bindung an ein herrschendes Grundstück IV. Arten von Wegerechten V. Inhalt der Wegegerechtigkeit VI. Unterhaltung des Weges VII. Belastung des ganzen Grundstücks § 33. Weiderechte in den ehemals preuß. Gebieten I. Rechtliche Natur; Abgrenzung von den öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten II. Beschränkung der Begründung von Weiderechten III. Die privatrechtlichen Weiderechte IV. Die Schäfereigerechtigkeit V. Hordenschlag- und Pferchrecht; Weidegeld VI. Mithut des Eigentümers VII. Art und Zahl des Weideviehs VIII. Einschränkung der Weiderechte § 34. F o r s t b e r e c h t i g u n g e n in den ehemals preuß. G e b i e t e n . . . . I. Begriff; Abgrenzung von den öffentlichen Nutzungsrechten . . . II. Beschränkung der Begründung neuer Forstberechtigungen . . . . III. Rechtliche Natur der Forstberechtigungen IV. Gemessene und ungemessene Forstberechtigungen V. Einschränkung der Forstberechtigungen VI. Arten der Forstberechtigungen 1. Das Beholzungsrecht 2. Die Streugerechtigkeit 3. Das Mastungsrecht VII. Ablösung der Forstrechte § 35. E r w e r b der G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n nach dem geltenden Recht I. Dinglicher Vertrag und Eintragung 1. Das formlose obligatorische Grundgeschäft 2. Der dingliche Vertrag 3. Die Eintragung im Grundbuch II. Stillschweigende Bestellung III. Begründung im Baulandbeschaffungs- und im Flurbereinigungsverfahren
651 654 655 655 655 656 657 657 657 659 659 662 665 666 667 667 669 670 671 673 674 675 678 680 680 681 681 683 685 685 685 687 687 688 689 689 690 690 692 693 696 XIX
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§ 36. E r w e r b d e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n n a c h b i s h e r i g e m R e c h t . I. Die rechtsgeschäftliche Begründung 1. Übergangszeit 2. Kein Eintragungszwang für altrechtliche Grunddienstbarkeiten 3. Bestellungsakt 4. Stillschweigende Bestellung II. Die Ersitzung 1. Beschränkung durch B G B 2. Zulässigkeit der Ersitzung 3. Besitzstand 4. Umfang 5. Besitzfehler 6. Zeit der Ersitzung III. Unvordenkliche Verjährung IV. Observanz im Sinne eines örtlichen Gewohnheitsrechts
696 697 697 697 698 699 703 703 703 704 708 709 711 713 716
§ 37. V e r l u s t der G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n A . Eingetragene Grunddienstbarkeiten 1. Vertragsmäßige Aufhebung 2. Keine Verjährung 3. Eintritt der Bedingung oder des Endtermins 4. Zuschlag in der Zwangsversteigerung 5. Kein Erlöschen durch Konfusion 6. Zuschreibung des herrschenden oder des belasteten Grundstücks zu dem anderen als Bestandteil 7. Einfluß der Teilung 8. Wegfall einer Entstehungsvoraussetzung 9. Wegfall der Ausübungsbefugnis nach Treu und Glauben . . . . 10. Kein Aufhebungsanspruch bei übermäßiger Ausübung der Dienstbarkeit 1 1 . Aufhebung im Baulandbeschaffungsverfahren und im Flurbereinigungsverfahren 12. Umzonung ohne Einfluß auf bestehende Dienstbarkeit B. Nicht eingetragene Grunddienstbarkeiten 1. Verzicht 2. Ablösung im Gemeinschaftsteilungsverfahren 3. Konfusion 4. Verjährung 5. Aufgebot 6. Wegfall einer Entstehensvoraussetzung
716 717 718 718 719 719 719
721 721 722 722 724 725 725 728 728
IV. A b s c h n i t t . Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
730
§ 38. D i e E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e I. Voraussetzungen des Anspruchs 1. Beeinträchtigung a) Begriff b) Schädigung ist noch nicht Beeinträchtigung c) Soziale Ausübung des Eigentums XX
719 720 720 721 721
730 730 730 730 731 732
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2. 3. 4. 5.
d) Ideelle Einwirkungen e) Negative Einwirkungen aa) Hamburg bb) Hessen cc) Niedersachsen dd) Nordrhein-Westfalen f) Verletzung obligatorischer Rechte und Nichteinhaltung poliz. Vorschriften Naturereignisse Gefahr künftiger Beeinträchtigung Verschulden keine Voraussetzung Klageantrag
II. Ziel der Eigentumsfreiheitsklage 1 . Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung 2. Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung a) Inhalt des Anspruchs b) Zwangsvollstreckung c) Gewerbliche Anlage
746 747 748 750 751 751 752 756 758 762 763
III. Einwendungen des Beklagten 1. Rechtmäßigkeit des Eingriffes 2. Die Einwilligung des Eigentümers in die Beeinträchtigung . . 3. Ableitung aus fremdem Recht
764 764 766 771
IV. Parteistellung 1 . Aktivlegitimation 2. Passivlegitimation
771 771 774
V . Beweislast
779
VI. Verjährung
780
VII. Gerichtsstand VIII. Einstweilige Verfügungen I X . Kein Schadenersatz X . Unzulässigkeit des Rechtsweges gegenüber öffentlichrechtl. Verhältnissen 1. Begriff des öffentlichrechtl. Verhältnisses 2. Beispiele 3. Entschädigungsanspruch § 38a.
739 741 745 743 744 745
780 782 783 783 783 785 787
R e c h t s v e r h ä l t n i s s e der Trümmer-(Ruinen-) G r u n d s t ü c k e ( Ü b e r t r e t e n v o n F e u c h t i g k e i t v o m T r ü m m e r g r u n d s t ü c k auf das N a c h b a r g r u n d s t ü c k )
788
I. Anwendbarkeit der §§ 823, 826, 836, 906, 907 B G B ?
789
II. Anwendbarkeit des § 1004 B G B ? 1. Ist der Trümmergrundstückseigentümer Störer? 2. Besteht eine Rechtspflicht zum Handeln a) nach wasserrechtlichen Vorschriften? b) mit Rücksicht auf eine allgemeine Unterhaltungsverpflichtung ? c) nach den §§ 836, 823 B G B ? d) nach § 242 B G B ?
789 789 792 792 793 794 795 XXI
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III. Eindringen der Feuchtigkeit (Giebel-)Mauer IV. Ergebnis
durch eine halbscheidige
Grenz-
798 799
$ 39. D i e besondere G e s t a l t u n g der E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e g e g e n über konzessionierten g e w e r b l i c h e n A n l a g e n 800 I. Voraussetzungen des § 26 der Gewerbeordnung 1. Anspruch auf Grund des gesetzlichen Nachbarrechtes . . . . 2. Gewerblich konzessionierte Anlagen 3. Gewerbepolizeiliche Genehmigung 4. Einhaltung der Konzessions-Auf lagen II. Veränderung des Eigentumfreiheitsanspruches durch § 26 der Gewerbeordnung 1. Wegfall des Beseitigungsanspruchs 2. Einschränkung des Unterlassungsanspruches III. Anspruch auf Schadloshaltung §40. Die B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e I. Begriff und Wesen des Besitzes II. Voraussetzungen der Besitzstörungsklage 1. Verbotene Eigenmacht 2. Besitzstörung, nicht Besitzentziehung 3. Tatsächlicher Besitzstand entscheidend 4. Beeinträchtigendes Verhalten III. Ziel der Besitzstörungsklage 1. Beseitigung der Störung 2. Unterlassung künftiger Störung IV. Materielles Recht ist ohne Bedeutung 1. Folgerungen 2. Ausnahme V. Erlöschen des Anspruchs VI. Einfluß von Besitzfehlern VII. Schadenersatz §41. Rechtsschutz der Grunddienstbarkeiten I. Beeinträchtigung II. Inhalt des Anspruchs 1. Anspruch auf Beseitigung 2. Anspruch auf Unterlassung 3. Kein Schadenersatz III. Parteistellung im Rechtsstreit 1. Aktivlegitimation 2. Passivlegitimation IV. Beweislast V. Zeitliche Statuten-Kollision VI. Gerichtsstand XXII
801 802 802 804 805 806 806 808 808 815 815 818 818 818 819 819 820 820 821 822 822 825 826 826 827 828 828 829 829 829 830 830 830 831 831 831 831
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§42. B e s i t z s c h u t z d e t G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n A . Begriff des Quasi-Besitzes an Grunddienstbarkeiten I. Arten der Grunddienstbarkeiten II. Rechtsbesitz?
852 832 832 832
B. Erwerb des Quasi-Besitzes I. Erwerb durch Ausübung der Grunddienstbarkeit II. Art und Weise der Ausübung
833 833 833
C. Beendigung des Quasi-Besitzes
835
D. Besitzschutz I. Voraussetzungen 1. Eingetragene Grunddienstbarkeiten 2. Nicht eingetragene Grunddienstbarkeiten II. Inhalt
836 836 836 837 838
§43. A n s p r u c h a u f S c h a d e n e r s a t z
839
A. Eigentumsfreiheitsklage und Schadenersatz
839
B. Ursächlicher Zusammenhang
840
C. Inhalt und Umfang des Schadenersatzes I. Begriff des Schadens II. Art der Schadenersatzleistung III. Mitwirkendes Verschulden des Geschädigten I V . Vorteilsausgleichung V . Verjährung
843 843 844 846 847 848
D. Gründe der Haftung auf Schadenersatz I. Verzug II. Unerlaubte Handlung 1. § 823 Abs. 1 B G B a) Widerrechtlichkeit b) Verschulden c) Ausnahme: Notwendigkeit des Eingriffs 2. Verstoß gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB) . . . . 3. Sittenwidrige Schadenzufügung (§ 826 BGB)
849 849 850 850 850 852 854 856 858
III. Haftung ohne Verschulden 1. Gefährdungshaftung a) § 7 StVG b) LuftverkehrsG c) SachschadenhaftpflG d) § 1 a ReichshaftpflG e) § 22 WasserhaushaltsG f) §§ 25 fr. AtomG 2. Aufopferungsanspruch a) Geschichtl. Entwicklung u. Geltungsbereich
859 859 859 860 860 862 863 864 864 864 XXIII
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b) Rechtsprechung des Reichsgerichts c) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs d) Einzelfälle der Rechtsprechung aa) Aufopferungsanspruch bb) Enteignung cc) Enteignungsgleicher Eingriff dd) Gegenstandslos gewordene Rechtsprechung e) Ziel des Aufopferungsanspruchs f) Anspruchsverpflichteter g) Anspruchsberechtigter h) Gerichtliche Zuständigkeit i) Verjährung
865 875 874 874 875 876 876 877 879 879 879 879
§ 44. E n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t des B e r g b a u b e r e c h t i g t e n I. Eigentum und Bergwerkseigentum II. Ersatzpflicht des Bergbauberechtigten 1. Einleitung 2. Passivlegitimation . . . 3. Schädigung des Grundeigentums und der Zubehörungen. . . 4. Umfang der Ersatzpflicht 5. Schädigung durch den Bergwerksbetrieb 6. Schädigung durch mehrere Bergwerksbetriebe 7. Mitwirkendes Verschulden eines Dritten 8. Ausschluß der Ersatzpflicht 9. Verjährung 10. Zuständigkeit
881 882 884 884 884 886 886 888 889 889 890 891 891
§ 45. ö f f e n t l i c h e s B a u r e c h t und p r i v a t e s N a c h b a r r e c h t 1. Öffentliches Baurecht 2. Privates Nachbarrecht 3. Verhältnis beider zueinander
891 891 894 894
Wortregister
XXIV
901
Abkürzungen AcP a. F. ALR AG Anw. ArchBR ArchöffR AtchZivPr. AV BadRspr. Bärmann I Bärmann II Baur BayKKG BayLR BayObLG
= = = = = = = = =
= = = =
= =
=
BayObLGSt.
=
BayOGH
=
BayVGH BayZ BB BBauBl Begr. Betr. BFStG BGBl. BGH Biermann Biermann
= =
= = = = =
= =
= =
BlAdmPr. B1GBW BlnGrundE Bolze BVerwG. C. c. Cosack
=
Crome
=
= =
= =
= =
Archiv für civilistische Praxis Alte Fassung Allgemeines Landrecht für die preuß. Staaten Ausführungsgesetz Anweisung Archiv für bürgerliches Recht Archiv für öffentliches Recht Archiv für die zivilistische Praxis Allgemeine Verfügung Badische Rechtsprechung Wohnungseigentumsgesetz 1958 Praxis des Wohnungseigentums, 2. Auflage, 1968 Lehrbuch des Sachenrechts, 4. Aufl., 1968 Bayrischer Kompetenzkonfliktsgerichthof Bayrisches Landrecht Entscheidungen des bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Entscheidungen des bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Entscheidungen des obersten Gerichtshofes für Bayern in Zivilsachen Entscheidungen des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Betriebsberater Bundesbaublatt Begründung Betrieb Bundesfernstraßengesetz Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Das Sachenrecht des BGB 5. Aufl. Gesetz über die Haftpflicht der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschäden, 3. Aufl. Braters Blätter für Administrative Praxis in Bayern Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnrecht Das Grundeigentum, Helios-Verlag, Berlin-Borsigwalde Praxis des Reichsgerichts Bundesverwaltungsgericht Code civil Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, I, 8. Aufl., 1927, II, 7. und 8. Aufl., 1924 System des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. III, 1905
xxv
Abkürzungen Crusen-Müller Dalcke-FuhrmannSchäfer Denkschrift Dernburg Pand. Dernburg PrPrR Dernburg SR
=
Das preußische Ausführungsgesetz zum B G B , 1901
= = = — =
Diester I Diester II
= =
Dittus-Zinkahn DJ DJZ DNotZ DÖV DPrivR DR DRiZ DVB1. DWW EMWG
= = = = = = = = = = =
Endemann I
=
Endemann II EntschFG
= =
Entw. ErbbauRVO ErgBd Erman ES FamRZ FkfRdsch. Foerster-Eccius FStG Fuchs GBO GewO Gierke Glaser I
= = = = = = = = = = = = = =
Glaser II Glaser-Dröschel Goldmann-Lilienthal
= = =
Gruchot
=
GRUR
=
Komm, zum Strafgesetzbuch, 37. Aufl., 1961 Denkschrift zum Entwurf eines B G B Dernburg, Pandekten, 7. Aufl., 1901—1905 Preußisches Privatrecht, 3 Bde., 4. u. 5. Aufl., 1894—1897 Das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reichs und Preußens, Bd. 1—6, Erg.-Bde. 1—9, 1.—4. Aufl., 1903 bis 1912 Wohnungseigentumsgesetz 1952 Die Rechtsprechung zum Wohnungseigentumsgesetz nebst Erläuterungen für die Praxis, 1967 Baulandbeschaffungsgesetz 1954 Deutsche Justiz Deutsche Juristenzeitung Zeitschr. d. Deutschen Notarvereins Die öffentliche Verwaltung Deutsches Privatrecht Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Wohnungswirtschaft Entscheidungssammlung aus dem Miet-, Wohn- und Grundstücksrecht (Verlag Haus und Grund, Köln) Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 5 Bde., 8. u. 9. Aufl., 1903—1920 Handkommentar zum B G B , Bd. 1 u. 2, 4. Aufl., 1967 Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Entwurf Verordg. über das Erbbaurecht vom 1 9 . 1 . 1 9 1 9 (RGBI.I.72) Ergänzungsband Handkomm, zum B G B , 3. Aufl., 1962 Glaser, Entscheidungssammlung Zeitschrift für Familienrecht Frankfurter Rundschau Preußisches Privatrecht, 7. Aufl., 1896/97 Bundesfernstraßengesetz Grundbuchrecht I, 1902, II, (Arnheim), 2. Aufl., 1913 Grundbuchordnung Gewerbeordnung Deutsches Privatrecht, Bd. II, 1905 Entscheidungen aus dem Miet-, Wohnungs- und Grundstücksrecht Das Nachbarrecht in der Rechtsprechung, 1967 Das Nachbarrecht in der Praxis, 2. Aufl., 1965 Das Bürgerliche Gesetzbuch, systematisch dargestellt, 3 Bde., 1.—2. Aufl., 1908—1921 Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts; begründet von Gruchot Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz
XXVI
Abkürzungen GS GTO Güthe-Triebel GVB1. Habicht Hampe HansGZ HbgGrundE Hess. BO HessLPrR Hess. NRG HessRspr. Heusers Ann. HEZ Hodes Hönig Hoeniger Holtz-Kreutz-Schlegelberger Hoof Hoof-Djuren Horber HRR HuGBr HW Jaeckel-Güthe JDR JFG JheringsJ JMB1. JR JuS JW JZ KGB1. KGJ Koch Korbinion-Scherer Kretzschmar Kuhlenbeck Landmann-Rohmer
Preußische Gesetzessammlung Gemeinheitsteilungsordnung Kommentar zur Grundbuchordnung, 2 Bde., 6. Aufl., 1956 Gesetz- und Verordnungsblatt Die Einwirkung des BGB auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse, 3. Aufl, 1901 Das particulate Braunschweigische Privatrecht, 2. Aufl., 1901 Hanseatische Gerichtszeitung Hamburger Grundeigentum Hessische Bauordnung (GVB1. 57, 101 und 66, 171) Hessisches Landesprivatrecht Hessisches Nachbarrechtsgesetz (GVB1. 62, 417) Hessische Rechtsprechung Annalen der Rechtsprechung des Oberappellationsgerichts Kassel, herausg. v. Heuser Höchstrichterliche Entscheidungen in Zivilsachen Hess. Nachbarrecht, 2. Aufl., 1967 Rauch, Ruß, Geräusche und ähnliche Einwirkungen, Leipzig 1906 Die Grenzscheidungsklage, 1901 Das preußische Wassergesetz, 2 Bde., 3. u. 4. Aufl., 1927 und 1930 , Das Nachbarrecht in Hessen, 1963 Das Nachbarrecht in Niedersachsen, 1968 : Grundbuchordnung, 10. Aufl., 1968 Höchstrichterliche Rechtsprechung Haus und Grundbesitz, Hess. Hausbesitzerzeitung Haus und Wohnung Zwangsversteigerungsgesetz, 7. Aufl., 1937 ' Neumann, Jahrbuch des Deutschen Rechts • Jahrbuch für Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Jherings Jahrbuch für Dogmatik Justizministerialblatt : Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift • Juristenzeitung : Blätter für Rechtsprechung im Bezirk des Kammergerichts • Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts, herausgegeben von Johow u. Ring : Kommentar zum Allgemeinen Landrecht, 8. Aufl., 1884 bis 1886 : Gesetzliches Bauhaftungsrecht und bauliches Nachbarrecht • Kommentar zum Sachenrecht, 1906 : Kommentar zum BGB, 2. Aufl., 1903—1904 ^ Kommentar zur Gewerbeordnung, herausgegeben von Eyermann und Fröhler, 12. Aufl., 1964—1967 XXVII
Abkürzungen Lange LBO Lehmann LG LM LVG LZ M Maenner Matthiaß MDR Meikel-Imhof-Riedel Meisner-Ring Möller Mosich Mugdan Nds. N R G n. F. NF NHG Niedner NJW Nöldeke NRG NRW. N R G OAppG Oberneck OGHBrZ OldenbZ OLG OLGZ Ortloff OTr. OVG Palandt Pelka Planck PrAB PrAG Predari XXVIII
= Landesprivatrecht der Fürstentümer Waldeck und Pyrmont 1910 = Landesbauordnung = Kommentar zum Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz, 1968 = Landgericht = Lindenmaier-Möhring (Entscheidungssammlung) = Luftverkehrsgesetz = Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht = Motive zum Entwurf eines B G B für das Deutsche Reich = Maenner, Das Sachenrecht nach dem B G B und der GBO, 2. Aufl., 1906 = Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 6.—7. Aufl., 1914 = Monatsschrift für Deutsches Recht = Grundbuchordnung, 6. Aufl., 1965—1968 (§§29—124, 5. Aufl. 1957) = Nachbarrecht in Bayern, 5. Aufl., 1961 = Sammlung von Gesetzen und Verordnungen der Freien Hansestadt Bremen, 1927 = Das Grundeigentum und seine Begrenzung nach § 905 und § 906 B G B in J D o g m J 80, 255. = Mugdan, Die gesamten Materialien zum B G B = Niedersächsisches NachbarrechtsG. (GVB1. 67, 91) = Neue Fassung = Neue Folge = Niedersächsischer Haus- und Grundbesitz, Hannover = Kommentar zum Einführungsgesetz des BGB, 2. Aufl., 1901 = Neue Juristische Wochenschrift = Hamburg. Landesprivatrecht (Dernburg Erg Bd 6) = Nachbarrechtsgesetz = Nordrhein-Westfälisches NachbarrechtsG. (GVB1. 69, 190) = Oberappellationsgericht = Das Reichsgrundbuchrecht, 4. Aufl., 1909 = Oberster Gerichtshof für die Brit. Zone (Entscheidungen) = Zeitschrift für Verwaltung und Rechtspflege im Großherzogtum Oldenburg = Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, herausgg. von Mugdan und Falkmann = Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen = Ortloff, i. ArchBürgR 26, 327 fr. = Entscheidungen des preußischen Obertribunals (Amtl. Ausgabe) = Entscheidungen des preußischen Oberverwaltungsgerichts = Handkommentar zum B G B , 27. Aufl., 1968 = Das Nachbarrecht in Baden-Württemberg, 4. Aufl., i960 = Kommentar zum B G B 4. und 5. Aufl., 1913—1938 = Preuß. Allg. Berggesetz = Preuß. Ausf. G. zum B G B = Die Grundbuchordnung, 2. Aufl., 1913
Abkürzungen PosJMSchr. PrVBl. R RdL Rehbein OTr. Rehbein-Reincke Reiß RHPflG RG RGBl. RGK RGSt. RheinArch. RN Rönneberg
= = = = = = = = = = = = = = =
ROHG Rosenberg
= =
Rpfl. Ruhstrat SächsArch. Schellhaß Scherer SchlHA Schönke-Schröder, Schwarz-Dreher SeuffA
= = = = = = = = =
SeuffBl. Soergel-Siebert
= —
Staudinger
=
S tein- Jonas-Schönke Steiner-Riedel I Steiner-Riedel II
= = =
StGB. Stobbe
= —
Stranz-Gerhardt StriethA StVO Turnau-Förster
= = = =
VersR VerwGO VO VRS
= = = =
Juristische Monatsschrift für Posen, Ost- und Westpreußen Preußisches Verwaltungsblatt Das Recht. Juristisches Zentralblatt für Praktiker Recht der Landschaftwirtschaft Rehbein, Die Entscheidungen des vormaligen Obertribunals Rehbein u. Reincke, Allgemeines Landrecht, 5. Aufl. Grenzrecht und Grenzprozeß Reichshaftpflichtgesetz Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsgesetzblatt Das B G B , erläutert von Reichsgerichtsräten, 1 1 . Aufl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Archiv für Civil- u. Kriminalrecht der preuß. Rheinprovinz Randnote Grenzscheidungsklage nach römischem und gemeinem Recht (ArchBürgR 1 1 , 272—296) Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Rosenberg, Kommentar z. Sachenrecht des B G B , §§854 bis 902, 1919 Der deutsche Rechtspfleger Oldenburg. Landesprivatrecht, 1900 Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeß Nachbarrecht Das Sachenrecht des B G B Schleswig-Holsteinischer Anzeiger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 13. Aufl., 1967 Strafgesetzbuch, 29. Aufl., 1967 SeuffertsArchiv für Entscheidungen der höchsten Gerichtshöfe in deutschen Staaten Seufferts Blätter für Rechtsanwendung Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl., 1967 (Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht 9. Aufl., 1959) Kommentar zum BGB, 1 1 . Aufl., 1954 ( E G §§ 328—432; 823—853; 1471—1588; 1773—1821 = 9. u. 10. Aufl.) Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., 1964 Grundbuchordnung, 6. Aufl., 1953 Kommentar zum Zwangsversteigerungsgesetz, 7. Aufl., 1956, mit Nachtrag i960 Reichsstrafgesetzbuch Handbuch des deutschen Privatrechts, 2.—3. Aufl., 1885 bis 1900 Das preußische Ausführungsgesetz zum BGB, 1901 Striethorst, Archiv für Rechtsfälle des preuß. Obertribunals Straßenverkehrsordnung Das Liegenschaftsrecht usw. Bd. 1 : Das Sachenrecht des BGB, 3. Aufl., 1906 Versicherungsrecht Verwaltungsgerichtsordnung Verordnung Verkehrsrechtssammlung XXIX
Abkürzungen WarnE WEG Weitnauer-Wirths Westermann WG WHG Wilhelmi-Vogel-Zeller Windscheid—Kipp WM Wolf Wolff-Raiser WürttJ. WürttZ Wüsthoff ZAkDR ZLR ZMR ZVG ZZP
XXX
Warneyer, Jahrbuch der Entscheidungen, Ergänzungsband Wohnungseigentumsgesetz Wohnungseigentumsgesetz, 2. Aufl., 1955 Sachenrecht, 5. Aufl., 1966 Wassergesetz Wasserhaushaltsgesetz Kommentar zum Zwangsversteigerungsgesetz, 7. Aufl., 1967 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, herausgegeben von Kipp, 9. Aufl., 1906 Wertpapiermitteilungen Hess. Landesprivatrecht, 1910 Sachenrecht (Band III des Lehrbuchs von EnneccerusKipp-Wolff), 10. Aufl., 1957 Jahrbücher der Württembergischen Rechtspflege Zeitschrift für die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Gemeindeverwaltung in Württemberg Handb. d. Deutschen Wasserrechts, 1949, T e i l l u. II Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht Zeitschrift für Luftrecht Zeitschrift für Miet- und Raumiecht Zwangsversteigerungsgesetz Zeitschrift für Zivilprozeß
Einleitung § 903 BGB Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. I. N a c h b a r r e c h t Eigentum ist die rechtliche Herrschaft über eine Sache. A n und für sich kann der Eigentümer mit der Sache nach Belieben verfahren und andere v o n jeder Einwirkung ausschließen. Indes sind der Willkür des Eigentümers in der Verfügung über die Sache durch allgemeine gesetzliche Bestimmungen Schranken gezogen; die staatliche Ordnung erheischt, daß auch das Privateigentum in den Dienst des Gemeinwohles gestellt wird. A u c h können besondere Rechte Dritter auf Grund eines dinglichen oder obligatorischen Titels bestehen, die den Eigentümer in seinen Befugnissen beschränken. A l l dies wird zum Ausdruck gebracht durch die Bestimmung des § 903 B G B , wonach der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben 1 ) verfahren und andere v o n jeder Einwirkung ausschließen kann. Gesetz im Sinne des § 903 B G B bedeutet jede Rechtsnorm; die Befugnis des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, muß also auch überall da zurücktreten, w o die nach Landesgesetz zulässigen Polizeiverordnungen eine einzelne A r t der Benützung des Eigentums verbieten 2 ). Hiernach darf also der Eigentümer alles mit seinem Eigentum anfangen, was ihm nicht besonders untersagt ist. § 903 B G B handelt nur v o n der Befugnis zu t a t s ä c h l i c h e n Verfügungen 3 ); daß dem Eigentümer, soweit ihm nicht durch Gesetz oder Verträge Schranken gesetzt sind, auch die ausschließliche r e c h t l i c h e Herrschaft über die Sache zusteht, ist selbstDer Entwurf I sagte: „nachWillkür". Die zweite Kommission hat an Stelle dieser Worte „nach Belieben"gesetzt, um nicht den Gedanken aufkommen zu lassen, daß der Eigentümer auch von allen durch die Gebote der Sittlichkeit gegebenen Beschränkungen (vgl. §§226, 826 BGB) im Gebrauche der Sache befreit sein sollte. Planck, Bern. 2 zu § 903 BGB. 2) OVG im R 02 S. 508; vgl. BayObLG im R 04 Nr. 43. 3) M 3, 258 (Mugdan 3, I42f.); KommProt. 3525 (Mugdan 3, 578) 1 Meisner-Stern-Hodes, Nachbairecht, j. Aull.
1
Einleitung
verständlich. — Der Umstand allein, daß die Ausübung des Eigentumsrechts einem anderen Schaden bringt, macht sie noch nicht zu einer unzulässigen. So darf nach B G B z. B. der Eigentümer eines Grundstücks durch Errichtung eines Gebäudes dem Nachbarhause nicht nur die Aussicht, sondern auch das Licht verbauen4), einer Windmühle den Mahl wind entziehen5). Der Unternehmer eines Hüttenwerks ist nicht schadenersatzpflichtig, wenn Bienen eines Nachbarn in der Luft ü b e r der H ü t t e giftige Gase einatmen und dadurch zugrunde gehen6). Dagegen ist eine Ausübung des Eigentumsrechts, welche nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen, unzulässig. Schikanöse Rechtsausübung ist durch die allgemeine Norm des § 226 B G B verboten 7 ). Andererseits kann der Eigentümer jegliche Einwirkung Dritter ausschließen; er braucht z. B. im allgemeinen nicht zu dulden, daß der Nachbar oder dessen Handwerksleute zwecks Ausbesserung des Nachbarhauses sein Grundstück betreten8). Die Befugnis des Eigentümers, die Einwirkungen Dritter auszuschließen, müßte mit den Bedürfnissen des Lebens in einen unversöhnlichen Widerspruch treten, wenn sie von dem Gesetzgeber nach jeder Richtung streng durchgeführt würde. Das nachbarliche Zusammenleben der Menschen führt naturnotwendig zu einem Widerstreit der Interessen, in welchem das Eigentum des einen das Eigentum des anderen zu überwinden sucht. Vernunft und Billigkeit sollten zwar die Grundeigentümer von selbst dazu bringen, bei Ausübung der in ihrem Eigentum liegenden Befugnisse angemessene Rücksicht auf die Interessen ihrer Nachbarn zu nehmen. Jeder muß sich sagen, daß ein allzu starres Bestehen auf seinen Eigentumsbefugnissen einen fortwährenden Kriegszustand hervorrufen würde, bei dem wohl keiner der Nachbarn die Linie seines Rechtes überschreitet, jeder aber den anderen in der Benützung des Eigentums auf eine für alle unerträgliche Weise beschränkt. Das Bedürfnis einer solchen gegenseitigen nachbarlichen Rücksicht ist für das Gemeinwohl so dringend, daß für den Gesetzgeber die unabweisbare Aufgabe erwächst, ausgleichende Grundsätze für die widerstreitenden Interessen der Grundstückseigentümer zu finden und das, was Vernunft und Billigkeit fordern, als rechtliche Notwendigkeit festzusetzen9). Diesem Bedürfnis nach einem vermittelnden Ausgleich ent4
) S. unten § 38 I i a ; vgl. aber § 17 N. 31 und § 25 C I I . ) SeuflA 64, 225. Vgl. aber § 38a II 2d. •) BayZ 1916, 91 (RG). ' ) S. unten § 13. 8 ) Im Falle des Notstandes greift § 904 B G B in dieses Verbietungsrecht des Eigentümers ein, s. unten § 1 4 ; vgl. ferner § 28, § 38a II 2d und § 38a N . 26. 9 ) Puchta, Institutionen II § 231. Vgl. ferner unten § 38 I 1 c. 5
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Einleitung
springen die Rechtsvorschriften, welche das Eigentum aller beschränken, um das Eigentum aller zu verstärken. Der Inbegriff aller jener Normen, durch welche der Eigentumsinhalt zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen der angrenzenden Grundbesitzer abgemildert wird, stellt das Nachbarrecht dar 10 ). Das Bürgerliche Gesetzbuch hat ein einheitliches Recht auf diesem Gebiete nicht geschaffen. Zwar sind vom Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 906—923 B G B nachbarrechtliche Vorschriften getroffen, welche für das ganze Reichs (Bundes)gebiet Geltung haben und der Abänderung durch die Landesgesetzgebung entzogen sind. Allein der Verschiedenheit der örtlichen Verhältnisse mußte durch einen weitgehenden Vorbehalt zugunsten der Landesgesetzgebung Rechnung getragen werden. Art. 124 E G bestimmt, daß diejenigen landesgesetzlichen Vorschriften, welche das Eigentum an Grundstücken zugunsten der Nachbarn noch anderen als den im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten Beschränkungen unterwerfen, unberührt bleiben. Die in den §§ 906 fr. B G B getroffenen Eigentumsbeschränkungen können demnach durch die Landesgesetzgebung weder verschärft noch gemildert werden. Alle landesrechtlichen Vorschriften, die von diesen reichs(bundes)gesetzlichen Bestimmungen abweichen, sind daher schon auf Grund der Reichs (Bundes)gesetzgebung außer Kraft getreten. Dagegen sind von der Reichs(Bundes)gesetzgebung unberührt geblieben alle Beschränkungen anderer Art, als sie durch die §§ 906 fr. B G B dem Grundstückseigentümer auferlegt sind. Diese noch geltenden landesgesetzlichen nachbarrechtlichen Beschränkungen gehen vielfach auf das Gemeine und das Rheinische Recht sowie den 8. und 22. Titel des 1. Teils des Preußischen Allgemeinen Landrechts als wesentliche Rechtsquellen zurück; zum Teil ergeben sie sich aus den nach 1900 und insbesondere auch nach 1945 von den Ländern erlassenen Landesgesetzen. Die räumlichen Geltungsbereiche des Gemeinen Rechts, des Preuß. Allg. Landrechts sowie des Code civil lassen sich wie folgt bezeichnen 10 "): G e m e i n e s R e c h t galt oder gilt in Schleswig-Holstein, Reg.-Bez. Stralsund, Lübeck, Rügen, Mecklenburg, Oldenburg (ohne Birkenfeld), Bremen, Hamburg, Lippe, Hannover (ohne Reg.-Bez. Aurich und die Kreise Lingen und Duderstadt), Braunschweig, Thüringen, Hessen-Nassau, in dem rechtsrhein. Teil des Reg.-Bez. Koblenz, in Württemberg, Bayern 10 ) Die Eigentumsbeschränkungen der § § 904—924 B G B finden auch auf die Eigentümer öffentl. Sachen Anwendung. Biermann, öffentl. Sachen 35. A M . Meyer, Arch ö f f R . 16, 63. 10 a) Wüsthoff I S. 22; Sim£on-David, Recht und Rechtsgang I, 1 § 6 III und I V . Vgl. auchHoltz-Kreutz-Schlegelberger, Anm. 4ZU § 198 P r W G .
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Einleitung
(ohne die früh. Fürstentümer Ansbach und Bayreuth und ohne einige Orte im Amtsbezirk Waldsassen und des Marktes Redwitz), Hohenzollern. D a s P r e u ß i s c h e A l l g e m e i n e L a n d r e c h t (ALR) galt oder gilt 10b ) in den altpreuß. Provinzen, in Westfalen, Ostfriesland, in den früh, sächs. Landesteilen, in den mit Sachsen-Weimar vereinigten Erfurter Gebietsteilen, in einem Teil der Provinz Hannover (im Reg.-Bez. Aurich, in den Kreisen Lingen und Duderstadt), in 6 Kreisen der Rheinprovinz (Essen, Essen-Land, Rees, Duisburg, Mühlheim und Ruhrort), in den fränk. Fürstentümern Ansbach und Bayreuth sowie in der mit Langenberg vereinigten Stadt Oberbonsfeld. Der C o d e c i v i l galt oder gilt 10c ) in der ehemaligen Preuß. Rheinprovinz mit Ausnahme der Teile, wo gemeines Recht oder Preuß. Ällg. Landrecht galt oder gilt, in der früheren Provinz Rheinhessen, in der — bayr. — Pfalz, im Oldenburg. Birkenfeld sowie — in einer amtl. Übersetzung — in Baden. II. Ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e E i g e n t u m s b e s c h r ä n k u n g e n Unberührt vom Inkrafttreten des B G B blieben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche im öffentlichen Interesse das Eigentum in Ansehung tatsächlicher Verfügungen beschränken (Art. m EG). Es ist besonders hervorzuheben, daß Art. m E G nur die Beschränkungen für tatsächliche Verfügungen des Eigentümers betrifft und das Landesgesetz den rechtlichen Inhalt des Eigentums auch im öffentlichen Interesse nicht nach Belieben beschränken darf; die Zulässigkeit wird in den Art. 115 bis 1 1 7 , 119 E G genau abgesteckt 11 ). Wegen Nichteinhaltung derartiger polizeilicherVorschriften hat der dadurch beeinträchtigte Nachbar regelmäßig kein Recht, die actio negatoria zu erheben; denn durch die Polizeivorschrift wird für niemand ein Privatrecht auf deren Beobachtung begründet, es kann nur Verwaltungsbeschwerde und Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden 12 ) oder unter Umständen Schadenersatz gefordert werden 13 ). III. Z e i t l i c h e S t a t u t e n k o l l i s i o n Das Nachbarrecht regelt den Inhalt des Eigentums; demgemäß finden die nachbarrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des 10l >) In Nordrhein-Westfalen sind die Vorschriften des Preuß.ALR durch § 54 Ziff. 1 N R W . N R G (GVB1. 69 S. 1 9 0 f r . ) außer Kraft gesetzt worden. 10c ) In Nordrhein-Westfalen sind die Vorschriften des C.c. durch § 54 Ziff. 5 N R W . N R G (GVB1. 69 S. 190 f r . ) außer Kraft gesetzt worden. n ) Endemann 2, 4851". 12 ) J W 0 8 , 142. Schade, ArchöffR 25, 28b. Vgl. Recht 10 N . 1585, (Hamburg). Vgl. unten § 16 N. 148 mit weiteren Verweisungen. 13 ) Vgl. unten § 43 D III 2.
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Einleitung
Ausführungsgesetzes vom Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches an ohne weiteres Anwendung (Art. 181 EG). Nach neuem Recht ist daher zu entscheiden, ob und in welchem Maß der Grundeigentümer dem Nachbar Rauch, Ruß, Dampf, Erschütterungen und ähnliche Immissionen zuführen darf 14 ), ob der Nachbar die Beseitigung von Anlagen, durch deren Bestand oder Benützung er in seinem Eigentumsrechte beeinträchtigt wird 15 ), oder die Beseitigung eines Überbaues 16 ) verlangen kann, ob er die Abwendung eines gefahrdrohenden Zustandes auf dem Nachbargrundstücke verlangen kann 17 ), ob und in welcher Weise der Eigentümer sein Grundstück vertiefen 18 ) darf, ob er sich die von einem Nachbarbaum herübergefallenen Früchte aneignen darf 19 ), ob er von seinem Nachbar die Bestellung eines Notwegs fordern kann20), ob durch den fremden Luftraum Drähte oder durch den fremden Berg ein Tunnel geführt werden dürfen 21 ). IV. B e s o n d e r e R e c h t s v e r h ä l t n i s s e Hatte der Eigentümer unter der Geltung der bisherigen Gesetze ein besonderes Recht erworben, welches ihn von der Einhaltung der damaligen gesetzlichen Eigentumsbeschränkung entband, so blieb dieses besondere Recht auch gegenüber dem neuen Recht in Kraft, selbst dann, wenn dieses die Beschränkung verschärfte (Art. 184 EG). Zu den Erwerbstiteln eines solchen besonderen Rechts konnte auch die Verjährung gehören, wenn durch sie nach bisherigem Recht eine Befreiung von einer Eigentumsbeschränkung als Grunddienstbarkeit ersessen wurde. Unter der Herrschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches ist auch die Neubegründung einer Grunddienstbarkeit zulässig des Inhalts, daß die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstücke gegenüber ergibt (§ 1018 BGB). Für die Entstehung einer solchen Grunddienstbarkeit ist aber auseinander zu halten der Zeitraum v o r und n a c h dem Zeitpunkt, zu welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist; denn bis zu diesem Zeitpunkt richtete sich die Begründung einer Grunddienstbarkeit noch nach bisherigem Recht (Art. 180 EG) 2 2 ). " ) § 906 BGB; s. unten § 16. 16 ) § 9° 1 BGB; s. unten § 17.
" ) §§ 912fr. BGB; s. unten § 24.
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) Z . B . bei Gefahr des Einsturzes eines baufälligen Hauses (§ 908 BGB; s. unten § 19) oder bei Gefahr des Einsturzes eines morschen Baumes (s. unten § 19 N. 11.) 18 ) § 9°9 BGB; s. unten § 20. 19 ) S. unten § 23. ao ) S. unten § 27. al ) § 905 BGB; s. unten § 1 II 4. 22 ) S. unten § 36.
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I. Abschnitt
Die räumliche Begrenzung des Eigentums § 905 BGB Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat. § 1. Das Grundstück und seine Begrenzung I. B e g r i f f d e s G r u n d s t ü c k s Der Begriff des Grundstücks ist nicht von der Natur gegeben, sondern durch die Rechtsordnung geschaffen. Das Grundstück ist ein abgegrenzter Teil der in einem natürlichen Zusammenhang stehenden Erdmasse, der vom Recht als selbständiger Gegenstand menschlicher Wirtschaft anerkannt wird 1 ). Da der Erdkörper ein zusammenhängendes Ganzes bildet, wird die selbständige Einheit eines Bodenstücks durch menschliche Verfügung bestimmt, die der willkürlichen Änderung unterliegt. Demnach erfolgt die Abgrenzung, Teilung und Vereinigung der Grundstücke durch die Willenserklärung der Berechtigten 2 ). Hierzu ist in rechtlicher Beziehung erforderlich eine Kundbarmachung des Willens des Eigentümers, daß er den auf Meisner (SeuffBl. 77, 351) hat für die buchungsfreien Grundstücke und vor allem für die Fälle, in denen entgegen der Vermutung des § 891 B G B der Beweis erbracht werden soll, daß die Katastergrenzen unrichtig sind, den Begriff des „historischen Grundstücks" aufgestellt. R G K Anm. 15 zu § 873 B G B und Staudinger Vorbem. I 1 vor § 873 B G B entscheiden die Frage, ob und inwieweit im Grundbuch eingetragene Flächen zusammen als ein einheitliches Grundstück oder je für sich als selbständige Grundstücke anzusehen sind, nach der natürlichen Lage der Flächen, ihrem wirtschaftlichen Zusammenhang und ihrer Zugehörigkeit von alters her. Vgl. auch K G J . 49, 233 und 53, 172. — Im bisherigen Landwirtschaftsrecht (Art. IV K R G 45) war der Begriff des Grundstücks im wirtschaftlichen, nicht im grundbuchrechtlichen Sinne zu verstehen: B G H Rpfl. 61, 290. Auch das jetzt geltende Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. 7. 1961 (BGBl. I S. 1091) faßt den Grundstücksbegriff wirtschaftlich auf. 2 ) Vgl. SeuffBl. 73, 102; BayZ 08,405; Staudinger Bern. I, 1 vor § 873 B G B .
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§ 1
I der Oberfläche gekennzeichneten Teil der Erde als eine Einheit aufgefaßt wissen will. Allein dies genügt noch nicht, um den durch diesen Willen umfaßten Erdausschnitt zu einem selbständigen Grundstück zu machen; dazu ist erforderlich, daß der Erdausschnitt in seinem Verhältnis zu den mit ihm im natürlichen Zusammenhang stehenden anderen Erdausschnitten ermittelt wird 3 ). Der solchermaßen in seiner Individualität4) festgestellte Erdausschnitt wird zum selbständigen Grundstück durch seinen Eintrag in die Katasterkarte6). Dagegen ist die Eintragung in das Grundbuch nicht erforderlich. Ist freilich eine solche Eintragung vorhanden, so ist sie maßgebend; denn in der Eintragung liegt die Kundbarmachung des Willens, daß derjenige räumlich abgegrenzte Bodenabschnitt, der auf einem besonderen Grundbuchblatt für sich allein oder auf einem gemeinschafdichen unter besonderer Nummer im Verzeichnis der Grundstücke eingetragen ist, das Grundstück bilden soll6). Mehrere Grundstücke können dadurch zu einem Grundstück v e r e i n i g t werden, daß der Eigentümer sie als ein Grundstück in das Grundbuch eintragen läßt (§ 890 Abs. 1 B G B , § 5 GBO); diese Erklärung bedarf der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO 6 »). Die Grundstücke werden unter einer neuen laufenden Nummer des Bestandsverzeichnisses gebucht. Diese zu einem Grundbuchgrundstück vereinigten Grundstücke sind unselbständige, aber nicht wesentliche Bestandteile des einheitlichen Grundstücks; sie können daher auch weiterhin Gegenstand besonderer Rechte sein7). Jeder Teil bleibt wie bisher belastet, die vorhandenen Belastungen erstrecken sich also nicht auf die anderen Grundstücksteile; neue Rechte belasten das Grundstück als ganzes. Die Verbindung mehrerer Grundstücke kann aber auch in der Form der Z u s c h r e i b u n g eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts 73 ) als Bestandteil eines anderen erfolgen (§ 890 Abs. 2 B G B , § 6 GBO). Dieser Vorgang, der gleichfalls einen Antrag in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 G B O und ferner die Beischreibung des zugeschriebenen Grundstücks zu der lfd. Nummer des Hauptgrundstücks erfordert, bewirkt, daß da s zugeschriebene Grundstück gleichfalls nicht wesentlicher Bestandteil de s 3
) V g l . Obemeck bei Gruchot 43, 169; vgl. BayZ 07, 3 5 1 ; 08, 405; BayObLG 8,359. ) Vgl. R 16 Nr. 2797 (RG). ) Mehrere Grundstücke können zu einem Grundstück vereinigt werden (§890 Abs. 1 BGB). In der Anlegung eines gemeinschaftlichen Grundbuchblattes liegt eine solche Vereinigung nicht ohne weiteres (BayZ 13, 338, B a y O b L G auch für altes Recht). «) Vgl. R G 84, 269; K G J 49, 232; Güthe § 3 N . 6. 6 ») K G J 30 A 178 und 31 A 236. 7 ) K G J 31 A 2 4 1 ; unrichtig O L G 43, 6. 7a ) Ein mit Teileigentum verbundener Miteigentumsanteil an einem Grundstück ist kein grundstücksgleiches Recht: O L G Düsseldorf J M B 1 N R W 63, 189. Vgl. auch Staudenmayer N J W 64, 2145. 4
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§ 1
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
I
Hauptgrundstücks wird, aber mit der Maßgabe, daß die Grundpfandrechte des Hauptgrundstücks sich auf das zugeschriebene erstrecken (§§ 1 1 3 1 , 1192, 1199 BGB), allerdings in der Weise, daß die auf dem zugeschriebenen Grundstück ruhenden Belastungen im Range vorgehen; die auf letzterem ruhenden Belastungen erstrecken sich nicht ohne weiteres auf das Hauptgrundstück, hierzu ist vielmehr eine ausdrückliche Erklärung des Eigentümers erforderlich. Auch hier belasten neue Rechte einheitlich das ganze Grundstück. Sowohl für die Vereinigung wie für die Zuschreibung kommt es auf den räumlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang der Grundstücke nicht an; sie müssen nur dem gleichen Eigentümer gehören. Im Falle der Verschmelzung eines Grundstücksteils des Veräußerers mit einem Grundstück des Erwerbers — der verkaufte Grundstücksteil soll also nicht als selbständiges Grundstück ins Grundbuch übernommen werden und seine Verselbständigung soll nur vorübergehenden Charakter haben — genügt es, den Teil als Z u f l u r s t ü c k (früher „Zu-Parzelle") zu bezeichnen7b). Umgekehrt kann ein im Grundbuch eingetragenes Grundstück auch g e t e i l t werden (§§ 2 Abs. 3, 7 Abs. 1 GBO). Auch hierzu ist die entsprechende Erklärung des Grundstückseigentümers in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 G B O und die Eintragung im Grundbuch erforderlich8). Die Abschreibung und Eintragung eines Teils eines Grundstücks muß gemäß § 7 G B O vorgenommen werden, wenn nur dieser Teil grundbuchmäßig belastet werden soll. Im Falle der Teilung entstehen selbständige Grundstücke mit den bisherigen Belastungen. Wegen der Teilung belasteter Grundstücke vgl. die §§ 1026, 1090 Abs. 2, 1108 Abs. 2 B G B ; wegen der Teilung berechtigter Grundstücke siehe die §§ 1025, 1109 B G B . Vgl. ferner § 120 E G B G B wegen des Unschädlichkeitszeugnisses, das ohne die Zustimmung des Berechtigten die Freistellung eines Grundstücksteils von Belastungen oder die entsprechende Aufteilung einer Reallast zulässig macht, sofern die Rechtsänderung für die Berechtigten unschädlich ist8") 8b). 7t) ) B G H D N o t Z 5 4 , 1 9 7 ; Hesse-Saage-Fischer, G B O , § 2 III. Für die Anwendung des §890 B G B gilt das Zuflurstück allerdings als selbständiges Grundstück: BayObLG 54,258. 8 ) R G J W 37, 896. Darüber hinaus ist in bestimmten Fällen noch eine besondere Genehmigung vorgeschrieben: Vgl. z. B. § 19 Abs. 3 BBauG (BGBl, i960 I S. 341) sowie § 9 Abs. 1 ReichsheimstättenG mit § 1 1 Abs. 1 V O vom 10. 3. 1937 (RGBl. I S. 292) und Art. 119 E G . B G B . 8a ) Vgl. Wachendorf, Unschädlichkeitszeugnis, 1952; ferner Art. 27 ff. Bad. A G B G B ; Art. 35fr. Hamburg. A G B G B ; Art. 19, 20 PreußAG B G B ; §§ 38, 41 Württ. A G B G B ; von neueren Landesgesetzen: SchlH.G vom 19. 5. 1953 (GVB1. S. 59), Hess. G vom 4. 1 1 . 1957 (GVB1. S. 145). 8b ) Ein „Teil eines Grundstücks" im Sinne des Art. 120 Abs. 1 E G B G B kann auch ein einzelnes ganzes Flurstück sein, wenn mehrere Flurstücke nach § 890 B G B ein einheitliches Grundstück bilden (BayObLG 31, 3).
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§1
II 1
Das Grundstück besteht aus dem durch die Grenzen festgelegten Ausschnitt der Erdoberfläche mit dem darunter befindlichen Teil des Erdkörpers. Es ist ein Körper, keine Fläche9). Die Begrenzung der zum Grundstück gehörigen Erdmasse wird durch mathematische Flächen bestimmt10), die sich von den auf der Oberfläche gedachten Grenzlinien in lotrechter Richtung nach unten erstrecken, bis sie in einem Punkt, dem Mittelpunkt der Erde, zusammenlaufen. Der durch diese Flächen umschlossene, sich nach unten bis zu einer Spitze verjüngende Erdkörperkeil bildet das Grundstück 10 "). Ragt in diesen Keilausschnitt eine mit dem Erdkörper des Nachbargrundstücks verbundene Gesteinsmasse (z. B. ein Felsblock) hinein, so gehört der Felsblock, soweit er innerhalb des Keilausschnitts liegt, zu dem durch diesen Keilausschnitt dargestellten Grundstück. II. E r d k ö r p e r und L u f t r a u m i. T h e o r i e : Natürlich ist diese Vorstellung eines aus dem Erdkörper herausgeschnittenen Keiles, dessen Endpunkt mit dem Mittelpunkt der Erde zusammenfällt, rein theoretisch. Wollte man aus dieser Vorstellung nach rechtlicher Logik die Folgerung ziehen, so würde dem Eigentümer des Grundstückes die Berechtigung zugesprochen sein, mit dem unter der Oberfläche seines Grundstückes gelegenen Boden bis zum Mittelpunkt der Erde nach seinem Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903 BGB). Der Gesetzgeber wollte einerseits diese der Logik entsprechende Folgerung nicht verwerfen; andererseits scheute er sich, diese für menschliches Vermögen recht überhebliche Folgerung auszusprechen. Diesem Widerstreit der Empfindungen verdanken wir die Fassung des § 905 B G B , wonach sich das „Recht des Eigentümers" eines Grundstückes auf den Raum über der Erdoberfläche und den Erdkörper 11 ) 9 ) Mot. 3, 48; Planck Bern. I, 1 zum 2. Abschnitt des Sachenrechts und Bern. I zu § 905 B G B . Vielfach wird ungenau das Grundstück als Teil der „Erdoberfläche" umschrieben (vgl. Oberneck bei Gruchot 43, 170; Meikel, Bern. 4 zu § 5 G B O ; R G K Anm. 4 zu § 873 B G B ; Isay, preuß. BergG 1 , 84; Dernburg, Sachenrecht § 3, der immer von einem „Flächenabschnitt" spricht). Dabei ist die Oberfläche nicht als mathematische Gestalt aufzufassen, sondern als die dem Luftraum zunächst liegende M a s s e des Erdkörpers; vgl. Planck Bern. I zu § 905 B G B ; Soergel vor § 873 B G B Anm. 1 ; R 1912 Nr. 547 u. 692. 10 ) Vgl. Monich, IherJ 3 8 , 1 7 8 ; Maenner 155. Über Wassergrundstücke s. R G 53, 98. 10a ) Vgl. unten § 1 III 2. u ) Der Ausdruck „Erdkörper" ist ungenau; auch unterirdische Höhlen und Gewässer gehören dazu; vgl. Gierke DPrR z, 394 Anm. 3. — Auf das Bergwerkseigentum findet § 905 B G B keine Anwendung. §50 Abs. 3 P r A B G erklärt lediglich die Vorschriften des B G B über den Erwerb des Eigentums und die Ansprüche aus dem Eigentum für anwendbar (vgl. R G 72, 304; 87, 400); wegen der Berggesetze der Länder s. unten § 44 vor I und dortige N . 1 .
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§ 1
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
II 1 unter der Erdoberfläche „erstreckt". Dabei sind zwei Dinge gleichheitlich behandelt, die für die rechtliche Beurteilung durchaus wesensverschieden sind. Während der Luftraum als solcher nicht als Gegenstand des Eigentums gedacht werden kann, ist ein Eigentum an der festen Masse des Erdkörpers durchaus denkbar und wenigstens bis zu einer gewissen Tiefe für die Rechtsordnung unentbehrlich. Trotz der sprachlich gleichwertigen V e r bindung, in welcher die rechtliche Machtbefugnis an Luftraum und Erdkörper geregelt wird, ist für Luftraum und Erdkörper der Begriff dieser Machtbefugnis verschieden konstruiert. Das „Recht des Eigentümers" ist der übergeordnete Begriff, unter ihn fallen das Eigentum am Erdkörper 1 2 ) 1 2 4 ) und die Machtbefugnis am Luftraum, der kein Eigentum ist 1 3 ). Nach oben wie nach unten ist diesem „Recht des Eigentümers", soweit das „nach Belieben verfahren" in Betracht kommt, keine Schranke gezogen; es geht soweit, als das menschliche Vermögen reicht. Die andere Seite des Rechts des Eigentümers, das Ausschließungsrecht, wird jedoch eingeschränkt durch die Bestimmung des § 905 S. 2 B G B , wonach der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an ihrer Ausschließung kein Interesse hat. Bei
12 ) Theoretisch steht der ganze Erdausschnitt bis zum Mittelpunkt der Erde im Eigentum des Grundstückseigentümers (vgl. Gebhard, BayZ 1923, 201). Praktisch wird diese Theorie nur insoweit, als man tatsächlich in der Lage ist, auf die Bestandteile des Erdkörpers einzuwirken. Unabhängig davon und daneben besteht das Gewinnungsrecht an den dem Bergbau vorbehaltenen Bodenbestandteilen. Diese stehen auch schon vor der Verleihung des Bergwerkseigentums nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers, und diesem steht als solchem auch kein Gewinnungsrecht hierauf zu. Es handelt sich also um zwei Rechte verschiedenen Charakters am Erdkörper (vgl. R G vom 24. Oktober 1888 in Brassert Z f. Bergrecht 30, 105): Das Eigentumsrecht des Grundeigentümers, das die ganze Erdrinde durchzieht, soweit ihre Teile nicht dem Bergbau vorbehalten sind, und das Gewinnungsrecht auf die dem Bergbau vorbehaltenen Teile. Dieses steht demjenigen zu, dem das Bergwerkseigentum verliehen ist und vor derVerleihung niemand. Isay, BergG 1 , 86 lehnt dagegen ein Eigentum des Grundstuckseigentümers an den Bestandteilen des Erdkörpers ab. Auch dieser soll nur ein Gewinnungsrecht haben, so daß also das Recht des Grundeigentümers an den bergbaufreien Bestandteilen der Erdrinde und das Gewinnungsrecht des Bergwerkseigentümers auf die dem Bergbau vorbehaltenen Teile der Erdrinde gleichwertig nebeneinander stehen, wenn sie auch aus verschiedenen Wurzeln entspringen. Diese Ansicht beruht auf einer unrichtigen Vorstellung von dem Begriff des Grundstücks, als welches Isay nur die Erdoberfläche betrachtet (vgl. Isay, BergG 1, 84). Eigentum am Erdkürper nehmen gleichfalls an Baur 204, Palandt § 905 Anm. 1, Staudinger RN 2 zu § 905 B G B , Wolff-Raiser § 52 III 2, Westermann § 61 II 1. 12a ) Wegen des Rechts zur Anlage und Nutzung unterirdischer Hohlräume (zur Gas- oder Rohölspeicherung, zur Einlagerung von Kernabfall oder zur Lagerung bergbaulich gewonnener Materialien) vgl. Turner B B 69 S. 156fr. 13 ) KommProt. 3529 (Mugdan 3, 579), vgl. J D R 8, 382; Gebhard, BayZ 1923, 201.
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§1
II 2
der Prüfung, ob ein solches Interesse gegeben ist, muß allerdings auch auf die aukünftige Entwicklung Bedacht genommen werden 14 ). 2. P r a k t i s c h e A u s w i r k u n g : Grundsätzlich gehört alles, was über und unter der Erdoberfläche mit dem Boden fest verbunden ist, zum Eigentum am Grundstück 15 ). Der Eigentümer eines Hauses ist daher auch Eigentümer des darunter befindlichen Kellers 16 ). Was hier vom Grundstück gesagt wird, muß auch für Gebäude gelten, die ausnahmsweise nicht Bestandteil des Bodens geworden sind (vgl. § 95 BGB) 1 7 ). In solchem Falle muß man dem Gebäudeeigentümer mindestens das Recht auf den Raum über der Erdoberfläche einräumen18). Die gegenteilige Meinung 19 ) würde dazu führen, daß niemand Einwirkungen auf den Raum über der Erdoberfläche verbieten könnte: Dem Eigentümer des Grundstückes kann das Verbietungsrecht nicht zustehen; denn er hat, wenn das Gebäude einem anderen gehört, an der Ausschließung kein Interesse (vgl. auch § 226 BGB). Auch der bloße Besitzer eines Grundstücks kann sich fremder Einwirkungen gemäß § 905 S. 2 B G B erwehren; sein Besitz reicht ebenso weit in die Höhe und Tiefe wie das Recht des Eigentümers 19 "). Der Eigentümer des Flußbettes hat das Ausschließungsrecht des § 905 B G B an dem Raum, der sich über dem Flußbett befindet; auch dann, wenn das Wasser selbst öffentlich ist 20 ). Sein Ausschließungsrecht erstreckt sich auf den Luftraum über dem Wasser und auf den innerhalb der Ufer und der Sohle befindlichen Raum, in welchem das Wasser fließt21). § 905 B G B gilt auch für Wege. Daher kann die Stadtgemeinde als Eigentümerin einer öffentlichen Straße die Rechte aus § 905 S. 2 B G B " ) B G H N J W 57, 1396 u. J R 58, 1 9 ; O L G Hamburg M D R 57, 3 7 ; R G 123, 182; 132, 399; J W 28, 502; R G K Anm. 10 zu § 905 B G B . 1E ) E s kann demnach nach dem 1. Januar 1900 kein Sondereigentum an einem wesentlichen Teile eines Grundstücks begründet werden. Vgl. hierüber unten § 2. Das schließt aber nicht aus, daß ein Dritter Besitz an dem Keller hat, oder daß der Keller auf Grund einer Grunddienstbarkeit, ja sogar eines Sondereigentums nach § 95 B G B der ausschließlichen Benützung des Dritten untersteht. S. darüber § 4. 17 ) Sei es, weil sie in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück (z. B. Nießbrauch, Dienstbarkeit) oder nur zu einem vorübergehenden Zweck (z. B. Schaubude, Gerüst oder auch Behelfsheim — O G H 1, 170; Hamburg M D R 51, 736 —) von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind. 1S ) Biermann zu § 905 B G B ; Planck Bern. I zu § 905 B G B . 19 ) Maenner 161 Anm. 20; Staudinger R N 3 b zu § 905 B G B gewährt das Recht sowohl dem Grundstücks- wie dem Gebäudeeigentümer, da ersterer ein Interesse haben könne, daß letzterer nicht gestört werde. 19a ) Planck Anm. 7 zu § 905 B G B ; Staudinger R N 3 (c) zu § 905 B G B . 20 ) Wegen des Gemeingebrauchs und der Anliegernutzung an öffentlichen Gewässern vgl. unten § 1 II 6 c. 21 ) R G 92, 48; 53, 99; 94, 35; J W 28, 503.
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§ 1
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
II 2 geltend machen 22 ); ihre Rechtsstellung ist aber eingeschränkt, soweit Gemeingebrauch oder Anliegernutzung vorliegen 23 ). Der Eigentumsgegenstand ist auf den Erdkörper (und das, was er umschließt) beschränkt und das Recht des Grundstückseigentümers am Luftraum über seinem Grundstück ist nur der Ausfluß des Eigentums am Grundstück. Nach der zutreffenden Formulierung Niemeyers 24 ) erschöpft sich das Recht des Grundeigentümers28) am Luftraum in dem ausschließlichen Recht auf Benützung des Luftraumes, soweit es vom Grundstück aus und in Verbindung mit diesem ausgeübt werden kann, und in dem Verbietungsrecht gegen solche Einwirkungen, welche d i e s e Benützung des Luftraumes und die Benutzung des Grundstückes beeinträchtigen26®). Diese Beeinträchtigungen können verschiedener Art sein und unterliegen dementsprechend einer verschiedenen rechtlichen Beurteilung: a) Festgefügte Teile des Gebäudes, z. B. Dachgiebel, Erker, Balkone greifen in den Luftraum des Nachbargrundstücks hinüber26). Sind diese Gebäudeteile, wie es regelmäßig der Fall sein wird, mit dem Gebäude so fest verbunden, daß sie von diesem nicht getrennt werden können, ohne daß das Gebäude oder der betreffende Teil zerstört oder in seinem Wesen verändert würde, so liegt ein Überbau im Sinne der §§ 912fr. B G B vor 26 »). Diesen Bau über die Grenze müßte also der Nachbar dulden, wenn dem Überbauenden weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen sind und der Nachbar nicht vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. Letzterer hat dafür Anspruch auf die Überbaurente und auf Grundabnahme (§§913 bis 915 BGB). Diese Rechtslage ist auch im Falle einer Mauerausbauchung26b) gegeben, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Mauer von vornherein nicht **) O L G 18, 1 2 1 ; SeuffA 65, 454 (RG); vgl. Gruchot 54, 918 (RG). a ) Vgl. hierzu unten § 1 II 6. ) Niemeyer, Verh. f. d. 3 1 . DJurTag Bd. 2 S. 39 f. Ähnlich Runtel, Außervertragl. Haftung des Luftschiffers S. 20 ff. — Ungenau R G 92, 48 (der Luftraum „gehört ebenso wie das Innere des Erdkörpers dem Grundeigentümer"); vgl. Duchesne J W 22, 205. Über Luftverkehr siehe unten II 7. 25 ) Befindet sich das Grundstück nicht im Besitz des Eigentümers, so kann auch der Besitzer die unzulässigen Einwirkungen mit der Besitzstörungsklage verbieten. Vgl. oben N . 18 und 19. "s») Der Abwehranspruch setzt aber stets eine Einwirkung auf die senkrecht Luftsäule über dem Grundstück oder auf den Erdkörper voraus. A n dieser (positiven) Einwirkung fehlt es, wenn einer Windmühle durch den Neubau des Nachbars nur der Luftzug entzogen wird (SeuffA 64, 225; J W 09, 161); über Entziehung von Licht und Luft vgl. ferner R G 51, 254; J W 08, 1 4 2 ; s. ferner unten § 17 N 17 und § 38 I 1 e. 26 ) Wegen abweichender landesgesetzl. Regelungen vgl. nachsteh. § 1 II 2 b. 2«») Vgl. u n t e n § 2 4 N. 27. a,B ) Vgl. unten § 24 V I I 5; ferner Staudinger, R N 8 zu § 912 B G B ; Westermann, § 64 II 2; Ermann, Anm. 1 a zu § 9 1 2 B G B ; a. M. R G 88,4i;PalandtAnm. 2 a z u § 9 1 2 B G B . 24
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II 2 lotrecht errichtet worden ist oder erst später sich ausgebaucht hat, denn auch die spätere Ausbauchung beruht regelmäßig auf einer Ursache, die schon bei dem Bau der Mauer gesetzt worden ist, indem z. B. das Mauerwerk ungenau aufgerichtet oder zu stark belastet oder ungenügend fundamentiert wurde. Ist die Mauerausbauchung erst nach dem Bau durch andere Umstände verursacht worden, z. B. durch eine Änderung der Grundwasserverhältnisse oder andere unterirdische Vorgänge im Erdkörper, so müssen die §§ 912 fr. B G B ebenso entsprechend angewendet werden wie in dem Fall, daß ein innerhalb der richtigen Grenzen ordnungsmäßig errichtetes Gebäude durch Erdbewegung nachträglich über die Grenze geschoben worden ist27). Ebenso wird der Fall der kriegsbedingten Mauerausbauchung zu behandeln sein, wie er in der vorerwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (N. 26 b) gelagert war. Dort ging es allerdings nicht um die Frage der Duldung der Mauerausbauchung oder ihrer Beseitigung, sondern um den Ersatz der Mehrkosten, die dem Nachbarn dadurch entstanden waren, daß er wegen der Ausbauchung von der für ihn bestehenden Grunddienstbarkeit auf unmittelbaren Anbau keinen Gebrauch machen konnte, sondern eine eigene Mauer errichten und den Zwischenraum zwischen beiden Mauern ausfüllen mußte. Dort hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis einen billigen Ausgleich in Geld zugesprochen27®). b) Die andere Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Luftraums des Nachbargrundstücks besteht darin, daß an der mit der Grenzlinie abschließenden Giebelwand erhabene Verzierungen, z. B. Steinplastiken, metallische Stilisierungen angebracht werden oder daß Fenster mit überragenden Gesimsen und übergreifenden Läden oder Jalousien vorhanden sind oder schließlich daß die Läden oder die Fenster beim Öffnen in den Luftraum des Nachbarn übergreifen. In diesen Fällen liegt kein Überbau vor. Der Nachbar ist also zur Duldung dieser Beeinträchtigungen nicht gezwungen, sondern kann hier grundsätzlich mit der Beseitigungsklage vorgehen, zumal § 905 Satz 2 B G B in Fällen dieser Art in aller Regel nicht Platz greift, denn solche Eingriffe in das Eigentumsrecht spielen sich regelmäßig nicht in solcher Höhe ab, daß der Eigentümer an ihrer Ausschließung keinerlei Interesse haben wird. Wohl aber kann hier § 226 B G B (vgl. unten zu § 13) anwendbar sein! c) Im p a r t i k u l a r e n R e c h t sind diese Fragen nur vereinzelt behandelt: Tit. V I I § 25 Mayntzer Landsordnung vom 24. 7. 1755 erörtert die Erker oder Uberhänge nur allgemein in dem Sinne, daß sie von der Baubehörde genehmigt werden müssen; gleichzeitig Der B G H hat in seiner Entscheidung N J W 58, 1582 die Frage dahingestellt gelassen. Vgl. unten § 24 V I I 4; Westermann § 64 II 2. 2,a ) Hierzu die kritischen Bemerkungen von Pleyer in J Z 59, 165 und 505.
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II 2 wird dieser dabei zur Pflicht gemacht, bei ihrer Entscheidung darauf zu sehen, daß „den Nachbarn dadurch nicht Ungelegenheiten zugezogen werden". Die Vorschrift des Preuß. A L R I 8 § 123 führt den Grundsatz „coelum liberum esse debet" streng durch, indem sie bestimmt, daß die Anlegung neuer Erker, Altane, Wetterdächer, Dachtraufen und anderer über die Grenze ragender Bauwerke der Nachbar zu dulden nicht verpflichtet ist. Uber diese Bestimmungen hinaus bestehen für die Errichtung von Erkern und Baikonen grundsätzlich keinerlei privatrechtliche Beschränkungen 27 "). § 4 des Baden-Württ. N R G vom 14. 12. 1959 (BWGB1. S. 1 7 1 ) schreibt bestimmte Abstände für Balkone, Terrassen, Erker, Galerien und sonstige begehbare Teile eines Nachbarhauses vor. § 8 Ziffer 17 der Berliner B a u O vom 21. 1 1 . 1958 (GVB1. 58 S. 1104) erlaubt das Hineinragen in den Bauwich durch Schutzdächer über Eingängen, durch Freitreppen einschließlich ihrer Bedachungen sowie durch Türvorbauten bis zu 2 m, durch überhängende Dächer bis zu 1 m Vorsprung. § 7} Abs. 4 Braunschw. B a u O behandelt die bedeckten Altane, Erker und Galerien nur in ihrer Art als Licht- und Luftöffnungen und schreibt daher ihre Verwahrung mit fest eingelassenen Gitterstäben vor, sofern ihr äußerster Vorsprung nicht wenigstens 0,60 m von der Grenze zurückweicht. Die Bremer BauO behandelt in ihrem § 30 nur das Überragen öffentlicher Straßen durch Balkone, Erker usw. und schreibt zugleich einen Mindestabstand von der Grenze vor. § 23 Abs. 3 Ziffer 4 Hamburg. WegeG (GVB1. 61 S. 117) bezeichnet es als unzulässig, Türen, Fenster, Fensterläden, Fahnenstangen, Markisen, Antennen und dergleichen so anzulegen, daß sie in den Luftraum über Geh- und Radwegen in einer Höhe von weniger als 2,5 m oder über Fahrbahnen von weniger als 5,5 m aufschlagen oder hineinragen. Für Hessen trifft § 39 HessBauO (GVB1. 1957 S. 101 ff.) eine im öffentlichen Interesse erlassene Regelung über die Ausführung und Anordnung von Bauteilen und Bauzubehör (Vorbauten) vor Außenwänden. Die nähere Ausführung dieser Vorschrift obliegt nach § 3 BauO den Städten und Gemeinden, die dazu ihre Bausatzungen normieren. So treffen §§ 7 und 12 der Frankfurter Bausatzung vom 22. 1. 1959 (Vgl. Mitteilg. der Stadt Frankfurt/Main Nr. 16/59) Bestimmungen über Ausladungen. Hiernach dürfen Bauteile und Bauzubehör nicht in den Bauwich — also auch nicht in den eigenen Luftraum — hineinragen; hierzu sind aber Ausnahmen zulässig für vorspringende Bauteile bis zu 0,30 m und für Dachüberstände bis zu 0,50 m, beide aber nur oberhalb der Höhe von 3 m, für freie Treppen zum Erdgeschoß bis zur Höhe von 3 Stufen in einer Breite von 2,5 m, für die Überdachung des Eingangs mit einer Ausladung bis zu 1,50 m oberhalb der Höhe von 1,5 m. Ein solcher Baudispens läßt aber die Frage unberührt, ob der Bauherr ohne Zustimmung des Nachbars davon auch Gebrauch machen kann. Die Zulässigkeit von Ausladungen über die Baufluchtlinie bzw. die Straßenfluchtlinie hinaus behandelt § 12 Nr. 2 Frankf. Bausatzung. Nach § 21 Nds. N R G (GVB1. 67 S. 91) muß der Nachbar, wenn nur auf einer Seite unmittelbar an eine gemeinsame Grenze gebaut werden darf, es dulden, daß kleinere, nicht zum Betreten bestimmte Bauteile in den Luftraum seines Grundstücks übergreifen, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen 27c ). Ferner bestimmt § 61 Abs. 2 a. a. O. bei der Regelung des Abstandes von Gebäuden im Außenbereich von landwirtschaftlich oder erwerbsgärtnerisch genutzten Grundstücken, daß Teile des Bauwerks, die in den hiernach freizulassenden Luftraum hineinragen, nur mit Einwilligung des Nachbarn erlaubt sind; die Einwilligung muß 27b 27c
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) Dernburg, DPrivR, § 273 V. ) Vgl. Hoof-Djuren S. 62 u. Lehmann S. 94.
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aber erteilt werden, wenn keine oder nur geringfügige Beeinträchtigungen zu erwarten sind 2 '«). Eine entsprechende Regelung hat das N R W . N R G (GVB1. 69, 190) getroffen in seinem § 23, der wie folgt lautet: § 23 Einseitige Grenzwand Bauteile, die in den Luftraum eines Grundstücks übergreifen, sind zu dulden, wenn 1. nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nur auf dem Nachbargrundstück bis an die Grenze gebaut werden darf, 2. die übergreifenden Bauteile öffentlich-rechtlich zulässig sind, 3. sie die Benutzung des anderen Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen und 4. sie nicht zur Vergrößerung der Nutzfläche dienen. Nach § 6 C der Bauordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk dürfen vorspringende Bauteile (Wandpfeiler und dgl.) in ihrer Breite ein Drittel der Frontlänge des Gebäudes nicht überschreiten. Schließlich hat Art. 80 Württ.BauO nur die Feuersicherheit solcher Vorbauten im Auge und bestimmt daher einen Mindestabstand von 2,3 m von der Eigentumsgrenze oder von anderen Gebäuden, falls sie aus Holz oder sonst brennbaren Stoffen bestehen.
3. G e s e t z l i c h e A u s n a h m e n : Das Zusammenleben der Menschen und der hierdurch notwendig werdende Ausgleich der widerstreitenden Bedürfnisse hat für das Nachbarrecht eine Reihe gesetzlicher Beschränkungen des Eigentums notwendig gemacht, die als Ausnahmen in den Grundsatz des § 905 B G B eingreifen; so z. B. Wegfall des Ausschließungsrechtes für mäßige Immissionen (Zuleitung von Gasen, Gerüchen, Rauch, Lärm usw.), Bestimmungen über den Notweg, Überbau, den natürlichen Wasserlauf usw. Insoweit nicht solche besondere Ausnahmen Platz greifen, ist die gemeinrechtliche Lehre, daß sich der Machtbereich des Grundeigentümers bis zum Mittelpunkt des Erdkörpers nach unten und bis zum Ende der Luftsäulenach oben erstrecke, dem Grundsatz nach auch für das neue Recht übernommen. Vernünftigerweise wird jedoch diesem theoretischen Gedanken wieder die Spitze abgebrochen28) durch die Beschränkung, welche Satz 2 des § 905 B G B dem Satz 1 beifügt, wonach der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat. Diese Beschränkung des Machtbereichs des Eigentümers beruht auf demselben sozialen Gedanken wie das Schikaneverbot des § 226 B G B . Es wäre jedoch unrichtig, den Satz 2 des § 905 B G B als einen Anwendungsfall des § 226 B G B zu bezeichnen 28 ®). Satz 2 des § 905 B G B geht vielmehr weiter als das allgemeine Schikaneverbot des § 226 B G B ; denn es genügt für die Anwendung jener Bestimmung schon die Feststellung, daß der Eigentümer tatsächlich kein 27d 28
) Vgl. Hoof-Djuren S. 142 u. Lehmann S. 210. ) Vgl. hierzu Monich in Iherings Jahrb. 38,155 ff. ) So Kuhlenbeck Anm. 1 zu § 905 B G B .
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Interesse an der Ausschließung hat, ohne daß es nötig wäre, festzustellen, daß er an der Ausschließung kein Interesse haben k a n n ; und anders wie im Falle des § 226 B G B ist keine Voraussetzung, daß der Eigentümer mit dem Verbot der Einwirkung den Z w e c k verfolgt, einem anderen Schaden zuzufügen 2 9 ). Das nach § 905 B G B maßgebende Interesse des Eigentümers an der Ausschließung braucht nicht notwendig ein vermögensrechtliches zu sein; es genügt jedes nur irgend schutzwürdige 3 0 ) Interesse (z. B . auch ein ästhetisches) in Ansehung der Benutzung oder des Wertes des Grundstücks 3 1 ). Immerhin aber wird ein wirklich begründetes Interesse nicht allzu persönlicher Natur verlangt werden müssen, da das Verbietungsrecht des „ E i g e n t ü m e r s " nur mit einem Interesse zu begründen ist, das aus der Benutzung des Grundstücks abgeleitet wird 3 2 ). Deshalb ist z. B. die nachweisbare und nicht zu beseitigende, aber unbegründete Angst des Hauseigentümers, daß die Drähte 33 ) über dem Hause die Gefahr des Blitzschlages erhöhen, nicht genügend, ein solches Interesse darzutun; denn das ist kein wirkliches, sondern nur ein vermeintliches Interesse. Anders, wenn ein Mieter infolge einer solchen unbegründeten Angst ausziehen will; hierdurch wird das Interesse des Hauseigentümers sehr wesentlich berührt34). Das Interesse muß sich auf das Grundstück und den dazugehörigen Rechtskreis beziehen und auf die Ausschließung der Einwirkung auf das Grundstück gerichtet sein; deshalb ist die Absicht, durch das V e r b o t der Einwirkung die Entrichtung einer A b g a b e zu erzwingen, nicht zu berück29 ) Maenner 161. Vgl. Planck Bern. 3 zu § 905 BGB. " j Vgl. R G 97, 27; 150, 226; SeuffA 71, 89. — So wurde z. B. vor Inkrafttreten des Luftverkehrsgesetzes die Schutzwürdigkeit dem Interesse abgesprochen, das aus der ganz entfernten Möglichkeit abgeleitet wird, daß das Flugzeug beim Uberfliegen eines Grundstücks abstürzen und dadurch das Grundstück beschädigen kann. Die Geltendmachung eines derartigen Verbietungsrechtes, das entweder allen Eigentümern oder keinem zugebilligt werden muß, wäre übrigens auch nach § 826 B G B unzulässig, weil dadurch der für die Allgemeinheit unentbehrliche Luftverkehr unterbunden würde (vgl. R G 100, 7). Jetzt sind natürlich die Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung vom 4. 1 1 . 1968 (BGBl. I S. 1 1 1 3 ) (s. darüber unten II 7) maßgebend. 31 ) Vgl. KommProt. 3529 (Mugdan 3, 579); Staudinger, Vorträge 323 und R N 8 zu § 905 B G B ; R G 59, 118. Das Interesse des Eigentümers und nicht das des fremden Eingreifers bildet den Maßstab und die Grundlage. Auch das reine Affektionsinteresse genügt. O L G 5, 384; J W 32, 3020 (Dresden). Vgl. Gruchot 58, 201 (RG). Drahtleitungen werden regelmäßig nicht als eine ins Gewicht fallende Verunstaltung des Straßenbildes empfunden (SeufiA 71, 154); vgl. unten N 55. 32 ) Staudinger Anm. 6 b zu § 905 BGB. !B ) Über Telephon- und Telegraphendrähte s. unten § 15. M ) Vgl. R G 59, 120. Dem Eigentümer wurde ein Verbietungsrecht zugesprochen dagegen, daß von einer elektrischen Zentrale elektrische Leitungsdrähte in einer Höhe von 4 m über dem flachen Dache des Hotels gezogen wurden, da der Besuch des Hotels unter der Furcht der Gäste vor Gefahren aus der elektrischen Kraftleitung leiden könne. Solche Befürchtungen können, wenn sie auch sachlich ungerechtfertigt sein mögen, doch von verständigen Leuten geteilt werden.
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113 sichtigen 36 ); ebensowenig kann eine Stadtgemeinde ihr Interesse auf Beseitigung elektrischer Leitungen daraus ableiten, daß sie selbst elektrischen Strom herstellt und durch die Drähte, deren Beseitigung sie verlangt, Grundstücken anderer elektrischer Strom zugeführt, ihr also Wettbewerb gemacht wird 36 ). Dagegen kann ein Verbietungsrecht damit begründet werden, daß die fremden elektrischen Drähte auf eine elektrische Leitung des Eigentümers störend einwirken36»). Aus der Fassung des Gesetzes „Einwirkungen . . . , die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat", darf nicht etwa abgeleitet werden, daß das Interesse nur nach a b s t r a k t e n Grundsätzen zu ermitteln ist 37 ). Dies würde dazu führen, daß der § 905 Satz 2 B G B fast nie angewendet werden könnte. Denn dann müßte jede M ö g l i c h k e i t einer Beeinträchtigung durch die Einwirkung ausgeschlossen sein und bei der Prüfung dieser Frage auch jede Möglichkeit einer Veränderung der Umstände berücksichtigt werden38). Man müßte damit rechnen, daß es dem Grundstückseigentümer einmal einfallen könnte, auf seinem Grundstück eine Sternwarte zu errichten, deren Benutzung durch vorhandene Leitungsdrähte beeinträchtigt werden könnte. Richtiger wird es wohl sein, zu sagen: Die Frage, ob der Eigentümer an der Ausschließung der Einwirkung ein Interesse hat, ist nach den gegebenen Verhältnissen zu beurteilen; dabei ist aber zu berücksichtigen, daß der Wegfall des Interesses d u r c h die H ö h e o d e r die T i e f e , in welcher die Einwirkung vorgenommen wird, verursacht sein muß. Der Mangel eines Interesses muß in der Höhe (oder Tiefe), in welcher die Einwirkung erfolgt, seinen Grund haben. Dadurch kommt man bei Beurteilung der Höhe und Tiefe zu einem relativen Maßstab39). Hiernach hat der Eigentümer ein Interesse an der Ausschließung aller Einwirkungen, welche die Benutzung seines Grundstückes beeinträchtigen, mögen sie auch in noch so großer Höhe oder Tiefe vorgenommen werden. Wesentlich im Sinne des § 906 B G B braucht die Beeinträchtigung nicht zu sein, denn § 906 B G B handelt von Einwirkungen, die von einem anderen Grundstücke ausgehen; § 905 B G B betrifft dagegen Einwirkungen, die in der zum Grundstück selbst gehörigen Luftsäule (bzw. in dem dazugehörigen Erdkörper) vorgenommen werden. Immerhin wird auch hier für die Frage, ob ein schutzwürdiges Interesse vorliegt, der Grad der Einwiri6
) Dernburg 2 3 2 ; Maenner 1 6 1 ; Gruchot 58, 201; O L G Hamburg M D R 57, 37. ) SeuffA 7 1 , Nr. 89. ) Vgl. auch unten § 1 5 . 37 ) Ebenso Staudinger Bern. 6a zu §905 B G B . A . M. Turnau-Förster Anm. 2 zu § 905 BGB. 38 ) Vgl. dagegen Turnau-Förster a. a. O. 39 ) Vgl. auch oben § 1 II 2. M
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2 Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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kung von Bedeutung sein 40 ). Dabei ist nicht nur die derzeitige Art der Benutzung 41 ), sondern auch jede andere Art der Benutzung, die unter den gegebenen Verhältnissen normal sein würde 42 ), aber auch jede bereits in Aussicht genommene anormale Benutzungsart, nicht aber jede mögliche Art der Benutzung 43 ) in Betracht zu ziehen. Wenn ein Unternehmer einen Draht in so geringer Höhe über dem Dachstuh) meines Hauses zieht, daß ich dadurch an der in Aussicht genommenen Erhöhung meines Hauses behindert werde, so liegt ein solches Interesse vor. Wenn ich auf meinem Grundstück einen 70 m hohen Aussichtsturm erbauen will, so muß eine in dieser Höhe befindliche Leitung beseitigt werden.
Besonders bei Einwirkungen in der Tiefe wird ein strenger Maßstab an den Nachweis, daß der Eigentümer an der Ausschließung der Einwirkung kein Interesse hat, zu legen sein43»); denn es läßt sich schwer übersehen, ob nicht durch die Einwirkung eine Veränderung in den unterirdischen Wasserläufen oder im Grundwasser eintritt44) 44a). Hier müssen schlüssige Gutachten von Sachverständigen beigebracht werden, aus welchen erhellt, daß jede Gefahr ausgeschlossen ist. Die Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Zulässigkeit der Einwirkung gegeben sind, hat derjenige, welcher die Zulässigkeit der Einwirkung behauptet 45 ), und nicht der Eigentümer, welcher das Verbietungsrecht geltend macht. Dieser Beweislast hat jener zunächst Genüge geleistet, wenn er die äußeren Umstände darlegt, welche den Mangel eines Interesses für den Eigentümer erkennen lassen. Dem Eigentümer bleibt es dann immer noch anheimgestellt, ein bestimmtes Interesse zu b e h a u p t e n ; der andere hat dann auch das Nichtbestehen dieses 40 )
Vgl. R G 97, 27; SeufFA 71 Nr. 89. Maenner 160 Anm. 16; Kretzschmar im SächsArch. 12,410. R G 59, 119 spricht von „beliebiger ordnungsgemäßer Verfügung"und tritt dem O L G bei, das die „beliebige Benützung des Luftraums über dem Hause" durch den Eigentümer „zu solchen Vorkehrungen, die bei gegebener Sachlage ordnungsmäßig und üblich sein würden", in Betracht gezogen hatte; für das bisherige Recht vgl. R G 42, 205. 43) R 08 Nr. 3615; O L G 18, 121 gehen zu weit; a. M. Staudinger, Bern. 7 zu § 905 BGB. Von O L G 18, 121 wird Beseitigung einer Drahtseilbahn in einer Höhe von 9,5 m zugesprochen, weil die Wiese später einmal Bauplatz werden könnte. 43a ) Zur Frage des Rechts zur Anlage und Nutzung unterirdischer Hohlräume vgl. Turner BB 69 S. 156fr. S. unten N. 58 und § 45 D III 2 d, aa. ccc. u & ) Der andere Fall, daß ein Grundstückseigentümer in die Tiefe seines Grundstücks wirkt und dadurch auf dem Grundstück seines Nachbarn nachteilige Folgen hervorruft, ist unten zu § 20 V behandelt. Turnau-Förster Anm. 2 zu § 905 B G B ; Planck Bern. 4 zu § 905 B G B ; Kretschmar im SächsArch. 12, 410. R G 59, 120; O L G 5, 383; a. M. Bunsen in Bernhöft und Binders Beitr. Heft 6 S. 419 fr. mit der Begründung, daß die im Gesetz gezogene Schranke eine aus der Materie der Sache folgende, den sozialen Verhältnissen entsprechende r e g e l m ä ß i g e Begrenzung der Besitzmachtvollkommenheit des Eigentümers bilde. 41 )
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II 4 behaupteten Interesses nachzuweisen46). Der Eigentümer eines Gebäudes, dessen Gesimse über die Grenze ragen, ist (vorbehaltlich des § 912 B G B ) zur Beseitigung verpflichtet. Auf § 905 B G B kann er sich regelmäßig47) nicht berufen, da der Nachbar jederzeit in die Lage kommen kann, den Raum für ein von ihm zu errichtendes Gebäude in Anspruch zu nehmen48). Der Eigentümer, welcher auf Grund des § 905 Abs. 2 B G B zur Duldung einer Einwirkung verurteilt wurde, kann, wenn später infolge einer Veränderung der Umstände ein zur Zeit der Urteilsfällung nicht vorhandenes Interesse eingetreten ist, die Vollstreckungsgegenklage des § 767 ZPO anstrengen49). 4. A n w e n d u n g s f ä l l e des § 90 5 Abs. 2 B G B sind z.B. Tunnelbauten60), elektrische Leitungen 51 ), Viadukte, Legung unterirdischer Röhren und Kabel52), Kanäle, Untergrundbahnen, Drahtseilbahnen53). Auch Schaukästen53»), über öffentlichen Straßen können in Betracht kommen. In jedem einzelnen dieser Fälle ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des §905 Satz 2 B G B gegeben sind. Ein Recht, Gestänge auf Gebäuden (Telephonständer) aufzustellen, ist durch § 905 B G B nicht begründet (s. unten § 15 B); Haltevorrichtungen für die Oberleitungen der Straßenbahnen an Grundstücken und Gebäuden müssen aber geduldet werden. Dies ergibt sich zwar nicht mehr aus der Straßenbahnbau- und Betriebsordnung (BGBl. 6 5 1 S . 1513), wohl aber aus der sinngemäß anwendbaren Vorschrift des § 3 Abs. 6 StVO (neueste Fassung), wonach die Besitzer von Grundstücken und Baulichkeiten aller Art verpflichtet sind, das Anbringen oder Errichten von Verkehrszeichen und -einrichtungen insoweit zu dulden, als deren Aufstellung oder Anbringung auf öffentlichen Straßen aus polizeilichen Rücksichten nicht zugelassen werden kann oder technisch nicht " ) V g l . Monich in IheringsJ 38, 1 5 7 ; jetzt auch Staudinger Bern. 9 zu § 905 B G B . 47 ) Ausnahme, wenn nach den gegebenen sachlichen Umständen mit der Möglichkeit einer Bebauung nicht zu rechnen ist. Vgl. oben § 1 II 2. 4S ) Mit einer Bescheinigung des Eigentümers, für diesen Fall die Gesimse zu beseitigen, braucht er sich nicht zu begnügen (R 10 Nr. 4089). 49 ) Turnau-Förster a. a. O. muß auf Grund seiner Anschauung, daß an die Voraussetzungen des § 905 Abs. 2 B G B ein abstrakter Maßstab anzulegen ist, zum entgegengesetzten Ergebnis gelangen. M ) J W 12, 869. 51 ) Vgl. SchlHA 10, 83; SeuffA 7 1 , 154. Vgl. ferner unten § 43 D III 1 d. Uber Telegraphen- und Telephondrähte s. unten § 1 5 . 62 ) Uber Notwegerecht zur Legung unterirdischer Röhren und Kabel s. unten § 27 V 2 u. § 27 N . 108. M ) O L G 18, 1 2 1 ; R 08, 664. 53a ) Soweit ein zulässiger Gemeingebrauch nicht vorliegt (vgl. unten § 1 II 6 b; R G 123, 183), kann die Stadtgemeinde Klage auf Beseitigung der Schaukästen über dem Bürgersteig erheben [ O L G 18, 1 2 1 ; SeuffA 65, 454 (RG), vgl. Gruchot 54, 918 (RG)]. z'
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II 4 möglich ist54). Ähnlich lautet und daher gleichfalls entsprechend anwendbar ist der in § 5b S T V G neu eingefügte Abs. 6 (BGBl. 69 I S. 217), der ebenfalls ein Entschädigungsverfahren vorsieht. Soweit die Einwirkung unter der Erde zulässig ist, wird dadurch niemals ein Recht zur Aufgrabung der Erdoberfläche zwecks Herstellung der an sich zulässigen Anlage begründet, auch dann nicht, wenn sich der Unternehmer unter Sicherheitsleistung zur Wiederherstellung verpflichtet. Das Überfliegen mit Luftfahrzeugen ist durch das Luftverkehrsgesetz 51 ») geregelt. Das Interesse des Eigentümers eines Wohnhauses wird regelmäßig nicht verletzt, wenn man Drähte über seinem Haus spannt; er kann dies also regelmäßig 64b ) nicht verbieten. Anders, wenn er sich auf seinem Dach einen sog. Berliner Garten oder eine Privatsternwarte eingerichtet hat und durch die Drähte in seinem freien Ausblick gestört wird; dies kann in letzterem Fall schon durch einen einzigen Draht bewirkt werden. Befindet sich auf einem Grundstück ein wissenschaftliches Laboratorium, dessen Präzisionsapparate durch den oberhalb des Hauses hingeleiteten elektrischen Strom beeinträchtigt werden, so kann der Unternehmer zur Beseitigung dieser Leitungsdrähte, soweit sie durch den Luftraum des Hauseigentümers gehen, angehalten werden. Der Eigentümer eines Ziergartengrundstückes wird wohl durch eine mäßige Anzahl von Leitungsdrähten, welche sich in der üblichen Höhe befinden, regelmäßig nicht beeinträchtigt, während bei einer solchen Menge von Drähten, daß hierdurch die ästhetische Gesamtwirkung der Gartenanlage gestört wird, ein zur Rechtfertigung des Widerspruchs genügendes Interesse gegeben ist 55 ). Auch darin liegt ein genügendes Interesse, daß infolge einer über ein Hotel geführten elektrischen Leitung möglicherweise Gäste aus (unbegründeter) Furcht vor Gefahren wegbleiben können 56 ). Wenn sich unter meinem Grundstück eine von diesem aus nicht zugängliche Höhle befindet, so kann ich meinem Nachbarn, von dessen Grundstück die Höhle zugänglich ist, nicht verbieten, diese gegen ein Eintrittsgeld zu zeigen 57 ). Sobald ich mir aber selbst einen Zugang zu der Höhle verschafft habe, muß dies aufhören. 54 ) Dem Betroffenen kann eine Entschädigung gewährt werden, wenn ihm durch die Maßnahmen ein Schaden entstanden ist, den selbst zu tragen ihm billigerweise nicht zugemutet werden kann. Über die Höhe der Entschädigung entscheidet die Straßenverkehrsbehörde. Hiergegen ist das verwaltungsgerichtliche Verfahren zulässig. — Vgl. hierzu auch § 12 Berliner StraßenG (GVB1. 57 S. 743) i. d. F. des ÄnderungsG vom 16. 4. 64 (GVB1. S. 460), der bestimmt, daß die Eigentümer der an die Straße angrenzenden Grundstücke oder Bauwerke das Anbringen von Halte- und Betriebseinrichtungen für die öffentlichen Verkehrseinrichtungen zu dulden haben. Ma ) Vgl. unten § 1 II 7. Mb ) Siehe aber oben N. 31, 33 u. 34. 56 ) Vgl. KommProt. 3529 (Mugdan 3, 579); Maenner 1 6 1 . Vgl. oben N 31. 66 ) R G 42, 2 1 0 ; 59, 120. Vgl. oben N. 34 57 ) Cosack 2, 152. Staudinger Bern. 6 a zu § 905 B G B . Vgl. R G 28, 154: Hier wird ausgesprochen, daß die Barbarossahöhle und deren Verwertung durch Einführung von Fremden dem Grundeigentümer, nicht dem Bergberechtigten gehört. — Das ist richtig. Das vom R G nach gemeinem Recht anerkannte Verbietungsrecht wäre nach § 905 B G B nur dann begründet, wenn der Grundeigentümer einen von den Bergbaueinrichtungen unabhängigen Zugang zu der Höhle hätte, denn sonst hat er an der Ausschließung der Besichtigung kein Interesse. So schon nach gemeinem Recht richtig Dernburg Pand. I § 198 Anm. 4 für folgenden Fall: Unter einem Acker befindet sich in großer Tiefe eine
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II 5,6 Die Eigentümer hochgelegener Almen haben ein Interesse an der Ausschließung eines Tunnelbaues, wenn die Gefahr besteht, daß durch die Anlegung des Tunnels eine Almenquelle versiegt58). 5. S c h a d e n e r s a t z p f l i c h t . Die Einwirkungen, die der Eigentümer gemäß § 905 Satz 2 B G B nicht verbieten kann, sind nicht rechtswidrig 6 9 ); denn durch § 905 Satz 2 B G B wird der gesetzliche Inhalt des Eigentumsrechts eingeschränkt 60 ). Deshalb kann derjenige, welcher in einer nach § 905 S. 2 B G B zulässigen Weise auf dieses Recht eingewirkt hat, auf Entschädigung nur aus einem besonderen Rechtsgrunde 6 1 ) in Anspruch genommen werden. In dieser Hinsicht kommt, abgesehen v o n einem V e r schulden des Einwirkenden, insbesondere die Ersatzpflicht für Schäden in Betracht, die dem beeinträchtigten Grundstückseigentümer dadurch entstehen, daß er Beeinträchtigungen hinnehmen muß, weil ihm die Unterlassungsklage aus § 1004 B G B versagt ist 6 1 "); ferner zählen hierher die Schäden, die durch den Betrieb eines Bergwerks verursacht sind 62 ), sowie die Fälle der Gefährdungshaftung 6 3 ), 63a ). 6. Ö f f e n t l i c h e s R e c h t . Über die Einschränkungen des Eigentums gemäß § 905 B G B hinaus bringt das öffentliche Recht weitere Beschränkungen. So normiert z. B. das Reichsgesetz betreffend die Telegraphenwege v o m 18. 12. 1899 unter gewissen Voraussetzungen die Verpflichtung zur Duldung von Telegraphen- und Telephondrähten 64 ). Der Luftraum über einem öffentlichen Wege oder Gewässer unterliegt grundsätzlich der Zuständigkeit der Wege- bzw. Wasserpolizeibehörde 64 "), jedoch nur insoweit, als nach den tatsächlichen Umständen der Wegbestand über der Bodenfläche des Weges, der Bestand des Gewässers über der Tropfsteinhöhle, die den einzigen Zugang von einem weit entfernten fremden Grundstück hat. Der Eigentümer des Ackers kann dem andern nicht verbieten, die Höhle gegen Entgelt zu zeigen; er kann auch nicht beanspruchen, daß dafür an ihn eine Vergütung bezahlt wird. (Unrichtig Schumacher, Z. f. Vermessungswesen 03, 106 Anm. 5). — Abw.Turner BB 69 S. 159. 58 ) Schumacher, Z. f. Vermessungswesen 05, 105. Das ist beim Simplontunnel der Fall gewesen. — Das Vertretungsrecht gegenüber der Eisenbahn ist jedoch entzogen und in einen Anspruch auf Schadloshaltung umgewandelt. Infolge der Anlage des Bahntunnels Cochem-Eller ist das Wasser eines Baches unterirdisch verschwunden. Der Bahnfiskus wurde zur Entschädigung verurteilt (RG 4, 544); vgl. oben N. 44 und unten 59 § 43 D III 2 d, aa. ccc. ) Kipp, JW 08, 644. 6 °) Vgl. Niemeyer, Verh. d. 31. D. Jur. Tag 2, 41 " ) Ebenso Linckelmann, JW 09,8; Goldfeld JW 1 1 , 565. 61a ) B G H Z 15, 146; 28, 110. Vgl. auch unten § 39. 63 ®2) S. darüber unten § 44. ) S. darüber unten § 43 D III. 63a ) Eine durch Notstand gerechtfertigte Handlung verpflichtet gleichfalls zum Schadensersatz, sogar für mittelbare Schadensfolgen (RG 156, 187); der Anspruch ist aber nicht gegeben, wenn der Verletzte den Notstand selbst verschuldet hat (BGHZ 6,110). 64 64a ) Vgl. hierzu unten § 15. ) O V G 59, 308; 60, 361.
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§
X
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
II 6 Wasseroberfläche anzunehmen ist65). Es kommt also darauf an, ob durch die Höhenlage der Drähte noch in den Bestand des Weges oder Gewässers eingegriffen wird. Nur unter dieser Voraussetzung ist für das Überqueren der Wege (Gewässer) mit Drähten die polizeiliche Genehmigung erforderlich66). Unabhängig von diesem Erfordernis der polizeilichen Genehmigung und unabhängig von einer erteilten Genehmigung steht dem Eigentümer des Weges (Gewässers) das Recht der Ausschließung der Drähte im Rahmen des § 905 B G B zu. Hat er nach § 905 B G B die Drähte zu dulden, so hat er den Anspruch auf Entschädigung auch ohne Nachweis eines Verschuldens des Halters der Drahtanlage, wenn er z. B. infolge des Reißens der Drähte durch Windsturm oder Schneedruck geschädigt wird 67 ). Die Rechte der Eigentümer öffentlicher Straßen — zu ihnen gehören auch die öffentlichen Wege und Plätze — und öffentlicher Gewässer sind weiter durch den unentgeltlichen G e m e i n g e b r a u c h eingeschränkt. Dabei muß unterschieden werden: a) B u n d e s f e r n s t r a ß e n unterliegen aa) dem Gemeingebrauch, d. h. der Benutzung zum Verkehr [ § 7 Abs. 1 BFStG vom 6. 8. 61 (BGBl. I 1742)], bb) der öffentlich-rechtlichen Sondernutzung, die eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs, d. h. des Verkehrs auf der Straße, begrifflich voraussetzt (§8 Abs. 1 im Gegensatz zu § 8 Abs. 10 BFStG), sie ist nur zulässig mit öffentlich-rechtlicher Erlaubnis, die auf Zeit (während dieser Zeit nicht widerruflich, außer durch Enteignung) oder auf Widerruf erteilt werden kann (vgl. Jahn N J W 61, 2196; Eisenhart-Rothe B B 59, 1192), cc) der bürgerlich-rechtlichen Benutzung, die allerdings nur ohne Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs im Sinne des § 7 Abs. 1 BFStG, d. h. ohne Beeinträchtigung des Verkehrs, möglich ist (§ 8 Abs. 10 BFStG). Hierzu gehören z. B. Reklameeinrichtungen, die in den Luftraum über der Straße hineinragen, das Anbringen von Warenautomaten (vgl. hierzu auch AutomatenG — RGBl. 34 I 585 — und Schmid: Automatenrecht, 1952, S. 231), Geschäftsschildern und Geschäftszeichen, Warenauslagen (Obst, Gemüse, Wild, Presseerzeugnisse), Markisen, Rolladen und ähnl., soweit sie den Verkehr nicht behindern. Die Zulässigkeit der bürgerlichrechtlichen Nutzung hängt nicht von einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis ab, sondern richtet sich ausschließlich nach bürgerlichem Recht (vgl. Jahn a. a. O.; Eisenhart-Rothe a. a. O.). 95
) O V G 60, 360. ) Neugebauer, Funkrecht 73. " ) Vgl. R G 100,74 und unten § 43 D III 1 d.
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§
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II 6 b) A l l e ü b r i g e n ö f f e n t l i c h e n S t r a ß e n e i n s c h l i e ß l i c h der ö f f e n t l i c h e n W e g e und P l ä t z e unterliegen dem Gemeingebrauch6 7a ) und dem gesteigerten Gemeingebrauch ( = Anliegernutzung). Eine bundesgesetzliche Regelung liegt nur insoweit vor, als der Gemeingebrauch in seinem Kern von der grundrechtlichen Gewährleistung der Art. 2 Abs. i , 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 G G erfaßt wird (BVerwG N J W 69 S. 284). Die Widmung der öffentlichen Straße (vgl. dazu B G H D Ö V 62, 906) gibt jedermann den Gebrauch der Straße für den Verkehr innerhalb der besonderen Bestimmung der Straße und innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen ( G e m e i n g e b r a u c h ) frei; ergänzend sind hier die Generalklauseln der Gemeinverträglichkeit und der Verkehrsüblichkeit, wie sie in den §§ 1 und 5 Abs. 1 Nr. 1 StVO niedergelegt sind, heranzuziehen. Somit muß der Eigentümer einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße alle Einwirkungen dulden, die sich in den Grenzen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs halten. Dabei ist der Umfang dieses Gemeingebrauchs wandelbar; er bestimmt sich nach örtlicher Auffassung und Übung; es fragt sich also stets, ob die jeweils in Frage stehende Tätigkeit noch von der Widmung der Straße für den Verkehr gedeckt ist. Der Gemeingebrauch ist keine Rechtsposition und kein Vermögensrecht, das Gegenstand einer Enteignung sein könnte. Der Anlieger hat auf den Fortbestand von Vorteilen, die sich aus dem Gemeingebrauch einer öffentl. Straße und damit aus einer bestimmten Verkehrslage zu einer bestimmten Zeit ergeben, keinen Anspruch; er muß vielmehr den Zustand sowie Veränderungen der Straße als einer dem Verkehr dienenden öffentlichen Sache hinnehmen, er kann den Gemeingebrauch nur im Rahmen der jeweiligen Widmung der öffentlichen Straße ausüben; er muß den Gemeingebrauch anderer und die 67a ) Vgl. hierzu Strickstock in Betr. 58 S. 1 1 1 9 ; ferner Ganchezian-Finck in N J W 57 S. 287, 61 S. 1846 u. 69 S. 161 (Schädigung von Gewerbebetrieben durch Beschränkung des Straßenverkehrs). — Nach B G H (NJW 57, 630 = M D R 57, 670) kann die Aufstellung von Kiosken und ähnlichen kleineren Verkaufsläden mit dem Gemeingebrauch noch vereinbar sein, weil diese den Straßenbenutzern die Möglichkeit eröffnen sollen, bestimmte Waren — Zeitungen, Obst — in einer dem Verkehr entsprechenden Weise besonders bequem im Vorübergehen zu erwerben; aus dem Gemeingebrauch fällt aber die Anlage von festen Verkaufsbaracken, in denen das Publikum wie sonst in Läden kauft, im allgemeinen heraus; daher darf der Straßeneigentümer in solchem Falle für eine derartige Nutzung ein Entgelt — die Vereinbarung über die Nutzung ist kein Mietvertrag! — fordern (BGH in N J W 56, 104); R G 1 2 3 , 1 8 7 ; 150, 399 (Führen von Schläuchen von einer Tankstelle aus über die Straße) — insbes. letztere Entscheidung muß heute als durch die Verkehrsverhältnisse überholt angesehen werden — ; L G Detmold N J W 52, 1057 (Rollfilmautomaten); L G Berlin N J W 54, 437 (Bierfaßeinwurf) mit ablehnender Anm. von Wagenführ N J W 54, 889; L G Hannover N J W 61, 1070 (Werbefahrten mit PKW und Anhänger durch Großstadtstraßen). Vgl. auch Hammes DVB1. 50, 71 und 1102 sowie Bull „Der Markenartikel" 1956, 29. — Wegen des Hineinragens in den Luftraum des Nachbar-Straßengrundstücks vgl. oben § x II 2.
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§ 1 II 6
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
üblichen Verkehrsbeschränkungen dulden, die sich aus einer Verkehrsregelung oder aus sachlich gebotenen Straßenbauarbeiten ergeben, solange die Straße für die Verkehrsvermittlung erhalten bleibt ( B G H N J W 67, 1 7 5 2 ) . Über beschränkte Verkehrswidmung einer öffentlichen Straße und die hieraus sich ergebenden Folgerungen vgl. B G H V e r s R 58, 2 5 8 ; L G Aachen N J W 62, 1300. D i e A n l i e g e r n u t z u n g , die vielfach als gesteigerter Gemeingebrauch bezeichnet wird, stellt die Befugnis (nach V G H Bremen in D Ö V 58, 379 das subjektiv-öffentliche Recht) dar, die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße auch als Straßenanlieger zu benutzen. Sie umfaßt daher nicht nur das jedermann zustehende Recht, die Straße in der F o r m der Teilnahme am Verkehr zu benutzen, sei es im Fortbewegen, sei es im V e r weilen auf der Straße, sondern entsprechend dem Widmungszweck der Straße z. B . auch die Befugnis, diese zum A u f b a u und zur Ausbesserung eines an die Straße angrenzenden Hauses in Anspruch zu nehmen ( B G H N J W 57, 1 3 9 6 ; O L G Frankfurt N J W 66 S. 1040) 8 7 »). Daher fällt unter Anliegernutzung auch das Errichten eines Bauzaunes auf dem Bürgersteig aus Anlaß eines Neubaus oder Wiederaufbaus eines Hauses, da die Straße hier zu einem v o n der Widmung umfaßten Z w e c k , der Besiedlung des v o n der Straße erschlossenen Geländes zu dienen, benutzt wird; unerheblich ist, ob die Errichtung des Bauzaunes auch der polizeilichen Erlaubnis bedarf 6 7 0 ), 6 7 d ). A u c h die Einwirkungen, die v o n der Ausübung eines G e w e r bes ausgehen, werden von der Anliegernutzung umfaßt, wenn das Gewerbe 67 b ) Wird die Grenze überschritten, die dem gesteigerten Gemeingebrauch gezogen ist, und wird dadurch z. B. die einem Ladengeschäft grundsätzlich zustehende Befugnis auf ungestörte Schaufensterwerbung unmöglich gemacht oder erschwert, so liegt hierin eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (OLG Düsseldorf N J W 61, 1925). 9,c ) R G 123, 183 und 187; 125, 1 1 0 ; 1 3 1 , 264; R G JW 1930, 1961; O L G Köln J W 30,1980; a. M. L G Koblenz N J W 6 1 , 1 0 7 1 . Für die Zulässigkeit eines in den Straßenraum hineinragenden Vordachs sind die örtlichen Verhältnisse entscheidend (RG 132, 398), allerdings fällt ein 3 m über dem Erdboden errichtetes Vordach einer Gaststätte, das eine Flächenausdehnung von 31 qm hat und 3,4 m in den Luftraum über die Straße hineinragt, auch dann nicht mehr unter die Anliegernutzung, wenn es sich um eine breite verkehrsreiche Straße handelt (BGH N J W 57, 1396). 67d ) B G H MDR 57,351 = J R 57, 260 mit weiteren Zitaten. Wird der Bauzaun von dessen Eigentümer zur Anbringung von Plakaten verwendet, so überschreitet solches Verhalten den zulässigen Gemeingebrauch nur dann, wenn sich am gegebenen Ort noch keine Übung herausgebildet hat, daß die Bauzäune ohne Mitwirkung, Einflußnahme und finanzielle Beteiligung der Gemeinde für Reklamezwecke vermietet werden oder daß üblicherweise das Verkehrsamt mit den Bauinteressenten Verträge abschließt, durch welche die Benutzung der Bauzäune zu Reklamezwecken gegen entsprechendes Entgeld gestattet wird: B G H a. a. O. mit zustimmender Anm. von Hodes J R 57, 261 und Blomeyer MDR 57, 353, abl. Bettermann MDR 57, 353. Vgl. auch Baur BB 63, 483.
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§
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II 6 in einem an der Straße liegenden Haus ausgeübt wird. Deshalb muß die gewerbliche Reklame, soweit sie sich im Rahmen des Gemeinverträglichen hält und mit den sonstigen Zwecken der Widmung vereinbar ist, vom Eigentümer der Straße geduldet werden67e). Wegen des Überbauens einer öffentlichen Straße vgl. unten zu § 24 I 2. Die Frage nach der Zulässigkeit von L a t e r n e n g a r a g e n läßt sich nicht generell beantworten. In erster Linie ist § 16 StVO einschlägig; daneben sind die Straßengesetze der Länder (vgl. unten zu aa)—kk) dafür maßgebend. Allgemein läßt sich folgendes sagen: Parken im Sinne des § 16 StVO liegt grundsätzlich nicht vor, wenn ein nicht zugelassenes Fahrzeug oder ein zugelassenes lediglich zu Werbezwecken (abw. hiervon O V G Hamburg M D R 67 S. 74) auf der Straße abgestellt wird. Im übrigen kommt es darauf an, was die öffentliche Straße an ruhendem Verkehr vertragen kann, ohne den fließenden Verkehr, dem regelmäßig der Vorrang gebührt, zu sehr zu beeinträchtigen; bei dieser Beurteilung muß berücksichtigt werden, daß der derzeit bestehende Mangel an Einsteilplätzen und Garagen dazu zwingt, in erheblichem Maße öffentliche Verkehrsflächen für Zwecke zu nutzen, denen Einstellplätze und Garagen zu dienen bestimmt sind (BVerwG V R S 30 S. 468). Unter gegebenen Umständen kann z. B. im Zentrum einer Großstadt das Dauerparken nicht mehr unter den Gemeingebrauch zu rechnen sein (BVerwG N J W 57 S. 962; O V G Hamburg M D R 55 S. 57;vgl.auchuntenzu § 1 II6b)dd)den § i6Abs. 2Hamburg.WegeG). Vgl. auch V G H Bremen B B 59 S. 1010 und B G H N J W 56, 1475, wonach die Vermietung eines Teils der öffentlichen Straße als Parkplatz gegen Entgelt für zulässig erklärt ist. Nach B G H B B 65 S. 64 ist ein Omnibusunternehmer, der den Omnibusbahnhof einer Stadt benutzt, den diese an einem ihr gehörenden Platz eingerichtet hat, nicht damit gehört werden, daß er den Gemeingebrauch habe ausüben, nicht aber eine Sondernutzung habe in Anspruch nehmen wollen; er muß sein „sozialtypisches Verhalten" sich entgegenhalten lassen und die Benutzungsgebühr zahlen. Im Verhältnis der A n l i e g e r u n t e r e i n a n d e r muß der Grundstückseigentümer die Maßnahmen benachbarter Anlieger, die sich im Rahmen des ihnen zustehenden Gemeingebrauchs halten, auch insoweit hinnehmen, als sie für ihn Behinderungen, z. B. hinsichtlich seiner Werbemöglichkeiten, darstellen. Er muß daher auch solche Einschränkungen seines An67e ) Neben der Frage nach der öffentlichrechtlichen Zulässigkeit, z. B. der Anbringung eines Warenautomaten an der Außenwand von Geschäftsräumen, bleibt die Frage nach der bürgerlichrechtlichen Zulässigkeit im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter; im allgemeinen wird der Vermieter als verpflichtet erachtet, die Anbringung solcher Automaten zu dulden: O L G Hamm N J W 58, 1239; vgl. ferner Weimar M D R 60, 195; femer A G Frankfurt N J W 57, 1600.
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II 6 liegerrechts grundsät2lich e r s a t z l o s dulden, die sich aus Maßnahmen ergeben, die Ausbesserungs- und Verbesserungsarbeiten an der Straße oder an den in ihr verlegten oder mit ihr verbundenen Leitungen, Röhren und sonstigen Anlagen betreffen, oder die bezwecken, die Straße den etwa weitergehenden Bedürfnissen des Verkehrs anzupassen, f a l l s und s o w e i t alle diese Maßnahmen nach ihrer Art und Dauer nicht über den Rahmen dessen hinausgehen, was zu einer ordnungsmäßigen Durchführung der Arbeiten mit möglichen und zumutbaren Mitteln persönlicher und sachlicher Art notwendig ist (BGH N J W 60 S. 1995 u. N J W 62 S. i8i6ff; M D R 64 S. 656 -U-Bahnbau-). Zwischen verschiedenen technischen Möglichkeiten der Ausführung von Arbeiten an der Straße kann die Baubehörde nach ihrem Ermessen wählen; doch wird dieses Ermessen begrenzt durch die gebührende Rücksicht auf die Interessen derjenigen, die auf die Benutzung der Straße angewiesen sind, z. B. im Falle der Sperrung einer Straße vor einer Tankstelle wegen Kanalisationsarbeiten (BGH N J W 64 S. 198). Bei einer nicht unerheblichen Ü b e r s c h r e i t u n g d i e s e r G r e n z e n besteht ein Anspruch auf Entschädigung wegen enteignungsgleichen — rechtswidrigen — Eingriffs. Die durch Arbeiten für die Anlegung einer neuen U-BahnStrecke entstehenden Beeinträchtigungen braucht der Anlieger in aller Regel nicht entschädigungslos hinzunehmen, da diese Inanspruchnahme weit das Maß dessen überschreitet, was zum normalen oder gesteigerten Gemeingebrauch gehört (BGH N J W 65 S. 1907). T r o t z E i n h a l t u n g der aufgezeigten G r e n z e n muß aber E n t s c h ä d i g u n g nach Enteignungsgrundsätzen geleistet werden, wenn der Eingriff zur vollständigen Entziehung oder Vernichtung einer Sache oder eines sonstigen geschützten Rechtsguts führt oder der Eingriff, wirtschaftlich betrachtet, einer Entziehung oder Vernichtung gleichzusetzen ist (BGH M D R 64, 656 u. N J W 65, 1907). Eine Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Frage, wann ein Straßenanlieger Anspruch auf Enteignungsentschädigung wegen Beeinträchtigung seines Gewerbebetriebs durch Straßenbauarbeiten haben kann, findet sich in B G H B B 64 S. 660; wegen der Berechnung der Höhe der Enteignungsentschädigung vgl. B G H D R Z 67 S. 308. Wird durch die Anlegung einer neuen Straße der Verkehr von der an dem Betriebsgrundstück vorbeiführenden Straße abgezogen, so liegt eine Enteignung nicht vor, da der Anlieger keinen Anspruch auf das Fortbestehen von Vorteilen hat, die sich aus dem Gemeingebrauch an einer öffentlichen Straße und damit aus einer bestimmten Verkehrslage zu einer bestimmten Zeit ergeben (BGH N J W 67 S. 1752). Ein enteignungsgleicher Eingriff in den Gewerbebetrieb liegt aber vor, wenn eine Durchgangsstraße in eine Sackgasse umgewandelt wird, sofern die Umwandlung in erster Linie die privaten Interessen eines Dritten fördern soll (BayObLG MDR 64, 597).
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§1
II 6
Ebenfalls liegt ein enteignungsgleicher Eingriff vor, wenn eine Straße höher gelegt und dadurch entgegen dem Landeswasserrecht der bisherige Ablauf des Oberflächenwassers von einem Grundstück verhindert wird ( O L G Neustadt M D R 64 S. 505). Das gleiche gilt, wenn Kanalisationsarbeiten zu Senkungsschäden an einem Haus führen, da diese auf einer unmittelbaren — nicht nur mittelbaren — Auswirkung der hoheitlichen Maßnahmen beruhen ( B G H M D R 65 S. 120). Soweit durch Hoheitsakt eine v o m Gemeingebrauch nicht mehr umfaßte und auch nach Polizeirecht nicht gerechtfertigte Nutzung des dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Grundstücks gestattet wird, ist der Hoheitsakt nicht mehr rechtmäßig und kann zu einer Entschädigungspflicht wegen — rechtswidrigen — enteignungsgleichen Eingriffs in geschützte Rechtspositionen dritter Personen führen 6 7 '). Ebenso kann jede widmungswidrige Wegebenutzung Schadensersatzansprüche nach §§ 823 ff. B G B auslösen 67 «). V g l . im übrigen auch unten zu § 1 7 N . 1 1 . Inzwischen haben die L ä n d e r — die bundesrechtliche Regelung ist nur insoweit gegeben, als der Gemeingebrauch in seinem Kern v o n der grundrechtlichen Gewährleistung der Art. 2 A b s . 1, 3 A b s . 1 und 1 4 A b s . 1 G G erfaßt wird ( B V e r w G N J W 69 S. 284) — in ihren S t r a ß e n g e s e t z e n ins Einzelne gehende Vorschriften über Gemeingebrauch, Sondernutzung usw. normiert: aa) § 15 Bad.-Württ.StraßenG vom 20. 3. 64 (BWGBl. S. 127) gestattet jedermann den Gebrauch der öffentlichen Straße im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen (Gemeingebrauch); durch die Benutzung der öffentlichen Straße darf aber der Gemeingebrauch anderer nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs besteht kein Anspruch ( § 1 5 II a. a. O.); er kann vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörde von der Straßenbaubehörde beschränkt werden, wenn dies zur Durchführung von Straßenbauarbeiten oder wegen des baulichen Zustandes zur Vermeidung außerordentlicher Schäden an der Straße notwendig ist (§ 16 a. a. O.). Die Straßenanlieger haben keinen Anspruch darauf, daß die Straße nicht geändert oder eingezogen wird (§ 17 I a. a. O.). Führt aber die Änderung oder Entziehung der Straße dazu, daß dem Anlieger der für die ordnungsmäßige Bewirtschaftung notwendige Zugang zum Grundstück entzogen oder wesentlich erschwert oder daß ihm der Zutritt von Licht oder Luft zu seinem Grundstück dauernd wesentlich beschränkt wird, so ist der Träger der Straßenbaulast zur Zahlung einer angemessenen Vergütung verpflichtet, sofern nicht ein angemessener Ersatz geschaffen wird; dies gilt nicht, wenn die unterbrochene Zufahrt nur widerruflich erlaubt worden war (§ 17 II, III a. a. O.). Die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus ist Sondernutzung. Diese erfordert die Erlaubnis der Straßenbaubehörde auf Zeit oder auf Widerruf, der aus Gründen des allgemeinen Wohls — mit der Verpflichtung zu angemessener Entschädigung in diesem Falle — ausgesprochen werden kann. Die Erlaubnis ist entbehrlich, wenn die Benutzung bereits einer Ausnahmegenehmigung 67 9 B G H N J W 57, 630 = MDR 57, 670 = B B 57, 276; B G H N J W 57, 633 = BB 57, 277 und MDR 58, 587. 87 e) B G H MDR 58, 502.
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II 6 oder einer Erlaubnis nach der StVO bedarf oder diese sie zuläßt oder die Benutzung einer Anlage dient, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist (§ 18 a . a . O . ) . §§ 19, 20 a. a. O. behandeln die Sondernutzung an Ortsdurchfahrten sowie die Anlage oder wesentliche Änderung einer Zufahrt zu einer Land- oder Kreisstraße außerhalb der Ortslage oder des Baugebiets. Wer eine öffentliche Straße über das übliche Maß hinaus verunreinigt, hat die Verunreinigung unverzüglich zu beseitigen; anderenfalls erfolgt dies auf seine Kosten (§ 44 a. a. O.). bb) § 8 des Berliner Straßengesetzes vom 1 1 . 7. 5 7 (BerlGVBl. 745) — vgl. auch das i.Ges. zur Änderung des Berliner StraßenG vom 16.4.64 (GVB1. S.460) — bestimmt, daß das Eigentum an öffentlichen Straßen Privateigentum ist, das aber durch die Bestimmung der Straße für den Gemeingebrauch beschränkt wird. Gemeingebrauch ist der Gebrauch der öffentlichen Straße durch jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften; kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt (§8 Abs. 2 a. a. O.). Für die Benutzung der öffentlichen Straßen in den Grenzen des Gemeingebrauchs wird Entgelt nicht erhoben, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 8 Abs. 5). § 9 a. a. O. bestimmt, daß für das P a r k e n von Kraftfahrzeugen auf denjenigen Flächen der öffentlichen Straßen, die für den ruhenden Verkehr geschaffen sind, ein Entgelt erhoben werden kann. Der Gebrauch der öffentlichen Straße über den Gemeingebrauch hinaus ist nach § 10 a. a. O. Sondernutzung, die unbeschadet sonstiger Vorschriften neben der Zustimmung des Straßeneigentümers der Erlaubnis bedarf, die im Wege der Straßenaufsicht erteilt wird. Nach § 10 Abs. 2 a. a. O. ist Sondemutzung auch die Benutzung der öffentlichen Straßen durch Anlieger, die über die gewöhnliche Anliegernutzung hinausgeht. Schließlich sind Sondernutzungen Werbeanlagen auf öffentlichen Straßen und Anlagen, die in die Straße „eingreifen". Die regelmäßig widerrufliche Erlaubnis kann unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden (§ 10 Abs. 4). Für Sondernutzungen kann der Straßeneigentümer Entgelt erheben, bei dessen Bemessung der wirtschaftliche Vorteil der Sondernutzung berücksichtigt werden kann (§ 10 Abs. 5 a. a. O.). cc) § 1 der Bremer Straßenordnung vom 10. 5. 60 (GVB1. S. 51) bestimmt in § 1, daß öffentliche Wege und Anlagen ohne Gebrauchserlaubnis nur im Rahmen ihrer Zweckbestimmung (Widmung) und in den Grenzen der Gemeinverträglichkeit benutzt werden dürfen (Abs. 1). Insbesondere darf gemäß Abs. 2 niemand, vortbehaltlich der Gebrauchserlaubnis a) auf öffentlichen Wegen und Anlagen Verkaufsstände, Wartehallen und Werbeträger errichten, Fahrradständer, Tische und Stühle aufstellen, Bauzäune und Gerüste errichten sowie Güter, Waren und Baumaterial lagern, Reklamewagen fahren und aufstellen, Plakate tragen und Handzettel oder Werbemittel verteilen; ferner darf niemand b) Veranstaltungen abhalten, bei denen öffentliche Wege durch die Veranstalter (z. B. Schausteller) oder für die Zuschauer (z. B. bei lebender Schaufensterreklame, Fernsehvorführungen) beansprucht werden. Schließlich darf niemand c) öffentliche Wege wie Einsteilplätze oder Garagen benutzen; diese Vorschrift hat das O L G Bremen B B 62, 905 allerdings wegen Verstoßes gegen §§ 16, 45 StVO — vgl. ähnlich O L G Köln N J W 62, 207} — für nichtig erklärt. Sondernutzung ist die über den Gemeingebrauch hinausgehende Inanspruchnahme öffentlicher Wege und Anlagen; sie bedarf der Gebrauchserlaubnis (§ 2 Abs. 1); ein Anspruch auf die Erlaubnis, die übrigens nur mit Zustimmung des Eigentümers oder Unterhaltungspfl. des öffentlichen Wegs oder der öffentlichen Anlage und nur dann erteilt werden darf, wenn Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht entgegenstehen, besteht nicht. Als widerruflich gilt sie erteilt, wenn sie sich bezieht auf Markisen, Werbeträger, die nur in den Luftraum hineinragen, Warenautomaten, Werbestellschilder, Vorbauten, die über die Straßenlinie hineinragen und wesentliche Bestandteile des Bauwerks sind.
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§
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II 6 dd) § 16 des H a m b u r g . W e g e G vom 4 . 4 . 1961 (HambGVBl. S. 1 1 7 ) bestimmt, daß die öffentlichen Wege dem Gemeingebrauch dienen (Abs. 1 S. 1), und normiert zugleich den Gemeingebrauch als die jedermann zustehende Befugnis, die öffentlichen Straßen ohne besondere Erlaubnis im Rahmen der Widmung und der Vorschriften über den Straßenverkehr insoweit zum Verkehr zu benutzen, als andere dadurch nicht in ihrem Gemeingebrauch unzumutbar beeinträchtigt werden und Sondernutzungen nicht entgegenstehen (Abs. 1 s. 2). Z u m Gemeingebrauch gehört nicht die Benutzung eines Weges zu anderen Zwecken, insbesondere zur gewerblichen Ausübung oder als regelmäßiger Einsteilplatz für ein Kraftfahrzeug in der Nähe der Wohnung oder Arbeitsstätte (§ 16 Abs. 2; vgl. hierzu O V G Hamburg V R S 66 S. 93 — Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht — sowie Floerke M D R 6 1 , 994). Über den Gemeingebrauch hinaus darf nach § 17 der Anlieger die an sein Grundstück angrenzenden Wegeteile auch für Zwecke seines Grundstücks benutzen, soweit nicht diese Benutzung den Gemeingebrauch dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt oder in den Wegekörper eingreift; er hat Beeinträchtigungen seines Anliegergebrauchs zu dulden, die sich aus einer zeitweiligen Beschränkung oder Aufhebung des Gemeingebrauchs oder aus einer Sondernutzung ergeben. Diese Sondernutzung, die der Erlaubnis der Wegeaufsichtsbehörde bedarf, liegt gemäß § 19 bei jeder Benutzung der öffentlichen Wege vor, die ihren Gebrauch durch andere dauernd ausschließt oder in den Wegekörper eingreift oder über die Teilnahme am allgemeinen öffentlichen Verkehr (Gemeingebrauch) oder den Anliegergebrauch hinausgeht; für solche Sondernutzungen können Gebühren gefordert werden. ee) § 14 des H e s s . Straßengesetzes vom 9. 10. 62 (GVB1. S. 437) räumt den Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften (Gemeingebrauch) ein. Der Gebrauch der öffentlichen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, die aber bei Kreisstraßen sich im Einvernehmen mit dem Träger der Straßenbaulast befinden muß ( § 1 6 Abs. 1 ) ; diese Erlaubnis darf nur auf Zeit oder auf Widerruf, der im Interesse des Allgemeinwohls jederzeit ausgesprochen werden kann, erteilt werden, auch unter Bedingungen oder Auflagen (§ 16 Abs. 2). Die Sondernutzung in Ortsdurchfahrten gestatten und widerrufen stets die Gemeinden; die Erlaubnis darf nur mit Zustimmung des Trägers der Straßenbaulast erteilt werden, wenn die Sondernutzung sich auf die Fahrbahn erstreckt und geeignet ist, die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs zu beeinträchtigen. Die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums an öffentlichen Straßen richtet sich gemäß § 20 nach bürgerlichem Recht, wenn sie den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt; dabei bleiben Beeinträchtigungen von nur kurzer Dauer für Zwecke der öffentlichen Versorgung außer Betracht. ff) § 14 des N i e d e r s . Straßengesetzes vom 14. 12. 62 (GVB1. S. 251) — vgl. auch das ÄnderungsG (GVB1. 65 S. 280) — gestattet jedermann im Rahmen der Widmung und der Verkehrs Vorschriften den Gebrauch der Straße (Gemeingebrauch). Im Rahmen des Gemeingebrauchs hat der fließende Verkehr den Vorrang vor dem ruhenden. Gemeingebrauch liegt nicht mehr vor, wenn der Gemeingebrauch anderer ausgeschlossen oder mehr als unvermeidbar beschränkt wird (Abs. 1). Auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs besteht kein Anspruch (Abs. 2). Für die Ausübung des Gemeingebrauchs dürfen Gebühren nur auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften erhoben werden (Abs. 3). Nach § 15 kann der Gemeingebrauch vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörde durch die Straßenbaubehörde beschränkt werden, soweit dies wegen des baulichen Zustandes der Straße notwendig ist. § 16 bestimmt für die Anlieger, daß ihnen kein Anspruch darauf zusteht, daß die Straße nicht geändert oder nicht eingezogen wird (Abs. 1). Wird aber durch die Änderung oder Einziehung einer Straße dem Straßenanlieger der rechtmäßige Zugang (Zufahrt) oder der Zutritt von Licht und Luft zu seinem Grundstück entzogen oder wesentlich beschränkt, so hat der Träger der
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§ 1
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
II 6 Straßenbaulast einen angemessenen Ersatz zu schaffen oder, soweit das nicht zumutbar ist, eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen (Abs. 2). gg) § 14 des Straßengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. 1 1 . 61 (NRWGVB1. 61, 305) definiert den Gemeingebrauch als jedermanns Recht, die öffentlichen Straßen im Rahmen ihrer Widmung und der Verkehrsvorschriften zum Verkehr zu gebrauchen, dabei hat der fließende Verkehr vor dem ruhenden den Vorrang. Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt wird ( § 1 4 Abs. 3). Die Erhebung von Gebühren für die Ausübung des Gemeingebrauchs bedarf besonderer gesetzlicher Regelung (§ 14 Abs. 4). Den Eigentümern oder Besitzern von Grundstücken, die an einer öffentlichen Straße gelegen sind (Straßenanlieger), steht kein Anspruch darauf zu, daß die Straße nicht verändert oder nicht eingezogen wird (§ 16 Abs. 1). Wird durch die Änderung oder Einziehung einer Straße dem Straßenanlieger der berechtigterweise bestehende Zugang oder Zutritt von Licht und Luft zu seinem Grundstück entzogen oder wesentlich beschränkt, so ist ihm von dem Träger der Straßenbaulast eine Entschädigung zu gewähren, falls die Änderung oder Einziehung eine Enteignung darstellt und nicht auf andere Weise ein angemessener Ausgleich geschaffen werden kann ( § 1 6 Abs. 2). Der Gebrauch der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der Erlaubnis des Trägers der Straßenbaulast, die nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf, für die Sondernutzung können Gebühren erhoben werden (§ 18). hh) Das R h l P f . LandesstraßenG vom 15. 2. 63 (GVB1. 63, 57 und 64, 6) gestattet in § 34 jedermann den Gebrauch der Straße im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften mit der Maßgabe, daß auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs kein Rechtsanspruch besteht. Im Rahmen des Gemeingebrauchs hat der fließende Verkehr den Vorrang vor dem ruhenden Verkehr (Abs. 2). Für die Ausübung des Gemeingebrauchs dürfen unbeschadet besonderer gesetzlicher Regelung und abgesehen von ausgewiesenen Parkflächen an öffentlichen Straßen Gebühren nicht erhoben werden (Abs. 4). Gemeingebrauch liegt nicht vor, wenn der Gemeingebrauch anderer ausgeschlossen oder mehr als unvermeidbar beschränkt oder die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt wird (Abs. 3). Nach § 35 kann der Gemeingebrauch durch die Straßenbaubehörde beschränkt werden, wenn dies wegen des baulichen Zustands der Straße erforderlich erscheint. Die Widmung einer Straße für den öffentlichen Verkehr verfügt der Träger der Straßenbaulast (§ 36). Der Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks, das an einer Straße liegt (Straßenanlieger), hat keinen Anspruch darauf, daß die Straße nicht eingezogen, herabgestuft oder verändert wird (§ 39 Abs. 1); wird der Zugang oder die Zufahrt zum öffentlichen Weg unterbrochen oder dem Straßenanlieger der rechtmäßigerweise bestehende Zutritt von Licht oder Luft zu seinem Grundstück dauernd entzogen oder wesentlich beschränkt, so ist angemessene Entschädigung zu leisten (Abs. 2 u. 3). Verunreinigungen einer öffentlichen Straße über das übliche Maß hinaus müssen unverzüglich beseitigt werden, sonst erfolgt Beseitigung auf Kosten des Verunreinigers (§ 40). Den Gebrauch der Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) muß die Straßenbaubehörde im Benehmen mit dem Träger der Straßenbaulast erlauben (§ 41 Abs. 1). Die Erlaubnis wird nur auf Zeit oder Widerruf erteilt; für sie können Bedingungen und Auflagen festgesetzt werden (Abs. 2). Dem Träger der Straßenbaulast sind alle Kosten zu ersetzen, die ihm durch die Sondernutzung entstehen; bei Erlöschen oder Widerruf der Erlaubnis sowie bei Einziehung der Straße können die Anlagen auf Kosten des Erlaubnisnehmers beseitigt oder der benutzte Straßenteil in einen ordnungsmäßigen Zustand versetzt werden (Abs. 3). § 42 enthält zusätzliche Vorschriften über die Sondernutzung an Ortsdurchfahrten und Gemeindestraßen. Die Einräumung von Rechten zur Benutzung der Straße richtet sich nach bürgerlichem Recht, wenn sie den Gemeingebrauch nicht oder für Zwecke der
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§ X
II 6 öffentlichen Versorgung nur kurzfristig beeinträchtigt (§ 45). Für die Sondernutzung an Straßen kann eine Gebühr erhoben werden (§ 47). ii) Auch § 14 Saarl. StraßenG vom 17. 12. 64 (ABl. 65 S. 117) bezeichnet als Gemeingebrauch den Gebrauch der öffentlichen Straßen durch jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen und ohne unzumutbare Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs anderer. Auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs besteht kein Anspruch. Vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden kann der Gemeingebrauch beschränkt werden, und zwar wegen des baulichen Zustands der Straße, wenn dies zur Vermeidung außerordentlicher Schäden an der Straße oder zur Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs notwendig ist (§ 15 I a. a. O.). Bei dauernder Beschränkung des Gemeingebrauchs müssen notfalls Ersatzwege geschaffen werden ( § 1 5 II a. a. O.). Wer eine öffentliche Straße über das übliche Maß hinaus verunreinigt, hat die Verunreinigung unverzüglich zu beseitigen, anderenfalls erfolgt die Beseitigung auf seine Kosten (§ 16 a. a. O.). Straßenanlieger haben keinen Anspruch darauf, daß die Straßen weder verändert noch eingezogen werden (§ 17 I a. a. O.). Wird durch Änderung oder Einziehung einer öffentlichen Straße innerhalb der geschlossenen Ortslage dem Straßenanlieger der berechtigterweise bestehende Zugang (Zufahrt) oder der Zutritt von Licht und Luft zu seinem Grundstück entzogen oder wesentlich beschränkt und stellt sich dies als eine Enteignung dar, so muß er nach den Enteignungsgesetzen entschädigt werden ( § 1 7 II a. a. O.). Jede Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der Erlaubnis, sofern nicht die Benutzung bereits einer Ausnahmegenehmigung oder einer Erlaubnis nach der StVO bedarf oder wenn die StVO die Benutzung ausdrücklich zuläßt oder wenn die Benutzung einer Anlage dient, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist ( § 1 8 I a. a. O.). Die Erlaubnis darf nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden. Auch können Bedingungen und Auflagen festgesetzt werden. Widerruf vor Ablauf der Zeit ist nur aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit zulässig ( § 1 8 II a. a. O.). Durch die Sondernutzung für den Träger der Straßenbaulast entstehende Kosten müssen ersetzt werden (§ 18 III a. a. O.). Mit der Sondernutzung verbundene Anlagen müssen nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften und den anerkannten Regeln der Technik errichtet und bei Erlöschen oder Widerruf der Erlaubnis auf Verlangen beseitigt werden; zugleich muß dann der benutzte Straßenteil in einen ordnungsmäßigen Zustand versetzt werden (§ 18 IV a. a. O.). Nach § 18 Abs. 6 a. a. O. hat der Erlaubnisnehmer bei Widerruf der Erlaubnis oder bei Sperrung, Änderung oder Einziehung der Straße keinen Ersatzanspruch. §§ 19, 20 a. a. O. behandeln die Sondernutzung an Ortsdurchfahrten und die Zufahrten. kk) Nach § 20 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein vom 22. 6. 62 (SchlHGVBl. S. 237) ist jedermann der Gebrauch der öffentlichen Straßen im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften zum Verkehr gestattet (Gemeingebrauch); kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt wird. Grundsätzlich hat im Rahmen des Gemeingebrauchs der fließende Verkehr den Vorrang vor dem ruhenden Verkehr (§20 Abs. 2). Der bisher ortsübliche Gemeingebrauch an sonstigen öffentlichen Straßen soll nicht eingeschränkt werden, solange dieser gemeinverträglich ist (§ 20 Abs. 3). Auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs besteht kein Anspruch (§20 Abs. 4). Die Benutzung der öffentlichen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der Erlaubnis des Trägers der Straßenbaulast, die regelmäßig nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt wird und für die Bedingungen und Auflagen festgesetzt werden können (§ 21 Abs. 1). Die durch die Sondernutzung entstehenden zusätzlichen Kosten sind zu ersetzen (Abs. 2). Nach § 23 Abs. 1 kann die Gemeinde die Sondernutzung durch die Satzung regeln; die Sondernutzung an sonstigen öffentlichen Straßen bestimmt
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§
1
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
II 6 sich nach bürgerlichem Recht (Abs. 2). Abs. 3 sieht eine Kostenbeteiligung bei vorübergehender übermäßiger Benutzung vor. Für Sondernutzungen können Gebühren gefordert werden (§ 26). Nach § 28 bestimmt sich die Einräumung von Rechten zur Nutzung der öffentlichen Straßen nach bürgerlichem Recht, wenn der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt wird oder die Nutzung der öffentlichen Versorgung dient oder weder das Land noch eine Gebietskörperschaft Träger der Straßenbaulast des genutzten Straßenteils ist. § 28 A b s . 2 und 3 behandelt den Fall, daß die Gemeinde nicht Träger der Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrten ist, sie aber Versorgungs- und Abwässerleitungen in den öffentlichen Straßen verlegen will; dies muß ihr unentgeltlich gestattet werden. Im übrigen dürfen solche Verlegungen nur mit Zustimmung der Gemeinde vorgenommen werden; die Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund verweigert werden; geg. Falles entscheidet die Straßenaufsichtsbehörde. Wer eine öffentliche Straße über das übliche Maß hinaus verunreinigt, hat die Verunreinigung unverzüglich zu beseitigen, anderenfalls dies auf seine Kosten geschieht (§ 46). c) D e n
Gemeingebrauch
an
oberirdischen
Gewässern8"1)
normiert § 23 WasserhaushaltsG ( B G B l . 57 I 1110) als die jedermann zustehende Befugnis, oberirdische Gewässer in einem U m f a n g benutzen zu dürfen, wie dies nach Landesrecht als Gemeingebrauch gestattet ist, soweit nicht Rechte anderer entgegenstehen und soweit Befugnisse oder
der
Eigentümer- oder Anliegergebrauch anderer dadurch nicht beeinträchtigt werden; das Einleiten v o n Abwasser in ein Gewässer darf jedoch nur insoweit zugelassen werden, als dies nach dem beim Inkrafttreten des WasserhaushG geltenden Recht als Gemeingebrauch zulässig war.
§ 24
WasserhaushG regelt die Benutzung eines oberirdischen Gewässers durch den Eigentümer oder den durch ihn Berechtigten für den Eigenbedarf ( E i g e n t ü m e r g e b r a u c h ) und überläßt zugleich den Ländern den Erlaß v o n Vorschriften über den A n l i e g e r g e b r a u c h ; ausgeschlossen ist der Anliegergebrauch an Bundeswasserstraßen und sonstigen Gewässern, die der Schiffahrt dienen oder die künstlich errichtet sind. Schließlich enthält § 25 a. a. O . Rahmenvorschriften über die Benutzung der oberirdischen Gewässer für Z w e c k e der Schiffahrt. D i e L ä n d e r haben hierzu folgende Durchführungsgesetze erlassen: Baden-Württemberg die § § 26ff.in BadWürtt. WasserG vom 25.2.60 (BWGB1. S. 17); Berlin die §§ 25 fr. im WasserG vom 27. 1. 67 (BerlGVBl. S. 201); Bremen die §§ 61 bis 63 im Brem.WG v o m 13. 3. 62 (BremGBl. 62 S. 59) — vgl. auch 1. ÄnderungsG vom 2. 5. 62 (Brem G B l . 62 S. 127); Hamburg die § § n f f . im Hamb.WasserG v o m 20.6.60 (HambGVBl. S. 335); Hessen die §§ 27 ff. im WasserG vom 6. 7. 60 (HessGVBl. S. 69); Niedersachsen die § § 5 5 fF. im Niedersächs. WasserG v o m 7 . 7 . 6 0 ( N d s G V B l . S. 105); Nordrhein-Westfalen die § § 3 1 bis 33 im WasserG für Nordrhein-Westfalen v o m 29. 5. 62 (NWGB1. S. 235); 67h ) Die den Gemeingebrauch überschreitende Einwirkung ist unzulässig ( R G 5 3, 99; 94, 35). V g l . auch die Straf- und Bußgeldvorschriften des WasserhaushG (§§38ff.).
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§ 1 II 6
Rheinland-Pfalz die §§ 26ff. imLandeswasserG vom 1. 8. 60 (RhPf.GVBl. S. 153); Saarland die §§ 2 4 E im Saarl. WasserG vom 28. 6. 60 (ABl. Saar S. 5 1 1 ) ; Schleswig-Holstein die §§ 17fr. im WasserG vom 25. 2. 60 (SchlHGVBl. S. 39).
Den G e m e i n g e b r a u c h an B u n d e s w a s s e r s t r a ß e n (Binnenwasserstraßen, Seewasserstraßen, bundeseigenen Schleusen, Wehren, Schiffshebewerken usw.) regelt das BundeswasserstraßenG. vom 2. 4. 1968 (BGBL 68 II 173). Nach § 1 Abs. 3 a. a. O. kann das jeweilige Land das Eigentum des Bundes an den Seewasserstraßen und an den angrenzenden Mündungen unentgeltlich nutzen (durch Landgewinnung, Boden- und Wasserentnahme, Errichtung von Hafenanlagen, Durchführung des Badebetriebes usw.). Darüber hinaus räumt § 5 jedermann das Recht ein, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften die Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen zu befahren; das Befahren bundeseigener Talsperren und Speicherbecken muß durch RechtsVO des BVerkM. genehmigt werden (§46 Nr. 2 a. a. O.). Gemäß § 6 a. a. O. kann durch RechtsVO des BVerkM der Gemeingebrauch geregelt, beschränkt oder untersagt werden, soweit es zur Erhaltung der Bundeswasserstraßen in einem für die Schiffahrt erforderlichen Zustand notwendig ist. Unter der gleichen Voraussetzung kann die Wasserund Schiffahrtsverwaltung des Bundes durch Verfügung den Gemeingebrauch regeln, beschränken oder untersagen. d) Vielfach wird auch von einem G e m e i n g e b r a u c h an W ä l d e r n gesprochen67'). Hierunter wird verstanden, daß jedermann berechtigt ist, nicht eingezäunten Wald zu betreten und dort auch vom Wege abzuweichen und querfeldein zu gehen; ferner wird darunter die Berechtigung genommen, Beeren, Pilze, Kräuter und Blumen sowie Leseholz zu sammeln. In Wahrheit handelt es sich hier aber nicht um einen Gemeingebrauch im obigen Sinne, da, auch soweit es sich um Staats- oder Gemeindewald handelt, ein besonderer Widmungswille fehlt 67k ). Die vorgenannten Nutzungsrechte am Wald — ausgenommen das Leseholzrecht, das verschiedentlich positivrechtlich geregelt ist 671 ) — beruhen nach zutreffender Anschauung auf Gewohnheitsrecht67111). Selbstverständlich ist aber der Eigentümer des Waldes im Rahmen der Sozialgebundenheit seines Eigen671 ) Dernburg, Sachenr., S. 219; Steinbach Z. f. Rechtspfl. in Bayern, 1909 S. 162; Riemann D J Z 1914 S. 432; vgl. auch § 6 Abs. 2 Niedersächs. Feld- u. ForstordnungsG (GVB1. 58, 244). 67k ) So zutreffend V G Frankfurt, Urteil vom 14. 12. 59 — IV/V — 951/59; Rinck M D R 61, 984. 6 " ) Vgl. unten § 34 N. 32. e7m ) § 1 Abs. 1 und 2 Hess.Naturschutz-ErgänzungsGes. (GVB1. 68 S. 63), § 10 S. 2 Niedersächs. Feld- u. ForstordnungsG (GVB1. 5 8 S. 244), § 1 3 Rheinlandpfälz. Feld- u. ForststrafG (GVB1. 59, 85) erklären das Sammeln von Beeren, Pilzen, Kräutern und Blumen im Walde für zulässig.
}
Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, j . Aufl.
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§
1
I. Abschnitt. D i e räumliche Begrenzung des Eigentums
117 tums (Art. 14 Abs. 1 G G ) berechtigt, den sogenannten Gemeingebrauch an seinem Wald zu beschränken, z. B. das Betreten einer Schonung zu verbieten oder einzelne Waldgebiete im jagdlichen Interesse zu sperren6711). Einschlägige Vorschriften enthält die auf Grund des RNaturSchG. vom 26. 6. 35 (RGBl. I 821), zuletzt geändert durch Ges. vom 20. 1. 38 (RGBl. I S. 36), ergangene R e i c h s n a t u r s c h u t z V O vom 18. 3. 1936 (RGBl. I S. 181) in der Fassung vom 21. 1. 1938 (RGBL I S. 45) und 16. 3. 1940 (RGBl. I S. 5 67), denn sie regelt den Schutz wildwachsender Pflanzen, indem sie u. a. die mißbräuchliche Nutzung der Pflanzen und ihrer Bestände untersagt, das Aussäen und Anpflanzen regelt, die Beschädigung, Entfernung und das Sammeln bestimmter Pflanzen und von Schmuckreisig verbietet. Die NaturschutzVO gilt noch in Berlin, Rheinland-Pfalz und SchleswigHolstein; andere Länder haben sie ersetzt oder ergänzt: Baden-Württemberg durch NaturschutzVO vom 6. 6. 1963 (GBl. S. 83) Bremen durch V O vom 6. 3. 1952 (GBl. S. 16) Hamburg durch Ges. vom 20. 12. 1954 (GVbl. S. 155) Hessen durchNaturschutzergänzungsG. vom 8. 3. 1968 (GVBl. S. 63 ff.) Niedersachsen durch V O vom 16. 1 1 . 1951 (GVBL S. 223) und durch die für den Verwaltungsbezirk Braunschweig geltende V O vom 16. 4. 56 (ABl. 19) Nordrhein-Westfalen durch Ges. vom 23. 7. 57 (GBL 189) und V O vom 7. 9. 65 (GBL S. 3 1 1 ) Saarland durch V O vom 27. 1. 1955 (ABL S. 154) Schließlich haben Berlin durch V O vom 13. 12. 61 (GBL S. 1694), Bremen durch V O vom 22. 3. 1966 (GBL S. 63), Hamburg durch V O vom 17. 9. 48 (GBL S. 103), Nordrhein-Westfalen im LandesForstG. (GVBL 69, 5 88) Vorschriften zum Schutz des Baumbestandes erlassen. 7. L u f t v e r k e h r s g e s e t z : Für den Luftverkehr sind die Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes vom 4.11.1968 (BGBL IS. 1 1 1 3 ff.) maßgebend: a) Nach § 1 dieses Gesetzes ist die Benutzung des Luftraums für Luftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 L V G frei, soweit sie nicht durch dieses Gesetz oder das Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung vom 2.3. 3. 195 3 (BGBL I S. 70) oder die Ausführungsvorschriften dazu beschränkt ist. Ist infolge einer solchen Beschränkung im Einzelfalle die Benutzung unzulässig, so wird wieder § 905 B G B wirksam. Im übrigen 67n ) V g l . Rinck a. a. O . Siehe ferner die § § 3 bis 6 NRW.Landesforstgesetz ( G V B l . 69, 588), w o neben dem grundsätzlichen Recht, den Wald zu betreten, Betretungsverbote, Sperren v o n Waldflächen und Beschränkungen auf die W e g e unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklärt sind.
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§1
II 7
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aber scheiden die Vorschriften der §§ 905 ff. und 1004 ) B G B als Grundlage für einen Abwehranspruch des Grundeigentümers aus; es besteht lediglich die Verpflichtung zum Schadenersatz nach § 3 3 L V G (Gefährdungshaftung) und § 42 L V G (in Verbindung mit §§ 823 fr. B G B wegen unerlaubter Handlung). Luftfahrzeuge dürfen außerhalb von Flughäfen des allgemeinen Verkehrs nur starten und landen69), wenn der Grundstückseigentümer oder sonst Berechtigte zugestimmt und die Luftfahrtbehörde eine Erlaubnis erteilt hat; dies gilt nicht für die Landung von Freiballons (§ 25 Abs. 2 Nr. 1 LVG). Der Zustimmung und Erlaubnis bedarf es nicht, wenn die Landung aus Gründen der Sicherheit erforderlich ist. In solchen Fällen kann der Eigentümer eines Grundstücks die Landung eines Luftfahrzeugs nicht verhindern; er kann aber Ersatz des ihm durch die Landung entstehenden Schadens nach § § 3 3 ff. L V G und im Falle des Verschuldens auch nach §42 L V G in Verbindung mit §§823 ff. B G B verlangen (RG 158, 34). Die Besatzung des gelandeten Luftfahrzeugs ist dem Berechtigten gegenüber verpflichtet, über Name und Wohnsitz des Halters und des Führers Auskunft zu geben. Nach Feststellung von Halter und Führer darf der Berechtigte den Abflug oder die Abbeförderung des Luftfahrzeugs nicht verhindern; er hat also wegen seiner Ersatzansprüche kein Zurückbehaltungsrecht oder gesetzliches Pfandrecht. Würde der Eigentümer eine hiernach zulässige Landung zu hindern versuchen, so wäre die Besatzung in einem Notstand und zur Selbsthilfe berechtigt. Notlandungen sind überall gestattet (§ 904 BGB). b) Schadenersatzpflicht. Wird beim Betrieb eines Luftfahrzeugs durch Unfall jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit70) verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter des Luftfahrzeugs nach Maßgabe der §§ 3 3 ff. und im Falle des Verschuldens auch nach § 42 in Verbindung mit §§ 823 ff. B G B verpflichtet, den Schaden zu ersetzen. Unfall ist ein plötzlicher, auf Menschen oder Sachen schädigend einwirkender Betriebsvorgang. Betrieb eines Luftfahrzeugs bedeutet das Einwirkenlassen der bestimmungsgemäßen Triebkräfte auf das Fahrzeug zum Zwecke bestimmungsgemäßer Bewegung 71 ). Der Ersatzanspruch verjährt in 2 Jahren; allerdings verliert 88 ) Eine Abwehrklage wegen übermäßigen Lärms beim Überfliegen ist durch § 1 L V G ausgeschlossen ( R G 97, 27; 133, 127 u. 350; Müller, D J Z 24, 841). 8B ) Über Fluglanderecht siehe Jehle, R 24, 539. 70 ) Erschrickt jemand infolge überempfindlicher Nerven durch das Motorengeräusch eines ruhig fliegenden Luftfahrzeugs und kommt dadurch zu Schaden, so besteht keine Ersatzpflicht (RG 1 3 3 , 127 u. 350). Das gleiche gilt, wenn bei ordnungsmäßigem Betrieb des Luftfahrzeugs ein überempfindlicher Gegenstand beschädigt wird. 71 ) Müller, EisenbE 41, 14 (das Ausrollen ist noch eine Wirkung der Triebkräfte).
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§ X
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
III 1 der Ersatzberechtigte seine Rechte grundsätzlich schon dann, wenn er nicht binnen 3 Monaten nach Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen diesem den Unfall anzeigt (§40 LVG). Für die Klage ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Unfall eingetreten ist (§ 56 LVG). Bei mitwirkendem Verschulden des Verletzten ist § 254 B G B anzuwenden ( § 3 4 LVG). Der Flugzeugführer haftet nur bei nachgewiesenem Verschulden (§ 823 BGB). Entsteht ein Schaden durch Herabfallen oder Abwurf von Gegenständen, so wird es sich regelmäßig um einen Betriebsunfall ( § 3 3 L V G ) handeln. Der hierfür erforderliche Zusammenhang mit dem Betrieb liegt auch dann vor, wenn ein Mitglied der Besatzung oder ein Fluggast einen Gegenstand über Bord wirft 72 ). Denn hier handelt es sich um einen Vorgang, der mit den dem Betrieb eigentümlichen Gefahren (spezifische Gefahr) in ursächlichem Zusammenhang steht. Liegt kein Betriebsunfall vor, so kann der Halter des Luftfahrzeuges nicht etwa aus § 905 B G B auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden, denn § 905 B G B ist für die Luftfahrt durch § 1 L V G ersetzt. Bei Landungsschäden ist es im Endergebnis für die Schadenersatzpflicht des Flugzeughalters ohne Bedeutung, ob die Landung nach L V G zulässig war oder nicht, da die Ersatzpflicht in jedem Fall gegeben ist. Bei nach L V G erlaubten Landungen steht dem Grundstückseigentümer als Ausgleich für seine Duldungspflicht ein Ersatzanspruch für die Landungsschäden zu, auch wenn kein Verschulden vorliegt 73 ). Die Ersatzpflicht bezweckt nach der reichsgerichtlichen Rechtsprechung den Ausgleich für die Entziehung des Abwehranspruchs74). Bei Notlandungen ist die Ersatzpflicht durch § 904 Abs. 2 B G B begründet. Unzulässige Landungen sind verbotene Eigenmacht; die Ersatzpflicht ist durch § 823 Abs. 1 und 2 mit § 858 B G B begründet. III. V e r s c h i e b u n g e n der E r d o b e r f l ä c h e 1. R e l a t i v e r B e g r i f f der U n b e w e g l i c h k e i t : Die Abgrenzung muß sich naturgemäß an die Gestaltung der Erdoberfläche anschließen. Durch die auf der Oberfläche gedachten Linien (die Grenzen) wird das Grundstück in seiner räumlichen Beziehung zu den übrigen Teilen des Erdkörpers (also nach seiner geographischen Lage) dauernd und unverrückbar festgelegt und individualisiert. Diese Auffassung des Juristen beruht auf der Unterstellung, daß die Erdoberfläche im ganzen betrachtet in einem dauernd unveränderlichen Zusammenhang der sie bildenden Teile ,2
) A . M. Müller, EisenbE 4 1 , 14. ) Jehle, R 24, 359. So jetzt auch Müller, EisenbE 41, 14. ) R G 100, 69; 1 5 8 , 3 4 ; J W 2 5 , 5 3 (RG).
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§ X
III 1 bleibt, also unbeweglich und unverrückbar ist. Tatsächlich ist aber die Erdoberfläche keineswegs unverrückbar. Im Innern des Erdkörpers gehen fortgesetzt Veränderungen vor sich, die naturgemäß auch die Oberfläche in Mitleidenschaft ziehen75). Dabei handelt es sich nicht nur um plötzlich einsetzende, elementare oder durch menschliche Tätigkeit veranlaßte Ereignisse, wie Erdbeben oder Einsturz von Erdmassen (Erdrutsch), sondern auch um stetig fortschreitende Veränderungen im Erdinnern, deren Auswirkung auf die Oberfläche sich so allmählich und deshalb unmerklich vollzieht, daß sie den Beteiligten gar nicht zum Bewußtsein kommt und erst durch genaue wissenschaftliche Beobachtung festgestellt werden kann. Der geologische Aufbau des Erdkörpers ist nicht abgeschlossen. Infolge des ungleichen Drucks der Massen, welche den Erdkörper bilden, treten allmähliche Verlagerungen ein. Man spricht hier von tektonischen Veränderungen. Unter Tektonik versteht man die gesetzmäßige Umbildung des Aufbaues der Gesteinsmassen™), namentlich der Gebirge. Eine solche Umbildung im Aufbau der Gebirge muß zu Verschiebungen der Oberfläche, zu tektonischen Verschiebungen führen. Solche wurden namentlich im bayerischen Alpenvorland festgestellt. Sie sind eine Folge des durch das Alpenmassiv ausgeübten Druckes. Man sollte meinen, daß dieser Druck eine Verschiebung des Alpenvorlandes von Süden nach Norden bewirkt. Allein im Norden wird der von Süden kommenden Druckwirkung des Alpenmassivs durch die vorgelagerten, in der Tiefe fest verankerten Mittelgebirge (namentlich die böhmische Urgebirgsmasse) Widerstand entgegengesetzt, mit der Folge, daß die von der Druckwirkung ausgelöste Bewegung nach der Richtung des geringeren Widerstandes, nämlich nach Westen abgelenkt wird. Im Westen stößt der Druck auf jüngere Miozän- und Quartärschichten der Oberfläche, deren Zusammenhang zudem noch durch zahlreiche, tief eingeschnittene und durch lose Geröllmassen ausgefüllte Flußtäler unterbrochen ist. Diese weicheren Gesteinsmassen vermögen dem von den Alpen ausgehenden und von den nördlich vorgelagerten Mittelgebirgen zurückgegebenen Gegendruck nicht standzuhalten, so daß sie infolge der Zusammenpressung nach und nach allmählich nach Westen ausweichen. Es wurde festgestellt, daß seit der Ausführung der bayerischen Landestriangulierung in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eine Verschiebung der ganzen Erdkruste des Alpenvorlandes besonders nach der Westrichtung, also eine tektonische Westwanderung eingetreten ist, die Professor S c h m i d t bis zu Maßen von 2 1 / 2 m errechnet"). (Bodenfluß) 7 8 ). Die tektonischen Vorgänge sind begrifflich von der natürlichen Bodenbewegung wohl auseinanderzuhalten. Tektonische Bewegungen werden durch Störungen des Schichtverbandes ausgelöst. Solche Störungen, die auf weite Strecken hin gleichförmig zu verlaufen pflegen, sind in der Regel auf Spannungszustände in größerer Rindentiefe zurückzuführen, können aber auch in Volumenschwankungen, Auslaugungen und dergleichen ihre Ursache haben. Die tektonischen Störungen stellen also — und dies 7ä
) Über Bergfluß s. auch unten § 20 I 3 (N. 21). ) Der Geologe bezeichnet die Massen, aus denen die feste Erdrinde (Lithosphäre) besteht, als Gestein, gleichgültig, ob sie eine feste Beschaffenheit besitzen, wie die Granite, Kalk- und Sandsteine, oder ob sie in lockerer Form als Sande oder Tone auftreten (Wahnschaffe, Recht 1913 S. 477). 77 ) Vortrag von Maximilian Schmidt, Professor der technischen Hochschule in München, in der Sitzung der bayer. Akademie der Wissenschaften vom 5. 6. 20 (Sitzungsbericht aus Jahrgang 1920 S. 297fr.). 78 ) Über Bodenfluß vgl. unten § 20 I 3 (N. 21). 76
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§ X III I
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
unterscheidet sie wesentlich von den Bodenbewegungen — Verlagerungen im eigentlichen Schichtverbande dar. Die natürliche Bodenbewegung oder der „Bodenfluß" beschränken sich, wie schon der Name sagt, auf die sog. Böden (Bodenprofil), also übertragen auf unsere gemäßigten klimatischen Verhältnisse, die eigentliche Verwitterungsschicht, welche unmittelbar über dem festen, von der Verwitterung unversehrt gebliebenen, anstehenden Gestein (dem „gewachsenen Fels", wie sich der Laie ausdrückt) beginnt und über den Auflockerungsbereich durch den Gebröckel- und den Mischhorizont hindurch bis in die oberste Humusschicht hinaufreicht' 9 ). Tektonische Bewegungen, die im allgemeinen durch Spannungen der Rinde unseres Planeten bedingt sind, werden durch bauliche Eingriffe oder überhaupt Menschenwerke weder ausgelöst noch gehemmt"0).
Im Gegensatz zu den ganz allmählich und unmerklich fortschreitenden, nur in ihrer Gesamtwirkung erheblichen tektonischen Verschiebungen springt der Einfluß plötzlich auftretender, gewaltsamer Einwirkungen auf den Erdkörper in die Augen. Als Folge von Erdbeben kann die ganze Oberfläche eines Grundstücks verschwinden, oder es kann die Oberfläche eines Grundstückes samt den darauf stehenden Bauwerken und Bäumen über ein anderes Grundstück geschoben werden 81 ). Dicht bei dem als Weinort berühmten Städtchen Lorch im Rheingau ragt als Wahrzeichen des Ortes ein steiler, mit Weinstöcken bepflanzter Berg empor, dessen Gipfel die uralte Ruine Nollig trägt. Im Frühjahr 1919 begann nun dieser Nolligberg zu arbeiten. Es zeigten sich im Gebirge und in den ins Gebirge eingehauenen Bergkellern Risse und Spalten. Von der Berliner geologischen Landesanstalt wurde festgestellt, daß erhebliche Bergmassen in Bewegung geraten waren. Vergebens wurde versucht, der Bewegung durch Abtragung einzelner Felsblöcke und Ausfüllung der Risse mit Ton Einhalt zu tun. Der das Bergmassiv bedeckende Bergschutt wanderte in der Richtung auf das Tal zu und bedeckte Räume und Flächen, die als Hofräume und Gärten benutzt waren. A n einer steil gegen das Tal geneigten Schieferungsfläche ist das Gebirge abgerissen und um mehrere Meter abgesunken. Bei der absinkenden und nach dem Tale zu drängenden Bewegung der einzelnen Felsstaffeln sind deren hervorragende Klippen abgebrochen, abgestürzt und erfüllten mit dem talabwärts gleitenden Gehängeschutt nicht nur den ganzen Hang, sondern zum Teil auch die Hofräume, sind sogar in einzelnen Fällen in die unteren Teile der Häuser hineingesprungen. Auch wurden Gebäude durch die Bergmassen von ihrem Standort verschoben. Als Ursache des Bergsturzes wurde das Zusammenwirken menschlicher Eingriffe auf den Fuß des Berges festgestellt (beim Eisenbahnbau, bei Herstellung von Kellern, Planierung von Hofräumen), durch die der natürliche Gleichgewichtszustand aufgehoben wurde, so daß die natürlichen Vorgänge der Verwitterung und der im Rheinland überaus ™) Dr. Christa, Vorstand des Mineralogisch-Geologischen Instituts an der Universität Würzburg, Gutachten vom 9. 4. 25. 80 ) Christa a. a. O. 81 ) Schuhmacher, Zeitschr. f. Vermessungswesen 1903, 99 berichtet, daß im Jahre 178} in Calabrien infolge eines Erdbebens ein Bauernhof zum Teil auf einen anderen geschoben wurde. Der hieraus entstehende Prozeß wurde dahin entschieden, daß dem Eigentümer des unten liegenden Landgutes das Eigentum im ganzen bisherigen Umfang dieses Gutes verblieb, daß aber dem Eigentümer des oben liegenden Gutes das Recht zugesprochen wurde, von seiner auf das andere Gut geschobenen Erdmasse soviel wegzunehmen, als er wolle.
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§
1
III 1 häufigen kleinen Erderschütterungen (tektonische Erdbeben) die Katastrophe unweigerlich hetbeiführen mußten82). Bedeutsame Veränderungen im Innern der Erde mit Rückwirkung auf die Erdoberfläche können von den Grundwasserverhältnissen ausgehen. In durchlässigen Schichten (z. B. in Sanden, Sandsteinen und Kiesen) oder in Gesteinsklüften sammelt sich das von oben her in die Schichten eingedrungene Meteorwasser an. Man nennt diese wasserführenden Schichten Grundwasserträger. In ihnen bewegt sich das Grundwasser nach dem Gesetz der Schwere. Demgemäß würde es nach unten verschwinden, wenn es nicht durch undurchlässige Schichten, die aus Tonen, Tonschiefern und anderen dichten Gesteinen gebildet werden (die sog. Grundwasserstauer) aufgehalten würde. So bewegt sich das Grundwasser der Neigung der Schichten entsprechend nach tiefer gelegenen Gebieten 83 ). Wird der Ablauf des Grundwassers durch irgendwelche Vorgänge (Bruch des Wasserstauers, Tunnellierung, Bergwerkbetrieb) geändert, so daß Schichten, deren poröse Teile bisher vom Grundwasser ausgefüllt waren, wasserfrei werden, so kann es vorkommen, daß die poröse Gesteinsmasse durch den auf ihr lastenden Druck zusammengepreßt wird, mit der Folge, daß sich die Gesteinsmassen senken und von oben her Gesteinsmassen seitlich nach sich ziehen, so daß die Oberfläche verschoben wird. Durch das Zusammenwirken menschlicher Eingriffe bei Benutzung des Bodens (Anlage von Kellern, Abbau von Bodenbestandteilen, Ausschachtung der Fundamente, Planierung, Einschnitte für den Eisenbahnkörper), die am Fuße eines Berges vorgenommen werden und von denen jeder Eingriff für sich allein für die Standsicherheit bedeutungslos ist, kann im Laufe der Zeit die Bergmasse in eine labile Gleichgewichtslage gebracht werden, zu deren Störung und völliger Aufhebung es dann nur noch eines ganz geringen natürlichen Eingriffs bedarf, eines kleinen, aber folgerichtigen unabwendbaren Eingriffs von scheinbar unendlich geringer Bedeutung und doch alles menschliche Eingreifen in seiner Wirkung weit übertreffend. Die in dieser Weise tätigen Naturkräfte heißen: Verwitterung und Erschütterung des festen Felsgerüstes der Erde. Zermürbt die Verwitterung durch eindringendes Regenwasser den letzten Gesteinspfeiler, zersprengt die unwiderstehliche Kraft des in die Spalten eingedrungenen und zu Eis erstarrten Wassers diesen letzten Pfeiler, dann ist der Moment der Aufhebung des Gleichgewichts gekommen. Der Fels rutscht und stürzt. Das gleiche tritt ein durch Zermürbung und Bewegung der Felsmassen als Folge der fast täglichen kleinen zitternden Erderschütterungen, welche z. B. im Rheingebiet von den Erdbebenmessern angezeigt werden und die zurückzuführen sind auf ein inneres Schieben und Drängen riesiger, infolge der Schwerkraft sich dauernd vollziehender Bewegungen ganzer Gebirge (tektonische Bewegungen). So ist die in den Jahren 1919, 1920 eingetretene Gesteinssturzbewegung am Nolligberg in Lorch am Rhein entstanden84). Vielfache Verschiebungen der Erdoberfläche sind als Folge des Bergwerksbetriebes festgestellt worden. Durch das Niedergehen der Gebirgsschichten in die durch Auskohlung geschaffenen Hohlräume 85 ), durch die Änderung der Grundwasserverhältnisse, durch Gasentweichung entstehen Senkungen und in Verbindung mit diesen auch seitliche Verschiebungen. 82 ) Gutachten des Geheimrats Beylschlag in Berlin, Präsident der geologischen 83 Landesanstalt in Berlin, vom 19. 1 1 . 1920. ) Wahnschaffe, R 13, 481. 84 ) Gutachten des Geheimrats Beylschlag, Präsident der geologischen Landesanstalt in Berlin, vom 19. 1 1 . 1920. 85 ) Schumacher, Z . f. Vermessungswesen 03, 101 gibt im Jahre 1903 an, daß allein die durch die Kohlengewinnung innerhalb des Bezirks des Westfälischen Steinkohlen, bergbaues alljährlich in der Erdrinde geschaffenen Hohlräume insgesamt einen Raum, inhalt von 30 Millionen cbm haben.
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§ 1
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
III 1 Bei einer Untersuchung über Verschiebungen trigonometrischer Punkte im Ruhrkohlengebiet hat Rothkegel auf Entfernungen unter 100 m Verschiebungen bis zu 66 cm festgestellt86). Nach einer Mitteilung von Köndgen ist am Schlacht- und Viehhof in Essen ein ganzer Baublock von 320 m Länge und 70 m Tiefe infolge der Einwirkungen des Bergbaues verschoben worden, so daß im Jahre 1903 Anlieger bis zu 72 cm von der ursprünglichen Bautiefe eingebüßt hatten87). Hillegart hat bei seinen Untersuchungen über den Einfluß des Bergbaues auf die Erdoberfläche im Zwickauer Steinkohlenrevier gefunden, daß innerhalb eines Zeitraumes von 40 Jahren Verschiebungen von 3—5 m nachzuweisen waren 88 ). Schumacher erwähnt einen Fall aus dem Ruhrkohlenrevier, wo zwei 900 m voneinander entf ernte Geländepunkte in entgegengesetzter Richtung um 6, 03 m verschoben waren und das zwischen den beiden Punkten liegende Gelände mithin um so viel größer geworden war 89 ). Die Horizontalverschiebungen sollen nach Hillegart 90 ) im Verhältnis zur Senkung am stärksten an den Grenzen eines Abbaugebietes auftreten und sich weit über das Abbaugebiet hinaus in Gebiete erstrecken, die vom Abbau gar nicht berührt wurden. Die Verschiebung geht in der Weise v o r sich, daß mit der zunehmenden Ausdehnung der Hohlräume den darüber liegenden Gesteinsschichten die erforderliche Stütze entzogen wird, so daß sie in die Hohlräume niedergehen. A n der darüber liegenden Oberfläche macht sich dieser Vorgang als Senkung, zuweilen auch als Durchbruch bemerkbar. Durch das Niedergehen der Gesteinsmassen wird der seitliche Druck auf die sich daran anschließenden Gesteinsmassen aufgehoben. Sie haben ihr Widerlager verloren mit der Folge des Nachzugs dieser Erdschichten auf die Einsturzstellen zu. Die Oberfläche geht mit dieser Bewegung mit, indem sie sich nach seitwärts verschiebt. Wenn in der Nähe der Grenze mit zu geringer Bemessung des Sicherheitspfeilers in steilen Wänden Ton abgebaut wird, können Rutschungen von dem Erdkörper des Nachbargrundstückes nach der Tongrube stattfinden und dadurch die vermarkten Grenzzeichen verschoben werden. Bei dem Abbau von Tonen, namentlich wenn diese durch Niederschläge aufgeweicht sind, sind Quellungen und Rutschungen dann unausbleiblich, wenn durch Fortnahme des Widerlagers der einheitlich lastende Druck ausgelöst wird, so daß er sich in eine Horizontalbewegung umsetzen muß 91 ). Unterwaschungen durch Wasser können ohne jede menschliche Tätigkeit Erdschichten, namentlich Tongeschiebe in Bewegung setzen und dadurch eine Verschiebung der Grenzzeichen herbeiführen 92 ). Ende Dezember 1964 fingen beiderseits der Mosel bei Nittel auf der deutschen Seite und bei Machtum auf luxemburgischem Gebiet zwei Weinberge an zu wandern. Mit 30 bis 3 5 cm täglich schoben sie sich zur Mosel hin. Der Zugverkehr Trier-Apach-Thionville mußte eingestellt, die Schienen mußten abmontiert werden. Auf luxemburgischer Seite sackten über 400 m der Nationalstraße 10 in die Mosel; zugleich stürzten mehrere Häuser ein. Insgesamt waren hier etwa 500000 cbm Erde des Hangs bei Nittel in 150 m Breite und 350 m Länge auf einem Höhenunterschied von 60 m in Bewegung gekommen; das an dieser Stelle 100 m breite Flußbett verengte sich um 6,50 m. Der wandernde Weinberg gehört zu einem eiszeitlichen Erdrutschgebiet, in dem es schon im Trias zu Rutschungen gekommen sein muß. Im Untergrund finden sich Schichten des mittleren Muschelkalks, 86
) ") 88 ) 89 ) ,0 ) 91 ) 92 )
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Rothkegel, Z . f. Vermessungswesen 1903, 217. Köndgen, ebenda S. 233. Hillegart, ebenda 1910, 957. Schumacher, ebenda 1903, 102. Hillegart, ebenda 1910, 559fr. Wahnschaffe, R 13, 492. Schumacher, Z . f. Vermessungswesen 1903, 100.
Das Grundstück und seine Begrenzung
§
1
III 2 der aus einer Wechselfolge von Mergeln, Schieferton mit Dolomit- und Kalkbänkchen und Gipsschnüren besteht; der Muschelkalk jüngeren Datums in den Felsregionen ist stark klüftig, so daß Wasser versickern, bis zur Grenze der mittleren Muschelkalkgruppe vordringen und die E r d e in Bewegung bringen kann. Der den Weinbauern entstandene Schaden wurde auf i Million D M beziffert 928 ). Seit 1965 läuft im Taunus bei Mammolshain ein Berg. D e r Abbruch lehmigen Bodens reicht hangauf etwa 100 m in einer Breite zwischen 20 und 30 m. In dem fraglichen Stück soll eine Tonschicht einem Felshang aufliegen. Der Berg wird wandern, bis der Neigungswinkel des rutschenden Hangs so flach ist, daß der Reibungswiderstand der Gleitfähigkeit die Waage hält 9 2 "). Uber das sog. Schuttkriechen s. unten § 1 7 N . 27.
2. E i n f l u ß v o n V e r s c h i e b u n g e n auf den r e c h t l i c h e n B e s t a n d des G r u n d s t ü c k e s : Das Grundstück im Rechtssinn ist der keilförmige Ausschnitt aus dem Erdkörper, der durch Lotebenen umschlossen wird, die durch die Grenzlinien der Erdoberfläche gelegt sind und die über die Erdoberfläche hinaus nach oben fortgesetzt gedacht werden. Diese Lotebenen werden sich, den Erdkörper als Kugel angenommen, im Erdmittelpunkte schneiden. Sie bilden, wenn man den Umfang des Grundstückes in gerade Linien zerlegt, eine Pyramide, deren Spitze der Erdmittelpunkt ist (vgl. Abbildung). Ihre räumliche Begrenzung zu den übrigen Teilen der Erde ist in ihrer geographischen Lage dauernd und unverrückbar festgelegt. Der rechtliche Bestand des Grundstücks wird durch die Flächen der Lotebenen bestimmt. Was als KeilAusschnitt der Erde und des Luftraumes von dem durch diese Flächen gebildeten Mantel umschlossen wird, bildet den rechtlichen Bestand des Grundstücks. Praktisch besehen, bestimmt die O b e r f l ä c h e den körperlichen Gehalt des Grundstücks und an der Oberfläche scheidet sich das Recht des einen Grundstücks von dem andern. Das ist auch theoretisch richtig f ü r den Z e i t p u n k t der V e r f ü g u n g , durch welche ein Teil des Erdkörpers zum Grundstück wird. Ändert sich aber später die Oberfläche, so erkennen wir, daß nach dem Zeitpunkte dieser Verfügung nicht mehr die Oberfläche den rechtlichen Bestand des Grundstücks bestimmt, sondern der Schnitt der ursprünglich festgelegten Lotebenen mit der geänderten Erdoberfläche. Man muß sich die Entwicklung des rechtlichen Vorgangs folgendermaßen vorstellen: Durch menschliche Verfügung wird ein Teil des Erdkörpers zum selbständigen Grundstück. D i e s e V e r f ü g u n g schließt sich an die zur Zeit der Verfügung vorhandene Gestaltung der Oberfläche an. Auf dieser Oberfläche werden Linien gedacht, durch welche das Grundstück von den übrigen Teilen der Erdoberfläche abgegrenzt wird. Die 92a 92b
) Frankf. A l l g . Zeitung v o m 25. 12. 64 bis 1 5 . 1. 1965. ) Frankf. A l l g . Zeitung vom 5. 6. 1965.
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§
1
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
III 2 rechtliche Wirkung dieser Abgren2ung der Oberfläche besteht darin, daß zu dem Grundstück der unter der abgegrenzten Oberfläche befindliche Erdkörper und der darüber befindliche Luftraum gehört. Die Begrenzung dieser Erdmasse wird durch geometrische Flächen bestimmt, die sich von V e r z e r r t e D a r s t e l l u n g zur V e r a n s c h a u l i c h u n g der P y r a m i d e n b i l d u n g
a b i d e s
D i e Pyramidenkanten may mb, tue, md, und me ( L o t e ) sind an der E r d o b e r f l ä c h e für praktische B e g r i f f e parallel
G r u n d s t ü c k an der E r d o b e r f l ä c h e m Erdmittelpunkt*)
den auf der Oberfläche gedachten Grenzlinien lotrecht nach oben und unten erstrecken. Der Inbegriff dessen, was innerhalb dieses Raumes (also innerhalb des Keilmantels) von der Erdmasse und den damit festverbundenen Körpern ausgefüllt ist, ist das Grundstück. Legt man durch die Figur dieses Erdkeilausschnittes eine waagrechte Ebene, so erhält man den Querschnitt, der die unverrückbare Grundlage des rechtlichen Bestands des Grundstücks bildet. D e r U m r i ß d i e s e s Q u e r s c h n i t t e s u n d d a m i t a u c h sein F l ä c h e n m a ß b l e i b t u n w a n d e l b a r und u n b e r ü h r t v o n den V e r ä n d e r u n g e n , die mit der O b e r f l ä c h e v o r sich gehen. *) Die Zeichnungen verdanken wir Herrn Oberregierungsrat Oberarzbacher in München.
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§1
III 2 M. a. W. Nur in dem Augenblick, in welchem ein Stück der Erde zum selbständigen Grundstück w i r d , sind die auf der Oberfläche gedachten Grenzen bestimmend für den rechtlichen Bestand des Grundstücks. In demselben Augenblick, in welchem das Stück der Erde zum selbständigen Grundstück g e w o r d e n i s t , löst sich der rechtliche Bestand des Grundstücks von der Begrenzung auf der Oberfläche los; er ist von da ab unwandelbar verknüpft mit dem waagerechten Keilquerschnitt. Die Linien dieses Querschnittes sind auf die Oberfläche des Grundstücks zu übertragen (projizieren). Diese auf die Oberfläche übertragenen Linien sind die Grenzen. Die auf der Oberfläche vorhandenen Grenzzeichen sind nicht die Grenzen, sondern nur ihre Bezeichnung, die äußere Beurkundung der nur gedachten Grenzlinien. Sind die Grenzzeichen verschoben, so zeigen sie nicht mehr die wahre Grenze auf; sie stehen an einem unrichtigen geographischen Ort. Damit sind wir bei der Beantwortung der gestellten Frage angelangt. Das Grundstück, d. i. der vom Recht als selbständige Einheitssache anerkannte Ausschnitt aus dem Erdkörper geht nicht mit, wenn Bestandteile des Grundstücks ihren Standort verändern und über die Grenzflächen des Keilausschnittes hinüberwandern. Ob sich die Bestandteile nur im Innern verschieben oder ob die Verschiebung auch auf die Oberfläche übergreift; ob nur geringe Massen der Bodenbestandteile über die Grenze verschoben werden oder ob die Massen noch so gewaltig sind; ob sie auseinandergerissen werden oder ob sie im natürlichen Zusammenhang bleiben, all dies ist belanglos, soweit der rechtliche Bestand des Grundstücks in Betracht kommt. Und auch das ist für die Grenzfrage völlig belanglos, ob die Ursache der Verschiebung auf natürlichen Vorgängen (höherer Gewalt) oder menschlichem (auch schuldhaftem) Verhalten beruht 93 ). Der rechtliche Bestand des Grundstücks (der durch die waagrechte Ebene herausgeschnittene Querschnitt des Erdkörperkeiles) wird durch die Verschiebung der Oberfläche nicht verändert, er wird weder größer noch kleiner. Wenn die Oberfläche eines Grundstücks mit ihrer Umgebung abgerutscht ist, so kann es bei entsprechender Mächtigkeit der abgerutschten Erdmassen vorkommen, daß die abgerutschte Oberfläche eines Grundstücks an ihrem neuen Standort noch unzweideutig zu erkennen ist, wenn sie auch durch das Gewicht der von oben nachgerutschten Massen und den Aufprall der Erdmassen am Ruhepunkt zusammengedrückt, gefaltet und in der Rutschwirkung verkürzt sein wird. Die Annahme, daß diese unzweideutig erkennbare frühere Oberfläche des Grundstücks auch nach dem Abrutsch den rechtlichen Bestand dieses Grundstücks bestimme und mit dem darunter liegenden Boden dieses Grundstück bilde, wäre durchaus verfehlt. A n dem Eigentumsrecht dieses Grundstücks, auf welchem die abgerutschte Oberfläche des anderen Grundstücks zur Ruhe gelangt ist, 93 )
Schumacher a. a. O.
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§ 1
III 2
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
hat sich nichts geändert94) und das G r u n d s t ü c k , dessen Oberfläche ausgewandert ist, hat diese Wanderung nicht mitgemacht, sondern ist geblieben, wo es vorher war. Wenn eine auf einem Grundstück hart an der Grenze stehende Felswand infolge des Zusammenbruchs einer darunter befindlichen Höhle sich mit der Folge neigt, daß ein Teil des Felsens über die Grenzfläche hinüberragt, so ist der überragende Teil der Felswand Teil des Nachbargrundstücks geworden. Ein auf dem überragenden Teil des Felsens stehendes Gebäude teilt dessen rechtliches Schicksal98). Ragt jedoch nur ein Teil des Gebäudes in den fremden Luftraum hinein, so sind auf den hinüberragenden Teil des Gebäudes die Grundsätze des Überbaus anzuwenden (s. unten § 24 V I I , 4 u. 5).
Aus dem klargelegten Begriff des Grundstücks und der Unveränderlichkeit seines rechtlichen Bestandes ergibt sich die Folge, daß ein Untergang des Grundstücks (des geographisch festgelegten Teiles des Erdkörpers) rechtlich nicht denkbar ist. Wenn infolge von Vorgängen im Erdinnern ein Durchbruch der Oberfläche stattfindet, so kann es sich begeben, daß die ganze Oberfläche eines Grundstücks in der Tiefe des Erdinnern versinkt und sich die in der Natur vorhandenen Oberflächen der benachbarten Grundstücke über der versunkenen Oberfläche zusammenschließen86). Das Grundstück, dessen Oberfläche versunken ist, hat infolge dieses Vorganges keineswegs aufgehört, rechtlich zu bestehen9'). Sein rechtlicher Bestand ist unverändert in der geographischen Lage geblieben, welche dem Grundstück durch den gedachten Keilausschnitt des Erdkörpers angewiesen ist. Das ist selbst dann der Fall, wenn infolge dieses Ereignisses bis auf noch so große Tiefe die früheren Bestandteile des Grundstücks über die Grenzen gewandert sind. Eine andere Frage ist die, ob die in der Natur vorhandene neue Oberfläche wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden ist, auf welchem sie sich jetzt befindet (s. hierüber unten § 2 III). Senkt sich die Oberfläche eines Grundstücks in der Weise, daß sie dauernd von dem Wasser eines daran angrenzenden Sees bedeckt wird, so bleibt das Eigentum an dem versunkenen Grundstück mit der Folge erhalten, daß es sich auf das darüber befindliche Wasser erstreckt 98 ). 94 ) Deshalb wäre der aus Anlaß des Erdbebens in Calabrien vom Jahre 1783 entstandene Prozeß (s. o. N. 81) hinsichtlich des Eigentums am Grundstück nach deutschem Recht genau so zu entscheiden, wie er seinerzeit von dem italienischen Gericht entschieden wurde (vgl. Schumacher a. a. O. 99). 96 ) Der Eigentümer des Grundstücks, in dessen Keilausschnitt das ganze Gebäude eingetreten ist, ist daher auch Eigentümer des Gebäudes geworden, da es mit dem dazu gehörigen Boden fest verbunden ist. — Der bisherige Eigentümer hat aber den Bereicherungsanspruch nach § 812 B G B . Dieser wird durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit zum Halten des Gebäudes gegen Zahlung einer jährlichen Überbaurente zu erfüllen sein. " ) Solche Verwerfungen können ohne jeden Zusammenhang mit Bergbau oder einer anderen menschlichen Einwirkung durch eine Gesteinsmassenverschiebung herbeigeführt werden (Henschel, Z . f. Vermessungswesen 10, 975). " ) Unrichtig Schumacher a . a . O . m Anm. 10. 98 ) J W 1900, 492 (RG). Wird ein Teil eines Grundstücks zum Bett eines Flusses, so ist nach Wasserrecht (vgl. hierzu die oben § 1 II 6 c aufgeführten Wassergesetze) zu entscheiden, ob hierdurch der Eigentümer des Grundstücks das Eigentum an diesem zum Flußbett gewordenen Teil verliert; vgl. JW 08, 443. Nach § 15 PrWG wurde der Staat ipso jure Eigentümer des neuen Bettes eines Wasserlaufs erster Ordnung. Jetzt sind die Vorschriften der LandeswasserG einschlägig (vgl. dazu oben § 1 II 6 c). — Aber
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Das Grundstück und seine Begrenzung
§
1
III 2 Der Grundsatz der geographischen Unveränderlichkeit der Grundstücke erleidet eine einzige Ausnahme. Auf die tektonischen Verlagerungen der Gesteinsmassen sowie den Bergfluß und die dadurch bewirkte stetige Verschiebung der Erdoberfläche kann er dann nicht angewendet werden, wenn es sich um Vorgänge handelt, die das Gelände im weiten Umgriff erfassen und sich so allmählich und unmerklich vollziehen, daß sie erst nach einer längeren Zeitspanne durch genaue, schwierige und nicht immer absolut zuverlässige wissenschaftliche Beobachtung in ihrer Gesamtwirkung festgestellt werden können. In diesem Falle steht nichts entgegen, bei der Anwendung des Rechts die Unterstellung des Gesetzgebers von der Unbeweglichkeit der Erdoberfläche hinzunehmen und sich damit abzufinden, obwohl wir wissen, daß diese Unterstellung mit den Ergebnissen der Naturwissenschaft nicht im Einklang steht. Die Rechtsanwendung kann nur praktisch bedeutsame Veränderungen berücksichtigen; Ergebnisse der Wissenschaft, mögen sie auch noch so bemerkenswert sein, sind von der Rechtsanwendung nicht zu berücksichtigen, wenn die ihnen zugrunde liegenden Vorgänge auf das praktische Leben ohne jeden Einfluß sind. Die stetig fortwirkenden und nur ganz allmählich fortschreitenden tektonischen Verschiebungen") sind in der Tat ohne jeden solchen Einfluß. Denn die ganze Umgebung eines jeden hiervon berührten Grundstücks wird davon in gleicher Weise betroffen, so daß die räumliche Beziehung der beteiligten Grundstücke untereinander in keiner Weise geändert wird. Die während eines übersehbaren Zeitraumes vor sich gehende Verschiebung ist so unbedeutsam, daß sie von keinem Beteiligten bemerkt werden kann. Es besteht daher für die Rechtsanwendung nicht das mindeste Bedürfnis, aus solchen stetig und allmählich wirkenden tektonischen Verschiebungen praktische Folgerungen zu ziehen, die im höchsten Maße unpraktisch wären. Man muß sogar noch weitergehen und als Willen des Gesetzgebers erachten, daß diese Folgerungen nicht gezogen werden dürfen. Wenn der Gesetzgeber die Unbeweglichkeit des Grundstücks unterstellt 100 ), so hat er dabei den Zustand im Auge, der nach der menschlichen Erfahrung als Unbeweglichkeit erachtet wird. Der Begriff ist also nach dem dieser gesetzliche Eigentumsverlust für den bisherigen Eigentümer beruht nicht auf der Annahme eines Untergangs des Grundstücks; denn dann bestünde ja kein Grund für die vom Gesetz angeordnete Entschädigung des bisherigen Eigentümers. — Vgl. R G 8, 182 (Überschwemmungen). " ) Durch tektonische Ursachen können auch sinnfällige Veränderungen bewirkt werden. 10 °) § 7 8 1 Entw. I sprach dies ausdrücklich aus: „Unbewegliche Sachen sind die Grundstücke". Die zweite Kommission hat diesen Satz gestrichen, weil sie ihn als selbstverständlich und daher als überflüssig erachtete.
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§ 1
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III 2
Maßstab der Erfahrung zu bestimmen, und diese merkt und weiß nichts davon, daß infolge des tektonischen Aufbaues der Gesteinsmassen in diesen eine Art von Bewegung ist. Die dadurch herbeigeführten, im einzelnen unmerklichen Verschiebungen fallen für den Begriff nicht ins Gewicht, sie sind, wie sie es tatsächlich sind, so auch rechtlich unbeachtlich. Bewirkt aber die stetig wirkende tektonische Arbeit eine aus dem Rahmen der allmählich fortschreitenden Entwicklung herausfallende sinnfällige (lokale) Verschiebung, so wird eine solche von der Erfahrung als Bewegung erkannt und ebenso vom Recht gewertet, so daß der Grundsatz der geographischen Unveränderlichkeit auf einen solchen Fall, wie auf jeden anderen (nicht auf tektonischer Ursache beruhenden) Fall einer Verschiebung der Oberfläche anzuwenden ist. Zusammenfassend ist über die rechtliche Beurteilung von Verschiebungen der Erdoberfläche zu sagen: Die durch tektonische Arbeit von Gesteinsmassen bewirkte Verschiebung der Erdoberfläche wird vom Recht dann nicht beachtet, wenn sie nicht sinnfällig ist. Die unmerklich und allmählich eintretende tektonische Verschiebung der Erdoberfläche 101 ) nimmt den rechtlichen Bestand des Grundstücks mit. In allen übrigen Fällen, in welchen — gleichviel aus welcher Ursache — eine Verschiebung der Erdoberfläche eintritt, wird hiervon der rechtliche Bestand des Grundstücks nicht berührt. Das Grundstück als solches, d. i. sein rechtlicher Bestand geht nicht mit der Oberfläche, wenn sie über die Grenze hinüberwandert. Die verschobenen Grenzzeichen bezeichnen nicht mehr die richtige Grenze; sie sind an ihren richtigen geographischen Standort zurückzuversetzen. 101 ) Ziff. 75 des Fortführungserl. II für Nordrhein-Westfalen vom i. 7. 55/1. 7. 64 bestimmt für allmählich und unmerklich auftretende Verschiebungen in Bergbaugebieten folgendes: (1) Soweit in Bergbaugebieten Abweichungen zwischen örtlichem Besitzstand und Katasternachweis auftreten, die durch horizontale Verschiebungen der Erdoberfläche infolge von großräumigen Abbauwirkungen entstanden sind, wird in der Regel der örtliche Zustand einwandfrei erhaltener Vermarkungen (Vermessungspunkte, Grenzpunkte, Gebäude) der Vermessung zugrunde gelegt. Im Anschluß an diese Vermarkungen werden die Grenzen des zu vermessenden Grundstücks hergestellt. (2) Für die Verlängerung und Verkürzung von Strecken, die durch die mit solchen horizontalen Verschiebungen einhergehenden Zerrungen und Pressungen des Bodens verursacht werden, lassen sich Fehlergrenzen nicht festsetzen. Der Leiter des Katasteramts entscheidet auf Grund seiner Erfahrung und der durch Fühlungnahme mit den Bergbehörden und Markscheidereien zu gewinnenden Erkenntnisse nach technischwissenschaftlichen Gesichtspunkten, ob es sich bei den festgestellten Abweichungen um großräumige Abbauwirkungen handelt. (3) Die Darstellung der Grenzen in der Flurkarte bleibt unverändert (Nr. 143 Abs. 2 c). Maßberichtigungen werden nicht vorgenommen (Nr. 136 Abs. 3).
