Nachbarrecht in Bayern [5., Reprint 2020 ed.] 9783112316085, 9783112304815


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German Pages 722 [728] Year 1961

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
I. Abschnitt. Die räumliche Begrenzung des Eigentums
§ 1. Das Grundstück und seine Begrenzung
§ 2. Bestandteile des Grundstücks
§ 3. Stockwerkseigentum
§ 4. Das Recht an Kellern
§ 5. Die Grenze und ihre Vermarkung
§ 6. Grenzstreitigkeiten
§ 7. Grenzeinrichtungen
§ 8. Die Kommunmauer
§ 9. Erhöhung einer Grenzmauer
§ 10. Grenzbaum
II. Abschnitt Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums
A. Allgemeine Eigentumsbeschränkungen
§ 11. Schikanöse Rechtsausübung
§ 12. Notstandshandlung
§ 13. Verpflichtung Zur Duldung Von Telegrafen-und Telefonanlagen
B. Die Gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen Des Nachbarrechts
§ 14. Immissionen
§ 15. Verbotene Anlagen
§ 16. Gefahr Des Einsturzes Von Gebäuden Und Sonstigen Bauwerken
§ 17. Verbotenes Vertiefen Des Erdbodens
§ 18. Überhängen Von Zweigen. Eindringen Von Wurzeln
§ 19. Grenzabstand Von Pflanzen
§ 20. Überfall Von Baumfrüchten
§ 21. Überbau
§ 22. Fensterrecht
§ 23. Lichtrecht
§ 24. Traufrecht
§ 25. Notweg
§ 26. Anwenderecht
III. Abschnitt Grunddienstbarkeiten
§ 27. Begriff Und Wesen Der Grunddienstbarkeiten
§ 28. Inhalt Und Ausübung Der Grunddienstbarkeit
§ 29. Wegegerechtigkeiten
§ 30. Weiderechte
§ 31. Forstberechtigungen
§ 32. Erwerb Der Grunddienstbarkeiten
§ 33. Verlust Der Grunddienstbarkeiten
IV. Abschnitt. Rechtsverhältnisse Zwischen Grundeigentümer Und Bergbauberechtigten
§ 34. Das Recht Auf Die Bergbaufreien Mineralien
§ 35. Das Schürfrecht
§ 36. Das Bergwerkseigentum
§ 37. Entschädigungspflicht Der Bergbauberechtigten
V. Abschnitt: Ansprüche Wegen Beeinträchtigung Von Eigentum, Besitz Und Dinglichen Rechten
§ 38. Die Eigentumfreiheitsklage
§ 39. Die Besondere Gestaltung Der Eigentumfreiheitsklage Gegenüber Interessen Des Gemeinwohls
§ 40. Die Besitzstörungsklage
§ 41. Klagenschutz Der Grunddienstbarkeiten
§ 42. Besitzschutz Der Grunddienstbarkeiten
§ 43. Anspruch Auf Schadenersatz
§ 44. Gesetz Über Das Wohnungseigentum Und Das Dauerwohnrecht ( = Weg) Vom 15. 3. 1951 (Bvb1.1. 175)
Ausführungsgesetz Zum Bgb
Zusammenstellung Der Vorschriften Aus Dem Ausführungsgesetz Zum Bgb Für Die Ehemals Coburgschen Landesteile
Gesetzesregister
Sachregister
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Nachbarrecht in Bayern [5., Reprint 2020 ed.]
 9783112316085, 9783112304815

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Meisner-Ring

Nachbarrecht in Bayern

Meisner-Ring

NACHBARRECHT IN B A Y E R N

5. neubearbeitete und vermehrte Auflage

(früher: M e i s n e r Das in Bayern geltende Nachbarrecht) bearbeitet von

Dr. Josef Ring Oberstlandesgerichtsrat in München

19 6 1

J. S C H W E I T Z E R

VERLAG

BERLIN

Satz, Druck und Bindearbeiten: Graphische Betriebe Dr. F. P. Datterer Sc Cie. - Inh. Sellier - Freising Alle Rechte, einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten

Vorwort zur dritten Auflage Bei der gründlichen Umarbeitung und Ergänzung wurde vor allem wissenschaftliche Vertiefung erstrebt. Herrn Rechtsanwalt Dr. Heinrich Stern in Berlin sage ich auch an dieser Stelle verbindlichen Dank für die mit erteilte Erlaubnis, die Ergebnisse unserer gemeinsamen Arbeit an dem preußischen Nachbarrecht auch für das bayerische Nachbarrecht zu verwerten. Das Wasserrecht wurde ausgeschieden, um den ohnedies stark vermehrten Umfang des Buches zu entlasten. Es soll später als selbständige Abhandlung erscheinen. W ü r z b u r g , im August 1923.

Der Verfasser

Vorwort zur vierten Auflage Im Juli 1944 ist der Schöpfer dieses Werkes, Herr Justizrat Meisner, im 76. Lebensjahr verschieden. Mit ihm hat der deutsche Anwaltsstand einen seiner markantesten Vertreter, einen Praktiker und Wissenschaftler von seltenem Format verloren. In seinem Nachbarrecht, das den gründlichen Kenner der Rechtsquellen und der Rechtsentwicklung vom 19. zum 20. Jahrhundert verrät, hat er einen Schatz von Wissen und Erfahrungen gesammelt, die seinen Kollegen und den Richtern beste Dienste geleistet hat. Die vorliegende Auflage hat J R . Meisner noch durch Sammlung und Sichtung des einschlägigen Schrifttums und der Rechtsprechung zu einem wesentlichen Teil vorbereitet. Leider war es ihm nicht vergönnt, die Neuauflage seines Werkes zu vollenden. Dieses auch weiterhin der Praxis nutzbar zu machen, ist der Zweck der Neubearbeitung. Berücksichtigt wurden Rechtslehre und Rechtsprechung, soweit Veröffentlichungen vorlagen, sowie die Änderungen der Gesetzgebung. M ü n c h e n , im März 1951.

Der Verfasser V

Vorwort zur fünften Auflage Die vorliegende Auflage soll wie die früheren in den vielfach schwierigen Fragen bei der Entscheidung nachbarrechtlich widerstreitender Interessen ein Hilfsmittel und Wegweiser sein. Die zahlreichen gesetzgeberischen Maßnahmen der letzten Jahre erforderten Änderungen und Erweiterungen. Insbesondere wurden berücksichtigt die Novelle zu § 906 B G B und zur Gewerbeordnung (Ges. vom 22. 12. 59 — BGBl. I, 781), das Bundesbaugesetz vom 3. 6. 60 (BGBl. I, 737), das Wasserhaushaltgesetz vom 27. 7. 57 (BGBl. I, 1110), die Bundesverwaltungsgerichtsordnung vom 21. 1. 60 (BGBl. I, 17), ferner das Bayerische Forstrechtegesetz vom 3. 4. 58 (GVB1. 43) und das Bayer. Straßen- und Wegegesetz vom 1 1 . 7. 58 (GVB1. 147). Material aus Schrifttum und Rechtsprechung wurde an den einschlägigen Stellen herangezogen. Sach- und Gesetzesregister erleichtern die Benützung. M ü n c h e n , im Dezember i960.

VI

Der Verfasser

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort Verzeichnis der Abkürzungen I. A b s c h n i t t . Die räumliche Begrenzung des Eigentums

III XV i

§ i. D a s G r u n d s t ü c k u n d s e i n e B e g r e n z u n g I. Der Begriff des Grundstücks Abgrenzung, Teilung, Vereinigung Zuschreibung II. Erdkörper und Luftraum 1. Recht am Raum über der Erdoberfläche und am Erdkörper unter ihr 2. Ausnahmen 3. Gesetzliche Beschränkungen 4. Praktische Anwendungsfälle 5. Schadensersatzpflicht 6. Öffentlich-rechtliche Einschränkungen III. Verschiebungen der Erdoberfläche 1. Veränderungen im Innern der Erde 2. Grundstück im Rechtssinn, geographische Unveränderlichkeit .

i i 2 2 4 4 6 7 14 16 16 17 17 20

§ 2. B e s t a n d t e i l e des G r u n d s t ü c k s I. Begriff des Bestandteils 1. Wesentliche Bestandteile 2. Ausnahmen II. Vereinigung und Trennung 1. Verschiebung durch Naturereignisse 2. Rechtsgeschäftliche Veränderungen III. Ubergangsrecht

25 25 25 28 35 35 40 41

§ 3. S t o c k w e r k s e i g e n t u m Inhalt und Wesen alter Stockwerksrechte und ihre Uberleitung

42 42

§ 4. D a s R e c h t an K e l l e r n I. Keller als selbständiges Bauwerk II. Rechtsnatur alter Kellerrechte III. Erbbaurechtskeller I V . Schutz des Kellerrechts

51 51 52 53 54

§ 5. D i e G r e n z e u n d i h r e V e r m a r k u n g I. Der Abmarkungsanspruch

56 56 VII

Inhaltsverzeichnis Seite

II. Das Abmarkungsgeschäft

64

III. Wirkung der Abmarkung

66

I V . Grenzfeststellungs vertrag

68

§ 6. G r e n z s t r e i t i g k e i t e n I. Grenzscheidungsklage II. Kataster, Flur karte, Buchglaube

69 69 72

III. Grenzverwirrung

84

I V . Klaggrund, Legitimation und Urteil bei der Grenzscheidungsklage .

88

§ 7. G r e n z e i n r i c h t u n g e n I. Begriff II. Wesen der Grenzeinrichtung III. Eigentum an der Grenzeinrichtung I V . Merkmale für und gegen ein Sondereigentum eines Nachbarn . . . V . Inhalt des Benützungsrechts an der Grenzeinrichtung V I . Verwaltung der Grenzeinrichtung § 8. K o m m u n m a u e r I. Z w a n g zur Errichtung II. Rechtsverhältnis vor dem Anbau III. Ablösungsanspruch 1. Änderung der Eigentumsverhältnisse durch den Anbau 2. Grund und Höhe der Entschädigung 3. Gläubiger und Schuldner des Ablösungssanpruchs I V . Vertragsmäßiger Ablösungssnaspruch § 9. E r h ö h u n g d e r G r e n z m a u e r I. Recht der Erhöhung II. Beseitigung des Aufbaus III. Übergangsvorschrift § 10. G r e n z b a u m

91 91 97 98 106 109 115 120 121 124 130 131 135 138 141 149 149 154 155 156

II. A b s c h n i t t . Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

159

A. A l l g e m e i n e E i g e n t u m s b e s c h r ä n k u n g e n

159

§ 11. S c h i k a n ö s e R e c h t s a u s ü b u n g § 12. N o t s t a n d s h a n d l u n g I. Angreifende Notstandshandlung II. Duldungspflicht des Eigentümers 1. Einwirkungen auf Sachen 2. Gegenwärtige Gefahr 3. Unverhältnismäßig großer Schaden 4. Notstandslage

VIII

159 167 167 168 169 169 170 171

Inhaltsverzeichnis Seite

5. Selbstverteidigung des Eigentümers gegen den Eingriff entfällt . 6. Schadensersatz 7. öffentlicher Notstand § 13. V e r p f l i c h t u n g z u r D u l d u n g v o n T e l e g r a p h e n u n d anlagen

172 172 175

Telefon177

A . Benützung v o n Verkehrswegen

178

B. Rechte der Telegraphenverwaltung zur Benutzung v o n Privatgrundstüclcen

186

B. D i e g e s e t z l i c h e n E i g e n t u m s b e s c h r ä n k u n g e n

des N a c h b a r r e c h t s

.

§ 14. I m m i s s i o n e n

186 187

I. Allgemeines II. Einwirkungen 1. Sinnlich wahrnehmbar 2. Feste und flüssige Körper 3. Wasser

187 190 190 195 197

III. Voraussetzungen des § 906

198

I V . Eigene Leitung unzulässig

200

V . Kein Verbietungsrecht des Eigentümers bei 1. unwesentlicher Beeinträchtigung 2. ortsüblicher Einwirkung 3. Verhinderung einer wesentlichen Beeinträchtigung durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen V I . Duldungspflicht als Eigentumsbeschränkung V I I . Eigentumsfreiheitsklage, Legitimation

218 220

I X . Einfluß des öffentlichen Rechts

221

§ 15. V e r b o t e n e A n l a g e n

222

I. Allgemeines

222

II. Voraussetzungen und Begriff

224

III. Anspruch auf Unterlassving einer geplanten und auf Beseitigung einer bestehenden Anlage I V . Eigentumsfreiheitsklage

II. Voraussetzungen

von

230 232

V . Ausnahme für Landesrecht

I. Allgemeines

213 215

VIII. Beweislast

§ 16. G e f a h r d e s E i n s t u r z e s werken

201 201 206

233 Gebäuden

und

sonstigen

Bau236 236 236

III. Inhalt des Anspruchs

241

I V . Haftung

245

§ 16a. T r ü m m e r g e s e t z

248

IX

Inhaltsverzeichnis Seite

§17. Verbotenes Vertiefen I. Begriffe und Voraussetzungen verbotenen Vertiefens 1. Grund und Boden als Gegenstand des Vertiefens 2. Anspruch auf Unterlassung 3. Gefahr des Einsturzes 4. Voraussehbare Gefahr 5. Anderweitige Befestigung 6. Klagantrag und Legitimation II. Schadensersatzpflicht

251 251 254 256 257 258 260 263

III. Wegreißen v o n Gebäuden

265

I V . Erhöhung der Erdoberfläche

266

§ 1 8 . Ü b e r h ä n g e n v o n Z w e i g e n . Eindringen v o n Wurzeln I. Selbsthilferecht II. Klagerecht III. Zeitliche Statutenkollision. Landesrechtliche Sonderbestimmungen für Waldgrundstücke § 19. G r e n z a b s t a n d v o n P f l a n z e n I. Voraussetzungen und Inhalt des Anspruchs II. Größe des Abstands

268 268 271 274 278 278 282

III. Ausnahmen

290

I V . Übergangsbestimmungen

291

§ 20. Ü b e r f a l l v o n B a u m f r ü c h t e n

292

§ 21. Ü b e r b a u

295

I. Voraussetzungen der Duldungspflicht 1. Gebäude 2. Grenzüberschreitung beim Bauen 3. Ausführung durch den Eigentümer oder dinglich Berechtigten . 4. Zeitpunkt des Überbauens 5. Ohne Vorsatz und ohne grobe Fahrlässigkeit 6. Objektiv rechtswidriges Überbauen 7. Widerspruch des Nachbarn II. Inhalt der Duldungspflicht

296 296 298 300 301 301 303 305 307

III. Entschädigung des Grundeigentümers 1. Überbaurente 2. Gläubiger 3. Schuldner 4. Höhe der Rente 5. Verfallzeit

311 311 312 313 314 315

6. Erlöschen des Rentenanspruchs

315

I V . Kapitalabfindung gegen Abtretung der überbauten Grundfläche . V . Zeitliche Statutenkollision VI. Konstruktion und grundbuchliche Behandlung

X

251

315 317 318

Inhaltsverzeichnis Seite

VII. Analoge Anwendung der Überbauvorschriften 1. Eigengrenzüberbau 2. Überschreitung eines privatrechtlich festgelegten Bauabstands . 3. Verschiebung der Erdoberfläche 4. Mauerausbauchung 5. Nichtiger Grundstückskauf oder Flurnummernverwechsung . .

321 322 324 325 326 327

§ 22. F e n s t e r r e c h t I. Voraussetzung der Beschränkung II. Inhalt der Beschränkung III. Zeitliche Statutenkollosion

327 328 333 336

§ 23. L i c h t r e c h t

345

§ 24. T r a u f r e c h t

353

§ 25. N o t w e g e I. Voraussetzungen des Notwegrechts 1. Nur für Grundstücke 2. Fehlen einer Verbindung mit einem öffentlichen Weg 3. Notwendigkeit zu einer ordnungsgemäßen Grundstücksbenützung II. Inhalt des Notweganspruchs. Allgemeines 1. Verlangen des Eigentümers des notleidenden Grundstücks . . . 2. Mehrere mit dem Notwegrecht belastete Grundstücke . . . . 3. Veräußerung eines Grundstücksteiles 4. Bestimmung der Richtung des Notweges durch Urteil 5. Interessenausgleich. Änderung der Benützungsart. Flurbereinigung. Verjährung III. Entschädigung des Grundeigentümers IV. Keine Kapitalabfindung

358 359 359 360 362 367 369 370 371 373

§ 26. A n w e n d r e c h t I. II. III. IV.

Begründung durch Herkommen Inhalt des Anwendrechts Unzulässigkeit einer Entstehung des Anwendrechts seit 1. 1. 1900 . Erlöschen des Anwendrechts

III. A b s c h n i t t . Grunddienstbarkeiten § 27. B e g r i f f u n d W e s e n der G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n I. Allgemeines II. Begriff III. Wesen der Grunddienstbarkeit 1. Vorteil für das herrschende Grundstück 2. Beschränkung eines Gewerbebetriebes 3. Vicinität Causa perpetua

374 375 378 378 378 382 384 385 387 387 387 390 398 398 399 401 401 XI

Inhaltsverzeichnis Seite

4. Berechtigt ist der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks. Zugunsten oder zu Lasten mehrerer Grundstücke . . . 5. A n öffentlichen Wegen 6. Gegenseitige Grunddienstbarkeiten 7. Eigentümer-Grunddienstbarkeit 8. Servitus in faciendo consistere nequit § 28. I n h a l t u n d A u s ü b u n g d e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t I. Rechtsgrundlage für altrechtliche Grunddienstbarkeiten

412 412

II. Prinzip der Utilität III. Mitbenützungsrecht des Eigentümers. Schonende Ausübung der Grunddienstbarkeit

420

I V . Veränderungen in der Ausübung

426

V . Halten einer Anlage VI. Verlegung der Dienstbarkeit VII. Widerstreit zwischen Grunddienstbarkeit und sonstigen dinglichen Rechten an demselben Grundstück VIII. Teilung des berechtigten oder belasteten Grundstücks I X . Grunddienstbarkeit ist nicht übertragbar ohne das herrschende Grundstück § 29. W e g e g e r e c h t i g k e i t e n I. Allgemeines

413

427 429 432 433 436 437 437

II. Wegerechte an öffentlichen Wegen

437

III. Wegerechte an Waldgrundstücken

441

I V . Umfang des Wegerechts

442

V . Erweiterung des Inhalts

444

VI. Unterhaltung des Weges

446

§ 30. W e i d e r e c h t e I. Abgrenzung v o n den öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten . . . II. Unzulässigkeit der Begründung von Weiderechten III. Rechtliche Natur der Weiderechte I V . Einseitige und gegenseitige Weiderechte. Koppelhut V . Das Schäfereistabrecht V I . Hordenschlag- und Pferchrecht. Weidegeld VII. Mithut des Eigentümers VIII. Art und Zahl des Weideviehs I X . Einschränkungen der Weiderechte § 31. F o r s t b e r e c h t i g u n g e n I. Begriff. Abgrenzung v o n den öffentlichen Nutzungsrechten . . . . II. Unzulässigkeit der Begründung v o n Forstrechten III. Rechtliche Natur der Forstberechtigungen

XII

402 405 405 406 406

447 447 452 454 456 458 459 460 463 467 477 477 479 480

Inhaltsverzeichnis Seite

I V . Gemessene und ungemessene Forstberechtigungen

481

V . Einschränkung der Forstberechtigungen

48}

V I . Arten

486

VII. Ablösung

490

§ 32. E r w e r b d e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n

491

A . Nach dem Rechte des B G B

491

I. Rechtsgeschäftliche Entstehung 1. Obligatorisches Grundgeschäft 2. Abstraktes Leistungsgeschäft (Einigung) 3. Eintragung II. Stillschweigende Bestellung

491 492 493 495 496

III. Gesetzliche Begründung

497

B. Nach altem Recht

498

I. Rechtsgeschäftliche Begründung 1. Obligatorisches Verpflichtungsgeschäft 2. Notarielle Errichtung 3. Stillschweigende Bestellung

498 499 499 500

II. Ersitzung

502

III. Unvordenkliche Verjährung

513

I V . Herkommen i. S. eines örtlichen Gewohnheitsrechts

515

§ 33. V e r l u s t d e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n A . Eingetragene Grunddienstbarkeiten 1. Rechtsgeschäftliche Aufhebung 2. Verjährung 3. Vereinigung des herrschenden und dienenden Grundstücks. 4. Teilung des berechtigten oder belasteten Grundstücks 5. Dauernde Unmöglichkeit 6. Zwangsversteigerung 7. Zwangsenteignung 8. Eintritt einer Bedingung 9. Wichtige Gründe nach Treu und Glauben

517

. .

B. Nicht eingetragene Grunddienstbarkeiten I. Aufhebung nach altem Recht 1.Verzich t 2. Konfusion (Konsolidation) 3. Verjährung. Nichtgebrauch 4. Dauernde Unmöglichkeit der Ausübung II. Seit Anlegung des Grundbuchs 1. A n nicht eingetragenen Grundstücken. Verzicht. Nichtausübung. 2. A n eingetragenen Grundstücken Vertragsmäßige Aufhebung Nichtausübung Konsolidation Aufgebot

517 518 518 519 520 520 521 521 521 521 522 522 522 524 524 528 528 529 530 530 530 530 530

XIII

Inhaltsverzeichnis Seite

IV. A b s c h n i t t . Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer und Bergbauberechtigten § 34. D a s R e c h t auf die b e r g b a u f r e i e n M i n e r a l i e n

531 531

§ 35. D a s S c h ü r f r e c h t

553

§ 36. D a s B e r g w e r k s e i g e n t u m

537

§ 37. E n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t des B e r g b a u b e r e c h t i g t e n

542

V . A b s c h n i t t . Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten § 38. E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e I. Voraussetzungen des Anspruchs 1. Beeinträchtigung des Eigentums 2. Positive Tätigkeit oder Unterlassung 3. Gefahr künftiger Beeinträchtigung 4. Kein Verschulden 5. Begründung des Anspruchs (bestimmte Tatsachen) II. Ziel der Eigentumsfreiheitsklage 1. Anspruch auf Beseitigung 2. Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung III. Einwendungen des Beklagten 1. Duldungspflicht des Eigentümers 2. Verjährung IV. Parteistellung für die Eigentumsfreiheitsklage 1. Aktivlegitimation 2. Passivlegitimation V. Beweirlast VI. Gerichtsstand VII. Zulässigkeit des Rechtswegs VIII. Einstweilige Verfügungen I X . Kein Schadensersatz aus § 1004

551 551 551 551 553 554 557 558 558 558 562 569 569 572 572 572 574 578 579 580 581 582

§ 39. D i e b e s o n d e r e G e s t a l t u n g der E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e g e g e n ü b e r I n t e r e s s e n des G e m e i n w o h l s

582

I. A n Stelle des Abwehranspruchs tritt der Aufopferungsanspruch . .

582

II. Beschränkung des Eigentumsfreiheitsanspruchs durch § 26 G e w O und Art. 80 A G B G B

583

III. Anspruch auf Schadloshaltung § 40. B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e I. II. III. IV.

XIV

Begriff und Wesen des Besitzes Voraussetzungen der Besitzstörungsklage Ziel der Besitzstörungsklage Begründung der Besitzstörungsklage

588 597 597 601 603 604

Inhaltsverzeichnis Seite

V . Erlöschen des Anspruchs VI. Schadensersatz

608 609

5 4 1 . K l a g e n s c h u t z der G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n I. Beeinträchtigung durch positive Tätigkeit oder durch Unterlassung. II. Ziel der Abwehrklage 1. Beseitigung der Beeinträchtigung 2. Unterlassung weiterer Beeinträchtigung 3. Schadensersatz nur bei unerlaubter Handlung III. Parteistellung 1. Aktivlegitimation 2. Passivlegitimation I V . Beweislast V . Zeitliche Statutenkollision VI. Gerichtsstand :

610 610 610 610 611 611 612 612 612 613 613 613

§ 42. B e s i t z s c h u t z der G r u n d d i e n s t b a r k e i t e n A. Begriff des Quasibesitzers an Grunddienstbarkeiten I. Sachbesitz II. Rechtsbesitz B. Erwerb des Quasibesitzes an Grunddienstbarkeiten C. Endigung des Quasibesitzes D. Schutz der Ausübung I. Voraussetzungen II. Inhalt

613 613 613 614 615 617 618 618 620

§ 43. A n s p r u c h auf S c h a d e n s e r s a t z A. Eigentumsfreiheitsklage und Schadensersatz B. Ursächlicher Zusammenhang C. Inhalt und Umfang des Schadensersatzes I. Schaden als nachteilige Veränderung der Vermögenslage II. Art der Ersatzleistung III. Konkurrierendes Verschulden IV. Vorteilsausgleichung V. Verjährung D. Gründe der Haftung auf Schadensersatz I. Verzug II. Verschulden 1. Verletzung des Eigentums nach § 823 Abs. 1 2. Verstoß gegen Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 III. Haftung ohne Verschulden- Gefährdungshaftung Aa. Haftung ohne Verschulden in der Rechtsprechung 1. Baubeschränkungen 2. Wohnungsbeschaffung

621 621 623 625 625 625 628 628 629 629 629 630 630 637 640 640 645 645

XV

Inhaltsverzeichnis Seite 646 646 646

3. Umlegungsverfahren (städtebaulich) 4. Anliegerrecht (Einschränkung des Gemeingebrauchs) 5. Bausperren Bb. Haftung und Entschädigung ohne Verschulden in Sondergesetzen . 1. Reichshaftpflichtgesetz 2. Sachhaftpflichtgesetz 3. Straßen Verkehrsgesetz 4. Luftverkehrsgesetz 5. Atomgesetz 6. Bundesbaugesetz 7. Wasserhaushaltsgesetz 8. Feldschadengesetz § 44. G e s e t z recht

ü b e r das W o h n u n g s e i g e n t u m

und

das

646 646 647 647 648 648 649 652 656

Dauerwohn657

A . Allgemeines

657

B. Dingliche Sonderrechte an Räumen

658

I. Raumeigentum II. Sondererbbaurecht

659 665

III. Raumnutzungsrecht

665

Einschlägige Gesetzestexte aus dem Bayer. Ausführungsgesetz zum B G B

. .

.

667

Zusammenstellung der Vorschriften aus dem Ausführungsgesetz zum B G B für die ehemals Coburgschen Landesteile

669

Gesetzesregister

671

Sachregister

681

XVI

Abkürzungen AAPr. AG ALR ArchBR ArchÖffR ArchZPr. AVO a. E. a. F. n. F. BadRspr. BayLR BayVGH BayZ BB BlfGrBW BVerfG BVerwG BVB1. Bekm. BGB BechMat. Begr. BGBl. BrZ Biermann BLAdmPr. Böhm-Klein Bolze Cosack Crome DAnw. Denkschrift Dernburg DJZ DJ DNotZ DRZ DRiZ DVO

= Protokolle des Justizgebungsausschusses der Kammer der Abgeordneten 1898/99 Beilagenband XX Abtl. II = Ausführungsgesetz z. BGB --= Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 == Archiv für bürgerliches Recht = Archiv für öffentliches Recht -- Archiv für zivilistische Praxis = Ausführungsverordnung = am Ende = alte Fassung -•- neue Fassung = Badische Rechtsprechung - = Bayerisches Landrecht Bay. Verfassungsgerichtshof = Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern = Betriebsberater = Blätter für Grundstücks-, Bau- u. Wohnungsrecht = Bundes-Verfassungsgericht = Bundesverwaltungsgericht = Bayer. Verwaltungsblätter = Bekanntmachung — Bürgerliches Gesetzbuch = Becher, Materialien zu den das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Nebengesetze betreffenden bayerischen Gesetzen und Verordnungen = Begründung = Bundesgesetzblatt = Britische Zone = Biermann, das Sachenrecht = Braters Blätter für administrative Praxis = Böhm-Klein, das Ausführungsgesetz z. BGB = Bolze, Praxis des Reichsgerichts = Cosack, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts — Crome, System des deutschen bürgerlichen Rechts = Dienstanweisung für die Grundbuchämter — Denkschrift z. Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs = Dernburg, das Sachenrecht des Deutschen Reichs und Preußens = Deutsche Juristenzeitung = Deutsche Justiz = Deutsche Notarzeitschrift = Deutsche Rechtszeitschrift = Deutsche Richterzeitung = Durchführungsverordnung XVII

Abkürzungen DWW Endemann Entsch. EntschFG

= = = =

Entw. Ergbd. Ermann Eymann EG FG FRG FischG Gaupp GBO GBV GewO GoldmannLilienthal Gruchot GG Ges. Nr. 39 GVB1. Habicht

= = = = = = = = = = = = = = = = = =

HansGZ Hartster-Kasimir Henle-Schneider HEZ HRR Höniger JFG Ihering JMBek. JW JZ NJW KG KGJ KRG KommProt.