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Bestandteile des Grundstücks
§2
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§ 2. Bestandteile des Grundstücks § 93 B G B Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne daß der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. § 94 B G B (1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. (2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. § 95 B G B (1) Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zwecke mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werke, das in Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstücke von dem Berechtigten mit dem Grundstücke verbunden worden ist. (2) Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zwecke in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes. § 96 B G B Rechte, die mit dem E i g e n t u m an einem Grundstücke verbunden sind, gelten als Bestandteile des Grundstücks. I. B e g r i f f Das Grundstück ist ein abgegrenzter Ausschnitt der Bodenmasse. Es ist ein Körper, keine Fläche. Dieser Körper ist aus Bestandteilen zusammengesetzt. Der Begriff des Bestandteils ist im Gesetz nicht bestimmt, sondern als gegeben vorausgesetzt. Nach dem Wortsinn setzt er voraus, daß der Bestandteil einer Sache einen Teil einer Sache ausmacht und daher eine selbständige Existenz nicht besitzt; von dem Bestandteil einer Sache kann nur mit Beziehung auf ein und dieselbe Sache die Rede sein, nicht bezüglich 47
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einer Mehrheit von Sachen, die ein wirtschaftliches Ganzes bilden 1 ). Hiernach sind Bestandteile diejenigen körperlichen Gegenstände, die entweder von Natur eine Einheit bilden oder durch Verbindung miteinander ihre Selbständigkeit dergestalt verloren haben, daß sie, solange die Verbindung dauert, als ein Ganzes, als eine Einheitssache erscheinen 1 ®). Bestandteil kann daher nur das"sein, was Teil einer einheitlichen Sache, ein unselbständiges Stück eines Körpers ist, nicht was selbst eine Sache unter mehreren selbständigen Sachen ist, die zusammen ein wirtschaftliches Ganzes bilden 2 ). Für die Frage, ob ein Bestandteil als wesentlicher oder nichtwesentlicher Bestandteil aufzufassen ist, kommt es nach der anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise darauf an, ob die verschiedenen Bestandteile nach ihrer Trennung noch in der bisherigen A r t wirtschaftlich genutzt werden können, sei es auch erst, nachdem sie zu diesem Z w e c k e wieder mit anderen Sachen verbunden worden sind 2 »); das Gesetz formuliert dies in § 93 B G B dahin, daß wesentliche Bestandteile einer Sache solche sind, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne daß der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Darüber hinaus sind gemäß § 94 B G B wesentliche Bestandteile eines Grundstücks auch die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen 3 ), insbesondere Gebäude 3 »), sowie die Erzeugnisse 4 ) des RG 69, 119. ) RG 63, 416. Die Sacheinheit ist ein zusammenhängendes körperliches Stück der Natur; dem Bestandteil dagegen fehlt der Charakter der Selbständigkeit. Maßgebend hierfür ist die natürliche Anschauung (RG67, 30; 69,121 u. 133; 83,169; 87, 45; 158, 368; 164, 199; BGH in LM Nr. 2 zu § 95 BGB). 2 ) R G K Anm. 2 zu § 93 BGB und die dort angef. Entsch. d. RG. 2 a ) § 93 B G B bezweckt die Erhaltung wirtschaftlicher Werte. Das Interesse an der Erhaltung ihrer Einheit tritt aber zurück, wenn die Trennung und die Wiederzusammensetzung von Bestandteilen ohne jede Beschädigung und ohne besonderen Arbeitsaufwand durchgeführt werden können: BGHZ 18, 229; 20, 158. 3 ) Ein leichter Schuppen, der ohne feste Verbindung einfach auf den Boden gestellt ist, ist selbst dann nicht wesentlicher Bestandteil, wenn er zu einem dauernden Zwecke errichtet wurde. 3 a ) Eine Giebelmauer, die zwei Gebäuden als Abschlußwand dient, ist wesentlicher Bestandteil beider Gebäude und damit zugleich auch wesentlicher Bestandteil beider Grundstücke mit der Folge, daß sie im Miteigentum der beiden Grundstückseigentümer steht; vgl. dazu Hodes NJW 62, 1251 und unten § 8 III 1. Ist gegen den Willen des Eigentümers auf dessen Grundstück ein Bauwerk errichtet worden, das als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks anzusehen ist, so kann der Eigentümer den auf § 951 BGB gestützten Bereicherungsanspruch des Erstellers dadurch abwehren, daß er das Bauwerk zum Abbruch dem Ersteller zur Verfügung stellt (BGH NJW 57, 460 = BGHZ 23, 61). Der Grundsatz, daß der Anspruch auf Vergütung für einen sachenrechtlichen Verlust im Zeitpunkt des Eintritts dieses Rechtsverlusts (z. B. mit der Vollendung des Bauwerks oder mit der Einstellung des Weiterbaues unter gleichzeitiger Überlassung an den Grundeigentümer) entsteht (BGH NJW 53, 1466), hindert die Partner eines Miet- oder la
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Bestandteile des Grundstücks
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Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen ( § 9 4 A b s . 1 B G B ) . Z u den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die 2ur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen ( § 9 4 A b s . 2 B G B ) ; dies sind nicht nur die Teile, die zur Herstellung jedes Baues notwendig sind, wie gewöhnliche Baumittelstücke, sondern auch alles, was durch seine Verarbeitung dem betreffenden Gebäude ein bestimmtes Gepräge, seine besondere Eigenart gegeben hat 4 a ); ferner können auch Sachen, die erst nach Herstellung eines Gebäudes diesem eingefügt werden, wesentliche Bestandteile werden 4 b ). Die wesentlichen Bestandteile können nach der zwingenden Vorschrift des § 93 B G B nicht Gegenstand besonderer Rechte sein 5 ). Pachtvertrags nicht zu vereinbaren, daß ein entsprechender Anspruch erst in einem späteren Zeitpunkt (z. B. bei Beendigung des Vertragsverhältnisses) entstehen soll (BGH N J W 57, 827). Verlangt der Kläger Räumung und Herausgabe eines ihm gehörigen Grundstücks, auf dem der Beklagte ein Bauwerk errichtet hat, so wird mit Erhebung dieser Klage nicht zugleich ein Anspruch auf Beseitigung des Bauwerks nach § 1004 B G B rechtshängig; ob der Abbruch eines Gebäudes, dessen Beseitigung der Kläger verlangt, der baupolizeilichen Genehmigung bedarf, bleibt dem Vollstreckungsverfahren vorbehalten ( B G H M D R 58, 913). 4 ) Ein vom Eigentum am Grundstück verschiedenes Eigentum an stehenden Bäumen (anders bei Baumschulen des Pächters) ist ausgeschlossen (JW 05, 280; R 05 Nr. 14 [BayObLG]). Der Mieter darf einen von ihm gepflanzten Baum nicht wegnehmen. § 547 Abs. 2 B G B ist nicht einschlägig, da der Baum keine „Einrichtung" ist. Auch der Pächter darf die von ihm gepflanzten Bäume nicht wegnehmen, soweit sie nicht nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag des Pachtgrundstückes anzusehen sind (vgl. Soergel Rspr. 1912 Nr. 1 zu § 581 BGB). Unter Umständen kann Ersatz für „Verwendungen" (Kosten des Einpflanzens) verlangt werden (vgl. §§ 994fr., insbes. §997 Abs. 2 BGB). — Für die Übergangszeit s. unten § 2 IV. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil (§94 BGB) ohne Rücksicht darauf, ob die Pflanze Wurzel geschlagen hat. Das Eigentum am Baum steht demjenigen zu, auf dessen Grundstück der Stamm aus dem Boden heraustritt. Die Wurzeln und Zweige des Baumes folgen notwendigerweise dem Eigentum am Stamm. Über die Rechte des Eigentümers, in dessen Machtbereich sie eingedrungen sind, trifft § 910 B G B Bestimmung (s. darüber unten § 21). Ein auf der Grenze stehender Baum steht im Miteigentum der Nachbarn (gegen die herrschende Meinung s. unten § 12). 4a ) R G 150, 26. 4t ) R G 160, 183. 6 ) Deshalb ist eine Vereinbarung, wonach sich der Verkäufer eines Grundstücks bei dessen Veräußerung ein daraufstehendes Gebäude als Eigentum zurückbehält, dinglich wirkungslos. Der Veräußerer hat lediglich einen obligatorischen Anspruch darauf, daß ihm der Käufer nach Abschreibung des Gebäudes mit der darunter liegenden Grundfläche das Eigentum an dem Gebäude verschafft (vgl. R G K Anm. 7 zu § 93 BGB). Im Streitfalle wird sich empfehlen, mit dem Anspruch auf Verschaffung des Eigentums hilfsweise den Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums am ganzen Grundstück (wegen Unmöglichkeit der Erfüllung des Hauptanspruchs gemäß §§ 305, 139 BGB) zu verbinden. Sonderbesitz am Gebäude (§865 BGB) mit dem daraus folgenden Besitzschutzrecht (§§ 858fr. BGB) ist rechtlich zulässig. 4
Meisner-Stera-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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§ 2
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
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Die einzelnen Flächenteile eines Grundstücks sind wohl dessen Bestandteile; sie sind aber keine wesentlichen Bestandteile, weil das Grundstück durch Ziehen von Grenzlinien jederzeit in verschiedene Teile zerlegt werden kann6). Deshalb können die einzelnen Flurstücke eines Grundstücks auch Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein. So kann z. B., wenn im Grundbuch mehrere Flurstücke unter einer Nummer vereinigt6») sind, eine dieser mehreren Flurstücke mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden. Zwar bestimmt § 7 Abs. 1 G B O : „Soll ein Grundstückteil mit einem Rechte belastet werden, so ist er von dem Grundstück abzuschreiben und als selbständiges Grundstück einzutragen". Aber diese Vorschrift ist nur eine Ordnungsvorschrift 7 ), und § 7 Abs. 2 Satz 1 G B O bestimmt: „Ist das Recht eine Dienstbarkeit oder eine Reallast, so kann die Abschreibung unterbleiben, wenn hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist". Aus dem gleichen Grunde müßte es an sich auch zulässig sein, z u g u n s t e n eines von mehreren Flurstücken, die im Grundbuch unter einer Nummer vereinigt sind, eine Grunddienstbarkeit zu bestellen. Doch steht dem das Bedenken entgegen, daß im Falle der späteren Zuschreibung des Flurstücks zu einem anderen oder im Falle seiner Vereinigung mit einem anderen zu einem neuen Grundstück leicht Unklarheiten auftreten können, da die Dienstbarkeit in der Regel nicht auf dem Grundbuchblatt des herrschenden Grundstücks eingetragen wird und daher bei solchem Vorgang nicht in Erscheinung tritt. Hiernach muß die Eintragung einer Grunddienstbarkeit zugunsten eines bloßen Katasterflurstücks für unzulässig erachtet werden8). Eine für sich allein auf einem Grundbuchblatt stehende Liegenschaft ist eine selbständige Sache; sie kann niemals als Bestandteil eines anderen Grundstücks in Betracht kommen9). Dies ist nur so zu erreichen, daß sie Sondereigentumsrechte nach früherem Recht an Gegenständen, die nach §§93, 94 B G B wesentliche Bestandteile sind, sind gemäß Art. 181 E G am 1. 1. 1900 erloschen ( R G 56, 243; J W 03 Beil. 90; 04, 89; 12, 120); wegen eines sich hieraus ergebenden Bereicherungsanspruchs vgl. unten § 2 IV. Eine Ausnahme vom Grundsatz des § 93 B G B enthält § 3 W E G , denn nach dieser Vorschrift können dingliche Sonderrechte an Räumen in einem Gebäude in der Form des Wohnungs- oder Teileigentums begründet werden. Vgl. dazu unten § 3, wo auch das partikularrechtliche Stockwerkseigentum abgehandelt ist. •) Das gilt auch für Straßen und Wege ( J W 10, 813), selbst wenn es sich um eine Straße mit Steinrollierung und Steingeschläg handelt, die als besonderes Werk erscheint. Ein zu einem Weg gehöriger Abzugsgraben ist als unwesentlicher Bestandteil des Wegs zu erachten (vgl. Warneyer 19 Nr. 187). 6a ) Vgl. oben § 1 I. 7 ) R G K Anm. 6 zu § 93 B G B . 8 ) Ebenso O L G 43, 6; K G J 53, 1 7 4 ; Staudinger R N 2 bb) zu § 1018 B G B ; MeisnerRing, § 2 I 1. •) J W io, 60.
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Bestandteile des Grundstücks
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einem anderen eingetragenen G r u n d s t ü c k g e m ä ß § 6 G B O zugeschrieben 9 ») und damit nichtwesentlicher Bestandteil dieses G r u n d s t ü c k s w i r d (§ 890 A b s . 2 B G B ) ; selbstverständlich kann ein G r u n d s t ü c k i m m e r nur einem anderen zugeschrieben werden 9 b ). V o n der Z u s c h r e i b u n g ist die V e r e i n i g u n g mehrerer G r u n d s t ü c k e z u einem einheitlichen neuen in G r ö ß e der vereinigten G r u n d s t ü c k e z u unterscheiden ( § 5 G B O ; § 890 A b s . 1 B G B ) 9 c ) . Soll ein Grundstücksteil mit einem G r u n d s t ü c k oder Grundstücksteil vereinigt oder ein Grundstücksteil einem G r u n d s t ü c k al$ Bestandteil zugeschrieben werden, so m u ß der Grundstücksteil grundsätzlich v o r h e r kataster- und g r u n d b u c h m ä ß i g verselbständigt werden. K o m m t der V e r selbständigung aber f ü r Kataster und G r u n d b u c h nur eine v o r ü b e r g e h e n d e B e d e u t u n g zu, w i e z. B . bei V e r ä u ß e r u n g eines Grundstücksteils, der mit einem dem E r w e r b e r bereits gehörenden G r u n d s t ü c k k ü n f t i g e i n G r u n d s t ü c k bilden soll, so g e n ü g t es auch f ü r die G r u n d b u c h e i n t r a g u n g , w e n n der beschränkt z u verselbständigende Grundstücksteil als sogenanntes Z u f l u r s t ü c k bezeichnet wird. D a s Zuflurstück gilt f ü r die A n w e n d u n g des § 890 A b s . 1 u n d 2 B G B als selbständiges G r u n d s t ü c k , ist aber nicht als selbständiges G r u n d s t ü c k in das G r u n d b u c h z u übernehmen 9 4 ). Nach Art. 24 BadAG (RegBl. 25, 285) sind Zuschreibung und Vereinigung nur zulässig, wenn die mehreren Grundstücke in demselben Grundbuchbezirk belegen sind, unmittelbar aneinander grenzen und nicht in verschiedener Weise mit Grundpfandrechten belastet sind. Nach § 21 BraunschwAG sollen Grundstücke nur vereinigt oder soll eine Zuschreibung nur vorgenommen werden, wenn die Grundstücke nicht oder nur mit denselben Rechten belastet sind. Gleiches gilt nach § 21 BremAG mit der Maßgabe, daß die Grunddienstbarkeit keine die Vereinigung oder Zuschreibung hindernde Belastung darstellt. E i n e Gleisanlage auf einem F a b r i k g r u n d s t ü c k z u m A n s c h l u ß an die Eisenbahngleise ist nicht fest verbunden 1 0 ). N i c h t fest v e r b u n d e n sind regelmäßig Leitungsmasten f ü r elektrischen S t r o m 1 1 ) . V e r s o r g u n g s l e i 9a )
Vgl. oben § 11. HRR 41, 602. 9c ) Vgl. oben § 11. 9d ) BayObLGZ 54, 258; O L G Frankfurt Rpfl. 60, 127; BGH DNotZ 54, 197 (Dort ist ausgeführt, daß der Schaffung sogenannter Zuflurstücke aus § 890 BGB Bedenken nicht entgegenstehen). Siehe ferner bei Horber, § 2 Anm. 7 A b und § 5 Anm. 2 A a und Meikel-Imhof-Riedel, RN 78 fr. zu § 5 GBO. 10 ) O L G 28, 18. u ) Die feste Verbindung fehlt, wenn die Masten, an welchen sich die Drähte befinden, leicht herausgenommen werden können, ohne daß der Erdboden abgegraben werden muß oder die Masten beschädigt werden (Warneyer 14 Nr. 14}). In solchem Falle sind die Leitungen Zubehör (§ 97 Abs. 1, §98 Z. 2 BGB; vgl. RG83, 69; 87, 50). Sind die Leitungen in Ausübung eines dinglichen Rechts oder nur vorübergehend (z. B. auf Grund Mietvertrags oder precario modo) auf und über fremden Grundstücken gelegt, so sind sie auch dann nicht Bestandteile dieser fremden Grundstücke, wenn sie fest mit ihnen verbunden sind, sondern Zubehör des Grundstücks, auf welchem das Werk (Elektrizitäts9l>)
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tungen eines öffentlichen Versorgungsunternehmens sind, auch soweit sie über oder durch fremde Grundstücke führen und mit ihnen fest verbunden sind, keineswegs gemäß §§ 946,94 B G B Eigentum der jeweiligen Eigentümer dieser Grundstücke, da dann kein einheitliches Eigentum an ihnen bestünde; sie sind im Regelfall Zubehör des Werkgrundstücks im Sinne des § 97 B G B ; sind sie jedoch nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden oder ist die Verbindung in Ausübung eines dinglichen Rechts andiesem Grundstück erfolgt, so bleiben sie gemäß § 95 B G B als Scheinbestandteile bewegliche Sachen und damit rechtlich selbständig 111 ). Für die Abwasserleitung eines privaten Fabrikgrundstücks in einem fremden Wegegrundstück verneint O L G Kiel 1 1 6 ) sowohl das Vorliegen eines Scheinbestandteils im Sinne des § 95 Abs. 1 B G B wie auch die Eigenschaft als Zubehör, da ein vorübergehender Zweck nicht deshalb anzunehmen sei, weil der Wegeeigentümer die Verlegung der fremden Abwasserleitung in seinem Grundstück nur widerruflich gestattet habe und weil § 95 Abs. 1 B G B neben der subjektiven Zweckbestimmung objektiv einen Sachverhalt erfordere, der mit der Zweckbestimmung vereinbar ist; die Rohrleitung in dem Grenzweg sei daher wesentlicher Bestandteil des Wegegrundstücks, womit die Feststellung von Zubehör ausgeschlossen sei. Der Bundesgerichtshof 110 ) stellt es für die Frage nach den Eigentumsverhältnissen an einer privaten Abwässerleitung durch fremde Grundstücke auf die Umstände des Einzelfalles ab; dabei können die Grundsätze des über die hinsichtlich der Fernleitungen öffentlicher Versorgungs-Unternehmen bestehenden Verkehrsanschauung nicht ohne weiteres herangezogen werden. Hopfenstangen und Weinbergspfähle sind nicht fest verbunden, wohl aber die Steine einer gepflasterten Straße 12 ). Während § 93 B G B die für alle Sachen gültige Begriffsbestimmung der wesentlichen Bestandteile gibt, bezieht sich § 94 B G B nur auf die Bestandteile v o n G r u n d s t ü c k e n , für welche eine Erweiterung des in § 93 B G B gegebenen Begriffes bestimmt wird. Die Bedeutung des § 94 B G B besteht also darin, daß den dort aufgeführten Sachen die Eigenschaft wesentlicher werk) steht; sie gelten als bewegliche Sachen ( R G 83, 69; 87, 50; Warneyer 18 Nr. 155). Das gilt auch für in den Boden eingelassene, also fest verbundene Kabel oder Leitungsrohre. lla ) B G H Z 37, 356; R G Z 83, 69 u. 87, 4 3 ; O L G Stuttgart O L G Z 30, 324; O L G Dresden O L G 30,325. A b w . O L G Braunschweig SeuffA 71 Nr. 78, wonach Gas-, Wasserleitungsrohre und Stromzuleitungen beim Einsenken in fremde Grundstücke ohne Rücksicht auf § 95 I B G B in ihren Eigentumsverhältnissen keine Änderung erfahren. Hiergegen B G H N J W 68, 2 3 3 1 . — Zur Rechtsnatur der Hausanschlußleitung vgl. Lenz Betr. 67, 1972, gegen diesen Willers Betr. 66 S. 2023. !">) SchlHA 66 S. 183. u ) Staudinger R N . 5 zu § 921 B G B ; R G 70, 205 (vgl. oben N. 18). 31 ) Vgl. oben § 7 I 1 und N. 1 d. 3 1 a ) Herrschende Meinung, z. B. Planck Bern. 3 b zu § 921 BGB. 3 1 b ) Prot. 3, 331; Staudinger RN. 4 zu § 921 B G B ; Glaser HuGr. 58, 141; GlaserDröschel Nr. 113; a. M. Meisner-Ring § 7 N. 28 (gegen frühere Auflagen).
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Grenzeiiirichtungen
§7
Iii l Widerlegt wird die Vermutung des gemeinschaftlichen Benutzungsrechts durch den Nachweis, daß die scheinbare Grenzeinrichtung in Wirklichkeit eine solche nicht ist 3 2 ), weil z. B. die Mauer ganz auf dem Grundstück des einen Nachbarn steht 3 3 ); dieser Nachweis ist genau zu führen durch die Aufdeckung des wahren Grenzlaufs, evtl. auf dem W e g e des § 920 B G B 3 3 ® ) . N a c h ausdrücklicher Vorschrift des § 921 B G B wird die Vermutung eines gemeinschaftlichen Benutzungsrechts aber auch schon durch äußere Merkmale widerlegt, die darauf hinweisen, daß die E i n richtung einem Nachbarn allein gehört (siehe unten III und I V ) 3 3 b ) . Natürlich bleibt es beiden Nachbarn überlassen, das gesetzliche Mitbenutzungsrecht an der Grenzeinrichtung durch Vereinbarungen, die im W e g e der Dienstbarkeitsbestellung auch dinglichen Charakter erhalten können, zu ändern oder auszuschalten. III. D a s E i g e n t u m a n d e r G r e n z e i n r i c h t u n g 1. Die Frage nach dem Eigentum an den Grenzeinrichtungen bereitet erhebliche Schwierigkeiten. A u s § 9 2 1 B G B selbst ist, wie schon erwähnt wurde, für die Eigentumsfrage nichts zu entnehmen; die gesetzliche V e r mutung bezieht sich nur auf das Benutzungsrecht. Im Gegenteil wird gemäß § 921 (letzter Halbsatz) B G B durch den Nachweis des Alleineigentums die für ein gemeinschaftliches Benutzungsrecht bestehende Vermutung beseitigt 34 ). 32
) Meisner-Ring § 7 II. ) R G i. BayRpflZ 15, 551; B G H N J W 64, 1221 u. Anm. von Grell hierzu in L M Nr. 12 zu § 9} B G B . Vgl. oben N. 1 d. S3a ) Der Nachweis kann auch durch die Berufung auf § 891 B G B geführt werden: So mit Recht Staudinger RN. 17 zu § 921 B G B . Meisner-Ring § 7 II; Planck 3 b; a. M. Meisner SeuffBl. 77, 281; O L G Bamberg BayZ 29, 181. 33h ) Eckstein bei Gruchot 5 7, 646 ff. meint, daß die Vermutung für ein gemeinschaftliches Benutzungsrecht außer durch den strikten Nachweis des Alleineigentums auch in der Weise widerlegt werden könne, daß dem Gericht irgendwelche Umstände nachgewiesen werden, aus denen freie Beweiswürdigung das Alleineigentum zu folgern imstande sei. Dem kann nicht beigetreten werden, denn diese Ansicht führt zu einer Rechtsunsicherheit, die das Gesetz gerade beseitigen wollte. Das zeigt sich am besten an dem von Eckstein gebrachten Beispiel: Ist in einem Zwischenraum ein Brunnen nachweisbar von einem Nachbarn zu einer Zeit errichtet worden, als der andere Nachbar einen eigenen Brunnen auf seinem Grundstück hatte, so soll nach Eckstein die Vermutung des § 921 B G B widerlegt sein. Wenn aber der andere Nachbar beweist, daß sein Brunnen wasserarm war oder daß inzwischen sein Wasserbedarf im Geschäft erheblich angestiegen ist oder daß der Grenzbrunnen ihm viel bequemer liegt als der eigene? Einer Prüfung dieser Gründe und ihrer Gegengründe soll der Richter gerade überhoben sein, da sonst die Streitigkeiten endlos würden. M ) Natürlich kann gleichwohl ein servitutarisches Mitbenutzungsrecht bestehen, aber dieses muß eben nachgewiesen werden. Vgl. auch oben I i zu N. 7 a. M
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§ 7
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III 2, 3 Bei Grenzeinrichtungen im Sinne der §§ 9 2 1 , 922 B G B . , die also v o n der Grenze durchschnitten sein müssen, ist die Entscheidung, wer Eigentümer ist, nach der A r t der Einrichtung verschieden. 2. Handelt es sich um bloße Grenzflächen (Raine, Winkel, Gestelle im Wald), so ist reale Teilung durch die Grenzlinie gegeben, da Grundstücksteilflächen nie wesentliche Bestandteile sind und § 93 B G B somit nicht entgegensteht 35 ). 3. Bei Einrichtungen, die sich v o n der Grundfläche abheben, kann die Entscheidung verschieden ausfallen. E i n aus unverbundenen Steinen bestehender Steinwall, zu dem beide Nachbarn durch A u f h ä u f e n v o n Steinen beigetragen haben, steht gemäß §§ 948, 947 B G B im Miteigentum beider Nachbarn 3 6 »). W i e aber, wenn es sich um eine Anlage handelt, die mit dem Grundstück f e s t v e r b u n d e n ist ( z . B . Bauwerk, Zaun, Hecke)? Eine verbreitete Meinung nimmt an, daß auch hier, wie bei Flächen, reale Teilung gemäß dem Z u g der Grenze eintritt 36 ); sie stützt sich vor allem auf folgende Ausführungen der Motive: „Der Entwurf geht von dem Prinzip aus, daß ein jedes Grundstück gegen das Nachbargrundstück eine geometrische Grenze haben muß und daß diese Grenze objektiv stets gewiß und in den Fällen subjektiver Ungewißheit stets auf findbar ist. Mit der strengen Durchführung dieses Prinzips ist derjenige Weg, welchen die modernen Gesetzgebungen zu dem Zwecke der Erhaltung der Grenzanlagen einschlagen, unvereinbar. Dieselben suchen nämlich mit der Annahme eines Miteigentums und mit einer aus diesem Gesichtspunkt sich ergebenden Regelung des gegenseitigen Verhältnisses zu helfen. Für ein solches Miteigentum fehlt es aber an einem Gegenstande; denn ein drittes Grundstück außer den beiden Nachbargrundstücken gibt es nicht, und an einer Superfizies finden von dem Rechte am Grundstücke abgesonderte Rechte nicht statt. Wollte man in der Grenzanlage ein selbständiges, von den beiderseitigen Grenzen der Nachbargrundstücke eingeschlossenes Grundstück erblicken, so müßte dieses Grundstück und das Recht an demselben gebucht oder es müßte von der Regel der Buchung eine Ausnahme gemacht werden. Außerdem müßten die angenommenen Miteigentumsrechte, entsprechend dem 35
) Vgl. Graf i. WürttZ 07, 3 2 3 f r . ) Staudinger RN. 1 1 zu § 921 B G B ; Meisner-Ring § 7 III 3; a. M.; Planck 2 a zu § 921 B G B . "•) R G 70, 201 ff; 130, 266; 162, 212; R G Gruchot 45, 1018; L G Duisburg MDR 56 485 (vgl. auch L G Duisburg N J W 62, 1251 mit ablehn. Anm. von Hodes daselbst); O L G Köln BB 51, 600; O L G Düsseldorf RheinArch 109, 279; BayZ 16, 156 (Nürnberg); O L G 4, 294 (Zweibrücken); HessRechtspr. 17, 189 (Darmstadt); O L G 29, 340 (München); Planck 4 zu § 94 B G B und 2 b zu § 921 B G B ; Schmalzl MDR 57, 341; R G K Anm. 1 a zu § 921 B G B ; Biermann Bern. 1 ; Kretzschmar Bern. 2 N. 1 ; Turnau-Förster Bern. 1 zu § 921 B G B ; Endemann 458 N. 25; Mathiaß 454 b; Molitor, ElsLothrAusfGes. 464; Schröder, PucheltsZ 36, 228; Burgard, Kommunmauer 8ff.; de Boor 32f.; Buecken i 6 f . ; Pfirstinger, SeuffBl. 67, 65 f.; Broicher, PucheltsZ 38, 1 7 1 ; Heinsheimer, BadR I, 382; Goldmann-Lilienthal 63; Maenner 177; Dernburg 242, A b w . A. B G H N J W 55, 257, der zutreffend Miteigentum bejaht. Vgl. auch B G H N J W 59, 1364 = MDR 59, 565, B G H N J W 61, 780 = MDR 61, 401, und B G H N J W 63, 1868; B G H N J W 65 S. 811 (dazu Hodes N J W 65 S. 2088). Siehe ferner unten N. 40 sowie zu § 8 II und III 1. S5a
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III 3 Zwecke ihrer Annahme, als anormale Miteigentumsrechte gedacht werden, welche als subjektiv dingliche Rechte mit dem Eigentume der Nachbargrundstücke verbunden sind. Alle diese Konsequenzen sind für den Entwurf nicht annehmbar. Hiernach kann derselbe die zu bestimmenden Rechte nicht als Miteigentumsrechte, sondern nur als Rechte der Nachbarn denken, welche die aus den allgemeinen Bestimmungen der §§ 948, 949 B G B sich ergebenden Rechte gegenseitig beschränken. Die beschränkenden Rechte finden ihren Gegenstand in der durch die Grenzeinrichtung okkupierten Grundstücksparzelle. Damit eine gegenseitige Beschränkung — nur eine solche soll bestimmt werden — denkbar sei, ist erforderlich, daß jene Grundstücksparzelle von der Grenze durchschnitten, teils zu dem einen, teils zu dem andern Nachbargrundstücke gehöre, wenn auch die Beiträge von der einen und von der andern Seite von verschiedener Größe sind." Daran ist richtig, daß ein drittes Grundstück neben den Nachbargrundstücken nicht vorhanden ist, das ist aber auch gar nicht nötig, da Gegenstand des Miteigentums nicht unter allen Umständen der Boden sein muß, sondern auch die Anlage sein kann. Unrichtig aber ist es 3 7 ), und das ist der K e r n der Streitfrage, daß an einer Superfi2ies kein anderes Eigentumsverhältnis bestehen könne als am Grundstück selbst 37 »). Hier sind die oben M ) aufgestellten Grundsätze über den Fall einschlägig, daß die Grenze durch eine Einheitssache geht. Dann verliert der in § 94 A b s . 1 B G B aufgestellte Satz „superficies solo cedit" seine K r a f t zugunsten der in § 93 B G B aufgestellten N o r m v o n der Untrennbarkeit wesentlicher Sachbestandteile. Das bedeutet die Ablehnung der Ansicht, daß die Grenzeinrichtung nach dem Verlauf des Grenzzugs real geteilt sei und daß eine Mauer v o n 30 cm Dicke in einer Breite von 15 cm dem A , v o n 15 cm dem B als Alleineigentümer zustehe; eine solche Auffassung widerstrebt jedem natürlichen Empfinden und führt zu konstruktiver Rechtsbildung 38 »). D i e hier abgelehnte Meinung beruft sich auf R G 70, 2 0 1 . Diese E n t scheidung bezieht sich zwar nicht auf eine Grenzeinrichtung, sondern auf den Fall, daß die Grenze mitten durch ein einheitlich errichtetes Gebäude geht. Dabei hat nun allerdings das R G Grundsätze aufgestellt, deren Übertragung auf Grenzeinrichtungen zu einer realen Aufteilung des Eigentums an der Grenzeinrichtung führt 3 9 ). 37 ) Uber die Unrichtigkeit der Fiktion der Gewißheit von Grundstücksgrenzen siehe oben § 6. 37a ) Der Grundsatz „superficies solo cedit" war im Gemeinen Recht streng durchgeführt: Gierke § 126 II/7 S. 434 u. Anm. 72; Windscheid-Kipp § 188 Nr. 1 S. 974 und Anm. 10. Vgl. auch B G H N J W 69 S. 1481 (Bei Errichtung seines Hauses vor 1900 hatte der Grundstückseigentümer eine entlang der Grenze auf dem Nachbargrundstück stehende Trennmauer in sein Gebäude einbezogen; die Mauer blieb Eigentum des Nachbarn). Zu dieser Entscheidung siehe auch unten § 7 III 3 am Ende und zu § 24 V I I 8. » ) § 2 II. 38a ) So jetzt auch Staudinger RN. 12 zu § 921 B G B . Vgl. ferner oben N. 36 und unten N. 40. 39 ) Später hat das Reichsgericht (RG 160, 176; 169, 175) die in R G 70, 201 vertretene Rechtsansicht hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse beim Eigengrenzüberbau
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III 3 Diese Verallgemeinerung führt zu recht gekünstelten Ergebnissen. Das R G führt aus: „Würde das von der Grenze durchschnittene Gebäude durch Niederreißen in seine Bestandteile zerlegt, oder würden sonst die Teile des Gebäudes von einander getrennt, so verblieben zunächst die Stücke, die je innerhalb der Grundstücksgrenzen sich befunden hätten, im Eigentume der Partei, der das Grundstück gehört; denn die Tatsache der Trennung könnte auf das bestehende Eigentum keinen Einfluß ausüben. Die Stücke aber, die sich unmittelbar auf der Grenze der beiden Grundstücke dergestalt befinden, daß sie durch die Grenzlinie durchschnitten würden, müßten, da sie nach der Trennung von dem Boden und dessen anderen Bestandteilen den für bewegliche Sachen geltenden Rechtsgrundsätzen unterlägen, und da eine Sonderinhabung eines jeden der beiden Grundstückseigentümer an ihnen tatsächlich nicht möglich wäre, mit Rechtsnotwendigkeit Miteigentum der beiden Parteien werden und zwar zu Bruchteilen, die der früheren räumlichen Erstreckung des zur beweglichen Sache gewordenen Bodenbestandteiles auf das eine und das andere Grundstück entsprechen müssen."
Diese Ausführungen sind nicht frei von innerem Widerspruch. Einmal heißt es: „das real geteilte Eigentum erhalte sich auch nach der Trennung; denn die Tatsache der Trennung könne auf das bestehende Eigentum keinen Einfluß ausüben." Andererseits sollen die unmittelbar auf der Grenze stehenden (!) Stücke durch die Trennung Miteigentum beider Parteien nach Quoten werden, da sie nach der Trennung den Normen für Mobilien unterlägen und eine getrennte Innehabung nicht vertrügen; damit aber wird die Tatsache der Trennung dennoch von Einfluß auf das Eigentum. Es ist auch nicht zu verstehen, wo das Reichsgericht die Grenze für diejenigen Teile ziehen wollte, die sich im Sondereigentum erhalten gegenüber den Teilen, die aus dem Sondereigentum ins Miteigentum treten. Wo sollen z. B. bei einer festen Scheidemauer von i m Dicke die von der Grenze geschnittenen „Stücke" aufhören? Es kann doch wohl kaum das Eigentum an Teilen bis zu 5, 10, 15 cm Entfernung von der Grenzlinie durch die Trennung berührt werden, die weiter entfernten Teile nicht. Eine solche Mauer kann durch Verhärtung des Mörtels so zusammengewachsen sein, daß sie ohne Zerstörung der einzelnen Steine, aus welchen sie zusammengesetzt ist, gar nicht auseinandergenommen werden kann. Man könnte darauf antworten, daß eben dann alle Bestandteile dieser Mauer nach der Trennung vom Boden ins Miteigentum fallen. Soll das dann anders sein, wenn der Mörtel die Mauersteine weniger fest zusammenhält? Eine Entscheidung, die zu solchen Widersprüchen und Künsteleien führt, kann unmöglich von richtiger Grundanschauung ausgehen. Die logische und wirtschaftliche Unmöglichkeit der Zerlegung von aufgegeben. Die Ansicht, daß bei Grenzmauern reale Teilung des Eigentums bis jeweils zur Grenze eintritt, wenn weder die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 S. 2 B G B (s. § 8 II 1) noch die Duldungspflicht des § 912 Abs. 1 B G B (s. § 8 II 2) gegeben sind, hat es dagegen aufrechterhalten (RG 162, 212). Vgl. auch unten zu N. 45 h—45 k sowie § 24 V I I 1.
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Grenzeinrichtungen
§7
III 3
Teilen der Einheitssache steht ihr entgegen. Läßt man diese Unmöglichkeit in den Hintergrund treten gegenüber der doch nur rechtspolitischen Vorschrift des § 94 Abs. 1 B G B „superficies solo cedit", dann führt das bei Grenzeinrichtungen zu Ergebnissen, die mit den Anschauungen des Verkehrs unverträglich sind. Man muß sich nur freimachen von der Anschauung, die Grenzeinrichtung in erster Linie nach ihrem Zusammenhang mit dem Grund und Boden zu beurteilen. In Wahrheit ist ja doch der Zusammenhang der Teile untereinander von vorneherein inniger als der Zusammenhang mit dem Boden. Die Steine der Mauer sind zunächst Bestandteile der Mauer, erst mit dieser und durch diese werden sie zum Bestandteil des Grundstücks. Davon muß man auch bei der rechtlichen Würdigung ausgehen und den Zusammenhang des Steines mit der Mauer auch in seiner Wirkung dem Zusammenhang des Steines mit dem Grundstück voranstellen. Der Zusammenhang des Steines mit der Mauer ist auch stärker. Bei einer durch Verhärtung des Mörtels zusammengewachsenen Mauer läßt sich denken, daß man die Mauer vom Boden trennt und daß die Steine dennoch beisammen bleiben. Der Natur der Sache entsprechend muß demnach auch der rechtliche Zusammenhang der Teile untereinander für stärker erachtet werden als der rechtliche Zusammenhang der Teile mit dem Grundstück. Dann bleibt aber für die rechtliche Beurteilung des Eigentumsverhältnisses keine andere Wahl als die mit dem Rechtsbewußtsein, der Verkehrsanschauung und der Rechtsüberlieferung im Einklang stehende Annahme eines Miteigentums an der Grenzanlage40). Die Anlage selbst bleibt ungeteilt (§93 BGB), nur das Herrschaftsrecht an der Anlage wird in Teile zerlegt. Genau dieselbe Erwägung, die das Reichsgericht dazu bringt, nach der Trennung vom Grundstück Miteigentum an den vorher von der Grenze geschnittenen zusammenhängenden Bestandteilen der Sache anzunehmen, führt zur Annahme des Miteigentums an der noch stehenden Anlage. Denn „da eine " ) Ebenso B G H N J W 55, 2 5 7 ; N J W 59, 1364 = M D R 59, 565; N J W 61, 780 = M D R 61, 401; N J W 63, 1868 = M D R 63, 832; B G H N J W 65 S. 811 u. dazu Hodes N J W 65 S. 2088; Staudinger R N . 20 zu § 94 B G B sowie R N . 12, 25 u. 34 zu § 921 B G B und Fußnote daselbst, wo ganz allgemein bemerkt ist, daß Miteigentum schlechthin für alle Bauwerke anzunehmen sei, die sich als einheitliche Sachen im Sinne des § 93 B G B über zwei Grundstücke erstrecken, sofern nicht auf Grund der §§ 95 fr. und 912fr. B G B Alleineigentum hinsichtlich des ganzen Bauwerks bestehe; im Gegensatz hierzu ist aber noch in R N . 5 (1 b) zu § 922 B G B von dem „im Eigentum eines Nachbarn stehenden Teils der Mauer" die Rede. Vgl. ferner Meisner-Ring § 7 III 3; Scherer M D R 63, 548; Crome 428 und 299 Nr. 3, Landsberg 2, 645; Cosack 2, 160; Breit in Fischers Z . 38, 1 8 5 ; Waller J W 09, 945 und in RheinArch 107, 87 (allerdings mit bedenklichen Folgerungen); Brugger in BadRspr. 1 1 , 60 und in BadNotZ 12, 7. — Wegen der abweichenden Auffassungen vgl. oben N . 36.
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III 3 Sonderinhabung an ihnen tatsächlich nicht möglich" ist, sind sie „mit Rechtsnotwendigkeit Miteigentum der beiden" Nachbarn. Sie sind es nach der Trennung und, weil die „Tatsache der Trennung auf das bestehende Eigentum keinen Einfluß ausüben könnte", auch schon v o r der Trennung. Das Miteigentumsrecht an der Grenzanlage ist als subjektiv dingliches Recht untrennbar mit dem Eigentum der Nachbargrundstücke verbunden. Insoweit kommt die Abhängigkeit der Anlage von dem Grund und Boden, auf welchem sie steht, und somit der Grundsatz des § 94 Abs. 1 B G B zur Geltung. Die Voranstellung des Grundsatzes von der Untrennbarkeit der Bestandteile führt aber zu einem weiteren Rechtskonflikt, wenn die Einheitssache (Mauer), um deren Teile es sich handelt, selbst wieder ein Bestandteil einer anderen Anlage (Haus) ist; wenn z.B. eine auf d e r G r e n z e s t e h e n d e M a u e r die A b s c h l u ß w a n d v o n z w e i H ä u s e r n bildet, dergestalt, daß sie ebenso gut zu dem einen Haus gehört wie zu dem andern. Die beiden Häuser stehen in Alleineigentum. § 93 B G B bestimmt, daß sich das Eigentum auf die wesentlichen Bestandteile erstreckt. Die Mauer, und zwar die ganze Mauer, ist wesentlicher Bestandteil des Hauses Nr. 1 nicht mehr und nicht weniger als des Hauses Nr. 2. Es trifft also bei folgerichtiger Durchführung des § 9} B G B an der ganzen Mauer das Alleineigentumsrecht des einen mit dem Alleineigentumsrecht des andern zusammen. Es würde keine Lösung des Konfliktes, sondern nur ein Ausweichen bedeuten, wenn man d e s h a l b den § 93 B G B völlig preisgeben und sich auf den Standpunkt des § 94 Abs. 1 B G B (superficies solo cedit) zurückziehen wollte. Denn wenn die Vorschrift des § 94 Abs. 1 B G B nicht bestünde, müßte der Konflikt, der sich ausschließlich im Rahmen des § 93 B G B selbst bewegt, doch auch gelöst werden. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß dieser Konflikt gerade eine Folge der Unbeweglichkeit der beiden Häuser, also eine Folge ihrer festen Verbindung mit dem Grund und Boden ist. Allein die Preisgabe des § 93 B G B und der Rückzug auf den Rechtsboden des § 94 Abs. 1 B G B führt zu demselben Konflikt. Denn der Grundsatz des § 94 Abs. 1 B G B gilt nicht ausnahmslos. Nach § 95 B G B gehört nicht zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks ein Werk, das in Ausübung eines (dinglichen)41) Rechts von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist. Stellt nun eine Grenzmauer eine Grenzeinrichtung dar, weil sie im beiderseitigen Einverständnis der benachbarten Grundeigentümer selbständig auf der Grenze errichtet worden oder weil sie nach der Zerstörung der beiden Häuser, denen sie als Abschlußwand gedient hatte, allein stehen geblieben 4 1 a ) oder weil beiderseits an sie angebaut worden 41
) Herrschende Meinung. Vgl. oben § 2 N. 16. ) Vgl. oben I 1 N. 8.
41a
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Grenzeinrichtungen
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ist 41 "), so steht jedem der beiden Nachbarn gemäß § 921 B G B ein dingliches Recht darauf zu, daß die Mauer auch insoweit erhalten bleibt, als sie auf fremdem Boden steht; dieses Recht fällt unter § 95 B G B (Vgl. unten § 8). Daraus folgt, daß auf die übergebauten Mauerteile nicht § 94 Abs. 1, sondern § 94 Abs. 2 und § 95 B G B anzuwenden sind mit der Folge, daß jeder der beiden Grundeigentümer mit demselben Recht wie sein Nachbar sich darauf berufen kann, daß der (von seinem Grundstück aus betrachtet) hinübergebaute Teil der Mauer nicht zu den wesentlichen Bestandteilen des Nachbargrundstückes gehört, sondern als wesentlicher Bestandteil seines Hauses in seinem Alleineigentum steht. Also auch im Rahmen der §§94 Abs. 1, 95 B G B stößt das Alleineigentum des einen Nachbars auf das Alleineigentum des andern mit der rechtlich unabweisbaren Folge, daß sie beide Miteigentümer der ganzen Mauer sind 41c ). Das deckt sich mit der Tatsache, daß die ganze Mauer gemeinschaftlich ist. Es ist nicht wahr, daß jedem an der einen Hälfte die ausschließliche Einwirkungs- und die Ausschlußbefugnis zusteht. Die Macht der Tatsachen erzwingt die Behandlung der Äbschlußwand als einer gemeinschaftlichen. Die Beteiligten wissen es nicht anders und der Jurist geht fehl, wenn er mit einem doktrinären Grundsatz, den er doch nicht durchführen kann, den Tatsachen Gewalt antun und den gesunden Menschenverstand in Fesseln schlagen will. Wenn § 93 B G B zwei verschiedenen Personen das volle und ausschließliche Herrschaftsrecht an derselben Sache zuspricht, so kann es logischerweise gar nichts anderes sein als Miteigentum. In dem Zusammentreffen von zwei Alleineigentumsrechten in derselben Sache ist begrifflich Miteigentumsrecht gegeben 42 ). Es ist kein Ausfluß des Eigentums am Grund und Boden, sondern untrennbar mit dem Eigentum am Gebäude verbunden. 4 1 h ) Solange die übergebaute Grenzmauer nur von einem Gebäude beansprucht ist, also vor dem Anbau durch den Nachbarn, ist eine Grenzeinrichtung nicht gegeben; der Gebäudeeigentümer ist Alleineigentümer der Grenzmauer. Vgl. hierzu oben 1 1 N. 7 a u. 8 sowie unten § 8 XI und N. 35 u. 36 daselbst. 4 1 c ) Wegen der Rechtsverhältnisse bei nur teilweisem Anbau (teilweiser Inanspruchnahme der Grenzmauer) vgl. unten § 8 III 1. 4 2 ) § 947 B G B bestimmt: Werden bewegliche Sachen miteinander dergestalt verbunden, daß sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache werden, so werden die bisherigen Eigentümer Miteigentumer d i e s e r Sache; die Anteile bestimmen sich nach dem Verhältnis des Wertes, den die Sachen zur Zeit der Verbindung haben. Ist eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer das Alleineigentum. Gewiß gilt diese Vorschrift nur für bewegliche Sachen; die Normierung einer Vorschrift für den Fall der Verbindung mehrerer unbeweglicher Sachen hat der Gesetzgeber — wie zugegeben werden muß — bewußt unterlassen, weil er sich vorgestellt hat, daß eine solche Verbindung mit Rücksicht auf die Bestimmungen der §§ 94, 946 B G B rechtlich nicht möglich sei. Diese Möglichkeit wird aber durch die Macht der Tatsachen erzwungen, und die sich hieraus ergebende Gesetzeslücke muß dann eben durch analoge Anwendung des in § 947 B G B anerkannten Grundsatzes ausgefüllt werden.
10 Meisncr-Stem-Hodes, Nachbarrecht, j. Aufl.
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Solange nur ein Haus besteht, gehört die ganze Grenzmauer, die von der Grenze durchschnitten wird, zu diesem Haus. Wird das Nachbarhaus angebaut und die Scheidewand auch diesem Nachbarhaus als wesentlicher Bestandteil einverleibt, so verwandelt sich das bisherige Alleineigentum des einen Nachbars in Miteigentum der beiden Nachbarn42»). Reißt der Nachbar, der zuerst gebaut hatte, sein Haus ab, so muß er die ganze Mauer stehen lassen und der andere wird von selbst Alleineigentümer der ganzen Mauer 43 ). Allenthalben sehen wir, wie der wirtschaftliche Zusammenhang 42a) Vgl. oben I i mit N. 7 bis 8 und unten § 8 III 1. 43 ) E r wird daraus nicht ohne weiteres verpflichtet, dem Eigentümer des zuerst gebauten Hauses den Wert der halben Mauer zu ersetzen. Zwar hat dieser einen Rechtsverlust erlitten, den der andere als Vorteil erlangt hat; er hat ihn auch ohne rechtlichen Grund im Sinne des § 812 B G B erlangt. Aber derjenige, der sein Haus abgerissen hat, ist berechtigt, jederzeit die Mauer wieder zum Anbau zu benutzen. Es wird also nur die Hälfte der so b e l a s t e t e n Mauer erworben. Der Erwerber hat somit, solange die Wand steht, nicht mehr Befugnis durch den Erwerb erlangt, als er schon vorher hatte, und infolgedessen ist der Geldwert des erworbenen Eigentumsrechts gleich null. Ebenso Staudinger R N . 40 zu § 921 B G B . Dies ändert sich aber, sobald der jetzige Alleineigentümer auf Grund seiner Eigentümerstellung die Mauer beseitigt, da damit das an die Stelle des Miteigentums getretene Anbaurecht gleichfalls vernichtet wird: In solchem Falle muß daher dem früheren Miteigentümer in Höhe des seinem früheren Miteigentumsanteil entsprechenden Teilwerts der Mauer Ersatz geleistet werden. Vgl. hierzu auch die Regelungen, die einzelne Länder getroffen haben: aa) Hessen in § 5 HessNRG (GVB1. 62 S. 417). •— Vgl. dazu Hodes, Hess.Nachbarrecht, S. 42 fr. §5 Beseitigen der Nachbarwand (1) Der Eigentümer der Nachbar wand ist berechtigt, die Nachbarwand ganz oder teilweise zu beseitigen, solange und soweit noch nicht angebaut ist. (2) Das Recht nach Abs. 1 besteht nicht, wenn der anbauberechtigte Eigentümer des Nachbargrundstücks die Absicht, die Nachbarwand ganz oder teilweise durch Anbau zu nutzen, dem Eigentümer der Nachbarwand anzeigt und spätestens binnen 6 Monaten den erforderlichen Bauantrag bei der Bauaufsichtsbehörde einreicht. (3) Abs. 2 ist nicht anwendbar, wenn der Eigentümer der Nachbarwand, bevor er eine Anzeige nach Abs. 2 erhalten hat, die Absicht, die Nachbarwand ganz oder teilweise zu beseitigen, dem Eigentümer des Nachbargrundstücks anzeigt und spätestens binnen 6 Monaten den erforderlichen Bauantrag bei der Bauaufsichtsbehörde einreicht. (4) Gehen die Anzeigen nach Abs. 2 und 3 ihren Empfängern gleichzeitig zu, so hat die Anzeige nach Abs. 3 keine Rechtswirkung. (5) Macht der Eigentümer der Nachbarwand von seinem Beseitigungsrecht zulässigen Gebrauch, so hat er dem Eigentümer des Nachbargrundstücks für die Dauer der Nutzung des Nachbargrundstücks durch den hinübergebauten Teil der Nachbarwand eine angemessene Vergütung zu leisten. Beseitigt der Eigentümer der Nachbarwand diese ganz oder teilweise, obwohl gemäß Abs. 2 ein Recht hierzu nicht besteht, so hat er dem anbauberechtigten Eigentümer des Nachbargrundstücks Ersatz für den durch die völlige oder teilweise Beseitigung der Anbaumöglichkeit zugefügten Schaden zu leisten; der Anspruch wird mit der Rohbauabnahme des späteren Bauwerks fällig.
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der Sachbestandteile (§ 93 B G B ) dem Zusammenhang mit dem Boden vorangeht und der Grundsatz superficies solo cedit zurücktritt. bb) Niedersachsen in § 11 Nieders. N R G (GVBI. 67 S. 91). — Vgl. dazu HoofDjuren S. 44 u. 49ff. sowie Lehmann S. 59 u. 72fr. § 11 Beseitigen der Nachbarwand vor dem Anbau (1) Der Eigentümer des zuerst bebauten Grundstücks darf die Nachbarwand nur mit Einwilligung des Nachbarn beseitigen. Die Absicht, die Nachbarwand zu beseitigen, muß dem Nachbarn schriftlich erklärt werden. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Nachbar dieser Erklärung nicht innerhalb von zwei Monaten schriftlich widerspricht. Für die Erklärung gilt § 8 Abs. 3 entsprechend. (2) Die Einwilligung gilt trotz Widerspruchs als erteilt, wenn a) der Nachbar nicht innerhalb von sechs Monaten nach Empfang der Erklärung einen Antrag auf Genehmigung eines Anbaues bei der Baugenehmigungsbehörde einreicht oder (b) wenn die Ablehnung einer beantragten Baugenehmigung nicht mehr angefochten werden kann oder c) wenn von einer Baugenehmigung nicht innerhalb eines Jahres nach Erteilung Gebrauch gemacht wird. (3) Beseitigt der Erstbauende die Nachbarwand rechtswidrig ganz oder teilweise, so kann der anbauberechtigte Nachbar auch ohne Verschulden des Erstbauenden Schadenersatz verlangen. Der Anspruch wird fällig, wenn das spätere Bauwerk im Rohbau hergestellt ist. § 6 (Satz 2) Wird die Nachbarwand beseitigt, bevor angebaut ist, so kann der Nachbar für die Zeitspanne ihres Bestehens eine Vergütung gemäß § 912 B G B beanspruchen. cc) Nordrhein-Westfalen in § 14 NRW. N R G (GV 69 S. 190). § 14 Beseitigung der Nachbarwand (1) Der Eigentümer der Nachbarwand ist berechtigt, die Nachbarwand ganz oder teilweise zu beseitigen, solange und soweit noch nicht angebaut ist. (2) Das Recht zur Beseitigung besteht nicht, wenn der anbauberechtigte Eigentümer des Nachbargrundstücks die Absicht, die Nachbarwand ganz oder teilweise durch Anbau zu nutzen, dem Eigentümer der Nachbarwand schriftlich anzeigt und spätestens binnen sechs Monaten den erforderlichen Bauantrag einreicht. (3) Das Recht zur Beseitigung bleibt jedoch bestehen, wenn der Eigentümer der Nachbarwand, bevor er eine Anzeige nach Absatz 2 erhalten hat, die Absicht, die Nachbarwand ganz oder teilweise zu beseitigen, dem Eigentümer des Nachbargrundstücks schriftlich anzeigt und spätestens binnen sechs Monaten den erforderlichen Antrag auf Genehmigung des Abbruchs einreicht. (4) Gehen die Anzeigen nach Absätzen 2 und 3 ihren Empfängern gleichzeitig zu, so hat die Anzeige nach Absatz 3 keine Rechtswirkung. (5) Macht der Eigentümer der Nachbarwand von seinem Recht zur Beseitigung Gebrauch, so hat er dem Eigentümer des Nachbargrundstücks 1. für die Dauer der Nutzung des Nachbargrundstücks durch den hinübergebauten Teil der Nachbarwand eine angemessene Vergütung zu leisten und 2. eine gemäß § ix erbrachte Leistung zu erstatten und mit 4% vom Zeitpunkt der Zahlung an zu verzinsen; bereits gezahlte Zinsen sind anzurechnen. 10'
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§
T
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III 3 Auch die neuere Rechtsentwicklung, wie sie im Wohnungseigentumsgesetz 43a ) ihren Niederschlag gefunden hat, zeigt deutlich eine Abkehr von dem starren Grundsatz des § 94 I B G B ; auch sie spricht daher für die hier vertretene Ansicht. Einen bedeutsamen Schritt in Richtung auf die hier vertretene Rechtsansicht hat der Bundesgerichtshof erstmals in seiner Entscheidung in N JW. 55 S. 257 getan. Denn dort hat er Miteigentum an der nach der Zerstörung der beiden angebauten Gebäude übriggebliebenen Giebelwand bejaht 43 "). Dieser Vorgang einer allmählichen Annäherung der beiderseitigen Rechtsansichten hat sich fortgesetzt. So nimmt der B G H nun bei einverständlichem Uberschreiten der Grenze oder bei einem Uberbau unter den Voraussetzungen des § 912 B G B bis zum Anbau des Nachbarn Alleineigentum des Ersterbauers an der Giebelmauer und nach dem Anbau durch den Nachbarn Miteigentum der beiden Grundstückseigentümer an43c). Ferner hat der B G H in seiner Entscheidung N J W 63 S. 1868 zutreffend ausgeführt, daß die Vorschriften über die Voraussetzungen, unter denen ein Bestandteil wesentlicher Bestandteil einer Sache ist, darauf, ob die Voraussetzungen in erlaubter oder unerlaubter Weise verwirklicht worden sind, keine Rücksicht nehmen, sondern daß dafür die tatsächlichen Umstände maßgebend sind. Diese billigenswerte Ansicht hat in der Entscheidung des B G H in N J W 6 5 S. 811 insofern ihre Bestätigung gefunden, als dort die Auffassung vertreten ist, daß in jedem Falle des Anbaus durch den Zweiterbauer an die auf der Grenze stehende Grenzmauer Miteigentum der beiden Grundstückseigentümer nach Bruchteilen entsteht, also ohne Rücksicht darauf, ob der vorangegangene Uberbau im Einverständnis oder im Sinne des § 912 B G B entschuldigt oder nicht entschuldigt vorgenommen worden ist48d). In (6) Beseitigt der Eigentümer der Nachbarwand diese ganz oder teilweise, obwoh gemäß Absatz 2 ein Recht hierzu nicht besteht, so hat er dem anbauberechtigten Eigen tümer des Nachbargrundstücks Ersatz für den durch die völlige oder teilweise Beseitigung der Anbaumöglichkeit zugefügten Schaden zu leisten. Der Anspruch wird fällig, wenn die spätere bauliche Anlage in Gebrauch genommen wird. 43a ) Vgl. oben § 3 II. 43b ) Vgl. hierzu B G H N J W 59, 1364 = M D R 59, 565. 43c) N J W 58, 1180 = M D R 58, 591; N J W 62, 149 = M D R 62, 120; vgl. auch B G H N J W 61, 780 = M D R 61, 401. Diese Ansicht kann heute als die maßgebende angesehen werden; vgl. oben N . 40. 43d) Vgl. hierzu auch Hodes N J W 65 S. 2088 und unten zu N . 43 h bis 43 k. Nachdem der B G H zunächst in Übereinstimmung mit der Entscheidung des L G Duisburg N J W 62 S. 1251 (hiergegen Hodes in der Anm. daselbst) in seiner Entscheidung N J W 64 S. 1 2 2 1 (dagegen Hodes N J W 64 S. 2382 [2385fr.]) die Ansicht vertreten hatte, daß die Einbeziehung einer ausschließlich auf dem Nachbargrundstück stehenden Mauer in das Gebäude keinen Wechsel in dem Alleineigentum des Grundstücks, auf dessen Boden die Mauer steht, bewirke, hat er inzwischen diese Auffassung in seiner Entscheidung in N J W 69 S. 1481 für den Fall aufgegeben, daß ein Grundstückseigentümer im „entschul-
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III 3 dieser letztgenannten Entscheidung N J W 65 S. 811 hält der B G H allerdings zu Unrecht und in Abweichung von seiner Entscheidung in N J W 65 S. 389 an dem Miteigentum an der Grenzmauer nach Bruchteilen auch für den Fall fest, daß nur eines der beiden Gebäude, die durch die auf der Grenze stehende Grenzmauer miteinander verbunden waren, zerstört oder abgerissen wird; nach richtiger Ansicht besteht bis zum Wiederanbau durch den Nachbarn Alleineigentum des Grundstücksbesitzers, dessen Gebäude erhalten geblieben ist (vgl. dazu Hodes N J W 65 S. 2088). An der vertikalen Aufteilung des Eigentums an der Mauer lotrecht über der Grenzlinie hält der B G H noch für den Fall des unentschuldigten Grenzüberbaus, also bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Überbau oder bei einem Uberbau mit vorherigem oder sich sofort anschließendem Widerspruch des Nachbars fest 43e ). Zur Begründung führt er aus, daß im Fall des unentschuldigten Überbaus eines (nicht „gemeinsamen") Gebäudes weder die Annahme von Miteigentum beider Nachbarn noch erst recht die Annahme von Alleineigentum des zu Unrecht Überbauenden zu einem das Rechtsempfinden befriedigenden Ergebnis führe, sondern am ehesten die vertikale Eigentumsaufteilung. Das grundsätzlich richtige Bestreben nach eigentumsmäßiger Zusammenfassung wirtschaftlicher Einheiten finde da seine Grenze, wo bei Schaffung der wirtschaftlichen Einheit fremdes Eigentum verletzt werde. In solchem Falle verdiene der Bodeneigentümer, nicht aber der unberechtigt Überbauende auch eigentumsmäßig den Schutz der Rechtsordnung; die Anwendung des „wortlautmäßig passenden" § 94 Abs. 1 S. 1 B G B habe hier auch ihre innere Berechtigung. Die Eigentumsgrenze gehe mitten durch das übergebaute Gebäude hindurch, denn sie werde „jeweils von einer lotrecht auf der Grenzlinie gedachten Wand gebildet". Gegenüber dieser Ansicht 43e ) muß man zunächst fragen, wie denn unter solchen Umständen der rechtswidrig „überbaute" Nachbar sein vertikales Eigentumsrecht praktisch soll ausüben können; soll er z. B. das ihm gehörige Gebäudestück in Selbsthilfe abreißen oder zu ihm einen Zugang von seinem Grundstück aus schaffen dürfen ? Im übrigen vermag auch die wesentlich auf rechtsethische Erwägungen gestützte Begründung nicht recht zu überzeugen, wenn man etwa die §§ 946 fF. B G B hier heranzieht. Nach diesen Vorschriften läßt nämlich der Gesetzgeber im Falle der Verdigten Überbau" das ausschließlich auf dem Nachbargrundstück stehende Restmauerwerk wieder aufgebaut und die Giebelmauer in sein Gebäude eingefügt hat; zutreffend hat der B G H hier in entsprechender Anwendung der §§ 912ff. B G B einen Überbau bejaht, woraus sich die zwingende Rechtsfolge ergibt, daß bis zum Anbau des Nachbarn an die Grenzmauer dem Ersterbauer das Alleineigentum an der Grenzmauer zusteht. Vgl. hierzu auch Hodes in N J W 70, 90. 43
im Falleil zu 6/6, der Eigentümer des Neubaues im Fallelzu 3/8, im Falle II zu V« beteiligt ist. Der Rechtsverlust, den der Eigentümer des alten Hauses erleidet, beträgt somit im Falle I 3 / s , im Falle II 1/6 seines Eigentumsrechts 87). 2. G r u n d und H ö h e der E n t s c h ä d i g u n g Für den Rechtsverlust, den der Eigentümer des ersten Hauses an seinem Mauereigentum durch den Anbau erleidet, muß Entschädigung geleistet werden. Der eine hat einen Teil seines Eigentums verloren, der andere 87 ) Vgl. Staudinger R N 37 zu § 921 B G B ; Breit in FischersZ 3 8 , 1 9 6 ; Kukuk 48 u. 80. Glaser M D R 56, 450; B G H Z 27, 197; 36, 54; O L G Celle N J W 58, 224 — mit zustimm. Anm. von Runge.
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III 2 hat ihn erlangt. Um den Wert dieses von dem einen verlorenen Eigentumsteiles ist der andere bereichert. Die Bereicherung beruht auf einer kraft Gesetzes (§ 93 BGB) eintretenden Rechtsänderung. Es muß nach Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung (§93 B G B ) beurteilt werden, ob nach dem Willen des Gesetzgebers der Verlust der Wiederherstellung des gekränkten Rechts oder nur der logischen Durchführung einer Rechtskonstruktion dienen soll. Der von § 93 B G B erzwungene Rechtsverlust tritt nur deshalb ein, weil ein zwiefaches Herrschaftsrecht an derselben Einheitssache sich mit der Logik nicht verträgt. Deshalb muß das Herrschafts recht des einen vernichtet werden, auch wenn dieses Eigentum der materiellen Gerechtigkeit durchaus entspricht. Mit § 93 B G B wird also das materielle Recht durch das formale überwunden. Ein dadurch herbeigeführter Rechtsverlust beruht nicht auf einem von Recht und Billigkeit getragenen Rechtsgrund, also hat der andere das, was der eine verloren hat, auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund erlangt. Damit ist der Herausgabeanspruch des § 812 B G B gegeben88). Der Einwand, daß ja der Nachbar das Recht zum Anbau habe (§ 922 BGB) und deshalb das Eigentumsrecht an der Mauer mit rechtlichem Grund erlange, ist nicht stichhaltig. Allerdings hat der Nachbar das Recht, die halbschichtige Mauer durch den Anbau mit seinem Haus zu verbinden. Aber der Erwerb des Eigentumsrechts gehört nicht zum Inhalt dieser Befugnis, sondern ist nur die rechtliche F o l g e der Ausübung der Befugnis. Der Bereicherte muß das, was er erlangt hat, herausgeben. Da er aber hierzu aus demselben zwingenden Rechtsgrund des § 93 B G B , der ihm das Eigentum zugebracht hat, außerstande ist, muß er den Geldwert ersetzen (§818 Abs. 2 BGB). Zu ersetzen ist der Wert des Eigentumsrechts, das er erlangt hat. Der Wert des Eigentums ist kein anderer als eben der Wert der Sache68»). Das 68 ) Staudinger R N 34 zu § 921 B G B ; Palandt Anm. 5b, bb zu § 921 B G B ; Breit, FischersZ 38, 195; Kukuk 79; RheinArch. 109, 227 (Düsseldorf), auch J W 12, 491; s. dagegen Lieberich, BayZ 14, 251. Auf dem Umweg der §§ 946, 951 B G B nehmen den Bereicherungsanspruch a n : J W i 2 , 1038 (Dresden); RheinArch. 1 1 0 I 219 (Köln); 108, 368 (Karlsruhe). O L G Dresden verkennt nicht, daß § 946 B G B sich nur auf die Verbindung einer b e w e g l i c h e n Sache mit einem Grundstück bezieht; es meint aber, daß das, was gelte, wenn die beiden Nachbarn die Mauer zusammen errichtet hätten, auch nach dem Anbau an eine von einem Nachbarn allein errichtete halbscheidige Mauer gelten müsse. Das gilt auch, aber nicht auf Grund des § 951 B G B (lex specialis für Verbindung b e w e g l i c h e r Sachen mit einem Grundstück), sondern auf Grund der allgemeinen Vorschrift des § 812 B G B . 68a ) Hat der Bauunternehmer die Giebelmauer fehlerhaft hergestellt, so haftet er nur seinem Bauherrn, nicht aber dem anbauberechtigten Nachbarn; denn entgegen O L G Düsseldorf N J W 65 S. 539 liegt hier kein Vertrag mit Schutzwirkung gegenüber Dritten vor: Vgl. hierzu Hodes N J W 65 S. 539.
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Die Kommunmauer
§ 8 III 2 Eigentum an der ideellen Hälfte der Mauer deckt sich mit der Hälfte ihres Wertes. Nimmt der Anbau die Mauer nur teilweise in Anspruch, so sind der ideelle Miteigentumsanteil und der zu erstattende Mauerwertanteil entsprechend geringer. 686 ). Da es nur darauf ankommt, welchen objektiven Wert der zugefallene ideelle Bruchteil an der Mauer hat, kann der Anbauende von dem Erstattungsbetrag grundsätzlich nicht die Kosten absetzen, die er aufwendet, um die Mauer für sich nutzbar zu machen, z. B. durch Beseitigen von Verputz oder Verschalung; auch kann er keinen Abzug mit der Begründung vornehmen, die Giebelmauer erfordere heute eine geringere Dicke als im Zeitpunkt ihrer Errichtung, sodaß er hierdurch einen Ausfall an Wohnraum und Mieteinnahme habe68c). Auch kann er nicht Mehraufwendungen absetzen, die ihm beim Anbau entstanden sind, sofern die Giebelmauer baupolizeilich zulässig und in einer Weise errichtet ist, daß dem Zweitbauenden die Errichtung eines dem Erstbau nach Größe und Belastungsart entsprechenden Nachbarhauses ohne Mehraufwendungen möglich gewesen wäre 68d ). Wohl aber können u. U. die Kosten für zusätz88 b ) B G H Z 17, 239; O L G Düsseldorf N J W 6 2 , 1 5 5 ; Staudinger R N 37 zu § 921 B G B ; Glaser-Dröschel Nr. 126 b. 68c ) Vgl. O L G Düsseldorf N J W 62, 166; L G Essen Westd. Türmer 1952, 1953. — § 3 Abs. 2 S. 2 H e s s . N R G (GVB1. 62, 417) schreibt vor, daß bei der im Falle des Anbaues an die — einverständlich errichtete — Nachbarwand festzusetzenden Vergütung angemessen zu berücksichtigen ist, wenn die Wand mehr Bodenfläche in Anspruch nimmt, als die Hälfte einer Wand benötigt hätte, die in der Dicke erstellt worden wäre, wie sie zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes notwendig gewesen wäre. Eine entsprechende Regelung trifft § 7 Abs. 3 und 4 N d s . N R G (GVB1. 67 S. 91): (3) Die Vergütung ermäßigt sich angemessen, wenn die besondere Bauart oder Bemessung der Wand nicht erforderlich oder nur für das zuerst errichtete Bauwerk erforderlich ist; sie erhöht sich angemessen, wenn die besondere Bauart oder Bemessung der Wand nur für das später errichtete Bauwerk erforderlich ist. (4) Steht die Nachbarwand mehr auf dem Grundstück des anbauenden Nachbarn, als in § 5 Abs. 2 vorgesehen ist, so kann dieser die Vergütung um den Wert des zusätzlich überbauten Bodens kürzen, wenn er nicht die in § 912 Abs. 2 oder in § 915 B G B bestimmten Rechte ausübt. Steht die Nachbarwand weniger auf dem Nachbargrundstück, als in § 5 Abs. 2 vorgesehen ist, so erhöht sich die Vergütung um den Wert des Bodens, den die Wand andernfalls auf dem Nachbargrundstück zusätzlich benötigt hätte. Entsprechendes bestimmt § 12 Abs. 3 N R W . N R G (GVB1. 69, 190): (3) Die Vergütung wird mit der Fertigstellung des Anbaus im Rohbau fällig. Bei der Berechnung des Wertes der Nachbarwand ist von den zu diesem Zeitpunkt üblichen Baukosten auszugehen. Abzuziehen sind die durch eine besondere Bauart bedingten Mehrkosten; § 1 1 bleibt unberührt. Das Alter, der bauliche Zustand und ein von § 10 abweichender Standort der Wand sind zu berücksichtigen. Auf Verlangen ist Sicherheit in Höhe der voraussichtlich zu gewährenden Vergütung zu leisten; der Anbau darf dann erst nach Leistung der Sicherheit begonnen oder fortgesetzt werden. Die Sicherheit kann in einer Bankbürgschaft bestehen. 68a ) O L G Düsseldorf N J W 66 S. 23! 2.
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§ 8 III 2
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
liehen Schallschutz gefordert werden, wenn die Schallschutzplatten mit der Mauer fest verbunden sind und dem E r s t b a u wesentliche Vorteile bringen 6 8 e ). Maßgebend f ü r den Wert ist der Zeitpunkt, in welchem der Vorteil erlangt ist. D a s ist der Zeitpunkt der Vollendung des Anbaus im R o h bau 6 9 ). I n diesem Z e i t p u n k t wird der Ablösungsanspruch fällig 6 9 »). D i e Hälfte bzw. der geringere Bruchteil des Wertes, den die Mauer (bzw. der Mauerteil) in diesem Zeitpunkt hat, ist zu ersetzen. O b die K o s t e n , die seinerzeit f ü r die Herstellung der Mauer aufgewendet wurden, höher oder niedriger waren als ihr Wert im Zeitpunkt der Vollendung des 68
) B G H N J W 59, 1632 u. 62, 2341; B G H B B 64, 662 u. 1235.
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§
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V2 Die Ortsüblichkeit des § 906 B G B ist ein „einigermaßen beweglicher Regulator, der sich mit den veränderten Verhältnissen selbst verändert" 113 ). Mit der Fortentwicklung und Ausdehnung der Industrie ändert sich der Charakter einer Gegend und damit auch das Maß der ortsüblichen Beeinträchtigung von Nachbargrundstücken. Die Ortsüblichkeit entfällt daher nicht schon dann, wenn die allgemein geübte Nutzung des Grundstücks zu bestimmten Zwecken aus betriebswirtschaftlichen Gründen in einer anderen Art und Weise als bisher erfolgt und dadurch störendere oder stärkere Gerüche ausgesendet werden; die im Betriebsgang hergestellte umgestellte Grundstücksbenutzung kann aber im Hinblick auf den „Interessenausgleich innerhalb eines Nachbarverhältnisses" oder einer „notwendigen Nutzungsgemeinschaft" dazu führen, daß die Benutzung nicht mehr der allgemein in diesem Bereich geübten Grundstücksbenutzung entspricht; dabei kann von Bedeutung sein, ob solche Anlagen etwas mehr oder weniger abgeschirmt inmitten eines Grundstücks oder unmittelbar an seiner Grenze eingerichtet sind 114 ). Bei den Lärmeinwirkungen ist zu berücksichtigen, daß der Fortschritt in der Entwicklung nach heutigen Begriffen sich kennzeichnet durch die Einführung und Verbesserung geeigneter Schutzmaßnahmen zugunsten der Nachbargrundstücke und nicht durch eine Steigerung der den Nachbarn zumutbaren Geräusche und Belästigungen 1 1 4 a ). Neben der wirtschaftlichen Entwicklung kommt dem Verkehrsfortschritt maßgebliche Bedeutung zu: Wächst der Verkehr sprunghaft an, so müssen die damit verbundenen Beeinträchtigungen grundsätzlich hingenommen werden 114b ). Ebenso muß sich der Straßenanlieger mit unerwarteten Änderungen abfinden, z. B. wenn durch die Entwicklung des Verkehrs oder durch Veränderungen im Straßennetz die Straße zur Ausfallstraße und damit zur Trägerin starken Verkehrs wird 1 1 4 c ); jedoch brauchen deshalb noch nicht die Störungen geduldet zu werden, die von den im Zuge solcher Entwicklung notwendig entstehenden Rasthäusern mit Tankstellen und Reparaturwerkstätten ausgehen, die daher grundsätzlich nur außerhalb des eigentlichen Wohngebietes zulässig erscheinen 1144 ). 113 ) Mot. 3, 267; R G 154, 1 6 1 ; 159, 1 3 9 ; 162, 349; K ö l n M D R 55, 359; Staudinger R N 31 zu § 906 B G B ; O G H B r Z in N J W 49, 7 1 3 . U4 ) B G H N J W 67, 1907; B G H Z 38, 6 1 ; R 23 Nr. 1239; HansGZ 23 Bbl. 155 (Hamburg). 114 ") B G H B B 64, 1235. ll4b ) B G H N J W 58, 1776 u. 62, 1 3 4 2 ; O L G Hamm BB 64, 1 2 7 1 ; R G 159, 1 3 7 ; Habscheid in M D R 54, 260. Zur Frage der Ortsüblichkeit von Garagen vgl. B G H N J W 59, 1632; O L G Celle NdsRpfl. 58, 189. 114c ) R G 133, 1 5 2 ; 154, 1 6 1 ; 159, 139; 162, 349; Köln M D R 55, 359; Staudinger R N 31 zu § 906 B G B ; Habscheid a. a. O. Vgl. auch unten § 17 N. 1 1 . 114d ) So mit Recht Habscheid a. a. O.
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des E i g e n t u m s
V 2 Ist eine Molkerei seiner2eit auf unbebautem Areal errichtet worden, so ist, wenn inzwischen die Stadt an die Molkerei herangewachsen ist, nach städtischen Verhältnissen zu entscheiden, ob die Benutzung des Grundstücks zu einer Molkerei gewöhnlich ist 115 ). Ist andererseits durch das Anwachsen einer Stadt und durch die damit verbundene Steigerung des Bodenwertes aus einem früheren Fabrikviertel ein Wohnungsviertel geworden, indem nach und nach die Fabriken weiter hinausverlegt wurden, so darf der Fabrikherr, der allein seine Fabrik an der früheren Stelle weiterbetreibt, den Ruß und Rauch seines Betriebes den benachbarten Grundstücken nicht mehr in der gleichen Weise zuleiten wie früher. Durch die P r i o r i t ä t (Prävention) wird eine Befugnis zur Fortsetzung der Immission nicht erworben 116 ). Der Fabrikherr kann sich daher nicht darauf berufen, daß seine Fabrik eher bestanden hat als das Wohnhaus 117 ). Dies gilt selbst dann, wenn der Eigentümer des leidenden Grundstückes die nachteilige Einwirkung der auf dem Nachbargrundstück befindlichen Anlagen auf die veränderte Benutzung seines Grundstückes (Wohnhausbau) voraussehen mußte; denn dann durfte er auch annehmen, daß der Nachbar Vorkehrungen treffen werde, die von da ab im Gegensatz zu früher als schädlich empfundene Einwirkung auf das zu ertragende Maß zurückführen 118 ). Ist die Immission unter der Geltung des früheren Rechts 30 Jahre lang und länger unbeanstandet zugeführt worden, so ist hierdurch kein Recht begründet worden, weil die Zuführung keine Rechtsausübung darstellt 119 ). W e n n ein Gärtner in einem Villenviertel seit 30 Jahren seinen Garten unbehelligt mit der Ausbeute seiner Senkgrube gedüngt hat, so darf der Nachbar die damit verbundene E i n w i r k u n g durch üble Gerüche gleichwohl verbieten. D e n n weder die Rücksichtslosigkeit des einen, n o c h die Nachsicht des anderen hat einen Rechtszustand geschaffen 1 2 0 ). 115 ) Bolze 16 N r . 65; J W 93, 315 N r . 32. Ii«) J W 01, 19 N r . 30; G r u c h o t 27, 905; R G 70, 152; 8 1 , 2 2 5 ; 1 5 4 , 1 6 5 ; 162, 349; B G H N J W 55, 19; B G H D W W 58, 18; O V G Münster R d L 58, 25; O L G K ö l n M D R 55» 359; R 01, 590 (Karlsruhe); J W 05, 495 N r . 21 (Dampfkesselraum neben f r ü h e r vorhandenem Eiskeller); Habscheid in M D R 54, 260; A. M . Westermann § 65 I I 30, Hörle, Verwaltungsarchiv 10, 370 u n d z u m Teil E n d e m a n n 473. Unzutreffend Scherer 3, 165: „ E i n dreißigjähriger gleichmäßiger Betrieb begründet die Ortsüblichkeit i m Sinne des § 906 B G B " . I m Falle J W 90, 51 N r . 17 wäre nach jetzigem Recht entgegengesetzt zu entscheiden. 117 ) SeuffA 46 N r . 248; O L G 18, 125. lls ) R G 57, 232; G r u c h o t 45, 1015 (RG). Anders beim Bergbau s. G r u c h o t a. a. O . Vgl. auch o b e n N . 71, N . 82 u n d unten N . 127. 119 ) Vgl. R G 12, 1 7 3 ; 57, 229; 11 N r . 51. Ähnlich, jedoch gegen Verallgemeinerung zurückhaltend, R 07 N r . 1467 (RG). Staudinger R N 14 u n d 51 zu § 906 BGB. 12 °) Cosack 2, 152.
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V2 Entscheidend ist lediglich die tatsächliche allgemeine Ü b u n g und die allgemeine Anschauung der Bevölkerung in dem maßgeblichen Vergleichsgebiet 1 2 1 ); dabei kann das Ortsrecht, hinsichtlich der Zulässigkeit v o n Garagen die Reichsgaragenordnung, bedeutsame Anhaltspunkte für die Ortsüblichkeit abgeben 121 »). Keineswegs ist Voraussetzung, daß j e d e s Grundstück des ganzen Ortes in gleicher Weise benutzt wird. So ist es z. B. für die Ortsüblichkeit des Kegelns nicht erforderlich, daß etwa auf jedem Grundstück gekegelt wird 1 2 2 ). Ist die Benutzung des Grundstückes nach A r t und M a ß bei Grundstücken dieser L a g e nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnlich, so k o m m t es weiter darauf an, ob die E i n w i r k u n g durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen vermieden werden könnte. V g l . hierzu unten V z b. Der Fabrikeigentümer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, schallsichere Fenster und Türen anzubringen, wenn dies in jener Gegend auch sonst nicht üblich ist. E r darf die Steinkohlen verwenden, die allgemein in der betreffenden Lage verfeuert werden, auch wenn sie besonders starken Qualm verursachen 123 ). (Unter Umständen kann polizeilicher Schutz angerufen werden.) Dagegen muß aber jetzt der Fabrikant einen Rauchverzehrer auf seinem Kamin anbringen, wenn sich dies als eine Maßnahme darstellt, die Benutzern dieser A r t wirtschaftlich zumutbar ist (vgl. unten V 2 b).
E s kann sich für eine bestimmte G e g e n d eine Benutzungsweise des Eigentums als die d o r t gewöhnliche im Gegensatz zu dem herausbilden, was anderwärts, w o Menschen in geordneten Verhältnissen zusammenleben, gebräuchlich ist, und w o dies der Fall ist, muß diese Benutzungsweise geduldet werden 1 2 4 ), sofern die Beeinträchtigung nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann. (Vgl. V 2 b.) Z u r ortsüblichen Benutzung eines Grundstücks durch einen Betrieb gehört auch die ortsübliche A r t der Einrichtung; so kann eine Schreinerei in einem festen Gebäude ortsüblich sein, dagegen ungewöhnlich sein, wenn sie in einem Bretterschuppen oder im Freien betrieben wird 1 2 4 "). Ein V e r z i c h t auf die Ansprüche wegen an sich unzulässiger Immissionen ist wirksam. E r kann auch stillschweigend erklärt werden; so z. B. kann unter Umständen in dem Verkauf der Teilfläche eines Grundstückes 121)
B G H N J W 62, 2341. w » ) B G H N J W 59, 1632. 122 ) D J Z 04, 407; O L G K ö l n M D R 65 S. 742; O L G Saarbrücken JBlSaar 66 S. 162; ferner JW 05, 231; danach soll das Kegeln in einer Stadt nur insoweit verboten werden können, als hierdurch ein übermäßiger, die Nachtruhe der Nachbarn störender Lärm in die Nachbarhäuser hinüberdringt. — Nach Gruchot 48, 604 wird andererseits der Begriff der Ortsüblichkeit noch nicht dadurch erfüllt, daß sich in e i n e m H ä u s e r b l o c k mehrere Kegelbahnen befinden. 123 )
V g l . Cosack 2, 152. ) V g l . R G 21, 299. 1 2 4 a ) H R R 36, 1357.
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zur Errichtung einer Fabrik oder eines sonstigen Gewerbebetriebs (Tankstelle) ein solcher Verzicht erblickt werden 124 "). Dagegen kann aus der Tatsache, daß der Nachbar längere Zeit hindurch Immissionen geduldet hat, regelmäßig nicht geschlossen werden, daß er auf seine Ansprüche verzichtet hat 124 c). b) W i r t s c h a f t l i c h z u m u t b a r e A b w e h r m a ß n a h m e n aa) A b w e h r m a ß n a h m e n Die Verpflichtung zu Abwehrmaßnahmen besteht nur insoweit, als auf Grund ortsüblicher Benutzung des Grundstücks eine wesentliche Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks stattfindet, also nur hinsichtlich des Teils der Einwirkungen, der die durch § 906 Abs. 1 B G B gezogenen Grenzen überschreitet (BGH N J W 62, 2341; 55, 19) Unter den Begriff Abwehrmaßnahmen fallen nicht nur technische Einrichtungen oder Vorkehrungen, sondern auch alle möglichen Vorgänge und Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Beeinträchtigung ganz zu beseitigen oder sie so zu vermindern, daß sie nicht mehr wesentlich ist, z. B. die Verlegung eines Parkplatzes, die zeitige Schließung einer Gastwirtschaft am Abend, die Abwandlung eines Produktionsverfahrens, das Verbringen einer Maschine an einen anderen Platz der Fabrikhalle, das Abstellen eines Motors bei Nacht usw. Die völlige Betriebseinstellung kommt als Abwehrmaßnahme nicht in Betracht, denn in solchem Falle würden Einwirkungen überhaupt nicht mehr entstehen können. bb) W i r t s c h a f t l i c h e Z u m u t b a r k e i t . Die Abwehrmaßnahme muß „Benutzern dieser A r t " wirtschaftlich zumutbar sein. Damit ist nicht auf die Leistungsfähigkeit des Störers im Einzelfalle abgestellt, sondern ein objektiver Maßstab gegeben. Die Frage, ob eine Maßnahme, die die Beeinträchtigung beseitigt oder zur unwesentlichen herabmindert, verlangt werden kann, richtet sich also nicht danach, ob der Störer begütert ist oder nicht und ob ihn daher das Verlangen mehr oder weniger hart trifft, sondern danach, ob die im konkreten Falle notwendig, technisch zweckmäßig und angemessen erscheinende Maßnahme allgemein in Fällen solcher Art angebracht erscheint. Damit ist die Gefahr behoben, daß ein Betrieb, der am Rande der Rentabilität arbeitet, Schutz Vorkehrungen ablehnen kann, weil sie ihm wirtschaftlich nicht zumutbar wären. 124
•>) Siehe auch unten zu § 35 II und zu § 38 III 2. ) R G J W 35, 1 7 7 5 ; 04, 487; R G 66, 126; Staudinger R N 14 zu § 906 B G B . B G H VersR 64, 1070: Allein aus dem Umstand, daß sich der Nachbar gegen schädliche Bauarbeiten nicht zur Wehr gesetzt hat, kann noch nicht seine Zustimmung zu solchen Arbeiten entnommen werden. Vgl. auch oben N . 87b (Angebliche Gewöhnung der Nachbarn an die Immission). 124c
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V2 Die technischen Abwendungsvorrichtungen dürfen nicht untunlich oder mit einem gehörigen Betrieb des einwirkenden Unternehmens unvereinbar sein. Auch muß bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit berücksichtigt werden, ob der Betrieb der Allgemeinheit dient oder ob die Existenz zahlreicher wirtschaftlich Abhängiger (Arbeiter, Angestellten) mit im Spiele ist; die Grenze des wirtschaftlich Zumutbaren ist auch unter Berücksichtigung ihrer Interessen zu ziehen (BGH N J W 5 9, 99). Eine positive Mitwirkungspflicht des beeinträchtigten Nachbars bei der Abwendung der Beeinträchtigung ist nur in seltenen Ausnahmefällen zu bejahen; soweit er aber anstelle des verpflichteten Nachbars die Beeinträchtigung abwendet, hat er einen Anspruch aus § 812 B G B auf Kostenerstattung ( B G H N J W 56, 1276; 57, 457; 58, 1580; BB 62, 198). c) A u s g l e i c h s a n s p r u c h Ist die Beeinträchtigung wesentlich, aber ortsüblich und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht abwendbar, so muß die Immission geduldet werden (§ 906 Abs. 2 S. 1 BGB). Diese Duldungspflicht kann für das beeinträchtigte Grundstück erhebliche Belastungen mit sich bringen. Nach dem Wortlaut des § 906 B G B in der alten Fassung war hiergegen kein Kraut gewachsen. Diesem Übelstand abzuhelfen, hat schon die Rechtsprechung des Reichsgerichts unternommen. In seiner bekannten Entscheidung R G 154, 165 hat es unter Entwicklung des Begriffs des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses" als der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Nachbarrecht 124d ) eine Ausgleichspflicht für den Fall bejaht, daß im Vergleichsraum Industriebetriebe einerseits und Landwirtschaft andererseits ortsüblich und die Einwirkungen des Industriebetriebs von solcher Art und solchem Maß sind, daß sie die Lebensbedingungen der Landwirtschaft zerstören müßten und daher insoweit nicht mehr rechtmäßig seien; der Landwirt sei aber seinerseits gehalten, die geringstempfindliche Bebauungsart zu wählen; dem Geschädigten könne also der Einwand des mitwirkenden Verschuldens nach § 254 B G B entgegen gehalten werden, wenn er trotz vorhandener Möglichkeit es unterlassen habe, sich auf die von dem immittierenden Grundstück ausgehenden Einwirkungen einzustellen oder sich ihnen an2upassen und so den Schaden zu vermindern. A n dieser Rechtsprechung hat das Reichsgericht festgehalten124«). Der Bundesgerichtshof hat sich ihr angeschlossen und sie noch dahin ausgedehnt, daß er für die Begründung des Ausgleichsanspruchs aus Billigkeitsgründen schon die schwere Beeinträchtigung des wirtschaftlichen FortI24d) Vgl. unten § 38 I 1. m e ) R G 159, 140; HRR 40, 294 (dort ist allerdings der Begriff der Ortsüblichkeit verkannt); 162, 349; 167, 14; 169, 183; unklar O G H B r Z NJW 49, 713.
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
V2 kommens ausreichend sein ließ 124 '). Der Anspruch wurde mit Recht auch dem geschädigten bloßen Besitzer zuerkannt. §906 Abs. 2 S. 2 B G B in der Fassung des Ges. vom 22. 12. 1959 (BGBl. I S. 781) hat diese Rechtsprechung legalisiert, indem dort dem Grundeigentümer 124 «), der wesentliche, auf ortsüblicher Benutzung beruhende Beeinträchtigungen hinnehmen muß, die der Störer mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen nicht abwenden kann, ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld zugebilligt wird, sofern die Einwirkung die ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Diese Regelung dient dem notwendig in einer Geldzahlung sich ausdrückenden Ausgleich der nachbarschaftlichen Interessen. Sie setzt wie die frühere Rechtsprechung eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks durch den Geschädigten voraus, verlangt aber keine Gefahr der Existenzvernichtung, sondern läßt es genügen, daß die ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird, z. B. wenn infolge der Einwirkungen die Fensterrahmen der Wohnhäuser mehrfach im Jahr gestrichen werden müssen oder in erheblichem Umfang Säuberungsmittel notwendig werden. Unter Ertrag ist der Nettoertrag zu verstehen; jede vermehrte Aufwendung wirkt sich daher ertragsmindernd aus. Nur ein angemessener Ausgleich, kein Schadensersatz ist zu leisten; er setzt kein Verschulden voraus und umfaßt nur einen teilweisen Ersatz für die auftretenden Beeinträchtigungen. Der Ausgleichsanspruch fällt also weder unter die § § 249fr. BGB 1 2 4 h ), noch kann er den Ansprüchen gleichgesetzt werden, die nach § 26 GewO, Art. 125 E G . B G B , § 1 1 L V G . , § 7 Abs. 4 AtomG und in den Fällen des noch fortbestehenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses1241) gewährt werden, weil diese an die Stelle 124 ') M D R 51, 726; L M Nr. 2 zu § 906 B G B ; N J W 55, 19; B G H Z 1 5 , 1 4 6 ; N J W 59, 1867; vgl. auch O L G Köln M D R 55, 559; Klausing J W 37, 68; Staudinger R N 49 zu § 906 B G B ; Halbscheid M D R 54, 260; Schulte N J W 54, 495; siehe ferner unten § 3 8 1 1 . 124 e) Ihm steht der bloße Besitzer (Mieter, Pächter) gleich. Der Unternehmer, der auf fremdem Grundstück ein Bauwerk errichtet, ist nicht „Benutzer" des beeinträchtigenden Grundstücks im Sinne des § 906 Abs. 2 S. 2 B G B ; wohl kann er als Störer nach § 1004 B G B zur Unterlassung verpflichtet sein und bei Verschulden auf Schadensersatz haften, er braucht aber keinen Ausgleich in Geld gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 B G B zu leisten ( B G H N J W 66, 42). Ebenso B G H M D R 66, 154 (Bauunternehmer hat durch das Einrammen einer Spundwand Erschütterungen hervorgerufen). Anders ist es, wenn der Bauunternehmer, der an der Autobahnreparatur arbeitet, auf einem von ihm angemieteten Grundstück neben der Autobahn eine Bitumenmischmaschine betätigt, deren Dämpfe nachhaltig auf eine benachbarte vegetative Versuchsanlage einwirkt; hier haftet er selbst auf den Ausgleich, nicht aber der von der Arbeit begünstigte Unternehmer ( B G H M D R 68, 912 = B B 68, 1014). 124b ) L G Stuttgart VersR 64, 1 5 6 ; Schack B B 65, 341fr. ^ i ) B G H N J W 59, 9 7 : 6 0 , 2 3 3 5 .
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eines an sich bestehenden Abwehranspruchs nach den §§903, 1004 B G B treten, was für den Ausgleichsanspruch nach §906 Abs. 2 S. 2 B G B gerade nicht zutrifft. Vergleichbar ist der angemessene Ausgleich in Geld der Enteignungsentschädigung 124k ). Bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs müssen alle im Einzelfall gegebenen Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen 1241 ) werden; es wird allerdings nicht gerechtfertigt sein, Vorteile, die der beeinträchtigende Betrieb ganz allgemein mit sich bringt, auch gegenüber dem Ausgleichsberechtigten in die Waagschale zu werfen, den allein die Nachteile treffen. Der Ausgleich in Geld bemißt sich nach der Wertminderung und dem Ertragsverlust des Grundstücks, die dieses bei ortsüblicher Benutzung oder Nutzung erleidet. Der Umfang der erlittenen Einbuße ist nach § 287 ZPO zu ermitteln124"11). Von der Möglichkeit, eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer immittierender Betriebe zugunsten des Ausgleichsberechtigten zu schaffen, hat der Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht, sie ist daher nicht gegeben. Bei Beteiligung mehrerer Industriewerke an der Luftverunreinigung kann also das einzelne Werk nur nach seinem Anteil an der Luftverschmutzung zum Ausgleich herangezogen werden; dieser Anteil ist gemäß § 287 ZPO zu ermitteln124"1). Soweit die ortsübliche Benutzung eines Nachbargrundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus im Sinne des § 906 Abs. 2 S. 2 B G B durch E i n w i r k u n g e n beeinträchtigt wird, die u n m i t t e l b a r auf einem E i n g r i f f v o n h o h e r H a n d beruhen, liegt nach der Rechtsprechung des BGH 1 2 5 ) ein enteignender oder enteignungsgleicher Eingriff vor, der nicht einen bürgerlich-rechtlichen AufOpferungsanspruch, sondern einen ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n A u s g l e i c h s a n s p r u c h 1 2 5 " ) auslöst, der allerdings bei nachbarlichen Beeinträchtigungen durch Lärm und dergleichen im wesentlichen die gleichen Voraussetzungen wie der privatrechtliche 124k) Wegen der Grundsätze zur Enteignungsentschädigung vgl. B G H MDR 67, 910; N J W 59, 2156; WM 58, 1 3 1 0 ; ferner Kröner DRiZ 61, 38fr. 1 2 4 1 ) Mühl N J W 60, 2323ff.; Kröner a. a. O. Bereits vorhandene Mängel des Grundstücks müssen mitberücksichtigt werden (BGH N J W 54, 1485). Da bereits alle Elemente für eine „Schadensteilung" in § 906 Abs. 2 BGB enthalten sind, ist § 254 BGB hier nicht anwendbar; vgl. Kleindienst N J W 68, 1953fr. mm) BGH N J W 59, 2156 u. 58, 749; Mühl N J W 6o, 2324; Kleindienst N J W 68, 1953fr.; L G Hamburg MDR 65, 45. Vgl. auch O L G Köln VersR 65, 722 (Entschädigung für die Verschmutzung eines Hemdenlagers durch den Rauchabzug einer Bauhütte). 1 2 4 n ) L G Hamburg MDR 65, 45. 125) N J W g 2 ) 1439; 63, 2021; 67, 1749, 1752 u. 1857; 68, 549. Vgl. hierzu auch Döbereiner N J W 68, 1916fr. u. Faber N J W 68, 1 1 3 3 . 1 2 6 a ) Früher hieß er „Aufopferungsanspruch"; vgl. hierzu Kleindienst N J W 64, 45.
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
V3 Ausgleichsanspruch nach §906 Abs. 2 S. 2 B G B hat 125 "); insbesondere braucht die früher für den Ausgleichsanspruch geforderte Voraussetzung einer drohenden Existenzvernichtung oder wenigstens einer schweren Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens nicht mehr gegeben zu sein12Bc). Ist die Einwirkung nicht u n m i t t e l b a r von hoher Hand veranlaßt 125 "), so ist die Frage der Herbeiführung der Einwirkungen durch hoheitliche Maßnahmen zu verneinen, die daraus hergeleiteten Ansprüche sind dem privaten Nachbarrecht zu unterstellen125e). 3. D u l d u n g s p f l i c h t in a n d e r e n F ä l l e n Der Grundstückseigentümer kann die Zuführung von Einwirkungen ferner nicht verbieten oder nur in beschränktem Umfang dagegen angehen in folgenden Fällen: a) Besteht eine entsprechende Grunddienstbarkeit oder ein entsprechender Vertrag, so müssen die Einwirkungen geduldet werden. b) Liegt ein Betrieb im Sinne des § 26 GewO vor, so besteht nur ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch; vgl. dazu unten § 39 II 2 u. III sowie N 60a daselbst. c) Gegen genehmigte, im öffentlichen Interesse eingerichtete, lebensnotwendige Betriebe (Post, Eisenbahn, E-Werk, Autobahn, Autobusbetrieb) kann nicht auf Betriebseinstellung geklagt werden; es kann nur die Unterlassung einzelner Betriebsmaßnahmen oder die Anbringung von Schutzvorkehrungen verlangt werden, sofern und soweit diese den Betrieb 125
») B G H N J W 68, 549; Kleindienst N J W 68 S. 1954. ) B G H W M 66, 35. ) Diese Unmittelbarkeit hat der B G H in seiner Entscheidung N J W 68 S. 549fr. in einem Falle verneint, in welchem der Anlieger einer stark befahrenen Durchgangs(Bundes-)straße wegen des damit verbundenen erheblichen Lärms einen Ausgleich gefordert hatte. Diese Entscheidung hält Kleindienst N J W 68, 1954 als im Widerspruch stehend zu der Entscheidung des B G H N J W 67, 1857 — diese von Schack N J W 68, 1914 gebilligt —, wo ausgeführt ist, daß privatrechtliche Ansprüche beeinträchtigter Nachbarn n u r aus einer steigenden „privatwirtschaftlichen" Grundstücksbenutzung erwachsen können, während alle Einwirkungen der — auch schlichten — Hoheitsverwaltung in den benachbarten Raum allein durch öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche auszugleichen sind. 125e ) Bei Einwirkungen (Immissionen) von öffentlichen Schulen, von öffentlichen Krankenanstalten, von Kanalisationsarbeiten kommen nach B a y O L G Z 62 S. 437fr.; Schack N J W 68, 1914fr. nur privatrechtliche Entschädigungsansprüche in Betracht. Zum gleichen Ergebnis ist der B G H N J W 68, 549 in dem vorerwähnten Fall gekommen, in dem der erheblich gesteigerte Verkehr auf einer Durchgangsstraße zu übermäßigen Lärmeinwirkungen geführt hatte. Kleindienst N J W 68, 1954 vermißt eine Untersuchung zu der Frage, ob mit Rücksicht auf die besondere Gestaltung des entschiedenen Falles — das Haus hatte, weil es hinten gegen eine Bergnase gebaut war, keine Fenster nach hinten und bot deshalb keine Ausweichmöglichkeit in straßenabgelegene Räume — noch von einer ortsüblichen Benutzung des Grundstücks gesprochen werden konnte. 125c
125d
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Immissionen
§ 1 6
vi 125
nicht wesentlich verändern oder beeinträchtigen '). Vgl. auch nächst. §17-
d) Das Gleiche wie zu c) gilt gegenüber Einwirkungen, die von Betrieben ausgehen, die in der Hand juristischer Personen des öffentlichen Rechts sich befinden und für die Volksertüchtigung oder für die Volksgesundheit von besonderer Bedeutung sind. Die hierzu ergangenen Gesetze zur Beschränkung der Nachbarrechte gegenüber Betrieben, die für die Volksertüchtigung (Ges. vom 13. 12. 1933 — RGBl. I S. 1058 —) oder für die Volksgesundheit (Ges. vom 18. 10. 1935 — RGBl. I S. 1247) von besonderer Bedeutung sind, gelten mit der Maßgabe weiter, daß entgegen ihrem Wortlaut auf Herstellung schützender Einrichtungen geklagt werden kann und daß die etwa zu leistende Entschädigung nicht endgültig von der Verwaltungsbehörde festzusetzen ist, sondern diese Entscheidung der Anfechtung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterfällt. e) Einwirkungen, die auf der Ausübung staatshoheitlicher Befugnisse (Boschhorn des Polizeikraftwagens) oder öffentlich-rechtlicher Befugnisse (Läuten von Kirchenglocken) beruhen, können nicht verboten werden. Vgl. unten zu § 3 8 x. VI. A b w e h r r e c h t Während der Eigentümer gemäß § 903 B G B an sich jede Einwirkung Dritter ausschließen und zu diesem Behufe die negatorische Klage des § 1004 B G B gegen den Störer erheben kann 125 e), wird ihm durch § 906 B G B eine Eigentumsbeschränkung auferlegt, wonach er gewisse Immissionen nicht verbieten, das heißt hierwegen den negatorischen Anspruch nicht erheben kann 12511 ). Dagegen wird durch § 906 B G B für den Eigentümer des beeinträchtigten Grundstückes keine D u l d u n g s p f l i c h t in dem Sinne begründet, daß es ihm verwehrt wäre, durch entsprechende Vorkehrungen die Immissionen tatsächlich abzuwehren126). E r kann z. B. eine hohe Mauer zum Schutze gegen die Schallwellen des benachbarten Fabrikbetriebes errichten, auch wenn dadurch die Schallwellen für das Grundstück, auf welchem sie erzeugt werden, unerträglich werden sollten. Andererseits braucht der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstückes solche Vorkehrungen in der Regel nicht zu treffen 1 2 7 ). Hat aber sein Haus a u ß e r g e w ö h n l i c h dünne Wände und könnte durch 125t ) R G 1 3 3 , 1 5 3 (Erschütterung durch Autobusse); J W 38, 2970 (Verschiebeund Abstellbahnhof); R G 1 5 9 , 140 (Autobahn); B G H N J W 59, 97 und N J W 60, 2 3 3 5 (Autobusbetrieb); vgl. ferner Mühl N J W 60, 1 1 3 4 und 2 3 2 4 ; Clasen N J W 60, 2 3 2 3 . E i n unmittelbar dem öffentlichen Interesse dienender lebenswichtiger Betrieb ist in einer Operettenaufführung auf einer Freilichtbühne nicht zu sehen: B G H M D R 69 S. 744. 125 g) v g l . hierüber unten § 16 V I I . 125h) v g l . oben V 1 bis 3. 126) m 5 j 268 (Mugdan 3, 1 4 8 ) ; Prot. 3 5 3 4 (Mugdan 3, 581). 127 ) V g l . oben § 16 V 1 und N . 7 1 , 82 und 1 1 8 ; ferner Turnau-Förster A n m . 9 zu § 906 B G B , J W 98, 447 N r . 39.
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
deren Verstärkung die Einwirkung der Schallwellen auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden, so wird man gegebenenfalls bei Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben das Vertretungsrecht versagen müssen, falls dem beeinträchtigten Grundeigentümer die Beseitigung des beeinträchtigenden Zustandes, z. B. durch Verstärkung der Wände, zuzumuten ist; zum mindesten aber wird man ihn für verpflichtet halten müssen, dem Nachbarn zu gestatten, daß dieser auf eigene Kosten die zumutbaren Abhilfemaßnahmen trifft 128 ).
Die zur Abwehr berechtigende Vorschrift des § 903 B G B wird ergänzt durch § 228 B G B (Selbsthilfe)129). Auch das Eindringen von Bienen 129 *) kann der Nachbar durch entsprechende Vorkehrungen abwehren 1296 ). Wie weit geht aber dieses Recht zur Abwehr ? Darf der Nachbar die B i e n e n , welche in sein Grundstück eingedrungen sind, töten ? Sie stehen im Eigentum des Imkers und sind für den Nachbarn fremde Sachen. Eine vorsätzliche oder fahrlässige Vernichtung der Bienen verpflichtet daher zum Schadenersatz, sofern die Vernichtung widerrechtlich ist (§ 823 BGB). Die Widerrechtlichkeit wird vor allem durch § 228 B G B ausgeschlossen: Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadenersatz verpflichtet. Daß diese Selbstverteidigung nach § 228 B G B nur gegenüber einer einzelnen Biene, die mich belästigt, zulässig sein soll 1 3 0 ;, ist nicht einzusehen. Weshalb soll der Besitzer eines Konzertgartens, dem durch eine förmliche Bienenplage die Gäste vertrieben werden, nicht gegenüber dieser Gefahr, die sein Geschäft und vielleicht seine wirtschaftliche Stellung bedroht, das Recht des Selbstschutzes haben; es sind ja durch § 228 B G B auch die reinen Vermögensinteressen geschützt 131 ). Einer Uberspannung des Rechtes auf Selbstschutz wird in der Praxis dadurch 128
) SeuffA 45 Nr. 240; vgl. übrigens oben § 16 V 1 (N. 82) und V 2 (N. 8; a). ) Dieses Selbsthilferecht wird eingeschränkt durch die Vorschriften zum N a t u r s c h u t z . Das Reichsnaturschutzgesetz vom 26.6.1935 (RGBl. I 821) mit den Änderungen vom 1. 12. 1936 (RGBl. I 1001) und vom 20. 1. 1938 (RGBl. I 36) und mit der RNaturschutzVO vom 18. 3. 1936 (RGBl. I 181) gilt allerdings nicht als Bundesrecht fort (vgl. Entscheidung des BVerfGer. in BGBl. 59 I S. 23). Die Bundesländer haben daher eigene Vorschriften erlassen: Baden-Württemberg durch Ges. vom 8. 6. 1959 (GBl. S. 53) mit zahlreichen Änderungen und Ergänzungen; Berlin durch V O vom 7. 5. 1957 (GBl. S. 445); Hamburg durch Gesetz vom 22. 7. 1948 (GVB1. S. 67) und 20. 12. 1954 (GBl. 155) und durch die BaumschutzVO vom 17. 9. 1948 (GBl. 103); Hessen durch NaturschutzergänzungsGes. vom 8. 3. 1968 (GVB1. S. 63); Niedersachsen durch Ges. vom 16. i i . 1951 (GVB1. 223); Nordrhein-Westfalen durch Ges. vom 1 7 . 1 . 1 9 5 8 (GBl. 33) und Ges. vom 6. 12. i960 (GBl. 61 S. 4); Saarland durch V O vom 15. 1 1 . 1963 (ABl. 730); Schleswig-Holstein durch V O vom 8. 5. 1964 (GBl. 57). 129a ) Siehe hierüber oben § 16 II 3; Figge R d L 54, 172; Schüßler, Bienenrecht, 1934 129s ) § 6 Abs. 2 Bad.-Württ.NRG in der Fassung des § 1 1 4 L B O (GVB1. 64, 1 5 1 ) bezeichnet Bienenstöcke ausdrücklich als schadendrohende oder störende Anlagen mit der Verpflichtung des Imkers, sie nur in solcher Entfernung von der Grenze und unter solchen Vorkehrungen anzubringen, daß sie den Nachbarn nicht schädigen. Daneben finden sich vereinzelt noch ortspolizeiliche Abstandsregelungen, wie z. B. in der Stuttgarter FeldpolizeiVO vom 19. 12. 1957. Vgl. auch unten zu § 17 N. 10. 130 131 ) So Kuhlenbeck im R 04 S. 309. ) Staudinger R N 8 zu § 228 B G B . 129
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§ 1 6
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vorgebeugt werden, daß im Einzelfalle unter Berücksichtigung aller Umstände kritisch geprüft wird, ob denn die Vernichtung zur Abwendung wirklich erforderlich war und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr stand. Die Bienen müssen schon außergewöhnlich massenhaft in den Wirtschaftsgarten eingedrungen sein, wenn die Annahme gerechtfertigt sein soll, daß die Aufstellung von flüssigem Zucker, welchen die Bienen überreichlich mit der Folge des Verendens aufzunehmen pflegen, oder gar von G i f t 1 3 1 a ) erforderlich war. Nur wenn dies der Fall war, entfällt die Rechtswidrigkeit. Bienen, die in b e w o h n t e R ä u m e eingedrungen sind, wird man regelmäßig mit allen Mitteln vernichten dürfen, gleichviel, ob sie nur vereinzelt oder zahlreich auftreten; in solchem Falle wird man sich regelmäßig nicht anders helfen können 132 ). Natürlich darf das wiederum nicht dazu mißbraucht werden, um die Bienen anzulocken und die eigens angelockten Bienen zu töten. Es geht nicht an, die Rechtswidrigkeit grundsätzlich deshalb auszuschließen, weil das Aufstellen von flüssigem Zucker auf e i g e n e m Grundstück nicht widerrechtlich sei (§ 90} BGB). An und für sich kann der Eigentümer freilich auf seinem Grundstücke tun, was er will, aber so wenig er ohne weiteres befugt ist, in seinem Garten einen giftigen Köder aufzustellen, um die fremden Katzen zu töten 133 ), so wenig ist es ihm prinzipiell und unter allen Umständen erlaubt, einen zur Vernichtung der fremden Bienen b e s t i m m t e n Stoff auszulegen. Ebenso ist es sicher, daß mir das Anlegen von Pflanzen auf meinem Grundstück nicht schon deshalb verboten werden kann, weil sie den Bienen schädlich sind; wenn aber die Anlegung dieser Bienenschädlinge gerade zu dem Zwecke geschieht, um die Bienen zu vernichten, kann dieses Mittel hinsichtlich der Zulässigkeit seiner Anwendung nicht anders beurteilt werden als das vorsätzliche Erschießen einer Katze 134 ).
Grundsätzlich hat der Bieneneigentümer gegen den Grundstückseigentümer keinen Anspruch auf Unterlassung von Maßnahmen, die den Bienen nachteilig werden könnten, denn die Verpflichtung zur Duldung des normalen Bienenflugs bedeutet schon eine Einschränkung der Rechte des Grundeigentümers; insoweit ist der Bieneneigentümer „Störer" am Grundeigentum, nicht aber kann umgekehrt der Grundeigentümer — im sachenrechtlichen Sinne — als Störer des Sacheigentums der Bienen angesehen werden. Trotzdem hat die V O über bienenschädliche Pflanzenschutzmittel vom 25. 5. 1950 (Bundesanzeiger 1950 Nr. 1 3 1 ) eine weitere Beschränkung des Eigentümers des beeinträchtigten Grundstücks geschaffen: Sie ver131a) Wegen der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln vgl. unten N. 134 a. 132 ) Dem Schokoladefabrikanten ist es unbenommen, sich gegen das Eindringen von Bienen in die Fabrikräume dadurch zu schützen, daß er an den Luft- und Lichtöffnungen flüssigen Zucker vermischt mit Salzsäure aufstellt. 133 ) S. oben im Text zu N. 129. Vgl. hierzu auch RGSt. 34, 296. So kann auch das Legen von Selbstgeschossen (Fußangeln) auf eigenem Grund und Boden rechtswidrigsein. Die Selbstgeschosse müssen so eingerichtet sein, daß sie erst gegenüber einem beginnenden Angriff in Tätigkeit treten; andernfalls kann der Veranstalter bei eintretenden Verletzungen Unschuldiger verantwortlich werden. Vgl. Olshausen, StGB 7. Aufl. Bern. 12 c zu § 53 StGB; vgl. ferner § 367 Nr. 8 StGB. 134 ) Vgl. dagegen Friedrichs, D J Z 04, 688; Kuhlenbeck im Recht 04, 310; Kuhlenbeck will lediglich auf Grund des § 826 B G B eine Haftung eintreten lassen. Strauß, D J Z 03, 367 versagt dem Grundeigentümer schlechtweg das Recht, auf seinem Grundstück Giftpflanzen zu halten oder Gift aufzustellen, um die vorüberfliegenden Bienen zu töten. BayZ 16, 91 (RG) läßt diese Frage dahingestellt.
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pflichtet ihn nämlich, bei der Schädlingsbekämpfung auf seinem Grundstück besondere Rücksicht auf die Bienen zu nehmen, denn es ist ihm verboten, blühende Obstbäume und -sträucher sowie andere von Bienen beflogene, blühende gärtnerische und landwirtschaftliche Kulturpflanzen mit bienenschädlichen Pflanzenschutzmitteln zu behandeln. Ausnahmen sind nur für besonders dringliche Fälle und unter Beachtung bestimmter Sicherungsvorkehrungen zulässig. In unmittelbarer Nähe von Bienenständen (30 m) darf die Schädlingsbekämpfung mit giftigen Pflanzenschutzmitteln auch vor und nach der Blüte nur außerhalb der täglichen Flugzeit der Bienen und nach vorheriger Benachrichtigung der Imker vorgenommen werden. Die schuldhafte Verletzung dieser Schutzvorschrift macht nach § 823 Abs. 2 B G B schadensersatzpflichtig134»). Honigraub, Raubbienen Einer besonderen Untersuchung bedarf nun der Fall, daß in den Bienenstock eines Züchters fremde Bienen eindringen und daraus den Honig rauben 135 ). Darf der Bienenzüchter zum Schutz gegen diese Beraubung seines Stockes die fremden Bienen durch Aufstellung von Gift töten? Es steht fest, daß es eine besondere Raubbienenart nicht gibt, daß niemand imstande ist, seine Bienen auf Raub auszusenden, der Besitzer der beraubten Stöcke in 100 Fällen 99mal selbst die Schuld an der Räuberei trägt 136 ), der der raubenden Bienen aber stets und unter allen Umständen schuldlos ist 1 3 7 ); insbesondere rauben die Bienen nicht aus Hunger oder Honigmangel, sondern aus dem natürlichen Triebe, Honig zu suchen, wo er eben zu finden ist 138 ). Es kann auch dem Züchter der raubenden Bienen nicht zugemutet werden, daß er seinerseits seine raubenden Bienen in den Keller stellt, weil er dabei den Verlust des Honigs und selbst des Bienenvolkes aufs Spiel setzt. Endlich gibt es viele anderweitige Mittel zur Abwehr der sog. Raubbienen, während von den Imkern in Theorie und Praxis einmütig als das verwerflichste Mittel der Selbsthilfe die Vergiftung der sog. Raubbienen angesehen wird 139 ). Daraus ergibt sich, daß der Imker nicht berechtigt ist, die fremden Raubbienen zu vergiften, da dies zur Abwendung der Gefahr nicht erforderlich ist; denn es stehen dem Imker genügend Mittel zu Gebote, um sich der Räubereien auf andere Weise als durch Tötung der Bienen zu erwehren. Das Vergiften der Raubbienen zum Schutz gegen die Räuberei verpflichtet deshalb zum Schadenersatz (§ 825 BGB). Aber selbst wenn die 134a) Vgl. B G H R d L 53, 210 und R d L 55, 213 (diese Entscheidung bedenklich!), femer B G H N J W 55, 747; zum früheren Recht R G 159, 68. Den Fall des Versprühens bienenschädlicher Pflanzenschutzmittel vom Hubschrauber aus behandelt L G Zweibrücken in R d L 69 S. 132. Siehe ferner Figge R d L 54, 172 u. Pelka S. 36. 135 ) Nicht zu verwechseln mit dem Einfall eines Bienenschwarmes in eine fremde besetzte Bienenwohnung (Not-, Hunger- oder Bettelschwarm). Die diesbezüglichen Rechtsverhältnisse sind in § 964 B G B geregelt. 136 ) Durch Verstöße gegen die Imkerkunst, insbes. durch Füttern bei Tage und bei offenen Fluglöchern. Berlepsch, Die Biene und die Bienenzucht (1860), 164; Huber, Die neue nützliche Bienenzucht (1905), 39; Schüßler, Deutsches Bienenrecht, 1934; Figge in R d L 54, 260. 137 ) Berlepsch a. a. O. 170; Huber a. a. O. 42; vgl. auch Bienenzeitung 98, 152. 138 ) Berlepsch a. a. O. 170; Huber a. a. O. 38 u. 42. 139 ) Berlepsch und Huber a. a. O.
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Widerrechtlichkeit durch § 228 B G B ausgeschlossen wäre, würde in solchem Falle die Schadenersatzpflicht nach § 228 A b s . 2 B G B bestehen, w e n n der gefährdete I m k e r die G e f a h r durch sein unsachgemäßes Handeln selbst verschuldet h a t 1 4 0 ) . D a fast ausnahmslos der E i g e n t ü m e r der beraubten S t ö c k e schuld an der Räuberei ist, wird man dies im gegebenen Falle solange unterstellen dürfen, als nicht der Bienenzüchter den Entschuldungsbeweis erbringt. A b g e s e h e n v o n § 228 A b s . 2 B G B kann hier übrigens unbedenklich § 826 B G B angewendet werden, denn das Vergiften der Raubbienen gilt nach der M e i n u n g aller anständigen Bienenzüchter als unanständig und unmoralisch. W e r d e n Bienen durch die giftigen G a s e eines gewerblichen Betriebes, der nach § 1 6 G e w O konzessioniert ist, in dem L u f t r a u m über dem G r u n d s t ü c k des Gewerbebetriebes getötet, s o haftet der Betriebsunternehmer nur dann auf Schadenersatz, w e n n den bei der K o n z e s s i o n gemachten Auflagen, die als Schutzgesetz i m Sinne des § 823 A b s . 2 B G B zu erachten sind, zuwidergehandelt i s t 1 4 1 ) .
VII. E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e 1 4 1 » ) Soweit die Einwirkung durch Immissionen nach den Bestimmungen des § 906 B G B nicht erlaubt142) ist, ist der Nachbar gemäß § 903 B G B zur Ausschließung der Einwirkung berechtigt. Die Klage, mit welcher diese unzulässige Einwirkung abgewehrt wird, ist die Eigentumsfreiheitsklage des § 1004 B G B . Sie geht auf Beseitigung der Beeinträchtigung und auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung. Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung setzt das objektive Bestehen eines durch den Willen einer anderen Person aufrecht erhaltenen körperlichen Zustandes voraus; hier kommen solche Anlagen in Betracht, welche durch ihre Benutzung eine unzulässige Immission auf das Nachbargrundstück bewirken (§ 907 BGB) 1 4 2 a ). Der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen setzt lediglich voraus, daß solche Immissionen bereits stattgefunden haben und nach den Umständen weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind143). Der Klageanspruch geht in solchem Falle dahin: der Beklagte hat die Zuführung der bestimmt zu bezeichnenden Immissionen, z. B. von Ruß und Rauch, auf das Grundstück des Klägers insoweit zu unterlassen, als sie die Benutzung dieses Grundstückes wesentlich beeinträchtigt. Der Kläger °) U r t . d. L G W ü r z b u r g v o m 1 3 . 2. 1907 R - N r . 7 4 5 / A I I 1905. ) B G H N J W 55, 7 4 7 ; R d L 55, 2 1 } R G 159, 69; B a y Z 16, 91 ( R G ) ; J W 16, 38 ( R G ) . V g l . aber ferner R G D R 42, 1703 u . unten § 43 D I I I 2 d. aa. eee. 141a) Näheres s. unten § 38. 1 4 2 ) D i e s trifft also zu gegenüber Immissionen mit der F o l g e wesentlicher Beeinträchtigungen, sofern die Immissionen nicht auf einer ortsüblichen B e n u t z u n g des Grundstücks beruhen oder aber durch wirtschaftlich zumutbare M a ß n a h m e n verhindert werden können. V g l . ferner o b e n § 16 V 3. 142a) V g l . u n t e n § 38 I I 1. 14
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1 4 3 ) Sind K u g e l n v o n dem Schießstand bisher n o c h nicht herübergeflogen, so kann v o n der Besorgnis einer weiteren Beeinträchtigung nicht die R e d e sein ( R 11 N r . 2 7 3 2 RG).
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VII braucht nur zu behaupten und zu beweisen, daß eine Beeinträchtigung durch Immissionen stattgefunden hat und weitere solche Beeinträchtigungen zu befürchten sind. Sache des Beklagten ist es alsdann, einzuwenden und zu beweisen, daß die Beeinträchtigung nicht gegeben oder nicht wesentlich sei oder daß die Einwirkungen durch eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks herbeigeführt und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden können. Erbringt der Beklagte diesen Beweis, dann kann der Kläger zum Antrag auf Zahlung eines Ausgleichsbetrags übergehen, wobei er zugleich zu beweisen hat, daß er seinerseits sein Grundstück ortsüblich benutzt144). Der Kläger darf nicht die Vorkehrung bestimmter Maßregeln, durch welche die unzulässige Beeinträchtigung hintangehalten werden soll, verlangen; ebensowenig hat das Urteil hierüber Bestimmung zu treffen. All dies gehört in das Zwangsvollstreckungsverfahren144a). Aktiv legitimiert zur Eigentumsfreiheitsklage ist grundsätzlich nur der Eigentümer und der dinglich Berechtigte, nicht aber der Mieter und Pächter 145 ); daher auch nicht der Imker, wenn auf das Grundstück, das 144
) Vgl. hierzu auch unten zu § 38 II 2. ) Siehe unten § 38 II 2 und VIII. ) R G 59, 327. Staudinger R N 40 zu § 906 B G B ; B G H N J W 55, 19 gewährt unter Hinweis auf R G 105, 2 1 3 ; 159, 68 und J W 32, 2984 dem Pächter den Anspruch auf Schadloshaltung nach § 26 GewO. Ebenso B G H M D R 59, 833. Der Mieter kann wegen Immissionen die Besitzstörungsklage erheben. Vgl. Endemann 474 Anm. 5 2 und 244 Anm. 9. Wegen des Verhältnisses von Mietern des gleichen Hauses zueinander vgl. oben N. 42. Der Vermieter, der ein Grundstück vermietet, damit der Mieter darauf ein Gebäude errichtet und dieses für ein Rundfunk- und Elektro-Gewerbe benutzt, ist diesem gegenüber verpflichtet, alle Gefahren und Störungen abzuwenden, die von Nachbarmietern ausgehen, denen er eine andere Teilfläche vermietet hat (BGH B B 66, 427). Der Abwehranspruch des Mieters eines Hausgrundstücks gegen seine Vermieter geht, wenn er sich gegen Lärmeinwirkungen eines geräuschvollen Volksfestes richtet, das auf einem dem gleichen Vermieter gehörigen Nachbargrundstück stattfindet, dahin, daß der Vermieter bei der Vermietung seines Wiesengrundstücks an die Schausteller vertraglich sicherstellt, daß alle mehr als unwesentlich beeinträchtigenden Lärmeinwirkungen unterbleiben; ein völliges Verbot der Vermietung kann also nicht gefordert werden ( O L G Karlsruhe M D R 67, 126). — Der Pächter einer Handelsgärtnerei kann wegen der Beeinträchtigung der von ihm gesetzten Pflanzen, die nach § 95 B G B sein Eigentum sind, aus § 1004 B G B , im übrigen mit der Besitzstörungsklage vorgehen (RG 105, 2 1 3 ; vgl. auch R G 159, 68; J W 32, 2984; B G H N J W 55, 19). Unter diesen Umständen kann auch der Pächter den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 B G B geltend machen. — Der Mieter kann den Vermieter aus § 536 B G B dazu anhalten, daß er seinerseits gegen den Nachbarn vorgeht. Vgl. O L G 17, 26 (Dresden). Der Mieter kann den Mietzins hinsichtlich solcher Immissionen mindern, die die Bewohnbarkeit der Mieträume in einem den Rahmen des §906 B G B überschreitenden Umfang beeinträchtigen (NJW 54, 1 1 1 —• L G Braunschweig —). Eventuell kann der Mieter nach § 544 B G B oder, wenn der Vermieter trotz Aufforderung nicht die erforderlichen Maßnahmen gegen den Nachbarn ergreift, aus § 538 B G B ohne Kündigungsfrist aufkündigen. Hat aber der Mieter beim Abschluß des 144a 145
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VIII er mit seinen Bienenvölkern vorübergehend benutzt, giftiger Rauch und Ruß herübergeweht werden146»). Passiv legitimiert zur Eigentumsfreiheitsklage ist der Störer 146 "), ohne Rücksicht darauf, ob er Eigentümer des Grundstückes ist, von welchem die Störung ausgeht. Aber der letztere kann unter Umständen schon deswegen als Störer angesprochen werden, weil er den Zustand der Beeinträchtigung oder Gefährdung, der von seinem Grundstück aus für den Nachbarn herbeigeführt worden ist, nicht abstellt (z. B. als Vermieter bezüglich der von seinem Mieter begangenen Störung 1460 ). Eine besondere Gestaltung erleidet die Eigentumsfreiheitsklage gegenüber gewerblichen Anlagen durch § 26 der Gewerbeordnung und Art. 125 E G BGB., ferner in den Fällen des § 11 L V G und § 7 Abs. 4 AtomG. 1 4 5 *). Die Eigentumsfreiheitsklage selbst geht nicht auf Schadenersatz; hierfür ist Verschulden des Immittenten Voraussetzung (§ 825 BGB). Er mußte also voraussehen oder bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt voraussehen können, daß von seinem Grundstücke aus eine unzulässige Einwirkung im Sinne des § 906 B G B auf das Nachbargrundstück erfolgen werde 146e ). Ist dem Eigentümer des wesentlich beeinträchtigten Grundstücks im Falle des § 906 Abs. 2 S. 1 B G B die Eigentumsfreiheitsklage entzogen, so hat er einen Anspruch auf angemessenen Ausgleich (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB) 146 '). Liegen die Voraussetzungen des § 26 G e w O vor, so kann er Schadloshaltung fordern146«). Schließlich besteht in Ausnahmefällen auf Grund des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses eine Duldungsverpflichtung mit der Folge der Schadloshaltung 146h ). VIII. B e w e i s l a s t Die Beweislast dafür, daß die Immission zulässig sei, trägt der Immittent. Der Eigentümer, welcher die Immission verbietet und den negaMietvertrags gewußt, daß nebenan ein Hammerwerk betrieben werde, so stehen ihm g e g e n ü b e r d e m V e r m i e t e r diese Rechte nicht zu (§ 539 B G B ) , während sein A n spruch auf Besitzschutz gegen den Nachbarn v o n einer solchen Kenntnis nicht berührt 1 4 5 a ) R G 159, 68. wird. V g l . hierzu unten § 58 I V 1. 146t>) Siehe unten § 38 I V 2. Werden die Ackerländereien eines Landwirts durch Staubeinwirkungen bei der Vornahme v o n Straßenbauarbeiten im Autobahngelände erheblich beeinträchtigt, so kann er einen Entschädigungsanspruch gegen die Bundesrepublik als die Auftraggeberin und gegen das Land als die Führung der Aufsicht richten ( B G H R d L 67, 291). V g l . femer B G H M D R 67, 913 u. 68, 483. uec) Y g i u n t e n § 38 I V 2. So ist z. B. der Nießbraucher, der das seinem Nießbrauch unterfallende Grundstück einer Schaustellertruppe vermietet hat, bei unzulässigen Lärmeinwirkungen seitens des dort abgehaltenen Volksfestes Anspruchsgegner ( O L G Karlsruhe M D R 67, 126). Z u r rechtlichen Stellung des Bauunternehmers v g l . B G H N J W 1 4 5 a ) Darüber unten § 39. 66 S. 42. 146e)
146f ) V g l . oben V 2 c. 145 Siehe dazu unten § 43 A . V g l . unten zu § 39. 145h) B G H N J W 5 9, 97 (dazu M ü h l N J W 6 0 , 1 1 3 4 u. 23 24); v g l . auch unten zu § 3 8 1 1 c.
23 Meisncr-Stcrn-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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§ 16
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
IX, X torischen Anspruch wegen der Immission erhebt, hat nur zu beweisen, daß eine Einwirkung vorliegt. Damit hat er zunächst seine Befugnis zur Abwehr dargetan; denn diese liegt an sich im Begriffe des Eigentums. Sache des Immittenten ist es, darzutun, daß diese Einwirkung erlaubt ist, daß also entweder durch die Einwirkung die Benutzung des nachbarlichen Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird oder aber daß die Einwirkung durch eine ortsübliche Benutzung seines Grundstückes herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (§ 906 Abs. 2S. 1 BGB) 146 ). I X . Ä n d e r u n g e n w ä h r e n d des P r o z e s s e s Wenn der Beklagte nach der Klageerhebung Abhilfe schafft, so wird hierdurch seine Verurteilung nur dann abgewendet, wenn er beweist, daß eine Wiederkehr der unzulässigen Einwirkung nach Lage der Sache als ausgeschlossen zu betrachten ist116®). Eine Steigerung der Einwirkung, die nach der Klageerhebung eintritt, ist natürlich bei der Entscheidung zu berücksichtigen 147 ). X. Ö f f e n t l i c h e s Recht Selbstverständlich läßt § 906 B G B alle im öffentlichen Rechte begründeten Vorschriften unberührt, andererseits wird eine nach § 906 B G B unzulässige Immission durch polizeiliche Genehmigung nicht zulässig 148 ). So kann der Eigentümer eines Grundstückes die nach § 906 B G B nicht zulässige Zuführung des mit dem Fässerpichen verbundenen Rauches und Geruches auch dann verbieten, wenn das Fässerpichen 149 ) auf dem von der Ortspolizeibehörde angewiesenen Platz stattfindet. In Frage kommt neben reichsgesetzlichen Bestimmungen wie § J688"8 StGB das örtlich sehr zersplitterte Polizeiverordnungsrecht 160 ), dessen Erörterung über den Rahmen dieses Buchs hinausgeht. 14e ) Staudinget RN 42 zu §906 B G B a. F.; vgl. Biermann Bern, zu § 906 B G B ; Maenner 163; JW 01, 640 (RG); 02 Beil. 202 (RG); R 04 Nr. 1280 (RG); 09 Nr. 3133, JW 11, 326; R G 57, 224; 105, 217. A. M. Bunsen, Bernhöft und Binders Beitr. Heft 6, 419; Ortloff, Nachbarrecht 246f.; Leonhard, Beweislast 41, weil das Gesetz für den Regelfall das Verbietungsrecht ausschließe und den Anspruch nur a u s n a h m s w e i s e 146a ) Hierzu vgl. § 38 II 2. gewähre. 147 ) JW 10, 654; R 11 Nr. 507; JW 11, 326 (RG). Vgl. auch B G H NJW 55, 19. 148) Vgl. oben N. 72 u. 110. Anders bei gewerblich konzessionierten Anlagen nach § 26 GewO; s. hierüber unten § 39. — Uber das Verhältnis des öffentl. Baurechts zum privaten Nachbarrecht vgl. ferner unten § 17 N. 58 u. 59, § 19 II 2f., § 25 N. 97, § 38 I 1 f. und X sowie unten zu § 45. 149 ) Vgl. BayVGH 19, 113 (Faßpichereien fallen nicht unter §§ 16, 26 GewO). Siehe die zu § 16 GewO in der Fassung vom 2. 12. 1959 (BGBl. I S. 781) erlassene V O vom 4. 8. i960 (BGBl. I S. 690). 150 ) Vgl. Biermann, Polizei- u. Privatrecht in Pr. 36 ff., 170 ff.
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Verbotene Anlagen
§ 1 7 I
§ 17. Verbotene
Anlagen 1 ) 2 )
§ 907 B G B (1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, daß auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige E i n w i r k u n g auf sein Grundstück zur Folge hat. Genügt eine Anlage den landesgesetzlichen Vorschriften, die einen bestimmten Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben, so kann die Beseitigung der Anlage erst verlangt werden, wenn die unzulässige E i n w i r k u n g tatsächlich hervortritt. (2) Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen i m Sinne dieser Vorschriften. I. A l l g e m e i n e s E s g i b t eine M e n g e v o n A n l a g e n , bei deren E r r i c h t u n g sich der E i g e n tümer z w a r streng innerhalb der G r e n z e n seines E i g e n t u m s hält, welche indessen i m L a u f e der Zeit, sei es, daß sie selbsttätig w i r k e n , sei es, daß sie ihrem Z w e c k e g e m ä ß oder z w e c k w i d r i g benutzt w e r d e n , z u unzulässigen E i n w i r k u n g e n führen 2 »). Sondervorschriften, w e l c h e v o n der besonderen N a t u r der einzelnen A n l a g e n ausgehend, die E i n h a l t u n g v o n A b s t ä n d e n gebieten u n d Vorsichtsmaßregeln auferlegen, hat man i m Bürgerlichen G e s e t z b u c h mit R ü c k s i c h t auf die örtliche Verschiedenheit der A n s c h a u u n g e n 3 ) nicht f ü r angezeigt erachtet. D i e s w u r d e durch den Nach dem allgemeinen Grundsatz von der Abgrenzung der im Eigentum liegenden Machtverhältnisse der Grundstückseigentümer ist jeder auf seinem Grund und Boden in der Regel (vgl. aber § 3 8 1 1 ) unbeschränkt, er darf jedoch bei Ausübung seiner Befugnisse nicht hinübergreifen in den Eigentumsbereich des Nachbarn. Solange daher eine von dem Eigentümer auf seinem Grundstück getroffene Einrichtung noch keine Einwirkung auf das Nachbargrundstück gezeitigt hat, hätte der Eigentümer des letzteren kein Recht, gegen den anderen einen Anspruch zu erheben, auch wenn mit Sicherheit oder doch Wahrscheinlichkeit in Zukunft unzulässige Einwirkungen von Seiten der Nachbareinrichtungen hervortreten werden. Dieser allgemeine Grundsatz wird aus wohlerwogenen Zweckmäßigkeitsgründen vom BGB durchbrochen. Es wäre unbillig, dem Nachbarn unter allen Umständen die Geltendmachung eines Anspruchs zu versagen, bis tatsächlich die unzulässige Einwirkung erfolgt und somit der Schaden eintritt. Die Vorschriften, welche dem Schutze des Eigentums bei bloßer Gefährdung desselben, also vor der tatsächlich erfolgten Einwirkung dienen, sind in den §§ 907—909 BGB enthalten (s. unten §§ 17—20). 2) Vgl. hierzu auch die inzwischen ergangenen ImmissionsschutzG (unten zu § 17 II 4). 2a ) M 3, 293 (Mugdan 3, 162). 3) Bei einer örtlichen Statutenkollision entscheidet über das Erfordernis des Grenzabstandes von Anlagen an sich das Recht desjenigen Gebietes, auf welchem sich die be355
§ 17
H. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
II Vorbehalt des Art. 124 E G der Landesgesetzgebung überlassen (s. hierüber unten § 18). II. B e g r i f f l i c h e V o r a u s s e t z u n g e n Bei Anlagen, welche ihre Wirkung allmählich und unter kaum merklichen Fortschritten auf das Nachbargebiet erstrecken, wird die Lage beider Teile verschlimmert, wenn erst das Vorliegen einer grenzüberschreitenden Beeinträchtigung abgewartet werden muß, da die Erlangung des früheren Zustandes für den Beeinträchtigten erschwert und die Wiederherstellung für den anderen Teil mit Mühe und Kosten verbunden ist 4 ). Aus diesem Grunde rechtfertigt sich ein grundsätzliches und allgemeines Präventivverbot, welches die von der Anlage ausgehenden Wirkungen, bevor sie die Grenzen überschreiten und fremdes Recht verletzen, zu verhüten sucht. Demgemäß wird durch § 907 B G B dem Eigentümer eines Grundstückes die Befugnis verliehen, zu verlangen, daß auf dem Nachbargrundstück nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Dieser Anspruch ist durch § 924 B G B der Verjährung entzogen. Das Wesentliche bei § 907 B G B ist somit, daß zur Begründung des Beseitigungsanspruches noch keine unzulässigen Einwirkungen auf das Nachbargrundstück stattgefunden zu haben brauchen 6 ). § 907 B G B setzt nicht voraus, daß die beiden in Betracht kommenden Grundstücke untreffende Anlage befindet. Müßte jedoch nach diesem Rechte ein Abstand eingehalten werden, nach dem Rechte des daran angrenzenden Grundstückes aber nicht oder nur in geringerem Maße, so ist nur diese Vorschrift zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: bei Grundstücken, welche durch die Grenze verschiedener Rechtsgebiete geschieden sind, braucht für beide Grundstücke nur diejenige Rechtsvorschrift eingehalten zu werden, welche das Halten der Anlagen weniger erschwert. Vgl. Endemann 476 Anm. 60. 4) M 3, 294 (Mugdan 3, 163). 6) R G 50, 229; — O L G München — NJW 54, 513. Der Anspruch auf Unterlassung der Herstellung einer Anlage ist auf eine Leistung gerichtet. Es handelt sich also hierbei um keine Feststellungsklage. Aber auch für diesen vorbeugenden Unterlassungsanspruch ist Voraussetzung, daß der Beklagte zu der Klage Veranlassung gegeben hat. Nur handelt es sich dabei um eine materiellrechtliche, nicht um eine prozessuale Voraussetzung. Beim Mangel dieser Voraussetzung ist die Klage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen. (Ebenso Staudinger R N 1 c zu § 907 BGB.) Der Beklagte hat zur Erhebung der Klage auf Unterlassung der Herstellung einer Anlage Veranlassung gegeben, wenn er entweder mit der Herstellung der Anlage schon begonnen oder doch seinen Willen zur Herstellung so ernsthaft kundgegeben hat (z. B. durch Einreichung eines Bauplanes), daß mit der alsbaldigen Verwirklichung dieses Willens zu rechnen ist. Ebenso Staudinger RN 1 zu § 907 BGB.
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Verbotene Anlagen
§ 1 7 Ii 1
mittelbar aneinander angrenzen6). Der Begriff der Nachbarschaft muß vielmehr so weit gefaßt werden, als der Einwirkungsradius der Anlage reicht. Zwischen zwei Grundstücken befindet sich ein Gemeindeweg; auf der linken Seite des Weges steigt ein Rain empor, auf der rechten Seite des Weges fällt ein Rain ab. Der Eigentümer des höher gelegenen Grundstücks hat eine Auffahrt vom Gemeindeweg zu seinem Grundstück angelegt. Ein Teil dieser angeböschten Auffahrt liegt auf dem Gemeindeweg, so daß dieser hierdurch insoweit erhöht ist. Dadurch ist die Fahrbahn an dieser Stelle erhöht mit der Folge, daß die Fuhrwerke diese Erhöhung umfahren, da sie sonst umfallen könnten. Bei dieser Art der Benutzung des Feldwegs, die von dem Hersteller der Auffahrt bewirkt ist, ist mit Sicherheit zu erwarten, daß der Feldweg allmählich über seine Grenze auf das tiefer gelegene Grundstück herabgedrückt wird. Dessen Eigentümer kann gegen den Hersteller der Auffahrt, aber auch gegen die Gemeinde, weil diese das Halten der Auffahrt auf ihrem Eigentum duldet, den Anspruch aus § 907 B G B erheben.
1. A n l a g e . Unter Anlage 7 ) ist ein Werk von gewisser Selbständigkeit und Beständigkeit8), ein Bau oder ein Bauteil u. dgl. zu verstehen; Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen dieser Art (§ 907 Abs. 2BGB 8a ). Bewegliche Sachen werden regelmäßig9) nicht als Anlagen im Sinne des § 907 B G B zu betrachten sein. Wenn aber nach den Umständen anzunehmen ist, daß der Gegenstand für die Dauer aufgestellt ist, ihm eine gewisse wirtschaftliche Selbständigkeit beizumessen und eine gewisse tatsächliche Unbeweglichkeit gegeben ist, so kann der Begriff der Anlage gegeben sein. Man denke z. B. an einen Bienenkorb, der mittels Pflöcken auf der Erde standfest angebracht ist 10 ); in solchem Falle ist ein Unterschied zwischen einem Bienenhaus und den Bienenkörben praktisch nicht mehr vorhanden. 6 ) Ebenso Staudinger R N 5 zu §907 B G B ; Dernburg 290 Anm. 2; Plathner, PrVerwBl. 22, 543; R G bei Gruchot 54, 1 0 1 1 ; 66, 478 (RG); J W 23, 288 (RG); BayZ 22, 203; R G 50, 322; 167, 21. A . M. Goldmann-Lilienthal § 1 1 Anm. 4; Hörig 82; Müller 47, alle auf Grund der irrigen Ansicht, daß unter „benachbartem" Grundstück nur das unmittelbar angrenzende zu verstehen sei. 7 ) Hörle, VerwArch. 10, 393 führt beispielsweise als Anlagen im Sinne des § 907 B G B auf: Dunggruben, Schlammgruben, Schmutzkanäle, Aborte, Brunnen, Gräben, Teiche, Häute- oder Knochenlager, Schweineställe, Fisch- und Geflügelschlächtereien, Schmieden, Backöfen, Rauchfänge, Heizungs- und Feuerungsanlagen, Brauereien, Wollwäschereien, Anstalten zur Bereitung künstlicher Mineralwässer, Salzmagazine, Gruben mit ätzenden Flüssigkeiten, sowie der Genehmigungspflicht nicht unterworfene Rauchwarenzubereitungsanstalten, Färbereien, Feldziegelöfen, Feldbrände, elektrische Leitungen. Über den Begriff der Anlage vgl. auch unten § 31 V. 8 ) J W 12, 752 (RG). 8a ) Ebensowenig ähnliche Gewächse wie Sträucher: Hecken, Wein- und Hopfenstöcke (vgl. Glaser-Dröschel Nr. 53b). 9 ) Vgl. J W 12, 752; R G 51, 253; Gruchot 46, 652. Staudinger R N 8 zu § 907 B G B . 10 ) Meisner-Ring § 15 II 2; Kuhlenbeck im R 04 S. 309. A . M. Strauß, D J Z 03, 367. Staudinger R N 8 zu § 907 B G B . § 6 BadWürtt.NRG in der Fassung des § 1 1 4 L B O (GBl. 1964 S. 1 5 1 ) zählt Bienenstöcke ausdrücklich zu den schadendrohenden und störenden Anlagen, die nur in solcher Entfernung von der Grenze und nur unter solchen Vorkehrungen angebracht werden dürfen, daß sie den Nachbarn nicht schädigen.
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§ 17 II 1
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
Dagegen können fahrbare Bienenkörbe und solche, die nur ganz vorübergehend zur Honigausbeute in einer günstigen Gegend aufgestellt werden, nicht zu den Anlagen gezählt werden. Im übrigen sind Anlagen Werke, die auf Grund ihrer Beschaffenheit von sich aus ohne menschliche Mitwirkung eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks herbeiführen 10 ' 1 ). Eine bloße räumliche Veränderung, wie Erhöhung oder Tieferlegung der Oberfläche des Grundstückes, z . B . die b l o ß e e r h ö h e n d e A u f schüttung einer Straße oder deren Tieferlegung, mag auch dadurch der Zugang zu dem Nachbargrundstück erschwert oder ihm die Aussicht oder das Licht beeinträchtigt werden 1 1 ), fällt nicht unter § 907 B G B , weil hier10a
) R G Warn. 10 Nr. 336. ) Für das preußische Recht haben Obertribunal und Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung einen servitutarischen Sonderrechtsanspruch des Straßenanliegers angenommen StriethA 57, 276; OTr. 72, 1 ; — R G 44, 284; JW 00, 167 Nr. 44; 02, 192 Nr. 45; 03, 275 Nr. 18; R G 56, 101; L Z 18, 45; ebenso für das rheinische Recht R G io, 271; PuchZ 24, 74; JW 00, 85 Nr. 33 auf Grund eines stillschweigenden Vertragsverhältnisses. Schließlich hat das Reichsgericht unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (RG 21, 1 9 1 ; 51, 255; JW 89, 209; 02, 319; 03 Beil. 89; BayZ 08, 123) die gleichen Rechtsgrundsätze auch im Gebiet des gemeinen Rechts für anwendbar erklärt (RG 145, I i i ) und dazu ausgeführt: Auf öffentlich-rechtlichem Gebiet könnten auch ohne privatrechtlichen Vertrag schuldrechtliche Verpflichtungen entstehen, die nach privatrechtlichen Grundsätzen zu behandeln seien: zu diesen gehöre die Pflicht, bei öffentlich-rechtlichen Verwaltungsmaßnahmen dem Schutz des davon Betroffenen Rechnung zu tragen (RG 130, 98). Auch sei die Gleichstellung aller vor dem Gesetz ein Gebot geläuterter Rechtsanschauung, weshalb es nicht angehe, einen Volksgenossen innerhalb desselben Landes um deswillen schlechter zu stellen, weil er den Schaden im Gebiet des gemeinen Rechts und nicht in dem des preuß. ALR oder des rhein. franz. Rechts erlitten habe. Schließlich müsse auch nach den für den „Aufopferungsanspruch" (vgl. unten § 43 D III 2) entwickelten Grundsätzen jedem, der als Einzelner im öffentlichen Interesse der Gesamtheit ein Vermögensopfer bringen müsse, gegen die Gemeinschaft ein Anspruch auf billige Entschädigung zugestanden werden (Vgl. auch Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht 131 ff.; Gierke, Sachenrecht 28 Anm. 36; v. Blumein der Königsberger Festgabe für Schirmer 106). Hiernach steht allgemein jedem A n l i e g e r das Recht auf Erhaltung des Zugangs von und zu der Straße, zu Fuß und zu Wagen, und auf Erhaltung der Möglichkeit des Zutritts von Luft und Licht zu den an der Straße errichteten Gebäuden zu. Wird er durch eine nachträglich im öffentlichen Interesse vorgenommene Straßenänderung in seinen Anliegerrechten benachteiligt, so steht ihm ein aus § 75 EinlALR bzw. nun aus Art. 14 G G (BGHZ 30, 241) herzuleitender Entschädigungsanspruch zu (WarnE 1 1 Nr. 451; Gruchot 66, 597; BGH N J W 59, 1776; BGH NJW 60, 1995; MDR 64, 656; vgl. auch oben § 1 II 6 b und unten § 43 D III 2). Er muß sich aber die Vorteile anrechnen lassen, die ihm aus der Straßenänderung erwachsen (Gruchot 66, 597). Nach der herrschenden Ansicht soll die Geltung des bisherigen Rechts bald durch Art. 109 und 1 1 1 E G BGB, bald durch Art. 124 E G BGB, zumeist durch Art. 113 E G BGB verbürgt sein. In Wahrheit war das Straßenanliegerrecht des bisherigen Rechts eine Rechtsbildung der Rechtsprechung (RG Gruchot 53, 850). Keinen Anspruch hat der Anlieger auf das Fortbestehen von Vorteilen, die über die grundsätzliche Gewährleistung der Zugänglichkeit seines Grundstücks zu Fuß und zu u
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Verbotene Anlagen
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durch noch keine Beeinträchtigung im Sinne der §§ 906, 1004 B G B des Nachbargrundstücks bewirkt wird. D a g e g e n ist § 907 B G B einschlägig, wenn beim A u s b a u einer Straße Wassergräben und Kanäle angelegt werden, in denen sich übel riechendes Wasser ansammelt, das die Nachbarn durch Gerüche, Fliegen, Mücken usw. in unzulässiger Weise belästigt 1 2 ), oder wenn dabei die Straße nicht nur höher gelegt wird, sondern v o r dem angrenzenden Hause ein lichter R a u m hergestellt, eine Futtermauer errichtet und der Wasserlauf verändert w i r d 1 3 ) oder wenn infolge der E r h ö h u n g die anliegenden Häuser durch A n s a m m l u n g und Eindringen v o n Sickerwasser Schaden (Ersatzpflicht nach § 367 Ziff. 1 4 S t G B , § 823 A b s . 2 B G B ) erleiden 1 4 ). Desgleichen können Schlamm- und Sandmassen, die beim B a u eines Kanals aufgeschüttet worden sind 1 5 ), wie auch ein Taubenschlag unter den genannten Voraussetzungen unzulässige Anlagen im Sinne des § 907 A b s . 1 B G B darstellen. Wagen sowie des Luft- und Lichtzutritts hinausgehen(RG 145, m ; SeuffA 77 N r . 2 7 — Hamburg —). Daher ist auch ein Entschädigungsanspruch nicht gegeben, wenn infolge einer Straßenverlegung der Verkehr sich nach dort verlagert und das klag. Geschäft nun weniger Nutzen abwirft ( R G 1 6 1 , 369). Das Gleiche gilt, wenn es sich um Beschränkungen handelt, die angesichts des gesteigerten Straßenverkehrs üblich sind und mit deren möglichem Eintritt gerechnet werden muß und durch welche die Benutzbarkeit und Verwertbarkeit des Anliegerrechts nicht wesentlich berührt wird; so muß der Inhaber eines Geschäfts an einer verkehrsreichen Straßenecke es ersatzlos dulden, daß an dem Rande des Bürgersteigs Gitter angebracht werden, die seine Kunden zu einem kurzen Umweg zwingen ( B G H N J W 53, 383). In der Behinderung des Fußgängerverkehrs vor einem Ladenlokal kann aber eine Verletzung des Rechts auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liegen ( B G H VersR 61, 831). Zu diesem Recht gehört bei einem Ladengeschäft die ungestörte Ausübung der Schaufensterwerbung sowie die uneingeschränkte Nutzung der lagebedingten Möglichkeiten, Passanten auf die angebotene Ware aufmerksam zu machen ( O L G Düsseldorf N J W 61, 1925). Eine vorübergehende Durchfahrtssperre, die wegen Veränderungsarbeiten an der in der Straße verlegten Kanalisation notwendig werden, rechtfertigt einen Entschädigungsanspruch des Inhabers einet anliegenden Tankstelle nur, wenn damit eine weitergehende Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs verbunden ist, als bei ordnungsgemäßer Durchführung der Arbeiten unvermeidlich war (BGH J R 63, 301). Nach B G H B B 59, 831 ist eine Straßenerhöhung einer Enteignung gleichzusetzen, wenn dadurch die Zufahrt zum Grundstück erheblich erschwert wird. Gegen eine bloße Steigerung des Verkehrs kann sich der Anlieger nicht wehren; jedoch müssen Rasthäuser mit Tankstellen und Reparaturanlagen außerhalb geschlossener Ortschaften erstellt werden: So Habscheid in M D R 54, 260; ferner Ganchezian-Finck in N J W 61, 1846. Vgl. auch oben § 16 V 2. Über Gemeingebrauch und Anliegergebrauch siehe auch oben zu § 1 II 6 b. Zur Frage „Straßennivellierung" als Fall nach § 909 B G B vgl. bei Staudinger R N 51 zu § 909 B G B . 12 ) R 06 Nr. 2848 (Frankfurt). R G 51, 253; R G J W 10, 654. 13 ) O L G 18, 126; R 15 Nr. 539. 14 ) WarnE 15 Nr. 51. 15 ) R G 60, 138; J W 05, 201 Nr. 5. 359
§
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II 1 Auch ein künstlicher Teich kann eine Anlage darstellen16). Dagegen gelten das Aufstauen, Absenken und Umleiten von Grundwasser durch hierzu bestimmte und dazu geeignete, besondere Anlagen sowie Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen, als ein Benutzen im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes16a), das sich hinsichtlich seiner Zulässigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der Wassergesetze der Länder 1611 ) richtet. Den Fall, daß in verhältnismäßig eng begrenztem Raum zwischen Grundstück und Nachbargrundstück und daher ohne Auswirkung auf den Wasserhaushalt und nicht durch die vorerwähnten besonderen Anlagen, sondern lediglich durch bestimmte Einwirkungen auf den Untergrund eines Grundstücks der Grundwasserspiegel erhöht oder gesenkt und dadurch das Nachbargrundstück beeinträchtigt wird, haben einige Länder durch besondere Vorschriften geregelt. Diese sind unten zu § 26 a II 2 bis 4 wiedergegeben. Diese Sonderregelungen beruhen auf der Überlegung, daß nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts 17 ) die Einwirkung einer unzulässigen Anlage von einem Grundstück auf ein anderes nicht vorliegt, wenn durch Anschüttungen auf jenem ein Steigen des Grundwasserspiegels mit der Folge des Eindringens von Grundwasser in Keller und Wände des Nachbargebäudes bewirkt wird, ohne daß eine „Zuführung" von dem einen auf das andere Grundstück vorliegt. Nur Anlagen, welche eine Einwirkung auf das Nachbargrundstück ausüben, können unter § 907 B G B fallen, nicht dagegen solche Anlagen, die sich streng auf der Grundfläche ihres Eigentümers halten und nicht in das Gebiet eines anderen Grundstückes hinübergreifen, wenn sie dieses vielleicht auch durch Entziehung von Licht, Luft, Aussicht oder Bequemlichkeiten beeinträchtigen18). Deshalb gehört eine Bretterwand nicht zu den Anlagen im Sinne des § 907 BGB 1 9 ), noch weniger Fenster, für welche w
) J W 10, 654 (Froschgequake). ) § 3 Abs. 2 W H G vom 27. 7 . 1 9 5 7 (BGBl. I S. 1 1 1 0 ) in der Fassung vom 19. 2 . 1 9 5 9 (BGBl. I S. 37); durch ÄnderungsG vom 6. 8. 1964 (BGBl. I S. 6nff.) wurde § 19 a—f in das W H G eingefügt, wo u. a. für Rohrleitungsanlagen zum Befördern wassergefährdender Stoffe (Rohöle, Benzine, Dieselkraftstoffe, Heizöle) eine besondere Genehmigung vorgeschrieben ist, falls die Leitung den Bereich des Werksgeländes überschreitet; vgl. auch §§ 19fr. und 33fr. W H G . "*>) Vgl. oben § 1 II 6 c. 17 ) R G 155, 154. Vgl. auch unten zu § 20 V . " ) R G 51, 2 5 3 ; 98, 1 7 ; 155, 1 5 7 ; R 08 Nr. 5 3 1 ; J W 08, 142 (RG); 14, 196 (RG); w s. hierüber unten § 38 I 1 e. ) R 06 Nr. 2847 1 (Frankfurt); R G 98, 17. 18a
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überhaupt die landesrechtlichen Vorschriften gelten 20 ). Dagegen sind Türen, welche bestimmungsgemäß nur den Z w e c k haben können, den Übertritt v o n einem Anwesen auf ein Nachbargrundstück zu ermöglichen, Anlagen im Sinne des § 907 B G B 2 1 ) , desgleichen der Straßenanschluß, durch welchen jemand eine auf seinem Grundstück angelegte Straße in den W e g eines anderen einmünden läßt 2 1 a ). E i n unmittelbar v o r dem Fenster des Nachbarn aufgestellter Kandelaber ist keine unzulässige Anlage, wenn auch hierdurch die Gefahr des E i n steigens in das Nachbarhaus begründet wird. Denn der Eigentümer ist nach § 903 B G B befugt, den Kandelaber aufzustellen, er übt damit keine Wirkung auf das Nachbargrundstück aus. 2. E i n w i r k u n g . Man kann bei den Anlagen im Sinne des § 907 B G B solche unterscheiden 22 ), welche selbsttätig ohne Hinzutreten einer weiteren menschlichen Tätigkeit wirken; [z. B . Gräben und Kanäle, welche übelriechendes Wasser enthalten 23 ) oder Aufenthalt für schädliche Tiere bieten 24 ), D u n g - und Versitzgruben 2 5 ), Aufschüttungen v o n E r d - und Sandmassen 26 ), Schutthalden 27 )] und solche Anlagen, welche nur, wenn sie in Betrieb gesetzt werden, einwirken [z. B . Backöfen, Rauchfänge, 20
) J D R 5, 399 (LG Mainz). ) Vgl. BayOGH 8, 284. Der Nachbar, auf dessen Eigentum der durch die Türe vermittelte Ausgang führt, braucht sich nicht damit zu begnügen, daß die Türe verschlossen gehalten wird, er kann Beseitigung, zum mindesten aber eine solche Einrichtung der Türe verlangen, daß sie nicht mehr geöffnet werden kann. Unterstellt man die Grenztüren dem § 907 B G B , so ist für die durch Art. 89 PrAG ausdrücklich aufrechterhaltene, landrechtliche Norm des § 148 I 8 A L R kein Raum. Nach § 148 I 8 dürfen „neue Türen, welche unmittelbar auf des Nachbars Grund und Boden führen, wider dessen Willen niemals angelegt werden". Gibt man den aus dieser Bestimmung folgenden Verbietungs- und Beseitigungsanspruch dem Nachbarn schon aus § 907 B G B , so ist die Heranziehung von § 148 1 8 A L R überflüssig und dem Bundesrecht gegenüber unzulässig. 22 21a ) M 3, 294 (Mugdan 3, 163). ) O L G 2, 345 (Marienwerder). M R G 51, 254; R 06 Nr. 2847 (Frankfurt). ) JW 10, 654. unter ungünstigen Verhältnissen bis 2 : i und nur ausnahmsweise flacher; in Kies und Geröll pflegen sich die Böschungen bei einer Steigung von 1 % : i, in weichem Tagegestein u. dgl. bei einer Steigung von i : i und in festem Gestein je nach dem Grade der Wetterbeständigkeit in steiler Lage bis zur Senkrechten dauernd zu halten. Nach Loewe: Straßenbau, sind die erforderlichen Steigungsverhältnisse für Humus i. lehmige Erden : i bis i : i, wenn die Einschnittstiefen nicht mehr als 4—5 m betragen und die durchschnittenen Bodenarten trocken gelagert sind. Angenommen z. B., es wäre auf einem Grundstück eine 1 m tiefe Sandschicht (hierfür Böschungswinkel 2 : 1 ) , darauffolgend eine 2 m tiefe kiesige Geröllschicht (hierfür Böschungswinkel 1 % : 1); dann eine 2 m tiefe weiche Tagesgesteinsschicht (hierfür Böschungswinkel 1 : 1 ) vorhanden, worauf standsicheres Felsgestein folgen würde, so würde eine 6 m tiefe Abgrabung 6,5 m von der Grenze entfernt bleiben (oder für anderweitige Sicherung gesorgt werden) müssen, falls der Gleichgewichtszustand für das Nachbargrundstück erhalten bleiben soll, nämlich für die 1 m tiefe Sandschicht 2 m, für die 2 m tiefe Geröllschicht 2 % m, für die 2 m tiefe weiche Tagesgesteinsschicht 2 m. Durch entsprechende Bekleidung (Faschinen, Sockelmauer, aufgesetzte Steinstützen u. a.) wird Standsicherheit bei viel steilerem Böschungswinkel hergestellt. B o d e n f l u ß 2 1 ) . Die zusammenhängende Vegetationsdecke wird fast allenthalben von einer mehr oder weniger tiefgründigen Verwitterungsschicht unterlagert. Diese aus aufgelockerten Gesteinsfragmenten und sonstigen Verwitterungsprodukten zusammengesetzte Bodenschicht befindet sich nicht wie das in größerer Tiefe anstehende unversehrte Gestein in einer (relativ gedacht) starren Lage, sondern in einem durch die Schwerkraft bedingten, äußerlich kaum wahrnehmbaren Zustand der Beweglichkeit. Wird ein 20 21
) S. oben § 19 II 1 b. Vgl. Bolze 14 Nr. 40. ) Über Bodenfluß vgl. oben § 1 III 1.
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§ 20 I 3
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
Abhang, etwa durch Abgrabung seiner Vegetationsdecke beraubt, so findet man unmittelbar unter der Humusschicht an Stelle des unversehrten Schichtverbandes, wie man ihn etwa an Steinbruchwänden zu sehen gewohnt ist, verrutschte, meistens nach abwärts verlagerte Schichtbruchstücke. Erreicht diese Verlagerung ein besonders starkes Abmaß, so spricht man von subkutanen Fließbewegungen des Bodens (Bergfluß). Der Grad der Beweglichkeit solcher Bodenbildungen scheint in unseren klimatischen Verhältnissen durch folgende Umstände besonders beeinflußt zu sein: a) Unregelmäßige Wechsellagerungen besonders widerstandsfähiger und relativ mächtiger Gesteinsbänke mit mergeligen oder gar tonigen, jedenfalls leicht zerstörbaren Zwischenlagen. b) Umgestaltung der Bodenoberfläche an einem Steilhang. c) Tektonische Störungen (vgl. oben § i III i), insbesondere Verwerfungen und Zerrüttungszonen. d) Durchfeuchtungen irgendwelcher Art 22 ). Bei derartig beschaffenen, also für Rutschungen hochgradig disponierten Bergabhängen werden die zerstörenden Wirkungen der Bodenbewegung nicht nur durch ein Anschneiden der steilen Böschung knapp unterhalb der Basis, sondern auch durch unzweckmäßige Belastung verstärkt und beschleunigt. Wird zwecks Anlage eines Weges auf dem steil abfallenden Gehänge die Bodendecke angeschnitten, so kann dies auf einem mit Bergfluß behafteten Gelände ein Herausquellen des schweren, durch den Verwitterungsprozeß bereits aus dem Schichtverbande gelösten und beweglich gewordenen Gesteinsmaterials zur unmittelbaren Folge haben. Eine andere Frage aber ist, ob die in Betracht kommenden Geländeteile nicht schon an sich — also auch ohne die stattgehabte Anschürfung des Bodens — einer für die Standsicherheit der Oberfläche hinreichenden Stütze entbehrten23), m. a. W. ob der im unmittelbaren Anschluß an die Anschneidung des Hanges eingetretene Bergsturz binnen kurzer Frist nicht auch dann eingetreten wäre, wenn der Berg nicht angeschnitten worden wäre. Wird diese Frage von dem geologischen Sachverständigen bejaht, dann muß der Jurist hieraus die Folgerung ziehen, daß der Boden durch die Anschneidung die erforderliche Stütze nicht „verloren" (§ 909 B G B ) hat; er hat sie ja schon vorher nicht gehabt. Die Anschneidung war nur die Veranlassung, nicht die Verursachung des Bergrutsches. Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung, der auf eine genügende anderweitige Befestigung geht, ist in einem solchen Fall nicht begründet. Aber auch, wenn der Gutachter zu der Ansicht gelangt, daß durch die Anschneidung des Abhanges der Bergsturz auf dem in subkutaner Bodenbewegung befindlichen Gelände verursacht wurde, kann dem Anspruch auf Wiederherstellung deren Unmöglichkeit, unter besonderen Umständen auch die Einrede der Sittenwidrigkeit entgegenstehen23"). Unter keinen Umständen kann die Herstellung eines höheren Grades von Standsicherheit beansprucht werden, als vor dem Eingriff bestanden hat. Der Kläger kann mit der actio negatoria nur Wiederherstellung des Zustandes verlangen, der bestehen würde, wenn die Wirkung des Eingriffs nicht mehr vorhanden wäre. Es ist Sache des Klägers, nachzuweisen, welchen Grad von Standsicherheit sein Grundstück vor dem Eingriff des Beklagten hatte. Denn der Beklagte muß die Stütze nur insoweit wieder herstellen, als sie infolge seines Eingriffes „verloren" ging. Das kann praktisch zur Abweisung des Wiederherstellungsanspruchs führen. S2 ) Dr. Christa, Vorstand des Mineralogisch-Geologischen Instituts an der Universität Würzburg, Gutachten vom 6. März 1924. 23 ) Dr. Christa, Gutachten vom 14. April 1924. 23a ) Siehe hierzu unten § 38 II 1.
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Verbotenes Vertiefen des Erdbodens
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Wenn ein Eigentümer auf seinem Grundstück bereits eine Vertiefung vorgenommen (z. B. einen Keller ohne festes Mauerwerk ausgehoben) hat und sein N a c h b a r nun auf seinem Grundstück e b e n f a l l s eine Vertiefung vornimmt, wird natürlich auch das Erdreich jenes Grundstücks viel leichter zusammenfallen. Hier ist nach einem billigen Ausgleich und unter Zuteilung der gleichen Rechte an beide Nachbarn zu entscheiden, ob und inwieweit die neue Vertiefung unzulässig ist. Im allgemeinen muß davon ausgegangen werden, daß eine Vertiefung dann zulässig ist, wenn durch diese Vertiefung die Standsicherheit der benachbarten Grundstücke in ihrem derzeitigen Zustand nicht beeinträchtigt wird. Durch das Zusammenwirken menschlicher Eingriffe bei Benutzung des Bodens (Anlage von Kellern, Abbau von Bodenbestandteilen, Ausschachten von Fundamenten, Planierungen, Eisenbahneinschnitte), die am Fuße eines Berges vorgenommen werden und von denen jeder Eingriff für sich allein für die Standsicherheit bedeutungslos ist, kann im Laufe der Zeit die Bergmasse in eine labile Gleichgewichtslage gebracht werden, zu deren Störung und völliger Aufhebung es dann nur noch eines ganz geringfügigen menschlichen oder natürlichen Eingriffs bedarf. Der beabsichtigte Eingriff, von dem diese Wirkung vorauszusehen ist (Gefahr), muß alsdann unterbleiben, wenn er auch, für sich allein betrachtet, noch so geringfügig ist. War jedoch diese Wirkung nicht vorauszusehen, so besteht keine Haftung, wenn sie infolge des ausgeführten Eingriffs eintritt. 4. A n d e r w e i t i g e B e f e s t i g u n g . Nur dann darf das Grundstück in der Weise vertieft werden, daß der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, wenn für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist. Die Vorkehrungen und Einrichtungen, durch welche die anderweitige Befestigung bewirkt werden soll, müssen auf dem Grundstück vorgenommen werden, das vertieft werden soll (bzw. vertieft worden ist)24). Diese anderweitige Befestigung muß schon zur 24 ) Staudinger R N 32 zu § 909 B G B ; R G K Anm. 7 zu § 909 B G B . Der Eigentümer eines Grundstückes ist regelmäßig (Notstand im Sinne des § 904 B G B ausgenommen) nicht verpflichtet, das Betreten seines Grundstücks dem vertiefenden Nachbarn zwecks Vornahme der Befestigungsarbeiten zu gestatten, diesem steht hierfür auch § 226 B G B nicht zur Seite (R 04 Nr. 1164 [Köln]). Nur unter ganz besonderen Ausnahmeverhältnissen (z. B. zur Vermeidung unerträglicher Mehrkosten) wird das Betreten des Nachbargrundstückes mit § 242 B G B erzwungen werden können. (Vgl. auch unten § 3 8 a II 2 d.) Unter solchen Umständen kann der Nachbar, gegen den Unterlassungsklage aus § 909 B G B erhoben ist, einwenden, daß der Kläger entgegen der aus §§ 242, 826 B G B für ihn sich ergebenden Verpflichtung das Betreten seines Grundstücks nicht zugelassen und damit die Herstellung einer anderweiten Befestigung seines Grundstücks selbst unmöglich gemacht habe (So zutreffend Staudinger R N 32 zu § 909 BGB). Wenn nicht die Unterlassungsklage des § 909 B G B , sondern die Schadenersatzklage aus unerlaubter Handlung erhoben ist, dann kann dem Kläger der Einwand mitwirkenden Verschuldens (§ 254
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Zeit der Vertiefung wirken, so daß jede Gefahr eines Einsturzes oder einer Senkung für das Nachbargrundstück und dessen Anlagen ausgeschlossen ist. Durch die Vertiefung darf also nicht einmal eine vorübergehende Gefahr begründet werden 25 ). Welcher Art die anderweitige Befestigung ist, ist gleichgültig. Der Nachbar muß deshalb auch mit einem noch so unschönen Gerüst zufrieden sein. Er kann auch nicht eine solche Befestigung verlangen, die eine besondere Dauerhaftigkeit gewährleistet. Versprießung mit Holzbalken ist daher genügend. Wenn diese später morsch werden, muß der Besitzer des vertieften Grundstückes eben anderweitige Fürsorge treffen. Daß die anderweitige Befestigung genügend ist, hat er zu beweisen26). Für eine genügende anderweitige Befestigung ist gesorgt, wenn derjenige, der sein Grundstück vertiefen will, oder ein Dritter 27 ) Schutzvorkehrungen getroffen hat, die ausreichen, um den Zusammenhang des Nachbarbodens mit den derzeit darauf stehenden Anlagen zu erhalten. Man wird aber noch weiter verlangen müssen, daß die Befestigung eine derartige sein muß, daß der Boden des Nachbargrundstückes auch eine Belastung durch weitere Anlagen verträgt, mit deren Errichtung unter Berücksichtigung aller Verhältnisse, namentlich der örtlichen Lage des Grundstücks, zu rechnen ist. Auch hier zeigt sich die Relativität des Begriffes „erforderliche Stütze"; handelt es sich um ein unbebautes, im freien Felde liegendes Nachbargrundstück, dann wird eine solche Befestigung, daß der Boden auch bei Errichtung eines Gebäudes in keiner Weise nachgibt, nicht erforderlich sein; handelt es sich um einen Bauplatz, so ist eben eine anderweitige Befestigung erforderlich, die die bestimmungsgemäße Ausnützung des Bauplatzes durch Bebauung ins Auge faßt 27a ). 5. K l a g e a n s p r u c h 2 7 b ) . Ist durch eine Vertiefung des Grundstücks dem Nachbargrundstück die n a t ü r l i c h e Stütze entzogen, so erwächst hierA b s . 2 B G B ) entgegengesetzt werden, wenn er das Betreten seines Grundstücks zwecks Vornahme der Befestigungsarbeiten verweigert hat, obwohl er nach Sachlage hierzu verpflichtet gewesen wäre ( J W 10, 3 3 0 ; Gruchot 54, 1016). V g l . auch unten N . 53. 25 ) N u r für die Sicherungsmaßregeln, die z u r Z e i t notwendig sind, und für erforderliche Vorbereitung künftig notwendiger Maßnahmen muß der den Bau beginnende Nachbar sorgen. W ü r t t Z 14, 3 1 7 (Stuttgart). 26 ) Dernburg 3, 1 7 7 ; W ü r t t Z 19, 278. A . M . Leonhard, Beweislast 4 1 3 . 27 ) R G K A n m . 8 zu § 909 B G B . 27a ) Staudinger R N 25 zu § 909 B G B . Ebenso B G H N J W 68, 1 3 2 = M D R 68 S. 6 5 1 , wonach eine genügende anderweitige Befestigung so geartet sein muß, daß der Boden des Nachbargrundstücks eine Belastung auch mit solchen Gebäuden verträgt, deren „künftige Errichtung nach den gesamten Umständen vernünftigerweise zu erwarten ist und den Rahmen bestimmungsmäßiger Ausnützung des Grund und Bodens nicht offensichtlich überschreitet". 27 Muß die Vertiefung auf Grund öffentlichrechtlicher Vorschriften geduldet werden, so erwächst ein Entschädigungsanspruch ( R G 1 6 7 , 1 4 [ 2 5 ] ) ; vgl. unten § 43 D III 2 d.
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durch dem Eigentümer die dauernde [auch auf den Sondernachfolger übergebende 270 )] Verpflichtung, für eine genügende anderweitige Befestigung zu sorgen; es muß also die Stützmauer in einem für ihren Zweck geeigneten Zustand unterhalten oder in anderer Weise für die Erhaltung der Standsicherheit gesorgt werden. In der Unterlassung der Erfüllung dieser Pflicht liegt der Wirkung nach eine unzulässige Vertiefung. Wenn das Hügelgelände, wie es namentlich in Weinbaugebieten der Fall ist, in einzelne Terrassen abgeteilt ist, die durch Mauern (zumeist Trockenmauern) gestützt sind, dann obliegt dem einzelnen Weinbergsbesitzer gegenüber dem Oberlieger aus § 909 B G B (und aus § 908 B G B auch gegenüber dem Unterlieger) die Pflicht, die Stützmauer in einem für ihren Zweck geeigneten Zustand zu unterhalten. Diese Pflicht geht nicht so weit, daß eine solche Beschaffenheit der Mauer vorhanden sein muß, daß jegliches Abwandern des Erd- und Schuttgeländes ausgeschlossen ist. Es braucht keine höhere Standsicherheit hergestellt und erhalten zu werden, als bestehen würde, wenn der natürliche Zustand des Weinberges (die natürliche Böschung vom höchsten Teil des Weinberges bis zum Fuß der Mauer) erhalten wäre. Man wird unterstellen dürfen, daß die Trockenmauern, wie sie (nach Höhe, Dicke, Art der verwendeten Steine und ihrer Zusammenfügung) in der betreffenden Lage herkömmlich sind, der Erfahrung entsprechend die für normale Verhältnisse ausreichende Stütze bieten. In dieser Beschaffenheit muß die Mauer erhalten werden. Hat der Besitzer der Mauer dieser Verpflichtung genügt und wird dann gleichwohl infolge außergewöhnlich langandauernder Regengüsse oder eines Wolkenbruches oder infolge der Schmelze außergewöhnlicher Schneemassen die Mauer eingedrückt, so besteht keine Haftung für die dadurch bewirkte Beschädigung der Nachbargrundstücke. Dem Eigentümer der eingedrückten Mauer obliegt jedoch die Verpflichtung, die beschädigte Mauer alsbald nach Eintritt besserer Wetterverhältnisse wieder herzustellen. Vgl. hierzu aber auch die Landeswassergesetze oben § 16 II 4.
Solange die Vertiefung noch nicht vorgenommen ist, ist der Klageantrag des Eigentümers 28 ) nicht schlechtweg auf Unterlassung der Vertiefung zu richten; vielmehr hat der Antrag zu lauten: „Dem Beklagten wird verboten, sein Grundstück in der Weise zu vertiefen, daß der Boden des Grundstücks des Klägers die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, daß für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt wird" 29 ). Ist die Vertiefung 27
r 93)41 ) Die bloße Möglichkeit, auch auf einer anderen Seite Fenster anzubringen, steht dem Vorhandensein einer anderen Lichtquelle nicht gleich, auch dann nicht, wenn sich der Bauende erbietet, eine andere Lichtquelle auf seine Kosten zu schaffen. (OTr. 8o, 267; RG 35, 181; J W 95, 231 Nr. 27:97, 585 Nr. 67). Vgl. Kahn i o 3 ; a b w . Dernburg PrPrR 1, 554 Nr. 11 Z. 4 u. Paris, Kritik 11. Ihnen ist zuzugeben, daß die herrschende Ansicht zu Härten führt, wenn die Kosten der Baurückziehung mit denen der Neubelichtung in keinem Verhältnis stehen; der Wortlaut des Gesetzes ist hier aber zwingend. 3 «)
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§25
Fenster- und Lichtrecht
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Nachbar ) mit einem Neubau ) soweit von der Grenze zurückbleiben ), daß man in normaler Stellung 45 ) aus den ungeöffneten Fenstern des Erdgeschosses 48 ) in vertikaler Richtung 47 ) den Himmel sehen kann 48 ) (§ 142 I 8 A L R ) . Erhält jedoch der fenster42 ) Diese Bestimmungen über den Schutz der Fenster vor Verdunkelung kommen nur dann zur Anwendung, wenn der Neubau auf einem Grundstück errichtet wird, welches unmittelbar an das Gebäudegrundstück anstößt. Deshalb kommen diese Vorschriften für ein an einer öffentlichen Straße stehendes Gebäude gegenüber einem jenseits derselben Straße zu errichtenden Neubau nicht in Betracht, selbst dann nicht, wenn das Straßenterrain demselben Eigentümer wie der Neubau gehört. R G 4 5 , 295; J W 00, 503; Müller 69; Koch Bern. 32 zu § 103 I 8; Turnau-Förster 357. 43 ) Unter Neubau ist nicht nur ein Bau auf bisher unbebauter Stelle, sondern auch ein Umbau, z. B. das Aufstocken oder das Höherführen eines bestehenden Gebäudes zu verstehen ( B G H N J W 54, 1 3 6 3 ; OTr. 1 3 , 28; 46, 7 1 ; StriethA 92, 166; 95, 3 3 1 ; J M B 1 . 1880, 230; R G 2, 196 und R 1 3 , 378; Kahn 94). Wird ein abgebranntes oder abgebrochenes Gebäude wieder hergestellt, dann können, soweit die Dimensionen dieselben sind wie beim alten Gebäude, von dem Fensterinhaber Rechte aus §§ 142, 143 A L R nicht hergeleitet werden (Turnau-Förster S. 357). Nur gegen Neubauten, nicht auch gegen die Auf lagerung von Holz ist der Fensterinhaber durch §§ 1 4 2 , 1 4 3 A L R geschützt, weil diese Vorschriften singulärer Natur sind und daher nicht ausdehnend ausgelegt werden können (StriethA 88, 74; 95, 366; OTr. 45, 63). E r hat jedoch dagegen die allgemeine Negatorienklage; Koch Bern. 50 zu § 143 A L R ; Foerster-Eccius 178 N 35 a. E . ; Dernburg PrPrR 1 , 554 N 1 1 Z 7. 44 ) Der Gegenbau braucht nur insoweit zurücktreten, als er dem lichtberechtigten Fenster gegenüberliegt. (Koch Bern. 45 zu § 1 4 3 A L R ; Müller 72f.). Die Anbringung eines Lichtschachtes genügt daher (OTr. 78, 16; R G i. J W 97, 258). 45 ) So gegen die Rechtsprechung des Obertribunals (OTr. 5, 166; StriethA 2 1 , 44 und 80, 200), die jede mögliche Stellung genügen ließ, die neuere Rechtsprechung: R G 32, 194; 36, 217 und bei Gruchot 3 1 , 928. E s ist aufrechte Haltung eines Mannes von mittlerer Größe maßgebend ( R G 32, 194; J W 97, 585 Nr. 67; B a y O b L G 2, 818; R G . i. R 18, S. 121/2). Über analoge Anwendung des Lichtschutzes in einem Fall, wo das Fenster unterhalb der Augenhöhe eines mittelgroßen Menschen liegt, vgl. R G 64, 299; hier ist allerdings derUrteilstenor so kompliziert, daß die Zwangs Vollstreckung recht schwierig und eine Quelle neuen Streits geworden sein dürfte. Weit vorzuziehen ist die bestimmte Maßangabe, wieweit zurückzugehen ist. V g l . noch R G 32, 200. 46 ) O T r . 64, 32; StriethA 55, 358. Ein Raum, dessen Fußboden erheblich unter der Erdoberfläche liegt, kann nicht als unterstes Stockwerk angesehen werden ( R G 47, 264; Gruchot 45, 6 1 1 ) . Bei der Frage, ob das Hochparterre oder Souterrain als unteres Stockwerk anzusehen ist, entscheidet der Umstand, welches der beiden Gelasse mit seinem Fußboden der ebenen Erde näher gelegen ist. Vgl. Turnau-Förster 357. Wenn das Erdgeschoß überhaupt kein Fenster hat, sich dagegen im Obergeschoß Fenster befinden, so genügt es, wenn der Ausblick auf den Himmel aus dem hierauf zunächst folgenden Geschosse möglich ist (StriethA 79, 1 1 3 ; Turnau-Förster 358; R G 64, 301); das Gleiche muß gelten, wenn den vorhandenen Fenstern des Erdgeschosses das Licht durch den Bau des Nachbarn befugt entzogen ist ( B G H N J W 54, 1 3 6 3 ; R G 67, 83). E s kommt also das unterste Stockwerk in Frage, das Fenster hat, R G i. R 18 S. 1 2 1 / 2 : als „unterstes Stockwerk" ist das erste von der Erde aus aufsteigende Stockwerk anzusehen, das nach allgemeinem Sprachgebrauch im Vergleich mit anderen Stockwerken desselben Gebäudes als Erdgeschoß bezeichnet wird, unter dem „zweiten Stockwerk" i. S. des § 3 14 A L R das darüber gelegene Geschoß, die sog. Bel-Etage zu verstehen; ebenso B G H N J W 54, 1363. 47
) Es genügt nicht, daß der Himmel seitwärts erblickt werden kann (StriethA 65, 79, 1 1 3 ) -
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Mcisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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§ 25 CII
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
tragende innere Raum 49 ) noch von anderer Seite Licht, so genügt es, daß man in derselben Weise aus den ungeöffneten Fenstern des ersten Stockes den Himmel erblicken kann. Der Lichtrechtschutz der §§ 142 und 143 A L R gebührt auch solchen Fenstern, die (unter Innehaltung der gesetzlichen Voraussetzungen dieser Paragraphen) gegen die baupolizeilichen Normen und die Einrichtungsvorschriften des § 138 A L R verstoßen60), wie andererseits das Lichtrecht als solches den Nachbarn nicht hindert, die Befolgung jener Einrichtungsvorschriften zu verlangen 61 ). Berühmt war für das preußische Recht vor 1900 die Streitfrage nach der rechtlichen Natur des Lichtrechts aus §§ I42ff. A L R . Die herrschende Meinung faßte mit dem Obertribunal das Lichtrecht als eine Servitut, die zehnjährige Frist des § 142 A L R als Ersitzungszeit auf 62 ). Entgegen dieser schon von einigen für das preußische Recht bekämpften Lehre 53 ) hat das Reichsgericht in grundlegender Entscheidung überzeugend festgestellt, daß das Lichtrecht eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung ist, die vom positiven Recht an den Ablauf einer zehnjährigen Frist geknüpft ist und deren Eintritt der Nachbar nur dadurch hindern kann, daß er bis zum Ablauf dieser Frist das Fenster verbaut54). Dieser Ansicht folgt auch das Preuß. A G , indem es in Art. 89 die §§ 142 ff. I 8 A L R aufrecht erhält: da unter der Herrschaft des B G B eine Servitutenersitzung unmöglich ist, kann der Gesetzgeber, um die gedachten Normen in das neue Recht hinüberzunehmen, sich nur der reichsgerichtlichen Auslegung angeschlossen haben55). Aus der rechtlichen Natur des Lichtrechts als einer gesetzlichen Eigentumsbeschränkung folgt, daß es nicht eintragungsfähig ist6®); wohl aber kann das Recht des Nachbarn, die Fenster auch nach Ablauf der Zehnjahresfrist zu verbauen, als Dienstbarkeit im Grundbuch Platz finden6'). 48 ) Wird dies nur durch außergewöhnliche Beschaffenheit (z. B. Erker, Balkone) der Wand, in welcher sich die Fenster befinden, unmöglich gemacht, so kann dieser Umstand dem Bauenden nicht zur Last gelegt werden (JW 95, 304 Nr. 42; Gruchot 39, 935). E s genügt, daß der Nachbar durch irgendeine Scheibe den Himmel sehen kann, es ist also nicht erforderlich, daß dies durch alle Scheiben möglich ist. Müller 72. 49 ) Sowohl in § 142 wie in § 143 A L R kommt es auf die Belichtung des fenstertragenden Behältnisses an (Koch Bern. 46 u. 49 zu § 143 A L R ; Turnau-Förster 357; Foerster-Eccius 177 N 94; R G 2,196 u. 32,188). Abweichend Paris, Kritik 8 und Gruchot 24,70; er legt den§ 143 A L R dahin aus, daß auch hier das Verhältnis selbst nur von der Bauseite, das Gebäude auch von einer anderen Seite Licht empfängt. Diese Ansicht ist allseitig abgelehnt; vgl. treffend dagegen auch Kahn 100 f. 6 °) R G 35, 1 8 1 ; 3 6 , 2 1 8 ; J W 9 5 , 232; R G i. R 13, 70 und 378. Vgl. R G i. R 1 1 , 418; 61 Kahn 93. ) R G i. R 13, 70. 52 ) OTr. 51, 75; 80, 270; StriethA 42, 234; Dernburg, PrPrR 1, 553 N 1 1 . Die Konstruktion von Koch (Bern. 38 zu § 142 ALR), daß es sich um ein durch Verschweigen des Nachbarn und fingierten Verzicht entstandenes Recht handelt, hat allseitige Ablehnung gefunden. Vgl. R G 44, 321 ff. 53 ) Paris bei Gruchot 24, 8off.; Foerster-Eccius 3, 178f. N 37. 64 ) R G 46, 2 7 1 ; 44, 312ff.; früher zweifelnd R G 35, 182; ferner JW 00, 5 7 1 ; O L G 24, 317 (Marienwerder); 26, 15 ( K G ) ; R 14, 308 (Posen); Gruchot 24, 67; ebenso Müller 70 d; Kahn 107. Noch für die alte Auffassung Dernburg SR 294fr.; Endemann 466 N 22. 65 ) Habicht 3 92 ff. Abw. Affolter, Intertemporales ProvR 381, der Ersitzung von Grundstücken auch nach 1900 zuläßt. Ebenso L G Bochum N J W 62 S. 1255; dagegen 56 Hodes N J W 62 S. 1682. ) Vgl. oben § 24 VI. Abw. Endemann 466 N. 22. 67 ) Turnau-Förster 358; doch ist zu beachten, daß die Eintragung ausdrücklich die Ausdehnung des Baurechts über die Zehnjahresfrist hinaus enthalten muß; bis zum Ablauf derselben folgt das Baurecht aus dem Eigentum, ist also nicht eintragungsfähig.
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Fenster- und Lichtrecht
§ 25 D i l
Dieses Lichtrecht nach A L R konnte nach 1900 und kann noch heute unter den gleichen Umständen und Voraussetzungen wie vor dem Inkrafttreten des B G B entstehen, also insbesondere auch für Häuser, die erst nach 1900 erbaut wurden oder künftig erbaut werden. Sind also 10 Jahre nach Eröffnung eines Fensters verstrichen, ohne daß es verbaut worden ist, so darf das Fenster beibehalten und nicht mehr verbaut werden 571 ), ohne Rücksicht darauf, in welchem Jahre außerhalb der vergangenen 10 Jahre die Fensteröffnung erfolgt ist. Die damit eingetretene Eigentumsbeschränkung des Nachbarn bleibt auch dann bestehen, wenn das Gebäude, in welchem sich das Fenster befand oder befindet, untergeht oder abgerissen wird, weil es durch einen Neubau ersetzt werden soll. Denn das einmal erworbene Lichtrecht wird durch die nur vorübergehende Nichtausübung nicht beseitigt, so wenig wie dies entsprechend bei der Grunddienstbarkeit der Fall ist; ein Wegfall des Rechts tritt somit durch den Untergang des herrschenden Gebäudes nicht ein, wohl aber dann, wenn aus irgendwelchen Gründen, z. B. städtebaulicher Art, ein Wiederaufbau endgültig ausgeschlossen ist. Das in dem Neu- oder Wiederaufbau anzubringende Fenster darf jedoch den Nachbarn nicht mehr beeinträchtigen als das frühere Fenster. Dieses kann aber z. B. durch ein Lichtband ersetzt werden. Unzulässig dagegen eine Vermehrung der Fensterzahl oder eine erhebliche Vergrößerung des Fensterumfangs. Entspricht hiemach das für den Neubau geplante Fenster dem erworbenen Lichtrecht, so ist die Baubehörde nicht berechtigt, die Erteilung der Baugenehmigung von der Zustimmung des Nachbarn abhängig zu machen 5 ' 11 ). Prozessual ist zu bemerken, daß außer dem Eigentümer des lichtberechtigten Grundstücks auch der dinglich Berechtigte klagen kann68) und daß passiv legitimiert der Eigentümer des Gegenbaus, nicht der Bauende ist59). Der Antrag soll nach reichsgerichtlichem Erfordern nicht auf bestimmte Maßregeln gehen; „es genügt, wenn er in Anlehnung an die Worte des Gesetzes dem Beklagten aufgibt, was er zu tun hat 80 )". Das ist theoretisch gewiß zu billigen, wird aber in der Vollstreckung oft zu Schwierigkeiten führen müssen. D. Code civil (Rheinisches Recht60») I. F e n s t e r r e c h t . Der Code civil unterscheidet für das Fensterrecht zunächst zwischen Fenstern in gemeinschaftlichen Mauern und Fenstern in Mauern, die im Alleineigentum des Fensterinhabers stehen. 1 . Fenster in gemeinschaftlichen Mauern (C.c. Art. 675). Der Code verbietet die Anlage von Fenstern in gemeinschaftlichen Mauern ohne Erlaubnis des Miteigentümers. Art. 89 Nr. 2 P r A G hält den Art. 675 ausdrücklich aufrecht; dennoch ist es zweifellos dem Reichsrecht gegenüber als ungültig anzusehen. Wie oben*1) dargelegt, unterfallen gemeinschaftliche Grenzmauern des Code zunächst den Vorschriften der §§ 921 ff. B G B . Nach § 922 B G B , der die gemeinschaftliche Benutzung der Grenzeinrichtungen näher regelt, darf keine derartige Einrichtung ohne des Nachbarn 57a ) Unrichtig L G Bochum N J W 62, 1255, das dem Nachbarn während des Laufs der 10 Jahre bis zur Entstehung des Lichtrechts einen Anspruch auf Beseitigung des Fensters gemäß § 1004 B G B einräumt. Gegen diese Entscheidung Hodes N J W 62, 1681 und Glaser-Dröschel Nr. 84 b. dd. Abw. Koenig Z M R 63, 3. 57b) Vgl. auch oben § 25 A. 58 ) Turnau-Förster 358; Müller 73i will zu Unrecht den Nießbraucher ausschließen. 69 ) R G J W 98, 620; Müller 73i; O L G 26, 15 (Marienwerder). •°) R G J W 9 7 , 586. 60a ) Für das Gebiet von Nordrhein-Westfalen sind die einschlägigen Vorschriften des C. c. durch § 54 Ziff. 3 N R W . N R G (GVB1. 69, 190) aufgehoben; vgl. hierzu unten zu § 25 K . « ) S. oben § 7 V.
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§ 25
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
DI2 Zustimmung geändert werden, solange einer der Nachbarn an dem Fortbestehen — d. h. am unveränderten Fortbestehen — ein Interesse hat, und jeder Nachbar darf sie für sich nur insoweit benutzen, als nicht des andern Mitbenutzung beeinträchtigt wird. Danach kann also der Nachbar der Anlage von Fenstern in der Mauer solange — und nur solange — widersprechen, als es sein Interesse mit Rücksicht auf sein Mitbenutzungsrecht erheischt. Dieser die Schikane des Nachbarn ausschließenden Regelung des Benutzungsrechts gegenüber ist das absolute Verbot des Art. 675 eine Verschärfung, zum mindesten — wenn man die Grenze des nachbarlichen Interesses auch für das Recht des Code gelten läßt —, eine Wiederholung; es muß daher (gem. Art. 124 E G ) die landesrechtliche Norm den reichsrechtlichen Vorschriften des § 922 B G B weichen. Art. 675 C.c. ist daher trotz der Aufrechterhaltung im Preußischen Ausführungsgesetz nicht mehr gültig82). 2. Fenster in nicht gemeinschaftlichen Mauern. Das Recht auf Anlegung von Fenstern in einer Mauer, die im Alleineigentum des Fenstereigentümers steht, ist im C. c. eigenartig geregelt. Grundsätzlich entscheidend für die Bedeutung einer Öffnung ist, ob sie Aussicht auf das Nachbargrundstück gewährt oder nicht. Die Aussichtsfenster (vues) dürfen nur in bestimmtem Grenzabstand angelegt werden ; Fenster, die eine Aussicht nicht ermöglichen, bloße Lichtöffnungen (jours), darf man unmittelbar auf der Grenze anlegen. Doch unterliegt ihre Einrichtung gewissen Beschränkungen. Die Beschränkungen in der Anlage und Einrichtung von Fenstern gelten auch für das Recht des C. c. als gesetzliche Einengung des an sich unbegrenzten Eigentumsinhalts, als wahre Eigentumsbeschränkung, nicht als Servitut' 3 ). Die Beschränkungen finden gleichermaßen Anwendung auf Stadt- und Landgrundstücke, umfriedete oder offene Güter, Fenster in Gebäuden, tragende und bloße Scheidemauern'4). a) L i c h t f e n s t e r (jours) Art. 676 und 677 C. c. Unter Lichtfenstern i. S. Art. 676f. C. c. versteht man Öffnungen, die lediglich dazu angelegt sind, Licht in die hinter ihnen belegenen Räumlichkeiten zu bringen*6). Sie dürfen weder der Luftzufuhr, noch der Aussicht oder der Vermittlung von Immissionen auf das Nachbargrundstück dienen6'). Dementsprechend müssen sie eingerichtet sein. Sie müssen gemäß § 676 Zufenster sein, d. h. in unöffenbarem Rahmen sitzen (châssis à verre dormant)"). Sie müssen ferner mit einem eisernen Gitter (à fer maillé) versehen sein, dessen einzelne Stäbe höchstens 10 cm voneinander entfernt sind"). Endlich müssen sie in einer bestimmten Höhe über dem Boden des zu erleuchtenden Raumes angelegt werden, nämlich 2,60 m, wenn der Raum auf ebener Erde, 1,90 m, wenn er in einem höheren Stockwerk liegt' 9 ). Die Bemessung muß »2) A. M. R G 162, 2 1 2 ; Kahn 121 N 3. •*) Carpentier Bd. 36 sub „ v u e s " N 1 3 ; Demolombe Bd. 1 1 N 8, 12 N 540; AubryRau Bd. 2 § 194 Text und N 1 ; Baudry-Lacantinerie N 1028 und 1033. R G 31, 342. ®4) Carpentier a. a. O. N 1 2 ; Zachariae-Crome 1 , 521 N 5; Fuzier-Hermann Bern. 4 und 5 zu Art. 676 C. c. Doch muß es sich stets um eine Öffnung in einem Behältnis handeln, das überhaupt menschlicher Benutzung unterliegt; unanwendbar sind daher die Art. 676 fr., z. B. auf Öffnungen in Grabkapellen ( O L G Köln in Puchelts Z. 25,109). " ) Unerheblich ist, ob das Licht durch eine Glasscheibe oder durch andere lichtdurchlässige Stoffe (Hohlziegel) einströmt (Köln i. RheinA 1 0 1 , 121). " ) Carpentier N 5; Baudry-Lacantinerie N 1024. • 7 ) Man hat „verre dormant" als blinde (undurchsichtige) Fenster übersetzt (Kretzschmar, Rhein. Zivilrecht Art. 676). Dagegen mit der französischen Rechtslehre auch O L G Köln im RheinArch. 101 I 141 ; R G ebd. 93 II 45. Nicht aber brauchen die unbeweglichen Rahmen mit Kalk oder Gips vermauert zu werden (Baudry-Lacantinerie N 1029). 68 ) Müller, Baurecht 38. 6S ) Von Kellerfenstern ist in dem Gesetz nicht die Rede; sie unterliegen den Beschränkungen des Art. 676 ff. nicht. Demolombe Bd. 1 2 N 534; Carpentier N 54; BaudryLacantinerie N 1029; Fuzier-Hermann Bern. 7 zu A r t . 676.
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Fenster- und Lichtrecht
§25 DI2
von der Seite des Fensterinhabers erfolgen; haben die beiden benachbarten Grundstücke verschiedenes Niveau, so kommt nur der Boden desjenigen Grundstücks in Frage, auf dem der Bau mit dem Fenster steht 70 ). Über den Umfang der Fenster schweigt das Gesetz; er kann also beliebig groß sein 71 ). b) A u s s i c h t s f e n s t e r (vues) (Art. 678—680). Als Aussichtsfenster bezeichnet die französische Lehre und Rechtsprechung Öffnungen, die einen „regard p6n£trativ", d. h. einen in das Nachbargrundstück eindringenden Ausblick gestatten und die Möglichkeit gewähren, Luft einzulassen72). Von anderer Grundauffassung scheint das Reichsgericht für das rheinische Recht auszugehen: es definiert die Zweckbestimmung der vues als „Aussicht, nicht Einsicht in das Nachbargut 73 )". Diese Abweichung ist z. B. von Bedeutung für die Entscheidung der Frage, ob „vues" i. S. des Art. 678 fr. vorliegen, wenn die Fenster lediglich auf eine höhere lückenlose Mauer oder auf ein Dach des Nachbarn gehen. Das Reichsgericht bejaht die Frage von seiner Auffassung aus, daß jeder Anblick fremden Eigentums schon Aussicht i. S. des Art. 678 ff. ist 74 ), während die herrschende Meinung für das französische Recht zur gegenteiligen Entscheidung kommt, meist auf Grund des Satzes, daß der Nachbar an Beschränkung solcher „Aussichts"fenster kein Interesse habe76). Aussichtsfenster müssen gemäß Art. 678 einen bestimmten Abstand von der Nachbargrenze einhalten. Fenster mit gradliniger Aussicht (vues droites) müssen 1,90 m, Fenster mit schräggerichteter Aussicht (vues obliques) müssen 60 cm Grenzabstand halten. Der Unterschied zwischen gerad- und schräggerichteter Aussicht ist streitig. Eine ältere Lehre stellte darauf ab, ob die fenstertragende Mauer sich parallel der Grundstücksgrenze oder im Winkel dazu erstrecke79). Diese Ansicht lehnt die herrschende Meinung mit Recht ab 7 7 ) und versteht unter geradgerichteter Aussicht eine solche, bei der man das Nachbargrundstück sieht, ohne sich aus dem Fenster hinauszubeugen oder den Kopf zu drehen, derart, daß dieFenster, in derRichtung ihrerAchse verlängert, dasNachbargrundstück treffen müssen, während schräggerichtete Aussicht ein Fenster dann gewährt, wenn man sich dazu in einer von der Fensterachse abweichenden Richtung aufstellen muß 78 ). 70 ) Carpentier N 30; Fuzier-Hermann Bern. 2 zu Art. 677; Baudry-Lacantinerie N 1029 S. 734. Handelt es sich um Fenster zur Beleuchtung einer an der Grenzwand entlanglaufenden Treppe, so ist die Höhe von jeder dem Fenster entsprechenden Stufe zu bemessen; liegen mehrere Stufen darunter, so läuft das Höhenmaß von der obersten Stufe ab. Vgl. Demolombe Bd. 1 2 N 535; Baudry-Lacantinerie a. a. O.; Carpentier N 3 2. 71 ) Zachariae-Cromei, 521 N 7; Carpentier N 26; Fuzier-Hermann Bern. 1 zu Art. 677. 72 ) Coutüme d'Orleans Art. 229; Demolombe Bd. 12 N 528; Fuzier-Hermann 73 Bern. 2 zu Art. 678. ) R G 15, 329. " ) R G 15, 328fr.; ebenso Zachariae-Crome 1, 522 N 1 2 b ; Kahn 1 1 7 . 76 ) Pardessus 1 N 204; Demolombe 1 2 N 569; zweifelnd Baudry-Lacantinerie N 1038; Stand des Streites bei Fuzier-Hermann Bern. 17 und 20 zu Art. 678. Der Nachteil der französischen Lehre, die an sich dem Rechtsgefühl mehr entspricht, zeigt sich aber darin, daß, wenn der Nachbar Mauer oder Dach niederlegt und dadurch die Aussicht frei wird, die Fenster fallen oder die Entfernung der Art. 678 f. einhalten müssen. Vgl. Carpentier N i n . ™) Pardessus 1 N 204; Demolombe 1 2 N 528. 77 ) Nach ihr böte ein Fenster in einer Mauer auch dann vue droite, wenn die Mauer zwar der Grenze parallel, aber die das Fenster enthaltende Stelle schon meterweit hinter dem Punkte läge, wo gegenüber das fragliche Nachbargrundstück sein Ende hat; ein offensichtliches Unding. 7S ) Carpentier N 6; Fuzier-Hermann Bern. 2 zu Art. 678; Bern. 8 zu Art. 679; AubryRau 2, 196 Text und N ; Baudry-Lacantinerie N 1 0 3 1 ; Zachariae-Crome 1 , 519 N i a ; R G in Puchelts Z 3 5, 409. Unrichtig Kahn 1 1 7 , der beide Theorien vermengt.
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§ 25
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
DI2 Für die B e r e c h n u n g des A b s t a n d s z u r G r e n z e des Nachbargrundstücks ist nicht von der Giebelmauer in ihrer Gesamtheit, sondern nur von ihrem fenstertragenden Teil auszugehen; die Entfernung wird also von der äußeren Seite der Mauer, in der sich die Fensteröffnung befindet, gemessen. Daher war in dem vom O L G Köln (MDR 65 S. 485 = O L G Z 65, 60) entschiedenen Fall ein Fensterbeseitigungsanspruch nicht gegeben: Da die Giebelmauer, in der sich die Fenster befanden, nur einen Abstand von 1,80 m zur Grenze hatte, hatte der Mauereigentümer den fenstertragenden Teil der Mauer in einer Länge von etwa 2 m durch entsprechende Verringerung der Dicke des Mauerwerks soweit zurückgenommen, daß der Abstand jetzt 1,90 m betrug. Den gleichen Abstand wie die Aussichtsfenster müssen gemäß Art. 678 wahren Balkone und andere Gebäudevorsprünge 79 ). Der für Aussichtsfenster geforderte Grenzabstand berechnet sich von der äußeren Seite der fenstertragenden Mauer bzw. von der äußeren Linie des Balkons, Erkers usw. an bis zur Grundstücksgrenze (Art. 680). Art. 680 ist ungeschickt abgefaßt; denn seinem Wortlaut nach paßt er nur für die dem Nachbargrundstück gegenübergelegenen „vues droites", bei der auf der Außenseite der Mauer jeder Punkt gleich weiten Abstand von der Grenzlinie hat. Unanwendbar ist die Messungsnorm des Art. 680 für schräggerichtete Aussichtsfenster, Balkons usw. Hier muß der dem Nachbargrundstück nächstgelegene Punkt der Außenseite oder -linie als Ausgangspunkt der Berechnung zur Grundstücksgrenze hin genommen werden 80 ). Die Frage der Berechnung ist Tatfrage und als solche der Revision nicht unterworfen. Verurteilt der Richter den Fensterinhaber zur Einhaltung eines gewissen Abstandes, so ist der Abstand jetzt in Metern, nicht mehr in der im Art. 678 und 679 enthaltenen Bemessung in Fuß und Zoll anzugeben 81 ). c) Sehr oft wird es zweifelhaft sein, ob Fenster und andere Öffnungen als Lichtöffnungen (1) oder Aussichtsfenster (2) zu behandeln sind. Die Frage ist von größter Wichtigkeit für die unten zu behandelnde Frage des Lichtrechts, d. h. für die Frage, ob und inwieweit die Öffnungen in Mauern vom Nachbarn verbaut werden dürfen oder nicht. Dabei genießen dann Aussichtsfenster, wenn überhaupt, einen weiteren Schutz als bloße Lichtöffnungen. Welche von den beiden Öffnungen vorliegen, ist reine Tatfrage und dem Ermessen des Richters überlassen82). Entscheidend ist der Ort der Errichtung, die Unbequemlichkeit für den Nachbarn, die Größe und Einrichtung der Öffnungen, vor allem aber ihre Höhe über dem Fußboden. d) Müssen die Abstandvorschriften des Art. 678 f. auch innegehalten werden, wenn ein Grundstück zwischen beiden Nachbargrundstücken liegt ? 79 ) Ebendahin gehören künstlich aufgeschüttete Terrassen, glatte Aussichtsdächer, Belvedères usw., nicht aber natürliche Bodenerhöhungen. Vgl. R G J W 05,192; ZachariaeCrome 1 , 520 Nr. 3; Carpentier Nr. 7 8 f r . ; Baudry-Lacantinerie N 1052 S. 759 bes. Anm. 3. Türen sind verschieden zu behandeln; Glastüren dürften stets unter Art. 678f. fallen, Türen mit voller Füllung nicht, selbst wenn sie unmittelbaren Zugang zum Nachbargrundstück gewähren (auf die Möglichkeit vorübergehender Aussicht beim Türöffnen kommt es nicht an); bei Gittertüren wird die Art der Anlage entscheiden. Dachluken (lucarnes), die, im Dach angebracht, nur Aussicht senkrecht gen Himmel gewähren, unterfallen den Abstandsvorschriften nicht. Bei Aufschüttungen und vorübergehenden Anlagen, die an sich eine Aussichtsmöglichkeit gewähren, entscheidet die Zweckbestimmung. Vgl. Fuzier-Hermann Bern. 12 zu Art. 678. 80 ) Baudry-Lacantinerie N 1032; näheres über die Berechnungsart bei Carpentier N Ê7ff.; Fuzier-Hermann zu Art. 680, vor allem R G in Puchelts Z 35, 409. Vgl. auch 81 Zachariac-Crome 1 , 522 N u . ) R G in Puchelts Z 26. 624. 82 ) Carpentier N 3 3 ; Fuzier-Hermann Bern. 1 0 ; Supplément Bern. 4 zu Art. 676; Bd. 8 N 6 0 ; Baudry-Lacantinerie N 1033 S. 744; O L G Köln RheinArch. 7 9 1 24.
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Fenster- und Lichtrecht
§
25
DI2
a) Gehört das dazwischenliegende Grundstück einem Dritten, so entbindet seine Einwilligung den Fensterinhaber nicht, dem Nachbarn gegenüber den gesetzlichen Abstand zu wahren83). ß) Ist das Zwischengrundstück öffentliche Straße (oder öffentliches Gewässer 84 )), so ist kein Abstand einzuhalten, auch wenn die Straße usw. schmaler ist als die Entfernungen der Art. 678 und 679a5). y) Streitig ist, wie zu verfahren ist, wenn das Zwischengrundstück beiden Nachbarn gemeinsam gehört8"). Herrschende Meinung ist, daß der Zweck des Zwischenraums entscheidet; ist er nur als Durchgang oder Aufnahmeplatz für die Dachtraufe gedacht, so greifen die Art. 678f. ein; soll er der Erhellung oder Lüftung beider Grundstücke dienen, so sind Abstände nicht innezuhalten8'). e) Verstoßen Fenster gegen die Vorschriften der Art. 676 ff., so hat der Nachbar die negatorische Beseitigungsklage. Der Fensterinhaber vermeidet die Beseitigung seiner Anlage, indem er sie auf die gesetzlichen Vorschriften zurückführt 88 ). II. L i c h t r e c h t . Ein das Eigentum beschränkendes aus dem Gesetz folgendes Lichtrecht nach Art des A L R ist dem Code civil nicht bekannt. Das Lichtrecht des rheinischen Rechts muß stets durch besondere Rechtsverhältnisse, insbesondere durch eine Dienstbarkeit erworben werden; Entstehungsgründe der Dienstbarkeit sind rechtsgeschäftliche Bestellung, Widmung (destination du père de famille Art. 692 f. C. c. 89 )) und Ersitzung mittels dreißigjährigen, offenkundigen, ununterbrochenen90) Besitzes; der Besitz darf nicht auf widerruflicher Gestattung des Nachbarn (acte de tolérance) beruhen 91 ) und muß dem gesetzlich vorgeschriebenen Zustand des Fensters widersprechen92). Ob nun der so ausgeübte dreißigjährige Besitz einer regelwidrigen Fensteranlage außer dem Recht, die Fenster beizubehalten, auch ein echtes Lichtrecht, d. h. einen Anspruch auf Unterlassung von Gegenbauten gibt, ist seit langem streitig, wird aber in der neueren rheinpreußischen Rechtsprechung bejaht93). Wieweit der Nachbar zurückweichen 83
) Carpentier N 1 3 3 ; Demolombe Bd. 12 N 564. ) Nicht etwa Privateigentum einer öffentlichrechtlichen juristischen Person. 85 ) Zachariae-Crome 1 , 521 N 9 ; O L G Köln RheinArch. 80 I 53; Pardessus Bd. 1 N 204; Demolombe Bd. 12 N 566; Frz. Cassationshof in Puchelts Z. 38, 369. 88 ) Vgl. Fuzier-Hermann Bern. 3 5 ff. zu Art. 678. 87 ) Baudry-Lacantinerie N 1041 ; Demolombe Bd. 12 N 565 ; Fuzier-Hermann Bern. 39 zu Art. 678. Im einzelnen ist manches streitig. Vgl. Puchelts Z . 28, 5. 88 ) Fuzier-Hermann Bern. 45 und Supplément Bern. 1 zu Art. 676 ; Baudry-Lacantinerie N. 1030 S. 736 Fußnote 2. 89 ) Carpentier N 140; Pardessus 1 N 292; R G 13, 304. 90 ) Vorhanden sein muß eine Anlage, die jederzeit die Ausübumg der Dienstbarkeit ermöglicht. O L G Köln RheinArch. 92 I 109; ebenda 93 II 45. 91 ) Ob wirklicher Besitz cum animo iuris oder acte de tolérance vorliegt, ist Tatfrage. Vgl. Laurent Bd. 8 Nr. 60; Baudry-Lacantinerie N 1034; Fuzier-Hermann Bern. 59 zu Art. 678; Carpentier N 151fr. mit zahlreichen Beispielen. 9l ) Aubry-Rau Bd. 2 § 196 N 16 und 19; Zachariae-Crome 1, 520 N 4; Demolombe Bd. 12 N 540 und 542. 9S ) Die ältere Praxis des O L G und ObApp. Köln gewährte lediglich die Beibehaltung der normwidrigen Fenster auf Gtund der usucapió libertatis (RheinArch. 57, 1 3 5 ; 62, 54ff. usw.). Seit R O H G 18, 249 ändert sich die Praxis, wie im Text angegeben; R G 13, 304; 20, 349; 3 1 , 343. Ebenso die herrschende französische, badische und hessische Lehre und Judikatur; vgl. z. B. Puchelts Z. 26, 39 (OLG Karlsruhe), HessRspr. 8, 70 und 10; 107. Für die ältere Ansicht mit Pardessus Bd. 2 N 3 1 2 ; Toullier Bd. 3 N 534ff., die belgische und bayerische Praxis. Vgl. hierzu die treffende Darstellung bei Kahn 123 ff. 84
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§ 25 EI
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
muß, bestimmt der Richter unter Zugrundelegung des Satzes „quantum possessum tantum praescriptum" nach freiem Ermessen 94 ). Gibt der Besitz keinen Maßstab, so ist bei Lichtfenstern (jours) eine für die Lichtaufnahme genügende Entfernung zu bestimmen95), gegen vues droites muß der Nachbar 1,90 m, gegen vues obliques 60 cm abrücken96). £ . Provinzial- und Partikularrechte I. K u r h e s s e n 9 6 a ) a) F e n s t e r r e c h t Quelle des kurhessischen Fensterrechts (im wesentlichen der Bezirk des früheren O L G Kassel) war die kurhessische Bauordnung von 1784 97 ), die auf Grund eines konkreten Rechtsfalls erlassen wurde und die für Kurhessen als gemeinrechdich angenommene Vorschrift der L. 12 C. de aed. priv. V I I I 10 (lex Zenoniana) ablöste, nach welcher im allgemeinen offene Fenster nur im Abstand von 12 Fuß gegen das Nachbargebiet errichtet werden durften 97 "). Die Bauordnung enthielt eine ausdrückliche Vorschrift über die Anlage von Fenstern, d. h. über das Fensterrecht im engeren Sinne, nur für einen ganz bestimmten Fall: es verordnete nämlich § 28 Abs. 2 der Bauordnung, daß es dem Erbauer eines neuen Gebäudes, das in Nachbarschaft eines älteren, schon mit dem Lichtrecht ausgestatteten98) Gebäudes errichtet wird, dann gestattet sein sollte, offene Fenster anzulegen, wenn 1. der Neubau mindestens 4 Fuß vom Nachbargebäude und dabei 2 Fuß von der Grenze entfernt lag und wenn 2. die neuen Fenster nicht gerade gegenüber den bereits mit dem Lichtrecht versehenen älteren Fenstern lagen. Die Voraussetzung der Fensteranlage gegenüber den mit Lichtrecht ausgestatteten Fenstern war daher eine dreifache: einmal mußte der Abstand von 4 Fuß innegehalten werden; ferner mußten von den 4 Fuß zwei dem Neubauenden gehören (so daß ein gemeinschaftlicher Winkel zwischen den Häusern entstand)99), und endlich durften die neuen Fenster nur schräg gegen die alten privilegierten Fenster angelegt werden. In Analogie und Weiterbildung dieser Einzelvorschrift und fußend auf der historischen Entwicklung des Baurechts hatte die Praxis folgende Sätze für die Anlage von M ) RheinArch. 90 1 1 0 7 (Köln); 91 III 17 (RG); Aubry-Rau Bd. 2 § 1 9 6 N 36 und Text. 96 ) RheinArch. 93 II 46 (RG) in Abänderung v. 92 1 1 1 0 (Köln). 98 ) Zachariae-Crome 1, 523/4N14; Carpentier N i8off.; Baudry-Lacantinerie N. 1035. 96a ) Diese Vorschriften haben am 1. 1 1 . 1963 ihre Bedeutung im wesentlichen verloren. Denn nach § 13 Nr. 1 des Hess. N R G vorn 24. 9. 1962 (GVB1. S. 417) ist der Anspruch auf Beseitigung eines Fensters, einer Tür oder eines zum Betreten bestimmten Bauteils ausgeschlossen, wenn die Einrichtung bei Inkrafttreten des Gesetzes, also am 1. 1 1 . 1962 ( § 4 9 N R G ) vorhanden war und ihr Abstand dem bisherigen Recht entsprach; insoweit bedurfte es also noch des Nachweises des bisherigen Rechts. Nach § 13 Nr. 2 ist darüber hinaus aber der Beseitigungsanspruch ohne Rücksicht darauf, ob der Abstand der Einrichtung, der bei Inkrafttreten vorhanden war, dem bisherigen Recht gemäß war oder ihm widersprach, ausgeschlossen, wenn nicht innerhalb eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes die Beseitigungsklage erhoben worden ist. 97 ) Nach R G in Heusers Ann. 25, 307 hat die Kurh. Bauordnung von 1784 seinerzeit das subsidiär geltende römische Recht beseitigt und daher das gesamte öffentlichrechtliche und nachbarrechtliche Baurecht ausschließlich geregelt. »?a) Vgl. 2 u r Entstehungsgeschichte der Bauordnung, die für ihre Auslegung von großer Bedeutung ist; Pfeiffer, Prakt. Ausf. 4, 8ff.; Stölzel, KurhMitt. 2, 291 f.; vor allem ObAppG Kassel in Heusers Ann. 3, 268ff. Vgl. auch oben § 22 N 5 a. 98 ) Über die Voraussetzungen des Lichtrechts s. unten zu b. m ) Vgl. oben § 7 N. 20.
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Fenster- und Lichtrecht
§ 2 5 EI
Fenstern festgelegt. Wie dem bebauten und lichtberechtigten Grundstück gegenüber war die Anlage offener Fenster im Abstand von 2 Fuß von der Grenze auch gestattet, wenn auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude ohne Lichtrecht stand und wenn es unbebaut war 100 ). Die grundsätzliche Anordnung einer Abstandsvorschrift für die Fensteranlagen folgte aus der eigenartigen Sonderbildung, die in Kurhessen das gemeine Recht auf Grund der lex Zenoniana angenommen hatte. Die Innehaltung der Abstandsnorm war eine Eigentumsbeschränkung; zu ihrer Beseitigung mit dinglicher Wirkung bedurfte es daher der Bestellung einer Dienstbarkeit. Der Abstand von 2 Fuß wurde gemessen von der Grenze bis zur fenstertragenden Wand; wie tief das Fenster in die Wand eingebaut war, war unerheblich101). Unerwähnt blieben in der Bauordnung geschlossene Fenster, d. h. solche, die Einrichtungen zum Öffnen nicht hatten102); sie konnten beliebig angelegt werden103). Gegen verbotswidrig angelegte Fenster konnte der Nachbar mit der Besitz- und Eigentumsklage vorgehen und verlangen, daß sie auf 2 Fuß zurückgerückt oder zugemauert wurden; doch genügte der Beklagte der Klagbitte, wenn er die offenen Fenster in Zufenster umwandelte104). Das Verbotsrecht war als bloßer Inhalt des Grundeigentums, als gesetzliche Eigentumsbeschränkung, nicht eintragungsfähig 105 ). Das Recht der Bauordnung galt übrigens nicht für die rheinische Grafschaft Hanau und gewisse ehemals Kurmainzische Orte; hier waren einschlägig die Vorschriften der Frankfurter Reformation 106 ), die des Zusammenhangs wegen mit dem Frankfurter Recht zusammen erörtert werden 107 ). b) L i c h t r e c h t Ob es ein Lichtrecht als gesetzliche Eigentumsbeschränkung gab, war Gegenstand lebhaften Streites. Unstreitig wurde das Lichtrecht erworben durch Bestellung einer Servitut oder Ersitzung auf Grund gutgläubigen zehnjährigen Besitzes 108 ). Nach Pfeiffer konnte aber außerdem das Lichtrecht ex lege entstehen in dem oben zu a besprochenen Fall des § 28 Abs. 2 der BO. P f e i f f e r lehrte, daß Fenster in Neubauten, die 4 Fuß von lichtberechtigten Nachbargebäuden und 2 Fuß von der Grenze schräg gegen die Nachbarfenster angelegt wurden, auch ihrerseits Lichtrecht hatten108); noch weiter ging Fritze, der allen 2 Fuß von der Grenze entfernten Fenstern mit der Anlage kraft Gesetzes schon Lichtrecht gewährte 110 ). Beide Autoren faßten das so erworbene Lichtrecht als dem Nachbargrundstück auferlegte Eigentumsbeschränkung auf. Dem konnte nicht beigetreten werden; vielmehr sprach die besondere geschichtliche Entwicklung des Hessischen Fensterrechts, die Rechtsprechung und das praktische Bedürfnis für die von Stölzel eingehend und überzeugend begründete Ansicht, daß das Lichtrecht nur als Servitut aufzufassen und zu erwerben war 1 1 1 ). 10 °) Jetzt herrschende Ansicht. Vgl. Fritze in d. KurhMitt. 2, i i 2 f f . § 4 ; Stölzel ebenda 3 1 5 ; Pfeiffer, Ausf. 7, Nr. 75 S. 309, Nr. 77 S. 373; Heuser Ann. 10, i 8 i f . ; 101 14, 512; 15, 439. ) Heuser Ann. 10, 182fr. 102 ) Vgl. Fritze a. a. O. S. m ; Heuser Ann. 8, 724 und die anderen bei Fritze zit. Entscheidungen. 103 ) Pfeiffer 4 Nr. 5, Nr. 8 S. 47, Nr. 9 S. 49; Heuser Ann. 3, 282. 104 ) Heuser Ann. 14, 438. 105 ) Vgl. oben § 24 VI. A. M. noch K G in d. KurhMitt. 1, 187. 106 107 ) Vgl. Heuser Ann. 6, 2 9 E ; 16, 227. ) Unten II. 108 ) Näheres über den Erwerb, Inhalt und Untergang d. Servitut bei Fritze, KurhMitt. 2, 116ff.; vgl. auch Stölzel ebenda 329fr., der das Erfordernis des guten Glaubens leugnet. Vgl. jedoch Heuser Ann. 14, 512 fr. 1M ) Sog. Lichtrecht „aus der Lage der Gebäude". Pfeiffer 4, 2 8 E ; 7, 345. uo ) a . a . O . § 1 3 S. 134fr. lu ) Stölzel a. a. O. 275 ff. und vorher i. ArchZivPr. 52, 215fr., 2 3 1 f r .
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
Ell Der Inhalt der Lichtrechtservitut oder wie es, dem Sinne nach gleich, in § 28 Abs. 2 B O hieß, des Rechts der offenen Fenster 112 ) war erstens positiv der, daß der Berechtigte die Fenster haben und behalten konnte, negativ der, daß störende Anlagen im bestimmten Maßstab verboten waren. Der Inhalt des Lichtrechts konnte den Nachbarn zwingen, mit jedem Neubau vier Fuß zurückzuweichen und zwar ganz gleich, zu welchem Eigentum die Fuß gehörten 113 ); lag der lichtberechtigte Bau % Fuß von der Grenze, so mußte der Nachbar dreieinhalb Fuß seines Bodens freilassen. Der Abstand von vier Fuß war innezuhalten, gleich, ob es sich um einen vollständigen Neubau handelte oder aber um einen bloßen Umbau (Erhöhung des Hauses)114). Die Entfernung war so zu bemessen, daß der Neubau an keinem einzigen Punkt weniger als vier Werkschuhe von dem ihm zunächst gelegenen Teil des Fensters entfernt war 115 ). Ob das Lichtrecht dem Berechtigten die Freiheit gab, seine Fenster beliebig zu vermehren, war Frage der Auslegung des Servituteninhalts, im einzelnen hat die Praxis verschiedene Erfordernisse hierfür aufgestellt. Herrschend war jetzt wohl die Ansicht, daß gemäß dem Grundsatz „quantum possessum tantum praescriptum" das Lichtrecht stets nur Befugnis zur Beibehaltung der einzelnen mit dem Recht ausgestatteten Fenster gab, und daß bei Neuanlagen der Fensterinhaber beweisen mußte, daß die Vermehrung keine Beschwerung des dienenden Grundstücks enthielt 116 ). Fenster ohne Lichtrecht konnten beliebig verbaut werden, auch wenn der Nachbar ihre Beseitigung wegen Innehaltung des Abstandes von 2 Fuß nicht verlangen konnte 117 ). Offene Fenster genossen, auch wenn sie im gesetzlichen Abstand angelegt waren, vor Ablauf der Ersitzungszeit keinen Besitzschutz118). II. F r a n k f u r t 1 1 8 » ) a) F e n s t e r r e c h t Das Frankfurter Recht stand bezüglich der Fenster auf dem grundsätzlichen Standpunkt der Unzulässigkeit neuer Fensteranlagen. Die Frankfurter Reformation, die bis 1. 11. 1962 (§§ 48, 49 Hess. N R G — GVB1. 62, 417) in Hanau 119 ) und, teilweise durch die Verordnung vom 3. 6. 1749 geändert 120 ), in anderen Ortschaften der Provinz Hessen) Über die Identität beider Ausdrücke vgl. Stölzel a. a. O. S. 295. ) Heuser Ann. 15, 22. U 4 ) § 39 BO gestattete jeden Umbau unter Innehaltung des bisherigen Winkelrechts, soweit nicht eine besonders zustehende rechtliche „Servitut" des Nachbarn dagegen stand. Im Anschluß an Pfeiffer 4, 31 f. hatte eine Zeitlang die Judikatur angenommen, das Lichtrecht sei eine solche Servitut nicht und verlangte zur Ersitzung der „besonderen rechtlichen Servitut" des § 39 sogenannte qualifizierte Verjährung, d. h. Widerspruch des Nachbarn und Beruhigung des Bauenden in der Ersitzungszeit. Danach konnte also ein erworbenes Lichtrecht die völlige Verdunkelung der Fenster durch bloßes Höherbauen nicht verhindern. Mit dieser ungesunden Ansicht brach das ObAppGer. Kassel in der Entscheidung Heuser Ann. 3, 281 ff. und erkannte die Lichtrechtservitut als „besondere rechtliche Servitut" im Sinne des § 39 an, fähig, den an sich gestatteten Um- und Höherbau zu verhindern. Vgl. Fritze a. a. O. 124 f. 116 ) O L G Kassel i. KurhMitt. 1,131 ff. Über frühere Ansichten vgl. Fritze a.a.O. 126 f. 1 M ) Heuser Ann. 11, 305fr.; 18, 186. Vgl. Fritze § 8 S. 19fr. u ? ) Vgl. Stölzel 314^ und ArchZivPr. 52, 235fr. l l e ) Stölzel a. a. O. 28iff., 327fr. Dagegen Fritze § 12 S. 13fr. 118a) D i e s e Vorschriften haben am 1. 11. 1963 ihre Bedeutung im wesentlichen verloren. Vgl. dazu oben N. 96 a. 1 U ) Kersting, Sonderrechte i. Kurf. Hessen 850fr.; Heuser Ann. 16, 29fr. 120 ) Frankfurter Rechtsquellen 67. u2
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Fenster- und Lichtrecht
§ 2 5 E U
Nassau 1 2 1 ) galt, gestattete nur die Anlage von Luftlöchern 122 ) und, unter bestimmten Beschränkungen, von Dachluken [Gaupen 123 )], verbot dagegen die Anlage neuer Fenster ohne Zustimmung des Nachbarn 124 ). Erst dreißigjähriger unangefochtener Besitz gab dem Inhaber das Recht, seine Fenster zu behalten 125 ). Doch konnte selbst dann der Nachbar Vergitterung verlangen 126 ), „damit der Nachbar durch das verdrießliche Einsehen, auch etwa Ausschütten und Auswerfen nicht beschwert werde". Das Frankfurter Baustatut von 1809, das in Frankfurt selbst, d. h. in Altfrankfurt und in Sachsenhausen, nicht aber in den sogenannten Frankfurter Dorfschaften, die fensterrechtlichen Vorschriften der Reformation abgelöst hat, hielt dies Verbot mit einigen Milderungen 127 ) aufrecht. Die Fensteranlegung war von der Zustimmung des Nachbarn nicht mehr abhängig, wenn der Fensterinhaber 9 Fuß vom Eigentum seines Nachbarn nach der ganzen Länge des Baus zurückwich 128 ); vor allem aber wurde jetzt dem das Fensterrecht bestreitenden Nachbarn der Beweis auferlegt, daß die angegriffenen Fenster „aus bloßer Vergünstigung" bestanden; die Vermutung sprach für das Fensterrecht 129 ); wo nicht ausdrückliche Abmachung 130 ) davon entband, war der Fensterinhaber verpflichtet, bei Neu- oder Umbauten das Fenster 8 Fuß über dem Boden ebenerdiger, 6 Fuß über dem in höheren Stockwerken belegener Zimmer anzulegen und sie in bestimmter Art und Weise zu vergittern 131 ) 132 ). b) L i c h t r e c h t Das Lichtrecht wurde in beiden genannten Rechtsquellen als Servitut behandelt, die außer durch Rechtsgeschäft durch dreißigjährige Ersitzung erworben werden konnte. Die Wirksamkeit beider Erwerbsarten war aber verschieden 133 ). Beruhte das Lichtrecht auf Bestellung, so entschied über seinen Umfang nur der Erwerbsakt, nach dem Recht des Baustatuts allerdings mit der Einschränkung, daß der Nachbar mit seinen Bauten nie mehr als 9 Fuß zurückzuweichen brauchte 134 ). Das ersessene Lichtrecht dagegen beseitigte die Baufreiheit des Nachbarn an sich nicht; nur mußte schon nach dem Recht der Reformation der Nachbar dem Fenster das notdürftige Licht belassen 135 ). Genauer forderte das Baustatut, daß, wenn der Lichtrechtinhaber sich anders Licht nicht verschaffen konnte, der Nachbar soweit zurückweichen mußte, daß man aus dem nur von der Nachbarseite belichteten ungeöffneten Fenster im 2. Stock den Himmel erblicken konnte 134 ). Mindestens aber hatte in jedem Fall der Nachbar 3 Fuß von dem Fenster 187 ), höchstens 121
) Heuser Ann. 16, 227. ) Heuser Ann. 19, 401. Vgl. Neumann-Levi, Frankf. PrivR Nachträge 19. 123 ) Frankf. Ref. V I I I 7 § 3. 124 ) a. a. O. § 2; Fenster nach der Gasse sind frei § 7. 125 ) a. a. O. § 6 und 5. Vgl. Heuser Ann. 6, 36 fr. 12e ) a. a. O. § 4; hiervon wird der Fensterinhaber nur durch usucapio libertatis befreit. 127 ) Verboten ist die Anlage von Fenstern in Brandmauern, selbst alte sind zu 128 129 schließen. Baustatut I 24 und V I I 10. ) a. a. O. § 8. ) a. a. O. § 6. 130 131 ) usucapio libertatis ist ausgeschlossen. Bender 236 zu N. 4. ) a. a. O. § 7. 132 ) Diese Vorschrift gilt nur für schon bestehende, abweichend angelegte Fenster. Bender 236 zu N. 3; Römer, Entsch. d. ObAppGer. Lübeck 1 , 34fr. 133) Vgl. hierüber Heuser Ann. 6, 36ff. und anschließend 26, 480; 28, 392. 134 ) Ref. V I I I 7 § 5; Baustatut V I I § 3. 135 ) Ref. VIII, 7 § 5 und die Entscheidung in N. 5. Wurde durch den Neubau an sich zwar das notdürftige Licht geschmälert, erhielt der Fensterinhaber aber von anderer Seite Licht genug, so brauchte der Bauende nicht zurückzuweichen. Heuser Ann. 26,480 f. Der Urteilstenor legte dem Nachbarn nur auf, soweit mit dem Neubau zurückzuweichen, als erforderlich war, um dem klägerischen Fenster das notdürftige Licht zu verschaffen, genaue Maßangaben waren zu vermeiden. Heuser Ann. 6, 49f., abw. Ann. 28, 393f. 136 137 ) Baustatut V I I § 5. ) O L G Frankfurt i. Frankf. Rundschau 12, 232fr. 122
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§ 25 EIII
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
brauchte er 9 Fuß zurückzuweichen 138 ). Den Anspruch auf 3 Fuß Bauabstand hatte sogar der Inhaber eines noch nicht lichtberechtigten Fensters, bis ihm der Nachbar nachwies, daß es nur prekaristisch „aus bloßer Vergünstigung" bestanden hatte 139 ). Das Lichtrecht versagte gegen die Anlegung von Brandmauern, der Erbauer der Mauer durfte das Lichtrecht mit Geld ablösen; nur wenn selbst notdürftiges Licht von keiner Seite gewonnen werden konnte, mußte die Mauer 3 Fuß vom Fenster Abstand halten 140 ). III. L ü b i s c h e s R e c h t Im Geltungsgebiet des Lübischen Rechts, das in vielen Städten Pommerns 141 ) und Schleswig-Holsteins 142 ) gilt, ist grundsätzlich die Neuanlegung von Fenstern 143 ) ohne Einwilligung des Nachbars 144 ) verboten 146 ), wenn sie dem Nachbarn zum Schaden oder Nachteil gereichen 146 ). Ein Korrelat zu dieser weitgehenden Eigentumsbeschränkung bildet die dem lübischen Recht eigentümliche Verschweigungsfrist von Jahr und Tag (1 Jahr und 1 Tag) 1 4 7 ), derzufolge das Widerspruchsrecht des Nachbarn gegen die Fenster 138
) O L G Frankfurt a. a. O. 1871, 1 5 7 ; 1912, 233. 14 ) Baustatut V I I § 6. °) a. a. O. V I I § 10 und I § 24. 141 ) Geltungsgebiet vgl. OTr. 13, 384; StriethArch. 17, 158. Für die Anwendbarkeit lüb. Rechts spricht in den damit bewidmeten pommerschen Städten die Vermutung; entgegenstehende Normen sind zu beweisen. OTr. 10, 234. 142 ) Geltungsgebiet Kaehler 287^ Ipsen i. Holst. Anz. 1857, 98f.; Schl.-HolstAnz. 08, 161 und 33, 97. 143 ) Luken stehen den Fenstern gleich HolstAnz. 1849, 78 f. 144 ) Nachbarschaft besteht nicht, wenn zwischen den Parteien eine öffentliche Straße oder das Eigentum eines Dritten liegt. HolstAnz. 1844, 72; Kaehler 285. Doch braucht das fenstertragende Gebäude nicht auf der Grenze zu stehen, um vom Verbot des Art. 13 III 12 getroffen zu werden. SchleswHolstAnz. 1872, 27; 1880,125 (RG); Kaehler a. a. O.; Ipsen a. a. O. 107. 145 ) Lüb. Stadt R. III 1 2 Art. 13. Die pommersche Praxis verlangt ausdrückliche Einwilligung, wendet aber das Verbot nicht an, wenn in Neubauten an alter Stelle und im alten Umfang Fenster wieder angelegt werden. Wilmowski, Lüb. Recht i. Pommern 46; OTr. 37, 58 und i. Preuß. Ann. 1864, 128. 14 *) Die Einschränkung des Verbots beruht in Pommern auf Gewohnheitsrecht OTr. Präj. S. 1 , 279; StriethArch. 39, 183; Preuß. Ann. Z. 1864, 1 2 0 ; Wilmowski 44. Für Teile Schleswig-Holsteins, den sog. königlichen Anteil — siehe SchleswHolstAnz. 16, 57 — sind die mit Gesetzeskraft ausgestatteten eine authentische Interpretation enthaltenden Kgl. Reskripte vom 7. 1 1 . 1748 und 26. 1. 1756 maßgebend, wonach der Gegenbau nur verboten ist, wenn er dem Nachbarn einen neuen oder größeren Nachteil, Unbequemlichkeit oder Verlust verursachen würde, „so klein er auch sein möchte". Vgl. Kaehler 282; Ipsen a. a. O. 1 1 3 ff. (mit Anwendungsfällen). Während aber die pommersche Praxis dem beklagten Fensterinhaber den Beweis für die der ursprünglichen Norm entgegenstehende Behauptung der Unschädlichkeit der Fenster auferlegt — Preuß. Ann. Z. 1864,120 — gehört für Schleswig-Holstein, wo die genannten Reskripte gelten,— anders außerhalb des Geltungsbereichs ( L G Kiel, SchlHA 16, 71), — die Behauptung der Unbequemlichkeit der Fenster zum Tatbestand der schlüssigen Klage (HolstAnz. 49, 76); doch genügt jede noch so kleine Belästigung zum Verbot der Fenster, so daß es fast stets durchdringt. Vgl. SchlHA 02, 273; 16, 57fr.; 71 ff. (OLG Kiel). 147 ) Lübisches Recht R I 8 Art. 2: „Wann über Jahr und Tag ein Gebäude unangefochten gestanden, das kann nach Jahr und Tag nicht mehr angesprochen werden". Diese Bestimmung regelt die zeitliche Begrenzung des nachbarlichen Widerspruchsrechts, ist also, wie dieses selbst, eine Vorschrift über Eigentumsbeschränkung und durch Art. 124 E G aufrechterhalten. Ebenso Kahn 199; Wittmaack in den SchleswHolstAnz > 139
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Fenster- und Lichtrecht
§
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E IV 1 erlischt, wenn sie die Verscbweigungsfrist hindurch unangefochten, d. h . ohne gerichtliche Geltendmachung des Widerspruchsrechts bestanden haben. Die Praxis hat dann weitergehend den so mit Fensterrecht ausgestatteten Fenstern auch ein Lichtrecht zugebilligt, das den Fensterinhaber berechtigt, das Rücktreten von Gegenbauten 1 4 8 ) zu fordern 1 1 8 ). IV. R h e i n i s c h e P a r t i k u l a r r e c h t e i . Die unter dem i . 5. 1616 erlassene und am 1. 5. 1 7 1 1 neu aufgelegte N a s s a u K a t z e n e l l e n b o g i s c h e L a n d o r d n u n g 1 5 0 ) enthält im VI. Teil Cap. III die Regelung der Servitutes urbanae. Hierunter versteht sie Dienstbarkeiten, die Wohnhäusern zustehen. D e n Gegensatz bilden die Servitutes rusticae, die Häusern zustehen, die „zur Ansammlung von Heu, der Frucht und zum Ausdreschen" gebraucht werden. Unerheblich f ü r die beiden Begriffe ist, o b die fraglichen Häuser in der Stadt oder auf dem Land sich befinden. I m Abschnitt I des Cap. III ist dargelegt, daß „allerhand Ohnwill" daraus entstanden sei, daß durch offene Fenster in „Haus und Hof des Nachbarn" eingesehen werde. Deshalb soll dies künftig verboten sein. Dieses Verbot galt nicht f ü r die bei Ergehen der °7> 337; O L G Kiel SchlHA 16,5 8 und L G Kiel ebenda 0 8 , 1 6 1 ff. mit allerdings theoretisch recht anfechtbarer Begründung. Abw. anscheinend SchleswHolstAnz. 06, 2 ( O L G Kiel). 118 ) Nach einer Entscheidung des ObGerichts Glückstadt (HolstAnz. 1840, 8j), der sich Kaehler 286 k anschließt, soll sich das Lichtrecht zwar gegen Gebäude, nicht aber gegen andere Hemmnisse wie Holzhaufen usw. richten. Der Unterschied ist gewiß ungerechtfertigt, es sei denn, daß es sich um offenbar ganz vorübergehende Einrichtungen handelt. 14S ) Wie das Lichtrecht zu konstruieren sei, ist durchaus streitig. Die Annahme einer mit dem Verlust des Widerspruchsrechts gleichzeitigen Erwerbung bzw. Ersitzung eines Gegenrechts ist nach dem Wortlaut des Art. 8 I 2 schwer zu rechtfertigen; dieser Artikel vernichtet nur das Widerspruchsrecht des Nachbarn, ohne dem „unangefochtenen" Fenster ein aggressives Schutzrecht zu verleihen. O T r . 17, 388 und 41, 379; HolstAnz. 1887, 377. Dennoch ist diese Auffassung bis in die neueste Zeit herrschend. Vgl. Bornemann, Rechtsfälle 37fr. (ObAppGer. Greifswald); StriethArch. 36, i i 2 f f . ; Wilmowski 5of., 66 und 7 1 ; SchleswHolstAnz. 1880, 250; 1889, 265; 1906, 293; Ipsen a. a. O. 1 1 4 . Auch Art. 7 I I I 12 d. Lüb. Rechts ist häufig herangezogen worden. Vgl. HolstAnz. 1848 92; 1854, 54; Wittmaack, SchleswHolstAnz. 07, 337; Brandt ebenda 244. Für das Recht des BGB sind diese Erklärungen jedenfalls unbrauchbar. Dagegen mit G r u n d auch L G Kiel in SchleswHolstAnz. 1912, 293. Wenn aber diese Entscheidung das Lichtrecht nicht als Ausfluß des Eigentums auffassen will, so ist das doch recht bedenklich. Mit dem Erlöschen des nachbarlichen Widerspruchsrechts wird der vom Gesetz vorgesehene Eigentumsinhalt von Gesetzeswegen geändert, das zwischen den Nachbarn verteilte Eigentum wird nun abändernd so verteilt, daß dem Fensterinhaber das zuwächst, was dem Nachbarn durch Verschweigung verloren gegangen ist; sein Eigentum ist derart erweitert, daß ihm die Fensteranlegung jetzt freisteht. Daraus aber ist eine noch weitergehende negatorische Klage des Fensterinhabers, die in das nachbarliche Eigentum hinüberreicht und in die grundsätzlich gewährleistete nachbarliche Baufreiheit eingreift, schwer zu rechtfertigen; sie ist eben nur gewohnheitsrechtlich zu erklären und weiter aufrechtzuerhalten. 160 ) Soweit sie im heutigen Land Hessen noch in Geltung war, hat sie am 1. Nov. 1963 ihre Bedeutung im wesentlichen verloren. (Vgl. dazu oben N . 96 a.) Sie gilt noch in dem Gebiet der früheren Grafschaft Neuwied (Ostrheinisches Provinzialrecht 10 und Vorwort III).
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§ 25
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
E IV 1 Land-Ordnung „hergebrachten", d. h. bereits vorhandenen, Fenster; diese sollten also verbleiben und weiter benutzt werden dürfen. Eine weitere Einschränkung erfuhr dieses Verbot durch die Rechtsprechung des Herzogl. Hof-Appellationsgerichtes in Dillenburg. In seinen Entscheidungen vom 5. 5. 1836 Nr. 258} und vom 7. 4. 1837 Nr. 55 (abgedruckt in „Archiv für die Praxis des im Herzogtum Nassau geltenden Rechts" Band VI S. 73 und 76) führte es aus, daß nur verboten worden sei, in die Wände eines bereits bestehenden Wohngebäudes nachträglich Fenster zu brechen. Dagegen wurde es für zulässig erklärt, in der Mauer eines zu errichtenden Neubaus sofort bei der Errichtung Fenster anzubringen, auch wenn dadurch die Einsicht in Haus und Hof des Nachbarn gegeben war. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß es dem Eigentümer eines Grundstücks gestattet sei, auf seiner „ledigen" Grundfläche ein Gebäude auch dann zu errichten, wenn durch diesen Bau seinem Nachbarn das „seither zufällig genossene Licht" und die bisher gehabte Aussicht entzogen werden sollten (was ausdrücklich in Teil V I Cap. III pos. II—V zugestanden war). Das Recht, das dem Eigentümer auf das Ganze zustehe, könne ihm hinsichtlich der einzelnen integrierenden Bestandteile des Ganzen, d. h. hinsichtlich der Befugnis, einem Neubau mit Öffnungen zum Hereinlassen des Lichts oder zur Aussicht zu versehen, nicht abgesprochen werden, da sonst das Recht zur Errichtung eines Gebäudes auf der unbebauten Grundfläche, wenn sie aus „sterilem", zwischen bereits bestehenden Gebäuden liegendem Boden bestehe, ganz wertlos sei. In einer Entscheidung des gleichen Gerichts von 1855 (Archiv a. a. O. Band III S. 222) wurde ferner das Vergrößern von Fenstern in vorhandenen Mauern für zulässig erachtet. Die Entstehung des Fensterrechts war somit nur insoweit behindert bzw. verboten, als es vom Inkrafttreten der Land-Ordnung ab nicht mehr zulässig war, in die Mauer eines bereits vorhandenen Wohngebäudes nachträglich Fenster zu brechen. Neubauten mit Fenstern sowie das nachträgliche Vergrößern zulässiger Fenster waren jedoch zulässig. Mit dem L i c h t r e c h t befassen sich die pos. II ff. des VI. Teils Cap. III der Landordnung. Nach pos. II kann von dem Inhaber von Fenstern die Errichtung eines Baues auf dem Nachbargrundstück nicht mit der Begründung verboten werden, daß in 10, 20, 30 oder mehr Jahren auf dem Nachbargrundstück kein Wohnhaus gestanden habe und durch den beabsichtigten Bau das Licht der Fenster beeinträchtigt werde. Mit dem Fensterrecht war somit nicht ohne weiteres auch ein Lichtrecht verbunden. Unter pos. III fährt dann aber die Landordnung fort, daß dem Fensterinhaber ein Lichtrecht dann zustehe, wenn er eine solche als Dienstbarkeit erworben habe. Zum Nachweis hierzu ist nach pos. IV erforderlich, daß der Nachbar vor dieser Zeit habe bauen wollen, dies aber dann nicht getan habe, nachdem es ihm untersagt worden war, sondern er über „rechtsverwahrte" Zeit stillgeschwiegen und den Bau unterlassen hatte. Pos. V wiederholt und erweitert diese Grundsätze, indem dort gesagt ist, es könne niemandem verwehrt werden, sein Grundstück zu bebauen, es sei denn, daß die Nachbarn unter sich einig geworden waren, oder aber, daß das Verbot wie vorstehend gegeben und über rechtsverwahrte Zeit hierzu stillgeschwiegen worden war. Über die Verjährungsfristen bestimmte Teil V I Cap. I, daß unbewegliche Dinge und Güter (res incorporales) „unter den Gegenwärtigen" in 10 und „unter Abwesenden" in 20 Jahren verjährt werden und daß diese Verjährung in Rechten praescriptio longi temporis genannt wird. Sie setzt voraus 1 rechtmäßigen Titel, den guten Glauben, den rechtmäßigen unverrückbaren Besitz und daß derjenige, der sich auf die Verjährung beruft, das Gut für sich und suo nomine entweder selbst inter praesentes 10 oder in absentes 20 Jahre „geruhig und ohne einigen Eintrag oder Unterbrechung" besessen hat. Dabei wird die Verjährungszeit, die auf den Rechtsvorgänger entfällt, angerechnet.
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Fenster- und Lichtrecht
§
25
E IV 2, 3, V, VI 1 Nach pos. V I I I werden diejenigen, welche unter einem Gebiet gesessen, in Rechten für praesentes oder gegenwärtige und diejenigen, welche nicht unter einem Gebiet gewesen sind, für absentes oder Abwesende geachtet und verstanden. Teil V I Cap. II bestimmt unter pos. V I ausdrücklich, daß auch Dienstbarkeiten „durch Verjährung erlangt" werden können. Dabei sind die Servitutes continuae wie unbewegliche Dinge innerhalb io oder 20 Jahren (inter praesentes bzw. inter absentes) durch Verjährung erlangbar. Solche kontinuierlichen Servituten sind solche, die nicht allezeit und continuierlich eines Menschen Hilfe bedürfen, sondern, „wenn sie einmal zu Werk gerichtet sind, für sich ohne ferneres Zutun eines Menschen das Ihrige tun oder aber zu tun vermögen". Das Lichtrecht konnte also zwischen den Nachbarn vertraglich vereinbart werden. Femer konnte es als continuierliche Dienstbarkeit inter praesentes innerhalb von 10 Jahren durch Verjährung erlangt ( = ersessen) werden, sofern in dieser Zeit der Nachbar sich dem Verbot, einen Bau auf seinem Grundstück mit der Folge der Beeinträchtigung des Lichts der Fenster auf dem angrenzenden Grundstück zu errichten, gebeugt hatte. 2. Die in der Obergrafschaft Katzenelnbogen gewohnheitsrechtlich, insbesondere durch Gerichtsgebrauch, in Kraft gesetzte „ F ü r s t l i c h - H e s s i s c h e L a n d e s o r d n u n g in der G r a f s c h a f t K a t z e n e l n b o g e n " 1 5 0 » ) enthielt keinerlei Vorschriften über Fenster- und Lichtrecht. In ihr war auch über die Ersitzung von Dienstbarkeiten oder deren Erwerb nichts bestimmt. 3. Die K u r m a i n z e r L a n d e s o r d n u n g von 175 5 1 5 1 ) verbietet ebenfalls die Anlage neuer Fenster und läßt nur ersessene [hergebrachte152)] stehen; außerdem sind diese zu vergittern. V. S c h l e s w i g - H o l s t e i n i s c h e P a r t i k u l a r r e c h t e 1. Das Friedrichstadter Stadtrecht 153 ) verbietet die Anlage von Fenstern gegen den Willen des Nachbarn; auch zurecht angelegte Fenster genießen kein Lichtrecht. 2. Nach gemeinem Sachsenrecht ist die Anlage von Fenstern nicht beschränkt, jedoch haben die Fenster, soweit nicht besondere Rechtsverhältnisse eingreifen, kein Lichtrecht 154 ). 3. Für das Gebiet des Jutish Low bestehen keine Besonderheiten 155 ). VI. Stadtrechte Es können nur einige Stadtrechte kurz erörtert werden. 1. B e r l i n Rechtsquelle waren die Bauordnung von 1641, das Gutachten der Kriegs- und Domänenkammer vom 3. 7., bestätigt am 6. 8. 1763 und die Spezialbauobservanzen156). 150a) v g l . o b e n N I 5 0 151 ) Teil V I I § 34 bei v. d. Nahmer 2, 772. Soweit diese Vorschriften im heutigen Land Hessen galten, haben sie am 1 . 1 1 . 1963 ihre Bedeutung im wesentlichen verloren. Vgl. hierzu oben N. 96 a. 152 ) Hergebrachte Fenster bedeuten in den Quellen stets ersessene Fenster. Dagegen FkfRdsch. 1893 S. 203 mit recht verschwommener Definition. 155 ) Teil II sect. 2 Tit. 18 Art. 9 in Corpus Stat. Slev. III, 395. 154 165 ) SchlHA 14, 193; Kaehler 279 ( O L G Kiel). ) Kaehler 280 Nr. 3. 156 ) Abgedruckt bei Grein, Baurecht Anh. 15. Doch galten sie nur für die Teile Berlins, die zur Zeit des Inkrafttretens des A L R schon eingemeindet waren, nicht z. B. für Moabit J W 97, 585. Sie fanden Anwendung nur für bebaute städtische Grundstücke oder solche, die mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang standen (Haus, Hof, Garten) StriethA 69, 310.
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§ 25 II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums E V I 2—4, F Fenster auf der Grenze durften weder bei Um- noch bei Neubauten angelegt werden (Obs. IV § i); nur wenn der Nachbar sich von keiner andern Seite her notdürftig Licht und Luft verschaffen konnte, durfte er ein, aber nur ein Fenster gegen den Nachbarn hin anlegen; doch mußte er dies, falls es nach der Zimmerhöhe tunlich war (§ 2), in bestimmter Art und Weise vergittern 157 ). Fenster auf der Grenze hatten kein Lichtrecht, es sei denn durch besondere Dienstbarkeit erworben [Obs. IV §§ 1, 3 und 6 158 )]. Doch konnte auch eine Lichtservitut den Nachbarn nie mehr als 8 Fuß von dem fensterumgebenden Gebäude zurückdrängen; sie befreite den Fensterinhaber nicht von der Vergitterungspflicht und versagte bei den nach der Straße belegenen Seitenwand- und Giebelfenstern ganz, wenn es sich darum handelte, eine wüste Stelle zu bebauen; das private mußte dem öffentlichen Interesse weichen (Obs. IV §§ 3, 4 u. 6). Schlechthin verboten waren Luftlöcher in Brau- und Darrhäusern, in Branntweinbrennereien und Pferdeställen (Obs. IV §§ 7 u. 9). 2. B r e s l a u 1 5 9 ) Nach der Bauordnung von 1688 konnten Fenster unbeschränkt nur 3 Ellen von der Grenze angelegt werden. Fensteranlagen in geringerer Entfernung bedurften schriftlicher Genehmigung des Nachbarn. Eine Ersitzung verbotswidriger Fenster war nur unter der dreifachen Voraussetzung möglich, daß die Fenster schon bei Aufbau des Gebäudes angelegt waren, in gewisser baulicher Form „geraume Zeit" bestanden hatten und eng vergittert waren. 3. H a n n o v e r Nach dem Baustatut für Hannover 160 ) mußten die Fenster, Stall- und Luftlöcher mindestens 6 Fuß hoch angelegt werden, so daß man nur mittels einer Leiter zum Nachbarn hinübersehen konnte; die Fenster mußten ferner „stehend", d. h. in festem, unöffenbarem Rahmen belegen sein; die Luftlöcher bedurften der Vergitterung. 4. Stettin Nach der Bauordnung der Stadt Alten-Stettin 161 ) war die Fensteranlegung nur 11/2 Fuß von der Mauer des Nachbarn freigegeben und ferner dann, wenn ein Gebäude das Recht des freien Tropfenfalls ersessen hatte. Dreißigjähriger Besitz der Fenster gab dem Inhaber auch bei geringerem Grenzabstand das Recht, die Fenster zu behalten, aber er mußte sie vergittern. Ein Lichtrecht war gewährt uneingeschränkt gegen verbauendes Plankenwerk, Holz usw.; gegen Bauten aber nur, wenn sie den Bauabstand von 1 % Fuß nicht einhielten. War der Abstand gewahrt, so gab auch dreißigjähriger Fensterbesitz kein Recht gegen diese nachbarlichen Gegenbauten, mochten sie die Fenster noch so sehr verdunkeln; das Lichtrecht konnte dann nur durch besondere Dienstbarkeit erworben werden 162 ). F . Baden-Württemberg16211) Mit Wirkung vom 1. 1. i960 gelten einheitlich nachstehende Vorschriften des Bad.Württ.NRG vom 14. 12. 1959 (GBl. S. 171), nun in der Fassung des § 1 1 4 LBauO vom 6. 4. 1964 (GVB1. S. 151). 157
) Grein, Baurecht ioof.; StriethA 12, 3 1 7 ; Bl. f. Rpfl. 98, 71 (LG I Berlin). ) OTr. 45, 81; Bl. f. Rpfl. 98, 7 1 ; 03, 1 1 5 f. (LG I u. K G Berlin); R G i. R 1 1 , 308; O L G 26, 17 mit N 1. 159 ) Vgl. OTr. 48, 35. 16 °) Linckelmann-Fleck 202. 161 ) Bei Koßmann, Statutarrecht der Stadt Alt-Stettin S. io6ff. Tit. 2. 162 ) BauO Titel II §§ 1—4, 6—10. 162») Vgl. hierzu Pelka, S. 63 fr. 158
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Fenster- und Lichtrecht
§ 2 5
F Abstand von Lichtöffnungen § 5 (1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, daß vor Lichtöffnungen in der Außenwand eines Nachbargebäudes, die einen Ausblick auf sein Grundstück gewähren, auf dem Nachbargrundstück Abstandsflächen eingehalten werden, die, rechtwinklig zur Außenwand und in Höhe der Lichtöffnung gemessen, eine Tiefe von mindestens 1,80 m haben und in der Breite auf jeder Seite mindestens 0,60 m über die Lichtöffnung hinausreichen. (2) Das Verlangen nach Abs. 1 kann nicht gestellt werden für Lichtöffnungen, die verschlossen sind und nicht geöffnet werden können und entweder mit ihrer Unterkante mindestens 1,80 m über dem Fußboden des zu erhellenden Raumes liegen oder undurchsichtig sind. (3) Das Verlangen nach Abs. 1 kann nach Ablauf von zwei Monaten nicht mehr gestellt werden, nachdem der Eigentümer des Nachbargrundstücks unter Vorlage eines Bauplans oder die Baugenehmigungsbehörde dem Anspruchsberechtigten die beabsichtigte Bauausführung mitgeteilt hat. Abstand von Ausblick gewährenden Anlagen § 4 (1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, daß vor Baikonen, Terrassen, Erkern, Galerien und sonstigen begehbaren Teilen eines Nachbarhauses, die einen Ausblick auf sein Grundstück gewähren, auf dem Nachbargrundstück Abstandsflächen eingehalten werden, die in der Tiefe mindestens 1,80 m über die Vorderkante und in der Breite auf jeder Seite mindestens 0,60 m über die Seitenkante der genannten Gebäudeteile hinausreichen. (2) § 3 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung. Lichtöffnungen und andere Gebäudeteile, die auf öffentliche Wege oder Plätze Ausblick gewähren § 5 (1) Die in § 3 Abs. 1 genannten Lichtöffnungen und die in § 4 A b s . 1 genannten Gebäudeteile sind den Beschränkungen der § § 3 und 4 nicht unterworfen, soweit sie auf einen öffentlichen W e g oder einen öffentlichen Platz, der an das Grundstück angrenzt, Ausblick gewähren. (2) Verliert ein W e g oder Platz die Eigenschaft der Öffentlichkeit, so behalten die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke das Recht auf Fortbestand v o n vorhandenen, in den § § 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 genannten Anlagen. Durch Zeitablauf entstandene Fensterschutzrechte § 3i Hat im Geltungsbereich des badischen Ausführungsgesetzes zum bürgerlichen Gesetzbuch der Eigentümer eines Gebäudes vor dem Inkrafttreten des bürgerlichen Gesetzbuchs durch Zeitablauf das Recht erlangt, daß zum Schutz seiner Fenster Anlagen auf einem Nachbargrundstück einen bestimmten Abstand einhalten müssen, so gilt dieses Recht auch weiterhin als Grunddienstbarkeit. (Diese Vorschrift setzt den Rechtszustand fort, wie er in gleicher Art von 1900 bis zum Inkrafttreten des Bad.-Württ. N R G durch Art. 17 Bad. A G B G B — RegBl. 25, 283 — geregelt war). Schließlich ist hier auf die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 7ff. L B O für Baden-Württemberg v o m 6. 4. 1964 (GVB1. S. 151) zu verweisen, w o die Grenzabstände, 34
Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrccht, j . Aufl.
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
G, H die Fensterabstände, die Gebäudeabstände und die Sicherung dieser und anderer Abstände geregelt sind. G. Hamburg Für die b i s 1882 errichteten Gebäude gilt nach Art. 8 II 20 Hamburg. Statut und § 65 des Ges. von 1865 der Satz, daß in einer Wand, die näher als 2 Fuß v o n der Nachbargrenze entfernt war, Fenster-, Licht- und Luftlöcher überhaupt nicht angebracht werden durften, es sei denn, daß die Nachbarschaft durch einen Zwischenplatz, z. B. durch einen öffentl. Weg, getrennt war. Für die n a c h 1882 errichteten Gebäude muß nach § 78 des BaupolizeiG v o n 1882 unterschieden werden zwischen Wänden, die parallel oder in spitzem Winkel und solchen, die recht- oder stumpfwinkelig zueinander stehen. Im ersteren Falle muß die Mauer, die Fenster, Türen oder Luftöffnungen enthält, mindestens 1 m, im anderen Falle mindestens 30 cm v o n der Grenze entfernt bleiben. Gegenüber diesen Einschränkungen konnte allerdings eine Dienstbarkeit auf Duldung entstehen, die aber schon nach altem Recht Eintragung im Grundbuch erforderte (Nöldeke § 80 II 1 c ; § 98 II 1). H. Hessen163)
Durch das Hess. N R G vom 24. 9. 1962 (GVB1. S. 417) ist das Fensterund Lichtrecht für das gesamte heutige Hessen vereinheitlicht worden. Die einschlägigen Vorschriften sind: Fenster- und Lichtrecht § 11 Umfang und Inhalt (1) In oder an der Außenwand eines Gebäudes, die parallel oder in einem Winkel bis zu 6o° zur Grenze des Nachbargrundstücks verläuft, dürfen Fenster oder Türen oder zum Betreten bestimmte Bauteile nur mit der Einwilligung des Eigentümers des Nachbargrundstücks angebracht werden, wenn die Fenster, die Türen oder die Bauteile von der Grenze einen geringeren Abstand als 2,5 m einhalten sollen. (2) Die Einwilligung muß erteilt werden, wenn keine oder nur geringfügige Beeinträchtigungen zu erwarten sind. § 12 Ausnahmen § 11 Abs. 1 gilt nicht, 1. soweit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften Fenster, Türen oder zum Betreten bestimmte Bauteile anzubringen sind; 2. für lichtdurchlässige, jedoch undurchsichtige und gegen Feuereinwirkung widerstandsfähige Wandbauteile; 3. für Außenwände gegenüber Grenzen zu öffentlichen Straßen, zu öffentlichen Grünflächen und zu Gewässern. § 13 Ausschluß des Beseitigungsanspruchs Der Anspruch auf Beseitigung einer Einrichtung nach § 11 A b s . 1, die einen geringeren als den in § 11 A b s . 1 vorgeschriebenen Abstand einhält, ist ausgeschlossen, 1. wenn die Einrichtung bei Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhanden ist und ihr Abstand dem bisherigen Recht entspricht oder 163 )
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V g l . Hodes, Hess.Nachbarrecht, S. 71 ff.
Fenster- und Lichtrecht
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J, K 2. wenn der Nachbar nicht binnen einem Jahr nach dem Anbringen der Einrichtung Klage auf Beseitigung erhoben hat; diese Frist beginnt frühestens mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. Neben diesen privatrechtlichen Vorschriften ist der dem öffentlichen Baurecht zugehörige § 25 Hess.BO, der die ausreichende Besonnung, Belichtung und Belüftung der Aufenthaltsräume, der Stallungen landwirtschaftlicher Betriebe und der Grundstücksfreiflächen gewährleisten will, zu beachten163"). J. Niedersachsen164) Durch das Nds.NRG vom 31. 3. 1967 (GYB1. S. 9 1 f r . ) sind für ganz Niedersachsen nachstehende Vorschriften zum Fenster und Lichtrecht ergangen: Fenster- und Lichtrecht §23 Umfang und Inhalt (1) In oder an der Außenwand eines Gebäudes, die parallel oder in einem Winkel bis zu 750 zur Grenze des Nachbargrundstücks verläuft, dürfen Fenster oder Türen, die von der Grenze einen geringeren Abstand als 2,50 m haben sollen, nur mit Einwilligung des Nachbarn angebracht werden. Das gleiche gilt für Balkone und Terrassen. (2) Von einem Fenster, dem der Nachbar zugestimmt hat, müssen er und seine Rechtsnachfolger mit später errichteten Gebäuden mindestens 2,50 m Abstand einhalten. § 24 Ausnahmen Eine Einwilligung nach § 23 Abs. 1 ist nicht erforderlich 1. für lichtdurchlässige Bauteile, wenn sie undurchsichtig und schalldämmend sind, 2. für Außenwände an oder neben öffentlichen Straßen, öffentlichen Wegen und öffentlichen Plätzen (öffentlichen Straßen) sowie an oder neben Gewässern von mehr als 2,50 m Breite. § 25 Ausschluß des Beseitigungsanspruches (1) Der Anspruch auf Beseitigung einer Einrichtung nach § 23 Abs. i , die einen geringeren als den dort vorgeschriebenen Grenzabstand hat, ist ausgeschlossen, 1. wenn die Errichtung bei Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhanden ist und ihr Grenzabstand sowie ihre sonstige Beschaffenheit dem bisherigen Recht entspricht oder 2. wenn der Nachbar nicht spätestens im zweiten Kalenderjahr nach dem Anbringen der Einrichtung Klage auf Beseitigung erhoben hat; die Frist endet frühestens zwei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes. (2) Wird das Gebäude, an dem sich die Einrichtungen befanden, durch ein neues Gebäude ersetzt, so gelten die §§23 und 24. K. Nordrhein-Westfalen Vom 1. Juli 1969 ab gelten in Nordrhein-Westfalen nachstehende Vorschriften zum Fenster- und Lichtrecht: 163a ) Über das Verhältnis des § 25 Hess.BO zu den nachbarrechtlichen Vorschriften vgl. Hodes, Hess.Nachbarrecht, S. 69ff. 164 ) Vgl. Hoof-Djuren S. 6 4 f r . u. Lehmann S. 96 fr. Bis zum 31. 12. 1967 galt im früheren Braunschweig § 73 Braunschw.BauO vom 13. 3. 1899 (GVB1. Nr. 25); er wurde durch § 65 Abs. 1 Nr. 2 Nds.NRG (GVB1. 67 S. 91 ff.) aufgehoben. Zum alten Fensterrecht in Braunschweig vgl. Hampe S. 243 N 20 u. 21.
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§ 25
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
L Fenster- und Lichtrecht §4 Umfang und Inhalt (1) In oder an der Außenwand eines Gebäudes, die parallel oder in einem Winkel bis zu 60° zur Grenze des Nachbargrundstücks verläuft, dürfen Fenster, Türen oder zum Betreten bestimmte Bauteile wie Balkone und Terrassen nur angebracht werden, wenn damit ein Mindestabstand von 2 m von der Grenze eingehalten wird. Das gilt entsprechend für Dachfenster, die bis zu 450 geneigt sind. (2) Von einem Fenster, das a) mit Einwilligung des Eigentümers des Nachbargrundstücks, b) vor mehr als 3 Jahren im Rohbau oder c) gemäß dem bisherigen Recht angebracht worden ist, muß mit später errichteten Gebäuden ein Mindestabstand von 2 m eingehalten werden. Dies gilt nicht, wenn das später errichtete Gebäude den Lichteinfall in das Fenster nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt. (3) Die Abstände sind waagerecht vom grenznächsten Punkt der Einrichtung oder des Gebäudes aus rechtwinklig zur Grenze zu messen. (4) Die Abstände dürfen nur mit schriftlicher Einwilligung des Eigentümers des Nachbargrundstücks unterschritten werden. Die Einwilligung darf nicht versagt werden, wenn keine oder nur geringfügige Beeinträchtigungen zu erwarten sind. (5) Lichtdurchlässige, jedoch undurchsichtige und gegen Feuer ausreichend widerstandsfähige Bauteile von Wänden, die weder auf noch unmittelbar an der Grenze errichtet sind, gelten nicht als Fenster. §5 Ausnahmen § 4 Abs. 1 und 2 gilt nicht a) soweit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften anders gebaut werden muß; b) gegenüber Grenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen, zu öffentlichen Grünflächen und zu oberirdischen Gewässern von mehr als 3 m Breite (Mittelwasserstand); c) für Stützmauern, Hauseingangstreppen, Kellerlichtschächte, Kellerrampen und Kellertreppen; d) wenn die Einrichtung oder das Gebäude bei Inkrafttreten dieses Gesetzes öffentlich-rechtlich genehmigt ist und die Abstände dem bisherigen Recht entsprechen oder wenn an deren Stelle eine andere Einrichtung oder ein anderes Gebäude tritt, mit denen der Mindestgrenzabstand von 2 m nur in dem bisherigen Umfang unterschritten wird. §6
Ausschluß des Beseitigungsanspruchs Für den Ausschluß des Anspruchs auf Beseitigung einer der in § 4 Abs. 1 genannten Einrichtungen oder eines Gebäudes, mit denen ein geringerer als der vorgeschriebene Abstand ( § 4 Abs. 1, 2) eingehalten wird, gilt § 3 entsprechend.
L . Besondere Rechtsverhältnisse Jederzeit war und ist es möglich, den für Fenster- und Lichtrecht gesetzlich bestehenden Zustand durch Begründung eines besonderen Rechtsverhältnisses abzuändern 165 .) Das kann eine obligatorische Abrede sein; in der Regel handelt es sich um eine Dienstbarkeit. Wo das Gesetz die 165
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) Vgl. § 45 Hess.NRG, § 63 Abs. 2 Nds.NRG und § 49 Abs. 1 NRW.NRG.
Traufrecht
§ 2 6 i
Anlage von Fenstern verbietet oder ihre Einrichtung besonderen Einengungen unterwirft, kann diese gesetzliche Eigentumsbeschränkung durch eine Dienstbarkeit, die den Fensterinhaber vom Anlageverbot oder den Einrichtungsschranken entbinden, beseitigt werden. Wo das Gesetz ein Lichtrecht für Fenster vorsieht, kann es durch eine Servitut aufgehoben werden, wo das Gesetz das Verbauen gestattet, ist eine bauverbietende Servitut möglich. Näher über die Dienstbarkeiten ist unten zu handeln (§§ 30ff.). Der praktisch für das bisherige Recht wichtigste Fall der Dienstbarkeitsbegründung, die Ersitzung, ist dem B G B unbekannt; doch läuft sie nicht für die Ubergangszeit bis zur Anlegung des Grundbuchs 166 ). Bemerkt mag schon an dieser Stelle werden, daß für die Ersitzung einer Dienstbarkeit stets das Vorhandensein eines Zustandes Voraussetzung ist, der mit dem gesetzlich vorgesehenen Tatbestand in Widerspruch steht (z. B. Besitz eines unvergitterten Fensters nach A L R entgegen I, 8 § 1 3 8 , Anlage eines Aussichtsfensters auf der Grenze entgegen C. c. Art. 678). § 26. Traufrecht I. B e g r i f f und g e s c h i c h t l i c h e E n t w i c k l u n g Das sog. Traufrecht (Trüpfe) ist der Hauptsache nach kein Recht an einer fremden Sache; es ist also nicht zu verwechseln mit der römischrechtlichen servitus stillicidii. Diese ist eine Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt, daß der Eigentümer des Hauses das von der Dachtraufe fließende Wasser auf das Grundstück des N a c h b a r n fallen lassen darf 1 ). Das Traufrecht im deutsch-rechtlichen Sinne dagegen beruht auf der den Gegenbeweis nicht ausschließenden Vermutung, daß bei Erbauung eines Hauses in der Breite des Trüpfraumes von der Grenze des eigenen Grundes zurückgeblieben worden sei, mithin die Traufe noch auf diesen falle 2 ). Nur insoweit schließt das Traufrecht ein Recht an fremder Sache in sich, als der Boden des Nachbarn in Betracht kommt, der an den unter der Traufe 166) Art. 189 Abs. 1 E G ; vgl. hierzu unten § 30 II. Vgl. SeuffBl. 43, 38; 45, 282; BayOGH 8, 397; A L R I 22 § 59; s. unten § 30 N . 39. ) Vgl. Weiske, Skeptisch-praktische Behandlung einiger zivilrechtlicher Gegenstände (1829) 95 Anm. 2; Elvers, Servitutenlehre 434; Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 400; SeuffBl. 43, 37; 44, 104; Weiske a. a. O. kennt ein Traufrecht nur bei der Vorderseite der Gebäude, nach Gassen und Plätzen hin. Dort ist das sächsische Recht zugrunde gelegt; s. dagegen Hesse, Nachbarrecht 503, der mit Recht nicht einsehen kann, warum die Vermutung des Eigentums nur gegen die Straße hin gelten soll und nicht gegen des Nachbarn Hof. Man möchte im Gegenteil veranlaßt sein, sie gerade im letzten Fall gelten zu lassen, weil hier (SächsLR II 49) die Vorschrift bestehe, daß kein Hausbesitzer dem anderen die Dachtraufe zuweisen könne. 2
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§ 26
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
I
liegenden Boden angrenzt. Das Traufrecht berechtigt nämlich den Gebäudeeigentümer, das Wasser von der Traufe ablaufen zu lassen, ohne hierbei auf das Nachbargrundstück weiter Rücksicht zu nehmen. Wenn das Wasser von der Traufe auf das Grundstück des Nachbarn abläuft, obwohl der natürliche Wasserlauf nicht dahin gehen würde, so muß es dieser aufnehmen. Das war wenigstens der Grundsatz der alten Statutarrechte. Diese Seite des Traufrechts, welche ein Recht zur Benutzung einer fremden Sache darstellt, ist weder vom Preußischen Landrecht noch vom Rheinischen Recht anerkannt; im Gegenteil, die §§ 123 und 189 I, 8 z. A L R verboten es ausdrücklich, ebenso kennt das Rheinische Recht (Code civil Art. 681) kein nachbarliches Recht auf Aufnahme des Traufwassers 3 ). Für gemeines Recht hat das Reichsgericht in einer nach 1900 gefällten Entscheidung die Frage offen gelassen4). Heute verbieten die Wassergesetze allgemein die Zuleitung von Wasser auf das Nachbargrundstück8). Die andere Seite des Traufrechts, nämlich die gesetzliche Vermutung des Eigentums an dem unter der Dachtraufe liegenden Grund und Boden, galt nach einigen Stadtbauordnungen, z. B. Berlin 6 ) und Hannover 7 ). Seine Wurzel hat das Traufrecht in dem gemeinrechtlichen Verbot, Flüssigkeiten auf das Grundstück des Nachbarn abzuleiten8), sofern kein besonderes Recht hierzu (Grunddienstbarkeit) bestand. Dadurch wurde der Grundeigentümer genötigt, bei Errichtung eines Gebäudes mit der Umfassungsmauer so weit von der Grenze zurückzubleiben, daß das darübergelegte Dach das Regenwasser noch auf seinen eigenen Grund und Boden gelangen ließ. Da eine servitus stillicidii nicht zu vermuten ist, hat man aus dem bloßen Vorhandensein der Dachtraufe einen Rückschluß darauf gezogen, daß der Erbauer des Gebäudes seinerzeit von der Grenze um den Raum zurückgeblieben sei, der von dem Dachtraufenfall betroffen wird. So führt das Vorhandensein der Dachtraufe zu einer Vermutung für das Eigentum an dem darunter liegenden Boden. Diese Vermutung ist zunächst nur eine tatsächliche, und dabei hatte es im Gebiete des gemeinen Rechts wie im Gebiete des preußischen und rheinischen Rechts sein Bewenden9). Einzelne Statuten aber haben diese tatsächliche Vermutung zu 3 ) Fuzier-Hermann, Repertoire 19, 593 Bern. 1 1 ; Zachariae-Crome I 516 Nr. 3. Vgl. auch oben § 16 II 4. 4 ) SchleswHolstAnz. 63, 280. Anders für gemeines Sachsenrecht (kein Abflußrecht) Emminghaus, Pand. d. gem. SächsR 202 Nr. 45 und 46. 5 ) Vgl. oben § 16 II 4. S. auch unten § 38 a II 2 a. 6 ) Berl. Bauobserv. III 3. ' ) HannBauOZ 3 (bei Linckelmann-Fleck 303). 8 ) § 1 J 2> 3; ' 7 § 3> 1. 2 0 §§ 2 und ; D 8 , 2. Vgl. Windscheid, Pand. § 2 1 1 Anm. 1 ; ebenso A L R 1 8 § 189 u. C. c. Art. 681. 9 ) So für das gemeine Recht auch Hesse, Nachbarrecht 508: „ D a es Rechtssatz ist, daß der Hausbesitzer seine Dachtraufe nicht dem Nachbar zuweisen darf, so spricht eine
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Traufrecht
§ 2 6 i
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einer gesetzlichen ausgewertet ). Die Vermutung konnte durch Gegenbeweis entkräftet werden. Das Traufrecht setzt ein Gebäude 11 ) voraus; deshalb besteht für eine freistehende Mauer, auch wenn deren Abdecksteine dem Nachbarn zugekehrt sind, so daß der Tropfenfall nach dessen Seite gelenkt wird, die Eigentums Vermutung nicht 12 ). Während in den Gebieten des gemeinen und rheinischen13) Rechts die rein tatsächliche Vermutung nur auf den Raum sich erstreckt, welcher durch den Tropfenfall direkt betroffen wird, haben einzelne Statutarrechte bestimmte Abstandsmaße gegeben, deren Einhaltung vermutet wird. Dieser Abstand beträgt i % Schuh 14 ) oder 3 1 5 ) Werkschuh 16 ). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das Traufdach tatsächlich in voller Breite des gesetzlich bestimmten Abstandes vorspringt. Wenn z. B. das Dach nur soweit überladen ist, daß die abfallenden Tropfen in einer Entfernung von 20 cm vom Sockel der Wand niederfallen, so gilt das Traufrecht (gesetzliche Vermutung des Eigentums) gleichwohl für die vollen 1 y 2 (bzw. 3) Werkschuh. Es entsteht häufig Streit darüber, wie weit die Grenze bebauter Anwesen geht, namentlich für den Raum der Erdoberfläche, welcher vor der Grenzmauer eines Gebäudes unter der Dachtraufe liegt. Kann von keinem Teile das Eigentum an diesem unter der Trüpfe gelegenen Raum bewiesen werden, so wird zunächst der Besitzstand entscheiden17). Im allgemeinen läßt sich sagen, daß durch den Tropfenfall ein Besitzstand ausgeübt wird. Besitzhandlungen sind auch darin zu erblicken, daß sich nach außen schlagende Fenster oder Läden in dem Gebäude befinden; ja selbst in der Innehabung von Fenstern in dem Gebäude, welche nach den jeweils geltenden Vorschriften in dieser Gestalt nicht bestehen dürften, wenn der Nachbar Eigentümer des unter der Trüpfe belegenen Raumes wäre, kann eine Besitzhandlung gefunden werden, die in Verbindung mit dem Tropfenfall einen hinreichenden Besitzstand darstellt. f a k t i s c h e Vermutung dafür, daß der Streifen Landes, so weit meine Dachtraufe reicht, mein Eigentum sei. . . Diese Vermutung kann als Beweishilfe benutzt werden." Für rheinisches Recht: Zachariae-Crome I 5, 18 N i ; RheinA 7 I 1 1 8 , 32 I 116 (wo der Gegenbeweis durchschlägt); Fuzier-Hermann, Repertoire 19, 595 N 26ff.; Raschdorff, Baurecht 225/6. 10 ) S. oben Anm. 6 u. 7. n ) Über den Begriff des Gebäudes s. oben § 2 4 1 1 . 12 ) SeuffBl. 43, 38. ls ) Raschdorff, Baurecht in d. preuß. Rheinprovinz a. a. O. Fuzier-Hermann ebda. N 24; Laurent, Principes du droit civil 8 N 76. " ) Berl. Bauobserv. III 1 ; BerlBauO 1641 § 19; Hannoversches Baustat. Nr. 3. 15 ) A L R I 8 § 1 3 9 ; BerlBauO § 24. 16 ) Ein Werkschuh oder ein Duodezimal-Fuß ist gleich 0,31385 m. 17 ) Vgl. oben § 6 I V 2 a.
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§
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
I Andererseits wird dadurch, daß der Nachbar hie und da unter den an seinen Hofraum angrenzenden Trüpfraum Handwerksgeräte usw. an das Nachbarhaus angelehnt hat, ein Besitzstand nicht ausgeübt. Es fehlt derartigen Handlungen, an deren Unterlassung der Gebäudeeigentümer nicht das mindeste Interesse hat, der Charakter der Rechtsausübung. Wenn freilich die Dachtraufe in einen von dem Gebäude und dem Nachbargebäude gebildeten Winkel einfällt, so wird dieser Besitzstand regelmäßig nicht maßgebend sein18). Zuweilen ist an dem Sockel der Traufwand ein schräger Stein angebracht; derselbe dient bestimmungsgemäß dem Nachweis, daß der Dachtraufraum nicht verbaut wurde; durch das Vorhandensein eines solchen Steines wahrt sich der Gebäudeeigentümer zwar nicht den Besitzstand an dem Trüpfraum, aber er schließt den guten Glauben des Angrenzers aus; überdies bildet der schräge Stein ein Beweismittel für sein Eigentum an dem Trüpfraum. Es fragt sich, ob das Traufrecht im Sinne einer Eigentumsvermutung auch dann in Betracht kommen kann, wenn die Dachtraufe mit einer Rinne verbunden ist. Läßt sich nachweisen, daß die Dachtraufe früher nicht mit einer Rinne versehen war, so ist der Fall für den Beweis des Eigentums nicht anders zu entscheiden, als wenn auch jetzt noch keine Rinne vorhanden wäre. Läßt sich aber dieser Nachweis von dem hierfür beweispflichtigen Gebäudeeigentümer nicht erbringen, so kommt es darauf an, ob das Rohr, mit welchem das in die Rinne eingelaufene Wasser zum Erdboden geführt wird, in den (bzw. 2 oder 3) Schuh breiten Raum einmündet. Ist dies der Fall, dann muß man das Eigentum des Gebäudeeigentümers an den 1 % (bzw. 2 oder 3) Werkschuh selbst dann annehmen, wenn das aus dem Rohr kommende Wasser den jenseits dieser 1 y 2 Schuh liegenden Raum nicht überschreitet, vielmehr diesseits abfließt. Wenn aber die Mündung des Rohres von dem unter der Traufe liegenden Raum weg nach der anderen Seite des Hauses gerichtet ist, dann spricht die Vermutung für das Gegenteil. Immerhin aber muß man annehmen, daß das Eigentum bis zu jener Linie reicht, welche durch das Ende des Dachvorsprunges gebildet wird. Die G i e b e l m a u e r n haben keine Traufe und daher auch kein Traufrecht. Giebelmauern sind jene Mauern, bei welchen die Wand bis zum First des Daches geführt ist. Die obere Fläche der Wand bildet regelmäßig ein Dreieck, dessen obere Spitze durch den Dachfirst gebildet wird. Es kann aber auch vorkommen, daß die obere Fläche der Wand kein Dreieck bildet; dann nämlich, wenn das Haus nur ein einziges Pultdach hat, dessen 18
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) Vgl. oben § 6 I V 2 c.
Traufrecht
§26 Ii
obere Grenzlinie direkt auf der Hausmauer aufliegt. Die Wand, welche in ihrer oberen Grenzlinie den Dachfirst bildet, ist eine Giebelwand. Ein solches Haus hat dann regelmäßig drei Giebelwände. Es kann aber sein, daß die an die vorbeschriebene Giebelmauer anstoßenden beiden Wände mit den daranstoßenden Kanten nicht bis an den Giebel reichen, sondern unter dem Dache stehen; dann hat das Haus nur eine Giebel wand. II. W e i t e r g e l t u n g u n t e r B G B ? Es ist nun zu prüfen, ob das Traufrecht auch noch unter der Herrschaft des B G B gilt: a) Bezüglich derjenigen Dachtraufen, welche bereits vor dem i. i. 1900 bestanden haben, kommt folgendes in Betracht. Das B G B 1 9 ) enthält keine Vorschrift über das Traufrecht. Damit entfällt auch die g e s e t z l i c h e Geltung dieser Vermutung. Gleichwohl wird man sie in den Gebieten des bisherigen Rechts, in welchem sie bis zum 1. 1. 1900 als gesetzliche Vermutung gegolten hat, für die Gebäude, welche am 1. 1. 1900 bereits mit der Traufe bestanden haben, als einen in den Tatsachen begründeten Satz der Erfahrung in Anwendung zu bringen haben. Denn wenn nach den zur Zeit der Erbauung geltenden Rechtsvorschriften der Erbauer eines Gebäudes, welcher auf der dem Nachbarn zugekehrten Seite ein Abfalldach für das Regenwasser einrichtete, gehalten war, mit seiner Mauer einen gewissen Abstand von der Grenze einzuhalten, so kann man auch annehmen, daß dies geschehen ist. Derselbe Gedankengang, welcher die Gesetzgeber der Statuten zur Aufstellung einer gesetzlichen Vermutung veranlaßt hat, führt nun dazu, diese Vermutung als eine t a t s ä c h l i c h e beizubehalten; dies um so mehr, als erfahrungsgemäß die Vorschrift der Statuten über das Eigentum an dem unter der Traufe befindlichen Boden allgemein bekannt war und daher anzunehmen ist, daß der Nachbar einem etwaigen Übergriff widersprochen haben würde. Deshalb wird man die Vermutung für jene Breite (134 Schuh) anwenden dürfen, auf welche sich nach der bisherigen Rechtsvorschrift das Traufrecht bezog 20 ). b) Bezüglich jener Gebäude, die nach dem Inkrafttreten des B G B entstanden sind, kann von einem Traufrecht im eigentlichen Sinne nicht gesprochen werden; denn weder das B G B noch die Ausführungsgesetze 21 ) enthalten eine einschlägige Vorschrift. 19 ) Wegen der in den Ländern geltenden Vorschriften über das Traufrecht vgl. unten III. Siehe auch oben N . 5. 20 ) Vgl. Oertmann, BayLandesprivatrecht 3 3 5 ; „Die Vermutung gilt zwar an sich nur für die Zeit vor dem 1. Januar 1900, da aber das einmal erworbene Eigentum, weil ein .ewiges Recht', als bis zum Eintritt eines besonderen Verlustgrundes fortbestehend zu erachten ist, kann sie auch später noch verwertet werden." Ebenso Glaser-Dröschel 21 Nr. 44 g) dd). ) V g l . unten III.
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§ 26
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
III 1 Aus der allgemeinen Vorschrift des § 903 B G B ergibt sich, daß der Eigentümer sein Dach nicht in der Weise überladen darf, daß es in den Luftraum des Nachbarn reicht; er muß seinen Bau so einrichten, daß er mit keinem Teile desselben (Vordach, Dachrinne) die Grenze überschreitet. Bringt er an seinem Dache keine Rinne an, sondern läßt er das Wasser von der Dachtraufe abfallen, so dürfen die Tropfen nicht unmittelbar auf den Boden des Nachbarn auffallen. Ob der Nachbarn das von der Traufe auf das Grundstück des Traufeninhabers abgefallene und von da abfließende Wasser aufnehmen muß, richtet sich nach den Wassergesetzen der Länder22). Ist dies nicht zulässig, so kann sich der Nachbar nicht nur gegen das Dachtraufwasser schützen, sondern auch dessen Zuführung verbieten (§ 903 BGB). Er kann sogar die Beseitigung der Dachtraufe verlangen, wenn sie so eingerichtet ist, daß sie den Tropfenfall dem Nachbargrundstück zuweist (§ 907 BGB). Aus dieser Rechtsvorschrift wird man auch für die erst nach dem 1. 1. 1900 erbauten Häuser die rein tatsächliche Vermutung ableiten dürfen, daß die von der Dachtraufe betroffene Fläche noch zum Gebäude gehört23). Diese Vermutung kann durch andere Umstände beseitigt werden und erstreckt sich keinesfalls weiter als der überladene Raum, also nicht etwa ohne weiteres auf eine Breite von 1 % (bzw. 2 oder 3) Schuh. III. V o r s c h r i f t e n der L ä n d e r In den Ländern gelten heute nachstehende besondere Vorschriften über das Traufrecht. 1. Baden-Württemberg24) in dem Bad.-Württ. N R G vom 14. 12. 1959 (Ges. Bl. S. 171). Ableitung des Regenwassers und des Abwassers § 1 Der Eigentümer eines Gebäudes hat das von seinem Gebäude abfließende Niederschlagswasser sowie Abwasser und andere Flüssigkeiten aus seinem Gebäude auf das eigene Grundstück so abzuleiten, daß der Nachbar nicht belästigt wird. Traufberechtigung bei baulichen Änderungen § 2 Ist der Eigentümer eines Gebäudes auf Grund einer Dienstbarkeit verpflichtet, das vom Gebäude des Nachbarn abfließende Niederschlagswasser durch seine eigenen Rinnen und Ablaufrohre abzuleiten, so darf eine Veränderung des Gebäudes, durch welche die Dienstbarkeit beeinträchtigt wird, nur in der Weise geschehen, daß der Nachbar an der Anbringung eigener Rinnen und Ablaufrohre nicht gehindert ist. Dem Nachbarn sind die durch die Abänderung entstehenden Kosten zu ersetzen. 22
) Vgl. oben § 16 II 4 und unten § 58 a II 2 a. ) Zustimmend Oertmann, BayLandesprivatrecht 335. Ebenso Glaser-Dröschel 24 Nr. 44 g) dd). ) Vgl. hierzu Pelka S.6 9 ff. 23
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Traufrecht
§26 III 2—5
2. Berlin § 16 Ziff. 4 der Berliner BauO vom i. 12. 1958 (GVB1. Seite 1 1 1 2 ) bestimmt, daß in den Fällen, in denen Dächer unmittelbar auf die Straße oder auf die Nachbargrenze entwässern, Vorkehrungen zum Abfangen und Ableiten des Dachwassers getroffen werden müssen. 3. Hamburg Nach § 28 Ziff. 1 a der Baupol. VO vom 8. 6. 1938 (VBL Seite 69) darf ein Grundstück erst bebaut werden, wenn die ordnungsmäßige Ableitung der Brauch- und Regenwässer sichergestellt ist. Soweit eine öffentliche Abwässerleitung nicht vorhanden ist, muß die Ableitung der Abwässer nach der Pol. VO vom 20. 3. 1940 vorgenommen werden. 4. Hessen Zunächst bestimmt § 38 Abs. 2 Hess. BauO vom 9.7. 1957 (GVB1. 110), daß das Niederschlagswasser von den Dächern so abzuleiten ist, daß weder die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit von Bauwerken oder ihrer Teile beeinträchtigt, noch die Verkehrssicherheit gefährdet werden kann. Außerdem enthält das Hess. N R G vom 24.9.1962 (GVB1. S. 417) nachstehende nachbarrechtliche Vorschriften über die Dachtraufe26). § 26 Niederschlagswasser (1) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks müssen ihre baulichen Anlagen so einrichten, daß 1. Niederschlagswasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft oder nach diesem abgeleitet wird, 2. Niederschlags wasser, das auf das eigene Grundstück tropft oder abgeleitet ist, nicht auf das Nachbargrundstück übertritt. (2) Abs. 1 findet keine Anwendung auf freistehende Mauern entlang öffentlicher Straßen und öffentlicher Grünflächen. § 27 Anbringen von Sammel- und Abflußeinrichtungen (1) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks, die aus besonderem Rechtsgrund verpflichtet sind, das von den baulichen Anlagen eines Nachbargrundstücks tropfende oder abgeleitete oder von dem Nachbargrundstück übertretende Niederschlagswasser aufzunehmen, sind berechtigt, auf eigene Kosten besondere Sammel- und Abflußeinrichtungen an der baulichen Anlage des traufberechtigten Nachbarn anzubringen, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung nicht erheblich ist. Sie haben diese Einrichtungen zu unterhalten. (2) Für die Verpflichtungen zum Schadensersatz und zur Anzeige gelten die § § 2 3 und 24 entsprechend.
5. Niedersachsen Das Nds. N R G (GVB1. 67 S. 91fr.) regelt das Traufrecht in folgenden Vorschriften26): M
Vgl. hierzu Hodes, Hess. Nachbarrecht, S. n o f f . ) Vgl. hierzu Hoof-Djuren S. 109fr. und Lehmann S. 163fr.
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§ 26,
§ 26 a
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
I I I 6, I § 45 Traufwasser (1) Der Eigentümer eines Grundstücks und die Nutzungsberechtigten müssen ihre baulichen Anlagen so einrichten, daß Traufwasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft oder auf andere Weise dorthin gelangt. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung auf bei Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandene freistehende Mauern entlang öffendichen Straßen und öffentlichen Grünflächen. §46 Anbringen von Sammel- und Abflußeinrichtungen (1) Ist ein Grundstückseigentümer aus besonderem Rechtsgrund verpflichtet, Traufwasser aufzunehmen, das v o n den baulichen Anlagen eines Nachbargrundstücks tropft oder in anderer Weise auf das eigene Grundstück gelangt, so kann er auf seine Kosten besondere Sammel- und Abflußeinrichtungen auf dem Nachbargrundstück anbringen, wenn damit keine erhebliche Beeinträchtigung verbunden ist. E r hat diese Einrichtungen zu unterhalten. (2) Für Anzeigenpflicht und Schadensersatz gelten die §§14,42 und 44 entsprechend.
6. Nordrhein-Westfalen. Das N R W . N R G (GVB1. 69, 190) enthält
folgende Bestimmungen:
Dachtraufe §*7 Niederschlagwasser (1) Bauliche Anlagen sind so einzurichten, daß Niederschlagwasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft, auf dieses abgeleitet wird oder übertritt. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung auf freistehende Mauern entlang öffentlicher Verkehrsflächen und öffentlicher Grünflächen. § 28 Anbringen von Sammel- und Abflußeinrichtungen (1) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks, die aus besonderem Rechtsgrund verpflichtet sind, das von den baulichen Anlagen eines Nachbargrundstücks tropfende oder abgeleitete oder von dem Nachbargrundstück übertretende Niederschlagwasser aufzunehmen, sind berechtigt, auf eigene Kosten besondere Sammelund Abflußeinrichtungen an der baulichen Anlage des traufberechtigten Nachbarn anzubringen, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung nicht erheblich ist. Sie haben diese Einrichtungen zu unterhalten. (2) Für die Anzeige und die Verpflichtung zum Schadensersatz gelten die §§ 16 und 17 entsprechend.
§ 26 a. Veränderung des Grundwasserspiegels I. A l l g e m e i n e s Durch Einwirkungen auf den Grund und Boden kann der Grundwasserspiegel beeinflußt werden, indem er entweder zum Steigen oder zum Sinken gebracht wird. Beide Arten der Einwirkung können erhebliche Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück mit sich bringen. So kann im ersten Falle das Grundwasser in Gebäuden aufsteigen und z. B.
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Veränderung des Grundwasserspiegels
S
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I Schwamm oder Baufälligkeit verursachen, im anderen Falle kann die Folge darin bestehen, daß ein Brunnen versiegt. Nun bestimmt § 3 Abs. 2 WasserhaushaltsG vom 27. 7. 1957 (BGBl. I S. 1 1 1 0 ) in der Fassung vom 19. 2. 1959 (BGBl. I S. 37), daß als Benutzung im Sinne des WasserhaushaltsG auch das Aufstauen, Absenken und Umleiten von Grundwasser durch Anlagen, die hierzu bestimmt oder hierfür geeignet sind, sowie Maßnahmen gelten, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen. Gemeint sind hier also nur solche Einwirkungen, wie sie von den eigens hierfür vorgesehenen Anlagen ausgehen, sowie Maßnahmen, die für den Wasserhaushalt in der Bundesrepublik schlechthin von Bedeutung sind. Einwirkungen dagegen, die nur auf dem verhältnismäßig eng begrenzten Raum zwischen Nachbargrundstücken zum Tragen kommen, werden von den Vorschriften des WasserhaushaltsG nicht erfaßt. Dies gilt auch für die §§ 19 fr. und 33 fr. dieses Gesetzes, insbesondere auch für den § 35 WHG, der die Überwachung von Arbeiten, die über eine bestimmte Tiefe hinaus in den Boden eindringen, durch die Länder vorschreibt. § 909 B G B 1 ) ist anwendbar, wenn bei einem Tiefbau Grundwasser entzogen wird und dadurch der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert (RG 62, 372) oder wenn der Grundwasserspiegel mit der Folge, daß im Nachbargebäude Risse entstehen, künstlich abgesenkt wird (RG 132, 51) oder schließlich wenn zwecks Vornahme von Tiefbauarbeiten oder auch zwecks Wassernutzung oder zwecks Trockenlegung der Grundwasserspiegel durch Ableiten oder Abpumpen des Grundwassers künstlich gesenkt wird und das Nachbargrundstück beispielsweise seine Stütze dadurch verliert, daß es ungeeignet wird, das Fundament eines auf ihm errichteten Gebäudes zu halten und dem Gebäude eine tragfähige Unterlage zu bieten, weil nämlich der Pfahlrost, auf dem das Gebäude errichtet worden ist, durch die Grundwasserabsenkung in Fäulnis geraten ist (RG 167, 14&). Schließlich hat das Reichsgericht in R G 144, 170 fr. entschieden, daß auch das sog. Straußsche Gründungsverfahren, wonach ein eisernes Rohr bis auf eine bestimmte Länge in den tragfähigen Baugrund gesenkt, sodann die Erde aus dem Rohr entfernt und an ihrer Stelle Beton hineingebracht wird, der unter langsamem Herausziehen des Rohres festgestampft wird, unter § 909 B G B als unzulässige Vertiefung fällt, wenn dadurch das Nachbargrundstück Schaden erleidet. *) Vgl. oben § 20.
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
II 1,2 B u n d e s g e s e t z l i c h ist bisher nicht erfaßt der Fall, daß eine Einwirkung auf den Untergrund erfolgt und dadurch die Grundwasserverhältnisse mit der Folge verändert werden, daß andere Schäden als der Verlust der Stütze auf dem Nachbargrundstück eintreten. In R G 155, 154 hat das Reichsgericht den Fall entschieden, daß auf dem Nachbargrundstück der Grundwasserspiegel gestiegen und daher Grundwasser in das Haus des Nachbarn eingedrungen ist, weil nämlich der Grundwasserabfluß durch eine auf dem anderen Grundstück bewirkte Pressung des Bodens gehemmt war. Ein Schadensersatzanspruch oder eine Abwehrklage sind hier nach B G B nicht gegeben, da eine unzulässige Beeinträchtigung dann nicht vorliegt, wenn die Einwirkung auf das Nachbargrundstück lediglich die natürliche Folge einer erlaubten Benutzung des eigenen Grundstücks ist; denn der Nachbar muß die ihm ungünstigen Auswirkungen eines Tuns innerhalb des Eigentumsrechts hinnehmen, falls nicht besondere Vorschriften zu seinem Schutz vorhanden sind, was aber hier nicht der Fall ist. Dieser Ansicht hat sich auch das Schrifttum 2 ) angeschlossen. II. L a n d e s g e s e t z l i c h e V o r s c h r i f t e n 1. Von den P a r t i k u l a r r e c h t e n regelt nur das Preuß. A l l g . L a n d r e c h t in Teil I Titel 8 §§ 185 ff. mittelbar auch den Fall des Steigens von Grundwasser als Folge einer Aufschüttung; hiernach muß jemand, der seinen Grund und Boden erhöhen will, 3 Fuß vom Zaun, der Mauer oder den Planken des Nachbarn zurückbleiben3). Femer ist durch § 130 A L R I 8 die Entziehung von Wasser durch Brunnenanlagen ausdrücklich gestattet4). 2. Der Fall, daß der Grundwasserspiegel durch Aufschichtungen oder Grundstückserhöhungen gehoben wird, ist von den § § 8 ff. des Bad-Württ. N R G i. d. F. des § 1 1 4 L B O vom 6. 4. 1964 (GBl. S. 151) miterfaßt. Hiernach gelten folgende Vorschriften für Baden-Württemberg6): Aufschichtungen und Gerüste § 8 (1) Aufschichtungen von Holz, Steinen und dergleichen, Heu, Stroh und Komposthaufen sowie ähnliche Anlagen, die nicht über 2 m hoch sind, müssen 0,50 m von der Grenze entfernt bleiben. Sind sie höher, so muß der Abstand um soviel über 0,50 m betragen, als ihre Höhe das Maß von 2 m übersteigt. 2
) Vgl. oben § 20 V 1 ; Westermann § 63 V I I ; Wüsthoff Teil I S. 67 N . 4. ) Diese Vorschriften sind durch Art. 89 P r A G B G B für das Gebiet des preußischen Rechtskreises aufrecht erhalten. Allerdings ist die Rechtsgültigkeit des Art. 89 insoweit umstritten. Nach richtiger Ansicht (vgl. oben § 20 V 2 und B G H L M Nr. 1 zu Art. 124 E G B G B ) handelt es sich hierbei um eine dem B G B fremde und deshalb nach Art. 124 E G B G B aufrecht erhaltene und rechtswirksam gebliebene Eigentumsbeschränkung. 4 6 ) Vgl. oben § 20 N . 2. ) Siehe Pelka, S. 53 fr. 3
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Veränderung des Grundwasserspiegels
§ 26 a 113,4
(2) Eine Entfernung von 0,50 m ist einzuhalten bei Gerüsten und ähnlichen Anlagen, sofern nicht die Beschaffenheit der Anlage eine größere Entfernung zur Abwendung eines Schadens erfordert. (3) Diese Vorschriften gelten nicht für Baugerüste und für das nachbarliche Verhältnis der öffentlichen Wege und der Gewässer einerseits und der an sie grenzenden Grundstücke andererseits. Abstände und Vorkehrungen bei Erhöhungen § 9 (1) Wer den Boden seines Grundstücks über die Oberfläche des Nachbargrundstücks erhöhen will, muß einen solchen Abstand von der Grenze einhalten oder solche Vorkehrungen treffen und unterhalten, daß eine Schädigung des Nachbargrundstücks durch Absturz oder Pressung des Bodens ausgeschlossen ist. Diese Verpflichtung geht auf den späteren Eigentümer über. (2) Welcher Abstand oder welche Vorkehrung zum Schutz des Nachbargrundstücks erforderlich ist, entscheidet sich unter Zugrundelegung der Vorschriften von § 10 Abs. 1 nach Lage des einzelnen Falles. Befestigung von Erhöhungen § 10 (1) Bei Erhöhungen muß die erhöhte Fläche für die Regel entweder durch Errichtung einer Mauer von genügender Stärke oder durch eine andere gleichsichere Befestigung oder eine Böschung von nicht mehr als 45° Steigung (alter Teilung) befestigt werden, wenn die Kante der erhöhten Fläche nicht den Abstand von der Grenze waagerecht gemessen einhält, der dem doppelten Höhenunterschied zwischen der Grenze und der Kante der Erhöhung gleichkommt. (2) Die Außenseite der Mauer oder sonstigen Befestigung oder der Fuß der Böschung muß, wenn das Nachbargrundstück außerhalb des geschlossenen Wohnbezirks liegt, einen Abstand von 0,50111 von der Grenze einhalten. Stützmauern für Weinberge sind von der Einhaltung dieses Abstandes befreit. Auch braucht der Abstand nicht eingehalten zu werden, wenn das Nachbargrundstück ein Grundstück im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 ist.
3. § 76 Braunschw. B a u O vom 13. 3. 1899 (GVS Nr. 25)6a) bestimmt, daß der Grundstückseigentümer nicht gehindert ist, Brunnen und Zisternen anzulegen, auch wenn hierdurch anderen Grundstücken das Wasser entzogen wird. Die Ortspolizeibehörde kann aber, falls durch die zufällige Eröffnung einer Quelle ein dringendes öffentliches Interesse beeinträchtigt wird, vorläufig die Anlegung untersagen oder die Quelle schließen, bis über den Enteignungsantrag entschieden ist. 4. Die oben erwähnte Lücke in der Bundesgesetzgebung schließt für das heutige Land Hessen das Hess. N R G (GVB1. 62 S. 417) durch den § 20, der folgenden Wortlaut hat: Veränderung des Grundwasserspiegels6) § 20 Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks dürfen auf dessen Untergrund mit physikalischen oder chemischen Mitteln nicht in einer Weise einwirken, 5a ) Diese Vorschrift ist durch das Nds.NRG (GVB1. 67 S. 91 ff.) nicht aufgehoben worden: § 65 Abs. 1 Ziff. 2 Nds. N R G . •) Vgl. Hodes, Hess. Nachbarrecht, S. 98.
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§
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
115 daß der Grundwasserspiegel steigt oder sinkt und dadurch auf einem Nachbargrundstück erhebliche Beeinträchtigungen hervorgerufen werden.
Diese Vorschrift verbietet also jede Einwirkung auf den Untergrund eines Grundstücks mit physikalischen oder chemischen Mitteln in einer Weise, daß dadurch in den Grundwasserverhältnissen Veränderungen, nämlich ein Steigen oder Absinken des Grundwasserspiegels, hervorgerufen werden, die ihrerseits die Ursache für erhebliche Beeinträchtigungen auf dem Nachbargrundstück bilden. Ein solcher Fall könnte z. B. gegeben sein, wenn durch eine Aufschüttung oder durch die Errichtung eines Hochbaus der Boden gepreßt würde oder auf dem Baugrundstück eine über gespanntem Grundwasser liegende, undurchlässige Bodenschicht durch Graben, Bohren oder Stanzen durchstoßen oder doch so geschwächt würde, daß sie bräche. Ein gleicher Erfolg könnte eintreten, wenn die Bodenbeschaffenheit selbst dadurch verändert würde, daß durch Einblasen von Luft oder durch Einpressen bestimmter Mittel in den Boden zwecks Verfestigung dieser undurchlässig, zum mindesten aber schwerer durchlässig gemacht würde. Umgekehrt kann z. B. das Durchstoßen einer undurchlässigen Bodenschicht bei baulichen Bohrungsarbeiten dazu führen, daß das Grundwasser anders abläuft und infolgedessen ein Brunnen auf dem Nachbargrundstück versiegt. Alle diese Maßnahmen sind unzulässig, wenn dadurch erhebliche Beeinträchtigungen auf dem Nachbargrundstück verursacht werden. Der Bauherr muß sich daher vor Durchführung seines Bauvorhabens vergewissern, daß die erwähnten Folgen durch seine geplanten baulichen Maßnahmen nicht verursacht werden. Im Falle des Verschuldens besteht die Verpflichtung zum Schadensersatz nach den §§ 823 fr. B G B . 5. Niedersachsen hat in seinem Nds. N R G (GVB1. 1967 S. 91 ff.) folgende Regelung getroffen 7 ): § 38 Veränderung des Grundwassers (1) Der Eigentümer eines Grundstücks und die Nutzungsberechtigten dürfen auf den Untergrund des Grundstücks nicht in einer Weise einwirken, daß der Grundwasserspiegel steigt oder sinkt oder die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Grundwassers verändert wird, wenn dadurch die Benutzung eines anderen Grundstücks erheblich beeinträchtigt wird. (2) Dies gilt nicht für Einwirkungen auf das Grundwasser 1. auf Grund einer Bewilligung nach dem Niedersächsischen Wassergesetz oder auf Grund eines alten Rechtes oder einer alten Befugnis, die in § 31 des Niedersächsischen Wassergesetzes aufrechterhalten sind, oder 2. durch einen Gewässerausbau, für den ein Planfeststellungsverfahren nach dem Niedersächsischen Wassergesetz durchgeführt worden ist, oder 7
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) V g l . Hoof-Djuren S. iooff. und Lehmann S. 15off.
Notweg
§ 26a, §27 116
}. durch eine Maßnahme, für die auf Grund des Bundesfernstraßengesetzes, des Niedersächsischen Straßengesetzes oder anderer Gesetze ein Planungsverfahren durchgeführt worden ist, oder 4. auf Grund eines bergrechtlichen Betriebsplanes. (3) Beeinträchtigungen des Grundwassers als Folge einer erlaubnisfreien Benutzung nach § 106 Abs. 1 und 2 des Niedersächsischen Wassergesetzes müssen die Nachbarn ohne Entschädigung dulden. (4) § 51 des Niedersächsischen Wassergesetzes bleibt unberührt.
6. Nordrhein-Westfalen. Der Fall, daß der Grundwasserspiegel durch Bodenerhöhungen oder Aufschichtungen verändert wird, ist von den § § 30, 31 NRW. N R G (GVB1. 69 S. 190) mitumfaßt. Diese Bestimmungen lauten: § 3° Bodenerhöhungen (1) Wer den Boden seines Grundstücks über die Oberfläche des Nachbargrundstücks erhöht, muß einen solchen Grenzabstand einhalten oder solche Vorkehrungen treffen und unterhalten, daß eine Schädigung des Nachbargrundstücks insbesondere durch Abstürzen oder Abschwemmen des Bodens ausgeschlossen ist. Die Verpflichtung geht auf den Rechtsnachfolger über. (2) Auf den Grenzabstand ist § 36 Abs. 2 Satz 1 und 2 Buchstabe b), Abs. 3 bis 5 sinngemäß anzuwenden. § 31 Aufschichtungen und sonstige Anlagen (1) Mit Aufschichtungen von Holz, Steinen, Stroh und dergleichen sowie sonstigen mit dem Grundstück nicht fest verbundenen Anlagen, die nicht über 2 m hoch sind, ist ein Mindestabstand von 0,50 m von der Grenze einzuhalten. Sind sie höher, so muß der Abstand um so viel über 0,50 m betragen, als ihre Höhe das Maß von 2 m übersteigt. (2) Abs. 1 gilt nicht a) für Baugerüste; b) für Aufschichtungen und Anlagen, die aa) eine Wand oder geschlossene Einfriedigung nicht überragen, bb) als Stützwand oder Einfriedigung dienen; c) für gewerbliche Lagerplätze; d) gegenüber Grenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen, zu öffentlichen Grünflächen und zu oberirdischen Gewässern von mehr als 0,50 m Breite (Mittelwasserstand).
§ 27. Notweg § 917 BGB (1) Fehlt einem Grundstücke die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, daß sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt. (2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des 35
Meisner-Stern-Hodes, Nachbairecht, 5. Aufl.
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§ 27
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II § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung. § 918 BGB (1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. (2) Wird infolge der Veräußerung eines Teiles des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teiles, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Der Veräußerung eines Teiles steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich. Für den Eigentümer eines Grundstücks besteht ein Notstand, wenn die erforderliche Verbindung zwischen dem öffentlichen Wegnetz und seinem Grundstück fehlt. Die gemeinrechtliche Praxis 1 ) hat in ausdehnender Auslegung der einen Ausnahmefall behandelnden 1. 12 D 1 1 , 7 dem Richter die Befugnis zuerkannt, im Notfall den Nachbarn zur Bestellung einer Wegegerechtigkeit gegen Entschädigung zu verurteilen. Viel weiter geht das preußische Recht: A L R I Tit. 22 §§ 3—10 legt jedem Eigentümer eines Grundstücks diejenigen Einschränkungen seines Eigentums auf, ohne welche ein anderes Grundstück ganz oder zum Teil völlig unbrauchbar sein würde, und es wird dortselbst andererseits auch zum Zwecke einer Verbesserung das Recht einer Notservitut eingeräumt. Code civil Art. 682—685 gewährt unter der Voraussetzung des Notstandes ein Notwegrecht gegen die Eigentümer benachbarter Grundstücke 2 ). Das B G B verleiht in §§917 und 918 den Anspruch auf einen Notweg. Weitere Fälle sog. Notservituten kennt das B G B nicht 3 ). Über landesrechtliche Reste vgl. den folgenden § 28.
I. V o r a u s s e t z u n g e n des N o t w e g r e c h t e s § 917 B G B macht den Anspruch auf den Notweg davon abhängig, daß einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt. 1. N u r f ü r G r u n d s t ü c k e 4 ) . Nur für Grundstücke, gleichviel ob städtische oder ländliche, kann die Einräumung des Notwegs verlangt x
) Vgl. SeuffA 1 Nr. 177; 6 Nr. 156; 13 Nr. 2 1 1 ; 14 Nr. 1 1 4 ; BayOHG 8, 68; 10, 607. ) Die Notwegsgerechtigkeit konnte nach französ. Recht durch Ersitzung nicht erworben werden. Preuß in Puchelts Zeitschr. 33, 627ff. 3 ) Uber die Anwendbarkeit des § 917 B G B auf unterirdische Leitungen s. unten II. und N. 59. 4 ) EinSee ist als Grundstück zu betrachten; Staudinger R N 3 zu § 9 1 7 B G B ; StriethA 77, 202; Rüdenberg, Notwegrecht 13. Nach Westermann § 65 II 1 soll es für den Begriff des Grundstücks im Sinne des § 917 B G B nicht auf die Eintragung im Grundbuch ankommen; maßgebend sei vielmehr, ob ihm als einheitlich genutztem Wirtschaftsgrundstück der Zugang fehle, da nur so der wirtschaftliche Zweck des § 917 B G B erreicht werde (ähnlich Reinicke M D R 48 S. 3 5 8 in der Anm. zu einer Entscheidung des L G Dort2
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Notweg
§ 2 7 12
werden; der Schäfereiberechtigte kann deshalb auf Grund des § 917 B G B die Einräumung eines Notweges auch dann nicht verlangen, wenn er mangels eines Weges das ihm zustehende Weiderecht teilweise nicht ausüben kann 5 ). Dies gilt auch für den Fall, daß die Schäfereiberechtigung mit einem Grundstücke derart verbunden ist, daß sie dem jeweiligen Eigentümer zusteht. § 917 B G B ist auch dann anwendbar, wenn nicht das ganze Grundstück, wohl aber ein nicht unwesentlicher Teil davon vom öffentlichen Weg aus nicht ordnungsgemäß benutzt werden kann5»). 2. M a n g e l n d e V e r b i n d u n g mit ö f f e n t l i c h e m Weg. Die Verbindung mit einem öffentlichen Wege — wegen des Notwegs von einem Grundstück zu einer Wasserstraße oder einer Eisenbahn vgl. Art. 123 E G B G B — muß f e h l e n . Der Begriff des öffentlichen Weges richtet sich nach Landesrecht513). Hiernach ist derjenige Weg ein öffentlicher, welcher nach der ihm ausdrücklich oder stillschweigend6) von allen rechtlich Beteiligten, d. i. dem Eigentümer, der Wegepolizeibehörde und dem Straßenbaulastpflichtigen gegebenen Bestimmung dem allgemeinen Verkehr dient'). Unerheblich ist für die Frage der Öffentlichkeit, in wessen Eigentum der Weg steht8) und ob er schon jahrelang allgemein benutzt wird 9 ). Ob ein Weg öffentlich ist, ist an sich nicht vom ordentlichen Richter, sondern im Verwaltungsweg zu entscheiden; wenn aber die Frage für privatrechtliche Ansprüche oder Einwendungen grundlegend wird, kann auch der ordentliche Richter darüber befinden 10 ). Man unterscheidet Bundesfernstraßen, Landes-, Kreisstraßen sowie Gemeindewege. Bundesfernstraßen sind öffentliche Straßen, die mund, die den Notweg für einen Teil eines Grundstücks ablehnt). A . M. L G Düsseldorf N J W 54, 681 (nur selbständig gebuchte Grundstücke). V g l . auch unten zu N 18 a. 6 ) Vgl. Hesse, Nachbarrecht 548; Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 149; 6a Staudinger R N 3 zu § 917 B G B . ) Vgl. hierzu vorsteh. N. 4 und unten N. 18a. 5t ) Wegen der Länderwegegesetze vgl. oben § 1 II 6 b. 6 ) Vgl. R G i. JMB1. 1896, 162; J W 00, 170 u. 585; Gruchot 42, 725. 7 ) Germershausen, Das Wegrecht und die Wegeverwaltung in Preußen 4fr.; Dernburg, SachenR § 141. — Bei alten Wegegerechtigkeiten genügt für die Annahme der Öffentlichkeit die allgemeine Feststellung, daß bereits in alter Zeit eine Widmung für den öffentlichen Verkehr seitens aller Rechtsbeteiligter stattgefunden hat, ohne daß im einzelnen der Nachweis geführt wird, wie, wo und von wem die Widmung vorgenommen ist; diese Feststellung muß aber stets die Widmung auch durch die Wegepolizeibehörde in sich schließen ( O L G Hamm N J W 53, 1519). Eine Widmung des Privatwegs durch den Eigentümer zum Gemeingebrauch, dem allg. Verkehr oder einer bestimmten Art desselben ist aber nicht anzunehmen, wenn der Eigentümer die Benutzung des Wegs der Allgemeinheit nur duldungsweise gestattet hat ( O L G München N J W 54, 1452). 8 9 ) J W 00, 170. ) R G bei Gruchot 43, 1 1 0 1 . 10 ) Diese Feststellung darf sich aber nur in den Urteilsgründen, nicht im Urteilstenor befinden, der in Rechtskraft übergehen könnte: R G J W 00,451. Vgl. R G J W 06,233; J W 14, 263 fr.
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12 ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr zu dienen bestimmt sind; sie gliedern sich in die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen mit Ortsdurchfahrten. Eine Straße erhält die Eigenschaft einer Bundesfernstraße durch Widmung der obersten Landesstraßenbaubehörde11). Die Bundesfernstraßen stehen im Eigentum des Bundes, der auch Träger der Straßenbaulast ist 12 ). Die Verwaltung und Unterhaltung der Landstraßen ist Aufgabe der Länder 13 ). Gemeindewege dienen dem öffentlichen Verkehr innerhalb der Gemeinden14). Eine das Notwegrecht begründende Z u g a n g s n o t besteht nicht nur dann, wenn das Grundstück überhaupt keine Verbindung mit dem öffentlichen Weg hat, sondern auch dann, wenn der an sich vorhandene Zugang wegen seiner tatsächlichen Beschaffenheit oder wegen der rechtlichen Einschränkung seiner Verwendbarkeit, z.B. im Falle einer öffentlich-rechtlichen Widmungsbeschränkung (Benutzung nur als Fußweg, nicht als Fahrweg zugelassen) eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Grundstücks nicht gestattet14»). Von einer Zugangsnot kann andererseits nicht gesprochen werden, wenn dem Grundstückseigentümer eine anderweitige Verbindungsmöglichkeit gegeben ist, auch wenn diese umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist als der begehrte Notweg über das Nachbargrundstück; allerdings müssen Verbindungsmöglichkeiten außer Betracht bleiben, die so hohe Aufwendungen oder Erschwernisse mit sich bringen, daß durch sie die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde, wofür maßgebend wäre, wie sich die entstehenden Kosten zum Gesamtertrag des Grundstücks, nicht wie sie sich zu den Kosten des Notwegs verhielten1411). Die Verbindung mit einem schiffbaren Fluß schließt den Anspruch nicht aus, auch wenn ein Leinpfad vorhanden ist 16 ), wenigstens wenn und soweit er — was der Regel entspricht — zu anderen Zwecken als zu jenen der Schiffahrt nicht benutzt werden darf. Ein Fluß oder See kommt als Verbindung nicht in Betracht, auch wenn er befahrbar ist und die erforderlichen Transportmittel vorhanden sind16). u ) §§ J> 2 des FStrG vom 6. 8. 1953 (BGBl. I 903) in der Fassung vom 6. 8. 1961 (BGBl. I 1742), das durch GVB1. Berlin 1953 S. 1289 auch für Berlin übernommen ist. 12 ) § § 1 > 2> 6 des Ges. über die vermögensrechtl. Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs vom 2. 3. 1951 (BGBl. 51 I 157). 13 ) §§ T> 6ff. des Ges. über die einstw. Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung vom 26. 3. 1934 (RGBl. 3 4 1 243). Diese Vorschriften sind inzwischen durch die Länderwegegesetze (vgl. dazu oben N. 5 b) ersetzt. 14 ) Dernburg a. a. O. 480 Nr. 2. 14 b " * ) Vgl. O L G Z 67, 157 und unten zu § 27 I 3. ) B G H N J W 64, 1 3 2 1 . 15 ) Dernburg a. a. O. 286. Vgl. R G 6, 323; Bolze 8 Nr. 82; Staudinger R N 25 und 26 zu § 917 B G B . u ) Vgl. dagegen Rüdenberg 13 sowie Staudinger R N 34 zu § 917 B G B .
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Notweg
§
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E s kann jedoch hierdurch die N o t w e n d i g k e i t einer Landverbindung ausgeschlossen werden 1 6 »). Nicht nur die Verbindung, sondern auch der öffentliche W e g , zu dem sie führt, muß den Anforderungen für eine ordnungsgemäße Benutzung genügen 1 7 ). Ist das Grundstück durch ein demselben Eigentümer gehöriges Grundstück v o m öffentlichen W e g e getrennt, so kann regelmäßig ein Notweganspruch gegen einen Dritten nicht erhoben werden, solange die beiden Grundstücke in einer Hand vereinigt sind. N u r dann, wenn das demselben Eigentümer gehörige Grundstück durchaus nicht geeignet ist, eine entsprechende Verbindung für das andere herzustellen, kann ein N o t w e g auf einem anderen Grundstück verlangt werden 1 8 ). Derselbe Grundsatz muß entsprechend gelten, wenn nur ein Teil eines Grundstücks v o m öffentlichen W e g aus ordnungsmäßig benutzt werden kann, ein anderer — nicht unwesentlicher — Grundstücksteil dagegen nicht 1 8 4 ). D e r Anspruch auf Einräumung des N o t w e g s besteht aber nicht, wenn dem Grundeigentümer bereits ein ausreichendes Recht gegen einen Dritten auf Bestellung eines Wegerechts zusteht 19 ). 16a ) Kann ein auf einer Insel gelegenes Grundstück nur über ein öffentliches Gewässer die Verbindung zu einem öffentlichen Weg gewinnen, so hat der Grundeigentümer Anspruch auf einen Zugang zu dem verbindenden Gewässer gemäß § 917 BGB. Die Notwendigkeit hierfür und damit der Anspruch entfällt aber, wenn an dem Inselgrundstück vorbei ein öffentlicher Weg zu einer Anlegestelle führt, denn unter solchen Umständen ist der Grundeigentümer nicht von jeder Verbindung zu der Wasserstraße und über diese zu einem öffentlichen Weg des Festlands abgeschnitten (BGH BB 67 S. 436). " ) Vgl. unten N. 57. ls ) Vgl. SeuffA 27 Nr. 8. Ebenso Rüdenberg 13: „Mehrere aneinanderstoßende Grundstücke desselben Eigentümers sind einem einzelnen Grundstück gleichzuachten." Deshalb erlischt auch der Notwegsanspruch, sobald der Eigentümer des berechtigten Grundstücks ein daran angrenzendes Grundstück erwirbt, welches die Verbindung mit dem öffentlichen Wege hat und auch als Verbindung für das erste Grundstück dienen kann, auch wenn damit ein ziemlicher Umweg verbunden wäre. O L G 2, 5 06 (Karlsruhe) ; L G Verden MDR 57, 547. Vgl aber unten N. 24. 18a ) B G H N J W 54, 1 3 2 1 ; Staudinger R N 24 zu § 917 B G B ; Planck 1 dzu §917 B G B . Zutreffend Reinicke (MDR 48, 359) gegen L G Dortmund (MDR 48, 358). Unrichtig L G Düsseldorf N J W 54,681. Vgl. auch B G H M D R 63,994 u. O L G Hamburg MDR 64,325. 19 ) Vgl. Maenner 172. Mit Recht führt Rüdenberg 22 aus, daß der Notweganspruch nicht besteht, wenn eine ausreichende Verbindung tatsächlich, wenn auch ohne rechtliche Grundlage (z. B. precarium), vorhanden ist, sofern sich nur die Ungewißheit über das künftige Weiterbestehen der Verbindung mit der ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstückes vertrage. Vgl. hierzu SeuffA 1 Nr. 177; Hesse, Nachbarrecht 549. So hat z. B. der franz. Kassationshof (Sirey, Recueil général 1895 2, 168) das Bedürfnis für einen Notweg verneint, weil die Forstverwaltung die Benutzung eines ihr gehörigen, nicht öffentlichen Weges, der zu einem öffentlichen Wege führt, nicht bean-
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Hierfür genügt auch das Bestehen eines bloß schuldrechtlichen Anspruchs auf Gestattung der Benutzung eines anderen Grundstücks zur Herstellung der Verbindung zum öffentlichen Weg19»). Ist dieser Anspruch allerdings streitig, so kommt es auf die Umstände des Falles an, ob derjenige, der den Notweg beansprucht, sich auf den Anspruch verweisen lassen muß; dafür wird entscheidend sein, ob die Erfüllung einer solchen Verpflichtung innerhalb einer wirtschaftlich zumutbaren Frist zu erwarten ist 196 ). B e w e i s p f l i c h t i g dafür, daß die erforderliche Verbindung mit dem öffentlichen Weg fehlt, ist derjenige, der den Notweg beansprucht. Beruft sich der Beklagte darauf, daß dem Kläger eine ausreichende Wegegerechtigkeit gegen einen anderen Nachbarn zusteht, so muß der Kläger nachweisen, daß ein solches Wegerecht nicht besteht; bestreitet der als wegepflichtig bezeichnete andere Nachbar das Wegerecht, so wird dieser Nachweis regelmäßig als erbracht anzusehen sein, und es wird nun wiederum Sache des Beklagten sein, darzulegen, daß trotz dieses Bestreitens zum mindesten eine Wahrscheinlichkeit für das Bestehen dieser Wegegerechtigkeit gegeben ist20). Der Notwegberechtigte kann auch auf eine schuldrechtliche Gebrauchsbefugnis (z. B. aus einem Mietverhältnis) verwiesen werden, wenn er durch den schuldrechtlichen Vertrag ebenso ausreichend wie durch ein dingliches Recht gesichert ist20»). 3. N o t w e n d i g k e i t der V e r b i n d u n g . Die V e r b i n d u n g mit dem öffentlichen Weg muß f ü r die o r d n u n g s m ä ß i g e B e n u t z u n g des Grundstücks n o t w e n d i g sein. Der Notweganspruch besteht daher nicht nur dann, wenn die Verbindung des Grundstücks zu einem öffentlichen Weg überhaupt fehlt, sondern schon dann, wenn die vorhandene Verbindung zur ordnungsmäßigen Benutzung des Grundstücks nicht oder nicht stände. Vgl. aber auch Endemann 484 Anm. 28. Siehe ferner L G Kassel N J W 69, 1 1 7 4 mit krit. Anm. von Hodes daselbst (Wegerecht auf Grund eines stillschweigend auf unbestimmte Zeit geschlossenen Leihverhältnisses infolge stillschweigender Duldung der Benutzung des Grundstücks zum Begehen und Befahren). 19a ) Wolff § 5 6 I 1. Vgl. auch unten N. 20 und N . 20 a. 19b ) R G J W 25, 474; R G 157, 305; Rüdenberg 22; Staudinger R N 23 zu § 917 BGB. Vgl. auch zu nachsteh. N. 20 und 20 a. 20 ) Vgl. J W 25, 475 (RG): Auch wenn die Wegegerechtigkeit zu Unrecht von dem Nachbarn bestritten wird, kann eine den Notweganspruch begründende Zugangsnot bestehen, wenn das Grundstück nicht so lange unbewirtschaftet gelassen werden kann, bis der Rechtsstreit mit dem Nachbarn ausgetragen ist. Freilich wird zu erwägen sein, ob nicht gegen diesen eine einstweilige Verfügung zu erlangen wäre. Wieweit auf ein streitiges Wegerecht verwiesen werden darf, richtet sich also nach dem jeweiligen Einzelfall. Vgl. oben N. 19a und N. 19b. 20a ) R G 157, 308; O L G 26, 29; Staudinger R N 23 zu § 917 B G B . Vgl. auch L G Kassel N J W 69, 1 1 7 4 mit krit. Anm. von Hodes daselbst (Wegerecht auf Grund stillschweigenden Leiheverhältnisses).
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mehr genügt 20 "), weil entweder der vorhandene Weg nach seiner tatsächlichen Beschaffenheit nicht ausreicht, um eine den Bedürfnissen des Grundstücks entsprechende Benutzung desselben zu gewährleisten, oder weil der vorhandene Weg infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmungsbeschränkung (er ist nur als Fußweg zugelassen), also aus Rechtsgründen, in dem erforderlichen Umfang nicht benutzt werden kann20c). Ob einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung nach außen fehlt, bestimmt sich nach objektiven Gesichtspunkten, an die ein strenger Maßstab anzulegen ist, nämlich nach den Bedürfnissen einer praktischen Wirtschaft, nach der Benutzungsart und der Größe des Grundstücks, nach seiner Umgebung und nach den sonstigen Umständen des Einzelfalls20"1). Unter Benutzung ist der Gebrauch und die Ausbeute des Grundstücks zu verstehen (§§ 99, 100 BGB) 2 1 ). Die Notwendigkeit der Verbindung des Grundstücks zu einem öffentlichen Weg über einen Notweg ist auch dann zu bejahen, wenn sie sich in anderer Weise, aber nur durch ganz besonders kostspielige Veranstaltungen, z. B. durch den Bau einer Brücke 21 ®), oder nur mit so hohen Aufwendungen oder Erschwernissen herstellen ließe, daß durch sie die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde, wobei es für die Zumutbarkeit darauf ankäme, wie sich die entstehenden Kosten zum Gesamtertrag des Grundstücks, nicht wie sie sich zu den Kosten des Notwegs verhielten22). Die bloße Schwierigkeit oder Unbequemlichkeit der Benutzung rechtfertigt den Notweganspruch nicht23). Deshalb 20b ) B G H N J W 54, 1 3 2 1 ; R G 79, izoff.; Warn. 14 Nr. 290; J W 25, 474 (mit zust. Anm. von Hallermann); SeuffA 71 Nr. 90; L G Aachen M D R 63, 678; Westermann § 65 II 1 ; Planck 1 d; R G K Anm. 1 u. 3; Staudinger R N 31 zu § 917 B G B ; Palandt 2 zu § 917 B G B ; Meisner-Ring § 25 I 2 (S. 361). 20c ) O L G Köln in O L G Z 67 S. 157. 2 °ä) B G H N J W 64 S. 1 3 2 1 . 21 ) Rüdenberg 15. 21a ) R G 157, 3°8**) B G H N J W 64, 1 3 2 1 ; vgl. Hesse, Nachbarrecht 547; Dernburg 286; R 01, 1 2 1 (Dresden); Staudinger R N 25 zu § 917 B G B ; Crome 293 Anm. 65. Abweichend R G K Anm. j ; Planck Bern. 1 zu § 917 B G B . **) V g l . Hesse, Nachbarrecht 548; R G 79, 1 1 6 ; R 01, 3 1 1 ( L G Metz); Gierke 438 Anm. 93; R G K Anm. 3; Staudinger R N 28 zu § 917 B G B . Selbst erhebliche Unbequemlichkeit: SächsArch. 14, 236 (Dresden); R 04, Nr. 2107 (Dresden); O L G 26, 30. Nach B G H L M 2 zu § 917 B G B erstreckt sich das Notwegrecht auf die Zufahrt mit Kraftfahrzeugen zu einem Alpengasthof, der 1,8 km von der öffentlichen Straße im Berggelände liegt, unter Benutzung der schwach ausgebauten Privatstraße des duldungspflichtigen Nachbarn nicht auf die Zufahrt von Gästen. Hier handelte es sich allerdings um einen besonders gelagerten Fall, der nicht ohne weiteres verallgemeinert werden kann; vgl. auch die der Entscheidung zustimmende Anm. von Thieme in M D R 58, 760. Ein Notweganspruch besteht nicht etwa nur deshalb, weil das deutsche Grundstück
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kann der Notweg wegen bloßen Gewinnes durch Wegabschneidung nicht verlangt werden24) ; wie es überhaupt ohne Bedeutung ist, ob die Benutzung der vorhandenen Verbindung etwas kostspieliger ist als eine andere, während eine unverhältnismäßige Schmälerung des Ertrags den Anspruch auf den Notweg begründet25). In Villenvororten der Großstädte und in Kur- und Badeorten befinden sich Landhäuser mit Garten in Berglage, die lediglich durch einen Fußweg mit dem öffentlichen Weg Verbindung haben. Unter solchen Umständen wird regelmäßig eine Zufahrt nicht beansprucht werden können, da diese nach der maßgebenden Verkehrsauffassung nicht notwendig ist. Die Schwierigkeiten der Beibringung von Brennmaterial und Lebensmitteln sind nicht größer als in den Stadtwohnungen für die höheren Stockwerke 26 ). Für die Frage nach der Ordnungsmäßigkeit der Benutzung des Grundstücks kommt es nicht nur auf die b i s h e r i g e Benutzung an, sondern auch darauf, ob ü b e r h a u p t eine ordnungsmäßige Benutzung, die den Notweg erforderlich erscheinen läßt 27 ), in Betracht kommt. Ausschlaggebend ist dabei, ob die geplante Benutzung den wirtschaftlichen Bedürfnissen mit Rücksicht auf die Beschaffenheit des Grundstücks entspricht28). Daher genügt nicht jede denkbare Änderung in der Benutzung, um den Anspruch auf den Notweg zu begründen, sondern es muß das Grundstück seiner Natur nach zu einer der Änderung entsprechenden Benutzungsart bestimmt sein. Ordnungsgemäß ist eine Benutzung, die nach ihrer Art der Natur (d. i. der Bodenbeschaffenheit, Größe und klimatischen Lage) nur eine Verbindung mit einem französischen öffentlichen Wege hat und sein Eigentümer durch „les mesures politiques et douaunières par la France" „geniert" wird. So Rüdenberg 15 unter Berufung auf ein Urteil des französischen Kassationshofes (Sirey, Recueil général 1890, 1, 592). Dabei wird aber doch wohl die Einschränkung zu machen sein, daß infolge dieser mesures die ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks nicht ungebührlich erschwert sein darf. Denn die Verbindung muß immerhin derartig sein, daß sie den Bedürfnissen für eine ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks wenigstens notdürftig genügt. Puchelt, Zeitschr. 05, 152 (Zweibrücken). Vgl. auch O L G Hamburg M D R 64, 325. 24 ) Vgl. SeuffA 13 N . 210; O L G 2, 506; BayZ 25, 169 (Augsburg). Keine bloße Unbequemlichkeit, sondern ein wirtschaftlicher, zur Begründung des Notweganspruchs ausreichender Notstand ist dann gegeben, wenn der zur Verfügung stehende Weg so weit außen herumführt, daß dadurch die Ausnutzung des Grundstücks erheblich geschmälert wird (vgl. BayZ 25, 169; J W 25, 474), z. B. wenn mit den ordnungsgemäß vorhandenen Transportmitteln die Ernte nicht in angemessener Zeit eingebracht werden kann. 25 ) Rüdenberg 15 ; B G H L M 2 zu § 917 B G B . 26 ï L G Würzburg 27. 9. 1921 F. 83/21. 27 ) Prot. 3588 (Mugdan 3, 598); BayZ 14, 191 (RG). Anders Entw. I § 863 und für das gemeine Recht SeuffA 50 Nr. 79. 28 ) BayZ 14, 191 (RG).
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und der Umgebung des Grundstücks angemessen und deren Ausübungsweise rationell ist29). So kann die Umwandlung eines bisher landwirtschaftlich benutzten Grundstückes in einen Steinbruch eine ordnungsgemäße Benutzung sein30). Wenn der Eigentümer aus persönlichen Gründen 31 ) irgendeine neue Benutzung, welche nicht als ordnungswidrig bezeichnet werden kann, der bisherigen vorzuziehen geneigt ist, so kann er hierfür nicht ohne weiteres einen Notweg beanspruchen32). Wenn der Eigentümer den Fortschritten und Anforderungen der Zeit und der örtlichen Verhältnisse Rechnung trägt und deshalb eine Änderung der Benutzung eintreten läßt, so handelt er wirtschaftlich33). Ist die Stadt an ein bisher landwirtschaftlich genutztes Grundstück herangewachsen, so wird die Erbauung von Wohnhäusern der Natur des Grundstücks entsprechen. Ist für diese Benutzung der bisherige Zugang nicht mehr genügend, so kann der Notweg verlangt werden, nicht aber gleich für ein Hotel. Soll auf einem Grundstück der dort vorhandene Steinbruch ausgebeutet werden, so ist dies eine ordnungsmäßige Benutzung, die einen Fahrweg erforderlich macht 33 *). Will der Eigentümer auf seinem Grundstück eine Fabrik errichten, so kommt es auf die Lage des Grundstücks an. In einem Industrieviertel ist dies eine ordnungsmäßige Benutzung. Auf dem platten Lande dagegen liegt diese Voraussetzung regelmäßig nicht vor; denn hier wird zumeist die Änderung der Benutzung nicht auf die durch die objektive Beschaffenheit des Grundstücks bedingten wirtschaftlichen Bedürfnisse, sondern auf die subjektive Willensrichtung des Eigentümers zurückzuführen sein. Wenn sich aber auf dem Grundstück oder in seiner Nähe wertvolle Tonlager befinden, so wird die Errichtung einer Tonwarenfabrik der rationellen Ausbeutung dieses Tonlagers entsprechen und daher eine ordnungsmäßige Benutzung im Sinne des Gesetzes darstellen. Die Einrichtung einer Mühle auf einem an einem Triebgewässer liegenden Grundstück ist ebenfalls eine ordnungsmäßige Benutzung, da das Grundstück infolge seiner Lage zu dieser Art der Benutzung bestimmt ist. 29 ) Rüdenberg 15—18. Nach R G 157, 309 ist die Bewirtschaftung nicht ordnungsgemäß, wenn der Eigentümer auf seinem Grundstück ein Unternehmen beginnt, das nicht ohne umfangreiche Inanspruchnahme benachbarter Grundstücke durchführbar ist. Vgl. K G J W 14, 529: Es muß objektiv und nach vernünftigem Ermessen erwogen werden, ob die geplante Benutzung den wirtschaftlichen Bedürfnissen entspricht. 30 ) Puchelts Zeitschr. 05, 152 (Zweibrücken). 31 ) Wenn R G 79, 1 1 7 die Abgabe der Bewirtschaftung eines Grundstücks an mehrere Teilpächter hierher rechnet, so mag das im allgemeinen richtig sein. Wenn aber die Zerteilung in Einzelbewirtschaftung eine rationellere Ausnutzung des Bodens gewährleistet, so entspricht sie der Beschaffenheit des Grundstücks. Abweichend Westermann § 65 II 2. 32 ) Prot. 5591 (Mugdan 3, 599). Für jetziges Recht würde die den Notweganspruch einschränkende Entscheidung in J W 94, 437 Nr. 49 nicht mehr zutreffen. Vgl. O L G 12. 124. 33 ) Zustimmend BayZ 26, 45 (Augsburg); Staudinger R N 29 u. 30 zu § 917 B G B ; Scherer, Bern. 198 zu §§ 917 und 918 B G B (3, 105). Ein Nachweis der Rentabilität der Neuanlage kann nicht gefordert werden. Endemann 484 Anm. 29. — Vgl. hierzu B G H B B 65 S. 639 (Neueinrichtung eines Kinos auf einem abgeschnittenen Grundstück). 33a ) B G H N J W 60 S. 93 = B B 59 S. 1233 (Errichtung eines Lager- und Kühlhauses auf dem Hinterhof eines Grundstücks).
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Es entspricht regelmäßig nicht der Lage, somit nicht der Natur eines eingeschlossenen Grundstücks, darauf einen stark besuchten Schuppen zu stellen, der im Laufe der täglichen Arbeit vielfach benutzt werden muß. Diese Benutzungsweise ist zwar nicht ordnungswidrig, aber auch nicht naturgemäß34). Anders, wenn in der Umgebung des Grundstücks sich mehrfach solche Schuppen befinden. Der ständig sich steigernde und sich ausweitende V e r k e h r m i t K r a f t f a h r z e u g e n mit der damit begründeten Notwendigkeit, auf Privatgrundstücken Abstellplätze und Garagen zu schaffen, die ihrerseits geeignete Z u fahrtswege voraussetzen, hat der Frage besondere Bedeutung verliehen, ob im Hinblick auf § 9 1 7 B G B in solchen Fällen die Benutzung des Grundstücks dessen wirtschaftlichen Bedürfnissen oder aber nur der Erfüllung persönlicher Bedürfnisse des Grundstückseigentümers dient. Die Ansichten hierzu gehen in der Rechtsprechung auseinander. Das O L G Hamm34») hat hierzu den Grundsatz aufgestellt, in diesen Fällen handele es sich nicht mehr bloß um die Befriedigung eines persönlichen Bedürfnisses, sondern angesichts der Steigerung und breiten Streuung der Kraftwagenhaltung um eine wesentliche Eigenschaft des Grundstücks selbst, von der in hohem Maße Wert und Verwertbarkeit des Grundstücks abhingen. Auch das L G Aachen 346 ) ist der Ansicht, daß es „im Rahmen ordnungsgemäßer Benutzung des Grundstücks im Sinne des § 917 B G B " liegt, wenn eine Garage auf dem hinter der Straßenfront gelegenen Teil eines Grundstücks errichtet werde, dessen vorderer, an die Straße angrenzender Teil in voller Breite mit einem Wohnhaus bebaut ist, und zwar auch dann, wenn das Grundstück in ländlicher Gegend liegt und bisher nur als Gartenland genutzt worden ist. Ebenso hat das A G Marburg 340 ) die Benutzung eines auf dem Marburger Schloßberg gelegenen Grundstücks als Abstellplatz für einen Pkw als „ordnungsgemäße Benutzung im Sinne des § 917 B G B " , die einem wirtschaftlichen Bedürfnis des Grundstücks entspreche, angesehen. Schließlich hat das O L G Köln 344 ) entschieden, daß nach den heute geltenden wirtschaftlichen Maßstäben die Kraftfahrzeughaltung auf dem eigenen Grundstück „in aller Regel" als sachgerecht anerkannt werden müsse; denn dem Personenkraftwagen komme mehr und mehr die Bedeutung eines zum allgemeinen Lebensstandard der Bevölkerung gehörenden Bedarfsartikels zu. Unter diesen Umständen liege es nahe, den Grundbesitz regelmäßig sogar mit der Verpflichtung zu belasten, den von ihm ausgehenden Verkehr aufzunehmen, zumal die starke Zunahme der Kraftfahrzeughaltung ein auffälliges Mißverhältnis zwischen der Zahl der zugelassenen Fahrzeuge und der Zahl der vorhandenen Abstellplätze geschaffen habe; diesem Umstand habe der Gesetzgeber in § 2 der Reichsgaragenordnung und in § 25 Abs. 5 der BauordnungsVO bereits Rechnung getragen. Trotzdem müsse aber immer geprüft werden, ob diese für den Regelfall geltenden Überlegungen mit Rücksicht auf die Benutzungsart, die Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls für das in Frage stehende Grundstück übernommen werden könnten oder modifiziert werden müßten. Eine solche Ausnahme von der Regel hielt das O L G Köln im entschiedenen Falle für gegeben, weil das Grundstück objektiv zur Kraftfahrzeughaltung nicht bestimmt sei, da es in einer Umgebung liege, die nach ihrer besonderen Eigenart * ) O L G 12, 124. 34») N j w J 9 s_ 2 3 I O M t>) M D R 63 S. 678. Mc ) Urteil vom 2. 9. 1966 — 9 C 26/66. » i ) O L G Z 67 S. 157fr.
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als planvoll und bewußt geschaffene, vom Verkehr nicht oder wenig berührte Wohnlage Fahrzeugverkehr auf dem Wohnweg nicht vorsehe Me ). Im Gegensatz hierzu hat das L G Kassel 34 ') die Meinung vertreten, in dem entschiedenen Falle gehöre es nicht zu den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Grundstücks, daß der Grundeigentümer auf ihm oder in einer dort errichteten Garage ein Kraftfahrzeug abstelle, da hier weder eine Garage noch ein Pkw „erforderlich" seien. Daher bestehe auch kein Anspruch auf einen Notweg. Zusätzlich ist die Entscheidung damit begründet, daß die gleiche Garage ebensogut — wenn auch unter Aufwendung einiger zumutbarer Kosten — vor der Mauer unmittelbar an der Straße errichtet und dann das Haus über eine anzulegende Treppe erreicht werden könne. Das O L G München34«) ist der Meinung, die Haltung eines Pkw auf einem Grundstück und die Errichtung von Garagen gehöre zwar heute zur ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstücks. Damit allein sei aber ein echtes wirtschaftliches Bedürfnis, das im Rahmen des § 917 B G B Berücksichtigung finden müsse, noch nicht erwiesen; es gebe eben manche Handlungen und Einrichtungen, die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstücks lägen und auch zweckmäßig, aber deshalb noch nicht zur ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstücks notwendig seien. Es könne nicht gesagt werden, daß ein Wohnhaus schon deshalb, weil es ohne Garage ist, nicht mehr ordnungsgemäß benutzt werden könne; viele Wohnungsinhaber und Autobesitzer in Großstädten hätten entweder keine Garage oder nur eine solche in mehr oder minder großer Entfernung von ihrer Wohnung. Im entschiedenen Falle sei die ordnungsgemäße Benutzung des Zweifamilienhauses gegeben, obwohl zu ihm von der Straße aus lediglich ein 25 m langer Gehweg führe. Schließlich aber müsse sich hier der Kläger auf die gegebene und zumutbare Möglichkeit verweisen lassen, in einem etwa 250 m entfernten Garagenhof für insgesamt D M 6000 zwei Garagen zu erwerben. Mit der herrschenden Meinung (vgl. oben zu N . 3 4 a — 3 4 d ) und insbesondere mit dem O L G K ö l n 3 4 " ) erscheint die Auffassung geboten, daß unter heutigen Verhältnissen das Abstellen eines Kraftfahrzeuges auf einem Grundstück oder das Unterstellen in einer dort errichteten Garage in a l l e r R e g e l 3 4 1 ) eine ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks im Sinne des § 9 1 7 B G B darstellen mit der Folge, daß ein Notweganspruch grundsätzlich gegeben sein kann. E s ist also z . B . nicht zu fordern, daß auf dem Grundstück ein gewerblicher Betrieb unterhalten wird, der das Halten und A b stellen v o n Kraftfahrzeugen dort notwendig macht. Vielmehr wird auch ein mit einem Einfamilienhaus bestandenes Wohngrundstück im Sinne des 34e ) Ähnlich L G Hannover N J W 69 S. 190 in dem Falle, daß in einer Reihenhaussiedlung Zufahrtswege für Kraftfahrzeuge nicht vorgesehen waren. Mr ) Urteil vom März 1963 — 1 S 327/62. 34 8) O L G Z 66 S. 284fr. 34h ) Vgl. oben N. 3 4 d . 341 ) Dies gilt auch für Villenvororte von Großstädten und in Kur- oder Badeorten, wo die Landhäuser mit Gärten oft in Berglage liegen, die lediglich durch einen Fußweg mit einer öffentlichen Straße verbunden sind. Auch ihnen wird man grundsätzlich einen Fahrweg zubilligen müssen. Die seinerzeit vom L G Würzburg in seinem Urteil vom 27. 9. 1921 — F 83/21 — angestellte Erwägung, daß in den genannten Fällen die Schwierigkeiten der Beibringung von Brennmaterial und Lebensmitteln nicht größer seien als in den Stadtwohnungen für die höheren Stockwerke, kann nicht mehr als durchschlagend erachtet werden.
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13 § 917 B G B ordnungsgemäß benutzt, wenn der Grundstückseigentümer oder der Mieter des Hauses ein Kraftfahrzeug hält und auf dem Grundstück ab- oder unterstellen will, auch wenn er es nur z. T. bei Ausübung seines außerhalb des Hauses ausgeübten Berufes oder z. B. als Rentner überhaupt nur zu privaten Zwecken d. h. vorwiegend zu seinem Vergnügen benutzt. Selbstverständlich kommt ein Notweganspruch nur in Frage, wenn ein Kraftfahrzeug tatsächlich gehalten wird und auf dem Grundstück abgestellt oder in einer Garage untergestellt werden soll, die bloße Möglichkeit, daß ein Fahrzeug eines Tages gehalten werden könnte, begründet keinen Anspruch. N u r u n t e r ganz b e s o n d e r e n U m s t ä n d e n , wie dies für den vom O L G Köln a. a. O. entschiedenen Fall zutraf, wird man die ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks abzulehnen haben. Im übrigen aber muß in j e d e m E i n z e l f a l l e s o r g f ä l t i g und s t r e n g geprüft werden, ob nach Lage der Verhältnisse der Notweg tatsächlich die letzte und nicht zu umgehende Möglichkeit darstellt, um das Fahrzeug aboder in einer Garage unterzustellen, denn bei aller Rücksichtnahme auf die Notwendigkeit der Fahrzeughaltung und die Bedürfnisse des modernen Kraftfahrzeugverkehrs darf nicht übersehen werden, daß die Zubilligung eines Notwegs regelmäßig einen sehr fühlbaren Eingriff in das Eigentumsrecht des Nachbarn bedeutet, der nur vorgenommen werden sollte, wenn jede andere Möglichkeit einer Abhilfe ausgeschlossen erscheint3411). Zu bemerken ist noch, daß mit dem Hinweis auf mögliche ausgesprochene N o t f ä l l e (Krankenwagen, Leichenwagen, Feuerwehr) ein allgemeines Notwegrecht nicht begründet werden kann. Solche Fahrzeuge können gemäß §§ 904, 242 B G B den Wirtschaftsweg ohne weiteres befahren 341 ). Das Bedürfnis unserer Volkswirtschaft erheischt die stärkste Ausnutzung des Bodens. Wenn man früher die Umwandlung eines mageren Weidegrundstücks in Ackerland als unwirtschaftlich betrachtet hat, so ist hierin jetzt ein Wandel der Anschauung eingetreten. Heute hätte der Richter für eine solche Änderung der Benutzung den Notweg zuzusprechen. Das Bedürfnis nach einem Notweg kann ein nur vorübergehendes sein 35 ); dann kann der Notweg nur solange beansprucht werden, als das Bedürfnis besteht. 34k ) Bezeichnend ist, daß sowohl das L G Kassel (oben N . 34t) wie auch das O L G München (oben N. 34g), die beide eine von der herrschenden Meinung abweichende Auffassung vertreten, die Klageabweisung auch auf den Hinweis auf andere zumutbare Abhilfemöglichkeiten stützen konnten. 34 1) O L G München O L G Z 66, 284. M ) Rüdenberg 2 1 ; Staudinger R N 22 zu § 917 B G B ; Wolff, Sachenrecht 165; Westermann § 65 II 1 (Behinderung in der Straßenbenutzung durch Ausbesserungsarbeiten oder infolge Schneewehen).
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Wenn infolge der Baufälligkeit eines Hauses Baumaterialien zu seiner Instandsetzung beigefahren werden müssen, muß zu diesem Zwecke ein Notweg eingeräumt werden.
Auf der anderen Seite wird der Notweganspruch nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Bedürfnis nach einem Notweg durch eine Veränderung der Kulturart, z. B. durch Aufforstung, in Wegfall oder doch in engere Grenzen gebracht werden könnte36). Dies gilt selbst dann, wenn bisher das Grundstück mit Holz bestanden war und erst als Ackerland urbar gemacht wurde. Wie die Verbindung, so muß auch der öffentliche Weg, zu dem sie führt, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Benutzung genügen 37 ). Deshalb fehlt die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg nicht nur dann, wenn das notleidende Grundstück von der Verbindung mit dem öffentlichen Weg durch zwischenliegende, einer Wegeservitut nicht unterworfene Ländereien absolut ausgeschlossen ist; es kann vielmehr der Notweganspruch auch dann erhoben werden, wenn der vorhandene Zugang eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht ermöglicht38), wenn also z. B. zwar ein Fußweg, nicht aber der erforderliche Fahrweg vorhanden39) ist oder wenn der vorhandene Fahrweg zu schmal oder für schwere Fuhrwerke nicht befahrbar ist40). 36
) Vgl. StriethA 31, 14; Dernburg 286. ) Staudinger R N 28 zu § 917 B G B ; Rüdenberg 20; Zei er, SeuffBl. 78, 99; BraunschwZ 10, 180 (Braunschweig); Wolff, Sachenrecht 164 Anm. 5. A . M. dagegen Endemann in der Festgabe für Gierke 951 ff.; Josef im R 1 1 , 649fr.; Stölzle und O L G Augsburg in BayZ 12, 15 und 25, 169. — Die gegenteilige Meinung beruft sich auf die Entstehungsgeschichte und den Wortlaut des Gesetzes. Die für die ordnungsmäßige Ausnutzung des Grundstücks erforderliche Verbindung mit einem öffentlichen Weg ist nicht schon dann vorhanden, wenn das Grundstück Anschluß an eine als öffentlicher Weg b e z e i c h n e t e Bodenfläche hat, sondern diese Bodenfläche muß auch in der Tat die Eigenschaft eines W e g e s haben. Unter einem Weg versteht man eine Bodenfläche, die bestimmt und g e e i g n e t ist, dem Verkehr zu dienen. Deshalb steht der Wortlaut des Gesetzes der hier vertretenen Auslegung nicht zwingend entgegen. Das gleiche gilt von der Entstehungsgeschichte, wie sie sich aus M 3, 291 (s. unten N. 40) ergibt. Ausschlaggebend ist der Zweck des Gesetzes. Das Gesetz will aus wirtschaftlichen Gründen die ordnungsmäßige Ausnutzung des Grundstücks ermöglichen. Der Gesetzgeber hätte diesen Zweck nicht erreicht, wenn die an sich vorhandene Verbindung mit einem öffentlichen Weg den Notweganspruch auch dann ausschließen würde, wenn dieser Weg unbrauchbar oder doch für das ordnungsmäßige Bedürfnis des Grundstücks ungeeignet ist. Wenn Endemann betont, daß eine übermäßige Belastung des Nachbareigentums nicht zuzulassen sei, so ist darauf zu verweisen, daß ein strenger Maßstab für das Erfordernis eines ordnungsmäßigen Bedürfnisses und eine entsprechende Festsetzung der zu zahlenden Rente dem Richter die Möglichkeit zu einem gerechten Ausgleich bietet. 3?
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39 ) Vgl. oben N. 20 b. ) BayZ 12, 16 (Augsburg). ) M 3, 291 (Mugdan 3, 161); Staudinger R N 28 zu § 917 B G B . Die Verbindung mit einem öffentlichen Feldweg genügt nicht, wenn er bei feuchtem Wetter für schwere Fuhrwerke unbenutzbar ist (A. M. SächsRpflA 20, 209 Dresden). Freilich muß dabei 40
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Die erforderliche Verbindung mit einem öffentlichen Weg ist dann gegeben, wenn der Grundstückseigentümer eine dem Bedürfnis entsprechende Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit 41 ) zu einem dem gemeinen Gebrauch unterstellten Wege hat. Unter Umständen können für die ordnungsmäßige Benutzung zwei Wege notwendig sein 42 ); dies kann namentlich bei einem größeren Komplex zusammengehöriger Grundstücke der Fall sein42»). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob die Verbindung eines Grundstücks mit einem öffentlichen Weg zur ordnungsmäßigen Grundstücksbenutzung „notwendig" ist, ist nicht der Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern der der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz42b). 4. H e r b e i f ü h r e n der N o t l a g e d u r c h w i l l k ü r l i c h e H a n d l u n g e n des G r u n d e i g e n t ü m e r s . Das B G B verlangt von dem Eigentümer des notleidenden Grundstückes nicht den Nachweis, daß die Notlage ohne sein Verschulden eingetreten sei42c), wohl aber gestattet es dem in Anspruch genommenen Nachbarn, die Duldung des Notweges zu verweigern, wenn die bisherige Verbindung des Grundstückes mit dem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wurde (§ 918 Abs. 1 BGB). Beweispflichtig hierfür ist der in Anspruch genommene Nachbar 43 ). Dieser Umstand steht auch dem späteren Erwerber des Grundstücks entgegen, selbst wenn er nicht Gesamtrechtsnachfolger desjenigen ist, welcher die willkürliche Handlung vorgenommen hat44). Der Ausdruck „willkürliche Handlung" ist lediglich in objektivem Sinne auszulegen, er stellt keineswegs einen Fall des Vorsatzes dar 45 ); er ist nicht gleichbedeutend mit schuldhaft46). Willkürlich ist eine Handlung vorausgesetzt werden, daß die ordnungsgemäße Benutzung ein Befahren mit schweren Fuhrwerken auch bei feuchtem Weg erheischt. Vgl. BayZ 12, 16 und 25, 160. 41 ) Dem steht aber nicht ohne weiteres der Fall gleich, daß sich der eingeschlossene Grundstückseigentümer durch Kauf einen Weg erwerben könnte, es sei denn, daß der Ankauf zumutbar wäre. Puchelts Zeitschr. 05, 152 (Zweibrücken). Vgl. auch oben N . 20 b. Ein Wegerecht oder ein schuldrechtl. Anspruch, ein anderes Grundstück als Weg zu benutzen, schließt das Notwegrecht aus; das gilt aber nur für sichere Rechte ( R G J W 25, 475); Westermann § 65 II 1 ; vgl. auch oben N . 20. 42 ) Rüdenberg 87. Vgl. B G H N J W 54, 1 3 2 z ; Reinecke M D R 48, 358; R G J W 42a 25, 474; Warn 14 Nr. 290. ) Vgl. A G Dortmund 41 C 1063/59. 42 ") B G H N J W 65 S. 537 = M D R 65 S. 284. • 42 c ) Staudinger R N 25 zu § 917 B G B . 43 ) Maenner 1 7 2 ; Planck Anm. 1 zu § 918 B G B . Staudinger R N 2 zu § 918 B G B . 44 ) Dernburg 287 Anm. 9; Rüdenberg 3 3 ; Staudinger R N 1 b zu § 918 B G B ; L G Bielefeld M D R 63, 678. Ebenso Glaser-Dröschel Nr. 93b. 45 ) Weyl, Verschuldensbegriffe 450. Vgl. hierzu R G J W 25, 474. 46 ) Rüdenberg 28; Staudinger R N 1 zu § 918 B G B .
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dann, wenn sie eines vernünftigen, von der Rechtsordnung gebilligten Rechtsgrundes entbehrt und somit weder durch die ordnungsgemäße Benutzung noch durch eine zwingende andere Veranlassung gerechtfertigt ist47). Als willkürliche Handlungen können sonach unter Umständen48) in Betracht kommen: der Abbruch einer den Zugang vermittelnden Brücke, die Überbauung der bisherigen Verbindungsfläche49), Verschüttung der bisherigen Verbindung durch Anlage einer Halde50), Verzicht auf eine Wegedienstbarkeit60a). Ordnungswidriges Unterlassen ist dem Handeln gleich zu achten51). Die Zustimmung des Wegebedürftigen zur Verlegung des bisher bestandenen öffentlichen Weges schließt ebenso wie die Unterlassung eines Widerspruchs gegen die beschlossene Verlegung den Notweganspruch dann aus, wenn anzunehmen ist, daß gegen den Widerspruch die Verlegung des öffentlichen Weges nicht erfolgt wäre52). Liegt auf dem vorhandenen Verbindungsweg eine öffentlich-rechtliche Widmungsbeschränkung im 47 ) B G H WM 59 S. 1464. Ebenso Meisner-Ring § 2 5 1 3 . Nach Rüdenberg 33 ist eine Handlung des Eigentümers dann nicht willkürlich, wenn er erstens zu ihrer Vornahmevon der Rechtsordnung oder durch widerrechtliche Drohung oder arglistige Täuschung eines Dritten bestimmt wird oder zweitens er sie kraft öffentlichen oder privaten Rechts vornimmt, insbesondere kraft des Rechts zur (schikanefreien) ordnungsgemäßen Benutzung seines Grundstücks. Alle anderen Handlungen des Eigentümers, durch welche die bisherige Verbindung aufgehoben wird, werden von Rüdenberg als willkürlich erachtet. Wolff, Sachenrecht 165, sprichtim Anschluß an Zitelmann von dem „Vorsatz gegen sich selbst"; es müsse eine „wirtschaftswidrige" Verletzung des eigenen Interesses vorliegen. Ähnlich Westermann § 65 II 3, der Willkür bejaht, wenn der Eigentümer ohne verständige Berücksichtigung der objektiven Beschaffenheit seines Grundstücks gehandelt hat (Abreißen einer Brücke; Aufgabe eines Wegs). Staudinger R N 1 d zu § 918 B G B erachtet alle jene Handlungen für willkürlich, die der Eigentümer nicht kraft eines öffentlichen oder privaten Rechts im Rahmen einer ordnungsmäßigen Benutzung vornimmt; das Hauptgewicht dürfte auch hier auf das Merkmal „ordnungsmäßige Benutzung" zu legen sein. Siehe auch R G JW 25, 474; 21, 252; SeuffA 75 Nr. 160. K G JW 14, 529. Zutreffend L G Frankfurt M D R 69 S. 925: Keine Willkür der Gemeinde, die auf Grund eines Bebauungsplans, den sie planen und durchführen mußte, gezwungen war, die Verbindung eines Grundstücks mit einem öffentlichen Weg aufzuheben. 48 ) Nicht immer; man denke z. B. an die Zerstörung einer Brücke auf Anordnung der Behörde oder auf Drohung des Feindes. Vgl. Rüdenberg 29. Erfolgt die behördliche Anordnung zum Abbruch der Brücke wegen Baufälligkeit, so kann die willkürliche Handlung in der Unterlassung der baulichen Unterhaltung bestehen. 49 ) Dernburg 287 wendet den § 918 Abs. 1 B G B entsprechend an, wenn der Eigentümer sich willkürlich durch Veränderung in der Hauptbestimmung, z. B. durch Errichtung eines Mietshauses auf einem früheren Kornfeld, in die Notlage versetzt hat. Jedenfalls müßte aber hier die Einschränkung gemacht werden, daß der Neubau nicht durch die ordnungsgemäße Benutzung veranlaßt war. Vgl. Staudinger R N 1 d zu § 918 B G B ; siehe dazu oben N. 47. 50 ) J W 21, 252 (Dresden); SeuffA 76 Nr. 160 (Dresden). 5 a ° ) L G Bielefeld M D R 63, 678. 51 ) Rüdenberg 26; Staudinger R N 1 a zu § 918 B G B . Vgl. oben N. 48. 52 ) Vgl. Bolze 8 Nr. 82. Ebenso Glaser-Dröschel Nr. 93 b.
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
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Verkehr mit Kraftfahrzeugen, so muß derjenige, der einen Notweg für sein Kraftfahrzeug fordern will, zunächst versuchen, die Widmungsbeschränkung zum Wegfall zu bringen; dabei muß er alle Rechtsmittel im Verwaltungsrechtsweg ausschöpfen628). Wenn der Notstand nur dadurch herbeigeführt wurde, daß das Grundstück verpachtet wurde und deshalb nach einer ganz anderen Richtung gravitiert, ist § 918 Abs. 1 B G B anzuwenden526). Eine das Notwegrecht ausschließende willkürliche Handlung ist nicht anzunehmen, wenn der Grundschuldgläubiger das mit Hypotheken belastete und für ihn zugangslose Grundstück ersteigert, um damit seine gefährdete und sonst uneinbringliche Forderung hereinzuholen820). Die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Weg ist nur dann aufgehoben, wenn die bisherigen Zugangsverhältnisse in tatsächlicher Beziehung geändert werden. Durch eine Veräußerung des Grundstückes wird eine solche Änderung dann nicht bewirkt, wenn auch für den Erwerber die Möglichkeit bestehen bleibt, die bisherige Verbindung weiter zu benutzen. Es kann sich aber dabei ergeben, daß die für den bisherigen Besitzer ausreichende Verbindung für die ordnungsgemäße Benutzung des neuen Erwerbers deshalb ungenügend ist, weil das erworbene Grundstück nunmehr von einem in ganz anderer Richtung gelegenen Anwesen aus bewirtschaftet werden muß und deshalb die bisherige Verbindung einen wirtschaftlich untragbaren Umweg in sich schließt. Der neue Erwerber kann den Notweg beanspruchen; die Einrede aus § 918 Abs. 1 B G B kann ihm nicht entgegengesetzt werden. Denn wenn auch der Verkauf des Grundstücks als willkürliche Handlung zu erachten ist, so ist durch diese Handlung keineswegs die frühere Verbindung mit dem öffentlichen Weg aufgehoben worden, und das verlangt § 918 Abs. 1 B G B ; es ist dadurch nur bewirkt worden, daß diese völlig unveränderte Verbindung nunmehr für die ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks nicht mehr genügt 83 ). Ob die willkürliche Handlung, durch welche der Notstand geschaffen wurde, vor oder nach dem Inkrafttreten des B G B vorgenommen wurde, ist belanglos, da das Gesetz keinen Unterschied macht64). 52a
) O L G Köln O L G Z 67, 157. Vgl. auch BayVerfGH BBauBl. 61 S. 445. 62c 53 ) V g l . aber oben N 31. ) B G H W M 59 S. 1464. ) J W 1925, 474. ) Nicht um eine rückwirkende Kraft des § 918 B G B handelt es sich, sondern darum, unter welchen Voraussetzungen das geltende Recht den Notweganspruch einräumt. Dagegen meint Höchtle, SeufTBl. 1 1 , 465, der Einwand, daß der Notstand durch eine willkürliche Handlung geschaffen sei, könne dann nicht gebracht werden, wenn die Handlung vor 1900 vorgenommen wurde, weil der § 918 Abs. 1 B G B in gewissem Sinne (1) eine Straf Vorschrift für ziviles Unrecht sei und deshalb keine rückwirkende Kraft haben könne. 52b
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Notweg II. I n h a l t d e s
§ 2 7 il
Notweganspruches88)
Sind die Voraussetzungen gegeben, so hat der Nachbar 5 5 1 ) auf Verlangen des Eigentümers die Benutzung seines Grundstückes 5 5 ") zur Herstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden ( § 9 1 7 A b s . 1 B G B ) . Diese Verpflichtung enthält eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung 5 6 ), kraft welcher der Nachbar einen W e g dulden muß; in bergigem Gelände kann dieser auch oberhalb oder unterhalb des Erdbodens verlaufen 56 »). E s kann auf G r u n d des § 9 1 7 B G B nicht die Duldung einer durch den Luftraum des Nachbargrundstücks geführten Drahtseilbahn zur Bei- oder FortschafFung v o n Material usw. verlangt werden 5 7 ). Unter Umständen kann der Nachbar die Führung einer solchen Drahtseilbahn durch seinen L u f t raum auf Grund des § 905 B G B nicht verbieten 58 ). Dagegen ist es mit Wortlaut und Sinn des § 9 1 7 B G B wohl vereinbar, nicht nur die Benutzung des Nachbargrundstückes für einen eigentlichen W e g , sondern auch die Benutzung zu Geleisen oder zur u n t e r i r d i s c h e n L e g u n g einer Röhrenleitung oder eines Lichtkabels unter § 9 1 7 B G B fallen zu lassen 59 ). D a v o n abgesehen erschöpft sich § 9 1 7 B G B in einem Wegerecht, d. i. in der Befugnis, über die Nachbargrundstücke zu fahren (auch mit K r a f t wagen), zu reiten und zu gehen 6 0 ) oder Fässer zu rollen und Baumstämme zu schleifen 61 ). 55 ) Über grundbuchrechtliche Fragen s. Roettgen in J D R 14 zu § 917 B G B , 279; ferner K G in J F G 3, 530 und § 24 VI. 55a ) Richtet sich der Anspruch gegen den Eigentümer eines öffentlichen Grundstücks (z. B. eines Feuerwehrgrundstücks), so ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (BGH MDR 69 S. 650). 55b ) Hat der Notwegverpflichtete den Zugang von seinem Grundstück zum öffentlichen Weg mit einem Gattertor verschlossen, so muß er dem Notwegberechtigten einen Torschlüssel aushändigen (BGH RdL 68 S. 78). 5e ) Gierke 438; Wolff, Sachenrecht 164; Staudinger RN. 2 zu § 917 B G B ; Planck Bern. 2 a zu § 917 B G B ; Palandt N 1 zu § 917 B G B ; R G 87, 425. Vgl. M 3, 291 (Mugdan 3, 161). Dort werden die Gründe dargelegt, aus denen der Gesetzgeber die Konstruktion einer Enteignung ebenso wie die einer gesetzlichen Obligation abgelehnt hat. Das Notwegrecht und die gesetzliche Notwegrente sind daher nicht eintragungsfähig. Im Grundbuch eingetragen werden können aber der Verzicht auf die Rente wie auch eine vertragliche Vereinbarung über ihre Höhe. Die Notwegrente steht zu anderen Rechten nicht in einem Rangverhältnis (vgl. § 918 Abs. 1 B G B ) ; beim Zusammentreffen mehrerer Notwegrechte ist § 1024 B G B entsprechend anwendbar. Vgl. R G 55, 384; Staudinger R N 8 und 13 zu § 917 B G B ; Meikel-Imhof-Riedel Vorbem. 2off. vor § 13 G B O ; 56a O L G 45, 209. Siehe auch oben § 24 VI. ) R G 157, 309. 57 ) SeuffA 62 Nr. 41 (ObLG) ; BayObLG 7, 234. 58 ) S. oben § 1 II 4 und § 1 N. 53 u. 55. 59 ) Vgl. unten § 27 V u. N. 108. 60 ) RheinArch 100 I 134 (Köln); Staudinger R N 34 zu § 917 B G B . 61 ) Auch hierbei handelt es sich um die Benutzung eines Grundstücks zum Transport von Sachen, und diese Art des Transportes ist (z. B. bei Brauereien) üblich und für die
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Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
III
Der Notweg ist von dem Berechtigten auf seine Kosten anzulegen und zu unterhalten62); er allein hat daher auch im Verhältnis zum Notwegverpflichteten die Streupflicht bei Schnee- und Eisglätte62"). Ob der Verpflichtete den Notweg neben dem Berechtigten oder ob ihn dieser allein benutzen darf, entscheidet sich danach, ob bei der Mitbenutzung durch den Eigentümer die für die ordnungsgemäße Benutzung des herrschenden Grundstücks erforderliche Verbindung entfällt63). i. N u r auf V e r l a n g e n . Die Verpflichtung zur Duldung des Notweges tritt nur auf V e r l a n g e n 6 4 ) des Eigentümers des notleidenden Grundstückes ein. Das Verlangen ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung 6411 ); sie setzt Geschäftsfähigkeit des Verlangenden voraus und wird wirksam, sobald sie dem Gegner zugeht (§ 130 BGB). Das Verlangen kann formlos geschehen. Immer aber ist erforderlich, daß in dieser Erklärung zum Ausdruck gebracht wird, daß der Wegbedürftige die Duldungspflicht als einen Notweganspruch geltend macht. Dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn der Eigentümer des wegebedürftigen Grundstücks sich darauf beschränkt, eine Wegegerechtigkeit zu behaupten und deswegen die Duldung zu verlangen. Dies folgert aus einem Vergleich der Fassung des § 917 B G B mit jener des § 912 B G B : § 912 B G B besagt einfach: „ S o hat der Nachbar den Uberbau zu dulden"; § 917 B G B dagegen bestimmt: „ S o kann der Eigentümer von den Nachbarn v e r l a n g e n , daß sie . . . dulden". Neben dem Antrag auf Feststellung, daß der Weg kraft Dienstbarkeit benutzt werden dürfe, kann der Kläger hilfsweise den Notweg verlangen; in diesem Falle ist das Verlangen, einen Notweg einzuräumen, bedingt durch das Unterliegen mit dem Hauptanspruch65). Aktiv legitimiert zur Stellung des Verlangens wie zur Erhebung des Anspruchs auf Duldung 66 ) ist der Eigentümer des wegebedürftigen GrundWaldnutzung unter Umständen die allein mögliche. Unrichtig daher für das Schleifen von Baumstämmen J D R 8, 388 (Colmar). 62 ) Der Nachbar kann dies der Duldungsklage gegenüber im Wege der Widerklage geltend machen. Soergel, Rechtsprechung 03, 169; R 03, Nr. 2791 (Posen). 62a ) Vgl. hierzu L G Hamburg M D R 57 S. 98. e3 ) Rüdenberg 86; zu weit geht in der Annahme des Mitbenutzungsrechts Süßheim, BIAdmPr. 52, 365. Wenn der Notwegberechtigte und der Eigentümer den Weg gemeinsam benutzen, so tragen sie die Kosten der Unterhaltung nach den Grundsätzen der Gemeinschaft zusammen. Rüdenberg 90. 64 ) Das Verlangen ist Tatbestandsmerkmal, und zwar Voraussetzung der Duldungspflicht (Müller 103; Güthe 1740; Staudinger R N 37 zu § 917 BGB). 64a ) Staudinger R N 37 zu § 917 B G B . 65 ) Ebenso Staudinger R N 39 zu § 917 B G B ; R G 144, 71. Der Notweganspruch kann auch einredeweise gegen die Negatorienklage geltend gemacht werden. Biermann zu § 917 B G B ; vgl. Puchelts Zeitschr. 05, 152 (Zweibrücken). 66 ) Für die Klage ist der dingliche Gerichtsstand des § 24 Z P O begründet, weil es sich um einen Anspruch aus dem Eigentum am notleidenden Grundstück handelt und
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Notweg
§
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II 1 stücks (§ 917 BGB) 6 6 a ). Ein einzelner Miteigentümer ist zum Verlangen und zur Klage auf Einräumung des Notweges nicht legitimiert (trotz § 1 0 1 1 BGB) 6 7 ). Dem Nießbraucher steht der Notweganspruch so wenig zu68) wie dem Besitzer und Pächter69) oder Mieter69»), wohl aber dem Erbbauberechtigten ( § 1 1 Erbbau RVO) und dem Zwangsverwalter 99b ). Die Duldungspflicht trifft die Eigentümer aller jener Grundstücke, welche der Verbindung mit dem öffentlichen Wege entgegenstehen, unter Umständen also auch die mittelbaren Nachbargrundstücke70). Hat ein Grundstück eine Fahrgerechtigkeit über das daranstoßende Grundstück des A , nicht aber über das an lezteres angrenzende Grundstück B , welches an einem öffentlichen Wege liegt, so richtet sich der Anspruch auf Einräumung des Notweges gegen B.
Die mehreren Miteigentümer des belasteten Grundstückes müssen gemeinsam belangt werden 71 ). Das Verlangen zur Duldung ist daher an sämtliche Miteigentümer zu richten. Die Zuziehung der Erbbau- und Dienstbarkeitsberechtigten ist nicht erforderlich 72 ). Gegen nur dinglich sie gegen den Eigentümer des Nachbargrundstücks als solchen zu richten ist. Dernburg 66a 288 A n m . 1 5 . ) V g l . auch oben zu I 1 . 67 ) Turnau-Förster Bern. 1 zu § 9 1 7 B G B , weil der Anspruch auf Einräumung des Notweges von einer Gegenleistung a b h ä n g i g ist. R G K A n m . 5 zu § 917 B G B ; Palandt 3 a zu § 917 B G B ; a. M . Staudinger R N 3 zu § 9 1 7 B G B ; Maenner 1 7 3 ; Biermann Bern. 2 zu § 9 1 7 B G B ; Planck Bern. 2 a.ß; Goldmann-Lilienthal 58; Müller 103. 68 ) Herrschende Meinung. A . M . Rüdenberg 81, der dem Nießbraucher das N o t w e g recht grundsätzlich zuspricht, jedoch mit der weittragenden Einschränkung, daß er die „Bestimmung des N o t w e g e s " nicht vornehmen dürfe. 69 ) Staudinger R N 3 zu § 917 B G B ; Rüdenberg 82; Süßheim, BlAdmPr. 52, 365; J D R 6, 375 (Jena): „ D e r Pächter kann als solcher einen N o t w e g nicht beanspruchen. Indes wird man eine Erweiterung des Notwegrechts zugunsten des Jagdberechtigten nicht schlechthin ausschließen dürfen". V g l . R 20 Nr. 2406; R G 79, 1 1 8 (der Pächter kann einen N o t w e g über andere Grundstücke des Verpächters nur nach Auslegung des Pachtvertrages, nicht nach § 917 B G B beanspruchen); Palandt A n m . 3 a zu § 9 1 7 69a BGB. ) O L G Hamburg M D R 64 S. 325 (Mieter eines Grundstücksteils). 69b ) L G Landau N J W 68 S. 2 0 1 3 . 70 ) Denkschrift 126 (Mugdan 3, 974). Das Verlangen kann sich nur gegen denjenigen richten, dessen Eigentum beschränkt ist, also gegen den Eigentümer, nicht etwa gegen den bloßen Besitzer, Nießbraucher u. dgl. (SeuffA 56 Nr. 1 5 0 ; Staudinger R N 3 zu § 917 B G B ) . 71 ) B G H N J W 62, 633; M D R 62 S. 2 9 1 ; R G K A n m . 6; Staudinger R N 3 zu § 917 B G B ; J W 06, 233 ( R G ) . Die K l a g e ist gegen alle Miteigentümer des Grundstücks zu richten, auch gegen solche, welche die Verpflichtung nicht bestreiten (notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des 2. Tatbestandes des § 62 Z P O ) ; wird die K l a g e nicht gegen alle Bruchteilseigentümer erhoben, so muß sie durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen werden ( B G H N J W 62, 633). A . M . Stein-Jonas-Schönke § 62 Anm. I I I 2 b. Wenn es sich dagegen um die Eigentümer verschiedener in Betracht kommender Grundstücke handelt, ist § 60 Z P O anzuwenden (Kraft, R h e i n Z 2, 341). 72 ) R G K A n m . 6; Oberneck 647 Anm. 3 8; Dernburg 288; A . M . dagegen GoldmannLilienthal 58 Anm. 58. V g l . aber N . 73. 36*
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I. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
Berechtigte oder gegen den bloßen Besit2er ist die Klage nicht zulässig 73 ). 2. R i c h t u n g des N o t w e g e s . Es führen viele Wege nach Rom; welches von den in Betracht kommenden Grundstücken ist im Einzelfall belastet? Die Duldungspflicht liegt kraft Gesetzes allen Nachbarn ob, nicht nur dem Eigentümer desjenigen Grundstücks, welches durch den Weg am wenigsten belästigt wird 74 ). Der Notwegberechtigte hat keinen Anspruch auf einen bestimmten Weg 74a ). Kommen mehrere Grundstücke für den Notweg in Betracht, so kann der Eigentümer nicht wählen, welches Grundstück er benutzen will. Er kann zwar gegen alle klagen, trägt aber die Kosten, wenn das Gericht den Weg nur über einzelne Grundstücke legt 746 ). Es ist nicht erforderlich, daß der Eigentümer des notleidenden Grundstücks gerade die kürzeste Verbindung in Anspruch nimmt75). Der Einwand, daß der Notweg für ein anderes Grundstück weniger lästig wäre, ist daher unzulässig76). Immerhin muß verlangt werden, daß der Wegebedürftige auf die Interessen der Notwegverpflichteten gebührende Rücksicht nimmt76*) und nicht nach reiner Willkür irgendeine Verbindungslinie herausgreift, und daß nur jene Grundstücke mit der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung belastet sind, welche nach den Gelände- und sonstigen örtlichen Verhältnissen n a t u r g e m ä ß für eine Verbindung in Betracht kommen 77 ). Wenn in Frage steht, ob die Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz über eine kultivierte Wiese oder eine Ödung genommen wird, so kann der in Anspruch genommene Wieseneigentümer nicht geltend machen, daß der Weg über die ödung für dessen Eigentümer nicht so lästig sei wie für ihn. Wenn aber der Weg über die ödung nicht wesentlich länger und unbequemer ist, so kann man annehmen, daß die natürliche Verbindung über diese ödung geht und daher die Wiese der gesetzlichen Beschränkung nicht unterworfen ist. ,3 ) SeuffA 56 Nr. 150. —• Wird durch den Notweg ein Erbbaurecht oder eine Dienstbarkeit beeinträchtigt, so ist das Verlangen auf Duldung des Notwegs nicht nur an den Eigentümer, sondern auch an den Berechtigten zu stellen (vgl. § § 917 Abs. 2 S. 2, 916 BGB). '«) Vgl. dagegen SeuffA 16 Nr. 12, 27 Nr. 8. 71a 74 b ) R G 160, 185. ) Westermann § 65 III 2. 75 ) SeuffA 62 Nr. 41 (ObLG);Staudinger R N 35 zu § 917 B G B . 78 ) Dernburg 287; Staudinger R N 35 zu § 917 B G B ; Fischer-Henle Bern. 7. Vgl. dagegen Hesse, Nachbarrecht 549; SeuffA 4 Nr. 204, 16 Nr. 12. 76a ) L G Verden M D R 57 S. 547. " ) Ebenso O L G Nürnberg in R d L 68 S. 78. Vgl. Dernburg 287: „Wohl aber kann sich Beklagter darauf berufen, daß die leichtere Gewährung durch den Nachbarn so offenbar sei, daß die Inanspruchnahme des Beklagten als Schikane erscheine". Ähnlich Rüdenberg 83: Der Berechtigte braucht bei seiner Wahl unter mehreren Nachbarn nur das Schikaneverbot zu beachten. — E r kann nicht gerade immer (vgl. Kraft, RheinZ 2, 341) die kürzeste Verbindung beanspruchen BayObLG 7, 230; Staudinger R N 35 zu § 917 B G B .