= = = = = = = = = = = = = = = =

KompKG KompVO Krais Kuhlenbeck LG LiegenschG LStVG Mat. M

= = = = = = = = =

XVIII

Deutsche Wohnungswirtschaft Endemann, Lehrbuch des deutschen bürgerlichen Rechts Sammlung der Entscheidungen usw. Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Entwurf Ergänzungsband Ermann-Goerke, Handkommentar zum BGB Eymann, Wassergesetz für Bayern Einführungsgesetz Bayer. Forstgesetz Bayer. Forstrechtegesetz Bayer. Fischereigesetz Gaupp-Stein Kommentar z. ZPO Grundbuchordnung Grundbuchverfügung Gewerbeordnung Goldmann-Lilienthal, das Bürgerliche Gesetzbuch Gruchot, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts Grundgesetz G V G = Bayerisches Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit Gesetz- und Verordnungsblatt Habicht, die Einwirkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse Hanseatische Gerichtszeitung Hartster-Kasimir, Kommentar zum Bayer. Wassergesetz Henle-Schneider, die bayer. Ausführungsgesetze zum BGB Höchstrichterliche Entscheidungen in Zivilsachen Höchstrichterliche Rechtsprechung Höniger, die Grenzscheidungsklage Jahrbuch der Entscheidungen für freiwillige Gerichtsbarkeit Iherings Jahrbücher für Dogmatik Bekanntmachung des Justizministeriums Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Neue Juristische Wochenschrift Kammergericht Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts Kontrollratsgesetz Protokolle der Reichstagskommission für die 2. Lesung des Entwurfs des BGB Kompetenzkonfliktsgerichtshof Kompetenzverordnung Krais, Handbuch der inneren Verwaltung Kuhlenbeck, das Bürgerliche Gesetzbuch Landgericht Das Gesetz über das Liegenschaftsrecht in der Pfalz Bayer. Landesstraf- u. Verordnungsgesetz Materialien Motive zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs

Abkürzungen MAB1. Maennet MDR Meikel

= = =

Meikel-ImhofRiedel MinB MinE MittlBayNot. Mugdan Neumann n. F. Niebcrding-Frank

=

Niedner

=

NotG ObLG ObLGSt. Oertmann OGH

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=

= =

= =

= = =

= =

OGHSt. OTr. OldenbZ OLG OLGSt. Palandt Planck Pözl PosJMSchr. PrR PuchZ RAPr. OLG RdL RegBl. RGZ RGBl. RGR RGSt. RheinArch. ROHG Roth, BayZR SächsArch.

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= = =

Amtsblatt des Staatsministeriums des Innern Maenner, Sachenrecht Monatsschrift des deutschen Rechts Meikel, die bayerischen Ausführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuche Meikel-Imhof-Riedel, Kommentar zur Grundbuchordnung Ministerialbekanntmachung Ministerialentschließung Mitteilungen des Bayer. Notarverbandes Mugdan, die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch Neumann, Jahrbuch des deutschen Rechtes neue Folge Nieberdings Wasserrecht und Wasserpolizei im Preußischen Staate von Frank Niedner, Kommentar zum Einfuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Notariatsgesetz von 1861 Entscheidungen des Bayer. Obersten Landesgerichtes in Zivilsachen Entscheidungen des Obersten Landesgerichts in München in Strafsachen Oertmann, Bayerisches Landesprivatrecht Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für Bayern in Zivilsachen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für Bayern in Strafsachen Entscheidungen des preußischen Obertribunals (Amtl. Ausgabe) Zeitschrift für Verwaltung und Rechtspflege im Großherzogtum Oldenburg Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Entscheidungen des Oberlandesgerichts München in Strafsachen Palandt, Handkommentar zum BGB Planck, Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz Pözl, die bayerischen Wassergesetze Juristische Monatsschrift für Posen, West- u. Ostpreußen Prozeßregister Puchelts Zeitschrift für deutsches bürgerliches Recht und französisches Zivilrecht Ausschußprotokolle der Kammer der Reichsräte Rechtsprechung der Oberlandesgerichte von Mugdan und Falkmann Recht der Landwirtschaft Regierungsblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsrätekommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der preußischen Rheinprovinz Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Roth, Bayerisches Zivilrecht Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß

XIX

Abkürzungen Schelhaß Scherer Schneider SeuffA

= = = =

Schelhaß, Nachbarrccht Scherer, das Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches Schneider, das Liegenschaftsrecht in der Pfalz Seufferts Archiv für Entscheidungen der höchsten Gerichtshöfe in deutschen Staaten = Seufferts Blätter für Rechtsanwendung = v. Staudinger, Kommentar z. B G B n . Aufl.

SeuffBl. Staudinger Staudinger, Vorträge = Staudinger, Vorträge aus dem Gebiete des Bürgerlichen Gesetzbuches für Verwaltungsbeamte Stobbe = Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts StriethorstArch. = Striethorst, Archiv für Rechtsfälle des preußischen Obertribunals Turnau-Förster = Turnau und Förster, das Liegenschaftsrecht, I.Band des Sachenrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches VGHE = Entscheidungen des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs VO = Verordnung Wdg. = Vollzugsverordnung WBG = Gesetz über die Benützung des Wassers vom 28. Mai 1852 Weber = Weber, Gesetz- und Verordnungssammlung WG = Wassergesetz vom 23. März 1907 VwGO = Bundes-Verwaltungsgerichtsordnung WarnE = Warneyer, Entscheidungssammlung WestermannSR = Westermann, Lehrbuch des Sachenrechts Wolff-RaiserSR = Enneccerus-Wolff-Raiser, Lehrbuch des Sachenrechts WEG = Wohnungseigentums-Gesetz WürttJ = Jahrbücher der württembergischen Rechtspflege WürttZ = Zeitschrift für die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Gemeindeverwaltung in Württemberg ZZP = Zeitschrift für Zivilprozeß

XX

I. A b s c h n i t t

Die räumliche Begrenzung des Eigentums § i. Das Grundstück und seine Begrenzung I. D e r B e g r i f f des G r u n d s t ü c k s Der Begriff des Grundstücks ist nicht von der Natur gegeben, sondern von der Rechtsordnung geschaffen, aber auch hier nicht einheitlich verwendet. Er ist weder im B G B noch in der G B O erläutert. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch wird jeder individuell bestimmte Teil von Grund und Boden als Grundstück bezeichnet. Im Bereich des bürgerlichen Rechts versteht man darunter einen räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch auf einem eigenen Blatt ( § 3 GBO) oder im Falle gemeinschaftlicher Buchung (§ 4 GBO) unter einer besonderen Nummer des Bestandsverzeichnisses (§6 GBVerf.) als selbständiges Grundstück gebucht ist. Als amtliches Verzeichnis i. S. des § 2 Abs. 2 G B O gilt auch der Flurbereinigungsplan gem. § 81 Abs. 1 Flurber. Ges. v. 14. 7. 53 — BGBl. I 591 —, solange bis das Liegenschaftskataster berichtigt ist. Diese Begriffsbestimmung berücksichtigt nur die Erdoberfläche, nicht die darunter liegende Erdmasse und läßt außer acht, daß es auch Grundstücke gibt, die nicht dem Buchungszwang unterliegen, wie öffentliche Wege und Wasserläufe sowie die Grundstücke öffentlicher Körperschaften ( § 3 Abs. 2a GBO). Richtig wird man daher als Grundstück im Rechtssinn einen räumlich abgegrenzten Teil der in natürlichem Zusammenhang stehenden Erdmasse zu verstehen haben, gleichviel ob dieser im Grundbuch als selbständiges Grundstück gebucht ist oder ob er zu den buchungsfreien Grundstücken i. S. des § 3 Abs. 2 G B O gehört (vgl. Art. 127 E G B G B Art. 83 BayAGBGB). x ) V g l . R G Z 68, 2 5 ; 73, 1 2 3 ; 84, 270; K G J 49, 2 5 3 ; 53, 1 7 1 ; R J A n , 2 3 3 ; O L G 2 1 , 404; B a y O b L G Z 5, 4 2 8 ; BayZt. 3 1 , 160; B a y O b L G Z 1954, 262; SeufBl. 1 7 7 , 3 5 1 . 2 ) V g l . Die Motive (3, 48) sprechen von einem „mathematisch abgegrenzten Erdausschnitt".

1 Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

1

§1 I

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Im katastertechnischen Sinn spricht man von Flurstück oder Katasterparzelle und meint damit einen räumlich begrenzten Teil der Erdmasse, der von einer in sich zurücklaufenden Linie umschlossen und in der Flurkarte unter einer besonderen Nummer aufgeführt ist (§58 Abs. 2 Dienstanw. f. Vermessungsämter v. 10. 5. 43 — BayGVBl. 84 — idF. v. 1 5 . 4 . 55 — GVB1. 117) 3 ). Ein Grundbuchgrundstück kann mit einem Flurstück identisch sein (Idealfall), kann aber auch mehrere Flurstücke umfassen. Mehrere Grundstücke desselben Eigentümers können auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt eingetragen werden, solange keine Verwirrung zu besorgen ist ( § 4 GBO) 4 ), bleiben aber selbständige Grundstücke, selbst wenn sie zu einer neuen Flurnummer zusammengemessen werden5). In einzelnen Gesetzen, z-B. ReichssiedlGes. v. 1 1 . 8. 1919 nebst § 4 AusfBest. hiezu (RGBl. I, 1429) wird der Grundstücksbegriff rein wirtschaftlich aufgefaßt und deshalb die in der Hand eines Eigentümers zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßte Grundfläche als Grundstück bezeichnet6). Auf denselben Begriff stellt auch das Landwirtschaftsrecht ( K R G Nr. 45 und BayDVO Nr. 127 dazu GVB1. 1946, 180) sowie das Steuerrecht ab7). Auch Westermann (SR § 71, II) stellt dem Grundbuchgrundstück das Wirtschaftsgrundstück (§ 873 B G B ) gegenüber. Eine gewisse Bedeutung hat auch der von Schneider (SeuffBl. 76, 263) und von Meisner (SeuffBl. 77, 351) aufgestellte historische Grundstücksbegriff für die buchungsfreien Grundflächen, insbesondere in Fällen, in denen der Gegenbeweis gegen die Vermutung des § 891 B G B erbracht werden soll, daß die Katastergrenzen unrichtig seien8). Die Abgrenzung, Teilung und Vereinigung der Grundstücke erfolgt durch die Willenserklärung des Berechtigten (vgl. SeuffBl. 73, 102; BayZ 1908,405). Hiezu ist in rechtlicher Beziehung erforderlich eine Kundgebung des Eigentümers, daß er den auf der Erde gekennzeichneten Teil der Erde als Einheit aufgefaßt wissen will. Die V e r e i n i g u n g mehrerer Grundstücke (§ 890 Abs. 1 B G B ; § 5 GBO) erfordert eine Willenserklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt, daß ein bestimmter Erdausschnitt als einheitliches, selbständiges Grundstück im Grundbuch eingetragen werde (§§ 1 3j 2 9 GBO), sowie die Eintragung dieser Verbindung der mehreren Grundstücke zu einem Grundstück (vgl. R G in JW 1937, 896; BayObZ 14, 3

1 Vgl. BayObZ 54, 262. ) Vgl. K G in DR 42, 1710; OLG 39, 221. ) Vgl. K G in HRR 41 Nr. 28, BayOb. in BayZ 13, 338; K G J 49, 233; BayObZ 33, 273; Schmitt in BayNotZ 13, 210; Meikel-Imhof-Riedel Randb. 24 zu § 5 GBO. 6 ) Vgl. R G in JW 26, 2628; J F G 4> 307. ') Vgl. Scholz, Handbuch des öffentl. Rechts I, 1932 und II 1933. 8 ) Vgl. BayOb. in HRR 31, Nr. 160; J F G 8, 216; K G J 49, 233; 53, 172. 4

6

2

Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

I

342; K G J 30, 178; 31, 326; vgl. auch BayObZ 1954, 258). § 890 Abs. 1 B G B i. Verb. m. § 5 G B O hat mehrere selbständige Grundstücke im Auge. Ein Grundstücksteil (Flurstück oder Katasterparzelle) muß vorher als selbständiges Grundstück gebucht werden. Soll die Verselbständigung nur vorübergehenden Charakter haben, dann genügt es, wenn dieser Teil als „Zuflurstück" bezeichnet wird (BGH in DNotZ 1954, 197; BayObZ 1954, 258; Henke-Mönch-Horber 5. Aufl. § 5 Anm. 2; Meikel-ImhofRiedel Randbem. 75 u. 83 zu § 5 GBO). Die Verbindung mehrerer Grundflächen zu einem selbständigen Grundstück kann auch durch Z u s c h r e i b u n g (§ 890 Abs. 2 B G B , § 6 GBO) geschehen. Auch hierfür ist die Willenserklärung des Grundeigentümers gegenüber dem Grundbuchamt notwendig sowie die Eintragung der Bestandsteilszuschreibung im Grundbuch ( K G J 31, 239) B G H in DNotZ 1954, 197; BayObZ 1954, 258; K G H R R 1941 Nr. 28; Henke-Mönch-Horber Anm. 5; Meikel-Imhof-Riedel Randbem. 2; Hesse-Saage-Fischer Anm. I je zu § 6 G B O ; Richter GB-Recht 68). Der Eigentümer hat die Wahl zwischen der Vereinigung nach § 890 Abs. 1 und der Zuschreibung nach § 890 Abs. 2 B G B ; beide Verfahren unterscheiden sich in ihrer Wirkung auf (am Hauptgrundstück) bestehende Grundpfandrechte dadurch, daß sich diese mit der Zuschreibung kraft Gesetzes auf das zugeschriebene Grundstück erstrecken (§§ 1 1 3 1 , 1192 u. 1194 B G B ; R G Z 68, 82; BayOb. in O L G 20, 401; Staudinger-Seufert Randbem. 10 zu § 890; Henke-MönchHorber Anm. 5 b; Hesse-Saage-Fischer Bern. I ; Meikel-Imhof-Riedel Randbem. 29 je zu § 6 GBO). Auf dem zugeschriebenen Grundstück lastende Pfandrechte ergreifen das Hauptgrundstück nicht ohne weiteres; sie können hierauf durch besondere Willenserklärung ausgedehnt werden. Die T e i l u n g eines Grundstücks in reale Teile wird zwar im B G B nicht ausdrücklich behandelt, ist jedoch materiellrechtlich aus § 903 B G B abzuleiten und in § 2 Abs. 3 u. § 7 Abs. 1 G B O vorgesehen. Sie erfordert — ebenso wie die Verbindung und deren Wiederaufhebung -— eine Willenserklärung des Eigentümers (§§ 13, 29, BGO) gegenüber dem Grundbuchamt, daß und in welcher Weise das betreffende Grundbuchgrundstück in selbständige Teilgrundstücke zerlegt werden soll, sowie deren Eintragung im Grundbuch (vgl. K G in J W 1937, 896). Eine Belastung steht der Eintragung der Teilung ebensowenig im Wege wie es auch einer Zustimmung dinglich Berechtigter nicht bedarf. Art. 52 B a y A G FlurberGes. v. 1 1 . 8. 1954 (GVB1. 165) verlangt, daß bei Teilung im Bereich einer Flurbereinigung Wirtschaftswege für die Teilgrundstücke gesichert sein müssen. Die einzelnen Grundstücke werden gem. § 2 Abs. 2 G B O nach einem amtlichen Verzeichnis benannt, in dem sie unter bestimmten Nummern aufgeführt sind. Die in Bayern übliche Benennung nach dem Grundsteuer8