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Notweg
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Wenn das eingeschlossene Grundstück eine entsprechende Verbindung über ein als Hausgarten dienendes Grundstück und ein als Ackerland benutztes Grundstück erhalten kann, so läßt sich unter Umständen annehmen, daß mit Rücksicht auf diese Verhältnisse der Hausgarten von der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung nicht betroffen wird. In Feldlagcn kommen als besonders geeignet für den Notweg in erster Linie etwa vorhandene Häupter von Ackergrundstücken in Betracht. Festungsanlagen und der dem Eisenbahnbetrieb dienende Boden kommen für denNotwegansptuch als belastet nicht in Betracht78). Gleiches gilt für Flugplätze und Truppendienstplätze sowie die Bundesfernstraßen, da sie hoheitlichen Zwecken gewidmet sind. 3. W e g f a l l d e r V e r b i n d u n g d u r c h V e r ä u ß e r u n g . Eine Einschränkung erfährt der Kreis der Pflichtigen in den Fällen, in welchen infolge der Veräußerung eines Grundstücksteiles der veräußerte oder zurückbehaltene Teil v o n der Verbindung mit dem öffentlichen W e g e netz abgeschnitten ist. Hier wird ein Anspruch gegen die bisherigen N a c h barn dem Eigentümer des abgeschnittenen Grundstückes nicht gewährt, da durch seinen eigenen Willen die vorhandene Verbindung aufgehoben ist 79 ). Jedoch darf in solchem Falle der Eigentümer, der versäumt hat, sich eine Wegegerechtigkeit bestellen 2u lassen, nicht ohne Schutz bleiben. § 9 1 8 B G B legt deshalb dem Eigentümer desjenigen Teiles, über welchen bisher die Verbindung stattgefunden hat, die Pflicht zur Duldung des N o t weges auf 80 ). A u c h in diesem Falle besteht Entschädigungspflicht 8 1 ). In entsprechender Weise wird für den Fall Vorsorge getroffen, daß durch die Veräußerung eines v o n mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken das veräußerte oder zurückbehaltene Grundstück v o n der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten ist 82 ). E r g i b t sich durch Auslegung des zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber eines Grundstückes geschlossenen Vertrages, daß derjenige v o n beiden, welchem nach der L a g e der Grundstücke ein Anspruch auf einen N o t w e g gegen den andern zustehen würde, hierauf habe verzichten wollen, 78
) Rüdenberg 85. Vgl. Eger, Entsch. 18, 154 (RG). ) § 918 Abs. 2 B G B ist also ein Unterfall und zugleich eine Ausnahme von § 918 Abs. 1 B G B ; vgl. hierzu aber oben § 27 I 3. 80 ) Das bedeutet aber nicht, daß das Notwegrecht sich stets auf den bisher benutzten Weg beschränken müßte, der Notweg also nur so verlangt und gewährt werden könnte, wie der bisherige Eigentümer den Weg nach der öffentlichen Straße tatsächlich genommen hatte. Vielmehr ist vom Richter der nach den allgemeinen Grundsätzen geeignete Notweg zu bestimmen, auch wenn dieser von der Richtung des bisher gewählten Weges abweicht: R G 160, 185. 81 ) Süßheim, BIAdmPr. 52, 357. 82 ) Denkschrift 126 (Mugdan 3, 974). § 918 Abs. 2 B G B bezieht sich nicht nur auf die Verhältnisse unmittelbar nach der Veräußerung des Grundstücksteils; auch die künftigen Eigentümer der beiden Grundstücke sind gebunden. Die Vorschrift ist nicht analog anzuwenden, wenn das Grundstück in mehr als zwei Teile geteilt wird und eine der abgeteilten Parzellen durch alle übrigen von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten wird. Rüdenberg i j o f . 79
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
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so fragt es sich, welche Wirkung ein solcher Verzicht hat. Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs ist eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung des damit belasteten Grundstückes. Die Befreiung von dieser Last kann nur durch Begründung einer Grunddienstbarkeit herbeigeführt werden. Es ist im Wege der Auslegung aus den begleitenden Umständen abzuleiten, ob die Beteiligten durch den stillschweigenden Verzicht und dessen Annahme die Begründung einer solchen Dienstbarkeit herbeiführen wollten. Ist dies der Fall, so kann der Eigentümer des von der Duldungspflicht befreiten Grundstücks die formgültige Bestellung der Grunddienstbarkeit verlangen83). Derjenige, welchem nach der Lage der Grundstücke ein Anspruch auf einen Notweg zustehen würde, kann ungeachtet eines Verzichtes, welcher der dinglichen Wirkung entbehrt, die Duldung des Notweges von dem Sonderrechtsnachfolger desjenigen, demgegenüber der obligatorische Verzicht erklärt wurde, verlangen84). Liegt ein Verzicht mit dinglicher Wirkung vor, so ist der Anspruch auf Einräumung eines Notweges überhaupt verscherzt, auch gegenüber den anderen in Betracht kommenden Nachbarn, weil im Verhältnis zu diesen der Interessent die Notlage durch eine willkürliche Handlung herbeigeführt hat85). Andererseits kann bei einem Vertrag, durch welchen ein Eigentümer einen Teil seines Grundstückes oder eines der ihm gehörigen mehreren aneinandergrenzenden Grundstücke veräußert hat, durch Erforschung des wahren Willens der Parteien das Ergebnis gewonnen werden, daß die Verpflichtung zur Bestellung einer Wegegrunddienstbarkeit für das infolge der Veräußerung vom öffentlichen Wege abgeschnittene Grundstück stillschweigend vereinbart ist 86 ). 4. B e s t i m m u n g d u r c h r i c h t e r l i c h e s Urteil 86 »). Das Recht des Wegebedürftigen kann, wenn sich die Beteiligten nicht über die Art 83 ) Vgl. Prot. 3593 (Mugdan 3, 600); Staudinger R N 39 zu § 1018 B G B . Eine stillschweigende Bestellung einer solchen Grunddienstbarkeit ist nach dem Inkrafttreten der Grundbuchverfassung ausgeschlossen, wohl aber kann stillschweigend eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung begründet werden: R G 65, 363; 67, 4 3 3 ; 68, 128. Siehe auch unten N. 86. 84 ) Vgl. übrigens auch KommProt. 3593 (Mugdan 3, 600); Staudinger R N 3 zu 85 § 918 B G B . ) Vgl. Prot. 3588 u. 3593 (Mugdan 3, 598 u. 600). 86 ) Vgl. M 3, 293 (Mugdan 3, 162). Vgl. B a y O G H 8, 409; 9, 679; J W 1891, 213 Nr. 49; R G 42, 158. Dingliche Wirkung erhält diese Vereinbarung erst nach Eintragung im Grundbuch (Staudinger R N 37 a zu § 917 BGB). Über stillschweigende Servitutenbestellung s. unten § 35 II und für bisheriges Recht § 36 I 4. 86a ) Für die Klage auf Duldung eines Notwegrechts über ein städtisches Grundstück, das dem Feuerwehrdienst gewidmet ist, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, da mit der Klage die Zuerkennung der Benutzung einer öffentlichen Sache angestrebt wird und insoweit der Grundsatz des Vorrangs des öffentlichen Rechts vor dem bürgerlichen Recht zur Geltung kommt ( B G H M D R 69 S. 650).
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seiner Verwirklichung einigen, seinen Inhalt nur dadurch erhalten, daß die Richtung des Notweges und der Umfang 87 ) des Benutzungsrechtes durch Urteil bestimmt wird (§ 917 Abs. 1 BGB). Maßgebender Gesichtspunkt muß sein, daß die Belästigung des duldungspflichtigen Grundstücks möglichst gering gehalten wird und daß andererseits nicht unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht werden. Das richterliche Urteil hat nur deklaratorische, nicht konstitutive Bedeutung88). Denn das Benutzungsrecht selbst und die ihm entsprechende Duldungspflicht sind vom Gesetz geschaffen. Nur die Feststellung des konkreten Inhalts dieses Rechts, wie er von den Parteien behauptet wird, bleibt dem Richter überlassen89). Das Recht selbst besteht aber mit dem Vorliegen seiner gesetzlichen Voraussetzungen und wird nicht erst durch einen Richterspruch begründet. Hieraus ergibt sich die notwendige Folgerung, daß die Ausübung des Notwegerechts durch den Berechtigten schon vor Erlassung des Urteils zulässig ist90). Der Eigentümer des belasteten Grundstückes handelt daher rechtswidrig, wenn er die Benutzung seines Grundstückes für den Notweg verwehrt. Freilich darf der Berechtigte nur jene Richtung des Notweges und jenen Umfang des Benutzungsrechtes beanspruchen, die zur Herstellung der Verbindung erforderlich sind. Ist er bei seinem Verlangen darüber hinausgegangen, so hat er objektiv rechtswidrig gehandelt. Ob dies der Fall war, wird durch das richterliche Urteil im Streitfalle festgestellt. Der Anspruch kann auf jede Weise geltend gemacht werden, nicht nur durch Klage und Widerklage, sondern auch mittels Einrede 91 ). Die Bezeichnung des Wegs nach seiner Richtung gehört aber nicht notwendig zur Substantiierung der Klage 92 ), wohl aber muß, damit die Klage ord87 ) E s darf 2. B. der Weg nur zu bestimmten Jahres- oder Tageszeiten oder zu bestimmten Zwecken verwendet werden. Es ist sehr wohl möglich, daß ein Bedürfnis für Fahrten mit Steinfuhrwerken besteht, während für Fahrten mit Fabrikfuhrwerken ein Bedürfnis in dem oben erwähnten objektiven Sinne (vgl. oben I 3) nicht vorhanden ist. 88 ) Zustimmend BayObLG N F 7, 294; SeuffA 61 Nr. 205 (ObLG); ebenso Süßheim, BIAdmPr. 52, 370; Staudinger R N 40 zu § 917 B G B ; R G K Anm. 1 1 ; Planck Bern. 2 a; Dernburg 288 Anm. 5 A . M. Rüdenberg 107; Endemann 484 Anm. 3 3 ; Cosack 2, 1 5 8 ; Hellwig, Zivilprozeßrecht I, 238; Kraft, RheinZ 2, 342; Wolff 167. 89 ) M 3, 292 (Mugdan 3, 161); Maenner 173. Staudinger R N 40 zu § 917 B G B ; SeuffA 56, 160. 90 ) Zustimmend BayZ 26, 45 (Augsburg); Staudinger R N 44 zu § 917 B G B ; A . M. Rüdenberg 106. 91 ) Zustimmend SeuffA 61 Nr. 205; BayObLG N F 7, 294; Staudinger R N 39 zu § 917 B G B . Erhebt der Nachbar die Negatorienklage, so kann der Eigentümer des eingeschlossenen Grundstücks unter der Darlegung daß die Notwegsvoraussetzungen gegeben sind, die Abweisung des dem Kläger nicht zustehenden Eigentumsanspruchs erwirken. Maenner 1 7 3 ; vgl. oben § 27 II 1 und N. 65. 92 ) Staudinger R N 3 9 zu § 917 B G B ; R G K Anm. 7 ; Planck, Bern. 2 a zu § 917 B G B ; Dernburg 288; Rüdenberg 105 und andererseits 98. Meisner-Ring § 25 N. 82.
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nungsgemäß substantiiert ist, der Umfang des beanspruchten Benutzungsrechts angegeben sein, da die Duldungspflicht nur auf Verlangen eintritt93). Das Anerbieten eines b e s t i m m t e n Betrages für die dem Nachbarn zu gewährende Entschädigung wäre an sich nicht erforderlich94), doch kann der Verpflichtete die Duldung des Notweges solange verweigern, als der Berechtigte mit der Rentenzahlung in Rückstand ist (s. unten III 6). Maßgebend für die Frage, ob die Verbindung eines Grundstücks mit einem öffentlichen Weg zur ordnungsmäßigen Grundstücksbenutzung „notwendig" ist, ist nicht der Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern der der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter94»). Das ergehende Urteil ist gemäß § 325 ZPO auch gegenüber den Rechtsnachfolgern wirksam; es wird nach den §§ 890, 892 Z P O vollstreckt. 5. B e s t i m m u n g der R i c h t u n g . Die Richtung des Notwegs ist durch einen billigen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten zu bestimmen9415). In erster Linie entscheidet das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks. Deshalb kann der Berechtigte nicht gerade die kürzeste Wegrichtung verlangen95), wenn die Richtung besonders beschwerlich für den Eigentümer wäre. Andererseits kann dem Berechtigten nicht ein ganz unverhältnismäßiger Umweg zugemutet werden95"). Führtinfolge w e s e n t l i c h e r V e r ä n d e r u n g der V e r h ä l t n i s s e die Ausübung des Notwegrechts für den Eigentümer des notwegpflichtigen Grundstücks zu einer e r h e b l i c h e n B e e i n t r ä c h t i g u n g , z. B. weil er sonst an der Durchführung eines Bauvorhabens gehindert wäre, so muß ihm in entsprechender Anwendung des § 1023 Abs. 1 S. 1 B G B das Recht zugestanden werden, eine Änderung von Richtung oder Benutzungsart des Notwegs zu verlangen96). Wenn nämlich schon dem Eigentümer eines mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks, die auf dessen freiwilliger Erklärung beruht, ein solcher Anspruch zukommt, um wieviel mehr 93
) Vgl. dagegen Dernburg 288. ) Dernburg 288 Anm. 13. Vgl. OTr. 30, 99. 94 *) B G H N J W 1965 S. 284 = BB 1964 S. 104. 94b ) L G Frankfurt M D R 69 S. 925: Einer Vereinbarung über die Richtung des Notwegs und den Umfang des Benutzungsrechts kommt dingliche Wirkung nur zu, wenn sie in der Form einer Grunddienstbarkeit bestellt wird. 95 ) SeuffA 62 Nr. 41 (ObLG). Vgl. oben II 2. 95a ) Staudinger R N 35 zu § 917 B G B . 96 ) Puchelts Zeitschr. 05, 60 (Köln); Staudinger R N 35 zu § 917 B G B ; Rüdenberg 89. O L G Frankfurt — 5 U 168/63 ~ macht unter Hinweis auf B G H Betr. 64 S. 767 u. W M 59 S. 1461 u. 1464 die zutreffende Einschränkung, daß die entsprechende Anwendung des § 1023 Abs. 1 S. 1 B G B insoweit entfalle, als dort für die Verlegung der Ausübung der Dienstbarkeit vorausgesetzt werde, daß sie auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlegt werden könne. 94
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115 muß er dann dem Notwegverpflichteten zustehen, dessen Belastung kraft Gesetzes besteht. Parallelen hierzu stellen § 12 Abs. 1 S. 2 TelegrWegeG (oben § 15 B), § 7 e Abs. 2 Bad. Württ. N R G (GVB1. 64 S. 151) und § 33 Abs. 1 Hess. N R G •— GVB1. 62, 417 — (unten § 27 V 3 a u. b) dar, da sie den Berechtigten ohne Einschränkung verpflichten, die Telegrafenbzw. Versorgungsleitungen zu ändern oder zu beseitigen, wenn anderenfalls eine wesentliche Beeinträchtigung für den verpflichteten Grundstückseigentümer gegeben wäre. Die durch eine solche Änderung verursachten K o s t e n muß im Falle der Grunddienstbarkeit der Dienstbarkeitsverpflichtete tragen (§ 1023 Abs. 1 S. 2 B G B ) ; in den vorerwähnten anderen Fällen (§ 12 TelegrWegeG., § 7 e Abs. 2 Bad.-Württ. N R G und § 33 Abs. 1 Hess. N R G ) sind sie dem Leitungsberechtigten auferlegt. Die Rechtfertigung für diese unterschiedlichen Lösungen wird man darin sehen können, daß die Grunddienstbarkeit regelmäßig nur gegen entsprechendes Entgelt bewilligt werden und daher der Eigentümer des belasteten Grundstücks für die Belastung voll entschädigt wird, so daß es billig ist, ihm allein die Kosten der späteren, in seinem Interesse geforderten Änderung aufzuerlegen. In den Fällen des § 12 Abs. 1 TelegrWegeG, des § 7e Abs. 2 Bad.Württ. N R G und des § 33 Abs. 1 HessNRG besteht die Duldungsverpflichtung dagegen kraft Gesetzes; auch ist nur ein Anspruch auf Ersatz des tatsächlich zugefügten Schadens gegeben. Unter diesen Umständen erschien es billig, die Kosten der Änderung oder Beseitigung einer Leitung, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung geführt hat, dem Berechtigten aufzuerlegen. Das Notwegrecht besteht gleichfalls kraft Gesetzes; dem Notwegverpflichteten steht aber die Notwegrente zu. Das Notwegrecht nimmt damit eine Zwischenstellung ein. Da aber dem Notwegverpflichteten keine Möglichkeit gegeben ist, die Höhe der Notwegrente nach seinem Ermessen zu vereinbaren, wenn der Berechtigte lediglich auf die §§ 917fr. B G B verweist, wird man den Notwegverpflichteten in aller Regel dem nach § 12 TelegrWegeG, § 7 e Abs. 1 Bad.-Württ. N R G bzw. § 30 Hess. N R G Verpflichteten gleichstellen müssen mit der Folge, daß die Kosten einer später notwendig werdenden Änderung, die z. B. in den Kosten der Beseitigung der Pflasterung und ihrer Neuvornahme bestehen können, regelmäßig den Notwegberechtigten treffen müssen963). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Beteiligten den Notweg nach Umfang und Ausübung sowie die Höhe der dafür zu zahlenden Entschädigung — regelmäßig höher als die gesetzliche Notwegrente — ähnlich einer Grunddienstbarkeit frei vereinbart hätten. Unter solchen ausnahmsweisen Umständen bestünde Anlaß, den § 1025 Abs. 1 S. 2 B G B entsprechend anzuwenden. M
») Ebenso O L G Frankfurt in 5 U 168/63.
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II 6, 7, III 1 Eine Vereinbarung über die Richtung des Notweges und den Umfang des Benutzungsrechtes hat nur dann eine dingliche Wirkung, wenn die Vereinbarung die für die Bestellung einer Grunddienstbarkeit aufgestellten Voraussetzungen erfüllt9615); denn eine Erschwerung oder Erleichterung der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung läuft auf die Bestellung einer Grunddienstbarkeit für das gesetzlich berechtigte bzw. gesetzlich belastete Grundstück hinaus. Zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit ist Eintragung im Grundbuch erforderlich. 6. E r l ö s c h e n des N o t w e g r e c h t s . Der Notweganspruch erlischt, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen in Wegfall kommen97). Das ist z. B. der Fall, wenn durch eine Flurbereinigung ein öffentlicher Weg an das berechtigte Grundstück gelegt wird oder wenn das Bedürfnis ganz oder teilweise wegfällt; z. B. der für die Ausbeutung eines Steinbruches notwendige Fahrweg wird überflüssig, weil der Steinbruch erschöpft ist. Der Anspruch auf Duldung des Notweges ist nach § 924 B G B der Verjährung entzogen. 7. E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e . Der Notwegberechtigte hat gegen jeden Störer in der Ausübung des Notwegs die Eigentumsfreiheitsklage des § 1004 B G B ; denn ihm steht der Notweg an dem fremden Grundstück auf Grund des Eigentums an seinem eigenen Grundstück zu 97a ). III. E n t s c h ä d i g u n g des G r u n d e i g e n t ü m e r s Wie im Falle des Überbaues steht der Verpflichtung zur Duldung des Notweges ein Anspruch auf Entschädigung durch eine Rente gegenüber. Hinsichtlich dieses Anspruches finden die für den Uberbau geltenden Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 B G B entsprechende Anwendung (§ 917 Abs. 2 BGB 98 ). 1. R e n t e n r e c h t und R e n t e n p f l i c h t . Das Rentenrecht ist Eigentumsinhalt des duldungspflichtigen, die Rentenpflicht Eigentumsinhalt des anderen Grundstückes. Die Rente wird behandelt wie eine gesetzliche, allen anderen Lasten, auch den älteren, vorgehende Belastung (§ 914 Abs. 1 BGB 99 ). Bei der Zwangsversteigerung bleibt diese Last auch dann bestehen, 96b
) Staudinger R N 57a zu § 917 B G B . " ) Maenner 1 7 5 ; Staudinger R N 15 zu § 917 B G B . Der Beseitigung des Mangels steht es gleich, wenn der Eigentümer die Beseitigung des Mangels absichtlich hindert. Süßheim, BIAdmPr. 52, 356. 97a ) Westermann (§65 III 2) und Staudinger R N 44 zu § 917 B G B wollen § 1029 B G B entsprechend anwenden, da der Notwegberechtigte in der Regel Besitz oder Mitbesitz am Notweg habe. Ebenso Karding ArchCivPr. 99, 425. Abw. Planck j a zu § 917 B G B . '*) Vgl. oben § 24 III. Auf die entsprechende Darstellung wird Bezug genommen. " ) Deshalb kann das kraft Gesetzes entstandene Recht auf die Rente und die durch ein Urteil festgesetzte Höhe der Rente im Grundbuch nicht eingetragen werden; nur der
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wenn sie bei der Feststellung des geringsten Gebotes nicht berücksichtigt wurde (§ 52 Abs. 2 ZwVG). 2. G l ä u b i g e r d e r R e n t e . Der Anspruch auf die Rente tritt ipso iure ein und steht demjenigen zu, dessen Rechte durch den Notweg beeinträchtigt werden, d. i. der jeweilige Eigentümer des Grundstückes, über welches der Notweg führt ( § 9 1 3 BGB). Entsprechende Rechte räumt §916 B G B demjenigen ein, dessen Erbbaurecht oder Dienstbarkeit durch den Notweg beeinträchtigt wird. Weitere Realberechtigte kommen nicht in Betracht, da für diese, insbesondere für die Pfandgläubiger, die durch den Notweg herbeigeführte Beeinträchtigung durch die mit der Duldungspflicht verbundene Rente ausgeglichen wird (§§ 96,1126,1192,1200 BGB). Das Rentenrecht selbst kann nicht von dem Eigentum an dem belasteten Grundstücke getrennt werden (§ 914 Abs. 3 mit § 1 1 1 0 BGB). Dies steht jedoch einer Abtretung oder Pfändung des Anspruchs auf die e i n z e l n e Rente nicht entgegen. Der Miteigentümer kann die Ansprüche aus dem Rentenrecht in Ansehung der ganzen Sache geltend machen, aber auf Befriedigung nur in Gemäßheit des § 432 B G B . Wird das Grundstück, über welches der Notweg führt, geteilt, so ist nur der Eigentümer jenes Teiles rentenberechtigt, auf welchem sich der Notweg befindet (§ 1109 Abs. 3 BGB). 3. S c h u l d n e r der R e n t e . Schuldner der Rente ist der Eigentümer" 11 ) des Grundstücks, welchem der Notweg dient. Der Eigentümer haftet für die während der Dauer seines Eigentums fälligen Leistungen auch persönlich (§ 914 Abs. 3 mit § 1108 BGB). Der Besitznachfolger haftet für die Rückstände des Vorbesitzers dinglich (§ 914 Abs. 3 mit §§ 1 1 0 7 , 1 1 1 3 ff". BGB). Wird das Grundstück, welchem der Notweg dient, geteilt, so haften für die Rente die Eigentümer der einzelnen Teile als Gesamtschuldner (§ 914 Abs. 3 mit § 1108 BGB). 4. H ö h e der R e n t e . Für die Höhe der Rente ist maßgebend der Zeitpunkt, in welchem der Wegebedürftige den Notweg in rechtmäßiger Weise in Anspruch nimmt 100 ); denn die Duldungspflicht tritt nur ein auf Verzicht auf die Rente und die vertragsmäßige Festsetzung der Rente werden eingetragen. Vgl. Meikel-Imhoff-Riedel, Vorbem. 20 ff. vor § 13 G B O . 99a ) Der Grundstückseigentümer bleibt in jedem Falle der Schuldner der Notwegrente, auch wenn das Grundstück verpachtet ist und zuvor eine Unterlassungsklage gegen den Pächter mit der Begründung abgewiesen worden ist, der Nachbar müsse die Benutzung seiner Parzelle als Notweg dulden ( B G H N J W 63, 1917 = BB 63, 995). 100) p r o t (Mugdan 3, 601); Staudinger R N 9 zu § 917 B G B ; Planck Bern. 2 b a zu § 917 B G B und Rüdenberg 1 1 7 betrachten als maßgebend den Zeitpunkt der Bestimmung des Notweges. Nicht maßgebend ist der Eintritt der Zugangsnot, wie M 3, 291 annehmen. Prot. 3599 (Mugdan 3, 601) betrachten als maßgebend den Zeitpunkt, in welchem der Wegebedürftige den Notweg in Anspruch nimmt; das ist nur für den Fall
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Verlangen des Berechtigten. § 9 1 7 A b s . 2 B G B bestimmt, daß die für den Überbau geltende Vorschrift des § 9 1 2 A b s . 2 Satz 2 B G B entsprechend anzuwenden ist. Dort ist geregelt, daß für die Höhe der Rente die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend ist. Dies muß dahin führen, daß hier der maßgebende Zeitpunkt jener ist, in welchem der N o t w e g in rechtmäßiger Weise in Anspruch genommen wird, da es in beiden Fällen auf den Zeitpunkt ankommt, in welchem der Nachteil aus der dem Nachbarn auferlegten Duldungspflicht entsteht 101 ). Ist das Grundstück schon tatsächlich benutzt worden, bevor eine Anerkennung des Notwegrechts verlangt wurde, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in welchem der N o t w e g erstmals als solcher, d. i. als Recht, beansprucht wurde. Beweispflichtig für diesen Zeitpunkt ist derjenige, der ihn als weiter zurückliegend behauptet. Eine spätere Veränderung der Umstände, insbesondere ein Steigen oder Sinken des Grundwertes, hat deshalb auf die Höhe der Rente keinen E i n fluß1011). Wohl aber kann bei einer Steigerung oder Minderung des W e g e bedürfnisses Erhöhung oder Herabsetzung der Jahresrente verlangt werden 1 0 2 ). Für die Festsetzung der Rentenhöhe ist die Größe des durch den N o t w e g für die Benutzung des Grundstückes herbeigeführten Schadens maßgebend 1 0 3 ). Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein mit einem Wegerecht
zutreffend, daß der in Anspruch genommene Weg auch der rechtlich zustehende ist. Vgl. JW 16, 404; BayZ 16, 92, R G (der Lauf der Notwegerente beginnt zugleich mit der Duldungspflicht, nicht erst mit der tatsächlichen Benutzung des Notwegs); ebenso Palandt 4 zu § 917 BGB. Wenn aber der Verpflichtete die Benutzung des Notwegs verhindert hat, kann er natürlich solange auch die Rente nicht beanspruchen. 101 ) So auch Turnau-Förster Bern. 2 zu § 917 B G B ; Maenner 713. 101 *) L G Köln MDR 60, 50. 102 ) Maenner 173; Planck und Biermann zu § 917 BGB. 103 ) Ebenso O L G Nürnberg RdL 68 S. 78. A G Wiehl in H G B R Rspr. 1959 Nr. 50 hat in einem Falle einer in i m Tiefe verlegten Wasserleitung mangels einer festzustellenden Beeinträchtigung des Notwegverpflichteten den Anspruch auf Zahlung einer Notwegrente abgewiesen. Dieses Ergebnis erscheint nicht gerechtfertigt, weil eine im fremden Grundstück verlegte Leitung per se einen Fremdkörper und eine Beeinträchtigung darstellt; man braucht nur an den jederzeit möglichen Fall eines Rohrbruchs zu denken. Süßheim, BIAdmPr. 52, 360 will daneben auch den Vorteil des Berechtigten in Betracht ziehen. Dem ist nicht beizutreten. Vgl. Staudinger R N 7 zu § 917 B G B ; R G Warn. 1914 Nr. 290; K G JW 14, 529; L G Mosbach MDR 60, 1013 bewertet ebenfalls nicht nur Art und Umfang der Beeinträchtigung des Verpflichteten, sondern zugleich das Interesse des Notwegberechtigten. So will es bei starkem Lastwagenverkehr auf dem Notweg durch den beeinträchtigenden Nachbarbetrieb die Rente auf etwa */10 des Grundstückswerts der als Notweg benutzten Grundfläche festsetzen. Renken in BlnGrundE 1964 S. 299 schlägt als Faustregel ganz allgemein ebenfalls x/io des Wertes der benutzten Grundstücksfläche als Jahresrente vor. Siehe auch L G Verden MDR 57, 547.
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III 5, 6 belastetes Grundstück erfahrungsgemäß in seinem Verkehrswert erheblich gemindert ist 103a ). Die Höhe des Entschädigungsanspruchs ist bei dem Vorhandensein mehrerer Berechtigter nach Maßgabe der jedem einzelnen widerfahrenden Beeinträchtigung selbständig festzusetzen. Die mehreren Rentenberechtigten (916 B G B ) werden in Ansehung der Höhe des Entschädigungsanspruches weder durch die von anderer Seite abgeschlossenen Rechtsgeschäfte noch durch die unter anderen Personen ergehenden Urteile gebunden und können für die künftige Duldung die Festsetzung eines angemessenen Betrages verlangen 104 ). Den Beteiligten steht es selbstverständlich frei, sich über die Höhe der Rente zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung erzeugt, wenn formlos abgeschlossen, eine nur obligatorische Wirkung zwischen den Beteiligten. Dasselbe gilt von einer Vereinbarung über einen Erlaß der Rente. Dagegen ist zu einer vertragsmäßigen Feststellung der Rentenhöhe mit dinglicher Wirkung die Eintragung im Grundbuch erforderlich. Eine Vereinbarung über die Höhe oder den Erlaß der Rente mit dinglicher Wirkung kann nur mit Zustimmung der an den beteiligtenGrundstücken dinglich Berechtigten geschlossen werden 105 ) (§§ 876, 877 BGB). 5. V e r f a l l z e i t der Rente. Die Rente verfällt jährlich (§ 913 BGB). Das Jahr ist von dem Zeitpunkt an zu rechnen, in welchem das Verlangen auf Duldung des Notweges gestellt wurde. Die Rente ist im voraus zu entrichten ( § 9 1 3 BGB). Verzugszinsen können nicht beansprucht werden (§ 914 Abs. 3 mit §§ 1107, 289 BGB). Ansprüche auf Rückstände verjähren in vier Jahren (§ 197 BGB) vom Schluß des Kalenderjahres ab, in welchem der Anspruch fällig geworden ist (§201 BGB). Das Rentenrecht erlischt, sobald die Voraussetzungen für die Duldung des Notweges in Wegfall gekommen sind. Die Rente wird, abgesehen von dem Fall einer vertragsmäßigen Feststellung, nicht in das Grundbuch eingetragen ( § 9 1 4 Abs. 2 BGB). Das Rentenrecht selbst ist der Verjährung entzogen, weil der Rentenanspruch stets neu entsteht, solange die Duldungspflicht besteht. 6. G e g e n s e i t i g e s L e i s t u n g s v e r w e i g e r u n g s r e c h t . Notwegrecht und Entschädigungspflicht beruhen auf „demselben rechtlichen Verhältnis" im Sinne des § 273 B G B . Es kann also der Notwegberechtigte die Zahlung verweigern, wenn der Nachbar die Ausübung des Notwegrechts hindert 106 ); in gleicher Weise kann aber der Eigentümer die Duldung des Notwegs 10:la
104 ) M 3, 286 (Mugdan 3, 158). ) B G H B B 64, 104. ) Prot. 3557 (Mugdan 3, 590). Nachträgliche Änderung der dinglich festgestellten Rente nach § 323 Z P O ist unzulässig, sofern nicht eine Änderung im Notwege selbst eingetreten ist. Süßheim, BIAdmPr. 52, 361t. 106 ) Ebenso Glaser-Dröschel Nr. 97c; Rüdenberg 1 1 8 ; R G 158, 14. 105
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iv, y 1,2
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verweigern, wenn der Berechtigte mit der Rentenzahlung im Rückstand ist 107 ). IV. K e i n A n s p r u c h auf K a p i t a l a b f i n d u n g Der Eigentümer des mit dem Notweg belasteten Grundstückes hat keinen Anspruch darauf, daß er gegen Abtretung der zum Notweg benutzten Fläche eine Kapitalabfindung erhält; denn im § 917 Abs. 2 B G B ist auf § 915 B G B nicht verwiesen. Ebensowenig hat der Rentenpflichtige Anspruch darauf, daß der Rentenberechtigte sein Rentenbezugsrecht durch eine Kapitalabfindung beseitigen läßt. V. L e i t u n g s n o t w e g 1. Einen Leitungsnotweg für o b e r i r d i s c h e T e l e g r a f e n - und F e r n s p r e c h l e i t u n g e n regelt § 12 TelWegeGes. vom 18.12.1899 (RGBl. I S. 705). Diese Vorschrift verpflichtet den Grundeigentümer, das Ziehen von Telegrafen- und Fernsprechleitungen durch den Luftraum seines Grundstücks zu dulden, sofern nicht dadurch die Nutzung des Grundstücks nach den zur Zeit der Herstellung der Anlage bestehenden Verhältnissen wesentlich beeinträchtigt wird. Im einzelnen vgl. hierzu oben § 15 B. Zu erwähnen ist hier ferner § 9 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 1 1 in Verbindung mit § 42 Bundesbau Ges. vom 23. 6. i960 (BGBl. I S. 341), denn dort ist bestimmt, daß der Bebauungsplan auch die Führung o b e r i r d i s c h e r V e r s o r g u n g s a n l a g e n und V e r s o r g u n g s l e i t u n g e n festzusetzen hat. 2. Nach übereinstimmender Auffassung von Rechtsprechung und Rechtslehre 108 ) sind die §§ 917, 918 B G B e n t s p r e c h e n d a n w e n d b a r auf den Fall, daß einem Grundstück die notwendige V e r b i n d u n g zu dem u n t e r i r d i s c h e n ö f f e n t l i c h e n Kanalnetz 1 0 8 "), d. h. zu den Versorgungs(Gas-, Wasser-, Licht-) und Abwasserleitungen fehlt. Diese Ansicht wird 107 ) A . M. Staudinger R N 9 zu § 917 B G B ; Rüdenberg 118, da sich aus dem Verhältnis ein anderes — § 273 B G B — mit Rücksicht darauf ergebe, daß der Rentenberechtigte durch die Verdinglichung und durch den Vorrang seines Rentenanspruchs Sicherheit genug habe. Das trifft wohl für die Duldung des Uberbaus zu, die einen körperlichen Zustand voraussetzt, mit dessen Beseitigung die Duldungspflicht endgültig, nicht bloß vorübergehend, aufgehoben wäre; für die Notwegduldung besteht diese Besonderheit nicht und es verbleibt deshalb bei der Regel des § 273 B G B . Vgl. Dernburg 288 Anm. 1 3 : „ Z u r Klage auf Einräumung des Notwegs ist das Anerbieten eines bestimmten Betrags der Entschädigung nicht erforderlich", hierzu vgl. oben II 4 und N . 94. 108 ) B G H L M 3 zu § 917 B G B , W M 59 S. 1461 und N J W 64 S. 1321 = M D R 64 S. 583; R G 157 S. 309; Palandt Anm. 3 d zu § 917 B G B ; Staudinger R N 34 zu § 917 B G B ; Rüdenberg 1 4 ; L Z 14, 1768 (RG); J W 32, 1069 (Köln); SeuffA 79 Nr. 33 (Hamm); Westermann § 65 II 1 ; Planck 2 zu § 917 B G B ; Meisner-Ring § 25 II. los») Zuleitungen zu Öltanks gehören nicht hierher, da es sich hier nicht um den Anschluß an das Versorgungsnetz handelt. Vgl. auch Pelka S. 71 und ferner unten V 3 a.
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zutreffend damit begründet, daß heutzutage die Bebauung eines Grundstücks fast ausnahmslos den Anschluß an das Gas-, Wasser- und Elektrizitätsnetz und geg. Falles an eine Fernheizung sowie an die Entwässerungsleitung erforderlich macht. 3. Da aber die entsprechende Anwendung der §§917, 918 B G B auf die Verbindung zu unterirdischen Leitungen (vorst. Ziffer 2) im B G B nicht geregelt, sondern nur von Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelt ist und dazu noch eine Reihe von Streitfragen möglich erscheinen läßt, sind einige Länder dazu übergegangen, die genannten Fälle ausdrücklich zu regeln: a) Baden-Württemberg hat in seinem Bad.-Württ. N R G (GVB1. 59 S. 171) in der Fassung des § 1 1 4 Landesbauordnung vom 6. 4. 1964 (GVB1. S. 151) folgende Regelung getroffen: § 7e (1) Wenn der Anschluß eines Grundstücks an eine Versorgungsleitung, eine Abwasserleitung oder einen Vorfluter ohne Benutzung eines fremden Grundstücks nicht oder nur unter erheblichen besonderen Aufwendungen oder nur in technisch unvollkommener Weise möglich ist, so hat der Eigentümer des fremden Grundstücks die Benutzung seines Grundstücks insoweit, als es zur Herstellung und Unterhaltung des Anschlusses notwendig ist, zu dulden und entgegenstehende Nutzungsarten zu unterlassen. Überbaute Teile oder solche Teile des fremden Grundstücks, deren Bebauung nach den baurechtlichen Vorschriften zulässig ist, dürfen für den Anschluß nicht in Anspruch genommen werden. Sind auf den fremden Grundstücken Versorgungs- oder Abwasserleitungen bereits vorhanden, so kann der Eigentümer gegen Erstattung der anteilmäßigen Herstellungskosten den Anschluß an diese Leitungen verlangen, wenn dies technisch möglich und zweckmäßig ist. (2) Ergeben sich nach Verlegung der Leitung unzumutbare Beeinträchtigungen, so kann der Eigentümer des fremden Grundstücks verlangen, daß der Eigentümer des begünstigten Grundstücks auf seine Kosten Vorkehrungen trifft, die solche Beeinträchtigungen beseitigen. (3) Der Eigentümer des begünstigten Grundstücks hat dem Eigentümer des fremden Grundstücks den durch eine Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 oder durch Beschränkungen der Nutzung oder durch den Betrieb der Leitung entstandenen Schaden zu ersetzen. Auf Verlangen des Berechtigten ist vor Beginn der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 eine Sicherheit in Höhe des voraussichtlich entstehenden Schadens zu leisten. (4) Der Eigentümer eines beanspruchten Grundstücks kann gegen Erstattung der Mehrkosten eine solche Herstellung der Leitung verlangen, daß sein Grundstück ebenfalls angeschlossen werden kann. (5) Die Kosten für die Unterhaltung gemeinsamer Leitungen nach Abs. 1 Satz 3 und Absatz 4 sind von den beteiligten Eigentümern gemeinsam zu tragen.
b) Hessen hat in sein Hess. N R G (GVB1. 62 S. 417) folgende Vorschriften aufgenommen 109 ). loa) Y g i hierzu Hodes, Hess.Nachbarrecht S. 124 fr.
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§ 27 V 3
II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums Duldung von Leitungen
§ 3° Leitungen in Privatgrundstücken (1) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks müssen dulden, daß durch ihr Grundstück der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks auf ihre Kosten Versorgungs- und Abwasserleitungen hindurchführen, wenn 1. der Anschluß an das Versorgungs- und Entwässerungsnetz anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann und 2. die damit verbundene Beeinträchtigung nicht erheblich ist. (2) Ist das betroffene Grundstück an das Versorgungs- und Entwässerungsnetz bereits angeschlossen und reichen die vorhandenen Leitungen aus, um die Versorgung oder Entwässerung der beiden Grundstücke durchzuführen, so beschränkt sich die Verpflichtung nach Abs. 1 auf das Dulden des Anschlusses. Im Falle des Anschlusses ist zu den Herstellungskosten des Teils der Leitungen, der nach dem Anschluß mitbenutzt werden soll, ein angemessener Beitrag und auf Verlangen Sicherheit in Höhe des voraussichtlichen Beitrages zu leisten. In solchem Falle darf der Anschluß erst nach Leistung der Sicherheit vorgenommen werden. (3) Bestehen mehrere Möglichkeiten der Durchführung, so ist die für das betroffene Grundstück schonendste zu wählen. § 3i Unterhaltung (1) Der Berechtigte hat die nach § 50 Abs. 1 verlegten Leitungen oder die nach § 30 Abs. 2 hergestellten Anschlußleitungen auf seine Kosten zu unterhalten. Zu den Unterhaltungskosten der Teile der Leitungen, die von ihm mitbenutzt werden, hat er einen angemessenen Beitrag zu leisten. (2) Zur Durchführung von Maßnahmen im Sinne des Abs. 1 Satz 1 darf der Berechtigte das betroffene Grundstück betreten. § 32 Schadensersatz und Anzeigepflicht Für die Verpflichtungen zum Schadensersatz und zur Anzeige gelten die §§ 23 bis 25 entsprechend. § 33 Nachträgliche Beeinträchtigung (1) Führen die nach § 30 Abs. 1 verlegten Leitungen oder die nach § 30 Abs. 2 hergestellten Anschlußleitungen nachträglich zu einer erheblichen Beeinträchtigung, so können der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks von dem Berechtigten verlangen, daß er seine Leitungen beseitigt und die Beseitigung der Teile der Leitungen, die gemeinschaftlich genutzt werden, duldet. Dieses Recht entfällt, wenn der Berechtigte die Beeinträchtigung so herabmindert, daß sie nicht mehr erheblich ist. (2) Schaden, der durch die Maßnahmen nach Abs. 1 auf dem betroffenen Grundstück entsteht, ist zu ersetzen. § 34 Anschlußrecht des Duldungspflichtigen (1) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks, das gemäß § 30 Abs. 1 in Anspruch genommen ist, sind berechtigt, ihrerseits an die verlegten
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Hammerschlagsrecht, Schaufelschlagsrecht, Anwenderecht usw.
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Leitungen anzuschließen, wenn diese ausreichen, um die Versorgung oder Entwässerung der beiden Grundstücke durchzuführen. § ; o Abs. 2 Satz 2 und § 51 Abs. 1 gelten entsprechend. (2) Soll ein auf dem betroffenen Grundstück errichtetes oder noch zu erstellendes Gebäude an die Leitungen angeschlossen werden, die der Eigentümer oder die Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks nach § 30 Abs. 1 durch das Grundstück hindurchführen wollen, so können der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks verlangen, daß die Leitungen in einer ihrem Vorhaben Rechnung tragenden und technisch vertretbaren Weise verlegt werden. Die durch dieses Verlangen entstehenden Mehrkosten sind zu erstatten. In Höhe der voraussichtlich erwachsenden Mehrkosten ist auf Verlangen binnen zwei Wochen Vorschuß zu leisten; der Anspruch nach Satz 1 erlischt, wenn der Vorschuß nicht fristgerecht geleistet wird. § 35 Leitungen in öffentlichen Straßen Die §§ 30 bis 34 gelten nicht für die Verlegung von Leitungen in öffentlichen Straßen und in öffentlichen Grünflächen.
c) Niedersachsen Das Nds. N R G (GVB1. 67 S. 91 ff.) enthält keine Vorschrift über die Duldung von Leitungen. Dagegen normiert § 125 des Nds. WasserGes. (GVB1. i960 S. 105) in der Fassung vom 14. 12. 1962 (GVB1. S. 286) in beschränktem Umfang ein Recht auf das Durchleiten von Wasser und Abwasser durch ein fremdes Grundstück. Diese Vorschrift lautet 110 ):
§ 125 Nds.WasserG. Zur Entwässerung oder Bewässerung von Grundstücken, zur Wasserversorgung, zur Behandlung von Abwasser und zum Betrieb einer Teichwirtschaft oder einer Stauund Triebwerksanlage kann der Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 124 von den Eigentümern der betroffenen Grundstücke und Gewässer verlangen, daß sie das ober- und unterirdische Durchleiten von Wasser und Abwasser in geschlossenen wasserdichten Leitungen und die Unterhaltung der Leitungen gegen Entschädigung dulden. (Dieses Durchleitungsrecht besteht nach § 124 Nds.WasserG nur, wenn das Unternehmen anders nicht zweckmäßiger oder nur mit erheblichen Mehrkosten durchgeführt werden kann und der hierdurch zu erwartende Nutzen den Schaden der Betroffenen erheblich übersteigt sowie keine wasserwirtschaftlichen Nachteile zu erwarten sind. Das Durchleitungsrecht, das gemäß § 129 Nds.WasserG durch die zuständige Behörde „festzustellen" ist, besteht nicht gegenüber Gebäuden, Hofräumen, Betriebsgrundstücken, Gärten, Parkanlagen und Friedhöfen; allerdings kann aus Gründen des Gemeinwohls das unterirdische Durchleiten von Wasser und Abwasser zugelassen werden.)
§ 28. Hammerschlagsrecht, Schaufelschlagsrecht, Anwenderecht, Schwengel- und Trepprecht, Grundstücksbenutzungsrecht des Waldbesitzers Wer zur Duldung des Notwegs gehalten ist, muß leiden, daß der Nachbar sein Grundstück begeht, um von seinem eigenen Grund und Boden auf den öffentlichen Weg zu gelangen. Neben dieser bundesrechtlich geregelten Eigentumsbeschränkung bestehen vereinzelt noch andere Beuo
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) Vgl. Hoof-Djuren S. i2off.
Me isner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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schränkungen, die ebenfalls einen Grundeigentümer zu dulden verpflichten» daß der Nachbar sein Grundstück vorübergehend betrete und benutze» um dadurch seinem eignen Grundstück zu nützen. Das Ausschließungsrecht des Eigentümers ist zugunsten des Nachbarn gehemmt und sein Eigentumsausnützungsrecht dem Nachbarn in bestimmten Punkten zuerteilt. I. H a m m e r s c h l a g s - und L e i t e r r e c h t Dem nachbarlichen Grenzrecht gehören das Hammerschlags- und Leiter recht an. Unter Hammerschlags- und Leiterrecht wird teilweise Verschiedenes 1 ) verstanden. Nach der einen Ansicht 1 ») bedeutet es die Befugnis, zur Reparatur des eigenen Hauses das Nachbargrundstück betreten und dort ein Gerüst aufstellen zu dürfen. Nach anderer Ansicht 11 ) gewährt das Hammerschlagsrecht die Befugnis, das Nachbargrundstück zwecks Ausbesserung einer Mauer oder einer Planke betreten und in seinem Luftraum notwendige Arbeiten vornehmen zu dürfen, während auf Grund des Leiterrechts auch zur Errichtung eines Baues auf dem Nachbargrundstück ein Gerüst aufgeschlagen werden darf. Nach einer dritten Meinung 10 ) gewähren Hammerschlags- und Leiterrecht die Befugnis, sowohl zum Bau wie zur Reparatur eines Gebäudes, einer Scheidung oder eines Grabens das Nachbargrundstück betreten und erforderliche Gerüste aufstellen zu dürfen. Übereinstimmung besteht, daß jenes Recht nicht die Befugnis umfaßt, etwaige Hindernisse, die seiner Ausübung entgegenstehen, z. B. eine Hecke, zu beseitigen oder zu verlangen, daß der zur Ausübung erforderliche Platz auf dem Nachbargrundstück nicht verbaut wird. Der Entwurf des Bundesbaugesetzes (BTgDr. Nr. 336 — 3. Wahlperiode —) sah in § 173 des 8. Teils, der die Uberschrift „Bauliches Nachbarrecht" trug, eine bundeseinheitliche Normierung des Hammerschlags- und Leiterrechts vor 2 ); diese Regelung ist aber nicht Gesetz geworden.
Inzwischen hat die Rechtsprechung in den Gebieten, die eine landesrechtliche Normierung des Hammerschlags- und Leiterrechts nicht kennen, es unternommen, eine solche Verpflichtung aus dem Institut des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses2») zu begründen. So hat das LG Duisburg 2 ") den Nachbarn schlechthin für verpflichtet erklärt, auf *) Nach einigen Autoren sind Hammerschlags- und Leiterrecht identisch. (Baruch, la Das Hammerschlagsrecht. Gießener Diss. 1910 S. 2). ) Stobbe, PrivR II S. 99 lb lc ) Schellhaas, PrivR 12 ) v. Roth-Becher, BayPrivR II 1 S. 1 1 . 2 ) Vgl. die Begründung hierzu in BTDr. Nr. 336 — 3. Wahlperiode — S. 1 1 0 sowie die kritischen Ausführungen von Hodes J R 60 S. 48. 2a ) Glaser-Dröschel Nr. 100. Zum Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses vgl. unten § 38 I 1 c. 2h ) M D R 58, 514. Vgl. auch L G Düsseldorf N J W 53, 1394; A G Michelstadt M D R 64, 845 (vgl. hierzu unten § 38 N . 1 1 c ) ; L G Aachen N J W 66, 204; A M . O L G Hamm O L G E 12, 221.
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seinem Grundstück die Aufstellung eines Gerüstes zu dulden, wenn ohne dieses die geplanten Verputzarbeiten nicht durchgeführt werden können, selbst wenn zwischen den beiden Grundstückseigentümern Differenzen persönlicher oder sachlicher Art bestehen. Das L G Bonn 2 c ) hat die Einschränkung gemacht, daß wichtige Interessen des Nachbarn auf dem Spiel stehen müssen; es hat daher in seinem Falle die Duldungspflicht verneint, weil der Verputz von einem Dritten hergestellt werden sollte, der alsdann eine Reklame anbringen wollte; für den Kläger sei „das Haus auch ohne Putz in gleichem Maße wertvoll wie mit Putz". Ferner hat das L G Hannover 211 ) den Mieter eines Teils eines Grundstücks für verpflichtet erklärt, dem Grundstückseigentümer einen 2 m breiten Streifen zur Verfügung zu stellen, damit dieser zwecks Errichtung eines Baues auf dem nicht vermieteten Grundstücksteil Baumaterialien anliefern könne. Weiter hat das L G Berlin 2e ) dem Grundstückseigentümer, der seine Garage entlang der Grenze errichtet hatte und nun baupolizeilich zum Verputzen angehalten wurde, unter Hinweis auf Treu und Glauben das Recht zugesprochen, diese Arbeiten vom Nachbargrundstück aus vorzunehmen. Schließlich hat das O L G Hamm 2 ') den Leitsatz aufgestellt, der Grundstückseigentümer müsse nach Treu und Glauben seinem Nachbarn das Betreten seines Grundstücks für Verputzarbeiten an Garage und Grenzmauer gestatten, wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergebe, daß ihm eine unerhebliche Beschränkung seines Eigentums wegen der anzuerkennenden Interessen des Nachbarn zuzumuten sei; dies gelte nicht, wenn sich der Nachbar „nachbarunfreundlich" verhalten habe. Diese Entscheidungen geben sicher einem gewissen Bedürfnis 2 «) nach, andererseits zeigen sie aber unverkennbar die Tendenz zu einer Ausweitung, die mit dem Ausnahmecharakter der Grundsätze von Treu und Glauben im Gebiet des Sachenrechts, wie er auch dem Begriff des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses" 3 ) innewohnt, nicht mehr vereinbar erscheint. Die Unsicherheit der Rechtslage wird sich nur durch entsprechende landesrechtliche Normierungen beheben lassen. In keinem der drei großen Rechtsgebiete haben sich Hammerschlags- und Leiterrecht zu einer gemeinrechtlichen Bedeutung durchsetzen können. Im Gebiet des G e m e i n e n R e c h t s wurde zwar vereinzelt in der Praxis die allgemeine Geltung des Hammerschlagsund Leiterrechts behauptet4), doch sind beide Institute von der herrschenden Meinung 2c
2d ) M D R 62, 306. ) M D R 62, 480. 2I ) J R 63, 343; M D R 64, 147. ) N J W 66 S. 599. 2«) Wegen des Falles, daß ein unverhältnismäßig großer Schaden droht, vgl. zur Frage der Anwendbarkeit des § 904 B G B oder des § 826 B G B Kürzel in HbgGrundE 1957, 34 und N H G 1957, 1 1 6 sowie oben § 14 II 2 N. 16. 3 ) Vgl. hierzu auch unten zu § 38 I 1 c. 4 ) O L G Darmstadt im Archiv f. praktische Rechtswissenschaft. N F Bd. 12 S. 187. Best, Hess. PrivR 6 1 ; Schellhaas 12. 2e
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nicht als gemeinrechtlich anerkannt worden4*). Dagegen kann im Herzogtum Schleswig trotz einigen Schwankens der Praxis von einer Aufnahme des Hammerschlagsrechts gesprochen werden 4 "). Ob im Gebiet des ehemaligen Herzogtums Berg (Rheinprovinz) von einer Gemeingültigkeit des Hammerschlagsrechts gesprochen werden kann, erscheint trotz der Aufnahme in den Provinzialrechtsentwurf zweifelhaft5). Das A L R gewährt im § 15 5 I 8, der durch Art. 89 Nr. 1 b PrAG B G B aufrechterhalten worden ist, dem Grundeigentümer, der eine die Grenzscheide bildende Planke zu unterhalten hat, das Recht, das Nachbargrundstück zu notwendigen Bau- und Ausbesserungsarbeiten an der Planke zu betreten. Ob dieser Fall einer Eigentumsbeschränkung zugunsten nachbarlicher Grenzarbeiten als singulare Rechtsvorschrift oder als Ausfluß eines vom Gesetz allgemein anerkannten Hammerschlagsrechts anzusehen ist, war lange streitig. Während man früher der letzteren Ansicht zuneigte6), hat das Obertribunal die einschränkende Auslegung durchgesetzt'), so daß von einer allgemeinen Geltung des Hammerschlags- und Leiterrechts im Landrechtsgebiet nicht die Rede sein kann. Das Obertribunal half mit der Gewährung einer notwendigen Servitut gemäß § 3 I 22 ALR 8 ), d. h. es verpflichtete den Eigentümer, dem Nachbarn das Betreten des Grundstücks zu Bauarbeiten usw. als Dienstbarkeit zu gestatten, wenn ohne Einräumung solcher Dienstbarkeit das Nachbargrundstück „ganz oder zum Teil völlig unbrauchbar sein würde". Ähnlich könnte nach B G B unter Umständen ein Betreten des Nachbargrundstücks nach § 904 B G B gerechtfertigt sein9). Der C o d e c i v i l hat ein Hammerschlags- und Leiterrecht nicht aufgenommen, wiewohl es sich in einzelnen coutumes als droit de tour d'échelle gefunden hatte10). Weitere partikularrechtliche Erscheinungsformen des Hammerschlagsrechts sind im ehemaligen Preußen nicht nachweisbar10"). 4a ) Hesse 5 5 3 f r . ; Stobbe-Lehmann 2, § 101 Nr. 15; Dernburg SR 297 Nr. 8 u. Preuß. PrivR, 3. Aufl., I S. 5 3 6 Nr. 5; Förster-Eccius, PreußPrivR 3, S. 184 Anm. 62; O T r E 60, 27; R G 1, 7 5 3 . Baruch 5ff. Vgl. auch Emminghaus 485 Nr. 9. 4b ) HolstAnz. 1845, 258; SeufïA 5, 128; Ipsen, HolstAnz. 1857, 82; R G i. HolstAnz. 1880, 1 1 0 ; Kaehler 276t. Abweichend dagegen SchlHA 1865, 192. 6 ) § 28 des Entwurfs sieht ein Hammerschlags- und Leiterrecht gegen Entschädigung vor, in der Kritik des Entwurfs wurde jedoch die Richtigkeit dieser Norm angezweifelt. (Erörterung der bei der Beratung des Entwurfs usw. angeregten Bedenken S. 18). 6 ) Heydemann, Einleitung I 448 a; Koch, Bern. 63 zu § 155 und im SchlesArch. 4, 195ff.; O L G Ratibor ebenda. ') OTr. 60, 24ff.; Foerster-Eccius 3, 183 Nr. 2; Dernburg, 3. Aufl., I 536 Nr. 5. 8 9 ) OTr. 51, 223. StriethA 97, 24. ) Vgl. § 14 N. 16; § 38 a II 2 d u. III. 10 ) Zachariae-Crome I, 544 N. 8. Sirey, Ree. général 1889, 377. (Kassationshof). Fuzier-Hermann Rép. gén. 19, 477fr. Nr. 4 u. Nr. n . 10a ) Baruch S. 1 1 , 19 u. 20 benennt noch folgende Stellen als Quellen eines Hammerschlagsrechts: a) Kurtriersches Landrecht Tit. 22 § 5 (v. d. Nahmer II 680). Hier handelt es sich aber nach dem ganzen Zusammenhang (der bei Baruch nicht wiedergegeben ist) um das aus einer Mauergemeinschaft fließende Recht, die gemeinschaftliche Mauer zu Ausbesserungsarbeiten auf dem eigenen Grundstück zu benutzen. Das ist kein Fall von Benutzung fremden Gutes, b) Frankfurter Reformation Teil V I I I Tit. 1 § 13. Hier liegt ein offenbares Mißverständnis vor, denn in diesem, wie in dem vor- und nachstehenden Paragraphen handelte es sich um die Pflicht des Nachbarn, demjenigen, der eine neue Brandmauer oder Scheidewand herstellen wollte oder mußte, in gewissen Fällen vom eigenen Grundstück 2 Fuß als Bauland zur Verfügung zu stellen. Ein offensichtlich anderer Tatbestand! Vgl. Adlerflycht, Frankf. PrR II § 151.
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Es gelten folgende landesrechtliche Normen: 1. Baden-Württemberg Seit i. i. 1965 gilt § 7 c N R G , der durch § 1 1 4 Bad.-Württ.LBO vom 6. 4. 64 (GesBl. 1 7 1 ) unter Aufhebung des Art. 45 a Württ.BauO vom 27. 6. 35 (RegBl. 181) in das Bad.Württ.NRG eingefügt worden ist: § 7C
Hammerschlags- und Leiterrecht (1) Kann eine nach den baurechtlichen Vorschriften zulässige bauliche Anlage nicht oder nur mit erheblichen besonderen Aufwendungen errichtet, geändert, unterhalten oder abgebrochen werden, ohne daß das Nachbargrundstück betreten wird oder dort Gerüste oder Geräte aufgestellt werden oder auf das Nachbargrundstück übergreifen, so haben der Eigentümer und der Besitzer des Nachbargrundstücks die Benutzung insoweit zu dulden, als sie zu diesen Zwecken notwendig ist. (2) Die Absicht, das Nachbargrundstück zu benutzen, muß dem Eigentümer und dem Besitzer zwei Wochen vor Beginn der Benutzung angezeigt werden. Ist der im Grundbuch Eingetragene nicht Eigentümer, so genügt die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer, es sei denn, daß der Anzeigende den wirklichen Eigentümer kennt. Die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer genügt auch, wenn der Aufenthalt des Eigentümers kurzfristig nicht zu ermitteln ist. (3) Der Eigentümer des begünstigten Grundstücks hat dem Eigentümer des Nachbargrundstücks den durch Maßnahmen nach Absatz 1 entstandenen Schaden zu ersetzen. Auf Verlangen des Berechtigten ist vor Beginn der Benutzung eine Sicherheit in Höhe des voraussichtlich entstehenden Schadens zu leisten. 2. Hamburg Nach § 36 Abs. 5 Hamburger BauPolVO vom 8. 6. 1938 sind die Grundeigentümer gegen Ersatz des ihnen etwa entstehenden Schadens nach näherer Anordnung der Baupolizeibehörde verpflichtet, das Betreten ihrer Grundstücke, soweit dies zur Errichtung, Änderung oder Unterhaltung von Grenzbauten auf den Nachbargrundstücken notwendig ist, und das Aufstellen der erforderlichen Gerüste zu dulden. Hessen Das Hess. N R G vom 24. 9. 1962 (GVB1. 417) vereinheitlichte die Rechtslage im Land Hessen 11 ) folgendermaßen: Hammerschlags- und Leiterrecht § 28 Inhalt und Umfang (1) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks müssen dulden, daß ihr Grundstück von dem Eigentümer und den Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks zwecks Errichtung, Veränderung, Unterhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage betreten wird und daß auf oder über ihm Gerüste aufgestellt sowie die zu den Bauarbeiten erforderlichen Gegenstände über das Grundstück gebracht oder dort niedergelegt werden, wenn und soweit 1 . das Vorhaben anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann, 2. die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und 3. das Vorhaben den baurechtlichen Vorschriften entspricht. n
) Vgl. Hodes, Hess.Nachbarrecht S. n 6 f f .
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14,5 (2) Das Recht ist mit tunlichster Schonung auszuüben. Wird das betroffene Grundstück landwirtschaftlich oder gewerbemäßig gärtnerisch genutzt, so darf das Recht nicht zur Unzeit geltend gemacht werden, wenn sich die Arbeiten unschwer auf einen späteren Zeitpunkt verlegen lassen. (3) Abs. 1 findet auf die Eigentümer öffentlicher Straßen keine Anwendung. § 29 Abstand von der Grenze Für die Verpflichtungen zum Schadensersatz und zur Anzeige gelten die §§ 23 bis 25 entsprechend. 4. Niedersachsen Für das Land Niedersachsen 11 ") hat das Niedersächs.NRG vom 31. 3. 67 folgende Regelung geschaffen: Hammerschlags- und Leiterrecht § 47 Inhalt und Umfang (1) Der Eigentümer eines Grundstücks und die Nutzungsberechtigten müssen dulden, daß das Grundstück zur Vorbereitung und Durchführung von Bau- oder Instandsetzungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück vorübergehend betreten und benutzt wird, wenn die Arbeiten anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten ausgeführt werden können. Diese Pflicht besteht gegenüber jedem, der nach eigenem Ermessen, insbesondere als Bauherr auf dem Nachbargrundstück solche Arbeiten ausführen läßt oder selbst ausführt. Die Pflicht besteht nicht, wenn dem Verpflichteten unverhältnismäßig große Nachteile entstehen würden. (2) Das Recht ist so schonend wie möglich auszuüben; es darf nicht zur Unzeit geltend gemacht werden, wenn sich die Arbeiten unschwer auf später verlegen lassen. (3) Auf die Eigentümer öffentlicher Straßen sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden; für sie gilt das öffentliche Straßenrecht. (4) Für Anzeigepflicht und Schadensersatz gelten die §§ 14, 42 und 44 entsprechend. §48 Nutzungsentschädigung (1) Wer ein Grundstück länger als zehn Tage gemäß § 47 benutzt, hat für die ganze Zeit der Benutzung eine Nutzungsentschädigung zu zahlen; diese ist so hoch wie die ortsübliche Miete für einen dem benutzten Grundstücksteil vergleichbaren gewerblichen Lagerplatz. (2) Nutzungsentschädigung kann nicht verlangt werden, soweit nach § 47 Abs. 4 in Verbindung mit § 14 Ersatz für entgangene anderweitige Nutzung geleistet wird. 5. Nordrhein-Westfalen Das N R W . N R G (GV 69 S. 190) enthält nachstehende Regelung: Hammerschlags- und Leiterrecht § 24 Inhalt und Umfang (1) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten müssen dulden, daß ihr Grundstück einschließlich der baulichen Anlagen zum Zwecke von Bau- oder Instandsetzungslla ) Der bisher für Braunschweig zuständige § 80 Braunschw.BauO ist durch § 65 Abs. 1 Nr. 2 Nieders.NRG aufgehoben worden. Im übrigen vgl. hierzu Hoof-Djuren S. i i 3 f f . u. Lehmann S. 167fr.
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1 6 , II arbeiten auf dem Nachbargrundstück vorübergehend betreten und benutzt wird, wenn und soweit 1. die Arbeiten anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden können, 2. die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen, }. ausreichende Vorkehrungen zur Minderung der Nachteile und Belästigungen getroffen werden und 4. das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht. (2) Das Recht ist so schonend wie möglich auszuüben. Es darf nicht zur Unzeit geltend gemacht werden. (5) Für die Anzeige und die Verpflichtung zum Schadensersatz gelten die §§ 16 und 17 entsprechend. (4) Absatz 1 findet auf die Eigentümer öffentlicher Verkehrsflächen keine Anwendung. § 25 Nutzungsentschädigung (1) Wer ein Grundstück länger als einen Monat gemäß § 24 benutzt, hat für die darüber hinausgehende Zeit der Benutzung eine Entschädigung in Höhe der ortsüblichen Miete für einen dem benutzten Grundstücksteil vergleichbaren Lagerplatz zu zahlen. Die Entschädigung ist nach Ablauf je eines Monats fällig. (2) Die Entschädigung kann nicht verlangt werden, soweit Ersatz für entgangene anderweitige Nutzung gefordert wird. 6. Saarland Das Saarland hat eine Regelung in § 75 der LBauO für das Saarland vom 12. 5. 1965 (ABl.Saar S. 529fr.) getroffen: Diese lautet: §75 (1) Kann eine nach den baurechtlichen Vorschriften zulässige bauliche Anlage nicht oder nur mit erheblichen besonderen Aufwendungen errichtet, geändert, unterhalten oder abgebrochen werden, ohne daß das Nachbargrundstück betreten wird oder dort Gerüste oder Geräte aufgestellt werden oder auf das Nachbargrundstück übergreifen, so hat der Eigentümer und der Besitzer des Nachbargrundstücks die Benutzung insoweit zu dulden, als es zu diesen Zwecken notwendig ist. (2) Die Absicht, das Nachbargrundstück zu benutzen, muß dem Eigentümer und dem Besitzer 2 Wochen'vor Beginn der Benutzung schriftlich angezeigt werden. Ist der im Grundbuch Eingetragene nicht Eigentümer, so genügt die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer, es sei denn, daß der Anzeigende den wirklichen Eigentümer kennt. Die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer genügt auch, wenn der Aufenthalt des Eigentümers kurzfristig nicht zu ermitteln ist. (3) Der Eigentümer des begünstigten Grundstücks hat dem Eigentümer des Nachbargrundstücks den durch Maßnahmen nach Abs. 1 entstehenden Schaden zu ersetzen. Auf Verlangen des Berechtigten ist vor Beginn der Benutzung eine Sicherheit in Höhe des voraussichtlich entstehenden Schadens zu leisten.
II. S c h a u f e l s c h l a g s r e c h t Das Schaufelschlagsrecht gibt dem Eigentümer einer Wasserleitung (Mühlgraben, Polierwerk usw.) das Recht, diese zu reinigen und dabei den Schlamm und Sand usw. auf das angrenzende Grundstück zu werfen.
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
III Es ist scharf zu scheiden, ob das Recht ausgeübt wird von dem Eigentümer des Grabens oder von dem, der das Dienstbarkeitsrecht hat, durch fremden Graben eine Wasserleitung zu führen. Letzterenfalls gehört das Recht auf Auswurf des Grabenschlamms als „adminiculum servitutis" zur Ausübung des Dienstbarkeitsrechts 12 ), nur im ersteren Fall liegt für den Nachbarn des Grabens eine Eigentumsbeschränkung vor 13 ). Das Institut kann als gemeinrechtlich nicht angesehen werden, wenn es auch im Gebiet des gemeinen Sachsenrechts als vorkommend erwähnt wird 14 ). III. A n w e n d e r e c h t u n d S c h w e n g e l r e c h t Grenzen zwei Äcker unmittelbar aneinander, so bringt es das Durcheggen oder -pflügen des Ackers bis zur Grenze mit sich, daß der Pflug (die Egge) oder auch das Gespann (Ackerpferd) den Nachbaracker betreten und zur Rückkehr auf das eigne Grundstück dort umdrehen muß. Das Recht, den Pflug (die Egge) auf das Nachbargrundstück zu leiten und dort zu wenden, ist der Inhalt des Anwende-(Pflug-, Kehr-)rechts, das für den Eigentümer des Nachbarackers eine entsprechende Eigentumsbeschränkung mit sich bringt. Das Recht, an der Grenze eines Ackers so zu pflügen, daß das Ackerpferd das Nachbargrundstück betritt, heißt Schwengelrecht14a). Dabei ist zu beachten, daß hier nur die Rede ist von der Anwende auf dem im Alleineigentum des Nachbarn stehenden Grundstück. Häufig werden Grenzraine zur Anwende freigelassen, die im gemeinschaftlichen Eigentum der Nachbarn stehen oder doch als Grenzeinrichtungen1411) zu betrachten sind. Das Anwende- oder Schwengelrecht ist dann nur Ausfluß des Gemeinschaftsrechts und keine Eigentumsbeschränkung 15 ). Das Anwenderecht ist nur spärlich bezeugt.16) Außer im Gebiet des alten Bistums Fulda 16a ) war es noch in neuerer Zeit für das nassauische Gebiet anerkannt17), vor allem aber im Eichsfeld. E s konnten dort eigens für die Pflugkehren Grundstücksstreifen freigehalten werden, sogenannte Anwenden 18 ); fehlten diese, so durfte die Wende auf dem dem Nachbarn gehörenden Grenzrain in der observanzmäßigen Zeit (nicht während der 12
) Hesse 558; SeuffA 6, 173fr.; 17, I4ff., 29, 344. ) SeuffA 2, 188. 14 ) Hesse a. a. O. 14a ) Vgl. Baier B1GBW 1953 S. 309. 14b ) Vgl. oben § 7. 15 ) Emminghaus 196 Nr. 24; ebenso Glaser-Dröschel Nr. 104. 16 ) So das Pflugrecht des § 1 1 8 I 8 A L R , aufgehoben durch P r A G Art. 89. 16a ) Thomas, System aller Fuldischer Privatrechte I 259. Vgl. aber unten III 1. 17 ) Bertram § 284 S. 87; NassArch. 5, n 6 f . Das Recht ist keine Servitut, sondern wird ausdrücklich als Eigentumsbeschränkung bezeichnet und konnte daher nicht ins Stockbuch eingetragen werden. Vgl. aber unten III 1. 18 ) Revidierter Entwurf des Provinzialrechts für das Fürstentum Eichsfeld 186. 13
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Hammerschlagsrecht, Schaufelschlagsrecht, Anwenderecht usw.
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Bestellung) ausgeführt werden 19 ); grenzten die Äcker ohne Rain aneinander, so lag das Anwenderecht auf dem Nachbargrundstück selbst20). Das Schwengelrecht galt in Kurhessen für Grundstücke in der freien Feldmark als öffentlichrechtliche Servitut 21 ). Gewohnheitsrechtlich hat es sich entwickelt im Gebiet der ehemaligen Fürstentümer Waldeck und Pyrmont22), in den südöstlichen Teilen des ehemaligen Landes Lippe 22 ") und in den südlichen Teilen der früheren Provinz Hannover223') sowie im Gebiet des L G Lüneburg23). In diesen Fällen mußte seine Existenz stets nachgewiesen werden. Gemeinrechtliche Geltung haben das Anwende- und Schwengelrecht nicht erlangt; das Pflugrecht nach § 118 I 8 A L R ist durch Art. 89 PrAG aufgehoben. Anwende- und Schwengelrecht dürfen nicht durch die Errichtung von Einfriedigungen auf der Grenze oder in unmittelbarer Nähe davon behindert werden. D e m Anwende- und dem Schwengelrecht kommt aus dem Grunde keine erhebliche Bedeutung mehr zu, weil solche Rechte heute vielfach im Rahmen der Flurbereinigung geschaffen werden, indem unter der Bezeichnung „Besondere Festsetzungen" Bestimmungen der A r t aufgenommen werden, daß in der freien Feldmark die Einfriedungen an Äckern, Wiesen und an bis zu 5 m breiten Wegen nur in einer Entfernung v o n mindestens 0,5 m von der Grenze des Nachbargrundstücks errichtet werden dürfen. 1. Hessen hat unter Aufhebung der partikularrechtlichen Vorschriften in § 16 des Hess. N R G vom 24. 9. 1962 (GVB1. S. 417) folgende Regelung getroffen 24 ): § 16 Abstand von der Grenze (1) Die Einfriedung muß von der Grenze eines Grundstücks, das außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt und nicht in einem Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen ist, 0,5 m zurückbleiben, auch wenn ein Verlangen nach § 14 Abs. 1 nicht gestellt worden ist. Dies gilt nicht gegenüber Grundstücken, für die nach Lage, Beschaffenheit oder Größe eine Bearbeitung mit Gespann oder Schlepper nicht in Betracht kommt. (2) Der Anspruch auf Beseitigung einer Einfriedung, die einen geringeren als den nach Abs. 1 vorgeschriebenen Abstand einhält, ist ausgeschlossen, 19
) Entwurf § 145. Vgl. S. i86f. ) Entwurf § 146. ) L G Hanau in RdL 57, 39 unter Hinweis auf Art. V I § 8 Kurhess. Grebenordnung vom 6. 1 1 . 1739 (Sammig. Kurhess. Landesordnungen 2 S. 651), wo das Schwengelrecht als tatsächlich bestehendes Recht erwähnt ist. Ebenso L G Lüneburg RdL 61, 162. Vgl. aber jetzt unten III 1 (§ 16 I Hess.NRG) und III 2 (§ 31 II Nds.NRG). 22 ) Lange S. 80; Tasche in „Heimatland Lippe" 1967 S. 181 ff. Im Verhältnis zweier dem gleichen Grundstückseigentümer gehörender Grundstücke erscheint die gewohnheitsrechtliche Entwicklung eines Schwengelrechts auch dann ausgeschlossen, wenn diese — z. B. der Gemeinde gehörende — Grundstücke dauernd an verschiedene Personen verpachtet waren und sind. 22a ) Tasche a. a. O.; L G Osnabrück RdL 53, 336; L G Lüneburg NdsRpfl. 61 S. 149. 23 ) L G Lüneburg in RdL 61, 162. 24 ) Vgl. hierzu Hodes, Hess. Nachbarrecht, S. 8 9 f r . 20 21
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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
III 2, IV 1 . wenn die Einfriedung bei Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhanden ist und ihr Abstand dem bisherigen Recht entspricht oder 2. wenn der Nachbar nicht binnen zwei Jahren nach der Errichtung Klage auf Beseitigung erhoben hat; diese Frist beginnt frühestens mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. (3) Wird eine Einfriedung, die einen geringeren als den nach Abs. 1 vorgeschriebenen Abstand einhält, durch eine andere ersetzt, so gilt Abs. 1. 2. Niedersachsen hat in § 31 seines N R G vom 31. 3. 67 (GVB1. S. 91 ff,) das Schwengelrecht auf 0,60 m bemessen. Die Vorschrift lautet: §5i Abstand von der Grenze (1) Die Einfriedung eines Grundstücks muß von der Grenze eines landwirtschaftlich genutzten Nachbargrundstücks auf Verlangen des Nachbarn 0,6 m zurückbleiben, wenn beide Grundstücke außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen und nicht in einem Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen sind. Der Geländestreifen vor der Einfriedung kann bei der Bewirtschaftung des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks betreten und befahren werden. (2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 erlischt, wenn eines der beiden Grundstücke Teil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles wird oder in einem Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen wird. 3. Nordrhein-Westfalen hat in § 36 Abs. 2 seines N R G (GVB1. 69 S. 190) folgende Regelung getroffen: (2) Die Einfriedigung muß von der Grenze eines Grundstücks, das außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt und nicht in einem Bebauungsplan als Bauland festgesetzt ist, 0,50 m zurückbleiben, auch wenn ein Verlangen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 oder § 3 5 nicht gestellt worden ist. Dies gilt nicht gegenüber Grundstücken, a) die in gleicher Weise wie das einzufriedigende bewirtschaftet werden oder b) für die nach Lage, Beschaffenheit oder Größe eine Bearbeitung mit landwirtschaftlichem Gerät nicht in Betracht kommt. (Abs. 3 bis 6 des § 36 vgl. oben zu § 9 I 3d).
IV. T r e p p r e c h t Das WürttNachbarrecht kennt das sogenannte Trepprecht. Hierunter versteht man das Recht, beim Pflügen und Eggen mit dem Spannvieh auf dem Grundstück des Nachbarn umwenden zu dürfen (Art. 234 Württ.A G — RegBl. 31, 545 —) 25 ); der Pflug darf im Gegensatz zum Anwenderecht auf dem Nachbargrundstück nicht angesetzt werden (Art. 240 AG). Das Trepprecht25a) kann — ebenso wie das unständige Überfahrtsrecht über ein landwirtschaftliches Grundstück, d. h. das Recht, im Frühjahr zur Bestellung und im Herbst zur Ernte über das landwirtschaftliche Grundstück eines anderen Grundeigentümers, auch mit einer Zugmaschine 266 ), 25 ) Diese Vorschrift ist von dem Bad.-Württ. N R G (Bad.-Württ. GVB1. 59, 171) unberührt geblieben: vgl. § 37 daselbst. Das Trepprecht darf nicht mit einer Zugmaschine ausgeübt werden, da bei Ergehen der Vorschrift bereits mit Zugmaschinen in der Landwirtschaft gearbeitet worden ist, Art. 234 aber nur das Wenden mit Spannvieh zuläßt. Ebenso Pelka S. 133 und 25 b Glaser-Dröschel Nr. 105. ) Pelka S. 147.
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zu fahren — als Grunddienstbarkeit nur mit Zustimmung des Oberamts (Landrats) rechtswirksam bestellt werden; letzterer darf die Zustimmung nur in besonders dringenden Fällen und erst nach Anhörung des Kulturbauamts und nach Einholung der Zustimmung des Gemeinderats erteilen (Art. 235 Abs. 2 AG). Gegenseitige Trepprechte können jederzeit entschädigungslos aufgehoben werden; einseitige Trepprechte sind jederzeit gegen Entschädigung ablösbar (Art. 239 AG). Bei der Ausübung unständiger Überfahrtsrechte und von Trepprechten auf landwirtschaftlichen Grundstücken sind die belasteten Grundstücke tunlichst zu schonen (Art. 235 Abs. 1 AG). Auch das Trepprecht darf nicht durch die Errichtung von Einfriedigungen auf der Grenze oder in unmittelbarer Nähe davon behindert werden. V . G r u n d s t ü c k s b e n u t z u n g s r e c h t des W a l d b e s i t z e r s In H e s s e n ist dem Waldbesitzer durch § 14 HessForstGes. vom 10. 1 1 . 1954 (GVB1. 2 1 1 ff.) das Recht zugestanden, fremde Grundstücke zu benutzen, falls sonst die forstliche Bewirtschaftung einer Waldfläche, insbesondere die Holzfällung und die Abfuhr von Walderzeugnissen, nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Nachteil möglich wäre. Der Waldbesitzer ist zum Ersatz des dadurch entstehenden Schadens verpflichtet. Bei Streit über Art und Umfang der Duldungspflicht oder über die Höhe des Schadensersatzes entscheidet die obere Forstbehörde, gegen deren Entscheidung die Klage beim ordentlichen Gericht zugelassen ist. § 29. Eigentumsbeschränkungen auf Grund örtlichen Gewohnheitsrechts Neben dem Gesetzesrecht ist auf dem Gebiet des Landesrechts 1 ) Gewohnheitsrecht in verhältnismäßig großer Ausdehnung in Geltung geblieben. I. E h e m a l i g e s P r e u ß e n Das A L R beseitigte freilich das gemeine Landesgewohnheitsrecht; seine Versuche, auch das örtliche Gewohnheitsrecht auf die Fälle zu beschränken, in denen das Gesetz selbst darauf Bezug nahm, es im übrigen aber in die Provinzialkodifikation zu verweisen, scheiterte daran, daß nur das ost- und westpreußische Provinzialrecht fertiggestellt wurde. Für diese beiden Provinzen verblieb es denn auch dabei, daß außerhalb des Provinzialgesetzbuchs örtliches Gewohnheitsrecht nur da beachtet werden konnte, wo das Provinzialrecht eine Lücke ließ oder darauf verwies 2 ). Für die Provinzen ohne Provinzialgesetz hat die Rechtslehre und Recht1 ) Reichs-(Bundes-)gewohnheitsrecht kann sich selbstverständlich ebenfalls bilden. Ein wichtiger Anwendungsfall für das Nachbarrecht ist die Schadenersatzpflicht bei 2 Gefährdungshaftung (vgl. unten § 45 D III). ) O V G 8, 355.
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II 1, 2, III sprechung auf Grund der §§ 7 u. 4 Einl. A L R und Art VII Publ. Pat. folgende Grundsätze aufgestellt: 1. Gewohnheitsrecht g e g e n das Gesetz ist in Geltung, a) wo es bei Inkrafttreten des A L R bestand3), b) wo das Gesetz auf örtliches Gewohnheitsrechtausdrücklich verweist4). 2. Gewohnheitsrecht neben dem Gesetz kann sich auch neu unbeschränkt bilden5). Solche Rechtsbildung neben dem Gesetz greift Platz, nur wo eine Lücke im Gesetz offensteht6) oder wenn die Gesetzesbestimmung dispositives Recht enthält7). II. R h e i n . R e c h t s g e b i e t Für das rheinische Rechtsgebiet ist durch die napoleonische Gesetzgebung die Aufrechterhaltung bereits bestehender sowie die Neubildung gewohnheitsrechtlicher Vorschriften nur insoweit gestattet, 1. als das Gesetz selbst darauf verweist8). Dies ist im Code civil gerade bei einzelnen nachbarrechtlichen Vorschriften geschehen. Vgl. Art. 663 (Höhe der Scheidemauern), Art. 671 u. 674 (Grenzabstand von Bäumen und schädlichen Anlagen9), 2. als der betreffende Tatbestand keine gesetzliche Regelung gefunden hat, also zur Ausfüllung einer Lücke im Gesetz 10 ). III. O b s e r v a n z u n d H e r k o m m e n Das A L R hat eine besondere Begriffsbestimmung des Gewohnheitsrechts nicht gegeben; es finden daher die gemeinrechtlichen Normen Anwendung. Das ördiche Gewohnheitsrecht, gemeinhin Observanz genannt 11 ), ist wie das örtliche partikuläre Gesetzesrecht (Statut) objektives Recht. Observanz ist die Rechtsnorm, welche in einem bestimmten Bereich alle 8
) O V G 37, 219. ) O Y G 36, 231 — dies wird anscheinend geleugnet in O V G 37, 219. ®) Foerster-Eccius I 8o, Dernburg, PrPrR I 40; Bornemann I 30; Rehbein O T r . i , 22ff., 43fF.; OTr. in ständiger Rechtsprechung, besonders ausführlich OTr. 65, 196 mit zahlreichen Belegen. O V G 20, 184; 63, 353. •) OTr. 89, 59; StriethA 97, 299; Koch Bern. 15 zu PblPat. 7 ) Rehbein OTr. I 49; Dernburg a. a. O. I 40 N 3. 8 ) Ges. v. 30 Ventose X I I I ; Zachariae-Crome I 90; Fuzier-Hermann X V 472 § 32ff.; RheinArch. 23, 1 2 1 . 8 10 ) Siehe oben § 18. ) Fuzier-Hermann X V 472 § 36. u ) Die Bezeichnungen Observanz, Herkommen, Gewohnheit fließen in früheren Entscheidungen hin und wieder durcheinander. Vgl. z. B. R G 17, 1 2 3 ; 41, 392. Die oben gewählte Begriffsabgrenzung hat sich aber jetzt in der Rechtslehre und Rechtsprechung durchgesetzt. Vgl. mit besonderer Schärfe R G 102, 12. Vgl. R G 12, 292; 25, 3 1 7 ; 26, 288; 40, 2 4 1 ; 52, 422; 76, 1 1 3 — OTr. 2, 238 usf. in ständiger Rechtsprechung, bes. 65, 203 in umfassender Darstellung. O V G in ständiger Rechtsprechung 12, 260; 15, 184; 4
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III 1 , 2 Rechtsverhältnisse der betreffenden Art beherrscht und hervorgegangen ist aus einer auf Grund innerer t)ber2eugung gepflogenen fortdauernden Übung 12 ). Als Norm des objektiven Rechts unterscheidet sich die Observanz scharf von dem sogen. Herkommen. Herkommen ist eine Übung, die nur ein besonderes dauerndes Rechtsverhältnis zwischen zwei Beteiligten regelt und in dieser beständigen Übung durch gegenseitige Anerkennung eine vertragsmäßige Abmachung ersetzt13). Herkommen ist also ein Auslegungsmittel zur Erforschung des Partei willens 14 ), dazu geeignet und bestimmt, subjektive Rechte und entsprechende Pflichten im Verhältnisse zweier Personen zueinander zu schaffen. Dagegen bildet die unvordenkliche Verjährung 148 ) einen direkten Erwerbsgrund für subjektive Rechte durch Zeitablauf über Menschengedenken heraus, stellt also einen Erwerbstitel i. S. des preußischen Rechts dar 16 ). Die Observanz als Quelle objektiven Rechts erfordert nach der obigen Begriffsbestimmung: 1. einen bestimmt abgegrenzten Geltungsbereich, in dem sie sich entwickelt und wirksam wird. Die Observanz, ursprünglich eigentlich Recht der Genossenschaft, verlangt heute lediglich irgendeine „Gemeinsamkeit tatsächlicher und rechtlicher Verhältnisse" 16 ), es genügt „eine gewisse Gemeinsamkeit tatsächlicher Verhältnisse unter den Bewohnern eines gewissen Umkreises oder bei gewissen Klassen derselben" 17 ). Für das Nachbarrecht kommt natürlich vor allem die Gemeinsamkeit kraft örtlicher Lage 18 ) in Frage, während im öffentlichen Recht auch geschichtliche und rechtliche Zusammenhänge eine große Rolle spielen. 2. Die Schöpferin des örtlichen Gewohnheitsrechts ist die Überzeugung von der rechtsverbindlichen Kraft der befolgten Norm (opinio necessitatis)19). Die Annahme gemeinsamer Rechtsüberzeugung wird da24, 102; usw., zuletzt 76, 382. K G (Strafsenat) in ständiger Rechtsprechung z. B. K G J 28, 58; 37, 40; 49, 347; Windscheid I § 1 6 ; Dernburg, Pandekten I 59; PrPrR I 42; Foerster-Eccius I 80; Rehbein, OTr. I 4 3 ; Gierke, PrPrR I § 20; Zitelmann, Gewohn12 heitsrecht und Irrtum, ArchPr. 66, 328. ) R G 102, 12. 13 ) R G 1 1 , 2 1 3 ; 102, 1 2 ; OTr. 49, 68; 65, 203; 80, 103; StriethA 7, 9; O V G j , 2 3 1 ; 8, 2 3 1 ; 12, 275; 31, 196; 68, 270. " ) Rehbein, OTr. I 43. 14a ) Vgl. unten § 36 III. 15 ) R G 17, 1 2 3 ; 24, 165; OTr. 49, 63; 80, 1 6 1 ; Rehbein I 43. 17 " ) O V G 12, 260 u. 275. ) OTr. 65, 204; vgl. O V G 31, 196. 18 ) Eine in einer Gemeinde gebildete Observanz ergreift auch die Bewohner von Stadtgegenden, die später angelegt werden. K G J 27 C 59. le ) Vgl. die oben N 7 angeführten Nachweise, ferner R G i. PrVwBl. 5, 1 3 4 ; B a y V G H 13, 1 3 1 ; SeuffBl. 41, 106; 70, 705; BayOGH 1, 425; 5, 806; 9, 1 1 .
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III 3 durch nicht schlechtweg ausgeschlossen, daß einzelne von der Norm betroffene Personen die Übung für eine unrechtmäßige gehalten oder erklärt haben20). Wohl aber soll nach weitverbreiteter Meinung eine Rechtsüberzeugung sich nicht bilden können bei vorliegendem Rechtsirrtum über den Grund der Verpflichtung, insbesondere, wenn die Rechtsgenossen „unter dem Druck gesetzlicher oder behördlicher Verpflichtung" handeln, d. h. wenn sie — irrtümlicherweise — glauben, damit ein Gesetz zu befolgen; ferner wenn die Übung sich in irriger Auslegung eines Satzes des geschriebenen Rechts bildet. So urteilten das Reichsgericht 21 ) und auch das preußische Oberverwaltungsgericht 22 ), dieses allerdings mit der Einschränkung, daß der Rechtsirrtum unerheblich sei, wenn er sich nicht als das einzig maßgebende Motiv für die Bildung der Rechtsüberzeugung darstelle23) und mit der Maßgabe, daß auch eine ursprünglich vom Gesetz abgeleitete Übung durch langjährige Beibehaltung selbständige Wirksamkeit erhalten könne24). Diese Lehre, die jede Bildung einer Observanz contra legem fast unmöglich macht, beruht auf der heute von der Rechtslehre einmütig verworfenen Ansicht, daß das Gewohnheitsrecht nicht so sehr begründet ist in der schöpferischen Kraft der Rechtsüberzeugung der Volksgenossen, als daß sie auf „stillschweigender Zustimmung der gesetzgebenden Gewalten" 26) beruht. Die Rechtsentwicklung in Deutschland aber beweist, wie insbesondere von Zitelmann und Gierke dargelegt ist 26 ), das Gegenteil, und Gierke kann mit Recht daraufhinweisen 27 ), daß die gesamte Rezeption des Römischen Rechtes in Deutschland auf der irrigen Annahme der Fortgeltung des alten Kaiserrechts beruht und sonach die Gültigkeit des Gemeinen Rechtes in vielen Gegenden Deutschlands angezweifelt werden könne. Mit Recht hat denn auch mit dem größten Teil der Rechtslehre28) die Zivil- 29 ) und die Strafrechtsprechung30) den Rechtsirrtum bei der Bildung der Rechtsüberzeugung für unerheblich erachtet. 3. Die Überzeugung von der rechtlichen Verbindlichkeit der Norm muß in dauernder tatsächlicher Übung Ausdruck gefunden haben 31 ). Ob 20
) SeuffA 7 Nr. 279; R G 76, 1 1 3 ; K G J 49, 347; Gierke DPrR I 166. ) R G 2, 1 8 5 ; 12, 292. ) O V G 13, 252 u. 283; 15, 185 und 259; 20, 1 8 5 ; 34, 2 5 2 ; 53, 2 1 1 ; 54, 268; 76, 382; 23 PrVwBl. 42, 606. ) O V G 76, 382; 15, 229. 24 ) O V G 15, 229; 34, 252. Ähnlich auch Dernburg, Pandekten I 59 u. PrPrR 1 4 3 N 6. 25 ) O V G 15, 184; 24, 102; vgl. Gierke DPrR I 162. 2 27 «) Vgl. oben N u . ) I 167 ff. 2S ) Gierke, Zitelmann a.a.O.; Kipp bei Windscheid Anm. 3 zu § 1 6 ; Rehbein O T r I 48. 29 ) OTr. 35, 143; StriethA 27, 80. 30 ) K G J 49, 347 unter Preisgabe der früheren Rechtsauffassung. Vgl. K G J 37 C 40, noch der Rechtsprechung d. O V G entgegenkommend. 31 ) R G 20, 304; SeuffA 47 N 89. 21
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IV die Zeit der festgestellten Übung zur Entwicklung der Observanz genügt, ist von Fall zu Fall nach freiem richterlichem Ermessen zu entscheiden 32 ); Innehaltung der Verjährungsfrist ist nicht erforderlich 33 ). 4. Zum Beweis der Observanz ist jedes Beweismittel zulässig 34 ), die langjährige Übung wird vor allem durch Zeugen belegt werden, aber auch Urkunden kommen als wichtiges Beweismittel, namentlich für die Entstehungsvorgänge, in Betracht 38 ). IV. H e u t i g e s R e c h t Gerade für das Nachbarrecht ist dem Walten örtlicher Observanz noch erheblicher Spielraum offen geblieben. Das örtliche Recht ist bei den einzelnen Rechtsvorschriften jeweils mitbehandelt, und es sei hier nur besonders verwiesen auf die Vorschriften über Grundstücksscheidungen ( § 1 1 II), den Grenzabstand von Anlagen (§18) und Pflanzen (§22), das Fenster- und Lichtrecht (§ 25), das Traufrecht (§ 26), das Hammerschlags- und Leiterrecht usw. (§ 28 I und II), die Wege-, Weide- und Forstrechte (§§32, 33 und 34). Auch das preußische Wassergesetz hatte z. B. für die Frage der Unterhaltungspflicht an Flüssen 2. Ordnung das örtliche Gewohnheitsrecht aufrechterhalten (§115 PrWG mit § 7 des Privatflußges. von 184336)). 32) SeuffA 3 Nr. 291; R G 52, 426; O V G 5, 159; 7, 146; 13, 297; 16, 282; 67, 246; Rehbein I 46 mit Belegen; Koch, Bern. 17 z. PblPat. 33) Foerster-Eccius a. a. O.; Abw. Dernburg, PrPrR I 43 Nr. 4; ähnlich auch OTr. 17, 57234) OTr. 13, 101; K G J 49, 349; Koch, Bern. 16 z. PblPat. «O O V G 13, 296; R G LeipzZ. 21, 23. M ) Holtz-Kreutz-Schlegelberger, PrWG. Bern. 6 zu § 115.
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III. Abschnitt Grunddienstbarkeiten § 30. Begriff und Wesen der Grunddienstbarkeiten § 1018 BGB Ein Grundstück kann zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, daß dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder daß auf dem Grundstücke gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder daß die Ausübung eines Rechtes ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstücke dem anderen Grundstücke gegenüber ergibt (Grunddienstbarkeit). § 1019 B G B Eine Grunddienstbarkeit kann nur in einer Belastung bestehen, die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet. Über das sich hieraus ergebende Maß hinaus kann der Inhalt der Dienstbarkeit nicht erstreckt werden. § 1020 B G B Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie in ordnungsmäßigem Zustande zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers es erfordert. § 1021 B G B (1) Gehört zur Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstücke, so kann bestimmt werden, daß der Eigentümer dieses Grundstücks die Anlage zu unterhalten hat, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert. Steht dem Eigentümer das Recht zur Mitbenutzung der Anlage zu, so kann bestimmt werden, daß der Berechtigte die Anlage zu unterhalten hat, soweit es für das Benutzungsrecht des Eigentümers erforderlich ist.
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(2) Auf eine solche Unterhaltungspflicht finden die Vorschriften über die Reallasten entsprechende Anwendung. § 1022 BGB Besteht die Grunddienstbarkeit in dem Rechte, auf einer baulichen Anlage des belasteten Grundstücks eine bauliche Anlage zu halten, so hat, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, der Eigentümer des belasteten Grundstücks seine Anlage zu unterhalten, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert. Die Vorschrift des § 1021 Abs. 2 gilt auch für diese Unterhaltungspflicht. I. D i n g l i c h e B e l a s t u n g Die Grunddienstbarkeiten sind dingliche Rechte auf Benutzung eines Grundstücks zugunsten eines anderen Grundstücks 1 ) mit welchem sie verbunden sind2). Die Grunddienstbarkeit ist Bestandteil des herrschenden Grundstücks (§96 B G B ) und kann von diesem nicht getrennt werden; sie kann daher auch nur zusammen mit dem herrschenden Grundstück übertragen werden 3 ). Die Grunddienstbarkeiten unterscheiden sich von den 1 ) Grunddienstbarkeiten sind auch zugunsten von Erbbaurechten (§ 1 1 Erbbau R V O ) und von Bergwerken zulässig. Vgl. StriethA 56, 44 (über ein mit einer selbständigen Fleischbankgerechtigkeit verbundenes Hütungsrecht); vgl. unten N 6. 2 ) Dernburg 553. In der Regel wird anzunehmen sein, daß derjenige, der ein beschränktes dingliches Recht an seinem Grundstücke bestellt, die übernommene Verpflichtung in der Belastung des Grundstückes erschöpfen und sich nicht auch noch persönlich (obligatorisch) zur Erfüllung der Verpflichtung verbinden will; jedoch ist die Übernahme der persönlichen Verpflichtung neben der dinglichen keineswegs ausgeschlossen (R 07, Nr. 2558; Gruchot 52, 1206 (RG). 3 ) Vgl. K G J 4 3 , 1 3 2 ; O L G 34,194; R G 83,200; 93,73; vgl. hierzu unten § 30 III.3. Dieser Grundsatz galt schon nach bisherigem Recht (vgl. Dernburg, Pand. I § 238 Anm. 7). E r kann namentlich bei Servituten, deren Entstehung weit zurückliegt, von Bedeutung werden. Es ist nicht selten vorgekommen, daß Berechtigungen, die nachweisbar für ein praedium dominans zustanden (z. B. Weide- oder Forstrechte), von dessen Eigentümer wegverkauft und seitdem von dem Käufer und seinen Erben ausgeübt wurden. Eine solche Veräußerung hat keine dingliche Wirkung. Im Streitfall fehlt dem Käufer die Aktivlegitimation zur Geltendmachung der Servitut. — Es ist jedoch zu beachten, daß nach gemeinem Recht Servituten zugunsten territorialer (Gemeinde) und persönlicher (Fischerzunft) Kreise anerkannt wurden. Endlich wird zu prüfen sein, ob man es nicht mit einem deutschrechtlichen Nutzungsrecht zu tun hat, das in vereinzelten Fällen ohne Verbindung mit bestimmten Anwesen als selbständige, frei veräußerliche und vererbliche Berechtigung vorkommt (Art. 196 E G , Art. 40 P r A G B G B ; Art. 22 P r A G z. G B O ; A L R I 20 § 395; §§ 25, 26 des Ges. vom 19. 8. 1895 betr. das Grundbuchwesen in Frankfurt a. M. Vgl. Spoldt, BayZ 1907, 205, und dortige Nachweise). Uber veräußerliche Weiderechte s. SeuffA 42 Nr. 18. Im Gebiete des A L R ist die Übertragung eines subjektiv-dinglichen Rechtes, das durch seinen materiellen Inhalt mit dem berechtigten Grundstück nicht in notwendigem Zusammenhange steht, anerkannt. Eine mit dem Inhalt des Rechts notwendig vorausgesetzte Verbindung mit dem herr-
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Mcisncr-Stcm-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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§ 30 I
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten dadurch, daß erstere subjektivdingliche Rechte (Träger des Rechts ist das Grundstück), diese subjektivpersönliche Rechte (Träger des Rechts ist die Person) sind 4 ). Gegenstand einer Grunddienstbarkeit kann nur ein Grundstück (natürlich auch mehrere Grundstücke) 6 ) sein oder ein Recht, auf welches die Vorschriften über Grundstücke Anwendung finden. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1 0 1 8 B G B : „ E i n Grundstück kann belastet w e r d e n . " V o n den im B G B geregelten Rechten kommt nur das Erbbaurecht (§ 1 1 E r b bau R V O . ) in Betracht 6 ). Dazu kommen nach Landesrecht die in Art. 6 3 , 6 8 , 196 E G bezeichneten Rechte mit Grundstücksnatur 7 ). A n einer Grunddienstbarkeit (z. B. einem Wasserbezugsrecht) kann somit eine Grunddienstbarkeit nicht bestellt werden. Servitus servitutis esse non potest 8 ). Die Gewässer (auch öffentliche Flüsse) sind als Grundstücke zu erachten 9 ). Über den Begriff des Grundstücks s. oben § 1. Der dingliche Charakter der Grunddienstbarkeit besteht darin, daß sie den Berechtigten in ein Verhältnis nicht zum Besteller des Rechtes, sondern zu der Sache selbst setzt 10 ), so daß die Berechtigung jedem gegenüber geltend gemacht werden kann, also nicht nur gegenüber dem Besteller und seinem E r b e n 1 1 ) . Häufig kann es zweifelhaft sein, ob eine vertragliche A b machung auf Begründung einer bloß obligatorischen Verpflichtung oder auf Begründung einer dinglichen Belastung gerichtet ist. Im Zweifel ist eine bloß obligatorische Verpflichtung als das geringere anzunehmen 1 2 ). sehenden Grundstück ist grundsätzlich nur bei Grunddienstbarkeiten angenommen worden, nicht aber bei subjektiv-dinglichen Reallasten (SeuffA 78 Nr. 189 R G ; vgl. R G 67, 2 2 1 ; Gruchot 62, 417). l ) Eine Grunddienstbarkeit und eine persönliche Dienstbarkeit gleichen Inhalts können nebeneinander eingetragen werden (OLG 15, 359). Vgl. auch unten zu N 14a. 6 ) Über die Behandlung der ganzen Gemeindeflur als ein einheitliches Grundstück bei altrechtlichen Weiderechten s. unten N 110. — Ein Auszug (persönl. Dienstbarkeit) kann zur Gesamthaft auf solche Grundstücke nicht eingetragen werden, auf denen sich keine für die Benutzung in Frage kommende Einrichtungen oder Flächen (Gebäude 8 oder Wege) befinden — K G JW 37, 2606 —. ) Vgl. R 21, 571 und oben N 1. ') Art. 63 E G (Erbpachtrecht mit Einschluß des Bündnerrechts und des Häuslerrechts). Art. 68 E G (Vererbliches und veräußerliches Recht zur Gewinnung eines den bergrechtlichen Vorschriften nicht unterliegenden Minerals). Art. 196 E G , (Vererbliches und übertragbares Nutzungsrecht an einem Grundstück: Art. 40 PrAG B G B , Art. 22 P r A G G B O ; §32 Bad. A G G B O (GVB1. 25, 300); §§43, 44 BraunschwAG B G B ; §§ 64, 65 HambAG B G B ; Art. 232 WürttAG B G B (RegBl. 31, 545). 8 ) Von diesem gemeinrechtlichen Satz bestand nur die eine Ausnahme, daß ein Usus fruetus an einer Servitut möglich war. (Windscheid, Pand. § 200 Anm. 5.) Unrichtig Dernburg Pand. § 236 Anm. 14). 10 •) Mot. 3, 48 und 54. ) Dernburg, Pand. I § 236 Anm. 2. u ) Vgl. WarnE 09 Nr. 69; Staudinger R N 1 zu § 1018 B G B . Dernburg a . a . O . ; Bolze 5 Nr. 103; vgl. SeuffA 32 Nr. 21 (Recht zum Steinbrechen); WarnE 1909, 67 (Verbot der Anbringung von Firmenschildern, Schaukästen
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Wenn aber der durch Übernahme der Beschränkung erfolgte Vertrags2weck nur durch eine dauernde, vom Wechsel des Besitzers unabhängige Belastung erreicht werden kann, streitet die Vermutung dafür, daß die Herbeiführung einer dinglichen Rechtsänderung gewollt ist (pactum intuitu fundi initum 13 )). Dies gilt namentlich dann, wenn durch die Verabredung das nachbarliche Verhältnis der Grundstücke geregelt und hinsichtlich ihrer Benutzung eine bleibende Einrichtung getroffen wird 14 ). Bei der Eintragung eines Überfahrtsrechts f ü r eine b e s t i m m t e P e r son u n d „ d e r e n R e c h t s n a c h f o l g e r " handelt es sich regelmäßig nicht um eine Grunddienstbarkeit, sondern um eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit, da der unbefangene Betrachter daraus nicht ohne weiteres folgern kann, die Überfahrtgerechtigkeit sei dem ursprünglich Berechtigten in seiner Eigenschaft als Eigentümer des Grundstücks bestellt worden, zumal er darüber irren kann, daß eine persönlich beschränkte Dienstbarkeit nicht für den Rechtsnachfolger bestimmt werden kann; die durch das Kartenmaterial und eine Augenscheineinnahme ersichtlichen Grundstückszusammenhänge können zur Auslegung nicht herangezogen werden14»). Eine Dienstbarkeit, die im Grundbuch als „ B a u b e s c h r ä n k u n g " eingetragen ist, kann auch nicht über die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung und das Kausalgeschäft als gleichzeitige „Gebäudenutzungsbeschränkung" (Verbot der Aufnahme von Fremdarbeitern) ausgelegt werden, da das dingliche Recht selbst im Grundbuch wenigstens stichwortartig soweit bezeichnet sein muß, daß seine rechtliche Natur und seine beusw.); SeuffBl. 37, 161 (Recht zum Torfstich). — SeuffBl. 29, 257 behandelt das Recht zum Torfstich als Grunddienstbarkeit; richtiger erscheint es, im dortigen Fall für heutiges Recht ein obligatorisches Rechtsverhältnis anzunehmen, wohl aber eine Grunddienstbarkeit im Fall SeuffBl. 39, 263. Vgl. O b L G 10, 280 (Recht auf Bohrungen nach Erdöl gegen fortlaufende Vergütung, Pachtvertrag). Auch als Kauf kann ein Tonausbeuterecht aufgefaßt werden, wenn die Ausbeute zeitlich unbegrenzt übertragen wird und die Zahlung eines einmaligen Preises bedungen ist (BayObLG 21, 105). Der Anspruch auf dingliche Bestellung einer Dienstbarkeit, der durch eine solche Verpflichtung obligatorisch begründet ist, kann durch Vormerkung im Grundbuch gesichert werden (Vgl. K G J 40, 27). Vgl. auch unten N. 50. 13 ) SeuffA 17 Nr. 118, vgl. 9 Nr. 10. Wird jemand „als Eigentümer" eines Grundstücks ein Fahrtrecht eingeräumt, so handelt es sich um eine Grunddienstbarkeit (BayZ 1919, 290; R 1919 Nr. 1789 RG). Ist der Vertragswille auf Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit gerichtet, so ist damit zugleich auch die obligatorische Verpflichtung begründet, die Beeinträchtigung auf dem Grundstück zu dulden. Darüber hinaus wird allerdings in der Regel nicht anzunehmen sein, daß eine schuldrechtliche Leistungspflicht übernommen ist. Die Übernahme einer solchen persönlichen Verpflichtung neben der dinglichen Belastung ist zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht ohne weiteres zu unterstellen (R 07 Nr. 2558); Gruchot 52, 1206 (RG). 14 ) Vgl. SeuffA 26 Nr. 222, 67 Nr. 8 1 ; Bolze 4 Nr. 102. 14a ) B G H N J W 65 S. 393. 38*
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§ 30 I
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
sondere Art erkennbar wird, und ferner, weil der Eintrag „Baubeschränkung" die daneben bestehende „Nutzungsbeschränkung" nicht erfaßt 14b ). Mit der Bewilligung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks kann eine Grunddienstbarkeit in dem Falle gewollt sein, daß sich die Dienstbarkeit u. a. auf Fensterrechte bezieht, die ihrer Natur nach auf Dauer bestimmt und deshalb nicht an die Person, sondern an die Sache gebunden sind 14c ). Wenn eine regelmäßig, z. B. jährlich wiederkehrende Leistung für die Einräumung des Gebrauchsrechtes bedungen ist, wird man es regelmäßig14"1) mit einem Mietvertrag 15 ) oder Pachtvertrag 16 ) zu tun haben, so z. B. wenn der Grundeigentümer dem Besitzer eines Elektrizitätswerkes die Aufstellung eines Mastes gegen eine jährliche Entschädigung von 3 D M gestattet. Wäre dagegen eine einmalige Zahlung bedungen, so würde die Vermutung dafür streiten, daß die Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit begründet werden sollte. Wenn aber freilich die Verpflichtung nur für eine bestimmte Zeit von Jahren eingegangen wird, so 14b ) B G H N J W 65 S. 2508. Bei der Auslegung von Grundbucheintragungen muß stets auf ihren Wortlaut und Sinn abgestellt werden, wie er sich aus dem Grundbuch selbst und aus der etwa in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände, die außerhalb dieser Urkunden liegen, dürfen zur Ermittlung von Inhalt und Umfang einer dinglichen Berechtigung nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (LM § 1018 B G B Nr. 4 u. 5). Im Falle einer Wege-Grunddienstbarkeit hat der B G H (NJW 69 S. 502) allerdings die Bezugnahme auf Anlagen im Gelände zugelassen, die ihrer Natur nach wandelbar und veränderlich sind (Bäume, Hecken, Pfähle), sofern nur nach Lage des Falles wenigstens mit einer gewissen Dauer ihres Verbleibs zu rechnen ist; der B G H hat die Bestimmtheit der Bezeichnung in dem Falle bejaht, daß der Grundbucheintrag als Ausübungsstelle des Wegerechts „den 2 m breiten Weg, der zum Feldweg nach B führt", bezeichnet hat. Uo ) B G H M D R 69 S. 380. lld ) Vgl. aber unten § 30 III 7. 15 ) Vgl. hierzu Staudinger R N 1 a zu § 1018 B G B und R N 23fr. zu § 535 B G B . (Auch bloße Teile einer unbeweglichen Sache können vermietet werden). Bei der Miete und Leihe ist für die Dauer des Gebrauchsrechtes zunächst die Bestimmung des Vertrags maßgebend (§§ 564, 604 Abs. 1 BGB). Beim Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr geschlossen ist, kommt das Erfordernis der Schriftlichkeit in Betracht (§566 BGB), während die obligatorische Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit formlos begründet werden kann (s. unten § 3 5 1 1 ) . Ist eine Zeit nicht bestimmt, so kommen bei der Miete §§ 564 Abs. 2, 565 B G B , bei der Leihe § 604 Abs. 2 und 3 B G B zur Anwendung. Die Verpflichtung aus der Miete geht auf den Erwerber des vermieteten Grundstückes nach Maßgabe des § 571 B G B über; die Leihe verpflichtet den Erwerber des verliehenen Grundstückes nicht. Uber den Einfluß des Konkurses auf die Miete s. §§ 19, 20, 21 K O ; der Ersteher in einer Zwangsversteigerung kann die Miete aufkündigen ( § 5 2 Z w V G . ) Bezüglich des Einflusses der Zwangsversteigerung auf die Dienstbarkeit s. §§ 45, 91, 92 Z w V G . 16 ) Vgl. SeuffA 67 Nr. 220.
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Begriff und Wesen der Grunddienstbarkeiten
§
30 I
wird dies wieder mehr auf einen Mietvertrag hinweisen; denn wenn auch die Bestellung einer Grunddienstbarkeit für Zeit möglich ist 16a ), so ist dies doch außergewöhnlich. Wird die Benutzung des Grundstückes unentgeltlich eingeräumt, so wird im Zweifel Leihe (§598 B G B ) anzunehmen sein; die schenkungsweise übernommene Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit hätte übrigens der Formvorschrift des §518 B G B zu genügen. Eine Grunddienstbarkeit kann unter einer Bedingung ( § 1 5 8 BGB) 1 6 b ) oder Befristung (§ 163 BGB) bestellt werden. Die Bedingung darf jedoch nicht einen derartigen Inhalt haben, daß sie dem Begriff der Grunddienstbarkeit zuwiderläuft 17 ). Eine Grunddienstbarkeit, durch die den jeweiligen Eigentümern mehrerer Grundstücke das Recht eingeräumt wird, auf einem — dienenden — Grundstück eine allen — herrschenden — Grundstücken zum Vorteil gereichende Anlage zu errichten, kann als ein Recht im Grundbuch eingetragen werden 17 ®). Ebenso ist die Eintragung einer einheitlichen Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers mehrerer Grundstücke jedenfalls dann zulässig, wenn die mehreren herrschenden Grundstücke sich im Eigentum der gleichen Person befinden und die Grunddienstbarkeit in einem Wegerecht besteht, welches allen herrschenden Grundstücken vorteilhaft ist 17b ). Entsprechend muß es, wie aus § 1025 B G B zu folgern ist, zulässig sein, von vornherein zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks eine e i n h e i t l i c h e , auf m e h r e r e n s e l b s t ä n d i g e n G r u n d s t ü c k e n l a s t e n d e G r u n d d i e n s t b a r k e i t einzutragen, jedenfalls dann, wenn ohne die gleichzeitige Ausübung auf den anderen Grundstücken eine sinnvolle Ausübung auf einem Grundstück nicht möglich ist, z. B. wenn ein Auszüger das Recht haben soll, Bodenraum zu benutzen, der in zwei, zu verschiedenen Grundstücken gehörigen Häusern sich befindet 170 ) oder wenn die einheitliche Anlage sich über beide belastete Grundstücke ausdehnt oder wenn der einheitliche Zufahrtsweg gleichzeitig über die angrenzenden Grundstücke verläuft und nur im ganzen be16a
) Vgl. unten § 30 III 8. " ) O L G Karlsruhe D N o t Z 68 S. 432. " ) O b L G 13, 1 4 5 ; 31, 334; K G J 44 A 356; K G H R R 41 Nr. 1 8 5 ; K G N J W 54, 1245; Staudinger R N 15 zu § 1018 B G B ; R G K Anm. 2 zu § 1018 B G B . 17a ) BayObLG N J W 66, 56; B G H Z 46, 255 bejaht die Möglichkeit einer Gesamtberechtigung (Gesamtgläubigerschaft) bei einem Wohnungsrecht. 171 >) O L G Frankfurt N J W 69 S. 469 = M D R 68 S. 922; Herget N J W 66 S. 1060; Westermann § 122 III 2; kritisch Haegele Rpfl. 66, 368. G e g e n eine einheitliche Grunddienstbarkeit zugunsten der Eigentümer mehrerer selbständiger Grundstücke Staudinger R N 2 zu § 1018; Wolff-Raiser § 106 I 1 ; Soergel R N 4 zu § 1018; Meikel-Imhof-Riedel Vorbem. 42 zu § 13 G B O . 17c) Vgl. unten zu N . m a . 16
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III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
nutzbar ist. Hiernach kann also eine Grunddienstbarkeit zugunsten mehrerer Grundstücke wie auch zu Lasten mehrerer selbständiger Grundstücke als e i n h e i t l i c h e s dingliches Recht eingetragen werden. II. G e s e t z l i c h e
Begriffsbestimmung
Die gesetzliche Begriffsbestimmung der Grunddienstbarkeit gibt § 1 0 1 8 B G B . Hiernach sind die Unterscheidungsmerkmale der bisherigen Rechtsquellen nach Feld- und Gebäudeservituten (Servitutes rusticae und urbanae), nach ständigen und nichtständigen (continuae und discontinuae), nach offensichtlichen und nichtoffensichtlichen (apparentes und non apparentes) bedeutungslos 1 S ). § 1 0 1 8 B G B bestimmt, daß ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstückes 1 9 ) in folgender Weise dinglich belastet 19 ») werden kann: 1. D e r Berechtigte darf das Grundstück in e i n z e l n e n B e z i e h u n g e n 2 0 ) b e n u t z e n ; z. B. zum Gehen, Fahren 2 1 ), Pflugwenden 2 2 ), Viehtreiben 23 ), 18 ) M. 3, 480 (Mugdan 3, 267). Für die Übergangszeit behalten jedoch diese Unterschiede fortdauernde Geltung bezüglich der am 1. 1. 1900 bereits begründeten Grunddienstbarkeiten, die nach Art. 184 E G mit dem sich aus den bisherigen Gesetzen ergebenden Inhalt (es gelten jedoch die §§ 1020 bis 1028 BGB) bestehen bleiben: sie waren ferner bis zum Inkrafttreten der Grundbuchverfassung für den Erwerb der Servituten von Bedeutung (Art. 189 E G ) ; s. darüber unten § 36. 19 ) Vgl. vorst. zu N. 17a—c und unten III 3. 19a ) Die Eintragung einer Grunddienstbarkeit ist unzulässig, wenn im Eintragungsvermerk nur der gesetzliche Name des Rechts angegeben und im übrigen auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen wird (OLG Köln N J W 57, 992); ebenso O L G Düsseldorf in JMB1NRW 57, 127. Nach BayObLG DNotZ 60, 105 kann ein Geh- und Fahrtrecht, wenn sich das Erbbaurecht auf einen für das Bauwerk nicht erforderlichen Teil des Grundstücks erstreckt, sowohl im Grundbuch des Erbbaugrundstücks als auch im Erbbaugrundbuch eingetragen werden; als Belastung wirksam werden kann das Recht aber erst nach Erlöschen des Erbbaurechts. Vgl. ferner oben zu N 14a und 14b. 20 ) Unzulässig ist die Bestellung einer Grunddienstbarkeit, wonach die Befugnis zu jeder in Betracht kommenden Art von Benutzung eingeräumt wird (Nießbrauch). Vgl. O L G 15, 359; K G J 39, 2 1 5 ; R G 67, 376. Die Beschränkung auf die Benutzung „in einzelnen Beziehungen" steht der Bestellung einer Wegegerechtigkeit auf der g a n z e n Fläche des dienenden Grundstückes nicht im Wege. R 07, 1536 Nr. 3819 (RG). Übrigens gilt der Grundsatz der Unteilbarkeit der Grunddienstbarkeit auch für das neue Recht. Deshalb ist eine Grunddienstbarkeit, deren B e s t a n d sich nur auf einen Teil des Grundstückes erstrecken soll, unzulässig, wohl aber kann die A u s ü b u n g auf einen Teil beschränkt sein. O L G 2, 513; 18, 145. Das Recht, auf einem Grundstück ein Bauwerk zu haben, kann nur dann den Gegenstand einer Grunddienstbarkeit bilden, wenn die dem Berechtigten gestattete bauliche Ausnutzung des Grundstücks nicht derart umfassend ist, daß sie jede andere Benutzung des Grundstücks ausschließt. Das Recht, ein Grundstück zum Bau einer Kirche zu benutzen, kann hiernach nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein ( K G J 39 A 215). Bleibt aber trotz des fremden Rechts auf Beibehaltung eines Bauwerks eine Benutzung des Grundstücks durch den Eigentümer möglich, so eignet sich dieses Recht zum Inhalt einer Grunddienstbarkeit. Ist es jedoch selbständig
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Begriff und Wesen der Grunddienstbarkeiten
§
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V i e h w e i d e n 2 4 ) , B e f a h r e n eines G e w ä s s e r s 2 5 ) , z u m H a l t e n einer Stauanlage i n e i n e m F l u ß 2 6 ) , A u s b e u t e n v o n B o d e n b e s t a n d t e i l e n 2 7 ) , z u r Fischerei 2 8 ), z u m W a s s e r s c h ö p f e n 2 9 ) oder W a s s e r b e z u g 3 0 ) , V i e h t r ä n k e n 3 1 ) , z u m H a l t e n eines B a u w e r k e s 3 2 ) o d e r einer sonstigen A n l a g e 3 3 ) , z u m W o h n e n 3 4 ) , z u einer R o h r l e i t u n g 3 6 ) , z u einer Stauanlage 3 6 ), z u m H a l t e n eines F e l d b a h n geleises 3 7 ), o d e r F ü h r u n g einer D r a h t s e i l b a h n d u r c h den L u f t r a u m 3 8 ) , z u r A u f n a h m e des T r o p f e n f a l l s aus der D a c h t r a u f e 3 9 ) , der A b w ä s s e r 4 0 ) , z u m veräußerlich, so hat man es mit einem Erbbaurecht zu tun (vgl. O L G 15, 360; SeuffA 29 Nr. 11). Vgl. auch unten zu N. 51 a. 21 ) S. über Wegegerechtigkeiten unten § 32. 22) Vgl. oben § 28 III. 23) Vgl. SeuffA 2 Nr. 140; 17 Nr. 213 (servitus actus) s. darüber unten § 32. 24) S. unten § 33. 25) Servitus navigandi 1. 23 § 1 D 8, 3. 26) Vgl. JW 1912, 361. 27) Vgl. SeuffA 32 Nr. 21 (Steinbrechen); 5 Nr. 142; Gruchot 50, 102 (Graben von Ziegelerde); BayOGH 4, 491 (Ton- und Porzellanerde); 9, 216 (Mitbenutzungsrecht des Eigentümers); KGJ 24, 118; O L G 15, 360 (Sand, Ton, Ziegel); JW 1905, 393; O L G 15, 359; 31, 337. Das Recht zur Ausbeutung von Bodenbestandteiien kann auch mit rein obligatorischer Wirkung eingeräumt werden. BayZfR 1, 200; vgl oben N. 12 u. unten § 31 N. 8. Die regelmäßige Rechtsform zur Schaffung eines dinglichen, auf Gewinnung und Ausbeutung von Bodenbestandteilen gerichteten Rechts ist die beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 BGB (R 23 Nr. 1014 K G ) ; Recht zur Gewinnung von Kali als beschränkte persönliche Dienstbarkeit (OLG 43, 8 K G ) ; vgl. hierzu oben N. 12. 28) Vgl. Bolze 2 Nr. 185; BayOGH 1, 1 ; 5, 400; 9, 98; 11, 315; WarnE 19 Nr. 197. 29) Servitus aquae haustus oder aquae hauriendae, vgl. Windscheid, Pand. §211 30) O L G 31, 337 (München). Anm. 7 und dortige Quellen. 31 ) Servitus pecoris ad aquam appulsus, vgl. Windscheid, Pand. § 211 Anm. 8 und dortige Quellen; BayObLG 12, 217. 32) Vgl. SeuffA 29 Nr. 11; K G J 25, 141. Über Überbauservitut im Rheinischen Rechtsgebiet s. R G 72, 269. Uber das Recht, auf dem fremden Grundstück einen Keller zu haben, s. oben § 4. Uber den Unterschied der Grunddienstbarkeit von der superficies und dem Erbbaurecht s. oben § 4 N 9 u. 10 und III 4. Eine Bauwerksservitut, durch deren Bestand die Möglichkeit anderweitiger Benutzung des ganzen Grundstückes ausgeschlossen ist, ist unzulässig (s. oben N 20). ®®) Servitus protigendi, proiciendi. BayOGH 6, 775 (Dachvorsprung); SeuffA 46 Nr. 170 (Ladenrecht; dieses schließt nicht notwendig ein Lichtrecht in sich); SeuffA 36 Nr. n o ; JW 1891, 23 Nr. 53 (Recht, die Fensterflügel in den Luftraum des Nachbarn aufzuschlagen); BayOGH 6,773 (Begräbnisstätte), 2, 12 (Dungstätte). R 13 Nr. 516 (Grenzzaun). M ) Es wird beispielsweise dem Eigentümer eines als Hotel eingerichteten Grundstücks die Befugnis eingeräumt, im Notfall zwei Zimmer eines benachbarten Gebäudes zur Unterbringung von Gästen zu benutzen. M ) Vgl. EntschFG 5,205; BayOGH4,413; JDR4,343 (Kammergericht); RG79.37737) WarnE 1913 Nr. 188; JW 1912, 851. » ) JW 12, 361. 38) JW 1900, 676 Nr. 46 (RG). 89) Servitus stillicidii. Vgl. oben § 26. Vgl. O G H 7, 847 (durch ein Traufrecht wird die Aufführung eines niedrigen Gebäudes an der Abfallstelle nicht ausgeschlossen). SeuffA 4 Nr. 209, 32 Nr. 113, 34 Nr. 281, 35 Nr. 276; SeuffBl. 45, 282. Wenn der Nach-
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III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
Betreten 41 ) und Aufstellen von Leitern oder Gerüsten zwecks baulicher Reparaturen 42 ), zur Auflagerung von Gegenständen 43 ), zur Benutzung der Nachbarwand als eigener Wand 44 ), zum Stützen eines Bauwerkes oder eines Teiles desselben (Balken, Mauer) auf das Bauwerk des Nachbarn 45 ). Unter „Benutzen eines Grundstückes in einzelnen Beziehungen" ist ein fortgesetztes oder doch mehr oder weniger häufig und regelmäßig wiederkehrendes Gebrauchmachen von dem Grundstücke zu bestimmten Zwecken bar das in einem Strahle oder einer Rinne gesammelte Wasser aufnehmen muß, spricht man von der servitus fluminis immittendi. 40) Servitus cloacae (mittendae) 1. 7, D 8,1. 1 § 4, 6 D 43, 23; vgl. SeuffBl. 41, 269; SeuffA 4 Nr. 209; 21 Nr. 214, 32 Nr. 307; R G 79, 77. Zum Unterschied von der servitus latrinae ist der Berechtigte bei der servitus cloacae nicht berechtigt, Urin (Mistsudel) und andere übelriechende Dinge, sondern nur Spül- und Waschwasser durch den Kanal abzuführen. Beim Ersitzungsbeweis wird derjenige, welcher ein Recht behauptet, seine Mistsudel abzuführen, diese spezielle Art der Benutzung des Kanals während der Ersitzungszeit nachzuweisen haben. Vgl. Holzschuher, Theor. und Kas. 2, 400. Über Servitut zur Ableitung von Abwässern in einen Fluß Bolze 1 Nr. 180. Jetzt ist die Ableitung von Abwässern in Flüsse öffentlich-rechtlich durch die §§ 26, 27 WasserhaushaltsG (BGBl. 57I 1110; 59I37 und 641 611) und die Wassergesetze der Länder (vgl. oben §16 II 4) geregelt. 41 ) Behufs Besichtigung (KGJ 36, 221). 42) Leiterrecht, Hammerschlagsrecht, s. hierzu oben §28 1, vgl. BayOGH 3, 159; 4, 410; JW 1880, 13; SeuffBl. 38, 109; 39, 185. 45 ) Vgl. BayOGH 2, 12 (Ablagerung des Düngers in der Dungstätte des Nachbarn). SeuffBl. 44, 202 (Grunddienstbarkeit, eine Düngerstätte an des Nachbarn Mauer anzulegen. Abwendung ihres schädlichen Einflusses). Das Recht, auf fremdem Grundstück eine Dungstätte zu haben, gibt die Befugnis, dort allen Dünger zu lagern, welcher von dem im herrschenden Grundstück gehaltenen Vieh anfällt (BayOGH 2, 10). Natürlich braucht eine Steigerung gegenüber der Zeit der Begründung dann nicht geduldet zu werden, wenn sie durch eine „Änderung im Charakter der Benutzungsart herbeigeführt 44) Vgl. SeuffA 53 Nr. 9. ist" (vgl. unten § 31 II). 46) Servitus tigni immittendi, tignum immissum habendi (Tramrecht). Sind die Balken schadhaft, so kann sie der Berechtigte durch neue ersetzen. Mit dieser Servitut ist nach gemeinem Recht nicht ohne weiteres eine Pflicht des Nachbarn, das tragende Bauwerk in gutem Stand zu erhalten, verbunden. Dazu wäre besondere Bestimmung bei der Bestellung oder bei der Ersitzung der Nachweis erforderlich, daß der Nachbar im I n t e r esse des Servitutberechtigten eine Unterhaltungspflicht durch positive Handlung betätigt hat \ind von da an die Ersitzungszeit abgelaufen ist, ohne daß der Servitutberechtigte selbst das tragende Bauwerk erhalten hat; vgl. Windscheid, Pand. § 2 i i a Anm. 3; SeuffA 42 Nr. 193. In solchem Falle spricht man von der servitus oneris ferendi. Vgl. ArchZivPr. 87, 200. Die Stützung des getragenen (dem Servitutsberechtigten gehörigen) Gebäudes während der Reparatur der tragenden Mauer ist Sache des Berechtigten (so schon 1. 8 pr. D 8, 2). Nach ausdrücklicher Bestimmung des 1. 6 § 4 D 8, 5 kann der Inhaber der servitus oneris ferendi an einer mehreren gemeinschaftlichen Mauer deren Eigentümer nicht solidarisch, sondern nur pro rata auf die nötigen Reparaturen belangen. Dies entspricht auch dem bürgerlichen Rechte, sofern nicht § 427 B G B zutrifft (§ 1022 mit § I C I 8 BGB); Turnau-Förster Bern. 2 zu § 1018 BGB.Für preußisches Recht hat OTr. 72, 125 Solidarhaftung der mehreren Miteigentümer angenommen. — Vgl. hierzu auch oben § 8 III (Anbau an eine Giebelwand).
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II 1 zu verstehen 46 ). Die Berechtigung oder Verpflichtung zur Vornahme einer e i n m a l i g e n Handlung (z.B. zur Beseitigung eines Bauwerkes, zur Abholzung eines Waldes) kann deshalb den Inhalt einer Dienstbarkeit nicht bilden 47 ), ebensowenig die Verpflichtung, bei einem späteren Neubau einen Geländestreifen zum Straßenbau an die Gemeinde abzutreten 48 ). Die Eintragung von Benutzungsbefugnissen, die schon durch das Gesetz eingeräumt sind, ist unzulässig; immerhin sind Fälle denkbar, in denen das Gesetz Zweifel über die Zulässigkeit gewisser Einwirkungen übrig läßt. In solchen Fällen ist die Eintragung zuzulassen49). Die J a g d b e r e c h t i g u n g auf fremdem Grund und Boden bleibt aufgehoben und darf in Zukunft nicht wieder als Grundgerechtigkeit bestellt werden 60 ). Über unzulässige Forst- und Weidedienstbarkeiten s. unten §§ 33 u n d 34.
Auf Grund ö f f e n t l i c h e n R e c h t s bestehende Befugnisse können nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein50"), also nicht ein Fischereirecht kraft Regals 60b ) oder der Gemeingebrauch am Fluß 50c ). 46
) O L G 2i, ioo; vgl. K G J 26, 275; 36, 221; 39, 215. ) R G 60, 320; K G 26, 274; 39, 315 ; BayObLG 2 1 , 1 0 0 ; BayZ 2 1 , 1 0 1 (Berechtigung, ein Gebäude abzubrechen und sich das Abbruchmaterial anzueignen). Doch wäre es zulässig, eine Grunddienstbarkeit zu bestellen, wonach der Eigentümer des Grundstücks, auf welchem jetzt das Gebäude steht, von dem Zeitpunkt an, zu welchem der andere baut, kein Gebäude halten darf. — BayObLG 3, 129 (Verpflichtung, ein Gebäude abzubrechen); O L G i , 426; 18, 146 (Verpflichtung, einen Uberbau, der nach § 912 B G B geduldet werden muß, zu beseitigen). In diesem Falle kann der erstrebte wirtschaftliche Zweck auf folgende Weise erreicht werden. Die Pflicht, den Überbau zu dulden, ist eine gesetzliche Beschränkung des Eigentums am überbauten Grundstück. Es kann (§ 1018 B G B dritter Fall) eine Grunddienstbarkeit bestellt werden, durch deren Inhalt die Eigentumsbeschränkung beseitigt wird; also kann der Eigentümer des Überbaus dem überbauten Grundstück eine Grunddienstbarkeit des Inhalts bestellen, daß dieser den Überbau nicht zu dulden oder nicht mehr zu dulden braucht, sobald er auf seinem Grundstück einen Neubau errichtet. Vgl. oben § 24 N. 136. In Fällen, bei denen nur eine einmalige Handlung in Frage steht, liegt auch keine Reallast vor ( O L G 1 , 426; BayObLG 3, 129). Dagegen steht mit dem Begriff der Reallast nicht in Widerspruch, daß neben den wiederkehrenden Leistungen auch eine einmalige bedungen ist (JW 1926, 626 RG). Soweit die Verpflichtung zu einer Handlung den wesentlichen Inhalt der dem anderen zustehenden Berechtigung bilden soll, steht der Grundsatz „servitus in faciendo consistere nequit" entgegen (s. unten § 30 III 6). " ) K G J 25 A 147. 49 ) Wolff, 348 Anm. 1 1 ; R G 130, 154; O L G Celle N J W 58, 1096 (Beseitigung von Zweifeln, ob bis an die Grenze gebaut werden darf); L G Lübeck D N o t Z 56,558 (Klärung von Zweifeln, ob Fenster nach dem Nachbargrundstück zulässig sind); vgl. unten N. 53. 50 ) § 3 I 3 BJagdGes. vom 29. 1 1 . 1952 — BGBl. I S. 780 —. Zum früheren Recht vgl. O L G 15, 372 u. R 23 Nr. 653 (KG). Die Verpflichtung des Grundeigentümers, für sich und seine Rechtsnachfolger auf Schadensersatzansprüche aus Wildschaden zu verzichten, ist rein schuldrechtlicher Natur; sie kann dinglich nicht gesichert werden (Bay-ObLG D N o t Z 60, 147). R G 130, 354; K G H R R 41, 147. 47
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§ 30 112
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
2. Auf dem belasteten Grundstück d ü r f e n g e w i s s e H a n d l u n g e n n i c h t v o r g e n o m m e n werden. D e r zweite Fall, den § 1 0 1 8 B G B für die Grunddienstbarkeitsbelastung vorsieht, besteht also darin, daß auf dem Grundstück bestimmte 61 ) Handlungen, die eine Benutzung des Grundstücks darstellen, nicht vorgenommen werden dürfen 5 1 8 ). Unter diese Gattung fallen nur Beschränkungen in der t a t s ä c h l i c h e n Herrschaft über das Grundstück, nicht Beschränkungen in der rechtlichen Verfügungsmacht über das Grundstück 6 2 ). A u c h können nur solche Handlungen in Betracht kommen, die nicht schon ohnedies durch Gesetz (z. B . die nachbarlichen Vorschriften) verboten sind 63 ). Unter § 1 0 1 8 B G B fällt z . B . die Belastung, daß auf dem Nachbargrundstück kein Gebäude 6 4 ) oder doch keines über eine bestimmte Höhe 6 6 ) oder unter einem bestimmten Abstand v o n der Grenze 6 6 ) oder kein Gebäude bestimmter A r t 6 7 ) oder nur ein 5
50c °t>) O L G Kassel Rspr. 25, 293. ) HRR 52, 134. ) Das Verbot, das belastete Grundstück nicht anders zu benutzen, als zum landwirtschaftlichen oder Brauereibetrieb, kann nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein. Der Kreis der verbotenen Handlungen ist so groß, daß dadurch der Grundsatz der Bestimmtheit der Belastung verletzt wird; auch ist nicht erkennbar, ob jede der gebotenen Unterlassungen dem herrschenden Grundstücke Vorteile bietet ( K G J 53, 152). 51a ) Es macht aber grundsätzlich keinen Unterschied, ob die untersagten „gewissen Handlungen" positiv durch ihre Benennung aufgezeigt werden oder ob sie negativ durch die Bezeichnung der gestatteten mehreren Handlungen oder auch der nur einzigen Befugnis umschrieben werden, z. B. Grundstücksbenutzung ausschließlich zur Einstellung von Kraftfahrzeugen und zur Zufahrt (BayObLG N J W 65 S. 1484). 62 ) Unzulässig als Inhalt einer Grunddienstbarkeit ist daher das Verbot, über das Grundstück eine Verfügung zu treffen, insbesondere es zu veräußern (Rspr. 21,407—Rostock —) oder es in Teilstücke zu zerlegen (SeuffA 65 Nr. 169; 66 Nr. 210) oder es zu verpachten oder zu vermieten ( K G J 45, 229; 51, 297). Vgl. auch Schmitt, BayNotZ. 1916, 133. 53 ) Nicht eintragungsfähig als Grunddienstbarkeit ist also die bereits durch Gesetz oder Gemeingebrauch festgelegte Duldungs- oder Unterlassungspflicht (HRR 32, 134; R G 130, 354; K G HRR 41, 447), es sei denn, daß über die Tragweite des Gesetzes begründete Zweifel bestehen (vgl. K G J F G 3, 331; L G Lübeck DNotZ 56, 558). Örtliche Bauordnungen stehen Gesetzen nicht gleich ( K G J F G 22, 188; vgl. aber auch K G D R 39, 463; R G 159, 197). — S. ferner O L G 1, 380; Staudinger R N 25 zu § 1018 B G B . R G K Anm. 16 zu § 1018 B G B ; Güthe 2, 1692; Planck 2 zu § 1018 B G B ; Crome 486 M N. 3; Maenner 272 N. 3. — Vgl. auch oben N. 49. ) SeuffBl. 63, 370; R G 47, 356. 65 ) Servitus non altius tollendi, servitus ne luminibus officiatur, Lichtgerechtigkeit, SeuffBl. 60, 195; SeuffA 18 Nr. 19, 31 Nr. 3 1 3 ; Windscheid, Pand. 1 § 211 a Anm. 7 u. 8 und dortige Quellen; s. oben § 25. Hierhergehörtauch die servitus ne prospectui officiatur sive prospiciendi, wonach dem herrschenden Grundstück die Aussicht nicht beeinträchtigt werden darf. Vgl. SeuffA 31 Nr. 313, 32 Nr. 305; Windscheid, Pand. 1 § 211 a Anm. 9 und dortige Quellen; ferner Holzschuher, Theorie und Kas. 2, 398t. 66 ) JW 1900, 900; K G J 47, 186. Abmachungen über die Benutzung gemeinsamer Grenzen bei der Errichtung von Gebäuden können als Grunddienstbarkeit eingetragen werden, soweit sie teilweise Bauverbote darstellen (OLG Neustadt N J W 58, 635). 57 ) z. B. keine öffentlichen Vergnügungs- und Schanklokale, O L G 5, 316; 15, 372 (Kammergericht); keine Gast- und Speisewirtschaft ( K G J 36, 221); keine Fabriken und 61
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Begriff und Wesen der Grunddienstbarkeiten
§
30 112
G e b ä u d e i m Villenstil 8 8 ) o d e r k e i n B a u w e r k i r g e n d w e l c h e r A r t 6 9 ) errichtet werden, d ü r f e ; daß ein G e b ä u d e z u m N a c h b a r g r u n d s t ü c k k e i n e Fenster h a b e n d ü r f e 6 0 ) , s o f e r n nicht s c h o n k r a f t G e s e t z e s eine solche Unterlassungsp f l i c h t eindeutig g e g e b e n i s t 8 1 ) ; daß einer W i n d m ü h l e der M a h l w i n d nicht e n t z o g e n w e r d e n dürfe 6 2 ), daß auf einem G r u n d s t ü c k e ein gewisses G e w e r b e nicht betrieben w e r d e 6 3 ) o d e r daß jeder lästige G e w e r b e b e t r i e b unterbleibe 8 4 ) o d e r d a ß ein H a u s nicht b e w o h n t o d e r v o n nicht m e h r als einer b e s t i m m t e n Z a h l v o n P e r s o n e n b e w o h n t w e r d e n d ü r f e 6 5 ) o d e r d a ß der E i g e n t ü m e r des belasteten W e g e g r u n d s t ü c k s den W e g z u b e s t i m m t e n Z w e c k e n nicht b e n u t z e n d ü r f e 6 6 ) o d e r daß der W a l d z u r W a h r u n g d e s L a n d s c h a f t s b i l d e s f ü r das b e r e c h t i g t e S c h l o ß o d e r als W i n d s c h u t z erhalten ähnliche gewerbliche Betriebe, keine Ställe (OLG 5, 316); Bolze 19 Nr. 74; vgl. BayObLG 3, 133 (Dienstbarkeit, daß ein Grundstück, soweit es über die Baulinie hinausragt, nicht überbaut werden darf). Bolze 15 Nr. 43 (Beschränkung, kein Gebäude zu halten, es sei denn ein solches mit sauber gestrichener Wand, s. hierzu unten N. 101). Der Inhalt einer Dienstbarkeit kann auch darin bestehen, daß auf dem Grundstück solche Anlagen nicht errichtet und solche Gegenstände nicht aufgestellt werden dürfen, die einen landschaftlich unschönen Anblick gewähren. Es ist nicht zu fordern, daß alle in Betracht kommenden Einzelanlagen im voraus bestimmt sein müssen. Es genügt die objektive Bestimmbarkeit auf Grund der angegebenen allgemeinen Merkmale. Im Streitfalle entscheidet der Richter. KGB1. 1907, 1 if.; Bolze 12 Nr. 65. R G 117, 326; SeuffA 56 Nr. 103. 5S ) Vgl. Kohler, ArchZivPr. 87, 187; zum Begriff Villa s. a. a. O. 165. 59) R G 47, 356; RJA 12, 69; K G J 47, 186. e l ) Vgl. oben N. 53. «°) L G Lübeck DNotZ 56, 558. 62) Zur Begründung einer solchen Servitut (servitus ne ventus excludatur) durch Ersitzung war nach gemeinem Recht ein Widerspruch des Müllers gegen eine windentziehende Anlage und Stillesetzen des Nachbarn während der hierauf folgenden Ersitzungszeit erforderlich. Holzschuher, Theorie u. Kas. 2, 403. Für das Gebiet des preußischen Rechtes war die Begründung einer derartigen Grunddienstbarkeit verboten (ALR 247 II 15 V O 18. 11. 1819; JW 1912, 923). 63) SeuffA 45 Nr. 168, 15 Nr. 204 (Recht, die Errichtung einer Mahlmühle zu verbieten). B G H Z 29, 246; BayObLGZ 53, 295; BayObLG DNotZ 56, 687; O L G München NJW 57, 1765; K G Rpfl. 59, 20; BayObLG u. OLGStuttgart Rpfl. 59, 22 (Verbot der Errichtung oder des Betriebs einer Tankstelle auf dem belasteten Grundstück oder Verbot der Errichtung einer solchen durch ein Konkurrenzunternehmen); hiervon ist der Fall zu unterscheiden, daß nur die Erzeugnisse des Berechtigten abgenommen und auf dem Grundstück vertrieben werden sollen; ein solcher Kontrahierungszwang zugunsten eines bestimmten Lieferanten kann dem Eigentümer durch eine Grunddienstbarkeit nicht auferlegt werden (Vgl. Knöchlin BB 61, 589 u. unten N. 71); BGH NJW 62, 486 (Verbot, auf einem Grundstück Flaschenbiere zu handeln, ist eintragungsfähig); O L G Stuttgart MDR 56, 679 (Sicherung eines Wohnungsbesetzungsrechts). Voraussetzung ist in allen derartigen Fällen, daß die Beschränkung für die Benutzung des herrschenden Grundstückes Vorteil bietet und die Benutzung des dienenden Grundstückes betrifft. S. darüber unten § 30 III 1 N. 89. Vgl. auch Bernhardt NJW 64, 804 (Wettbewerbsverbote als Grunddienstbarkeit) und Walberer NJW 65 S. 2138 (Belastung im Sinne von §1018 BGB bei Wettbewerbsverboten). M ) R 1918 Nr. 375 (RG). 65) KGJ 36 A , 220; vgl. O L G 18, 229. M ) JW 09, 688. 603
§ 3 0 113
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
werden müsse (nicht beseitigt werden dürfe) 67 ) oder daß der Eigentümer des belasteten Grundstücks die Gartenmauer nicht beseitigen dürfe 68 ) oder daß Steine nicht gebrochen69) oder keine Keller angelegt 70 ) werden dürfen. Da eine Dienstbarkeit eine Belastung voraussetzt, die das Eigentum am Grundstück einschränkt, die Beschränkung des Rechts zur freien Auswahl eines Warenlieferanten aber nur die rechtsgeschäftliche Freiheit im Hinblick auf die wirtschaftliche Förderung des Gewerbebetriebs beschränkt, ist die Bestellung einer Dienstbarkeit des Inhalts un2ulässig, daß auf dem zu belastenden Grundstück kein anderes Erzeugnis als das des Dienstbarkeitsberechtigten verkauft oder vertrieben werden darf; die Dienstbarkeit darf also nicht zu einer persönlichen Bindung des jeweiligen Eigentümers, die zwar durch seine Eigentümerstellung rechtlich ermöglicht wird, aber mit ihr in keinem inneren Zusammenhang steht, mißbraucht werden. Somit ist es auch nicht zulässig, daß eine Dienstbarkeit eingetragen wird, wonach auf dem belasteten Grundstück (Schankwirtschaft) nur Bier aus der (berechtigten) Brauerei ausgeschenkt werden dürfe 71 ). Eine Grunddienstbarkeit, die den Eigentümer verpflichtet, das ihm zustehende Jagdrecht nicht oder nur mit besonderen Beschränkungen auszuüben, ist inhaltlich unzulässig72). Das Verbot muß sich auf Maßnahmen tatsächlicher Art beschränken, eine Grunddienstbarkeit, gerichtet auf Unterlassung von Rechtshandlungen, ist unzulässig73). 3. Auf dem belasteten Grundstück darf ein an sich b e s t e h e n d e s R e c h t nicht a u s g e ü b t werden. Das Recht kann sich aus dem Eigentum an dem anderen Grundstück 74 ) auf Grund der nachbarrechtlichen76) Vorschriften ergeben76). Hierher gehört z. B. der Verzicht auf den Bauabstand 77 ), die Verpflichtung, sich Eingriffe in das Eigentum, insbesondere die Belästigung durch Funkenauswürfe aus den Lokomotiven 78 ) 88 • 7 ) Vgl. K G J 26 A , 277; R J A 1 1 , 1 3 3 ; O L G 26, 83. ) Vgl. K G J 26 A , 277. • 9 ) Vgl. B a y O G H 13, 592. '») HansGZ n , 118. 71 ) So die herrschende Meinung, vgl. insbesondere B G H Z . 29, 246 mit zahlreichen Nachweisen; Staudinger R N 4 zu § 1019 B G B ; jetzt auch Meisner-Ring § 27 II b. Vgl. 72 vorsteh. N. 63. ) O L G 15, 372 (Kammergericht). Vgl. auch oben N. 50. 73 ) Wolff 349; R G K Anm. 20 zu § 1018 B G B ; SeuffA 66 N . 120 ( K G ) ; K G J 51, 297; O L G 2 i , 408. Ein vertragliches Teilungsverbot ist nicht eintragungsfähig. SeuffA 66 N. 210 (KG). Vgl. oben N. 52 und unten N. 75. 74 ) Hierunter fällt nicht ein Verzicht auf ein mit dem Eigentum am Grundstück verbundenes dingliches Recht (Reallast, Grunddienstbarkeit). K G J 23, 226; 25, 1 4 2 ; O L G 3, 292. ,5 ) Der Ausschluß der Befugnis, das Grundstück in Teilgrundstücke zu zerlegen, eignet sich nicht zum Inhalt einer Grunddienstbarkeit, ist gemäß § 137 B G B auch nicht als Verfügungsbeschränkung eintragungsfähig (SeuffA 65 Nr. 169, Rostock). Vgl. oben 76 N . 52 u. 73. ) Vgl. J W 1892, 153 Nr. 1 7 ; R G 1 1 9 , 2 1 1 . 78 " ) O L G 15, 365. ) Vgl. Gruchot 39, 974; 40, 1007; D N o t Z 1882, 155.
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Begriff und Wesen der Grunddienstbarkeiten
§ 30 IUI
oder durch Fabrikrauch 7 9 ) oder durch Dämpfe 8 0 ) gefallen zu lassen 81 ); aber auch die Duldungspflicht von Fenstern 82 ) oder Zäunen 8 3 ), die nach dem Gesetze unzulässig wären, und umgekehrt der Verzicht auf ein an sich zulässiges Fenster 84 ). E i n Verzicht auf künftige Entschädigungsansprüche wegen Beschädigung des Grundeigentums kann als zulässiger Inhalt einer Grunddienstbarkeit nicht erachtet werden 86 ). Unter der Geltung des bisherigen Rechts haben sich vielfach Grunddienstbarkeiten entwickelt, deren Inhalt eine Befreiung von einer nach bisherigem Recht (namentlich nach Lokalbaustatuten) geltenden Eigentumsbeschränkung darstellt 86 ). Soweit die neue Gesetzgebung diese Eigentumsbeschränkungen aufgehoben hat, ruhen diese Servituten; sie gehen nicht etwa unter, so daß sie bei einer Gesetzesänderung ohne weiteres wieder aufleben würden. III. E r f o r d e r n i s s e i. V o r t e i l f ü r d a s G r u n d s t ü c k . Allen gemeinsam, daß die Grunddienstbarkeit nur stehen kann, die für die B e n u t z u n g d e s rechtigten Vorteil bietet (§ 1 0 1 9 B G B ) 8 ' ) ,
diesen Fällen ist jedoch in einer Belastung beG r u n d s t ü c k s des Bewenn auch erst in der
80 '») Vgl. SeuffA 28 Nr. 201, 36 Nr. 265. ) Vgl. SeuffA 36 Nr. 264. ) 1. 8 § 5, 7 D, 8, 5. In solchen Fällen wird für die Ersitzung das Erfordernis der Rechtsüberzeugung besonders zu berücksichtigen sein, s. unten § 36 II. e2 ) S. oben §25. Servitus luminum, vgl. SeuffA z Nr. 139, 6 Nr. 15, 14 Nr. 1 3 ; ArchZivPr. 52, 206. Vielfach wird die servitus luminum als das Recht aufgefaßt, in einer f r e m d e n oder gemeinschaftlichen Wand Fenster zu haben. Vgl. Windscheid, Pand. $ 2 i i a Anm. 8; Holzschuher, Theor. und Kas. 2, 399; SeuffA 10 Nr. 16. Der Inhaber eines Fensterrechts (ohne Lichtrecht) kann dem Nachbarn die Errichtung eines Baues in einer Höhe verbieten, welche die Polizei zum Verbot des Fensters veranlassen würde 83 M (Bolze 18 Nr. 59). ) R 13 N. 518 (BayObLG). ) SchlHA 09, 49. 85 ) R G 119, 213; O L G 3, 96; 4, 268; K G J 21, 310; 22, 152; 49, 197. Doch ist eine Auslegung eines solchen Vertrages dahin zulässig, daß die Duldungspflicht und mit ihr die Folge des Wegfalls des Entschädigungsanspruchs begründet und eingetragen werden sollte. O L G 3, 291; BayObLG 10, 439; BayZ 09, 475. JW 21, 584 (KG); Staudinger R N 32 zu § 1018 B G B ; Meisner-Ring § 27 II c. Femer ist der Verzicht auf Schadensersatzansprüche dann eintragungsfähig, wenn der Unterlassungsanspruch gesetzlich durch einen Schadensersatzanspruch ersetzt ist, wie in den Fällen des § 26 GewO (vgl. unten § 39), des § 148 AllgPrBergGes. (RG 130, 3 5 1 ; K G H R R 34, 262), ebenso Palandt 4 zu § 1018 B G B ; Westermann § 63 V 1. Nach O L G Hamm MDR 65 S. 659 kann unabhängig von einer bestehenden Verpflichtung, den bergbaumäßigen Abbau zu dulden, ein Verzicht auf Bergschäden Inhalt einer Dienstbarkeit sein. " ) So z. B. Dienstbarkeiten auf das Recht zum Höherbauen oder zum Bauen unmittelbar an der Grenze, zum Verbauen der Aussicht; auf Befreiung von der Pflicht, den Tropfenfall aufzunehmen. Servitus altius tollendi, officiendi luminibus vicini, stillicidii non avertendi; vgl. hierzu Windscheid, Pand. 1 § 211 a Anm. 10 und 1 1 , aber auch Holzschuher, Theorie und Kas. 2, 400. 87 ) § 1019 B G B enthält zwingendes Recht, SeuffBl. 66, 7. Staudinger R N 2 zu § 1019 B G B ; R G K Anm. 1 zu § 1019 B G B ; O L G 5, 120. Es genügt jeder rechtsschutzwürdige, auch nur im öffentlichen Interesse liegende Vorteil, der mit privatrechtlichen 81
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§ 30
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
III 1 Zukunft 88 ); servitus fundo utilis esse debet. Begrifflich wäre keine Voraussetzung, daß der Vorteil in Geldeswert umzusetzen sei; weil aber Belastungen, die nur den rein persönlichen Bedürfnissen oder Vorteilen eines bestimmten Grundeigentümers dienen89), keine Grunddienstbarkeiten im Sinne des BGB darstellen, wird im praktischen Ergebnis der Vorteil, welcher für die Benutzung des Grundstücks objektiv wirkt, regelmäßig auch ein geldwerter sein. So wird z. B. durch das Recht, einen fremden Garten zu benützen, das Bewohnen des Hauses, mit welchem dieses Recht verknüpft ist, für jedermann annehmlicher und diese Annehmlichkeit stellt einen Geldwert dar 90 ). Der Eigentümer eines Grundstücks kann eine Wegegerechtigkeit über ein fremdes Grundstück erwerben, um zu einem Pachtacker zu gelangen, wenn letzterer zum Vorteil des ersteren bewirtschaftet wird. Dieses ist das herrschende Grundstück91). Stets aber muß der Vorteil ein wirtschaftlicher sein; er muß sich beziehen auf ein Interesse, wie es Schutz und rechtliche Regelung im Privatrecht findet 82 ). Mitteln verfolgt wird (BayObLG N J W 65 S. 1484 mit Hinweisen auf B G H Z 41, 2 1 1 ; R G 159, 197 u. i n , 592). 88 ) Ein bei regelmäßigem Verlauf erst künftig eintretender Vorteil genügt ( K G in H R R 33, 1587); Grunddienstbarkeit, die einem in der Zukunft zu errichtenden Gebäude zugute kommt (SeuffA 47 Nr. 10); vgl. R G K Anm. 3 zu § 1019 B G B ; Staudinger R N 2 zu § 1019 B G B . 8S ) In diesem Falle fehlt eben die wesentliche Voraussetzung, daß der Vorteil in der Beschaffenheit des herrschenden Grundstücks eine objektive Grundlage hat. Maenner 273; Turnau-Förster Bern. I 2 zu § 1019 B G B ; vgl. Kohler, ArchZivPr. 87, 160 u. 170; BayObLG 27, 136 (Inhalt einer Grunddienstbarkeit kann kein Wettbewerbsverbot sein, das ausschließlich einer Person zugute kommt). Vgl. oben N. 63. 90 ) Vgl. R G 61, 341; L Z 17, 730; Maenner 273 gegen Kohler, ArchZivPr. 87, 170. 81 ) StriethA 30, 153. 92 ) Dagegen kann für den Rechtsinhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit das Erfordernis eines wirtschaftlichen Vorteils oder eines privatrechtlichen Interesses nicht aufgestellt werden. So R G m , 392 gegen R G 61, 318. Deshalb kann namentlich für öffentliche Körperschaften (Staat, Gemeinde) eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zur Förderung der öffentlichen Aufgaben der Körperschaften bestellt werden. Vgl. Gierke 647; Wolff 350 III; K G J 22, 229; 45,229; R 14 N 777 (RG); Dernburg 556; Kohler, ArchZivPr. 87, 188, z. B. daß die Häuser am Kölner Domplatz im gotischen Stile gebaut werden. Vgl. L G Mosbach bei Warneyer 1908, 204 (die Verpflichtung, ohne Genehmigung der Unterrichtsverwaltung an einem geschichtlich merkwürdigen Baudenkmal keine Änderung vorzunehmen, ist als volkswirtschaftlicher Vorteil zugunsten der Unterrichtsverwaltung anzusehen). Auch sozialen Zwecken kann die persönliche Dienstbarkeit dienen (Bewohnen des Hauses nur durch Arbeiterfamilien K G J 36 A 216; Bewohnen nur durch deutschstämmige Landarbeiter R G m , 384). In diesen Fällen genügt jeder rechtsschutzwürdige, auch nur im öffentlichen Interesse liegende Vorteil, der mit privatrechtlichen Mitteln verfolgt wird ( B G H Z 41 S. 2 1 1 ; R G Z 159, 197): z. B. die Verpflichtung zugunsten einer Stadtgemeinde, das Grundstück für keinen anderen Zweck als zur Einstellung von Kraftfahrzeugen nebst Zufahrt zu verwenden und zu diesem Zweck dauernd offenzuhalten (BayObLG N J W 65 S. 1484).
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Begriff und Wesen der Grunddienstbarkeiten
§
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III 1 Ein ästhetisches Interesse kann einen solchen Vorteil f ü r das G r u n d s t ü c k bieten. Man denke an den Fall, daß für ein Schloßgebäude eine Grunddienstbarkeit des Inhalts bestellt wird, daß ein gegenüberliegender Hügel bewaldet sein muß oder daß für ein altertümliches Haus die Grunddienstbarkeit bestellt wird, daß das daneben liegende Haus seinen altertümlichen Charakter behalten muß; denn dadurch wird die Ansehnlichkeit des berechtigten Hauses gefördert 93 ). Ebenso ist ein wirtschaftlicher Vorteil gegeben, wenn der Charakter einer Villengegend erhalten bleiben soll, denn er besteht in der damit verbundenen Annehmlichkeit des Wohnens, zu der in ästhetischer Hinsicht eine Harmonie des Baustils zu zählen ist93®). Die Beschränkung eines Gewerbebetriebs94) auf einem anderen Grundstück bietet den geforderten Vorteil für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten, sofern der Vorteil in der Beschaffenheit des herrschenden Grundstücks eine objektive Grundlage hat; es muß also das herrschende Grundstück zu dem Gewerbebetrieb, dessen Ausübung gefördert oder erleichtert werden soll, besonders eingerichtet oder doch diese Einrichtung in Aussicht genommen 95 ) sein; so ist z. B. für die Benutzung eines Grundstücks, das für den Betrieb einer Tankstelle eingerichtet ist, von Vorteil, wenn auf einem benachbarten Grundstück eine Tankstelle nicht aufgebaut werden darf 96 ); man hat es also mit einer Grunddienstbarkeit zu tun, wenn zugunsten des Eigentümers eines Grundstücks, das zu einem bestimmten Gewerbebetrieb eingerichtet ist oder eingerichtet werden soll, dem Nachbarn die Beschränkung auferlegt ist, auf seinem Grundstück kein Konkurrenzgeschäft zu betreiben97). Auch die Berechtigung, auf einem Nach9S
) K G J 45, 229 (Erhaltung eines bestimmten Charakters der Gegend). ) B G H D N o t Z 68 S. 28. 94 ) Die Gewerbeordnung steht nicht entgegen (BayObLG 4, 476). Es darf auf dem belasteten Grundstück ein bestimmtes Gewerbe nicht betrieben werden; BayObLG 15, 339; SeuffBl. 6o, 103. E s darf auf dem belasteten Grundstück solange keine Gastwirtschaft betrieben werden, als auf dem herrschenden Grundstück eine Gastwirtschaft besteht. Vgl. oben N . 63 u. 71 sowie Bernhardt N J W 64, 804. 95 ) V g l . M 3, 482; Mugdan 3, 268; J W 1900, 676 Nr. 46; O L G 15, 360; 41, 168; R 24 N. 394; BayObLG 15, 89; Maenner 274, die zeitweilige Einstellung des Gewerbebetriebes (Abbrennen der Fabrik) entzieht der Grunddienstbarkeit noch nicht die Grundlage (vgl. B G H in L M 1 zu § 1020 B G B ; B G H D N o t Z 56, 40; BayObLGStr. 10, 207); dazu wäre die dauernde Unmöglichkeit ihrer Ausübung erforderlich; das wäre z. B. der Fall, wenn mit Rücksicht auf den Schutz einer Heilquelle das Graben nach Lehm dauernd unzulässig wäre. Eine besondere Einrichtung des Grundstücks zum Gewerbebetrieb ist nicht schlechthin erforderlich (Dernburg 5 5 7 ; Wolff 351 u. n ) . Siehe auch B G H L M 1 zu § 1020 B G B . " ) Vgl. oben N. 63, 71 und 94. Siehe dort auch wegen der Vereinbarung, daß auf dem Grundstück, auf dem sich eine Gastwirtschaft befindet, nur das Bier einer bestimmten Brauerei ausgeschenkt werden darf. Vgl. oben N. 63. " ) Maenner 273; Gierke 648 n. 38; 3 5 1 ; K G 41, 168 und dortige Nachweise. V g l . oben N. 63. 93a
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in 1 bargrundstück Lehm für eine auf dem Grundstück der Berechtigten befindliche oder in Aussicht genommene Ziegelei zu graben, eignet sich demnach als Inhalt einer Grunddienstbarkeit98). Wenn es für den Vorteil, den die Berechtigung bringt, an einer objektiven, in der Beschaffenheit des herrschenden Grundstücks gelegenen Grundlage fehlt, kommt keine Grunddienstbarkeit, möglicherweise aber eine persönliche Dienstbarkeit in Frage"). Die Bestellung eines Bauverbots in der Weise, daß es dauern soll, solange das herrschende Grundstück der Familie des gegenwärtigen Eigentümers gehört, ist als Inhalt einer Grunddienstbarkeit geeignet. Denn die Familienmitglieder haben den Vorteil nicht als solche, sondern nur weil und solange sie Eigentümer sind. Das Bauverbot dient also dem Grundstück unmittelbar, wenn auch nicht für immer100). Im Grunde genommen handelt es sich um eine Befristung 1003 ). Zum Wesen der Grunddienstbarkeit gehört aber, daß das ihren Inhalt bildende Recht für die Benutzung des herrschenden Grundstücks nach dessen Natur und Zweckbestimmung, wenn auch nur mittelbar, einen w i r t s c h a f t l i c h e n V o r t e i l b i e t e t oder b i e t e n kann 101 ).Deshalb ist ein a u ß e r h a l b des P r i v a t r e c h t s liegendes Interesse nicht ausreichend, um ein Recht, welches zu seiner Befriedigung dienen soll, als Dienstbarkeit gelten zu lassen. Dies gilt auch für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Es kann z. B. zugunsten einer Gemeinde oder zugunsten des Fiskus nicht eine Dienstbarkeit des Inhalts bestellt werden, daß ein Grundeigentümer sich gewissen b a u p o l i z e i l i c h e n oder g e s u n d h e i t s p o l i z e i l i c h e n Beschränkungen unterwirft 102 ). Damit steht nicht im Widerspruch, daß die Begründung einer Dienstbarkeit von an sich öffentlich-rechtlichem Inhalt durch privatrechtlichen Begründungsakt möglich ist mit der Folge, 98 ) Vgl. J W 05, 595 Nr. 12 (RG); ebenso schon für das preußische Recht 8, 207; s. unten § 31 N. 8. Dagegen kann die Berechtigung, auf fremdem Grundstück Lehm zu graben, um ihn im Urzustand zu verkaufen, den Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit bilden. »») Vgl. O L G 2 6 , 8 1 ; R G 73, 197; Rechtog Nr. 2266; Recht 07 Nr. 2558, R G . (Einer Eisenbahngesellschaft ist das Recht eingeräumt, auf einem fremden Grundstück ein Gleis zu halten.) J W 0 9 , 146 (zugunsten des Miitärfiskus übernommene, im Interesse der Landesverteidigung gelegene Verpflichtung, ein Grundstück nicht aufzuforsten). 10 °) BayObLG 1 3 , 1 4 5 ; R J A 12, 69. 100a) Vgl. u n t e n § j 0 i n 8. 101 ) E s ist z. B. nicht zulässig, daß ein Hauseigentümer, der eine Idiosynkrasie gegen die blaue Farbe hat, sich eine Dienstbarkeit bestellen läßt, wonach das Nachbarhaus nicht blau angestrichen werden darf (Kohler, ArchZivPr. 87, 180); wohl aber könnte eine Dienstbarkeit bestellt werden, daß das mit seiner Sonnenseite zugekehrte Haus auf dieser Seite keinen blendenden Anstrich erhalten darf; denn hierdurch wird das Wohnen für jedermann annehmlicher. Vgl. auch oben N . 92. 102 ) J W 0 5 , 692 Nr. 16 (RG); Recht 07 Nr. 2743 (RG); 09, 146; D J Z 06, 1 1 7 0 ; HansGZ Beibl. 17, 1 3 9 ; O L G 34, 285; K G J 36, 2 1 6 ; 47, 185.
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III 1 daß dem Berechtigten hieraus ein Privatrecht erwächst 103 ). Voraussetzung ist hierbei aber, daß dieses Recht dem Berechtigten einen wirtschaftlichen Vorteil bietet. Gewährt infolge einer bei Begründung der Grunddienstbarkeit nicht vorauszusehenden Entwicklung dieses Recht, vom Standpunkt vernünftiger Wirtschaft aus gesehen, keinen Vorteil mehr für das herrschende Grundstück, ist die Ausübung der Grunddienstbarkeit aber an sich noch möglich und zulässig 103a ), und haben sich zugleich die Nachteile für das dienende Grundstück so stark vermehrt, daß n u n m e h r der N u t z e n außer V e r h ä l t n i s zu dem S c h a d e n steht, so muß, sofern die Veränderung nicht nur zeitweilig ist und ihr auch nicht durch die bloße Einschränkung der Ausübung Rechnung getragen werden kann, dem Belasteten in aller Regel in Ausdehnung der Bestimmung des § 1020 S. 1 B G B und in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens, welcher der für die Hypothek aufgestellten Vorschrift des § 1169 B G B zugrunde liegt, die Befugnis zugebilligt werden, der Weiterausübung des alten Rechts zu widersprechen und von dem Berechtigten den Verzicht auf sein Recht zu verlangen; das ist ein besonderer Fall des sich auf § 242 B G B gründenden Einwands unzulässiger Rechtsausübung10315). Ein solcher Anspruch auf Aufhebung und Löschung einer Grunddienstbarkeit ist aber nicht schon dann gegeben, wenn ihr Inhaber davon einen Gebrauch macht, der über den Umfang der eingeräumten Befugnis hinausgeht, ohne daß damit zugleich die Voraussetzungen für eine Billigkeitsentscheidung im vorerwähnten Sinne anzunehmen wären ; in solchem Falle kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks nur mit den Rechtsbehelfen aus § 1004 B G B vorgehen 1030 ). Ein Fall des objektiven und endgültigen Wegfalls des Vorteils ist nicht gegeben, wenn in Durchführung einer dahin lautenden Grunddienstbarkeit 1M ) J D R 6, 398 ( R G ) ; R 14 N r . 7 7 7 ; R G 6 1 , 5 4 2 ; Heß. Rspr. 16, 163 (Darmstadt); K G J 40, 2 4 7 ; 47, 185. — E s ist aber unzulässig, in der Eintragung auf eine Polizeivorschrift Bezug zu nehmen K G J 46, 2 2 1 ; O L G 34, 226. iosa) v g l . unten § 37 A 8. 103b) r g 169, 183 (hinsichtlich eines Wegerechts); K G J R 63, 18 (tiefgreifende Veränderung der Verhältnisse lassen Sinn und Z w e c k der Dienstbarkeit für die Benutzung des herrschenden Grundstücks entfallen); L G Osnabrück R d L 57, 3 0 5 ; Staudinger R N 45 zu § 1 0 1 8 B G B . i03c) B G H N J W 65 S. 1 2 2 9 (Der Eigentümer einer Wegedienstbarkeit hatte diese auch zum Vorteil eines von ihm errichteten Zweifamilienhauses benutzt; daneben w a r aber die Möglichkeit der Benutzung des dienenden Grundstücks in dem bisherigen, den Anforderungen einer Felddienstbarkeit entsprechenden Umfang bestehen geblieben, da das Zweifamilienhaus nur einen Teil des herrschenden Grundstücks einnahm und genügend Gelände übriggeblieben war, um das dienende Grundstück auch gärtnerisch zu nutzen). V g l . auch B G H N J W 65, 2340 (Der Inhaber eines Grundstücks, für das ein Wegerecht eingetragen war, hatte auf diesem und einem anderen benachbarten Grundstück ein einheitliches Gebäude und einen einheitlichen Gewerbebetrieb errichtet; hier
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Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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^ 30 III 2
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
v o m belasteten Grundstück aus an das auf dem herrschenden Grundstück stehende Gebäude angebaut worden ist, auch wenn nach den bestehenden baurechtlichen Vorschriften eine andere A r t der Bebauung nicht zulässig ist, denn im Falle einer Zerstörung des zweiten Gebäudes kann die Frage des Anbaues erneut praktisch werden, wobei im Falle des Nichtbestehens der Grunddienstbarkeit eine Befreiung v o n der baurechtlichen Anbauverpflichtung versucht werden könnte, sofern diese dann überhaupt noch bestünde. 2. N a c h b a r s c h a f t u n d d a u e r n d e r V o r t e i l s i n d n i c h t e r f o r d e r l i c h . Vizinität (Nachbarschaft) des herrschenden und dienenden Grundstücks ist begrifflich nicht erforderlich 1 0 4 ), ebensowenig, daß das belastete Grundstück den Vorteil d a u e r n d gewähre [causa perpetua 1 0 6 )]. E s ist blieb das Wegerecht bestehen, sein Umfang bemaß sich allerdings nur nach dem Durchschnittsmaß der Nutzung aus der Zeit vor der Ausdehnung des Betriebs). 104 ) M 3, 482; Mugdan 3, 269. Es müssen aber natürlich solche räumliche Verhältnisse bestehen, daß die Gewährung des Vorteils möglich ist. (Weiter reichte übrigens auch die Tragweite des gemeinrechtlichen Satzes nicht: „praedia debent esse vicina" vgl. SeuffA 37 Nr. 926; R G 26,169; 27,164; vgl. BayObLG 18, 315 [Recht zum Halten eines Felsenkellers mit Kegelbahn für eine Brauerei], vgl. über Vizinität Kohler, ArchZivPr. 87, 185.) Es entfällt z. B. die Grunddienstbarkeit, wenn der öffentliche Weg, durch dessen Benutzung die Ausübung der Viehtrift ermöglicht wird, für immer aufgelassen wird. Endemann 633 Anm. 23; vgl. aber auch Kohler, ArchZivPr. 87, 183fr. — So erlischt die Grunddienstbarkeit, welche nur zum Aufschlagen der Fensterflügel durch den Luftraum berechtigt, nicht aber zugleich ein Lichtrecht in sich schließt, durch Verbauen der Fenster. Der Nachbar braucht in seinem Gebäude keine Ausschachtung vorzunehmen, um dem Fensterinhaber das alsdann für sein Grundstück wertlose öffnen der Fenster zu ermöglichen. Die Grunddienstbarkeit selbst ist wegen Wegfalls des Vorteils erloschen SeuffBl. 39, 185); es ist nicht nötig, auf § 226 B G B zurückzugreifen. los ) Palandt 2 c zu § 1019 B G B ; M 3, 482; Mugdan 3, 269; R J A 12, 70 (BayObLG). Über causa perpetua vgl. Kohler, ArchZivPr. 87, 190 und 213. Weil eine causa perpetua (vgl. BayOGH 8, 155 über Regenwasser; SeuffA 43 Nr. 7) nicht erforderlich ist, kann an sich eine Grunddienstbarkeit mit zeitlicher Beschränkung bestellt werden. Weil die Grunddienstbarkeit nur in einer Belastung bestehen kann, die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet, erlischt die Grunddienstbarkeit, sobald die den Vorteil ermöglichenden tatsächlichen Unterlagen d a u e r n d aufgehoben sind. Eine Grunddienstbarkeit auf Ausbeutung eines Steinbruchs erlischt daher, wenn der Steinbruch erschöpft ist. Vgl. Staudinger R N 45 zu § 1018 B G B und R N 6 zu § 1019 B G B ; R G 26, 167, ebenso eine Wassergerechtigkeit, wenn die Quelle dauernd versiegt ist, während eine vorübergehende Austrocknung die Grunddienstbarkeit unberührt läßt. Die bloß vorübergehende Unmöglichkeit der Ausübung einer Grunddienstbarkeit berührt also ihren Bestand nicht. Ein Kellerrecht bleibt auch nach der Zerstörung des auf der Erdoberfläche errichteten Hauses bestehen (BayObLG MDR 68 S. 324). Wenn das h e r r s c h e n d e Gebäude abbrennt, geht die Grunddienstbarkeit auf das neu errichtete Gebäude über. Endemann 632 Anm. 22. Ebenso bleibt eine auf Unterlassung gerichtete Grunddienstbarkeit, welche im Interesse eines auf dem herrschenden Grundstück unterhaltenen Gewerbebetriebs bestellt ist, auch dann uneingeschränkt zulässig, wenn der Gewerbebetrieb — z. B. infolge Zerstörung des Gebäudes — vorübergehend
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Begriff und Wesen der Grunddienstbarkeiten
§
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III 3 deshalb auch eine Grunddienstbarkeit möglich, deren Vorteil nicht in der natürlichen Beschaffenheit des dienenden Grundstücks liegt, sondern künstliche Anlagen eines anderen voraussetzt 106 ). 3. B i n d u n g an d a s h e r r s c h e n d e G r u n d s t ü c k . N u r zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks 1 0 7 ), der aber mit dem Eigentümer des dienenden Grundstücks identisch sein kann 1 0 7 ") wie auch zugunsten der jeweiligen Eigentümer oder des jeweiligen Eigentümers mehrerer selbständiger Grundstücke 1 0 7 "), kann die Belastung mit einer Grunddienstbarkeit erfolgen; es ist also die Grunddienstbarkeit begrifflich an ein bestimmtes (herrschendes) Grundstück oder an mehrere bestimmte (herrschende) Grundstücke gebunden 1 0 8 ). D i e gleiche Grunddienstbarkeit kann also sowohl zugunsten wie auch zu Lasten mehrerer Grundstücke 1 0 9 ) als ein e i n h e i t l i c h e s R e c h t oder als eine e i n h e i t l i c h e B e l a s t u n g eingetragen w e r d e n 1 1 0 ) ; allerdings nicht zugunsten oder zu Lasten einer eingestellt ist; in solchem Falle liegt auch eine nur zeitweise Verhinderung nicht vor, weil die Dienstbarkeit auf eine Unterlassung geht und daher ihre Ausübung ausschließlich vom Willen des Beklagten abhängt und somit jederzeit möglich ist (BGH in L M 1 zu § 1020 BGB). Voraussetzung ist, daß keine stärkere Belastung eintritt, vgl. hierüber unten § 37 A 8 und B 6. Anders, wenn das mit einem dinglichen Wohnrecht im Sinne des § 1093 B G B belastete Gebäude untergeht; dann erlischt die Dienstbarkeit auf dem Gebäudegrundstück: B G H Z 7, 268; HW 54, 12, DNotZ 54, 483 und L M 1 u. 2 zu § 1093 B G B ; s. hierzu auch § 3 N. 14. 106 ) Dernburg 556; vgl. StriethA 42, 240 (Servitut zum Walken von Fellen auf der Mühlenwalke eines anderen). 107 ) Vgl. oben § 30 I. Uber Erbbaurecht, Erbpachtrecht, vererbliches und übertragbares Nutzungsrecht an einem Grundstück s. oben § 30 I. Die Gewässer (auch die öffentlichen Flüsse) sind als Grundstücke zu erachten (Mot. 3, 48 und 54). 107b 107a) Vgl. unten zu N. 126. ) Vgl. oben zu N. 17a u. 17b. 108 ) Daraus folgt, daß die Grunddienstbarkeit nicht ohne das herrschende Grundstück, als dessen Bestandteil sie nach § 96 B G B gilt, veräußert werden kann (OLG 34, 193 K G s. hierüber oben § 30 I) und daß sie auf jeden neuen Eigentümer mit dem Erwerbe des Eigentums des Grundstücks von selbst übergeht (so schon nach gemeinem Recht 1. 11 § 3 D 20, 1, 1. 44 D.19, 2). In der Gebundenheit an ein bestimmtes herrschendes Grundstück liegt das entscheidende Unterscheidungsmerkmal von der superficies und dem Erbbaurecht (vgl. oben § 4 I 4), aber auch von der persönlichen Dienstbarkeit (vgl. Recht 07 Nr. 2558; JW 09, 146). Bei der persönlichen Dienstbarkeit kann der Berechtigte nur eine bestimmte natürliche oder juristische Person sein, nicht dagegen der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks. (OLG 43, 3.)Vgl. auch O L G Celle DNotZ 58, 151. (Dingliche Sicherung der Befugnis, bestimmte Zimmer eines auf einem anderen Grundstück befindlichen Hauses benutzen zu dürfen.) 109 ) Das herrschende Grundstück kann aus mehreren Flurstücksnummern bestehen; unter der Bezeichnung „Hofraithe" versteht man Wohnhaus, Hofraum und die dazugehörigen Nebengebäude, nicht aber einen daran anstoßenden Garten. SeuffA 22 Nr. 214. Vgl. oben im Text zu § 30 N 5. 110 ) Abw. Kohler ArchZivPr. 87, 187. Nach ihm kann für alle Grundstücke eines bestimmten Bezirkes die dingliche Beschränkung, wonach nur Villenbau zulässig sein soll, nur durch Bestellung gegenseitiger Grunddienstbarkeiten rücksichtlich aller einzel-
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III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
III 3 ganzen Gemeindegemarkung als solcher, die ja keine zivilrechtliche Einheit bildet 111 ). Nur ein Recht ist vorhanden, wenn die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf mehrere Grundstücke erstreckt werden muß, falls ohne die gleichzeitige Ausübung auf den anderen Grundstücken eine sinnvolle Ausübung auf einem Grundstück nicht möglich ist, z. B. wenn ein Auszüger das Recht haben soll, Bodenraum zu benutzen, der sich in zwei, zu verschiedenen Grundstücken gehörigen Häusern befindet 111 *). Der i d e e l l e Miteigentumsanteil an einem Grundstück kann für sich allein mit einer Grunddienstbarkeit nicht b e l a s t e t werden, da diese notwendig das ganze Grundstück belastet lllb ). Ein r e a l e r Grundstücksteil, nämlich ein Flurstück, das mit mehreren anderen unter einer Nummer als ein Grundstück im Grundbuch aufgeführt ist, kommt an sich für eine Belastung in Betracht; ist aber unter solchen Umständen Verwirrung zu befürchten, so muß das Flurstück abgeschrieben und als selbständiges Grundbuchgrundstück gemäß § 7 G B O eingetragen werden 1110 ). Nicht zu verwechseln mit der Belastung eines realen Teils eines Grundstücks ist die Bestellung einer Grunddienstbarkeit auf dem ganzen Grundstück mit der Bestimmung, daß sie nur auf einem bestimmten Teil ausgeübt werden darf 1 1 1d ). Der Unterschied zeigt sich bei der Zwangsversteigerung; nen Grundstücke durchgeführt werden. Nach bisherigem Recht wurde jedoch bei der Belastung der ganzen Gemeindegemarkung mit einer Grunddienstbarkeit angenommen, daß nicht so viel einzelne Servituten vorhanden seien, als die Gemarkung in einzelne Grundstücke abgeteilt sei, sondern daß eine derartige Servitut (z.B. Weiderechte) unteilbar auf dem ganzen Flächenraum, der die Gemeindegemarkung bildet, lastet, m. a. W., daß nur e i n e Dienstbarkeit und nur ein dienendes Gut vorhanden ist. Die Gemeinde ist aktiv und passiv legitimiert für einen Streit über Inhalt und Umfang eines solchen Weiderechts auf ihrer Gemarkung (Oberhofgericht Mannheim 7. 2. 1845 bei Matthiae, Contr. Lex. 2, 1 4 1 ; O L G Jena von 1833 bei Matthiae, Contr. Lex. 2, 145; vgl. SeuffBl. 7, 254; 9, 224; 10, 326; 1 1 , 334). Die Zusammenfassung aller Grundstücke der Gemeindegemarkung zu einem einzigen dienenden Grundstück rechtfertigt dann auch die Ansicht, daß bei Belastung der ganzen Gemeindegemarkung mit einem Weiderecht die den Eigentümern der einzelnen belasteten Grundstücke ex jure dominii zustehende Mithut durch die Gemeinde mittels einer Gemeindeschäferei ausgeübt werden kann und deshalb der Servitutberechtigte nicht verlangen kann, jeden einzelnen Eigentümer auf die Mithut auf seinem Grundstück zu beschränken (Seuffert und Oberhofgericht Mannheim bei Matthiae, Contr. Lex. 2, 142). Diese Rechtsverhältnisse sind nach Art. 184 E G aufrechterhalten. m ) Endemann 629; R G 142, 234. llla ) B a y O b L G Z 55, 170; K G J 44, 358. Vgl. oben N. 17b. 111 » ) M III, 479; Staudinger R N 2 (a) zu § 1018 B G B . Allerdings sieht § 9 E G Z V G vor, daß die auf einem Miteigentumsanteil ruhende altrechtliche Dienstbarkeit bestehen bleibt, wenn sie nicht in das geringste Gebot aufgenommen worden ist. 1Uc ) Ebenso Staudinger R N 2 zu § 1018 B G B ; vgl. auch oben § 2 I. — Das Zuschreiben eines unbelasteten Flurstücks zu einem mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstück kann Verwirrung im Grundbuch hervorrufen, wenn die Grunddienstbarkeit nicht auf den zugeschriebenen Bestandteil erstreckt wird (BayObLG 10, 630). Übrigens ist auch in § 1025 B G B nur die Zerlegung in mehrere Grundbuchgrundstücke gemeint.
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Begriff und Wesen der Grunddienstbarkeiten
§
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III 3 der Ersatzanspruch ergreift im ersten Fall nur den dem belasteten Teil entsprechenden Teil des Versteigerungserlöses, im zweiten Fall den G e samterlös 112 ). Z u g u n s t e n des jeweiligen Eigentümers eines i d e e l l e n Miteigentumsanteils an einem Grundstück kann eine Grunddienstbarkeit nicht bestellt werden 1 1 2 »). W o h l ist dies aber möglich zugunsten eines v o n mehreren Flurstücken, die im Grundbuch unter einer Nummer vereinigt sind 1 1 2 "). Zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines r e a l e n Grundstücksteils kann eine Grunddienstbarkeit erst bestellt werden, nachdem dieser Teil durch Abschreibung zu einem selbständigen Grundstück umgestellt worden ist 1 1 2 c ). D a die Grunddienstbarkeit an ein herrschendes Grundstück gebunden ist, kann sie nicht für eine Gemeinde oder die einzelnen Mitglieder einer Gemeinde bestellt werden, wohl aber zugunsten der jeweiligen Grundeigentümer des Gemeindebezirks 1 1 3 ). N a c h gemeinem R e c h t 1 1 4 ) konnte eine derartige Gemeindeservitut zugunsten eines ganzen territorialen oder personalen Kreises erworben werden, sofern die ihr zugrundeliegende Berechtigung zur Befriedigung eines konkret begrenzten Bedürfnisses 1 1 5 ) diente und den Charakter der Dauer an sich trug 1 1 6 ). W a r ein solches Recht zur Zeit des Inkrafttretens des B G B bereits begründet, so besteht es mit dem Inhalt weiter, der sich aus dem bisherigen Recht ergibt, und zwar als Grunddienstbarkeit (Art. 184 Satz 2 EG)117). nid) Vgl. u n t e n § 31 VI. n2 ) Staudinger R N 2 a zu § 1018 B G B ; Wolff 347; R G K Bern. 2 zu § 1018 B G B ; Planck Vorbem. 2 vor §1018 B G B ; O L G 4, 76; 21, 42; 36, 161. A. M. O L G 2, 5 1 ; 8, 301. 112a ) Ebenso Meisner-Ring § 27 III 4; R G K Anm. 13 zu § 1018 B G B ; Palandt 3 zu § 1018 B G B ; Staudinger R N 2 zu § 1018 B G B ; a. M. Bärmann DNotZ 50, 267. 112 112b) v g l . 0 ben § 2 I zu N. 8. ) Vgl. oben § 31 II. Vgl. oben § 31 VIII 1. 18 ) StriethA 1, 307; 6, 65 u. 137; 19, 148. 19 ) OTr. 36, 221 (Einführung des Tabakbaus). so ) StriethA 1, 307; OTr. 16, 219; 45, 182. 21 ) RheinArch. 32 I 274; 38 II A 3; 411 20. Ausn.,wenn der Inhalt des Rechts „alle" Windbrüche des belasteten Waldgrundstücks umfaßt (RheinArch. 35 I 3). 22 ) OTr. 16, 18; 18, 274. Aktivlegitimation einzelner Gemeindeglieder OTr. 48, 259; 17a)
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**) O T r . 3 9 , 1 7 2 ; 33, 388; 83, 36.
Forstberechtigungen in den ehemals preußischen Gebieten
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der Eigentümer bis zur vollen Deckung des Berechtigten zurückzutreten24), bei unbemessenen Rechten tritt anteilige Ermäßigung ein (§ 227 I 22). Beruht dagegen die Unzulänglichkeit auf Verschulden des Eigentümers, so hat er zurückzutreten und ist dem Berechtigten ersatzpflichtig (§ 22c))26). Der Eigentümer ist nicht berechtigt, durch willkürliche Änderung der Kultur des dienenden Grundstücks das Forstrecht hinfällig zu machen 26 ). V. E i n s c h r ä n k u n g der F o r s t b e r e c h t i g u n g e n 2 7 ) Der Berechtigte hat bei Ausübung seiner Berechtigung der allgemeinen Vorschrift des § 1020 B G B zufolge das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Daneben ist er aber auch bei Ausübung seiner Berechtigung an die genaue Befolgung der forstpolizeilichen Bestimmungen gebunden (§ 215 I 22). Als forstpolizeiliche V o r schriften sind alle diejenigen Gebote und Verbote zu erachten, welche mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Waldungen zu ihrem Schutz erlassen worden sind 27 "). Hierher gehören die Vorschriften der §§ 2 1 3 I 22 A L R ; danach ist verboten, Holz ohne Wissen des Waldaufsehers zu fällen und abzuführen, an anderen als den vorgeschriebenen Holztagen Raff- und Leseholz zu sammeln (§ 218 I 22, § 26 Landeskult. Ed.), bei der Ausübung der Raff- und Leseholzgerechtigkeit Äxte, Beile usw. bei sich zu führen (§ 219 I 22). Von großer Bedeutung sind auch die im Interesse der allgemeinen Forstkultur erlassenen Vorschriften des Gesetzes betr. die Verwaltung der den Gemeinden usw. gehörigen Holzungen vom 14. 8. 1876 und des Gesetzes vom 6. 7. 1875 über die Schutzwaldungen28). Hierzu kommen zahlreiche provinziale Normen29). VI. A r t e n der Forstberechtigungen 2 9 ") 1. Das Beholzungsrecht (ius lignandi) kann auf Brennholz80) oder Bauholz31) gerichtet sein; es kann sich auf das Stockholz oder auf das Fallholz (Raff- und Leseholz)32), 24
"> Präj. 1499; PräjS 1 1 5 3 . OTr. 20, 229; StriethA 6i ( 262. ) Rehbein, Entsch. III 1058 Anm. 4;—RheinArch. 32 I 274; 4 1 1 20. 27 ) Durch Art. 113 E G sind die Vorschriften des Landesrechts über die Einschränkung der Dienstbarkeiten aufrecht erhalten. Unter diesen Vorbehalt fallen auch die forstpolizeilichen Vorschriften. BayZ 08, 114. Uber die Frage, ob der Waldeigentümer Teilflächen des Waldes ohne Zustimmung der Forstberechtigten veräußern darf, s. Krieger, BayZ 13, 451. Vgl. auch Staudinger RN 18 zu § 1019 BGB. 27a ) Vgl. Preuß. Feld- u. ForstpolizeiG (PrGS 33, 251), Hess. Feld- u. ForststrafG (GVB1. 54, 39), Niedersächs. Feld- u. ForstordnungsG (GVB1. 58, 244), Rheinl. pfälzl. Feld- u. ForststrafG (GVB1. 59, 85), Württ. ForstpolizeiG (RegBl. 02, 51). 28 ) DernburgSR § 74. 29 ) Vgl. die „Bondenholzberechtigung" in Schleswig-Holstein. SchlHA 03; 106; Kähler 506; Dickel-Forstzivilrecht 1032. 29») Wegen des Gemeingebrauchs am Walde vgl. oben § 1 II 6 d. 80 ) Begriff OTr. 9, 36. Wer Recht auf Brennholz hat, braucht sich nicht auf Raff- und Leseholz verweisen lassen, er kann selbst schlagen. OTr. 9, 36; 79, 212. Nach der Rechtsprechung der Auseinandersetzungsgerichte begreift dieselbe alles zum Bau, Unterhaltung M
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III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
vi 1 Spechtholz 33 ), Pollsoorenholz 34 ), Windfallholz 36 ) oder auf das von den gefällten Bäumen zurückgelassene Reisig (Abraum) beschränken 3 *). In einem solchen Recht auf das Raffund Leseholz ist das Recht auf das Lagerholz (infolge Alters umgefallene Bäume) so wenig enthalten wie auf Windbrüche 37 ) oder auf stehendes abgestandenes Holz 38 ), vgl. A L R I 22 §§ 214 bis 217, 224 LandkultEd. § 26. Die Berechtigten müssen sich zuweilen die Anweisung bestimmter Reviere und bestimmter Holztage gefallen lassen ( A L R I 22 § 218) 38 ). Wenn einem Anwesen die Holzungsgerechtigkeit ohne nähere Bestimmung eingeräumt ist, dann kommt es auf die Auslegung des Begriindungsaktes an; einen wichtigen Auslegungsbehelf bietet die bisherige Übung; im Zweifel wird man darunter nach Gemeinem Recht nur die Berechtigung zum Bezüge des Brennholzbedarfes, nicht auch zum Bezüge des Bauholzes zu verstehen haben 40 ), während A L R I 22 § 201 beide Rechte umfaßt. Ist und Wiederherstellung erforderliche Holz, gleich ob es sich um Zimmer- oder Tischlerarbeiten handelt. 31 ) Bauholzberechtigung einer Mühle umfaßt das Schirrholz. K o c h Bern. 63 zu § 201. 32 ) Begriff: A L R I 22 § 2 1 5 ; O T r . 79, 2 1 2 ; StriethA 92, 1 1 7 ; vgl. Pommersches ProvR § 262. Gemeinrechtlich versteht man unter „ R a f f h o l z " oder „Leseholz" das a b g e f a l l e n e Holz, welches so beschaffen ist, daß es ohne A x t und Schneideinstrument gesammelt, in Trachten zerknickt und auf den Schultern nach Hause gebracht werden kann (Hagemann 268). Das Sammeln von Leseholz ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Preuß. ForstdiebstahlG (GS 1924 S. 127), § 1 1 Abs. 1 Hess. Feld- u. ForststrafG ( G V B 1 . 54 S. 59) und § 2 Nr. 2 Niedersächs. Feld- u. ForstordnungsG ( G V B 1 . 58, S. 244) nur mit Genehmigung des Eigentümers oder Nutzungsberechtigten zulässig. Dagegen ist nach §§ 1 3 , 27 Abs. 1 Nr. 2 Rheinlandpf. Feld- u. ForststrafG (GVB1. 59 S. 85) das Sammeln von Leseholz grundsätzlich frei; allerdings kann der Waldeigentümer hinsichtlich Ort, Zeit und Art des Sammeins Auflagen machen. In jedem Falle kann auch gewohnheitsrechtlich ein Leseholzrecht gegeben sein. V g l . auch oben § 1 I I 6 d zur Frage des Gemeingebrauchs am Walde. 33 ) Unter „Spechtholz" wollen die Holzberechtigten meistens alle kranken Bäume begreifen, welche der Specht besucht, um die unter ihrer Rinde befindlichen Würmer herauszuholen. In der Regel wird man aber darunter nur die dürren Äste zu verstehen haben, die noch nicht abgefallen sind (Hagemann 268 Anm. 4). 31 ) Unter Pollsoorenholz sind Wipfeldürre Bäume zu verstehen (Poll bedeutet Wipfel). Hagemann 268 Anm. 7. S5 ) Wenn gesunde oder grüne Bäume von der Gewalt des Windes so umgeworfen sind, daß sie mit ihren Wurzeln aus der Erde gehoben sind, so nennt man diese Bäume Windfall. Hat dagegen der Wind den Stamm gebrochen, so daß die Wurzeln noch im Boden stecken, so heißen sie Windbrüche oder Windbranken. Steht die Berechtigung zu einer Gattung des Windfalls zu, so ist darin nicht ohne weiteres das Recht auf die andere Gattung eingeschlossen (Hagemann 549). 3e ) Vgl. SeuffA 1 1 Nr. 1 2 4 ; 24 Nr. 1 4 ; 38 Nr. 1 0 ; RheinArch. 41 I 23. Über Abraum vgl. StriethA 92, 1 1 7 . 37 ) Wer das Recht auf Windbruchholz hat, hat noch nicht das Recht auf Schnellbruchholz. 38 ) OTr. 19, 484; 20, 442; 2 1 , 122. Dernburg SR 597; BayOGHSt. 4, 46. Provinzialrecht: Paderborn § 54, Oberlausitz § 109. 39 ) Provinzialrechte: Pommern § 263; Oberlausitz § 1 0 5 ; Eichsfeld § 1 3 7 ; Sachsen §§600ff.; Berg §743, 750. Ostrhein. PartikR §§409ff. (Trier). Rheinisches Recht: RheinArch. 42 I 49; 25 I 227; 35 I 3; 38 I 92. 4 *) Holzschuher, Theor. u. Kas. 2, 166.