§1 II 1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

kataster nebst Katasterplan (§ 6 GBVerf. in Verb. m. R J M vom 30. 3. 1936 D J 534) ist durch V O v. 23. 1. 1940 nebst A V O v. 28. 4. 1941 (DJ 548) mit Änderung v. 20. 1. 1940 (DJ 212) u. v. 26. 1. 1942 (DJ 85) sowie durch BayJMBekm. f. 31. 3. 1952 (JMB1. 101) dahin geändert, daß nunmehr das Liegenschaftskataster als Grundlage der Benennung gilt. Als Teilung ist auch die Wiederaufhebung einer Vereinigung oder Zuschreibung zu behandeln. Das Verfahren richtet sich nach §§ 5—7 u. 46 Abs. 2 in Verb, mit § 48 GBO. Sind im Grundbuch mehrere Parzellen unter einer Nummer vereinigt, so stellen sich diese Katastergrundstücke als unselbständige (aber nicht wesentliche) Bestandteile des einheitlichen Grundbuchgrundstücks dar (vgl. O L G 43, 6). Da mehrere im amtlichen Verzeichnis aufgeführte Grundstücke auf Antrag des Eigentümers als ein Grunstück im Grundbuch eingetragen werden können, so kann ein Teil eines Grundstücks (im Sinn von Art. 120 Abs. 1 E G B G B ) auch eine einzelne ganze PI.-Nr. sein, wenn mehrere Pl.-Nr. nach § 890 B G B ein einheitliches Grundstück bilden (ObLG Das Grundstück besteht demnach aus dem durch die Grenzen festgelegten Ausschnitt der Erdoberfläche mit dem darunter befindlichen Teil des Erdkörpers. Es ist ein Körper, keine Fläche. Die Begrenzung der zum Grundstück gehörigen Erdmasse wird durch mathematische Flächen bestimmt9), die sich von den auf der Oberfläche gedachten Grenzlinien in lotrechter Richtung nach unten erstrecken, bis sie in einem Punkt, dem Mittelpunkt der Erde, zusammenlaufen. Der durch diese Flächen umschlossene, sich nach unten bis zu einer Spitze verjüngende Erdkörperteil bildet das Grundstück. II. E r d k ö r p e r und L u f t r a u m 1. Die Vorstellung eines aus dem Erdkörper herausgeschnittenen Teiles, dessen Endpunkt mit einem Mittelpunkt der Erde zusammenfällt, würde theoretisch dem Eigentümer des Grundstückes die Berechtigung geben, mit dem unter der Oberfläche seines Grundstückes gelegenen Boden bis zum Mittelpunkt der Erde nach seinem Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903). Der Gesetzgeber wollte einerseits diese Folgerung nicht verwerfen; andrerseits scheute er sich, die für menschliches Vermögen recht überhebliche Folgerung auszusprechen. Diesem Widerstreit verdanken wir die Fassung des § 905, wonach sich 9

4

) Vgl. Monich, JherJ. 38, 178. Über Wassergrundstücke s. RG. 53, 98.

Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

II 1

das „Recht des Eigentümers" eines Grundstückes auf den Raum über der Erdoberfläche und den Erdkörper 10 ) unter der Erdoberfläche „erstreckt". Der L u f t r a u m als solcher und die f r e i e L u f t sind nicht Bestandteile des Grundstücks wie ein Bauwerk und können nicht als Gegenstand des Eigentums betrachtet werden, unterstehen jedoch der Machtbefugnis des Eigentümers des Grundstücks (vgl. Prot. II 3 S. 12 2, wo von Befugnissen des Eigentümers gesprochen wird, um nicht ein Eigentum am Raum anzuerkennen). Dagegen ist ein Eigentum an der festen Masse des Erdkörpers bis zu einer gewissen Tiefe für die Rechtsordnung unentbehrlich. Das „Recht des Eigentümers" ist der übergeordnete Begriff. Unter ihn fallen das Eigentum am Erdkörper 1 1 ) und die Machtbefugnis am Luftraum, insbesondere das Recht (innerhalb der Schranken des § 903 BGB), in die T i e f e zu bauen, unterirdische Anlagen (Keller) zu errichten und Bodenbestandteile sowie Wasser zu entnehmen, ferner in die H ö h e zu bauen und die im Luftraum wirkenden Kräfte (z.B. Sonne, Wind elektr. Energie usw.) auszunützen (vgl. R G in H R R 1926 Nr. 1938 und J W 1928, 502; Gebhard in BayZ 1923, 201). Dieses R e c h t am L u f t r a u m erschöpft sich in der Befugnis zur Ausnützung des Luftraums, soweit sie vom Grundstück aus und in Verbindung mit diesem ausgeübt werden kann, sowie in dem Recht solche Einwirkungen zu verbieten, die die Benutzung des Luftraums und des Grundstücks beeinträchtigen (Niemeyer, 31. DJ-Tag Bd. 2,39). Im übrigen ist dem Recht des Grundstückseigentümers, soweit das „nach Belieben Verfahren" (§ 903) in Betracht kommt, grundsätzlich keine Schranke hinsichtlich der Höhe oder Tiefe gezogen. Die andere Seite des Rechts des Grundstückseigentümers, Einwirkungen zu verbieten, wird jedoch eingeschränkt durch die Bestimmung in 10 ) Der Ausdruck „Erdkörper" ist ungenau; auch unterirdische Höhlen und Gewässer gehören dazu; vgl. Gierke DPrR. II § 123 Anm. 3 ; R G i n Z Z i 9 2 5 , 7 i 5 . — Auf das Bergwerkseigentum findet § 905 keine Anwendung. Art. 47 bayer. BergG erklärt lediglich die Vorschriften des B G B über den Erwerb des Eigentums und die Ansprüche aus dem Eigentum für anwendbar; vgl. die auf Grund des (mit Art. 47 bayer. BergG übereinstimmenden) § 50 Abs. 3 preuß. BergG ergangenen RGEntsch. 73, 304; 87, 400). u ) Theoretisch steht der ganze Erdausschnitt bis zum Mittelpunkt der Erde im Eigentum des Grundstückseigentümers. Praktisch wird diese Theorie nur insoweit, als man tatsächlich in der Lage ist, auf die Bestandteile des Erdkörpers einzuwirken. Unabhängig davon und daneben besteht das Gewinnungsrecht an den dem Bergbau vorbehaltenen Bodenbestandteilen. Diese stehen auch schon vor der Verleihung des Bergwerkseigentums nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers und diesem steht als solchem auch kein Gewinnungsrecht hierauf zu. Es handelt sich also um zwei Rechte verschiedenen Charakters am Erdkörper (vgl. R G vom 24. 10. 1888 in Brassert Z. f. Bergrecht 30, 105): Das Eigentumsrecht des Grundeigentümers, das die ganze Erdrinde durchzieht, insoweit ihre Teile nicht dem Bergbau vorbehalten sind, und das Gewinnungsrecht auf die dem Bergbau vorbehaltenen Teile. Dieses steht demjenigen zu, dem das Bergwerkseigentum verliehen ist und vor der Verleihung niemand.

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§1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

112

§ 905 S. 2 B G B , wonach der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er k e i n I n t e r e s s e daran hat, sie auszuschließen. 2. Dem Recht des Grundstückseigentümers untersteht grundsätzlich alles, was über oder unter der Erdoberfläche mit dem Grund und Boden fest verbunden ist. Eine A u s n a h m e gilt für Gebäude oder Anlagen, die nicht B e s t a n d t e i l e des Grund und Bodens geworden sind, weil sie nur zu einem v o r ü b e r g e h e n d e n Zwecke errichtet oder in Ausübung eines dinglichen Rechts (z.B. Dienstbarkeit, Nießbrauch, Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht) vom Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind (§95 BGB) 1 2 ). In solchen Fällen wird dem Eigentümer des Gebäudes oder der Anlage auch das Recht auf den Luftraum über den Gebäuden einzuräumen sein, soweit sich nicht aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zwischen Grundstückseigentümer und Berechtigten (Gebäudeeigentümer) etwas anderes ergibt. In aller Regel wird der Grundstückseigentümer kein Interesse (§ 226) haben, dem Gebäudeeigentümer den Luftraum streitig zu machen. Inwieweit der Erdkörper unter dem Gebäude oder der Anlage für den Grundstückseigentümer noch verwertbar ist, hängt von den konkreten Verhältnissen ab. Inhalt des dinglichen Rechts wird idR nur das Errichten und Halten des betreffenden Bauwerks sein. Das Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers am Erdkörper unter dem Gebäude bleibt bestehen, soweit es nicht ausdrücklich bei der Bestellung des dinglichen Rechts aufgegeben worden ist. Das gilt auch hinsichtlich eines auf Grund eines E r b b a u r e c h t s errichteten Bauwerks. Bei den auf Grund des W E G errichteten Gebäuden sind die Wohnungs- oder Teileigentümer selbst Miteigentümer am gesamten Grund und Boden und haben daher alle Rechte über den Erdkörper, unter dem Gebäude und den Luftraum darüber in Miteigentümergemeinschaft gem. §§ 10 ff. W E G . Der Eigentümer eines F l u ß b e t t e s hat das Recht, Einwirkungen auf das Bett, auf das darin fließende Wasser sowie auf den Luftraum darüber zu verbieten. An dem fließenden Wasser ist zwar ein zivilrechtliches Eigentum praktisch nicht denkbar. Die Machtbefugnis des Grund- ( = Flußbett-) Eigentümers erstreckt sich jedoch auch hierauf ähnlich wie auf den Luftraum über einem Grundstück. Allerdings sind dabei die besonderen wasserrechtlichen Bestimmungen über den Gemeingebrauch (Art. 26 WG) 1 2 a ) und über die eventuellen Nutzungsrechte Dritter (Wasserbenutzungsrechte, Fischereirechte usw.) gem. den Sondervorschriften des W G zu beachten. Eine den Gemeingebrauch überschreitende Einwirkung auf das Wasser kann der Flußbett-Eigentümer ebenso abwehren, wie solche auf das Grund" T V g l . O G H Z 1, 170; MDR 51, 736; Z G Trier in N J W 53, 703. ) Vgl. Anm. 14 u. § 23 WHG.

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Das Grundstück und seine Begrenzung

§ -»113

stück selbst (§§ 903 fr. BGB) 1 3 ). Die imBayWG getroffene Unterscheidung in öffentliche (Art. 1 WG), in Staatsprivat- (Art. 23 WG) und in reine Privat-Gewässer (Art. 21 WG) 1 4 ) hat für die Anwendung der §§ 903 ff. B G B keine besondere Bedeutung, da der Staat als Privateigentümer von Grundstücken grundsätzlich die zivilrechtliche Stellung eines Grundeigentümers einnimmt. Das Recht des Grundeigentümers am Luftraum erschöpft sich in dem ausschließlichen Recht auf Benützung des Luftraums, soweit es vom Grundstück aus und in Verbindung mit diesem ausgeübt werden kann. Es umfaßt das Verbietungsrecht gegen solche Einwirkungen, welche die Benützung des Luftraumes und die Benutzung des Grundstückes beeinträchtigen. Hiernach braucht sich der Grundstückseigentümer nicht das Überragen des Daches des Nachbarhauses oder eines Erkers in seinen Luftraum gefallen zu lassen, ebensowenig ein Übergreifen eines Kellers auf sein Grundstück. Die Rechte und Pflichten aus § 905 B G B gelten auch für den B e s i t z e r (Pächter) des Grundstücks 15 ). Auch der Besitzer kann gleich dem Eigentümer Einwirkungen auf das Grundstück verbieten. Nur solche Einwirkungen können verboten werden, die sich p o s i t i v gegen den Luftraum oder den Erdkörper richten. Daran fehlt es z. B., wenn durch einen Neubau auf dem Nachbargrundstück Licht und Luft, Sonne oder Wind entzogen werden 16 ). Beispiele: Der Grundstückseigentümer kann verbieten die Anlage eines Tunnels unter seinem Wohnhaus vom Nachbargrundstück aus ( R G J W 1912, 869), ebenso den Überbau eines Daches, Erkers in seinen Luftraum oder eines Kellers in den Erdkörper vgl. ( R G Seuff A 65 Nr. 241; und Nr. 454: Anbringen von Schaukästen, die in den Luftraum des Grundstückseigentümers hineinragen) vgl. auch Gruch 54, 918; O L G 18, 1 2 1 ; R G Warn 1926 Nr. 158: Die Anbringung elektr. Leitungen zur Versorgung Dritter mit Energie).

3. Im Interesse eines geordneten n a c h b a r l i c h e n Zusammenl e b e n s hat der Gesetzgeber eine Reihe von B e s c h r ä n k u n g e n des Grundeigentums, nämlich Duldungs- oder Unterlassungspflichten, als A u s n a h m e vom Grundsatz des § 905 Abs. 1 B G B festgelegt, so z.B. die Bestimmungen in § 905 Satz 2 (Duldung mäßiger Immissionen), ferner die Sondervorschriften über den Notweg (§ 917), den Überbau (§ 912) sowie den natürlichen Wasserlauf (Art. 65 E G B G B in Verb, mit Art. 12 13

) Vgl. R G Z . 92,48; 94, 35; J W 28,503. ) Das Wasserhaushaltsgesetz v. 27. 7. 1957 (BGBl. I, 1 1 1 0 ) unterscheidet nur „oberirdische" Gewässer und Grundwasser, der Entwurf zum neuen BayWG (Landt. Drucks. Nr. III 2680—10 Anlage 380) kennt Gewässer erster (Bundeswasserstraßen und die in Anlage I zum Entwurf aufgeführten Gewässer), zweiter (Gewässer von größerer Bedeutung nach Art. 3) sowie dritter Ordnung. Wegen des Eigentums an Gewässern s. Art. 4 u. 6 des Entwurfs. 16 ) Vgl. R G R Kom. Bern. 1 , Staudinger-Seufert Randb. 3 a; Planck-Strecker Bern. 7 je zu § 905; Mörsich in JheringJ. 8o, 315. " ) Vgl. R G Z 51, 254; Seuff-A 64 Nr. 225; J W 1909, 1 6 1 ; 1908 142. 14

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

u. 25 BayWassG) den Grenzabstand von Pflanzen, Bäumen und Anlagen (Art. 122, 124 E G B G B in Verb. m. Art. 62 u. 72 B a y A G B G B u. Art. 43 BayÜG). a) Die Beschränkung des Machtbereichs des Grundstückseigentümers durch § 905 S. 2 B G B beruht auf demselben Gedanken wie das Schikaneverbot des § 226 B G B , geht jedoch weiter als dieses. Für die Anwendung des § 905 S. 2 genügt schon die Feststellung, daß der Eigentümer tatsächlich kein I n t e r e s s e hat Einwirkungen zu verbieten. Es kommt auch nicht darauf an, ob er etwa ein Interesse daran haben könnte. Ebenso ist es belanglos, ob der Zweck verfolgt wird, dem anderen Schaden zuzufügen. § 905 S. 2 B G B will eine allgemeine Duldungspflicht begründen (Prot. 3, 122 u. 126). Das Interesse braucht nicht etwa ein vermögensrechtliches zu sein; auch ein ästhetisches oder wissenschaftliches Interesse kann ein Verbot begründen 17 ). Es muß sich um ein Interesse handeln, das s c h u t z w ü r d i g und irgend wie begründet ist, weil Satz 2 ganz allgemein eine Duldungspflicht auferlegt ist. Es genügt daher z.B. das Interesse, das der Eigentümer am freien durch Leitungsdrähte nicht behinderten Anblick des Himmels hat (Prot. 2, 122). Nicht begründet wäre jedoch ein allzu persönliches Interesse, wie die zwar nachweisbare und nicht zu beseitigende, aber unbegründete Angst eines Hauseigentümers, Drähte über seinem Dach erhöhten die Blitzgefahr (Prot. 3, 122 u. 126); denn das ist kein wirkliches, sondern ein nur vermeintliches Interesse. Dagegen würde das Interesse des Hauseigentümers als ausreichend anerkannt werden, wenn ein Mieter aus übertriebener Angst vor einer infolge der Drähte befürchteten Blitzgefahr ausziehen wollte. b) Schutzwürdig ist ein Interesse, das ein Grundstückseigentümer nach allgemeiner Verkehrsanschauung und nach Lage der örtlichen Verhältnisse an der Nutzung seines Grundstücks hat. Deshalb gilt schon das Interesse an einer erst in Z u k u n f t möglichen Art der Benutzung als schutzwürdig, wenn diese Benutzungsart bereits in Aussicht genommen ist, jedoch nicht jede nur denkbare Benutzung 18 ). Die Prüfung der Schutzwürdigkeit des Interesses i. S. von § 905 Satz 2 erfordert somit, auf die künftige Entwicklung der maßgebenden Verhältnisse Rücksicht zu nehmen und auch die Möglichkeit einer k ü n f t i g e n Ä n d e r u n g der Benutzungsart zu erwägen 19 ). 17