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Forstberechtigungen in den ehemals preußischen Gebieten
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VI 2,3 eine Bauholz- und Brennholzberechtigung nebeneinander zuständig, so bestehen zwei rechtlich voneinander unabhängige Dienstbarkeiten, von denen die eine selbständig abgelöst werden 41 ) oder durch Nichtgebrauch untergehen kann, während sich die andere erhält42). Ist das Holzbezugsrecht auf eine Holzart beschränkt, so ruht das Recht, solange die betreffende Holzart in dem Walde nicht mehr anzutreffen ist, doch hat der Berechtigte den Anspruch auf Wiederanpflanzung. Eine Pflicht des Eigentümers zur Schadloshaltung, und zwar in der Regel durch Zuweisung anderen Holzes, besteht dann, wenn der Mangel der Holzart von dem Eigentümer selbst herbeigeführt ist ( A L R I 22 §§ 231—234). Bei ungemessenen Berechtigungen bemißt sich der Umfang des Rechts nach dem Bedürfnis des berechtigten Grundstücks42»). 2. Die S t r e u g e r e c h t i g k e i t oder Waldstreuberechtigung besteht in der Befugnis,abgefallenes Laub, Nadeln, Moos usw. zum Unterstreuen unter das Vieh zwecks Dungbereitung zu beziehen (§ 1 Vorläuf. V O vom 5. 3. 1843, G S 105 43 ). Der Streuberechtigte darf die Streu nur mit besonderer Legitimation des Eigentümers holen, widrigenfalls er der Strafe des § 40 Z. 2 F u F P G verfällt. Das Recht ist nur im Winterhalbjahr und an festgesetzten Tagen ausübbar (§ § 3 ff. VO). Provinzialrechte verbieten es teilweise ganz44). Die Anwendung eiserner Rechen ist verboten (§ 4e VO). 3. Das M a s t u n g s r e c h t ist die Befugnis, Schweine in den Wald eines anderen zu treiben, um sie von den darin befindlichen Mastfrüchten, insbesondere Eicheln und Bucheckern, Haselnüssen (Baummast oder Obermast) zu nähren46). Sie begreift aber außer der Baummast der Regel nach auch die Erdmast oder Untermast (Wurzeln, Kräuter, Schwämme, Gewürm) in sich46). Ist die Zahl der Schweine ungemessen, so ist das Bedürfnis des herrschenden Guts maßgebend. Es folgt daraus regelmäßig, daß der Berechtigte nicht mehr Schweine in den Wald treiben darf, als er zu seinem Hausgebrauch benötigt 47 ). Verschiedene gemeinrechtliche Rechtslehren wollen die Mastgerechtigkeit, wenn deren Umfang unbestimmt ist, nur bei voller, nicht auch bei halber Mast zur Ausübung zulassen48). Indes ist richtiger Ansicht nach in diesem Fall die Ausübung auch bei halber Mast zulässig, nicht jedoch bei Spreng-, Fasel- oder Nachmast, sofern nicht durch Vertrag oder Herkommen eine solche Ausdehnung begründet ist49). Wenn bestimmt bloß die volle Mast verliehen ist, so besteht kein Anspruch auf die halbe Mast 50 ). Die Weideberechtigung begreift das Mastungsrecht nicht in sich. Solange volle, dreiviertel, halbe oder viertel Mast ist, darf der Weideberechtigte sein Vieh nicht in das Mastholz treiben (vgl. § 187 I 22 A L R ) ; während der Spreng- oder Faselmast und während der Nachmast darf dies geschehen; a b e r der Weideberechtigte kann den Waldeigentümer bzw. den Mastungsberechtigten nicht hindern, während dieser Zeit seine Schweine an die Stellen, wo sich die Mast befindet, zu treiben61). Der zur Mast Berechtigte darf nur die großen, fehmfähigen Schweine (Mastschweine) und nicht die Ferkel oder die zur Zucht bestimmten Schweine in die Mast bringen62), sofern der Berechtigte nicht dieses Recht besonders nachweist. Ist die Zahl 41
42 ) SeuffBl. 27, 377. ) Dernburg, Sachenrecht 597. 42a) Vgl. oben zu § 31 N. 1 2 b und zu § 34 N. 13a. 4S 44 ) RheinArch. 14 I 50; 39 I 46; 35 I 49. ) Recklinghausen § 22. 45 4 ) Dernburg 600; Holzschuher a. a. O. 167. ®) Hagemann 347. 47 ) Holzschuher a. a. O. 167; Strube, Rechtl. Bedenken 1 , 299. 48 ) Hertel „ D e eo quod iustum est circa ius glandis legendae" (Jena 1742) § 37; 49 Schröter, JurAbh. 1 , 423. ) Hagemann 346; Strube a. a. O. 1 , 298. 60 ) Strube a. a. O. 1, 298. 61 ) Hagemann 346. 52 ) Hagemann 347.
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§ 34
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
VII der Schweine nicht bestimmt, so darf der Mastungsberechtigte keine fremden Schweine auftreiben68). Der Waldeigentümer wird durch die Mastgerechtigkeit eines Dritten regelmäßig nicht gehindert, seine Schweine ebenfalls in die Mast zu treiben; nur darf er weder die Bäume schütteln, noch die Eicheln auflesen lassen54). Findet sich in alten Urkunden der Ausdruck: „Wenn Gott Mast beschert", oder „wenn Mast vorhanden", so hat man darunter im Zweifel die volle Mast zu verstehen, so daß, wenn unter dieser Voraussetzung 20 Schweine zum Eintrieb zuständig sind, bei halber Mast auch nur die halbe Zahl von Schweinen eingetrieben werden darf 65 ). Die Mastzeit ist nach dem Begründungsakt und dem Herkommen verschieden. Zumeist dauert sie von Michaelis bis Nikolai (6. Dezember), w o alsdann die Nachmast anfängt, die mit der vollen Aufzehrung des Mastrechts endigt6*). Gemeinrechtlich ist in dem Mastungsrecht die Befugnis zum Eichellesen nicht ohne weiteres enthalten (vgl. dagegen A L R §§ 187fr. I 22). Das Recht des Mastungsberechtigten ist teils überhaupt, teils dem Umfang nach davon abhängig, in welcher Menge Mastfrüchte vorhanden sind. Vielfach ist die Ausübung nur bei sog. „voller Mast" und zu bestimmten Jahreszeiten zulässig, bei Sprengmast ist nach § 194 I 22 A L R das Recht auf das Lesen der Früchte beschränkt. Bei der Zahl nach ungemessenem Mastungsrecht ist durch Sachverständige zu ermitteln, wann volle, dreiviertel, halbe oder Viertelmast stattfindet (§ 191 I 22 A L R ) , ferner wieviel Mastschweine bei voller Mast eingetrieben werden können; hiernach richtet sich, wieviel bei dreiviertel, halber oder Viertelmast eingetrieben werden dürfen. Volle Mast nimmt man an, wenn die Eicheln, namentlich auf den Sommereichen, recht reif, voll und zahlreich sind. Wenn bloß Bucheckern geraten sind oder wenn zwar die meisten Eichen Mast haben, aber nicht recht vollsitzen, so wird der Vorrat die halbe Mast genannt. Sitzen die Eichen nur an einigen Orten des Reviers voll, so spricht man von und wenn nur die Wipfel mit Früchten besetzt sind, von % -Mast. Sind im ganzen Forst nur einzelne wenige Bäume mit einigen Früchten versehen, so spricht man von Fasel, Spreng- oder Laufmast. Die volle Mast dauert gewöhnlich 10—12 Wochen; in 18 Wochen pflegt die Vor- und Nachmast beendigt zu sein. Faselmast nennt man, was für Faselvieh oder Faselschweine, d. h. zur Zucht bestimmte oder magere Schweine ausreicht. Fehmschweine ist gleichbedeutend mit Mastschweinen 6 '). „Einfehmen" bedeutet die Schweine in die Mast nehmen; „ausfehmen" bedeutet, sie wieder herausnehmen. D a s F e h m g e l d ist der B e t r a g , der dem W a l d h e r r n für die Ü b e r l a s s u n g der Mast bezahlt wird. VII. A b l ö s u n g d e r F o r s t r e c h t e Hierüber geben die Gemeinheitsteilungen und Ablösungsgesetze genaue Vorschriften (§§ Ii8ff. G T O , ErgänzgsGes. 2. 3. 1850 § 4 usw.). Zu bemerken ist, daß bei der Ablösung der Brennholzgerechtigkeit das auf dem herrschenden Grundstück vorhandene Material mitveranschlagt und in A b z u g gebracht wird, so weit das Gegenteil nicht ausdrücklich ausbedungen ist (Dekl. v. 29. 5. 1816 Art. 96). Das Reichsumlegungsgesetz (RGBl. 36 I S. 518) und die Reichsumlegungsordnung ( R G B l . 3 7 1 S . 629) haben die Möglichkeit zur z w a n g s w e i s e n A b l ö s u n g v o n Grunddienstbarkeiten aller Art. geschaffen. Heute sind die §§ 49, 68 FlurbereinigungsG (BGBl. 53 I S. 591) maßgebend. 6S )
Strube i , 299. 65 ) Hagemann 348. 6e ) Hagemann 346. Hagemann 348 Anm. 57 ) Hagemann, Landwirtschaftsrecht 344. Provinzialrechte: Pommern § 256; Eichsfeld §§ 169fr,; Ostrhein. PartR (§§ 404fr., Trier). 61 )
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Erwerb der Grunddienstbarkeiten nach dem geltenden Recht
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Die E n t e i g n u n g von Dienstbarkeiten ist nach den §§ i, 12, 29 BaulandbeschaffungsG (BGBl. 53 I S. 720) zulässig; vgl. dazu § 37 A 10. § 35. Erwerb der Grunddienstbarkeiten nach dem geltenden Recht § 873 BGB (1) Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Rechte sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechtes ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teiles über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Vor der Eintragung sind die Beteiligten an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen gerichtlich oder notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Berechtigte dem anderen Teile eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat. Bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen war, erfolgte die Begründung der Grunddienstbarkeiten nach den bisherigen Gesetzen (Art. 189 E G 1 ) , von da ab natürlich nach dem Recht des B G B l a ) . I. D i n g l i c h e r V e r t r a g und E i n t r a g u n g Von dem Zeitpunkt an, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, kann eine Grunddienstbarkeit nur durch dinglichen Vertrag in Verbindung mit der Eintragung auf dem belasteten Grundstück entstehen. Einen anderen Entstehungsgrund als den der rechtsgeschäftlichen Begründung oder Bestellung läßt das B G B , abgesehen von der praktisch bedeutungslosen Tabularersitzung des § 900 Abs. 2 B G B , nicht zu. Eine (nicht im Grundbuch eingetragene) Grunddienstbarkeit kann also von dem Zeitpunkt an, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, durch Ersitzung nicht mehr erworben werden 2 ). Dies gilt auch für die buchungsfreien 3 ) und im Grundbuch nicht eingetragenen Grundstücke. l
) Vgl. unten § 36. ) Soweit nicht etwa Landesrecht aufrecht erhalten ist, z. B. für das Agrarrecht nach Art. 1 1 5 E G , für Bestellung von Grunddienstbarkeiten im Wege öffentlichen Rechts nach 2 Art. i n E G . ) HansGZ 18 Beibl. 1 3 2 (Hamburg). 3 ) Ebenso Staudinger R N 5 Vorbem. zu § 1018 B G B . Nach Art. 128 E G sind die landesgesetzlichen Vorschriften über die Begründung und Aufhebung einer Dienstbarkeit an einem Grundstück, das im Grundbuch nicht eingetragen ist und nach den Vorschriften der G B O nicht eingetragen zu werden braucht, unberührt geblieben. V o n diesem Vorbehalt haben nur Braunschweig (§ 51 A G ) ; Hamburg (§ 43 A G ) ; Lippe (§ 31 A G ) ; Württemberg (Art. 233 A G — RegBl. 31, 545) Gebrauch gemacht. la
44 Mcisner-Stern-Hodes, Nachbaftecht,
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III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
Bei jeder rechtsgeschäftlichen Begründung von Grunddienstbarkeiten sind drei verschiedene Vorgänge auseinander zu halten: 1. D a s f o r m l o s e o b l i g a t o r i s c h e G r u n d g e s c h ä f t ( K a u s a l g e s c h ä f t ) , durch welches die obligatorische Verpflichtung zur Bewirkung der Rechtsänderung (hier zur Bestellung der Grunddienstbarkeit) eingegangen wird. Ein solcher auf Begründung einer Grunddienstbarkeit gerichteter Vertrag erzeugt für sich allein keine dingliche Wirkung. Der Sondernachfolger desjenigen, welcher diese Verpflichtung zur Bestellung eingegangen hat, ist also hieran nicht gebunden, wohl aber der letztere selbst mit der Wirkung, daß sein Vertragsgegner Erfüllung des Vertrages verlangen und im Klageweg erzwingen kann4). Der Vertrag wird erfüllt durch Bewirkung der dinglichen Rechtsänderung, d. i. durch Bestellung der Grunddienstbarkeit (s. unter 2). Dabei besteht nun gegenüber den Formvorschriften bisheriger Rechtsquellen (namentlich des A L R ) ein weittragender Unterschied. Alle diese Formvorschriften des bisherigen Rechts sind für das Kausalgeschäft mit dem 1. 1. 1900 gefallen; von da ab, nicht etwa erst von dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, ist ein solcher Vertrag ohne jede Form, also auch bei bloßer Mündlichkeit o b l i g a t o r i s c h wirksam5). Geht der erklärte Vertragswille der Nachbarn dahin, eine Grunddienstbarkeit in dinglicher Weise zu begründen, ist aber dieser Wille mangels der erforderlichen Form nicht dinglich wirksam, so kann ein solcher dinglich unwirksamer Vertrag doch die obligatorische Bindung zur formgültigen Bestellung einer Grunddienstbarkeit in sich schließen6). Über Fälle, in welchen es zweifelhaft ist, ob der Vertrag lediglich auf Begründung einer obligatorischen Verpflichtung oder auf die Verpflichtung zur Herbeiführung einer dinglichen Rechtsänderung gerichtet ist, s. oben § 30 I. Über stillschweigende Bestellung von Grunddienstbarkeiten s. unten II. 2. D e r d i n g l i c h e V e r t r a g 7 ) . Das eigentliche Leistungsgeschäft ist der dingliche Vertrag, durch den der obligatorische Vertrag erfüllt wird, 4 ) Während nach gemeinem und französischem Recht auch eine Bestellung dinglicher Rechte durch Vertrag zugunsten Dritter zulässig war (RG 47, 356), ist das jetzt nicht mehr möglich. Der Dritte (Begünstigte) muß bei der Einigung (s. im Text unter Z . 2) selbst mitwirken; die Vorschriften der §§ 328ff. B G B sind auf den d i n g l i c h e n Vertrag nicht anzuwenden (Wolff 99, R G 66, 99; K G J 43, 229). a. M. Westermann § 3 II 4. 5 ) Staudinger R N 32 zu § 873 B G B und R N 39 zu § 1018 B G B ; Jacibezky in SeuffBl. 68, 449fr.; R G 48, 1 3 3 ; 54, 146; vgl. auch 86, 3 3 ; Habicht, Einwirkung 436; BayObLG 4, 737 und dortige Nachweise. Recht 15 Nr. 195 (RG). SeufTA 78 Nr. 26 (Hamm) stillschweigend übernommene Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit. •) Z u formalistisch O L G 15, 367. ' ) Staudinger R N 32 zu § 873 B G B und R N 39 zu § 1018 B G B .
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12 indem die dingliche Rechtsänderung herbeigeführt, im gegebenen Fall also die Grunddienstbarkeit bestellt wird. Diese Bestellung erfolgt durch einen abstrakten, von dem obligatorischen Vorvertrag (dem Kausalgeschäft) rechtlich losgelösten8), lediglich auf die dingliche Änderung gerichteten Vertrag (die sog. Einigung) und die auf Grund dieser Einigung zu vollziehende Eintragung im Grundbuch. Das B G B versteht unter Einigung im Sinne des § 873 B G B nur dieses abstrakte Leistungsgeschäft, d. h. die Erklärung des Eigentümers des einen Grundstücks, daß er für ein anderes Grundstück eine Grunddienstbarkeit bestelle und die Annahme dieser Erklärung durch den Eigentümer des anderen Grundstücks. Die Grunddienstbarkeit ist bestellt, d. h. mit dinglicher Wirkung begründet, wenn auf Grund dieser Einigung die Eintragung im Grundbuch erfolgt ist (§ 873 BGB). Während sich also der Eigentümer durch das obligatorische Grundgeschäft verpflichtet, diejenigen Handlungen vorzunehmen, welche die Entstehung der Grunddienstbarkeit herbeiführen, erfüllt er diese seine Verpflichtung durch die Leistung des Versprochenen; das ist eben seine Mitwirkung zu dem dinglichen Vertrag, der darin besteht, daß der Eigentümer des einen Grundstücks erklärt, für ein anderes Grundstück die Grunddienstbarkeit zu bestellen und daß der Eigentümer des anderen Grundstücks diese Erklärung annimmt. § 873 Abs. 2 B G B bestimmt, daß vor der Eintragung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch die Beteiligten an die Einigung nur gebunden sein sollen, wenn die Erklärungen gerichtlich oder notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der zur Bestellung der Grunddienstbarkeit Berechtigte dem anderen Teil eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat. Das will besagen: Vor Eintritt einer der Voraussetzungen, die § 873 Abs. 2 B G B aufstellt, ist der abstrakte Einigungsvertrag noch nicht bindend. Die Parteien können ihre Erklärungen noch widerrufen. Diese Bestimmung bezieht sich ausschließlich auf die d i n g l i c h e Einigung und läßt also die Wirksamkeit der obligatorischen Verpflichtung durchaus unberührt. § 873 Abs. 2 B G B ist also nicht etwa so zu verstehen, daß der vor dem Eintritt der Bindung im Sinne des § 873 Abs. 2 B G B zurücktretende Eigentümer des Grundstücks, welches mit der Grunddienstbarkeit belastet werden soll, von seiner obligatorischen Verpflichtung frei wäre. Diese muß er erfüllen, er hat durch seinen Rücktritt vom dinglichen Vertrag nur bewirkt, daß das Grundstück als solches (dinglich) nicht erfaßt wurde, aber 8 ) R G 52, 1 1 4 ; 66, 99; 89, 571. E s ist deshalb für die Entstehung der Grunddienstbarkeit bedeutungslos, ob die Einigung mit dem Kausalgeschäft übereinstimmt oder nicht. R G a. a. O., vgl. auch J W 02, Beil. 195. Selbstverständlich kann das obligatorische Kausalgeschäft mit der dinglichen Einigung zeitlich und inhaltlich zusammenfallen.
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§ 3 5 13
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
seine Person bleibt nach wie vor in der Verpflichtung, wenn und soweit eine solche durch das vollständig formfreie Kausalgeschäft (s. oben unter i) begründet wurde 9 ). 3. D i e E i n t r a g u n g im G r u n d b u c h . Als letzter Vorgang kommt hinzu die Eintragung in das Grundbuch, durch welche die von der Bestellung bezweckte Wirkung vollzogen und die Grunddienstbarkeit zur Entstehung gebracht wird. Voraussetzung der Eintragung ist die dingliche Einigung; dem Grundbuchamt gegenüber genügt die Eintragsbewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks (§ 19 GBO) 1 0 ); dem Grundbuchamt braucht also das Einverständnis des anderen Teils nicht nachgew i e s e n zu werden. Die Eintragung erfolgt in Abt. II des Grundbuchs des belasteten Grundstücks ; auf Antrag kann gemäß § 9 G B O die Eintragung auch im Grundbuch des herrschenden Grundstücks vermerkt werden; dies geschieht im Bestandsverzeichnis II (Verzeichnis der mit dem Eigentum verbundenen Rechte). Zur näheren Bezeichnung des Inhalts der Grunddienstbarkeit kann auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden (§ 8 74 B G B ) ; doch müssen aus dem Grundbucheintrag zum mindesten die zur rechtlichen Klarstellung der Grunddienstbarkeit notwendigen Merkmale ersichtlich sein, also insbesondere die Art des Rechts (Wegerecht, Weiderecht, Aussichtsrecht, Dampfzufuhrrecht), die Bezeichnung des herrschenden und dienenden Grundstücks, etwaige Befristungen und Bedingungen usw. 11 ). Was nun den Inhalt und Umfang der Grunddienstbarkeit12) anlangt, so ist hierfür in erster Linie die Eintragung im Grundbuch 13 ) maßgebend. 9 ) Vgl. J W 02, Beil. 195; 15, 1 3 6 ; SeuffA 67, 326; SeuffBl. 03, 73. Recht 14 Nr. 626; O L G 26, 57. Der Anspruch aus einer obligatorischen Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit kann durch Vormerkung gesichert werden. Die obligatorische Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit kann wie jede Willenserklärung auch stillschweigend eingegangen werden (SeuffA 78 Nr. 26). Eine solche stillschweigende Verpflichtung kann im Wege der Auslegung aus einem Veräußerungsvertrage abgeleitet werden, wenn der Eigentümer eines von zwei ihm gehörigen Grundstücken veräußert, von denen das in seiner Hand verbliebene dem anderen in dauernder Weise dienstbar war 10 (vgl. hierüber unten § 35 II). ) BayObLG 5, 165. u ) Vgl. insbes. R G 89, 152fr., 158; O L G Köln N J W 57, 992; O L G Düsseldorf J M B 1 N R W 57, 1 2 7 ; Güthe Bern. 19 zu § 45 G B O ; Bern. 8—10 zu § 50 G B O . 12 ) Das bezieht sich nur auf Grunddienstbarkeiten, die unter der Geltung des B G B entstanden sind; für altrechtliche Grunddienstbarkeiten ist der Eintrag im Grundbuch nicht unbedingt maßgebend. 13 ) Bei einer Verschiedenheit der Eintragungen auf herrschendem und dienendem Grundstück entscheidet die letztere; denn nur sie hat rechtserzeugende Wirkung. Sind altrechtliche Dienstbarkeiten eingetragen, bei denen die Eintragung nur deklaratorische Kraft hat, so sind bei einem Zwiespalt beider Eintragungen beide gegeneinander abzuwägen; die Eintragung auf dem belasteten Grundstück ist nicht allein maßgebend (R 18 Nr. 1166 [RG]).
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Es ist aber keineswegs unzulässig, auch außerhalb des Grundbucheintrags liegende Auslegungsbehelfe behufs Ermittlung des Inhalts des die Begründung der Grunddienstbarkeit enthaltenden, aus dem Grundbuch ersichtlichen Rechtsgeschäfts zu benutzen14). Einen wertvollen Auslegungsbehelf für die Feststellung des Inhalts der Grunddienstbarkeit bieten die besonderen Verhältnisse, unter denen die Dienstbarkeit entstanden ist, namentlich das zu dieser Zeit vorhandene Bedürfnis 15 ). Maßgebend ist das wesentliche und dauernde Bedürfnis des Grundstücks nach dem ihm bestimmungsgemäß innewohnenden Zweck, wie er sich in seiner wirtschaftlichen Beschaffenheit darstellt16). Weil bei der Bestellung eines dinglichen Rechts die späteren, an diesem Rechtsgeschäft nicht beteiligten Grundstückseigentümer gebunden werden sollen, die den Inhalt ihrer Berechtigung und Verpflichtung nur aus der darüber errichteten Urkunde entnehmen können, muß bei einem solchen Vertrag der Inhalt des dinglichen Vertrags ohne Rücksicht auf das, was die Vertragschließenden gemeint und gewollt haben, streng nach dem Wortlaut der Urkunde so ausgelegt werden, wie ihn jeder der dinglich Berechtigten und Verpflichteten aus der die Grundlage des Rechts und der Verpflichtung bildenden Urkunde entnehmen muß 17 ). II. S t i l l s c h w e i g e n d e B e s t e l l u n g Eine stillschweigende Bestellung von Grunddienstbarkeiten in dem Sinne, daß das dingliche Recht von selbst (ipso facto) durch die Trennung der bisher in einer Hand vereinigten Grundstücke entsteht, ist daher jetzt nicht mehr möglich. Indes kann die Verpflichtung zur Bestellung einer Dienstbarkeit (zur Bewirkung der Entstehung des dinglichen Rechts) formlos und somit auch stillschweigend begründet werden 18 ). Eine stillschweigende Willenserklärung darf nur in einem solchen Verhalten gefunden werden, das nach Lage der Sache gar keine andere Deutung zuläßt, als eben die, daß dadurch dem andern ein bestimmter Wille kundgegeben werden soll 19 ). Es genügt, wenn die schlüssigen Handlungen zwar unmittelbar auf andere Zwecke gerichtet sind, aber zugleich mit Gewißheit und jede andere Deutung ausschließend den Willen erkennbar zum Ausdruck bringen, daß auch ein anderer Zweck mitumfaßt werden soll20). Hierfür sind neben den besonderen Umständen die Vorschriften der § § 1 3 3 , 157 B G B zu beachten. 14
) M 3, 748 (Mugdan 3, 267); HRR 28 Nr. 2079. Vgl. hierzu oben § 30 N. 14b. ) BayObLG 7, 539 (Fahrtrecht); R G 126, 373; J W 30, 3852; vgl. oben § 31 N. 16 16—18. ) SeuflfA 55 Nr. 68; 84 Nr. 66. Vgl. oben § 31 II. " ) L Z 17, 917 (RG); SeuffA 79 Nr. 117 (RG). 18 ) R G 65, 363; J W 07, 300 (2). 19 20 ) Vgl. R G K Anm. 5 Vorbem. vor § x 16 BGB. ) WarnE 19 Nr. 132. 16
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Darnach muß jeder seine Erklärungen, auch die stillschweigenden Erklärungen, in dem Sinn gegen sich gelten lassen, in dem sie von dem andern nach Treu und Glauben und nach der Auffassung des Verkehrs zu verstehen sind 21 ). Ein innerer Vorbehalt ist ohne Bedeutung 22 ). Nach diesen Grundsätzen ist zu entscheiden, ob bei der Veräußerung eines von mehreren in einer Hand vereinigten Grundstücken, von denen bislang das eine zum Vorteil des anderen tatsächlich benutzt wurde, durch stillschweigenden Vertrag 23 ) die Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit begründet wurde. Ist das der Fall, so kann aus dieser zunächst nur obligatorisch wirksamen Verpflichtung auf Bewirkung der dinglichen Rechtsveränderung (Bewilligung der Eintragung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch) geklagt werden. Die für das bisherige Recht durch die Praxis entwickelten Grundsätze 23 ») können bei Erforschung des Willens der Vertragsteile zwar nicht als gesetzlicher, wohl aber als tatsächlicher Auslegungsbehelf verwertet werden. Nur muß man dabei im Auge behalten, daß es sich hierbei nicht um die Anwendung einer gesetzlichen Vermutung oder gar gesetzlichen Vertragsergänzung handelt, sondern um die tatsächliche Feststellung, daß die Vertragsteile den auf Herbeiführung einer Grunddienstbarkeit gerichteten Willen in der Tat, wenn auch nur stillschweigend e r k l ä r t haben. Diese Erklärung des Willens, nicht der Wille selbst, ist in letzter Linie entscheidend. Ist nach den gegebenen Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben das Verhalten einer Vertragspartei nicht anders denn als die stillschweigende Erklärung aufzufassen, daß eine Grunddienstbarkeit bestellt werden soll, so wird die Vertragspartei nicht mit der nachweisbaren Behauptung gehört, daß sie in Wahrheit diesen Willen nicht hatte; nicht was gedacht wurde (innerer Vorbehalt) ist maßgebend, sondern das, was durch Reden, Handeln und Schweigen e r k l ä r t wurde. Für die Annahme einer stillschweigenden Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit ist die Kenntnis von der bisherigen Benutzung, zum mindesten auf Seite desjenigen unerläßlich, der nach der Trennung der beiden Grundstücke Eigentümer des dienenden Grundstücks bleibt oder wird. Von besonderer Bedeutung, aber nicht unerläßlich ist die Erkennbarkeit des dienenden Zustandes, namentlich das Vorhandensein einer dem Gebrauch dienenden besonderen Einrichtung. Unentbehrlichkeit der fortdauernden Benutzung ist nicht zu fordern, wohl aber wird regelmäßig zu verlangen sein, daß die bisherige Benutzung nicht nur infolge des zufälligen 22 " ) R G 67, 4 3 5 ; J W 10, 573. ) R G 6 8 , 1 2 8 ; J W 1 5 , 19. 23 ) Der E r w e r b durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung läßt naturgemäß keinen Raum für die Unterstellung einer stillschweigenden Vereinbarung ( R G 65, 3 6 3 ; J W 07, 23a 300). ) V g l . unten § 36 I 4.
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E r w e r b der Grunddienstbarkeiten nach dem geltenden Recht
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Umstandes erfolgte, daß bislang die beiden Grundstücke unter einem Besitzer vereinigt waren, sondern wegen eines wesendichen Bedürfnisses des Grundstücks, zu dessen Vorteil die Benutzung des anderen stattfand. Auch durch die tatsächliche, mit Kenntnis des anderen Vertragsteils erfolgte ungestörte Fortsetzung des Gebrauchs nach der Veräußerung kann im Zusammenhalt mit der Veräußerung der beiderseitige Vertragswille zum Ausdruck gebracht sein, daß das Gebrauchsverhältnis mit rechtlichem Zwang fortbestehen soll. Die Verpflichtung zur Herbeiführung einer Grunddienstbarkeit kann bei einer Abveräußerung auch dann stillschweigend begründet werden, wenn bis zur Veräußerung ein tatsächliches Dienstbarkeitsverhältnis noch nicht bestand. Hat der Eigentümer das an sein Wohnhaus angrenzende Grundstück zu dem ihm bekannten Zweck einer gewerblichen Anlage wegverkauft, so hat er damit stillschweigend seine Zustimmung zur Duldung aller jener Einwirkungen erklärt, welche mit einem derartigen Betrieb für ihn erkennbar verbunden zu sein pflegen24). Handelt es sich um einen dauernden Betrieb, so wird man in diesem Fall eine obligatorische Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit anzunehmen haben. Aber auch ohne daß es zur Eintragung der entsprechenden Grunddienstbarkeit kommt, ist der Verkäufer auch einem Sondernachfolger des Käufers obligatorisch zur Duldung und Bestellung der Grunddienstbarkeit verpflichtet, da der von dem Vorbesitzer abgeschlossene (stillschweigende) Vertrag als zugunsten seines Sondernachfolgers abgeschlossen gilt (§328 BGB) 45 ). Der Sonderrechtsnachfolger des Verkäufers ist dagegen nicht gebunden26). Die gleichen Grundsätze werden regelmäßig anzuwenden sein, wenn der Käufer eine Teilfläche des Grundstücks erworben hat, auf dessen anderer Teilfläche bereits zur Zeit des Kaufs ein beeinträchtigender Betrieb stattfand 27 ). In jedem Fall müssen nur diejenigen Einwirkungen geduldet werden, welche dem zur Zeit des Verkaufs schon bestehenden (oder in Aussicht stehenden) Betrieb entsprechen; die durch eine Betriebserweiterung u ) V g l . B a y O G H 1 7 , 2 1 5 ; R G 29, 268; J W 90, 1 8 2 ; 95, 1 7 2 u. 1 7 3 ; 05, 4 9 3 ; 07, 3 8 7 ; D J Z 06, 486. — SeuffA 58 Nr. 1 4 2 wendet diesen Grundsatz mit Recht selbst auf den Fall an, daß die S c h ä d l i c h k e i t der Einwirkung erst später erkannt worden ist (Raucheinwirkung auf das Wachstum des Waldes); vgl. hierzu SeuffBl. 7 3 , 6 9 7 ; J W 09, 7 2 5 . " ) R G 66, 1 2 8 ; J W 07, 388. " ) J W 07, 388. E s steht nämlich nichts im Wege, daß der Verpflichtete beim Verkauf des Grundstücks mit dem Käufer ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart, daß er in dessen Verpflichtung eintritt. Der zum Verlangen der Duldung gegenüber dem Veräußerer berechtigte Nachbar erwirbt dadurch unmittelbar das Recht, die Duldung von dem Erwerber zu fordern, da dieser durch die Schuldübernahme an die Stelle des bisherigen Schuldners getreten ist ( § 4 1 4 B G B ) . 27 ) S. dagegen D J Z 06, 486.
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§ 35, § 36
m . Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
III herbeigeführte Steigerung der Beeinträchtigung braucht nicht geduldet zu werden28). Eine Besonderheit gilt in den Gebieten, in welchen ehemals das rheinische Recht gegolten hat. Hier gelangt auch unter der vollen Herrschaft des B G B eine Grunddienstbarkeit von selbst durch die Trennung zweier Grundflächen (mit dinglicher Wirksamkeit) zur Entstehung, wenn der Eigentümer der beiden in seiner Hand vereinigten Grundflächen noch u n t e r der H e r r s c h a f t des r h e i n i s c h e n R e c h t s die eine Grundfläche der anderen tatsächlich dienstbar gemacht hat und der durch diese Widmung in einer offensichtlichen Anlage vergegenständlichte Zustand bei der (unter Herrschaft des B G B erfolgten) Trennung der Grundfläche noch bestanden hat (siehe hierüber unten § 36 I 4).
III. B e g r ü n d u n g im B a u l a n d b e s c h a f f u n g s u n d im F l u r b e r e i n i g u n g s v e r f a h r e n Das Baulandbeschaffungsgesetz vom 3. 8. 1953 (BGBl. I S. 720) hat die Möglichkeit eröffnet, zur Förderung des Wohnungsbaus und zur Verbindung breiter Volksschichten mit dem Grund und Boden — unter bestimmten Voraussetzungen in einem besonders geregelten Enteignungsverfahren — Eigentum an unbebauten, geringfügig bebauten oder an Grundstücken, auf denen die früher vorhandenen Gebäude zerstört oder beschädigt sind, oder an Grundstücksteilen zu belasten (§§ 1 II, 3 I BaulandbeschG). Hiernach kannn das Eigentum oder das — zunächst zu schaffende — Erbbaurecht z. B. mit beschränkten dinglichen Rechten für Nebenanlagen (Versorgungsleitungsanlagen), mit Wegerechten usw. in Form von Grunddienstbarkeiten belastet werden29). Ebenso können im Flurbereinigungsverfahren dingliche Rechte, insbesondere Wegerechte, zu Zwecken der Flurbereinigung neu begründet werden (§49 FlurbereinigungsG •— BGBl. 53 I S. 591). § 36. Erwerb der Grunddienstbarkeiten nach bisherigem Recht Gemäß Art. 189 E G erfolgte die Begründung von Grunddienstbarkeiten, desgleichen die Änderung des Inhalts1) einer Grunddienstbarkeit bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen war 2 ), nach den bisherigen Gesetzen; dies gilt in gleicher Weise für die rechtsgeschäftliche Begründung (s. unten I) wie für die Entstehung durch Ersitzung (s. unten II) und durch unvordenkliche Verjährung (s. unten III). Soweit nun nach dem 1. 1. 1900 eine Grunddienstbarkeit nach den Vorschriften des bisherigen Rechts erhoben wurde, ist sie, abgesehen von einer während der Übergangszeit erfolgten Aufhebung, nach jeder Hinsicht dem 28 ) Vgl. hierzu BayObLG 6, 679; 7, 539. Die oben § 31 II aufgestellten Grundsätze können entsprechend angewendet werden. 29 ) Dittus-Zinkahn Anm. 8 b und c zu § x BaulandbeschG. !) R G i n , 94. 2 ) S. oben § 35.
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Erwerb der Grunddienstbarkeiten nach bisherigem Recht
§
36
11,2 Recht des B G B unterworfen; es richtet sich also auch hier der Begriff, der zulässige Inhalt und der Besitzschutz nach neuem Recht; somit konnte auch in der Übergangszeit eine Grunddienstbarkeit nicht in einem größeren U m f a n g erworben werden, als dies § 1019 B G B zuläßt. Andererseits konnte sich der E r w e r b in der Übergangszeit nur unter den Voraussetzungen v o l l ziehen, unter welchen er nach den bisherigem Recht zulässig war. Während z. B. nach dem Recht des B G B der Eigentümer eines Grundstücks für dieses eine Grunddienstbarkeit an einem in seinem Miteigentum stehenden Grundstück erwerben kann (§ 1009 A b s . 2 B G B ) , war dies nach gemeinem Recht 3 ) nicht zulässig; dabei hatte es während der Übergangszeit sein Bewenden. I. D i e r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e
Begründung
1. Während der U b e r g a n g s z e i t , das ist also v o m 1.1.1900 bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch angelegt war, kam für die obligatorische Verpflichtung zur Begründung einer Grunddienstbarkeit ausschließlich das Recht des B G B zur Anwendung, während die dingliche Rechtsänderung (die Entstehung der Grunddienstbarkeit selbst) nach bisherigem Recht z u beurteilen war. 2. K e i n E i n t r a g u n g s z w a n g f ü r a l t r e c h t l i c h e G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n . Im Gegensatz zum Recht des B G B war nach p r e u ß i s c h e m , g e m e i n e m , und r h e i n i s c h e m Recht zur Begründung der Grunddienstbarkeit (zur Entstehung dieses dinglichen Rechts) die Eintragung im Grundbuch n i c h t erforderlich 4 ). Sie konnte nach § 1 2 des Eigentumserwerbsgesetzes zwar verlangt werden, wirkte aber nur rechtserklärend, nicht rechtserzeugend 5 ). Die spätere Praxis hat allerdings den § 12 E E G wie schon vorher den entsprechenden Anhang zu § 58 A L R I 22 streng ausgelegt und nur die Prädialservituten im Sinne des gemeinen Rechts für nicht eintragungspflichtig erklärt, dagegen gewerbliche Bodenausbeutungsrechte, die über das Bedürfnis des herrschenden Grundstücks hinausgehen, nicht als Grundgerechtigkeiten des allgemeinen Landrechts und daher als buchungspflichtig erachtet 6 ). A u c h nach Inkrafttreten der Grundbuchverfassung bedarf gemäß Art. 187 E G eine altrechtliche Grunddienstbarkeit zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit gegenüber dem öffent*) B a y O G H 7, 236; JW 86, 20 Nr. 41. In letzterer Entscheidung ist übrigens zutreffend hervorgehoben,daß eine b e s t e h e n d e Servitut n i c h t dadurch u n t e r g e h t , daß der Eigentümer des herrschenden Grundstücks das Miteigentum an dem dienenden Grundstück erwirbt. V g l . auch SeuffA 44 Nr. 7 (Zulässigkeit einer Servitut zugunsten des Grundstücks einer offenen Handelsgesellschaft an dem Grundstück eines Teilhabers). 4 ) R G 131, 162; B a y O b L G 22, 73; A G Oppenheim/Rhein •— C 60/66. Ausnahme: a) Im Gebiet des ehemaligen Kurfürstentums Hessen war zur dinglichen Wirksamkeit der Gdbkt. Eintragung im Grundbuch erforderlich (§ 3 Abs. 2 des Ges. vom 29. 5. 1873, GesS 273). Diese Vorschrift bezog sich nur auf die rechtsgeschäftlich begründete Grunddienstbarkeit. b) Im Gebiet des Herzogtums Nassau entstand die Grunddienstbarkeit erst mit der Eintragung in das Stockbuch: Bertram, Nass. ProvR § 250; Sayn, Nass. ProvR S. i 2 i . 6 ) Für den Inhalt einer altrechtlichen Grunddienstbarkeit ist nicht die Eintragung im Grundbuch, sondern der Inhalt des Begründungsaktes selbst maßgebend (RG 28, 326; Foerster-Eccius 3, 395 Anm. 54). •) R G 8, 267; Rehbein 3, 491; Foerster-Eccius 3, 385 Anm. 13; Dernburg PrPrR 3, 745 A n m . 14; 756 Anm. 16.
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§ 36 13
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
liehen Glauben des Grundbuchs nicht der Eintragung. Abweichendes gilt nur für Hamburg, Bremen und Württemberg-Hohenzollern, da nur diese Länder von dem Vorbehalt des Art. 187 E G B G B Gebrauch gemacht haben (Vgl. §§ 44—46 Hamb. A G B G B in der Fassung des Ges. vom 10. 3. 1919 — AmtsBl. S. 583 —, § 37 Abs. 3 Bremer A G B G B in der Fassung des Ges. vom 2. 7. 1921 — GesBl. S. 217 —, Württ. Ges. vom 9. 1. 1951 — RegBl. 51 S. I i —, dieses allerdings mit Anmeldefrist bis 31. 12. 1952. Auch das Großherzogtum Hessen hatte den Eintragungszwang probeweise für einzelne Bezirke eingeführt (Art. 141 Hess. A G B G B in Verbindg. mit V O vom 21. 6. 1900 — RegBl. 407 —); es hat aber durch die V O vom 30. 7. 1902 — RegBl. 328 — ihn alsbald wieder beseitigt. 3. D e r B e s t e l l u n g s a k t . Nach A L R war zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit unter Lebenden 7 ) schriftlicher Vertrag erforderlich und genügend (§§ 13 I 22; 135 I 9)8). Doch hat, nicht ohne Widerspruch der Rechtslehre8) und nach anfänglichem Schwanken die Praxis des Obertribunals auch der mündlich bestellten Grunddienstbarkeit unter gewissen Voraussetzungen Wirksamkeit verliehen. In Anwendung der §§ i j j f f . I 9 A L R gab sie zwar dem Besteller der mündlich errichteten Grunddienstbarkeit selbst ebenso wie seinem Vertragsgegner (und ihren Erben) das Recht, die Bestellung zu widerrufen, wenn der Widerrufende bereit und imstande war, den alten Zustand der Grundstücke wiederherzustellen und die für Errichtung der Grunddienstbarkeit gewährte Gegenleistung zurückzuerstatten. Dieses Widerrufsrecht erlosch aber, sobald das herrschende oder dienende Grundstück veräußert war, vorausgesetzt, daß bei dem Besitzwechsel die Grunddienstbarkeit durch Ausübung oder Errichtung der ihr dienenden Anlage tatsächlich bestand 10 ) und der Vertrag vom Berechtigten durch Hingabe der zugesagten Gegenleistung wenigstens teilweise erfüllt war 11 ). Unbedingt bewendete es bei der schriftlichen Form, wenn es sich um die Bestellung der durch die Ablösungsgesetzgebung für ablösbar erklärten Dienstbarkeiten handelte12). Nach g e m e i n e m Recht 13 ) erfolgte die Bestellung einer Grunddienstbarkeit durch formlosen Vertrag 14 ). Auch nach rhein. Recht wurden gemäß Art. 690 Code civil alle Arten von Grunddienstbarkeiten durch formlosen Vertrag erworben 15 ), sie behalten auch gegen Dritte ' ) Eine Grunddienstbarkeit konnte auch durch letztwillige Verfügung errichtet werden. ) Hierfür war nicht eine förmliche, zum Zwecke des Beweises aufgenommene Urkunde erforderlich, es wurde vielmehr nur eine Schrift verlangt, die den Inhalt des Geschäfts darlegt; bloßer Briefwechsel genügte (BayObLG 22, 73). 9 ) So besonders Foerster-Eccius 3, 389 N. 32. 10 ) War die Grunddienstbarkeit in diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeübt, so hatte auch der Rechtsnachfolger das Widerrufsrecht (StriethA 98, 125). u ) OTr. 40, 22; 47, 2 2 1 ; 51, 53; 72, 154. StriethA 31, 298; 78, 206; 90, 3 1 2 ; Dernburg, PrPrR 1 , 754 Nr. 4; Rehbein 3, 974, Rehbein-Reinke N . 15 zu § 13 I 22; Koch, Anm. 47 zu § 1 3 5 1 9 . Die Praxis des Reichsgerichts hat sich angeschlossen. R G bei Gruchot 32, 1 1 1 ; 34, 998. 12 ) Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. 6. 1821 §§ 164, 27; Ergänzungsgesetz hierzu vom 2. 3. 1850 (GesS S. 139) Art. 12 u. 1. OTr. 72, 1 5 1 ; StriethA 92, 149. Die Bestellung dieser in den § 2 GemTO und Art. 1 Ges. vom 2. 3. 1850 aufgeführten Grunddienstbarkeiten ist nur auf 10 Jahre und unter den Beschränkungen des § 27 GemTO zulässig. ls ) Über die provinzialrechtlichen Ausnahmen für Kurhessen und Nassau s. oben N. 4. 14 ) B G H N J W 64, 2016; Windscheid-Kipp § 2 1 2 ; BayOGH 8, 206; auch durch Vertrag zugunsten Dritter (RG 47, 356; SeuffA 24 Nr. 217); vgl. oben § 35 N. 3. 16 ) Zachariae-Crome 1 , 660; Kretzschmar, RheinZR Anm. zu Art. 690; RheinArch. 73 I 29 und 105 II 242. Die vertragliche Begründung einer Servitut, welche das 8
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Erwerb der Grunddienstbarkeiten nach bisherigem Recht
§
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ohne Eintragung Gültigkeit. Das französische Transkriptionssystem des Gesetzes vom 23. 3. 1855 gilt in Rheinpreußen nicht18). Dagegen ist das PreußEEG von 1877 durch die Gesetze vom 12. 4. 1888 und 14. 6. 1893 auch in Rheinpreußen eingeführt, insbesondere also auch Art. 12, der die dingliche Wirksamkeit nicht eingetragener Grunddienstbarkeiten aufrecht erhält. Der Bestellungsakt kann bei nicht ständigen Grunddienstbarkeiten ersetzt werden durch das Anerkenntnis der Grunddienstbarkeit durch den Eigentümer des belasteten Grundstücks (Art. 695 Code civ.). Mündliche, selbst stillschweigende Anerkennung genügt 17 ). Es kann aber nur dann von einem titre récognitif qui renferme la reconnaissance gesprochen werden, wenn die Dienstbarkeit zwar begründet wurde, der für den Nachweis der Begründung erforderliche ursprüngliche Titel aber fehlt 18 ). Es kann aber auch bei Dienstbarkeiten, welche durch Verjährung begründet wurden, der fehlende ursprüngliche Titel durch Anerkenntnis ersetzt werden 19 ). Im früheren Großherzogtum H e s s e n war zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit in der Zeit bis zur Anlegung des Grundbuchs die Einigung des Eigentümers und des Berechtigten, die vom Ortsgericht oder dem Gericht beurkundet sein mußte, erforderlich (Art. 162 HessAG). 4. S t i l l s c h w e i g e n d e B e s t e l l u n g von Grunddienstbarkeiten20). Die Begründung einer Grunddienstbarkeit durch Veräußerung eines von mehreren in einer Hand vereinigten Grundstücken, von denen bis zur Veräußerung das eine zum Vorteil des anderen tatsächlich benutzt wurde, ist von der Rechtsübung des gemeinen Rechts 21 ), des preußischen Landrechts 22 ) und vom Rheinischen Recht 23 ) mit der Wirkung anerkannt, daß sich Rechtsverhältnis der Gemeinschaft (droit du mitoyenneté) abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 661 Code civil) regelt, ist zulässig (RheinArch. 105 II 242 RG). 18 ) Zachariae-Crome 342 Anm. 21. 17 ) R G 20, 350; BayObLG 1 1 , 518; 24, 205. Eine Anerkennung durch konkludente Handlungen des Eigentümers des dienenden Grundstücks liegt aber nur vor, wenn er weiß oder annehmen muß, daß der Nachbar mit den Ausübungshandlungen ein Recht in Anspruch nimmt (RheinArch. 105 I 15 Düsseldorf), und zwar, wie beigefügt werden kann, ein dauerndes dingliches Recht (vgl. BayObLG 1 1 , 518). 18 ) BayObLG n , 301. 19 ) R G 39, 381. 20 ) Davon ist für A L R wohl zu unterscheiden der Fall, daß ein mit einer Grunddienstbarkeit belastetes Grundstück und das herrschende Grundstück zunächst in eine Hand gelangen, dann aber wieder verschiedenen Eigentümern zufallen. Hier lebt nach der Trennung die Grunddienstbarkeit von selbst wieder auf, sofern die Grunddienstbarkeit durch eine Anlage auf dem dienenden Grundstück gekennzeichnet ist und diese aufrecht erhalten wurde, da durch die Vereinigung die Grunddienstbarkeit nicht zum Erlöschen kam, sondern lediglich ihr einstweiliges Ruhen bewirkt wurde. (ALR I 22 § 54.) Anders nach gemeinem und rheinischem Recht. — Im Falle des A L R I 22 § 54 lebt die Grunddienstbarkeit auch dann wieder auf, wenn die neuerliche Trennung der beiden Grundstücke erst nach Inkrafttreten der Grundbuchverfassung erfolgt. 21 ) Vgl. Windscheid-Kipp, Pand. § 212 Anm. 1 3 ; Dernburg, Pand. § 251 Anm. 1 3 ; Seuffert, Pand. § 1 4 7 Anm. 7; SeuffA 31 Nr. 1 1 9 ; 53 Nr. 10; R G 13, 249; 4 2 , 1 5 8 ; BayOGH 8, 206; 9, 679; 17, 2 1 5 ; BayObLG 6, 678; 1 1 , 467; 23, 176; BayZ 23, 196 (RG). 22 ) OTr. 79, 277; StriethA i , 159 u. 228; 26, 100; J W 84, 16; 88, 190; Bolze 1 1 Nr.57; R G 13, 249; 38, 287; 49, 238; R 17, 293; BayObLG 1 1 , 467; Koch Anm. 19 zu § 13 I 22; Dernburg, PrPrR 1 , 775; Foerster-Eccius 3, 390. 23 ) R G 2, 360; 4, 346; 13, 304; 49, 238; 72, 273; J W 10, 60 ( x ); Bolze 5 Nr. 100 u. 102; 7 Nr. 72; 12 Nr. 67; 15 Nr. 38 u. 39; 17 Nr. 59; Zachariae-Crome 667 Anm. 4.
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III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten durch die Veräußerung das vorher rein tatsächliche Verhältnis in ein rechtliches verwandelt. Der Gebrauch, der bisher auf Grund des Eigentums an beiden Grundstücken gemacht wurde, steht vom Zeitpunkt der Veräußerung an als Recht an fremder Sache (Grunddienstbarkeit) zu24). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Eigentümer der in einer Hand vereinigten Grundflächen nur einen Teil dieses Besitzes an einen Erwerber oder ob er seinen ganzen Besitz oder einen Teil hiervon gleichzeitig an zwei verschiedene Erwerber veräußert26). Ebensowenig ist es von grundsätzlicher Bedeutung, ob das wegveräußerte Grundstück als herrschendes oder dienendes in Betracht kommt26). Auf dem Gebiet des G e m e i n e n R e c h t s und des P r e u ß i s c h e n L a n d r e c h t s bestand allerdings über die rechtliche Natur des Vorgangs der Dienstbarkeitsentstehung und über ihre Voraussetzungen mannigfacher Streit. Als Voraussetzungen für die Entstehung einer Grunddienstbarkeit durch stillschweigende Bestellung wurden nach diesen Rechten ursprünglich erachtet 27 ): a) Daß die beiden Grundflächen schon im Besitz des gleichen Eigentümers verschiedene Grundstücke waren; b) daß das eine Grundstück zum Vorteil des anderen benutzt wurde, und zwar nicht nur zufolge des zufälligen Umstandes, daß hierbei beide unter einem Besitzer vereinigt waren, sondern wegen eines wesentlichen Bedürfnisses 28 ) des Grundstücks, zu dessen Vorteil die Benutzung des anderen stattfand 29 ); c) daß der dienende Zustand des einen Grundstücks und der Grund dieses Dienens erkennbar waren. Die Rechtsentwicklung des Gemeinen und des Preußischen Rechts hat aber schließlich nur an dem zweiten Erfordernis festgehalten80). Anlangend die rechtliche Natur des Vorgangs der Dienstbarkeitsentstehung, wurde ursprünglich die Entstehung aus dem s t i l l s c h w e i g e n d e r k l ä r t e n Willen der beiden Vertragsteile abgeleitet. Im weiteren Verlauf hat sich aber die Rechtsentwicklung in allen Rechtsgebieten von dieser Auffassung endgültig abgewendet und die sogenannte stillschweigende Begründung der Dienstbarkeit durch einen ergänzenden Rechtssatz erklärt, der das Verhältnis, über das die Beteiligten keine (oder doch wegen Formmangels keine rechtsgültige) Bestimmung getroffen haben, so ordnet, wie es vernünftige Beteiligte in einem Fall solcher Art gewöhnlich ordnen würden, wenn sie veranlaßt würden, darüber 24
) R G 13, 252. BayZ 06, 326 (gem. R); OTr. 79, 283; StriethA 7, 228 (ALR). «) BayOGH 7, 696 (gem. R); R G 38, 286 (ALR). 27 ) Das ist in klaren und eingehenden Ausführungen des BayObLG 1 1 , 467 (für gemeines und preußisches Recht) dargelegt. 28 ) Unentbehrlichkeit ist nicht zu fordern. 29 ) Es genügt also nicht, daß bis zur Veräußerung das eine Grundstück ohne ein solches Bedürfnis zugunsten des anderen benutzt wurde (BayOGH 9, 682). Doch kann in einem solchen Fall auf Grund besonderer Umstände durch Auslegung des Vertragswillens eine (wahre) stillschweigende Vereinbarung der Bestellung einer Grunddienstbarkeit angenommen werden (vgl. hierzu oben § 3 5 II). Doch handelt es sich in solchen Fällen nicht um die Anwendung einer gesetzlichen Vermutung, sondern um die tatsächliche Feststellung, daß die Vertragsteile diesen Vertragswillen, wenn auch nur stillschweigend, e r k l ä r t haben (vgl. BayOGH 17, 216). Die Rechtswirksamkeit eines solchen stillschweigenden Vertrags scheiterte aber in Gebieten, in welchen für die vertragsmäßige Bestellung von Grunddienstbarkeiten zwingende Formvorschriften (z. B. I 22 § 1 3 ; I 5 135 A L R ; Art. 14 BayNotGes. von 1861) bestanden (BayObLG 1 1 , 468). 30 ) Vgl. BayObLG n , 467. 2
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Erwerb der Grunddienstbarkeiten nach bisherigem Recht
§
36 14
eine (rechtsgültige) Bestimmung zu treffen 31 ). Es handelt sich also um eine gesetzliche Ergänzung des Vertrags willens und der von der früheren Rechtsauffassung übernommene und beibehaltene Ausdruck „stillschweigende Servitutenbestellung" trifft nicht das Wesen der Sache. Die Grunddienstbarkeit entsteht ipso facto, also nicht auf Grund einer stillschweigenden Vereinbarung 82 ). Wenn festgestellt ist, daß die tatsächlichen Voraussetzungen gegeben sind, aus welchen das Gesetz die Vermutung für den auf Fortbestand der Benutzung gerichteten Willen — gleichviel ob er stillschweigend e r k l ä r t ist oder nicht — ableitet, dann wird dieser Wille vom Gesetz unterstellt33) und zum Vollzug gebracht. Es kommt nicht darauf an, ob die Beteiligten diesen Willen auch wirklich hatten31). Daher ist auch die Kenntnis des tatsächlichen Dienstbarkeitsverhältnisses auf Seiten des Erwerbers nicht unerläßlich36). Andrerseits ist für die Anwendung des den Vertragswillen ergänzenden Rechtssatzes dann kein Raum, wenn die Vertragsteile ausdrücklich oder stillschweigend v e r e i n b a r t haben, daß die Dienstbarkeit nicht entstehen solle38). Hierfür ist aber der Nachweis, daß die Beteiligten an die Begründung einer Dienstbarkeit nicht gedacht haben, nicht genügend, sondern der Nachweis erforderlich, daß die Vertragsteile übereinstimmend einen der Entstehung der Dienstbarkeit widersprechenden Willen gehabt und, wenn auch nur stillschweigend, erklärt haben 37 ). Da der Vertragswille durch gesetzliche Vorschrift ergänzt wird, stehen Rechtsvorschriften, welche für die vertragsmäßige Bestellung von Grunddienstbarkeiten eine bestimmte Form vorschreiben (z. B. I 22 § 1 3 5 1 5 § 135 A L R ; Art. 14 bayer NotG von 1861), dem Erwerb der Grunddienstbarkeit durch sogen, stillschweigende Bestellung nicht entgegen38). Weil es sich dabei aber immerhin um eine, wenn auch gesetzliche Ergänzung des Vertragswillens handelt, so kann diese nur bei einer vertragsmäßigen Veräußerung, nicht aber im Fall der Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g in Frage kommen. Nach Gemeinem Recht wurde diese Folgerung gezogen 39 ); dagegen hat das R G für das Gebiet des preußischen Rechts stillschweigende Servitutbestellung auch im Fall der Zwangsversteigerung unbedenklich zugelassen40). Nach rheinischem Recht, das der Widmung durch den Eigentümer rechtserzeugende Kraft beimißt, ist diese Zulassung zweifellos begründet 41 ). 81 ) BayObLG 6, 678; 7, 540 und mit besonderem Nachdruck und überzeugender Begründung die preußisch-rechtliche Entscheidung. BayObLG 1 1 , 469. — R G 13, 252 bezeichnet den Vorgang als einen Übergang des früheren tatsächlichen Verhältnisses in ein rechtliches und unter Hinweis auf dieses Urteil spricht das R G in BayZ 23, 196 von einer „gesetzlichen Vermutung" des gemeinen Rechts und fügt bei, daß diese Auffassung auch dem Standpunkt des preußischen und rheinischen Rechts entspreche. sa ) Es handelt sich nicht um eine Auslegungsregel, wie Koch Anm. 20 zu § 1 5 A L R I 22 und Foerster-Eccius 3, 391 Anm. 35 annehmen, sondern um eine gesetzliche Vertragsergänzung. M ) BayZ 23, 196 ( R G gem. R); BayObLG 1 1 , 469 (preußisches und gem. Recht). 34 ) BayObLG 6, 678 (gem. u. preuß. R); R G 13, 252; 49,240; BayZ 23, 196 (RG gem. R); Bolze 15 Nr. 38 u. 39 (RheinR). 5 * ) R G 13, 252; 49, 240; BayObLG 1 1 , 469. M ) Vgl. R G 4, 346 (rhein. R); BayZ 23, 196 (gem. R R G ) ; SeuffA 35, 405 (gem. R). 37 ) BayZ 23, 196 (RG). S8 ) J W 95, 1 7 3 ; BayObLG 1 1 , 468; vgl. BayOGH 7, 696; 17, 215. 35 ) R G 42, 160; SeuffA 37 Nr. 10. Ebenso für die stillschweigend übernommene (obligatorische) Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit nach dem Recht des B G B ; R G 65, 363. 40 ) R G 13, 249; 49, 240. 41 ) S. die folgende Anm.
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§ 36 14
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
Das R h e i n i s c h e R e c h t regelt die Entstehung der Dienstbarkeit durch sogenannte Widmung (zum tatsächlichen Gebrauch) durch positive gesetzliche Vorschriften. Nach Art. 690 C. c. kann eine Grundgerechtigkeit immerwährender und durch äußere Anlagen offensichtlicher Natur durch Destination de père de famille erworben werden. Den für den Erwerb maßgebenden Titel (Art. 690 C. c.) bildet diese Widmung (Art. 692 C. c.). Der Erwerb der Grunddienstbarkeit vollzieht sich allerdings erst in dem Augenblick, in dem die Trennung der beiden Grundstücke eintritt (Art. 693 f. C. c.). E s handelt sich aber dabei nur um eine den Rechtserwerb hinausschiebende Bedingung und Befristung, bei der es auf den Willen der Beteiligten nicht mehr ankommt (Art. 694 C. c.). Tritt die Bedingung ein, so wird das bedingt begründete Recht wirksam. Die Servitut dauert, wie Art. 694 C. c. sich ausdrückt, fort. Ob die Trennung der Grundstücke durch freiwillige Veräußerung oder Zwangsversteigerung erfolgt, ist also, da es auf den Willen der Beteiligten nicht ankommt, gleichgültig 42 ). Entscheidend ist die tatsächliche Widmung zum Gebrauch. Dieser Widmung verleiht der Gesetzgeber die für die Entstehung der Grunddienstbarkeit rechtserzeugende Kraft. E r fühlte sich lediglich durch den Rechtssatz „nemini res sua servit" gehindert, die Grunddienstbarkeit sofort mit der Widmung zur Entstehung gelangen zu lassen. Sobald durch die Trennung dieses rechtliche Hindernis in Wegfall kommt, gelangt die Bestimmung des Eigentümers ipso facto zum rechtlichen Vollzug 48 ). Während aber nach gemeinem und preußischem Recht jegliche Art von Servituten durch sogen, stillschweigende Bestellung begründet werden kann, ist durch Art. 690 C. c. der Kreis der hierfür in Betracht kommenden Grunddienstbarkeiten eingeschränkt. Nur Servitutes continues (Art. 688 Abs. 2 C. c.) et apparentes können durch Widmung erworben werden. Offensichtlich (apparentes) sind diejenigen Servituten, die sich durch äußere Anlagen z. B. durch eine Tür, ein Fenster, eine Wasserleitung bemerkbar machen. Ein Graben ist als genügendes Merkmal anzusehen44). Offensichtlichkeit der Anlage kann gegeben sein, obwohl sie vom Eigentümer des dienenden Grundstücks übersehen wurde 46 ). Die Praxis fordert ein unzweideutiges, äußeres Merkmal eines Dienstbarkeitsverhältnisses 4 '). E s genügt nicht, wenn die vorhandenen sichtbaren Zeichen auf den dienenden Zustand mit Wahrscheinlichkeit schließen lassen. E s ist Gewißheit erforderlich 47 ), deshalb genügen Türen, welche sich auf dem als dienend beanspruchten Grundstück befinden, dann nicht, wenn sie nach ihrer Einrichtung auch dazu dienen können, um z u g u n s t e n des angeblich dienenden Grundstücks den Durchgang auszuüben 48 ), Weil nach der Auffassung des rheinischen Rechts durch die in der Beschaffenheit des Grundstücks vergegenständlichte Bestimmung (Widmung) die Grunddienstbarkeit erzeugt, wenn auch noch nicht geboren ist, so vollzieht sich der E r w e r b d e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t auch dann, w e n n die T r e n n u n g der G r u n d s t ü c k e erst nach d e m I n k r a f t t r e t e n d e r G r u n d b u c h v e r f a s s u n g e i n t r i t t 4 9 ) . Voraussetzung ist natürlich, daß der durch die Widmung vergegenständlichte Zustand in diesem Zeitpunkt noch und schon vorhanden war. Der Inhalt einer stillschweigend begründeten Dienstbarkeit richtet sich nicht nach dem jeweiligen Bedürfnis des Berechtigten, sondern nach den tatsächlichen Verhältnissen, die zur Zeit der Entstehung der Dienstbarkeit bestanden. Allerdings ist nicht die Art, wie 4S
) R G 1 3 , 252; 49, 238; 72, 273; J W 10, 60 (»); RheinArch. 84 I 1 4 1 . 44 ) R G 72, 273. ) Bolze 6 Nr. 76. « ) Bolze 17 Nr. 59. " ) R G 2, 360; 19, 387; Bolze 7 Nr. 72. 47 ) Vgl. R G 2 0 , 350. 48 ) Bolze 5 Nr. 1 0 2 ; R G 19, 388; vgl. Bolze 19 Nr. 65. 49 ) R G 72, 273; J W 10, 60. Unrichtig L G Wuppertal N J W 62, 1 0 1 7 ; dagegen Hodes in der Anm. daselbst. 4S
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II 1,2 der frühere Eigentümer der beiden Grundstücke das eine zum Vorteil des anderen benutzte, für sich allein maßgebend für die Feststellung des Inhalts der Dienstbarkeit, sondern das wesentliche Bedürfnis des herrschenden Grundstücks. Was aber wesentliches Bedürfnis ist, bemißt sich bei der vertragsmäßig bestellten Dienstbarkeit grundsätzlich nach der Art und der Zeit ihrer Entstehung. Bei der Dienstbarkeit, die bei der Veräußerung des einen v o n zwei Grundstücken zum Vorteile des anderen stillschweigend begründet wurde, handelt es sich um eine vertragsmäßige Bestellung, die vom Gesetzgebet durch eine Ergänzung des Vertrags willens herbeigeführt wird; es kommt hier auf den tatsächlichen Zustand an, dessen Fortbestand durch die Entstehung der Dienstbarkeit gewährleistet werden soll, so daß das dienende Grundstück nicht im weiteren Umfang belastet ist, als es den bisherigen Benutzungsverhältnissen entsprach 60 ). II. D i e E r s i t z u n g 1. B e s c h r ä n k u n g d u r c h B G B . Nach bisherigem Recht (vgl. nachsteh. Ziff. 2 ff) bis 1900 zuverlässiger Weise ersessene Servituten sind im vollen Umfang bestehen geblieben; allerdings finden auf sie die §§ 1020—1028 B G B Anwendung (Art. 184 S. 2 E G ) 6 1 ) . Nach 1900 konnte sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsvorschriften eine zuvor begonnene Ersitzung nur bis zum Inkrafttreten der Grundbuchverfassung 6 2 ) d. h. bis zur Grundbuchanlegung vollenden, jedoch mit der Einschränkung, daß nur eine Grunddienstbarkeit mit dem nach §§ 1018, 1019 B G B zulässigen Inhalt ersessen werden konnte; im gegebenen Falle muß daher ein solcher zulässiger Inhalt aus dem Gesamtkomplex herauskristallisiert werden. 2. Z u l ä s s i g k e i t d e r E r s i t z u n g . Die Ersitzung von Grunddienstbarkeiten ist vom Gemeinen 621 ), vom Preußischen Landrecht und v o m Rheinischen Recht anerkannt. Jedoch sind nach Rheinischem Recht nur „fortwährende und ins A u g e fallende" Servituten ersitzbar (Art. 690 C. c.)6S). Nach der preußischen Deklaration v o m 3 1 . 5 . 1841 50 )
B a y O b L G 6, 679; 7, 559; 23, 174 (gem. Recht); R G 4, 345 (rhein. Recht). B a y O b L G 19, 266. 52 ) Dagegen richtet sich die Begründung einer dem wasserrechtlichen Gebiet angehörenden Grunddienstbarkeit auch nach dem Inkrafttreten der Grundbuchverfassung bis zum Inkrafttreten der Wassergesetze nach den allgemeinen Vorschriften des bisherigen Rechts ( R G m , 90). 6 2 a ) Haben im Gebiet des Gemeinen Rechts die Bewohner eines bestimmten Ortsteils einer Gemeinde vor 1900 private Grundstücke ständig zur Begehung als Kirchund Schulweg benutzt, so kann grundsätzlich — wenn überhaupt — durch Ersitzung ein dingliches Wegerecht (als Dienstbarkeit der betroffenen Grundstücke) nur für die Gemeinde selbst begründet worden sein; es kann daher grundsätzlich auch nur von der Gemeinde — nicht auch von den einzelnen Gemeindemitgliedern — klageweise geltend gemacht werden: O L G Oldenburg in R d L 55, 307. V g l . L G Osnabrück R d L 57, 305. V g l . auch L G Kassel 1 S 85/64 (Geltung des gemeinen Rechts in den ehemals kurhessischen Gebieten). 63 ) Rhein. B G B Art. 690; Zachariae-Crome I § 221; StriethA 15, 171. Uber Erkennbarkeit der Anlagen zur Ausübung der Servitut s. R G 20, 350. Offensichtlichkeit der Anlage kann gegeben sein, obwohl sie vom Eigentümer des dienenden Grundstücks übersehen wurde, Bolze 17 Nr. 59. Keine Ersitzung der Benutzung von Quellwasser, wenn die Dohlen von dem Grundeigentümer zu seinem Vorteil angelegt wurden und wenn der Müller zufolge danach anzunehmender Vergünstigung diese Dohlenanlage vervollständigt hat. Bolze 19 Nr. 65. Dienstbarkeit der Mühle an einem Graben kann ersessen werden. Bolze 6 Nr. 82. Über Ersitzung eines Fischereirechtes vgl. Bolze 2 Nr. 177. Über Ersitzung gegenüber einem Miteigentümer vgl. Bolze 2 Nr. 89 und Nr. 13 51. 51)
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und dem Ergänzungsgesetz zur Gemeinheitsteilungsordnung vom 2. 3. 1850 können die in § 2 G T O von 1821 und Art. 1 ErgGes. von 1850 für ablösbar erklärten Grunddienstbarkeiten nicht mehr durch Ersitzung erworben werden; die bei Inkrafttreten der G T O schon vollendete Ersitzung blieb in Wirksamkeit64). In Nassau war gewohnheitsrechtlich die Ersitzung nicht ständiger Grunddienstbarkeiten verboten65). 3. B e s i t z s t a n d . Nach bisherigem Recht wird zur Ersitzung ein ununterbrochener58), fehlerloser 57 ) Besitzstand58) während der gesetzlich bestimmten Ersitzungszeit69) gefordert. Das A L R (nicht auch das Gemeine Recht) erfordert, wenigstens für die ordentliche Ersitzung einen Titel. Unter dem Titel wird ein Ereignis verstanden, welches an sich geeignet ist, die Grunddienstbarkeit zu begründen, dies jedoch — wegen Unzulänglichkeit des Rechts des Bestellenden — nicht bewirkt hat, z. B. weil der Verfügende nicht verfügungsberechtigt war60). 54 ) Rehbein 3, 1019 N. 2. Für Schleswig-Holstein Ges. vom 17.8.1876 (GS 377), § 30. Für Hannover Ges. vom 8. 6. 1873 (GS 353) § 1 1 , vom 13. 6 . 1 8 7 3 (GS 357) §20; 13. 4. 1885 (GS 109) § 12. Für Kurhessen V O vom 13. 5. 1867 (GS 716) § 3 1 ; für Nassau Ges. vom 5. 4. 1869 (GS 527) § 35. 56 ) Bertram, Nass. PrR 90 Anm. 9; Sayn, Nass. PrR 124. u ) Bei nicht ständigen Servituten (z. B. Geh- und Weiderechten) ist es nach gemeinem Recht kein Erfordernis, daß wenigstens in jedem Jahre einmal Ausübungshandlungen vorgenommen wurden. Es kann deshalb z. B. die Zeit, während welcher eine Weideausübung wegen Mangels an Vieh oder Weidenahrung unterblieb, in die Ersitzungszeit eingerechnet werden. BayOGH 3, 1 6 1 . Ob aus einer länger andauernden Nichtausübung ein, wenn auch nur vorübergehendes Aufgeben des Besitzwillens zu folgern ist, ist Tatfrage. BayOGH 15, 279. Wenn der Kläger bald über das als dienend beanspruchte Grundstück, bald auf einem anderen Weg zu seinem Grundstück gefahren ist, so kann gleichwohl ununterbrochener Besitzstand angenommen werden, sofern das dienende Grundstück nicht nur vereinzelt benutzt wurde und namentlich dann, wenn ein vernünftiger Grund vorlag, den anderen Weg zu nehmen, z. B. weil die dienende Wiese zeitweilig naß war. Wird aber ohne erkennbaren Grund häufig ein Umweg gemacht, so kann daraus unter Umständen auf den Mangel der Rechtsüberzeugung geschlossen werden. Das A L R I 9 §§596 bis 598 fordert für die ordentliche Ersitzung nicht ständiger Servituten, daß die Ausübung des Rechts jährlich wenigstens einmal erfolgt sein muß, sonst ruht die Verjährung. Jahre, in denen sie geruht hat, werden nicht gerechnet. In Hannover wird gleichfalls für unständige Servituten jährlich mindestens einmalige Ausübung gefordert. Linckelmann-Fleck 781. Über Unterbrechung und Ruhen der Ersitzung vgl. Gemeines Recht: Windscheid §§ i8off. sowie L G Osnabrück R d L 57, 305; für A L R §601 I 9 A L R : Rehbein 3, 987 Anm. 3; Foerster-Eccius 3, 246, 397 Anm. 62; OTr. 75, 52; für Rheinisches Recht: Zachariae-Crome 3jgff., 404. 5
' ) S. hierüber unten II 5. ) S. unten im Text zu N. 61 ff. ) S. hierüber unten II 6. •°) Streitig ist, ob ein sog. „translativer Titel" ausreichend ist, d. h. ob es genügt, daß der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dasselbe als mit der Grunddienstbarkeit verbunden, erworben hat, oder ob der Titel vom Eigentümer des belasteten Grundstücks ausgehen muß (konstitutiver Titel). Für „translativen Titel" Koch zu § 5 79 I 9, Dernburg, PrPrR I 430 N. 10, vor allem R G 16, 218. Abw. Foerster-Eccius 3, 399, Rehbein 3, 999 Nr. 5. Streitig ist ferner, ob es genüge, daß der Berechtigte in unentschuldbarem Irrtum geglaubt habe, die Dienstbarkeit rechtsgültig erworben zu haben. Für die Zulässigkeit 68 59
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Der Besitzstand erfordert einen auf dem Willen des Berechtigten 61 ) beruhenden Zustand, sei es, daß er in Handlungen des Berechtigten oder in Unterlassungen des Verpflichteten zum Ausdruck kommt. Dadurch allein, daß der Eigentümer eines Grundstücks einen Zustand aufrecht erhält, der einem anderen Grundstück zum Vorteil gereicht und der Eigentümer dieses Grundstücks den Vorteil genießt, übt dieser einen Besitzstand noch nicht aus. So liegt darin allein, daß der Nachbar den Fenstern eines Hauses das Licht oder der Mahlmühle den Wind nicht entzieht oder mit seinem Gebäude einen gewissen Abstand einhält, noch kein Besitzstand hinsichtlich des Genusses von Licht, Wind oder Aussicht. Dazu wäre erforderlich, daß der Eigentümer des Gebäudes (Mühle) dem Nachbarn eine Verbauung des Lichts oder des Luftzugs oder der Aussicht verbietet. Unterläßt daraufhin der Nachbar die ihm verbotene Handlung, dann ist die Aufrechterhaltung des einer Lichtgerechtigkeit (Luftzuggerechtigkeit, Aussichtsgerechtigkeit) entsprechenden Zustandes auf den Willen dessen zurückzuführen, der hiervon den Vorteil hat. Dieser übt also den Besitzstand aus*2). Für eine Korporation (Gemeinde) kann ein Verjährungsbesitz an Servituten, deren Nutzungen den einzelnen Mitgliedern der Korporation zugute kommen, nicht nur durch die gesetzlichen Vertreter oder Beamten, sondern auch durch ihre Mitglieder erworben und fortgesetzt werden63). Dabei ist es kein unbedingtes Erfordernis, daß die M e h r z a h l der Mitglieder an den Ausübungshandlungen teilnimmt. Wenn es sich um ein Recht handelt, das nur einem Teil der Mitglieder zugute kommt, muß es zum Erwerb durch Ersitzung, jedenfalls dann als ausreichend erachtet werden, wenn zu der Ausübung des Rechts durch einen Teil der Mitglieder hinzukam, daß den übrigen Mitgliedern die Rechtsausübung bekannt war und sie stillschweigend damit einverstanden waren64). Die Servitut muß in gutem Glauben 65 ) und in der Überzeugung, ein Recht auszuüben66), ausgeübt worden sein. Das Bewußtsein von der rechtlichen Natur dieses dieses „Putativtitels" Dernburg, PrPrR I 430, dagegen OTr. in StriethA 52, 216, FoersterEccius 3, 242/3, Koch Anm. 61 zu § 579 I 9. Ein formell ungültiger Vertrag ist auch nicht als Ersitzungstitel wirksam (BayOGH 6, 57; 7, 680; Bolze 1 1 Nr. 33). Wer beim Erwerb Zweifel an der Gültigkeit des Titels hat, muß diese aufmerksam prüfen. Unterläßt er das oder irrt er in tatsächlicher Beziehung, so wird er einem unredlichen Besitzer gleichgeachtet und kann die Ersitzung nicht beginnen, A L R I 7 § 15 ; I 20 § 91. Um die Verjährung durch h i n z u t r e t e n d e n bösen Glauben zu u n t e r b r e c h e n , genügen nicht Zweifel, sondern der Besitzer muß von der Unrechtmäßigkeit des Erwerbs „überführt" werden, A L R I 9 § 6 n ; I 7 §§. 16, 17, 222; Bolze 3 61 Nr. 97). ) Uber Besitz durch Stellvertreter s. unten N. 76. 62 ) SeuffA 36 Nr. 1 1 0 ; J W 91, 23; Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 403. Vgl. auch L G Osnabrück R d L 57, 305 (Ersitzung eines Wegerechts nach Gemeinem Recht). 63 ) OTr. 8, 8; 16, 22; 53, 78; J W 82, 1 3 3 ; 87, 103; 00, J 1 4 ; Gruchot 67, 86. Dabei war nach preuß. Recht ein die Mitglieder ermächtigender Beschluß der gesetzlichen Vertreter nicht erforderlich, wenn der Besitz von den Mitgliedern nicht für sich persönlich, sondern in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Korporation ergriffen und: ausgeübt worden war, d. h. in der Uberzeugung, daß das geübte Recht der Gemeinde oder der Korporation zukomme und von ihnen als deren Mitglieder zu nutzen sei (OTr. 16, 26; 53, 19; J W 82, 1 3 3 ; Gruchot 67, 86). Dies galt auch für eine evangelische Kirchengemeinde, die nach § 25 II 6, § 17 II 1 1 A L R die Rechte einer Korporation hatte ( R G 17, 195; Gruchot 67, 86). M ) Gruchot 67, 87 (preuß. Recht) für einen Abkürzungsweg zur Kirche, der nur von den Bewohnern jener Anwesen benutzt wurde, die östlich von der Kirche lagen. 6S ) BayOGH 14, 88; BayObLG 10, 128. Hierfür ist mehr nicht erforderlich, als daß der Erwerber die redliche Überzeugung gehabt hat, mit den Besitzhandlungen kein 4J
Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, j. Aufl.
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Rechts ist nicht erforderlich 6 '); es genügen daher auch solche Einwirkungen auf eine fremde Sache, welche in der Meinung vorgenommen wurden, ihr Eigentümer zu sein68). Dagegen ist nach Rheinischem Recht guter Glaube nicht erforderlich. Der gute Glaube ist ein Begriff, dessen Inhalt durch das negative Merkmal des Mangels des Bewußtseins gekennzeichnet wird, daß die Handlung dem Rechte eines andern zuwiderläuft. Liegt dagegen dieses Bewußtsein vor, so ist der böse Glaube (mala fides) gegeben. Dolus eventualis steht dem Wissen gleich. Wenn die Rechtsüberzeugung bzw. der gute Glaube auf einem Irrtum beruht, so muß der Irrtum entschuldbar sein. Der Rechtsirrtum steht dem tatsächlichen Irrtum gleich. Auch er kann unter Umständen entschuldbar sein69). Auf das Wissen desjenigen kommt es an, der durch die Ausübungshandlungen die quasi possessio an der Dienstbarkeit erlangt. Der gute oder böse Glaube eines Besitzdieners kann weder nützen noch schaden. War aber z. B. der Pächter bösmaterielles Unrecht zu begehen, Foerster-Eccius 3, 258 (ALR), BayOGH 8, 155 (RG). Für den guten Glauben streitet die Vermutung. Das gilt nach gemeinem Recht (Seuffert, Pand. § 136 Anm. 1 1 ) und A L R I 7 § 18 (BayObLG 10, 119). 66 ) BayOGH i, 421, und zwar ein Privatrecht (BayOGH 3, 5; 7,391 [gemeines Recht]; SeuffBl. 8, 331 [preußisches Recht]). Ein besonderer Nachweis des Willens, ein Privatrecht auszuüben, darf dann nicht gefordert werden, wenn die Ausübungshandlungen an sich geeignet sind, die Ausübung eines solchen Rechtes darzustellen (JW 1 1 , 115). Die Benutzung eines Weges in der Meinung, dieser Weg sei ein öffentlicher, kann einen Besitzstand für den einzelnen nicht begründen (BayOGH 3, 5; 8, 627; 10, 201; SeuffA 64, 448; Bolze 2 Nr. 193; OTr. 13, 167; L G Würzburg vom 27. 7. 1913 F 158/12; SeuffBl. 33, 23; SeuffA 8 Nr. 220, 236, 292; 59 Nr. 7 1 ; BayZ 06, 326). Vgl. auch L G Osnabrück R d L 57, 305 (Ersitzung eines Wegerechts) — War die Fischerei in einem öffentlichen Fluß frei und wurde sie von den ausübenden Fischern für frei gehalten, dann liegt in der Ausübung der Fischerei keine Rechtsausübung (JW 1 1 , 1 1 5 RG). Wohl aber kann durch die Benutzung eines Grundstücks als Weg durch die Mitglieder einer Gemeinde für die Gemeinde eine Dienstbarkeit ersessen werden (Bolze 2 Nr. 193), und zwar auch dann, wenn die Gemeindemitglieder den Weg für einen öffentlichen (also nicht bloß für die Gemeindeangehörigen, sondern jedermann zugänglichen Weg) gehalten haben (BayObLG 10, 199). Für einen Streit darüber, ob ein Grundstück mit einer Servitut eines öffentlichen Wegerechts belastet ist, sind die Verwaltungsgerichte zuständig (§40 VerwGO vom 21. 1. i960 — B G B l . I S. 17 —). Das einzelne Gemeindemitglied ist zur Klage aus § 1027 B G B nicht aktiv legitimiert (s. hierüber oben § 30 N. 117), kann sich aber gegenüber der negatoria des Eigentümers auf das Recht der Gemeinde berufen. Uber Gemeindeservituten vgl. oben § 30 III 3. — Liegen Rechtsausübungshandlungen vor, so kann kein besonderer Nachweis dafür verlangt werden, wessen Recht die Ausübenden eigentlich ihrerseits auszuüben geglaubt haben. Der Richter muß aus der gesamten Sachlage entnehmen, wessen Rechte ausgeübt wurden. Haben die Fischer einer Gemeinde, denen eine besondere zum Erwerb von Rechten geeignete Organisation fehlte, von jeher mit Rechtsüberzeugung gefischt, so kann als die Trägerin des Fischereirechts nur die Gemeinde angesehen werden, jedoch in der Weise, daß ihr das Recht zum Vorteil ihrer den Fischfang gewerblich ausübenden Gemeindemitglieder zusteht. Die Gemeinde ist daher zur gerichtlichen Geltendmachung des Rechts befugt (JW 1 1 , 115 RG). Bloße Besitzdiener brauchen die Rechtsüberzeugung nicht zu haben; auf den animus domini kommt es an (BayOGH 5, 796). 6
?) SeuffA 47 Nr 188; BayObLG 10, 199. ) R G 4, 1 3 5 ; 7, 144; 12, 175 (gem. Recht); OTr. 28, 1 1 6 ; 47, 1 5 ; 83, 36; Bolze 3 Nr. 96; R G 16, 216 (preuß. Recht); vgl. R G 56, 204; SeuffBl. 33, 23; 42, 250. 69 ) SeuffA 28 Nr. 9; 34 Nr. 96; Windscheid Pand. § 178 Anm. 2. 68
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gläubig, der Verpächter gutgläubig, dann schadet der böse Glaube des Pächters, der ja unmittelbar den Besitz ausübt, dem Verpächter; nicht dagegen schadet der böse Glaube des Dienstboten dem Dienstherrn. Für die Überzeugung ein Recht auszuüben, streitet die Vermutung 70 ), da der Ausübende annehmen darf, daß sich niemand längere Zeit hindurch nachteilige oder sein Eigentum beeinträchtigende Handlungen ohne zwingenden Grund gefallen lassen wird 71 ). Eine Ausnahme muß indes diese Rechtsregel dann erleiden, wenn Besitzhandlungen in Frage stehen, welche nicht von demjenigen, der das streitige Recht für sich in Anspruch nimmt, selbst unmittelbar vorgenommen werden, sondern durch einen Stellvertreter stattfinden. Durch einen negotiorum gestor wird einem Dritten der Besitz nur dann erworben, wenn auch er selbst die Besitzerwerbung gewollt, also entweder schon vorgängig den Auftrag dazu oder doch nachträglich seine Genehmigung erteilt hat. Dies gilt dem Grundsatz nach auch für den Besitzerwerb durch den Pächter und Mieter 72 ). Die Immission von Rauch, Ruß usw. kann nicht ohne weiteres als eine Handlung aufgefaßt werden, welche in der Absicht erfolgt, ein Recht gegen das hiervon betroffene Grundstück zu erwerben 73 ), ebensowenig das Ausschwärmenlassen von Bienen 74 ). 70 ) Sofern Handlungen vorliegen, die nach ihrer äußeren Aufmachung auf die Rechtsausübung schließen lassen (BayOGH 12, 96; BayObLG 12, 208; J W 1 1 , 1 1 5 RG). 71 ) SeuffA 24 Nr. 219; BayOGH 7, 240. Bei der Benutzung eines Richtweges (Weg, der bloß der Abschneidung dient) wird ein strengerer Maßstab angelegt von SeuffA 22 Nr. 219, 25 Nr. 219, 25 Nr. 9, 49 Nr. 10. Nach SeuffA 36 Nr. 264 spricht die Tatsache, daß wegen der durch die Besitzhandlungen verursachten Schäden zeitweilig Entschädigung geleistet wurde, zwar regelmäßig, aber nicht unter allen Umständen, gegen die Absicht der Rechtsausübung. — Auch nach p r e u ß i s c h e m R e c h t braucht der Erwerber die Negative, daß er das streitige Recht nicht vermöge einer bloßen Vergünstigung ausgeübt hat, nicht zu beweisen. Aus den Umständen des Falles ist zu beurteilen, ob ein Besitzstand oder ein precarium vorlag (OTr. 4, 169; 52,42; Gruchot 24, 869; Dernburg 576 und dortige Nachweise). Uber Absicht der Rechtsausübung beim Aufstellen von Wagen auf einer öffentlichen Straße s. SeuffA 42 Nr. 194 (RG); OTr. 37, 170. Periodische Gegenleistungen, z. B. Zahlung eines jährlichen Weidegeldes, schließen die Absicht der Rechtsausübung nicht aus (vgl. oben § 30 III 7). Namentlich spricht Unveränderlichkeit und ungewöhnlich niedriger Betrag der Gegenleistung für ein Recht, wobei j edoch nicht ausgeschlossen ist, daß der Gegenleistung der Charakter einer Anerkennungsgebühr zukommen kann. Im Falle einer w i l l k ü r l i c h erhöhbaren Gegenleistung stellt sich das Verhältnis als bloße Vergünstigung dar. So für preußisches Recht Dernburg PrPrR 1, 760; Rehbein 3, 980. — 72 ) BayOGH 7, 241. Indes wird bei einem Pachtverhältnis regelmäßig unterstellt werden können, daß durch den Pachtvertrag der Pächter generell bevollmächtigt ist, den Verpächter als Eigentümer der Pachtobjekte insoweit zu vertreten, als es sich um die Wahrung seines Eigentums gegenüber Dritten handelt. Der Eigentümer wird insoweit durch den Pächter repräsentiert. Das gleiche gilt bei der Vermietung eines g a n z e n Hauses. Nehmen die Mieter im guten Glauben und in Rechtsüberzeugung den Weg über ein Nachbargrundstück, so gelten sie insoweit als bevollmächtigte Vertreter des Vermieters. Dann ist nicht einmal dessen eigene Kenntnis von der Besitzausübung notwendig. Überdies würde eine stillschweigende Genehmigung der Wegeausübung durch den Vermieter anzunehmen sein, wenn er von der Wegeausübung Kenntnis erhält und keinen Widerspruch dagegen erhebt. 73 ) Bolze 2 Nr. 1 9 1 , 5 Nr. 97, 1 1 Nr. 5 1 ; R G 12, 1 7 5 ; SeuffA 46 Nr. 1 7 1 . 71 ) Vgl. J W 84, 281 Nr. 39.
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Desgleichen stellen eine bloße Maüerausbauchung oder das bloße Hineinragen eines schief gewordenen Giebels für sich allein keinen zur Ersitzung geeigneten Rechtsbesitz dar'6). Als Besitzhandlungen kommen nicht nur Handlungen des Eigentümers selbst, sondern auch Handlungen Dritter, welche in einem Repräsentationsverhältnis zum Erwerber stehen, in Betracht"). Dabei ist Wissen des Geschäftsherrn nicht erforderlich"). Der Rechtsbesitzstand wird nicht ohne weiteres dadurch verloren, daß der Eigentümer des herrschenden Grundstücks das dienende pachtet78). Nach preußischem Recht können nur solche Besitzhandlungen zur Ersitzung führen, die in Kenntnis des Ersitzungsgegners vorgenommen sind'9). Auch an Sachen, welche dem öffentlichen Gebrauch gewidmet sind, ist eine Servitutenersitzung nicht ausgeschlossen, sofern nur diese Rechte mit der Zweckbestimmung der öffentlichen Sache vereinbar sind; dabei ist zu berücksichtigen, daß durch die auch noch so lange Ausübung von allgemeinen Gebrauchsbefugnissen, welche aus der Öffentlichkeit des Weges folgen, nie ein Sonderrecht abgeleitet werden kann80). Auch an einem Fideikommißgut konnte eine Servitut ersessen werden81). 4. U m f a n g . Der Umfang der durch Verjährung erworbenen Dienstbarkeit bestimmt sich nach dem Umfange des Besitzstandes während der Verjährungszeit tantum praescriptum quantum possessum82). Aber diese Rechtsregel ist nicht so zu verstehen, als ob im gege" ) R G 4 5 , 287; vgl. dagegen O L G 5, 423. " ) Vgl. oben N 72; vgl. ferner SeuffA 47 Nr. 188, BayOGH 5, 795 (Ausübungshandlungen durch Dienstboten). Durch Dritte, welche in keinem Repräsentations- oder Besitzdienerverhältnis zum Eigentümer stehen (z. B. colonus, mercenarius, hospes, medicus, fructuarius) kann nach gemeinem Recht die possessio einer Servitut zwar erhalten, nicht aber erworben werden. Angewendet auf die Käufer von Holz, die das gekaufte Holz aus dem Forst über andere Grundstücke abgefahren haben. SeuffA 47 Nr. 188; vgl. dagegen SeuffA 2 Nr. 11; 3 Nr. 10 und 11. Uber Besitzhandlungen des Pächters vgl. oben N 72. Uber guten Glauben des Besitzdieners s. oben N 66. " ) SeuffA 4 Nr. 205 (Gutsschäfer als Repräsentant des Fiskus). ™) R G 22, 188; vgl. für A L R RG 31, 331. , 9 ) Das wird aus § 84 I 7 A L R abgeleitet (OTr. 47, 15). Anders nach gemeinem Recht (Bolze 12 Nr. 62; R G 22, 188; 24, 163). 80) Kahr, Gemeindeordnung 35, 9; vgl. BlAdmPr. 20, 340 u. 397; BayOGH 8, 625; 9, 81; 10, 200; 15,433; SeuffA 42 Nr. 194 (RG); BayObLG 11,455 (preuß. Recht für Rechte am Eisenbahnkörper); 11, 689 (öffentlicher Brunnen) und dagegen BayOGH 12, 178; vgl. oben N 66. An einem im Eigentum des Staates stehenden öffentlichen Brunnen (Heilquelle) ist der Rechtsbesitz eines Wasserschöpfrechtes einer bestimmten Gemeinde z. B. dann gegeben, wenn die Angehörigen dieser Gemeinde im Gegensatz zu den Angehörigen anderer Gemeinden hinsichtlich des Wasserschöpfens eine bevorzugte Stellung innehatten. 81 ) SeuffA 26 Nr. 225. M ) So nach gem. Recht BayOGH 10,12i ; R G 1, 101 (Recht auf Heu-und Grummetfahrten, kein Recht auf Dungführen). A L R § 28 I 22. Vgl. Rehbein-Reinke Anm. 28 hierzu; Rehbein 3,1009; OTr. 16, 18; OTr. 21, 374 (Ersitzung eines Weges nur in der benutzten Breite'); StriethA 3, 38 (Recht, die Jauche frei über das belastete Grundstück laufen zu lassen, gibt nicht das R. auf einen Abzugskanal); StriethA 63, 330 (Wegegerechtigkeit mir für die Zeit des Jahres, in der der beanspruchte Weg nicht mit Gras bewachsen ist); StriethA 76, 232 (Lehmentnahme für ein Kruggrundstück ist nicht auszudehnen auf zum Krug gehörige, erst nach Ablauf der Ersitzungszeit errichtete Gebäude). Rheinisches R; RheinArch. 69 I 87 (Besitz von Schlagläden in der Ersitzungs-
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benen Falle für alle denkbaren Möglichkeiten der Wirtschaftsbetriebsweise auf dem herrschenden Grundstücke Ausübungshandlungen vorliegen müßten. Sie soll vielmehr nur aussprechen, daß durch Ersitzung nicht ein Recht von größerem als durch die Ausübungshandlungen kundgegebenen Willen erworben werden kann83). Wenn der zur Zeit der Ersitzung bestehende Betrieb nicht nur erweitert, sondern seiner Art nach geändert wurde, braucht eine hierdurch herbeigeführte Erschwerung der Belastung nicht geduldet zu werden84). Abweichungen in der Richtung des benutzten Weges schließen die Ersitzung nicht aus, wenn die Hauptrichtung die gleiche ist85). 5. B e s i t z f e h l e r . Der Besitzstand ist f e h l e r h a f t 8 ' ) , wenn er gewaltsam (vi), heimlich (clam) oder bittweise (precario) ausgeübt wird. Zur G e w a l t genügt schon Handeln gegen Verbot; das Verbot kann wörtlich oder tatsächlich eingelegt sein 8 '); jede Handlung, welche darauf gerichtet ist, den Unternehmer von dem Beginn oder der Fortsetzung der Ausübung abzuhalten, gilt als Verbot 88 ). H e i m l i c h k e i t liegt vor, zeit gibt nicht das R , einen Grenzabstand zu fordern, der die Breite der aufgeklappten Läden übersteigt). R G 4, 345. 83 ) J W 8o, 132 (RG); BayOGH 2, 1 1 (obwohl nur Dünger von Ziegen während der Ersitzungszeit auf der fremden Dungstätte abgelagert wurde, wird Recht zur Ablagerung von K u h d ü n g e r zugesprochen, weil der Wille auf die Ausübung einer den gesamten Düngeranfall umfassenden Dienstbarkeit gerichtet war); vgl. R G 1 , 335. — Wie bei einer b e s t e l l t e n Dienstbarkeit anzunehmen ist, daß sie nicht auf das im Augenblick der Bestellung gerade bestehende Bedürfnis beschränkt ist, sondern daß sie für den durch die Verkehrsauffassung bestimmten und äußerlich sich ausprägenden bisherigen C h a r a k ter des Grundstückes bestellt ist und sich einem im R a h m e n d i e s e s C h a r a k t e r s wechselnden Bedürfnisse zu fügen hat (s. oben § 3 1 II), so darf man sich auch bei einer durch Ersitzung entstandenen Dienstbarkeit trotz des Grundsatzes: „tantumpraescriptum, quantum possessum" nicht ängstlich an nebensächliche Einzelheiten klammern, sondern man muß auch hier das Charakteristische der Ausübungshandlungen herausgreifen und danach Gruppen (z. B. hauswirtschaftliche, hausgewerbliche, landwirtschaftliche) bilden. BraunschwZ 06, 169 (Braunschweig); vgl. die ausführlichen beachtenswerten Ausführungen in OTr. 16, 18. 84 ) Vgl. SeuffA 52 Nr. 75 (Umwandlung eines bäuerlichen Anwesens in ein Kurhaus mit Hotelbetrieb), vgl. SeuffA 42 Nr. 286; J W 95, 210 Nr. 44; 00,627 Nr. 1 6 ; vgl. oben § 31 II. 86 ) BayObLG 1 5 , 4 5 4 (gem. Recht); SeuffBl. 2 1 , 352; R G 3 i , 328 (für ALR). M ) Die Fehlerhaftigkeit muß in der Person des Berechtigten liegen. Hat der Dienstknecht des Berechtigten gefragt, weil er das Fahrtrecht nicht kannte, so liegt nur in den hierauf vorgenommenen Besitzhandlungen des Knechtes selbst eine fehlerhafte Besitzhandlung. Handelt es sich um eine der Gemeinde zustehende Grunddienstbarkeit, so begründet das Fragen eines vereinzelten Gemeindemitglieds keinen fehlerhaften Besitzstand für die Gemeinde, anders, wenn das Fragen überhaupt an der Tagesordnung ist; vgl. auch J W 96, 16. 87 ) Vgl. R G 1 2 , 1 7 5 . 88 ) Z. B. Anbringung einer Verbotstafel (eines Strohwisches) oder Ziehung eines Grabens, Errichtung eines Schlagbaumes als gewolltes Hindernis gegen die beanspruchte Fahrt. Vgl. SeuffA 10 Nr. 235; BayOGH 1 , 166; 5,796; R G i , 1 0 1 . — E i n bloßes Schimpfen kann auch als Zeichen des Unmutes über eine für den Schimpfenden lästige Berechtigung eines anderen aufzufassen sein ( L G Würzburg 4. 2. 1902; PrR Nr. 87/00). Ist eine Ausübungshandlung gegen Verbot ausgeübt worden, so klebt dieser Besitzfehler nicht notwendig allen späteren Ausübungshandlungen an (SeuffA 26 Nr. 223).
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§ 3 6 115
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
wenn die Ausübung des Besitzstandes hinter dem Rücken des Eigentümers vorgenommen wird; dies ist nicht schon dann der Fall, wenn die Besitzausübung, sei es aus Mangel an einer Anzeige 89 ) oder aus Unachtsamkeit des Eigentümers, nicht zur Kenntnis des letzteren gekommen ist, sofern nicht aus den Umständen gefolgert werden kann, die Besitzausübung habe verheimlicht werden wollen 90 ). B i t t w e i s e ist der Besitzstand, wenn er nach den Umständen auf einer Gefälligkeit des Eigentümers beruht, worauf insbesondere die Einholung der Erlaubnis schließen läßt91). Wenn aber beispielsweise der Fahrtberechtigte vor der Ausübung der Fahrt den Eigentümer bittet, er möge sein Feld durch Abräumung der Frucht für die Fahrt freimachen und mit dem Fahren zuwartet, bis der andere abgeräumt hat, so wird darin regelmäßig nur eine in anständige Form gekleidete Rücksichtnahme (§1020 B G B ) zu erblicken sein92). Ebensowenig wird daraus allein, daß sich der Fahrtberechtigte vom Eigentümer den Schlüssel zur Durchfahrt gebenläßtund sein Verlangen nach dem Schlüssel in die höfliche Form einer Bitte kleidet, noch nicht auf ein precarium zu schließen sein93). Andererseits kann daraus allein, daß der Eigentümer des als dienend in Anspruch genommenen Grundstücks an den Nachbar öfter das Ersuchen gestellt hat, den Wasserlauf einige Zeit unbenützt zu lassen oder doch erst zur Abendzeit zu benützen, noch nicht gefolgert werden, daß ein precarium n i c h t vorlag, weil die Form der Bitte auch mit Rücksichten nachbarlicher Freundlichkeit ihre Erklärung finden kann94). Was die B e w e i s l a s t angeht, so braucht nicht der Ersitzende die Abwesenheit der genannten Besitzfehler, sondern es muß der Eigentümer des in Anspruch genommenen Grundstückes ihr Vorhandensein beweisen95). Erforderlich ist lediglich, daß die Besitzhandlungen während der Ersitzungszeit fehlerlos waren. Ein ursprünglich fehlerhafter Besitzstand kann in seinem späteren Verlaufe fehlerfrei sein. Denn die Ersitzung setzt nicht wie die unvordenkliche Verjährung einen unbekannten Anfang des Zustandes voraus, um eine Rechtmäßigkeit des Zustandes zu schaffen, sondern begründet das Recht selbst dann, wenn ein vor Beginn der Ersitzungszeit liegender rechtswidriger Ursprung festgestellt ist. Allerdings kann der Nachweis eines fehlerhaften Ursprungs indirekt von Bedeutung werden, nicht weil die spätere Übung bloß als eine Fortsetzung der früheren, fehlerhaften erscheint, sondern nur darum und insofern als (subjektiv) die Erinnerung an den fehlerhaften Beginn auch später das Bewußtsein einer berechtigten Übung in dem Ausübenden ausschließen kann96). 89 ) Eine Anzeige ist nach gemeinem Recht nur ausnahmsweise erforderlich, wenn sich der Besitzer sagen muß, daß der Eigentümer von der Einwirkung sicher keine Kenntnis hat und sie bei Kenntnis nicht dulden würde. JW90, 118 Nr.26 (RG); R G 25, 145. 90 ) R G 22, 190; 2 5 , 1 4 7 ; BayOGH 5, 56; 1 1 , 7 2 7 . 91 ) Vgl. Glück, Pandektenkomm. 9, 134; A L R I 22 §§ 1 4 t (vgl. J W 80, 156). Wenn die Besitzhandlungen erstmals ausgeübt wurden, als die beteiligten Grundstücke nahen Verwandten gehörten, spricht die Vermutung dafür, daß dies solange nuraus Gefälligkeit geduldet wird. — Es ist nicht undenkbar, unter besonderen Umständen Vergünstigung anzunehmen, obwohl der Eigentümer die Ausübung verboten und der andere dessen ungeachtet die Ausübung fortgesetzt hat. Es ist möglich, daß es der Eigentümer aus Vergünstigung unterlassen hat, mit dem Verbote Ernst zu machen. Bolze 5 Nr. 95. 92 ) Ist es während der Ersitzungszeit immer so gehalten worden, so wird allerdings (tantum praescriptum, quantum possessum) nur ein Recht, über das u n b e s t e l l t e Grundstück zu fahren, erworben sein. 93 94 ) Vgl. SeuffBl. 6,353; Holzschuher, Theor. u. Kas. 2,33. ) SeuffA 6 Nr. 155. 95 ) So für gemeines Recht R G 1 , 103; SeuffBl. 60, 369; L G Osnabrück R d L 57, 305; für preuß. Recht: StriethA 62, 3 4 1 ; 64, 245; 65, 7 1 ; 87, 139; OTr. 32, 42; Bolze 10 Nr. 72. R 08, 864 (RG). " ) Bolze 10 Nr. 72.
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Erwerb der Grunddienstbarkeiten nach bisherigem Recht
§
36 116
6. Z e i t der E r s i t z u n g . Nach gemeinem Recht wie nach A L R gilt der Grundsatz der accessio possessionis (der Sondernachfolger darf sich die Besitzzeit seines Vorgängers anrechnen97). a) Nach g e m e i n e m R e c h t e beträgt die Ersitzungszeit für alle Arten von Servituten98) io Jahre unter Anwesenden, 20 Jahre unter Abwesenden99). Ein Titel ist nicht erforderlich. Auch für eine Ersitzung gegenüber den Dorf- und Stadtgemeinden besteht keine Ausnahme 100 ); dagegen beträgt die Ersitzungszeit gegenüber dem Fiskus 40 Jahre 101 ). Scientia et patientia des Eigentümers des dienenden Grundstücks ist nicht erforderlich 102 ). b) Nach p r e u ß i s c h e m L a n d r e c h t beträgt die Ersitzungszeit 103 ) mit Titel 104 ) 10 Jahre anter Anwesenden, 20 Jahre unter Abwesenden 106 ) und gegen nicht privi97 ) Schiedermair, BayZ 15, 207. Demburg, Pand. 1 , 5 1 5 ; Windscheid, Pand. § 1 8 1 . Der Satz des gemeinen Rechtes, daß der Rechtsnachfolger (auch der Sondernachfolger) die Ersitzung überhaupt gar nicht beginnen könne, wenn er die Sache aus den Händen eines mala fidei possessor erlangt habe (Seuffert, Pand. § 134, 2c, § 138), ist nicht etwa dahin anzuwenden, daß der Rechtsnachfolger trotz seines guten Glaubens die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit dann nicht b e g i n n e n könne, wenn sein Besitzvorgänger den Besitz der Grunddienstbarkeit im bösen Glauben erlangt hat. — Aber selbstverständlich kann sich der Rechtsnachfolger die Besitzzeit seines bösgläubigen Vorgängers nicht anrechnen. — Nach A L R I, 9 § 614 schadet dem Nachfolger der böse Glaube seines Vorgängers nicht. Natürlich wird die Besitzzeit des bösgläubigen Rechtsvorgängers nicht eingerechnet (vgl. Schiedermair, BayZ 15, 207). 98 ) Auch für Servitutes discontinuae, BayOGH 15, 278; R G 3, 210. Im Gegensatz zum A L R erfordert das gemeine Recht für die Ersitzung von Servituten, welche nur bei vereinzelten Gelegenheiten ausgeübt werden können (z. B. Bauholzberechtigung), nicht den Beweis der Ausübung in drei Fällen; es bleibt dem richterlichen Ermessen im Einzelfall überlassen, ob aus der Zahl der nachgewiesenen Fälle eine d a u e r n d e Rechtsausübung gefolgert werden kann. J W 94, 325 Nr. 47. Ebensowenig besteht für die sonstigen Servitutes discontinuae (z. B. Geh- und Fahrtrechte) das Erfordernis, daß die einzelnen den Gegenstand der Servitut bildenden Handlungen wenigstens einmal in jedem Jahre vorgenommen worden sind. Auch hier ist es Tatfrage des Einzelfalls, ob etwa eine Unterbrechung der Besitzhandlungen anzunehmen ist. BayOGH 15, 279. Vgl. auch L G Osnabrück R d L 57, 305. 99 ) Anwesend ist derjenige, der seinen Wohnsitz im Bezirke desjenigen Oberlandesgerichts hat, in welchem das angeblich dienende Grundstück liegt. Dies gilt für gemeines und preußisches Recht. Nach A L R I 9 § 622 ist maßgebend der Aufenthalt in einer anderen Provinz. Die Praxis hat an die Stelle der Provinz den Bezirk des Oberlandesgerichts gesetzt (Schiedermair, BayZ 15, 208). Ist der abwesende Eigentümer durch einen Gutsverwalter vertreten, so ist gleichwohl die zwanzigjährige Ersitzungszeit erforderlich. SeuffA 6 Nr. 3 1 2 ; 10 Nr. 137, 12 Nr. 250. Ist der Eigentümer des dienenden Grundstücks während der Ersitzungszeit teils anwesend, teils abwesend, so wird die Dauer der Abwesenheit nach gemeinem Recht nur halb gerechnet (Schiedermair, BayZ 15, 208). Nach A L R wird eine kürzere als eine einjährige Abwesenheit nicht berücksichtigt und auch bei längerer Dauer der Abwesenheit werden nur die vollen Jahre, nicht ein Jahresbruchteil der Berechnung der Abwesenheitsdauer zugrunde gelegt ( A L R I 9 §§621—623). 100 ) BayObLG 4, 897. 101 ) R G 6, 202; 24, 193; 25, 190. Über Berechnung der Ersitzungszeit, wenn wegen Besitzwechsels im dienenden Grundstücke teils ordentliche, teils außerordentliche Er102 sitzung stattfindet, s. R G 25, 189. ) R G 22, 188; 24, 163. 103 ) Feststellung des Besitzes zu Anfang und Ende der Verjährungszeit genügt, Fortdauer während der Zwischenzeit ist zu vermuten. A R L I 9 § 599, Bolze Nr. 173.
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§ 36 116
n i . Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
legierte Korporationen, ohne Titel 30 Jahre 108 ). Solche Dienstbarkeiten, deren alljährliche oder gewöhnliche Ausübung nicht yon der Willkür des Berechtigten abhängig ist, deren Ausübung vielmehr nur bei gewissen durch andere Umstände herbeigeführten Gelegenheiten möglich ist, deren Eintreten abgewartet werden muß, werden, gleichviel ob mit oder ohne Titel, in 40 Jahren ersessen 107 ). Bei dieser außerordentlichen Ersitzung von 40 Jahren ist für solche unständige Servituten, die nur bei besonderen Gelegenheiten, deren Eintritt nicht von der Willkür des Berechtigten abhängt, sondern von diesem abgewartet werden muß 108 ), ausgeübt werden können, eine mindestens dreimalige Ausübung erforderlich, wobei zwischen dem ersten und dritten Falle mindestens der Zeitraum von 40 Jahren liegen muß 109 ). Gegenüber dem Fiskus, den Kirchen und gleichberechtigten Korporationen findet in allen Fällen nur die ungewöhnliche Ersitzung von 44 Jahren statt 110 ). Die Stadt- und Dorfgemeinden sind aber nicht als gleichberechtigte Korporationen anerkannt; für sie verbleibt es daher bei der gewöhnlichen Ersitzungszeit 111 ). Nur soweit an sich die zehnjährige Ersitzungszeit genügen würde, wird diese durch A L R I 9 § 624 gegenüber Stadtgemeinden ( A L R II 8 § 108) verdoppelt 112 ). Ausnahmslos ist nach A L R I 9 § 660 5 o jährige Verjährung erforderlich, wenn die Grenzen eines Rechtes durch Verträge oder rechtskräftige Erkenntnisse klar bestimmt sind. Voraussetzung dieses § 660 ist nicht nur, daß der Umfang und die Art des Rechts klar bestimmt sind, sondern es muß sich auch das Recht selbst, d. h. dessen Begründung, aus dem betreffenden Vertrag oder Urteil zweifelsfrei ergeben 113 ). Hat sich jedoch der Ersitzungsgegner im vorliegenden Fall nach anfänglichem Widerspruch beruhigt, so greift dreißigjährige Ersitzung Platz 114 ). Endlich galt im Gebiet des preußischen Rechtes der Satz, daß derjenige, der die Inhabung eines Rechts im sogenannten Normaljahr 116 ) nachweist, gegen Ansprüche des Fiskus, nicht aber gegen solche von Privatpersonen geschützt ist. Dem Nachweis des Rechts im Normaljahr stand es gleich, wenn bewiesen wurde, daß der Fiskus das Recht im Normaljahr anerkannt hatte 118 ). c) Für die nach rheinischem Recht zur Ersitzung zugelassenen Grunddienstbarkeiten — s. oben § 36 II — galt dreißigjährige Ersitzungszeit. Wie im Landrechtsgebiet galt die Vermutung: olim et hodie possessor, Semper possessor (Rhein. B G B Art. 2234). d) In Teilen von Schleswig-Holstein galt Gemeines Sachsenrecht; die Zeit betrug hier 31 Jahre 6 Wochen und 3 Tage 1 1 7 ). 104 ) Vor dem 1. 1. 1900 war der mündliche Vertrag kein ausreichender Titel, Bolze 1 1 , Nr. 33; seit Inkrafttreten des B G B gilt das Gegenteil; vgl. oben § 35 I u. § 36 I. Uber die Gültigkeit eines „translativen Titels" vgl. oben N 6 0 ; ebenda über den sogenannten „Putativtitel". 106 ) A L R I 9 § § 620—624, vgl. oben N 99. Uber verhältnismäßige Berechnung der Abwesenheit s. A L R I 9 § § 6 2 1 , 6 2 3 . 108 ) A L R I 9 §625. 107 ) A L R I 9 §649; J W 8 1 , 51. 108 ) Vgl. J W 8 1 , 51. 109 ) A L R I 9 § 649; vgl. J W 81, 5 1 ; 94, 325 Nr. 47. u0 ) A L R I 9 §§629,630; vgl. SeuffBl. 1 5 , 2 5 2 . Dies gilt auch gegenüber dem Eisenbahnfiskus (BayObLG 1 1 , 455). m m ) J W 98, 581 Nr. 33 und 582 Nr. 34. ) J W 98, 581 Nr. 33. 115 114 ) J W 98,582 Nr. 34. ) § 662 A L R I, 9. 116 ) Für Altpreußen das Jahr 1740, für Westpreußen 1797, für die Rheinprovinz i . 1 . 1815. 118 117 ) §§ 641fr. A L R 1 , 9 . ) Kahler, SchleswHolst. PrivR S. i 5 8 f f .
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Erwerb der Grunddienstbarkeiten nach bisherigem Recht
S 36 in
Das Recht auf Restnutzung konnte nach J ü t i s c h e m L o w durch dreißig Jahre währenden unangefochten bestehenden Besitz mit dem Willen der Rechtsausübung ersessen werden; aber nur bis zum Jahre 1876 (§ 30 Ges. betr. Ablösung der Servituten für Schleswig-Holstein vom 17. 8. 1876 G S 377). Auch eine unvordenkliche Verjährung hätte damals vollendet sein müssen 118 ). e) Lübisches Recht galt in Teilen von Schleswig-Holstein und Pommern 119 ). Die Ersitzungszeit war die deutschrechtliche von Jahr und Tag, die hier aber wörtlich mit 1 Jahr und 1 Tag ausgelegt wurde (Lüb. Recht Buch I Kap. 8). Diese Frist lief gegen Abwesende erst von deren Kenntnis ab, ohne Rücksicht auf ihre Kenntnis aber stets bei Gebäudedienstbarkeiten120). Andere partikuläre Ersitzungsfristen haben in Schleswig-Holstein 121 ) und Nassau 122 ) Geltung gehabt. Einige Besonderheiten provinzieller Natur galten für die außerordentliche Ersitzung gegen den Fiskus und die Kirchen 123 ). Die Ersitzung von Servituten auf Helgoland war möglich 124 ). III. U n v o r d e n k l i c h e V e r j ä h r u n g Das A L R 1 2 5 ) und der Code civil 126 ) erkennen die unvordenkliche Verjährung nicht an 1 2 7 ). Nach gemeinem Recht begründet die Unvordenklichkeit des Besitzes eine Rechtsvermutung dafür, daß ein rechtlicher Zustand, welcher seit Menschengedenken fortdauert, in einer nicht mehr festzustellenden Zeit in rechtsförmlicher und rechtswirksamer Weise begründet worden ist 128 ). Die unvordenkliche Verjährung bildet also nicht etwa einen Erwerbsgrund für ein Recht, sondern nur einen Beweisgrund für sein Bestehen 129 ). Die Unvordenklichkeit bewirkt, daß ein Rechtszustand, der ununterbrochen so lange gedauert hat, daß sein Anfang nicht ermittelt werden kann, der Anfechtung entrückt ist 130 ). Für Nassau mußte der Erwerb durch unvordenkliche Verjährung bis zum Inkrafttreten der Stockbuchverfassung (Juli 1854) beendet sein 131 ). Nur solche Zustände, welche sich als Ausübung von Rechten äußerlich darstellen, erhalten durch die Unvordenklichkeit gesicherten Bestand 132 ). Es genügt jedoch, wenn 118
) SchlHA 24, 39 (Kiel). ) Für Pommern ist bezüglich der Ersitzung die Geltung lübischen Rechts streitig. Vgl. Wilmowski, Lübisches Recht in Pommern. 12 121 122 °) Wilmowski §§ 26fr. ) Kahler S. 161 ff. ) Sayn, Nassauisches PrR. li3 ) Koch Bern. 28, 29 zu § 628 I 9 A L R u. Nachweise. 124 125 ) S. hierüber SchlHA 20,200 (Kiel). ) Dernburg, PrPrR 1 , 439; J W 89, 238. 12e ) Rhein. B G B Art. 691; RheinArch. 102 1 1 4 4 . 12 ' ) Wenn aber in einem Gebietsteil schon vor Einführung des A L R oder des Code civil nach dem dort vorher geltenden gemeinen Recht die Voraussetzungen der unvordenklichen Verjährung erfüllt waren, dann ist der Nachweis über das Bestehen dieses Rechtes erbracht und es ist Sache des Gegenbeweises, das Erlöschen des Rechtes dar128 zutun (BayObLG 21, 129). ) Windscheid § 1 1 3 ; Dernburg, Pand. § 150. 129 13 ) J W 96, 1 5 7 ; BayObLG 21, 136. °) BayObLG 21, 135. 131 ) Vgl. Bertram § 269; Sayn 124 Anm. 1 ; Flach, Entsch. O A G Wiesbaden 251. 132 ) Deshalb bildet die bloße Tatsache, daß bisher das Wasser durch einen Graben auf das niedriger gelegene Grundstück abfloß und von dessen Eigentümer bisher benutzt wurde, keine für die unvordenkliche Verjährung genügende Rechtsausübung, da diese Tatsache auch die bloße Ausnützung eines tatsächlich vorhandenen Vorteils darstellen kann. Rechtsausübung wäre dagegen anzunehmen, wenn der Oberlieger auf Anfordern des Unterliegers den Graben ausgeräumt hätte. R G 1 7 , 1 2 3 . Ebenso SeuffA 32 Nr. 299 (für die Wasserbenutzung eines Anliegers an einem Privatfluß). 119
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§ 36
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
III die Ausübungshandlungen an sich geeignet sind, eine Rechtsausübung darzustellen, nicht aber ist erforderlich, daß zu der über Menschengedenken hinaus fortgesetzten Übung noch besondere Merkmale hinzukommen müssen, welche in der Übung eine Rechtsausübung hervortreten lassen. Man hat im Gegenteil davon auszugehen, daß bei Handlungen, welche an sich zur Darstellung einer Rechtsausübung geeignet sind, in der während der unvordenklichen Zeit fortgesetzten Übung die Absicht, ein Recht auszuüben, genügend in die Erscheinung tritt und es also Aufgabe des Gegenbeweises ist, besondere Umstände darzulegen, welche eine andere Annahme rechtfertigen 133 ). Das Gesetz verlangt, daß der betreffende Zustand ununterbrochen so lange bestanden habe, als das Gedenken der jetzt lebenden Generation reicht; dieses Gedenken schließt nicht bloß die eigene Wahrnehmung, sondern auch das v o n der früheren Generation Erfahrene in sich. Aus diesem Grunde hat der Beweis der unvordenklichen Verjährung ein doppeltes — positives und negatives — Ziel zu verfolgen, indem nachgewiesen werden muß einerseits, daß der betreffende Zustand innerhalb derjenigen Zeit bestanden hat 134 ), welche die eigene Wahrnehmung der jetzt lebenden Generation umfaßt, und andererseits, daß die jetzt lebende Generation auch durch Mitteilung ihrer Vorfahren 135 ) weder von dem Nichtbestehen dieses Zustandes noch von dem Anfang desselben eine Kunde habe 136 ). Besteht der Rechtszustand während dieser Zeit ohne Unterbrechung, so ist die rechtliche Vermutung des anderweit eingetretenen gesetzmäßigen Zustandes begründet 1 3 7 ). Der Gegenbeweis ist jedoch zulässig. E r hat sich darauf zu richten, daß der Zustand zu einer innerhalb der letzten zwei Menschenalter liegenden Zeit nicht bestanden habe, oder daß er vor dieser Zeit u n r e c h t m ä ß i g entstanden sei und daß diese unrechtmäßige Ent133 ) R G 2 4 , 165. B a y O G H 12, 98; RheinArch. 94 I 184. V g l . übrigens SeuffA 36 Nr. 182. 134 ) B a y O G H 8, 200. Die Praxis legt dafür einen Zeitraum von 40 Jahren zugrunde (Dernburg, Pand. i , 572). 135 ) Der u r k u n d l i c h e Nachweis der Entstehung des Zustandes schließt die Anwendung der unvordenklichen Zeit dann nicht aus, wenn der hierdurch nachgewiesene Anfang der Zeit nach immerhin noch über den von der unvordenklichen Verjährung umfaßten Zeitraum hinausfällt; denn die unvordenkliche Verjährung wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Zeit der Entstehung des Zustandes an sich nachgewiesen wird, sondern nur dadurch, daß zugleich die Unrechtmäßigkeit der Entstehung festgestellt wird. B a y V G H 13, 7; B a y O G H 8, 237. V g l . SeuffBl. 31, 234. 136 ) Es wird also hier eine b e s t ä t i g e n d e Ü b e r l i e f e r u n g nicht verlangt, vielmehr genügt, daß nichts Gegenteiliges überliefert ist. JW 92, 42 Nr. 15; B a y O G H 8, 200; SeuffA 80 Nr. 62 (RG). Unzutreffend hat im Falle B a y O b L G 4, 191 die dort bestätigte Entscheidung des O L G Bamberg aufgestellt, daß zum Nachweis der unvordenklichen Verjährung dargetan werden müsse, daß der behauptete Zustand ununterbrochen zwei Menschenalter hindurch bestanden habe. Andererseits greift die unvordenkliche Verjährung nicht durch, wenn der bestehende Zustand seit Menschengedenken, also innerhalb zweier Menschenalter — während eines Zeitraums von 80 Jahren — eine Unterbrechung erfahren hat (vgl. SeuffA 20 Nr. 12; 80 Nr. 62 RG). Wer sich auf unvordenkliche Verjährung beruft, muß positiv beweisen, daß innerhalb 40 Jahren der Rechtszustand ununterbrochen bestanden hat, er muß weiter beweisen, daß innerhalb des weiter zurückliegenden Zeitraums von nochmals 40 Jahren nichts Gegenteiliges überliefert ist. D e m Gegner steht dann der Gegenbeweis offen, daß innerhalb dieses letztgenannten Zeitraumes der Zustand eine w i r k l i c h e Unterbrechung (SeuffA 80 Nr. 62 R G ) erfahren hat. V g l . auch Riedel R d L 52, 32. 137 )
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SeuffA 1 Nr. 169; 17 Nr. 5; 80 Nr. 62 (RG).
Erwerb der Grunddienstbarkeiten nach bisherigem Recht
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stehung mit dem späteren Zustand in fortgesetzem, ununterbrochenem Zusammenhang stehe138). Die unvordenkliche Verjährung wird nach gemeinem Recht durch ein erfolgloses Verbot, ja selbst durch Klageerhebung oder durch einzelne rasch überwundene Störungen nicht unterbrochen 139 ). Es ist deshalb der Beweis einer Grunddienstbarkeit durch unvordenkliche Verjährung selbst dann möglich, wenn der Eigentümer gegen die Rechtsausübung fortwährend Widerspruch erhoben hat 140 ), sofern sich nur der Ausübende hierdurch in seiner Rechtsausübung nicht hat beirren lassen. Somit ist denkbar, daß die rechtmäßige Begründung einer Grunddienstbarkeit auf Grund unvordenklicher Verjährung anzuerkennen ist, obwohl der Ersitzungsbeweis wegen des Besitzfehlers der Gewalt versagen würde. Daraus ist jedoch keineswegs abzuleiten, daß die Fehlerhaftigkeit des Besitzes für die unvordenkliche Verjährung unter allen Umständen belanglos ist. Von einer Rechtsausübung, wie sie die unvordenkliche Verjährung erfordert 141 ), kann bei einer Heimlichkeit im Sinne der gewollten Verheimlichung der Ausübung begriffgemäß überhaupt nicht gesprochen werden 142 ); das gleiche gilt, wenn die Ausübung nur precario modo erfolgt 143 ). Andererseits ist guter Glaube nach gemeinem Recht nicht erforderlich 144 ). Wenn zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, die Voraussetzungen der unvordenklichen Verjährung erfüllt waren, so bleibt die dadurch begründete Rechts Wirkung der Unanfechtbarkeit des Rechtszustandes erhalten145). Es muß aber der Beweis geführt werden, daß der Rechtszustand innerhalb der Zeit der Wahrnehmung der zu jenem Zeitpunkt lebenden Generation bestanden hat und daß die damals lebende Generation von dem Nichtbestehen dieses Zustandes auch durch Mitteilungen ihrer Vorfahren keine Kunde hatte146). Darüber hinaus behielt aber die unvordenkliche Verjährung ihre bisherige Rechtswirksamkeit für diejenigen Rechtsgebiete, die der Landesgesetzgebung vorbehalten sind. Für diese Rechtsgebiete war daher im Bereich des Gemeinen Rechts die unvordenkliche Verjährung auch noch nach der Ubergangszeit als rechtlicher Erwerbsgrund anzuerkennen mit der Folge, daß auch nach diesem Zeitpunkt ein Rechtserwerb durch unvor138 ) Windscheid, Pand. (9. Aufl.) 1 , 583; Dernburg, Pand. (3. Aufl.) 1, 373; SeuffA 80 Nr 62 (RG). 139 ) R G 22,189; 24,168; BayOGH 8,201; Seuffert, Pand. § 1 1 8 Anm. 1 2 ; SeuffBl. 26,78. 140 ) Opinio juris auf Seiten des Eigentümers des belasteten Grundstücks ist nicht erforderlich. Bolze 3 Nr. 54. Vgl. aber auch SeuffA 36 Nr. 182. 141 ) Seuffert, Pand. § 118 Anm. 3; SeuffA 1 Nr. 4. SeuffBl. 3, 63. 142 ) Vgl. BayOGH 3, 371. 143 ) Vgl. Bolze 9 Nr. 24; 17 Nr. 60; 19 Nr. 64; SeuffBl. 3, 631. — Vgl. ferner Bolze 10 Nr. 28 (spätere Ausübung im Zusammenhang mit früherer prekaristischer). 144 ) Seuffert, Pand. § 118 Anm. 5. BayOGH 7, 383; Schiedermair, B a y Z i 5 , 234. 146 ) Bolze 4 Nr. 35; SeuffA 80 Nr. 62 (RG). 146) Vgl. Hess. Rspr. 1 1 , 33 (Kassel). Dieselben Grundsätze sind angewendet vom BayObLG 21, 129 für den Nachweis einer unvordenklichen Verjährung, die schon im Jahre 1 7 9 5 m den bayrischen Gebietsteilen begründet war, welche damals dem preußischen Landrecht unterworfen wurden, welches die unvordenkliche Verjährung nicht anerkennt.— Mit Recht verlangt Schiedermair, B a y Z i 5 , 234: „Die mit jedem Jahre zunehmende Schwierigkeit der Beweisführung erfordert, daß der Richter, der dem wirklichen Recht zum Siege verhelfen will, mit Entschlußfähigkeit den Grundsatz der freien Beweiswürdigung handhabt". Die prozeßrechtlichen Bestimmungen über den Nachweis der unvordenklichen Verjährung sind durch § 14 Ziff. 2 E G Z P O außer K r a f t gesetzt.
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§ 36, § 37
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
IV denkliche Verjährung nicht nur vollendet, sondern sogar noch begonnen werden konnte 147 ). I V . O b s e r v a n z im S i n n eines ö r t l i c h e n G e w o h n h e i t s r e c h t e s 1 4 8 ) Auf einem ganz anderen Gebiete als die Grunddienstbarkeit, die eine Sonderberechtigung darstellt, liegt die Benutzung fremden Eigentums auf Grund eines örtlichen Gewohnheitsrechtes. Hier handelt es sich um die gleichförmige Beobachtung einer Rechtsnorm, welche innerhalb eines bestimmten Bereichs alle Rechtsverhältnisse der betreffenden Art beherrscht149). Auf dem Gebiete des Nachbarrechtes kommen z. B. Leiter- und Hammerschlagsrechte, Schaufelschlagsrechte, Fahrtbefugnisse, Pflugwenderecht und Treppenrecht in Betracht. So findet sich in Gegenden, in welchen die Dreifelderwirtschaft üblich ist, häufig das Herkommen, daß alle Grundbesitzer der Gemarkung zum Zwecke der Bestellung und Aberntung der Felder über alle in der Gemarkung belegenen Felder, und zwar zumeist über deren Häupter zu der nach der F l u r o r d n u n g offenen Zeit fahren dürfen. Diese örtlichen Gewohnheitsrechte haben fortdauernde Geltung.
§ 37. Verlust der Grunddienstbarkeiten § 875 BGB (1) Zur Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück ist, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt, die Erklärung des Berechtigten, daß er das Recht aufgebe, und die Löschung des Rechtes im Grundbuch erforderlich. Die Erklärung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber abzugeben, zu dessen Gunsten sie erfolgt. (2) Vor der Löschung ist der Berechtigte an seine Erklärung nur gebunden, wenn er sie dem Grundbuchamte gegenüber abgegeben oder demjenigen, zu dessen Gunsten sie erfolgt, eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Löschungsbewilligung ausgehändigt hat. § 876 BGB Ist ein Recht an einem Grundstücke mit dem Rechte eines Dritten belastet, so ist zur Aufhebung des belasteten Rechtes die Zustimmung des Dritten erforderlich. Steht das aufzuhebende Recht dem jeweiligen Eigentümer eines anderen Grundstücks zu, so ist, wenn dieses Grundstück mit dem Rechte eines Dritten belastet ist, die Zustim147
) SeuffA 80 Nr. 62 (RG); Habicht (3. Aufl.) 445f.; Hodler A G 374. ) S. hierüber oben § 29. ) Die jetzige Begriffsabgrenzung gebraucht den Ausdruck „Herkommen" lediglich für eine ständige Rechtsübung zwischen zwei Beteiligten, durch welche eine vertragsmäßige Anerkennung ersetzt wird (vgl. hierzu oben § 29 III sowie N 1 1 u. 13 daselbst). In der älteren Rechtssprache wird das Wort „Herkommen" teilweise in dem vorerwähnten Sinne gebraucht, teilweise aber wird darunter auch örtliches Gewohnheitsrecht verstanden. In der letzteren Bedeutung ist es anscheinend noch in Art. 1 II BayrAG verwendet (vgl. hierzu Meisner-Ring, § 32 B I V ; Staudinger § 55 E G Anm. 9). 148
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§ 3 7 A
mung des Dritten erforderlich, es sei denn, daß dessen Recht durch die Aufhebung nicht berührt wird. Die Zustimmung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; sie ist unwiderruflich. § 1028 BGB (1) Ist auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet worden, so unterliegt der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung der Beeinträchtigung der Verjährung, auch wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist. Mit der Verjährung des Anspruchs erlischt die Dienstbarkeit, soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht. (2) Die Vorschriften des § 892 finden keine Anwendung. Hinsichtlich der Aufhebung der Grunddienstbarkeit ist ebenso wie für die Begründung zu unterscheiden zwischen der dinglichen Rechtsänderung (der Aufhebung, dem Erlöschen der Grunddienstbarkeit) und der obligatorischen Verpflichtung zur Herbeiführung dieser dinglichen Rechtsänderung 1 ). Dieses obligatorische Kausalgeschäft, durch welches die Verpflichtung zur Herbeiführung der dinglichen Aufhebung begründet wird, ist seit Inkrafttreten des BGB für alle Arten von Grunddienstbarkeiten, gleichviel ob sie vor oder nach diesem Zeitpunkt entstanden sind l a ), formfrei gültig. Die nachstehenden Ausführungen befassen sich lediglich mit der Beendigung im dinglichen Sinn. Diese ist durch das BGB nur für den Fall besonders geregelt, daß die Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist.- Im anderen Falle bemißt sich die Beendigung teils nach Bundesrecht, teils nach bisherigem Recht (s. unter B). A. Eingetragene Grunddienstbarkeiten2)
W e n n die G r u n d d i e n s t b a r k e i t im G r u n d b u c h eingetragen ist, entscheiden über ihre Beendigung die Vorschriften des BGB, gleichviel ob die Grunddienstbarkeit vor oder nach Inkrafttreten des BGB oder der GrundbuchVerfassung zur Entstehung gelangt ist 3 ). 1
) Vgl. oben § 55 I. JW 04, 7. ) Unter der Herrschaft des B G B ist zur Begründung einer Grunddienstbarkeit auch auf buchungsfreien Grundstücken Eintragung erforderlich — vgl. § 35 I. 3 ) Hiervon besteht aber eine wichtige Ausnahme. Ist die Grunddienstbarkeit, die eingetragen, aber nicht eintragungsbedürftig war, unter früherem Recht zu Unrecht gelöscht, so besteht sie auch dem gutgläubigen Erwerber des belasteten Grundstücks gegenüber fort; denn die Vorschriften der §§ 891, 892 B G B über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs gelten nur für diejenigen Rechte, die zu ihrer Wirksamkeit der 2
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AI, 2 1. V e r t r a g s m ä ß i g e A u f h e b u n g . Zur Aufhebung einer Grunddienstbarkeit ist nach § 875 B G B die Erklärung des Berechtigten, daß er das Recht aufgebe, und die Löschung des Rechts im Grundbuch erforderlich4). Die Erklärung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber abzugeben, zu dessen Gunsten sie erfolgt 5 ). Vor der Löschung ist der Berechtigte an seine Erklärung nur gebunden6), wenn er sie dem Grundbuchamt gegenüber abgegeben oder demjenigen, zu dessen Gunsten sie erfolgt, eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Löschungsbewilligung ausgehändigt hat (§ 875 Abs. 2 BGB). Ist das Grundstück, dem die Grunddienstbarkeit zusteht, mit dem Rechte eines Dritten (z. B. einer Hypothek belastet), so ist nach § 876 B G B die Zustimmung des Dritten erforderlich, es sei denn, daß dessen Recht durch die Aufhebung nicht berührt wird. Die Zustimmung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; sie ist unwiderruflich. Die Zustimmung des Dritten ist nicht erforderlich, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses gemäß Art. 120 Abs. 2 Nr. 2 E G B G B gegeben sind. 2. K e i n e V e r j ä h r u n g . Der Verjährung unterliegen die e i n g e t r a g e n e n Grunddienstbarkeiten nicht (§ 902 BGB). Wenn eine Grunddienstbarkeit im Grundbuch zu Unrecht gelöscht ist, so erlischt sie, wenn der Anspruch 7 ) des Berechtigten gegen den Eigentümer verjährt ist (§901 BGB). Die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs, das ist mit der Entstehung eines Zustandes, welcher der in der Grunddienstbarkeit bestehenden Belastung entgegensteht (§ 198 BGB). Solange die Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist, kann sie grundsätzlich nicht zum Erlöschen gelangen, sie bleibt also bestehen, auch wenn sie während noch so langer Zeit nicht ausgeübt wurde. Hiervon wird nur eine einzige Ausnahme durch § 1028 B G B gesetzt: Ist auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet worden, so unterliegt der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung der Beeinträchtigung der Verjährung, auch wenn die Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist. Das Erlöschen Eintragung im Grundbuch bedürfen. Ebenso R G 62, 100; 93, 6 3 ; Staudinger R N 45 zu § 1 0 1 8 B G B ; Meisner-Ring § 33 N . 2 ; a. M . Westermann § 85 II 1 b. 4 ) V g l . aber auch § 21 G B O . 5 ) E s genügt, wenn die Erklärung einem der mehreren Miteigentümer des belasteten Grundstücks gegenüber abgegeben wird, während andererseits eine Erklärung sämtlicher Miteigentümer des herrschenden Grundstücks erforderlich ist (Maenner 285). 8 ) Gemeint ist dingliche Gebundenheit, vgl. § 35 I 2. ' ) Das ist nicht etwa der Berichtigungsanspruch, denn dieser verjährt nicht, sondern die actio confessoria gegen den, der den der Grunddienstbarkeit entgegengesetzten Zustand zu vertreten hat, z. B. den W e g sperrt, die Aussicht verbaut.
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der Dienstbarkeit wegen Verjährung des Störungsbeseitigungsanspruchs setzt aber voraus, daß die Störung 30 Jahre lang von ein und derselben Anlage ausgegangen ist; wird dagegen nach Wegfall der einen störenden Anlage eine andere errichtet, so entsteht ein neuer Beseitigungsanspruch, für den die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt7"). Mit der Verjährung des Anspruchs erlischt die Dienstbarkeit, soweit der Bestand der Anlage mit ihr im Widerspruch steht (§ 1028 Abs. 1 BGB). Dementsprechend kann der Eigentümer des belasteten Grundstückes die Berichtigung des Grundbuchs verlangen (§ 894 BGB). Die Vorschriften des § 892 B G B über den Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs finden keine Anwendung (§ 1028 Abs. 2 B G B ) ; ist daher die Grunddienstbarkeit nach § 1028 B G B „versessen", aber noch nicht gelöscht, so erwirbt sie auch der gutgläubige Erwerber nicht, der auf die Eintragung im Grundbuch vertraut8). 3. Durch E i n t r i t t der auflösenden B e d i n g u n g o d e r des E n d termins 9 ) erlischt die Grunddienstbarkeit. 4. Durch Z u s c h l a g in der Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g wird die Grunddienstbarkeit zum Erlöschen gebracht, wenn sie nicht in das geringste Gebot aufgenommen ist ( Z V G §§52, 9i) 9a ). 5. K e i n E r l ö s c h e n d u r c h K o n f u s i o n . Durch Konfusion (Vereinigung des Eigentums am berechtigten und belasteten Grundstück) erlischt eine im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit nicht, sie ruht nur während der Dauer der Vereinigung 10 ). 6. Im Falle der Z u s c h r e i b u n g des belasteten Grundstücks zum B e s t a n d t e i l an das berechtigte (oder umgekehrt) gemäß § 890 Abs. 2 B G B 1 0 a ) wird nur ein Grundstück im Rechtssinn hergestellt. Damit hört '») B G H N J W 67 S. 1609. 8 ) Nach Gierke 655 Nr. 72 soll der öffentliche Glaube des Grundbuchs — nicht die Grunddienstbarkeit an sich — wieder aufleben, wenn die hindernde Anlage beseitigt ist. Ebenso Wolff 140, 2 c. Diese de lege ferenda beachtliche Einschränkung des § 1028 Abs. 2 B G B hält Planck Bern. 4 zu § 1018 B G B mit Recht für unvereinbar mit dem Wortlaut des Gesetzes. Wie hier auch Staudinger R N 1 und 2 zu § 1028 B G B und MeisnerRing § 33 A 2. 9 ) R 12 Nr. 1618 (BayObLG). Vgl. auch R G 144, 28; 106, 109; K G H R R 41 Nr. 185 u. N J W 54, 1245; Wolff § 38 II 5; Staudinger R N 42 zu § 873 B G B . 9a ) V g l . R G 153, 252; Staudinger R N 45 zu § 1018 B G B . 10 ) R G 47, 209; Meisner-Ring § 33 A 3. Das gleiche galt schon im Gebiet des A L R auch für die altrechtlichen, nicht eintragungsbedürftigen, aber eingetragenen Grunddienstbarkeiten: A L R §§ 53, 54 I 22; Dernburg, PrPrR 1, 764. — Vgl. auch L G Verden Nds.Rpfl. 64, 249 (Erlöschen des Wegerechts zugunsten des jeweiligen Erbbauberechtigten eines Nachbargrundstücks, wenn dieser Eigentümer des Grundstücks wird und das Erbbaurecht aufgehoben wird). 10a ) Vgl. oben § 2 I.
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die für das Wesen der Grunddienstbarkeit notwendige Zweiheit der Grundstücke zu bestehen auf mit der Folge, daß auch das Dienstbarkeitsverhältnis in sich zusammenfällt 11 ). 7. E i n f l u ß d e r T e i l u n g . Teilung des berechtigten oder belasteten Grundstückes l l a ). Wird das Grundstück des Berechtigten geteilt, so besteht die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fort; die Ausübung ist jedoch im Zweifel nur in der Weise zulässig, daß sie für den Eigentümer des belasteten Grundstückes nicht beschwerlicher wird. Gereicht die Dienstbarkeit nur einem der Teile zum Vorteil, so erlischt sie für die übrigen Teile (§1025 BGB)Ut>). Wird das belastete Grundstück geteilt, so werden, wenn die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen bestimmten Teil des Grundstücks beschränkt ist, die Teile, welche außerhalb des Bereiches der Ausübung liegen, v o n der Dienstbarkeit frei (§ 1026 B G B ) 1 2 ) . 8. W e g f a l l e i n e r E n t s t e h u n g s v o r a u s s e t z u n g . D i e Grunddienstbarkeit erlischt n i c h t durch den Wegfall einer der Voraussetzungen, ohne welche sie nicht hätte entstehen können 1 2 »). Dagegen erlischt sie, wenn die Ausübung dauernd unmöglich geworden 1 3 ) ist (z. B. durch dauernde Überschwemmung des dienenden Grundstückes) oder der Vorteil (§ 1 0 1 9 B G B ) 1 3 » ) für das herrschende Grundstück aus objektiven Gründen und u ) So K G J 51, 261; R G K Anm. 6 zu § 890 B G B ; Meikel-Imhof-Riedel Bern. 29 zu § 6 G B O ; Horber Bern. 5 b zu § 6 G B O ; K G JW 36, 1466; Abw. Wolff § 109 II 3, Planck N. 3 c zu § 1019 B G B ; Meisner-Ring § 33 A 3; Palandt Anm. 4 b zu § 890 B G B . — Vgl. über Zuschreibung und Vereinigung oben § 2 I. lla llb ) Vgl. oben § 31 VIII. ) Vgl. oben vor § 31 J . 12 12a ) K G J 24, 118. Vgl. oben vor § 31 I. ) Vgl. unten B 6. 13 ) Dem steht nicht der Fall gleich, daß der Eigentümer des herrschenden Grundstücks den Plan aufgibt, auf diesem die zur Ausbeutung erforderliche Anlage (Ziegelfabrik) zu errichten. Ob der Plan nur vorübergehend aufgegeben wird (vgl. R 24 Nr. 394) oder dauernd, macht keinen Unterschied, wenn nur objektiv die Möglichkeit zur Errichtung der erforderlichen Anlage besteht. Vgl. hierzu B G H in L M 1 zu § 1020 B G B und DNotZ 56,40. Ist das ganze Grundstück belastet, wurde aber seitens des Berechtigten ein bestimmter Weg eingehalten und wird dessen Einhaltung ohne Verschulden des Berechtigten unmöglich, so geht dadurch die Dienstbarkeit nicht verloren (RG 2, 161). — Ist entsprechend der Grunddienstbarkeit das auf dem belasteten Grundstück erstellte Gebäude an das auf dem herrschenden Grundstück stehende Gebäude angebaut worden, so ist sie damit auch dann nicht erloschen, wenn nach den derzeitigen baurechtlichen Vorschriften eine andere Art der Bebauung ausgeschlossen ist; vgl. auch oben § 30 I I I 1 vorletzter Absatz. — Ein Kellerrecht erlischt nicht, wenn das auf der Erdoberfläche errichtete Haus zerstört wird, denn Gegenstand des Kellerrechts ist der Erdkörper unter der Erdoberfläche, der nach wie vor als Keller benutzt werden kann (BayObLG MDR 68 S. 324). i3a) y g i . 0 ben vor § 30 I.
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dauernd in Wegfall gekommen ist)14). Ein dauernder Wegfall liegt nicht in dem Untergang des h e r r s c h e n d e n Gebäudes, da dieses wieder aufgebaut werden kann, oder in der nur vorübergehenden Einstellung des Gewerbebetriebs des herrschenden Grundstücks, zu dessen Gunsten eine auf Unterlassung gerichtete Grunddienstbarkeit bestellt ist (BGH in L M i zu § 1020 BGB), wohl aber in der Erschöpfung des Steinbruchs, aus dem der Berechtigte Steine brechen darf 14 »). 9. E r l ö s c h e n der Befugnis zur Ausübung der Grunddienstbarkeit nach den G r u n d s ä t z e n des § 242 B G B . Vgl. hierzu oben § 30 III 1 vorletzter Absatz. 10. K e i n A u f h e b u n g s a n s p r u c h b e i ü b e r m ä ß i g e r A u s ü b u n g der D i e n s t b a r k e i t . Macht der Inhaber eines dinglichen Wegerechts davon einen Gebrauch, der über den Umfang der ihm eingeräumten Befugnisse hinausgeht, so kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks sich gegen die Beeinträchtigung desselben mit dem Rechtsbehelf aus § 1004 Abs. 1 B G B zur Wehr setzen; daraus allein erwächst ihm aber kein Anspruch auf Aufhebung der Dienstbarkeit und Löschung des Grundbucheintrags (BGH N J W 65, 1229). Vgl. auch O L G Stuttgart Z M R 65, 217. 1 1 . A u f h e b u n g im B a u l a n d b e s c h a f f u n g s - und F l u r b e r e i n i g u n g s v e r f a h r e n . Nach §§ 1 II, 3 I des Baulandbeschaffungsgesetzes vom 3. 8. 1953 (BGBl. I S. 720) können zu Zwecken der Baulandbeschaffung dingliche Rechte an unbebauten, geringfügig bebauten oder solchen Grundstücken, auf denen die früher vorhandenen Gebäude zerstört oder beschädigt sind, oder an Grundstücksteilen in dem vorgeschriebenen Enteignungsverfahren entzogen werden. Damit können auch Grunddienstbarkeiten, die einer Bebauung hinderlich wären, gegen Entschädigung aufgehoben werden 146 ). Ebenso erklären im Interesse der Flurbereinigung die §§ 10, 45, 49, 68, 73 FlurbereinigungsGes. (BGBl. 53 I 191) die Aufhebung entgegenstehender Dienstbarkeiten für zulässig. 12. U m z o n u n g ohne E i n f l u ß auf b e s t e h e n d e D i e n s t b a r k e i t . Ist ein Grundstück in reinem Wohngebiet zugunsten der Stadtgemeinde mit einer Dienstbarkeit des Inhalts belastet, daß auf dem Grundstück gewerbliche Betriebe nicht eingerichtet werden durften, und wird nun das Gebiet in ein allgemeines Wohngebiet umgezont, so wird davon die Dienstu ) Eine Baubeschränkung Zugunsten eines Villenterrains dahin, daß die belasteten Grundstücke nur im Landhausstil errichtet werden dürfen, erlischt, wenn das Viertel, in dem die betreffenden Grundstücke liegen, sich aus einem Villen- in ein Geschäftsviertel umwandelt ( O L G 31, 336; K G ) . 14a ) Vgl. dazu oben § 30 N. 105. 14b ) Dittus-Zinkahn, Anm. 8 d, e, g zu § 1 . Baul. BeschG.
46 Meisner-Stern-Hodes. Nachbarrecht, 5. Aufl.
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B 1 barkeit nicht berührt, obwohl jetzt öffentlich-rechtlich eine gewerbliche Nutzung erlaubt ist (BGH N J W 67 S. 1609). B. Nichteingetragene Grunddienstbarkeiten Die Aufhebung der im Grundbuch nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten erfolgt nach bisherigem Recht (Art. 189 Abs. 3 E G ) 1 6 ) . Zu beachten ist jedoch, daß der § 1028 B G B (oben A 2) auch auf nicht eingetragene Grunddienstbarkeiten Anwendung findet (Art. 184 S. 2 E G B G B ) . Auch die vorstehend für eingetragene Grunddienstbarkeiten genannten Aufhebungsgründe: der Eintritt der Bedingung 1 6 ), der Zuschlag, die Zuschreibung zum Bestandteil, die Teilung und — soweit ein solcher überhaupt denkbar — der Untergang eines der Grundstücke 17 ) (oben A 3, 4, 6, 7 bis 9) gelten für nicht eingetragene ebenso wie für eingetragene Grunddienstbarkeiten. Besondere Regelung erfuhren für n i c h t e i n g e t r a g e n e Grunddienstbarkeiten folgende Erlöschungsgründe: 1. V e r z i c h t . Ob der Verzicht nach G e m e i n e m R e c h t als Vertrag anzusehen oder ob einseitige Aufgabeerklärung (Dereliktion) wirksam war, ist streitig 18 ), das Reichsgericht folgte der ersteren Lehre: es sah auch in der Zulassung von Veranstaltungen aus dem dienenden Grundstück, welche die Ausübung der Dienstbarkeit dauernd unmöglich machen, im Rechtsgebiet des Gemeinen Rechts nicht einen stillschweigenden Verzicht auf die Grunddienstbarkeit 19 ). Von besonderer Tragweite ist jedoch die Bedeutung des stillschweigenden Verzichts im Gebiet des A L R . Ausdrücklicher Verzicht erfordert schriftlichen Vertrag ( A L R § 135 I 5) 20 ); gerichtlich beurkundete Verzichtserklärung ersetzt die Annahme (ALR § 392 I 16) 21 ). Dagegen erlöschen die Grunddienstbarkeiten22) durch stillschweigende Einwilligung des Berechtigten, wenn er wissentlich geschehen läßt23), daß auf 16 ) R G beiWarnE 07 Nr.7. Also z.B. keine Anwendung der §§875, 876 B G B (R25 18 Nr. 2219). ) SeuffA 48 Nr. 7; StriethA 40, 54. 17 ) Windscheid § 2 1 5 Z i u. 2; Dernburg, Pand. I 5 2 5 4 a u. b, Koch Anm. 19 Abs. 4 zu § 243 I 22; Dernburg PrPrR I, 765 Z. 4, StriethA 40, 91. 18 ) Für Vertragsnatur des Verzichts Windscheid I § 215 Nr. 1 1 ; dagegen Dernburg 19 Pand. I § 254 Z 2. ) R G SeuffA 33 Nr. 202, vor allem aber R G 48, 262. 20 ) SeuffA 78 Nr. 137 R G (§ 134 I 5 A L R , wonach bei Verträgen unter 150 Mark 21 die Schriftform entbehrlich ist, gilt hier nicht). ) Dernburg PrPrR. I, 761. 22 ) Das OTr. hatte in der Entscheidung OTr. 2 1 , 4 0 1 (Fall eines servitutarischen Verbots, Fenster anzulegen) ausgesprochen, daß die §§ 43 ff. I, 22 sich auf Untersagungsrechte nicht bezögen. Diese Ansicht, schon von vornherein nicht ohne Widerspruch (z. B. StriethA 6, 98), wurde später vom Obertribunal und Reichsgericht immer mehr eingeengt und schließlich nur noch für den zufälligen Rechtstatbestand der Entscheidung OTr. 2i, 401, das Verbot von Fenstern, beibehalten (JMB1. 81, 3 1 ; R G bei Gruchot 44, 963; JW 79, 402; — weiter ging R G 6, 255). Wie Foerster-Eccius 3, 401 Nr. 78 richtig hervorhebt, ist ein Grund für die singulare Behandlung des Fensterverbots nicht einzusehen; ebenso Dernburg, PrPrR 1 , 763 Z 6. 23 ) Z. B. zustimmt (StriethA 87, 188), oder gar an der Errichtung der hindernden Anlage mitwirkt (StriethA 98, 94). Das „Wissen-Müssen" steht dem „Wissen" nicht gleich. Doch kann aus dem „Wissen-Müssen" die tatsächliche Folgerung des „Wissens"
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dem belasteten Grundstücke dessen Eigentümer 21 ) Anstalten und Einrichtungen 25 ) trifft 26 ), welche die Ausübung der Grunddienstbarkeit geradezu unmöglich machen (ALR I 22 § 4j) 2 7 ). Sobald der Berechtigte von der Ausführung einer solchen Anlage und davon, daß sie die Ausübung seiner Grunddienstbarkeit völlig 28 ) unmöglich macht ( A L R I 22 § 44), auf irgendeine Weise29) Kenntnis erlangt hat, muß er gegen die Ausführung der Anlage Widerspruch erheben30). Unterläßt er diesen sofortigen 31 ) Widerspruch, so erlischt die Grunddienstbarkeit; dem Berechtigten ist der Einwand, daß er gezogen werden. Daraus, daß der Berechtigte, wenn er aus den Fenstern seiner Wohnung herausblickte, den Bau sehen konnte und mußte, folgt nicht, daß er damals aus den Fenstern herausgesehen hat (Gruchot 42, 994 RG). Hat der Berechtigte erst nach Errichtung des Baues, wenn auch alsbald nachher, Kenntnis erlangt, so ist, auch wenn er sich lange Zeit hierbei beruhigt hat, der § 43 I, 22 nicht zur Anwendung zu bringen (JW 96, 7 1 7 ; Gruchot 42, 994 RG). 2l ) Kein dinglich Berechtigter oder Dritter OTr. 64, 142. 25 ) Unter „Anlagen" versteht die preußische Praxis neue Anlagen, also positive, die Ausübung der Dienstbarkeit verdrängende Einrichtungen, nicht z. B. eine Beseitigung der Wegstrecke und ihren Ersatz durch eine andere. 2 ") Guter Glaube des Störers ist nicht erforderlich (StriethA 12, 101). 27 ) Die §§ 43 ff. I, 22 sind zwar durch Art. 89 P r A G aufgehoben, sie gelten aber für die Übergangszeit fort (RG 63, 129). 2S ) Ob „absolute Unmöglichkeit" vorliegen muß oder ob es genügt, daß die Anlage die Ausübung des Rechts „hindert oder beschränkt", darüber ist das Obertribunal nicht zu einheitlicher Rechtsprechung gelangt. Die mildere Ansicht findet sich in OTr. 21, 401 u. 4 1 , 1 7 8 ; absolute Unmöglichkeit fordern StriethA 96,20 und besonders schroff StriethA 73, 57 (Versperren des Weges durch einen Zaun mache die Ausübung der Wegegerechtigkeit nicht „völlig unmöglich"; Übersteigen des Zauns oder Durchkriechen möglich — sicher eine Überspannung des Erfordernisses „völliger Unmöglichkeit"). Vgl. Rehbein 3, 1073 Anm. 3. 29 ) StriethA 68, 304. 30 ) StriethA 90, 251. R G in Gruchot Beitr. 36, 965. Das Obertribunal in OTr. 41, 179 hielt mündlichen Widerspruch nicht für ausreichend: die Entscheidung ist aber ohne Nachfolge geblieben; die Rechtslehre und Rechtsprechung hat je nach den Umständen des Falls formlosen Widerspruch für ausreichend erachtet oder aber im Anschluß an den Widerspruch die konfessorische Klage erfordert (persönliche Vertragsklage ist keinesfalls ausreichend R G 52, 79). Vgl. hierzu Koch Bern. 48 zu §43 I 23; Dernburg, PrPrR 1, 763 N 6; R G bei Bolze 20 Nr. 60; JW 01, 857. Jedenfalls muß der Widerspruch unzweideutig sein; Redensarten wie „Was machen Sie da ? Sie kommen mit Ihrem Bau zu nah!" sind nicht als Widerspruch zu werten (StriethA 55, 79). 31 ) Vgl. Koch Bern. 48 zu § 43 I 22. Zu dem Begriff der Rechtzeitigkeit des Widerspruchs ist reiche Rechtsprechung vorhanden. Im allgemeinen wird ein mäßiger Zeitraum bewilligt, um die Bedeutung der Anlage für die Grunddienstbarkeit abzuwägen StriethA 53, 206; 69, 10; Bolze 15 Nr. 45. Vgl. Bolze 2 Nr. 196. Der Nachbar braucht nicht schon zu widersprechen, wenn aus der Anlage eine Gefährdung der Dienstbarkeit hervorgeht, er darf abwarten, ob durch sie die Ausübung unmöglich gemacht wird. Bolze 13 Nr. 66; J W 98, 401. Nur bei der Verletzung des Bau- oder Grenzabstandes durch Anlage eines Baus im verbotenen Raum wird in ständiger Praxis gefordert, daß sofort bei Überschreiten der Bau- oder Grenzlinie Widerspruch erhoben werde. OTr. 9, 1 ; 50, 87; StriethA 69, 1 ; 78, 224; 90, 248. Auch die Art der Erkenntnis der Gefährlichkeit einer Anlage wirkt auf die Rechtzeitigkeit ein. Teilt der Nachbar selbst mit, er wolle die Aussicht verbauen, so muß sofort bei Beginn des Baus widersprochen werden; wird 46*
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§ 37
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
B 2 in Wahrheit den Verzichts willen nicht gehabt habe, versagt 32 ). Trotz eines solchen Widerspruchs k a n n nach den Umständen des einzelnen Falls ein stillschweigender Verzicht daraus abgeleitet werden, daß der Berechtigte seinen Widerspruch nicht weiter verfolgt 83 ). Wenn der Berechtigte erst nach der Fertigstellung der Anlage von dieser oder 3 4 ) von ihren, seine Grunddienstbarkeit beeinträchtigenden Folgen Kenntnis erhält, so kann die Vorschrift des A L R I 22 § 43 nicht angewendet werden, so daß also dem Berechtigten die Grunddienstbarkeit ungeschmälert erhalten bleibt35). In einer den §§ 43 und 44 entsprechenden Weise ist durch A L R I 22 § 45 geregelt, inwiefern daraus, daß der Berechtigte Anstalten auf dem belasteten Grundstück, welche die Ausübung seiner Grunddienstbarkeit h i n d e r n oder e r s c h w e r e n , wissentlich hat treffen lassen, seine stillschweigende Einwilligung in eine solche Beeinträchtigung seiner Grunddienstbarkeit zu erblicken ist. Ablösbare Grunddienstbarkeiten i. S. der Gemeinheitsteilungsordnung, die bei dem Abschluß des Rezesses von den zugezogenen36) Beteiligten nicht vorbehalten werden, erlöschen ( § 1 7 0 Kgl. V O 20. 6. 1817 3 7 ). Nach Art. 162 H e s s A G konnte im Gebiet des früheren Großherzogtums Hessen in der Zeit bis zur Anlegung des Grundbuchs eine nicht eingetragene Grunddienstbarkeit nur durch vertragliche Einigung, die ortsgerichtlich oder gerichdich beurkundet sein mußte, aufgehoben werden; von der Anlegung des Grundbuchs ab kann auf nicht eingetragene Grunddienstbarkeiten durch einseitige Erklärung des Berechtigten gegenüber dem Eigentümer — allerdings nur in öffentlich beglaubigter Form — wirksam verzichtet werden. § 51 B r a u n s c h w A G läßt ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Anlegung des Grundbuchs eine nicht eingetragene Grunddienstbarkeit erlöschen, wenn die einseitige Verzichtserklärung in öffentlich beglaubigter Form gegenüber dem Eigentümer abgegeben wird. 2. A b l ö s u n g . Gewisse kulturschädliche Grunddienstbarkeiten können im ehemaligen Preußen38) auf Antrag des Belasteten — auch außerhalb des Rezeß Verfahrens; vgl. hierzu Ziff. i a. E . — gegen volle Entschädigung abgelöst werden. Die altpreußische Ablösungsgesetzgebung (VO 20. 6. 1 8 1 7 ; GemTO 7.6. 1 8 2 1 ; Ablösungsgesetz 2. 3. 1850) ist auf die neuen Provinzen entsprechend ausgedehnt worden. Die Grunddienstbarkeiten, bezüglich deren die Ablösung beantragt werden kann, sind in § 2 GemTO und Art. 1 AblGes. einzeln aufgeführt, ihr Kreis ist damit geschlossen. Die nähere Darlegung des Ablösungsverfahrens liegt außerhalb des Rahmens dieser Darstellung. Vgl. auch für das frühere Großherzogtum H e s s e n Art. 93 HessAG und für W ü r t t e m b e r g Art. 243 Württ.-AG (RegBl. 31, 545 fr.). das Unmöglichwerden der Dienstbarkeit erst aus der Anlage des Baus ersichtlich, so hat der Widerspruch erst zu erfolgen, wenn die Wirkung sich geltend macht. StriethA 68, 304. Widerspruch vor Errichtung der Anlage genügt nicht. R G bei Gruchot 29, 823. 32 ) Turnau-Förster 533. R G 52, 80. Vgl. Bolze 20 Nr. 60. Leipz. Z. 24, 265 (RG). M ) StriethA 55, 79; R G 32, 188; 52, 79; Gruchot Beitr. 24, 483; 29, 823. M ) Bolze 13 Nr. 68; OTr. 47, 225. R G bei Gruchot 24, 483; 30,398; Tritt der schädigende Erfolg erst später ein, so ist der Widerspruch erst dann zu erheben. — Ob aus dem Verhalten zu schließen ist, daß der Widerspruch nicht weiter verfolgt werden solle, ist Tatfrage (Leipz. Z. 24, 473 RG). M ) StriethA 35, 37; 45,206; J W 96, 716; 98,401. 36 ) Die Grunddienstbarkeit der nicht zugezogenen Interessenten besteht fort. OTr. 55,4737 ) OTr. 28, 414; 4 1 , 80 u. 98; StriethA 45, 298 u. 71, 192. R G 31, 328. 38 ) Vgl. Foerster-Eccius 3, 403, Dernburg, PrPrR 1 , 765.
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Verlust der Grunddienstbarkeiten
§
37
B 3, 4 }. K o n f u s i o n (Konsolidation) 39 ). Die Grunddienstbarkeiten erlöschen nach gem e i n e m Recht 40 ), A L R I 21 § 1 8 4 , I 22 § 5 2 " ) und R h e i n i s c h e m B G B Art. 705 durch Konfusion, d. i. durch die Vereinigung des Eigentums am herrschenden und dienenden Grundstück in der Hand eines Eigentümers 42 ); bei späterer Trennung der Grundstücke lebt die einmal erloschene Dienstbarkeit nach Gemeinem Recht und in der Regel 43 ) auch nach A L R und Rheinischem Recht nicht wieder auf; doch wird zu prüfen sein, ob nicht in dem Veräußerungsvertrag die Grunddienstbarkeit stillschweigend bestellt ist44). Eine gleiche Regelung enthält für das Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Hessen Art. 145 H e s s A G . 4. V e r j ä h r u n g . Endlich gehen die Grunddienstbarkeiten durch N i c h t g e b r a u c h — n o n u s u s •— unter, wobei die Nichtausübung des Rechtsvorgängers eingerechnet wird. Zu dieser Verjährung durch Nichtgebrauch wird nach G e m e i n e m Recht erfordert, daß die ganze Verjährungszeit hindurch die Ausübung unterlassen wurde 45 ); der Grund der Unterlassung ist gleichgültig; das Erlöschen tritt jedoch dann nicht ein, wenn Hindernisse eintreten, welche die Ausübung der Grunddienstbarkeit zeitweise unmöglich machen, z. B. wenn der servitutpflichtige Weg durch Elementarereignisse oder der Brunnen infolge Versiegens des Wassers nicht benutzt werden kann. Ein derartiges Hindernis ist jedoch da nicht als vorhanden anzunehmen, wo der Servitutberechtigte durch seine eigene Tätigkeit einen Zustand herbeigeführt hat, zufolge dessen er keinen Anlaß hat, von der Servitut Gebrauch zu machen, wenn er z. B. das Halten von Spannvieh aufgegeben und infolgedessen die Fahrt nicht mehr ausgeübt hat46). Die Servitut erlischt auch dann, wenn der Eigentümer des dienenden Grundstücks ihre Ausübung verhindert; ein guter Glaube auf dessen Seite ist nicht erforderlich 47 ). Die Ausübung erfordert dann keinerlei Tätigkeit, wenn ein dem Inhalt der Grunddienstbarkeit entsprechender Zustand vorhanden ist (z. B. Aufliegen der Mauer, Zufluß des Wassers in der Wasserleitung). Ist der Zustand, in welchem sich die Grunddienstbarkeit verkörpert, aufrecht erhalten, oder die Handlung, zu welcher die Grunddienstbarkeit die Befugnis gewährt, vorgenommen worden, so bleibt die Grunddienstbarkeit erhalten, ohne Rücksicht darauf, ob dies in der Absicht geschehen ist, von einem Servitutenrechte 39 ) § 889 B G B gilt nicht für nichteingetragene altrechtliche Grunddienstbarkeiten R G (JW 16, 121). 40 ) Dernburg Pand. § 254 Z. 1 ; Windscheid § 215 Z. 3, der jedoch die Dienstbarkeit zugunsten der dinglich Berechtigten fortbestehen lassen will (streitig!). » ) OTr. 75, 52. 42 ) Pacht eines der Grundstücke bewirkt natürlich keine Konfusion BayObLG 5, 114. 45 ) Ausnahmen: 1. A L R I 22 § 54: Wird die Grunddienstbarkeit durch eine Anlage auf dem dienenden Grundstück gekennzeichnet und diese, während beide Grundstücke in einer Hand sind, aufrecht erhalten, so lebt die Grunddienstbarkeit wieder auf, wenn Eigentum an herrschendem und dienendem Grundstück auseinanderfallen (vgl. FoersterEccius § 1 8 4 Z. 4; StriethA 98, 29). 2. Rhein. B G B 694: Der der Widmung — siehe oben § 3 6 1 4c.—-entsprechende Tatbestand (vgl. Zachariae-Crome I, 669 N 9, R G i9. 3 8 7). 44 ) S. hierüber oben § 36 I 4 u. § 35 II. 46 ) Seuffert, Pand. § 180 zu Anm. 5. Ausübungshandlungen, die nicht mit der Absicht der Rechtsausübung vorgenommen wurden, kommen nicht in Betracht (Seuffert, Pand. § 180 Anm. 6). Jedoch obliegt dem Eigentümer des dienenden Grundstücks der Nachweis, daß die Absicht der Rechtsausübung gefehlt hat. 46 ) BayOGH 5, 1 1 5 (BayLR und gem. Recht). " ) Schelhaß, Nachbarrecht 69.
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§ 37
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
B4 Gebrauch zu machen. Deshalb wird die Grunddienstbarkeit auch erhalten, wenn der Eigentümer des dienenden Grundstückes als Pächter des herrschenden zu dessen Vorteil die Fahrt ausgeübt hat 48 ). Es genügt Ausübung durch den Pächter, die Familie, das Gesinde des Berechtigten, wenn sie nur zum Vorteil des Grundstückes geschah. Teilweise Ausübung genügt zur Erhaltung des vollen Rechtes, wenn der Berechtigte dieses und nicht etwa bloß ein vermeintliches anderes Recht ausüben wollte 49 ). Wenn z. B. ein Fahrtrecht während des ganzen Jahres und zu jedem beliebigen Zweck zusteht und der Berechtigte das Fahrtrecht während eines zehnjährigen Zeitraums nur im Herbst und nur zu einem bestimmten Zwecke ausgeübt hat, so wird das Fahrtrecht gleichwohl in vollem Umfang erhalten. Ist der zum Fahren Berechtigte nur gegangen, so erlischt das Fahrtrecht selbst dann nicht, wenn die Ausübung des Fahrtrechts während rechtsverjährender Zeit tatsächlich unmöglich war (z. B. infolge eingeschlagener Pflöcke). Das folgt aus dem Grundsatz der Unteilbarkeit der Servituten 50 ) und dem Rechtssatz, daß das Fahrtrecht (actus) von selbst das Gehrecht (iter) auch ohne Spannvieh in sich begreift ( 1 1 D 8, 3). E s ist eben rechtlich ausgeschlossen, daß eine Servitut teilweise verloren wird und teilweise erhalten bleibt. Auch wenn eine Grundgerechtigkeit in einer dem Begründungsvertrag nicht überall entsprechenden Art und Weise ausgeübt, insbesondere die im Vertrage gesetzte Begrenzung der Benutzung des fremden Grundstücks nach der einen oder anderen Richtung überschritten wird, liegt doch in der Regel eine tatsächliche Ausübung des im Vertrage begründeten Benutzungsrechtes vor. Nur dann, wenn die erfolgte Benutzung von dem im Vertrage begründeten Benutzungsrecht derartig verschieden ist, daß sie den Inhalt eines g a n z a n d e r s gearteten Benutzungsrechts enthält, kann angenommen werden, daß trotz der Benutzung das vertragsmäßige Recht überhaupt nicht ausgeübt worden sei. Wesentlich ist in dieser Hinsicht der Hauptinhalt des Rechtes 51 ). Verlust durch Nichtgebrauch tritt z. B. ein, wenn jemand, der ein Wasserbezugsrecht bei Nachtzeit und nicht bei Tage hatte, Wasser nur bei Tag und nicht bei Nacht bezogen hat oder wenn der Berechtigte nur zu anderen Stunden, als er berechtigt ist, Wasser bezogen hat (1 10 D 8, 6). In einem solchen Fall kann aber durch Ersitzung, solange sie zulässig ist, eine andere Servitut begründet worden sein. Eine Weideservitut für Rinder wird durch Weiden mit Schafen nicht erhalten 52 ). Zur Beendigung der Gebäudeservituten 63 ) genügt nach gemeinem Recht der bloße Nichtgebrauch der Servitut nicht, es muß vielmehr noch die usucapio libertatis hinzukommen 54 ); man versteht darunter, daß sich der Besitzer des dienenden Grundstückes « ) Vgl. B a y O G H . 5, 1 1 4 . 49 ) Dernburg, Pand. § 254 Anm. 20. M ) Seuffert, Pand. § 162; Schelhaß 7 1 . 51 52 ) SeuffA 64 Nr. 216 (RG). ) SeuffBl. 42,279. 5S ) Man versteht darunter solche Dienstbarkeiten, bei welchen das herrschende oder dienende Grundstück oder jedes ein Gebäude ist. Schelhaß 95. Seuffert, Pand. § 1 6 1 Ziff. 4. — Die Quellenstellen I 6, 7, 32 D 8, 2; I 13 C 3, 34 verlangen die usucapio libertatis für das Erlöschen der Servituten durch Nichtgebrauch bei den Servitutes praediorum urbanorum. Darunter sind zu verstehen Servituten, deren Inhalt in dem Recht auf einen dauernden Zustand der herrschenden oder dienenden Sache besteht (also servitus habendi oder prohibendi). Dieser Inhalt setzt regelmäßig (nicht ausnahmslos) ein Gebäude voraus (Holtzendorff, Rechtslexikon 1, 581). 54 ) Dernburg Pand. § 254 Anm. 24. Anders Windscheid § 216, der wie im Rheinischen Recht die usucapio libertatis bei Servitutes continuae für erforderlich erklärt.
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§ 3 7
B4
während der Verjährungszeit in dem Besitze des dem Inhalte der Grunddienstbarkeit zuwiderlaufenden Zustandes befunden hat. Die usucapio libertatis besteht bei negativen Servituten, deren Inhalt dem Eigentümer einer Sache eine Handlung verbietet, darin, daß dieser eine mit der Servitut im Widerspruch stehende Handlung vorgenommen und sich der Berechtigte dabei während der Verjährungszeit beruhigt hat. Bei affirmativen Servituten, deren Inhalt dem Eigentümer einer Sache ein Dulden auferlegt, besteht die usucapio libertatis darin, daß der Zustand, dessen Duldung den Inhalt der Grunddienstbarkeit bildet, während der Verjährungszeit aufgehoben ist. Dem entspricht 55 ) A L R I, Tit. 22 §§ 50, 51, wonach für jene Grunddienstbarkeiten, die durch besondere Anstalten und Anlagen ihr Dasein bekunden, erst mit der Wegnahme derselben die Verjährung durch Nichtgebrauch beginnt. Das R h e i n i s c h e Recht (Rhein. B G B Art. 707) unterscheidet für die Verjährung durch Nichtgebrauch zwischen Servitutes continuae und discontinuae und hält nur bei ersteren ein factum contrarium für erforderlich, dagegen bei Servitutes discontinuae den bloßen Nichtgebrauch als genügend 5 ®) ;• die gemeinrechtliche verschiedene Behandlung der Servitutes rusticae und urbanae ist also für das Rheinische Recht für die Verjährung durch Nichtgebrauch bedeutungslos. Das teilweise Erlöschen einer Grunddienstbarkeit durch usucapio libertatis ist möglich. Insbesondere kann die Servitut, wonach der Nachbar sein Grundstück nicht überbauen darf, dadurch teilweise erlöschen, daß auf einem Teile des belasteten Grundstückes während der Verjährungszeit ein Bauwerk steht. Das Erlöschen des g a n z e n Dienstbarkeitsrechtes könnte nur dann in Frage kommen, wenn das dienende Grundstück durchweg überbaut oder in dasselbe ein Gebäude gestellt worden wäre, neben welchem der unüberbaute Teil des Grundstückes seine Bedeutung für das dienende Grundstück verloren hätte 57 ). Was hier von der teilweisen Überbauung der Grundfläche gesagt ist, hat auch für eine teilweise Verbauung der Höhe analoge Geltung. Wenn z. B. ein Gebäude errichtet ist, durch welches die Fenster des ersten Stockes verbaut werden, bleibt die Lichtgerechtigkeit für die Fenster des zweiten Stocks erhalten. Für die usucapio libertatis ist weder guter Glaube noch Titel erforderlich, selbst Gewalt und Heimlichkeit steht ihr nicht entgegen 58 ). Denn entscheidend ist nur die Duldung des der Servitut entgegenstehenden Zustandes durch den Berechtigten. Wenn aber der Berechtigte dem anderen diesen entgegenstehenden Zustand nur vergünstigungsweise gestattet, dann kann man von einem Nichtgebrauch seines Rechtes solange nicht sprechen 59 ), als der andere den entgegengesetzten Zustand auf Grund und im Bewußtsein dieser Vergünstigung beibehält, weil hierdurch das Recht des Berechtigten eine tatsächliche Anerkennung findet. Die Verjährung durch non usus erfordert nach Gemeinem Recht 10 Jahre unter Anwesenden und 20 Jahre unter Abwesenden 60 ). Steht die Grunddienstbarkeit einer Person zu, gegen welche nur die außerordentliche Eigentumsersitzung zulässig ist 6 0 a ), so ist der für diese außerordentliche Ersitzung vors5 ) E s liegt aber non usus, keine usucapio libertatis vor (Foerster-Eccius 3, 402 Anm. 8 1 ; OTr. 44, 137). 66 57 ) Zachariae-Crome 1, 677fr. ) R G 14, 212. 69 ) SeuffBl. 17, 377; Dernburg, Pand § 254, 3; B a y L R II, 7 § 8 Nr. 4 (BayOGH 4, 398; SeuffBl. 42, 279). A . M. Windscheid, Pand. § 216 Anm. 9; Seuffert, Pand. § 180 Anm. 26. 59 ) Dernburg und Windscheid a. a. O. 60 ) Uber den Begriff praesentes, absentes s. oben § 36 N 99. 60 ») V g l . oben § 36 I I 6 b.
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8 37
B 5,6
III. Abschnitt. Grunddienstbarkeiten
geschriebene Zeitraum nach Gemeinem Recht auch für das Erlöschen durch Nichtgebrauch erforderlich 61 ). Dasselbe gilt für das Preußische Recht 62 ). Nach Preußischem und Rheinischem Recht ist für das Erlöschen der Grunddienstbarkeiten durch Nichtgebrauch stets ein jojährigcr Zeitraum erforderlich; für jene Servituten, deren alljährliche oder gewöhnliche Ausübung nicht von der Willkür des Berechtigten abhängig ist, deren Ausübung vielmehr nur bei gewissen, durch andere Umstände herbeigeführten Gelegenheiten möglich ist, fängt die Verjährung erst von der Zeit an, da sich eine solche Gelegenheit ereignet hat; auch müssen, wenn solche Rechte durch den bloßen Nichtgebrauch erlöschen sollen, seit dem Anfang der Verjährung wenigstens noch zwei Gelegenheiten, wo die Ausübung des Rechtes hätte stattfinden können, vorgekommen sein (ALR I, 9 §§ 543, 544)63). Ebenso nach Rheinischem Recht. Nach Art. 144 H e s s A G genügt im Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Hessen schon die 10jährige Nichtausübung, um die nicht eingetragene Grunddienstbarkeit zum Erlöschen zu bringen. 5. A u f g e b o t . Die Art. 146ff. H e s s A G bieten im Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Hessen dem Grundeigentümer die Möglichkeit, im Wege des Aufgebotsverfahrens sich endgültige Klarheit über das Bestehen von Grunddienstbarkeiten zu verschaffen. Nach Art. 146 ist er nämlich befugt, wenn ihm nichteingetragene Grunddienstbarkeiten unbekannt sind, die Berechtigten mit ihrem Recht im Wege des Aufgebotsverfahrens ausschließen zu lassen. Das Aufgebot erstreckt sich selbstverständlich nicht auf Grunddienstbarkeiten, mit denen das Halten einer Anlage verbunden ist, solange die Anlage noch besteht (Art. 146 Abs. 2), und ferner nicht auf solche, die in den öffentlichen Büchern eingetragen, zur Eintragung angemeldet oder in dem Verfahren zur Anlegung des Grundbuchs angemeldet worden sind (Art. 149). Zuständig für das Aufgebotsverfahren ist das Gericht, in dessen Bezirk das belastete Grundstück liegt. Antragsberechtigt ist der Eigentümer des belasteten Grundstücks. E r hat die ihm bekannten Grunddienstbarkeiten anzugeben und einen beglaubigten Plan seines Grundstückes vorzulegen, aus dem die angrenzenden Grundstücke ersichtlich sind. Das Aufgebot wird öffentlich bekannt gemacht und außerdem den Eigentümern oder bekannten Erben der eingetragenen Eigentümer der angrenzenden Grundstücke von Amts wegen zugestellt, weil diese in erster Linie als Inhaber von Grunddienstbarkeiten in Betracht kommen. Wird in Ansehung eines Grundstücks, für das ein Ausschlußurteil ergangen ist, von einem anderen Antragsberechtigten neuerdings das Aufgebot beantragt, so gelten die in dem früheren Verfahren von dem Antragsteller angegebenen oder von dem Berechtigten angemeldeten Grunddienstbarkeiten als dem Antragsteller bekannt (Art. 148). 6. W e g f a l l e i n e r E n t s t e h u n g s v o r a u s s e t z u n g . Nach G e m e i n e m Recht besteht keine Bestimmung, wonach eine Servitut durch den Wegfall einer derjenigen Voraussetzungen untergeht, ohne welche sie nicht hätte entstehen können64). So erlischt z. B. das einer Wiese zustehende Bewässerungsrecht nicht dadurch, daß die Wiese in einen Park umgewandelt wird 65 ). Eine Gebäudeservitut erlischt nicht schlechtweg mit dem Untergang des Gebäudes, zu dessen Gunsten sie begründet ist 66 ), sie dauert vielmehr nach dem Untergang des 61
) Roth, BayZR § 154 Anm. 4 1 ; Schelhaß 69. ) SeuffBl. Ergänz, zu Bd. 31 und 32, 27. 63 ) Vgl. SeuffBl. Ergänz, zu Bd. 31 und 32, 27. Die dritte verpaßte Gelegenheit braucht jedoch nicht mit dem Ende der Verjährungszeit zusammenzufallen (OTr. 20,113). M ) R G 26, 168; 27, 166; SeuffA 40 Nr. 1. 65 ) Bolze 7 Nr. 74. 6 • ) Bolze 3 Nr. 108 (die servitus altius non tollendi bleibt für den Neubau erhalten); vgl. ferner R G 27, 166. Hier hatte der Eigentümer das Gebäude, welchem ein Gehrecht. 62
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§ 3 7 B 6
früher herrschenden Gebäudes für ein unter denselben Verhältnissen und in der gleichen Eigenschaft errichtetes Gebäude fort"), nur dürfen mit diesem Neubau nicht Änderungen verbunden sein, welche die Last des dienenden Grundstückes erschweren68). Die Grunddienstbarkeit, daß auf einem Nachbargrundstück ein bestimmtes Konkurrenzgeschäft nicht betrieben werden darf, erlischt nicht schon mit der Einstellung des geschützten Gewerbebetriebes auf dem herrschenden Grundstück'9). Andererseits erlischt eine Grunddienstbarkeit, sobald die Benutzung des dienenden Grundstückes dauernd unmöglich geworden ist; es ist z. B. der Steinbruch erschöpft oder die Quelle dauernd versiegt70). zustand, weggerissen und auf der Abbruchstelle und einem daran angrenzenden nichtberechtigten Grundstück ein einheitliches Gebäude errichtet. Das R G hat entschieden, daß hierdurch zwar die Grunddienstbarkeit nicht erloschen sei, aber das Recht zur Ausübung einstweilen ruhe. Praktisch führt dies allerdings nach Ablauf der Verjährungszeit zur Erlöschung durch non usus. —Vgl. auch § 30 N. 105. • 7 ) BayOGH 13, 201. ,8 ) JW 81, 1 7 1 ; Bolze 2 Nr. 188. Ist die Grunddienstbarkeit eingeräumt, das Gebälk in der durch den Vertrag bestimmten Weise in die Mauer des Nachbarhauses einzulegen (sogen. Tramrecht), so können nicht an Stelle des vorhandenen Gebälkes bei einem Neubau eiserne Unterzüge und zwar unter wesentlicher Veränderung der örtlichen Lage, die infolge der Erhöhung der einzelnen Stockwerke bedingt war, in der dienenden Mauer angebracht werden. SeuffBl. 68, 166 (BayObLG). ••) S. oben § 30 N. 95. 70 ) Vgl. oben § 37 A 8 und § 30 N. 105.
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IV. Abschnitt Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten § 1004 BGB (1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Yorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. (2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. § 38. Die Eigentumsfreiheitsklage I. V o r a u s s e t z u n g e n d e s A n s p r u c h s 1. B e e i n t r ä c h t i g u n g . Im Wesen des Eigentums liegt es, daß der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, andere von jeder Einwirkung ausschließen kann (§ 903 B G B ) . Die rechtswidrige Einwirkung eines Dritten enthält daher eine Störung des Eigentumsrechts, zu deren A b w e h r dem Eigentümer die Eigentumsklagen gegeben sind. Bei gänzlicher Verletzung des Eigentums, nämlich bei Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes, geht der Anspruch auf Herausgabe der Sache (§ 985 B G B , E i g e n t u m s k l a g e im engeren Sinn, rei vindicatio). a) B e g r i f f . Wird das Eigentum nur teilweise, d . i . eben in anderer Weise 1 ) als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes, beeinträchtigt, so steht dem Eigentümer die E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e zu (§ 1004 B G B , a c t i o n e g a t o r i a ) . O b eine solche Beeinträchtigung des Eigentums vorliegt, ist nach den über den Inhalt des Eigentums gegebenen *) Kann die Auflassung kondiziert werden, so kann nicht mit der Klage aus § 1004 B G B vorgegangen werden: R G 108, 331.
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Die Eigentumsfreiheitsklage
§ 3 8 11
Vorschriften des Bundes- und Landeszivilrechts111) zu entscheiden; die Beeinträchtigung setzt in jedem Falle einen dem Inhalt des Eigentums widersprechenden Zustand voraus 11 '). Die nachbarrechtlichen Eigentumsbeschränkungen haben für den Inhalt des Eigentums eine doppelte Bedeutung: auf der einen Seite nehmen sie dem Inhalt des Eigentums eine Befugnis, auf der Seite des Nachbars fügen sie zu dem Inhalt des Eigentums eine Befugnis hinzu. So wird die dem einen auferlegte Eigentumsbeschränkung für den anderen zur Eigentumsverstärkung. Der Grundeigentümer, welcher mäßige Schallwellen auf das Nachbargrundstück eindringen läßt oder die Einräumung eines Notweges verlangt, macht kein dingliches Recht an dem Nachbargrundstück, sondern das Eigentum an seinem Grundstück geltend. Gerade im Nachbarrecht findet daher die Eigentumsfreiheitsklage ihre häufigste Anwendung. Eine Beeinträchtigung des Eigentums (factum turbativum) liegt in der Verhinderung des Eigentümers, mit der Sache innerhalb des durch das Gesetz gesteckten Rahmens nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903 BGB). Ein Vermögensschaden ist nicht Voraussetzung der Beeinträchtigung 10 ). b) S c h ä d i g u n g ist noch nicht B e e i n t r ä c h t i g u n g . Andrerseits ist eine Beeinträchtigung des Eigentums nicht schon deshalb gegeben, weil der Eigentümer geschädigt wird. Es kommt darauf an, ob die Schädigung des Eigentums durch einen andern in Ausübung eines diesem zustehenden Rechts erfolgt. Grundsätzlich gilt auch für das Recht des B G B der Rechtssatz: qui iure suo utit, nemini facit iniuriam. Deshalb darf z. B. la ) Vgl. §§ 90} ff. B G B sowie z. B. die für Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Rheiniand-Pfalz erlassenen ImmissionsschutzG (oben zu § 16 N. 5 a) und die verschiedenen Länder-Antilärmverordnungen (oben § 16 N. 15). lb ) Staudinger R N 6 zu § 1004 B G B ; vgl. auch unten II. Der Grundstückseigentümer kann die Beseitigung von Betonausflüssen verlangen, die von dem Fundament der direkt an der Grenze errichteten Mauer des Nachbarn in sein Grundstück hineinragen, wenn er hierdurch an der Errichtung einer normalen Grenzwand gehindert wird ( O L G Hamburg M D R 65 S. 295). Das Verlangen auf Beseitigung einer Beeinträchtigung ist als Abwehrmaßnahme grundsätzlich nicht rechtsmißbräuchlich ( O L G Hamburg VersR 65 S. 622). lc ) J W 1 1 , 587 (RG); Staudinger R N 52 zu § 1004 B G B ; R G 127, 34 läßt es dahingestellt, ob man unter Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 B G B nicht nur den unmittelbaren Vorgang der Einwirkung auf die Sache, sondern auch die dadurch in der Sache selbst hervorgerufene Veränderung, also die weiteren Folgen jener Einwirkung für die Sache selbst zu verstehen hat (Haldenbrand). Die Frage wird nur in den Fällen bejaht werden können, in denen dem Störer die Möglichkeit einer tatsächlichen Einwirkung auf den geschaffenen Zustand in positiver oder negativer Weise noch verblieben war.
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§ 38 j 1
I V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
der Grundstückseigentümer dem Nachbarn durch Errichtung eines Gebäudes das Licht verbauen 2 ). c) S o z i a l e A u s ü b u n g des E i g e n t u m s . An sich besteht keine Verpflichtung des Grundeigentümers, positive Veranstaltungen auf seinem Eigentum zu treffen, um seinen Nachbarn vor Nachteilen zu schützen3). So ist der Eigentümer eines Grundstückes, von dem sich ein Felsblock abzulösen droht, nicht verpflichtet, ihn zu stützen4); und ebensowenig kann der Nachbar von dem Eigentümer eines v o n N a t u r bestehenden Teiches verlangen, daß er den Teich unter allen Umständen so einrichte, daß Gerüche oder Geräusche nicht in erheblichem Grade auf das Nachbargrundstück gelangen5). Aber in allen diesen Fällen kann nach Lage der besonderen Verhältnisse doch eine Verpflichtung zum Schutz des fremden Eigentums und zum Schadenersatze bestehen; denn nach geltendem Gesetz ist die Ausübung 2
) S. oben § 16 II i ; § 17 N. 17 und § 25 A und C sowie unten § 38 I 1 e (N. 25ff.)) Vgl. Endemann 461, der beispielsweise anführt, daß der Eigentümer nicht verpflichtet sei, die Berberitzen, von denen Pilze ausgehen, welche die Übertragung des Getreiderostes auf die Roggenfelder des Nachbarn herbeiführen, zu beseitigen, da er diese Pflanzen nicht halte und daher von ihm die schädigende Einwirkung nicht verursacht werde. Dem wird nicht durchweg beizupflichten sein. Die von jedermann zu erfordernde Rücksicht auf fremde Interessen kann unter Umständen eine Rechtspflicht begründen, deren Verabsäumung nach § 823 B G B und § 826 B G B ersatzpflichtig machen kann. So wird in einer Getreidegegend gefordert werden können, daß der Grundeigentümer dem Anlieger die Ausrottung der Berberitzensträucher, welche eine Gefahr für den Getreidebau der ganzen Gegend bilden, gestattet. Verweigert er das, so handelt er gegen die guten Sitten (öffentliches Interesse an Produktionssteigerung), auch § 226 B G B kann einschlägig sein. Ähnliches gilt für die weiteren Beispiele Endemanns, daß der Eigentümer die Wespennester in seinem Garten (vgl. § 368 Abs. 2 RStGB) und den Schwamm in seinem Keller nicht zu beseitigen brauche. Vgl. auch unten N. 9 und die Vorschriften über Unkrautbekämpfung (oben § 16 II 5). Anders ist die Rechtslage im Falle einer Anlage. Wer eine „Anlage" — dazu gehört ein k ü n s t l i c h e r Teich — hält, muß die von ihr ausgehenden Einwirkungen vertreten. Deshalb sind Einwirkungen, die von einem künstlich geschaffenen Teich ausgehen, anders zu beurteilen als bei einem von Natur vorhandenen Teich. Ferner haftet der Grundeigentümer nach §§ 823, 826 B G B , wenn er Berberitzen anpflanzt und damit das benachbarte Getreidefeld, das Schwarzrost bekommt, schädigt (Recht 36 Nr. 9037). Mit der vorbeugenden Unterlassungsklage aus §§ 1004, 823 Abs. 2 B G B kann geholfen werden, wenn der Nachbar es unterläßt, in seinen Obstbäumen die Raupennester zu entfernen oder die Mäuse- oder Reblausplage zu bekämpfen ( JW 24, 776), denn das Pflanzenschutzgesetz vom 10. 5. 1968 (BGBl. I S. 352), das an die Stelle des Ges. zum Schutze der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen vom 5. 3. 1937 (RGBl. I 271) getreten ist, und die hierauf gegründeten Anordnungen zur Bekämpfung von Schädlingen sowie das Gesetz zur Bekämpfung derRebelaus sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B . Gleiches muß für die Vorschriften über Unkrautbekämpfung (vgl. oben § 16 II 5) gelten. — Vgl. auch unten zu § 45. 4 ) Vgl. oben § 19 II 1 a. 5 ) Vgl. oben N. 3 und § 16 II 5 u. III 2 sowie unten § 38 I 2. 3
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Die Eigentumsfreiheitsklage
§ 3 8 11
des eigenen Rechtes, wenn sie zur erheblichen Verletzung anderer Interessen führt, nicht immer zulässig. Die starren Eigentumsgrundsätze des römischen Rechts sind dem neueren Rechtsempfinden fremd und dieses neuere Rechtsempfinden hat im Gesetz Ausdruck gefunden. Das Eigentum berechtigt nicht nur, sondern verpflichtet zugleich den Eigentümer 6 ). Art. 1 5 3 A b s . 3 der Reichsverfassung v o m 1 1 . 8. 1 9 1 9 stellte ganz allgemein den Rechtsgrundsatz auf: „ E i g e n t u m verpflichtet" 7 ). Das war die gesetzliche Anerkennung eines Rechtsbewußtseins, das schon lange vorher in der Rechtsprechung sich durchgesetzt hatte 8 ). So hat das R G den Grundsatz aufgestellt, daß ein jeder für Beschädigung durch seine Sache soweit aufkommen müsse, als er sie bei billiger Rücksichtnahme auf die Belange des andern hätte verhüten müssen 9 ). D e r Ausübung eines jeden Rechts, insbesondere des Eigentums, sind eben durch die soziale Pflicht gewisse Grenzen gezogen 1 0 ). In seiner Entscheidung R G 1 3 2 , 56 (Risse im klägerischen Haus infolge Grundwassersenkung auf dem Nachbargrundstück) hat das Reichsgericht den Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses entwickelt und dazu ausgeführt, aus der Tatsache, daß jeder Eigentümer grundsätzlich die unbeschränkte Herrschaft über die in seinem Eigentum stehende Sache habe und Einwirkungen des anderen verbieten könne, •) Vgl. hierzu nachstehende N. 9 und N. 28. 7 ) Mit Unrecht wurde dieser Satz von Metzger BayZ 20, 38 als leere Phrase hingestellt. Es handelte sich vielmehr um die Aufstellung einer Rechtspflicht (Martin Wold „Reichsverfassung und Eigentum, Tübingen 1923; vgl. Staudinger R N 3 2 f r . zu § 903 BGB), durch welche die zum gleichen Ergebnis gekommene Rechtsprechung gesetzliche Bestätigung gefunden hatte. 8 ) Vgl. beispielsweise R G 52, 379; 8i, 223; 89, 1 2 1 ; 93, 362. S. auch nachstehende N. 9 und N. 28. 8 ) Die Entscheidung in RG52,375 wurde vielfach so verstanden, als ob damit habe gesagt sein sollen, daß in Verallgemeinerung des in § 836 B G B enthaltenen Rechtsgedankens jeder Grundstückseigentümer ganz allgemein verpflichtet sei, einen Schaden zu verhüten, der von seinem Grundstück demNachbarn drohe, soweit dies bei billigerRücksichtnahme auf die Interessen des anderen erwartet werden könne. Dieser Auslegung ist aber das Reichsgericht selbst mit Recht entgegengetreten (RG 134, 2 3 1 ; 149, 210) und hat dazu ausdrücklich festgestellt, daß aus dem b l o ß e n E i g e n t u m allein eine Rechtspflicht zur Schadenverhütung nicht zu folgern sei; unterlasse es also der Eigentümer, bei einem v o n N a t u r gegebenen Zustand seines Grundstücks die Einwirkung von Naturkräften auf das Grundstück und die sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen des Nachbarn zu verhindern, so könne hieraus allein ein Haftungsgrund nicht hergeleitet werden. A M . K G HW 51, 349 und Urteil vom 17. 1 1 . 1953 — 9 U 1516/53 (zitiert bei Clausnitzer HW 54, 28). Diese Ansicht des Kammergerichts würde zu einer praktisch nicht durchführbaren, allgemeinen Verpflichtung zur Beistandschaft oder zur allgemeinen Hilfeleistung führen. Wie K G auch Palandt 2 a zu § 1004 BGB. — Vgl. hierzu auch B G H N J W 56, 382 sowie unten zu N. 12 i sowie N. 28 und § 38 a II 2 c (Einwirkungen von Trümmergrundstücken). 10 ) Vgl. Meisner, JW 1927, 82 (Rücksicht auf den Rundfunkverkehr).