) Vgl. Meisner in J W 27, 2533; O L G 5, 383; R G in Gruch 58, 201. ) Vgl. R G Z 123, 181; 132, 398; 150, 226; J W 28, 502; BGH in N J W 57, 1396 = L M Nr. 2 zu § 905 BGB. 19 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 7 zu § 905 BGB. 1S

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c) Das Recht des Grundstückseigentümers, Einwirkungen zu verbieten, ist insbesondere ausgeschlossen durch den sog. „ G e m e i n g e b r a u c h " , d. i. die auf öffentlichem Recht beruhende, jedermann (mindestens unbestimmt vielen Personen) zustehende Befugnis, eine öffentliche Sache, wie öffentliche Straßen, Wege oder Plätze, sowie öffentliche Gewässer, Badestrand, Eisbahnen oder Anlagen, in verkehrsüblicher Weise zu benützen. Das Bundesfernstraßengesetz v. 6. 8. 1953 BGBl. I 963) bezeichnet als Gemeingebrauch das Recht jedermanns, eine B-Straße im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften zum Verkehr zu gebrauchen20). Das Eigentum des Staates oder einer öffentlichen Körperschaft an öffentlichen Wegen oder Plätzen unterscheidet sich seinem Wesen nach nicht vom sonstigen Grundstückseigentum und richtet sich grundsätzlich nach bürgerlichem Recht, insbesondere nach §§ 903 ff. B G B . Es erfährt auch die Einschränkungen durch den Gemeingebrauch 21 ). Im Wesen des Gemeingebrauchs liegt es, daß er u n e n t g e l t l i c h geduldet werden muß. Sein Inhalt und Umfang sind durch die fortlaufende Änderung der maßgebenden Verhältnisse, insbesondere durch die technische Entwicklung wesentlichen Schwankungen unterworfen 22 ). d) Eine besondere Art des Gemeingebrauchs bildet die sog. „ A n l i e g e r n u t z u n g " , d. i. die Befugnis eines an einen öffentlichen Weg oder Platz angrenzenden Grundstückseigentümers, die dem öffentlichen Verkehr dienende Grundfläche mit Rücksicht auf das räumlich nachbarliche Verhältnis in weiterem Umfang als sonstige Wegebenützer (die kein Grundeigentum am Weg haben) zu gebrauchen, z.B. zur Ein- und Ausfahrt, zur Anbringung von Reklametafeln oder Warenautomaten, zur Errichtung von Gerüsten oder Bauzäunen zwecks Instandsetzung eines Gebäudes, all dies jedoch nur insoweit als der öffentliche Verkehr keine erhebliche Beeinträchtigung erleidet23). In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, daß der L u f t r a u m ü b e r einer öffentlichen Straße (oder einem öffentlichen Platz) im Rahmen des Gemeingebrauchs genutzt werden kann. In Städten hat sich durchweg die Auffassung herausgebildet, daß insbesondere Reklameankündigungen, wie Lichtzeichen, Schilder oder Aufschriften, die in den Luftraum über einer Straße hineinwirken, als Ausfluß des Gemeingebrauchs zu dulden sind24). Dabei trifft der B G H allerdings die Unterschei20

) Vgl. Marschau BFStrG Bern, zu § 3. ) Vgl. R G Z 125,108; 131, 264; BGH in N J W 56,104. ) Vgl. B G H Z 23, 157 = N J W 57, 630; vgl. auch Gaschezian-Fink in N J W 57, 285 zur Frage des Gemeingebrauchs an Straßen. 23 ) Vgl. B G H Z 22, 395 = N J W 57, 457; B G H Z 19, 91; B G H Z 23, 157 = N J W 57, 630 = MDR 57, 670; B G H Z 21, 319 = N W J 56, 1476 = MDR 57, 149; R G in J W 28, 502; O L G Köln in J W 30, 1980; Hamburg in MDR 57, 37; L G Dessau in J W 32, 3020. 24 ) Vgl. B G H in MDR 57, 351; R G Z 132, 395; J W 30, 1961 und 1980. 21

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dung, ob eine Reklame für eigene oder für fremde Zwecke ausgeführt wird, und verlangt für letzteren Fall den Nachweis besonderer örtlicher Übung (a.A. Bettermann in den Bemerkungen dazu, der die bloße Beschriftung eines Bauzauns auch für Fremdreklame als Gemeingebrauch erachtet, weil es sich hierbei nach natürlicher Betrachtung und nach der Verkehrsanschauung um eine Benützung des Bauzauns, nicht des Luftraums handle). Hinsichtlich der A n l i e g e r n u t z u n g ist zu beachten, daß sie einen wesentlichen B e s t a n d t e i l des E i g e n t u m s am Anliegergrundstück darstellt und daß ihre Beeinträchtigung einen Verstoß gegen Art. 14 G G bilden kann, soweit nicht die Grundsätze über die Sozialgebundenheit des Grundeigentums einen Eingriff rechtfertigen. So erachtet der B G H in B G H Z 8, 273 ( = N J W 1953, 383 = M D R 1953, 288) die Anbringung eines Straßengitters zur Sicherung des Verkehrs vor einem Haus als eine zulässige, durch die Sozialbindung zu rechtfertigende Einschränkung des Anliegernutzungsrechts und versagt für diesen Fall eine Entschädigung. In B G H Z 2 3 , 1 5 7 ( = N J W 1957, 630 = M D R 57, 670) dagegen wird ein gegen Art 14 G G verstoßender ( = enteignungsgleicher) Eingriff in das Anliegernutzungsrecht eines Gaststätteneigentümers darin gesehen, daß das vor der Gaststätte gelegene, dem Gemeingebrauch gewidmete Grundstück von dessen Eigentümer einem Dritten überlassen worden ist, um dort Verkaufsbaracken zu errichten (vgl. dazu Thoma und Walter in M D R 1958, 203, die im Falle B G H Z 2 3 , 1 5 7 eine Zweckentfremdung des dem Gemeingebrauch dienenden Grundstücks sehen, während im Fall B G H Z 8, 273 die Anbringung des Straßengitters der Sicherung des Gemeingebrauchs, also der Zweckentfaltung diene). Das B V e r w G (MDR 55, 694 hat das Recht, bauliche Anlagen, auch Reklamevorrichtungen anzubringen als zum Inhalt des Grundeigentums gehörig erachtet und deshalb eine Vorschrift, durch die Werbevorrichtungen aller Art außerhalb von Grundstücken schlechthin verbietet, als ungültig erklärt, weil nicht durch Art 14 I 2 G G gedeckt. (Vgl. auch B a y V G H G V B 1 1955. 17)Eine Gemeinde braucht Lichtreklameanlagen im Luftraum über der Straße nicht zu dulden; für Lichtreklamen geringen Umfangs, die den Verkehr nicht behindern, kann sich die Duldungspflicht aus der Widmung der Straße für den öffentlichen Verkehr ergeben (RG 123, 1 8 1 ; J W 1930, 961; R G K 9. Aufl. Anm. 4 S. 195 zu § 905). Keine Duldungspflicht besteht für eine Stadtgemeinde hinsichtlich eines Vordaches vor einem Hauseingang, wenn dieses in den Luftraum über der Straße hineinragt (RG 132, 398); B G H in L M Nr. 2 zu § 905 B G B = N J W 57, 1396). Die Benutzung des Luftraums über der Straße zum Tanken von Kraftfahrzeugen kann je nach den örtlichen Verhältnissen im Rahmen des Gemeingebrauchs liegen und muß dann geduldet werden ( R G 123, 187). Die in R G 150, 216 vertretene Auffassung, daß die Straßeneigentümerin ein solches Tanken nicht unentgeltlich zu dulden brauche, wird den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht mehr gerecht; von der Überlassung einer Straße für den öffentlichen Verkehr kann das für den Kraftfahrverkehr notwendige Tanken über den Luftraum der Straße hinweg nicht ausgeschlossen werden; denn zur beschleunigten Abwicklung des Verkehrs gehört die Tankgelegenheit unmittelbar an der Straße.

Das I n t e r e s s e muß sich auf das G r u n d s t ü c k und den dazu gehörigen Rechtskreis beziehen und auf die Ausschließung der Einwirkung auf das Grundstück gerichtet sein. Deshalb gehören n i c h t hieher das Interesse einer Stadtgemeinde als Grundstückseigentümerin (einer öffentlichen 10

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Straße) an der Entrichtung einer Abgabe für die Benutzung des Luftraums zu Reklamezwecken, auch nicht der Hinweis der Stadt auf ihre Pflichten als Trägerin der Polizeigewalt, ebensowenig das Interesse an der Ausschaltung einer Konkurrenz. Daher kann eine Stadtgemeinde die Beseitigung der Drahtleitungen nicht verlangen, weil sie selbst elektrische Energie erzeugt und durch die Drähte, deren Beseitigung sie verlangt, anderen Grundstücken Strom zugeführt, ihr also Konkurrenz gemacht werde26). Dagegen kann das Recht, Einwirkungen zu verbieten, damit begründet werden, daß die fremden Drähte auf eine elektrische Leitung des Grundstückseigentümers störend wirken26). Aus der Fassung des Gesetzes „Einwirkungen ..., die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat", darf nicht gefolgert werden, daß das Interesse nur nach abstrakten Grundsätzen zu erforschen sei (so Turnau-Förster § 905 Anm. 2); denn das würde dazu führen, daß § 905 S. 2 fast nie angewendet werden könnte, weil dann jede Möglichkeit einer Beeinträchtigung durch die Einwirkung ausgeschlossen sein müßte. Die Frage, ob der Grundstückseigentümer ein Interesse hat, ist vielmehr nach den k o n k r e t e n V e r h ä l t n i s s e n zu beurteilen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß der Wegfall des Interesses d u r c h die H ö h e o d e r die T i e f e , in der die Einwirkung vorgenommen wird, v e r u r s a c h t sein muß. Der Mangel des Interesses muß in der Höhe oder der Tiefe der Einwirkung seinen Grund haben27). Es kommt somit auf die E n t f e r n u n g an, in der die Einwirkung auf den Luftraum über bzw. auf den Erdkörper unter der Erdoberfläche vorgenommen wird. Bei Einwirkungen, die innerhalb des zum Grundstück gehörenden Luftraums oder des dazu gehörenden Erdkörpers vorgenommen werden, hat der Grundeigentümer ein Interesse am Ausschluß aller Eingriffe, welche die Benutzung seines Grundstückes irgendwie beeinträchtigen, mögen sie aus noch so großer Höhe oder Tiefe stammen; denn nach § 905 Abs. 1 B G B umfaßt das Eigentumsrecht nicht nur die Erdoberfläche, sondern den ganzen Erdausschnitt darunter und die Luftsäule darüber. Innerhalb dieses Bereichs braucht der Eigentümer keine Einwirkungen Dritter zu dulden. Ausnahmen von dieser Machtbefugnis sind außer in § 905 S. 2 B G B in Sondergesetzen enthalten, so insbesondere: a) im Bundesbaugesetz v. 23. 6. 60 — BGBl. I, 737 — (s. unten § 43 D I U B 6); 25 ) Vgl. K G in J W 32,46; Gruch 58, 201; 69, 109; R G Z 1 2 3 , 1 8 1 ; B G H in L M Nr. 2 zu § 905 = N J W 57, 1369; Seuff A 71 Nr. 89; D R Z 34, 534; R G in J W 28, 703. 26 ) Vgl. R G Warn. 3 1 , Nr. 7; L Z 31, 320. 2? ) Vgl. O L G 34, 1 7 1 ; Uberragen einer Grenzmauer; Recht 1910 Nr. 4089: Uberragen von Gesimsen.

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b) auf Grund des Art. 65 E G B G B im BayWG, dessen Vorschriften bezüglich der Machtbefugnisse an Gewässern im Vorrang vor den Bestimmungen des B G B anzuwenden sind, und im Bundeswasserhaushaltsgesetz v. 27. 7. 1957 — BGBl. I, 1 1 1 0 — in Verb, mit BayÜG dazu v. 22. 2. 6028), c) auf Grund des Art. 67 E G B G B im BayBergGes. v. 13. 8. 1910 (vgl. unten §§ 34 fr.), d) im Luftfahrtges. v. 21. 8. 1936 (RGBl. I, 633)219). Bei Beeinträchtigungen die nach § 905 abgewehrt werden können, scheiden die Beschränkungen in § 9 o 6 B G B aus, wonach unwesentliche oder ortsübliche Immisionen zu dulden sind, weil § 906 nur von solchen Einwirkungen handelt, die von a n d e r e n Grundstücken ausgehen. § 905 dagegen betrifft Einwirkungen, die im Erdausschnitt (einschließlich des Luftraums darüber) vorgenommen werden, der zum Grundstück s e l b s t gehört. Gleichwohl ist auch hier der G r a d der Einwirkung sowie die V e r k e h r s a u f f a s s u n g über das Maß der Duldungspflicht von Bedeutung (vgl. R G Z 97, 27; SeuffA 71, 89; Staudinger-Seufert Randbem. 4 zu § 905). Es muß eben jede Benützungsart, die unter den gegebenen Verhältnissen ordnungsgemäß und üblich ist, sowie auch jede bereits in Aussicht genommene, wenn auch nicht ortsübliche Art der Grundstücksnutzung in Betracht gezogen werden (vgl. R G Z 59, 1 1 9 ; Recht 1908 Nr. 3615; O L G 18, 1 2 1 : hier wird eine über ein Grundstück führende Drahtseilbahn als unzulässig erachtet, weil sie der bereits geplanten Errichtung eines Gebäudes hinderlich wäre). Bei Einwirkungen in der Tiefe ist ein s t r e n g e r Maßstab an den N a c h w e i s , daß am Verbot der Einwirkung k e i n I n t e r e s s e besteht, zu legen; denn erfahrungsgemäß läßt sich schwer übersehen, welche Veränderungen infolge solcher Einwirkungen in der davon betroffenen Erdschicht, insbesondere im Grundwasserstrom eintreten können. Es kann z. B. durch die Entnahme von Grundwasser dieWasserversorgung einer Gemeinde gefährdet oder ein oberirdischer Wasserlauf zum Versickern gebracht oder durch Bauten in die Tiefe eine unerwünschte Senkung des Grundwasserspiegels herbeigeführt werden 30 ). Hier muß daher rechtzeitig durch entsprechende Gutachten klargestellt sein, ob irgendwelche Gefahren bei derartigen Ein28

) Vgl. R G Z i 5 5 > 389) Vgl. R G Z 158, 36. S. unten § 43 D III B 4. 30 ) Vgl. Prötzel, 50 Jahre Bayer. Landesstelle für Gewässerkunde, Vortrag vom 1. 10. 1948, wo erwähnt wird, daß das Grundwasser durch wasserundurchlässige Schichten in mehrere Stockwerke unterteilt sein kann. So wurde z. B. bei Ausbaggern von Kies unweit von Dachau in den Jahren 1939 fr. für Zwecke der Reichsbahn eine Tonschicht 29

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Wirkungen in der Tiefe zu erwarten sind. Nur dann, wenn dies mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen erscheint, kann das Interesse des Grundeigentümers an der Einwirkung verneint werden 31 ). Die Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Zulässigkeit der Einwirkung gegeben sind, hat derjenige, welcher die Zulässigkeit der Einwirkung behauptet32), und nicht der Eigentümer, welcher das Verbietungsrecht geltend macht; denn § 905 Satz 2 ist ein dem Recht des Eigentümers entgegenstehendes Gesetz i. S. des § 903 B G B . Dieser Beweislast hat jener zunächst Genüge geleistet, wenn er die äußeren Umstände darlegt, welche den Mangel eines Interesses für den Eigentümer erkennen lassen. Dem Eigentümer bleibt es dann immer noch anheimgestellt, ein bestimmtes Interesse zu b e h a u p t e n ; der andere hat dann auch das Nichtbestehen dieses behaupteten Interesses nachzuweisen33). Der Eigentümer eines Gebäudes, dessen Gesimse über die Grenze ragen, ist (vorbehaltlich des § 912 B G B ) zur Beseitigung verpflichtet. Auf § 905 kann er sich regelmäßig34) nicht berufen, da der Nachbar jederzeit in die Lage kommen kann, den Raum für ein von ihm zu errichtendes Gebäude in Anspruch zu nehmen35). Jeder einzelne Fall wird unter dem Gesichtspunkt des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses, d. i. unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auf den besonderen Fall des nachbarlichen Zusammenlebens, zu beurteilen sein (vgl. R G Z 167, 14; B G H Z 16, 366; M D R 51, 726 = L M Nr. 1 ( auch Nr. 2) zu § 903; Köln in B B 5 5, 367; Staudinger-Seufert Randbem. i c zu § 906; Westermann SR § 63, I ; Lent SR § 25; Palandt-Hoche 18. Aufl. Anm. 1 zu § 906). Der Eigentümer, welcher auf Grund des § 905 Satz 2 zur Duldung einer Einwirkung verurteilt wurde, kann, wenn später infolge einer Veränderung durchstoßen und dadurch eine mächtige Überflutung aller dortigen landwirtschaftlichen Grundstücke verursacht. 31 ) Vgl. B a y O b L G Z 21, 403; BayZt. 31, 267. Nach §§ 2 ff. Wasserhaushaltsges. v. 27. 7. 1957 und 29. 2. 1959 — BGBl. I 37 — in Verb. m. Art 15fr. des Entwurfs zum B a y W G hiezu bedürfen künftig alle Einwirkungen und zwar auch solche des Grundeigentümers selbst auf ober- oder unterirdische Gewässer einer besonderen Erlaubnis oder Bewilligung. Bis zum Inkrafttreten des neuen Bayer. Wassergesetzes gilt das W G von 1907 insoweit fort als es den Bestimmungen des Bundeswasserhaushaltsgesetzes nicht widerspricht. 32 ) Staudinger-Seufert Randbem. 9 zu § 905; Planck Bern. 4 zu § 905; R G in J W 1928, 503; R G 59, 120; O L G 5, 383. 33 ) Vgl. Monich in Jherings Jahrb. 38, 1 5 7 ; Rosenberg, Beweislast 1954 § 30 II 9a. 34 ) Ausnahme, wenn nach den gegebenen sachlichen Umständen mit der Möglichkeit einer Bebauung nicht zu rechnen ist. 36 ) Mit einer Bescheinigung des Eigentümers, für diesen Fall die Gesimse zu beseitigen, braucht er sich nicht zu begnügen (Recht 10 Nr. 4089).

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der Umstände ein zur Zeit der Urteilsfällung nicht vorhandenes Interesse eingetreten ist, die Vollstreckungsgegenklage des § 767 Z P O anstrengen. 4. Anwendungsfälle des § 905 Satz 2 sind z.B. Tunnelbauten36), elektrische Leitungen 37 ), Viadukte, Legung unterirdischer Kabel, Kanäle, Untergrundbahnen, Drahtseilbahnen. Auch Schaukästen, Balkons, Erker über öffentlichen Straßen können in Betracht kommen. In jedem einzelnen dieser Fälle ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 905 Satz 2 gegeben sind. Ein Recht, Gestänge auf Gebäuden (Telephonständer) aufzustellen, ist durch § 905 nicht begründet (s. unten § 13 B). Soweit die Einwirkung unter der Erde zulässig ist, wird dadurch niemals ein Recht zur Aufgrabung der Erdoberfläche zwecks Herstellung der an sich zulässigen Anlage begründet, auch dann nicht, wenn sich der Unternehmer unter Sicherheitsleistung zur Wiederherstellung verpflichtet. Das Luftverkehrsges. vom 1. 8. 1922 in der Fassung vom 2.1. 8. 1936 (RGBl. I, 653, 936) mit Änderung vom 27. 9. 1938 (RGBl. I, 1246) und vom 26. 1. 1943 (RGBl. I, 69) hat das Recht des Grundeigentümers auf den Luftraum über seinem Grundstück weitgehend eingeschränkt und die Benutzung des Luftraums für Luftfahrzeuge grundsätzlich freigegeben. § 19 des Ges. gibt dafür einen weitgehenden Schadensersatzanspruch; danach ist der Luftfahrzeughalter verpflichtet, allen Schaden zu ersetzen, den jemand (auch ein Unbeteiligter) beim Betrieb eines Luftfahrzeugs durch Unfall erleidet (Gefährdungshaftung). Der Schaden muß „beim Betrieb" entstanden, also eine adäquate Folge des Betriebs sein. Darunter fällt auch ein Schaden, den Dritte durch Herauswerfen von Gegenständen aus dem Luftfahrzeug erleiden. Dagegen besteht keine Haftung für Schäden, die bei ordnungsgemäßem Betrieb lediglich durch außergewöhnliche Empfindlichkeit des beschädigten Gegenstandes herbeigeführt wird, z. B. wenn jemand durch das einfache Motorengeräusch eines ruhig fliegenden Fahrzeugs infolge überempfindlicher Nerven erschrickt und dadurch zu Schaden kommt ( R G 133, 127 u. 350; Müller D J Z 1924, 841). Neben § 19 L u f t V G scheiden die Vorschriften der §§ 905 und 1004 B G B als Grundlage für einen Anspruch des Grundeigentümers aus. Andererseits aber hat § 27 Abs. z L u f t V G die in § 17 KraftFG vorgesehene Ausgleichspflicht noch erweitert, indem diese auf alle sonst etwa für den Schaden Verantwortliche ausgedehnt wird. Der durch eine Landung verursachte Flurschaden fällt unter § 19 L u f t V G . Der Ersatzanspruch ist gegeben für Tötung, Beschädigung der Gesundheit und des Eigentums. § 28 stellt klar, daß über die Gefährdungshaftung des § 19 hinaus im Falle schuldhaften Verhaltens des Luftfahrzeughalters oder Führers der Schadensersatzanspruch nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen (§§ 823fr. B G B ) gegeben ist. Ein 3

«) J W 1912, 869; R G Z 4, 344. ) Vgl. SchlHolstAnz. 1910, 83; SeufFA 71, 154. Über Telegraphen- und Telephondrähte s. unten § 1 3 . Benützung des Luftraums über öffentl. Wegen oder Plätzen unter dem Gesichtspunkt des Gemeingebrauchs B G H in N J W 57, 1396; R G Z 88, 40; 123, 183; 132, 399; 150, 2 2 1 ; Hamburg in M D R 57, 37; L G Bochum in N J W 54, 437; L G Berlin in N J W 54, 436; über Parken von Kfz. in öff. Straßen vgl. B a y O b L G Z 30, 465; Stuttgart in D A R 52, 62; L G Detmold N J W 52, 1057; wegen Aufstellung von Automaten vgl. Automatenges, v. 6. 7. 1934 —• RGBl. I 585; ferner H. Schmidt: Das Recht der Warenautomaten (Verlag C. Heymann Berlin 1952) u. Kretschmar: Außenwerbung u. Warenautomaten, Heft 1 1 Schriften des B B 1956. 37

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solches Verschulden kann insbesondere darin liegen, daß der Luftfahrer den Sicherheitsvorschriften über Luftverkehr nach § 63 der Y O über LuftV vom 21. 8. 1936 (RGBl. I, 659) nicht genügt hat. Luftfahrzeuge dürfen außerhalb von Flugplätzen nur landen, wenn es die Sicherheit des Flugs erfordert, d. h. wenn der Flug ohne Gefahr nicht fortgesetzt werden kann ( § § 1 2 L u f t V G und § 39 der V O hierzu). Für die durch eine Notlandung verursachten Schäden hat der Grundeigentümer nur den Anspruch aus § 19 L u f t V G und eventuell aus §§ 823 fr. B G B (vgl. R G 158, 34). Das Interesse des Eigentümers eines Wohnhauses wird regelmäßig nicht verletzt, wenn man Drähte über seinem Haus spannt; er kann dies also regelmäßig (vgl. aber oben S 6) nicht verbieten. Anders, wenn er sich auf seinem Dache einen sogen. Berliner Garten oder eine Privatsternwarte eingerichtet hat, und durch die Drähte in seinem freien Ausblick gestört wird; dies kann in letzterem Fall schon durch einen einzigen Draht bewirkt werden. Befindet sich auf einem Grundstücke ein wissenschaftliches Laboratorium, dessen Präzisionsapparate durch den oberhalb des Hauses hingeleiteten elektrischen Strom beeinträchtigt werden, so kann der Unternehmer zur Beseitigung dieser Leitungsdrähte, soweit sie durch den Luftraum des Hauseigentümers gehen, angehalten werden. Der Eigentümer eines Ziergartengrundstückes wird wohl durch eine mäßige Anzahl von Leitungsdrähten, welche sich in der üblichen Höhe befinden, regelmäßig nicht beeinträchtigt, während bei einer solchen Menge von Drähten, daß hierdurch die ästhetische Gesamtwirkung der Gartenanlage gestört wird, ein zur Rechtfertigung des Widerspruchs genügendes Interesse gegeben ist38). Auch darin liegt ein genügendes Interesse, daß infolge einer über ein Hotel geführten elektrischen Leitung möglicherweise Gäste aus Furcht vor Gefahren wegbleiben können39). Wenn sich unter meinem Grundstücke eine von diesem aus nicht zugängliche Höhle befindet, so kann ich meinem Nachbar, von dessen Grundstück die Höhle zugänglich ist, nicht verbieten, diese gegen ein Eintrittsgeld zu zeigen40). Sobald ich mir aber selbst einen Zugang zu der Höhle verschafft habe, muß dies aufhören. Die Eigentümer hochgelegener Almen haben ein Interesse an der Ausschließung eines Tunnelbaues, wenn die Gefahr besteht, daß durch die Anlegung des Tunnels eine Almenquelle versiegt 41 ). Dagegen läßt sich der Fall, daß die Fensterflügel des Nachbarhauses beim öffnen durch den Luftraum des Grundeigentümers geführt werden, zumeist nicht unter § 905 Abs. 2 B G B bringen. Denn diese Bestimmung hat eine solche Höhe im Auge, welche für die regelmäßige Benützung von Grundstücken überhaupt nicht in Betracht kommt. Anwendbar ist hier unter Umständen § 226 B G B . 38

) Vgl. KommProt. 3529 (Mugdan 3, 579); Maenner 161. ) R G 42, 210; 59, 120. ) Gosack 2, 152. Vgl. R G 28, 154: Hier ist ausgesprochen, daß die Barbarossahöhle und deren Verwertung durch Einführung von Fremden dem Grundeigentümer, nicht dem Bergberechtigten gehört. •— Das ist richtig. Das vom R G nach gemeinem Recht anerkannte Verbietungsrecht wäre nach § 905 nur dann begründet, wenn der Grundeigentümer einen von den Bergbaueinrichtungen unabhängigen Zugang zu der Höhle hat. Denn sonst hat er an der Ausschließung der Besichtigung kein Interesse. Vgl. nach Wolff SR § 5 2 Anm. 4; Staudinger-Seufert Randb. 5 a zu § 905 B G B . 41 ) Schuhmacher, Z. f. Vermessungswesen 1903, 105. Das ist beim Simplontunnel der Fall gewesen. — Das Verbietungsrecht gegenüber der Eisenbahn ist jedoch entzogen und in einen Anspruch auf Schadloshaltung umgewandelt (s. hierüber unter § 39). Infolge der Anlage des Bahntunnels Cochem-Eller ist das Wasser eines Baches unterirdisch verschwunden. Der Bahnfiskus wurde zur Entschädigung verurteilt (RG 4, 344) 39

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5. S c h a d e n e r s a t z p f l i c h t . Die Einwirkungen, die der Eigentümer gemäß §905 Satz 2 nicht verbieten kann, sind nicht rechtswidrig 42 ); denn durch § 905 Satz 2 wird der gesetzliche Inhalt des Eigentumsrechts eingeschränkt43). Deshalb kann derjenige, welcher in einer nach § 905 Satz 2 zulässigen Weise auf dieses Recht eingewirkt hat, auf Schadenersatz nur aus einem besonderen Rechtsgrunde in Anspruch genommen werden. In dieser Hinsicht kommen in Betracht: a) Verschulden des Einwirkenden (§ 823 fr. BGB). b) Fälle einer Notstandshandlung nach § 904 Satz 1 B G B ; hier kann der Eigentümer Schadenersatz gem. § 904 S. 2 verlangen auch für mittelbare Schadensfolgen (vgl. R G Z 156, 187). Der Eigentümer verliert den Ersatzanspruch nicht etwa durch ausdrückliche oder stillschweigende Duldung des Eingriffs (vgl. B G H = L M Nr. 2 zu § 904), wohl aber, wenn er den Notstand selbst verschuldet hat (vgl. B G H Z 6, 110). c) Sondergesetze, durch die dem Grundstückseigentümer die ihm an sich zustehende Abwehrklage gegen Eingriffe in sein Eigentum ausdrücklich versagt ist, z.B.: § 26 GewO oder Art. 206 u. 210 BayerBergges., wonach dem Grundstückseigentümer für allen Schaden durch Bergwerksbetrieb oder durch Schürfarbeiten ein Ersatzanspruch zugebilligt wird (vgl. unten § 37), auch wenn den Einwirkenden kein Verschulden trifft. Es finden hier die Grundsätze über Gefährdungshaftung Anwendung (siehe unter § 43 D III). d) Neuerdings gehören hieher auch die Fälle, in denen dem beeinträchtigten Grundstückseigentümer eine Duldungspflicht aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses bei Vorliegen besonderer Umstände über § 906 B G B hinaus auferlegt wird. Hier ist der ganze Schaden zu ersetzen, weil die Unterlassungsklage aus § 1004 B G B versagt ist (vgl. B G H Z 15, 146; 28, 1 1 0 = N J W 58, 1586 = M D R 1959, 21). 6. Noch weitergehende Einschränkungen als die durch § 905 bestimmten (etwa die Pflicht zur Duldung von Einwirkungen in unmittelbarer Nähe der Erdoberfläche) können durch die öffentlich-rechtliche Gesetzgebung bestimmt werden. Eine solche Vorschrift über die Verpflichtung zur Duldung von Telegraphen- und Telephondrähten enthält das Reichsgesetz betreffend die Telegraphenwege vom 18. 12. 1899 (vgl. unter § 13). 42

) Kipp, J W 1908, 644. ) Vgl. Niemeyer, Verh. d. 31. DJurTag. 2, 41.