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ergebe sich für Grundstücke, die in räumlichen Beziehungen zueinander stehen, die Notwendigkeit, zwecks Ermöglichung eines angemessenen Zusammenlebens ihrer Eigentümer einen Ausgleich ihrer Belange herbeizuführen. Dieser Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses wurde in R G 154, 161 (Verhältnis von Landwirtschaft und Industrie zueinander) zur Klärung der Frage nach der ortsüblichen Grundstücksbenutzung im Sinne des § 906 B G B a. F. herangezogen. Weiterhin hat das Reichsgericht in R G 155, 154 (Ansteigen des Grundwasserspiegels auf dem klägerischen Grundstück als Folge von Anschüttungen auf dem Nachbargrundstück) die Überlegung angestellt, ob das von ihm gefundene Ergebnis etwa mit dem Gedanken nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses unvereinbar sei und ob alsdann — unter Anwendung des § 242 B G B auch auf dem Gebiet des Sachenrechts — eine andere Gesetzesauslegung Platz greifen könnte oder müßte10»). In Fortentwicklung dieser Gedanken hat das Reichsgericht (DR 41, 1788 = R G 167, 14) zutreffend festgestellt, daß die Grundsätze über die aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis entspringende Rechtspflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme zwecks Ausgleichs widerstreitender Interessen, die die Ausübung eines bestehenden Rechts u. U. als unzulässig erscheinen lassen können, lediglich die Anwendung der Regeln von Treu und Glauben auf den besonderen Fall des nachbarlichen Zusammenlebens bedeuten. Diese Grundsätze müssen auch auf solche Unternehmen angewendet werden, die öffentliche oder hoheitsrechtliche Aufgaben erfüllen, da auch sie mit ihrem Grundbesitz im Bereich des privatrechtlichen Eigentums und damit — ebenso wie z. B. die Eisenbahn und Post —• in der nachbarlichen Gemeinschaft stehen (RG 159, 129 für Immissionsschäden seitens des Unternehmens „Reichsautobahn"). Die soziale Bindung des Eigentums anerkennt auch Art. 14 Abs. 2 Satz 1 G G , der unmittelbar anwendbares Recht enthält (Art. 1 Abs. 3 GG). Der Bundesgerichtshof, der die Zulässigkeit des Verbauens von Fenstern in der Giebelmauer durch einen Neubau des Nachbarn zu prüfen hatte, hat in dieser Entscheidung 11 ) unter Übernahme der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zutreffend ausgeführt, daß die Vorschrift des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 G G „Eigentum verpflichtet", soweit sie den privaten Rechtsverkehr betrifft, nur das in anderer Form ausspricht, was nach der neuzeitlichen Auslegung des § 242 B G B in seiner Anwendung auf das Sachenrecht weitgehend ohnedies Rechtens ist; denn die aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis entspringende Rechtspflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme zum Ausgleich widerstreitender Interessen bedeutet nur die Anwendung der Regeln von Treu und Glauben auf den besonderen Fall 10a u
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) Vgl. dazu auch oben § 26 a. ) B G H in M D R 51, 726.
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des nachbarlichen Zusammenlebens 11 "); bei dieser Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auf die nachbarlichen Rechtsbeziehungen muß aber stets beachtet werden, daß der Ausgleich der Interessen in erster Linie durch die nachbarlichen Bestimmungen des B G B und das in Geltung gebliebene Landesrecht 116 ) zu erfolgen hat und deshalb die Beschränkung an sich bestehender Eigentumsrechte aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis eine durch zwingende Gründe erforderte Ausnahme bleiben muß 1 1 c). In der Folgezeit hat das Rechtsinstitut des „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses" sowohl in der Rechtsprechung 12 ) wie auch im Schrifttum 12 ») immer weitere Verbreitung und Anerkennung gefunden, so daß heute insoweit von einer gesicherten Rechtsauffassung gesprochen werden kann. So hat der B G H — abgesehen von den vorstehend erwähnten Entscheidungen — diesen Rechtsbegriff auf Tatbestände des § 906 B G B bei der Beurteilung folgender Fragen angewendet: Ob schon im Falle schwerer Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens ein Ausgleichsanl l a ) Vgl. B G H N J W 59, 2156; 64, 1321 u. 65, 3 9 1 ; Mühl N J W 60, 1 1 3 4 ; GlaserDröschel Nr. 43. iib) Vgl. hierzu § 13 Abs. 1 u. 2 sowie § 14 Hess. ForstG v. 10. 11. 1954 ( G V B I . 2 1 1 ff.); die erstere Vorschrift schreibt dem Waldbesitzer Rücksichtnahme auf die angrenzenden Grundstücke vor, während die letztere dem Waldbesitzer unter gewissen Umständen ein Benutzungsrecht gegenüber den Nachbargrundstücken einräumt (vgl. zu letzterem oben § 28 V). l l c ) Lehrreiche Anwendungsfälle aus dem Gebiet des Fenster- und Lichtrechts bieten die BGH-Entscheidung L M Nr. 2 zu § 903 B G B und O L G Celle NdsRpfl. 59, 180. Unrichtig A G Michelstadt M D R 64 S. 845, das im Falle einer ganz auf dem einen Grundstück stehenden „Grenzhecke" zu Unrecht eine Grenzeinrichtung im Sinne der §§ 921, 922 B G B als gegeben ansieht und unter Außerachtlassung des § 910 B G B dem Eigentümer der Hecke nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses das Recht zugesteht, das Nachbargrundstück in bestimmten Zeitabständen zwecks Beschneidens der Hecke zu betreten. Vgl. auch oben § 28 N. 2a und 2b. 1 2 ) Vgl. die oben im Text erwähnten Entscheidungen des B G H , ferner B G H N J W 59, 9 9 ; 58, 1580; B G H B B 54, 426; B G H N J W 63, 1776 u. 65, 389 sowie O L G Köln M D R 55, 359 und J Z 63, 94; O L G Düsseldorf N J W 53, 1394 u. N J W 59, 580; M D R 60, 398 und N J W 61, 1925 ; 63, 161 (im letzteren Falle hätte es wegen des bestehenden Bruchteilseigentums der Inbezugnahme des nachbarl. Gemeinschaftsverhältnisses allerdings nicht bedurft); O L G Celle NdsRpfl. 59, 180; L G Hamburg M D R 63, 50; A G Köln M D R 61, 1 0 1 5 ; L G Berlin J R 63, 343 und M D R 64, 1 4 7 ; ferner oben zu § 28 N. 2b—f (Rspr. zum Hammerschlags- u. Leiterrecht). Zur Rechtsprechung des B G H vgl. auch Scherer B B 65 S. 260. 1 2 a ) Vgl. Hubmann J Z 58, 489; Pleyer J Z 59, 335; 63, 97; Mühl N J W 56, 1657 und 60, i i 3 3 f f . , dazu Clasen N J W 60, 2323 und Mühl daselbst; Westermann § 63 I 2; Staudinger R N 1 c zu § 906 B G B ; Glaser-Dröschel Nr. 34fi.; Heiseke N J W 61, 4 6 1 ; Hulvershorn N J W 61, 1448 u. Vieweg B B 61, 160 (Duldung von Fernsehantennen bei Fernsehstörungen durch Reflektoren). Vgl. ferner Klausing J W 37, 68; Elser Z A k D R 38, 85 ; Paul D R 39, 743; Schiffer Z A k D R 39, 3 1 1 .
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spruch zu gewähren ist (NJW 59, 1867; M D R 59, 833), ob und inwieweit ein Mieter auf einen anderen Mieter des gleichen Hauses bei Bauarbeiten Rücksicht nehmen muß, da hier § 906 B G B entsprechend anzuwenden sei (LM 1 zu § 906 BGB). Alle diese Entscheidungen, die die Grundsätze des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses auf Fälle von Einwirkungen im Sinne des § 906 B G B anwendeten, sind aber inzwischen durch das Gesetz über die Änderung der GewerbeO und Ergänzung des B G B vom 22. 12. 1959 (BGBl. I 781) überholt, denn die umfassende Generalklausel des nachbarlichen Gemeinschafts Verhältnisses hat in dieser Neufassung des § 906 B G B ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden, indem dort nach jenen Grundsätzen das Grundstückseigentum im Rahmen der Zuführung unwägbarer Stoffe im besonderen neu abgegrenzt ist. Soweit daher die in § 906 B G B aufgezählten Einwirkungen in Betracht kommen, geben die Grundsätze von Treu und Glauben keine Grundlage mehr dafür ab, einem Nachbarn über den Rahmen des § 906 B G B n. F. hinaus die Duldung zusätzlicher Einwirkungen abzuverlangen 126 ). Die Interessen der Nachbarn können sich aber nicht nur bei Einwirkungen im Sinne des § 906 B G B , sondern unter verschiedensten anderen Umständen begegnen. Auch in diesen Fällen besteht die auf Treu und Glauben beruhende Rechtspflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Diese beinhaltet allerdings nicht die Verpflichtung, daß der Grundstückseigentümer unter mehreren für ihn gegebenen Möglichkeiten unbedingt die für den Nachbarn schonendste wählen müßte 120 ); entscheidend ist vielmehr, ob und inwieweit es ihm nach den Umständen des Einzelfalles angesonnen werden kann, sein Recht nicht oder allenfalls in veränderter Form auszuüben oder etwa an sich unzulässige Beeinträchtigungen hinzunehmen. So können Treu und Glauben es gebieten, daß der Nachbar mit seinem Gebäude, für das baurechtlich ein Grenzabstand nicht vorgeschrieben ist, einen solchen einhalten muß, wenn sonst die Fenster in der Giebelwand des ersten Gebäudes verdunkelt würden und andererseits der Nachbar auch bei Einhaltung des Grenzabstands sein Grundstück voll ausnützen kann 12d ). In einem anderen Falle hat der B G H 1 2 e ) den Nachbarn für verpflichtet gehalten, aus einem Steinbruchsbetrieb herüberfliegende Steinbrocken gegen Ersatz des entstehenden Schadens zu dulden, wenn anders der Betrieb stillgelegt werden müßte und eine größere Zahl von Arbeitnehmern arbeitslos würde. In einer weiteren Entscheidung hat der 12b
) ) 12d ) § 28 N. 12e ) I2c
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BGH N J W 62, 2541; N J W 64, 321; Glaser-Dröschel Nr. 40; Scherer DRZ6}, 50. BGH LM Nr. 2 zu § 906 BGB. Vgl. O L G Celle NdsRpfl. 59, 180; BGH MDR 51, 726. Vgl. auch oben zu zbff. NJW 59, 97.
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B G H 1 2 ' ) gleichfalls unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses einen Schadensersatzanspruch für den Fall gewährt, daß jemand durch eine auf Kriegseinwirkung beruhende Ausbauchung in der Giebelmauer des Nachbargrundstücks, die ein Stück in den Luftraum über seinem Grundstück hineinragt, veranlaßt wird, sein eigenes Gebäude in entsprechendem Abstand von der Grenze zu errichten, wodurch ihm über den eigentlichen Bauaufwand hinaus zusätzliche Aufwendungen durch die Ausfüllung des Hohlraums zwischen beiden Gebäuden entstehen. Gegen diese Entscheidung besteht das Bedenken 12 «), daß sie die Verpflichtung zur Beseitigung der Folgen der von ihm nicht zu vertretenden Kriegseinwirkungen einseitig dem Eigentümer der Giebelwand auflastet, obwohl nach heute herrschender Meinung 1211 ) der Grundstückseigentümer z. B. nicht verpflichtet ist, die von seinem kriegszerstörten Ruinengrundstück ausgehenden Feuchtigkeitseinwirkungen zu beseitigen, sondern nur gehalten ist, Maßnahmen auf seinem Grundstück seitens des beeinträchtigten Nachbarn zu dulden. Im übrigen hat der B G H selbst in Übereinstimmung mit dieser Ansicht entschieden 121 ), daß es zwischen der zulässigen Gebäudeerrichtung einerseits und dem Herbeiführen des schädigenden Zustands andererseits, der durch Kriegseinwirkung entstanden und dann nicht beseitigt worden ist, am ursächlichen Zusammenhang fehle und deshalb dem Erbauer jenes Gebäudes — oder seinem derzeitigen Eigentümer — die Haftung für solche Folgen der Errichtung des Gebäudes billigerweise nicht zugemutet werden könne; es handele sich vielmehr hierbei um einmalige, durch eine dritte Gewalt herbeigeführte Einwirkungen, denen gegenüber der Eigentümer völlig machtlos sei. Die vorbehandelte Rechtsprechung des B G H ließ eine nicht gerechtfertigte Rechtsungleichheit erkennen: Lag ein Aufopferungstatbestand vor (vgl. unten § 43 D III z d), so stand dem beeinträchtigten Nachbarn kein Anspruch auf vollen Schadensersatz, sondern nur ein solcher auf einen billigen Ausgleich zu (vgl. dazu unten § 43 D III 2 e). Auch in dem oben erwähnten Fall der Beeinträchtigung eines Grundstücks durch herüberfliegende Steinbrocken aus einem Steinbruchbetrieb (vgl. oben N. ize) hätte nach jener Rechtsprechung des B G H nur der billige Aus12f
) N J W 58, 1580 = M D R 58, 759 = J Z 5 9 ) 165. ) Gegen diese Entscheidung auch Pleyer in J Z 59, 165 und 305, allerdings mit abw. Begründung; vgl. dazu Mühl N J W 6o, 1134. — Einen ähnlichen Tatbestand wie vorstehend der B G H hat das O L G Düsseldorf M D R 60, 398 zwar im Ergebnis zutreffend — keine Verpflichtung des Eigentümers der durch Kriegseinwirkung ausgebauchten Giebelwand zum Ersatz von Mehrkosten — , aber mit verfehlter Begründung entschieden. 12h) Vgl. hierzu unten zu § 38 a II 2 d. 121 ) N J W 56, 382. 12g
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gleich verlangt werden können, wenn der Betrieb sich als ein im öffentlichen Interesse geführtes und behördlich genehmigtes (§26 GewO scheidet hier aus) Unternehmen, gegen das im Interesse des Allgemeinwohls die Abwehrklage unzulässig war, dargestellt hätte. Da der Steinbruch in dem entschiedenen Falle aber von einem privaten Unternehmer geführt wurde, billigte der B G H vollen Schadensersatz — auch für die Zeit vor Klageerhebung — zu, obwohl auch hier aus Gründen des allgemeinen Wohls und nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses die Abwehrklage, die grundsätzlich nur in die Zukunft wirkt, versagt blieb. Obgleich also in beiden Fällen die Gründe für die Duldungspflicht des beeinträchtigten Nachbarn in ihrem Kern übereinstimmten, sollte nach der Meinung des B G H die Höhe des an jenen zahlbaren Ersatzbetrags unterschiedlich hoch sein, je nachdem, ob das schädigende Unternehmen von der „öffentlichen Hand" oder von privater Seite betrieben wurde. Für diese Rechtsungleichheit war eine Rechtfertigung nicht erkennbar, zumal auch das hoheitlich betriebene Unternehmen sich letztlich gewerblich betätigt. Von hier wurde daher für alle Fälle, in denen unter Versagung der Abwehrklage nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses Beeinträchtigungen geduldet werden müssen, ohne daß zugleich die Tatbestände des § 906 B G B n. F. oder des § 26 GewO n. F. (vgl. dazu unten zu § 39) gegeben sind, eine Gleichstellung in der Weise gefordert, daß auch von dem „privaten Störer" anstelle des vollen Schadensersatzes lediglich der billige Ausgleich wie bei den Aufopferungstatbeständen zuerkannt werden solle 12k ). Inzwischen hat der B G H in seiner Entscheidung N J W 63, 202off., die Lärm- und Geruchseinwirkungen betraf, die von einem Grundstück ausgingen, auf dem die Streitkräfte einen Clubbetrieb eingerichtet hatten, den anderen alternativ gegebenen Weg zur gleichen Behandlung der Fälle beschritten, indem er auch dem durch die hoheitliche Einwirkung Betroffenen in entsprechender Anwendung des § 26 GewO unter Berufung auf die Entscheidung N J W 55, 19 einen, ein Verschulden nicht voraussetzenden Schadenersatzanspruch und damit einen Anspruch auf Ersatz des vollen Schadens im Sinne der § § 249 ff. B G B und auch des vor Klageerhebung entstandenen Schadens zuerkannte 121 ). Im übrigen unterscheidet der B G H (NJW 68, 549; 67, 1857) durchaus 12k ) Glaser-Dröschel Nr. 40 schlagen die entsprechende Anwendung der in dem SachschädenhaftpflichtGes. (vgl. unten zu § 43 D III 1 c) getroffenen Regelung vor. 121 ) Schack BB 65, 341 ff. unterscheidet zwischen den schädlichen Einwirkungen ausgesprochen hoheidicher Betriebe (Schießplätze, Truppenübungsplatz) und solchen der nicht hoheitlichen öffentlichen Verwaltung (öffentliche Schulen, Krankenanstalten) und bezeichnet die ersteren Ansprüche als öffentlichrechtliche, die anderen als nachbarrechtliche Aufopferungsansprüche. Nach seiner Auffassung besteht in jedem Falle daher nur ein Anspruch auf billigen Ausgleich.
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zwischen einerseits dem bürgerlich- oder nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, wenn die Einwirkung durch privatwirtschaftliche Benutzung, einschließlich nicht hoheitlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand hervorgerufen worden ist, und andererseits dem öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff, wenn die Einwirkungen im Sinne des § 906 B G B auf einem Eingriff von hoher Hand, d. h. auf einem enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriff beruhen. Eine scharfe Abgrenzung zwischen diesen beiden Arten von Ansprüchen, die durchweg das gleiche wirtschaftliche Ergebnis haben werden, kann im Einzelfalle schwierig sein : So hat in der vorbezeichneten Entscheidung der B G H ausgeführt, der Bau von Autobahnen sei zwar eine öffentliche Aufgabe mit hoheitlichem Charakter, jedoch spreche die Übertragung der Arbeiten auf private Firmen für eine privatwirtschaftliche Tätigkeit; anders könne es aber sein, wenn die Bauarbeiten von einer Dienststelle des Landes in einer Weise beaufsichtigt worden seien und damit auf sie in einer Weise Einfluß genommen worden sei, daß diese Stelle die Arbeiten gegen sich gelten lassen und es so angesehen werden müsse, wie wenn die Baufirma lediglich als Werkzeug der öffentlichen Behörde bei der Durchführung ihrer hoheitlichen Aufgaben tätig geworden sei. Da das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis nur einen Anwendungsfall von Treu und Glauben auf die nachbarrechtlichen Vorschriften der §§ 906 B G B ff. darstellt, bildet es keine selbständige Grundlage für Rechte und Pflichten unabhängig von jenen Vorschriften. Es kann daher auch nicht als gesetzliches Schuldverhältnis aufgefaßt werden. Hieraus folgt, daß § 278 B G B , der das Bestehen eines Schuldverhältnisses zu seiner Anwendung voraussetzt, auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis keine Anwendung finden kann12™). d) I d e e l l e E i n w i r k u n g e n . Nur solche Einwirkungen stellen eine Beeinträchtigung dar, die durch sinnliche Wahrnehmungen vermittelt werden; eine Einwirkung auf das Gefühlsleben fällt nicht darunter (sog. i d e e l l e o d e r i m m a t e r i e l l e E i n w i r k u n g e n ) 1 3 ) , mag hierdurch auch der Wert des Grundstücks in noch so hohem Maße beeinträchtigt werden 13 ®). Des12m ) R G 132, 51; BGH N J W 60, J35 u. YersR 58, 834; BGH N J W 63, 1776 u. 65, 389; L G Köln N J W 63, 1831; L G Dortmund MDR 65, 202; Staudinger RN 1 (d) zu § 906 BGB und RN 4 zu § 909 BGB; R G K Anm. 3 zu § 909 BGB; Böhmer MDR 59, 261 ; Heiseke MDR 61, 461 u. Anm. zu B G H N J W 65, 389; Palandt 3 b zu § 909 BGB. A. M. Westermann § 63 IV 2. Vgl. auch Pleyer J Z 59, 165 u. 305 sowie Mühl N J W 60, 1136. 13 ) BGH in L M Nr. 1 u. 2 zu § 903 BGB; BGH J Z 69, 431; R G 50, 226; 57, 239; O L G 5, 386; R 15 Nr. 1084 (RG), Staudinger RN 7 zu § 1004 BGB; a. M. Westermann § 36 I 1 a. 13a ) Es müßte denn der Tatbestand der §§ 226, 826 BGB gegeben sein (JW 02 Beil 2i 1). Wenn infolge eines gefährlichen Betriebes die Nachbarn durch eine polizeiliche
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halb kann eine Fabrik explodierender Stoffe, ein Pulvermagazin nicht deshalb verboten (§ 907 B G B ) werden, weil durch die damit verbundene Explosionsgefahr Furcht erregt wird 14 ). Der Anspruch auf Unterlassung von Schießübungen kann mit der bloßen Besorgnis einer Verletzung durch abirrende Kugeln nicht begründet werden 16 ), ebensowenig liegt eine Beeinträchtigung des Eigentums darin, daß durch ein Leichenhaus Schauder und Grausen erregt 16 ), durch ein Bordell 17 ) oder durch ein Freibad 18 ) wegen des Anblicks nackter Badegäste das Schamgefühl verletzt oder durch die Verunstaltung des Landschaftsbildes mit Reklametafeln Unlust erregt wird 19 ) oder „ein Grundstück einen das ästhetische Empfinden des Anordnung in der Bebauung ihrer Grundstücke beeinträchtigt werden, kann aus diesem besonderen Rechtsgrund eine Entschädigungspflicht in Frage kommen (SeuffA 75 Nr. 191); B G H L M 1 und 2 zu § 903 B G B ; s. unten § 43 D III 2. 14 ) R G 50, 225 (Petroleumraffinerie); 63, 374 (Gasfabrik) O L G 4, 55. — Solche gefährlichen Betriebe (wie Schießpulverfabriken, Anlagen zu Feuerwerkereien, zur Bereitung von Zündstoffen, Gasbereitungsanstalten) bedürfen nach § 16 GewO (in der Fassung des Ges. vom 22. 12. 1959 (BGBl. I 781)) einer gewerbepolizeilichen Genehmigung. Die Verwaltungsbehörde hat die Anlage nur unter Bedingungen zu gestatten, welche für die Sicherheit Dritter hinreichende Gewähr leisten (vgl. die Zusammenstellung bei Brauchitsch, Preuß. Verwaltungsges. V Nr. I V und V 523, 596); vgl. die geänderte Fassung des § 16 GewO durch Ges. vom 22. 12. 1959 (BGBl. I S. 781) •— unten zu § 39 —. Uber den Einfluß der gewerbepolizeilichen Genehmigung solcher Anlagen auf den Eigentumfreiheitsanspruch und die Schadenersatzpflicht s. unten § 39. 15 ) Aber eine solche Angst kann das Schießgeräusch mittelbar insofern lästiger machen (Wesentlichkeit der Beeinträchtigung, § 906 BGB), als man bei dem Knall unwillkürlich, also nicht infolge der bewußten Vorstellung einer Gefahr zusammenschreckt (R 15 Nr. 1084 RG). 16 ) O L G 4, 6 1 ; a. M. Weimar M D R 58, 20, der mit Rücksicht auf die Anerkennung der Menschenwürde im Grundgesetz die ausdehnende Anwendung des § 906 B G B vorschlägt. 17 ) R G 57, 239; J W 04, 291; BadRspr. 05, 198; R 04 Nr. 1642. Abw.: Westermann § 36 I 1 a. Vgl. aber unten N. 21 u. 22. 18 ) J W 1 1 , 587; R G 76, 130; SeuffA 66 Nr. 238; siehe auch Wolff-Raiser § 53 I. 19 ) Unter ganz besonderen Umständen, z. B. wenn die häßlichen Reklametafeln vor der Veranda eines Hotels in einem Luftkurort aufgestellt sind mit der Wirkung, daß dadurch das Panorama verhunzt und das Geschäft des Hoteliers verdorben wird, kann mit § 826 B G B geholfen werden. — Durch die preußischen Verunstaltungsgesetze vom 2. 6. 1902 (GS S. 159) und 15. 7. 1907 (GS S. 260) und den Ausf. Erlaß vom 3. 7. 1930 (MBliV S. 633) wurde die rechtliche Möglichkeit geschaffen, Bauten oder Bautenänderungen durch die Baupolizeibehörde zu verbieten, sofern durch diese das Landschaftsbild gröblich verunstaltet würde. Ferner kann hiernach hinsichtlich Straßen und Plätzen von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutnug durch Ortsstatut vorgeschrieben werden, daß Baugenehmigungen versagt werden müssen, falls durch geplante Bauten die Eigenart des Orts oder des Straßenbildes beeinträchtigt würde. Auch kann für die Anbringung von Reklameschildern, Schaukästen und dgl. die Genehmigung durch die Baupolizeibehörde vorgeschrieben werden. Schließlich können für die Bebauung bestimmter Flächen wie Landhausviertel, Badeorte, Prachtstraßen besondere Anforderungen gestellt werden. Ähnliche Vorschriften haben getroffen: Berlin durch das Ortsgesetz
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Nachbarn verletzenden Anblick bietet (Lagerplatz für Baumaterialien und Baugeräte in einer Wohngegend 19a ). Dagegen handelt es sich um eine Einwirkung, wenn von dem Leichenhaus üble Gerüche ausgehen oder Insekten herüberfliegen. Die Beeinträchtigung wird wegen der Gefahr der Infektion durch Insektenstiche als erheblich (§ 906 BGB) zu erachten sein20). Auch von einem Bordell können natürlich durch sinnliche Wahrnehmung vermittelte Einwirkungen ausgehen (Benehmen der Dirnen, insbes. Belästigung der Passanten, fortwährendes Anfahren von Kraftwagen in der Nacht, Singen und Klavierspielen) 21 ). Im übrigen kann der Bordellbetrieb unter Umständen aus § 826 B G B verboten 22 ) oder doch Schadenersatz beansprucht werden 23 ). Die Störung, welche durch den Einblick in die Fenster verursacht wird, ist keine Einwirkung. Es kann also ein Anspruch nicht etwa deshalb erhoben werden, weil die städtische Hochbahn in gleicher Höhe mit den Fenstern in deren unmittelbarer Nähe mit der Folge vorüberfährt, daß die Fahrgäste in die Zimmer hineinsehen können24). e) N e g a t i v e E i n w i r k u n g e n . Auch die sog. „negativen Einwirkungen" stellen eine Beeinträchtigung des Eigentums im Sinne des § 1004 B G B nicht dar. Man spricht von negativen Einwirkungen, wenn die Benutzung eines Grundstücks sich zwar ausschließlich innerhalb seiner zum Schutze der Stadt Berlin gegen Verunstaltung vom 25. 10. 1923 (GemeindeBl. Nr. 43); Braunschweig durch das Gesetz gegen Verunstaltung von Stadt und Land vom 1. 2. 1 9 1 1 (GVS Nr. 27) sowie die entsprechende Satzung für die Stadt Braunschweig vom 10. 10. 1921 (GVS Nr. 81); Bremen durch das Ges. vom 21. 7. 1915 betr. Reklameeinrichtungen (GBl. 159); Lippe durch das Heimatschutzgesetz vom 17. 1. 1920 (GS 15); Oldenburg durch das Ges. vom 1 1 . 1. 1910 gegen Verunstaltungen usw. (GBl. Bd. 37 S. 402). — Die Frage, ob der Mieter berechtigt ist, die Außenwand der von ihm gemieteten Geschäftsräume zu Lichtreklamezwecken zu verwenden, ist keine solche des Nachbarrechts, sondern beantwortet sich nach dem geschlossenen Mietvertrag. Vgl. hierzu O L G Köln N J W 55, 1072; Bull, in „Der Markenartikel" 1956, 29. 19a ) B G H N J W 69, 1208 = J Z 69, 431 mit kritischer Anm. von Baur daselbst. 20 ) O L G 4, 6 1 ; Puchelt Z . 35, 94. 21 ) R G 57, 239; J W 04, 291; O L G 5, 386; SeuffA 60, 18. Der Umstand, daß die Prostitution von der Polizei auf die betreffende Straße konsigniert wurde, steht dem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Gerade dann sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen (vgl. R 08 Nr. 1386). Eine andere Frage ist die, ob es sich nicht um eine Benutzung handelt, die ortsüblich (§ 906 B G B ) ist (Bordellviertel). Diese Frage wäre an sich zu bejahen. Allein da es sich trotz polizeilicher Erlaubnis um eine sittenwidrige und strafbare Benutzung handelt, kann sie als zulässig nicht anerkannt werden, selbst wenn man derartige Einrichtungen zur Verhütung noch größerer Gefahren im öffentlichen Interesse für unentbehrlich halten wollte. 22 ) SeuffA 56 Nr. 199; O L G 2, 457; J W 04, 291; BayZ 08, 183. ö ) R G 38, 380; 50, 227; 57, 239. 24 ) Vgl. Bolze 2 Nr. 155. Auch die Vorschriften über den Abstand und die Einrichtung von Gebäudefenstern, die in nächster Nähe der Grenze gehalten werden, können auf die Fenster eines Eisenbahnzuges nicht übertragen werden.
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Grenzen hält, jedoch mit der Folge, daß das Nachbargrundstück, in dessen Bereich keinerlei unmittelbare Einwirkung erfolgt, mittelbar gewisse V o r teile verliert. Darin liegt keine Beeinträchtigung des Eigentums 2 5 ). E s kann daher nach dem Rechte des B G B 2 6 ) beispielsweise die Eigentumfreiheitsklage nicht lediglich deshalb erhoben werden, weil der Nachbar einem Haus die Aussicht oder das Licht verbaut 2 7 ), einem Schornstein die Z u g l u f t 2 8 ) , einer Windmühle den Mahlwind 2 9 ), entzieht; durch die Errich25) B G H in MDR 51,726; L M Nr. 1 u. 2 zu §903 B G B ; B G H J R 63,301 (Vorübergehende Durchfahrtssperre wegen Kanalarbeiten mit der Folge der Beeinträchtigung einer Tankstelle muß geduldet werden, soweit die Beeinträchtigung bei ordnungsmäßiger Durchführung der Arbeiten unvermeidbar war); R G 96, 1 1 6 ; 155, 159 (durch Anschüttungen auf einem Grundstück bewirktes Ansteigen des Grundwasserspiegels; vgl. dazu oben § 20 N. 19 und § 26 a); O L G Hamburg M D R 63, 135; O L G Celle NdsRpfl. 59, 180 u. N J W 53, 388 (Unterschreiten des baurechtlichen Mindestabstandes mit und ohne Dispens); O V G Münster DVB1. 63, 303; A G Hamburg-Wandsbek MDR 64, 235; L G Dortmund MDR 65, 43 (Beeinträchtigung des Lichteinfalls); L G Düsseldorf MDR 64, 674 (Licht- und Lufteinfall); L G Hamburg MDR 63, 50; A G Köln MDR 61, 1015 (Schilfmattenzaun auf der Grenze); HRR 31, 939; R G 51, 252 (Erhöhung einer Ortsstraße verursacht Veränderungen am Haus); R G Warn 35 Nr. 132 (kein Anspruch gegen Tieferlegung des Fahrdamms, auch wenn Autogarage dadurch unmöglich wird); vgl. aber auch B G H B B 5 9, 8 31 (Straßenerhöhung ist Enteignung, wenn die Grundstückszufahrt erheblich erschwert wird); vgl. auch N. 27; JW 08, 142; R G K § 906 B G B N. 1 ; Staudinger R N 9 b zu § 907 B G B , R N 16 zu § 903 B G B , R N 8 zu § 1004 BGB, Art. 124 E G N. 5 a; Planck § 906 B G B N. 3. A b w . Ans.: O L G Köln J Z 63, 94 (Störung der Aussicht auf Kinoreklame durch ein auf öffentl. Platz errichtetes Gebäude ist wegen des beeinträchtigten gesteigerten Gemeingebrauchs Beeinträchtigung nach § 1004 B G B ; hiergegen mit Recht Pleyer J Z 63, 95); Müller-Michels, Mainz. Diss. 1956 „Die negativen Einwirkungen im Nachbarrecht"; Palandt § 906 B G B N. 2b und § 903 B G B N. 3a, die auf die Entziehung von Licht, Luft und Wasser den § 906 B G B entsprechend anwenden wollen. Vgl. auch oben N. 2. 2e ) Soweit das Landesrecht gegen Entziehung des Luftzutritts Schutz gewährt (vgl. dazu oben § 17 II 2 u. § 17 N. 31), stellt natürlich die hiernach unzulässige Entziehung eine Beeinträchtigung des Eigentums dar. L G Hamburg MDR 59, 572 hat, gestützt auf § 36 Nr. 3 Hamb. BauPolVO in Verbindg. mit § 823 Abs. 2 B G B , zur Beseitigung eine 1,50 m hohen, nicht durchbrochenen Einfriedigung verurteilt, weil diese die Schönheit des Nachbargrundstücks beeinträchtige. Vgl. N. 27. 27 ) Vgl. oben N. 25. Nach § 39 Abs. 3 RheinlPf. LandstraßenG vom 15. 2. 1963 (GVB1. 63, 57) ist dem Straßenanlieger vom Träger der Straßenbaulast eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten, wenn ihm durch die Änderung der Straße der rechtmäßigerweise bestehende Zutritt von Licht oder Luft zu seinem Grundstück dauernd entzogen oder wesentlich beschränkt wird. Vgl. auch vorst. N. 25. 28 ) O V G 51, 386. Die rechtliche Machtlosigkeit des Eigentümers gegen die Entziehung der Zugluft kann zu recht mißlichen Folgen führen. Zwei zweistöckige Nachbarhäuser haben aneinanderstoßende Giebel. In beiden Giebeln laufen die Schornsteine in die Höhe. Der eine Nachbar setzt auf sein Haus zwei weitere Stockwerke. Dadurch wird den Schornsteinen des anderen Hauses die Zugluft genommen, so daß bei der am meisten vorherrschenden Windrichtung die Öfen derart rauchen, daß die Zimmer unbewohnbar sind; der dadurch schwer geschädigte Hauseigentümer kann hieraus gegen den Nachbarn in aller Regel keinerlei Ansprüche herleiten. Der höherbauende Grundstückseigentümer
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tung eines Reflektors den Fernsehempfang beeinträchtigt 29 "), einem Grundstück das Grundwasser 3 0 ) mit der Folge des Versiegens des Brunnens entzieht. Neben den partikularrechtlichen Vorschriften, die die Entziehung von Luft verbieten, aber heute von nur geringer Bedeutung sein dürften 303 ), ist auf folgende landesrechtliche Regelungen zu verweisen: aa) § 36 Abs. 6 HamburgerPolVO vom 8. 6.1938 in der Fassung HambGVBl. 1951 S. 83 lautet: Die Grundeigentümer müssen gegen Ersatz des ihnen etwa erwachsenden Schadens gestatten, daß Schornsteine von Nachbargrundstücken an den Mauern ihrer Häuser befestigt werden, wenn die Höherführung der Schornsteine zur Vermeidung von Rauchbelästigung der Anwohner oder zur Ermöglichung des freien Rauchabzugs von der Baupolizei angeordnet ist. bb) Das H e s s . N R G (GVB1. 62 S. 4i7) 3 0 b ) enthält folgende Vorschriften: ist insbesondere nicht verpflichtet, die Kamine des niedrigeren Nachbarhauses höher ziehen zu lassen oder wenigstens die Kosten dafür zu tragen (OLG München DWW 57, 68); denn die Entziehung von Luft und Licht verstößt nicht gegen die guten Sitten, wenn sie in erlaubtem Interesse, nicht in Schädigungsabsicht erfolgt (RG 98, 15). Immerhin wird man dem Eigentümer des aufgestockten Hauses wohl zumuten können, daß er dem Nachbarn, der sich nur durch entsprechende Erhöhung der Schornsteine helfen kann, gestattet, die aufgesetzten Teile der Schornsteine an der Giebelwand des aufgestockten Hauses zu befestigen, sofern diesen andernfalls der unentbehrliche Halt fehlen würde und sofern die Befestigung in einer Weise geschähe, daß die Giebelwand keinerlei Gefährdung (z. B. durch die Gefahr des Eindringens von Feuchtigkeit an den aufgesetzten Kanten der Schornsteine) ausgesetzt wäre und auch sonst keinerlei Interessen des Hauseigentümers beeinträchtigt würden. Zwar kann dieses Recht zur Befestigung nicht auf Grund des gesetzlichen Nachbarrechts beansprucht werden. Aber sie muß nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses geduldet werden, wenn ein Nachbar, der durch eine von ihm getroffene Einrichtung den anderen in eine unerträgliche Notlage versetzt hat, die für ihn gar nicht fühlbare Benutzung seines Eigentums verwehrt, obwohl dabei jegliche Gefährdung seiner Interessen ausgeschlossen ist und sich der andere auf andere Weise gar nicht helfen kann. Gegen Treu und Glauben würde also nicht die Entziehung der Zugluft, sondern das unter den geschilderten Umständen verwerfliche Verhalten des Nachbarn nach der Entziehung der Zugluft verstoßen (Vgl. hierzu oben § 38 I 1 c zu N. 12 d ff.). Siehe auch die vorstehend im Text wiedergegebenen Regelungen für Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Die in § 172 des Entw. zum BundesbauG (BTDr. 336 — 3. Wahlperiode —) vorgeschlagene Regelung (vgl. dazu Hodes J R 60, 48) ist nicht Gesetz geworden. 29
) SeuffA 64, 225; JW 09, 161 u. 174; R 21 Nr. 2802; R G 86, 16; Gruchot 57, 92. ) Hulvershorn N J W 61, 1448; Vieweg BB 61, 160, der aber § 906 Abs. 2 B G B entsprechend anwenden will. 30 ) Vgl. JW 13, 267 (RG); R G 62, 372; JW 32, 1046; BayObLG 42, 276; Staudinger R N 43 zu § 909 BGB. Wenn durch die Entziehung des Grundwassers dem Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze entzogen wird, ist § 909 B G B einschlägig (s. oben § 20 I 1 u. 3 und N. 2, 18 u. 19 daselbst). 30 ») Vgl. oben § 17 N. 31. 30b) Vgl. hierzu Hodes, Hess. Nachbarrecht, S. 98 fr. und S. 140ff. 29a
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Fünfter Abschnitt Veränderung des Grundwasserspiegels § 20 Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks dürfen auf dessen Untergrund mit physikalischen oder chemischen Mitteln nicht in einer Weise einwirken, daß der Grundwasserspiegel steigt oder sinkt und dadurch auf einem Nachbargrundstück erhebliche Beeinträchtigungen hervorgerufen werden. Zehnter Abschnitt Höherführen von Schornsteinen und Lüftungsschächten § 36 Inhalt und Umfang (1) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks müssen dulden, daß an ihrem Gebäude der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten des angrenzenden niederen Gebäudes ihre Schornsteine und Lüftungsschächte befestigen, wenn 1. die Erhöhung der Schornsteine und Lüftungsschächte zur Erzielung der notwendigen Zug- und Saugwirkung erforderlich ist und 2. die Befestigung der höhergeführten Schornsteine und Lüftungsschächte anders zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann. (2) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks müssen ferner dulden, daß die höhergeführten Schornsteine und Lüftungsschächte des Nachbargebäudes von ihrem Grundstück aus unterhalten und gereinigt und die hierzu erforderlichen Einrichtungen angebracht werden, wenn diese Maßnahmen anders nicht zweckmäßig oder nur mit verhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden können. Sie können aber den Berechtigten darauf verweisen, eine Steigleiter an ihrem Gebäude anzubringen und zu benutzen, wenn diese Lösung technisch zweckmäßig ist. § 37
Schadensersatz und Anzeigepflicht Für die Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Anzeige gelten die §§23 bis 2 j 30c) entsprechend. Die Anzeigepflicht entfällt auch, wenn die nach der Kehrordnung vorgeschriebene Reinigung durchgeführt werden soll. cc) Das Nds.NRG (GVBI. 1967 S. 9i) 3 °a bestimmt folgendes: § 38 Veränderung des Grundwassers (1) Der Eigentümer eines Grundstücks und die Nutzungsberechtigten dürfen auf den Untergrund des Grundstücks nicht in einer Weise einwirken, daß der Grundwasserspiegel steigt oder sinkt oder die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Grundwassers verändert wird, wenn dadurch die Benutzung eines anderen Grundstücks erheblich beeinträchtigt wird. (2) Dies gilt nicht für Einwirkungen auf das Grundwasser 1. auf Grund einer Bewilligung nach dem Niedersächsischen Wassergesetz oder auf Grund eines alten Rechtes oder einer alten Befugnis, die in § 31 des Niedersächsischen Wassergesetzes aufrechterhalten sind, oder 30c) Vgl. oben zu § 16 II 4 c. ee. 30d ) Vgl. hierzu Hoof-Djuren S. iooff. u. 123 fr. sowie Lehmann S. 150 u. 175 fr.
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2. durch einen Gewässerausbau, für den ein Planfeststellungsverfahren nach dem Niedersächsischen Wassergesetz durchgeführt worden ist, oder 3. durch eine Maßnahme, für die auf Grund des Bundesfernstraßengesetzes des Niedersächsischen Straßengesetzes oderanderer Gesetze ein Planungsverfahren durchgeführt worden ist, oder 4. auf Grund eines bergrechtlichen Betriebsplanes. (3) Beeinträchtigungen des Grundwassers als Folge einer erlaubnisfreien Benutzung nach § 106 Abs. 1 und 2 des Niedersächsischen Wassergesetzes müssen die Nachbarn ohne Entschädigung dulden. (4) § 51 des Niedersächsischen Wassergesetzes bleibt unberührt. Höherführen von Schornsteinen § 49 (1) Der Eigentümer eines Gebäudes und die Nutzungsberechtigten müssen dulden, daß der Nachbar an dem Gebäude Schornsteine und Lüftungsschächte eines angrenzenden niederen Gebäudes befestigt, wenn 1. deren Höherführung erforderlich ist und anders nur mit erheblichen technischen Nachteilen oder mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich wäre und 2. das betroffene Grundstück nicht erheblich beeinträchtigt wird. (2) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten haben ferner zu dulden, daß höher geführte Schornsteine und Entlüftungsschächte vom betroffenen Grundstück aus unterhalten und gereinigt und die hierzu erforderlichen Einrichtungen auf dem betroffenen Grundstück angebracht werden, wenn diese Maßnahmen anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten getroffen werden können. Das Durchgehen durch das betroffene Gebäude braucht nicht geduldet zu werden, wenn der Berechtigte außen eine Steigleiter anbringen kann. (3) Für Anzeigepflicht und Schadensersatz gelten die §§ 14, 42 und 44 entsprechend. dd) Das N R W . N R G (GV 69 S. 190) trifft folgende Regelung: Höherführen von Schornsteinen, Lüftungsleitungen und Antennenanlagen § 26 Inhalt und Umfang (1) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks müssen dulden, daß an ihrem höheren Gebäude der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten des angrenzenden niederen Gebäudes ihre Schornsteine, Lüftungsleitungen und Antennenanlagen befestigen, wenn 1. die Erhöhung der Schornsteine und Lüftungsleitungen für die notwendige Zugund Saugwirkung und die Erhöhung der Antennenanlagen für einen einwandfreien Empfang von Sendungen erforderlich ist und 2. die Befestigung der höhergeführten Schornsteine, Lüftungsleitungen und Antennenanlagen anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann. (2) Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks müssen ferner dulden, 1 . daß die unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 höhergeführten und befestigten Schornsteine, Lüftungsleitungen und Antennenanlagen des Nachbargrundstücks von ihrem Grundstück aus unterhalten und gereinigt werden, soweit das erforderlich ist, und 2. daß die hierzu notwendigen Einrichtungen angebracht werden. (3) Für die Anzeige und die Verpflichtung zum Schadensersatz gelten die §§ 16 und 17 entsprechend. Die Absicht, notwendige Wartungs- und Reparaturarbeiten auszu-
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führen, braucht nicht angezeigt zu werden. Zur Unzeit brauchen diese Arbeiten nicht geduldet zu werden. (4) Absätze 1 und 2 gelten für Antennenanlagen nicht, wenn dem Eigentümer und den Nutzungsberechtigten des niederen Gebäudes die Mitbenutzung der dazu geeigneten Antennenanlagen des höheren Gebäudes gestattet wird. In der photographischen Abbildung eines Grundstücks liegt keine Einwirkung auf das Eigentum, so daß die Eigentumsfreiheitsklage nicht in Frage kommt 3 1 ). f) V e r l e t z u n g o b l i g a t o r i s c h e r R e c h t e u n d N i c h t e i n h a l t u n g p o l i z e i l . V o r s c h r i f t e n . Jede Beeinträchtigung des Eigentums mit A u s nahme der Vorenthaltung des Besitzes 32 ) kann Veranlassung zu der Eigentumsfreiheitsklage des § 1004 B G B sein. D o c h muß das Eigentum als solches beeinträchtigt sein, nicht bloß der derzeitige Eigentümer. Daher kann zur Geltendmachung eines bloßen obligatorischen Rechts der negatorische A n spruch nicht erhoben werden 3 3 ). § 1004 B G B setzt eine Beeinträchtigung der im Eigentum gelegenen p r i v a t r e c h t l i c h e n Befugnisse voraus; deshalb kann wegen Nichteinhaltung einer Polizeiverordnung der dadurch beeinträchtigte Nachbar den Anspruch aus § 1004 B G B nicht erheben, da durch eine solche Polizeiverordnung ein Privatrecht auf Beobachtung der Vorschrift regelmäßig 34 ) nicht begründet wird 3 6 ). 31 ) R G K Anm. 7 zu § 1004 B G B . Unrichtig O L G 20, 402 (KG), das den Anspruch aus § 1004 B G B dann zubilligt, wenn das Verbietungsrecht durch ein besonderes wirtschaftliches Interesse gerechtfertigt wird. Es kann aber ein Anspruch auf Unterlassung der photographischen Aufnahme oder ihrer Verbreitung aus § 823 Abs. 1 B G B in Verbindung mit § 1004 B G B (Schutz eines eingerichteten Gewerbebetriebs), ferner aus § 826 BGB, § 1 Uni. Wettbew. Gesetz je nach den besonderen Umständen des Falles 32 begründet sein. ) Hiergegen hilft die rei vindicatio (§985 BGB). ^ Biermann Bern. 1 zu § 1004 BGB. 34 ) Unter Umständen kann eine Polizeiverordnung auch einen privatrechtlichen Anspruch auf ihre Einhaltung gewähren (vgl. J W 08, 142); das ist aber nicht zu vermuten. Vgl. auch oben § 16 N. 148 mit weiteren Verweisungen sowie unten zu § 45. 8S ) Zwar ist eine Polizeivorschrift, wonach z. B. mit einem Neubau ein Abstand von 5 m von der Grenze einzuhalten ist, ein Gesetz im Sinne des § 903 BGB. Aber dieses Gesetz bezweckt nur den Schutz der öffentlichen Interessen [vgl. JW 08, 142 (RG)]; Schade, AÖffR 25, 286; N J W 53, 388 (OLG Celle). Ob auf dem Umweg über § 823 Abs. 2 B G B ein Gesetz für den nicht gegebenen Anspruch des § 1004 B G B geschaffen werden kann, hängt von der Frage ab, ob die Polizeiverordnung neben dem Schutz der Allgemeinheit auch einen Schutz des einzelnen Grundeigentümers bezweckt (RG 63, 324; 73, 32). Der Kreis derjenigen, die durch ein Schutzgesetz geschützt sein sollen, ist durch Auslegung des Schutzgesetzes selbst festzustellen (RG Soergel Rspr. 13 zu § 823 B G B Nr. 147); s. darüber unten § 43 D II 2 und § 45. Vgl. auch oben § 16 N. 148 mit weiteren Verweisungen; ferner oben § 17 N. 59 u. 58, § 19 II 2f. und unten § 38 X. Wegen der Tendenz in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dem Nachbarn einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Einhaltung baupolizeilicher Vorschriften mit der Begründung zuzuerkennen, daß jene Bestimmungen nicht nur im allgemeinen Interesse, sondern zugleich im Individualinteresse des Nachbarn erlassen seien, vgl.
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2. N a t u r e r e i g n i s s e . Die Beeinträchtigung kann durch eine positive Tätigkeit oder eine rechtswidrige Unterlassung herbeigeführt sein; durch eine Unterlassung dann, wenn sie im Widerspruch steht zu einem der Ansprüche, zu denen jemand in Ansehung seiner Sache auf Grund seines Eigentums berechtigt werden kann 36 ). Soll jemand für die Beeinträchtigung verantwortlich gemacht werden, so ist jedenfalls erforderlich, daß ihm der V o r g a n g zuzurechnen, auf seine Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung zurückzuführen ist 37 ). Zwischen dem Verhalten des Störers und der Beeinträchtigung muß der adäquate Kausalzusammenhang vorliegen 37 ®). E s kann deshalb in einer durch N a t u r g e w a l t herbeigeführten schädlichen Einwirkung von einem Grundstück auf ein anderes ein v o n dem Eigentümer des ersten Grundstückes oder sonst jemand zu vertretender Eingriff in fremdes Eigentum nicht gefunden werden 3 8 ), wohl aber dann, wenn menschliche Tätigkeit erst die schädliche Wirkung der Pietzonka in N J W 54, 1 1 8 1 u. Köhler in J R 55, 155, ferner O V G Berlin in J R 56, 74 sowie unten zu § 45. 36 ) Vgl. oben § 16 III 2; Kuhlenbeck, Von den Pandekten zum B G B 2, 564. Die Störung setzt nicht notwendig ein Handeln voraus; sie ist auch bei einem das Eigentum beeinträchtigenden Zustand gegeben, der auf den maßgeblichen Willen des Beklagten zurückzuführen ist oder doch mit dessen Willen fortbesteht (RheinArch. 110, 171 Köln). Ein Beispiel bildet die durch Unterlassung der notwendigen Unterhaltung herbeigeführte Baufälligkeit des Nachbarhauses; s. oben § 19 II. Ist durch Veranstaltungen (Anlagen) eines Eigentümers auf seinem Grundstück das Herunterfallen von Schnee auf das Nachbargrundstück wesentlich begünstigt, so kann dessen Eigentümer den Anspruch aus § 1004 B G B erheben. Dem Unterlassungsanspruch wird durch Anbringen eines Schneefängers die Grundlage entzogen. Vgl. hierzu B G H NJW 55, 300, wonach in einer schneereichen Kleinstadt vom Hauseigentümer nur beim Vorliegen besonderer Umstände Sicherungsmaßnahmen gegen die durch das Herabstürzen von Schnee drohenden Gefahren sollen gefordert werden können, wenn solche dort nicht üblich sind. In der Regel ist der Verpächter eines Tanzcafes neben dem Pächter als Störer hinsichtlich der von dem verpachteten Betrieb ausgehenden Beeinträchtigungen anzusehen: B G H N J W 59, 2013. Vgl. auch BGH. N J W 63, 2020 = M D R 63,991. 37 ) Dem Taubenhalter ist es zuzurechnen, wenn er nicht verhindert, daß seine Tauben auf das Dach des Nachbarhauses fliegen (BayOGH 6, 400). Ebenso besteht der Unterlassungsanspruch gegen den, der regelmäßig verwilderte Haustauben füttert und diese dadurch heranzieht und praktisch seßhaft macht (LG Berlin MDR 66, 146; Wiethaup B1GBW 62 S. 9). Im Falle von Staubentwicklung bei Autobahnarbeiten ist die Bundesrepublik als Störer verantwortlich, auch wenn sie privaten Firmen die Arbeiten übertragen hat, weil sie den Auftrag erteilt und die Möglichkeit hat, die Einwirkungen notfalls durch Einstellung der Arbeiten zu verhindern; (so B G H N J W 62, 1342; MDR 67, 913; 68, 483); der Bauunternehmer ist nur bei Verschulden nach § 823 B G B verantwortlich (BGH BB 65, 1329). 37a ) Vgl. hierzu R G 158, 27; B G H Z 3, 267; N J W 55, 1876 und unten zu § 38 a II 1 und § 43 B. 38 ) SeuffA 60 Nr. 55 (RG); BayZ 00, 28 (RG); Gruchot 54, 156; vgl. oben N. 3 und 9 sowie oben § 16 III 2.
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I V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Naturereignisse ermöglicht oder gefördert hat 39 ), wie z. B. die Anschüttung großer Sandmassen oder Auflagerung von Halden, die bei langandauernden Regengüssen abgeschwemmt oder zum Einsturz gebracht werden40) oder das Halten eines durch Menschenhand geschaffenen Teiches, mit dem die Ansiedelung von Fröschen und deren Gequake als vorhersehbare Folge verbunden ist 41 ), oder das Zuführen von Schnee42). Dagegen liegt eine Beeinträchtigung nicht vor, wenn die Einwirkung auf das Grundstück die natürliche und unvermeidliche Folge einer gesetzlich und polizeilich erlaubten Benutzung des Nachbargrundstückes ist, wenn z. B. durch ein hohes Gebäude der Regen und Wind zurückgeworfen und auf das Nachbargrundstück gelenkt wird 43 ) oder wenn durch Anschüttungen auf einem Grundstück ein Steigen des Grundwasserspiegels auf dem Nachbargrundstück bewirkt wird, ohne daß eine Zuführung von dem einen auf das andere Grundstück stattfindet und ohne daß das Nachbargrundstück deshalb seine Stütze verliert43"). Liegt zwischen den Grundstücken des A und B ein öffentlicher Weg, so beeinträchtigt B das Eigentum des A, wenn er auf den Weg herauspflügt und dadurch das Publikum veranlaßt, über das Grundstück des A zu gehen44). 3. G e f a h r k ü n f t i g e r B e e i n t r ä c h t i g u n g . Sie ersetzt den in § 1004 B G B als schon vorhanden erforderten Zustand der Beeinträchtigung nicht. Deshalb stellt eine Gefährdung durch einen benachbarten Betrieb (Gefahr der Explosion einer Sprengstoffabrik) keine Beeinträchtigung dar45). Bloße Vorbereitungshandlungen zu in Aussicht genommener Beeinträchtigung genügen gleichfalls nicht46). Die Einreichung eines Bauplans für einen Bau, durch dessen Ausführung das Eigentum beeinträchtigt werden würde, stellt noch keine vorhandene Beeinträchtigung dar47). Hat die 39 ) R G 127, 34; 134, 2 3 1 ; 149, 210; SeuffA 60 Nr. 55 und BayZ oo, 28; Gruchot 54, 158 und 1007; Staudinger R N 29 zu § 1004 B G B . Vgl. hierzu z. B. über Absturz eines Felsblocks, Ausströmung von Miasmen aus einem Sumpf oben § 16 III 2 und N . 51 daselbst. S. auch oben § 38 N. 9 und unten § 38 a II 2 c. 40 ) Gruchot 54, 156 und 158; BayZ 00, 28; SeuffA 60 Nr. 55; R G 51, 408 und 4 1 1 . 41 ) J W 10, 654 (RG); SeuffA 66 Nr. 50. Vgl. oben § 16 N . 15. 42 ) S. oben N. 36 sowie oben § 16 II 2 und N. 28 daselbst. 43 ) BayZ 14, 170 (RG). 4Sa ) R G 155, 154; vgl. oben zu § 20 V und zu § 26 a mit den dort aufgeführten landesrechtlichen Sonderregelungen. 44 ) V g l . B a y O G H 12, 260; Dernburg, Pand. § 229 Anm. 7 ; Dernburg, Sachenrecht 300 Anm. 15. 45 ) J W 10, 645 (RG); vgl. unten § 43 D III 2 b und §43 N . 98 u. 100. 46 ) S. dagegen R G K Anm. 10 zu § 1004 B G B . Anlagen, die bei ordnungsmäßigem Gebrauch mit Sicherheit zu einer Störung führen müssen, können allerdings schon vor ihrer Benutzung verboten werden, aber nur aus § 907 B G B . S. oben § 17. 47 ) L Z 18, 389; vgl. abw. D J Z 25,341 (RG). Dagegen wird das Feststellungsinteresse vom R G mit Recht angenommen.
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Verwaltungsbehörde an den Nachbarn eines Steinbruchs ein Verbot erlassen, sein Grundstück zu gewissen Zeiten zu betreten, während welcher im Steinbruch gesprengt werden soll, so ist die Beeinträchtigung gegeben 4 8 ), aber erst mit Eintritt der ersten Sprengzeit; vorher kann nur Feststellungsklage erhoben werden. Dagegen genügt ein einfaches Bestreiten einer dem Eigentümer als solchem zustehenden Befugnis für sich allein nicht zur Begründung des negatorischen Anspruchs 4 9 ). Wohl aber kann in solchen Fällen eine F e s t s t e l l u n g s k l a g e gegeben sein, wenn deren prozessuale Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 256 Z P O kann auf Feststellung des Bestehens einer im Eigentum gelegenen Befugnis bzw. auf Feststellung des Nichtbestehens einer das Eigentum beschwerenden Befugnis eines Dritten Klage erhoben werden, ehe ein Zustand der Beeinträchtigung eingetreten ist, sofern der Eigentümer nur ein rechtliches Interesse 50 ) an der alsbaldigen Feststellung dartun kann 8 1 ). 48 « ) R 18 Nr. 714 (RG). ) O L G 1 2 , 1 2 8 (Jena). ) M 3, 423 (Mugdan 3, 236); JW 02, 68; Maenner 244; Cosack 2, 80. Die Entscheidung, ob ein solches rechtliches Interesse vorliegt, ist dem richterlichen Ermessen überlassen (M 3, 423; Mugdan 3, 236). Die Einreichung eines Bauplans durch den Nachbarn wird regelmäßig das Feststellungsinteresse begründen (LZ 18, 389 RG). Unter Umständen kann aber das Feststellungsinteresse über das Interesse an der Unterlassung hinausgehen, sodaß beide Klagen nebeneinander zulässig sein können (SeuffA 88 Nr. 14); ebenso Staudinger R N 11 zu § 1004 BGB. 61 ) Das Interesse für eine Feststellungsklage des Eigentümers kann beispielsweise gegen die beabsichtigte Veranstaltung eines Automobilrennens auf der an seinem Hause vorbeiführenden Straße begründet sein. Das Interesse an alsbaldiger Feststellung ist gerade dadurch begründet, daß der Eigentümer, wenn er erst die Ausführung des Rennens abwarten wollte, mit seiner Klage zu spät kommen würde. Die Klage ist gegen den veranstaltenden Automobilklub zu richten und geht auf die Feststellung, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, die mit der Abhaltung eines Automobilrennens auf der an seinem Anwesen vorüberführenden Straße verbundenen Einwirkungen durch Lärm, Rauch und Geruch zu dulden, soweit hierdurch die Benutzung des klägerischen Anwesens wesentlich beeinträchtigt wird. Materiell ist eine solche Feststellungsklage dann begründet, wenn als sicher anzunehmen ist, daß die dem vorliegenden Projekt entsprechende Ausführung des Rennens Einwirkungen auf das Anwesen des Klägers im Gefolge haben würde, welche nach § 906 B G B unzulässig wären. In dieser Richtung muß in Betracht gezogen werden, daß dem Hauseigentümer gegen die Behinderung des Verkehrs auf der Straße und des Zugangs von dieser zu seinem Grundstück kein privatrechtliches Verbietungsrecht zusteht; die öffentlichrechtliche Seite untersteht lediglich der Würdigung der Straßenpolizei. Es kann also nur wegen der Einwirkungen a u f s e i n eigenes Grundstück ein Verbietungsrecht des Straßenangrenzers in Frage kommen. Das Automobilfahren auf Straßen ist wohl eine übliche Art der Straßenbenutzung, aber es kommt nicht nur auf die Art, sondern auch auf dasMaßder Benutzung an (vgl. oben § 16 V 2); das Automobil rennen ist keine für Straßen übliche Benutzung. Die damit verbundene Einwirkung auf die an die Straße angrenzenden Grundstücke ist daher unzulässig, wenn sie die Benutzung dieser Grundstücke wesentlich beeinträchtigt. Mit einem Automobilrennen können derartige unzulässige Einwirkungen verbunden sein, notwendig ist es nicht. Wenn die in Betracht 50
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IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Wenn das wörtliche Bestreiten mit Drohungen verbunden ist, so kann darin eine Beeinträchtigung liegen, sofern hierdurch der Eigentümer in der Ausübung seines Eigentumsrechts gestört wird, indem ihm z. B . die Drohungen zur Aufstellung eines Wächters Veranlassung geben, oder der Eigentümer aus Furcht v o r der Verwirklichung der Drohungen sich scheut, die Bäume anzupflanzen, deren Beseitigung für den Fall der Anpflanzung angedroht ist. Bloße Verbote werden nur ausnahmsweise eine Beeinträchtigung bewirken, da sie ja nicht beachtet zu werden brauchen 5 2 ). 4. V e r s c h u l d e n k e i n e V o r a u s s e t z u n g . D e r negatorische Anspruch setzt kein Verschulden desjenigen voraus, welcher für die Beeinträchtigung verantwortlich ist 6 3 ). Daß sich dieser e i n R e c h t zu seinem Verhalten z u s c h r e i b t , ist ebensowenig Voraussetzung des Anspruchs 5 4 ); der Beklagte braucht nicht einmal zu behaupten, aus e i g e n e m Rechte zu dem Eingriff berechtigt zu sein 56 ). Der Anspruch kann daher selbst dann g e geben sein, wenn der Störer ausdrücklich erklärt, daß er kein Recht zu der Störung habe 66 ). kommende Straßenfläche von dem Rennen nur verhältnismäßig kurze Zeit in Anspruch genommen wird, wird regelmäßig keine w e s e n t l i c h e Beeinträchtigung angenommen werden können; eine Ausnahme wäre z. B. bei einer Heilanstalt für Nervenkranke anzunehmen. 52 ) Vgl. Palandt 2 b zu § 1004 B G B ; Westermann § 36 I 1 a; Cosack 2, 176; R G J W 08, 274; 31, 1192; 32, 399; SeuffA 57 Nr. 122; O L G 4, 290. R G K Anm. 9 zu § 1004 B G B erblickt in Verboten und Drohungen nur eine Besitzstörung (§ 862 BGB), keine Eigentumsstörung. Wenn aber die Drohungen derart sind, daß sich der Eigentümer fürchtet, sein Eigentum zu benutzen, so ist das Eigentum beeinträchtigt. Bloße Verbote dagegen stellen regelmäßig auch keine Besitzstörung dar. Anders z. B. wenn sich das Verbot an die Angestellten des Eigentümers richtet und auf diese Eindruck gemacht hat. — Es kommt hier eben alles auf die Umstände an. Dasselbe Wort kann im Munde des einen sich auf die Herbeiführung einer bloßen Rechtsunsicherheit beschränken, im Munde des anderen aber die Vertreibung des Besitzers bewirken, weil dieser sonst Gewaltanwendung zu gewärtigen hat (OLG 20, 395). Unter Umständen können auch Eingaben an Behörden als Beeinträchtigung betrachtet werden (vgl. R 19 Nr. 1475 RG); Störung der Ausübung einer Grunddienstbarkeit (§ 1029 BGB) s. unten § 42 D. 53 ) M 3,426 (Mugdan 3,238); R 04 Nr.764 (RG); R06 Nr. 2851 (Frankfurt). D J Z 15, 3 1 3 ; O L G 31, 327 (Rostock). Vgl. R G 60, 6; Gruchot 46, 650 (RG). Deshalb ist die Klage auf Beseitigung wie auf Unterlassung auch gegen einen Unzurechnungsfähigen zulässig. Eitzbacher, Unterlassungsklage 175. Vgl. Planck Bern. 1 c zu § 227 B G B , Crome 1, 536; Endemann 1, 434; Palandt, 2 a zu § 1004 BGB. 54 ) Gruchot 44, 1095 (RG); R 02 Nr. 1854 und 835; O L G 4, 313. 65 ) Daher kann auch derjenige, welcher behauptet, nur deshalb über ein fremdes Grundstück zu gehen, weil über dasselbe ein öffentlicher Weg führe, mit der Eigentumfreiheitsklage belangt werden. BayOGH 6, 556; SeuffA 33 Nr. 203; s. Nachschr. des Herausgebers in SeuffBl. 43, 123 gegen die dort mitgeteilte oberstrichterliche Entscheidung. Unrichtig auch BayOGH 7, 233. Vgl. unten IV 2. 6e ) Gruchot 44, 1095.
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Wenn auch die Störung keineswegs auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu beruhen braucht 57 ), so erzeugt doch nicht jeder rein zufällige Eingriff (z.B. eine Explosion) die Klage 68 ). Jedoch ist der negatorische Anspruch immer dann gegeben, wenn die Handlungen, durch welche die Störung verursacht ist, mit dem Bewußtsein vorgenommen werden, daß sie nach den Regeln der Erfahrung zufällige Einwirkungen in den fremden Rechtsbereich herbeizuführen pflegen. 5. K l a g e a n t r a g . Zur Begründung der Eigentumsfreiheitsklage gehört die bestimmte Angabe des Grundes des erhobenen Anspruchs (§ 25 3 ZPO). Hierfür genügt nicht die Behauptung, daß der Beklagte das Eigentum des Klägers beeinträchtigt habe, sondern es sind die Tatsachen anzuführen, in welchen diese Beeinträchtigung erblickt wird, und bei der Unterlassungsklage auch die Tatsachen, aus denen die Besorgnis der weiteren Beeinträchtigung abgeleitet wird. Das Vorbringen neuer Eigentumsstörungen, die in der Klage selbst noch nicht enthalten waren, stellt nur dann keine Klageänderung dar, wenn die neuen Störungen und die in der Klage vorgebrachten gleichartig sind. Fallen jedoch die neuen Tatsachen aus dem Rahmen des ursprünglichen Klagevortrags, so liegt Klageänderung vor 69 ). II. D a s Z i e l der E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e Das Ziel der Eigentumsfreiheitsklage (wegen der auf § 1004 B G B gestützten einstw. Verfügung vgl. unten § 38 VIII) ist die Abwehr der Beeinträchtigung. Es ist klar, daß sie da nicht angestellt werden kann, wo sie nicht mehr notwendig ist, weil keine Beeinträchtigung mehr vorliegt. Deshalb kann man sagen, daß die Eigentumsfreiheitsklage einen Zustand der Beeinträchtigung voraussetzt60). Dieser Zustand kann in einem k ö r p e r l i c h e n V e r h ä l t n i s 6 1 ) bestehen, in welchem die Sache des anderen zu dem Grundstücke des Eigentümers sich befindet, oder aber in einem Z u s t a n d der G e f ä h r d u n g durch Wiederholung der Eingriffe 62 ). 57 ) R G 51, 4 1 1 ; J W 02 Beil. 187. O L G 4, 313. Dort wurde die Beklagte verurteilt, welche anläßlich der Eisengewinnung eine Abraumhalde angelegt und mit taubem Gestein verstürzt hatte. Die Gesteinsmassen übten auf das Nachbargrundstück einen Druck aus und gerieten zugleich ins Rutschen, so daß dasselbe mit Gestein überschüttet wurde; vgl. SeuffBl. 8. ErgBd. 153 (Hinaustreten des Viehs über einen zum Trieb zustehenden Raum). 58 ) Vgl. BayOGH 8, 66; R G 10, 142 (Explosion); vgl. aber R G 101, 105. (Vgl. unten § 43 N . 98 u. 100.) Siehe auch B G H N J W 55, 19. 69 ) R G 99, 1 7 7 ; 108, 169. Bei der Fassung des § 264 ZPO, der nach der Streichung des § 527 Z P O auch in der Berufungsinstanz ohne Einschränkung gilt, ist der Einwand der Klageänderung praktisch bedeutungslos, da in beiden Tatsacheninstanzen das Gericht jede Klageänderung zulassen kann, wenn es sie für sachdienlich erachtet. ,0 ) M 3, 423 (Mugdan 3, 236); Staudinger R N 6 zu § 1004 BGB. " ) M 3, 424 (Mugdan 3, 237). 62 ) M 3, 426 (Mugdan 3, 238).
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IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Aus dieser Verschiedenheit der Veranlassung ergibt sich eine doppelte Gestaltung des Anspruchs: i. D e r A n s p r u c h auf B e s e i t i g u n g der B e e i n t r ä c h t i g u n g geht auf Wiederaufhebung einer fortbestehenden Beeinträchtigung des Eigentums. Der Fortbestand und die Wiederaufhebbarkeit der Beeinträchtigung setzen ein k ö r p e r l i c h e s V e r h ä l t n i s voraus 63 ). Eine v o r ü b e r g e h e n d e E i n w i r k u n g kann daher diesen Anspruch nicht erzeugen (z. B. das einmalige Abfeuern eines Knallkörpers auf dem Nachbargrundstück, einmaliges Betreten fremden Bodens durch einen Spaziergänger)64). Voraussetzung des Anspruchs auf Beseitigung der Beeinträchtigung ist demnach das gegenwärtige objektive Bestehen eines durch den Willen einer anderen Person aufrechterhaltenen körperlichen Zustandes65). Hauptsächlich kommt das Halten v o n A n l a g e n in Betracht, welche selbst einen unberechtigten Eingriff in das Eigentum des Nachbarn darstellen (z. B. Überbau, Fenster in unerlaubter Nähe an der Grenze) oder durch ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf das Eigentum des Nachbarn ausüben (z. B. Immissionen). Nach § 907 B G B kann der Eigentümer dem Nachbarn das Halten solcher Anlagen verbieten65"). Die Anlage selbst stellt die Beeinträchtigung dar; daher kann die Beseitigung der Anlage verlangt werden66). § 907 B G B ist unzweifelhaft auch auf gewerbliche Anlagen anzuwenden67), sofern nur bei der Beschaffenheit der Anlage mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß der Betrieb eine (insbesondere in Gemäßheit des § 906 B G B ) unzulässige Einwirkung auf das Nachbargrundstück zur Folge hat. (Hier greift jedoch zugunsten gewerblich konzessionierter Anlagen § 26 GewO ein; s. darüber unten § 39). Aber auch solche Anlagen gehören hierher, welche einer diesseitigen erlaubten Hinüberwirkung über die Grenzen, z. B. dem natürlichen Wasserablauf, hindernd entgegenstehen68). Der Anspruch geht auf ein T u n , nicht etwa auf e3
) M 3, 424 (Mugdan 3, 237); Staudinger R N 6 zu § 1004 B G B . ) Ein Automobilrennen auf öffentlicher Straße zieht eine Mehrheit von Einwirkungen nach sich (Lärm-, Staub- und Geruchzuführung durch jedes vorbeifahrende Automobil), vgl. oben N . 51. 65 ) M 3, 423 (Mugdan 3, 236). Vgl. Bolze 12 Nr. 68. Der Anspruch des Grundeigentümers auf Beseitigung der schädlichen Anlage besteht auch dann, wenn er selbst auf seinem Grundstück Änderungen vorgenommen hat, welche die erste Ursache für die Schädlichkeit der Einwirkungen gewesen sind. R 03 Nr. 3088 (Dresden). e5a ) V g l . oben § 17. " ) Vgl. J W 00 Beil. 26. Hier ist eine Klage gegen die Stadtgemeinde auf gänzliche Entfernung einer öffentlichen Bedürfnisanstalt zugelassen worden; vgl. ferner BayOGH 16, 330 und SeuffA 53 Nr. 8 (Beseitigungeines Knochenlagers). 67 ) Vgl. Turnau-Förster Bern. 1 zu § 907 B G B ; R G 101, 105; 104, 81; s. im übrigen unten § 39. 6S ) M 3, 423 (Mugdan 3, 237). 64
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ein bloßes Unterlassen. E s ist nicht ganz genau, zu sagen, daß der Beklagte verpflichtet sei, die Naturalrestitution zu bewirken 6 9 ); jedenfalls darf man dies nicht dahin verstehen, daß der Verpflichtete den Zustand herzustellen habe, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung ü b e r h a u p t nicht eingetreten, also nie vorhanden gewesen wäre. Denn damit würde man einen Anspruch auf Schadenersatz einräumen (§ 249 B G B ) 7 0 ) , der nicht ohne weiteres wegen einer Eigentumsbeeinträchtigung gegeben ist 7 1 ). D e r Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung geht vielmehr nur dahin, daß der Zustand hergestellt wird, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung n i c h t m e h r vorhanden wäre 7 2 ). Hieraus ergibt sich: Ist die Beseitigung der Beeinträchtigung unmöglich und im W e g e des unmittelbar auf ihre Herbeiführung gerichteten Zwanges nicht durchzusetzen, so kann die Verpflichtung zur Leistung des Interesses nur aus einem besonderen Verpflichtungsgrunde hergeleitet werden 7 3 ). § 249 Satz 2 B G B , wonach der Schadensersatzberechtigte statt 69
) M 3, 425 (Mugdan 3, 237). ) Der Schadenersatzanspruch setzt Verschulden voraus, vgl. unten § 43 A u. D II. Nur dann, wenn dem Grundeigentümer im einzelnen Fall sein Abwehrrecht durch Sondergesetz entzogen ist, wird ihm nach der Rechtsprechung des R G ein vom Nachweis des Verschuldens befreiter Entschädigungsanspruch gewährt. Vgl. auch oben I 1 c und unten § 43 D III 2. 71 ) Nur der Zustand der Beeinträchtigung ist zu beseitigen, nicht aber die durch die Beeinträchtigung herbeigeführte Wirkung, sofern diese Wirkung nicht selbst wieder einen Widerspruch gegen den Eigentumsinhalt darstellt. Das Beschädigtwerden der Sache durch einen Dritten widerspricht dem Inhalt des Eigentums, das Beschädigt sein der Sache widerspricht ihm an dieser nun einmal beschädigten Sache gewiß nicht (Zitelmann Luftschiffahrtsrecht 36; Niemeyer, Verh. d. X X X I . D. J.-Tages 2, 42). 72 ) Ebenso Staudinger R N 32 a zu § 1004 BGB. Ist ein Gasrohr gebrochen, so wird der negatorische Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung durch Auswechselung des schadhaften Rohres bewerkstelligt. E r umfaßt also nicht den Ersatz des Schadens, der durch Ausströmen des Gases verursacht worden ist. R G 63, 375; D R 44, 410; vgl. zur heutigen Rechtslage unten § 43 D III 1 d. Ist durch Platzen eines Wasserleitungsrohrs Wasser in einen Keller eingedrungen, so umfaßt der negatorische Anspruch nur das Auswechseln des Rohres, nicht auch den Ersatz für die Waren, welche durch das eingedrungene Wasser beschädigt wurden: Werner, R 04, 330. Auch nicht den Ersatz für den durch das Wasser verursachten Hausschwamm oder für die durch das Wasser weggeschwemmte Humuserde. Wenn sich aber der Pflichtige mit der Beseitigung der Beeinträchtigung im V e r z u g befindet, ist er nach § 286 B G B zum Ersatz des durch den Verzug entstehenden Schadens verpflichtet, s. unten § 43 D I. 73 ) M 3, 425 (Mugdan 3, 237); vgl. R 19 Nr. 427 (Stuttg.); unklar Meisner-Ring § 38 N. 37 und 38. Wenn der Inhalt eines Petroleumfasses (ohne Verschulden eines Dritten) in ein fremdes Grundstück eingedrungen ist mit der Folge, daß der hierauf befindliche Brunnen für lange Zeit unbrauchbar ist, so stellt die Durchsetzung des fremden Erdreichs einen durch den Willen einer anderen Person aufrecht erhaltenen Zustand der Beeinträchtigung nicht dar. Der Zustand der Beeinträchtigung des Eigentums im Sinne des § 1004 B G B bestand nur so lange, als das Petroleumfaß ausgelaufen ist. Die Durchsetzung des Erdreichs mit Petroleum ist eine Wirkung dieser Beeinträchti70
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Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht. 5. Aufl.
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der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen kann, ist für den negatorischen Herstellungsanspruch nicht anwendbar 74 ). Die Beeinträchtigung ist, soweit dies möglich ist, vollständig zu beseitigen. Jedoch braucht nicht derselbe Zustand herbeigeführt zu werden, der früher bestanden hat; es genügt, wenn nur überhaupt ein Zustand hergestellt wird, bei welchem die Beeinträchtigung nicht mehr wirksam ist 75 ). Wenn der Beklagte die Mauer des Klägers weggerissen und dann ein neues Mauerwerk aufgeführt hat, so umfaßt die Beseitigung nur die Wegnahme der störenden Anlage, nicht auch die Wiederherstellung des früheren oder eines gleichwertigen Zustandes, also nur die Fortschaffung des vom Beklagten aufgeführten Mauerwerks, nicht auch die Wiederaufführung der früher bestandenen Mauer 7 '). Die Verurteilung zur Beseitigung der Beeinträchtigung kann der Beklagte durch eine Geldentschädigung selbst dann nicht abwenden, wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht; denn es handelt sich bei der actio negatoria nicht um eine Schadenersatzleistung; nur für diese gilt aber § 2 5 1 B G B 7 7 ) . Unmöglichkeit der Beseitigung schließt den Anspruch auf Beseitigung aus 78 ). A b e r U n möglichkeit liegt dann nicht vor, wenn die (volle oder annähernde) Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes überhaupt im Bereiche physischer Ausführbarkeit liegt 79 ). gung. Die Beseitigung dieser Wirkung oder, im Falle der Unmöglichkeit dieser Beseitigung, die Leistung des Interesses kann deshalb nicht mit der Eigentumsfreiheitsklage, sondern nur mit dem Schadenersatzanspruch des § 825 BGB, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind, beansprucht werden. Vgl. dagegen R 19 Nr. 426 (Stuttgart), wo zunächst zutreffend ausgeführt wird, daß bei unverschuldetem Rohrbruch die Zuführung von Wasser auf den Willen des Inhabers der Wasserleitungsanlage insofern zurückzuführen ist, als der Wille dessen, der die ganze Anlage hält, auch für die Wasserzuführung infolge Rohrbruchs mit ursächlich ist. Dieser ist also Störer, er kann auf Unterlassung der weiteren Zuführung von Wasser (Abdichten des Rohrs) mit dem Anspruch aus § 1004 B G B belangt werden; aber zu Unrecht folgert das O L G Stuttgart daraus eine Haftung wegen Beschädigung des Grundstücks. (Es war die Humuserde weggeschwemmt worden.) Vgl. aber auch unten zu § 43 D III 1 e. 74 ) Schmidt, Der negatorische Beseitigungsanspruch (1924) 102. 75 ) M 3, 425 (Mugdan 3, 237). Staudinger R N 32 zu § 1004 B G B ; Glaser-Dröschel Nr. 29 a dd. R 19 Nr. 428. 76 ) Unrichtig O L G 4, 65. Die Wiederaufführung der früheren Mauer kann mit dem Schadenersatzanspruch (§ 823 BGB) verlangt werden, der in einem solchen Fall wohl stets begründet ist. " ) M 3, 423 (Mugdan 3, 237). O L G 4, 313. SeuffA 58 Nr. 55 (RG), 75 Nr. 160 (Dresden). R G 51, 408; 93, 1 0 1 ; JW 10, 754; 21, 252; R G H R R 39, 489 (Beeinträchtigung Fischereiberechtigter durch Wassersportverein); O G H Z 2, 170; O L G Celle MDR 54, 294. S. unten § 43 C II. A. M. Schmidt, Negatorischer Beseitigungsanspruch (1924) 103; Westermann § 36 III 1. 7S ) In diesem Fall kann auch Geldersatz nicht beansprucht werden (Schmidt, Der negatorische Beseitigungsanspruch [1924] S. iooff.). Doch kann ein Schadenersatzanspruch in Frage kommen, s. unten § 43. 79 ) JW 10, 754 (RG). R G 51, 4 1 1 ; 66, 99; 93, 105; R G HRR 39, 498; O L G Celle
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Das zur Beseitigung der Beeinträchtigung Erforderliche hat der V e r pflichtete auf seine Kosten vorzunehmen, gleichviel ob der Beeinträchtigungszustand auf ein Verschulden zurückzuführen ist oder nicht 80 ). Ist die Passivlegitimation für die actio negatoria gegeben, so steht damit auch die Verpflichtung des Beklagten fest, die Kosten der Beseitigung der Beeinträchtigung zu tragen. Deshalb muß angenommen werden, daß der V e r mieter, soweit er die v o n seinem Mieter verursachte Beeinträchtigung zu vertreten hat 8 1 ), auch verurteilt werden muß, die Beeinträchtigung auf seine Kosten zu beseitigen 82 ). Erfüllt der verurteilte Beklagte diese V e r pflichtung nicht, so darf der Eigentümer die Wiederherstellung auf Kosten des Beklagten nach richterlicher Ermächtigung selbst vornehmen (§ 887 Z P O ) . Hat der berechtigte Eigentümer wegen der Weigerung des Störers die Beeinträchtigung selbst beseitigt, ohne zuvor ein Urteil zu erwirken,
MDR 54, 295; Staudinger R N 34 zu § 1004 BGB. Es kann einem Mißbrauch des Beseitigungsanspruchs unter Umständen mit § 826 B G B wirksam begegnet werden. Man setze den Fall, daß ein Grundstück durch unzulässige Vertiefung des Nachbargrundstücks die Standsicherheit verloren hat. Der hierfür Verantwortliche muß die Standsicherheit herstellen. Die erforderlichen Einrichtungen würden einen Aufwand von beispielsweise 150000 DM verursachen, während das beeinträchtigte Grundstück einen Wert von 1000 D M hat. Erbietet sich der Verantwortliche zum vollen Schadenersatz (Wert des Grundstücks, einschließlich eines sog. Affektionswerts, Ersatz aller sonstigen Nachteile, die aus der Unbenutzbarkeit des Grundstücks für die Benutzung des übrigen Grundbesitzes entstehen), so verstößt es gegen die guten Sitten, wenn der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks gleichwohl auf Naturalherstellung besteht, deren Kosten außer jedem Verhältnis zu seinem n o c h so w e i t abgesteckten Interesse stehen. Man muß sich aber wohl vor Augen halten, daß auf diesem Wege nicht etwa eine Art von Zwangsenteignung eingeführt werden darf. Für die Sittenwidrigkeit des Verlangens auf Wiederherstellung muß daher auch in Betracht gezogen werden, ob der Verantwortliche die Beeinträchtigung etwa vorsätzlich herbeigeführt hat. Denn dann wird dieser wohl regelmäßig nicht von Sittenwidrigkeit sprechen können, wenn der Eigentümer auf Naturalherstellung besteht. Und in anderen Fällen müssen die Kosten der Wiederherstellung schon um ein vielfaches höher sein als das Interesse des Geschädigten, wenn § 826 B G B angewendet werden soll. Endlich muß die angebotene Entschädigung sehr reichlich bemessen sein, so daß die Annahme ausgeschlossen ist, daß dem Geschädigten von seinem Standpunkt aus (der natürlich nicht sinnwidrig sein darf) die Naturalherstellung immer noch wertvoller sein kann als die gebotene Entschädigung. 80 ) M 3, 424 (Mugdan 3, 237); Staudinger R N 33 zu § 1004 B G B ; OGHBrZ in N J W 49, 623 (Im Hafen durch Kriegseinwirkung gesunkenes Wrack muß vom früheren Eigentümer beseitigt werden, auch wenn inzwischen das Eigentum aufgegeben worden ist). Vgl. hierzu auch B G H in N J W 56, 382 (Trümmer einer kriegszerstörten Brücke im Flußbett und auf benachbarten Grundstücken), andererseits aber B G H N J W 58, 1580 (Beeinträchtigungen durch kriegsbedingte Ausbauchung einer Giebelmauer); vgl. auch O L G Düsseldorf MDR 60, 398 sowie oben § 38 I 1 c — N. 12 f und 12 g — und nächst. § 38 a II 2 d. 81 ) S. unten N. 182. 82 ) Vgl. dagegen JW 00, 384 Nr. 34 und andererseits JW 01, 51.
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so stehen ihm Ansprüche aus § 812 B G B und gegebenen Falles auch aus § 683 B G B zu82»). 2. D e r A n S p r u c h a u f U n t e r l a s s u n g w e i t e r e r B e e i n t r ä c h t i g u n g setzt eine zuständliche körperliche Beeinträchtigung nicht voraus, dabei findet jedoch eine Angleichung an die unter 1 erörterte Gestaltung des Anspruchs insofern statt, als auch hier der Anspruch die Aufhebung eines Zustandes, nur nicht eines körperlichen Zustandes, zum Ziel und daher einen solchen Zustand auch zur Voraussetzung hat. Der Anspruch auf Unterlassung w e i t e r e r Beeinträchtigung setzt als erforderlich voraus, daß eine Beeinträchtigung tatsächlich schon vorausgegangen ist 83 ). Bestreiten und Behaupten stellt regelmäßig noch keine Beeinträchtigung dar 84 ). Wenn das Zuwiderhandeln gegen die aus dem Inhalte des Eigentums für die anderen Personen sich ergebenden Pflichten die zuständliche, bis in die Gegenwart fortdauernde Folge hervorgebracht hat, daß weitere Beeinträchtigungen nach den Umständen zu besorgen 85 ) sind, so ist dem Eigentümer der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung gegeben 86 ) (§ 1004 B G B ) . Die Befürchtung weiterer Gefährdungen braucht sich durchaus nicht auf ein schuldvolles Verhalten des Gegners zu gründen; vielleicht ist dieser in ganz entschuldbarer Weise im Irrtum über sein Recht, und ist gerade wegen seines guten Glaubens die Fortsetzung der früheren rechtsverletzenden Handlungsweise zu erwarten 87 ). Im übrigen ist die Frage, ob eine weitere Beeinträchtigung zu besorgen ist, nach den Umständen und der Lebenserfahrung zu beurteilen. Keineswegs braucht eine Gewißheit vorzuliegen, daß eine weitere Beeinträchtigung erfolgen wird; es genügt schon, wenn man nach Lage der Verhältnisse mit der Möglichkeit einer Wiederholung rechnen muß 88 ). Daß der Beklagte 82a ) R G 167, 38. Vgl. auch BGH N J W 58, 1580 — dazu oben N. 80 — sowie BGH 83 GRUR 63, 261. ) R G K Anm. 9 zu § 1004 BGB; R G Warn. 11 Nr. 330. 84 85 ) SeuffA 58 Nr. 35 (BayObLG); s. oben § 38 I 3 und N 52. ) S. unten N 88. 86 ) M 3, 427 (Mugdan 3, 238); vgl. SeuffBl. 66, 220 (LG Würzburg). 87 ) M 3, 427 (Mugdan 3, 238). 88 ) Eine solche Besorgnis erfordert aber mehr als die abstrakte Möglichkeit, daß ein schadenbringendes Ereignis sich wiederholen könne. R G 63, 379. Eine mehr oder minder große Wahrscheinlichkeit genügt (vgl. R G 98, 269). Wiederholungsgefahr wurde angenommen bei Steinflügen, die bei regelmäßigen Sprengungen wiederkehren (LZ 18, 845 RG). Vgl. Gruchot 44, 868: Die Klage auf Unterlassung des Eingriffs wird dann zu versagen sein, wenn bei Erhebung der Klage der Eingriff bereits unterlassen ist und der Eigentümer nach den Umständen des Falls auch mit Sicherheit annehmen kann, daß eine Wiederholung nicht eintreten wird (vgl. Bolze 12 Nr. 68). Wenn der Störer vor Klageerhebung erklärt hat, daß er von künftiger Wiederholung absehen werde, so wird die Besorgnis regelmäßig wegfallen, es müßte denn sein, daß diese Erklärung infolge besonderer Umstände nicht als vertrauenswürdig zu erachten ist. Eine Besorgnis der Wiederholung wird von vornherein nicht bestehen, wenn bei Erhebung der Klage die Eigentumsstörung zwar noch fortdauert, der Eigentümer aber mit Sicherheit erkennen kann,
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Die Eigentumsfreiheitsklage
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ein Recht behauptet, ist nicht Voraussetzung. Wenn freilich der Beklagte ein Recht behauptet, so ist regelmäßig89) die Besorgnis der Wiederholung gegeben; hat jedoch das Verhalten des Beklagten zu der Annahme, daß er ein Recht beanspruche, keine Veranlassung gegeben, so wird zumeist eine öftere Wiederholung erforderlich sein. Eine besondere Häufigkeit und Dauer der Störungen setzt der Anspruch nicht voraus90). Nach vorausgegangener Beeinträchtigung ist aber in der Regel die Besorgnis der Wiederholung zu vermuten; diese Vermutung ist vom Beklagten zu widerlegen90»). Bei dem Schäfer, dessen Herde beim Treiben zum Markt übergrast hat, wird die Gefahr der Wiederholung weniger in Betracht kommen als bei dem Schäfer, der regelmäßig an einem Grundstück vorübertreibt. Läuft ein Spaziergänger einmal über eine fremde Wiese, so ist das etwas ganz anderes, als wenn der Briefträger bei seinem Botengang den Weg über die Wiese zur Abkürzung nimmt. Es ist regelmäßig genügend, daß die Besorgnis zur Zeit der letzten Tatverhandlung vorhanden ist 91 ). Ist in diesem Zeitpunkt eine vorher •— schon zur Zeit der Klageerhebung oder später eingetretene — Wiederholungsgefahr bereits wieder weggefallen, so liegt Erledigung der Hauptsache vor 92 ). Hat dagegen in keinem Zeitpunkt eine Wiederholungsgefahr bestanden, so war die Klage stets unbegründet. Der Erhebung der Unterlassungsklage braucht an sich kein Verbot weiterer Beeinträchtigungen vorauszugehen; jedoch läuft der Kläger, der ohne ein solches Verbot klagt, Gefahr, gemäß § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt zu bekommen, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. es handle sich um einen einmaligen, kurzen, vorübergehenden Eingriff, der sich gar nicht gegen sein Eigentum als solches richtet und auf dessen Unterlassung der Störer selbst bedacht ist. V g l . auch J W 94, 30 N r . 93, woselbst als Beispiel erwähnt ist, daß das E i n werfen eines Fensters durch einen Vorübergehenden die negatorische Klage nicht begründet. Ist der früher zugeführte L ä r m infolge gerichtlicher einstweiliger Verfügung seit Monaten unterblieben, so ist möglicherweise kein Anlaß mehr zur Unterlassungsklage gegeben; alsdann kann sie nur dann E r f o l g haben, wenn es sich etwa um eine Anlage im Sinne des § 907 B G B handelt oder sonstwie eine Besorgnis der Wiederholung des Lärms festgestellt werden kann (R 02, 149 R G ) . 89 ) Nicht unter allen Umständen; vgl. R 1 4 N r . 775 ( B a y O b L G ) . V g l . hierzu B G H in N J W 54, 1682 (Aufrechterhalten des Klageabweisungsantrags durch den Liquidator des auf Unterlassung in Anspruch genommenen Verlagsunternehmens, das während des Rechtsstreits in Liquidation gegangen ist). W i e hier Staudinger R N 36 u. 43 zu § 1004 B G B . 90 ) J W 1 1 , 5 8 7 ; R G 57, 227. — D o c h kann dies von Bedeutung für die Frage sein, 90a ob die Beeinträchtigung wesentlich im Sinn von § 906 B G B ist. ) R G 1 2 5 , 393. 91 ) Werden rechtsverletzende Tatsachen geltend gemacht, die sich erst im Laufe des Rechtsstreits ereignet haben, so liegt keine Klageänderung v o r ( R G 99, 1 7 2 ) . 92 ) Uber die Erledigung der Hauptsache und ihre Rechtswirkungen vgl. Hodes in Z Z P 66, 387 sowie Habscheid J Z 63, 579 ff und 624 ff.
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§ 38 IX 2
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
A u c h auf G r u n d nur einer einzigen Verletzung kann die Gefahr künftiger Verletzung als bestehend a n g e n o m m e n w e r d e n 9 3 ) . a) I n h a l t d e s A n s p r u c h s . D e r K l ä g e r braucht nicht die V o r k e h r u n g b e s t i m m t e r M a ß r e g e l n , durch welche die unzulässige Beeinträchtigung hintangehalten w e r d e n soll, zu v e r l a n g e n ; ja er darf dies nicht einmal tun, ebensowenig wie das Urteil hierüber B e s t i m m u n g treffen darf 93 ®). E s m u ß vielmehr dem Beklagten überlassen bleiben, wie er es anstellen will, u m für die Z u k u n f t eine unzulässige Beeinträchtigung zu v e r hüten 9 4 ). M a n m u ß sogar so weit gehen, zu sagen, daß nicht einmal ganz allgemein auf Herstellung v o n Einrichtungen, welche die benachteiligende E i n w i r k u n g ausschließen, geklagt werden k a n n 9 6 ) ; n o c h weniger kann auf 93
BGB.
) Eitzbacher, Unterlassungsklage 187; Crome 3, 424; Planck Bern. 2 b zu § 1004
93a ) B G H N J W 58, 1776 = M D R 58, 497. Etwas anderes kann gelten, wenn nach Lage der Dinge überhaupt nur eine einzige Maßnahme zur Beseitigung der Störung in Betracht kommt ( L G Berlin M D R 65 S. 991); vgl. auch unten N. 96 c. 94 ) BayZ 18, 50 R G , L Z 25, 546 R G ; B G H N J W 58, 1776 = M D R 58, 497; ebenso Staudinger R N 37 zu § 1004 B G B ; Meisner-Ring § 38 N. 58; R G K Anm. 41 zu § 1004 B G B . — Vgl. SeuffA 46 Nr. 248; 51 Nr. 1 1 ; R G 37 172; 40, 182; J W 96, 343 Nr. 57; 97, 636 Nr. 16; Gruchot 46, 1001 (RG); Turnau-Förster Bern. 5 zu § 906 B G B . Vgl. R 25 S. 102 Nr. 3 (RG). Es ist Sache des Beklagten, wie er seiner Unterlassungspflicht genügen will. E r kann Vorkehrungen treffen, er kann den Betrieb einstellen. Eine bestimmte Maßnahme kann ihm nicht aufgezwungen werden. Dem Gläubiger wird auch vielfach die Kenntnis der Betriebseinrichtung des Beklagten, vielleicht auch die nötige Sachkunde fehlen, so daß er gar nicht beurteilen kann, welche Maßnahme erforderlich und genügend, sowie welche von mehreren möglichen Vorkehrungen die zweckmäßigste ist (vgl. SeuffA 75 Nr. 54 [Hamm]; Kress in J W 09, 5 ff.; Gruchot 43, 861; 51, 141). Wird der Kläger als Eigentümer des Grundstücks durch das Musizieren in einer Gastwirtschaft des Nachbargrundstücks beeinträchtigt, so muß der Antrag lauten, dem Beklagten zu untersagen, auf seinem Grundstück in einer Weise musizieren zu lassen, die die Benutzung des klag. Grundstücks wesentlich beeinträchtigt ( R G J W 30, 2935). Wenn jedoch der Klageantrag auf Vornahme einer bestimmten Maßnahme gerichtet ist und der Beklagte nicht geltend macht, daß er dadurch in der Auswahl der Schutzvorrichtungen in unzulässiger Weise beschränkt werde, so ist eine Verurteilung zur Vornahme der bestimmten Schutzvorrichtung regelmäßig nicht zu beanstanden. (R 25 S. 102 Nr. 3 RG). Vgl. hierzu auch unten VIII. Über die Frage, ob bei der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil auf Unterlassung die einzelnen Vorkehrungen bestimmt anzugeben sind, s. unten N 1 1 4 . 95 ) Vgl. Gruchot 44, 1096; 46, 1001. Anders, wenn die Anlage selbst, von welcher die Beeinträchtigung ausgeht, eine unzulässige Beeinträchtigung darstellt und in Gemäßheit des § 907 B G B B e s e i t i g u n g der Anlage verlangt werden könnte. Der Antrag auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, stellt sich gegenüber dem Anspruch auf Beseitigung der ganzen Anlage als das minus dar. Vgl. Gruchot 44, 1096. So kann z. B. der Eigentümer eines Grundstücks, in welches aus der Dunggrube des Nachbarn auf unterirdischem Wege Mistjauche eindringt, den negatorischen Anspruch darauf erheben, daß der Nachbar die Wandungen der Dunggrube in einen für Flüssigkeiten undurchlässigen Zustand versetzt. E r kann aber auch Beseitigung der Dunggrube verlangen.
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Betriebseinstellung geklagt werden, wenn die Beeinträchtigung v o n einem Betrieb ausgeht 96 ). D a es also grundsätzlich dem Störer überlassen bleiben muß, welche Maßnahmen er zur Beseitigung unzulässiger Beeinträchtigungen ergreifen will, bestehen gegen eine Verurteilung zu bestimmten Maßnahmen dann keine Bedenken, wenn das Wahlrecht des Störers tatsächlich nicht beeinträchtigt wird. E i n solcher Fall kann vorliegen, wenn der Beklagte gegenüber einem auf Anordnung bestimmter Maßnahmen gerichteten Antrag nicht geltend macht, daß er dadurch in der Auswahl seiner Schutzvorrichtungen in unzulässiger Weise beschränkt werde 9 6 ®) oder wenn er sich mit einer solchen Maßnahme ausdrücklich einverstanden erklärt hat 96b ) oder wenn zur A b w e h r nur eine ganz bestimmte Einzelmaßnahme in Betracht kommt, wie z. B. das Verbot der Nachtarbeit oder das Verbot der Errichtung einer Anlage — z. B . eines Leichenhauses — 9 6 c ) . In Fällen dieser A r t können solche bestimmte Anordnungen auch im Eilverfahren durch einstw. V f g . ergehen 96 " 1 ). Die Unterlassungsklage ist eine Leistungsklage, keine Feststellungsklage, da sie nicht darauf geht, daß der Richter die Verpflichtung des Beklagten zu einem Unterlassen feststellt, sondern darauf, daß der Beklagte unterläßt und ihm der Richter dies gebietet. F ü r die Unterlassungsklage ist daher kein besonderes Interesse an der alsbaldigen Feststellung ( § 2 5 6 Z P O ) des vielleicht nie bestrittenen Anspruchs erforderlich 97 ). 98 ) Vgl. R G 37, 173. Im Ergebnis kann allerdings die Durchführung desAnspruchs auf Unterlassung zur Einstellung des Betriebs führen; dann nämlich, wenn die Ausschließung der unzulässigen Einwirkung durch keinerlei Vorkehrungen bewirkt werden kann, wird sich der Betriebsunternehmer nicht anders helfen können, als daß er den Betrieb einstellt; aber unmittelbar zur Einstellung des Betriebes kann er nicht verurteilt werden; es kann ja morgen eine Erfindung gemacht werden, vermöge welcher bei dem Betrieb jede unzulässige Einwirkung auf das Nachbargrundstück vermieden werden kann. Dagegen hat das R G (R 09 Nr. 688; JW 08, 692) eine Verurteilung gebilligt, wonach dem Beklagten der Betrieb der Anlage untersagt wurde, solange er nicht die Anlage derart ändere, daß der Betrieb für den Kläger unschädlich und erträglich sei. — In ähnlicher Weise hat das R G (R 08 Nr. 3423) eine Verurteilung zur Unterlassung von Scheibenschießen gebilligt, weil der Beklagte selbst nicht geltend gemacht habe und auch aus der Sachlage nicht von selbst hervorgehe, daß die Benutzung eines Scheibenstandes in einer dem § 906 B G B entsprechenden Weise eingeschränkt werden könne (vgl. J W 00, 640; 08, 682; s. unten N 98). R G R 25, 102. Vgl. auch oben N 94. 96t >) Hodes in N J W 54, 644; O L G Köln in N J W 5 3, 1592, das für den Fall der einstw. Vfg. zu Unrecht glaubt, insoweit mit der herrsch. Lehre in Widerspruch zu stehen. 96*) B G H N J W 55, 747 und 63, 2020. Vgl. oben § 38 I 1 c. 24 °) B G H N J W 55, 19 und 63, 2020. Vgl. oben § 38 I 1 c. a87
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schädigungsanspruch kann die Wertminderung gefordert werden, die das Grundstück durch die Einwirkungen erleidet. Dafür ist es unerheblich, ob der Kläger bereits eine konkrete wirtschaftliche Einbuße erlitten hat, indem er z. B. das Grundstück zu einem geringeren Preis verkauft oder vermietet hat, denn bei unbefugten Eingriffen in Ausschließlichkeitsrechte ist die Schadensberechnung nach der entgangenen Vergütung zulässig, wenn die Erlaubnis des Rechtsinhabers üblicherweise von der Zahlung eines Entgelts abhängig gemacht wird; die Sache wird also so angesehen, als habe der Rechtsinhaber den EingrifF gegen ein Entgelt gestattet241). Die Wertminderung ist durch eine laufende Rente auszugleichen242). Hatte der Kläger erhebliche Mittel aufgewendet, um sich und seiner Familie ein ruhiges Wohnen zu sichern, so kann er diesen vergeblichen Mehraufwand als Vermögensschaden geltend machen243). § 38a. Rechtsverhältnisse der Trümmer-(Ruinen-)Grundstücke Die ungeheuren Zerstörungen an Gebäuden und Bauwerken, vor allem durch die Einwirkungen des Bombenkrieges, die bis zur Währungsreform andauernde Knappheit an Material und Arbeitskräften sowie späterhin vielfach der Mangel an den für einen Wiederaufbau erforderlichen Geldmitteln brachten es mit sich, daß noch heute in Städten und Dörfern in gewissem Umfang Trümmergrundstücke festzustellen sind, die sich in dem gleichen unaufgeräumten Zustand befinden, in welchen sie durch die Kriegseinwirkungen versetzt worden sind. Hierdurch sind verschiedene neue nachbarrechtliche Probleme aufgeworfen worden. Neben der Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 836—838 B G B auf solche ganz oder nur teilweise zerstörte Gebäulichkeiten (vgl. hierzu oben § 1 9 III) hat sich die Rechtsprechung immer wieder mit den von den Trümmergrundstücken ausgehenden Beeinträchtigungen zu befassen. Diese bestehen meist darin, daß die in Form von Regen oder Schnee von den Schuttmassen aufgenommene Feuchtigkeit in das erhalten gebliebene oder neu aufgebaute Nachbarhaus 1 ) eindringt, die Wand durchfeuchtet, zur Ablösung von Verputz und von Tapeten und zur Schwammbildung führt, weil sie — vielfach wegen der erhalten gebliebenen Fundamente — nicht in den Erdboden absickern kann. Hier erhebt sich die Frage, ob der Trümmergrundstückseigentümer (TrGE) zur Verhinderung solcher Beeinträchtigungen verpflichtet ist, 241
) B G H N J W 56, 1554 und N J W 63, 2020. ) B G H N J W 63, 2020 (vgl. dazu unten § 45 C II — N 25—). "»J B G H L M 2 zu § 253 B G B . 242
*) Beide Fälle (stehen gebliebener Anbau oder nachträgl. Wiederaufbau) stehen sich rechtlich gleich. Vgl. hierzu unten N . 36.
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§
38a I, I I I
I. A n w e n d b a r k e i t d e r §§823, 826, 836, 906, 907 B G B ? Auf die §§ 823, 826 B G B kann ein solcher Anspruch nicht gestützt werden, da die Beschädigung oder Zerstörung des Gebäudes auf dem Ruinengrundstück und damit die hauptsächliche und erste Ursache für den Ubertritt der Feuchtigkeit von dem T r G E nicht verschuldet ist la ). Auch § 836 B G B kann keine unmittelbare Anwendung finden, da der Schaden nicht durch die bewegende Kraft des Einsturzes, also nicht durch die einstürzenden Mauermassen, sondern durch Umstände verursacht worden ist, die erst nach dem Zusammensturz eintraten2). Ferner scheiden als Rechtsgrundlagen eines solchen Beseitigungsanspruchs auch die §§ 906 und 907 B G B aus, und zwar die erstere Vorschrift deshalb, weil es sich bei der eindringenden Feuchtigkeit nicht um die Zuführung unwägbarer Stoffe handelt 3 ); § 907 B G B kommt nicht in Betracht, weil in dem Belassen der Gebäudetrümmer nicht das Unterhalten einer Anlage im Sinne dieser Vorschrift gesehen werden kann4). II. A n w e n d b a r k e i t des § 1004 B G B ? Es fragt sich also, ob der Eigentümer des Nachbarhauses einen Anspruch auf Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen durch eindringende Feuchtigkeit auf § 1004 B G B stützen kann. 1. I s t der T r ü m m e r g rund s t ü c k s e i g e n t ü m e r S t ö r er ? Störer nach § 1004 B G B ist unstreitig nicht nur der, der die Beeinträchtigung unmittelbar veranlaßt hat, sondern auch derjenige, mit dessen Willen der beeinträchtigende Zustand aufrechterhalten wird 5 ). Immer aber muß irgendein Zusammenhang zwischen einer Willensbetätigung des „Störers" und der Beeinträchtigung bestehen. Soweit letztere durch Naturkräfte ausgelöstist, kommt es darauf an, ob sie durch eine auf dem Willen des Störers beruhende Handlung la ) L G Berlin in H W 50, 273 hat —• allerdings mit völlig unzureichender Begründung — vorübergehend die gegenteilige Ansicht vertreten. 2 ) O L G Köln N J W 56, 1564; L G Frankfurt a. M. in E M W 51 Nr. 106 = Hess. HausbesZtg. 51 Nr. 1. 3 ) L G Berlin (HW 50, 273); K G (HW 51, 349); O L G Hamm ( N J W 54, 273; O L G Köln N J W 56, 1564); a. M. anscheinend L G Köln (Nds. HuGrBes. 50, 180). 4 ) K G (HW 50, 273); O L G Köln ( N J W 56,1564); L G Köln ( E M W 53 Nr. 397); Staudinger R N 8 zu § 907 B G B ; Glaser ( D W W 51, 120); L G Berlin (HW 50, 273) u. Wüsthoff in Anm. dazu. A . M. dagegen anscheinend Weskott ( N J W 53, 1109), der ausführt, der T r G E sei nicht nur dann für die störende „Anlage" verantwortlich, wenn er sie selbst errichtet habe, sondern auch dann, wenn er als Verfügungsberechtigter die „Anlage" dulde. — Unklar O L G Hamm ( N J W 54, 273), das zwar einerseits das Vorliegen einer Anlage im Sinne des § 907 B G B verneint, aber den T r G E als Störer nach § 907 B G B dann angesehen wissen will, wenn er ohne triftigen Grund die Schuttbeseitigung durch den Nachbarn verbietet. Der Begriff einer Anlage nach § 907 B G B ist aber ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. 5 ) Vgl. oben § 38 I V 2; insoweit unzutreffend Krach ( N J W 53, 789).
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„ermöglicht" worden ist, d. h. ob dieser für die Wirkung der Naturkräfte eine „Vorbedingung" geschaffen oder auch nur „mitgeschaffen" hat6).Würde man nun die Kriegseinwirkung auf das Gebäude einer durch Naturkräfte verursachten Zerstörung gleichsetzen, so könnte als eine vom T r G E gesetzte Vorbedingung nur der Umstand in Betracht kommen, daß er früher einmal auf dem Grundstück das Gebäude errichtet oder, sofern er nicht der Erbauer war, es wenigstens erhalten hat; denn ohne die Erbauung und Erhaltung des Hauses hätte dieses nicht in Schuttmassen zusammensinken und eine Leitung für die übertretende Feuchtigkeit abgeben können. Tatsächlich wird diese Auffassung auch vom L G Hagen 7 ) und von Weskott8) vertreten. Das LG Hagen führt dazu aus, daß die unmittelbare Ursache für die Durchfeuchtung zwar die Ausbombung sei, mittelbar sei die Beeinträchtigung aber auf den Willen des T r G E zurückzuführen, da dieser durch den Bau des Hauses die Vorbedingung dafür geschaffen habe, daß nach der Ausbombung das Regenwasser nicht mehr absickern konnte. Ebenso meint Weskott, es könne, nachdem die Zerstörung nun einmal eingetreten sei und ohne Tätigwerden des Eigentümers auch andauere, nicht mehr darauf ankommen, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad früher der Beeinträchtigung beigelegt worden sei; Erbauer und T r G E könnten somit immer in Anspruch genommen werden, da die fraglichen Einwirkungen auf das Nachbargrundstück ohne die Erbauung des Hauses nicht erfolgen würden. Im Gegensatz hierzu hat das L G Berlin9) zwar ebenfalls die Bombardierung nicht nur als Ursache für die Beeinträchtigungen angesehen, sondern sie zugleich einem zerstörenden Naturereignis gleichgesetzt, aber die Tatsache der Erbauung des Hauses als Mitverursachung des Schadens im Sinne des § 1004 BGB ausdrücklich abgelehnt. Auch das OLG Düsseldorf10) hat die Haftung des T r G E verneint, wobei es sich allerdings auf die Feststellung beschränkt hat, der bemängelte Zustand sei durch Kriegseinwirkungen und nicht durch eine Willensbetätigung des Beklagten hervorgerufen. Zum gleichen Ergebnis sind das L G Frankfurt a. M. 11 ) und Wüsthoff12) gekommen, weil sie in dem Eindringen der Feuchtigkeit den Übertritt „wilden Wassers" und damit ein Naturereignis sehen, für das der T r G E nicht verantwortlich zu machen sei, da es an 6 ) R G SeuffA 60,55; Gruchot 54, 158; R G 1 3 4 , 2 3 1 ; 149, 210; B G H L M 14zu § 1004 B G B ; Vgl. oben § 38 I 2. 8 ' ) N J W 53, 266. ) N J W 53, 1109. 9 ) H W 50, 293; K G (HW 51, 349) läßt die Frage, ob die Bombardierung einem zerstörenden Naturereignis gleichzusetzen ist, dahingestellt, da es eine Rechtspflicht zum Handeln für den T r G E „allgemein aus § 823 B G B " herleitet; vgl. unten II c. 1«) N J W 53. 1394. n ) E M W 51 Nr. 106. 12 ) H W 50, 181.
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jeglichem Zusammenhang zwischen dem eingetretenen Zustand und einer Willensbetätigung des T r G E fehle. Auch Glaser 13 ), der in den Kriegsereignissen, die die Trümmerfelder geschaffen haben, höhere Gewalt sieht, vertritt die gleiche Ansicht. Richtig ist sicherlich, daß die Bombardierung des Hauses die erste und hauptsächliche Ursache für die noch jetzt von dem Trümmergrundstück ausgehenden Beeinträchtigungen bildet. Auch erscheint es zutreffend, rechtlich solche Kriegseinwirkungen zerstörenden Naturereignissen gleichzustellen, da in allen diesen Fällen der Eigentümer den auf sein Eigentum einwirkenden Ereignissen machtlos gegenübersteht und nicht in der Lage ist, durch eigene Maßnahmen hindernd oder mildernd einzugreifen. Abzulehnen ist aber die Ansicht, die in der Erbauung des Hauses, die übrigens schon Jahrzehnte vor der Zerstörung erfolgt sein konnte, eine Mitverursachung oder das Setzen einer Vorbedingung für die später ausgelösten Beeinträchtigungen sehen will, denn sie widerspricht dem im B G B anerkannten Grundsatz, daß die Haftbarmachung für einen Schaden regelmäßig mehr als einen ursächlichen Zusammenhang im streng logischen Sinne (jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele, ist als Ursache anzusehen) fordert, nämlich den sogenannten adäquaten Kausalzusammenhang: Die gesetzte Bedingung muß allgemein oder erfahrungsmäßig, nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge nicht in Betracht zu ziehenden Umständen zur Herbeiführung des Erfolges geeignet gewesen sein 14 ); die Möglichkeit des Eintritts eines derartigen Schadens infolge der Bedingung darf nicht eine so entfernte sein, daß sie nach der Auffassung des Lebens vernünftiger Weise nicht in Betracht gezogen werden kann 18 ). Dies bedeutet, wie der Bundesgerichtshof 1 6 4 ) mit Recht ausgeführt hat, daß bei der Feststellung, ob der adäquate Kausalzusammenhang gegeben ist, es nicht eigentlich um die Feststellung der Verursachung als solcher geht, sondern vielmehr um die Ermittlung der Grenze, bis zu der dem Urheber einer Bedingung eine Haftung für die Folgen der gesetzten Bedingung b i l l i g e r w e i s e zugemutet werden kann; die Lehre von der adäquaten Verursachung hat damit eine Haftungsbegrenzung zum Gegenstand, die in § 242 B G B ihre Grundlage findet156). Bei Anwendung dieser Grundsätze muß das Bestehen eines adäquaten Zusammenhangs zwischen der Erbauung und der Erhaltung des Hauses " ) DWW 51, 120. 14 ) R G 69, 58; 72, 327; 78, 272; 81, 360; 84, 386; 104, 143; 133, 127; 158, 38; 168, 88; 169, 9 1 ; B G H Z 3, 261; 7, 204; 25, 86; B G H N J W 58, 1041; Larenz N J W 58, 627; vgl. auch unten § 43 B. Unrichtig A G Ffm. (Hess. HausbZtg. 50 Nr. 1 1 ) , das Zufalls16 haftung bejaht. ) R G SeuffA 63, 263; 64, 7. 15a 15b ) N J W 52, 10x0. ) Vgl. auch unten § 43 B.
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einerseits und der auf die Einwirkungen des modernen Krieges zurückzuführenden Zerstörung mit den sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen andererseits geleugnet werden; die Einwirkungen des modernen Krieges stehen schlechthin außerhalb der adäquaten Kausalkette, die mit der Erbauung des Hauses ihren Anfang nimmt 16 ). Folgerichtig verteidigt Weskott a. a. O. seine abweichende Ansicht mit der Erwägung, für den Begriff des Störers nach § 1004 B G B komme es auf die Adäquanz nicht an. Zur Begründung beruft er sich auf R G 149, 210; jedoch zu Unrecht. In dem dort vom Reichsgericht entschiedenen Falle hatten sich von felsigem Untergrund, auf dem ein Aussichtstempel errichtet war, Steine und Geröll dadurch gelöst, daß der Tempel mit seinem Gewicht den Felsblock belastete und infolge mangelhafter Unterhaltung des gemauerten Fundaments Niederschlagswasser in den Fels eindringen konnte, was unter Frosteinwirkung Verwitterungen und Absprengungen des Mauerwerks und Felsens zur Folge hatte. Zwischen dem Belasten des Felsblocks mit dem Bauwerk in Verbindung mit der Ermöglichung des Eindringens von Regen und Schnee in das Gestein durch mangelhafte Fundamentunterhaltung einerseits und dem Absprengen von Felsbrocken durch die zusätzlichen Witterungseinflüsse andererseits war offensichtlich der adäquate Zusammenhang gegeben, da ein solcher Verlauf der Dinge durchaus den allgemeinen Erfahrungen entsprach. 2. B e s t e h t eine R e c h t s p f l i c h t zum H a n d e l n ? Eine Haftung des T r G E könnte hiernach nur bejaht werden, wenn für ihn eine Rechtspflicht zum Handeln gegeben und somit sein Untätigbleiben als rechtswidrige Unterlassung zu werten wäre. a) N a c h w a s s e r r e c h t l i c h e n V o r s c h r i f ten? Als Grundlage für eine solche Rechtspflicht könnten in erster Linie wasserrechtliche Vorschriften in Betracht kommen. Nach Art. 65 E G sind die landesgesetzlichen Vorschriften des Wasserrechts unberührt geblieben. Die Wassergesetze der Länder regeln die Verhältnisse des oberirdisch abfließenden „wilden" Wassers. So hatten für die ehemals preußischen Gebiete die §§ 196—198 PrWG die Vorschriften des A L R I 8 §§ 102—105 aufrechterhalten, wonach der Eigentümer eines Grundstücks nicht verpflichtet war, zu verhindern, daß Regen- oder Traufwasser, welches sich in seinem Grundstück an16 ) Ebenso B G H in N J W 56, 382; L G Köln in J R 55, 339. In der späteren Entscheidung des B G H N J W 58, 1580 ist übersehen, daß die Ausbauchung der Giebelmauer gleichfalls kriegsbedingt war und daher der Eigentümer der Giebelwand dafür grundsätzlich nicht einzustehen hatte (vgl. dazu oben § 38 I 1 c zu N. 12 f und 12 g). Ist die Zerstörung des Gebäudes, von dessen Grundstück die Beeinträchtigungen ausgehen, nicht durch eine Kriegseinwirkung, sondern z. B. durch Blitzschlag erfolgt, so ist der ursächliche Zusammenhang zwischen Erbauung oder Erhaltung des Gebäudes und den Beeinträchtigungen gegeben (vgl. hierzu die Ausführungen unter 2 b).
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sammelte, in das Nachbargrundstück einzog; wohl aber konnte der Unterlieger seinerseits gegen das Wasser Abwehrmaßnahmen ergreifen. Die gleiche Rechtslage war, abgesehen von dem Abwehrrecht des Unterliegers, auch im Gebiet des gemeinen Rechts gültig. Diese gemeinrechtliche Regelung haben folgende Länder übernommen: § 8i Bad-Württ. W G ; §7Hamb. W G (u.U. aber gegen Entschädigung); § 21 Abs. 2 Hess. N R G ; § 39 Abs. 2 Nds. N R G . ; §78 N R W N R G ; § 84 Rheinl. Pf. Landes W G ; §75 Saarl. WG. Die Regelungen der anderen Länder sehen vor, daß der Unterlieger das wild abfließende Wasser seines Nachbarn nur aufzunehmen braucht, wenn dieser es durch Anlagen auf seinem Grundstück nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten abführen kann; es sind dies: § 66 Berl. W G ; § 122 Brem. W G — die Duldungspflicht ist aber schlechthin aufgehoben für Gebäude, Hofräume, Betriebsgrundstücke, Gärten, Parkanlagen usw. (§ 126 Brem. WG) —; § 78 Nordrhein-Westf. W G und § 68 Schl.H. WG 1 7 ). Die Frage, ob es sich bei dem vom Trümmergrundstück aus übertretenden Niederschlagswasser um wildes Oberflächenwasser handelt, wird von Wüsthoff 18 ) bejaht. Im Gegensatz hierzu verneint das Kammergericht 19 ) schlechthin die Möglichkeit, die Wassergesetze auf Fälle der vorliegenden Art anzuwenden, da ein natürlicher Wasserablauf, wie er von den Wassergesetzen gemeint sei, hier nicht in Betracht komme. Dieser Ansicht des K G ist beizupflichten. Denn das von einem Trümmergrundstück übertretende Regen- und Traufwasser, dessen Weg durch die einem Naturereignis gleichstehende Kriegseinwirkung vorbestimmt ist, kann dem „wild abfließenden Oberflächenwasser" nicht gleichgesetzt werden. Auf Fälle solcher Art sind die Wassergesetze schlechthin unanwendbar. Auf sie kann also weder eine Duldungsverpflichtung des Nachbarn des T r G E noch eine Verpflichtung des T r G E , den Übertritt der Feuchtigkeit zu verhindern, gegründet werden. b) M i t R ü c k s i c h t auf eine a l l g e m e i n e U n t e r h a l t u n g s v e r p f l i c h t u n g ? Für den T r G E besteht grundsätzlich auch keine normale Unterhaltungspflicht mehr gegenüber den durch Kriegseinwirkung zerstörten Gebäuden, denn es kann ihm nicht zugemutet werden, das Haus lediglich zu dem Zwecke wieder instandzusetzen oder gar aufzubauen, um Schädigungen des Nachbarn zu verhindern20). 17 ) Die Ländervorschriften des nachbarlichen Wasserrechts sind oben zu § 16 II 4 wiedergegeben. ") HW50, 181 u. 273; ebenso OLG Düsseldorf in NJW 53, 1394 u. LG Frankfurt a. M. in EMW 51 Nr. 106. ") HW 51, 34920 ) OLG Düsseldorf in NJW 53,1394; LG Berlin in HW 50,293; LG Köln in JR 5, 339; Glaser in DWW 51, 120; Brumby in HW 50, 150.
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c) N a c h den §§ 836, 823 B G B ? Eine Rechtspflicht des T r G E kann auch — entgegen der Ansicht des Kammergerichts 21 ) — nicht allgemein aus den §§836 und 823 B G B gefolgert werden. Zwar wurde die Entscheidung des Reichsgerichts in R G 52, 375 vielfach so verstanden, als ob damit habe gesagt sein sollen, in Verallgemeinerung des in § 836 B G B enthaltenen Rechtsgedankens sei jeder Grundstückseigentümer allgemein verpflichtet, einen Schaden zu verhüten, der von seinem Grundstück dem Nachbarn drohe, soweit dies bei billiger Rücksicht auf die Interessen des anderen erwartet werden könne. Dieser Auslegung ist das Reichsgericht aber in seinen späteren Entscheidungen in R G 134, 231 und 149, 210 entgegengetreten und hat dort ausgeführt, daß aus dem bloßen Eigentum allein eine Rechtspflicht zur Schadensverhütung nicht zu folgern sei 22 ); unterlasse es also der Eigentümer bei einem von Natur gegebenen Zustand seines Grundstücks die Einwirkung von Naturkräften auf das Grundstück und die hieraus sich ergebende Beeinträchtigung des Nachbarn zu verhindern, so könne hieraus allein ein Haftungsgrund nicht hergeleitet werden. Die analoge Anwendung des § 836 B G B könnte entsprechend dem dieser Vorschrift zu Grunde liegenden Zweckgedanken auch wohl nur dann gerechtfertigt sein, wenn der allgemeine Verkehr und seine Sicherung sie erforderten 23 ). Diese Voraussetzung für eine ausdehnende Anwendung des § 836 B G B wäre aber in Fällen der vorliegenden Art, die lediglich Feuchtigkeitsschäden am Nachbarhaus betreffen, nicht gegeben. Eine Rechtspflicht des T r G E zur Beseitigung von Feuchtigkeitseinwirkungen läßt sich also aus § 836 B G B nicht begründen. Erst recht gilt dies für die Vorschrift des § 823 B G B . Die Ansicht des Kammergerichts aaO., aus § 823 B G B lasse sich allgemein die Rechtspflicht herleiten, einen Schaden des Nachbarn zu verhüten, soweit dies bei billiger Rücksicht auf dessen Interessen erwartet werden könne, da die Pflicht, niemand widerrechtlich Schaden zuzufügen, zugleich die Pflicht in sich schließe, Schaden eines anderen zu verhüten, ist nicht haltbar. Das Kammergericht verkennt dabei, daß ebenso wie ein schadenstiftendes Handeln auch ein Unterlassen grundsätzlich nur dann zur Haftung führt, wenn es selbst widerrechtlich ist; auch das Unterlassen der Verhütung eines Schadens kann somit nur dann verantwortlich machen, wenn die Unterlassung deshalb gegen das Recht verstieß, weil auf Grund einer besonderen Rechtsnorm eine Rechtspflicht zum Handeln begründet war. Die Ansicht des Kammergerichts, daß jedermann verpflichtet sei, bei Meidung seiner Ersatz31 ) HW 51,549. Diese Ansicht ist im Urteil des K G vom 17. 11. 1953 — 9 U 1516/53 — grundsätzlich aufrecht erhalten (vgl. Clausnitzer in HW 54, 28). 22 ) Vgl. auch Weskott in N J W 53, 1109; Wüsthoff in HW 50, 181; O L G Düsseldorf in N J W 53, 1394. S. auch oben § 38 I 2. » ) Vgl. K G in HW 51, 349.
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pflicht den einem anderen drohenden Schaden zu verhüten, würde zu einer praktisch einfach nicht durchführbaren allgemeinen Verpflichtung zur Beistandschaft oder allgemeinen Hilfeleistung führen. d) N a c h § 242 B G B ? . Schließlich gibt auch die Vorschrift des § 242 BGB 2 4 ), die gleichermaßen im Schuld-wie im Sachenrecht gilt, keine Rechtsgrundlage für eineRechtspflicht desTrGE,Feuchtigkeitseinwirkungen zu verhindern, ab. Hiergegen spricht vor allem die Erwägung, daß damit dem durch den Krieg ohnehin schon hart betroffenen T r G E ein zusätzliches, nicht zumutbares Opfer auferlegt würde 28 ); dabei muß die Tatsache außer Betracht bleiben, daß dem T r G E auf Grund der §§ 13 I 1, 31, 3 9 I 1 L A G , §§4, 13 Feststellungsges. der Kriegssachschaden in beschränktem Umfang vergütet wird und auch steuerliche Berücksichtigung erfährt, da es sich hierbei immer nur um einen Teilersatz handeln kann, der den tatsächlichen Vermögensschaden niemals aufwiegt, so daß der T r G E im Falle des Wiederaufbaus zu erheblichen eigenen finanziellen Anstrengungen gezwungen ist. Allerdings ist der Grundstückseigentümer zu solchen finanziellen Maßnahmen auch dann gezwungen, wenn sein Haus nicht durch eine Einwirkung des modernen Krieges, sondern durch Blitzschlag zerstört wird; trotzdem muß man in letzterem Falle sowohl den adäquaten Ursachenzusammenhang wie auch die Haftung des T r G E bejahen; denn es handelt sich bei dem im Einzelfall auf Blitzschlag unmittelbar oder mittelbar beruhenden Schäden nicht nur um solche, gegen die jeder Gebäudeeigentümer versichert ist, sondern zugleich um solche, die nach Entstehungsursache und Auswirkungen bereits bekannt waren, als der Gesetzgeber die hier anzuwendenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts schuf und die er daher bei Erlaß jener Bestimmungen mitregeln konnte. Von alledem kann aber keine Rede sein, soweit die Einwirkungen eines modernen totalen Krieges und die von diesem ausgehenden Schäden in Frage stehen. Hierbei handelt es sich um Katastrophen unübersehbaren Ausmaßes, die nicht nur über den Einzelnen, sondern über ein ganzes Volk mit elementarer Gewalt hereinbrechen und unabsehbare Schäden persönlicher und wirtschaftlicher 24 ) Unter Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben hat das L G Köln (EMW 53 Nr. 397), das grundsätzlich einen von der hier vertretenen Auffassung abweichenden Standpunkt einnimmt, die Rechtspflicht des T r G E zur Beseitigung von Feuchtigkeitseinwirkungen für den Fall verneint, daß das beeinträchtigte Gebäude erst nach erfolgter Zerstörung des Nachbargrundstücks errichtet worden ist, da bei dieser Sachlage der Bauherr den vorhandenen Zustand erkannt habe und sich nach diesem auf dem Baugelände vorgefundenen Zustand richten müsse. Dem steht entgegen, daß der Störer sich grundsätzlich nicht auf seine Priorität berufen kann. — Wie hier L G Köln (14. Z K )
in J R 55. 339-
25 ) O L G Hamm in N J W 54, 273; L G Köln in J R 55, 339; A G Frankfurt-M. in Hess. HausbZtg. 50 Nr. 1 1 ; Brumby in HW 50, 150; Glaser in DWW 51, 120. A. M. K G in seinem Urteil vom 17. ix. 1953 — 9 U 1516/53 — (vgl. Clausnitzer in HW 54, 28),
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I V Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Art bringen. Ihnen gegenüber erscheint jeder Lösungsversuch auf Grund der vorhandenen Rechtsnormen des B G B von vorneherein zum Scheitern verurteilt, und diese unter ganz anderen Voraussetzungen erlassenen Gesetzesbestimmungen müssen hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit notwendig versagen. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß die Schäden des modernen Krieges sich einer rechtlichen Beurteilung überhaupt entzögen; denn nach heutiger Rechtsauffassung, die ihren historischen Ausgang von den — allerdings nur im Gnadenweg gewährten — Maßnahmen des preußischen Königs nach der Katastrophe des 7-jährigen Krieges genommen haben dürfte, alsdann ihren Niederschlag in gesetzlichen Vorschriften 26 ) — wie z. B. in den beiden Reichsgesetzen vom 14. 6. 1871 über den Ersatz von Kriegsschäden und Kriegsleistungen bzw. über Beihilfen an die aus Frankreich ausgewiesenen Deutschen, im Gesetz über die Feststellung von Kriegsschäden vom 3. 7. 1916 (RGBl. 675), in der Personenschaden V O vom 1 0 . 1 1 . 1 9 4 0 (RGB1.I 1482), in der KriegssachschädenV O vom 3 0 . 1 1 . 1940 (RGBl. I 1547) — gefunden hat und schließlich durch das Lastenausgleichsgesetz vom 14. 8. 1952 (BGBl. I 791) erneut bestätigt worden ist26"), kann dem einzelnen von einem solchen nationalen Unglück Betroffenen nicht zugemutet werden, die Last des entstandenen Schadens allein zu tragen; vielmehr steht ihm gegenüber der Allgemeinheit ein Rechtsanspruch darauf zu, daß diese im Sinne eines allgemeinen Ausgleichs der Lasten helfend eingreife und die Beseitigung der entstandenen und noch entstehenden Schäden als eine grundsätzlich ihr allein obliegende Aufgabe durchführt 27 ). Auch hieraus ergibt sich also, daß den T r G E grundsätzlich 2 ' ) Vgl. die Zusammenstellungen bei Schwandt, Das deutsche Kriegssachschädenrecht, 2off.; Danckelmann-Kühn, Besatzungsschädenrecht, Einl. I 28/29; B G H Z 1 1 , 5 3 ff. 26a ) Durch § J73 Ziff. 3 L A G wurde die Kriegssachschäden V O aufgehoben. Damit fiel zugleich § 28 Abs. 2 dieser V O weg, der für die typischen Kriegsschadenfälle die gesetzlichen Schadenersatzansprüche gegen das Reich ausdrücklich ausgeschlossen und gegen Dritte auf die Tatbestände der vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldeten unerlaubten Handlungen beschränkt hatte (vgl. hierzu Danckelmann in N J W 5 0,676 ff.). Zu der Frage, welche Rechtswirkungen der Aufhebung des § 28 Abs. 2 K S S c h V O beizulegen sind, läßt sich den Gesetzesmaterialien nichts entnehmen. Aus dem Zweck des L A G , die Entschädigung für Kriegsschäden abschließend und umfassend zu regeln, wird man aber folgern müssen, daß — jedenfalls, soweit Ansprüche gegen den Bund in Frage stehen — diese sich ausschließlich nach den Vorschriften des L A G richten sollen und daher einAufleben von Ansprüchen in einem Umfang, der über den früher durch § 28 Abs. 2 K S S c h V O gegebenen beschränkten Rahmen hinausgehen würde, ausgeschlossen sein soll. Dritten gegenüber wird die Frage nach der Rechtswirkung der Aufhebung des § 28 Abs. 2 heute aus dem Grunde regelmäßig praktisch bedeutungslos sein, weil solchen Ansprüchen D ritter heute durchweg der Verjährungseinwand entgegenstehen wird (§ 852 B G B ) . 27 ) Ebenso B G H in N J W 54, 1160, wo ausgeführt ist: „Daß die finanziellen Lasten eines von der überörtlichen Gemeinschaft geführten Krieges und damit auch die Lasten
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keine Verpflichtung treffen kann, Feuchtigkeitseinwirkungen seines Grundstücks auf das Nachbargrundstück zu verhindern27»). Unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben muß der T r G E aber für verpflichtet erachtet werden, seinem Nachbarn zu gestatten, das Trümmergrundstück zu betreten, es — soweit erforderlich — zu entschutten und zum Zwecke des Verputzes der Giebelmauer auch Baugerüste aufzustellen28). Wegen der durch die Aufräumungsarbeiten entstehenden Kosten kann sich der Nachbar an den T r G E unter dem Gesichtspunkt des § 812 B G B erst wenden, wenn dieser sich zu einem Neubau entschlossen oder das Grundstück in anderer Weise in Benutzung genommen hat und so aus der bereits erfolgten Abräumung seines Grundstücks tatsächlichen Nutzen zieht29). Zu diesen Kosten können aber nicht die Verputzkosten der Giebelmauer gerechnet werden, da im Falle eines Anbaus der Verputz wieder beseitigt werden muß30). Aus den Grundsätzen von Treu und Glauben kann aber nicht gefolgert werden S1 ), daß der T r G E seinerseits verpflichtet sei, tätig zu werden, wenn die Beseitigung der Schadensursache nur geringfügige Kosten veranlassen würde und nur mit unerheblichen Anstrengungen verbunden wäre, während andererseits dem Nachbarn ein unverhältnismäßig hoher Schaden drohe. Ihm kann nur angesonnen werden, den beeinträchtigten Nachbarn selbst auf dem Trümmergrundstück Abwehrmaßnahmen treffen zu lassen. Warum sollte auch dem Nachbarn die Beseitigung der Schadensursache nicht selbst zugemutet werden, obwohl nur ihm der Schaden droht und die Abwehrmaßnahmen — auch für ihn — nur mit geringen Kosten und Mühen verbunden wären? der Kriegs- und Kriegsfolgeschäden in der Regel und in der Hauptsache nicht von den örtlichen, sondern von der überörtlichen Gemeinschaft — nämlich dem Staat — zu tragen sind, ergibt sich von selbst". 2,a ) Ebenso die herrschende Meinung: Vgl. Staudinger R N 30 zu § 1004 B G B ; Meisner-Ring § 38 I 2; O L G Düsseldorf N J W 53, 1394; O L G Hamm N J W 54, 2 7 3 ; O L G K ö l n B B 5 5 , 1 7 9 u. N J W 5 6 , 1 5 6 4 ; Westermann § 36 II 2; Glaser-Dröschel Nr. 44 g cc; abweichend: L G Hagen N J W 53, 266; WeskottNJW 5 3 , 1 1 0 9 ; Bartsch N J W 56,1266. 2S ) O L G Düsseldorf N J W 53, 1394; O L G Hamburg M D R 56, 352; O L G Köln N J W 56, 1564; O L G Oldenburg NdsRpfl. 56, 54 u. VersR 55, 445; im Ergebnis ebenso O L G Hamm in N J W 54, 273; L G Köln in E M W 53, Nr. 397 u. VersR 55, 287; L G Essen in Westd. Türmer 52 Heft 10; Staudinger R N 8 (c) zu § 907 B G B ; Hagemann in H W 52, 227; Glaser in D W W 51, 120. Glaser-Dröschel Nr. 44 g cc. Vgl. auch oben § 14 Anm. 16. Ergänzend ist hier auf das vereinzelt noch in Geltung gebliebene Hammerschlags- und Leiterrecht zu verweisen (vgl. oben § 28 I). 2e ) L G Essen in Westd. Türmer 52, Heft 10; L G Köln E M W 53 Nr. 397 für den Fall, daß der Nachbar erst nach eingetretener Zerstörung ein Gebäude errichtet. so ) Hagemann in H W 52, 227; vgl. auch L G Essen a. a. O. 31 ) So L G Berlin in H W 5 2 , 2 9 3 ; Glaser H W W 51, 120.
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III. E i n d r i n g e n der F e u c h t i g k e i t d u r c h eine h a l b s c h e i d i g e Grenz-(Giebel-) Mauer Eine besondere Erörterung erheischt die Frage, ob sich an dem oben gefundenen Ergebnis dann etwas ändern müßte, wenn die Feuchtigkeit durch eine gemeinsame oder besser gemeinsam gewesene Giebelmauer in das Nachbargrundstück eindringt. Hagemann 32 ) ist der Ansicht, daß auch nach der Zerstörung nur des einen Hauses die Grenzmauer noch dem Vorteil beider Grundstücke diene, da sie nach wie vor beide Grundstücke scheide und ihnen als Hausabschluß oder als Möglichkeit zum erneuten Anbau diene; der T r G E sei also in Fällen solcher Art regelmäßig verpflichtet, die halben Kosten für die Trockenlegung der Kommunmauer beizusteuern. Eine Ausnahme hiervon sei allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die Wiederbebauung des Trümmergrundstücks, z. B. infolge städtebaulicher Maßnahmen, unzulässig sei. Das O L G Hamm 33 ) vertritt die Ansicht, daß im Falle der Zerstörung beider Häuser die gemeinschaftliche Brandmauer eine Grenzanlage, die dem Vorteil beider Grundstücke diene, nicht mehr darstelle. Das darauf beruhende Gemeinschaftsverhältnis, auf das nach § 922 Satz 3 B G B die Vorschriften über die Gemeinschaft anzuwenden seien, sei der Natur der Sache nach vorläufig beendet. Schließlich sei bei Einrichtungen der in § 921 B G B genannten Art nur ein Benutzungsrecht, nicht aber eine Benutzungspflicht gegeben, was schon früher 34 ) zu der Anerkennung des Grundsatzes geführt habe, daß ein Haus an einer solchen gemeinschaftlichen Brandmauer abgerissen werden könne, ohne daß dem Nachbarn Ansprüche gegen den anderen auf Mitwirkung bei der Unterhaltung oder auf Beteiligung an den Unterhaltungskosten zustünden. Hierzu ist folgendes festzustellen34®): Nach der Zerstörung nur eines der beiden mit der Giebelmauer verbundenen Häuser geht diese in das Alleineigentum des Eigentümers des anderen Hausgrundstücks über und verliert damit zugleich ihre Eigenschaft als Grenzeinrichtung 35 ). In diesem Falle obliegt die Verpflichtung zur Unterhaltung der Grenzmauer ausschließlich dem Alleineigentümer der Mauer, also n i c h t dem T r G E . Sind beide Häuser zerstört worden und ist die Giebelmauer allein stehen geblieben, so steht sie im ideellen 32 ) HW 52, 227. Ebenso L G Köln in J R 55, 339, das die gemeinsame Unterhaltungs33 pflicht gemäß §§ 741, 921, 922 B G B bejaht. ) N J W 54, 27}. 34 ) Vgl. hierzu Hamm in Rspr. 26, 32 und R G K § 922 B G B Anm. 5, wo ausgeführt ist, daß kein Recht darauf besteht, daß der Nachbar es unterläßt, durch Abbruch seines Hauses die Mauer den Einflüssen der Witterung auszusetzen. 34a ) Vgl. auch Moeller N J W 55, 183. 35 ) Siehe oben § 7 N. 7 bis 8; § 7 III 3; § 8 II u. III; § 9 II 4 b .
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Miteigentum der beiden T r G E und ist Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 B G B geblieben 36 ). In solchem Falle sind beide Grundstückseigentümer grundsätzlich zur gemeinsamen Unterhaltung de*. Grenzmauer verpflichtet. Mit Rücksicht darauf aber, daß hier die Giebelwand ihrem Hauptzweck, wesentlicher Bestandteil der beiden angrenzenden Häuser zu sein, nicht erfüllt und ihre Funktion bis zum Wiederaufbau wenigstens eines der beiden Häuser sich in der grenzscheidenden Wirkung erschöpft, erscheint eine Unterhaltungsverpflichtung durch die T r G E solange nicht zumutbar, als nicht angebaut und die Mauer ihrem Hauptzweck wieder zugeführt ist 37 ); unter solchen Umständen r u h t daher die Unterhaltungsverpflichtung der TrGE 3 8 ). Macht später einer der T r G E von seinem Anbaurecht Gebrauch, so ist er nach § 812 B G B zur hälftigen Erstattung der inzwischen von seinem Nachbarn auf die Giebelmauer verwendeten Kosten insoweit verpflichtet, als diese für die notwendige Unterhaltung der Mauer verwendet worden und noch im Zeitpunkt des Anbaues durch den T r G E für diesen von Vorteil sind 38a ). IV. E r g e b n i s Hiernach ist festzustellen, daß der T r G E n i c h t verpflichtet ist, die ohne sein Zutun von seinem Trümmergrundstück ausgehenden Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks abzustellen 39 ). Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben 40 ) besteht für ihn lediglich die 3e )
Vgl. oben § 7 N. 7 bis 8; § 7 III 3; § 8 II u. III; § 9 II 4 a. Vgl. oben § 9 II 4 a. 38) Siehe aber unten N. 40 u. 41. 38a ) Ebenso Staudinger RN 40 zu § 921 BGB. 3») Ebenso O L G Köln NJW 56, 1564; O L G Düsseldorf NJW 53, 1394; L G Kassel MDR 59, 844; Staudinger RN 30 zu § 1004 B G B ; Glaser-Dröschel Nr. 44 g cc; O L G Oldenburg in NdsRpfl. 56, 54 und O L G Hamburg in MDR 56, 352 (dieses allerdings mit unzutreffender Begründung, da der Eigentümer, der wieder aufbaut, nur sein gutes Recht ausübt und nicht als sein „eigner Störer" gelten kann); a. M. Bartsch NJW 56, 1266. 40) Die Entscheidungen der Vollversammlg. des L V G Rheinland-Pfalz in Koblenz vom 13. 3. 1953 (EMW 53 Nr. 400) und des O V G Münster (Westf.) vom 31. 1. 1952 (Betrieb 52, 288) bejahen zwar die Zustandshaftung nach § 20 P V G grundsätzlich auch hinsichtlich des kriegsverursachten polizeiwidrigen Zustandes; sie halten den Polizeipflichtigen aber für die Beseitigung des polizeiwidrigen Zustandes dann nicht für verpflichtet, wenn diese ihm wirtschaftlich unmöglich, d. h. bei Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zumutbar ist (ebenso B G H in NJW 55, 258). Nach B G H VersR 55, 106 sind zur Beseitigung einer unmittelbaren Einsturzgefahr, die von einer gemeinsamen Giebelmauer ausgeht und dem Straßenverkehr droht, die Eigentümer der benachbarten Grundstücke als Miteigentümer der Giebelmauer auch dann verpflichtet, wenn es sich um kriegsbeschädigte Ruinengrundstücke handelt; läßt daher der Eigentümer des einen Grundstücks die Giebelmauer niederreißen, so ist der Eigentümer des anderen Grundstücks zum anteiligen Ersatz der Aufwendungen nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auch dann verpflichtet, wenn 37)
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Verpflichtung, dem Nachbarn zu gestatten, auf eigene Kosten die Ursache der Beeinträchtigungen zu beseitigen, indem er ihm das Betreten und Entschutten des Grundstücks sowie — falls erforderlich — das Aufstellen eines Baugerüsts erlaubt. Nimmt der T r G E später sein Grundstück, insbesondere durch Wiederaufbau, wieder in Gebrauch, so hat er nach § 812 B G B die Kosten der Aufräumung des Trümmergrundstücks und der Trockenlegung der Kommunmauer dem Nachbarn hälftig insoweit zu erstatten, als sich für ihn die getroffenen Maßnahmen noch zum Vorteil auswirken oder ihm Ausgaben erspart bleiben 41 ). § 39. Die besondere Gestaltung der Eigentumsfreiheitsklage gegenüber konzessionierten gewerblichen Anlagen § 16 GewO 1 ) (1) Zur Errichtung von Anlagen, welche durch die örtliche Lage oder die Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publikum überhaupt erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können, ist die Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich. Für Anlagen, die Teile von Anlagen sind, für die eine auf § 24 beruhende Erlaubnis erforderlich ist, wird die Genehmigung zur Errichtung und wesentlichen Veränderung nach den Vorschriften des Erlaubnisverfahrens erteilt. (2) Abs. 1 gilt auch für Anlagen des Bergwesens und für Anlagen, die nichtgewerblichen Zwecken dienen, sofern sie im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden. (3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die unter Abs. 1 fallen. Sie erläßt mit Zustimmung des Bundesrates als Technische Anleitung allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Grundsätze, die die Genehmigungsbehörden bei der Prüfung der Genehmigungsanträge zu beachten haben. Die Bundesregierung beruft zu ihrer ständigen Beratung einen Ausschuß, der vor Erlaß der Rechtsverordnungen und diese Maßnahmen nicht seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprochen haben. Die Polizeipflichtigkeit des T r G E wird auch vom O V G Berlin bejaht (JR 55, 270), dagegen schlechthin verneint vom Bez.VerwG für die brit. Zone (HW 50, 321) und dem V G H Freiburg (HW 52, 464). Vgl. auch oben § 19 III. 41 ) Über die Verpflichtung zum anteiligen Tragen der Kosten, die durch das aus Gründen der öffentlichen Sicherheit notwendig gewordene Niederreißen einer Kommunmauer, die von zwei früher einander angrenzenden, inzwischen zerbombten Häusern allein zurückgeblieben ist, entstehen, vgl. oben N 40 sowie § 19 III. i. d. F. vom 22. 12. 1959 (BGBl. I S. 781).
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der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu hören ist. Dem Ausschuß sollen Vertreter der Behörden, der kommunalen Spitzenverbände, der Wissenschaft und der Technik, der technischen Überwachung, des Gesundheitswesens, des Bergwesens, der gewerblichen Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft sowie des Haus- und Grundbesitzes angehören. Die Mitgliedschaft ist ehrenamtlich. pp. § 26 GewO Soweit die bestehenden Rechte zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen, welche von einem Grundstück aus auf ein benachbartes Grundstück geübt werden, dem Eigentümer oder Besitzer des letzteren eine Privatklage gewähren, kann diese Klage einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage gegenüber niemals auf Einstellung des Gewerbebetriebs, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, oder, wo solche Einrichtungen untunlich oder mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar sind, auf Schadloshaltung gerichtet werden. I. V o r a u s s e t z u n g e n des § 26 G e w O Durch die Bestimmung des § 26 der GewO, welche als lex specialis den Vorschriften des B G B vorgeht, wird für die dort vorgesehenen Fälle eine Beschränkung bzw. Änderung des Eigentumsfreiheitsanspruchs herbeigeführt. Die Anwendbarkeit des § 26 GewO ist daher ausgeschlossen, wenn ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 B G B an sich nicht gegeben ist 1 ). Es kann nämlich nach § 26 GewO einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage gegenüber niemals auf Einstellung des Betriebs, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen oder, wo solche Einrichtungen nicht tunlich oder mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes unvereinbar sind, auf Schadloshaltung geklagt werden. Den Schutz des § 26 GewO genießt nur die fertige Anlage; die Abwehr von Störungen, die bei der Herstellung der Anlage erfolgen, wird daher durch § 26 GewO nicht beschränkt2). Wer nach § 906 Abs. 2 S. 1 B G B zur Duldung der Immission verpflichtet ist, kann nicht nach § 26 GewO die Herstellung von Einrichtungen verlangen, die die Immissionen ausschließen: L G Hamburg MDR 65, 45. 2 ) O L G 39, 2 1 } (Arbeiteraborte während der Bauausführung). JI
Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 5. A u f l .
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§ 26 GewO setzt voraus: 1. daß der Anspruch erhoben wird auf G r u n d des g e s e t z l i c h e n N a c h b a r r e c h t s 3 ) . Eine auf besonderem privatrechtlichen Titel (Grunddienstbarkeit oder obligatorische Zusage) beruhende Klage kann auf Unterlassung auch dann gerichtet werden, wenn der Unterlassungsanspruch nur durch Einstellung des Betriebs erfüllt werden kann 4 ); 2. daß es sich um eine g e w e r b l i c h e A n l a g e handelt, für welche die Gewerbeordnung besondere behördliche Genehmigung erfordert. Allgemein sind dies Anlagen, die durch die örtliche Lage oder die Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Nachbarschaft erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können (§ 16 Abs. 1 GewO); dabei kann es sich auch um Anlagen des Bergwesens oder um solche handeln, die nicht gewerblichen Zwecken dienen, sofern sie nur im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden (§ 16 Abs. 2 GewO). Auf welche Anlagen diese Voraussetzungen aber konkret zutreffen, bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (§ 16 Abs. 3 GewO); dies ist geschehen durch die V O vom 4. 8. i960 (BGBl. I S. 690)5). Nach § 2 dieser V O findet § 26 GewO keine Anwendung auf ortsveränderliche Anlagen, von denen den Umständen nach zu erwarten ist, daß sie nicht länger als 6 Monate an demselben Ort betrieben werden. Hierzu kommen dann noch die in § 24 der GewO angeführten Dampfkessel. Unter § 16 GewO fallen beispielsweise Ba) Feuerungsanlagen für feste oder flüssige Brennstoffe mit einer Leistung von 800000 Kai. 8 ), Müll« 3 ) Gleichviel, ob vom Eigentümer (§ 1004 B G B ) oder vom Besitzer (§ 862 BGB). Vgl. auch oben N . 1. 4 ) Mandry, Der zivilrechtliche Inhalt der RGew. 3 7 1 ; R G 93, 105; B a y O G H 1 1 , 520. — Berger-Wilhelmi, G e w O Anm. zu § 26 GewO. — Vgl. R G 13, 52. Bolze 11 Nr. 82 (Vereinbarung einer bestimmten Stauhöhe). In solchen Fällen kann die Verwaltungsbehörde die Bewilligung vorbehaltlich zivilrechtlicher Austragung erteilen oder bis zur Beseitigung des Einspruchs versagen (BayVGH 2, 94). In R G 93, 105 ist darauf hingewiesen, daß bei einem vertragsmäßigen Anspruch die Einrede der nachträglichen Unmöglichkeit (Millionenschaden) in Frage kommen könne (§§ 275, 242 BGB). Vgl. oben
§ 38 N . 79. 6 ) Das Verzeichnis ist erschöpfend und duldet wie das früher in § 16 G e w O selbst enthalten gewesene Verzeichnis grundsätzlich keine entsprechende Anwendung auf andere Anlagen (Vgl. zum früheren Recht: R G 104, 8 1 ; O L G Karlsruhe in D J 40, 875). 6a ) Auf Anlagen zur Erzeugung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe findet § 16 G e w O keine Anwendung ( § 8 Abs. 1 AtomG — BGBl. 59 I 814 u. 69 I 1429), da diese bereits nach § 7 AtomG genehmigungspflichtig sind. Vgl. ferner die Vorschriften des LuftverkehrsG (BGBl. 68 1 1 1 1 3 ) , des WasserhaushaltsG (BGBL 57 I 1 1 1 0 , 59 I 37 u. 64 I 6 1 1 ) und der Landeswassergesetze; vgl. zu diesen Gesetzen unten § 43 D III i b , e u. f sowie oben § 16 I 4. 6 ) § 1 Nr. 1 V O zu § 16 G e w O (BGBl. 60 I 690).
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Die besondere Gestaltung der Eigentumsfreiheitsklage gegenüber konzessionierten gewerblichen Anlagen
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verwertungs-, Müllverbrennungs- oder Müllabbauanlagen7), Anlagen zum Brennen oder zum Mahlen bestimmter Mineralien, Ziegelöfen, Schotterwerke und Schlackenmühlen8), Anlagen zur Gewinnung von Roheisen und rohen Nichteisenmetallen9), Anlagen zum Rösten, Schmelzen oder Sintern metallischer Stoffe 10 ), bestimmte Anlagen zur Stahlerzeugung 11 ), Gießereien 12 ), Prüfstände für Verbrennungsmotoren und Verbrennungsturbinen 13 ), chemische Fabriken 14 ), Kalifabriken 15 ), Gasanstalten16), Anlagen zur Herstellung, Gewinnung, Bearbeitung, Verarbeitung, oder Vernichtung von Explosivstoffen (Munition und Feuerwerk) 17 ), öffentliche Schlachthöfe und Schlachthäuser von Fleischwarenfabriken, ausgenommen Schlachthäuser für Geflügel 18 ), Tierkörperbeseitigungsanlagen 19 ), Gerbereien 20 ), Gelatine- und Leimherstellungsanlagen20a), Kokereien und Schwelereien206), Asphaltschmelzen, Asphaltkochereien, Pechsiedereien, Teersplittanlagen20c), Brikettfabriken20"1), Anlagen zur Trocknung von Grünfutter, ausgenommen Anlagen zur Trocknung von selbst gewonnenem Grünfutter im landwirtschaftlichen Betrieb mittels Kaltluft 20e ). Ferner sind vereinzelt auf Grund des Art. 125 E G B G B durch Landesgesetz 20 ') die Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- und ähnliche Unternehmungen des öffentlichen Verkehrs (Omnibusunternehmen) den genehmigungspflichtigen Anlagen des § 26 GewO gleichgestellt worden (§ 30 BadWürtt. N R G vom 14. 12. 1959 (BWGB1. S. 171); § 46 BraunschwAG; Art. 92 HessAG für das Gebiet des früheren Großherzogtums, späteren Volksstaats Hessen). Eine entsprechende Regelung wie in § 26 GewO gilt ferner für polizeilich genehmigte Flughäfen, zu denen aber nicht Landeplätze, z. B. für Hubschrauber, sowie Segelfluggelände zählen (§§ 1 1 , 6 LuftverkehrsG — BGBl. 68 I 1 1 1 3 —). Gleiches gilt ferner für Anlagen, die nach den Vorschriften des WasserhaushaltsG (BGBl. 5 7 1 S. 1 1 1 0 , 59 I 37 u. 6 4 1 6 1 1 ) genehmigt sind ( § 1 1 Abs. 1 WHG); darauf ist es zurückzuführen, daß in der oben I 2 erwähnten V O Stauanlagen mit Wassertriebwerken nicht mehr aufgeführt sind. Schließlich gilt die Regelung nach § 26 GewO sinn7
) ) ») 10 ) u ) 12 ) 13 ) ") 1S )
§ 1 Nr. 21 V O a. a. O. § 1 Nr. 22 V O a. a. O. § 1 Nr. 23 V O a. a. O. § 1 Nr. 24 V O a. a. O. § 1 Nr. 28 V O a. a. O. 20a ) § 1 Nr. 34 V O a. a. O. 20 ») § 1 Nr. 39 V O a. a. O. 2 °«) § 1 Nr. 40 V O a. a. O. 20 ) § 1 Nr. 41 V O a. a. O. 20e ) § 1 Nr. 52 V O a . a . O . 20t ) Das frühere Preußen sowie Nordrhein-Westfalen haben von der Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht: B G H N J W 6o, 2335. 8
51*
§ 1 Nr. 2 V O a. a. O. § 1 Nr. 3 V O a. a. O. § 1 Nr. 4 V O a. a. O. § 1 Nr. 5 V O a. a. O. § 1 Nr. 6 V O a. a. O. § 1 Nr. 7 V O a. a. O. § 1 Nr. 14 V O a. a. O. § 1 Nr. 15 V O a. a. O. § 1 Nr. 16 V O a. a. O.
") ") ) ") 20 )
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8 39 [ 3
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
gemäß für genehmigte Anlagen zur Erzeugung oder Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe (§7 Abs. 4 AtomG — B G B l . 59 I S. 814 u. 69 I 1429 —). „Gewerbliche Anlagen" im Sinne des § 16 GewO sind Vorrichtungen zur gewerblichen Erzeugung. Niederlagen (z. B. von Lumpen) fallen nicht darunter, wenn sie nicht Bestandteil einer solchen Anlage sind 21 ). Die Kläranlagen einer Stadt fallen nicht unter § 16 GewO 22 ). Zu den gewerblichen Anlagen gehört außer den Betriebsstätten das Zubehör, d. h. alles, was zur zweckentsprechenden Herstellung der genehmigungspflichtigen Anlage nötig ist, also auch die zur Fortschaffung von Abfällen und Abwässern erforderlichen Einrichtungen 23 ), nicht dagegen weitere Anlagen des Betriebs, die nicht der genehmigungspflichtigen Anlage und ihrer Benutzung dienstbar sind24). Deshalb findet § 26 GewO keine Anwendung auf die außerhalb der genehmigungspflichtigen Gasbereitungs- und -bewahrungsanstalt befindliche, in dem Rohrnetz verkörperte Anlage, die dazu dient, das bereitete Gas den Straßen und Häusern zuzuführen 25 ); 3. daß die b e h ö r d l i c h e G e n e h m i g u n g v o n der z u s t ä n d i g e n g e w e r b e p o l i z e i l i c h e n B e h ö r d e e r t e i l t worden ist26). Es ist eine Genehmigung im Sinne der Gewerbeordnung erforderlich. Die gewöhnliche p o l i z e i l i c h e Genehmigung ist nicht einschlägig27). Der Schutz des § 26 GewO wird nur für den genehmigten Dampfkessel ( § 2 4 GewO), nicht aber für die mit diesem ein Ganzes bildenden, nicht genehmigten Anlagen, z. B. eine mit dem Dampfkessel verbundene Dynamomaschine gewährt 28 ). Denn im Gegensatz zu den Fällen des § 16 GewO, in denen die g e s a m t e gewerbliche Anlage mit allem, was dazu g e h ö r t , der gewerbepolizeilichen Genehmigung bedarf, ist diese in § 24 der GewO ausdrücklich auf einen bestimmten Teil der Anlage (den Dampfkessel) beschränkt. Die Gewerbebetriebe selbst werden, falls sie an sich nicht ge21
) B a y O V G 42, 276; SeuffBl. 69, 21 (BayObLG). ) B a y Z 18, 50 (RG). ) B a y V G H 15, 4 1 2 ; Voraussetzung der Anwendung des § 26 GewO auf eine für den Fabrikbetrieb notwendige Anlage zur Fortschaffung der Abwässer ist jedoch, daß diese Anlage in dem der Behörde eingerichteten Plane vorgesehen war (RG 86, 234). 24 ) Vgl. R G 104, 82. 25 ) R G D R 44, 4 1 0 ; R G 63, 274; JWo6, 554; SeuffA 79 Nr. 172 (RG). Vgl. unten 25a § 43 D III 1 d. ) Vgl. dazu oben § 16 II 4. 28 ) Diese Voraussetzung ist auch gegeben, wenn die Konzession vor Inkrafttreten der G e w O nach Landesrecht erteilt ist, sofern die Errichtung einer solchen Anlage nach § 16 G e w O jetzt der Genehmigung bedarf (Riehl bei Gruchot 51, 1 5 2 ; J W 86, 120 R G ; Bolze 2 Nr. 1 5 1 ; WarnE 14 Nr. 189; a. M. R G 1 1 , 185; Bolze 2 Nr. 150). 27 ) Landmann-Rohmer, GewO Anm. 3 zu § 26 G e w O ; R 03 Nr. 2887 für eine nur der polizeilichen Erlaubnis bedürfende Eismaschine einer Brauerei. 28 ) R G 4 0 , 182. SeuffA 38 Nr. 159 (RG). 22
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nehmigungsbedürftig sind, dies auch nicht dadurch, daß sie Dampfkessel benutzen, welche der Genehmigung bedürfen. Der Schutz des § 26 GewO ist daher im Falle des § 24 GewO nur für die Dampfkesselanlage selbst, nicht aber auch für die Feuerungsanlage gegeben 29 ), obwohl ohne diese eine Benutzung des angelegten und genehmigten Dampfkessels gar nicht möglich ist; 4. daß die gewerbliche Anlage unter E i n h a l t u n g der in der b e h ö r d lichen G e n e h m i g u n g g e m a c h t e n A u f l a g e n , durch welche eine Verminderung der betreffenden Einwirkungen bezweckt wird, errichtet worden ist 30 ). Dabei ist zu beachten, daß für eine Veränderung der Betriebsstätte31) und, soweit die Anlagen der §§ 16, 24 GewO in Betracht kommen, auch für eine wesentliche Änderung 32 ) im Betrieb Genehmigung erforderlich ist [§ 25 GewO i. d. F. des Ges. vom 22. 12. 1959 (BGBl. I S. 781)]. Ist dem Unternehmer bei der Konzession die Einhaltung von Bedingungen auferlegt worden, so kann im Falle des § 907 B G B Klage erhoben werden, daß der Betriebsunternehmer künftig die Überschreitung der ihm seinerzeit auferlegten Konzessionsbedingungen unterläßt33). Handelt der Unternehmer den ihm auferlegten Konzessionsbedingungen zuwider, so kann er insoweit nach den Grundsätzen der gewöhnlichen Eigentumsfreiheitsklage in Anspruch genommen werden34). Dem Unternehmer liegt der Beweis ob, daß die Einwirkung durch eine konzessionierte Betriebshandlung herbeigeführt wird 35 ). Würde an sich nicht der Beseitigungsanspruch (§ 907 BGB), sondern nur der allgemeine Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB) bestehen, so wäre die Klage darauf zu richten, daß der Beklagte die unzulässigen Einwirkungen insoweit unterläßt, als sie bei Einhaltung der Konzessionsbedingungen ausgeschlossen wären. 2
») SeuffA 53 Nr. 180. — Vgl. B a y V G H 2, 291. ) V g l . SeuffA 38 Nr. 159. 31 ) Betriebsstätte ist der gesamte zur Ausübung benutzte Raum mit allen integrierenden Bestandteilen (SeuffBl. 70, 398). 3a ) Die Änderung ist wesentlich, wenn dadurch stärkere Belästigungen für die Nachbarn herbeigeführt werden (vgl. O V G io, 260; 24, 3 1 6 ; 29, 286 u. 309; SeuffBl. 70, 398). Die Ersetzung eines Wasserrads durch eine Turbine ist wesentlich ( O V G 43,263). Ebenso ist die Herstellung einer neuen Abwasseranlage eine wesentliche Änderung (vglPrMinBl. für Handel u. Gewerbe 15, 390). Reger io, 385. — Landmann, Anm. 5 zu § 26 GewO. M ) Bei einem Verstoß gegen die in der Genehmigungsurkunde getroffenen Anordnungen wird aus § 823 Abs. 2 B G B auf Schadensersatz gehaftet (BayZ 16, 91 RG). § 16 G e w O verbietet den Gewerbetrieb, der nicht genehmigt ist. Wird die Genehmigung unter Bedingungen und Auflagen erteilt, so ist durch § 16 GewO der Betrieb, bei dem die Bedingungen und Auflagen nicht eingehalten sind, verboten. Nicht die Anordnung der Verwaltungsbehörde stellt das Schutzgesetz dar, wie das R G a. a. O. sagt, sondern § 16 GewO. **) Riehl bei Gruchot 51, 152. 30
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II. V e r ä n d e r u n g des E i g e n t u m s f r e i h e i t s a n s p r u c h s d u r c h § 26 der G e w e r b e o r d n u n g Es ist nun zu untersuchen, inwieweit § 26 GewO auf die einschlägigen Vorschriften des B G B einwirkt bzw. was er von den hier gegebenen Ansprüchen übrig läßt. Vor allem ist zu beachten, daß § 26 GewO lediglich zur Förderung der Gewerbebetriebe eingeführt wurde. Es sollte also nicht etwa gegen den Gewerbebetrieb ein Anspruch begründet werden, der nach den allgemeinen Vorschriften nicht bestehen würde35»). Der Anspruch, welcher zum Schutz des durch den Gewerbebetrieb belästigten Grundeigentümers durch die allgemeinen Vorschriften gegeben ist, sollte in seinen Voraussetzungen nicht erleichtert werden. Daß ein Anspruch auf Einstellung des Betriebs auf Grund des § 906 B G B in keinem Falle besteht, ist bereits ausgeführt worden 36 ). Soweit aber nach § 907 B G B ein Anspruch auf Beseitigung der Anlage besteht, ist er gegenüber den gewerblich konzessionierten Betrieben im Sinne des § 26 GewO durch diese Bestimmung ausgeschlossen. Es ist klar, daß, wenn § 26 GewO nicht einmal einen Anspruch auf Betriebseinstellung zuläßt, dadurch auch der weitergehende Anspruch auf Beseitigung der Betriebsanlage entzogen ist 37 ). Hiernach stellt sich die Rechtslage für die behördlich genehmigten gewerblichen Anlagen im Sinne des § 26 GewO, wie folgt dar: 1. W e g f a l l des B e s e i t i g u n g s a n s p r u c h s . Der etwa an sich bestehende Anspruch auf Beseitigung der Anlage (§ 907 B G B ) fällt weg; an dessen Stelle tritt der Anspruch auf Herstellung der tunlichen Einrichtungen, welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen. Aber nur solche Einrichtungen können verlangt werden, welche tunlich und mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes vereinbar sind. Mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes ist alles unvereinbar, was vom Standpunkt des Unternehmens aus das in wirtschaftlicher Beziehung Unzweckmäßige in sich schließt38). Deshalb können unverhältnismäßig kostspielige Einrichtungen nicht verlangt werden, auch nicht Einrichtungen, die mit ganz erheblichen Betriebsstörungen verbunden wären. Besteht die Möglichkeit, daß nach Herstellung der tunlichen Einrichtungen doch noch unzulässige Einwirkungen übrigbleiben, für welche der Unternehmer zur Schadloshaltung verpflichtet ist, dann kommt es darauf an, ob die Kosten der Vorkehrungen zu der hierdurch bewirkten Her36a ) Vgl. oben N . 1. " ) Vgl. auch Mandry, Der zivilrechtliche Inhalt der RGes 370. 37 ) Vgl. Turnau-Förster Anm. 1 zu § 907 B G B . Für einen gleichwohl erhobenen Anspruch auf Beseitigung ist der Rechtsweg zulässig (JW 08, 302). Vgl. auch oben
§ 3 8X. 38
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) Gruchot 42, 1 3 8 ; vgl. R G 93, 103.
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§
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abminderung des Ersatzanspruchs in einem entsprechenden Verhältnis stehen39). Der Nachbar braucht sich regelmäßig40) nicht damit zu begnügen, daß die Beeinträchtigung vom Unternehmer durch Betriebseinstellung vermieden wird. Es könnte jeden Augenblick doch wieder begonnen werden, und gerade gegen solche Gefährdung wäre an sich der Anspruch auf Beseitigung gegeben, an dessen Stelle aber der mindere auf Herstellung von Einrichtungen tritt. Ist Ausschließung nicht möglich, so kann der Eigentümer des leidenden Grundstücks verlangen, daß Einrichtungen getroffen werden, welche die benachteiligenden Einwirkungen auf ein erträgliches Maß herabsetzen41). Der Anspruch auf Herstellung und Unterhaltung solcher Einrichtungen ist ein dauernder; er besteht so lange wie die beeinträchtigende Anlage. Daher ist die Klage nicht ohne weiteres schon dann abzuweisen, wenn der Beklagte im Laufe des Rechtsstreits Vorrichtungen getroffen hat, welche die beeinträchtigenden Einwirkungen in Wegfall bringen, und der Kläger trotzdem seinen Antrag aufrechterhält, denn im allgemeinen ist der Anspruch damit nur zeitweise befriedigt; der beeinträchtigte Eigentümer muß regelmäßig die Möglichkeit behalten, mit Zwangsmaßregeln vorgehen zu können, sobald die getroffenen Schutzeinrichtungen wieder beseitigt werden sollten42). Die Hauptsache ist aber als erledigt anzusehen42®), wenn einerseits die getroffenen Einrichtungen nach menschlicher Voraussicht die schädlichen Einwirkungen auf das zulässige Maß zurückführen und andererseits die Wiederbeseitigung der Schutzeinrichtungen und die Wiederaufnahme des früheren Betriebs nach der Lage der Verhältnisse nicht in Betracht kommen können426). Der Klageantrag und die Verurteilung dürfen nicht auf Herstellung konkret bestimmter Einrichtungen gerichtet werden, weil der Unternehmer in der Auswahl der ihm zu Gebote stehenden Schutzmaßregeln nicht beschränkt werden darf43). Dies bleibt der Zwangsvollstreckungsinstanz vorbehalten (§§ 887, 888 ZPO)44). Behauptet der Beklagte, daß die Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen oder mindern, überhaupt nicht tunlich ist, so trägt er hierfür im Prozeß die Beweislast. 39 ) R G 86, 234; 147, 353 (Schutzvorrichtungen für die über eine Straße führende Starkstromleitung); 156, 320 (Vorrichtungen gegen Flugkoks aus Brauerei); J W 3 1 , 40 3444 u. 38, 2969. ) Vgl. oben im Text zu § 38 N . 107ff. 41
) J W 96, 210; 00, 895; 02, Beil. 202; O L G 36, 157. " ) R G 36, 178; J W 96, 210; 98, 610. 42a ) Vgl. oben § 38 II 2 a und N . 104fr. daselbst. 42b ) R G J W 10, 654; 1 1 , 326; 27, 4 5 ; Warn. 12 Nr. 2 1 5 ; 17 Nr. 245; 19 Nr. 1 7 2 ; Gruchot 44, 866; 54, 1008. 43 ) R G 36, 178; J W 09, 5 (Kress); N J W 54, 644 (Hodes); vgl. oben § 38 II 2 a u. b und § 38 VIII. " ) Riehl bei Gruchot 51, 1 5 3 ; R G 60, 120; SeuffA 59 Nr. 21 (RG).
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2. E i n s c h r ä n k u n g des U n t e r l a s s u n g s a n s p r u c h s . Der allgemeine Anspruch 45 ) auf Unterlassung der Beeinträchtigung (§ 1004 BGB) oder der Besitzstörung (§ 862 BGB) 1 6 ) fällt dann weg, wenn Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, untunlich sind. Denn wenn dies der Fall ist, dann könnte der Eigentümer nur durch Einstellung des Betriebes dem Anspruch auf Unterlassung gerecht werden. Gerade das soll ihm aber nach § 26 GewO nicht angesonnen werden können 47 ). Aber auch die Herstellung solcher Einrichtungen, die mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes nicht vereinbar sind, soll nicht verlangt werden können, und es ist daher der Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung auch dann versagt, wenn nur durch Herstellung s o l c h e r Einrichtungen die unzulässige Beeinträchtigung vermieden werden könnte. Sind aber die Einrichtungen, welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen, tunlich, so hat der Eigentümer des leidenden Grundstücks den Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung; er kann nicht verlangen, daß tatsächlich solche Einrichtungen getroffen werden48). Es bleibt dem Unternehmer überlassen, dem Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung auch durch Betriebseinstellung zu genügen. Sind Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung a u s s c h l i e ß e n , nicht tunlich, so kann der Eigentümer des leidenden Grundstücks doch auf die Unterlassung des Übermaßes der benachteiligenden Einwirkungen klagen, um welches diese durch Herstellung der tunlichen Einrichtungen g e m i n d e r t würden49). III. A n s p r u c h auf S c h a d l o s h a l t u n g Es fragt sich nun, wie in jenen Fällen, in welchen auf Grund des § 26 GewO der negatorische Anspruch aus § 1004 B G B oder der Besitzstörungsanspruch aus § 862 B G B entzogen ist, der an dessen Stelle durch § 26 GewO verliehene Anspruch auf Schadloshaltung beschaffen ist. Für die Untersuchung dieser Frage ist eine Klarstellung des Begriffs „Schadloshaltung" erforderlich. 46 ) Nach § 51 G e w O kann die höhere Verwaltungsbehörde eine gewerbliche Anlage wegen überwiegender Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl jederzeit untersagen. 46 ) R G 105, 2 1 4 ; vgl. unten § 40. 47 ) R G 170, 44; unrichtig WürttRV 13, 247, Stuttgart, wonach nur ein auf Einstellung des Betriebes gehender Antrag ausgeschlossen sein soll, nicht dagegen ein Antrag auf Unterlassung einzelner Störungen, mag auch bei deren Durchführung der weitere Betrieb unmöglich sein. 48 ) Es handelt sich hier nur um den nach Maßgabe des § 906 B G B bestehenden Anspruch, während oben unter II 1 der weitergehende Anspruch, der aus § 907 B G B hervorgeht, erörtert ist. Vgl. auch unten III und N 60 a. 49 ) SeuffA 47 Nr. 285 (RG). J W 96, 210; 00, 895; 02 Beil. 202; O L G 35, 157. Der infolge des Vorhandenseins der geminderten Beeinträchtigung herbeigeführte Minderwert des Hauses muß ersetzt werden. Vgl. B a y O G H 6, 403. Vgl. unten III.
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Der Begriff „Schadloshaltung" wird nur dann richtig erfaßt, wenn man von der dem Anspruch zugewiesenen Aufgabe ausgeht, einen Ausgleich für die Entziehung des negatorischen Abwehranspruchs zu schaffen. Weil nun die Eigentumsfreiheitsklage Verschulden des Beklagten nicht voraussetzt, so ist auch für den Anspruch auf Schadloshaltung Verschulden des Beklagten nicht erforderlich80). Der Eigentümer soll dafür schadlos gehalten werden, daß er die Einwirkungen nicht abwehren kann, die er an sich nicht zu dulden hätte. Hierfür — aber auch nur hierfür — soll er gemäß § 26 GewO entschädigt werden. Eine in der Zukunft weiter wirkende Beeinträchtigung des Eigentums, gegen die keine Abwehr möglich ist, muß den Wert des Gegenstandes des Eigentums herunterdrücken; der dadurch herbeigeführte Minderwert ist zu ersetzen51). Der beeinträchtigte Eigentümer darf aber dadurch nicht besser gestellt werden als er stehen würde, wenn ihm der gesetzliche Abwehranspruch verblieben wäre. Deshalb wird ihm nur der Minderwert ersetzt, den sein Grundstück dadurch erleidet, daß er die Einwirkungen nicht abwehren kann, die über das nach den allgemeinen Vorschriften (insbes. § 906 BGB) zulässige Maß hinausgehen52). Die Höhe der Schadloshaltung ist nach dem Maße der derzeit63) unzulässigen Einwirkungen festzusetzen. Steigert sich später das Maß der Einwirkungen, so kann weitere Schadloshaltung für die dadurch herbeigeführte Erhöhung des Minderwerts verlangt werden. Ist der Wert des Hauses nicht nur durch die an sich unzulässigen Einwirkungen des beklagten Betriebes, sondern auch durch Einwirkung anderer Nachbarn gemindert, so hat der beklagte Betrieb nur für den von ihm verursachten Teil des 50 ) R G 47, 98; 155, 3 1 3 ; J W 01, 1 1 ; Gruchot 50, 4 1 2 (RG); vgl. Maenner 165 Anm. 44; Bolze 17 Nr. 62. Zutreffend Endemann 2, 475 Anm. 57: „ § 26 G e w O greift keineswegs der zivilrechtlichen Frage vor, ob stets eine Haftung auf Schadenersatz besteht." Das ist richtig; man muß eben die Begriffe „Schadenersatz" und „Schadloshaltung" aus61 einanderhalten. ) SeuffA 49 Nr. 236 RG. 62 ) Das R G hatte zunächst (Warn. 1 1 Nr. 404; R 1 1 Nr. 3185) die abweichende Ansicht vertreten, daß auch der „Schaden" zu ersetzen sei, der durch die nach § 906 B G B zulässigen Einwirkungen verursacht wird, denn auch dieser würde vermieden werden können, wenn dem Eigentümer der Anspruch aus § 907 B G B auf Beseitigung zustehe. Dabei wurde aber übersehen, daß dem Eigentümer der gewerblichen Anlage nach deren Beseitigung eine anderweitige Benutzung seines Grundstücks und die dadurch herbeigeführte Zuführung zulässiger Immissionen freistehen würde. Durch die Schadloshaltung soll der beeinträchtigte Eigentümer in seiner Vermögenslage aber nur so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn ihm sein Abwehranspruch durch § 26 G e w O nicht entzogen wäre. Das R G hat denn auch, nachdem es bereits in R G 70, 150 und in R G 101, 105 Schadloshaltung nur für die über das zulässige Maß hinausgehenden oder für die rechtswidrigen Einwirkungen zugebilligt hat, in R G 139, 29 (vgl. auch R G 155, 316) seine frühere Ansicht ausdrücklich aufgegeben und sich der hier vertretenen angeschlossen. — Ebenso R G K Anm. 3 3 zu § 906 B G B . 53
) R G WarnE 13 Nr. 144.
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Minderwertes schadlos zu halten 64 ). D a durch die Schadloshaltung der Nachteil, daß die Einwirkungen für alle Zukunft nicht abgewehrt werden können, ausgeglichen werden soll, muß in entsprechender 55 ) A n w e n d u n g des § 249 B G B der Zustand hergestellt werden, der bestehen würde, wenn der zur Schadloshaltung verpflichtende Umstand (Wegfall des A b w e h r anspruchs für die Zukunft) nicht eingetreten wäre. Würde der A b w e h r änspruch bestehen bleiben, so hätte das Haus einen höheren Wert. D e r Minderwert ist zu ersetzen. D e r Ersatz wird regelmäßig durch eine Kapitalabfindung zu leisten sein 58 ). E s kann aber unter Umständen auch V e r urteilung zu einer jährlichen Rente für die Dauer des Beeinträchtigungszustandes angezeigt sein, wenn mit dem Fortfall einer an sich unzulässigen Beeinträchtigung zu rechnen ist 5 7 ). Weil die Schadloshaltung den Ausgleich dafür schafft, daß für die Z u kunft die an sich unzulässigen Einwirkungen nicht abgewehrt werden können, so kann nach geleisteter Schadloshaltung der Betriebsunternehmer v o n einem Sondernachfolger des beeinträchtigten Grundstücks insoweit nicht nochmals auf Schadloshaltung in Anspruch genommen werden, als für die Entziehung des Abwehranspruchs dem Vorbesitzer der dadurch herbeigeführte Minderwert ersetzt ist 5 8 ). Eine andere Beurteilung 54 ) Eine entsprechende Anwendung des § 840 B G B kommt nicht in Frage. Wegen der anteiligen Heranziehung zum Ausgleich gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 B G B vgl. oben § 16 V 2 c (N. i24n). M ) § 249 B G B kann nicht unmittelbar, sondern nur analog angewendet werden, da er nur den „Schadenersatz" regelt, während es sich hier um den damit nicht zusammenfallenden Begriff der „Schadloshaltung" handelt. 56 ) R G K Anm. 27 hh zu § 906 B G B wendet den § 249 Satz 2 B G B an, da es sich um B e s c h ä d i g u n g einer Sache handle und somit der Zustand herzustellen sei, der bestehen würde, wenn die Einwirkungen nicht stattfinden würden. Deshalb sei grundsätzlich eine Kapitalabfindung und nur unter ganz besonderen Umständen eine zeitweise oder fortdauernd zu zahlende Rente zu gewähren (RG 45, 203; Gruchot 61, 804; JW 18, 86; BayZ 18, 81; WarnE 15 Nr. 1 4 1 ; 19 Nr. 17z). Diese Ansicht würde dazu führen, daß der Eigentümer, wenn später durch die an sich unzulässigen Einwirkungen ein positiver Sachschaden eintreten würde, auch dann keinen Ersatz zu beanspruchen hätte, wenn dieser Schaden durch Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers herbeigeführt wäre, weil dieser Schaden ja schon im voraus durch die Kapitalabfindung ausgeglichen wäre. Hier wie überall kommt man zu einem richtigen Ergebnis nur durch scharfe Auseinanderhaltung der wesensverschiedenen Begriffe „Schadloshaltung" und „Schadenersatz". Der Begriff „Schadloshaltung" hat eine Vermögensbeschädigung (ähnlich wie bei § 263 StGB) im Auge, die schon vorliegen kann, bevor die Sache beschädigt ist. 57 ) Vgl. SeuffA 49 Nr. 236 (RG billigt dort eine Verurteilung zu 5% des Hauswertes zu), vgl. BayOGH 6, 403. 58 ) R G K Anm. 27 hh zu § 906 B G B meint, der Ersatzpflichtige könne sich im Falle der Kapitalabfindung dagegen, daß er von einem Besitznachfolger des Ersatzberechtigten etwa „noch einmal auf Schadenersatz" in Anspruch genommen werde, dadurch schützen, daß er die Eintragung einer Grunddienstbarkeit betr. Duldung der
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hat einzutreten, wenn sich nach der Schadloshaltung das Maß der an sich unzulässigen Einwirkungen gesteigert hat. Durch die Zahlung des Minderwerts erhält aber der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks noch keinen völligen Ausgleich für die ihm durch die Entziehung des Abwehranspruchs entstehenden Nachteile. Könnte er den Anspruch auf Beseitigung (§ 907 B G B ) oder Unterlassung (§ 1004 B G B ) erheben, so würde v o n da ab der Unternehmer durch die Geltendmachung des Anspruchs 5 9 ) in Verzug gesetzt 59 ») mit der Folge der Schadenersatzpflicht ohne Verschulden (§ 286 B G B ) . Durch die Entziehung des Abwehranspruchs wird sein Nachbar außerstande gesetzt, den Unternehmer in Verzug zu setzen und dadurch ohne weiteres schadenersatzpflichtig zu machen. Für diesen Verlust muß er schadlos gehalten werden und die Schadloshaltung besteht eben gerade darin, daß der Unternehmer, der auf Erfüllung nicht gemahnt werden kann, ohne Mahnung entschädigungspflichtig ist. Voraussetzung ist weiter nichts, als daß an sich — ohne § 26 G e w O — die Erfüllung des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs hätte verlangt werden können, nicht aber, daß diese Erfüllung tatsächlich verlangt worden ist 60 ). N u r dann, wenn nach den Umständen des Falls mit Einwirkungen verlange (RG WarnE 15 Nr. 141). Hier wird also unterstellt, daß der Sondernachfolger, wenn eine solche Grunddienstbarkeit nicht eingetragen sei, nochmals Schadloshaltung beanspruchen könne. Das ist nicht der Fall. Wenn durch die Schadloshaltung der Minderwert ausgeglichen wird, der durch die Pflicht zur dauernden Duldung der Einwirkungen herbeigeführt ist, dann wird der Käufer des Grundstücks entsprechend diesem Minderwert auch einen geringeren Kaufpreis zu zahlen haben (vgl. unten N. 63). Hat der Verkäufer durch arglistiges Verschweigen der ihm geleisteten Schadloshaltung im Käufer den Glauben erweckt, daß er die unzulässigen Einwirkungen abwehren oder doch Schadloshaltung verlangen könne, dann kann er vom Käufer auf Schadenersatz aus dieser unerlaubten Handlung belangt werden. Gegen den Betriebsunternehmer hat der Sondernachfolger nach einer seinem Rechtsvorgänger geleisteten Schadloshaltung 58 den Anspruch nicht mehr. ) Auch der Anspruch auf Unterlassung ist auf eine 69a „Leistung" gerichtet. ) Vgl. unten § 43 D I. 60 ) Das Reichsgericht vertrat zunächst (Gruchot 50, 412; JW 05, 503; 12, 86g; 15, 601; R G 101, 103; 105, 214) die abweichende Ansicht, nach § 26 GewO könne eine Schadloshaltung ohne Verschulden nur gegen künftig zu befürchtende nachteilige Einwirkungen und nicht auch für bereits eingetretene Schäden verlangt werden. In R G 104, 85 billigte es dann für die Fälle des § 907 B G B den Anspruch auf Schadloshaltung auch hinsichtlich des in der Vergangenheit liegenden Schadens zu, da nach § 907 B G B schon v o r einer unzulässigen Einwirkung der Beseitigungsanspruch gegeben sei, an dessen Stelle der Schadloshaltungsanspruch trete. In R G 139, 33 hat das R G dann unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung sich allgemein der hier vertretenen Ansicht angeschlossen und zur Begründung ausgeführt, der Schadenersatzanspruch nach § 26 GewO sei keiner anderen Beschränkung unterworfen, als sie sich aus § 26 GewO selbst ergebe; insbesondere bestehe kein ausreichender Grund, aus der der Abwehrklage ihrer Natur nach innewohnenden Wirkungsbeschränkung auf die Zukunft eine gleiche Beschränkung für den Schadenersatzanspruch des § 26 GewO zu entnehmen, der eine solche nicht wesensnotwendig in sich trage. Die Schadloshaltung sei also nicht auf die 811
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Sicherheit anzunehmen ist, daß der Abwehranspruch, auch wenn seiner Geltendmachung das rechtliche Hindernis aus § 26 GewO nicht entgegengestanden hätte, nicht geltend gemacht worden wäre, kann dieser Schadenersatzanspruch nicht geltend gemacht werden, da ja die Schadloshaltung nur den Schaden ausgleichen soll, der infolge der Entziehung des Abwehranspruchs erlitten wird. Der Anspruch auf Schadloshaltung umfaßt also den Minderwert des beeinträchtigten Grundstücks und daneben den Ersatz des Schadens, der durch diesen Minderwert nicht ausgeglichen ist, gleichviel, ob der Schaden bereits entstanden ist oder erst in Zukunft entstehen wird. Der Minderwert stellt den Vermögensnachteil dar, der schon jetzt dadurch entstanden ist, daß der Eigentümer die an sich unzulässigen Einwirkungen f ü r die Z u k u n f t nicht verbieten kann, sondern dulden muß. Hat der Eigentümer dadurch, daß er nicht verbieten konnte, einen bereits eingetretenen Schaden erlitten, so gehört dessen Ersatz zur Schadloshaltung. Es kann aber in Zukunft durch die Einwirkungen ein weiterer Schaden verursacht werden, dessen Eintritt möglich oder sogar wahrscheinlich ist, aber nicht mit Bestimmtheit vorauszusehen ist. Während der schon jetzt entstandene Sachschaden und Vermögensschaden (Minderwert) den derzeitigen Eigentümer trifft, und daher diesem zu ersetzen ist, trifft ein weiterer späterer Schaden denjenigen, der zur Zeit des Eintritts dieses Schadens der Eigentümer ist. Solange dieser Schaden noch nicht eingetreten ist, kann er nicht zugesprochen werden und die Feststellung kann nicht zugunsten des derzeitigen Eigentümers erfolgen, sondern zugunsten desjenigen, der beim Eintritt des Schadens der Eigentümer sein wird. Die Klage auf Schadloshaltung wird also etwa folgenden A n t r a g zu erhalten haben: 1. Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger 5 000 D M (Minderwert) zu ersetzen; 2. es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Eigentümer des Hausgrundstücks Flurstück Nr. 2 1 1 jeden durch die Zahlung des Minderwerts von 5 000 D M nicht ausgeglichenen Schaden zu ersetzen, der in Zukunft dadurch erwachsen wird, daß der Beklagte dem Grundstück Nr. 2 1 1 Erschütterungen zuführt, welche die Benutzung dieses Grundstücks wesentlich beeinträchtigen, ferner durch eine nicht ortsübliche Benutzung60") des nach Klageerhebung eingetretenen Schäden beschränkt. Dieser Auffassung hat sich der B G H angeschlossen ( N J W 55, 19; N J W 64, 220; BB 63, 1077); ebenso Westermann § 63 II 4 a; Staudinger R N 48 zu § 906 B G B ; Glaser-Dröschel Nr. 52 c; Schack BB 65, 341 ff. Vgl. auch oben zu § 38 I 1 c am Ende. 60a ) Wesentliche Beeinträchtigungen, die durch Immissionen verursacht sind, die auf einer ortsüblichen Benutzung des Störergrundstücks beruhen, lösen den Schadlos-
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beklagten Grundstücks herbeigeführt werden, hinsichtlich deren aber Einrichtungen, die die benachteiligende Einwirkung ausschließen würden, untunlich oder mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes unvereinbar sind 61 ). Die Zahlung für Wertminderung begreift alle Nachteile in sich, die infolge der Fortdauer der unzulässigen Einwirkung nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge in Zukunft eintreten werden. Ist das Maß der von dem Gewerbebetrieb ausgehenden Erschütterungen so stark, daß mit dem Grad von Sicherheit, mit dem sich die menschliche Erkenntnis für die Beurteilung der Zukunft begnügen muß, die Verursachung von Rissen des Nachbarhauses vorherzusehen ist 62 ), dann ist dem Ersatz der Minderung ein entsprechender Betrag für Schutzvorkehrungen und Instandsetzungsarbeiten einzurechnen 63 ). Ist die Entstehung solcher Risse nicht vorherzusehen, so ist in der Gegenwart auch ein V e r m ö g e n s schaden nicht entstanden. Entsteht später ein Sachschaden, so ist es für den nachträglich erhobenen Schadenersatzanspruch des Eigentümers (gleichviel ob es der durch Zahlung der Wertminderung abgefundene Eigentümer ist oder sein Sondernachfolger) Tatfrage, ob bei der seinerzeitigen Bemessung der Schadloshaltung auch die Gefährdung der Beschädigung des Nachbarhauses durch Risse einbezogen wurde. War dies der Fall, so ist noch weiter zu prüfen, ob nicht nach der Schadloshaltung eine Steigerung des Maßes der Einwirkungen eingetreten ist. Dies kann nach beiden Richtungen zu der Annahme führen, daß durch die Schadloshaltung für Wertminderung nur ein Teil des später entstandenen Sachschadens im voraus ausgeglichen wurde. haltungsanspruch nicht aus: Können sie nämlich durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen (§ 906 Abs. 2 S. 1 B G B ) nicht abgestellt werden, so müssen sie geduldet werden; in solchem Falle kann bei ortsüblicher Benutzung des beeinträchtigten Grundstücks der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 B G B gegeben sein. Sind andererseits wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung der Beeinträchtigungen und damit zugleich tunliche und mit dem gehörigen Betrieb des Gewerbes zu vereinbarende Einrichtungen möglich, so kann auf deren Herstellung geklagt werden. 61 ) Vgl. oben § 16 V und VII. Siehe auch nächst. N. 64. 6a ) Dabei wird der Richter einen strengen Maßstab an die Erfordernisse einer solchen Sicherheit anzulegen haben, damit, wenn später die Beschädigung durch Risse eintritt, der Ersatz hierfür an den gelangt, der zur Zeit der Beschädigung Eigentümer ist. 83 ) Ein Haus, bei dem die Entstehung von Rissen mit S i c h e r h e i t vorauszusehen ist, ist schon jetzt entsprechend weniger wert. Der Vermögensschaden ist also schon jetzt entstanden, auch wenn der Sachschaden erst später eintritt. Der derzeitige Eigentümer ist daher geschädigt und ihm wird der Ersatz durch Zahlung der Wertminderung bezahlt. Tritt dann nach einem Wechsel des Eigentums der Sachschaden ein, so wird zwar der Erwerber von diesem Sachschaden betroffen; in seiner gesamten Vermögenslage wird jedoch der Erwerber nicht geschädigt; denn er hat seinerzeit ein Haus erworben, bei dem die spätere Entstehung von Rissen mit Sicherheit vorauszusehen und das infolgedessen entsprechend weniger wert war. Hat er einen Kaufpreis bezahlt, bei dem die Wertminderung infolge der Gefährdung des Hauses nicht berücksichtigt war, dann ist sein Vermögen dadurch geschädigt, daß er zu teuer gekauft hat.