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Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

III 1

III. V e r s c h i e b u n g e n der E r d o b e r f l ä c h e i. Die Abgrenzung muß sich naturgemäß an die Gestaltung der Erdoberfläche anschließen. Durch die auf der Oberfläche gedachten Linien (die Grenzen) wird das Grundstück in seiner räumlichen Beziehung zu den übrigen Teilen des Erdkörpers (also nach seiner geographischen Lage) dauernd und unverrückbar festgelegt und individualisiert. Diese Auffassung des Juristen beruht auf der Unterstellung, daß die Erdoberfläche im ganzen betrachtet in einem dauernd unveränderlichen Zusammenhang der sie bildenden Teile bleibt, also unbeweglich und unverrückbar ist. Tatsächlich ist aber die Erdoberfläche keineswegs unverrückbar. Im Inneren des Erdkörpers gehen fortgesetzt Veränderungen vor sich, die naturgemäß auch die Oberfläche in Mitleidenschaft ziehen. Dabei handelt es sich nicht nur um plötzlich einsetzende elementare oder durch menschliche Tätigkeit veranlaßte Ereignisse, wie Erdbeben oder Einsturz von Erdmassen (Erdrutsch), sondern auch um stetig fortschreitende Veränderungen im Erdinnern, deren Auswirkung auf die Oberfläche sich so allmählich und deshalb unmerklich vollzieht, daß sie den Beteiligten gar nicht zum Bewußtsein kommt und erst durch genaue wissenschaftliche Beobachtung festgestellt werden kann. Der geologische Aufbau des Erdkörpers ist nicht abgeschlossen. Infolge des ungleichen Drucks der Massen, welche den Erdkörper bilden, treten allmähliche Verlagerungen ein. Man spricht hier von tektonischen Veränderungen. Unter Tektonik versteht man die gesetzmäßige Umbildung des Aufbaues der Gesteinsmassen44), namentlich der Gebirge. Eine solche Umbildung im Aufbau der Gebirge muß zu Verschiebungen der Oberfläche, zu tektonischen Verschiebungen führen. Solche tektonische Verschiebungen wurden namentlich im bayerischen Alpenvorland festgestellt. Sie sind eine Folge des durch das Alpenmassiv ausgeübten Druckes. Man sollte meinen, daß dieser Druck eine Verschiebung des Alpenvorlandes von Süden nach Norden bewirkt. Allein im Norden wird der von Süden kommenden Druckwirkung des Alpenmassivs durch die vorgelagerten in der Tiefe fest verankerten Mittelgebirge (namentlich die böhmische Urgebirgsmasse) Widerstand entgegengesetzt, mit der Folge, daß die von der Druckwirkung ausgelöste Bewegung nach der Richtung des geringeren Widerstandes, nämlich nach Westen abgelenkt wird. Im Westen stößt der Druck auf jüngere Miozän- und Quartärschichten der Oberfläche, deren Zusammenhang zudem noch durch zahlreiche tief eingeschnittene und durch lose Geröllmassen ausgefüllte Flußtäler unterbrochen ist. Diese weicheren Gesteinsmassen vermögen dem von den Alpen ausgehenden und von den nördlich vorgelagerten Mittelgebirgen zurückgegebenen Gegendruck nicht standzuhalten, so daß sie infolge der Zusammenpressung nach und nach allmählich nach Westen ausweichen. Es wurde festgestellt, daß seit der Ausführung der bayerischen Landestriangulierung in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eine Ver44 ) Der Geologe bezeichnet die Massen, aus denen die feste Erdrinde (Lithosphäre) besteht, als Gestein, gleichgültig, ob sie eine feste Beschaffenheit besitzen, wie die Granite Kalk- und Sandsteine, oder ob sie in lockerer Form als Sande oder Tone auftreten (Wahnschaffe, Recht 1913 S 477).

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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§1

III 1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Schiebung der ganzen Erdkruste des Alpenvorlandes besonders nach der Westrichtung, also eine tektonische Westwanderung eingetreten ist, die Professor Schmidt bis zu Maßen von 2Y2 m errechnet46). Im Gegensatz zu diesen ganz allmählich und unmerklich fortschreitenden, nur in ihrer Gesamtwirkung erheblichen tektonischen Verschiebungen springt der Einfluß plötzlich auftretender, gewaltsamer Einwirkungen auf den Erdkörper in die Augen. Als Folge von Erdbeben kann die ganze Oberfläche eines Grundstücks verschwinden, oder es kann die Oberfläche eines Grundstücks samt den darauf stehenden Bauwerken und Bäumen über ein anderes Grundstück geschoben werden46). Dicht bei Lorch im Rheingau ragt als Wahrzeichen des Ortes ein steiler, mit Weinstöcken bepflanzter Berg empor, dessen Gipfel die uralte Ruine Nollig trägt. Im Frühjahr 1919 begann nun dieser Nolligberg zu arbeiten. Es zeigten sich im Gebirge und in den ins Gebirge eingehauenen Bergkellern Risse und Spalten. Der das Bergmassiv bedeckende Bergschutt wanderte in der Richtung auf das Tal zu und bedeckte Hofräume und Gärten. A n einer steil gegen das Tal geneigten Schieferungsfläche ist das Gebirge abgerissen und um mehrere Meter abgesunken. Bei der nach dem Tale zu drängenden Bewegung der einzelnen Felsstaffeln sind deren hervorragende Klippen abgebrochen und abgestürzt. Dabei wurden Gebäude durch die Bergmassen von ihrem Standort verschoben. Als Ursache des Bergsturzes wurde das Zusammenwirken menschlicher Eingriffe auf den Fuß des Berges festgestellt (beim Eisenbahnbau, bei Herstellung von Kellern, Planierung von Hofräumen), durch die der natürliche Gleichgewichtszustand aufgehoben wurde, so daß die natürlichen Vorgänge der Verwitterung und der im Rheinland überaus häufigen kleinen Erderschütterungen (tektonische Erdbeben) die Katastrophe unweigerlich herbeiführen mußten47) Bedeutsame Veränderungen im Innern der Erde mit Rückwirkung auf die Erdoberfläche können von den Grundwasserverhältnissen ausgehen. In durchlässigen Schichten (z. B. in Sanden, Sandsteinen und Kiesen) oder in Gesteinsklüften sammelt sich das von oben her in die Schichten eingedrungene Meteorwasser an. Man nennt diese wasserführenden Schichten Grundwasserträger. In ihnen bewegt sich das Grundwasser nach dem Gesetz der Schwere. Demgemäß würde es nach unten verschwinden, wenn es nicht durch undurchlässige Schichten, die aus Tonen, Tonschiefern und anderen dichten Gesteinen gebildet werden (die sog. Grundwasserstauer) aufgehalten würde. So bewegt sich das Grundwasser der Neigung der Schichten entsprechend nach tiefer gelegenen Gebieten48). Wird der Ablauf des Grundwassers durch irgendwelche Vorgänge (Bruch des Wasserstauers, Tunnellierung, Bergwerkbetrieb) geändert, so daß Schichten, deren poröse Teile bisher vom Grundwasser ausgefüllt waren, wasserfrei werden, so kann es vorkommen, daß die poröse Gesteinsmasse durch den auf ihr lasten45 ) Vortrag von Maximilan Schmidt, Professor der technischen Hochschule in München, in der Sitzung der bayer. Akademie der Wissenschaften vom 5. Juni 1920 (Sitzungsbericht aus Jahrgang 1920 S 297fr.). 46 ) Schuhmacher, Zeitschr. f. Vermessungswesen 1903 S 99, berichtet, daß im Jahre 1783 in Calabrien infolge eines Erdbebens ein Bauernhof zum Teil auf einen anderen geschoben wurde. Der hieraus entstehende Prozeß wurde dahin entschieden, daß dem Eigentümer des unten liegenden Landgutes das Eigentum im ganzen bisherigen Umfang dieses Gutes verblieb, daß aber dem Eigentümer des oben liegenden Gutes das Recht zugesprochen wurde, von seiner auf das andere Gut geschobenen Erdmasse soviel wegzunehmen, als er wolle. 47 ) Gutachten des Geheimrats Beylschlag in Berlin, Präsident der geologischen Landesanstalt in Berlin, vom 19. 1 1 . 1920. 48 ) Wahnschaffe im Recht 1913, 481.

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Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

III 1 den Druck zusammengepreßt wird, mit der Folge, daß sich die Gesteinsmassen senken und von oben her Gesteinsmassen seitlich nach sich ziehen, so daß die Oberfläche verschoben wird. Durch das Zusammenwirken menschlicher Eingriffe bei Benützung des Bodens (Anlage von Kellern, Abbau von Bodenbestandteilen, Ausschachtung der Fundamente, Planierung, Einschnitte für den Eisenbahnkörper), die am Fuße eines Berges vorgenommen werden und von denen jeder Eingriff für sich allein für die Standsicherheit bedeutungslos ist, kann im Laufe der Zeit die Bergmasse in eine labile Gleichgewichtslage gebracht werden, zu deren Störung und völliger Aufhebung es dann nur noch eines ganz geringen natürlichen Eingriffs bedarf, eines kleinen, aber folgerichtigen unabwendbaren Eingriffs von scheinbar unendlich geringer Bedeutung und doch alles menschliche Eingreifen in seiner Wirkung weit übertreffend. Die in dieser Weise tätigen Naturkräfte heißen: Verwitterung und Erschütterung des festen Felsgerüstes der Erde. Zermürbt die Verwitterung durch eindringendes Regenwasser den letzten Gesteinspfeiler, zersprengt die unwiderstehliche Kraft des in die Spalten eingedrungenen und zu Eis erstarrten Wassers diesen letzten Pfeiler, dann ist der Moment der Aufhebung des Gleichgewichts gekommen. Der Fels rutscht und stürzt. Das gleiche tritt ein durch Zermürbung und Bewegung der Felsmassen als Folge der fast täglichen kleinen zitternden Erderschütterungen, welche z. B. im Rheingebiet von den Erdbebenmessern angezeigt werden und die zurückzuführen sind auf ein inneres Schieben und Drängen riesiger, infolge der Schwerkraft sich dauernd vollziehender Bewegungen ganzer Gebirge (tektonische Bewegungen). Vielfache Verschiebungen der Erdoberfläche sind als Folge des Bergwerksbetriebes festgestellt worden. Durch das Niedergehen der Gebirgsschichten in die durch Auskohlung geschaffenen Hohlräume49), durch die Änderung der Grundwasserverhältnisse, durch Gasentweichung entstehen Senkungen und in Verbindung mit diesen auch seitliche Verschiebungen. Bei einer Untersuchung über Verschiebungen trigonometrischer Punkte im Ruhrkohlengebiet hat Rothkegel auf Entfernungen unter 100 m Verschiebungen bis zu 66 cm festgestellt60). Die Horizontalverschiebungen sollen nach Hillegart 61 ) im Verhältnis zur Senkung am stärksten an den Grenzen eines Abbaugebietes auftreten und sich weit über das Abbaugebiet hinaus in Gebiete erstrecken, die vom Abbau gar nicht berührt wurden. Wenn in der Nähe der Grenze mit zu geringen Bemessungen des Sicherheitspfeilers in steilen Wänden Ton abgebaut wird, können Rutschungen von dem Erdkörper des Nachbargrandstückes nach der Tongrube stattfinden und dadurch die vermarkten Grenzzeichen verschoben werden. Bei dem Abbau von Tonen, namentlich wenn diese durch Niederschläge aufgeweicht sind, sind Quellungen und Rutschungen dann unausbleiblich, wenn durch Fortnahme des Widerlagers der einheitlich lastende Druck ausgelöst wird, so daß er sich in eine Horizontalbewegung umsetzen muß62). Unterwaschungen durch Wasser können ohne jede menschliche Tätigkeit Erdschichten, namentlich Tongeschiebe in Bewegung setzen und dadurch eine Verschiebung der Grenzzeichen herbeiführen.

49 ) Schuhmacher, Z. f. Vermessungswesen 1903, 101 gibt im Jahr 1903 an, daß allein die durch die Kohlengewinnung innerhalb des Bezirkes des Westfälischen Steinkohlenbergbaues alljährlich in der Erdrinde geschaffene Hohlräume insgesamt einen Rauminhalt von 30 Millionen cbm haben. 60 ) Rothkegel, S. f. Vermessungswesen 1903, 217. 61 ) Hillegart, Z. f. Vermessungswesen 1910, 559 u. 957. 62 ) Wahnschaffe, Recht 1913 S. 492.