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D e r Unterschied zwischen den Begriffen Schadloshaltung und Schadenersatz kommt auch insofern zur Geltung, als derjenige, welcher den A n spruch auf Schadloshaltung im Sinne des § 26 G e w O erhebt, beweisen muß, daß der negatorische Anspruch infolge der Bestimmung des § 26 G e w O in Wegfall gebracht ist, insbesondere auch, daß solche Einrichtungen, welche die Beeinträchtigungen auf das zulässige Maß herabsetzen, nicht tunlich oder mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes unvereinbar sind 64 ). D e r Kläger wird daher gut daran tun, seinen Klageantrag alternativ zu stellen, so daß dem Beklagten die Wahl gelassen wird, ob er die erforderlichen Einrichtungen treffen oder schadlos halten will 6 5 ), zum mindesten aber sollte der Kläger den einen Anspruch hilfsweise neben dem andern erheben. Denn selbst, wenn er nachweisen kann, daß die Folgen der unzulässigen Einwirkungen auf einem Verschulden des Beklagten beruhen, so kann er nur Ersatz des bereits entstandenen Schadens, nicht E r satz des Schadens beanspruchen, der durch künftige Einwirkungen entstehen wird 6 8 ). Die Schadloshaltungs- oder Schadensersatzansprüche, die an die Stelle der nach §§ 906, 907, 1004 B G B an sich gegebenen Ansprüche treten, verjähren nach § 852 B G B 6 7 ) . Die Verjährung ist aber keine für alle Einwirkungen einheitliche; sie beginnt also nicht für sämtliche Beeinträchtigungen bereits mit der ersten Einwirkung, sondern läuft besonders für jede E i n M ) Vgl. Landmann-Rohmer, Anm. 5 zu § 6. Vgl. Gruchot 50, 415 (RG); L Z 21, 379 (RG). — Freilich wird man an diese Beweislast für ein negativum keine hohen Anforderungen stellen dürfen. Wenn der Beklagte auf Befragen nicht darzulegen vermag, welche Einrichtungen für die Ausschließung (ohne Abschwächung) der schädlichen Einwirkungen in Betracht kommen, ist dem Kläger ein weiterer Beweis nicht anzusinnen. — Hat der Eigentümer Klage auf Zahlung von 4000 D M als Schadloshaltung für den Minderwert seines Hauses erhoben und der Betriebsinhaber stellt Einrichtungen her, welche die Beeinträchtigung auf das zulässige Maß herabsetzen, so ist die Klage regelmäßig in der Hauptsache erledigt; vgl. hierzu oben II 1 und N. 42 u. 42a. 65 ) § 264 B G B ; vgl. Stein-Jonas-Schönke, Vorbem. III zu § 803 ZPO. 66 ) Zwar kann dann der Kläger Schadenersatz nach § 823 B G B beanspruchen, aber dieser Schadenersatzanspruch umfaßt nicht den Ausgleich der Wertminderung für die k ü n f t i g e n unzulässigen Einwirkungen. Soweit § 26 GewO nicht in Frage steht, kann der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks für die Zukunft weiter nichts verlangen als die Unterlassung. Im Sinne des § 823 B G B ist der Schaden erst entstanden, wenn der Sachschaden eingetreten ist. Es kann daher neben dem Anspruch auf Unterlassung wohl auf Feststellung einer künftigen Schadenersatzpflicht für den Fall der Zuwiderhandlung geklagt werden, keineswegs aber auf Abfindung durch einen Geldbetrag. Es liegt also nicht im Belieben des beeinträchtigten Nachbarn zu erklären, daß er die unzulässige Immission dulden wolle, dafür aber Schadloshaltung, d. i. Ersatz des durch die Duldung bewirkten Minderwertes seines Hauses verlange (vgl. Bolze 2 Nr. 154). 67 ) R G JW 35, 1775; 27, 893; 12, 3 1 ; R G Warn. 14 Nr. 189; R G K , Anm. 27 kk zu § 906 B G B ; Landmann-Rohmer, 1952, Anm. 5 zu § 26 GewO; Staudinger R N 51 zu § 906 B G B ; Glaser-Dröschel Nr. 51 f; a. M. Meisner-Ring § 39 III 2.
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Wirkung, die jeweils einen neuen Anspruch auslöst, der selbständig nach §852 B G B verjährt68). § 40. Die Besitzstörungsklage I. B e g r i f f und Wesen des B e s i t z e s Nach § 854 B G B versteht man unter Besitz die rechtlich anerkannte tatsächliche Gewalt über eine Sache. Der Besitz ist also kein Rechts-, sondern ein tatsächliches Verhältnis; er gewährt aber eine wichtige Rechtsstellung, so daß er die Bedeutung eines, wenn auch nur vorläufigen Rechts hat 1 ). Im Gegensatz zu der rechtlichen Herrschaft über eine Sache, die im Eigentum zum vollendeten Ausdruck kommt, stellt der Besitz die tatsächliche Herrschaft dar. Der Mieter (Pächter) ist Besitzer2). Durch § 865 B G B hat der T e i l b e s i t z Anerkennung gefunden, indem der Besitz an einzelnen Teilen einer Sache insoweit möglich ist, als eine gesonderte räumliche Herrschaft einer anderen Person über den anderen Teil der Sache geübt werden kann3). So ist z. B. an dem Keller 4 ) oder an anderen Räumen (Mietwohnung)8) eines Hauses, ja sogar an einem Teil der Oberfläche einer Hauswand6) oder an den Straßenbahngleisen, die in städtische Straßen eingefügt sind7), ein selbständiger Besitz möglich, der auch dem Eigentümer des Ganzen gegenüber voll wirksam ist. Der gute Glaube spielt für den Besitzerwerb keine Rolle; der unmittelbare Besitzer muß nur die tatsächliche Sachherrschaft erlangen. Im Falle des mittelbaren Besitzes muß der Besitzmittler die Sachherrschaft haben, zu der ein Besitzmitdungsverhältnis zwischen mittelbarem Besitzer und Besitzmitder hinzutreten muß; gibt der unmittelbare Besitzer seinen Besitz freiwillig auf, so endet der mittelbare Besitz7"). Wann die für den Besitz erforderliche tatsächliche Herrschaft vorliegt, ist nach der im gewöhnlichen Leben und Verkehr herrschenden Auffassung 68
) R G J W 35, 1 7 7 5 ; 12, 3 1 ; R G Warn. 14 Nr. 189.
Palandt.Überbl.vor § 8 54 B G B Anm. 1 ; In dem Besitz sehen ein Recht: R G 59, 328; 129, 3 1 1 (Besitz kann kondiziert werden); Meisner-Ring § 40 I 1 ; Staudinger Vorbem. 10 vor § 854 B G B . Vgl. unten § 43 D II 1. *) E r kann daher die Abwehrklage (§ 862 BGB) gegen unzulässige Einwirkungen auf das Mietgrundstück erheben ( R G 63, 374; 105, 2 1 2 ; WarnE 18 Nr. 55). Der Mieter ist unmittelbarer, der Vermieter mittelbarer Besitzer; das zwischen ihnen bestehende Mietverhältnis vermittelt den Besitz (Besitzmittlungsverhältnis). 3 ) M 3, 1 1 4 (Mugdan 3, 63). 4 ) Vgl. BayObLG 16, 282; SeuflA 52 Nr. 1 4 7 ; SeuffBl. 32, 297. 6 ) R G 59, 328. V g l . oben § 16 N . 41. 6 ) O L G 3, 26 (Besitz an dem Teil der Oberfläche, auf welchem sich das Firmenschild des Mieters befindet). 7a ' ) J W 91, 256 (RG). ) R G 105, 413.
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für jeden Fall besonders zu entscheiden 8 ). Das maßgebende Merkmal liegt darin, ob ein Verhältnis der Person zu der Sache vorliegt, welches die M ö g lichkeit gewährt, jederzeit auf die Sache einzuwirken 9 ). Einen hierauf gerichteten Willen verlangt das Gesetz nicht als begriffliches Erfordernis 1 0 ), der Mangel eines solchen Willens wird aber regelmäßig bei der tatsächlichen Würdigung der Frage, ob ein Besitzverhältnis vorliegt, gegen die Bejahung erheblich ins Gewicht fallen 11 ). Der Besitz muß erkennbar sein 12 ). In altrömischer Zeit war für den Übergang des Besitzes auf einen anderen die tatsächliche Übertragung entscheidend. Doch schon in Rom, mehr noch im Mittelalter fiel das Gewicht vorzugsweise auf die Willenseinigung. Biermann, traditio ficta (1891) hat nachgewiesen, daß nach Gemeinem Recht die Besitzübertragung einfach als eine durch den Vertrag begründete Sukzession zu behandeln ist. Das B G B ist nicht so weit gegangen, weil diese Lehre zu bedenklichen Ergebnissen führen kann, wenn sich der tatsächlichen Ausübung des Besitzes v o n vornherein u n ü b e r w i n d l i c h e Hindernisse entgegenstellen. Deshalb bestimmt § 854 A b s . 2 B G B 1 3 ) : „ D i e Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum E r w e r b (des Besitzes), wenn der Erwerber i n d e r L a g e ist, die Gewalt über die Sache auszuüben". A l s Besitzhandlungen können alle Handlungen in Betracht kommen, durch welche eine Einwirkung auf das Grundstück ausgeübt wird. Gerade bei Liegenschaften kann sich der Besitz an dem g a n z e n Grundstück durch eine Einwirkung kundgeben, die weder alle Teile der Sache trifft, noch an sich die vollendete Herrschaft in sich begreift, aus der sich aber doch die Möglichkeit für den Handelnden ergibt, auf das ganze Objekt einzuwirken 14 ). A u c h hier muß die besondere Gestaltung des Einzelfalls entscheiden. 8 ) Vgl. Prot. S. 3334f.; Mugdan 3, 502. Kein Besitzschutz des Jagdpächters, aber Unterlassungsklage eingeräumt JW 22, 233; 08, 653 (vgl. O L G 6, 254). — Vgl. BraunschwZ 06, 41 (Schutz im Besitz eines Kirchenstuhlrechts). ») ROHG 7, 35; R 24 Nr. 1232 (RG). 10 ) Vgl. Bendix, Besitzlehre S. 1 ; Turnau-Förster Bern. 4 zu § 854 B G B . Bekker Jhering J 34, 27. (A. M. R 14 Nr. 209, Stuttgart.) Indes setzt der Besitz in der Regel den Willen voraus, die Sache tatsächlich zu beherrschen. Wie aus § 867 B G B ersichtlich, bedeutet die unbewußte Innehabung regelmäßig noch keinen Besitz im Sinn des § 854 BGB. Allerdings ist denkbar, daß jemand an Sachen, die in den Bereich seiner tatsächlichen Innehabung gelangen, Besitz erwirbt, bevor er von der Innehabung Kenntnis erlangt hat. Es müssen dann aber Veranstaltungen getroffen sein, die einen allgemeinen mit auf Empfang der betreffenden einzelnen Sachen gerichteten Willen erkennen lassen (JW 25, 785 [RG]; R G 106, 136). n ) Vgl. Staudinger R N 3 zu § 854 B G B ; KGB1. 03, 21 (Kammergericht). 12 ) R G 77, 208; Recht 23 Nr. 744; SeuffA 78 Nr. 112. 13 ) Vgl. R 24 Nr. 1232 (RG). 14 ) Bendix, Besitzlehre 9. So wird z. B. der Besitz des ganzen Grundstücks durch Bepflanzung eines Teils dann erworben, wenn der animus possidendi auf das ganze Grundstück gerichtet ist und der Bepflanzende in der Lage ist, die Gewalt über das
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Maßgebend wird zumeist sein, welche Willensrichtung aus einem äußeren Vorgang gemeinhin abgeleitet wird. Ist an der Hauswand das Firmenschild des Ladenmieters angebracht, so wird niemand daran denken, daß hier ein Besitz an dem ganzen Hause 15 ) kundgegeben sei, während andererseits ein einziger auf das Grundstück gesteckter Strohwisch eine Besitzhandlung darstellen kann, die nach allgemeiner Auffassung das ganze Grundstück ergreift. Die den Besitz kennzeichnende Herrschaftsausübung wird vornehmlich durch Anlagen und Handlungen kundbar gemacht, die dem Zweck der wirtschaftlichen Verwendung des Grundstücks entsprechen16). In dem Einpflocken eines Grundstücks mit Grenzzeichen, in dem Abpfählen einer Verlandung 17 ), Einzäunen eines Grundstücks, Einstecken von Dörnern zum Schutze gegen Betreten durch Menschen, Aufstellung eines Strohwisches oder einer Warnungstafel, im Pflügen eines Ackers, Abgrasen eines Rains sind regelmäßig Besitzhandlungen zu erblicken. Auch die Dachüberladung mit dem dadurch bedingten Tropfenfall kann als Besitzausübung an dem unter der Traufe gelegenen Raum in Betracht kommen18). An einem Teich kann je nach den Umständen der Besitz durch Ausübung der Jagd, Fischerei, Schilf- und Materialentnahme ausgeübt werden 19 ). Andererseits ist z. B. aus der Entnahme von Lehm nicht unbedingt Besitz an dem Grundstück abzuleiten, wenn sie auf Grund einer vom Eigentümer erteilten Erlaubnis erfolgt 20 ). Zur B e s i t z ü b e r t r a g u n g bedarf es keiner äußeren Form, es genügt die bloße Einigung über den Besitzübergang (§854 Abs. 2 BGB), die nicht ausdrücklich zu erfolgen braucht 21 ), sondern sich aus den Umständen ergeben kann; so wird regelmäßig in der Auflassung auch die Einigung über den Besitzübergang liegen22). Ausnahmsweise sind Personen, welche eine tatsächliche Herrschaft über eine Sache ausüben, nicht als Besitzer zu erachten, indem § 855 B G B bestimmt: Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weiganze Grundstück auszuüben (OTr. 46, 46). Das ist aber regelmäßig nicht anzunehmen, wenn ein anderer an dem übrigen Teil Besitzhandlungen ausübt. 15 ) Es liegt nur Besitz an dem Teil der Wandoberfläche vor, der von dem Firmenschild bedeckt ist. O L G 3, 26 (Kammergericht). Vgl. R G 80, 281 (ein am fremden Hause angebrachter Lichtreklame-Kasten). 16 ) Endemann 2, 196. 17 ) PreußVerwBl. 23, 520 (Oberverwaltungsgericht). 1S ) S. oben § 26 I. 19 ) Vgl. OTr. 55, 208. 20 ) R 02, 125. 21 ) Staudinger R N 10 zu § 854 B G B . 22 ) Staudinger R N 16 zu § 854 B G B . 52
Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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sungen des anderen Folge zu leisten hat (Besitzdiener), so ist nur der andere Besitzer. Andererseits wird ein Besitz ohne tatsächliche Gewalt ausnahmsweise anerkannt, indem § 868 B G B bestimmt: Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitze berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelb a r e r Besitzer). Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren (§859 Abs. 1 BGB) 23 ). Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Täters wieder bemächtigen (§859 Abs. 3 BGB). Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen den Besitznachfolger desjenigen zu, der den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat (§ 859 Abs. 4 BGB). II. V o r a u s s e t z u n g e n der B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e 1. V e r b o t e n e E i g e n m a c h t . Im Begriff des Besitzes als der rechtlich anerkannten tatsächlichen Gewalt über eine Sache (§ 854 B G B ) liegt es, daß der Besitzer andere von jeder Einwirkung auf seinen Besitz ausschließen kann, sofern nicht die Einwirkung durch das Gesetz gestattet wird. Die rechtswidrige Einwirkung eines Dritten (verbotene Eigenmacht: § 858 B G B ) enthält daher eine Störung des Besitzrechts, zu deren Abwehr dem Besitzer neben dem Recht der Selbsthilfe (§ 859 BGB) die Besitzklagen gegeben sind (§§ 861, 862 BGB). 2. B e s i t z s t ö r u n g , n i c h t B e s i t z e n t z i e h u n g . Bei totaler Verletzung des Besitzes, nämlich bei E n t z i e h u n g des B e s i t z e s , geht der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861 BGB). Wird der Besitz nur teilweise, d. i. eben in anderer Weise als durch E n t z i e h u n g des Besitzes, beeinträchtigt, so steht dem Besitzer die B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e zu (§ 862 BGB). Bei Grundstücken können die Klagen wegen Besitzentziehung und Besitzstörung leicht ineinander übergehen24). Wenn vom Nachbargrundstück eine Furche weggeackert wird, so wird man es nicht mit einer bloßen Besitzstörung, sondern mit einer Besitzentziehung an der weggeackerten Furche zu tun haben; daneben liegt Besitzstörung hinsichtlich des ganzen 25 ) Keine Schadenersatzpflicht desjenigen, der berechtigte Selbsthilfe angewendet hat (SeuffA 78 Nr. 112). 24 ) M 3, 126; Mugdan 3, 70. O L G 20, 395 (Braunschweig).
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Grundstücks vor. Der Übergang v o n der einen zu der anderen Besitzklage ist nicht als Klageänderung anzusprechen 26 ). 3. T a t s ä c h l i c h e r B e s i t z s t a n d e n t s c h e i d e n d . Das Gesetz erkennt die tatsächliche Herrschaft als schutzwürdig an; dem Besitzer ist das Recht auf Erhaltung seiner tatsächlichen Herrschaft verliehen; sein B e sitz wird geschützt ohne Rücksicht darauf, ob er mit der Rechtslage übereinstimmt. W e r diese tatsächliche Herrschaft ohne den Willen des Besitzers stört, handelt widerrechtlich, sofern ihm nicht das Gesetz die Störung gestattet; die Störung ist verbotene Eigenmacht ( § 8 5 8 B G B ) und also selbst dann unzulässig, wenn der Störer seinerseits ein Recht zum Besitz hat und der Besitz des Gestörten ein materiell rechtswidriger ist. A u c h derjenige, zu dessen Gunsten eine Enteignung ausgesprochen worden ist, muß sich den Besitz auf dem Rechtsweg verschaffen, da der Enteignungsbescheid keine Einweisung in den Besitz enthält 26 »). 4. B e e i n t r ä c h t i g e n d e s V e r h a l t e n . Gestört ist der Besitz immer dann, wenn die tatsächliche Herrschaft des Besitzers über eine Sache beeinträchtigt wird 2 8 ). Die Handlungen, welche hierzu geeignet sind, decken sich mit jenen, welche eine Beeinträchtigung des Eigentums darstellen, weshalb auf die dortigen Ausführungen (oben § 38) verwiesen werden kann 2 7 ). Hier wie dort kann die Beeinträchtigung durch positive Tätigkeit oder eine rechtswidrige Unterlassung herbeigeführt werden 2 7 ®); ein bloßes Bestreiten des Besitzes genügt nur ausnahmsweise 28 ), kann aber eine Fest25 ) Maenner 146; Staudinger R N 6 zu §§ 861, 862 B G B ; vgl. O L G 20, 395 („Bei Grundstücken sind die Grenzen zwischen Störung und Entziehung des Besitzes schwer zu unterscheiden; der Unterschied ist tatsächlich quantitativer Art"). **») O L G 43, 208 (Hamburg). Vgl. auch unten III. 26 ) Vgl. O L G 2, 40 (Besitzstörung durch den Verpächter); StriethA 65, 230 (Aufstellung einer Warnungstafel); R G 59, 328; O L G 9, 296 (Störung des Mitbesitzes durch unzulässige Immissionen); R G HHR 31 Nr. 2119 und B G H in BB 54, 426 (gegen Geräuscheinwirkungen seitens eines Mitmieters eines anderen Stockwerks im gleichen Haus ist dem Mieter unter den Voraussetzungen des § 906 B G B die Besitzstörungsklage gegeben); Störung des Pachtbesitzes durch unzulässige Einwirkung von Rauch und Gas auf die Pflanzen der gepachteten Handelsgärtnerei: R G 105, 215 (wo ausgeführt ist, daß die Besitzstörungsklage des Pächters der gleichen Beschränkung unterliegt, wie sie in § 906 B G B dem Eigentum auferlegt ist). JW 96, 14; R G 55, 56 (Irrläufer bei militärischen Schießübungen; vgl. hierzu oben § 38 X ) ; OLG 4, 148; 10, 105; JW 93, 350 (Pfändung); SeuffA 21 Nr. 124 (Strafanzeige); Enteigner, der sich nur auf Grund des Enteignungsbescheids — nicht auf dem Rechtsweg — den Besitz verschafft (OLG 43, 208 — Hamburg). Bloße Klageerhebung mit dem Ziel, die Ubereignung eines Grundstücks rückgängig zu machen, ist für sich allein weder verbotene Eigenmacht noch sittenwidrig (BGHZ 20, 169). 27 27 ) Vgl. R G 55, 57; O L G 4, 290. *) Vgl. oben § 38 I 2. 28 ) Aufstellung einer Warnungstafel kann bei Wegerechten eine Besitzstörung darstellen (Scherer 3, 24). Die Behauptung, Eigentümer zu sein, schließt ein Bestreiten des
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stellungsklage rechtfertigen 28 "); die Besitzstörungsklage setzt kein Verschulden 29 ) des Störers voraus. Ebensowenig ist Voraussetzung, daß der Beklagte ein Recht behauptet 30 ). Die Störung kann vorliegen, obwohl der Störende nicht die Absicht gehabt hat, den Besitz zu stören 31 ). Nach § 859 Abs. 1 B G B darf sich der Besitzer verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren 32 ). Durch dieses Selbsthilferecht wird natürlich der Anspruch auf gerichtlichen Schutz nicht berührt. E s kann deshalb ein Antrag, den Besitz durch einstweilige Verfügung zu schützen, nicht mit dem Hinweis abgewiesen werden, daß sich ja der Besitzer selbst durch Gewalt helfen könne und daher die einstweilige Verfügung nicht n o t w e n d i g (§ 935 Z P O ) sei. III. Z i e l d e r B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e Das Ziel der Besitzstörungsklage ist die Abwehr der Beeinträchtigung. Es ist klar, daß sie da nicht mehr angestellt werden kann, wo sie nicht mehr notwendig ist, weil eine Störung des Besitzes nicht mehr vorliegt. Deshalb kann man auch von der Besitzstörungsklage sagen, daß sie einen Zustand der Beeinträchtigung voraussetzt. Dieser Zustand kann in einem körperlichen Verhältnis bestehen, durch welches die Störung dargestellt wird, oder in einem Zustand der Gefährdung durch Wiederholung der Eingriffe. Aus dieser Verschiedenheit der Veranlassung ergibt sich eine doppelte Gestaltung des Anspruchs: 1. B e s e i t i g u n g d e r S t ö r u n g . Der Anspruch auf Beseitigung der Störung geht (§ 862 B G B ) auf Wiederaufhebung einer fortbestehenden Störung des Besitzes. Der Fortbestand und die Wiederaufhebbarkeit der Störung setzen ein körperliches Verhältnis voraus 3 2 a ). Die Wiederversetzung eines entzogenen Ackerstreifens in den früheren ackerbaufähigen Zustand läßt sich mit dem Anspruch aus § 861 B G B nicht begründen; doch kann der Anspruch aus § 823 B G B hergeleitet werden, wenn dessen Voraussetzungen (Verschulden) gegeben sind 33 ). Besitzes noch nicht in sich (BayOGH 2, 427). In einer Klagestellung ist keine Besitzstörung zu erblicken, Staudinger R N 14 (g) zu § 858 BGB. Wegen bloßer Drohungen vgl. O L G 4, 290; SeuffA 57 Nr. 122 und oben § 3 8 1 5 . Besitzstörung liegt aber vor, wenn nicht bloß der Besitz bestritten wird, sondern zugleich künftige Besitzhandlungen verboten werden ( J W 08, 274; SeuffA 63 Nr. 205). 28 29 *) Vgl. oben § 38 I 3. ) S. oben § 38 I 4. 3 31 °) BayOGH 3, 1 5 3 ; 8, 182. ) B a y O G H 14, 240. 32 32 ) Vgl. L Z 23, 3 1 1 (RG). *) Vgl. oben § 38 II 1. 33 ) O L G 15, 329. (Gegen diesen Anspruch ist Widerklage auf Feststellung des Eigentums zulässig.) Uber Schadenersatz s. unten § 43.
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III 2
2. U n t e r l a s s u n g k ü n f t i g e r S t ö r u n g . Der Anspruch auf Unterlassung weiterer Störung setzt ebenfalls einen Zustand, jedoch nicht körperlicher Art, voraus. Wenn das Zuwiderhandeln gegen das Verbot der Eigenmacht die zuständliche, bis in die Gegenwart fortdauernde Folge hervorgebracht hat, daß weitere Störungen nach den Umständen zu besorgen sind, so ist dem Besitzer der Anspruch auf Unterlassung weiterer Störung gegeben (§ 862 BGB) 3 3 a ). Eine bloß abstrakte Möglichkeit der Wiederholung genügt nicht 34 ); es ist eine auf die gegebenen Umstände sich gründende Wahrscheinlichkeit erforderlich 35 ). Auch hier ist der Besitzer weder verpflichtet noch berechtigt, auf Vorkehrung bestimmter Maßnahmen zu klagen, durch welche die Störung hintangehalten werden soll 36 ). Uber die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil auf Unterlassung vgl. oben § 3 8 II 2 b. Die Besitzklage kann nicht gegen eine offene Handelsgesellschaft als solche, sondern nur gegen deren Gesellschafter gerichtet werden 37 ). Auch mehrere Mitbesitzer genießen in ihrem Verhältnis zueinander Schutz ihres Mitbesitzes38). Anwendungsfälle der Besitzstörungsklage sind beispielsweise: unzulässige Immission in die vermietete Wohnung 39 ); Verhinderung an der Benutzung des Notwegs 40 ); Anbringung von Firmenschildern 41 ); Anbringen von Lichtreklame an der Außenwand nicht gemieteter Räume 41a ). Auch die Besitzstörungsklage kann einer mit obrigkeitlicher Erlaubnis errichteten gewerblichen Anlage gegenüber niemals die Einstellung des Betriebs, sondern höchstens die Herstellung von Einrichtungen, welche die Störungen ausschließen, bewirken. Wo solche Einrichtungen nicht tunlich sind, kann wegen der Besitzstörung lediglich Schadloshaltung verlangt werden 42 ). Daneben greift der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz in die Besitzstörungsklage ein, wonach gegenüber der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und speziell gegenüber polizeilichen Anordnungen nicht auf Unterlassung geklagt werden kann (z. B. Besitzstörung durch Militärschießplatz, Artilleriewerkstätte, Polizeiwachstube, Läuten der Kirchenglocken42»). *>») Vgl. hierzu oben § 38 II 2. M ) R G 63, 379. 3 5 ) J W i 5 > 543. 36 ) O L G 12, 7 1 ; vgl. übrigens R G 63, 379. Vgl. oben § 38 II 2 a. 3 38 ' ) R 24 Nr. 1683 (RG). ) R 24 Nr. 985 (RG). 39 40 ) R G 59, 328; O L G 9, 295; 12, 71. ) R 04 Nr. 1821 (Colmar). « ) KGB1. 08, 107 (KG). 41a ) R G 80, 282. 42 ) R G 105, 2 1 3 ; vgl. hierzu oben § 39. «») Vgl. oben § 38 X .
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IV. M a t e r i e l l e s R e c h t ist ohne B e d e u t u n g i. F o l g e r u n g e n . Nur der tatsächliche Besitzstand ist entscheidend und nicht das bessere materielle Recht auf den Besitz. Niemals kann die Besitzklage auf das materielle Recht gestützt werden. Wer mit der Besitzstörungsklage durchdringen will, muß seinen Besitz 43 ) und die Störung durch verbotene Eigenmacht nachweisen. Kann der Kläger seine — den Besitz darstellende — tatsächliche Gewalt über die Sache nicht nachweisen, so muß er mit seiner Besitzklage selbst dann abgewiesen werden, wenn sein materielles Recht auf den Besitz feststeht. Zur Begründung der Besitzstörungsklage ist aber weiter erforderlich, daß der Besitz durch verbotene Eigenmacht (§858 BGB) gestört wurde. Die Besitzklage findet also nicht gegen jeden fehlerhaften und namentlich nicht gegen den precario erlangten Besitz statt44). Ob der Kläger seinerseits selbst den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat 45 ), ist nur dann von Bedeutung, wenn der Besitzer dem S t ö r e r oder dessen R e c h t s v o r g ä n g e r g e g e n ü b e r den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat und der Besitz in dem letzten Jahr vor der Störung erlangt worden ist46). Nur wenn diese doppelte Voraussetzung gegeben ist, ist die Besitzstörungsklage ausgeschlossen (§ 862 Abs. 2 mit § 858 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise konzentriert sich die Entscheidung im Besitzprozeß auf die Frage, ob verbotene Eigenmacht von einer der Parteien verübt wurde. Der Besitzschutz bezweckt die Aufrechterhaltung der äußeren Rechtsordnung. So wenig der nichtbesitzende Kläger den Mangel seiner Aktivlegitimation durch den Nachweis ersetzen kann, daß ihm nach materiellem Recht der Besitz gehört, so wenig ist es dem Beklagten nachgelassen, die von ihm verübte verbotene Eigenmacht durch den Nachweis zu recht" ) Im allgemeinen steht auch dem mittelbaren Besitzer (§ 868 B G B ) die Besitzstörungsklage zu, wenn der Besitzer (Mieter, Pächter) in seinem Besitz gestört wird (§ 869 B G B ) ; jedoch kann der mittelbare Besitzer die Besitzstörungsklage nicht gegen den unmittelbaren Besitzer selbst erheben (vgl. SächsArch. 1, 435, Dresden), während umgekehrt dem unmittelbaren Besitzer (Mieter) die Besitzstörungsklage gegen den mittelbaren Besitzer (Vermieter) zusteht und ihm sogar den wirksamsten Schutz gegen Übergriffe des Vermieters in die zum Gebrauch überlassene Sache gewährt (vgl. O L G 2, 41, Stettin). " ) R 07, 310 Nr. 588 (RG). Der prekaristisch erlangte Besitz ist nicht ohne den 45 Willen des früheren Besitzers entzogen. ) Vgl. R G 34,425. 4e ) Dem Anspruch aus § 861 Abs. 1 B G B kann der Beklagte gemäß Abs. 2 den Einwand entgegensetzen, daß der Kläger ihm gegenüber fehlerhaft besaß. Dem Kläger steht demgegenüber seinerseits wieder der Gegeneinwand zu, daß der frühere Besitz des Beklagten fehlerhaft war. Denn keine Partei kann sich auf die Fehlerhaftigkeit des gegnerischen Besitzes berufen, wenn sie selbst innerhalb eines Jahres vor der fehlerhaften Besitzerlangung des Gegners diesem gegenüber den Besitz fehlerhaft erlangt hat. Die Besitzklage ist sonach nur dann begründet, wenn die Reihe der gemäß § 861 B G B in Betracht kommenden widerrechtlichen Besitzentziehungen nicht vom Kläger, sondern von dem Beklagten eröffnet worden ist (SchlHA 25, 1 1 0 Kiel).
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IV 1 fertigen, daß der Kläger nach materiellem Recht zur Duldung der Besitzbeeinträchtigung verpflichtet ist. Der gute Glaube des Eigenmächtigen ist ohne jede Bedeutung 47 ). Ein solches materielles Recht zum Besitz oder zur Vornahme der störenden Handlung kann nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, daß die Entziehung oder die Störung nicht verbotene Eigenmacht sei (§ 863 BGB). Das will besagen: der Einwand, daß der Störer zur Störung berechtigt gewesen sei, ist insoweit unzulässig, als damit dargetan werden soll, daß der durch formelles Unrecht geschaffene Zustand dem materiellen Recht entspreche48); zulässig ist jedoch dieser Einwand insoweit, als damit dargetan werden soll, daß durch die Störung gar kein formelles Unrecht geschaffen worden sei, mit anderen Worten, daß eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 B G B nicht vorliege 49 ). Dies trifft nur dann zu, wenn entweder der Besitzer60) oder das Gesetz 5 1 ) die den Besitz beeinträchtigende Handlung gestattet hatB2). Die Erlaubnis des Eigentümers schließt den Begriff der Eigenmacht nicht aus, wenn der Eigentümer nicht Besitzer ist 53 ). Hat jemand nach materiellem Recht den Anspruch auf die Besitzeinwirkung, so wird, namentlich wenn dieses Recht auf vertraglicher Grundlage beruht, die Zustimmung des Besitzers zu der vertragsgemäß zulässigen Einwirkung regelmäßig so lange unterstellt werden dürfen, als nicht der Besitzer seinen der Vertragspflicht entgegenstehenden Willen dem Vertragsgegner kundgegeben hat 54 ). Zieht der Pächter zu dem vereinbarten Termin auf dem Pachtgut auf, so kann ihn der Eigentümer nicht mit der Besitzklage vertreiben. Hat aber der Verpächter dem Pächter vorher erklärt, daß er ihn nicht aufziehen lasse, so kann der Pächter, der dessen ungeachtet aufgezogen ist, die Besitzklage des Verpächters nicht damit bekämpfen, daß ja der Verpächter gemäß § 581 B G B verpflichtet sei, ihm den Besitz zu dem vertragsmäßigen Termin ein" ) J W 04, 3 6 1 ; R G 67, 389; SeuffA 60 Nr. 9; R 12 Nr. 3369 (RG); WarnE 23/24. 49 49 ) Turnau-Förster Bern. 1 zu § 863 B G B . ) Vgl. SeuffA 51 Nr. 95. 60 ) Und zwar der unmittelbare Besitzer, nicht der mittelbare (JW 08, 681); vgl. übrigens § 869 B G B und R G 68, 389. Der unmittelbare Besitzer hat den Besitzschutz auch gegen den mittelbaren Besitzer (SchlHA 04, 145, Kiel; WürttJ 18, 54 Stuttgart). 51 ) Vgl. §§ 227—229; 561; 860; 904; 910; 962; 2205 B G B . § 127 StPO (Wegnahme einer Sache zwecks Verwendung als Überführungsgegenstand. Vgl. R G 64, 385.) — Nicht dagegen gewährt § 867 B G B das Recht auf Aufsuchung und Wegschaffung einer auf einem fremden Grundstück befindlichen Sache gegen den Willen des Eigentümers dieses Grundstücks. 52 ) Die Erlaubnis kann auch stillschweigend erteilt werden (RG 72, 198); vgl. J W 04, 361 (über das Fortwirken einer f r ü h e r erteilten Erlaubnis); R 14 Nr. 773. 63 ) BayZ 05, 322 (RG). — (Der Enteignungsberechtigte begeht verbotene Eigenmacht, wenn er das Grundstück zwar mit Zustimmung des Eigentümers, aber ohne die des besitzenden Pächters in Besitz nimmt.) 54 ) Nur mit dieser Einschränkung ist Staudinger R N 3 zu § 863 B G B beizupflichten.
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zuräumen und somit das Verbot des Verpächters rechtswidrig gewesen sei55). Andererseits kann der Vermieter gegen den Mieter, der nicht rechtzeitig räumt, die Besitzklage nicht erheben, weil ja der Mieter den Besitz mit dem Willen des Vermieters e r l a n g t hat. Stört der Vermieter den Mieter in diesem materiell unrechtmäßigen Besitz, so steht dem Mieter die Besitzklage zu, gegen welche der Beklagte nicht einwenden kann, daß die Mietzeit abgelaufen und deshalb der Mieter zum Auszug verpflichtet sei. Die Erlaubnis des Gesetzes schließt den Begriff der v e r b o t e n e n Eigenmacht aus. Hier kommen in erster Linie die allgemeinen Bestimmungen des § 229 B G B über die erlaubte Selbsthilfe56) und des § 904 B G B über die Notstandshandlungen56a) in Betracht, daneben aber auch Spezialbestimmungen wie z. B. § 561 B G B . § 561 B G B berechtigt den Vermieter, die seinem Pfandrecht unterliegenden Gegenstände des ausziehenden Mieters auch gegen dessen Willen in Besitz zu nehmen. Die Besitzentziehungsklage des Mieters wird mit diesem Einwand aus dem Feld geschlagen. Räumt der Mieter die Mietwohnung nicht zu dem vereinbarten Endtermin, so kann der Vermieter keine Besitzklage gegen ihn stellen. Die Vorschrift des § 863 B G B hat eine wichtige prozessuale Folge: Gegenüber einer Besitzklage ist eine petitorische Widerklage nur insoweit zulässig, als nach § 863 B G B gegen die Besitzklage eine petitorische Einrede zulässig ist, d. h. also eine petitorische Widerklage kann eben nur im Rahmen des § 863 B G B erhoben werden 57 ), weil sonst der nach § 3 3 ZPO erforderliche rechtliche Zusammenhang fehlt 58 ). Ebenso wie gegenüber der Besitzschutzklage der Einwand unzulässig ist, daß der Beklagte nach materiellem Recht zu der Störung befugt war, so kann dem materiellen Recht auch nicht die Begründung einer Widerklage gegen die Besitzklage entnommen werden. Wenn aber der Beklagte gegenüber dem Besitzanspruch einwendet, daß die störende Handlung auf Grund einer Erlaubnis des Besitzers oder auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung zur Eigenmacht (§§ 227—229 BGB) zulässig war, so ist diese Verteidigung geeignet, dem Besitzschutzanspruch die Grundlage zu entziehen. 55 ) Endemann 231 Anm. 23. Das Recht zum Besitz macht die Eigenmacht nicht zu einer rechtmäßigen Handlung, Endemann 231 Anm. 22. Ausnahme s. unten § 40 I V 2. 56 ) Von dem Einwand des Rechts zum Besitz ist der Einwand des Rechts zur Selbst56a hilfe streng zu unterscheiden. Endemann 232 Anm. 24. ) Vgl. oben § 14. 57 ) Herrschende Meinung; Palandt Bern. 2 zu § 863 B G B ; Planck Bern. 4 zu § 863 B G B ; Bendix, Besitzklage 7 1 ; Turnau-Förster Bern. I 4 zu § 861 B G B ; Seuffert Bern. 2 e zu § 33 Z P O ; R 02, 528; Biermann Bern. 2 zu § 863 B G B ; Dernburg 95 Anm. 4. A . M. O L G 4, 289; Cosack § 190 V I I I ; Staudinger R N 4 zu § 863 B G B ; Westermann § 24 II 4 ; Recht 01, 617 (Hamburg); Stein-Jonas-Schönke III 3 zu § 33 ZPO. 58 ) Vgl. R G 23, 396; J W 97, 228 Nr. 3 und dagegen SeuflA 48 Nr. 63.
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IV 2
Auf Grund einer solchen Einwendung kann zugleich eine Widerklage erhoben werden. Wendet der Beklagte ein, daß der Kläger dem Beklagten oder dessen Rechts Vorgänger den Besitz im letzten Jahr vor der Störung durch verbotene Eigenmacht entzogen habe (§ 861 A b s . 2 ; § 862 A b s . 2 B G B ) , so ist eine Widerklage auf Besitzeinräumung zulässig 5 9 ). Eine Behauptung dagegen, die nicht geeignet ist, den Besitzschutzanspruch zu überwinden, ist ungeeignet, den für die Zulässigkeit einer Widerklage erforderlichen rechtlichen Zusammenhang (§ 33 Z P O ) zu vermitteln 60 ). 2. A u s n a h m e . V o n dem Grundsatz, daß das materielle Recht für den Besitzschutz gleichgültig ist, gibt es eine Ausnahme. Der Besitzanspruch erlischt nach § 864 A b s . 2 B G B , wenn durch rechtskräftiges Urteil 61 ) festgestellt ist 62 ), daß dem Täter ein dingliches oder obligatorisches 63 ) Recht an der Sache zusteht, vermöge dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen kann 64 ). W a r 59
) Vgl. Turnau-Förster Bern. I 4 zu § 861 B G B . ) R G 23, 693; R G K Anm. 4 zu § 863 B G B ; O L G 15, 328. ) Eine einstweilige, wenn auch rechtskräftige einstweilige Verfügung steht einem Urteil in dieser Hinsicht nicht gleich. So mit Recht Staudinger R N 2 (e) u. R G K Anm. 3 zu § 864 B G B gegen R 01, 284 (Dresden). Allein es wird im Einzelfalle zu untersuchen sein, ob nicht die einstweilige Verfügung die Berechtigung zum eigenmächtigen Besitzeingriff verleihen wollte; dann ist der Besitzklage die Grundlage entzogen, weil dann eben die Eigenmacht infolge der einstweiligen Verfügung (und zwar schon vor deren Rechtskraft) erlaubt, mithin nicht verboten ist. e2 ) Trotz des entgegenstehenden Wortlauts des Gesetzes nimmt R G 107, 258 an, daß es gleichgültig ist, ob die Rechtskraft vor oder nach VerÜbung der Eigenmacht eingetreten ist. 63 ) Staudinger R N 2 (c) zu § 864 B G B ; R G 107, 258; Turnau-Förster Bern. 2 zu § 864 B G B ; Endemann 233 Anm. 28, R G K Anm. 4 zu § 864 B G B ; Strohal JheringsJ 38, 120; Wolff JheringsJ 44, 181 Anm. 105 und die überwiegende Meinung. Dagegen für Beschränkung auf d i n g l i c h e Rechte Planck Bern. 2 zu § 864 B G B ; vgl. die Nachweise bei Staudinger a. a. O. Es ist zwar richtig, daß das B G B unter einem Recht an einer Sache sonst nur ein dingliches Recht versteht. Das Motiv des Gesetzgebers aber, nach d e f i n i t i v e r Uberwindung des tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses durch das materielle Recht nicht einen öden Formalismus aufkommen zu lassen und da zur Einräumung des Besitzes zu verurteilen, wo doch schon rechtskräftig feststeht, daß der eingeräumte Besitz sofort wieder zurückgegeben werden muß, trifft für obligatorische Rechtsverhältnisse genau so zu wie für dingliche. Da liegt es doch viel näher, an eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers im sprachlichen Ausdruck zu denken, als über § 226 B G B die unerträgliche Lücke auszufüllen. 64 ) Die Besitzklage wie die Klage aus dem materiellen Rechte können unabhängig voneinander erhoben, ja sogar miteinander verbunden werden. Freilich wird sich eine solche Verbindung wohl niemals empfehlen; deshalb wird der Richter wohl auch von der Verbindungsbefugnis des § 147 ZPO keinen Gebrauch machen; keinesfalls ist es angängig, daß die Verhandlung über den Besitzanspruch ausgesetzt wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung des über das materielle Recht anhängigen Rechtsstreits. Denn gerade, weil der Besitzanspruch, abgesehen von der Ausnahme des § 864 Abs. 2 B G B 60
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beim Eintritt der Rechtskraft des petitorischen Urteils ein Besitzanspruch anhängig, so muß der Kläger seinen Anspruch der Hauptsache nach für erledigt erklären; es ist dann lediglich noch über die Kosten zu entscheiden, und zwar, wenn der Beklagte sich der Erledigterklärung des Klägers angeschlossen hat, nach § 91a ZPO 65 ). V. E r l ö s c h e n des A n s p r u c h s Der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes wie auf Beseitigung der Störung und Unterlassung weiterer Störung erlischt mit dem Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn nicht vorher der A n s p r u c h 6 6 ) im Wege der Klage geltend gemacht ist (§ 864 Abs. 1 BGB). Weil diese Frist keine Verjährungsfrist, sondern eine gesetzliche Ausschlußfrist ist, muß sie der Richter von Amts wegen berücksichtigen67). Sie läuft von der Verübung der verbotenen Eigenmacht an ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Klägers 68 ). Sind wiederholte Störungen vorgekommen, so wird zwar das Jahr von der letzten Störung an zu berechnen89) sein, die früheren Störungen können aber für die Anwendung des § 862 Abs. 2 B G B von Bedeutung sein. VI. E i n f l u ß v o n B e s i t z f e h l e r n Zur Begründung der Besitzstörungsklage gehört der Nachweis, daß sich der Kläger zur Zeit der Störung im Besitz befunden hat, daß der Besitz gestört wurde und daß der dadurch geschaffene Zustand der Beeinträchtigung des Besitzes zur Zeit der Klageerhebung noch fortdauert. Es ist keine Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs, daß die Besorgnis weiterer Störung noch zur Zeit des Urteils besteht, wohl aber, daß nach Sachlage zu diesem Zeitpunkt noch die M ö g l i c h k e i t der Wiederholung besteht70). Fehlerfreiheit des Besitzes ist nicht Voraussetzung des Klageanspruchs; aber je nach den tatsächlichen Verhältnissen kann infolge des Besitzfehlers in Frage gestellt sein, ob überhaupt der Begriff des Besitzes im Sinne der tatsächlichen Gewalt (§854 B G B ) im gegebenen Fall erfüllt ist. Nur dann ist das Klagerecht durch den Besitzfehler ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem S t ö r e r o d e r d e s s e n R e c h t s v o r g ä n g e r g e g e n völlig unabhängig von dem materiellen Recht ist, liegt Präjudizialität im Sinne des 65 § 148 Z P O nicht vor. ) Vgl. § 38 N. 92. 66 ) Eine Feststellungsklage hält daher den Ablauf der Frist nicht auf. Staudinger R N i (c) zu § 864 B G B ; R G K Anm. 2 zu § 864 B G B ; Palandt Anm. 1 zu § 864 B G B . «') J W 03 Beil. 105; R G 68, 389. 68 ) Das muß auch für wörtliche Handlungen gelten, wenn hierin überhaupt eine Besitzstörung zu erblicken ist. Vgl. hierüber oben § 38 I 3. 69 ) Staudinger R N 1 (a) zu § 864 B G B ; Palandt Anm. 1 zu § 864 BGB. 70 ) Vgl. oben § 38 II 2.
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ü b e r fehlerhaft besitzt u n d der Besitz in dem letzten Jahr vor der Störung erlangt ist (§ 862 Abs. 2 BGB). Fehlerhaft ist lediglich der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz (§858 Abs. 2 BGB). Ein lediglich auf Ruf und Widerruf (precario modo) eingeräumter Besitz ist kein fehlerhafter im Sinne der §§858 Abs. 2, 862 Abs. 2 B G B , genießt also den Besitzschutz auch demjenigen gegenüber, der den Besitz erst im letzten Jahr vor der Störung prekaristisch eingeräumt hat. VII. S c h a d e n e r s a t z Die Besitzschutzklage (§§ 861, 862 B G B ) ist nur darauf zu richten, daß ein Zustand herzustellen ist, bei dem die Beeinträchtigung des Besitzes n i c h t m e h r vorhanden ist. Der Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung überhaupt nicht eingetreten wäre (Schadensersatzanspruch), bedarf einer besonderen Begründung 71 ). Dieser Anspruch setzt regelmäßig voraus, daß die verbotene Eigenmacht schuldhaft begangen wurde. Da der Besitz ein Vermögensrecht und § 8 5 8 B G B ein Schutzgesetz darstellt, ist § 823 Abs. 2 B G B anwendbar 72 ). Der Vermieter, der dem Mieter nach Ablauf der Mietzeit gegen dessen Willen den Besitz entzieht, übt verbotene Eigenmacht und ist schadeneratzpflichtig 73 ). Der Anspruch auf Schadenersatz wegen Besitzstörung ist durchaus petitorischer Natur, so daß für ihn auch das materielle Recht von Bedeutung ist 74 ). Wird die Besitzstörungsklage mit dem Schadenersatzanspruch verbunden, so können daher dem Ersatzanspruch gegenüber auch materiell-rechtliche Einwendungen geltend gemacht werden; daher ist dem Schadenersatzanspruch gegenüber auch eine Widerklage aus dem materiellen Recht zulässig 75 ). D e m Besitzer, dem durch § 26 G e w O die Besitzstörungsklage entzogen ist, steht der Anspruch auf Schadloshaltung zu 78 ). Die Besitzstörungsklage des § 862 B G B unterliegt natürlich den gleichen Beschränkungen, die § 906 B G B dem Eigentum auferlegt 77 ). 7 1 ) V g l . R 17 Nr. 825 R G ; O L G 15, 329. — Der Anspruch aus §§ 861, 862 B G B ist seiner Natur nach kein Schadenersatzanspruch (R 09 Nr. 1683, Braunschweig). — V g l . auch unten § 43 A . 72 ) R G 59, 326; R G K Anm. 13 zu 861 B G B . J W 06,737; R 24 Nr. 269 (RG); Gruchot 51, 985. Uber die Beschränkung, welche für die Verbindung des Schadenersatzanspruchs mit der Besitzschutzklage zu setzen ist, vgl. SeuffA 66 Nr. 54 (RG). ">) O L G 43, 209 (Hamburg). 74 ) R 24 Nr. 269 (RG). 75 ) V g l . SchlHA 25, 114 (Kiel). '•) R G 105, 214. Uber den Begriff „Schadloshaltung" s. oben § 39 III. " ) R G 105, 216.
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IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
§ 41. Rechtsschutz der Grunddienstbarkeiten § 1027 BGB Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die im § 1004 bestimmten Rechte zu. Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die im § 1004 B G B bestimmten Rechte zu (§ 1027 BGB). Der hiernach gegebene Anspruch ist aus dem materiellen Recht des Grunddienstbarkeitsberechtigten abgeleitet. Es handelt sich also dabei nicht um eine Besitzstörungsklage. I. B e e i n t r ä c h t i g u n g Die Beeinträchtigung kann durch eine positive Tätigkeit 2 ) oder eine rechtswidrige Unterlassung herbeigeführt worden sein. Freilich ist hier zu berücksichtigen, daß vermöge des Grundsatzes servitus in faciendo consistere nequit 2a ) der Eigentümer des dienenden Grundstücks regelmäßig nicht zu einem positiven Tun verpflichtet ist. Doch gibt es hiervon Ausnahmen 3 ). Auch bloße Drohungen können unter Umständen eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit darstellen4), während ein bloßes Bestreiten regelmäßig den Anspruch aus § 1027 B G B nicht erzeugt5). In letzterem Fall kann ein F e s t s t e l l u n g s a n s p r u c h auf Anerkennung des rechtlichen Bestandes oder Umfanges der Grunddienstbarkeit erhoben werden, wenn die Voraussetzungen des § 256 ZPO gegeben sind. Die Verbindung eines solchen Feststellungsanspruchs mit dem Anspruch aus § 1027 B G B ist zulässig und wird sich häufig empfehlen, um Rechtskraft zugunsten des ganzen Rechtsverhältnisses herbeizuführen und die Grundlage für die Eintragung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch zu schaffen6). 1 ) Unrichtig. BayObLG 23, 1 1 7 . Dagegen ist ein Besitzschutz nach Art. 191 Abs. 2 E G gewährt, s. hierüber unten § 42. 2 ) Z. B. durch Errichtung eines Gebäudes ( R G 47, 359) oder durch Transport von Schiffen (Fischrecht), durch Verengung der Straße und damit Behinderung der Benutzung einer Durchfahrt ( R G 126, 373); R G K Anm. 4 zu § 1027 B G B . 2a ) Vgl. oben § 30 III 6. 3 ) S. z. B. oben § 34 III über die Verpflichtung des Eigentümers eines mit einem Forstrecht belasteten Waldes, das Holz anzuweisen oder zu fällen. — Vgl. oben § 31 V , über die Verpflichtung des Eigentümers zur Unterhaltung einer Anlage, welche der Ausübung der Grunddienstbarkeit dient. Soweit der Eigentümer des belasteten Grundstücks unterhaltungspflichtig ist, steht dem Eigentümer des berechtigten Grundstücks der Anspruch auf Unterhaltung aus § 1027 B G B zu. — Vgl. dazu oben § 30 III 6. 4 ) Vgl. J W 08, 274. 6 ) Vgl. BayZ 06, 446 (Bamberg); BayObLG 3, 500; R G K Anm. 2 zu § 1027 B G B . Vgl. auch oben § 38 I 3. 6 ) Staudinger R N 3 zu § 1027 B G B .
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II 1,2 Der Anspruch setzt kein Verschulden desjenigen voraus, welcher für die Beeinträchtigung verantwortlich ist8a). II. I n h a l t des A n s p r u c h s Das Ziel des Anspruchs ist die Abwehr der Beeinträchtigung. Es ist klar, daß die Abwehrklage da nicht mehr angestellt werden kann, wo sie nicht mehr notwendig ist, weil eine Störung der Grunddienstbarkeit nicht mehr vorliegt. Deshalb kann man sagen, daß der Anspruch aus § 1027 B G B einen Zustand der Beeinträchtigung voraussetzt. Dieser Zustand kann in einem körperlichen Verhältnis bestehen, durch welches die Störung dargestellt wird, oder in einem Zustand der Gefährdung durch Wiederholung der Eingriffe. Aus dieser Verschiedenheit der Veranlassung ergibt sich eine doppelte Gestaltung des Anspruchs: 1. A n s p r u c h auf B e s e i t i g u n g . Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung geht auf die Wiederaufhebung einer fortbestehenden Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit. Der Fortbestand und die Wiederaufhebbarkeit der Beeinträchtigung setzen ein körperliches Verhältnis voraus615). Wenn die Unterhaltung einer zur Ausübung der Grunddienstbarkeit dienenden Anlage dem Eigentümer des dienenden Grundstücks obliegt, stellt die Unterlassung dieser Unterhaltung eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit dar. Die Beseitigung dieser Beeinträchtigung wird durch Ausführung der Unterhaltung bewirkt; hierauf ist also in diesem Fall der Beseitigungsanspruch zu richten7). 2. A n s p r u c h auf U n t e r l a s s u n g . Der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung setzt ebenfalls einen Zustand, jedoch nicht körperlicher Art, voraus. Wenn das Zuwiderhandeln gegen die aus dem Inhalt der Grunddienstbarkeit sich ergebenden Pflichten die zuständliche, bis in die Gegenwart fortdauernde Folge hervorgebracht hat, daß weitere Beeinträchtigungen nach den Umständen zu besorgen8) sind, so ist dem Berechtigten der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung gegeben8»). Auch hier ist der Berechtigte weder verpflichtet noch berechtigt, auf Vorkehrung bestimmter Maßnahmen zu klagen, durch welche die Beeinträchtigung hintangehalten werden soll81»). Uber die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil auf Unterlassung vgl. oben § 38 II 2 b. 6a
) Vgl. oben § }8 I 4. ') Staudinger R N 3 (c) zu § 1027 B G B ; Dernburg 585. 8 ) Bloße Möglichkeit genügt nicht. ( R G 63, 374.) 8a ) Vgl. oben § 38 II 2.
6b
) Vgl. oben § 38 II 1.
8tJ
) Vgl. oben § 38 II 2 a.
829
§ 41 IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, I I 3, I I I 1 Besitz und dinglichen Rechten
Der Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten kann einer mit obrigkeitlicher Erlaubnis errichteten gewerblichen Anlage gegenüber niemals die Einstellung des Betriebes, sondern höchstens die Herstellung von Einrichtungen, welche die Störung ausschließen, bewirken. Wo solche Einrichtungen nicht tunlich sind, kann wegen der Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit lediglich Schadloshaltung verlangt werden80). Daneben greift der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz auch in den Anspruch auf § 1027 B G B ein, wonach gegenüber der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und speziell gegenüber polizeilichen Anordnungen nicht auf Unterlassung geklagt werden kann 8d ). 3. K e i n S c h a d e n e r s a t z . Schadenersatz kann nur im Falle des Verschuldens nach Maßgabe der Haftung für die unerlaubte Handlung verlangt werden9). Dieser Schadenersatzanspruch kann mit dem Anspruch aus § 1027 B G B verbunden werden. III. P a r t e i s t e l l u n g im R e c h t s s t r e i t 1. A k t i v l e g i t i m a t i o n . Klageberechtigt ist der Inhaber der Dienstbarkeit, also der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks 10 ). Es ist nicht erforderlich, daß er im Besitz des Grundstücks ist. Auch der einzelne Miteigentümer ist klageberechtigt ( § 1 0 1 1 BGB). Wird das herrschende Grundstück geteilt und die Grunddienstbarkeit bleibt für die einzelnen Teile fortbestehen (§ 1025 B G B , s. oben § 31 V I I I 1 ) , so ist jeder Eigentümer eines solchen Teils klageberechtigt 11 ). Ebenso der Erbbauberechtigte (§11 ErbbauRVO) und der Nießbraucher la ) ( § 106 5 BGB), soweit mit dem Erbbaurecht und dem Nießbrauch die Ausübung einer Grunddienstbarkeit aktiv verbunden ist. Der Fideikommißbesitzer des herrschenden Grundstücks ist aktiv legitimiert. An Stelle des Eigentümers sind der Konkursverwalter (§§6, iof. KO), der Testamentsvollstrecker (§§ 2212, 2213 BGB), aber auch der Zwangsverwalter aktiv legitimiert. Dagegen fehlt die Aktivlegitimation dem Mieter und Pächter 13 ). 8c
8d ) Siehe oben § 39 II u. III. ) Vgl. oben § 38 X. ») Vgl. SeuffBl. 68, 166; BayObLG 3, 492; vgl. unten § 43 A. 10 ) Bei Gemeindeservituten ist das einzelne Mitglied der Gemeinde nicht aktiv 11 legitimiert (s. oben § 30 N. 117). ) Vgl. OTr. 25, 280. 12 ) R G K Anm. 3 zu § 1027 BGB. 13 ) Planck Bern. 2 zu § 1027 B G B ; BayZ 23, 305 (Bamberg); R G K Anm. 3 zu § 1027 BGB (jedoch unter Umständen Feststellungsklage); dagegen steht dem Mieter und Pächter der Besitzschutz (§ 1029 BGB) hinsichtlich der Grunddienstbarkeit zu, s. hierüber unten § 42. A. M. Staudinger RN 2 a zu § 1027 BGB; Dernburg 584, die dem Mieter und Pächter die Feststellungsklage gewähren wollen. Man wird sie regelmäßig auf die Besitzstörungsklage beschränken müssen. Vgl. auch oben § 38 IV.
830
Rechtsschutz der Grunddienstbarkeiten
8
4 1
III 2, IV—VI 2. Passivlegitimation. Passiv legitimiert ist jeder Störer13»), also nicht nur der Eigentümer des dienenden Grundstücks, sondern jeder Dritte, der unbefugt der Ausübung der Grunddienstbarkeit in den Weg tritt14). Mehrere Störer haften aus einer gemeinschaftlich begangenen Störung als Gesamtschuldner für die Beseitigung der Beeinträchtigung16). Der Eigentümer des dienenden Grundstücks, der störende Veranstaltungen auf seinem Grundstück durch andere wissentlich duldet, ist als Störer verantwortlich16). Wird auf Feststellung einer Grundgerechtigkeit geklagt, die auf einem Grundstück ruht, welches im Miteigentum mehrerer Personen steht, so muß die Klage gegen die sämtlichen Miteigentümer erhoben werden, wenn auch nur einer von ihnen die Grunddienstbarkeit bestritten hat17). IV. Beweislast Der Kläger ist für den von ihm behaupteten Inhalt und Umfang der Grunddienstbarkeit beweispflichtig, wobei hinsichtlich der im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeiten die Bezugnahme auf den Inhalt des Grundbuchs genügt (§§ 891, 874 BGB). Dem Kläger liegt ferner der Nachweis der Klageveranlassung ob; er muß also beweisen, daß ein Zustand der Beeinträchtigung (in dem oben I und II erörterten Sinne) vorliegt. V. Zeitliche Statutenkollision Der § 1027 BGB gilt auch für die bei dem Inkrafttreten des BGB bereits bestehenden Grunddienstbarkeiten (Art. 184 EG). VI. Gerichtsstand Für die Klage aus § 1027 BGB ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk das dienende Grundstück belegen ist (§24 ZPO). Dies gilt auch dann, wenn mit der Klage aus § 1027 BGB die Klage auf Schadensersatz nach den §§ 823fr. BGB verbunden wird (§§ 25, 26 ZPO). 13a 14
BGB.
) Vgl. dazu oben § 38 I V 2. ) BayZ 06, 446 (Bamberg); BayObLG 3, 352 (Bamberg); R G K Anm. 4 zu § 1027
15
) Vgl. SeufiA 61 Nr. 224, vgl. oben § 38 I V 2. ) Vgl. R G 47, 162; J W oo, 840; 02 Beil. 1 8 7 ; Palandt Anm. 3 zu § 1027 B G B ; vgl. oben § 38 I V 2. " ) O L G 18, 149 (Köln); Stein-Jonas-Schönke, § 62 III 1 ZPO. — A . M. dagegen Josef ArchZivPr. 107, 168 ; die Kosten, die gegen den nicht bestreitenden Miteigentümer erwachsen sind, können diesem auch dann überbürdet werden, wenn er den Anspruch sofort anerkennt, weil sein Anerkenntnis so lange wirkungslos ist, als es nicht alle Miteigentümer erklären. 16
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§ 4 2 A I , II
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
§ 42. Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten A . Begriff des Quasibesitzes an Grunddienstbarkeiten
I. A r t e n der G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n Ein Sachbesitz im Sinne des § 854 B G B ist bei Grunddienstbarkeiten nur dann denkbar, wenn sich die Dienstbarkeit in Anlagen verkörpert, die auf das dienende Grundstück direkt einwirken, z. B. in überragenden Balken, Dunggruben, Wasserleitungen usw. Auf diese Fälle finden die Vorschriften des B G B über den Schutz des Sachbesitzes (§§ 854fr. B G B ) unmittelbar Anwendung 1 ). II. R e c h t s b e s i t z ? Abgesehen hiervon ist ein Sachbesitz bei Grunddienstbarkeiten undenkbar. Obwohl das B G B den Rechtsbesitz im allgemeinen nicht anerkannt hat, hielt es aus praktischen Gründen für unumgänglich, dem Besitzer einer Grunddienstbarkeit den possessorischen Rechtsschutz zu gewähren. Bei der Bestimmung der Voraussetzungen dieses Schutzes geht das B G B davon aus, daß eine Analogie zwischen dem Sachbesitz und dem Zustand der Ausübung der Grunddienstbarkeit gegeben ist. Das Analogon des Sachbesitzes ist bei den Grunddienstbarkeiten der Zustand der Ausübung bzw. der Zustand der tatsächlichen Geltung der Dienstbarkeit, welcher in deren Betätigung seitens des Ausübenden zutage tritt2). Den Vorschriften des B G B liegt der Gedanke zugrunde, daß man denjenigen, welcher sich in der Ausübung der Dienstbarkeit befindet, gewissermaßen als Mitbesitzer (quasi possessor) neben dem Sachbesitzer ansehen kann3). Dadurch aber ist in der Tat bei Grunddienstbarkeiten vom B G B der Rechtsbesitz anerkannt worden. Zwar spricht das B G B nur von einer entsprechenden Anwendung der für den Besitzschutz geltenden Vorschriften auf den Schutz der Ausübung einer Grunddienstbarkeit (Art. 191 E G ; § 1029 BGB). Aber die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Schutz des Sachbesitzes ist eben nur dann möglich, wenn Rechtsbesitz (quasi possessio) des Servitutberechtigten zugrunde gelegt wird4). Dagegen genießt Planck Bern. 1 zu § 1029 B G B ; Staudinger R N 1 a zu § 1029 B G B ; Palandt 1 zu § 1029 B G B . 2 ) M 3, 490, Mugdan 3, 273. 3 ) Planck Bern. 1 zu § 1029 B G B . 4 ) So ist nach § 862 Abs. 2 B G B der Besitzanspruch ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt ist. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den Schutz der Ausübung von Grunddienstbarkeiten setzt unerläßlich voraus, daß auch hier ein tatsächliches Machtverhältnis als e r l a n g t unterstellt wird. Mit anderen Worten: wie der Sachbesitz durch eine einmalige Handlung erworben wird, so muß auch das unterstellte Herrschaftsverhältnis bezüglich einer Grunddienstbarkeit, welches den Besitzschutz genießt,
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Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten
§
42
B I , II die beschränkte persönliche Dienstbarkeit einen Besitzschutz nur dann, wenn die Voraussetzungen des Sachbesitzes (§854 B G B ) im Einzelfall gegeben sind. B. Erwerb des Quasibesitzes an Grunddienstbarkeiten
I. E r w e r b d u r c h A u s ü b u n g der G r u n d d i e n s t b a r k e i t Wie der Sachbesitz durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache erworben wird (§854 BGB), so wird die quasi possessio durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit erworben, und zwar schon durch eine einmalige, auf Fortsetzung gerichtete Ausübung. Gleichwie der Sachbesitz als tatsächliche Gewalt ohne Rücksicht darauf besteht, ob er rechtlichen Schutz genießt, so besteht die dem Sachbesitz entsprechende quasi possessio unabhängig davon, ob und inwieweit ihr vom Gesetzgeber ein Schutz zugebilligt wird. Dieser Gedanke ist als grundlegend festzuhalten. Es wäre verfehlt, eine quasi possessio nur insoweit als gegeben zu erachten, als ein Schutz der quasi possessio vom Gesetzgeber zugebilligt ist. Die quasi possessio wird erlangt durch eine Handlung, welche sich objektiv als Ausübung einer Grunddienstbarkeit darstellt. Die Handlung muß den Charakter der Rechtsausübung tragen6). Gleichgültig für den Begriff der quasi possessio ist es, ob sie durch eine fehlerhafte Besitzhandlung erworben wird. Gleichwie der Räuber an der von ihm abgenommenen Uhr Besitz erwirbt, so wird die quasi possessio einer Fahrtgerechtigkeit auch dann erworben, wenn der Ausübende den seiner Fahrt entgegengesetzten Willen des Eigentümers mit Gewalt überwindet. Er besitzt fehlerhaft, aber er besitzt, wenn es ihm gelungen ist, den entgegenstehenden Willen des Grundeigentümers zu überwinden6). Er hat die quasi possessio e r l a n g t und behält sie so lange, als er nicht das von ihm begründete Herrschaftsverhältnis aufgibt oder in anderer Weise verliert. Durch den Akt der Betätigung der Dienstbarkeitsausübung wird also ein dem Sachbesitz analoges Herrschaftsverhältnis begründet, welches mit zuständlicher Wirkung fortdauert (quasi possessio). Die quasi possessio reicht niemals weiter als die Ausübung, und in diesem Rahmen hat sich dann auch der Besitzschutz, sofern er überhaupt besteht, zu halten. II. A r t und W e i s e der A u s ü b u n g Ob ein Besitzstand vorliegt, muß nach Lage des Einzelfalls entschieden werden7). Es ist nicht erforderlich, daß die Willensrichtung des durch eine einmalige Handlung dergestalt erworben werden können, daß ein dem Sachbesitz analoges, aber nicht in der tatsächlichen Gewalt, sondern nur in der rechtlichen Fiktion bestehendes Herrschaftsverhältnis angenommen wird 6 6 ) Vgl. BayOGH 8, 461; O L G 6, 255. ) § 861 Abs. 2 B G B ist anzuwenden. Vgl. oben § 40 I 1. ;3
Meisncr-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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§ 42 JJ J I
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Quasipossessors gerade auf die Ausübung einer Grunddienstbarkeit als eines Rechts an einer f r e m d e n Sache gegangen ist; auch eine Rechtsausübung, welche in dem Glauben, Eigentümer zu sein, vorgenommen wurde, genügt. Aber es muß sich um eine solche Betätigung handeln, die rein objektiv betrachtet als die eines Grunddienstbarkeitsberechtigten aufgefaßt werden kann; es muß also eine Ausübung vorliegen, die für die Benutzung eines dem Quasipossessor gehörigen Grundstücks Vorteil bietet; dem Grundsatz servitus fundo utilis esse debet (s. oben § 30 III 1) muß bei der in Frage stehenden Betätigung Genüge geleistet sein, weil es sich sonst gar nicht um die Ausübung einer Grunddienstbarkeit handeln kann. Wenn z. B. der Postbote bei seinem täglichen Bestellgang über eine fremde Wiese geht, wird er niemals die quasi possessio einer Gehgerechtigkeit an dieser Wiese erwerben. Wenn aber der Eigentümer eines Ackers zum Zweck der Bestellung über einen daran grenzenden Rain gefahren ist, dann kann er hierdurch die quasi possessio einer Fahrtgerechtigkeit selbst dann erworben haben, wenn er sich irrtümlicherweise für den Eigentümer des Rains gehalten hat. Die Immission von Rauch, Ruß usw. kann nicht ohne weiteres als eine Handlung aufgefaßt werden, in welcher die Absicht einer Rechtsausübung an dem fremden Grundstück zum Ausdruck kommt8), ebenso wenig das Ausschwärmenlassen von Bienen9). Desgleichen stellt eine bloße Mauetausbauchung oder das bloße Hineinragen eines schief g e w o r d e n e n Giebels für sich allein noch keine Rechtsausübung einer Servitut dar 10 ). Die Rechtsausübung einer Dienstbarkeit an Sachen, welche dem öffentlichen Gebrauch gewidmet sind, ist denkbar, aber sie liegt noch nicht ohne weiteres in der Ausübung von allgemeinen Gebrauchsbefugnissen, welche aus der Öffentlichkeit des Weges folgen 11 ). Wenn die Benutzung nur v e r g ü n s t i g u n g s w e i s e oder mit dem Willen der V e r h e i m l i c h u n g erfolgt, ist die quasi possessio nicht gegeben 12 ). Dagegen kann eine g e w a l t s a m erzwungene Ausübung sehr wohl den Charakter der Rechtsausübung tragen 13 ). Gerade weil jemand sich sein Recht nicht nehmen lassen will, übt er es trotz des Verbots erst recht aus. Zweifelhaft ist, was zu der Ausübung der Dienstbarkeit gehört, wenn diese darin besteht, daß auf dem dienenden Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen. Die bisherige Rechtsprechung 8 ) Vgl. Bolze 2 Nr. 191, 5 Nr. 97, 11 Nr. 51, RG 11, 175; SeuffA 46 Nr. 171. 10 >) Vgl. JW 84, 281 Nr. 59. ) Vgl. RG 45, 287 und dagegen: OLG 5, 423. u ) OLG 6, 255; BayOGH 9, 81; 10, 200; SeuffA 42 Nr. 194 (RG). 12 ) OLG 6, 255; Palandt 2 b zu § 1029 BGB. 13 ) Vgl. RG 22, 189; BayOGH 8, 201; a. M. Dernburg 587. Zu unrecht beruft sich Dernburg auf Planck Bern. 3 b.
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Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten
§42
c
hat in solchen Fällen eine quasi possessio nur dann angenommen, wenn die Nichtvornahme der betreffenden Handlung infolge eines Verbots des anderen Teils erfolgte 14 ). Daran wird festzuhalten sein. Wenn aber die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist, so wird man in dieser Eintragung schon das erforderliche Verbot erblicken können15). Durch Dritte kann, wenn sie in einem Repräsentationsverhältnis zu der Person des Berechtigten stehen, die quasi possessio erworben werden 16 ); steht der Dritte zu dem Berechtigten in keinem Repräsentationsverhältnis, so kann die quasi possessio zwar durch ihn erhalten, aber nicht erworben werden 17 ). Wenn die Handlung so, wie sie äußerlich in die Erscheinung tritt, geeignet ist, eine Rechtsausübung darzustellen, so wird es Sache des Gegenbeweises sein, den Charakter der Rechtsausübung zu widerlegen 18 ). C. Beendigung des Quasibesitzes
Wie lange der durch den erwerbenden Akt vollzogene Zustand der quasi possessio erhalten bleibt, ist ebenso wie beim Sachbesitz eine Tatfrage. Auch hier tritt wieder in Erscheinung, daß der B e g r i f f der quasi possessio den rechtlichen Schutz nicht zur Voraussetzung hat. Das ergibt sich aus Art. 191 E G . Danach wird für eine Grunddienstbarkeit, welche weder eingetragen, noch in einer Anlage verkörpert ist, der Besitzschutz nur gewährt, wenn die Dienstbarkeit in jedem der drei letzten Jahre vor der Störung mindestens einmal ausgeübt worden ist. Damit ist nicht gesagt, daß der Besitzschutz stets dann gewährt werden m u ß , wenn die Dienstbarkeit in jedem der drei letzten Jahre mindestens einmal ausgeübt worden ist. Es wird vielmehr vorausgesetzt, daß zur Zeit der Störung die quasi possessio noch besteht. Die quasi possessio kann aber erloschen sein, obwohl im letzten Jahr vor der Störung die Grunddienstbarkeit noch ausgeübt wurde 19 ). Es erlischt nämlich die quasi possessio, wenn der Berechtigte das durch Ausübung begründete Herrschaftsverhältnis aufgibt oder in anderer Weise verliert, gleich wie der Sachbesitz nach § 8 5 6 B G B dadurch beendigt wird, daß der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert. Wenn z. B. der Kläger bei seiner Fahrt über die fremde Wiese gestört wird und deswegen die Besitzschutzklage erhebt, so wird er mit dieser 14 ) Holzschuher, Theor. und Kas. z, 403; SeuffA ;6 Nr. 110; J W 91, 23 Nr. 53; vgl. oben § 36 II 3. 15 ) Planck Bern. 3 b zu § 1029 B G B ; R G K Anm. 5 zu § 1029 BGB. 16 ) Vgl. Planck Bern. 3 b zu § 1029 B G B ; SeuffA 47 Nr. 188; BayOGH 5, 795 17 (Dienstboten), 7, 241 (Pächter). ) Vgl. SeuffA 47 Nr. 188. 18 ) Planck Bern. 3 b zu § 1029 BGB. ™) Planck Bern. 3 zu § 1029 BGB.
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§ 42 j) j i
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Klage auch dann abgewiesen werden können, wenn er in jedem der vorhergehenden drei Jahre wiederholt und sogar durchaus ungehindert und im guten Glauben über die fremde Wiese gefahren ist. Wenn ihm nämlich der Wiesenbesitzer eine von ihm aufgefundene Urkunde vorgezeigt hat, aus der sich ergab, daß die bis dahin von beiden Teilen unterstellte Fahrtgerechtigkeit in Wirklichkeit nicht bestand und daraufhin der Kläger, der im Begriff stand, über die Wiese zu fahren, dies unterließ, so hatte er hierdurch die quasi possessio verloren; er hatte das durch die Ausübungshandlung begründete Herrschaftsverhältnis aufgegeben. Das Herrschaftsverhältnis des Berechtigten an der fremden Sache, die quasi possessio, wird namentlich dadurch aufgegeben, daß der Berechtigte die nach den Umständen veranlaßte Fortsetzung der Ausübung mit dem Willen unterläßt, die Grunddienstbarkeit nicht mehr weiter auszuüben. Das Aufgeben des Besitzwillens ist unter diesen Umständen auch aus einer bloßen, länger andauernden Nichtausübung des Rechtsbesitzes zu folgern. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage vorwiegend tatsächlicher Natur 20 ). Der Verlust des Quasibesitzes tritt auch dann ein, wenn der Besitzer des herrschenden Grundstücks die Ausübung der Dienstbarkeit nicht freiwillig aufgibt, sondern ihm die Ausübung der Dienstbarkeit von dem Besitzer des belasteten Grundstücks, wenn auch nur zeitweilig 21 ), unmöglich gemacht wird 22 ). Allein gegen diese Behinderung kann gerade der Besitzschutz wirksam angerufen werden. D. Besitzschutz I. V o r a u s s e t z u n g e n Die Voraussetzungen sind verschieden, je nachdem die Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist oder nicht. i. E i n g e t r a g e n e G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n . Wird der Besitzer eines Grundstücks in der Ausübung einer für den Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit gestört, so finden die für den Besitzschutz geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit die Dienstbarkeit innerhalb eines Jahres vor der Störung, sei es auch nur einmal, ausgeübt worden ist (§ 1029 BGB). Der Besitzschutz kann auf Grund des § 1029 B G B niemals über den Inhalt der Grunddienstbarkeit, wie er im Grundbuch eingetragen ist, hinaus20 ) Vgl. BayOGH 15, 279. Ausübung eines Fahrtrechts auf Bitte des Belasteten in einer anderen Richtung; Wahrung des Besitzstandes in der ursprünglichen Richtung (BayOGH 9, 483; vgl. 6, 765). 21 ) Nach dem Wegfall der Verhinderung kann die quasi possessio natürlich von neuem erworben werden. Planck Bern. 3 zu § 1029 B G B ; Staudinger R N 3 zu § 1029 und R N 45 zu § 1018 BGB.
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§42 DI2
Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten
gehen23). Eine Ausübung, die über den eingetragenen Inhalt der Grunddienstbarkeit hinausgeht, kann aber den Besitzschutz unter den Voraussetzungen genießen, unter welcher er einer nicht eingetragenen Grunddienstbarkeit zukommt (s. unten 2). Die Erfordernisse der Ausübung sind oben unter B erörtert. Ist die Dienstbarkeit innerhalb des der Störung vorausgehenden Jahres nicht mindestens einmal ausgeübt worden, so bleibt der Besitzschutz überhaupt versagt. E r wird dagegen gewährt, wenn dies auch nur einmal in dem der Störung vorausgegangenen Jahr geschehen ist. War diese vorhergehende Ausübung eine gewaltsame, so kommt es darauf an, ob der Quasipossessor die quasi possessio schon vor dem Beginn des der Störung vorhergehenden Jahres erlangt hat23®). War dies der Fall, dann kann ihm dieser fehlerhafte Erwerb seiner quasi possessio nach §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 B G B nicht mehr entgegengehalten werden. Hat aber der Besitzer des herrschenden Grundstücks die quasi possessio erst in dem der Störung vorhergehenden Jahr erlangt, dann sind die Voraussetzungen gegeben, vermöge deren der störende Besitzer des dienenden Grundstücks die Besitzklage nach §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 B G B aus dem Felde schlagen kann. 2. N i c h t e i n g e t r a g e n e G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n . Nach Art. 191 Abs. 1 E G sind die bisherigen Gesetze über den Schutz im Besitz einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit aufrechterhalten, bis das Grundbuch für das belastete Grundstück als angelegt anzusehen ist. Vom Inkrafttreten der Grundbuchverfassung an ist also der Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten in Gemäßheit des Art. 191 Abs. 2 E G nach Reichs-(Bundes-)recht zu beurteilen. Soweit der Besitzschutz der nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten durch Art. 191 Abs. 2 E G geregelt ist, sind zu unterscheiden: a) die nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten, mit welchen das Halten einer dauernden A n l a g e verbunden ist. Diese genießen den Besitzschutz ohne weiteres (Art. 191 Abs. 2 S. 1 E G ) ; b) die sämtlichen nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten a n d e r e r Art, denen der Besitzschutz nur dann gewährt wird, wenn die Dienstbarkeit in jedem der drei letzten Jahre vor der Störung wenigstens einmal ausgeübt worden ist (Art. 191 Abs. 2 Satz 2 EG). Daß die quasi possessio während der drei Jahre ununterbrochen fortgedauert hat, ist nicht notwendig. Es genügt, wenn sie in jedem Jahre mindestens einmal, wenn auch nur zeitweilig vorhanden war, sofern sie nur unmittelbar vor Beginn des letzten der Störung vorausgegangenen Jahres bestanden hat. Ist aber die Wiedererlangung der quasi possessio erst in dem Planck Bern. 4 zu § 1029 B G B .
23a
) Vgl. oben B I.
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§ 42 J ) JJ
I V . Abschnitt. A n s p r ü c h e w e g e n Beeinträchtigung v o n E i g e n t u m , Besitz u n d dinglichen Rechten
der angeklagten Störung unmittelbar vorausgehenden Jahr wieder erlangt worden, so schlägt der störende Besitzer des belasteten Grundstücks die Besitzklage mit dem Einwand aus §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 BGB. II. I n h a l t Solange das durch die Ausübungsbetätigung begründete zuständliche Herrschaftsverhältnis (quasi possessio) fortdauert, ist jede Behinderung oder Störung in der Ausübung der Dienstbarkeit ohne den Willen des Quasibesitzers eine Verletzung des Quasibesitzrechts. Die rechtswidrige Verhinderung in der Ausübung oder deren rechtswidrige Beeinträchtigung ist verbotene Eigenmacht, zu deren Abwehr dem Quasibesitzer neben dem Rechte der Selbsthilfe24) (§859 BGB) die Besitzklagen gegeben sind. Bei totaler Verletzung, nämlich bei Entziehung des Quasibesitzes geht der Anspruch auf Wiedereinräumung desselben (§861 BGB). Wird der Quasibesitz nur partiell, d. i. eben in anderer Weise als durch Entziehung, beeinträchtigt, so steht dem Quasibesitzer die Besitzstörungsklage zu (§ 862 BGB). Der Quasibesitz ist entzogen, wenn der Dritte die Ausübung der Dienstbarkeit ganz vereitelt; er ist gestört, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit erschwert wird ; die Grenzen der beiden Besitzklagen sind bei ihrer Anwendung auf den Schutz der Grunddienstbarkeitsausübung besonders flüssig. Das Gesetz erkennt mit gewissen Einschränkungen, die unter I erörtert wurden, die quasi possessio als schutzwürdig an; dem Quasipossessor ist das Recht auf Erhaltung des durch die Ausübung erlangten Herrschaftsverhältnisses in dem Sinn verliehen, daß er an der Fortsetzung der Ausübung nicht behindert werden darf. Sein Quasibesitz wird geschützt ohne Rücksicht darauf, ob er mit der Rechtslage übereinstimmt. Wer diesen Herrschaftszustand stört, handelt widerrechtlich, sofern ihm nicht das Gesetz die Störung gestattet 25 ). Die Störung ist verbotene Eigenmacht (§ 858 B G B ) und also selbst dann unzulässig, wenn die angemaßte Grunddienstbarkeit in Wiküchkeit gar nicht besteht. O b der Kläger seinerseits selbst den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat, ist nur dann von Bedeutung, wenn der Quasibesitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat und der Besitz in dem letzten Jahr vor der Störung erlangt worden ist ( § 8 6 1 Abs. 2, § 862 Abs. 2 BGB 2 8 ). Der Anspruch geht auf Wiedereinräumung des Quasibesitzes bzw. auf Beseitigung der Störung und Unterlassung weiterer Störung der Ausübung 24 )
V g l . hierüber Planck Bern. 4 a z u § 1029 B G B ; Staudinger R N 3 zu § 1029 B G B . S. o b e n § 40 I I 3. 2 e ) Näheres o b e n z u § 40, insbesondere § 40 I V 1. 25 )
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3
A
27
der Grunddienstbarkeit ). E r erlischt mit dem Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn nicht vorher der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht ist (§ 864 Abs. 1 BGB) 2 8 ). Eine Einwendung oder Widerklage aus dem materiellen Recht ist nicht zulässig 29 ). § 43. Anspruch auf Schadenersatz A . Eigentumsfreiheitsklage und Schadenersatz
Schaden ist gleichbedeutend mit Minderung des Vermögens. Grundsätzlich muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen. Nur dann kann er ihn auf einen anderen abwälzen, wenn dieser aus einem besonderen Rechtsgrund zum Ersatz verpflichtet ist. Deshalb allein, weil ein anderer den Schaden verursacht hat, ist er noch nicht zum Schadenersatz verpflichtet. Aus § 1004 B G B ist ein zum Schadenersatz verpflichtender Rechtsgrund nicht abzuleiten1). Der Eigentumsfreiheitsanspruch erschöpft sich in der Beseitigung der Beeinträchtigung des Eigentums. Die Beeinträchtigung besteht darin, daß das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903 BGB), durch das Verhalten eines anderen in zuständlicher Weise verletzt wird. Folgerichtig geht der Beseitigungsanspruch auf Herstellung eines Zustandes, bei dem v o n nun ab der Eigentümer sein Recht, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, ungehemmt ausüben kann. Mit der Herstellung dieses Zustandes ist der Beseitigungsanspruch auch dann erfüllt, wenn während der Dauer der Beeinträchtigung der Zustand der Sache selbst durch die Beeinträchtigung in nachteiliger Weise verändert worden und nach der Beseitigung der Beeinträchtigung verändert geblieben ist (Sachschaden) oder der Eigentümer infolge der Beeinträchtigung eine anderweitige Minderung seines Vermögens (Vermögensschaden) erlitten hat. Der Eigentumsfreiheitsanspruch gewährt also keinen Ersatz dafür, daß infolge der Beeinträchtigung des Eigentums der Eigentümer an seinem Vermögen geschädigt ist2). 27
28 ) Vgl. oben § 41 II. ) S. oben § 40 V . ) Hierzu und wegen der Ausnahmen von diesem Grundsatz vgl. oben § 4 0 I V 1 und 2. *) Das gleiche gilt für den Anspruch des § 862 B G B wegen Beeinträchtigung des Besitzers (OLG 20, 595). *) R G 45, 300; 63, 374; SeuflA 60 Nr. 218 (RG); R 06 Nr. 940 (BayObLG); Werner im R 04, 330 gegen O L G 7, 29 (Köln); Staudinger R N 52 zu § 1004 und R N 46 zu § 906 BGB. Der Unternehmer einer städtischen Gasanstalt haftete deshalb bis zum Inkrafttreten des § 1 a RHaftpflG für den durch Rohrbruch verursachten Schaden nur im Falle des Verschuldens (RG 63, 374). Der vom Wasserwerk nicht verschuldete Wasserrohrbruch-Schaden begründet keinen Entschädigungsanspruch (OLG Oldenburg N J W 58, 747). Vgl. auch oben § 17 N. 36 und unten § 43 D III 1 d. 29
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§ 43 3
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Mit dem Anspruch aus § 1004 B G B kann W i e d e r h e r s t e l l u n g des früheren Zustandes im Sinne des § 249 B G B n i c h t gefordert werden, weder hinsichtlich der Sache noch hinsichtlich der allgemeinen Vermögenslage. Mit anderen Worten: Mit der Eigentumsfreiheitsklage kann nur die Herstellung eines Zustandes gefordert werden, bei dem die Beeinträchtigung nicht mehr vorhanden ist 2a ), nicht dagegen die Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung ü b e r h a u p t n i c h t stattgefunden hätte. Wer diesen letzteren Anspruch geltend macht, verlangt Schadenersatz (§ 249 BGB) und kann damit nur durchdringen, wenn die Haftung auf Ersatz des infolge der Beeinträchtigung eingetretenen Schadens durch einen besonderen Rechtsgrund (s. unten D) bestimmt ist. Der aus einem solchen besonderen Grund beanspruchte Schadenersatz wegen Beeinträchtigung des Eigentums kann neben dem negatorischen Anspruch in derselben Klage sogar ohne ziffernmäßige Angabe des Betrags geltend gemacht werden 3 ). B. Ursächlicher Zusammenhang
Wer Schadenersatz fordert, muß in jedem Fall den Nachweis erbringen, daß der Schaden auf dasjenige Ereignis zurückzuführen ist, für das der Beklagte haftet (Kausalzusammenhang). Im logischen Sinn ist ein ursächlicher Zusammenhang schon dann gegeben, wenn durch ein Ereignis eine der mehreren Bedingungen für die Entstehung des Schadens gesetzt ist. Allein der logische Begriff des ursächlichen Zusammenhangs ist für das Recht unbrauchbar. Der juristische Begriff des ursächlichen Zusammenhangs beruht auf einer B e u r t e i l u n g des Geschehens. Jedes Ereignis hat eine erfahrungsmäßige Tendenz, gewisse Erfolge hervorzubringen. Der Sachkundige, mit dem gesamten Wissen der Erfahrung Ausgestattete, ist schon beim Eintritt des Ereignisses in der Lage, zu übersehen, welche Folgen voraussichtlich daraus hervorgehen werden. Ein solcher Sachkundiger wird bei seiner Vorstellung über den Ablauf der Folgen eines Ereignisses mit mannigfachen Möglichkeiten rechnen4). Aber er würde sich ins Uferlose verlieren, wenn er bei seiner Vorstellung auch eine Verquickung ganz besonders eigenartiger Umstände einbeziehen würde. Er wird den kausalen Ablauf des Ereignisses in 99 von 100 Fällen richtig beurteilen, wenn er ganz außergewöhnliche Verwicklungen außer Betracht läßt und nur mit den Folgen rechnet, mit denen man nach dem gesamten Erfahrungswissen rechnen muß4a). Tritt dann infolge eines ganz 2a
) B G H L M 14 zu § 1004 B G B ; vgl. auch oben § 38 II 1 und N. 72 daselbst. ) PucheltsZ 32, 80 (RG); vgl. R 06 Nr. 2852 (Frankfurt). ) Nicht bloß mit den regelmäßigen Folgen (RG 81, 361; Gruchot 67, 569 [RG]). 4a ) Auch dann, wenn eine unerlaubte Handlung lediglich eine gefährliche Lage geschaffen hat, in welcher erst der Fehler eines anderen den schädlichen Erfolg herbei3
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3
B außergewöhnlichen Verlaufs doch eine andere Folge ein, als sie ein solcher Sachkundiger in seine Vorstellung einbezogen hat, dann war diese Folge für die menschliche Erkenntnis nicht vorhersehbar. Die in diesem Sinne aufgefaßte Vorhersehbarkeit durch den Sachkundigen, der das gesamte Erfahrungswissen beherrscht, ist unerläßliche Voraussetzung des ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn (adäquater Zusammenhang) 5 ). Eine Begebenheit ist hiernach dann adäquate Bedingung eines Erfolgs, wenn sie die objektive Möglichkeit eines Erfolgs von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat. Bei der dahin zielenden Würdigung sind lediglich alle zur Zeit des Eintritts der Begebenheit dem optimalen Beobachter erkennbaren Umstände sowie die dem Setzer der Bedingung noch darüber hinaus bekannten Umstände zu berücksichtigen. Diese Prüfung ist unter Heranziehung des gesamten im Zeitpunkt der Beurteilung zur Verfügung stehenden Erfahrungswissens vorzunehmen5®). Die gesetzte Bedingung muß also allgemein oder erfahrungsgemäß, nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge nicht in Betracht zu ziehenden Umständen zur Herbeiführung des Erfolges geeignet gewesen sein6); die Möglichkeit des Eintritts eines derartigen Schadens infolge der gesetzten Bedingung darf nicht eine so entfernte sein, daß sie nach der Auffassung des Lebens vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann 7 ). Dies bedeutet, wie der Bundesgerichtshof8) mit Recht ausgeführt hat, daß bei der Feststellung, ob der adäquate Kausalzusammenhang gegeben ist, es nicht eigentlich um die Feststellung der Verursachung als solcher geht, sondern vielmehr um die Ermittlung der Grenze, bis zu der dem Urheber einer Bedingung die Haftung für die Folgen der gesetzten Bedingung billigerweise zugemutet werden kann; die Lehre von der adäquaten Verführt, besteht adäquater Zusammenhang zwischen der ersten Handlung und dem Schaden, wenn die zweite — fehlerhafte — Handlung nicht jenseits aller Erfahrung liegt: B G H VersR 64, 408. 6 ) B G H Z 3, 261; 7, 204 (Bei einem Unterlassen ist die Frage nach der adäquaten Verursachung dahin zu stellen, ob diese Unterlassung im allgemeinen nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolgs geeignet war); B G H Z 25, 86; BGH N J W 52, 1010; 58, 1041; R G 168, 88 (Ein vom Beschädigten begangener Fehler kann so außergewöhnlicher Art sein, daß dem Schädiger die Schadensfolge nicht mehr zugerechnet werden kann); R G 169, 91; Larenz N J W 58, 627; Staudinger RN 18, 26 und 37 der Vorbem. zu § 249 BGB sowie II D b zu § 823 BGB; R G K N. 48fr. vor § 823 BGB; Lange ArchCivPr. 57, 114. Vgl. auch oben 5 3 8 a II 1 zu N. 14fr. 5 ») B G H Z 3, 261. 6 ) R G 6 9 , 58; 72, 327; 78, 272; 81, 360; 84, 386; 104, 143; 133, 127; 158, 38. 7 ) R G SeufiA 63, 263; 64, 7. 8 ) N J W 52, 1010; N J W 55, 1876. — S. auch oben § 38 a II 1.
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IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
ursachung hat damit eine Haftungsbegrenzung zum Gegenstand, die in § 24z B G B ihre Grundlage findet. Für die Bejahung des adäquaten Zusammenhangs ist keineswegs erforderlich, daß der V e r a n t w o r t l i c h e die Folgen voraussehen konnte9). Dieser Umstand ist für die Frage des Verschuldens von Bedeutung, nicht aber für die Frage (die objektiv, d. i. lösgelöst vom Standpunkt des Verantwortlichen, zu beurteilen ist), ob ein Ereignis im adäquaten ursächlichen Zusammenhang zu einem andern steht9»). Hat allerdings der Urheber der Bedingung die mehr oder weniger entfernt liegende Möglichkeit des Eintritts des schädigenden Erfolgs b e w u ß t in Kauf genommen oder hätte er auch dann nicht anders gehandelt, wenn er die Möglichkeiten eines schädigenden Erfolges dieser Art im gegebenen Falle zuvor erwogen hätte, so ist diese Feststellung für die Ermittelung der Grenze der Haftung nach Billigkeitsgesichtspunkten in der Weise erheblich, als sie die Möglichkeit schafft, die Haftungsgrenze verhältnismäßig weit zu ziehen96). In den Fällen der „überholenden Kausalität" 90 ) liegt ein adäquater Kausalzusammenhang nicht mehr vor. Ein nur gedachter (hypothetischer) Ursachenverlauf darf jedenfalls dann nicht zugunsten des Schädigers berücksichtigt werden, wenn der Verlauf, hätte er sich in Wirklichkeit ereignet, einen Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen einen Dritten ausgelöst hätte; denn der reale Geschehensablauf hat den Schaden tatsächlich herbeigeführt und damit zugleich verhindert, daß der gleiche Schaden noch auf andere Weise entstehen konnte: Wird jemand, der eine Flugreise antreten will, auf der Fahrt zum Flugplatz durch einen Verkehrsunfall so verletzt, daß er später stirbt, so ist die Bedingung für seinen Tod der Verkehrsunfall, auch wenn feststeht, daß das Flugzeug vor seinem Tod oder gleichzeitig mit seinem Tod abgestürzt und am Boden zerschellt und daher mit Sicherheit anzunehmen ist, daß er bei dem Flugzeugabsturz schon früher oder gleichzeitig ums Leben gekommen wäre: B G H N J W 67, 551 (vgl. hierzu Lemhöfer VersR. 67, 5 5 2). ») R G 66, 253; 69, 344; 81, 3 6 1 ; Gruchot 57, 569 (RG). 9a ) O L G Düsseldorf N J W 57, 115 3 (Auf der objektiven Seite ist zu prüfen, ob dem Verursacher die Schadensfolge billigerweise zurechenbar ist. In subjektiver Hinsicht braucht der Schädiger zwar nicht den Kausalverlauf in allen Einzelheiten zu übersehen, es muß aber der Typ des Ursachenablaufs, so wie er sich später vollzieht, im Bereich des Vorhersehbaren liegen). »") B G H N J W 55, 1876. 9c ) Vgl. dazu B G H N J W 61, 553 mit zahlreichen Hinweisen; ferner B G H M D R 64 S. 220 (Problem der überholenden Kausalität bei Grundstücksimmissionen: Wer durch übermäßige Zuführung von Rauch und Ruß schuldhaft die Fassade eines Nachbarhauses verschmutzt hat, kann dem Schadensersatzanspruch des Nachbarn nicht entgegenhalten, daß auch wesentlich geringere, das Maß des Zulässigen nicht überschreitende Rauch- und Rußmengen in entsprechend längerer Zeit die gleiche Verschmutzung herbeigeführt haben würden); vgl. auch oben § 14 II 6 N. 43 a ff.
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3
ci
Wird Ersatz für einen Schaden begehrt, obliegt dem Kläger der Nachweis dieses ursächlichen Zusammenhangs. In vielen Fällen handelt es sich hier um Fragen, die ganz besonders schwierig sind, bei deren Beantwortung der Richter aber immerhin nicht zu ängstlich zu Werke gehen darf. Der Umstand allein, daß ein Verhalten feststeht, das den Schaden herbeigeführt haben kann, begründet noch keine Vermutung, daß es den Schaden wirklich herbeigeführt hat 10 ). Andererseits darf sich der Richter mit dem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit begnügen, der dem Umfang der menschlichen Erkenntnis und Erfahrung entspricht und den er auf Grund der bisherigen Erfahrungen für Wahrheit halten darf 11 ). So ist in der Rechtsprechung des RG mehrfach anerkannt, daß es, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zu einem schadenbringenden Erfolg und einer gefährlichen Handlung gegeben ist, einer Aufklärung des ursächlichen Zusammenhangs in allen seinen Gliedern bis auf das erste durch die gefährliche Handlung gesetzte Glied nicht bedarf, sondern daß der Richter zur Annahme des Kausalzusammenhangs einerseits durch die Beurteilung der Gefährlichkeit und andererseits durch die negative Feststellung gelangen kann, daß nach menschlicher Erfahrung mit Rücksicht auf die Sachlage eine Verursachung durch einen anderen Vorgang als ausgeschlossen erscheint12) (Prima facie-Beweis). Der Beweis des ersten Anscheins kann aber durch den Nachweis der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entkräftet werden13). C. Inhalt und Umfang des Schadenersatzes
I. B e g r i f f des S c h a d e n s Unter Schaden ist eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verstehen. Der Schaden besteht in dem Unterschied der Vermögenslage nach dem schädigenden Ereignis gegenüber der Vermögenslage, die ohne das schädigende Ereignis vorhanden wäre. Soll beurteilt werden, ob eine Einwirkung auf ein Grundstück einen Schaden herbeigeführt hat, so muß man sich zwei verschiedene Zustände vorstellen und diese miteinander vergleichen. Durch diesen Vergleich wird festgestellt, ob die Vermögenslage desjenigen, der durch die Einwirkung betroffen ist, nachteilig verändert wurde. Dabei handelt es sich also um zwei Kausalreihen: 10
) HansGZ 05, Beibl. 4 (Hamburg); J W 02, Beil. 2 1 2 (RG). ) O L G 2, 506 (Schädliche Raucheinwirkung auf Waldungen). ) R G 8, 167; 10, 1 4 1 ; (Explosion einer Pulverfabrik als Folge der Nichtbeachtung polizeilicher Vorschriften); 2, 190; 15, 339; 29, 140 (Waldbrand); 95, 68 und 24g. — J W 03, 384; 08, 197; BayObLG 2, 1 7 1 ; 24, 98; J W 15, 243; 08, 196; SeuffA 63 Nr. 249; J W 21, 748; B G H Z 6, 169; 8, 239; vgl. auch Staudinger Vorbem. 67—72 vor § 249 B G B . " ) R 09 Nr. 3769; 14 Nr. 466 (RG); L Z i 5 ) 624 (RG); 20, 647 (RG); J W 20, 554; WarnE 20, 1 4 ; R G 97, 116. B G H Z 6, 169 u. 8, 239. n
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a) durch die Einwirkung wird das Grundstück (oder seine Bestandteile) irgendwie körperlich verändert; b) durch diese Änderung wird die Vermögensbeschädigung verursacht. Die erste Ursachenreihe besteht aus rein tatsächlichen, und zwar physischen Elementen; sie arbeitet mit dem naturwissenschaftlichen Ursachenbegriff ; die zweite Ursachenreihe besteht auch aus gedanklichen Elementen, bei denen rechtliche Begriffe eine Rolle spielen; sie arbeitet mit dem Begriff der adäquaten Verursachung, der auf einer Beurteilung des Geschehens beruht14). II. A r t der S c h a d e n s e r s a t z l e i s t u n g Über die Art der Ersatzleistung bestimmt § 249 B G B : „Wer zum Schadenersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen der Beschädigung einer Sache Schadenersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen." Der durch § 249 Satz 2 B G B begründete Anspruch auf den zur Herstellung des früheren Zustandes erforderlichen Geldbetrag stellt sich als die bei Beschädigung einer Sache dem Verletzten zustehende besondere Art des Wiederherstellungsanspruchs dar 15 ). Danach hat der Geschädigte im Fall der Beschädigung einer Sache entgegen der Regel des Satzes 1 des § 249 B G B das Recht, die Herstellung selbst vorzunehmen. Er kann die vom Ersatzpflichtigen angebotene Herstellung durch diesen ablehen, selbst herstellen und Ersatz seines Aufwands beanspruchen16). Diese Wiederherstellung kann nur durch Aufwendung derjenigen Kosten erfolgen, welche zu der Zeit, wo die Wiederherstellungsarbeiten vorgenommen werden, dazu erforderlich sind. Maßgebend für die endgültige Bemessung des Geldschadens nach § 249 B G B ist regelmäßig nicht der Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern derjenige der Urteilsfällung 1 '). Wählt der Verletzte die ihm durch § 249 B G B Satz 2 eingeräumte Art der Ersatzleistung, so geht eine seit Eintritt des Schadens eingetretene Preissteigerung zu Lasten des Ersatzpflichtigen, es müßte denn sein, daß sich der Verletzte in sachwidriger Weise untätig verhalten hat, m. a. W. den Schaden schuldhaft vergrößert hat (§254 BGB). Wenn Unklarheit darüber besteht, welche technischen Maßnahmen zur Wiederherstellung erforderlich sind, kann den Verletzten dieser Vorwurf nicht treffen 18 ). Das Wesen des § 249 B G B 14
15 ) Isay, preuß. BergG 2, 63; s. oben B. ) R G 7 1 , 214. ) J W 21, 234 (RG). " ) R G 108, 40. ls ) R G 98, 56. — Anders ist zu entscheiden für den Anspruch auf Ausgleich gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 B G B (vgl. dazu oben § 16 V 2 c) sowie für den Anspruch auf Schadloshaltung im Sinne des § 26 G e w O (vgl. hierzu oben § 39 III). In diesen Fällen ist zu 16
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Anspruch auf Schadenersatz
§
43 CII
besteht darin, daß der Verletzte die Wiederherstellungsarbeiten selbst vornimmt und von dem Ersatzpflichtigen den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangt. Der Verletzte kann diesen Geldbetrag schon vor der Ausführung der Arbeiten verlangen. Zahlt der Ersatzpflichtige auf Verlangen sofort und stellt sich nach ungesäumter Ausführung der Arbeiten heraus, daß der bezahlte Betrag nicht ausreicht, so muß der Ersatzpflichtige den Mehrbetrag nachzahlen. Hat der Verletzte den Geldbetrag verlangt, der Ersatzpflichtige aber Zahlung nicht geleistet, so haftet der Ersatzpflichtige für die durch Preissteigerung herbeigeführte Vergrößerung des Schadens a u c h auf Grund seines Zahlungsverzugs, wenn der Ersatzberechtigte die erforderlichen Mittel zur Ausführung der Arbeiten nicht hatte oder ihm billigerweise deren Vorlage nicht zugemutet werden konnte. § 249 B G B erfordert nicht die Herstellung eines Zustandes, der mit dem früheren in jener Hinsicht übereinstimmt; es genügt vielmehr die Herstellung eines im wesentlichen gleichen, d. h. eines wirtschaftlich gleichwertigen Zustandes 19 ). Überhaupt stellt § 249 B G B nicht schlechtweg auf die frühere Sachlage, sondern auf die Entwicklung der Dinge ab, die ohne das schadenbringende Ereignis nach Erfahrungsgrundsätzen aller Wahrscheinlichkeit nach stattgefunden hätte20). Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige nach § 251 Abs. 1 B G B den Gläubiger in Geld 21 ) zu entschädigen. Nach § 251 Abs. 2 B G B kann der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Für die Bemessung des Schadenersatzes für Beschädigung einer Sache ist der Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung maßgebend22). Es kommt nur der Schaden in Betracht, welcher durch eine bereits vollzogene Eigentumsverletzung erwachsen ist oder noch erwachsen wird 23 ). ersetzen der Minderwert für die Duldung künftiger Einwirkungen, die an sich unzulässig sind, aber auf Grund der sonderrechtlichen Vorschrift nicht abgewehrt werden können. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in welchem der Abwehranspruch entzogen und damit die Duldungspflicht begründet wurde. Da später eingetreten, liegt die durch den Krieg und seine Nachwirkungen herbeigeführte Preissteigerung nicht im Rahmen der adäquaten Verursachung (vgl. R G 98, 53). Über den Einfluß der Preissteigerung auf den Ersatz des Bergschadens vgl. R 20 Nr. 2998 und 2999 (RG). Vgl. auch Staudinger N . 73, 77ff., 84 Vorbem. vor § 249 B G B . 19 ) R G 67, 267; 76, 147; 93, 284; 96, 1 2 3 ; 126, 404; 143, 274; J W 24, 816; vgl. O L G 36, 157 und oben § 38 II 1. 20 ) J W 24, 811 (RG). R G 80, 164; J W 26, 1 5 4 1 ; O L G Bremen N J W 54, 1937. 21 ) Durch Kapitalabfindung, nicht durch Zusprechung einer Rente ( L Z 18, 459; RG). 22 ) Eine bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene Preissteigerung geht also regelmäßig zu Lasten des Ersatzpflichtigen. Der Einwand des Ersatzpflichtigen, daß der Verletzte durch sofortige Ersatzbeschaffung den Schaden vermindert hätte, ist unerheblich ( J W a3 22, 220; R G ) ; vgl. J W 24, 816. ) Riehl bei Gruchot 51, 148.
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8 43 C XXI
I V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Eine Klage auf Ersatz des Schadens, der durch k ü n f t i g e E i n g r i f f e in das Eigentum erwachsen wird, ist höchstens als Feststellungsklage und ohne ziffernmäßigen Schadensbetrag, nicht aber als Leistungsklage zulässig. Wenn z. B. infolge des unerträglichen Lärms eines Fabrikbetriebes die Mieter des Nachbarhauses ausgezogen sind, so ist auch der durch den künftigen Mietausfall erwachsende Schaden durch die bereits eingetretenen Verletzungen des Eigentums verursacht24). Soweit aber der Mietwert der Wohnungen mit Rücksicht darauf herabgedrückt ist, daß die Immissionen fortdauern und auch für die Zukunft zu erwarten sind, kann dem Eigentümer eine dauernde Rente oder ein Kapitalbetrag als Ausgleich für diesen künftigen Minderertrag zugebilligt werden 25 ), obwohl mit Sicherheit weder feststeht, daß die Eigentumsverletzungen in Zukunft fortdauern, noch auch, daß der durch die Verletzungen zugefügte Schaden in Zukunft der gleiche bleiben wird 26 ) ; so kann die Fabrik, welche den Lärm hervorruft, verlegt werden oder der Lärm durch technische Neuerungen auf ein erträgliches Maß herabgesetzt werden; es kann aber auch auf dem bisher beeinträchtigten Nachbargrundstück eine Fabrik erbaut werden, deren Benutzung durch den v o m Nachbargrundstück kommenden Lärm gar nicht beeinträchtigt wird, oder es kann das ganze Viertel zu einem Industrieviertel werden, in welchem die bisher unzulässige Immission infolge dieser Änderung schlechtweg zulässig ist26»). In allen diesen Fällen, in denen künftig die Immissionen ganz wegfallen oder sich bis zur Unerheblichkeit mindern, kann im Wege der Vollstreckungsgegenklage die zukünftige Rentenzahlungspflicht beseitigt werden. III. M i t w i r k e n d e s V e r s c h u l d e n des G e s c h ä d i g t e n Das mitwirkende Verschulden des Geschädigten ist nach § 254 B G B zu berücksichtigen. Diese Vorschrift ist eine besondere Art der Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben; der Geschädigte muß sich den Schaden entgegenhalten lassen, den er durch zurechenbares eigenes Verhalten verursacht hat 26 "). 24 )
V g l . Riehl bei Gruchot 51, 150. B G H N J W 63, zozo (Rente für laufende Wertminderung). A b w . A . Riehl bei Gruchot 51, 147. Die Erwägung, eine Kapitalabfindung würde im Falle der Veräußerung gar nicht demjenigen zukommen, der den Schaden hat, also hier dem Erwerber, erscheint nicht überzeugend, da der Käufer die erkennbare Wertminderung bei seinem 26 ) V g l . hierzu Riehl bei Gruchot 51, 147. Kauf einkalkulieren kann. ^a) Das Andauern von Eigentumsverletzungen auch in der Zukunft kann im allgemeinen nur in jenen Fällen als sicher angesehen werden, in denen der negatorische Anspruch schlechtweg entzogen und durch den Anspruch auf „angemessenen Ausgleich" (§ 906 Abs. 2 S. 2 B G B ) oder auf „Schadloshaltung" (§§ 16, 26 G e w O ) ersetzt ist. V g l . hierzu oben § 16 V 2 c sowie § 39 III u. N . 60a daselbst. 26b ) Unterlassungsverschulden nach § 254 Abs. 2 B G B umfaßt jedes Unterlassen 25 )
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3
civ Dem durch die unzulässigen Einwirkungen beeinträchtigten Nachbarn kann aber nicht angesonnen werden, daß er seinerseits auf seinem Grundstück Einrichtungen treffen muß, welche die Schädlichkeit der Einwirkungen von vornherein abwenden oder mildern. So kann ihm nicht entgegengehalten werden, daß er durch einen sog. Schutzstreifen seinen Wald vor Inbrandsetzung durch Lokomotivfunken hätte sichern sollen27) oder daß die an sich unzulässigen, aber nach § 26 GewO zu duldenden Erschütterungen des benachbarten Stanzmaschinenbetriebs nur deshalb den Einsturz seines Hauses herbeiführten, weil dasselbe zu leicht gebaut war28). Wenn freilich zur Zeit der Errichtung des Hauses dessen Eigentümer erkennen mußte, daß es den Einwirkungen des schon vorhandenen benachbarten Stanzbetriebes nicht standhalten könne, wird § 254 B G B anzuwenden sein. Der Eigentümer hätte in solchem Fall dem Haus eine festere Konstruktion geben müssen; den Mehraufwand hätte ihm der Immittent ersetzen müssen. Wer ungeachtet des übermäßigen Rußes der benachbarten Fabrik seine Wäsche zum Trocknen aufhängt, wird sich die Anwendung des § 254 BGB gefallen lassen müssen; er hätte die Wäsche auf eine Bleiche verbringen und den hiermit verbundenen Aufwand beanspruchen sollen29). IV. V o r t e i l s a u s g l e i c h u n g Die an und für sich auch hier zulässige compensatio lucri cum damno kann nicht dazu führen, daß gegenüber dem Schaden, der durch die unzulässige Einwirkung (z. B. Immissionen) entstanden ist, der Gewinn aufgerechnet wird, der dem Eigentümer durch die Anlage der einwirkenden Fabrik und die dadurch hervorgerufene Hebung der Industrie in der fraglichen Gegend erwachsen ist. Denn der Gewinn beruht in diesem Fall nicht auf demselben Ereignis, das den Schaden verursacht hat30). von Maßnahmen, die jeder ordentliche und anständige Mensch ergreifen müßte, um Schaden von sich abzuwenden ( B G H Z 4, 174). 27 ) R 02, 589 (Stettin). Vgl. dagegen Keyßner, R 04, 619. Dagegen wird man Mitverschulden annehmen müssen, wenn ein Hausbesitzer sein Haus mit einem Strohdach gedeckt läßt, obwohl das Eisenbahngleis dicht an seinem Haus liegt. M ) Vgl. B a y O G H 17, 19; Bolze 10 Nr. 67. 29 ) Der negatorische Anspruch bleibt natürlich unberührt, vgl. oben § 16 N . 13. 30 ) Riehl bei Gruchot 51, 146; R G 146, 278 (Vorteilsausgleichung ist gleich dem Betrag, der sich bei Ausgleichung aller aus derselben Wurzel entspringenden Vermögenseinbußen und Vermögensgewinne ergibt); B G H Z 10, 107; vgl. auch Esser M D R 57, 522; Staudinger Vorbem. R N 102 vor § 249 B G B . Anders ist zu entscheiden, wenn „angemessener Ausgleich" oder „Schadloshaltung" für den Minderwert des Hauses verlangt wird, der durch die an sich unzulässigen, aber nach § 906 Abs. 2 S. 2 B G B oder nach § 26 G e w O zu duldenden künftigen Einwirkungen herbeigeführt wird; vgl. dazu oben § 16 V 2 c und § 39 III.
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§ 43 Q y
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
V. V e r j ä h r u n g Der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt 30a ), ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung an (§ 852 BGB). Es genügt für den Beginn der Verjährung, daß der Schaden im allgemeinen erkennbar war. Auf die Kenntnis der Einzelheiten des schädigenden Ereignisses oder Zustandes kommt es nicht an. Es muß der gesamte, aus e i n e r schädigenden Handlung entstehende Schaden als ein einheitlicher, nicht als eine Summe von einzelnen selbständigen Schäden angesehen werden. Demnach wird der Beginn der Verjährung durch die Ungewißheit über den Umfang und die Höhe des Schadens nicht ausgeschlossen. Vielmehr gelten alle Folgezustände, die im Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis des Schadens überhaupt auch nur als möglich vorauszusehen waren, als durch die allgemeine Kenntnis des Schadens dem Verletzten bekannt geworden 31 ). So ist z. B. die Lockerung des Fundaments der eigentliche Schaden; die einzelnen nach und nach auftretenden Risse am Gebäude sind nur für den Umfang des Schadens von Bedeutung 32 ). Hiernach kann nicht jede neu eintretende F o l g e der ursprünglichen Schadensursache als ein neuer Schaden und die Zeit seines Eintritts als der Anfangstermin für eine neue Verjährung angesehen werden. Dies kann nur in besonderen Ausnahmefällen z. B. dann geschehen, wenn die neuen Folgen nicht voraussehbar waren 33 ) oder wenn es sich um schädigende E r e i g n i s s e handelt, die sich wiederholen34). Danach sind fortgesetzte Handlungen, durch welche mehrmals die Ursache für schädigende Wirkungen gesetzt wird, jedesmal als ein neuer schädigender Eingriff anzusehen; sie können nicht als eine einzige Handlung und ihre schädigenden Folgen nicht als Folgen einer einzigen Handlung gelten, mögen sie selbst auch gleichartig sein und zeitlich mehr oder minder unmittelbar aufeinander folgen 35 ). Aus diesem Grunde beginnt in solchen Fällen wiederholter unerlaubter Einzelhand30a ) R G 142, 280: Die Kenntnis vom Verletzer muß soweit reichen, daß Klage erhoben werden kann. Unverschuldete Unkenntnis von Gesetz und Rechtsgrundsätzen kann daran hindern, den Ersatzpflichtigen rechtzeitig zu erfahren, dann ist die Verjährung gehemmt. Nach B G H N J W 55, 706 ist aber Kenntnis des Geschädigten anzunehmen, wenn dieser ohne Aufwendung besonderer Mühe und Kosten die Person des Schädigers hätte feststellen können. V g l . auch B G H N J W 63, 1103. 31 ) R G 7 0 , 1 5 0 ; 99, 9; J W 09, 724 und 725; 14, 3 5 5 ; L Z 1 8 , 1 1 3 3 ; WarnE 12 Nr. 29; 13 Nr. 1 4 3 ; 14 Nr. 189 und insbes. SeuffA 79 Nr. 170 (RG) = J W 26, 1 1 5 2 . 32 ) Gruchot 54, 392; J W 09, 724; SeuffA 79 Nr. 170 (RG) = J W 26, 1 1 5 2 . 33 ) J W 12, 7 5 1 ; SeuffA 79 Nr. 170 (RG) = J W 26, 1 1 5 2 . 31 ) J W 07, 382; SeuffA 79 Nr. 170 (RG) = J W 26, 1 1 5 2 . 35 ) J W 12, 3 1 ; 17, 39; WarnE 14 Nr. 189; L Z 19, 322.
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3 DI
lungen hinsichtlich des durch jeden einzelnen Eingriff verursachten Schadens die Verjährung selbständig mit jedem einzelnen Eingriff zu laufen 35a ). D. Gründe der Haftung auf Schadenersatz
Ist durch die Beeinträchtigung des Eigentums ein Schaden entstanden, so kann Ersatz dieses Schadens nicht ohne weiteres gefordert werden, sondern nur dann, wenn diese Haftung durch einen besonderen Rechtsgrund bestimmt ist 35 "). In dieser Hinsicht kommen in Betracht: die Schadenersatzpflicht wegen Verzugs, wegen Verschuldens und auf Grund der Gefährdungshaftung sowie die Entschädigung im Falle des Aufopferungsanspruchs. I. V e r z u g Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug (§ 284 BGB). Der Schuldner hat dem Gläubiger den durch den Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 286 BGB) 3 6 ). Wird das Eigentum beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen; sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen (§ 1004 BGB). Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung ist auf eine Leistung gerichtet, ebenso der Anspruch auf Unterlassung (§ 241 BGB). Wenn also der zur Beseitigung oder Unterlassung Verpflichtete auf Verlangen des Eigentümers nicht beseitigt oder unterläßt, so kommt er in Verzug und haftet vom Eintritt des Verzuges an auf Ersatz des Schadens, der durch die Fortdauer der Beeinträchtigung herbeigeführt wird 37 ). Da der Mahnung die Erhebung der Klage gleichsteht (§ 284 Satz 2 BGB), so haftet der Beklagte für jeden Schaden, der nach 35a ) R G 134, 335; B G H N J W 54, 1035 (Der Begriff der „fortgesetzten Handlung" ist spezifisch strafrechtlicher Natur und daher für die zivilrechtliche Würdigung grund35 b sätzlich unerheblich). ) Vgl. oben § 43 A . 36 ) Aus dem Satz in § 285 B G B : „Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die geschuldete Leistung infolge eines Umstandes unterblieb, den er nicht zu vertreten hat" ist zu folgern, daß für den Schuldnerverzug ein wenn auch nur geringfügiges Verschulden Voraussetzung ist. Ein verzeihlicher Irrtum, unter besonderen Umständen sogar ein Rechtsirrtum, kann die Schadenersatzpflicht ausschließen. BayZ 26, 46 (Augsburg); vgl. R G 92, 380; 96, 316; 105, 359; SeuffA 75 Nr. 3 (RG). 3 ' ) Vgl. Riehl bei Gruchot 51, 145. Die Frage, ob die §§ 284ff. B G B auf Ansprüche auf Unterlassung anzuwenden sind, ist bestritten; für die Bejahung Rogowski, Zuwiderhandlung gegen UnterlassungsVerbindlichkeiten 44; Paech, Leistungsverzug 67; Uricht, Unterlassungsanspruch 207; für Verneinung: Wendt, ArchZivPr. 92, 68. Ob die Frage für vertragsmäßige Unterlassungsansprüche zu bejahen ist, kann dahingestellt bleiben. Für den auf dem Gesetz beruhenden Unterlassungsanspruch des § 1004 B G B gilt dies sicher nicht. Jedoch wird hier die Ersatzpflicht durch Verzug begründet, da auch der Unterlassungsanspruch auf eine Leistung gerichtet ist.
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Meisner-Stern-Hodes, Nachbaxrccht, 5. Aufl.
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§ 43 ß H l
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Rechtshängigkeit des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs infolge der fortdauernden Beeinträchtigung des Eigentums eintritt. II. U n e r l a u b t e H a n d l u n g i. § 823 Abs. 1 B G B . Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum oder den Besitz 38 ) eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 823 Abs. 1 BGB). Die Verletzung kann nicht nur durch positives Handeln, sondern auch durch Unterlassung39) begangen werden, was insbesondere für die Fälle der fahrlässigen Rechtsverletzung von Bedeutung ist 40 ). Die Vornahme von Handlungen, die nur der Eigentümer vornehmen darf, oder von Handlungen und rechtswidrigen Unterlassungen, durch die der Eigentümer in der Ausübung seines Eigentums gestört wird, ist Verletzung des Eigentums 41 ). Eine bloße G e f ä h r d u n g (z. B. durch feuergefährliche Anlagen auf dem Nachbargrundstück) ist noch keine Verletzung des Eigentums 42 ). Die Entziehung von Vorteilen, auf deren Belassung der Eigentümer keinen Rechtsanspruch hat (z.B. Luft und Licht), ist keine Eigentumsverletzung43). a) W i d e r r e c h t l i c h k e i t . Die erste Voraussetzung des § 823 Abs. 1 B G B ist, daß die Verletzung widerrechtlich erfolgt ist44). Die Widerrechtlichkeit entfällt aber hinsichtlich aller Handlungen, die „sozialadäquat" sind, d. h. die sich innerhalb des Rahmens der geschichtlich gewordenen sozialethischen Ordnung des Gemeinschaftslebens bewegen und von dieser offensichtlich gestattet werden; die damit unvermeidbar verbundenen Rechtsverletzungen liegen im Rahmen der sozialen Ordnung des Gemeinschaftslebens und ermangeln daher wegen dieser Sozialadäquanz der Widerrechtlichkeit44»). Ferner entfällt mangels Widerrechtlichkeit der Ersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 B G B wegen Verletzung des Eigentums insbesondere überall da, wo dem Eigentümer durch die nachbarrechtlichen 38 ) R G 59, 328; R 05, 646 Nr. 2669 (Breslau). Nach R G 59, 328 ist auch § 823 Abs. 2 B G B einschlägig. Dagegen sucht Eccius bei Gruchot 53, 8 nachzuweisen, daß die schuldhafte Verletzung des Besitzes nicht unter § 823 Abs. 2 B G B falle. 39 ) Vgl. oben § 38 I 2; Staudinger R N 42 und 47 der Vorbem. vor § 249 B G B . 40 ) M 2, 727 (Mugdan 2, 406). 41 ) Vgl. J W 10, 330 (Rammen und Auspumpen durch den Bauunternehmer mit der Folge der Unbewohnbarkeit des Nachbarhauses); R G 60, 140 (Immission von Sand, der vom Wind auf das Nachbargrundstück geweht wird); R 12 Nr. 2939 (Lagerung feuer- und explosionsgefährlicher Gegenstände, durch die Waren anderer Einlagerer in Brand gesetzt werden, kann schuldhafte Eigentumsverletzung sein). Vgl. über die 42 Gefährdungshaftung für Explosion unten III 2 b. ) S. oben § 38 I 1 d. 43 44 ) S. oben § 38 I 1 e. ) R G 50, 60. 44a ) So zutreffend Nipperdey N J W 57, 1777 im Anschluß an B G H Z 24, 2 1 ; vgl. ferner Baumann M D R 57, 646.
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3 d i i
Gesetzesvorschriften das Recht, die fragliche E i n w i r k u n g z u
i
verbieten,
entzogen ist 4 4 "). In einem Fabrikviertel ist gemäß § 906 A b s . 2 B G B eine starke Z u f ü h r u n g v o n R u ß zulässig, w e n n sie auf ortsüblicher Benutzung des Grundstücks beruht und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. W i r d durch den R u ß die Wäsche des Nachbarn beschädigt, so fehlt es an der Widerrechtlichkeit dieser Einw i r k u n g , auch w e n n der Unternehmer die starke Z u f ü h r u n g v o n R u ß und selbst die Beschädigung der Wäsche vorausgesehen hat. W e g e n des dann etwa gegebenen Anspruchs auf „angemessenen A u s g l e i c h " v g l . oben z u § 16 V 2 c. D i e Besitzer der Wohnhäuser dürfen Feuerherde unterhalten; dabei kann es vork o m m e n , daß Funken auf das Strohdach des Nachbarhauses fallen und dieses in Brand setzen. Eine Eigentumsverletzung liegt v o r , aber sie ist herbeigeführt durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks. Sie ist deshalb aber noch nicht zulässig, denn nach § 906 A b s . 2 B G B n. F. 4 5 ) darf die Beeinträchtigung durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht abwendbar sein. D a aber der Funkenauswurf bei A n w e n d u n g eines Funkenfängers verhütet werden könnte und diese Maßnahme auch wirtschaftlich zumutbar sein dürfte, haftet der Besitzer des Hauses aus § 82} A b s . 1 B G B für den durch Funkenflug entstandenen Schaden, w e n n er den Funkenfänger nicht angebracht hat 46 ). D e r Eigentümer m u ß den Überbau unter gewissen Voraussetzungen dulden. K r a f t dieser besonderen Bestimmung des § 912 B G B wird der Überbauende v o n einer neben der Entschädigungsrente hergehenden Vertretung einer leichten Fahrlässigkeit entbunden, aber nur insoweit, als fahrlässig die G r e n z e ü b e r s c h r i t t e n worden ist. I m übrigen bleibt er den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen unterworfen. E r hat daher nach diesen für schuldhafte Eingriffe in sonstige Rechte des Nachbarn aufzukommen. E s kann daher ungeachtet des § 912 B G B beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 823 B G B die Entfernung des Überbaues verlangt werden, w e n n er auf den Fundamenten des Nachbarhauses aufgesetzt wird und dieses hierdurch Risse erhält oder gar einzustürzen droht 4 7 ). D a s B e w u ß t s e i n der R e c h t s w i d r i g k e i t ist zur B e g r ü n d u n g der Schadenersatzpflicht nicht erforderlich. Ü b e r die R e c h t s w i d r i g k e i t der E i n w i r k u n g , insbesondere darüber, daß die R e c h t s w i d r i g k e i t auch durch ein obligatorisches R e c h t ausgeschlossen w e r d e n kann, v g l . o b e n § j 8 III. N i e m a n d kann sich zu seinem V o r t e i l darauf berufen, daß er durch die R e c h t s a u s ü b u n g eines anderen Schaden erleidet, w e n n er sich durch seine eigene willkürliche H a n d l u n g in die L a g e versetzt hat, die zu seinem Schaden ausschlägt 4 8 ). 44b)
V g l . oben § 16 V , § 24 II, § 38 X und § 39 II 1. V g l . dazu oben § 16 V und unten § 43 D II 2. 46 ) Daneben kann unter Umständen die H a f t u n g aus § 823 A b s . 2 B G B bestehen, wenn durch Polizeivorschrift die A n w e n d u n g v o n Funkenfängern geboten ist. Darüber, daß zu den den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzen auch die Gesetze gehören, welche die G e s a m t h e i t schützen sollen, sofern sie daneben auch den Schutz des Einzelnen bezwecken, herrscht Übereinstimmung; a. M . Linckelmann, Schadensersatzpflicht 27. V g l . unten § 43 D II 2. 4S ) V g l . B a y O b L G 7, 237. V g l . auch § 43 C III. " ) R G 65, 74. 45 )
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§ 43 D II 1
I V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
b) V e r s c h u l d e n . Die Verletzung des Eigentums muß durch Verschulden des Einwirkenden 49 ) herbeigeführt sein. Wer den Ersatz eines Schadens fordert, muß grundsätzlich den Nachweis eines für diesen ursächlichen Verschuldens des Beklagten führen, es sei denn, daß aus dem feststehenden oder nicht bestrittenen Sachverhalt dieses Verschulden zweifelsfrei hervorgeht50). Der Beweispflicht ist Genüge geleistet, wenn ein Sachverhalt dargetan wird, der nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Folgerung rechtfertigt, daß der Beklagte den Schaden schuldhaft verursacht hat 50 "). Demgegenüber ist es Sache des Beklagten, die etwaigen besonderen Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich seine Schuldlosigkeit ergibt 51 ). Verschulden nach § 823 Abs. 1 B G B liegt vor, wenn die Eigentumsverletzung vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt ist. Ein Rechtsirrtum des Verletzers kann die Annahme des Verschuldens ausschließen; allerdings muß der Irrtum entschuldbar sein; das ist nur dann der Fall, wenn der Verletzer bei Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu der rechtsirrigen Auffassung gelangen konnte, sein Verhalten sei erlaubt. Unter Vorsatz versteht man die Voraussicht der Eigentums- oder Besitzverletzung, unter Fahrlässigkeit ihre Voraussehbarkeit52). Nur auf die Eigentumsverletzung, nicht auf den durch diese herbeigeführten Schaden muß sich demnach die Schuld beziehen53). Somit genügt zum Vorsatz die V o r s t e l l u n g des Erfolges (Eigentumsoder Besitzverletzung); nicht erforderlich ist, daß die Verletzung g e w o l l t 4S ) Ersatzpflichtig ist derjenige, welcher den Schaden herbeigeführt hat. Das ist der Störer in dem oben § 38 IV 2 dargelegten Sinn. Der Beauftragte eines Dritten haftet n e b e n dem Auftraggeber. Unter Umständen kann angenommen werden, daß den Beauftragten, der den Weisungen eines Dritten Folge geleistet hat, kein Verschulden trifft. Das ist Tatfrage. Der Pächter kann sich von der Schadenersatzpflicht für den dem Nachbargrundstück zugefügten Schaden nicht durch den bloßen Hinweis darauf befreien, daß er den Anordnungen des Verpächters Folge geleistet habe. R 03, 18 Nr. 33 (RG). Eine nominatio auctoris findet nicht statt, da sich die § § 76, 77 Z P O nur auf den negatorischen Anspruch beziehen. 60 ) R 21 Nr. 2559 (RG). Andererseits schafft die schuldhafte Verletzung eines Schutzgesetzes keine Vermutung des ursächlichen Zusammenhangs mit dem eingetretenen Schaden ( R G JW 26, 2533). 50a ) Über Prima-facie Beweis vgl. auch oben § 43 B. 51 ) B G H Z 6, 169 (Der Beweis des 1. Anscheins kann durch den Nachweis der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entkräftet werden; in diesem Falle ist die beweispflichtige Partei wieder den vollen Beweis ihrer Behauptungen schuldig), ebenso B G H Z 8, 239; vgl. auch B G H N J W 58, 1629 u. 1579; R G J W 12, 348; 08, 543; 20, 554; 21, 748; WarnE 20, 14; SeuffA 75, 169. R G 53, 276; 89, 136; 95, 68; 52 97, 1 1 6 . Vgl. R G 9 3 , 1 1 7 . Siehe auch oben § 43 B. ) Liszt, Deliktsobligationen 54. M ) Liszt, Deliktsobligationen 28; R G 66, 253; R 19 Nr. 1431 (RG); R G K Anm. 3 u. 7 zu § 823 B G B .
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3 D I U
wird; es genügt, wenn als notwendige oder doch mögliche84) Folge der Handlung die Verletzung des Eigentums oder Besitzes erkannt ist und gleichwohl die Handlung vorgenommen wird (Vorstellungstheorie). Fahrlässigkeit im Sinne der Vorhersehbarkeit des Erfolges ist gegeben, wenn der Handelnde (Unterlassende) bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Eigentumsverletzung voraussehen konnte55). Dabei sind entfernte Möglichkeiten nicht in Betracht zu ziehen56). Ob im gegebenen Fall die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angewendet wurde, ist nach objektivem Maßstab zu beurteilen. Ob aber der Handelnde unter der Unterstellung, daß er diese Sorgfalt nicht angewendet hat, auch in der Tat den Erfolg, welcher die Eigentumsverletzung darstellt, voraussehen konnte, ist unter Berücksichtigung der Individualität des Handelnden, also nach subjektivem Maßstab zu bestimmen57). Die tatsächlichen Voraussetzungen der Eigentumsverletzung, nicht der dadurch verursachte Schaden 57a ), müssen voraussehbar gewesen sein, während das Bewußtsein, daß diese Voraussetzungen eine r e c h t l i c h e V e r l e t z u n g des Eigentums erfüllen, nicht erforderlich ist. Zur Begründung eines Schadenersatzanspruchs wegen unzulässiger Immissionen (§ 906 BGB) 5 8 ) ist daher, soweit er lediglich aus § 823 Abs. 1 B G B abgeleitet werden soll 59 ), erforderlich, daß der Immittent bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnte, einmal, daß überhaupt eine Immission, d. h. eine Einwirkung auf das Nachbargrundstück eintreten könne, ferner, daß diese Einwirkung, sei es für sich allein oder durch ihre zu gewärtigende Wiederholung oder ihr Zusammenwirken mit anderen Immissionsquellen die Benutzung des Nachbargrund51 ) Hiermit ist auch für das Zivilrecht der Begriff des dolus eventualis (Billigung des als möglich vorausgesehenen Erfolges) anerkannt. Liszt, Deliktsobligationen 55. R G 75, 55. J W oj Beil. 3 1 3 . Ebenso R G 143, 5 1 ; J W 29, 3149 (Die Überzeugung des Täters, daß ein Schaden nicht entstehen könne, schließt den bedingten Vorsatz aus). 55 ) B G H L M 2 zu § 276 B G B ; R G 126, 3 3 1 ; durch eine baupolizeiliche Genehmigung einer Anlage wird der Bauherr nicht schlechtweg der Pflicht der eigenen Prüfung enthoben. Die polizeiliche Duldung einer gefährlichen Anlage entschuldigt so wenig wie der Umstand, daß solche Anlagen in der Stadt üblich sind (R 15 Nr. 1788, J W 09, 432). 5e ) J W 04, 357; 05, 16; 07, 505; i i , 95; 14, 470; B G H L M 2 zu § 276 B G B . 67 ) Liszt, Deliktsobligationen 55. Im allgemeinen kann sich der Hauseigentümer nicht auf Unkenntnis seiner Pflichten als Hauseigentümer berufen ( B G H BB 57, 240), z. B., daß er die PolVO über seine Streupflicht nicht gekannt habe ( R G J W 3 1 , 1 6 8 9 ) . 67a ) R G 66, 253; Recht 19, 1431 (RG). 6e ) Vgl. z. B. Schadenersatzanspruch wegen Schädigung eines Gartenwirtschaftsbetriebs durch vorübergehende üble Gerüche ( R G 47, 250). Über den Ersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 B G B s. unten § 43 D II 2. 5 ' ) Erleichterte Voraussetzungen, wenn der Anspruch aus einem Verstoß gegen ein anderes Schutzgesetz als aus dem des § 906 B G B abgeleitet wird (s. hierüber unten § 43 D II 2).
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§ 43 J) I I 1
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
stücks wesentlich beeinträchtigen könne 60 ) und durch eine nicht ortsübliche Benutzung seines Grundstücks herbeigeführt würde 61 ), oder, falls eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks gegeben wäre, daß die erhebliche Beeinträchtigung durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen beseitigt oder auf einen nicht wesentlichen Stand gemindert werden könnte61®). c) A u s n a h m e : N o t w e n d i g k e i t des E i n g r i f f s . Eine weitere Voraussetzung des Schuldmoments ist, daß der Einwirkende in der L a g e g e w e s e n s e i n m u ß , d e n E i n g r i f f z u u n t e r l a s s e n 6 1 0 ) . O b dies der Fall ist, muß nach allgemeinen wirtschaftlichen Grundsätzen beurteilt werden. Bei einer Kollision der Interessen ist nach richterlichem Ermessen abzuwägen, ob das Interesse an der Handlung so groß ist, daß sie trotz der Gefahr einer möglichen Verletzung der rechtlich geschützten Interessen Dritter zu rechtfertigen war. Hierbei ist auch auf die Größe der bedrohten Interessen Dritter Gewicht zu legen. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Reichsgericht 62 ) mit Recht ausgesprochen, es lasse sich keineswegs anerkennen, daß der Betrieb einer Eisenbahn schon an sich notwendig eine schuldhafte Handlung darstelle, weil der Unternehmer erkenne oder doch erkennen könne, daß die der Lokomotive entströmenden Funken einen Brand herbeizuführen vermögen; denn alle Verschuldung beruhe ihrem letzten Grunde nach auf einem eo ) In diesem besonderen Falle muß die Beeinträchtigung der Benutzung als Folge der Eigentumseinwirkung erkennbar sein; denn ohne diese Beeinträchtigung liegt keine Eigentumsverletzung vor und die tatsächliche Verletzung des Eigentums muß voraussehbar gewesen sein. Wenn an die Fabrik ein Grundstück anstößt, auf welchem sich ein Wohngebäude mit einem Hausgarten befindet und von der Fabrik Dämpfe auf das Nachbargrundstück ausgeströmt werden, so ist es zur Begründung der Ersatzpflicht aus § 823 Abs. 1 B G B für die durch die Dämpfe herbeigeführte Beschädigung der Bäume erforderlich, daß der Fabrikunternehmer diese nachteilige Einwirkung der Dämpfe auf Pflanzen sowie die Möglichkeit ihrer Abwendbarkeit oder Herabminderung bis zur Nichterheblichkeit durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen hätte erkennen können. Man wird aber dem Fabrikherrn, der weiß, daß die Dämpfe in den Garten eindringen, zur Pflicht machen müssen, sich sorgfältigst (bei Sachverständigen) zu erkundigen, ob die ihm bekannte Einwirkung den fremden Bäumen schädlich ist. 61 ) Vgl. zu § 906 BGB a. F. Gruchot 50, 413 (RG); R G 16, 178; 38, 268. 61a ) Ist die erhebliche Beeinträchtigung zu dulden, weil sie auf ortsüblicher Benutzung des Grundstücks beruht und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht abwendbar ist, so kann der Störer zur Leistung eines angemessenen Ausgleichs in Geld verpflichtet sein (§ 906 Abs. 2 BGB n. F.); vgl. dazu oben § 16 V 2 c. In den Fällen des § 26 GewO entsteht ein Anspruch auf Schadloshaltung; vgl. dazu oben § 39 III und N 60 a daselbst. 61b ) Gegenüber erheblichen Immissionen brauchen nach § 906 Abs. 2 BGB n. F. wirtschaftlich zumutbare Abwehrmaßnahmen nur insoweit ergriffen zu werden, daß die Beeinträchtigung zu einer nicht wesentlichen herabgemindert wird. Vgl. vorst. N. 61 a. «2) RG 17, 203.
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§ 43
D i l l
Willensfehler in der Richtung, daß der Täter f r e i w i l l i g eine schädigende Handlung vorgenommen habe, obwohl er bei Anwendung der gewöhnlichen Sorgfalt und Vorsicht den eingetretenen Erfolg als eine mögliche Folge seiner Handlung hätte vorhersehen können; der Täter müsse daher in der Lage gewesen sein, die schädigende Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Es bedürfe aber keiner Ausführung, daß nach den Gründen, welche den Staat zur Genehmigung einer Eisenbahn bzw. zum eigenen Betrieb einer Eisenbahn veranlassen, der Betrieb als ein willkürlicher in dem hervorgehobenen Sinne nicht aufgefaßt werden könne. Von Annahme einer Verschuldung im technischen Sinne müsse daher abgesehen werden, wenn durch die dem Betrieb eigenen besonderen Gefahren ein Schaden entstehe, welchen der Unternehmer als eine mögliche Folge des Betriebes und jener Gefahren vorhersehen konnte. Mit anderen Worten, es wäre ein Verschulden vorhanden, wenn der Betrieb nicht notwendig wäre63). Dies gilt in gleicher Weise für alle gefährlichen Betriebe, die wirtschaftlich notwendig sind64). Dabei ist aber immer zu prüfen, ob und inwieweit der Eingriff trotz Notwendigkeit des Betriebs zu verhüten gewesen wäre; denn insoweit ist eben der Betrieb in dieser A r t nicht notwendig. Der Unternehmer muß also alle jene Einrichtungen und Vorkehrungen treffen, die nach dem derzeitigen Stande der Erfahrung und Technik zur Hintanhaltung einer Schadenszufügung gegeben und mit einem gehörigen Betrieb vereinbar sind 64a ). Es ist Sache des Unternehmers darzutun, daß der Betrieb in der gegebenen Art unvermeidbar gewesen ist; deshalb ist das Verschulden beim V o r h a n d e n s e i n der ü b r i g e n V o r a u s s e t z u n g e n nur dann als ausgeschlossen zu erachten, wenn der Unternehmer beweist, daß er zur Verhütung der unzulässigen Einwirkung das Menschenmögliche vorgekehrt hat. 63 ) Vgl. Rümelin, Culpahaftung und Kausalzusammenhang in ArchZivPr. 88, 295 und 303. e4 ) Auch hier ist Verschulden Voraussetzung der Schadenersatzpflicht. Ist es bewiesen, so tritt für den Beweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Verschulden und Schaden eine Erleichterung ein. Vgl. R G 10, 143 und oben § 43 B. Ohne Verschulden besteht die Ersatzpflicht, wenn die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung oder des Aufopferungsanspruchs gegeben sind; s. hierüber unten § 43 D III. Wegen des „Ausgleichsanspruchs" nach § 906 Abs. 2 B G B n. F. vgl. oben N . 61 a und wegen des „Schadloshaltungsanspruchs" gegenüber konzess. gewerblichen Betrieben oben § 39 HI. 64a) Vgl. hierzu B G H N J W 62, 1342: Bauarbeiten dürfen im Geschäftszentrum einer Großstadt mit modernen Maschinen auch dann durchgeführt werden, wenn sie Geräuschbelästigungen mit sich bringen. Die Lärmeinwirkung muß aber auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden. Auch wenn daher die Einwirkung an sich als gewöhnlich zu erachten wäre, kann gleichwohl eine besonders schädigende Benutzungsweise ungewöhnlich und damit rechtswidrig sein. — Wegen der gegenüber Immissionen zu treffenden, wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen vgl. oben § 16 V 2 c.
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Gelingt dem Unternehmer dieser Beweis, so kann ihm ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden, so daß er nicht aus § 823 B G B auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden kann. Gleichwohl kann er ersatzpflichtig sein, wenn die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung oder des Aufopferungsanspruchs gegeben sind65). 2. V e r s t o ß g e g e n ein S c h u t z g e s e t z (§ 823 Abs. 2 BGB). Während § 823 Abs. 1 B G B die g e g e n das E i g e n t u m als s o l c h e s gerichtete unerlaubte Handlung behandelt, beruht die durch § 823 Abs. 2 B G B begründete Ersatzpflicht auf wesentlich anderer Grundlage. Danach ist derjenige, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Auch im Fall des § 823 Abs. 2 B G B ist der Grund der Haftung ein Verschulden. Während aber Abs. 1 des § 823 B G B zur Voraussetzung hat, daß der Ersatzpflichtige die Eigentumsverletzung vorausgesehen hat (Vorsatz) oder doch voraussehen konnte (Fahrlässigkeit), ist die Voraussehbarkeit dieses Erfolges bei Abs. 2 nicht erforderlich66). Hier genügt es, wenn ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz s c h u l d h a f t ü b e r t r e t e n ist. Zu den den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzen gehören auch jene, welche die Gesamtheit schützen sollen, wenn sie nur daneben auch den Schutz des Einzelnen bezwecken67). Unter den Begriff des Schutzgesetzes fallen mannigfache Vorschriften des Polizeirechts, welche die Sicherheit der Personen und Sachgüter schützen sollen. Auch die auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassenen polizeilichen Vorschriften können den Begriff erfüllen. Auch privatrechtliche Vorschriften können Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B sein. Bundesgesetzliche678) Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B 66 ) Vgl. unten § 43 D III. Für Verletzung einer Person oder einer Sache bei dem Betrieb einer Eisenbahn ist die Ersatzpflicht nach dem Reichshaftpflichtgesetz vom 7. 6. 1871 bzw. nach dem Gesetz über die Haftung der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschäden i. d. F. vom 16. 7. 1957 (BGBl. I S. 710) begründet. Vgl. hierzu unten § 45 D III 1 c. 66 ) J W 04, 408; R G 66, 2 5 1 ; 91, 7 2 ; 145, 1 1 5 ; Gruchot 67, 569; Staudinger R N 53 zu § 1004 B G B . " ) R G 63, 324; 59, 237; Gruchot 52, 1008; J W 04, 554. R G 138, 168 u. 223; J W 16, 38; B G H Z 19, 126 (§§ 315, 316 StGB — Eisenbahntransportgefährdung — sind keine Schutzgesetze); B G H M D R 5 9 , 2 6 (Von der Gemeinde übernommene Streupflicht ist Rechtspflicht gegenüber den Verkehrsteilnehmern). Näheres über diese Frage s. bei Staudinger Bern. III A 2 zu § 823 B G B . 67a ) Über landesgesetzliche Schutzgesetze vgl. R G K Anm. 107 zu § 823 B G B ; ferner oben § 16 II 5 (Unkrautbekämpfung). L G Trier R d L 56, 314 hält Verstoß gegen §§ 18, 20 Rheinlpf.Forst G (verbotenen Kahlschlag) nicht für unerl. Handig.; hiergegen in Anm. dazu Hartmann, soweit § 20 in Frage steht. Zutreffend beurteilt L G Hamburg
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Anspruch auf Schadenersatz
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sind beispielsweise § zz69e), § 858®9), § 906'°), § 9O770s), § 909 71 ), §§ 1004, 1020 und 1027 BGB 7 2 ), §§ 16 und 147 GewO 7 3 ), § 330 StGB (Verstoß gegen Regeln der Baukunst)73»), § 367 Nr. 8 StGB (Legung von Selbstgeschossen, Schießen, Abbrennen von Feuerwerkskörpern 74 ), § 367 Nr. 12 StGB (unverwahrte Öffnungen) 75 ), § 367 Nr. 14 StGB (Bauen oder Ausbesserung von Gebäuden ohne die erforderlichen Sicherungsmaßregeln)76), §367 Ziff. 13 StGB (Gebäude, welche einzustürzen drohen)77), § 367 Ziff. 15 StBG [Bauen ohne Genehmigung77») oder Bauen in bewußter Abweichung von dem genehmigten Bauplan7713)], § 368 Ziff. 2 StGB (Unterlassen des Raupens), § 368 Ziff. 4 StGB (brandsicherer Zustand der Feuerstätten und Schornsteine78), § 368 Ziff. 6 StGB (Feueranzünden in der Nähe von Wäldern oder Gebäuden), § 370 Ziff. 1 StGB (Abgraben oder Abpflügen von Wegen oder Grenzrainen). Das für die Ersatzpflicht unerläßliche Verschulden bezieht sich also nur auf die Willensbetätigung (mit Einschluß der Unterlassung), in welcher die Übertretung des Schutzgesetzes gelegen ist. Es braucht also Vorsatz oder MDR 59, 572 den § 36 Ziff. 3 Hamb. BauPolVO als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. 68 6 ) RG 58, 214. ») RG 59, 326; Gruchot 51, 985. 70 70a ) R 08 Nr. 745. ) RG 145, 116. 71 ) RG 51, 7 7 ; 167, 25; BGH NJW 54, 593. 72 ) Rosenthal LZ 10, 107; SeuffA 76, 662 (RG); WarnE 11 Nr. 331; RG 121, 189. 73 ) JWo9, 493; 16, 38; SeuffA 71, 86. Nicht die bei der Genehmigung des § 16 GewO getroffenen Anordnungen sind als Schutzgesetz zu erachten (wie BayZ 16, 91, RG zu Unrecht annimmt), sondern § 16 GewO; vgl. oben § 39 N. 34. 7S «) BGH N J W 63, 1827; BGH BB 65, 184. Vgl. auch BGH VersR 65, 1071 (Wer den Abbruch eines Gebäudes, das mit dem Nachbargrundstück durch eine Kommunmauer verbunden ist, in eigener und alleiniger Verantwortung durchführt, hat auch die sich für das Nachbargrundstück möglicherweise ergebenden schädlichen Folgen zu bedenken und die Abbrucharbeiten danach einzurichten); ebenso OLG Düsseldorf N J W 65, 1278. Vgl. auch BGH NJW 58 S. 627. M ) JW 02, Beil. 220 (RG). 76 ) JW 05, 17; 06, 89; 11, 713; 12, 30 (RG); SeuffA 59, 204 (Bamberg). 76 ) RG 51, 1 7 7 ; JW 04, 62; 10, 12; RG 70, 207. " ) Vgl. hierzu § 836 BGB; s. oben § 19. "») BGHZ 19, 126; BGH N J W 63, 1827. LG Dortmund MDR 65, 43 (Der Nachbar kann die Beseitigung eines ohne baupolizeiliche Genehmigung errichteten Bauwerks nur verlangen, wenn die Errichtung desselben zugleich gegen solche Bestimmungen der BauO verstößt, die speziell nachbarschützenden Charakter haben); VerwGer. Saarlouis N J W 69, 811 (Die Nachbarn des Bauherrn können die Einstellung von Bauarbeiten verlangen, wenn das Bauvorhaben offensichtlich gegen nachbarschützende Bestimmungen verstößt). " b ) BGH BB 65, 184 (§ 367 Abs. 1 Nr. 15 StGB ist nicht dazu bestimmt, den Bauherrn vor solchen Vermögensschäden zu bewahren, die aus vertragswidrig mangelhafter Leistung des Bauunternehmers herrühren; der Bauherr kann sich insoweit nur auf die Vorschriften über den Werkvertrag berufen). ">) RG 67, 339-
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§ 43 jy j l 3
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Fahrlässigkeit nur in Beziehung auf das vorzuliegen, was gegen ein Verbot getan oder gegen ein Gebot unterlassen wurde 79 ). Ein Beispiel wird den Unterschied klar machen: In der Mitte eines größeren und bebauten Areals liegt ein Fabrikanwesen, aus dessen Kaminen ein starker Funkenregen ausgeworfen wird. Mit Rücksicht darauf, daß der Abstand von der Grenze ringsum ein großer ist, kann der Unternehmer auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht voraussehen, daß ausströmende Funken auf fremde Grundstücke niederfallen können. Aus § 823 B G B haftet der Unternehmer nicht, wenn gleichwohl durch einen Sturmwind Funken auf ein Nachbarhaus geworfen werden und dieses entzünden. Wenn aber eine Polizeivorschrift besteht, wonach Fabrikschlote mit Funkenfängern versehen sein müssen, so haftet der Unternehmer aus § 823 Abs. 2 B G B , wenn nur die Zuwiderhandlung gegen das Gesetz vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt ist und bei Befolgung der Polizeivorschrift der Schaden nicht eingetreten wäre 79 ").
Für das Verschulden des § 823 Abs. 2 B G B ist keineswegs erforderlich, daß der Unternehmer die betreffende Polizeivorschrift gekannt hat, sofern die Unkenntnis auf Fahrlässigkeit beruht80). Liegt ein Verstoß gegen das Schutzgesetz vor, so muß der Zuwiderhandelnde beweisen, daß ihn kein Verschulden trifft 81 ). Das erforderliche Verschulden fehlt z. B. dann, wenn der Unternehmer die Ersetzung des alten Funkenfängers angeordnet und der Handwerker ohne Wissen des Unternehmers den alten Funkenfänger abgenommen hat, bevor der neue zum Ersatz bereit war. Wenn aber das zum Schutz eines andern erlassene Gesetz nicht eine Handlung schlechthin verbietet, sondern nur insoweit, als sie einen gewissen Erfolg, insbesondere eine schädliche Wirkung mit sich bringt, so daß dem Ermessen des Handelnden in dieser Richtung ein Spielraum bleibt, so liegt ein Verschulden bei Nichtbeachtung des Gesetzes nicht vor, wenn der Handelnde mit Fug glauben konnte, daß seine Handlung nicht schädigend wirken könne82). Deshalb trifft bei Zuwiderhandlungen gegen das Vertiefungsverbot des § 909 B G B den Täter nur dann eine Ersatzpflicht, wenn er bei sorgfältiger Prüfung hätte voraussehen können, daß durch die Vertiefung das Nachbargrundstück die erforderliche Stütze verlieren würde 83 ). Ebenso kommt eine Ersatzpflicht wegen Zuwiderhandlung gegen das Schutzgesetz des § 906 B G B nur dann in Frage, wenn der Immittent bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt erkennen konnte, daß durch die Einwirkung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigt werden könne. 3. S i t t e n w i d r i g e S c h a d e n z u f ü g u n g (§ 826 BGB). Die Ableitung von Schadenersatzansprüchen aus der Vorschrift des § 826 B G B ist bei 79 ) Liszt, Deliktsobligationen 34; R G 38, 272; J W 02, 1 1 ; 04, 408; 09, 3 1 3 ; 10, 1003 (RG); SeuffA 59, 204 (Bamberg). 79 80 ") Vgl. oben N . 45 u. 46. ) R 12 Nr. 3467; 13 Nr. 836 (RG). 81 ) J W 12, 3 1 9 ; 16, 38; R G 91, 72; R 07 Nr. 1150. 82 83 ) R G 38, 272. ) S. oben § 20 II.
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Rechtsverhältnissen, die sich aus dem nachbarlichen Zusammenleben ergeben, häufig das einzige Mittel, um dem durch unanständiges Handeln gekränkten Rechtsempfinden zum Sieg zu verhelfen. Da es bei der Anwendung des § 826 B G B immer auf den konkreten Sachverhalt ankommt, sei hier lediglich auf einzelne Anwendungsfälle verwiesen, die oben behandelt sind84). III. H a f t u n g ohne V e r s c h u l d e n Das B G B steht auf dem Standpunkt der Verschuldenshaftung. Die Verursachungshaftung, die dem Entwurf I zugrunde lag, wurde im Entwurf II zurückgedrängt und im Entwurf III völlig ausgeschaltet. Gleichwohl gibt es eine Reihe von Fällen, in denen entweder kraft gesetzlicher Vorschrift oder auf Grund von der Rechtsprechung entwickelter und gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtsgrundsätze eine Haftung auch ohne Verschulden begründet ist. Dies gilt, wenn man von dem durch § 906 Abs. 2 B G B geschaffenen Anspruch auf „angemessenen Ausgleich" und von dem nach § 26 GewO begründeten Anspruch auf Schadloshaltung84a) absieht, für die Fälle der Gefährdungshaftung und des sog. Aufopferungsanspruchs 85 ). i. G e f ä h r d u n g s h a f t u n g . Den Vorschriften über die Gefährdungshaftung liegt der Gedanke zugrunde, daß regelmäßig durch den in Frage kommenden Betrieb86) eine besondere Gefahr, die Betriebsgefahr, gegeben ist, die den Betrieb zu einem gefährlichen Unternehmen stempelt und damit zugleich die Haftung des Unternehmers auch ohne Verschulden — regelmäßig allerdings mit einer Begrenzung der Haftungssumme nach oben — rechtfertigt, sofern nicht der Schaden durch höhere Gewalt863) verursacht worden ist; mitverursachendes Verhalten im Sinne des § 254 B G B muß sich der Verletzte regelmäßig entgegenhalten und anrechnen lassen. a) § 7 S t r a ß e n v e r k e h r s g e s e t z . Nach § 7 Straßenverkehrsgesetz vom 19. 12. 1952 (BGBl. I S. 837) haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs — entsprechend auch der Schwarzfahrer — für den beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstandenen Schaden. Es muß sich dabei aber immer um M ) V g l . § 1 3 ; § 13 N . 14, 1 5 , 3 7 ; § zi N . 9 ; im T e x t zu § 31 N . 1 1 9 ; § 38 N . 19, 28, 79. 84a ) V g l . oben § 1 6 V 2 c und § 39 III. »5) R G 1 5 9 , 72. 86 ) Entsprechend setzt die Haftung des Tierhalters nach § 833 B G B voraus, daß die Schädigung durch die eigentümliche Tiergefahr, d. h. durch das v o n keinem vernünftigen Wollen geleitete willkürliche Verhalten des Tieres, das sich als Ausfluß der gefährlichen tierischen Natur darstellt, hervorgerufen worden ist ( R G 69, 3 9 9 ; 80, 237). § 833 B G B liegt daher nicht vor, wenn die Bienen nur mit ihren natürlichen Ausscheidungen Schaden anrichten ( R G 1 4 1 , 406). — Z u r Frage der gewöhnlichen oder erhöhten oder konkreten Betriebsgefahr vgl. O L G Oldenburg N J W 55, 1 0 3 2 . 8,a ) Z u m Begriff der höheren Gewalt vgl. B G H in B G H Z 7, 338 fr. u. i n R d L 5 5 , i 9 2 .
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eine p l ö t z l i c h e Beeinträchtigung durch ein regelwidriges Ereignis handeln. Allmähliche Abnutzung der Straßen durch fortgesetzte Fahrten, allmähliche Beschädigung anliegender Gebäulichkeiten infolge der durch das ständige Befahren der Straße hervorgerufenen Erschütterungen sowie andere dauernd lästige Einwirkungen auf ein Grundstück, z. B. infolge Motorenlärms von einem Garagengrundstück, fallen daher nicht unter § 7 STVG 8 7 ), sondern sind ausschließlich nach nachbarrechtlichen Vorschriften zu beurteilen88). Wohl aber muß der Halter eines Kraftfahrzeugs auch ohne Verschulden für den Schaden einstehen, der an einem Zaun oder einer Hauswand dadurch entsteht, daß sein Kraftfahrzeug dagegen fährt88"). b) L u f t v e r k e h r s g e s e t z . D a s Luftverkehrsgesetz in der Fassung vom 4. 1 1 . 1968 (BGBl. I S. 1 1 1 3 ) — vgl. oben § 1 II 7 — regelt entsprechend die Haftung des Halters eines Luftfahrzeugs für Personen- und Sachschaden, der durch einen beim Betrieb eines Luftfahrzeugs entstandenen Unfall herbeigeführt worden ist89). c) § 1 R e i c h s h a f t p f l i c h t g e s e t z . § 1 ReichshaftpflichtG vom 7. 6. 1871 (RGBl. S. 807) regelt die Haftung des Bahnunternehmers für Personenschäden ohne Rücksicht auf Verschulden89"). In Ergänzung hierzu hat das Gesetz über die Haftung der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschäden i. d. F. des Ges. vom 16. 7. 1957 (BGBL I S. 710) die Haftung des Bahnunternehmers auf Sachschäden ausgedehnt. Allerdings sind nach § 9 des Gesetzes Schäden aus nachbarlichen Einwirkungen der in § 906 B G B genannten Art von der Gefährdungshaftung ausgenommen. Hierzu ist die Frage entstanden, ob der Schaden, der durch einen, durch Funkenflug einer 87
) Müller, Straßenverkehrsrecht, § 7 B II b 1. ) Zur Unterlassungsklage des Eigentümers eines durch die laufenden Erschütterungen infolge eines genehmigten Omnibusverkehrs geschädigten Hauses vgl. R G 133, 152 und oben § 16 N . 16. Mangels Widerrechtlichkeit ist in den Fällen des sozialadäquaten Verhaltens mit der Folge einer Beeinträchtigung die Ersatzpflicht ausgeschlossen; vgl. dazu oben § 43 D II 1 a (N. 44 a). 88a) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Einrichtungen beruhte. Als unabwendbar gilt ein Ereignis insbesondere dann, wenn es auf das Verhalten des Verletzten oder eines nicht beim Betriebe beschäftigten Dritten oder eines Tieres zurückzuführen ist und sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben. 89 ) Zum Schadensausgleich aus Gefährdungshaftung und enteignungsgleichem Eingriff wegen Schäden aus außergewöhnlicher Lärmentwicklung von Düsenflugzeugen vgl. auch O L G Düsseldorf N J W 68, 555. 89a ) Vgl. auch Weimar M D R 63, 10 (Haftung des Eisenbahnunternehmers für Schaden an Wild und Beeinträchtigung von Grundpfandrechten) sowie Böhmer M D R 63, 371 (Anwendbarkeit des § 254 B G B auf die Gefährdungshaftung bei bewußter Geringschätzung der Gefahr). 89
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Anspruch auf Schadenersatz
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D III 1 Lokomotive verursachten Wald-, Getreide- oder Hausbrand auf einem anliegenden Grundstück entstanden ist, nach den Vorschriften des Sachschaden-HaftPflG. oder als „Aufopferungsanspruch" 896 ) zu entschädigen oder nach § 906 Abs. 2 B G B mit einem angemessenen Geldbetrag auszugleichen ist. Die amtl. Begründung 90 ) zählt als Beispiele für die unter § 906 B G B fallenden und daher gemäß § 9 SachschadenhaftpflG nicht erfaßten Einwirkungen ganz allgemein solche „durch Erschütterungen, Geräusch, Ruß, Rauch, Funkenflug" auf. Hieraus ist vereinzelt90») gefolgert worden, daß Schäden, die infolge Funkenflugs eintreten, nach dem SachschadenhaftpflG nicht entschädigt zu werden brauchen. Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Ihr steht zunächst die Erwägung entgegen, daß auch das SachschadenhaftpflG ebenso wie das ReichshaftpflG ein UnfallhaftpflG sein will mit der Folge, daß der Unternehmer eines Eisenbahnoder Straßenbahnbetriebs nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung •— also ohne Rücksicht auf Verschulden, wenn auch mit einer Höchstbegrenzung — für alle Schäden an beweglichen Sachen oder Grundstücken haften soll, die auf einem Unfall, d. h. auf einer plötzlichen Einwirkung eines äußeren Tatbestandes auf einen Menschen oder auf eine Sache 90 "), beruhen, während § 906 B G B nur solche Einwirkungen betrifft, die wegen ihrer Dauer oder Wiederkehr eine Dauerbeeinträchtigung schaffen900). Gegen die hier abgelehnte Ansicht spricht weiter die Überlegung, daß — außer bei Verschuldensnachweis — keine Haftung für einen Schaden bestünde, der z. B. am Reisegepäck oder an einem auf der Straße vor dem Bahnübergang stehenden Getreidewagen durch Funkenflug verursacht würde, da die Vorschriften des SachschadenhaftpflG solchen Schaden nicht umfaßten und andererseits § 906 II B G B nicht zuträfe, denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf Grundstücke. Schließlich bleibt zu bedenken, daß § 906 Abs. 2 B G B für die durch den Funkenflug dem Grundstückseigentümer entstehende Beeinträchtigung nur einen angemessenen 89b ) Über das Verhältnis des § 906 Abs. 2 B G B zum „Aufopferungsanspruch" vgl. O L G Hamm BB 64, 1271 u. B G H N J W 63, 2021. Vgl. auch oben § 16 V 2 c am Ende 90 und § 38 X 1. ) DJust. 1940 S. 540. 90a ) Koffka D J 4 0 , 5 3 9 ; Däubler D R 40, 997; Mayer, D. AutoR 40, 63. Auch Schack N J W 65, 1703 will weiterhin einen Aufopferungsanspruch gewähren, da dem Funkenflug immer Immissionscharakter zukomme, weil er ohne Rücksicht darauf, ob er selten oder öfter sich ereignet, immer eine Konkretisierung der sich aus dem benachbarten Eisenbahnbetrieb ergebenden permanenten Gefahr bilde und sich wiederholen könne. Demgegenüber finde eine Kesselexplosion so selten statt, daß man bei ihr nicht von einer „ständigen" Gefahr sprechen könne. Der praktische Unterschied zwischen beiden Ansichten ist allerdings, wie auch Schack einräumt, nur gering, da nach dem SachschädenhaftpflGes. (vgl. dazu §§ 4ff.) voller Schadensersatz zuerkannt werden m u ß , während bei Auf901) opferungsanspruch auf Schadensersatz erkannt werden kann. ) R G 158, 37. 8O
) Ehlers M D R 60, 7 1 4 ; Mattern-Reisch, Atomgesetz. ) R G J W 25, 2446. Ihre Weitergeltung hat das Reichsgericht in R G 156, 309 ausdrücklich bejaht. Ebenso Schack in V e r w A 40, 426. A . M. Stödter, Öffentlich-rechtliche M
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Anspruch auf Schadenersatz
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DIU 2 b) R e c h t s p r e c h u n g des R e i c h s g e r i c h t s . Aus § 75 Einl. A L R und zugleich in entsprechender Anwendung des dem § 904 B G B und dem § 26 GewO zugrunde liegenden Rechtsgedankens hat das Reichsgericht folgenden allgemeinen Rechtsgrundsatz entwickelt: Für rechtswidrige Einwirkungen auf das Eigentum 96 ) eines anderen muß, auch wenn dem Einwirkenden ein Verschulden nicht zur Last fällt, eine Entschädigung überall da geleistet werden, wo dem Eigentümer die ihm nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zustehende Befugnis, wegen des Eingriffs die Abwehrklage nach § 1004 B G B zu erheben, ausnahmsweise entzogen ist. Diese Ansicht über die Voraussetzungen des Aufopferungsanspruchs war jedoch zu eng und führte in vielen Fällen nicht zu einem befriedigenden Ergebnis. Tatsächlich hat auch das Reichsgericht, um im Einzelfall zu einem praktisch brauchbaren Ergebnis zu kommen, zwar die aufgestellte These bejaht, bei ihrer praktischen Anwendung aber sich dem Grundsatz der Gefährdungshaftung erheblich angenähert, indem es die in verschiedenen Gesetzen enthaltenen Bestimmungen, die eine Schadenersatzpflicht ohne Verschulden festsetzen, auf ein gemeinsames höheres und damit allgemein gültiges Prinzip zurückführte 86 ); dieses allgemeine Prinzip ist aber das der Gefährdungshaftung, wenn auch das Reichsgericht das Kind nicht beim Namen genannt hat96a). Geht die Einwirkung von einer A n l a g e aus, von der schon vor dem Eintritt des Schadens mit S i c h e r h e i t vorauszusehen war, daß ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf das Nachbargrundstück zur Folge haben werde, dann stand zu diesem Zeitpunkt dem Nachbarn an sich der Anspruch auf Beseitigung dieser Anlage zu (§ 907 BGB). War jedoch eine unzulässige Einwirkung in diesem Zeitpunkte nicht mit Sicherheit vorauszusehen, so ist Voraussetzung des alsdann in Frage kommenden Unterlassungsanspruches (§ 1004 BGB), daß vor Eintritt des Schadens schon eine Entschädigung 1933, S. 229fr., S. 239 und Cremer in RVerwBl. 35, 625; beide sahen in Art. 153 WeimVerf. — jetzt Art. 14 G G — eine Art Generalklausel für die öffentlichrechtliche Entschädigung schlechthin und damit zugleich einen Schutz gegen Angriffe der Verwaltung in subjektive Persönlichkeitsrechte. Vgl. unten § 43 D I I I 2 c ff. • 5 ) In Fortentwicklung der Rechtsprechung des R G hat der B G H die Haftung ohne Verschulden auch für Eingriffe in Gesundheit und Leben (Impfschäden) mit überzeugender Begründung bejaht (NJW 53, 857; 60, 379). Vgl. dazu auch unten zu D III 2 c und d aa. aaa). ,6 ) R G 58, 139; 59, 74; 63, 376; 70, 152; 81, 216; 86, 232; 93, 100; 97, 291; 98, 348; 100, 69; 1 0 1 , 102; 1 1 3 , 306; 122, 134; 139, 33; 144, 333; 155, 154; 155, 389; 159, 69; 159, 309; 1 6 1 , 368; 167, 25; 170, 44; J W 05, 1 3 1 ; 10, 580; 10, 610; 12, 869; WarnE 1 1 Nr. 40; 13, Nr. 226. — Vgl. auch Rümelin, ArchZivPr. 88, 285 £f.; Almassi in J W 18, 357 (über die Ungarische Rechtsprechung in solchen Fragen). In R G 1 0 1 , 106 und Gruchot 66, 475 wurde der Anspruch auf Ersatz des durch Einwirkungen einer Munitionsfabrik verursachten Schadens allerdings vorsorglich auf § 904 Satz 2 B G B gegründet. 96a ) Ebenso Mühl N J W 60, 1 1 3 5 . A . M. O L G Oldenburg N J W 58, 1096; Engert B B 63, 660. JJ
Meisner-Stern-Hodcs, Nachbarrecbt, 5. Aufl.
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8 43 D HI 2
I V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
unzulässige Einwirkung stattgefunden hatte9') und eine weitere unzulässige Einwirkung zu besorgen war (§ 1004 BGB). Diese Besorgnis erfordert mehr als eine abstrakte Möglichkeit, während es andrerseits genügt, wenn nach Lage der Verhältnisse mit der Möglichkeit einer Wiederholung zu rechnen ist. Wenn also durch eine unzulässige Einwirkung ein Schaden verursacht wird, und es war vorher eine unzulässige Einwirkung weder mit Sicherheit vorauszusehen noch auch vorher tatsächlich schon erfolgt, dann bestand schon nach allgemeinem Recht kein Abwehranspruch, mithin konnte auch eine Ersatzleistung für die Entziehung des Abwehranspruches nicht in Frage kommen. In der Tat hat das Reichsgericht diesen Standpunkt in einzelnen Entscheidungen mit Entschiedenheit vertreten, so namentlich im Falle der Explosion 88 ), und dieser grundsätzliche Standpunkt lag auch der Ablehnung des Ersatzes für einen Schaden zugrunde, der „in der Vergangenheit liegt, also mit der Klage auf Einstellung des Betriebs nicht hätte verhindert werden können" 99 ). In anderen Entscheidungen wurde dieser Standpunkt zwar nicht grundsätzlich, aber doch tatsächlich verlassen, zum mindesten stark auf die Seite geschoben. Im Falle R G 101, 102 konnte er hochgehalten werden, weil das Berufungsgericht die tatsächliche Feststellung getroffen hatte, daß von der Sprengstoffabrik eine Explosion früher oder später mit S i c h e r h e i t zu erwarten war 1 0 0 ). Darüber, daß diese tatsächliche Feststellung zweifellos auf einer rechtlichen Verkennung des Erfordernisses „mit Sicherheit zu erwarten" (§ 907 B G B ) beruhte, hat das R G hinweggesehen. Sonst hätte sich die Verurteilung mit der reichsgerichtlichen Konstruktion nicht halten lassen. Die tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts war darauf gestützt, daß zwar im Frieden eine Sprengstoffabrik gefahrlos gewesen sei (vgl. R G 50, 226), daß sich dies aber bei dem kriegsgemäßen Betrieb mit Rücksicht auf den Mangel an ausgebildeten Arbeitern sowie die gebotene Eile der Arbeit wie auch die Anhäufung größerer Mengen geändert habe. Gewiß war die Gefährlichkeit des Betriebs durch die Kriegsmäßigkeit gewaltig gesteigert; mit Sicherheit 101 ) konnte deswegen natürlich eine Explosion nicht vorhergesehen werden; tatsächlich sind auch nicht alle Munitionsfabriken in die Luft geflogen 102 ). 97
) R G WarnE 1 1 Nr. 330; R G 1 0 1 , 339; R G K Anm. 3, 6 u. 9 zu § 1004 B G B . ) R G 50, 226 (hier allerdings nur bezüglich der von einer Petroleum-Raffinerie d r o h e n d e n Explosionsgefahr und der dadurch herbeigeführten Entwertung des Nachbargrundstücks) und namentlich R G 63, 374 u. D R 44, 410 (Schadenersatzpflicht für den durch Rohrbruch einer Gasanstalt entstandenen Schaden abgelehnt); nun ist § 1 a R H P f l G (vgl. oben D III 1 d) zuständig. Vgl. R 1 1 Nr. 2752. (Sind Kugeln von dem Schießstand bisher nicht herübergeflogen, so kann von der Besorgnis weiterer Beeinträchtigung nicht die Rede sein.) 99 ) Gruchot 54, 4x2 (RG); JW 12, 869 (RG); vgl. auch die vom R G unbeanstandet gelassene Ausführung des O L G im Fall R G 1 0 1 , 102. Später wurde diese Ansicht — jedenfalls im Ergebnis — vom R G aufgegeben; vgl. oben § 39 N. 60. 100 ) Ebenso im Fall R G 104, 82 und Gruchot 66, 475 (Explosion am 4. 8. 1917). 101 ) S. oben § 17 II 3. 102 ) Ebenso Staudinger R N 12 d zu § 907 B G B und F N daselbst. In den Fällen SeuffA 87 Nr. 83 und R G 104, 81 war das R G nochmals in der angenehmen Lage, die tatsächliche Feststellung des L G zugrundelegen zu können, daß von dem Betrieb (zur Zerlegung von Granatzündern) unzulässige Einwirkungen auf die Nachbargrundstücke mit S i c h e r h e i t zu erwarten waren. In jenen Fällen trat die Explosion am 18. 7. 1919 bzw. am 25. 3. 1920 ein. Damals waren in Deutschland die Arbeitsverhältnisse noch in Gärung, so daß friedensmäßige Betriebssicherheit noch nicht hergestellt war. R G 1 0 1 , 106 und Gruchot 66, 479 begründen den Ersatzanspruch vorsorglich auch mit § 904 Satz 2 B G B . Es wird die im Krieg bestandene Notwendigkeit von Munitionsfabriken 9S
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Anspruch auf Schadenersatz
§
43
DIU 2 Auch in anderen Fällen konnte die vom R G beigebrachte Begründung seines Standpunktes nicht zum Ziel führen. Zumeist —• namentlich bei Schadenfällen infolge Funkenflugs — beschränkte sich das R G auf die ganz allgemein gehaltene Unterstellung, daß dem durch Funkenflug geschädigten Eigentümer des Grundstückes der ihm nach dem ordentlichen Recht zustehende Abwehranspruch entzogen und ihm dafür als Ersatz der Entschädigungsanspruch 103 ) zuzubilligen sei. Eine Untersuchung darüber, welcher Art dieser Abwehranspruch in concreto gewesen sei und ob damit die den Brandschaden vermittelnde Einwirkung des Funkenflugs nach ordentlichem Recht auch wirklich hätte abgewehrt werden können, fehlte regelmäßig, obwohl dieser Nachweis vom Standpunkt des R G aus unerläßlich gewesen wäre. Im Falle J W 10, 619 machte die Revision gegen die Verurteilung zum Schadenersatz wegen Funkenauswurfes mit Recht geltend, daß, wenn sich die Entschädigung als Ersatz für die entzogene Eigentumsklage darstelle, im e i n z e l n e n F a l l e zu prüfen sei, ob dem Kläger der Anspruch aus § 1004 B G B zugestanden hätte. In jenem Fall war ein Funke aus der Lokomotive einer Kleinbahn auf ein 50 m vom Schienenstrang entferntes Gebäude geworfen worden und hatte dort gezündet. Die Revision führte aus, daß Funken unter normalen Verhältnissen in einer Entfernung von 50 m nicht mehr zu zünden pflegen und daher nicht als wesentliche Beeinträchtigung zu erachten, übrigens auch nicht ungewöhnlich seien. Deshalb könne der Grundeigentümer die Zuführung von Funken nicht verbieten (§ 906 BGB), auch sei bei der außergewöhnlichen Natur des Ereignisses (Sturmwind) eine Besorgnis der Wiederholung, die nach § 1004 B G B erforderlich ist, nicht gegeben. — Das R G hat diesen Revisionsangriff zurückgewiesen. Der Einwand, daß Funken im allgemeinen unter § 906 B G B fallen, wurde mit der Bemerkung abgetan, daß der Funkenauswurf wegen seiner Gefährlichkeit zu den Einwirkungen, die § 906 B G B unter Umständen zuläßt, überhaupt nicht gerechnet werden könne. Damit ging das R G entschieden zu weit. Es kommt ja nicht nur der Funkenflug aus Lokomotiven, sondern auch aus Schornsteinen in Betracht. E r läßt sich auch durch Funkenfänger nicht völlig ausschließen, und ein Grundeigentümer, auf dessen Eigentum hie und da einmal ein aus dem Schornstein des Nachbarhauses kommender Funke getragen wird, kann deshalb noch nicht mit Erfolg eine Abwehrklage erheben. Was aber die nach § 1004 B G B erforderliche Besorgnis der Wiederholung anlangt, so setzt sie begriffsmäßig voraus, daß vor dem zündenden Funken schon einmal ein Funke auf dasselbe Grundstück aus der gleichen Immissionsquelle gelangt ist 104 ). Darüber schwieg sich die Entscheidung aus. — Selbst wenn dies in dem zur Entscheidung stehenden Fall nachweisbar gewesen sein sollte, so läßt sich doch der Fall denken, daß dieser dem Kläger obliegende Nachweis nicht zu erbringen ist. Man braucht sich die Entfernung nur etwas größer vorzustellen als 50 m, dann ist es wohl denkbar, daß der erste Funke, der nachweisbar aus einer Lokomotive auf das betreffende Grundstück durch einen Sturm getragen wird, zündet. Bei einem solchen Schadenfall wäre mit der Konstruktion des R G nicht zu helfen. Noch deutlicher zeigt sich die Anfechtbarkeit der reichsgerichtlichen Konstruktion, wenn man unterstellt, daß zur Zeit des Eintritts des Schadens der Anspruch auf Unterlassung zwar bestanden hätte, jedoch nicht geltend gemacht worden war, während eine Sondernorm, durch welche der Unterlassungsanspruch entzogen war, fehlte. Wenn z. B. vor der Schädigung durch Sprengung beim Bau eines Privatwegs schon eine Einwirkung durch abgesprengte Steine auf das Nachbargrundstück erfolgt war, bestand von da ab der Unterlassungsanspruch. Durch keine gesetzliche Vorschrift war dieser Anspruch mit den damals unvermeidbaren Einwirkungen auf die Nachbargrundstücke als Notstand 103 im Sinne des § 904 B G B aufgefaßt. ) R G 93, 223. 104 ) R G WarnE 1 1 Nr. 330; R G K Anm. 3 u. 6 zu § 1004 B G B . Vgl. auch oben § 43 D III 1 c. 55
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§ 43 D III 2
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
entzogen. Dem Eigentümer des Nachbargrundsrücks war nur die vorausgegangene Einwirkung unbekannt geblieben. Ein Verschulden des Unternehmers an dem Schaden lag nicht vor. Bei Durchführung der reichsgerichtlichen Gedankengänge wäre kein Ersatz zu leisten, so daß also bei bestehendem Unterlassungsanspruch der Geschädigte schlechter stehen würde als nach seiner Entziehung durch Sondergesetz. Im Falle des R G 100, 74 hat das R G Ersatzpflicht für die durch den Absturz eines Flugzeuges verursachte Beschädigung des Grundstücks (Durchschlagen des Daches) zugebilligt106). Aus § 905 BGB wird das Recht des Eigentümers abgeleitet, das Überfliegen seines Grundstücks in noch so großer Höhe zu verbieten. Aber mit der Einräumung des Verbietungsrechts ist noch nicht ohne weiteres der Abwehranspruch gegeben. Auch hier muß eine Beeinträchtigung — Uberfliegen des betroffenen Grundstücks — vorausgegangen sein, bevor nach damaligem Recht der Anspruch auf Unterlassung einer weiteren Beeinträchtigung zustand104). Wie nun, wenn das betreffende Grundstück bei dem Absturz zum ersten Male überflogen wird? Und wie hätte man in Anwendung der reichsgerichtlichen Konstruktion zu entscheiden, wenn das Grundstück überhaupt nie, auch nicht vor dem Absturz, überflogen wurde, da das Flugzeug erst im Absturz durch den Wind auf jenes Grundstück getrieben wurde? Dann bestand sicher kein Abwehranspruch107). Wenn er aber bestehen würde, wo ist die Sonderrechtsnorm, durch die er entzogen wird? Das R G antwortet darauf: Wenn alle Grundeigentümer das ihnen zustehende Vertretungsrecht ausüben würden, so würde dies zu einer völligen Unterbindung des Luftfahrtbetriebs führen. Weil dieser aber ein wirtschaftlich wertvolles, bis zur Unentbehrlichkeit auszubildendes Verkehrsmittel sei, auf welches die Allgemeinheit nicht verzichten könne, deshalb müsse das Vertretungsrecht des Einzelnen hinter dem Interesse der Allgemeinheit zurückstehen und könne nicht ausgeübt werden. Also wurde aus dem Vertretungsrecht der Abwehranspruch konstruiert, dann wurde das Verbietungsrecht zerschlagen, wobei das entziehende „Sondergesetz" wohlweislich verschwiegen wurde108). Damit war der Abwehranspruch entzogen und die Theorie gerettet. Andererseits war vom R G für die Zeit vor Inkrafttreten des Luftverkehrsgesetzes anerkannt, daß dem Eigentümer das Recht, ein Überfliegen in g e r i n g e r Höhe zu verbieten, mit Rücksicht auf die Belästigung durch Lärm zustand109), also nicht entzogen war. Somit konnte vom Standpunkt des R G aus (vor Inkrafttreten des LVG) kein vom Verschulden losgelöster Ersatzanspruch bestehen, wenn das Flugzeug aus geringer Höhe abstürzte. Erfolgte dagegen der Sturz aus großer Höhe, dann bestand die Haftung. Also wurde v o r Inkrafttteten des Luftverkehrsgesetzes für die Folgen einer zulässigen Einwirkung gehaftet, für die Folgen einer unzulässigen Einwirkung dagegen nicht. Das konnte unmöglich rechtens sein110). 105 ) Schäden, die durch den Betrieb eines Luftfahrzeugs entstehen, sind jetzt durch das Luftverkehrsgesetz i. d. F. vom 4. 11. 1968 (BGBl. I 1113) — vgl. oben § 1 II 7 — erfaßt und geregelt. Vor dessen Erlaß war im Falle des Echterdinger Zeppelinunfalls eine Haftung ohne Verschulden verneint worden (RG 78, 71). loe ) R G WarnE 11 Nr. 330; R G K Anm. 3 u. 6 zu § 1004 BGB. 107 ) Die bloße Gefährlichkeit gewährt nicht einmal gegenüber einer Anlage einen Abwehranspruch R G 50, 225; SeuffA 57 Nr. 191; OLG 4, 55. 108 ) Die Entscheidung ist für das geltende Recht durch das Luftverkehrsgesetz überholt (s. oben N. 105). Aber auch schon vorher bestand kein Verbietungsrecht; es war aber nicht durch eine Sondernorm, sondern durch die allgemeine Vorschrift des § 905 BGB ev. des § 826 BGB entzogen. § 905 BGB setzt ein schutzwürdiges Interesse 109 voraus (vgl. R G 97, 27; SeuffA 71, 89). ) R G 97, 25. 110 ) Jetzt ist die Haftpflicht für Unfälle beim Betrieb eines Luftfahrzeugs durch das Luftverkehrsgesetz i. d. F. vom 4. 1 1 . 1968 (BGBl. I 1 1 1 3 ) geregelt (s. oben § 1 II 7).
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3
DIU 2 Damit dürfte dargetan sein, daß die Begründung, welche das R G für den von ihm in gleichförmiger Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatz gab, nicht stichfest war. Von dieser Unrichtigkeit der Begründung wurde die Gültigkeit der aufgestellten Rechtssatzung selbst nicht berührt. Denn hier handelt es sich um ein durch Gerichtsbrauch anerkanntes Gewohnheitsrecht: Seitdem das R G die Gültigkeit dieses Rechtssatzes für das neue Recht erstmals111) aufgestellt hatte, fand es die willige Gefolgschaft der gesamten Rechtsprechung. In all den Fällen, in welchen sich daraufhin das R G mit dieser Frage beschäftigte, hatte schon das Berufungsgericht diesen Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt, und eine Aufhebung erfolgte nur insoweit, als das Berufungsgericht daraus Folgerungen gezogen hatte, die dem RG zu weit gingen112). In der Rechtslehre wurden zwar zunächst vereinzelt gegen die Aufstellung des Rechtssatzes Bedenken erhoben113), aber so beachtlich diese Bedenken waren, sie wurden nicht beachtet, während der vom Reichsgericht aufgestellte Rechtssatz, so unzulänglich seine Begründung war, gutgeheißen und allenthalben angewendet wurde. Die vereinzelt erhobene Kritik, der das unfruchtbare Ankämpfen gegen ein vernünftiges, ja wirtschaftlich notwendiges Ergebnis keine Freude machen konnte, verstummte. Heute muß die Geltung der vom R G aufgestellten Rechtssatzung als unbestritten und durch langjährige gleichförmige Übung aller deutschen Gerichte als ein durch Gerichtsbrauch anerkanntes Gewohnheitsrecht erachtet werden. Die verbindliche Kraft eines solchen Gewohnheitsrechts kann nicht in Zweifel gezogen werden114). Der Inhalt dieses Gewohnheitsrechts kann jedoch nicht seiner B e g r ü n d u n g 1 1 5 ) entnommen werden. Er muß der Gesamtheit der Tatbestände entnommen werden, für welche die Schadenersatzpflicht ohne Verschulden anerkannt wurde. m
) R G 58, I J O . ) Vgl. insbes. R G 63, 374 u. DR 44, 410 (Schadenersatz für den durch Rohrbruch einer Gasanstalt entstandenen Schaden). Jetzt ist § 1 a RHaftPflG (oben D III 1 d und 113 N. 92) einschlägig. ) Fuld, PucheltsZ 05, 616. Vgl. R 04, 330 u. 617. 114 ) Ebenso Schack JuS 63, 264ff. Vgl. JW 02, 94, wo das R G zwar ausspricht, daß durch bloßen Gerichtsgebrauch, der auf unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts zurückzuführen ist, ein von diesem abweichendes Gewohnheitsrecht nicht begründet werden könne, aber demgegenüber in der Anerkennung durch die Rechtslehre und in dauernder Anwendung durch die Gerichtshöfe mehr als einen bloßen Gerichtsgebrauch erblickt. Es kann also durch einen Gerichtsgebrauch das Rechtsbewußtsein der Gemeinschaft erzeugt werden; wird dann der Rechtssatz von der Rechtslehre und der Rechtsprechung dauernd anerkannt, so ist Gewohnheitsrecht begründet. U5) Vgl. SeuffA 15 Nr. 217 (Stuttgart): „Wo als Grund und Zweck eines Gerichtsgebrauchs der Wille sich darstellt, durch den aufgestellten Rechtssatz einem Rechtsbedürfnis zu genügen und das Rechtssystem mit dem lebendigen Rechtszustand zu versöhnen, bildet der Gerichtsgebrauch eines de„r sichersten Erkenntnismittel des Bestehens eines Gewohnheitsrechts." Wenn den Entscheidungen der äußere Schein einer bloßen Auslegung und Anwendung des geschriebenen Rechts gegeben werde, so sei in Wirklichkeit nicht in dieser Auslegung der Grund und Anlaß der Aufstellung des fraglichen Rechtssatzes zu suchen, sondern in der Erkenntnis eines vorhandenen Rechtsbedürfnisses. „Die Berufung auf Stellen des geschriebenen Rechts stellt sich daher nur als ein unrichtiges Mittel dar, den als ein Bedürfnis des Verkehrslebens erkannten Rechtssatz zur Geltung zu bringen. Hierdurch wurden aber die Aussprüche ihrer Bedeutung als Ausdruck einer im Volk lebenden Rechtsüberzeugung nicht entkleidet. . . und es muß daher der durch sie sanktionierte Rechtssatz als Gewohnheitsrecht aufrecht erhalten bleiben, wenn auch die versuchte wissenschaftliche Begründung desselben als unhaltbar sich erwiesen hat." Zustimmend Regelsberger, Pand. 97. 112
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§ 43 J) JJJ 2
I V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Hierbei sind zwei Gruppen zu unterscheiden. In die e r s t e Gruppe sind Fälle einzureihen, in welchen der geschädigte Grundeigentümer in c o n c r e t o in der Lage gewesen wäre, die Einwirkung, durch welche der Schaden verursacht wurde, durch Klage abzuwehren, wenn ihm nicht der Abwehranspruch durch eine Sondervorschrift versagt wäre. Für diese Fälle trifft auch die reichsgerichtliche B e g r ü n d u n g des Rechtssatzes zu. Hierher gehört der Ersatz der Schäden, die durch die fortdauernde Beeinträchtigung durch Ruß und Rauch des Eisenbahnbetriebes 116 ) oder durch den Lärm des Rohrpostbetriebes 117 ) oder durch abirrende Kugeln eines Militärschießstandes118) oder durch die Anlage eines Eisenbahntunnels unter einem Hause 119 ) verursacht sind. Der z w e i t e n Gruppe dagegen sind jene Fälle einzureihen, in welchen dem Grundeigentümer zur Zeit der schädigenden Einwirkung a u c h n a c h o r d e n t l i c h e m R e c h t eine Klage auf Abwehr dieser Einwirkung nicht zustand. Hierher gehören Funkenflug aus Lokomotiven, Explosion und (vor Inkrafttreten des Luftverkehrsgesetzes) 120 ) Absturz eines Flugzeugs. In allen diesen Fällen hat das R G die Ersatzpflicht anerkannt, auch wenn der Eigentümer schon nach ordentlichem Recht der Einwirkung gegenüber völlig machtlos war. Daran ändert der Umstand nichts, daß das R G durch Ausschweigen oder durch Unterstellen unter eine auf Rechtsirrtum beruhende tatsächliche Feststellung die Fiktion aufrechtzuerhalten suchte, als ob der Eigentümer nach ordentlichem Recht die Einwirkung hätte abwehren können. Wenn man nun die einzelnen Anwendungsfälle ins Auge faßt, so fällt als das allen Gemeinsame ein Doppeltes auf: Einerseits handelt es sich — beim Ausschluß eines Verschuldens — um unabwendbare Ereignisse, also um Unglücksfälle, und andererseits um Ereignisse, die doch nicht als reine Zufälle, sondern als Auswirkung der mit dem betreffenden Betrieb verbundenen, diesem Betrieb eigentümlichen Gefahren zu erachten sind. Damit sind aber die Merkmale der Gefährdungshaftung in dem Begriff, wie er in der Rechtslehre herausgearbeitet wurde, bloßgelegt. In der Tat sind diese Kriterien vom R G in jedem der in Betracht kommenden Fälle (Funke, Explosion, Flugzeug) herausgestellt worden. So hat das Reichsgericht im Falle des Brandschadens durch Funkenflug aus einer Lokomotive infolge Sturmwindes ausgesprochen, daß Unfälle, die in dem regelmäßigen Eisenbahnbetrieb und den damit verbundenen eigentümlichen Gefahren ihren Grund haben und mit denen man, weil sie nicht ganz ungewöhnlich sind, rechnen muß, nicht als höhere Gewalt oder unabwendbarer Zufall zu erachten sind 121 ). Und ebenso hat das R G im Falle des Absturzes eines Flugzeugs den Anspruch auf Erstattung „des durch die Betriebsgefahren angestifteten Schadens" mit dem Beifügen zugesprochen, daß sich der Unternehmer auf höhere Gewalt zum mindesten dann nicht berufen könne, wenn das schädigende Ereignis auf Ursachen zurückzuführen ist, die im Bereich der mit dem Luftverkehr verbundenen Gefahren liegen 122 ). Hiermit ist der Begriff der „spezifischen Betriebsgefahren" im Sinne der Gefährdungshaftung zutreffend umschrieben123). Im Fall u
11 «) JW io, 580. ' ) J W 06, 620. U9 120 ) Gruchot 45, 1008. ) J W 12, 869. ) S. oben § 1 II 7. 121 122 ) J W 10, 619. Vgl. auch oben § 43 D III 1 c. ) R G 100, 74; J W 25, 53. 123 ) Daß das R G in der Tat die Grundsätze der Gefährdungshaftung anwendete, ergibt sich auch daraus, daß es den Ersatzanspruch der kurzen Verjährung des § 852 B G B unterstellte: R G 70, 150; WarnE 14 Nr. 189; J W 26, 1 1 5 1 (RG). Für den Anspruch aus der Gefährdungshaftung, der quasideliktische Natur hat, ist die kurze Verjährungsfrist des deliktischen Ersatzanspruchs das Gegebene. Stellte sich aber der Schadenersatzanspruch als ein Ersatz-Rechtsbehelf für den entzogenen Anspruch aus § 1004 B G B dar, dann müßte eben hierauf die für den entzogenen Anspruch geltende dreißigjährige Verjährungsfrist angewendet werden. Das hatte dort das O L G angenommen. 118
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3 DIU 2
JW 25, 53 spricht das R G selbst von „typischer Gefahr". Das Gegenstück finden wir in der Ablehnung der Haftung für den durch Rohrbruch eines Gaswerks oder einer Wasserleitung herbeigeführten Schaden. Hier stellt das Reichsgericht den Eisenbahnbetrieb, der nicht anders als unter Auswurf von Rauch und Funken erfolgen kann, der Versorgung einer Stadt mit Gas durch Leitungsröhren gegenüber 124 ). Diese grundsätzliche Anwendung der für die Gefährdungshaftung erforderlichen Voraussetzungen ist unverkennbar. Und wenn man sich diese Tragweite des vom R G nur zur Widerlegung eines Einwandes so nebenbei angeführten Grundes zum Bewußtsein kommen läßt, entfällt der Eindruck, daß sich diese Entscheidung des R G nicht verträgt mit den übrigen Entscheidungen des R G . Auch in dieser Entscheidung hat sich ja das R G bemüht darzutun, daß die Ersatzpflicht nur deshalb nicht bestehe, weil kein Abwehranspruch entzogen sei. Den wahren, der Gefährdungshaftung entnommenen Grund der Ablehnung des Ersatzanspruchs deckte das R G auf, indem es sagte, es fehle daran, daß die Kläger „unabwendbaren Folgen eines gefährlichen Betriebes" schutzlos preisgegeben wären; die Versorgung einer Stadt mit Gas könne bei ordnungsgemäßem Betrieb, also in Ermangelung eines Verschuldens, nur beim Eintritt von Zufällen, denen alle menschlichen Einrichtungen unterliegen, einen Schaden anrichten126). Kurz gesagt: Es handele sich nicht um eine spezifische Gefahr. — Die Gegenprobe bietet die Entscheidung des R G in BayZ 16, 91. Dort wird die Ersatzpflicht ohne Verschulden für einen Schaden erörtert, der durch den Bruch eines in bergunsicherem Gelände verlegten Gasrohrs verursacht wurde. Es sei zu untersuchen, ob hier nicht ein anderer Sachverhalt vorliege als bei R G 63, 374, ob hier insbesondere ein der Regel nach ungefährliches Gasrohrnetz zu beurteilen sei oder nicht vielmehr eine wegen der Unsicherheit des Erdbodens dringend gefahrdrohende Gasrohrleitung. Hier wird also direkt auf die Gemeingefährlichkeit abgestellt. In anderen Entscheidungen sind dem R G die rechtspolitischen Gründe, durch welche die Gefährdungshaftung gegenüber der Verschuldungshaftung gerechtfertigt wird, aus der Feder geflossen. Im Falle R G 1 0 1 , 102 (Explosion einer Sprengstoffabrik) sagte das R G : Auch die Billigkeitserwägungen, die der Berufungsrichter aus den großen Gewinnen der Beklagten herleitet, ohne übrigens damit einen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkt aufzustellen, werden nicht durch den Hinweis ausgeschaltet, daß andere Betriebe noch größeren Gewinn gemacht hätten, ohne mit der Tragung der aus dem Betrieb für andere entspringenden Gefahren belastet zu werden. Andererseits sprechen die wirtschaftlichen Gründe, die namentlich im Urteil des O L G Frankfurt 126 ) hervorgehoben sind, in hohem Maße für die Unentbehrlichkeit einer Entschädigungspflicht der Sprengstoffebriken gegenüber den Grundstückseigentümern in solchen Fällen, in denen „die ganze wirtschaftliche Existenz des gesamten, im weiten Umkreis einer derartigen Fabrik gelegenen Grundbesitzes gefährdet war, ohne daß dieser während des Krieges sich durch 124 ) R G 63, 374. Vgl. ferner R G D R 44, 410. Ähnlich R 20 Nr. 2405 (RG): Ohne Nachweis eines Verschuldens kann Schadenersatz verlangt werden in all den Fällen, in denen ein Eigentümer, wenn ihm nicht vom Staat Beschränkungen auferlegt wären, die Beseitigung von Beeinträchtigungen ohne Nachweis eines Verschuldens verlangen könnte. Dieser Grundsatz darf aber nicht auf den Betrieb einer Wasserleitung übertragen werden, da der Betrieb einer Wasserleitung als einer gemeinnützigen und segensreichen Einrichtung „nicht zu den mit einer besonderen Gefährdung Dritter verbundenen und darum das Prinzip der Gefährdungshaftung ohne Verschulden rechtfertigenden Betrieben gehört". Zustimmend O L G Oldenburg N J W 58, 1096. Vgl. auch oben III i d . U6 ) Diese Ausführungen beziehen sich nur auf die Gasleitungsröhren, nicht auch auf die Gasbehälter. Jetzt ist § i a RHaftpflGes. (RGBl. 1943 I 489) einschlägig; vgl. hierzu oben § 43 D III 1 d. 12 «) L Z 19, 1284.
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§ 43 D HI 2
I V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
die sonst gegebenen Rechtsbehelfe schützen konnte". Während hier zum Schluß der Ersatz für die Entziehung des Abwehranspruchs wieder zu Ehren kam, war das R G vorher aus der Rolle seiner Rechtskonstruktion gefallen. Ob diese Billigkeitserwägungen nicht doch trotz der gegenteiligen Beteuerung maßgebenden Einfluß auf die Entscheidung geübt haben, ist der Nachprüfung entzogen. Aber so viel ist gewiß: In diesen Erwägungen liegt die Rechtfertigung des G e f ä h r d u n g s p r i n z i p s als Rechtsgrundsatz. In der zweiten Gruppe der einschlägigen Entscheidungen des R G sind in der Tat alle die Rechtsgrundsätze zur Anwendung gebracht, welche den Inhalt der Gefährdungshaftung bilden, und das ist entscheidend. Denn dadurch sowie durch die damit im Einklang stehenden Entscheidungen der übrigen deutschen Gerichte und die sich damit deckende Rechtslehre ist ein G e w o h n h e i t s r e c h t anerkannt mit f o l g e n d e r R e c h t s satzung: Der Unternehmer 127 ) eines gemeingefährlichen Betriebes 128 ) haftet auch ohne Verschulden auf Schadenersatz für die Schädigungen des E i g e n t u m s , die durch Auswirkung der mit seinem Betrieb verbundenen, diesem Betrieb eigentümlichen Gefahren verursacht sind. E s muß sich um eine Gefahr handeln, die durch keinerlei Einrichtungen völlig ausgeschlossen werden kann. Die Gefährdungshaftung erstreckt sich nicht auf einen bloßen Zufall, aber ein solcher Zufall liegt eben dann nicht vor, wenn die Gefahr dem Betrieb in der Art eigentümlich ist, daß mit der jederzeitigen Verwirklichung der Gefahr gerechnet werden muß. Ist diese Voraussetzung gegeben, dann kommt es auf die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit einer Entladung dieser spezifischen Betriebsgefahr nicht an, wohl aber auf den größeren oder geringeren Grad der Schäden, welche drohen. Nur wenn e r n s t e Schäden von der Verwirklichung der Betriebsgefahr zu befürchten sind, liegt eine Gefährdung im Sinne des Gefährdungsprinzips vor 129 ). Es muß sich um eine „gemeine" Gefahr handeln, der gegenüber die Allgemeinheit machtlos ist. Auf die tatsächliche, nicht auf die rechtliche Machtlosigkeit kommt es an. Sind aber überhaupt nach der Art der Betriebsgefahr erhebliche Schäden von einer Betriebsart zu gewärtigen, dann tritt im Einzelfall die Haftung ein, auch wenn der verursachte Schaden ein geringer ist. Die vom R G hiernach anerkannte Gefährdungshaftung erfaßte nur den Sachschaden 130 ), dagegen konnte bei einer folgerichtigen Durchführung derreichsgericht12 ' ) Auch die Passivlegitimation des Unternehmers für den Ersatzanspruch deckt sich mit dem Standpunkt des R G . Danach ist ersatzpflichtig derjenige, dem der Vorteil der Entziehung des Abwehranspruchs zugeht (JW 05, 1 3 1 und 10, 619; R G 98, 347). Das ist derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geht (RG 1 , 280; 12, 145; 38, 92). Siehe auch B G H Z 15, 148; Weimar M D R 60, 640. 128 ) Vgl. O L G 43, 219 (Hamburg). 129 ) Als weitere Anwendungsfälle kamen beispielsweise in Betracht die Gefahren der elektrischen Überlandleitungen (Erdschluß) oder eines Scharfschießens. Vgl. hierzu oben I I I 1 d. 13 °) Das R G erkannte den Ersatzanspruch nur für schädliche Einwirkungen auf das Eigentum oder dingliche Rechte an. Seligsohn J W 22, 1 5 1 1 bekämpft die Auffassung, daß durch die reichsgerichtliche Rechtsprechung die Gefährdungshaftung gewohnheitsrechtlich anerkannt sei. Die reichsgerichtliche Rechtsprechung beruhe allein auf dem Gedanken, daß derjenige, der sich eine Beeinträchtigung seines Eigentums im Interesse der Allgemeinheit gefallen lassen müsse, schadlos zu halten sei. Richtig ist, daß mit diesem Gedanken der sachliche Inhalt dieses Rechtssatzes begründet wird. Aber diese Gründe sind nur Scheingründe, die — wie oben nachgewiesen ist — den Rechtssatz nicht tragen können. Sie sind hierfür unzulänglich. Von dieser Unzulänglichkeit wird aber die Geltung des gleichwohl anerkannten und festgehaltenen Rechtssatzes nicht berührt. (S. besonders oben N 115).
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Anspruch auf Schadenersatz
§ 4 3
DIU 2 liehen Konstruktion das Leben keinen Schutz finden131). Ein Grund mehr für ihre Ablehnung; denn es wäre für das Rechtsbewußtsein unerträglich, wenn wohl für beschädigte Dachziegel Ersatz geleistet werden müßte, nicht aber für vernichtete Menschenleben. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat diesen Schritt getan und die Verpflichtung zur Schadloshaltung auch bei Eingriffen in Leben und Gesundheit anerkannt 131 ").
c) R e c h t s p r e c h u n g des B u n d e s g e r i c h t s h o f s . Auf dem vom R G und der früher herrschenden Meinung eingeschlagenen Weg sind die Gerichte und auch der Bundesgerichtshof weiter vorangeschritten. Sie haben nicht nur den vom Reichsgericht zum Begriff des Aufopferungsanspruchs entwickelten Rechtsgrundsätzen „ganz allgemeine Bedeutung" 132 ) und damit die Wirkung allgemein verbindlichen Gewohnheitsrechts zuerkannt; sie haben vielmehr diese Grundsätze auch in der Weise weiter entwickelt, daß sie den Aufopferungsanspruch und damit die Verpflichtung zur Schadloshaltung nicht nur bei Eingriffen in das Eigentum oder in Vermögenswerte Rechte, sondern auch bei Eingriffen in Leben und Gesundheit grundsätzlich anerkannt haben 133 ). Schließlich hat der Bundesgerichtshof und ihm folgend die Rechtsprechung in den Fällen eines h o h e i t l i c h e n E i n g r i f f s in das E i g e n t u m o d e r in eine V e r m ö g e n s w e r t e R e c h t s s t e l l u n g auf G r u n d der A r t i k e l 14 und 3 G G einen Entschädigungsanspruch ohne Nachweis eines Verschuldens zugebilligt. Dabei ist unterschieden zwischen dem r e c h t m ä ß i g e n E i n g r i f f durch zulässige Enteignungsmaßnahmen einerseits und dem u n r e c h t m ä ß i g e n , d. h. rechtswidrig-schuldlosen oder rechtswidrig-schuldhaften Eingriff der hohen Hand in die Rechtssphäre des Einzelnen133»). Letztere sogenannte ent131 ) Erfolgt die Verletzung einer Person oder Sache beim Betrieb der Eisenbahn, so besteht die Haftpflicht nach dem geänderten ReichshaftpflichtGes. Vgl. hierzu oben D I U ic. 132 i3ia) vgl. nächst. D III 2 c. ) B G H in N J W 53, 857; 60, 379. 133 ) B G H Z 6, 270 = N J W 52, 972. Zur Abgrenzung der entschädigungspflichtigen zulässigen Enteignung von der entschädigungslosen zulässigen Beschränkung des Eigentums vgl. B G H N J W 59, 2156. So liegt eine Enteignung nicht vor, wenn das Grundstück dadurch in seinem Wert beeinträchtigt wird, daß Immissionen in vermehrtem Umfang darauf einwirken, wenn der Grundstückseigentümer die vermehrte Einwirkung nach nachbarrechtlichen Vorschriften dulden muß: B G H N J W 67 S. 1754. 133a ) Die Entschädigungspflicht trifft in diesen Fällen allerdings nicht notwendig den eingreifenden Hoheitsträger, sondern den unmittelbar Begünstigten ( B G H Z 1 1 , 248 = N j W 54, 753); anders als bei der rechtmäßigen Enteignung kann dieser hier aber n u r eine Stelle der öffentlichen Verwaltung sein, sei es, daß ihr die Vorteile der Rechtsverletzung zugeflossen sind oder sie sich einer ihr obliegenden Aufgabe entledigt hat ( B G H N J W 62, 1673). Als Entschädigungspflichtige kommen regelmäßig die Gebietskörperschaften mit sogenannter Allzuständigkeit ( B G H Z 26, 1 2 ; R G 82, 81) in Betracht, also der Staat oder — bei Eingriffen zur Erfüllung einer rein örtlichen Aufgabe — die Gemeinden; eine Ausnahme gilt nur hinsichtlich der Vermögensträger mit einem durch Spezialaufgaben begrenzten Aufgabenkreis, die dann die unmittelbar Begünstigten sind, wenn gerade die Erfüllung ihrer speziellen Aufgaben einen Eingriff oder das Opfer veranlaßt haben [ B G H Z 1 1 , 248 = N J W 54, 753; R G 1 1 8 , 26 (Kirchengemeinde)].
873
§ 43 D III 2
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
eignungsgleiche Eingriffe sind wie eine Enteignung zu behandeln, wenn sie sich für den Fall ihrer gesetzlichen Zulässigkeit sowohl nach ihrem Inhalt wie nach ihrer Würdigung als eine Enteignung darstellen würden 1 3 3 1 1 ). D a solche Ansprüche bei hoheitlichen Eingriffen gegen Vermögenswerte Rechte im weitesten Sinne anzunehmen sind, kommen heute A n s p r ü c h e aus A u f o p f e r u n g n u r n o c h f ü r s o l c h e E i n g r i f f e in B e t r a c h t , die s i c h g e g e n a n d e r e als V e r m ö g e n s w e r t e G ü t e r r i c h t e n 1 3 3 0 ) , d) E i n z e l f ä l l e der R e c h t s p r e c h u n g : aa) Ein A u f Opfer u n g s an s p r u c h 1 3 3 d ) wurde oder wird zuerkannt bei aaa) hoheitsrechtlichem Eingriff auf Grund Verwaltungsakts 1 3 4 ) 1 3 5 ): Gruchot 45, 1018 (von einem Militärschießplatz abirrende Kugel; R 08, 1200 (Sprengung durch Pioniere); R G i i j , 306 (Zerstörung eines Kabels durch ein Torpedoboot); B G H Z 9, 85; 24, 4 5 ; 19, 95; 3 1 , 1 8 7 ; 34, 2 3 ; B G H N J W 60, 379; B G H M D R 64, 829; K G N J W 51, 78; O L G Neustadt N J W 60, 2247; Schmidt N J W 57, 1 5 8 5 ; Küper u. Walter N J W 63 Eine Person des privaten Rechts kann in keinem Falle Schuldner der Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs sein, selbst dann nicht, wenn ihr etwa infolge der rechtswidrigen Maßnahme ein Vorteil zugeflossen ist (BGHZ 23, 169 = NJW 57, 630) oder sie im Falle der rechtmäßigen Enteignung entschädigungspflichtig gewesen wäre (BGH NJW 63, 1915). i33b) BGHZ 6, 270; 13, 88; 19, 1 ; 32, 208. Zu den Begriffen des enteignenden und des enteignungsgleichen Eingriffs auf Grund einer hoheitlichen Betätigung der öffentlichen Hand nach der Rechtsprechung des BGH vgl. auch Döbereiner NJW 68, 1916. 133 75 EinlALR, nach § 26 GewO oder nach anderen Vorschriften Ansprüche aus dem Eigentum im Interesse des öffentlichen Wohls versagt sind, unterschieden zwischen einerseits den Fällen, in denen durch eine schädigende Anlage das Eigentumsrecht eines anderen u n m i t t e l b a r verletzt wird, und andererseits den Fällen, in denen die Anlage außerhalb des Eigentumskreises des anderen ausgeführt ist und nur m i t t e l b a r , z. B. durch Immissionen, die das Maß des § 906 BGB überschreiten, auf das Grundstück des anderen eingewirkt wird: In der 1. Gruppe von Fällen soll der an Stelle der entzogenen Klage auf Beseitigung der Eigentums Störung gegebene Ersatzanspruch der ordentlichen 30jährigen Verjährung, in der 2. Gruppe von Fällen soll der Entschädigungsanspruch auf Grund entsprechender Anwendung des § 852 BGB der 3jährigen Verjährung unterliegen (vgl. hierzu JW 27, 893). Im vorerwähnten Fall wurde daher § 852 BGB angewendet. In RG 78, 203 (Einschränkung einer Abdeckereigerechtigkeit durch Polizeiverfügung im Gesundheitsinteresse) hat das Reichsgericht ausgeführt, für die Anwendbarkeit des § 8 5 2 BGB müsse nach der gegenständlichen (objektiven) Seite an dem Erfordernis der Widerrechtlichkeit festgehalten werden. In dem in RG 70, 150ff. entschiedenen Fall habe diese Widerrechtlichkeit in der Überschreitung des zulässigen, also berechtigten Maßes der Einwirkungen gelegen; ein im Rechts- und Pflichtenkreis einer Behörde sich haltendes Tun — im fraglichen Fall also die polizeiliche Verfügung — könne aber auch bei weitester Spannung des Begriffs nicht als unerlaubte Handlung gewertet werden, wie überhaupt bei dem Anspruch aus § 75 EinlALR die Nötigung, durch die der Schaden entstehe, aus dem Grunde niemals eine unerlaubte Handlung sein könne, weil sie gerade durch das Gesetz (§ 74) zugelassen oder sogar vorgeschrieben sei. Die Verjährungseinrede wurde daher in diesem Fall nach § 195 BGB beurteilt. In JW 26, 115 2 (Rissebildung in der Hauswand infolge der zum Bau einer Untergrundbahn durchgeführten Rammarbeiten) hat das Reichsgericht unter Hinweis auf RG 70, 15off. wiederum den § 852 BGB für anwendbar erklärt. In seiner die Anlage der Petersbergbahn betreffenden Entscheidung in J W 27, 893 hat das Reichsgericht dann aber die Berechtigung der in RG 70, 15off. getroffenen Entscheidung selbst wieder in Zweifel gezogen. Schließlich hat das Reichsgericht in RG 167, 14 ff. (Schäden am Haus infolge künstlicher Grundwassersenkung zwecks U-Bahnbau und Errichtung eines Reichsbankgebäudes), d. h. in einem Fall nach § 909 880
Entschädigungspflicht des Bergbauberechtigten
B G B , anders als in dem ähnlich gelagerten Fall in JW 26, 1 1 5 2 ohne jede Begründung den Aufopferungsanspruch der 30jährigen Verjährung des § 195 B G B unterstellt. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen in einer grundlegenden Entscheidung 152 ) sämtliche Aufopferungsansprüche, also auch die aus nicht rechtmäßigen Eingriffen der hohen Hand, allgemein der jojährigen Verjährung nach § 195 B G B unterstellt. Dieser Auffassung wird, jedenfalls im Ergebnis, mit der herrschenden Meinung 153 ) beizutreten sein, zumal sie den beeinträchtigten Eigentümer hinsichtlich der Verjährung seiner Ansprüche günstiger stellt. Im übrigen aber würde der Streitfrage, ob § 195 B G B oder § 852 B G B anzuwenden ist, viel von ihrer Bedeutung genommen, wenn man, soweit man sich doch für die Anwendbarkeit des § 852 B G B entschließt, zu einer entsprechend weitherzigen Behandlung der Frage nach dem Beginn der Verjährung sich bereitfinden könnte154). Schließlich wird die Frage nach der Verjährung des Aufopferungsanspruchs ohnehin nur in Ausnahmefällen praktisch werden können, weil der geschädigte Eigentümer, der Schaden und Schädiger kennt, in aller Regel keine 3 Jahre verstreichen lassen wird, bis er seine Ansprüche geltend macht. § 44. Entschädigungspflicht des Bergbauberechtigten Bisher mangelt es an einem einheitlichen Bundesbergrecht. Zwar stimmen die Berggesetze der Länder der Bundesrepublik weitgehend mit dem Preußischen Allgemeinen Bergrecht (PrABG) überein. Wegen der aber trotzdem vorhandenen, wenn auch geringfügigen Abweichungen untereinander einerseits und wegen des Fehlens einer einheitlichen Rechtsquelle — beispielsweise beruhen die Bergrechte für Hamburg und Bremen nicht auf Landes-, sondern auf Reichsrecht — andererseits können die bergrechtlichen Vorschriften der Länder auch nicht insoweit, als sie übereinstimmen, als einheitliches (partielles) Bundesrecht im Sinne der Art. 74, 125 G G angesehen werden 1 ). 152
) B G H Z 9, 209 ff. ) Staudinger R N 4 zu § 195 B G B ; R G K Anm. 4 zu § 195 B G B ; Fleiner, Institutionen 289; Laforet, D V e r w R 37, 2 2 1 ; Stödter, Öffentlichrechtliche Entschädigung, S. 24; Ermann, § 852 B G B Anm. 1 a bb; § 903 B G B Anm. 2 a E ; § 904 B G B Anm. 6; Giese in Anm. zu J Z 53, 469. A b w . Ansicht sind: v. Thür, Allg. Teil II 2, 474, 4 7 5 ; Giese, Der öffentlichrechtliche Aufopferungsanspruch, 1936, 80; O L G München in H R R 4 1 , 1087 und M D R 55, 686 (Die Begründung stützt sich im letzteren Falle allerdings ausschließlich auf Art. 125 B a y A G B G B ) ; O L G Düsseldorf N J W 57, 9 1 2 ; Palandt 3 c zu § 903 BGB. 154) Vgl. hierzu Endemann in Anm. zu R G J W 26, 1152. 153
*) So mit Recht B G H in N J W 54, 1 8 7 ; Schlüter in N J W 50, 396. A . M. Schulte in „Glückauf" 1950 S. 475. — Im übrigen vgl. Bad. BergG vom 17. 4. 1925 — G V B 1 . j6
Meisner-Stem-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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§ 44 j
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Die vorliegend zu behandelnde Frage nach der Entschädigungspflicht kann aber wegen der hier festzustellenden weitgehenden Übereinstimmung der einzelnen Ländergesetze untereinander an Hand des P r A B G •— unter Hinweis auf einzelne Abweichungen — dargestellt werden. I. E i g e n t u m u n d
Bergwerkseigentum
Das Recht des Bergwerkseigentümers gegenüber dem Grundeigentümer findet in den ihm durch die Berggesetze verliehenen Befugnissen seine Grenzen 1 »). Eine Belastung des Grundeigentums mit der Folge, daß der Eigentümer gehindert wäre, sich einer jeden dem Bergbau nachteiligen Handlung zu enthalten, wird durch die bergrechtliche Verleihung nicht herbeigeführt. Vielmehr bewendet es auch bezüglich dieses Verhältnisses bei dem allgemeinen Grundsatz, daß der Eigentümer in dem Recht der freien Benutzung seines Grundes und Bodens an sich unbeschränkt ist (§903 B G B ) und durch die Ausübung dieses Rechts vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 226, 826 B G B niemandem verantwortlich wird. Durch ein bestehendes Bergwerkseigentum werden somit die Oberflächeneigentümer grundsätzlich nicht gehindert, Anlagen jeder Art (z. B. Gebäude, Eisenbahnen)2) zu errichten, selbst wenn sie dadurch den Bergbau verhindern oder einschränken3). A u c h Schadenersatz kann hierfür der Bergwerksbe103 — ; BraunschwBergG vom 15.4. 1867 — GVB1. 109 — ; für Bremen das P r A B G gemäß RGBl. 1941 I S. 447; für Hamburg das P r A B G gemäß RGBl. 1957 I S. 426 und 1256 sowie 1938 I S.1724; Hess. BergG i. d. F. vom 10.11. 196 — GVB1. S. 223) — ; NordrheinWestf. ÄnderungsG zum P r A B G vom 25. 4. 1950 — GVB1. S. 73 — ; RheinlPfälzÄnderungsG zum P r A B G vom 15. 10. 1952 — GVB1. S. 154 — ; Schaumburg-Lippe BergG vom 28. 3. 1906; Schleswig-Holst. ÄnderungsG zum P r A B G vom 12. Ii. 1952 GVB1. 176 — ; Württ. BergG vom 7. 10. 1874 — RegBl. S. 265 — mit einer Anzahl späterer kleiner Änderungen. — S. auch Heinemann-Pinkerneil, Handb. d. Deutschen Bergwesens, Band I a. l a ) Das Bergwerkseigentum ist das dingliche Recht, das fremde Grundstück zum Zwecke der Aneignung des herrenlosen Minerals in einzelnen Beziehungen zu benutzen. Das Bergrecht ist also kein Eigentumsrecht im eigentlich-technischen Sinne und in der Hauptsache kein Recht an fremder Sache (RG JW 15, 528; R G 135, 96; B G H Z n , 104; NJW 55, 1186). Durch die Verleihung des Bergwerkseigentums an einen anderen als den Grundeigentümer wird dieser gehindert, sich gegen Einwirkungen des Bergbaubetriebs mit den Ansprüchen aus §§ 903, 1004 B G B zu wehren (Dernburg 493; B G H M D R 58, 499); nach § 16 Abs. 2 G e w O in der Fassung vom 22. 12. 1959 (BGBl. I 781) unterliegen nun Anlagen des Bergwesens der Genehmigungspflicht nach § 16 Abs. 1 G e w O mit der Folge, daß sie überprüft werden, ob von ihnen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für das Publikum ausgehen; auch schon bestehende Anlagen des Bergwesens können einer laufenden Uberprüfung unterstellt werden (§ 25 G e w O n. F.). Wegen der Einwirkung eines Bergwerksbetriebs auf einen anderen vgl. unten N. 7 a. 2 ) Über das Verhältnis zwischen öffentlichen Verkehrsanstalten und Bergbau s. Arndt bei Gruchot 52, 63fr.; vgl. R G 58, 149; 103, 221. 3 ) R G 5, 266. Arndt bei Gruchot 52, 63ff.; Staudinger R N 7 zu § 907 B G B .
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Entschädigungspflicht des Bergbauberechtigten
S
44
i sitzer nicht fordern. Der Grundeigentümer ist beispielsweise berechtigt, eine unter dem Kohlenlager befindliche Tonschicht (ohne Berührung des Kohlenlagers) selbst dann auszubeuten, wenn hierdurch der Bergwerksbetrieb in dem Kohlenflötze beeinträchtigt wird4), z. B. dadurch, daß durch die Wegnahme des Tons dem Kohlenflöz und den darin befindlichen Bergbaueinrichtungen die erforderliche Stütze entzogen wird. Auch auf § 909 B G B (unzulässige Vertiefung) kann sich der Bergbauberechtigte nicht berufen, da § 909 B G B auf das Rechtsverhältnis zwischen Grundeigentümern und Bergbauberechtigten keine Anwendung findet. Diese Rechtslage hat eine Änderung erfahren durch die „Verordnung über Beschränkungen zur Sicherung der Gewinnung von Bodenschätzen" vom 28. 2. 1939 — RGBl. I S. 381. Hiernach können nämlich Flächen, die für Zwecke der Gewinnung von Bodenschätzen in Anspruch genommen werden sollen, zur Verhinderung einer dem künftigen Verwendungszweck widersprechenden Bebauung den Vorschriften dieser V O mit der Wirkung unterworfen werden, daß die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der unteren Bergbehörde die baupolizeiliche Genehmigung solchen genehmigungspflichtigen Bauvorhaben, die die Durchführung der bergbaulichen Maßnahmen erschweren würden, versagen kann. Für die Baubeschränkung ist, falls hierdurch ein bereits bestehender Wirtschaftsbetrieb unwirtschaftlich wird, angemessene Entschädigung, anderenfalls zur Vermeidung von Härten Entschädigung nach billigem Ermessen zu gewähren, und zwar seitens der begünstigten Bergwerksunternehmer (§3 Abs. 1 und 2 VO). Die Entscheidung über Voraussetzungen und Umfang der Entschädigungspflicht soll nach § 3 Abs. 3 V O der höheren Verwaltungsbehörde und deren vorgesetzten Stellen vorbehalten sein; die Frage nach der Weitergeltung dieser Bestimmung der V O muß verneint und auch für diesen Fall einer „Aufopferung" der Rechtsweg vor dem ordentlichen Gericht für zulässig erachtet werden (vgl. oben § 43 D III 2 f.). Nach § 16 Abs. 2 GewO in der Fassung vom 22. 12. 1959 (BGBl. I 781) sind nun auch die Anlagen des Bergwesens der Genehmigungspflicht nach § 16 Abs. 1 GewO unterworfen und dahin zu überprüfen, ob von ihnen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für das Publikum ausgehen. Auch bereits bestehende Anlagen des Bergwesens können einer solchen laufenden Überprüfung unterstellt werden (§ 25 GewO n. F.). Zur Frage nach dem Recht zur Anlage und Nutzung unterirdischer Hohlräume durch den Bergbauberechtigten zwecks Gas- oder Rohölspeicherung oder zur Einlagerung von Kernabfall oder zur Einlagerung von gewonnenem Material vgl. Turner B B 69 S. 156fr. *) R G 38, 3 2 9 ; bekämpft von Isay Berggesetz 1 , 87. 56»
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§ 44 jl 2
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten II. E r s a t z p f l i c h t d e s
Bergbauberechtigten
In jedem Fall ist der Bergwerksbesitzer (nach § 100 OldenburgBG der Bergwerksunternehmer; nach § 1 1 2 des B G für Lippe der Inhaber des Schürfrechts) verpflichtet, für allen Schaden, welcher dem Grundeigentum 5 ) oder dessen Zubehörungen durch den unterirdisch oder mittels Tagebaus geführten Betrieb des Bergwerks zugefügt wird, vollständige E n t schädigung zu leisten ohne Unterschied, ob der Betrieb unter dem beschädigten Grundstück stattgefunden hat oder nicht, ob die Beschädigung verschuldet ist 6 ) und ob sie vorausgesehen werden konnte (§ 148 P r A B G ) . 1. E i n l e i t u n g . Der Betrieb des Bergwerks im Sinne des § 148 P r A B G umfaßt alle diejenigen Handlungen und Verrichtungen, zu denen das Berggesetz den Bergwerkseigentümer in Ansehung der fremden Grundstücke ohne vorgängiges Enteignungsverfahren berechtigt 7 ) und die somit von den an den fremden Grundstücken Berechtigten nicht abgewehrt werden können. A n die Stelle des entzogenen Abwehranspruchs tritt der Schadenersatzanspruch 7 a ). 2. P a s s i v l e g i t i m a t i o n . Haftbar für den Schaden ist derjenige, welcher bei Eintritt des Schadens der Eigentümer 8 ) des Bergwerks (nach § 100 6
) Auch das im Gemeingebrauch stehende Staatseigentum ist geschützt (vgl. R 09 77); nicht aber das Leben. 6 ) Es handelt sich hier um einen Fall der Gefährdungshaftung; so mit Recht B G H N J W 58, 1184, a. M. Kremer N J W 58, 1765. Die Ersatzpflicht besteht, wenn die Halde sich selbst entzündet (Bolze 3 Nr. 181); ferner wenn einem Bergwerk durch einen Nachbarbetrieb Wasser entzogen und es dadurch zusammengebrochen ist und Schaden angerichtet hat. Der Eigentümer des zusammengebrochenen Bergwerks ist ersatzpflichtig (Bolze 2 Nr. 272; Isay Bern. 3 zu § 148). Liegt ein Verschulden vor, so besteht neben dem Anspruch des § 148 Bergges. der Anspruch aus der unerlaubten Handlung (Bolze 3 Nr. 181 und Nr. 355). Auch der Entzug von Grundwasser kann Bergschaden sein (BGH N J W 69, 467). 7 ) Für Handlungen, die hierunter nicht fallen, wird nur aus einem besonderen Rechtsgrund (Verschulden) auf Schadenersatz gehaftet (Isay Bern. 2 zu § 148 PrABG). Dabei ist zu berücksichtigen, daß Handlungen, welche eine planmäßige Benutzung der Oberfläche des Grundstücks bedingen, ohne vorherige Einräumung des Benutzungsrechts unzulässig sind und daher abgewehrt werden können. Für den durch eine solche rechtswidrige Handlung herbeigeführten Schaden wird nicht nach § 148 PrABG gehaftet (Isay a. a. O.). Handeln gegen Verbot stellt Verschulden (§ 823 Abs. 1 BGB) und unter Umständen Verzug (§286 BGB) dar. 7a ) Einwirkungen eines Bergbaubetriebs auf einen anderen begründen weder einen Abwehr- noch einen Schadensersatzanspruch (JW 91, 563; Bolze 13, 99; R G 72, 303; JW 15, 528); der Schutz des benachbarten Bergwerks obliegt ausschließlich der Bergbehörde (RG 72, 303). Ein Schadensersatzanspruch gegen den benachbarten Bergwerksbetrieb steht dem Bergbauberechtigten nur ausnahmsweise zu, wenn der Betrieb unter Verletzung gesetzlicher oder polizeilicher Vorschriften erfolgt (§ 823 Abs. 2 B G B ; R G 72, 303) oder die Voraussetzungen nach §§ 226, 826 B G B vorliegen. 8 ) Nach der Ansicht des Reichsgerichts (RG 71, 152; 30, 228; JW 94, 403; 09, 437; SeuffA 66 Nr. 7 1 ; Zeitschr. f. Bergrecht 73, 516; 77, 162) war nur der Eigentümer selbst
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Entschädigungspflicht des Bergbauberechtigten
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O l d e n b u r g B G : der Bergwerksunternehmer; nach § 1 1 2 des B G für Lippe: der Inhaber des Schürfrechts) ist, auch wenn die Betriebshandlung, durch welche die Schädigung verursacht wird, schon unter seinem Vorbesitzer vorgenommen wurde 9 ). Voraussetzung ist nur, daß das schädigende Bergwerk identisch ist mit dem, dessen Eigentümer in Anspruch genommen wird 1 0 ). D e m hiernach Ersatzpflichtigen bleibt der Rückgriff gegen seinen Vorbesitzer vorbehalten, falls dieser nach dem der Besitznachfolge zugrunde liegenden Rechtsverhältnis regreßpflichtig ist. Nicht dagegen kann der Ersatzberechtigte den Sonderrechtsvorgänger des Bergwerkseigentümers in Anspruch nehmen für einen Bergschaden, der erst nach dem Besitzwechsel entstanden ist. D e r Schaden ist entstanden mit der Wahrnehmbarkeit der Einwirkung des Bergbaus auf das Grundstück, nicht bereits mit der Einwirkung auf das Vermögen 1 1 ). N u r demjenigen, der zu diesem Zeitpunkt berechtigt an dem beschädigten Grundstück ist, steht der Ersatzanspruch zu 1 2 ). Ist der Schaden durch den Betrieb zweier oder mehrerer Bergwerke verursacht, so haften die Bergwerksbesitzer zu gleichen Teilen (s. unten 3). Z u r Entschädigung berechtigt ist auch jeder Nutzungsberechtigte des Grundstücks, sofern der Schaden Nutzungsrechte trifft 13 ). D e r Entschädigungsanspruch ist persönlicher Natur; er geht daher weder auf Seiten des Berechtigten noch auf der des Verpflichteten ohne weiteres 14 ) auf den Sonderrechtsnachfolger über 16 ). haftbar, nicht aber auch derjenige, der das Bergwerk auf Grund eines vom Eigentümer abgeleiteten Nutzungsrechts besitzt. Im Gegensatz hierzu verstand Becher, Bay. Landeszivikecht 1019 (mit weiteren Nachweisen), unter „Bergwerksbesitzer" jeden, der das Bergwerk auf eigene Rechnung betreibt. Der BGH, der in seiner Entscheidung MDR 58, 1184 die Frage zunächst offengelassen hatte, hat sich inzwischen der zutreffenden Ansicht Bechers angeschlossen (MDR 69, 914). 9 ) R G 30, 250; J W 93, 109; 97, 297; Becher, Bay. Landeszivilrecht 1019. 10 ) Vgl. Daubenspeck, Bergrechtliche Entsch. 219, 231. Mitverantwortlich ist der Eigentümer desjenigen Bergwerks, dessen früherer Betrieb den durch den späteren Betrieb eines anderen Bergwerks veranlaßten Schaden vergrößert hat (vgl. Daubenspeck a. a. O. 337). Greift ein Bergwerksbesitzer in das Feld eines anderen unbefugterweise hinüber und verursacht hierdurch Schädigungen Dritter, so ist der andere Bergwerksbesitzer hierfür nicht verantwortlich. R G 35, 165. u ) Isay Bern. 12 zu § 148 PrABG; vgl. JW 96,720; R 14 Nr. 74 und andererseits bei einem Schaden infolge der Gefahr des Bergbaus JW 93, 109; 01, 157. 12 ) In der Veräußerung des beschädigten Grundstücks liegt nicht immer eine stillschweigende Abtretung (Bolze 1 Nr. 275, R G 30,250. A. M. Isay Bern. 25 zu § 148 PrABG). 13 ) Auch dem Pächter oder Mieter steht der Anspruch zu: R G 46, 280; 70, 242; 74, 313; R09, 255; 15, 252 (RG). A. M. Becher, BayLandeszivilrecht 1019. 14 ) Eine stillschweigende Zession des Entschädigungsanspruchs auf den Käufer des geschädigten Grundstücks ist denkbar, s. jedoch oben N 12. 15 ) Becher, BayLandeszivilrecht 1019. 885
§ 4 4 I J 3t 4
IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
Der Schadenersatz ist in Geld zu leisten. Der Bergbauberechtigte kann den Ersatzanspruch nicht dadurch abwenden, daß er sich erbietet, den Schaden selbst zu beseitigen (§ 249 Satz 2 BGB) 1 6 ). 3. S c h ä d i g u n g des G r u n d e i g e n t u m s und der Z u b e h ö r u n gen. Diese Vorschriften bezwecken, soweit möglich, eine Ausgleichung der Nachteile herbeizuführen, die dem Grundeigentum durch die Ausübung der dem Bergbau von der Gesetzgebung eingeräumten Rechte erwachsen. Eines dieser Rechte ist die Befugnis des Bergwerksbesitzers zum ungehinderten Betrieb des Bergwerks, den der Grundeigentümer dulden muß, auch wenn er darunter Schaden leidet; aber dafür ist der Bergwerksbesitzer zum vollen Ersatz dieses Schadens verpflichtet. Nur derjenige Schaden ist auf Grund des § 148 P r A B G zu ersetzen, welcher dem Grundeigentum oder dessen Zubehörungen zugefügt wird. Für diesen Begriff der Zubehörungen sind die § 93 ff. B G B maßgebend; wegen Beschädigung von beweglichen Sachen, die nach bürgerlichem Recht nicht Zubehörungen des Grundstücks sind, kann ein Schadenersatzanspruch auf bergrechtliche Normen nicht gestützt werden 17 ). Weil nur der dem G r u n d e i g e n t u m zugefügte Schaden zu ersetzen ist, kann der Eigentümer eines durch den Bergbaubetrieb beschädigten Grundstücks nicht etwa Ersatz der Geschäftsverluste beanspruchen, die er in unmittelbarer Folge der Beschädigung des Grundstücks an einem außerhalb des letzteren betriebenen Gewerbe erlitten hat 18 ). Der Ersatzanspruch wegen eines Bergschadens an einem Gebrauchsrecht des Mieters, Pächters oder sonstigen Nutzungsberechtigten setzt voraus, daß das „Grundeigentum" oder dessen „Zubehörungen" selbst Schaden gelitten haben und gerade dadurch das Gebrauchsrecht beeinträchtigt worden ist; bei Beschädigung von „Zubehörungen" eines Grundstücks durch bergbauliche Einwirkungen setzt die Schadensersatzpflicht des Bergbaubesitzers nicht voraus, daß das Zubehörungsverhältnis der beschädigten Sache zu dem Grundstück besteht, auf dem sich der Schaden ereignet hat 18 "). 4. U m f a n g der E r s a t z p f l i c h t . Im übrigen ist der dem Grundeigentum als solchem durch den Bergbaubetrieb erwachsene Schaden19) 16
) J W 2 I . 233. ) Becher, BayLandeszivilrecht 1021. Vgl. J W 1 5 , 908 (Fernleitungen eines Elektrizitätswerks), J W io, 396. Zubehörungen des Eigentums an einem Wassersammelschacht-Grundstück können Sickergalerien und Saugleitungen auch dann sein, wenn sie auf fremdem Grund und Boden angelegt sind ( B G H N J W 69, 467). 18 ) R G 64, 276. 18a ) B G H B B 70, 1 5 1 . 19 ) Ist durch den Betrieb des Bergwerks der Wert eines Grundstücks gemindert, so ist eine einmalige Kapitalabfindung und nicht eine fortlaufende Rente zu zahlen. Dies gilt auch dann, wenn die Wertminderung in der dauernd verminderten Ertragsfähigkeit ihren 17
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schlechthin zu ersetzen20). Der Begriff des Schadens ist im Berggesetz nicht definiert und muß deshalb nach den Vorschriften des B G B (§ 249 fr.) beurteilt werden. Zu ersetzen ist der Vermögensschaden, der durch die Einwirkung des Bergbaus auf ein Grundstück verursacht ist. Maßgebend hierfür sind die Grundsätze des adäquaten Kausalzusammenhangs21) (s. oben § 43 B). Hiernach gehört zur vollständigen Entschädigung der Ersatz des gesamten (positiven) Schadens (§ 249 B G B ) und des entgangenen Gewinns (§252 BGB). Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind anzuwenden22). Hieraus ergibt sich, daß der Eigentümer des beschädigten Grundstücks für alle mit dem Betrieb des Bergwerks in Zusammenhang stehenden Vermögensnachteile, mögen sie unmittelbar oder mittelbar durch den Bergbau veranlaßt sein, Ersatz fordern kann, und daß es keineswegs erforderlich ist, daß die Unversehrtheit des Grundstücks infolge der Einflüsse des Bergbaus aufgehoben wird oder auch nur eine Einbuße erleidet. Somit erzeugt schon die bloße Gefahr schädlicher Einwirkungen den Schadenersatzanspruch, sofern durch diese Gefahr eine Minderung des gemeinen Werts des Grundstücks herbeigeführt ist23). Es ist deshalb auch dafür Ersatz zu leisten, daß ein Grundstück durch den Bergbau seine bisherige Bauplatzeigenschaft eingebüßt hat24), oder daß durch Bodensenkungen eine Erschwerung des Eisenbahnbetriebs bewirkt wird 25 ) oder bei der Errichtung von Bauwerken wegen der Besorgnis zukünftiger Bodensenkungen kostensteigernde Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden 25 "). Demgemäß hat die Rechtsprechung dem GrundGrund findet und sich mithin die Folgen des entstandenen Schadens in die Zukunft erstrecken und sich alljährlich erneuern. Vgl. R G 45, 203. Die Wertminderung eines Gebäudes kann bei Bergschaden auch im Wege des sogenannten Sachwertverfahrens ermittelt werden ( B G H M D R 65, 899). 20 ) Darüber, inwieweit sich der Geschädigte mit der Wiederherstellung des früheren Zustandes begnügen muß, vgl. R G 1 1 , 266 und §§ 249, 250, 251 B G B . 21 ) Bolze 1 Nr. 267; J W 83, 98; 96, 2 1 8 ; R G 64, 276. — Über den Einfluß der Preissteigerung (Geldentwertung) auf die Bemessung der Schadenshöhe vgl. R 20 Nr. 2998 (RG) und andererseits R 20 Nr. 2999 (RG) und oben § 43 N 22. iz ) Z.BergR 64, 231 (RG). a ) R G 30, 250; 84, 197; J W 98, 124; 02, 1 5 7 ; 14, 600. Vgl. auch R 26 Nr. 17 (RG). 24 ) Über den Begriff „Bauland" s. J W 23, 927. Ist dem Grundstück durch den Bergbau die Bauplatzeigenschaft entzogen, so kann es für die Ersatzpflicht nicht darauf ankommen, daß m ö g l i c h e r w e i s e künftighin Verhältnisse eintreten können, durch die das Grundstück wieder bausicher wird. Denn bei einem einmal entstandenen Schaden hat der Kläger nicht die Verpflichtung, auch noch nachzuweisen, daß er ein dauernder bleiben werde. Gruchot 42, 726 (RG). Vgl. J W 14, 107; R 15, 539; R G 93, 262. Zum Begriff „Bauerwartungsland" vgl. B G H N J W 63, 1492; R G 128, 26 u. R G Gruchot 55, 1 1 7 6 . Gruchot 45, 941 (RG). 25a ) O L G Hamm M D R 62, 652; vgl. auch Kleffner, Entschädigungsansprüche des Bauberechtigten gegen den Bergwerksunternehmer, Diss.
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besitzer z. B. auch für die Trockenlegung seines Brunnens und für die Entziehung bisher oberirdisch zugeflossenen Quellwassers Schadenersatz zugesprochen, auch wenn ihm Sonderrechte in diesen Beziehungen nicht zur Seite standen, und obgleich er diese Handlungen, wenn in Ausübung des Eigentumsrechts von dem Nachbar vorgenommen, vielleicht ohne Entschädigung hätte dulden müssen256). Ein Bergschaden im Sinne des Art. 136 WürttBergG. (§ 148 PrBergG) kann auch dadurch zugefügt werden, daß einem Grundstück oder einer Wassergewinnungs- oder Wasserweiterleitungsanlage das Wasser entzogen wird25c). Deshalb haftet der Bergwerksbesitzer dem Besitzer einer Windmühle für die Schädigung, welche die Mühle infolge der Windentziehung durch Aufschüttung des bei Gewinnung des Minerals gebrochenen und aufgelagerten Steinmaterials (Halden) erleidet, obwohl dem Mühlenbesitzer kein gesetzliches Recht auf Windbezug zusteht26). 5. S c h ä d i g u n g d u r c h den B e r g w e r k s b e t r i e b . Voraussetzung ist natürlich immer, daß die schädigende Handlung im Betrieb des Bergwerks geschehen ist. Unter Betrieb des Bergwerks im Sinne des § 148 P r A B G ist nur die unmittelbar auf Förderung des Minerals gerichtete Tätigkeit, der Betrieb im engeren Sinn27), zu verstehen; dagegen ist bei solchen Anstalten oder Einrichtungen, welche die Bearbeitung, Aufbewahrung, Weiterbeförderung und Verwertung des Minerals betreffen, die Schadenersatzpflicht des Bergwerksbesitzers nach den allgemeinen Gesetzen zu beurteilen; deshalb fallen Schäden, die durch Immissionen aus Maschinen und Anlagen über Tage (z. B. Grubenbahnen) hervorgerufen werden, auch wenn sie ffil>
) Vgl. dazu oben § 20 N . 2, 18 und 19 und § 38 N. 30. ) B G H R d L 69, 79. ) R G 49, 282. Vgl. oben § 38 N . 28 und 29. 27 ) Unter den Betrieb des Bergwerks fallen: Schächte (JW 02, 322). Nicht unter den Betrieb des Bergwerks fallen: Halden (JW 21, 252. A . M. Gruchot 30, 1008); Aufbereitungsanlagen, Koksöfen (JW 9 0 , 1 2 5 ; R G 35, 170; J W 15, 1 1 2 5 ; R 16, 652); Anlagen zur Weiterbeförderung des gewonnenen Materials, z. B. Zechenbahnen ( J W 1 1 , 338; R 15, 307 [RG]); Entwässerungsanlagen ( R G 26, 224; 35, 171). Die vorsätzliche Ableitung der Grubenwässer in Wasserläufe fällt zwar unter den Betrieb des Bergwerks, allein dabei handelt es sich um eine Benutzung der Oberfläche fremder Grundstücke oder fremder Wasserläufe; eine solche Benutzung fällt nicht unter § 148 P r A B G (Isay Bern. 2 zu § 148 P r A B G . A . M. dagegen die herrschende Meinung vgl. J W 93,49; 10, 396 und andererseits Bolze 7 Nr. 128; J W 1 1 , 338). Vgl. jetzt auch die Vorschriften des WasserhaushaltsG (BGBl. 57 I S. 1 1 1 0 , 59 I 37 u. 6 4 1 6 1 1 ; s. o. § 43 D III 1 e) und der Landeswassergesetze (s. o. § 16 II 4). Die Beseitigung der Grubenwasser durch Versickernlassen fällt nicht unter § 148 P r A B G ( R G in BrassertZ 48, 288). Feuer ist Betriebsvorgang im Sinne des § 148 P r A B G , wenn es gerade in dem Teil, wo die Kohle gefördert wurde, in der anstehenden freigelegten Kohle seine Nahrung fand. Gleichgültig ist, ob das Feuer durch Zufall oder durch die Fahrlässigkeit eines Dritten entstanden ist; das Feuer hängt trotzdem im Rechtssinn mit dem Grubentrieb zusammen ( L Z 25, 778 = WarnE 25, 94 RG). 25c
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Entschädigungspflicht des Bergbauberechtigten
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unmittelbar dem Bergwerksbetrieb zuzuschreiben sind, nicht unter die Vorschrift des § 148 PrABG 28 ), ebensowenig Handlungen und Veranstaltungen, welche zur Ausgleichung eines durch den Bergwerksbetrieb hervorgerufenen Schadens vorgenommen werden29). Ist die Schädigung im Betrieb des Bergwerks erfolgt, so ist es für die Ersatzpflicht des Bergbauberechtigten unerheblich, ob er Eigentümer des Grundstücks ist, auf welchem die dem Nachbarn schädliche Handlung vorgenommen wird. Es kommt nur darauf an, ob der Schaden durch den Betrieb des Bergwerks zugefügt wurde30); ist dies der Fall, so muß der Bergwerksbesitzer auch dann entschädigen, wenn er auf Grund seines Eigentums am Grund und Boden oder einer sonstigen Berechtigung befugt ist, die schädliche Handlung, z. B. Entziehung des Quellwassers, vorzunehmen30®); denn die Ersatzpflicht ist nicht davon abhängig, daß der Bergwerksbesitzer widerrechtlich gehandelt hat. 6. S c h ä d i g u n g durch mehrere B e r g w e r k s b e t r i e b e . Ist der Schaden durch den Betrieb zweier oder mehrerer Bergwerke verursacht, so sind die Besitzer dieser Bergwerke gemeinschaftlich, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Schaden zum größeren oder geringeren Teil von dem einen oder anderen Bergwerk verursacht ist, zu gleichen Teilen zur Entschädigung verpflichtet31) (§ 149 PrABG). Im Verhältnis der Bergwerksbesitzer unter sich ist der Nachweis eines anderen Teilnahmeverhältnisses nicht ausgeschlossen (§ 179 Abs. 2 PrABG) 32 ). 7. Mitwirkendes Verschulden eines Dritten. Hat zur Entstehung oder Vergrößerung eines Bergschadens eine unerlaubte Handlung eines Dritten mitgewirkt, so stehen dem Beschädigten zwei aus verschiedenen Rechtsgründen Verpflichtete gegenüber, von denen jeder nur in dem 28 ) J W 1 5 , 601; R G 26, 227; 35, 1 7 1 . Der Grundstückseigentümer kann gegen solche Immissionen die Eigentumfreiheitsklage erheben (Gruchot 5 5 , 1 1 6 8 RG). 29 ) R G 35, 170. Der Bergwerksbetrieb hatte die Trockenlegung eines Sees erfordert. Um Ersatz für den Entgang des Trink- und Nutzwassers für die Angrenzer zu schaffen, hat der Bergwerksbesitzer auf einem ihm gehörigen Grundstück Wasser erbohrt, wodurch die Brunnen der Kläger trocken gelegt wurden. Der hierfür eingeklagte Ersatzanspruch wurde abgewiesen. Ebenso R G 26, 225. Der Bergwerksbesitzer hatte behufs Entwässerung der durch den Bergbaubetrieb gesunkenen und versumpften Gegend eine Anlage gemacht, welche eine allmähliche Senkung des Grundwasserstandes zur beabsichtigten Folge hatte und hierdurch die Brunnen der Kläger trocken legte. — V g l . auch oben N . 25 b. 30 ) Das schädigende Ereignis braucht nicht die einzige Ursache des Erfolgs gewesen zu sein; es genügt, wenn es eine war ( L Z 25, 778 RG). 30a ) Vgl. oben § 20 N. 2, 18 und 19. Siehe auch B G H N J W 69 S. 467. 31 ) Vgl. R G 8, 283; 102, 3 1 8 ; J W 89, 249. Eine n o t w e n d i g e Streitgenossenschaft ist auf Seiten der mehreren Bergwerksbesitzer nicht gegeben; es kann also die Klage nur gegen einen derselben erhoben werden. Becher, BayLandeszivilrecht 1019 Anm. 40. Bei Schädigungen durch Bergbau einer Gewerkschaft und Immissionen Dritter besteht kein 32 Gesamtschuldverhältnis. J W 0 8 , 1 1 9 Nr. 20. ) Vgl. R G 69, 422; 79, 288.
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v o n ihm verursachten und daher zu verantwortenden Umfang haftet; ein Gesamtschuldverhältnis kann weder aus §§ 830, 840 B G B abgeleitet werden, da der Bergbau keine unerlaubte Handlung ist, noch aus § 4 5 1 B G B , da die jeden einzelnen betreffende Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustandes (§ 249 B G B ) sich je nach der zu vertretenden Einwirkung verschieden gestalten wird 3 3 ). 8. A u s s c h l u ß d e r E r s a t z p f l i c h t . D e r Bergwerksbesitzer (Schürfer) ist nicht zum Ersatz des Schadens 34 ) verpflichtet, welcher an Gebäuden oder anderen Anlagen durch den Betrieb des Bergwerks 3 5 ) (bzw. das Schürfen) entsteht, wenn solche Anlagen 3 6 ) zu einer Zeit errichtet worden sind, w o die denselben durch den Bergbau (bzw. das Schürfen) drohende G e f a h r 3 7 ) dem Grundbesitzer 3 8 ) bei Anwendung gewöhnlicher Aufmerksamkeit 3 9 ) nicht unbekannt bleiben konnte 40 ) ( § 1 5 0 P r A B G ) . Muß wegen einer der33 ) R G 67, 275. Dort wurde gleichwohl Gesamthaftung für den Fall angenommen, daß die beiden schädigenden Ursachen nebeneinander, nicht erst nacheinander eingewirkt haben, weil der Anspruch des Geschädigten in erster Linie auf Wiederherstellung (§ 249 BGB) geht, dieser Anspruch aber unteilbar ist ( § 4 3 1 BGB) und die sonach für diesen Anspruch begründete Gesamthaftung durch die bloße Umwandlung des Anspruchs in eine Geldforderung nicht aufgehoben wird. 34 ) Im Fall des § 15 o PrABG will der Gesetzgeber das unvorsichtig errichtete Gebäude weggedacht wissen und die Schadenersatzpflicht so regeln, als wenn das Grundstück nach wie vor eine unbebaute Grundfläche wäre. War das Grundstück eine Baustelle und hat es diese Eigenschaft durch den Bergwerksbetrieb verloren, so ist dieser Minderwert auch im Fall des § 150 PrABG zu ersetzen (RG 59, 287). 35 ) Bei Immission von Asche aus den Kaminen einer Zeche fällt der Anspruch des Nachbarn weg, wenn er sein Haus zu einer Zeit erbaut hat, als bereits die Immissionen auf der Baustelle vorhanden waren. A. M. Gruchot 45, 1013 (RG). 36 ) Eine Gasröhrenleitung kann als Anlage im Sinne des § 150 PrABG in Betracht kommen, jedoch nicht dann, wenn die Leitung in einer bereits b e s t e h e n d e n Ortsstraße gelegt wird. R G 6 1 , 23. Nach § § 1 5 3 , 1 5 4 PrABG nehmen die öffentlichen Verkehrsanstalten eine besondere Stellung ein, s. hierüber JW 23, 754. 37 ) Es muß sich um die Gefahr handeln, die später den Schaden herbeigeführt hat (Bolze 4 Nr. 170; 10 Nr. 1 3 5 ; R 18, 122). Bei Grundstücken, in deren Nähe der Bergbau umgeht, gibt es eine absolute Bausicherheit überhaupt nicht. Trotz der dadurch begründeten allgemeinen Gefahr kann gebaut werden. Der Einwand des groben Verschuldens steht dem Bergwerksbesitzer nur dann zur Seite, wenn im Einzelfall dem Grundstück besondere (konkrete) Gefahren gedroht haben, die der Grundbesitzer bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit erkennen konnte (JW 24, 1980 RG). 38 ) § 150 PrABG findet auch auf solche Fälle Anwendung, wo nicht der klagende Grundbesitzer, sondern dessen Vorgänger bei Errichtung der später beschädigten Anlage die gewöhnliche Aufmerksamkeit außer acht gelassen hat. R G 34, 268; JW 96, 309. 39 ) Das ist gleichbedeutend mit grober Fahrlässigkeit, also einer besonders erheblichen Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt. JW 24, 1980 (RG). L Z 10, 1545; R G 1 1 , 337. Vgl. JW 91, 579; 94,597; 95,30; 98,527; 00,402 und 832; 0 3 , 1 3 1 ; Bolze 1 Nt. 274; 19 Nr. 109; 6 Nr. 129. 40 ) Vgl. Gruchot 46, 1 1 5 2 (RG). — Der Umstand, daß der Bergbau in der Nähe des Grundstücks umgeht, wird in der Regel noch nicht die Besorgnis begründen, daß der
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artigen Gefahr die Errichtung solcher Anlagen unterbleiben, so hat der Grundbesitzer auf die Vergütung der Wertminderung, welche sein Grundstück hierdurch erleidet, keinen Anspruch, wenn sich aus den U m ständen ergibt, daß die Absicht, die Anlage zu errichten, nur kundgegeben wird, um jene Vergütung zu erzielen. 9. V e r j ä h r u n g . Ansprüche auf Ersatz eines durch den Bergbau oder das Schürfen verursachten Schadens, welche sich nicht auf Vertrag gründen, verjähren in 3 Jahren v o n dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte v o n dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt 41 ), ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren v o n dem Eintritt des Schadens an (§ 1 5 0 P r A B G mit § 852 B G B ) . 10. Z u s t ä n d i g k e i t . Die Zuständigkeit richtet sich nach §§ 12ff. Z P O . Zuständig ist auch das Gericht, in dessen Bezirk das beschädigte Grundstück liegt (§ 26 Z P O ) 4 2 ) .
§ 45. Öffentliches Baurecht und privates Nachbarrecht 1. Das ö f f e n t l i c h e B a u r e c h t , das das Bau-, Boden-, Planungs-, Anlieger- und Umlegungsrecht umfaßt, schränkt den Grundsatz der Baufreiheit in der Regel oder vor allem aus polizeilichen Rücksichten und aus Gründen des Gemeinwohls ein. Diese Zweckbestimmung hindert freilich nicht, daß im Einzelfalle die Baurechtsvorschriften eine Reflexwirkung dahingehend hervorrufen, daß dem Nachbarn Vorteile erwachsen, ohne daß diesem hierauf oder auch auf die Einhaltung der Baurechtsnorm ein Baugrund durch den Bergbau gefährdet sei. Ob dies der Fall ist, hängt ab von der Art und dem Umfang des Bergbaubetriebs, den Bodenverhältnissen, der Beschaffenheit des Deckgebirges, der Lagerung der Flöze usw. Von einem Laien (gewöhnlichen Bergarbeiter) kann man nicht erwarten, daß er hierüber unterrichtet ist. Nur wenn er von Tatsachen Kenntnis erlangt hat, die bei jedem vorsichtigen Mann Zweifel an der Bebaubarkeit des Grundstücks rege zu machen geeignet sind, besteht die Pflicht, Erkundigungen einzuziehen (Gruchot 42, 1032 RG). Eine bloße Warnung, durch welche die konkrete Gefahr nicht deutlich erkennbar gemacht wird, hat für sich allein noch nicht die Wirkung, daß der Grundbesitzer durch Außerachtlassung der Warnung seiner Entschädigungsansprüche verlustig geht. Gruchot 44, 993 (RG). 41 ) Vgl. J W 93, 89; 96, 720; 97, 428; 1 1 , 494 u. 726; 14, 419; R 18, 35; Gruchot 48, 1060; B G H N J W 55, 706; MDR 58, 595: Die Kenntnis ist nicht erlangt, wenn der Anspruchsberechtigte über Person und Sachverhalt objektiv falsch unterrichtet ist. Hat er von der Person des Verpflichteten eine so bestimmte Vorstellung, daß er deshalb keinen Anlaß sieht, weitere Erkundigungen einzuziehen, macht er gegen diesen vermeintlich Verpflichteten die Ansprüche rechtzeitig geltend und zieht er dann nach Erkennen seines Irrtums die erforderlichen Erkundigungen ein und nimmt sofort den wirklich Verpflichteten in Anspruch, so ist die Verjährung nicht eingetreten. Die Kenntnis ist dagegen anzunehmen, wenn der Berechtigte ohne besondere Mühe in zumutbarer Weise die erforderlichen Angaben sich hätte beschaffen können. 42 ) Bolze 20 Nr. 723.
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klagbarer Anspruch zustehen müßte. So können z. B. lediglich aus feueroder sicherheitspolizeilichen Gründen bestimmte Mindestabstände für Gebäude baurechtlich vorgeschrieben sein, die dem Nachbarn den tatsächlichen Vorteil größeren Lichteinfalls usw. bringen. Gehen aber Ziel und Zweck der Vorschrift dahin, ausschließlich oder wenigstens auch die Interessen des Nachbarn zu schützen, so handelt es sich nicht um eine bloße Reflexnorm, sondern um eine solche, die dem durch die Nichteinhaltung der Baunorm beeinträchtigten Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf ihre Beachtung gewährt 1 ). Wird das örtliche Baurecht unverändert, d. h. ohne Befreiung (Dispens) oder Bewilligung einer Ausnahme, zur Anwendung gebracht, so wird dadurch die Rechtsstellung des Nachbarn weder verletzt noch gefährdet 2 ), denn die erteilte Baugenehmigung besagt dann nur, daß das Bauvorhaben den baurechtlichen Vorschriften entspricht; die Frage nach seiner nachbarrechtlichen Zulässigkeit bleibt dagegen unberührt. An einer Verletzung oder Gefährdung der Rechtsstellung des Nachbarn mangelt es ferner auch, wenn zwar von bestimmten Vorschriften des Baurechts Dispens gewährt oder eine Ausnahme hierzu bewilligt wird, die fragliche Baurechtsnorm aber weder ausschließlich noch zum Teil dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist. Nur wenn von solchen Vorschriften des Baurechts dispensiert oder eine Ausnahme zu solchen Bestimmungen bewilligt ist, die ausschließlich oder auch den Zweck verfolgen, die Interessen des Nachbarn zu schützen, wird diesem das erforderliche Rechtsschutzinteresse zugestanden, das Voraussetzung für die Zulässigkeit der sogenannten öffentlich-rechtlichen Nachbarklage oder dafür ist, im Verwaltungsverfahren als Beteiligter zugelassen oder als berechtigt angesehen zu werden, den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu stellen. Diese Klage kann aber nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger den Nachweis erbringt, daß die Voraussetzungen zur Erteilung der Dispens oder der Ausnahmegenehmigung nicht gegeben waren 3 ). Dies trifft stets zu, wenn die Baurechtsvorschriften eine Dispens oder eine Ausnahme nicht vorsehen 4 ). Im übrigen aber ist zu beachten, daß der Baubehörde ein Ermessensspielraum verbleibt, so daß der Nachbar zu beweisen hat, daß die Behörde den zu!) B V e r w G E 3, 362 u. z, 290; B a y V G H E n. F. 5, 1 1 9 ; Forsthoff, VerwR 6. Aufl., S. 169; Huber, Wirtsch.-VerwR I S. 684; Wolff, VerwR I, 2. Aufl., S. 196. 2 ) So die feststehende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte; Vgl. B V e r w G N J W 54, " 1 4 ; O V G Münster N J W 58, 354 u. BBauBl. 58, 630; Geizer N J W 58, 325; Mühl N J W 58, 769; Pietzonka N J W 57, 1582; Scheerbarth D W W 59, 260. 3 ) Geizer a. a. O.; Mühl a. a. O. 4 ) O V G Münster DVB1. 58, 68.
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lässigen Ermessensspielraum willkürlich oder grob verletzt hat; anderenfalls bleibt die Klage erfolglos 5 ). Gegen eine erteilte Baubefreiung oder eine gewährte Ausnahmegenehmigung und damit gegen die Baugenehmigung selbst kann also der Nachbar überhaupt nur angehen, wenn die baurechtlichen Vorschriften, von denen dispensiert oder hinsichtlich derer eine Ausnahme genehmigt worden ist, den „nachbarschützenden" Charakter haben6). Die Frage, wann eine solche Norm anzunehmen ist und nicht eine bloße Reflexwirkung vorliegt, ist allerdings sehr umstritten und zweifelhaft, da es jeweils der Feststellung des mit der Norm vom Gesetzgeber verfolgten Zieles bedarf. So haben den nachbarschützenden Charakter v e r n e i n t : O L G Celle N J W 53, 388 (Grenzabstandsvorschrift) und M D R 54, 241 (Grenzabstand nach der Lüneburger BauPolVO); BVerwG N J W 54, 1214 (Vorschrift über Hofraumgröße); O V G Lüneburg DVB1. 59, 820 (Bauwich auf dem flachen Lande); O V G Koblenz DVB1. 59, 824 u. M D R 60, 170 (Grenzabstand nach § 50 BayBauO); O V G Hamburg DVB1. 59, 822 (Einteilung in Bauzonen); B G H N J W 64, 396 (§ 1 1 Abs. 2 RGarO); BVerwG N J W 67 S. 1770 ( § 1 1 Abs. 1 S. 1 RGarO), hierzu vgl. die Anm. von Taegen DVB1. 68 S. 30; BVerwG N J W 68, 68 (§ 13 Abs. I V a RGarO); O V G Münster u. M D R 65, 445 u. O V G Lüneburg VerwRspr. 66, 951 (§ 35 BBauG.); O V G Münster N J W 64, 74 (§ 8 Abs. 1 bis 4 und 10 sowie § 14 BauO. NRW); L G Aachen M D R 63, 842 (Bauordnung NRW vom 25. 6. 1962 (GVB1. 373); L G Frankfurt 2/5 o 386/64 (§ 25 HessBauO.); BVerwG in RdL 69, 304 (§ 34 BBauGes.); BVerwG. in RdL 69, 306 (Baugenehmigung nach § 34 BBauGes. führt zur Beschränkung einer „schönen Aussicht" vom Nachbargrundstück aus). Dagegen ist in folgenden Entscheidungen der nachbarschützende Charakter von Bauvorschriften b e j a h t worden: R G 87, 371 (Bauwich nach §§ 71, 78 Braunschw. LBO); V G München N J W 54, 1216 (Grenzabstand); O L G München N J W 59, 341 und 1184 (Grenzabstand nach § 50 BayBauO); O V G Münster D V B 1 . 5 9 , 1 0 (Grenzabstand); O V G Münster DVB1. 57, 28; 58, 68 u. N J W 58, 354 (Einteilung in Bauzonen); O V G Münster DWW 64, 294 (Planungsrechtliche Bestimmungen über die Geschoßzahl und die Bebauungstiefe); B G H N J W 64, 396 (§ 45 Abs. III RGarO); Hess. VerwGH Kassel R d L 68, 279 (§ 51 Abs. 1 Hess. 5 ) Mühl N J W 58, 769 Nr. 1 b; Redeker N J W 59, 749 Anm. 14 weist darauf hin, daß, soweit ersichtlich, in fast allen veröffentlichten Entscheidungen die Klage abgewiesen worden ist, wobei die umfangreichen Begründungen über die Zulässigkeit der Klage oft in keinem Verhältnis zum Sachergebnis gestanden hätten. 6 ) B V e r w G N J W 54, 1 2 1 4 ; DVB1. 6 6 , 2 6 9 f r . ; O V G Hamburg M D R 50, 308; Bay V e r w G H in VerwRspr. 5 Nr. 36; O V G Münster N J W 58, 354 u. DVB1. 57, 28; 58, 7 6 9 ; 59, 87; O V G Lüneburg DVB1. 59, 820; V G München N J W 54, 1 2 1 6 ; Geizer N J W 57, 1582; Mühl N J W 58, 7 6 9 ; Redeker N J W 59, 749; Bender N J W 6 6 , 1989.
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BauO); O V G Münster DWW 64,62 (§8 Abs. 13 BauO NRW); B G H N J W 64, 396 (§ 45 RGarO); Hamb. O V G MDR 64 S. 446 (Fenster- u. Zaunrecht nach Hamb. Landesrecht); O V G Bremen D Ö V 65,461 Vorschriften über Gewerbeklassen); L G Dortmund DWW 64, 362 ( § 7 BauO NRW) 6a ). Der Ausgang eines solchen Verwaltungsrechtsstreits ist also zum mindesten recht unsicher7). 2. Das p r i v a t e N a c h b a r r e c h t ist der Inbegriff der Normen, die den Inhalt des Eigentums mit dem Ziel des Ausgleichs der widerstreitenden Interessen zwischen benachbarten Grundstückseigentümern normieren. Daher gewährt das Nachbarrecht regelmäßig gerichtlich verfolgbare Ansprüche zugunsten des beeinträchtigten Nachbarn, denn es schafft Rechtsbeziehungen unmittelbar zwischen den Nachbarn, während das Baugesuch im allgemeinen nur Rechtsbeziehungen zwischen dem Bauherrn und der Baubehörde begründet. 3. Das V e r h ä l t n i s z w i s c h e n ö f f e n t l i c h e m B a u r e c h t u n d p r i v a t e m N a c h b a r r e c h t ist nun vorwiegend dadurch gekennzeichnet, daß im Falle der Planung und Durchführung von Bauvorhaben beide trotz ihrer häufig engen Verflechtung miteinander und Bezogenheit aufeinander als scheinbar unabhängig von einander bestehend behandelt werden und zur gesonderten Anwendung kommen. Hinzu kommt, daß auftretende Streitfragen, wenn sie dem öffentlichen Baurecht angehören, im Verwaltungsrechtsweg und, wenn sie im Nachbarrecht wurzeln, im ordentlichen Rechtsweg entschieden werden. Eine Folge dieser Doppelgleisigkeit sind nicht selten praktisch sich gegenseitig aufhebende Entscheidungen. So kann z. B. im Einzelfalle eine bereits erteilte und nicht oder ohne Erfolg 6a ) Vgl. auch O V G Lüneburg D Ö V 64, 428 (Nachbarschutz beim Einbau von Heizöltanks) und Hess.VerwGH Kassel VerwRspr. 66, 7 1 4 (Errichtung einer Garage im rückwärtigen Gartenteil). ' ) Die Rechtsprechung der Verwaltungs- und der Zivilgerichte, insbesondere auch die des B G H (vgl. L M Nr. 1 u. 2 zu § 905 BGB), läßt allerdings zunehmend die Tendenz erkennen, den Schutz der nachbarlichen Rechtsstellung zu verstärken (vgl. dazu Mühl N J W 58, 769; Redeker N J W 59, 749); gegen diese Tendenz: O V G Hamburg BBauBl. 60, 322. Sellmann DVB1. 63, 273 hält die öffentlichrechtliche Nachbarklage für einen Fremdkörper im Baurecht und wendet sich daher gegen die neuzeitliche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit ihrer generellen Zulassung dieser Klage. Nach seiner Ansicht sei es nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit, jede objektive Rechtsverletzung oder „sonstige Unkorrektheit verwaltungsmäßigen Handelns" vor ihr Forum zu ziehen, da sonst Verwaltungsgerichtsbarkeit nichts anderes als eine „Verwaltung mit anderen Mitteln" sei. Diese Meinung erscheint mit heutiger Auffassung vom Verhältnis der Gewalten zueinander nicht vereinbar. Vgl. auch Gehrmann in B I G B W 62, 133 und Lamberg sowie Meyer in N J W 63, 1254 u. 64, 7 1 0 ; ferner Meyer in D W W 62, 133 u. Bender N J W 66 S. 1989fr. Über den Begriff des Nachbarn im Bauplanungsrecht vgl. O V G Münster D W W 64 S. 394.
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§
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3 vor dem Verwaltungsgericht angegriffene Baugenehmigung durch ein Urteil des ordentlichen Gerichts nachträglich gegenstandslos werden, wenn dieses dem Nachbarn ein nachbarrechtliches Widerspruchsrecht bestätigt oder geg. Falles die Frage verneint, ob dem Nachbarn entsprechend der nachbarrechtlichen Bestimmung die Zustimmung angesonnen werden könnte 8 ). Dieser Schwierigkeit wäre man allerdings enthoben, wenn man der vom O L G München 9 ) vertretenen Ansicht folgen würde. Diese läßt sich dahin kennzeichnen, daß Entscheidungen der Verwaltungsbehörden außerhalb des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rechtskraftwirkung erlangen und daß daher ungeachtet des Baubescheids der ordentliche Richter nachprüfen könne und müsse, ob das Bauvorhaben gegen eine nachbarschützende Baurechtsnorm verstoße und ferner, falls die Bauordnung Ausnahmen von solcher Vorschrift zulasse, ob die Entscheidung der Baubehörde sich im Rahmen des zulässigen Ermessens halte oder aber fehlerhaft und daher unrechtmäßig sei. Dem stehe nicht entgegen, daß das ordentliche Gericht einen Verwaltungsakt — abgesehen vom Falle seiner offenbaren Nichtigkeit — wegen seiner formellen Rechtskraft bis zu seiner Aufhebung grundsätzlich anerkennen müsse, denn gerade bei den Verwaltungsakten müsse zwischen Rechtswirksamkeit und Rechtmäßigkeit streng unterschieden werden. Dieser Ansicht des O L G München, die sich zur herrschenden Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung in Widerspruch setzt 10 ), kann nicht beigetreten werden; sie scheidet 8 ) Als Musterbeispiel aus jüngerer Zeit vgl. § 2 5 Hess.BauO, der bestimmte Bauwerksund Grenzabstände mit der Möglichkeit von Ausnahmen normiert, einerseits und die §§ u f f . Hess.NachbarrechtsG vom 24. 9. 1962 (GVB1. S. 417), die das Fenster- und Lichtrecht privatrechtlich regeln, andererseits. Vgl. dazu Hodes, Hess. Nachbarrecht, § 1 1 Anm. 4. Im übrigen sind noch weitere Möglichkeiten eines Konflikts zwischen öffentlichem Baurecht und privatem Nachbarrecht denkbar, wie z. B. in dem Falle, daß der Grundstückseigentümer vor dem ordentlichen Gericht einen Titel auf Beseitigung eines Uberbaus, den er nach § 912 B G B nicht zu dulden braucht, erlangt hat, ihn aber nicht durchsetzen kann, weil dem Abbruch des Gebäudes noch der § 22 WohnBewG (BGBl. 60 I 418 ff.) entgegensteht (wegen des Außerkrafttretens dieser Vorschrift in einzelnen Gebieten zum 1 . 1 . 1 9 6 9 vgl. oben zu § 8 III 2 N. 70b); vgl. hierzu Herr M D R 57, 340 und Roquette, WohnBewG, § 22 Anm. 3. ») N J W 59 S. 1184. 10 ) Vgl. auch Seuffert in seiner Anm. zu der Entscheidung des O L G München N J W 59 S. 1184. — In seiner in N J W 65, 551 abgedruckten Entscheidung hat das B V e r w G zutreffend entschieden, die Baugenehmigungsbehörde dürfe den Bauantrag ohne Prüfung der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens ablehnen, wenn rechtskräftig entschieden sei, daß aus zivilrechtlichen Gründen das Grundstück nicht bebaut werden dürfe. Die Begründung lautet allerdings nicht dahin, wie Schuegraf N J W 65, 551 meint, daß ein Bauantrag abzulehnen sei, wenn er in liquide Privatrechte Dritter eingreifen würde, vielmehr ist tragender Gesichtspunkt des Urteils, daß dem Antragsteller das rechtliche Interesse an der Bauerlaubnis fehle, wenn er nicht in der Lage sei,
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IV. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten
daher als Lösung für den Konflikt zwischen Baurecht und Nachbarrecht aus 1 1 ). Vereinzelt haben Landesrechte eine Koordinierung des öffentlichen Baurechts und des privaten Nachbarrechts, zum mindesten auf Teilgebieten, versucht, und zwar durchAusschalten der Doppelgleisigkeit in einem möglichst frühen Zeitpunkt 1 1 »): Eine solche Regelung enthält z . B . § 30 A b s . 1 von der beantragten Bauerlaubnis Gebrauch zu machen, nachdem die Körperschaft der Baugenehmigungsbehörde auf Grund eines zivilrechtlichen Urteils von dem Kläger verlangen konnte und verlangt habe, daß die Bebauung unterbleibe (vgl. Kienzle N J W 65 S. 1497). u ) Redeker N J W 59, 749 hält es weder für praktisch tragbar, noch für systematisch vertretbar, das Nachbarverhältnis in den öffentlich-rechtlichen, im Baugenehmigungsund verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu beachtenden Nachbarschutz einerseits und in den zivilrechtlichen, unmittelbar von den Nachbarn vor dem ordentlichen Gericht auszutragenden zivilrechtlichen Schutz andererseits zu spalten. Nach seiner Ansicht gehört die unmittelbar nachbarschützende Funktion baurechtlicher Vorschriften dem Zivilrecht an mit der Folge, daß die Baurechtsnormen insoweit nur die Ausgestaltung des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses darstellen. Eine etwa erteilte Dispens besage also noch nichts darüber, ob nicht das Abweichen von der Norm für den Nachbarn unzumutbar ist; unter solchen Umständen könne das ordentliche Gericht auf dem Weg über § 823 Abs. 2 B G B den Bauherrn dazu verurteilen, den in der Bauordnung vorgeschriebenen Grenzabstand voll einzuhalten und von der ihm erteilten Dispens keinen Gebrauch zu machen. Redeker hält es für eine Aufgabe des Gesetzgebers, die Nachbarklage ausschließlich dem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten zuzuweisen und damit „das heillose Durcheinander", das bisher entstanden ist, zu beseitigen, ferner die Verwaltungsgerichte von den ihnen im Baugenehmigungsverfahren aufgebürdeten fremden Aufgaben zu entlasten und das Nachbarverhältnis in seinem vollen Umfang den ordentlichen Gerichten als Streit zwischen Nachbar und Bauherr ungeteilt vorzubehalten. Redeker befürwortet damit die vorerwähnte Entscheidung des O L G München seinem praktischen Ergebnis nach. Auch Baur hat wiederholt, zuletzt in seiner Anm. zu B G H J Z 69, 431, die Forderung erhoben, der nachbarliche Rechtsschutz möge in einer Gerichtsbarkeit, gleich in welcher, zusammengefaßt werden. lla ) Eine solche Regelung enthielt auch § 37 Saarl.BauG vom 19. 7. 1955 (ABl. S. 1159), denn dort war bestimmt, daß in den einzeln angeführten Fällen, in welchen der Bauherr, falls dies dem Nachbarn zumutbar erschien, von diesem die Zustimmung oder ein Dulden verlangen konnte, die endgültige Baugenehmigung erst erteilt werden durfte, wenn sich die beteiligten Grundstückseigentümer rechtsverbindlich geeinigt hatten oder aber eine rechtskräftige Entscheidung des ordentlichen Gerichts darüber vorlag, daß die Forderung an den Nachbarn zu Recht erhoben worden war; eine etwa vorher erteilte einstweilige Baugenehmigung erlosch von Rechts wegen und unter Ausschluß irgendwelcher Ersatzansprüche, wenn die Klage des Bauherrn gegen seinen Nachbar auf Erteilung der Zustimmung oder aber auf Duldung von dem ordentlichen Gericht rechtskräftig abgewiesen wurde, z. B. mit der Begründung, daß das Verlangen des Klägers dem Nachbarn nicht zuzumuten sei. § 37 a. a. O. ist inzwischen durch die Saarl. LandesBauO vom 12. 5. 1965 (ABl. S. 529) außer Kraft gesetzt worden. Die Saarl.BauO enthält lediglich Vorschriften über das „Verwaltungsverfahren" (§§ 87fr.), wonach Befreiungen unabhängig von den Rechten Dritter erteilt werden (§95 Abs. 5 und 8 a. a. O.) und die Nachbarn, damit sie rechtzeitig Einwendungen erheben können, zu benachrichtigen sind, wenn durch die Befreiung „öffentlich-rechtlich geschützte nachbar-
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öffentliches Baurecht und privates Nachbarrecht
§ 4 5
3 Bremer BauPolVO vom 21. 10. 1906, wonach die Entfernung von Ausbauten (von Baikonen, Erkern, Altanen, Galerien) von der Nachbargrenze nur dann geringer als die Ausladung des Ausbaues sein darf, wenn der Nachbar hierzu die Genehmigung erteilt. Auch § 36 Abs. 2—4 Hamb. BauPolVO (GVB1. 51 S. 380) läßt geringere Abstände von Fenster- und Luftöffnungen sowie Grenzeinfriedigungen in einer abweichenden Art nur zu, wenn der beteiligte Nachbar zustimmt und öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Darüber hinaus räumt § 6 Abs. 2 dieser Verordnung der Baubehörde schlechthin die Befugnis ein, die nachgesuchte Baugenehmigung von dem Nachweis der Zustimmung des Eigentümers benachbarter Grundstücke zu dem Bauvorhaben abhängig zu machen. Eine gewisse Verzahnung des öffentlichen Baurechts mit dem privaten Nachbarrecht bringt ferner § 3 NRW. N R G . (GVB1. 69, 190). Denn diese Vorschrift schließt den Anspruch auf Beseitigung eines Gebäudeteils, mit dem ein geringerer als der in § 1 Abs. 1 S. 1 NRW. N R G vorgeschriebene Abstand eingehalten ist, aus, wenn der Eigentümer des Nachbargrundstücks den Bauund Lageplan über den Gebäudeteil, mit dem der Abstand unterschritten werden soll, erhalten und er nicht binnen drei Monaten schriftlich gegenüber dem Bauherrn, dessen Name und Anschrift aus dem Bauplan ersichtlich sein muß, die Einhaltung des Abstands verlangt hat; der Beseitigungsanspruch entfällt ferner, wenn der Eigentümer des bebauten Grundstücks, der Architekt oder der Bauunternehmer den nach § 1 Abs. 1 S. 1 vorgeschriebenen Abstand bei der Bauausführung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig nicht eingehalten hat, es sei denn, daß der Eigentümer des Nachbargrundstücks sofort nach der Abstandsunterschreitung Widerspruch erhoben hat. Das B u n d e s b a u G hat zu einer Lösung des aufgezeigten Konflikts nichts beigetragen. Z u dem 8. Teil des Entwurfs (BTDr. 336 — 3. Wahlperiode —), der die Überschrift „Bauliches Nachbarrecht" 12 ) trug und später insgesamt herausgestrichen -wurde, hatte der Verwaltungsrechtsausschuß des Deutschen Anwaltsvereins in seiner Stellungnahme (S. 59) bemerkt, daß angesichts der durch die oben erwähnte Doppelgleisigkeit hervorgerufenen Schwierigkeiten die Regelung nach der Grundfrage der Widerspruchsmöglichkeit des Nachbarn und nach den hieraus sich ergebenden Folgen viel wichtiger sei als die an genannter Stelle geregelten nachbarrechtlichen Tatbestände selbst. E r machte den Vorschlag, sämtliche nachbarrechtlichen Tatbestände in das B G B zu übernehmen, ihnen dort aber folgende Vorschriften voranzustellen: § 916 a Bauliche Maßnahmen sind unzulässig, wenn der Eigentümer eines Nachbargrundstücks durch sie in der Nutzung oder Verwertung seines Grundstückes unzumutbar liehe Interessen" berührt werden. Die frühere vorerwähnte Parallelschaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Baugenehmigung mit den privatrechtlichen Bestimmungen des Nachbarrechts ist damit wieder aufgegeben. Dieser neueren Regelung folgt auch die SchlH.LandesBauO vom 9.2.1967 (GVB1. 51) in den §§91 I—III u. 95 V . 12 ) V g l . hierzu Hodes J R 59, 201 und 60, 48. J7
Meisner-Stem-Hodes, Nachbarrecht, 5. Aufl.
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beeinträchtigt wird. Die Zumutbarkeit richtet sich insbesondere nach den geltenden landesrechtlichen und ortsrechtlichen Vorschriften, den örtlichen Verhältnissen einschließlich der beabsichtigten baulichen Gestaltung der Umgebung und den sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebenden Pflichten. § 916 b (1) Wer auf einem Grundstück ein neues Bauwerk errichten oder an einem vorhandenen Bauwerk bauliche Maßnahmen vornehmen will, durch welche die bebaute Fläche vergrößert oder das Bauwerk verlegt oder erhöht wird, hat mindestens einen Monat vor Beginn der Arbeiten diese Absicht unter Darlegung der beabsichtigten baulichen Maßnahmen den Eigentümern aller an sein Grundstück angrenzenden Grundstücke mitzuteilen. (2) Ist der im Grundbuch Eingetragene nicht der Eigentümer, so genügt die Mitteilung an den unmittelbaren Besitzer, es sei denn, daß der Mitteilende den Eigentümer oder einen Vertreter des Eigentümers kennt. Die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer genügt auch, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Eigentümers oder dessen Vertreters unbekannt ist oder nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegt. Genügt nach Satz 1 oder 2 die Mitteilung an den unmittelbaren Besitzer, ist dieser aber dem Mitteilenden unbekannt, so wird die Mitteilung durch öffentliche Bekanntgabe durch die zuständige Baubehörde ersetzt.
§ 31 B B a u G regelt die Frage nach der Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen öffentlichrechtlich in der Weise, daß solche Ausnahmen, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind, zugelassen sind, und daß Befreiung erteilt werden darf, wenn die Durchführung des Bebauungsplans im Einzelfalle zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist oder wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern. Im übrigen muß das Einvernehmen mit der Gemeinde und bei Befreiungen auch die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gegeben sein. Um der aufgezeigten Schwierigkeiten Herr zu werden, würde es nicht genügen, daß der jeweilige Landesgesetzgeber autoritativ feststellte, welche seiner Baurechtsnormen als nachbarschützend und damit subjektiv-öffentliche Rechte gewährend anzusehen wären, da damit nur eine gewisse Rechtsunsicherheit, nicht aber das doppelgleisige Verfahren im Verwaltungsrechtszug einerseits und im ordentlichen Rechtszug andererseits beseitigt würde. Man müßte vielmehr versuchen, den Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren möglichst früh zu Worte kommen zu lassen und darüber hinaus ihn zu veranlassen, sogleich auch mit seinen nachbarrechtlichen Einwendungen gegen das Bauvorhaben hervorzutreten. Dabei könnte ihm, was seine Einwendungen gegen die Baugenehmigung aus öffentlichem Recht angeht, durchaus eine Ausschlußfrist gesetzt werden, nach deren Ablauf er mit öffentlichrechtlichen Erwägungen nicht mehr 898
Öffentliches Baurecht und privates Nachbarrecht
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gehört zu werden brauchte. Gegen eine solche Ausschlußfrist auch für die Geltendmachung privater Ansprüche und Einwendungen aus dem Nachbarrecht beständen zwar Bedenken, weil hierin eine Enteignung gesehen werden könnte; trotzdem könnte die an den Nachbarn gerichtete Aufforderung, etwaige Einwendungen aus Nachbarrecht alsbald geltend zu machen, im Falle seines Untätigbleibens unter gegebenen Umständen die Rechtsfolge nach sich ziehen, daß der später erhobenen Einwendung die Arglisteinrede entgegengesetzt werden könnte. Schließlich könnte daran gedacht werden, den Nachbarn grundsätzlich für verpflichtet zu erklären, einer beantragten Ausnahmebewilligung oder Befreiung von einer nachbarschützenden N o r m seine Zustimmung zu erteilen, sofern ihm diese nach Sachlage zuzumuten wäre; im Weigerungsfalle müßte zweckmäßig das ordentliche Gericht, das ohnehin über etwaige nachbarrechtliche Einwendungen zu befinden hätte, zur Entscheidung berufen werden. Die frühzeitige Klärung der Rechtslage und das Zusammenbringen von Bauherr und Nachbar in einem Zeitpunkt, in welchem noch keine fertigen Tatsachen geschaffen sind, deren Rückgängigmachung erhebliche Kosten verursachen könnte, läßt eine Einigung zwischen den Beteiligten über Streitpunkte leichter erreichbar erscheinen, als wenn die Streitigkeiten erst später auftreten. Gegen den vorstehenden Vorschlag ließe sich nicht einwenden, daß dadurch die Bautätigkeit empfindlich gestört oder verzögert werden könnte, da auch nach der gegebenen Rechtslage erhebliche Verzögerungen verursacht werden können, wenn der Nachbar im Verwaltungsgerichtsverfahren oder im ordentlichen Rechtszug oder auch in beiden gegen das Bauvorhaben vorgeht.
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Wortregister A Abänderung s. Änderung Abbrennen des herrschenden Gebäudes § 30 III i ; § 30 A n m . i o j ; § 3 7 A 8 u. B 6 Abbruch eines stützenden Gebäudes § 20IV — , Einfluß auf Grunddienstbarkeiten §3iIIN53 — eines Gebäudes bei Feuersbrunst § 14 I — eines Hauses an gemeinschaftlicher Wand § 7 m 3 N 43 Abdeckerei § 3 9 1 2; § 16 N 11 Abgraben der Erde § 20 — v o n Wegen oder Grenzrainen § 43 DU 2 — neben einem Keller § 4 V — v o n Grundwasser § 20 I N i , 2, 18 u. 19; — kein Abstand von der Grenze § 20 1 1 Ablösung der Forstrechte § 34 V I I — der Grunddienstbarkeiten § 37 B 2 — der Kommunmauer § 8 III — , Gefahr der Ablösung v o n Teilen eines Werkes § 19 N 12 — eines Felsblocks § 19 II 1 a; § 38 1 1 a — v o n Bodenbestandteilen § 2 III; § 3 8 1 1 Abmarkung § 5 — , Streitigkeiten § 5 I — , Wirkung § 5 III — , Beweiskraft § j III; § 6 m Abort, Abstand § 18 1 1 — , öffentliche Belästigung der Nachbarn § 16 N 1 1 ; § 17 N 25, 45 u. 54; § 38 N 66 Abreißen v o n Gebäuden s. Abbruch — eines Stückes Land § 2 III Absentes, Begriff § 36 II 6 Abspülen v o n Erdreich § 2 H I Abstand v o n Anlagen (Gebäuden) § 1 7 ; § 1 8 II — v o n Garagen § 18 II 3
Abstand als Grunddienstbarkeit § 3 0 II 2 (N56) — v o n Brunnen § 18 1 1 — v o n Fenstern § 25 — v o n Pflanzen § 22 — beim Pflügen § 20 N 2; § 28 III u. I V — v o n Vertiefungen § 20 — v o n Zäunen § 1 1 Absturz v o n Fels- u. Erdmassen § 2 III — , Gefahr des A . eines Felsblocks s. Fels, block — eines Flugzeuges s. Flugzeug Abtrennung s. Ablösung Abtritt s. A b o r t Abwässer, Anlage zur Ableitung § 3 9 1 2; § 39 N 32 — , Aufnahme v o n A . als Grunddienstbarkeit § 30 II 1 N 40; § 36 N 36 — , Einleitung in Gewässer § 16 II 4 Abwässer-Gerechtigkeit § 31 II (N 36) Abwehrklage s. Eigentumsfreiheits- und Besitzstörungs klage Accessio possessionis § 36 II 6 Ackerfurche, Wegackern § 40 II 2 Actio finium regundorum § 6 1 u. I V 2 — negatoria § 38 s. auch Eigentumsfreiheitsklage A d ä q u a t e r Zusammenhang § 43 B Ä n d e r u n g des unterirdischen Wasserstandes § 20 1 1 u. 3 (N 19) — der Verhältnisse bei Grunddienstbarkeit § 31 n Äste, Überhängen v o n § 21 Affirmative Servituten § 3 6 1 3 N 17 Aktivlegitimation für die Eigentumsfreiheitsklage § 38 I V 1 Allee als Grenzeinrichtung § 7 1 5 ; § 12 Allgemeines Landrecht, Bauabstand § 18 II 1 b Bauholzgerechtigkeit § 34 I V Brennholzgerechtigkeit § 3 4 I V Durchwinterungsfuß § 33 N 77
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Wortregister Allgemeines Landrecht, Erhöhung der Erdoberfläche § 20 V — — Ersitzung von Grunddienstbarkeiten § 36 II 3 u. 6 Fenster- und Lichtrecht § 25 C Forstberechtigungen § 34 III u. V I , Geltungsbereich Einl. I —• — Gewohnheitsrecht § 29 Grenzeinrichtungen vor 1900 § 7 IV Grundstücksscheidungen § 1 1 1 2 Hammerschlagsrecht § 28 I Hordenschlag § 3 3 V Konfusion bei Grunddienstbarkeiten § 37 B 5 Mastungsrecht § 34 V I 3 Pflanzenabstand § 22 Rechtsgeschäftlicher Erwerb von Grunddienstbarkeiten § 36 Schädliche Anlagen § 18 I 1 Schäfereigerechtigkeit § 3 3 I V Sondereigentum an Bäumen § 2 IV Stockwerkseigentum § 3 I Traufrecht § 26 Verjährung von Grunddienstbarkeiten § 37 B 4 Verzicht auf Grunddienstbarkeiten § 37 B 1 Wegerechte § 3 2 II Weiderechte § 33 Almende § 3 3 I u. III Alluvio § 2 III Anbau — Begriff § 8 III — an Grenzwand § 8 N. 2 — an Nachbarwand § 8 I 2 Anerkennung der Grenze § 5 III u. I V Anlage, Begriff § 17 II 1 — zur Ausübung der Dienstbarkeit § 30 III 6 — Pflicht des Berechtigten zur Unterhaltung § 30 III 6; § 31 V —, verbotene § 1 7 Anlieger an Straßen, s. Straßenanlieger Anliegernutzung § 1 II 6 Anpflanzungen auf u. neben öff. Straßen § 22 a Anschlußgleis § 30 N 118, 1 3 1 , s. auch Gleisanlagen Anstrich, sauberer, als Grunddienstbarkeit § 30 N 57 Antenne § 16 I V ; § 38 I 1 e, dd
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Anweisung des Rechtholzes § 34 III Anwenderecht § 28 III — als Grunddienstbarkeit § 30 I I 1 (N 22) Anwesen, Grunddienstbarkeit zugunsten eines A . § 31 II (N 51) Anwesend (praesens), Begriff § 36 II 6 Anzeige (Strafanzeige) als Besitzstörung § 40 N 26 Asche, Belästigung durch § 16 N 21 Ast s. Zweig Atomgesetz § 43 D III 1 f Aufopferungsanspruch, Anspruchsverpflichteter § 43 D III 2 f —, Entwicklung des § 43 D III 2 a —, Einzelfälle § 43 D III 2d •—, Rechtsprechung des Reichsgerichts zum § 43 D III 2 b —, Verjährung des § 43 D III 2 i —, Ziel des § 43 D III 2 e —, Zuständigkeit für § 43 D III 2 h Aufschlagen der Fenster durch fremden Luftraum s. Fenster Aufschüttung von Erde §2 N 1 5 u. 39; § 19 N 5; § 20 I 2 u. V —, keine Vertiefung § 20 V Aufstocken § 31 II (N 39); § 38 I i e u. N28 Auftraggeber, Passivlegitimation § 38 IV2 Ausbauchung der Mauer s. Mauerausbauchung Ausgleichsanspruch § 16 V 2 c Ausladungen in Luftraum § 1 II 2 Ausschachtung s. Vertiefung Außerordentliche Ersitzung § 36 II 6 Aussicht, Verbauen der § 1 3 , § 1 7 1 1 1 N 3 1 ; § 38 I i e Aussichtsfenster (vues) § 25 D I 2b Aussichtsgerechtigkeit § 25 H ; § 30 II 2 (N60); §36 II 3 Ausübung der Dienstbarkeit § 31 II, beschränkt auf einen Teil des Grundstücks § 31 V I Automobil, s. Kraftwagen, Garage Autoreparaturwerkstätte, Lärm von § 1 6 N78 Avulsio § 2 III B Bäckerei, Belästigung durch § i 6 I l 2 N i 3 Backofen als Anlage § 17 II 1 N 7
Wortregister Backofen, Abstand § ig I i — als Gebäude § 24 I i (N 18) —, Belästigung d u r c h w ä r m e § 16 II 2 N 14 Badeanstalt § I 6 I I I ; § 58 1 1 d Badeort, Belästigung durch Immissionen in einem B. § 16 N 11 u. N 76 Balken, Aufstützen als Dienstbarkeit § 30 N45 „ Balkon als Uberbau § 24 I 2 u. 4 — über fremd. Grundstück § 1 II 2 u. 4; §2412 Bauabstand § 18 II; § 25 F — H Bauen über die Grenze s. Uberbau Baufälligkeit § 1 9 1 1 1 ; § 20 I 2 Bauholz § 34 VI Bauholzberechtigung § 34 VI 1, s. auch Forstberechtigung Baulinie, Einhaltungspflicht als Grunddienstbarkeit § 30 N 57 Baum, Abstand von der Grenze § 22 — auf der Grenze §12 —, Bestandteil des Bodens § 1 III 2 •—, Eigentum am Baum § 2 l N 4 ; §2 IV —, Gefahr des Einsturzes § 19 N. 12 —, Stamm über die Grenze gewachsen § 21 N 17 —, Überfall der Früchte § 23 —, Überhang von Zweigen § 21 —, Übergreifen von Wurzeln § 21 —, Verschiebung eines B. über die Grenze § 2 III Baumeister, Vertreter des Bauherrn §20 N 4 8 ; § 24 I 3, 5, 7 —, Passivlegitimation gegenüber der Eigentumsfreiheitsklage § 38 IV 2 Baumfrüchte, Uberfall § 23 Bauplan, Unterzeichnung 5 8 N 50 u. 52; § 24 N 59; § 38 N 141 Bauplatzqualität, Verlust durch Bergbau § 44 II 4 (N 24) Baupolizeiliche Vorschriften, keine Dienstbarkeit auf Einhaltung einer solchen § 30 III 1 (N 102) Baurecht, Verh. zum Nachbarrecht § 45, 3 Baustil, Einhaltung als Dienstbarkeit §30 II 2 (N58) Bauverbot als Inhalt der Dienstbarkeit § 30 III 1 (N 100a) Bauwerk, Begriff § 2 I ; § 19 II 1 a; § 2 4 1 1 Bazillen, Eindringen von § 16 N 27 Beauftragter, Passivlegitimation § 3 8 IV 2
Bedingung bei Dienstbarkeit § 30 III 7 (N 165) Bedürfnis, Steigerung des B. bei Grunddienstbarkeit § 31 II — bei Weiderechten § 33 VII 3 Bedürfnisanstalt § 17 N 25, 4; u. 54, s. auch Abort Beeinträchtigung des Eigentums § 38 I — des Besitzes § 40 —, Besorgnis weiterer B. § 3 8 II 2 — durch verschiedene Störer § 3 8 IV 2 — durch Unterlassen § 3 8 I 2 —, Einwilligung des Eigentümers § 38 III 2 — der Grunddienstbarkeit § 4 1 1 Befristung bei Dienstbarkeit § 30 III 8 Begräbnisstätte, Recht auf § 30 N 33 Begrenzung, räumliche, des Eigentums s. Grenze Behelfsheim § 2 N 14 Behördliche Genehmigung § 38 II 2 c Beholzungsrecht § 34 VI i , s. auch Forstberechtigung Bellen, Belästigung durch § 16 N 15 Berberitzensträucher, Schädigung durch § 38 N 3 Bergbauberechtigter, Entschädigungspflicht § 44 —, kein Recht auf Höhle § 1 N 5 7 Bergbau-Mineralien § 1 II 1 N 12 Bergfluß § i III 1; § 20 I 3 Bergrecht § 44 Bergrutsch § 1 III; § 2 III Bergwerk, Betrieb § 44 II 1 u. 5 Berg werksbetrieb, Verschiebung der Erdoberfläche durch § 1 III 1 Bergwerkseigentum § 44 II 2 —, Abgrenzung vom Grundeigentum § 1 II 1 N 12 Berliner Recht, Bauabstand § 18 II 2b Fenster u. Lichtrecht § 25 E VI 1 Grenzeinrichtungen § 7 IV Leiterrecht § 28 I Traufrecht § 26 1 Beschattung s. Licht Beschränkungen des Eigentums s. Eigentumsbeschränkungen Beseitigung unzulässiger Anlagen § 17; §3»II — konzessionierter Anlagen §3911 — der Eigentumsbeeinträchtigung § 38 II
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Wortregister Beseitigung eines Aufbaues auf einer Kommunmauer § 1 0 I I I —, Kostspieligkeit der B. entbindet nicht §}8N79 — Unmöglichkeit § 38 II i (N 73) Besitz, Begriff und Wesen § 40 I —, Beeinträchtigung § 40 II 4 —, Entziehung des § 40 II 2 Besitzdiener § 40 I Besitzer, mittelbarer § 40 I Besitzfehler § 36 II 5 Besitzhandlungen § 6 IV 2 a Besitzschutz § 40, der Grunddienstbarkeiten § 42 Besitzstand § 6 I V 2 a — bei Servituten § 36 II 3 —, fehlerhafter § 40 I V 1 Besitzstörungsklage § 40 — petitorische Widerklage unzulässig § 40 IV 1 — geht nicht auf Schadenersatz § 40 V I I — Verjährung § 40 V Besitzstörung, Schadenersatz § 40 IV Besitzwechsel bei Eigentumsfreiheitsklage § 38 IV 2 —, Berechnung der Ersitzungszeit § 36 N 101 Besorgnis weiterer Beeinträchtigung §38Il2 Bestandteil eines Grundstücks § 2 I — eines Gebäudes § 2 I —, wesentlicher und unwesentlicher § 2 —, Vereinigung und Trennung von B. § 2 III — des Bodens, Recht auf Gewinnung § 30 N 1 2 ; § 30 II 1 (N 27) u. I I I 1 (N98); § 3 1 N 8; § 3 1 N 5 0 ; § 3 i I I I Bestimmbarkeit, nicht Bestimmtheit des Antrags der Unterlassungsklage § 38 II 2a — der Verurteilung § 38 II 2a Bestreiten, keine Beeinträchtigung § 38 1 3 Betrieb, gefährlicher, s. Explosion Betriebseinstellung, Klage auf § 3 8 II 2 a; §59" Betriebsgefahr, spezifische § 43 N 123 Beweislast bei Eigentumsfreiheitsklage §38V Beweislast bei Ersitzung von Grunddienstbarkeiten § 36 II 5, vgl. § 36 II 3
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Beweislast für Zulässigkeit von Einwirkungen § 16 V I I Bewilligung s. Erlaubnis Bezugsrecht s. Holzbezugsrecht Bienen, Eindringen von § 1 6 N 3 1 ; § 16 II 3 —, Recht zur Abwehr von B. § 16 V I —, Raubbienen § 16 V I Bienenkorb als Anlage § 17 II 1 N i o Bienenstich, Haftung des Bienenzüchters § 16 N 31 Bierfaßeinwurf, Gemeingebrauch? § 1 N 67a Bierlieferungsrecht als Grunddienstbarkeit § 30 III 1 (N 96) Bittweise § 36 II 5 u. III Blendwirkung eines grellen Anstrichs § 16 N 25 Boden, Ablösung von Bestandteilen § 2 III —, Erhöhung § 17 II 1 u. 2; § 20 V —, Vertiefen § 20 Bodenbestandteile s. Bestandteil —, Entnahme § 30 N 12, N 27 u. N 98; § 31 N 8 u. N 50 u. N 89 u. N 9 1 ; § 36 N 80 Bodenfluß § 1 III N 78; § 20 I 3 (N 21) Böschung, Abgraben § 20 I 1 u. 3 Böschungswinkel § 20 I 3 (N 20) Böser Glaube s. Guter Glaube Bogenhalle § 4 N 16 Bordell § 16 II 1 ; § 38 N 17 Bosheit s. Schikanöse Rechtsausübung Brennholz § 34 V I 1 Breslauer Recht, Fenster- u. Lichtrecht § 25 E V I 2 Grenzeinrichtungen § 7 Bretterwand aus Schikane § 13 N 1 2 u. 14 Brikettfabrik § 39 N 20 a Bruch eines Rohres s. Rohrbruch Brunnen, Abstand § 18 —, Abgraben des Wassers § 20 I 1 (N 2) u. N 18 u. 19 — als Werk § 19 II 1 a —, Brunnenstube als Gebäude § 24 I 1 —, gemeinsamer § 7 N 29 Brutale Ausübung des Eigentumsrechts §38 I i Buchglaube s. Grundbuch Buchungszwang für Grunddienstbarkeiten § 3 5 I 3
Wortregister Buchungszwang, kein Buchungszwang für altrechtliche Grunddienstbarkeiten §3612 Bundeswasserstraße § 1 II 6 c Bürgerliches Rechtsverhältnis § 38 X 1 Bürgersteig, Wirtschaftsbetrieb auf B. § 24 N 24 C (S. auch K und Z.) Causa perpetua § 30 N 105 Cautio damni infecti § 19 I Chemische Fabrik § 39 N 14 civiliter uti § 31 I I I (N 58) clam § 36 II 5 Code civil s. Rheinisches Recht Compascui ius § 33 III Compasculatio reciproca § 33 III Compensatio lucri cum damno § 43 C I V Confusio bei Servituten § 30 III 5; § 37 A j u . B J Consolidatio bei Servituten § 30 III 5 ; § 37 A 5 u. B 3 Culpa s. Verschulden D Dach, Überragen § 1 II 2a; §24 I 2 (N27); § 2 6 1 —, überragendes Dach als Besitzhandlung § 40 N 18 —, zwei Häuser unter einem Dach § 10 I zu N 1 4 ; § 24 I 2 Dachrinne, gemeinsame § 7 1 5 N 28 a —, Verlegung bei bestehender Dienstbarkeit § 31 V I Dachtraufe § 26 Dachvorsprung § 1 II 2a; §24 N 27; § 26, 1. — als Dienstbarkeit § 30 N 33 Dämpfe, Belästigung durch § 16 N 10 Damm als Werk § 19 II 1 a N 8 Dampfkessel § 39 I 2 u. 3 Dauerwohnrecht § 3 II Denkmal als Werk § 19 II 1 a —, kein Gebäude § 24 N 10 Destinatio du père de famille § 36 I 4 Dienstbarkeit s. Grunddienstbarkeit und persönliche Dienstbarkeit Dienstboten, Passivlegitimation s. Beauftragte
Dienstherr, Haftung für Angestellte s. Auftraggeber Dinglicher Vertrag (Leistungsgeschäft) . §35 I * Dingliche Wirkung von Vereinbarungen — betr. Ablösungsbetrag bei Anbau § 8 IV 2 — betr. Begründg. oder Aufhebg. einer Grenzeinrichtg. § 7 V I am Ende — betr. Erlaubnis zur Errichtg. einer Grenzeinrichtg. § 8 II 1 — betr. Verwaltung u. Benutzung einer Grenzeinrichtg. § 7 V I Dissens, versteckter § 6 N 5 8 Doppelbuchung § 6 N 29, s. Grundbuch Draht an fremdem Hause § 16 N 30 am Ende — durch fremden Luftraum § 1 II 3; § 1 N 3 1 » 33, 34, 39. 55, 56, 66; § 2 N 1 1 ; § 15 B ; §43 D III i d — als Grunddienstbarkeit § 30 I I (N 38) — Beschädigung durch herabgefallenen D. § 19 II 3 (N 38a) Drahtleitungen über Gewässern § 1 N 66 Drahtlose Telegraphie s. Funkanlagen Drahtseilbahn — durch fremden Luftraum § 1 II 4 N53 Dreifelderwirtschaft § 32 V (N 37) Dreschmaschine, Belästigung durch § 16 V 2 (N 101) Drohung als Eigentumsbeeinträchtigung §38I 3 Druck einer Steinhalde (Verschiebung der Erdoberfläche) § 2 III; § 20 V Dünger (Pferchrecht) § 33 V Dungstätte, Abstand § 18 —.Belästigung durch § 1 7 N 2 5 ; §38 N.95 —, Durchlässigkeit § i 6 N i 2 o ; § 3 8 N 9 5 —, gemeinsame § 7 1 5 N 28b —, Grunddienstbarkeit § 30 N 43; § 36 N83 Durchwinterungsfuß § 3 3 V I I 3 E Eggen, Benutzung des Nachbargrundstücks beim E. § 28 III; § 30 II 1 (N 22) Eichsfelder Recht, Anwenderecht § 28 I I I , Forstrechte § 34 N 39
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Wortregister Eichsfelder Recht, Hütezeit § 33 N 92 , Krankes Vieh § 33 N 84 , Mastungsgerechtigkeit § 34 V I 3 , Waldweide § 33 N 89 u. 96 , Weiderechte § 33 N 82 Eigenmacht, verbotene § 40 II 1 Eigentum, Beeinträchtigung § 3 8 s. Eigentumsfreiheitsklage — , Begriff § 38 1 1 — an Bestandteilen des Bodens § 1 N 1 2 — an bergbaufreien Mineralien § 1 N 1 2 — , Abgrenzung des Grundeigentums vom Berg Werkseigentum § 1 N 1 2 ; § 4 4 1 —.Beeinträchtigung § 38, s. auch Eigentumsfreiheitsklage — , Brutale Ausübung § 3 8 I 1 c — , Grenzen des — Einl. I — , Inhalt § 38 I 1 — , Klagenschutz s. Eigentumsfreiheitsklage — , kein E . am Luftraum § 1 II 1 N 13 — , räuml. Begrenzung § 1 — , Schadenersatz wegen Beeinträchtigung § 43 A — , schuldhafte Verletzung des E . § 43 dii — verpflichtet § 38 I 1 c Eigentumsfreiheitsklage § 38 — , Aktivlegitimation § 38 I V 1 — , Anspruch auf Beseitigung § 3 8 II 1 — , Anspruch auf Unterlassung § 38 I I 2 —, Antrag § 38 II 2a —, geht nicht auf Schadenersatz § 3 8 II 1 ; § 43 A — gegenüber gewerblichen Anlagen § 39 — bei Besitzwechsel § 38 I V 2 —, Beweislast § 38 V —, Einwendungen gegen E . § 3 8 III — , Einstweilige Verfügungen § 17 I V ; § 38 V I I I —, Passivlegitimation § 3 8 I V 2 — , Streitwert § 38 V I I — , Verjährung § 38 V I — versagt gegen Einwirkungen der Naturgewalt § 38 N 3 u. I 2 — versagt gegenüber Zuwiderhandeln gegen Polizeivorschriften § 38 I 1 f. — , Wegfall des Anspruchs v o r Klagestellung § 38 I I 2 — , Zuständigkeit § 38 V I I —, Zwangsvollstreckung § 38 II 2 b
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Eigentumsbeschränkungen § 38 — , öffentlichrechtliche Einl. I I ; § 1 I I 6 Eigentumsklage § 38 Eigentumsstörung s. Beeinträchtigung u. Eigentumfreiheits klage Eigentums vermutung bei der Traufwand § 26I Eigentumswechsel während des Prozesses § 38 I V 2 Einfahrt, gemeinschaftliche § 7 I 3 N 20; § 30 N 1 2 3 —, Umwandlung in einen Torweg § 3 1 I I I Einfriedigung s. Zaun und Scheidung Eingriff s. Beeinträchtigung Einleitung s. Einführung Einmalige Handlung kann nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein § 30 II 2 — Einwirkung (Eigentumsfreiheitsklage) § 38 I I 1 u. 2a Einreißen eines Gebäudes bei Feuersbrunst § 14 I — eines stützenden Bauwerks § 20 I V Einrichtungen auf der Grenze s. Grenzeinrichtungen Einsturzgefahr des Erdbodens § 20 — von Bäumen § 19 N 1 1 — vonFelsblöcken§i9lIi(Nn); §38IIC — von Gebäuden § 1 9 — des Kellergewölbes (Kellergerechtigkeit) § i q ; § 31 V Einstweilige Verfügung bei der Eigentumsfreiheitsklage § 1 7 I V ; § 38 V I I I Eintragung im Grundbuch s. Grundbuch Einwendungen gegen die Eigentumsfreiheitsklage § 38 III Einwilligung des Eigentümers in Beeinträchtigung § 3 8 I I I 2 Einwirkungen auf das Eigentum s. Beeinträchtigung — ideelle oder materielle § 3 8 I 1 d — negative § 38 I 1 e — vorübergehende § 3 8 I I 1 Einzäunen, Pflicht zum E . § 1 1 Eisenbahn-Anschlußgleis § 30 N 1 3 1 Eisenbahnbetrieb § 16 N 15, 22 u. 30 — , Schäden inf. des E . § 43 D I I I 1 c u. 2 b Eisenbahntunnel s. Tunnel Eisenbahnzug, Einsicht in die Wohnungen § 25 N 6 Eismaschine, Belästigung durch § 39 N . 27
Wortregister Elektrische Leitung durch fremden Luftraum § i II 3 N 33, 34, 39, 55, 56, 66; § 2 N 11 als Werk § 19 N 5 , Beschädigung durch herabgefallenen Draht einer e. L . § 19 II 3 (N 36); §43 D III 1 d •, Kollision mehrerer L. § 15 N 2 Elektrische Straßenbahn, Einfluß von Telegrafen- und Telefonanlagen § 15 N 2 Elektrische Ströme, Belästigung durch § 16 N 30 vagabondierende § 16 N 30 Enge Reihe s. Reihe Entziehung des Lichts u. der Luft s. Licht und Luft Erbbaurecht § 4 III 4 u. I V 2 —, Grunddienstbarkeit zugunsten eines E. § 30 N 1 — Unterschied von Dienstbarkeit § 4 III 4 Erbpacht § 30 N 7 Erdaufschüttung § 2 N 1 5 u. 39; § 1 9 N 5; § 20 I 2 u. V Erdbeben § 1 III 1 — Verschiebungen der Erdoberfläche § 1 III 1 u. III 2 u. § 2 III Erdboden, Ablösung von Bestandteilen § 2 III; § 38 I 1 —, Erhöhung § 20 V —, Vertiefung § 20 —, Durchsetzen des fremden Erdkörpers mit Petroleum § 38 N 73 Erde, Abgraben § 20 I 1 —, Abschwemmen § 2 N 3 5 u . 36 Erdkörper § 1 II Erdoberfläche, Erhöhung § 17 II 1 u. 2; §20 V —, Verschiebung § 1 III —, Raum über und unter der E . § 1 N 9 —, Vertiefen § 20 —, Erhöhung § 17 II x u. 2; § 20 V Erdrutsch § 1 III Erhöhung des Erdbodens § 17 II 1 u. 2; § 20 V ; § 20 N 3 — eines Überbaus § 24 II (N 80) — der Kommunmauer § 10 I Erker, Überbau § 24 I 2 (N 26 u. 27) — über fremdem Grundstück § 1 II 4 Erlaubnis, behördliche, s. Konzession
Erlaubnis des Eigentümers § 38 III 2 — zum Überbau § 24 I 5 Erschütterungen, Belästigung durch § 16 N 16 Ersitzung einer Grunddienstbarkeit § 36 II —, Zeit § 36 II 6 a — eines Fensterrechts § 36 II 6 — eines Lichtrechts § 36 II 3 — gegenüber dem Fiskus § 36 II 6 a — gegenüber der Gemeinde § 36 II 6 a — durch Stellvertreter § 36 II 3 (N 76) Erwerb einer Grunddienstbarkeit § 35; § 36 Erzeugnisse sind Bestandteil § 2 I Etageneigentum s. Stockwerkseigentum Exploitionsweg § 32 II Explosion, keine Eigentumsfreiheitsklage wegen einer E. § 38 I 4 ; § 43 N 98 und 100 —, Furcht vor § 16 II 1 —, Schadenersatzpflicht § 43 D III — s. auch Sprengung Explosionsgefahr § 1 7 II 3; § 19 II 1 b; § 38 1 1 F Fabrikwässer s. Abwässer Factum turbativum § 3 8 I 1 a Fässerpichen § 39 I 2 Fahrlässigkeit § 43 D II 1 b Fahrrad, Gehrecht gibt Befugnis zum Schieben eines F. § 32 N 19 Fahrtrecht s. Wegegerechtigkeit Fallholz § 34 V I 1 falsa demonstratio § 6 III 3 e Farben, Belästigung durch § 16 N 25 Faßpicherei § 16 N 149; § 39 I 2 Fehlerhaftigkeit des Besitzstandes § 36 II 5; § 40 IV 1 Fehmschwein § 34 V I 3 Feldschieder § 5 Felsblock, drohendes Ablösen § 19 II i a u. b; §38 I i . Felsblock, Absturz § 1 9 1 1 1 ; § 3 8 1 1 —, überragender § i l ; § 1 9 1 1 Fenster als Anlage § 17 II 1 (N 20) — an der Grenze § 25 A Fensterflügel, Aufschlagen durch fremden Luftraum § 1 II 2 u. 4; § 24 N 26 u. 27; § 36 N 82 — als Besitzhandlung § 26 I u. N 17
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Wortregister Fensterflügel als Dienstbarkeit § 30 N 33 Frankfurter Recht, Grundstücksschei—, Verbauen der Fenster § 25; § 25 H dungen § i i II 6 Fensterrecht § 25 Kommunmauerzwang § 8 I 2 c, cc Pflanzenabstand § 22 II 2 —, Duldungspflicht § 30 II 3 (N 82) —, Ersitzung § 25 B u. E V I Schädliche Anlagen § 18 I 1 —, kein Lichtrecht § 25 B Stockwerkseigentum § 3 I 6 Viehauftrieb § 3 3 N 90 — als Grunddienstbarkeit § 30 N 82 Freibad, Verletzung des Schamgefühls Fernmeldeanlagen § 15 Fernsprechleitungen s. Telefon § 38 N 17 u. 18 Feuchtigkeit, Eindringen von § 16 N 23 Fremdes Vieh (Weiderecht) § 33 V I Feueranzünden in der Nähe von Waldung Froschgequake § 17 N 16 Früchte an überhängenden Zweigen § 23 § 43 D II 2 N 1 Feuergasse als Grenzeinrichtung § 7 I 5 Feuergefährliche Anlagen § 17 N 36, s. —, Überfall § 23 Fundament, mangelhaftes des Nachbarauch Explosion hauses § 19 II 1 ; § 20 II (N 49) Feuersbrunst, Einreißen von Gebäuden —, Ausheben des F. § 20 1 1 (N 7) §i4I Funkanlagen § 15 N 9; § 16 N 7 u. IV Feuerstätten § 43 D II 2 —, Rücksicht auf § 3 8 1 1 Feuerungsanlagen § 43 D II 2 Feuerwerk, Anlagen zur Herstellung von Funken § 16 N 22; § 3 0 ^ 8 ; § 43 D II icu. DIU 2 F. § 39 I 2 (N 17) Funkenfänger § 43 D II 2 (N 79 a) —, Abbrennen § 43 D II 2 Fischerei als Grunddienstbarkeit § 30 N 28 Fuß § 22 N 5 a Fußangeln § 16 N 133 Fischereirecht, Ersitzung § 36 II 2 u. 3 Fiskus, Ersitzung gegenüber dem F. § 36 II 6 b G Fliegen als Immissionen § 16 N 31 a Flugzeug § 1 II 7; § 43 D III 1 b u. 2 Garage, Abstand zum Nachbar-GrundFlüsse s. Gewässer stück § 18 II 3 Flurordnung 832 V — gemeinsame Einfahrt § 7 N 18 u. N 21 Flurstück § 2 I; § 6 III 2 — Notweg zur § 27 I 3 Flußbett, Raum über dem F. § 1 zu N 20; — Umwandlung eines Stalles (Grunddienstbarkeit) in eine Autogarage $ 3 1 § 1 II 6 N 12 Flutgraben als Grenzeinrichtung § 7 Gasanlage § 2 N 28 I 5> V u. V I Gasanstalt § 1 7 N 54; § 3 9 1 2 ; §43 Forstberechtigungen § 34 D III 1 d. Vgl. auch Explosion —, Ablösung § 34 VII —, Anweisung des Rechtholzes durch den Gase, Belästigung durch § 16 N 9 Gasleitungsrohre § 2 l ; § 3 9 N 16; Eigentümer § 34 III (N 8) § 43 D III 1 d. S. auch Rohrleitung u. —, Einschränkung der § 34 V Rohrbruch —, Gegenleistung § 34 III —, Austausch mit Wasserleitungsröhren —, gemessene und ungemessene § 34 IV —, Mitnutzung des Eigentümers § 34 IV Kabel § 31 II (nach N 43) —, Streurecht § 34 V I 2 Gebäude, Abbruch § 7 N 43 ; § 20 IV —, Teilung des herrschenden Anwesens —, Abstand § 18 II §31 V i l l i ; §34IV — als Bestandteil des Bodens § 2 I —, Unzulässigkeit d. Begründung § 34 II —, Begriff § 24 I 1 Fotografie s. Photographie —, Bestandteile § 2 I; ausnahmsweise Frankfurter Recht, Fenster- u. Lichtrecht nicht Bestandteil § 2 N 14 § 25 E II —, Einsturzgefahr § 19 — — Grenzeinrichtungen § 7 IV —, Grenzüberbau § 24
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Wortregister Gebäude, das v o n der Grenze durchschnitten wird § 2 IE; § 7 III 3 — . V e r s c h i e b u n g eines G . § 1 N 95; § 2 n i ; § 24 V I I 4 — , Untergang des Gebäudes § } 7 A 8 u . B 6 Gefahr, Begriff § 14 II 2 — des Einsturzes s. Einsturzgefahr — der Explosion s. Explosionsgefahr — der Wiederholung § 38 II 2 Gefährdungshaftung § 43 D III Gefährlichkeit eines Betriebes §43 D I I I i u. 2 (N 128) s. auch Explosionsgefahr Gefälligkeit § 36 II 5 Gegenleistung bei Dienstbarkeiten § 30 I u . I I I 7 ; § 36 N 71 — bei Forstrechten § 34 III — bei Weiderecht § 33 V Gegenseitigkeit bei Dienstbarkeiten § 3° HI 7 — bei Weiderecht § 33 III Gehrecht s. Wegegerechtigkeit Geltungsbereich Code civil Einl. I Gemeines R. Einl. I Preuß. A l l g Landrecht Einl. I Gemeinde, Ersitzung gegenüber der G . § 36 II 6 Gemeindebezirk, Grunddienstbarkeit auf dem ganzen G . § 30 N 110 Gemeindegemarkung, keine zivilrechtliche Einheit § 30 N 110 Gemeinderechte § 34 N 5 Gemeindeservitut § 30 III 3 (N 110); §34 N 5 u. I V ; § 36 II 3 Gemeindewald § 33 I; § 341 G e m e i n e s Recht, Geltungsbereich Einl. I Gemeingebrauch an Bundesfernstraßen § 1 II 6a an B u n d e s Wasserstraßen § 1 I I 6 c
an Straßen, Wegen, Plätzen § 1 II 6 b an oberirdischen Gewässern § 1 II 6 c an Wäldern § 1 II 6d Gemeinheitsteilungsordnung, Ablösung der Grunddienstbarkeiten § 37 B 2 — Ablösung des Hordenschlags § 3 3 V — Einschränkung der Forstrechte § 34 II u. V I 3 der Weiderechte § 33 V I I I — Ersitzung von Grunddienstbarkeiten §36II
Gemeinheitsteilungsordnung, Mitnutzung der Weide durch den Eigentümer §33 V I — Waldweide § 33 VIII 2 Gemeinschaftlicher Brunnen § 7 I 5 N 29 — Einfahrt § 7 1 4 N 22a; § 30 N 123 — H o f r a u m § 7 l 4 N 2 2 b ; §301115 (N123) — Mauer s. Kommunmauer — W e g § 7 1 4 N 23 Genehmigung, behördliche s. Konzession Geometrische Vermessung, Beweiskraft s. Kataster Geräusch, Belästigung durch § 16 II 2 u. N 15 Gerberei § 39 I 2 Gerichtsgebrauch § 43 D III 2b (N 114) Gerichtsstand s. Eigentumfreiheitsklage, Besitzstörungs klage Gerüche, Belästigung durch § 16 II 2 ( N 1 1 ) Geschlossene Zeit 5 3 2 V (N 3 7); § 3 3 (N 93) Geschosse, Eindringen von § 16 N 29 Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums, s. Eigentumsbeschränkungen Gewaltsam § 36 II 5 Gewässer, Luftraum über § 1 II 2 N 20 ff. u.116 Gewerbebetrieb,Beschränkung als Dienstbarkeit § 30 N 64 u. III i ; § 31 N 34 Gewerbebetrieb, gefährlicher § 43 D III 1 u. 2 (N. 128), s. auch Explosionsgefahr Gewerbeordnung (§ 26) § 39 — , Schutzgesetz § 39 II Gewerbepolizeiliche Bewilligung § 391 3 Gewerbliche Anlagen ( § 1 6 GewO) § 39 I z Entziehung der Abwehrklage gegen gew. A . § 39 , konzessionierte, Schadloshaltung § 3 9 III Gewohnheitsrecht § 29 III; § 36 I V ; § 43 N 114 Giebel, schiefer § 1 II 2a; § 24 I 2 (N 27); §26 1; § 3 6 1 1 3 (N 75) Giebelmauer als Grenzeinrichtg. § 7 1 1 Gift, Aufstellen von § 16 N 134 Giftpflanzen, Halten von § 38 N 3; vgl. § 16 N 134 Gipsofen § 39 I 2 Glasbausteine § 25 N 37; § 25 H, J u. K Gleis, Recht auf Halten eines § 30 N 37, 118 u. 131
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Wortregister Gleisanlage kein wesentl. Bestandteil des Bodens § z N 10 Graben von Bodenbestandteilen § 30 N 1 2 u. 98; § 31 N 8, 50 u. 89 — s. auch Abgraben — als Grenzeinrichtung § 7 N 5 5 — als Verbotszeichen § 36 N 88 Grenzabstand s. Abstand Grenzbaum § 12 Grenze § 1 III 2; § 5 —, Anerkennung der § 5 III —, Unverrückbarkeit § 1 III 2 —, Baum auf der G. § 12 —, Beweiskraft der Abmarkung § 5 III —, Feststellung § 5 I V Grenzeinrichtungen § 7 •—, Änderung § 7 V I u. N m —, Aufhebung § 7 N 1 1 3 —, Benutzung von — § 7 V —, Eigentum an — § 7 III —, Entstehungsvoraussetzungen § 7 I 1 •—, Grenze und — § 7 I 3 —, Herstellungskosten § 9 —, Kein Zwang zur Herstellung § 7 I 2 •—, Miteigentum an § 7 III 3 —, Sondereigentum § 7 I V —, Unterhaltungskosten § 7 V I —, Verlegung § 7 V I —, Verwaltung der § 7 V I —, Wesen der — § 7 II — zu unterscheiden von Scheidungen diesseits der Grenze § 1 1 Grenzermittlung § 6 II Grenzfeststellungsvertrag § 5 IV Grenzgestelle in Waldungen § 7 I 5 Grenzlinie s. Grenze Grenzmauer s. Kommunmauer Grenzscheidungsklage § 6 I, IV 2, V Grenzstreitigkeiten § 6 Grenzüberschreitung durch ein Gebäude § 24, s. Uberbau Grenzverwirrung § 6 II u. IV 2 Grenzzeichen s. Markstein Grenzwand, Anbau an § 8 N 2 — Begriff § 8 N 18 Grobe Fahrlässigkeit § 24 I 5 Grundbuch, Bestandsangaben § 6 III 3 a; Doppelbuchung §6 III 2; —, Eigenschaftsangaben § 6 III 3 a —, Eintragung im § 3 5 I 3
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Grundbuch, Bedeutung für den Inhalt der Grunddienstbarkeit § 35 I 3 —, Eintragung für altrechtliche Servituten nicht erforderlich § 36 I 2 —, falsa demonstratio § 6 III 3 e —, Katasterraub § 6 III 3d; § 24 V I I 6 •—, Nachweis der Unrichtigkeit § 6 III 3 f —, Öffentl. Glaube des — § 6 III 3 •—, Rechtsgeschäft^ Erwerb § 6 III 3 b —, Verschiedenheit der Eintragungen auf herrschendem und dienendem Grundstück § 35 N 13 Grundbuchglaube erstreckt sich auf Katastergrenze § 6 III 2; § 24 VII 6 — wirkt nicht gegen altrechtliche Servituten § 36 I 2; § 37 N 3 Grunddienstbarkeiten § 30, s. auch servitus — Änderung der Verhältnisse (Steigerung des Bedürfnisses) § 31 II —, Anspruch auf Löschung § 30 III 1 (N 103 b) — auf Unterlassung bestimmter Handlungen § 30 II 2 —• auf Duldung an sich unzulässiger Immissionen § 30 II 3 —, Ausübung § 3 1 , schonende § 31 III —, Bedingung § 30 III 7 —, Bedürfnis des herrschenden Grundstücks § 31 II, Steigerung des B. §3iII —, Beeinträchtigung § 41 —, Befristung § 30 III 8 •—, Begriff § 30 I —, Begründung § 3 5 —, Besitzschutz § 42 —.Bestellung, stillschweigende §3511; §5614 —, Causa perpetua § 30 N 105 —, dingliche Rechte, Zusammentreffen § 31 V I I —, Einfluß der Umwandlung des Grundstücks § 31 I I ; § 36 II 4 —, einmalige Handlung kann nicht Inhalt sein § 30 II 1 (N 47) —, Ersitzung § 36 II —, Erwerb § 35 —, Formfreiheit für die Verpflichtung zur Bestellung einer G. § 3 5 1 1 —, Gegenleistung § 30 I u. III 7 —.Gegenseitigkeit § 30 III 5; § 33 III
Wortregister Grunddienstbarkeiten für einen ganzen Gemeindebezirk § 30 N 110 — zugunsten der Gemeinde § 30 N 5 u. N r 13 ff; §36 II 3 —, herrschendes Grundstück § 30 III 3 —, Inhalt § 31 —, Klagenschutz § 41 —, Kollision mit dinglichen Rechten §31 VII —, Konfusion § 30 III 5; § 37 A 5 u. B 3 —, Mitbenützungsrecht des Eigentümers § 31 HI —, Nemini res sua servit § 30 III 5 —, Rechtsschutz § 41 •— an öffentlichen Grundstücken § 30 III 4 —, servitus in faciendo consistere nequit § 30 N 47; § 3 o I I I 6 ; §34111 —, schonende Ausübung § 31 III •—, ständige § 36 N 98 —, Steigerung des Bedürfnisses § 31 II —.stillschweigende Bestellung §3511; §36 I 4 —, tantum praescriptum quantum possessum § 36 II 4 —, Teilung des berechtigten und des belasteten Grundstücks § 31 VIII; §34 IV — Unteilbarkeit § 31 VIII; § 37 B 4 —, Untergang des herrschenden Gebäudes § 37 A 8 u. B 6 —, Unterhaltung einer Anlage § 31 V —, Unterschied von Leihe § 30 N 15 —, Unterschied vom Mietvertrag § 30 I CNij) —, Unterschied von persönlicher Dienstbarkeit § 30 I (N 4) u. § 30 III 1 (N 98) —, Unterschied von Reallast § 30 III 6 (N 130, 147, 152); § 34 HI —, Usucapio libertatis § 37 B 4 (N 58) —, unzulässige Rechtsausübung von § 30 I I I i (N 103 b) —, Verlegung § 31 VI —, Verlust § 37 —, Verpflichtung zur Bestellung einer G. § 35 I 1 —, Vizinität § 30 III 2 —, Vorteil für das berechtigte Grundstück § 30 HI 1 —, Zusammentreffen mit dinglichen Rechten § 31 VII Grundgeschäft, obligatorisches § 3 5 I 1
Grundsteuerkataster s. Kataster Grundstück, Begrenzung § 1 1 —, Begriff § 1 I —, Bestandteil § 2 —, rechtlicher Begriff und Bestand § 1 I u. III 1 —, geograph. Unveränderlichkeit § 1 III 2 —, Teilung § 1 I —, Vereinigung von Gr. § 1 I —, wie verkauft oder besichtigt, wie es steht und liegt, wie besessen und benutzt : § 6 N 5 3 a Grundwasser, Abgraben § 20 N 2, 18 u. 19; § 38 N 30 —, Verschiebung der Erdoberfläche durch Gr. § i N 83 Grundwasserabsenkung § 20 11; § 26 a Grundwasserspiegel, Veränderg. § 26a Guter Glaube § 6 III 3; § 36 N 65 H Haftung s. Schadenersatz Halberstädter Recht, Hordenschlag § 33 N 49 —, —, Schäfereigerechtigkeit § 3 3 N 42 , Wiesenhütung § 33 N 93 Halbscheidige Giebelwand s. Kommunmauer Halde § 20 I 2 (N 9 a) — als Anlage § 17 N 27 —, Einwirkung durch § 38 N 40 —, Schuttkriechen § 17 N 27 Hammerschlagsrecht § 14 II 2 (N 15 a ff); §28 1 — als Grunddienstbarkeit § 30 N 42 Hannoversches Recht, Fenster- und Lichtrecht § 25 E VI 3 , Traufrecht § 26 N 7 Häuserreihe s. Reihe Häuslerrecht § 30 N 7 Hauptmauern § 3 N 6 Hausanschlußleitung § 2 N 11 a Hausschwamm s. Schwamm Hecke als Grenzeinrichtung § 7 I 5 N 28 u. III 3 u. N 66; § 9 •—, Grenzabstand § 22 — als Scheidung § u N 3 Heimlich § 36 II 5 Heizöltank § 43 N 93 a Herbergsrecht § 3 I Herkommen § 29 III; § 36 N 149
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Wortregister Herrschendes Grundstück § 30 III 3 Historisches Grundstück § 1 N 1 Hitze, Belästigung durch § 4 V ; § i 6 N i 4 Höhe, in welcher eine Einwirkung vorgenommen wird § 1 II 2 Höhere Gewalt § 43 D III 1 N 89 Höhle § 1 N 1 1 u. N 57 Hof, Begriff § 25 C I i c —, Fensterrecht § 2 5 0 1 2 —, gemeinschaftlicher § 7 l 4 N 2 2 b Hofraithe § 30 N 109 Hoheitsrechte, staatliche § 38 X 2 Honigraub s. Bienen Hopfenstangen § 2 I u. N 12 Hordenschlagrecht § 33 V Horizontale Teilung eines Gebäudes s. Stockwerkseigentum Hundegebell § 16 N 15 Hütte als Werk § 19 II 1 a; § 24 I 1
J Jagd, keine Dienstbarkeit § 30 N 50 Jauche, Ableitung als Dienstbarkeit § 30 II 1 (N 40) —, Eindringen von J . vgl. Dungstätte I Ideelle Immissionen § 16 II 1 ; § 3 8 1 1 d Immaterielle Immissionen §16 I i i ; § 38 I 1 d ImmemorialVerjährung s. unvordenkliche Verjährung Immissionen § 16 —, Grunddienstbarkeit auf Duldung von - I. § 3 o I I 3 (N 78 ff) —, ideelle § 16 II 1 —, immaterielle § 16 II 1 —, Schadenersatz § 43 D II 1 u. III — von Flüssigkeiten in die Gewässer § 16 N 4} Imponderabilien s. Immissionen Industrie s. Gewerbe —, Verhältnis der I. zur Landwirtschaft § 16 N 1 2 ; § 3 8 I 1 Irreguläre Personalservituten § 30 III 3 (N117) Irrtum in der Bezeichnung des Grundstücks § 6 III 3 e ius faldagii § 3 3 V Ius lignandi s. Forstrecht 912
K Kälte, Zuführung von § 16 N 26 Kamin, Entziehung der Zugluft § 38 N 28 u. 29; s. Luft —, Einsturzgefahr § 19 II 1 b Kanal als Werk § 19 N 8 — als Anlage § 17 II 2 u. IV (N 54) — Abstand § 18 — unterirdischer § 1 N 53 — Notservitut § 27 II (N 59) — städtischer, Haftung der Stadt für Immissionen § 38 I V 2 Kataster § 6 III 2 —, Beweiskraft § 6 III 2 Katastergrenze u. öffentl. Grundbuchglaube § 6 III 3 Katasterkarte § 6 III 3 b Katasterraub § 6 III 3 d; § 24 V I I 6 Katzen, Eindringen von § 16 V I Kausalgeschäft § 3 5 1 1 Kausalität, überholende § 14 N 44; § 43 N 9c Kausalzusammenhang § 43 B Kegelbahn, Belästigung durch § 16 N 122 —, wesentl. Bestandteil § 2 N 28 Keller, Recht am § 4 —, als Gebäude § 24 N 20 —, Bestandteil § 1 N 16 —Beeinträchtigung durch Zuführung von Wärme § 4 V —, Ubergreifen in ein fremdes Grundstück § 1 II 2; § 4 III 1 ; § 24 N 27 Kellergerechtigkeit § 4; § 31 V u. V I I I 1 Kellergewölbe, Haftung des Dienstbarkeitsberechtigten bei Einsturz § 31 V ; vgl. § 19 Kessel s. Dampfkessel Klage s. Anspruch Klagestellung keine Besitzstörung § 40 N28 Kläranlage § 39 N 22 Klavierspielen, Belästigung durch § 16 N 15 u. N 4 8 Knall s. Schießen Körperschaftswald § 3 3 N 2 Kollision s. Widerstreit Kommunmauer § 7 I 5 u. IV u. V ; § 8 — Begriff des Anbaues § 8 III — Eigentum an — vor Anbau § 8 II — Eigentum an — nach Anbau § 8 III 1
Wortregister Kommunmauer, Erhöhung § 10 — — Gläubiger und Schuldner des Ablösungsanspruchs § 8 III 3 Grund und Höhe der Entschädg. § 8 III 2 — Kosten der Herstellung und Unterhaltung (Haftung des Nachbars) § 9 —, stillschweigender Vertrag § 8 IV 3 — Vereinbarg, mit dingl. Wirkung § 8 I V 1 — Vereinbarg, schuldrechtl. Art § 8 IV 2 — Vertragsmäß. Ablösungsanspr. § 8 IV —, Zwang zur Errichtung § 8 I 2 Komposthaufen, kein Bestandteil §2 N 1 5 Konfusion § 30 III 5; § 37 A 5 u. B 3 Konkurrenzgeschäft, Verpflichtung kein K. zu betreiben als Grunddienstbarkeit § 30 N 6 3 , 71, 94 u. 97 Konkurrierendes Verschulden § 43 C III Konsolidation §30 III 5; § 37 A 5 u. B 3 Konzession s. Gewerbliche Anlagen Koppelhut § 33 III Kostschafe § 33 V I I 1 Kostspieligkeit der Beseitigung § 38 N79 Kraftwagen, Benutzung einer Wegegerechtigkeit mit Kr. § 31 N 18 s. auch Garage — Notweg zur Garage § 27 I 3 Kraftwagen-Rennen, Belästigung durch § 38 N 51 Krankes Vieh auf der Weide § 33 V I I 2 Kugeln s. Geschosse Kulturwege § 32 II Künftige Schäden § 43 C 2 (N 23) Kurhessisches Recht, Fenster- und Lichtrecht § 25 E I , Grenzeinrichtungen § 7 IV , Grundstücksscheidungen § 1 1 II 6 — —, Hütezeit § 33 N 91 , Pferchrecht § 33 N 54 , Pflanzenabstand § 22 , Rechtsgeschäftlicher Erwerb der Grunddienstbarkeiten § 36 N 4 , Schädliche Anlagen § 18 I 1 L Laden, Aufschlagen durch fremden Luftraum § 1 II 2 u. 4; § 24 N 26 u. 27; § 36 N 82 Lärm, Belästigung durch § 16 N 15 — von Düsenflugzeugen § 43 D III 1 b 58 Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht,
Aufl.
Landeskulturedikt § 33 N 94 Landesrecht Einl. I Landesstraßengesetze § 1 II 6 b Landeswassergesetze § 16 II 4 Landschaftsbild, Verunstaltung § 16 II 1 ; § 38 I i d u . N 19 Landversetzung § 2 III Landwirtschaft, Verhältnis der L. zur Industrie § 16 N 1 2 ; § 3 8 1 1 Laternengarage § 1 II 6 b Laubengang § 4 N 16 Lautsprecher-Wagen, Lärm von § 16 N 15 Lehm, Entnahme von L. s. Bodenbestandteile Leichenhaus § 16 II 1 ; § 38 N 16 Leistungsgeschäft (dinglicher Vertrag) §35 I 2 Leiterrecht § i 4 N i 6 ; § 2 8 1 ; als Grunddienstbarkeit § 30 N 42 Leitung von Drähten, durch fremden Luftraum s. Draht Leitung von Imponderabilien auf Nachbargrundstücke § 16 IV Leitungsnotweg § 27 V Leseholz § 34 V I (N 32) Leuchtreklame § 38 N 19 Licht, Entziehung § 1 II 2 u. N 26; § 13; § 17 N 18ff. u. 32 Lichtfenster (jours) § 25 D I 2 Lichtgerechtigkeit § 2 5 ; §30 N 5 5 ; § 36 II 3 Lichthof § 7 N 21 Lichtöffnung s. Fenster Lichtrecht § 25 Lichtreflexe, Belästigung durch § 16 N 25 Lichtschacht als Grenzeinrichtung § 7 I 5 Lohgruben, Abstand § 18 I 1 Lokomotivfunken s. Funken Lübisches Recht, Ersitzung von Grunddienstbarkeiten § 36 II 6e Fenster- und Lichtrecht § 25 E III Luft, Entziehung der § i N 2 6 ; § 1 3 ; § 17 N 18 u. 32; durch Bergwerk § 44 II 5 Luftraum, — Ausladung in — § 1 II 2 kein Eigentum am L. § 1 II 1 —, Einwirkungen in großer Höhe § 1 II 3 — u. Erdkörper § 1 II Luftschiff s. Flugzeug Luftverkehrgesetz § 1 II 7
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Wortregister M Mala fides s. Guter Glaube Mainzer Recht, , Grenzeinrichtungen § 7 N 20 u. 63 — •—, Schädliche Anlagen § 25 E I V 3 Markgenossenschaft § 3 3 N 2 Mark Brandenburgisches Recht, Hütezeit § 33 N 92 , Viehauftrieb § 3 3 N 90 , Wiesenhut § 33 N 93 Markstein § 5 —, Verschiebung § 1 III 2; § 2 III —, Beweiskraft § 5 III Mast, Aufstellung von Masten § 2 N 11 Mastungsrecht § 34 V I 3 Mauer, Begriff § 8 I 1 —, Aufstützen als Dienstbarkeit § 30 N. 45; § 37 N 6 8 —, Bestandteil § 2 I —, Erhöhung der Kommunmauer § 10 I —, Gefahr des Einsturzes § 19 —, gemeinschaftliche, s. Kommunmauer — als Grenzeinrichtung § 7 II u. I V —, Senkung § 24 V I I 5 — als Werk § 19 II i a Mauerausbauchung § 1 II 2 a; § 13 N 29; § 24 V I I 5 — keine Rechtsausübung § 36 N 75 — Uberbau § 24 V I I 5 Mäuse, Belästigung durch § 1 6 I I 2 N 3 3 ; § 38 N 3 Mehrere Immissionsquellen § 16 N 74 u. 75; § 38 N 187 — Störer § 38 N 188 Mehrheit von Grundstücken, Grunddienstbarkeit a n § 3 o N 5 U . N 1 1 0 Mengekontrakt § 33 N 66 Meng- und Setzvieh § 33 N 66 Miasmen, Eindringen s. Geruch Miete, Unterschied von Grunddienstbarkeit § 30 I (N 15) Mieter, Aktiv- bzw. Passivlegitimation bei der Eigentumsfreiheitsklage § 38 I V 1 u . N 182 —, Anwendbarkeit des § 906 zwischen Mietern untereinander § 16 N 42 —, — bei Störung von Grunddienstbarkeiten § 41 III 1 (N 13) —, Besitzstörungsklage des M. gegen den Vermieter § 40 N 43
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Militärische Übungen, Belästigung durch § 38 N 226 Mindener Recht, Durchwinterungsfuß § 33 N 77 , Hütezeit § 33 N 92 , Pflanzenabstand § 22 , Weiderechte § 33 N 82 Minderwert eines Grundstücks durch nachbarlichen Gewerbebetrieb § 39 I I I Mineralien, bergbaufreie, Recht zur Gewinnung s. Bodenbestandteile Mineralölfernleitungen § 43 N 93 a Mistjauche, Ableitungsrecht als Dienstbarkeit § 30 N 40 u. 42 —, Eindringen s. Dungstätte Mißbrauch des Eigentumsrechts § 38 N 3; § 38 I i c ; s. Schikane Mitbenützungsrecht des Eigentümers bei Grunddienstbarkeiten § 31 III Miteigentümer, Aktivlegitimation bei Eigentumsfreiheitsklage § 38 I V 1 —, Grunddienstbarkeit zugunsten des M. § 3 ° HI 5 Miteigentum an Grenzeinrichtungen § 7 HI 3 selbständigen Zwischengrund— an stücken § 7 I 4 Miteigentum, Konsolidation § 30 III 5; § 37 A 5 u. B 3 Mithut § 33 III — des Eigentümers § 31 III Mittelbare Immission § 16 N 43 Mittelbarer Besitzer § 40 1 1 Mitwirkendes Verschulden § 43 C III Müllverbrennungsanlage § 39 I 2 Munitionsfabrik § 39 I 2, s. auch Explosion Münsterer Recht, Laubengang § 4 N 16 N Nachbar s. Eigentumsbeschränkung, Immission usw. Nachbargrundstück § 17 II (N 6); § 20 N 8 Nachbarrecht, Begriff Einl. I — u. Baurecht § 45, 2 u. 3 Nachbarwand, Anbau an § 8 III — Begriff § 8 N 18 — Beschaffenheit § 8 I 2 — Beseitigen der § 7 N 43 — Eigentumsverh. nach dem Anbau § 8 III 1
Wortregister Nachbarwand, Eigentumsverh. vor dem Anbau § 8 II — Nichtbenutzen der § 8 N 52a Nassauisches Recht, Anwenderecht § 28 III — — , Ersitzung v o n Grunddienstbarkeiten § 36 N 55 , Fenster- und Lichtrecht § 25 E I V 1 Nassauisches Recht , Grenzeinrichtungen § 7 N 56 , Pflanzenabstand § 22 N 22 , Rechtsgeschäftl. Erwerb v o n Grunddienstbarkeiten § 36 N 4 , Unvordenkliche Verjährung § 36 N 131 , Wiesenhut § 33 N 93 Naturgewalt, gegen Einwirkungen durch Naturgewalt kein Abwehranspruch §38^2 Naturalrestitution bei der Eigentumfreiheitsklage § 38 II 1 (N 69ff) — , bei Schadenersatz § 43 C II NaturschutzVO § 1 II 6 d ; § 16 V I N 129 Naturzustand ist keine Beeinträchtigung des Eigentums § 3 8 N 3 Negatorischer Anspruch § 3 8 s. Eigentumsfreiheitsklage Negative Einwirkungen § I 6 I I I ; §38 I ie — Servituten § 30 II 3 Neidbau § 13 Nemini res sua scrvit § 30 III 5 Nichtausübung der Servitut § 37 B 4 Niederreißen s. Abbruch Nominatio auctoris § 3 8 I V 2 U . N 1 9 5 u. 196 Non usus § 37 B 4 Nothilfe § 14 II 2 Notlandung eines Flugzeugs § 1 II 7 a Notservitut § 27 — auf unterirdische Röhrenleitung § 27 II (N59) Notstand § 14 Notweg § 27 Nutzen für das herrschende Grundstück § 30 III 1; § j i II Nutzungsrechte § 33 I; § 34 I O Oberfläche des Grundstücks s. Erdoberfläche 58*
Oberirdische Gewässer, Gemeingebrauch an — § 1 II 6c Obligatorische oder dingliche Belastung § 50 I ; § 38 III 2 Obligatorisches Grundgeschäft § 3 8 1 1 Observanz § 29 N 1 1 ; § 29 III; § 36 I V Obstbäume s. Baum Offene Zeit § 52 N 37 Öffentliche Bedürfnisanstalt s. A b o r t Öffentlicher Brunnen, Grunddienstbarkeit an § 30 N 120 Öffentlicher Glaube des Grundbuchs (Katastergrenze) s. Grundbuchglaube Öffentliche Häuser s. Bordell Öffentliche Sachen, Eigentumsbeschränkungen Einl. II Grunddienstbarkeit an § 30 III 4; §32ll — — , Ersitzung § 36 II 3 Öffentlicher Weg, Grunddienstbarkeit an § 30 III 4 , Änderung und A u f h e b u n g § 17 II 1 , Raum über § 1 II 4 u. 6 , Benutzung für Telegrafenlinien Su AI , Überbau § 24 I 2 Öffentliche Wegegerechtigkeit § 36N 66 öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen Einl. II — Nutzungsrechte § 33 I öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis §38X1 Öffnen der Fensterflügel durch fremden Luftraum s. Fensterflügel Öffnungen, unverwahrte § 43 D II 2 (N 75) Öltank § 2 N 28; §43 N 9 3 a Omnibus, Erschütterung durch § 16 N 1 6 Opinio necessitatis § 29 III 2 Örtliche Statutenkollision s. Statutenkollision Örtliches Gewohnheitsrecht § 29 I Ortspolizeiliche Vorschriften als Schutzgesetz § 43 D II 2, s. auch Polizeiliche Vorschriften Ortsüblichkeit bei Immissionen § 16 V 2 Ostpreußisches Recht, Hordenschlag §33 V Ostrheinische Rechte, Forstrechte § 34 N39 , Grenzeinrichtungen § 7 N 68 , Mastungsrecht § 34 V I 3
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Wortregister Ostrheinische Rechte, Pferchrecht § 33 N54 , Waldweide § 33 N 96 , Wiesenheide § 33 N 93 P Pactum intuitu fundi initum § 30 I (N 13) Pächter s. Mieter Parken als Gemeingebrauch § 1 II 6 b Parzellierung des herrschenden Grundstücks s. Teilung Passivlegitimation für die Besitzklage § 40 II 2 u. 3 — für die Eigentumsfreiheitsklage § 38 IV 2 Personalservitut irreguläre § 30 N 1 1 7 Persönliche Dienstbarkeit, Unterschied von der Grunddienstbarkeit § 30 I Petroleum, Durchsetzen des fremden Erdreichs mit § 38 N 73 Pferchrecht (Pferchgeld) § 33 V Pflanze, wesentl. Bestandteil § 2 I —, Abstand § 22 Pflegliche Ausübung s. schonende Ausübung Pflügen bis zur Grenze § 20 N 2; § 28 III u. I V —, Wenden des P. § 28 III u. § 30 N 22 Pflugwenderecht § 28 III, als Servitut § 30 N 22 Photographische Abbildung fremden Eigentums § 3 8 1 1 e Pilzkeime, Zuführung von § 16 N 27; § 38 N 3 Planke als Grenzeinrichtung § 7 I 5 u. N 67 u. 68 Polizeiliche Vorschriften, bei Zuwiderhandeln gegen P. V. kein Abwehranspruch § 3 8 I 1 f —, Schutzgesetz § 43 D II 2 Polizeiliche Genehmigung enthebt nicht der Pflicht zur eigenen Prüfung § 43 N55 Pollsorenholz § 34 N 34 Pommersches Recht, Forstrechte § 34 N39 , Grundstücksscheidungen § 1 1 N. 22 Krankes Vieh § 33 N 84 , Mastungsrecht § 34 N 57 , Wald weide § 33 N 96 Praesentes, Begriff § 36 N 99
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Precario § 36 II 5 u. N 143 Preissteigerung § 43 N 22 Preußisches Landrecht s. Allgemeines Landrecht Prima-facie-Beweis § 43 B (N 12) Privatrecht, Wille ein Privatrecht auszuüben (Ersitzung) § 36 N 66 Privatrechtsverhältnis § 38 X 1 Pulverfabrik, s. Explosion Q Quasipossessio an Grunddienstbarkeiten §42 A Qui iure suo utit, nemini facit iniuriam § 38 I i b R Raffholz § 34 N 32 Rain als Grenzeinrichtung § 7 I 5 u. III 2 u. N 7 7 — Hinüberdrücken eines § 17 II Ratten, Belästigung durch § 16 N 33 Raubbienen § 16 N 135 Rauch, Belästigung durch § 16 N 12 —, schädliche Einwirkung auf Bäume § 16 N 59 Räumliche Begrenzung des Eigentums § 1 Raum über und unter der Erdoberfläche § 1 II 2 Raupen § 3 8 N 3 ; §43 D U 2 Reallast, Unterschied von der Grunddienstbarkeit § 3 0 N 130 u. 147 u. 152; §34lII(N5a) —, Zusammentreffen mit Grunddienstbarkeit § 31 V I I Reblausplage § 38 N 3 Rechtholz s. Holzbezugsrecht Rechtsüberzeugung s. Überzeugung Reichsgaragenordnung § 18 II 3 Reichsnaturschutzgesetz § 1 II 6d Rei vindicatio § 38 I Reihe (Häuserreihe) § 7 N 6 u. N 20; § 7 III 2 u. V Reklamekasten § 1 II 2 Reklametafeln § 1 II 3; § 16 N 25; § 38 N 19 Rekognitionsgebühr § 36 N 71 Reparatur, Pflicht zur R. baufälliger Gebäude § 19 II 3 Rheinisches Recht, Ersitzung von Grunddienstbarkeiten § 36 II 2 u. 6
Wortregister Rheinisches Recht , Fenster- und Lichtrecht § 25 D , Forstgerechtigkeiten § 34 N 39 , Geltungsbereich Einl. I , Gemeindeholzung § 3 4 I V , Grenzeinrichtungen § 7 IV , Grunddienstbarkeiten an Staatsgut § 30 N 1 1 9 , Konfusion von Grunddienstbarkeiten § 37 B 3 , Pflanzenabstand § 22 1 1 , Rechtsgeschäftlicher Erwerb von Grunddienstbarkeiten § 3 5 1 ; § 3 6 1 , Schädliche Anlagen § 18 I , Stockwerkseigentum § 3 I 7 , Verjährung von Grunddienstbarkeiten § 37 N 63 , Waldweide § 3 3 N 96 , Weiderechte § 33 III , Widmung von Grunddienstbarkeiten § 36 I 4 (nach N 41) , Zweigüberhang § 21 III 1 Richtweg § 36 N 71 Risse in einem Haus § 1 9 ; § 2 0 1 2 u. 3; § 39 N 63; vgl. Erschütterungen Rohrbruch § 17 N 36; § 38 N 72; § 43 N 2 u. 125 Rohrleitung, Eigentum an § 2 1 und N 1 1 a; Grunddienstbarkeit § 3 o N 3 5 ; § 31 V —, unterirdische, Notservitut § 27 II
(NJ9)
Rohrpostbetrieb § 43 D III 2 b Rollfilmautomat § 1 N 67 a Rübenbahngerechtigkeit § 31 N 37 Ruinengrundstück § 19 I I I ; § 38a Rundfunk s. Funkanlagen Ruß, Belästigung durch § i 6 N i 3 ; §43 Dllia Rute (Ruthe) § 22 N 13 a S Sachschaden § 39 N 56; §39 III 2 Sachsenrecht (Gemeines und Partikularrecht), Forstrechte § 34 N 39 —, Hordenschlag § 3 3 N 49 —, Hütezeit § 33 N 91 —, Schaufelschlagsrecht § 28 II —, Traufrecht § 26 N 4 —, Waldweide § 33 N 96 Sand, Belästigung durch § 16 N 18; §43 N41
Schaden, Begriff § 43 A u. B Schädigung bedeutet noch nicht Beeinträchtigung § 38 I 1 u 2 Schadenersatz § 43 — bei Baufälligkeit § 19 II 3 — bei Immissionen § 43 D II 1 b u. III — wegen Verzugs § 43 D I — wegen drohender Eingriffe § 43 C II — ohne Verschulden § 43 A u. D I I I —, Unterschied von Schadloshaltung § 39 H I
—, Eigentumfreiheitsklage geht nicht auf Sch. § 43 A Schädigungsabsicht bei Rechtsausübung § 13 Schadensverursachung, hypothetische § 14 N 43 a u. 44 Schadloshaltung, Begriff § 39 III. Schäfereigerechtigkeit § 33 IV. Schäfereirecht s. Weiderecht. Schäfereistabrecht § 33 I V Schallwellen, Belästigung durch, s. Lärm Schamgefühl, Verletzung des § 38 N 17 Schatten, Beschattung § 17 N 3 1 , s. Licht Schaufelschlagrecht § 28 II Schaukästen über dem Bürgersteig § 1 N54 Scheidemauer § 1 1 ; s. auch Kommunmauer Scheidungen § 11 Scheinbestandteile § 2 N 17 Scheinwerfer, Belästigung durch § 16 N 25 Schiebekarren s. Schubkarren Schirnengerechtigkeit des Frankf. R. §316
Schießen, Belästigung durch § 16 N 15 u. 47 u. 60; § 38 N 15 u. X 2 Schießplatz s. Schießen Schießpulver s. Explosionsgefahr Schikanöse Rechtsausübung § 1 3 Schimpfen nicht notwendig Verbotshandlung § 36 N 88 Schlachthaus, Schlächterei § 39 N 18 Schlagbaum als Verbotszeichen §36 N 88 Schlesisches Recht, Hütezeit § 33 N 92 , Schäfereigerechtigkeit § 33 N 38 Schleswig-Holsteinisches Recht, Ersitzung von Grunddienstbarkeiten § 36 I I 6d
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Wortregister Schleswig-Holsteinisches Recht .Fenster- und Lichtrecht §25 E V , Hammerschlagsrecht § 28 I , Hütepflicht § 33 N 85 , Stockwerkseigentum § 3 I 3 , Weiderechte § 33 N 83 Schlucht s. u. Reihe Schmiede, Belästigung durch § 16 N 12 u. 86 Schnee, Eindringen von § I 6 N 2 8 ; § 1 9 N 12; § 38a Schonende Ausübung der Grunddienstbarkeiten § 31 III Schonwald § 22 a, 2 Schornstein, Einsturzgefahr § 1 9 I l i b (N 12a) —, Entziehung der Zugluft § 3 8 I 1 e —, s. Funken Schriftlichkeit der Bestellung ein. Grunddienstb. nach A L R § 36 I 3 Schubkarren, Gehrecht gibt keine Befugnis zum Fahren mit Sch. § 32 N 13 Schuh § 22 N 5 a Schuldübernahme § 3 5 N 2 6 ; §38 N 150 Schuppen kein Gebäude § 24 N 12 Schutthalden als Anlage § 17 N 27 Schuttkriechen § 17 N 27 Schutzgesetz, Verstoß gegen § 43 D II 2 Schutzwaldung § 22 a, 2 Schwamm (Hausschwamm), Beseitigungspflicht § 38 N 3 Schwärmenlassen von Bienen s. Bienen Schwein, Weide in Waldung § 34 V I 3 Schweinestall, Belästigung durch § 16 N 1 1 u. 15 Schwengelrecht § 28 III Selbstgeschosse § 16 N 133 Selbsthilfe § 14 I Senkgrube s. Dungstätte Servitus s. auch Grunddienstbarkeit — altius non tollendi § 37 N 66 •— aquae haustus § 30 N 29 — cloacae § 30 N 40 — continua, discontinua § 30 II; § 36 N98 — fluminis immittendi § 30 N 39 — fundo utilis esse debet § 30 III 1 ; §31 N151 —, in faciendo consistere nequit § 30 III 6 c — latrinae § 30 N 40
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Servitus — luminum § 30 N 82 — ne luminibus officiatur § 30 N 55 — navigandi § 30 N 25 — ne prospectui officiatur § 30 N 55 —• ne ventus excludatur § 30 N 62 — non altius tollendi § 30 N 55 — oneris ferendi § 30 N 45; § 37 N 68 — pecoris ad aquam appulsus § 30 N 31 — proiciendi § 30 N 33 — prospiciendi§ 30 N 57 — protigendi § 30 N 33 — quia nihil interest, non valet § 31 N 9 — rustica § 30 II 1 — servitutis esse non potest § 30 N 8 — stillicidii § 26 I; § 3 o N 3 9 — tigni immittendi § 30 N 45 — tignum immissum habendi § 30 N 45 — urbana § 30 II Servitutes apparentes §30 II; §36 N 4 4 — continues § 30 II; § 36 N 44 Servitut s. Grunddienstbarkeit Servitutberechtigter s. Grunddienstbarkeitsberechtigter Setzkontrakt § 33 N 66 Sicherheit künftiger Einwirkung § 17 II 3 Sittenwidrige Schädigung § 43 D II 3, s. auch Schikane Sozialer Zweck einer Dienstbarkeit § 30 N 92 — Gebrauch des Eigentums § 38 I 1 c Spechtholz § 34 N 33 Spezifische Betriebsgefahr § 43 N 123 Sportplatz, Belästigung durch § 38 N 232 Sprengstoffabrik § 43 D III 2 b u. N 98, 100 u. 101 Sprengstoffe s. Explosion Sprengung s. Explosion Staatliche Hoheitsrechte § 38 X Stabrecht (Schäferei) § 33 N 4 7 Standsicherheit bei Abgrabungen § 20 I 3 Statutenkollision, örtliche, bei Abstand von Anlagen § 17 N 3 —, —, bei Abstand von Pflanzen § 22 I —, —, bei Uberbau § 24 V —, —, bei Vertiefungen § 20 N 54 —, zeitliche Einl. III Stauanlage § 17 II 1 (N 16) — für Wassertriebwerke § 39 N 1 —, Grunddienstbarkeit § 30 N 36
Wortregister Staub, Belästigung durch § 16 N 17 Stauvorrichtung s. Stauanlage Steigerung des Bedürfnisses bei Grunddienstbarkeiten § 31 II Steinbrechen, Recht zum § 30 N 1 2 Steinbruch als Werk § 19 N 5 Steine, Werfen auf fremdes Grundstück § 38 N 181 Steinhalde s. Halde Steinsplitter, Belästigung durch § 16 N 19 Steinwall § 7 N 30 Stellvertreter, Ersitzung durch § 36 N 72 —, Passivlegitimation § 38 N 190—192 Stettiner Recht, Fenster- und Lichtrecht §25 E V I 4 Stillschweigende Bestellung von Grunddienstbarkeiten § 35 II — Erlaubnis des Eigentümers (Verzicht) §38 1 1 1 2 Stillschweigender Vertrag § 3 8 III 2 über Kommunmauer § 8 IV 3 Stockholzrecht § 34 V I 1 Stockwerk, Aufsetzen eines § 31 N 39; § 38 I i e Stockwerkseigentum § 3 —, Untergang des Hauses § 3 N 12 Störer § 38 IV 2 Störung des Eigentums s. Beeinträchtigung Störungsklage s. Eigentumsfreiheitsklage u. Besitzstörung Strafanzeige als Besitzstörung § 40 N 26 Straße § 24 I 2; s. öffentlicher Weg —, Uberbau § 24 I 2 —, Veränderung § 17 N 1 1 u. 32 —, Wegegerechtigkeit § 30 I I I 4; § 32 Straßenanliegerrecht § 1 II 6 b; § 17 N 1 1 Straßenanschluß als Anlage § 17 N 21 Straßenbahn § 1 1 1 4 ; § 1 5 N 2; § 1 6 N 15 u. 42 —, Haltevorrichtungen § 1 II 4 Straßengesetze § x II 6b Strauch auf der Grenze § 1 2 —, Grenzabstand § 22 Streitwert bei der Eigentumsfreiheitsklage § 38 V I I (N 207) Streurecht § 34 V I 2 Strohwisch als Besitzhandlung § 40 N 16 — als Verbot § 36 N 88 Stromeinwirkungen § 15 N 2; § 1 6 N 30
Stütze, Entziehung der, s. Vertiefung Superficies § 3 I ; § 4 III 4 u. N 16 —, Unterschied von der Grunddienstbarkeit § 3 I u. N 8 — solo cedit § 2 I I ; § 7 III 3; § 8 I I I I T Tannenzapfen, Aneignungsrecht § 23 N 14 Tankstelle § 1 N 67a; § 16 N 86 Tantum praescriptum quantum possessum § 36 II 4 Tauben, Eindringen von § 16 N 32 Taubenschlag als Anlage § 17 II 1 Teich, Miasmen aus einem T. § 38 N 3 —, Froschgequacke § 16 N 1 5 ; § 38 N 41 Teil s. Bestandteil Teilbesitz § 40 I Teilung des Grundstücks § 1 I ; § 3 o N 5 2 — eines Gebäudes in waagrechter Richtung s. Stockwerkseigentum und Wohnungseigentum Teilung des berechtigten und belasteten Grundstücks § 1 I ; § 31 V I I I ; § 34 I V —, Vereinbarungen über Dienstbarkeit _§ 31 V I I I 5 Teilweises Erlöschen einer Grunddienstbarkeit § 37 B 4 u. N 50 Tektonische Verschiebungen § 1 III 1 u. N99 Telegrafen- und Telefonanlagen, Verpflichtung zur Duldung § 1 5 Telegrafen- und Telefondrähte § 1 N 3 3 ; §15 Telegrafen- und Telefonständer § 1 I I 4; § 15 N 45 Telegrafenwegegesetz § 15 Telegrafie, drahtlose, s. Funkanlage Tenne Entziehung, der Luft § 17 N 3 i , s. auch Luft Tiefe, in welcher eine Einwirkung vorgenommen wird § 1 II 3 Tieferlegung der Oberfläche d. Grdst. § 17 II 1 u. N 1 1 ; s. auch Vertiefen titulus § 36 N 18; § 36 II 3 (N 60) Ton s. Bodenbestandteile Tor s. Türe Torfstich, Recht zum § 3 0 N 1 2 ; § 3 1 N 89, s. auch Bodenbestandteile Tramrecht § 30 N 45; § 37 N 68
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Wortregister Translativer Titel § 36 N 60 Traufdach § 26 I Traufrecht § 26 — als Grunddienstbarkeit § 26 I ; § 30 N 3 9 ; § 3 1 N ft Treiben von Vieh § 30 N 23; § 31 N 77 s. auch Wegegerechtigkeit Trepprecht § 28 IV Triebrecht § 30 N 23; § 31 N 77 s. auch Wegegerechtigkeiten Trierer Recht, Grenzeinrichtungen § 7 N 60 u. 63 , Schädliche Anlagen § 18 I 1 Tropfenfall § 26 — als Besitzhandlung § 40 N 18 — als Dienstbarkeit § 26 I ; § 30 N 39; § 31 N 54 Trümmergrundstück § 19 III; § 38a Trüpfe s. Traufrecht Türe, Anbringung einer Türe bei Wegegerechtigkeit § 31 III u. N 100 u. 101 — als Anlage § 17 N 21 Tunnel § 1 N 50 u. 58 U Überbau § 24 —, Analoge Anwendung der Bestimmungen über Ü. § 24 V I I —, Anbauten als § 24 I 2 u. 4 —, Eigengrenzüberbau § 24 I 2 u. V I I 1 •—, Erhöhung § 24 N 80 —, Erlaubnis zum Ü. § 24 I 5 —, Erweiterungsbau als § 24 I 2 u. 4 —, Gefährdung des Nachbarbaues § 43 N47 —, Grundbuchliche Behandlung § 24 V I —, Kapitalabfindung § 24 IV — wenn bei Errichtung des Überbaus die später getrennten Grundstücke in einer Hand waren § 24 V I I 1 —, Rente § 24 III —, zeitliche Statutenkollision § 24 IV —, Zwischenbau, kein § 24 I 2 — über öffentlichen Straßen § 24 I 2 — auf eigenem Grundstück § 24 V I I 1 Überbauung der durch Grunddienstbarkeit festgesetzten Bebauungsgrenze § 24 V I I 2 Überfall von Früchten § 23 Überfliegen von Grundstücken s. Flugzeug
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Übergreifende Jalousien § 1 II 2 Übergreifende Läden § 1 II 2 Überhängen von Zweigen § 21 Überlaufspeicher § 2 N 28 Überragende Gesimse § 1 II 2 Überragender Giebel § 1 N 67 c; § 24 N 27 u. 29; § 2 6 1 ; §36 N 7 5 Überschreiten der Grenze s. Grenzüberschreitung Überschwemmung, dauernde, eines Grundstücks § 3 N 14 , des dienenden Grundstücks § 37 N14 Überwinterungsfuß § 33 N 73 u. 77 Überzeugung der Rechtsausübung bei Ersitzung § 36 N 66 Uferabriß § 2 III Umfang der Dienstbarkeit § 36 II 4 Unerlaubte Handlung § 43 D II Unkraut § 16 II 5 Unmöglichkeit der Beseitigung einer Beeinträchtigung § 38 N 79 Unschädlichkeitszeugnis § 1 I; § 37 A 1 Unteilbarkeit der Grunddienstbarkeit §31 V i l l i ; § 37 N 50 Unterbrechung des Besitzstandes § 36 II 3 Untergang eines Gebäudes, Einfluß auf Dienstbarkeiten § 30 N 95 u. 1 0 5 ; § 31 N 5 3 ; §37 A 8 Untergrundbahn § 1 II 4 Unterhaltung der Anlage bei Dienstbarkeit s. Anlage Unterirdische Kabel durch fremden Boden § 1 N 52; § 2 N u , Notservitut § 27 II (N 5 9) Unterirdischer Wasserlauf s. Grundwasser Unterkellerung eines Hauses § 20 N 4 Unterlassung, Verzug mit U. § 43 D I — weiterer Beeinträchtigung § 3 8 II 2 Unterlassungsanspruch geht auf Leistung § 38 II 2 —, Wegfall des § 38 N 103 fr. Unterlassungsklage geht nicht auf Vorkehrung bestimmter Maßregeln § 38 II 2a —, Zwangsvollstreckung § 38 II 2 b Ununterbrochener Besitzstand § 36 N 56 Unvordenkliche Verjährung § 36 III
Wortregister Unzulässige Anlagen § 17 — Rechtsausübung s. schikanöse R. Unzulässigkeit des Rechtswegs § 38 X Ursächlicher Zusammenhang § 43 B Usucapio libertatis § 37 N 55 V Veränderung s. Änderung Veräußerung während des Prozesses § 38 N 197 — einer Teilparzelle (stillschweigender Verzicht auf negatorischen Anspruch) § 38 N 138 —, stillschweigende Bestellung von Grunddienstbarkeit §35 I I ; § 3 6 1 4 Verbauen des Lichts s. Licht Verbindung, feste § 2 — einer beweglichen Sache mit einer unbeweglichen § 2 I ; § 7 I I I 3 — mehrerer beweglicher Sachen § 7 N 42 — eines Grundstücks mit öffentlichem Weg § 27 I 2 Verbot, Handeln gegen (vi) § 36 II 5 Verbotene Anlagen § 17 — Eigenmacht § 40 I V 1 Verdunkelung der Fenster s. Licht Vereinigung des herrschenden u. dienenden Grundstücks § 30 III 5; § 37 A 5; §37B3 — mehrerer Grundst. § 1 I Vergiftung von Bienen § 16 V I Verjährung des Schadenersatzanspruchs § 43 C 5 u. D III 2 (Ende) —, keine V. für eingetragene Grunddienstbarkeiten § 37 A 2 —, der Eigentumsfreiheitsklage § 3 8 V I — der Grunddienstbarkeiten § 3 7 6 4 —, keine V. beim Notwegrecht § 27 II 6 —, des Schadens beim Bergbau § 44 II 9 —, s. auch Ersitzung —, unvordenkliche § 36 III Verkauf s. Veräußerung Verkehrswege, Benützung § 15 A Verlandung § 2 III Verlegung der Grunddienstbarkeit § 31 V I Verlegung unterirdischer Kabel § 1 N 52 Verletzung des Eigentums s. Beeinträchtigung Verlust der Grunddienstbarkeiten § 37 — der quasipossessio § 42 C
Vermarkung s. Abmarkung Vermessung s. Kataster Vermieter, Aktiv- und Passivlegitimation bei der Eigentumsfreiheitsklage § 38 N 1 6 8 u. 182 Vermischung von Bodenbestandteilen § 2 III Vermutung des Eigentums s. Grundbuchglaube , bei Traufdach s. Traufrecht Verpächter s. Vermieter Verschiebung der Erdoberfläche § 1 III; § 2 III — von Grundstücksbestandteilen § 2 III — von Gebäuden § 24 V I I 4 u. N 162 Verschulden § 43 D II 1 b —, keine Voraussetzung der Eigentumsfreiheitsklage § 38 I 4 u. 5 Versitzgrube s. Dungstätte Vertiefung des Bodens § 20 —, Schadenersatz § 20 II —, Statutenkollision § 20 II (Ende) Vertrag, dinglicher u. obligatorischer § 35 I 1 u. 2 — zugunsten eines Dritten § 35 N 25; § 38 N 150 Verunreinigung des Wassers s. Abwässer Verunstaltung des Landschaftsbildes § 16 N 25; § 38 N 19 Verwerfung § 1 III 2 Verzicht auf Grunddienstbarkeiten § 37 B 1 — auf negatorischen Anspruch § 38 III 2 Verzug in der Unterlassung oder Beseitigung § 43 D I —, Schadenersatzpflicht § 43 D 1 V i § 36 II 5 Viadukt § 1 N 52 Viehtränken als Dienstbarkeit § 30 N 31 Viehtreiben als Dienstbarkeit § 30 N 23 Viehweide als Dienstbarkeit § 3 3 Villenstil, Verpflichtung zur Einhaltung § 30 N 58 u. 1 1 0 Vindicatio § 38 Vizinität § 30 III 2 Vorsatz § 43 D II 1 b Vorsprung s. Dachvorsprung Vorstellungstheorie § 43 D II 1 b Vorteil der Dienstbarkeitsausübung § 30 III 1
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Wortregister Vorübergehende Einwirkung § 3 8 II i Vorteilsausgleichung § 45 C IV Vues § 25 D I 2 b W Wagen, Aufstellen auf fremdem Grundstück § 30 N 120; § 31 III Wagen auf Straßen § 30 N 120 Wald s. Forstrechte —, Gemeindewald § 3 3 1 , § 3 4 1 — Gemeingebrauch an — § 1 II 6 d —, Körperschaftswald § 34 N 2 Wald, Weide mit Schweinen § 34 V I 3 Waldbesitzer, Grundstücksbenutzungsrecht des § 28 V Waldbrand § 43 N 1 2 Waldnutzungen s. Forstrecht Wand s. Mauer Wandschrank § 7 N 85 Wärme, Belästigung durch § 4 V ; § 16 N 14 Warnungstafel § 36 N 88; §40 I i Wasser, Eindringen von § 16 II 4 Wasserbezugsrecht § 30 N 30; § 36 N 1 3 2 ; § 37 B 4 Wassergesetze der Länder § 1 II 6c; § 2 III WasserhaushaltsG. § 43 D III 1 e Wasserleitung s. Rohrleitung — als Dienstbarkeit § 31 V — als Werk § 19 N 8 —, Anwendung der Notwegvorschriften 5 27 V Wasserleitungsröhren s. Rohrleitung, Rohrbruch —, Austausch mit Gasröhren § 31 II —, Verlegung § 31 V I Wasserrecht, nachbarl. § 16 II 4 Wasserschöpfen a. Dienstbarkeit § 30 N 29 Wasserstaub, Belästigung durch § 16 N 17 u. N 40 Weg —, öffentlicher, s. öffentl. Weg —, Veränderungen an einem W. § 17 N u Wegegerechtigkeit § 30 N 2 1 ; § 3 2 —, schonende Ausübung § 31 III —, öffentliche § 36 N 66 — an öffentlichen Sachen §301114; §32ll
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Weg —, Unterhaltung des Weges § 30 III 6 —, Veränderung des herrschenden Grundstücks § 31 N I4ff. Wegegerechtigkeit —, bloßer Richtweg (zur Abschneidung) § 36 N 71 —, Anbringung einer Türe § 31 N 94—97 —, Benützung mit Kraftwagen § 32 V —, Verlegung des Weges § 31 V I Wegreißen s. Abbruch Weiderecht § 33 •—.Durchwinterungsfuß § 3 3 N 73 u. 77 —, Einschränkungen § 3 3 V I I I —, gemietetes Vieh § 33 V I I 1 —, Hirtenpflicht § 33 N 82 —, krankes Vieh § 3 3 V I I 2 —, Mithut des Eigentümers § 33 N 82 — Pferchgeld § 33 V —, Teilung der Herde § 33 N 85 —, Unzulässigkeit der Begründung § 3 3 II —, Verbot des Weidens während der Fruktifikation § 33 V I I I 2 — in Waldungen § 33 V I I I 2, mit Schweinen § 34 V I 3 —, Weidegeld § 33 V •—, Zahl des Weideviehs § 33 V I I 3 Weiher s. Teich Weinberg, Abschwemmen des Erdreichs § 20 I 5 Weinbergspfahl § 2 N 1 2 Wenderecht s. Anwenderecht Werk, Begriff § 2 N 1 5 ; § 19 II 1 a —, Bestandteil § 2 N 15 —, Einsturzgefahr § 19 Werkschuh § 26 N 16 Wert des Streitgegenstandes bei der Eigentumsfreiheitsklage § 38 V I I Wespennest, Beseitigungspflicht § 38 Nj Westfälisches Recht, Durchwinterungsfuß § 33 N 77 , Krankes Vieh § 33 N 82 , Hütezeit § 33 N 91 , Pflanzenabstand § 22 N 15 , Schäfereigerechtigkeit § 33 N 38 Westpreußisches Recht , Schäfereirecht § 33 N 38 Westrheinische Rechte , Pflanzenabstand § 22 (1)
Wortregister Widerklage aus dem Recht gegen Besitzklage unzulässig § 40 I V i Widerrechtlichkeit der Eigentumsververletzung § 43 D II 1 a Widerstreit mehrerer elektrischer Leitungen § 15 N 2 —, zwischen Grunddienstbarkeit und anderen Rechten § 3 1 V I I Widmung 5 3 6 1 4 c , s. stillschweigende Bestellung Wiederherstellung des früheren Zustandes § 3 8 1 1 1 ; § 4 3 C Wiederholung, Gefahr der § 38 II 2 Wind, Entziehung s. Luft Windfallholz § 34 N 35 Windmühle § 17 N 31 b; § 30 N 6 2 ; s. auch Luft Winkel s. Reihe § 17 N 3 1 ; § 30 N 62 Wirtschaftsbetrieb auf Bürgersteig § 24 N24 Wohnungseigentum § 3 II Wohnungsrecht als Grunddienstbarkeit § 30 N 34 Wurzeln, Eindringen von § 21
Z Zaun, Abstand § 1 1 —, Pflicht zur Errichtung § 1 1 — als Grenzeinrichtung § 7 III 3; § 9 I Zeitliche Statutenkollision s. Statutenkollision Zubehör § 2 II Zuflurstück § i l , § 2 N 9d Zuführung, Immissionen § 16 III 2 Zulässigkeit des Rechtswegs § 3 8 X Zuschreibung eines Grundst. § 1 I Zuständigkeit der Gerichte und der Verwaltungsbehörden § 38 V I I Zwang zur Errichtung einer Kommunmauer § 8 I 2 Zwangsvollstreckung aus einem Urteil auf Unterlassung § 3 8 II 2 b Zweige, Überhängen § 21 Zwischengrundstücke, gemeinschaftliche § 7 I 4; § 30 III 5 Zwischenraum zwischen zwei Häusern s. Reihe.
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Nachbarrecht • Enteignungsrecht J. Schweitzer Verlag • Berlin
MEISNER —RING
Nachbarrecht in Bayern 5., neubearbeitete und vermehrte Auflage. Früher Meisner, Das in Bayern geltende Nachbarrecht bearb. v o n Oberstlandesgerichtsrat Dr. Josef Ring Oktav. X X , 704 Seiten. 1961. Lwd. D M 54,— Der „Meisner-Ring" ist in den vielfach schwierigen Fragen des Nachbarrechts und seinen Grenzgebieten ein hervorragendes Hilfsmittel. Er zeichnet sich durch eine äußerst übersichtliche Anordnung und perfekte Beherrschung des Stoffes sowie eine präzise Sprache und erschöpfende Behandlung der täglich auftauchenden Probleme aus. Zeitschrift für das gesamte Wohnungswesen in Bayern
HODES
Hessisches Nachbarrecht erläutert v o n Oberlandesgerichtsrat Dr. Fritz Hodes. 2., erweiterte Auflage. Oktav. X V I , 182 Seiten. 1967. D M 28,— Das Werk ist vorbehaltlos eine gründliche, allen Ansprüchen der Praxis gerecht werdende Darstellung des Hessischen Nachbarrechts zu nennen. Es kann allen Gerichten und anderen Behörden, vor allem auch Gemeinde- und Baubehörden, allen Rechtsanwälten und Notaren zur Anschaffung uneingeschränkt empfohlen und dringend angeraten werden. Neue Juristische Wochenschrift
SEUFERT
Bayerisches Enteignungsrecht Kommentar zum Zwangsabtretungsgesetz v o m 1 7 . 1 1 . 1 9 3 7 und zum Gesetz über die Enteignung aus Gründen des Gemeinwohls v o m 1. 8. 1933 mit ergänzenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften v o n Rechtsanwalt Dr. Günther Seufert. Oktav. X V I , 405 Seiten. 1957. Lwd. D M 42,— Das vorliegende Werk hält mehr als sein Titel verspricht. Das Buch bringt nicht nur eine geglückte und erschöpfende Erläuterung der einzelnen Bestimmungen der Enteignungsgesetze, sondern die besondere Leistung besteht darin, daß er den Rechtsstoff der Enteignung immer in den großen Zusammenhang des Eigentumsrechts überhaupt zu stellen versteht. Die Gemeinde
Grundstücksverkehrsrecht J. Schweitzer Verlag • Berlin
PIKALO
Land- und forstwirtschaftliches Grundstücksverkehrsund Erbrecht im westlichen Europa E i n e rechtsvergleichende Darstellung. V o n D r . Alfred Pikalo, N o t a r in Düren, Lehrbeauftragter für Landwirtschaftsrecht an der Universität K ö l n . Groß-Oktav. X X X V I , 5 8 8 Seiten. 1961. L w d . D M 1 1 8 , — Das Buch stellt zweifellos ein Standardwerk dar für jeden, der sich mit dem Bodenrecht zu befassen hat. Ein umfangreiches Material in verschiedenen Sprachen ist sorgfältig analysiert worden. Schweiz. Zeitschrift f. Forstwesen, Zürich . . . ist es gelungen, auf Anhieb eine Darstellung des landwirtschaftlichen Grundstücksverkehrsrechts im westlichen Europa zu bringen, die als geglückt und für den Praktiker äußerst wertvoll bezeichnet werden kann. österr. Notariats-Zeitung, Wien
PIKALO — B E N D E L
Grundstückverkehrsgesetz K o m m e n t a r v o n N o t a r D r . Alfred Pikalo, Düren, Lehrbeauftragter für Landwirtschaftsrecht an der Universität K ö l n , und D r . Bernold Bendel, Sachbearbeiter bei der Landwirtschaftskammer Rheinland in Bonn. O k t a v . X X I V , 1 2 6 2 Seiten. 1963. L w d . D M 1 2 0 , — Man kann jedem, der sich mit Grundstückverkehrsrecht und diesem Recht benachbarten Rechtsgebieten beschäftigt, die Anschaffung dieses Kommentars nur empfehlen. Das Buch ist nicht etwa teuer, es ist preiswert. Agrarwirtschaft, Hannover Die übersichtliche Anordnung des Stoffes und ein gutes Sachregister erleichtern die rasche Orientierung auch demjenigen, der sich nicht häufig mit dem Grundstückverkehrsrecht zu befassen hat. Dt. Richter-Zeitung, Köln
Grundbuchrecht J. Schweitzer Verlag • Berlin
M E I K E L — I M H O F — RIEDEL
Grundbuchrecht Kommentar zur Grundbuchordnung. 6., neubearbeitete Auflage von Staatsbankdirektor i. R. Dr. Wilhelm Imhof und Landgerichtsrat Dr. Hermann Riedel. Lexikon-Oktav. 4 Bände. Lwd. (Abnahmeverpflichtung für das Gesamtwerk) Band I: Gesetzestexte, Einleitung, Kommentierung §§ 1—12 GBO. XXIV, 1018 Seiten. 1965. DM 208,— Band II: §§ 13—37 GBO. IV, S. 1019—2037. 1968. DM 220,— Band III, Lieferung 1: §§ 38—50 GBO. 230 Seiten. 1969. DM 52,—; Lieferung 2: §§ 51—70 GBO. 233 Seiten. 1969. DM 52,—; Lieferung 3: §§ 71—124 GBO. 298 Seiten. 1969. DM 68,—; Lieferung 4: Anhang. 577 Seiten. 1970. DM 126,—; Lieferung 5: Anhang. Erscheint im Sommer 1970 Band IV: Ergänzungen, Berichtigungen, Gesetzes-und Sachregister. Erscheint im Herbst 1970. Immer und immer wieder darf man feststellen, daß die Verfasser mit allen Kräften bemüht sind, die 6. Auflage noch mehr als die vorangegangenen auszubauen und zu vertiefen. Gerade in den vorliegenden Bänden ist gegenüber denen der Vorauflage vieles neu bearbeitet und überdacht worden. Dem Werk ist eine Reihe weiterer Auflagen unschwer vorauszusagen. Der deutsche Rechtspfleger Dieser berühmte Kommentar bedarf keines Wortes der Empfehlung. Er sollte aber auch selbst in den kleinsten Gerichtsbüchereien nicht fehlen, denn er behandelt ein oft recht schwieriges Rechtsgebiet, das auch bei dem kleinsten Amtsgericht, bei dem Grundbuchrechtspfleger und -richter fast nur auf sich selbst angewiesen sind, täglich zu bearbeiten ist. Juristische Rundschau Man muß von einem wirklich vollendeten Kommentar zum Grundbuchrecht sprechen, an dem die Verfasser des früheren Güthe-Triebel eine helle Freude haben würden. Wir dürfen die gleiche Freude haben, wir dürfen mit diesem ganz ausgezeichneten Werke arbeiten. Zahllose Beschwerden in Grundbuch- und Grundstückssachen können durch sein Studium von vornherein vermieden werden. Neue Juristische Wochenschrift
H E I T Z E R — OE S T R E I C H E R
Bundesbaugesetz mit Ausführungsvorschriften des Bundes einschließlich Baunutzungsverordnung, Hinweis auf die Ländervorschriften sowie mit Raumordnungsgesetz und Landesplanungsgesetzen Kommentar 4., verbesserte Auflage von Dr. Sebastian Heitzer, Senatspräsident a. D. beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München, und Dr. Ernst Oestreicher, Präsident des Verwaltungsgerichts München Oktav. XL, 915 Seiten. 1970. Ganzleinen DM 68 — (Sammlung Guttentag Band 255) Die verhältnismäßig schnelle Folge der Vierten Auflage auf die erst vor zwei Jahren erschienene Dritte Auflage zeigt, daß der Inhalt und der Aufbau des Kommentars, sowie die Unterteilung der einzelnen Bestimmungen des Bundesbaugesetzes in Erläuterungen, Rechtsprechung und Literaturhinweisen den Bedürfnissen der Praxis und den Erfordernissen der Ausbildung der jungen Juristen entspricht. Die Erläuterungen wurden erheblich erweitert, was die Erhöhung des Umfangs von 760 auf 915 Seiten zur Folge hatte. U. a. wurde in die Einführung eine ausführliche Ubersicht über die Beteiligung der Gemeinde an der Durchführung des Bundesbaugesetzes eingefügt; bei § 2 wurden Erläuterungen über die Frage der Ansprüche wegen unterlassener Bauleitplanung und über den Schutz des Rechts auf Planungshoheit der Gemeinde aufgenommen. Bei § 5 finden sich neuerdings Ausführungen über die Rechtsnatur des Flächennutzungsplans. Im besonderen Maße wurden die §§19 und 35, sowie der Teil „Erschließung" erweitert, handelt es sich doch um Kernvorschriften des Gesetzes. Abgesehen von der erheblichen Erweiterung des Rechtsprechungsteils wurden in die Vorbemerkung zu den Vorschriften über die Erschließung Ausführungen über die Nachfolgelasten neu aufgenommen. Einige nicht mehr aktuelle Urteile wurden aus der Rechtsprechungsübersicht entfernt. Die Neugestaltung der Baunutzungsverordnung — in Kraft seit 1.1. 1969 — hatte eine völlige Überarbeitung der Kommentierung dieser wichtigen Durchführungsbestimmung zur Folge. Den besonders ausführlich erläuternden Kemvorschriften wurden Inhaltsübersichten vorangestellt. Stichwort- und Abkürzungsverzeichnis wurden ergänzt. Das Verzeichnis der Bundes- und Landesvorschriften wurde auf den neuesten Stand gebracht; das soeben verkündete neue Bayerische Landesplanungsgesetz vom 6. 2.1970 ist bereits aufgeführt. Neu aufgenommen wurden die Verwaltungsvorschriften der Länder zur Raumordnung und zur Landesplanung.
Walter de Gruyter & Co • Berlin