§1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

III 2

2. Es fragt sich nun, welchen Einfluß solche Verschiebungen der Oberfläche auf den rechtlichen Bestand des Grundstücks ausüben. Das Grundstück im Rechtssinn ist der keilförmige Ausschnitt aus dem Erdkörper, der durch Lotebenen umschlossen wird, die durch die Grenzlinien der Erdoberfläche gelegt sind und die über die Erdoberfläche hinaus nach oben fortgesetzt gedacht werden. Diese Lotebenen werden sich, den Erdkörper als Kugel angenommen, im Erdmittelpunkte schneiden. Sie bilden, wenn man den Umfang des Grundstücks in gerade Linien zerlegt, eine Pyramide, deren Spitze der Erdmittelpunkt ist (vgl. Abbildung!). Ihre räumliche Begrenzung zu den übrigen Teilen der Erde ist in ihrer geographischen Lage dauernd und unverrückbar festgelegt. Der rechtliche Bestand des Grundstückes wird durch die Flächen der Lotebenen bestimmt. Was als Keil-Ausschnitt der Erde und des Luftraumes von dem durch diese Flächen gebildeten Mantel umschlossen wird, bildet den rechtlichen Bestand des Grundstückes. Praktisch besehen bestimmt die O b e r f l ä c h e den körperlichen Gehalt des Grundstückes und an der Oberfläche scheidet sich das Recht des einen Grundstückes von dem andern. Das ist auch theoretisch richtig f ü r d e n Z e i t p u n k t d e r V e r f ü g u n g , durch welche ein Teil des Erdkörpers zum Grundstück wird. Ändert sich aber später die Oberfläche, so erkennen wir, daß n a c h dem Zeitpunkt dieser Verfügung nicht mehr die Oberfläche den rechtlichen Bestand des Grundstückes bestimmt, sondern der Schnitt der ursprünglich festgelegten Lotebenen mit der geänderten Erdoberfläche. Man muß sich die Entwicklung des rechtlichen Vorgangs folgendermaßen vorstellen: Durch menschliche Verfügung wird ein Teil des Erdkörpers zum selbständigen Grundstück. D i e s e V e r f ü g u n g schließt sich an die zur Zeit der Verfügung vorhandene Gestaltung der Erdoberfläche an. A u f dieser Erdoberfläche werden Linien gedacht, durch welche das Grundstück von den übrigen Teilen der Erdoberfläche abgegrenzt wird. Die rechtliche Wirkung dieser Abgrenzung der Oberfläche besteht darin, daß zu dem Grundstück der unter der abgegrenzten Oberfläche befindliche Erdkörper und der darüber befindliche Luftraum gehört. Die Begrenzung dieser Erdmasse wird durch geometrische Flächen bestimmt, die sich von den auf der Oberfläche gedachten Grenzlinien lotrecht nach unten und oben erstrecken. Der Inbegriff dessen, was innerhalb dieses Raumes (also innerhalb des Keilmantels) von der Erdmasse und den damit festverbundenen Körpern ausgefüllt ist, ist das Grundstück. Legt man durch die Figur dieses Erdkeilausschnittes eine waagrechte Ebene, so erhält man den Querschnitt, der die unverrückbare Grundlage des rechtlichen Bestandes des Grundstücks bildet. D e r U m r i ß d i e s e s Q u e r s c h n i t t e s u n d d a m i t auch sein F l ä c h e n m a ß b l e i b t u n v e r w a n d e l b a r und u n b e r ü h r t v o n d e n V e r ä n d e r u n g e n , die m i t d e r O b e r f l ä c h e v o r s i c h g e h e n . 20

Das Grundstück und seine Begrenzung Verzerrte Darstellung zur Veranschaulichung der Pyramidenbildung.

§1

III 2

Die Pyramidenkanten ma, mb, mc, md u. me (Lote) sind an der Erdoberfläche für praktische Begriffe parallel.

a b c d e = Grundstück an der Erdoberfläche m = Erdmittelpunkt*)

M. a. W. Nur in dem Moment, in welchem ein Stück der Erde zum selbständigen Grundstück w i r d , sind die auf der Oberfläche gedachten Grenzen bestimmend für den rechtlichen Bestand des Grundstücks. In demselben Moment, in welchem das Stück der Erde zum selbständigen Grundstück g e w o r d e n i s t , löst sich der rechtliche Bestand des Grundstückes von der Begrenzung auf der Oberfläche los; er ist von da ab unwandelbar verknüpft mit dem waagerechten Keilquerschnitt. Die Linien dieses Querschnittes sind auf die Oberfläche dieses Grundstückes zu übertragen (projizieren). Diese auf die Oberfläche übertragenen Linien sind die Grenzen. Die auf der Oberfläche vorhandenen Grenzzeichen sind nicht die Grenzen, sondern nur ihre Bezeichnung, die äußere Beurkundung der nur gedachten Grenzlinien. Sind die Grenzzeichen verschoben, so zeigen sie nicht mehr die wahre Grenze auf; sie stehen an einem unrichtigen geographischen Ort. *) Die Zeichnungen stammen von H. Oberharzbacher in München.

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§1

III 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Damit sind wir bei der Beantwortung der gestellten Frage angelangt. Das Grundstück, d. i. der vom Recht als selbständige Einheitssache anerkannte Ausschnitt aus dem Erdkörper geht nicht mit, wenn Bestandteile des Grundstücks ihren Standort verändern und über die Grenzflächen des Keilausschnittes hinüberwandern. Ob sich die Bestandteile nur im Innern verschieben oder ob die Verschiebung auch auf die Oberfläche übergreift; ob nur geringe Massen der Bodenbestandteile über die Grenzen verschoben werden, oder ob die Massen noch so gewaltig sind; ob sie auseinandergerissen werden oder ob sie im natürlichen Zusammenhang bleiben, all dies ist belanglos, soweit der rechtliche Bestand des Grundstücks in Betracht kommt. Und auch das ist für die Grenzfrage völlig belanglos, ob die Ursache der Verschiebung auf natürlichen Vorgängen (höherer Gewalt) oder menschlichem (auch schuldhaftem) Verhalten beruht. Der rechtliche Bestand des Grundstücks (der durch die waagrechte Ebene herausgeschnittene Querschnitt des Erdkörperteiles) wird durch die Verschiebung der Oberfläche nicht verändert, er wird weder größer noch kleiner. Wenn die Oberfläche eines Grundstücks mit ihrer Umgebung abgerutscht ist, so kann es bei entsprechender Mächtigkeit der abgerutschten Erdmassen vorkommen, daß die abgerutschte Oberfläche eines Grundstücks an ihrem neuen Standort noch unzweideutig zu erkennen ist, wenn sie auch durch das Gewicht der von oben nachgerutschten Massen und den Aufprall der Erdmassen am Ruhepunkt zusammengedrückt, gefaltet und in der Rutschwirkung verkürzt sein wird. Die Annahme, daß diese unzweideutig erkennbare frühere Oberfläche des Grundstücks auch nach dem Abrutsch den rechtlichen Bestand dieses Grundstücks bestimme und mit dem darunter liegenden Boden dieses Grundstück bilde, wäre durchaus verfehlt. An dem Eigentumsrecht dieses Grundstücks, auf welchem die abgerutschte Oberfläche des anderen Grundstücks zur Ruhe gelangt ist, hat sich nichts geändert und das G r u n d s t ü c k , dessen Oberfläche ausgewandert ist, hat diese Wanderung nicht mitgemacht, sondern ist geblieben, wo es vorher war. Wenn eine auf einem Grundstück hart an der Grenze stehende Felswand infolge des Zusammenbruchs einer darunter befindlichen Höhle sich mit der Folge neigt, daß ein Teil des Felsens über die Grenze hinüberragt, so ist der überragende Teil der Felswand Teil des Nachbargrundstücks geworden. Ein auf dem überragenden Teil des Felsens stehendes Gebäude teilt dessen rechtliches Schicksal63). Ragt jedoch nur ein Teil des Gebäudes in den fremden Luftraum hinein, so sind auf den überragenden Teil des Gebäudes die Grundsätze des Überbaus abzuwenden54). Wird durch den überragenden Teil des Gebäudes keinerlei Interesse des Grundeigentümers beeinträchtigt, so ergibt sich aus § 905 B G B , daß ein Uberbaurecht nicht gefordert werden kann.

63 ) Das Eigentum des Grundstücks, in dessen Keilausschnitt das ganze Gebäude eingetreten ist, erstreckt sich daher auch auf das Gebäude, da es mit dem dazu gehörigen (im Keilausschnitt befindlichen) Boden fest verbunden ist. Der bisherige Eigentümer hat aber den Bereicherungsanspruch auf Herausgabe nach § 8 1 2 B G B . Dieser wird durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit zum Halten des Gebäudes gegen Zahlung einer jährlichen Überbaurente zu erfüllen sein. M ) S. unten § 21 Ziff. 3.

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Das Grundstück und seine Begrenzung

§1

III 2

Aus dem klargelegten Begriff des Grundstücks und der Unveränderlichkeit seines rechtlichen Bestands ergibt sich die Folge, daß ein U n t e r g a n g des Grundstücks (des geographisch festgelegten Teiles des Erdkörpers) rechtlich nicht denkbar ist. Wenn infolge von Vorgängen im Erdinnern ein Durchbruch der Oberfläche stattfindet, so kann es sich begeben, daß die ganze Oberfläche eines Grundstücks in der Tiefe des Erdinnern versinkt und sich die in der Natur vorhandenen Oberflächen der benachbarten Grundstücke über der versunkenen Oberfläche zusammenschließen. Das Grundstück, dessen Oberfläche versunken ist, hat infolge dieses Vorgangs keineswegs aufgehört, rechtlich zu bestehen. Sein rechtlicher Bestand ist unverändert in der geographischen Lage geblieben, welche dem Grundstück durch den gedachten Keilausschnitt des Erdkörpers angewiesen ist. Das ist selbst dann der Fall, wenn infolge dieses Ereignisses bis auf noch so große Tiefe die früheren Bestandteile des Grundstücks über die Grenzen gewandert sind. Eine andere Frage ist die, ob die in der Natur vorhandene neue Oberfläche wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden ist, auf welchem sie sich jetzt befindet. Senkt sich die Oberfläche eines Grundstücks in der Weise, daß sie dauernd von dem Wasser eines daran angrenzenden Sees bedeckt wird, so bleibt das Eigentum an dem versunkenen Grundstück mit der Folge erhalten, daß es sich auf das darüber befindliche Wasser erstreckt66).

Der Grundsatz der geographischen Unveränderlichkeit der Grundstücke erleidet eine einzige Ausnahme. Auf die tektonischen Verlagerungen der Gesteinsmassen und die dadurch bewirkte stetige Verschiebung der Erdoberfläche kann er dann nicht angewendet werden, wenn es sich um Vorgänge handelt, die das Gelände im weiten Umgriff erfassen und sich so allmählich und unmerklich vollziehen, daß sie erst nach einer längeren (Jahrzehnte umfassenden) Zeitspanne durch genaue, äußerst schwierige und nicht absolut zuverlässige wissenschaftliche Beobachtung in ihrer Gesamtwirkung festgestellt werden können. In diesem Falle steht nichts entgegen, bei der Anwendung des Rechts die Unterstellung des Gesetzgebers von der Unbeweglichkeit der Erdoberfläche hinzunehmen und sich damit abzufinden, obwohl wir wissen, daß diese Unterstellung mit den Ergebnissen der Naturwissenschaft nicht im 55 ) J W i900, 492 (RG.). Wenn es sich freilich um einen öffentlichen See (Art. 1 Abs. 2 WG) handelt, gehört das über dem versunkenen Grundstück befindliche Wasser dem Eigentümer dieses Grundstückes nicht. — Wird ein Teil eines Grundstücks zum Bett eines Flusses, so ist nach Wasserrecht zu entscheiden, ob hierdurch der Eigentümer des Grundstücks das Eigentum an diesem zum Flußbett gewordenen Teil verliert; vgl. J W 1908, 443. Nach Art. 12 W G wird der Staat ipso jure Eigentümer des neuen Bettes eines öffentlichen Flusses. •— Aber dieser gesetzliche Eigentumsverlust für den bisherigen Eigentümer beruht nicht auf der Annahme eines Untergangs des Grundstücks; denn dann bestünde ja kein Grund für die vom Gesetz angeordnete Entschädigung des bisherigen Eigentümers. — Vgl. R G 8, 182 (Überschwemmungen); Harster-Cassimir Bern. 4 zu Art. 1 2 W G ; Riederer-Sieder Bern, zu Art. 1 2 BayWG.

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§1

III 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Einklang steht. Die Rechtsanwendung kann nur praktisch bedeutsame Veränderungen berücksichtigen; Ergebnisse der Wissenschaft, mögen sie auch noch so interessant sein, sind von der Rechtsanwendung nicht zu berücksichtigen, wenn die ihnen zugrunde hegenden Vorgänge auf das praktische Leben ohne jeden Einfluß sind. Die Einflußlosigkeit der stetig fortwirkenden und nur ganz allmählich fortschreitenden tektonischen Verschiebungen besteht. Denn die ganze Umgebung eines jeden hiervon berührten Grundstücks wird davon in gleicher Weise betroffen, so daß die räumliche Beziehung der beteiligten Grundstücke untereinander in keiner Weise geändert wird. Die während eines übersehbaren Zeitraumes vor sich gehende Verschiebung ist so unbedeutsam, daß sie von keinem Beteiligten bemerkt werden kann. Es besteht daher für die Rechtsanwendung nicht das mindeste Bedürfnis, aus solchen stetig und allmählich wirkenden tektonischen Verschiebungen praktische Folgerungen zu ziehen, die im höchsten Maße unpraktisch wären. Man muß sogar noch weitergehen und als Willen des Gesetzgebers erachten, daß diese Folgerungen nicht gezogen werden dürfen. Wenn der Gesetzgeber die Unbeweglichkeit des Grundstücks unterstellt, so hat er dabei den Zustand im Auge, der nach der menschlichen Erfahrung als Unbeweglichkeit erachtet wird. Der Begriff ist also nach dem Maßstab der Erfahrung zu bestimmen und diese merkt und weiß nichts davon, daß infolge des tektonischen Aufbaues der Gesteinsmassen in diesen eine Art von Bewegung ist. Die dadurch herbeigeführten, im einzelnen unmerklichen Verschiebungen fallen für den Begriff nicht ins Gewicht, sie sind, wie sie es tatsächlich sind, so auch rechtlich unbeachtlich. Bewirkt aber die stetig wirkende tektonische Arbeit eine aus dem Rahmen der allmählich fortschreitenden Entwicklung herausfallende sinnfällige (lokale) Verschiebung, so wird eine solche von der Erfahrung als Bewegung erkannt und in gleichem vom Recht gewertet, so daß der Grundsatz der geographischen Unveränderlichkeit auf einen solchen Fall, wie auf jeden anderen (nicht auf tektonischer Ursache beruhenden) Fall einer Verschiebung der Oberfläche anzuwenden ist. Zusammenfassend ist über die rechtliche Beurteilung von Verschiebungen der Erdoberfläche zu sagen. Die durch tektonische Arbeit von Gesteinsmassen bewirkte Verschiebung der Erdoberfläche wird vom Rechte dann nicht beachtet, wenn sie nicht sinnfällig ist. Die unmerklich und allmählich eintretende tektonische Verschiebung der Erdoberfläche nimmt den rechtlichen Bestand des Grundstücks mit. In allen übrigen Fällen, in welchen — gleichviel aus welcher Ursache — eine Verschiebung der Erdoberfläche eintritt, wird hiervon der rechtliche Bestand des Grundstücks nicht berührt. Das Grundstück als solches d. i. sein rechtlicher Bestand 24

Bestandteile des Grundstücks

§2 11

geht nicht mit der Oberfläche, wenn sie über die Grenze hinüberwandert. Die verschobenen Grenzzeichen bezeichnen nicht mehr die richtige Grenze; sie sind an ihren richtigen geographischen Standort zurückzuversetzen. § 2. Bestandteile des Grundstücks I. i. Das Grundstück ist ein abgegrenzter Ausschnitt der Bodenmasse. Es ist ein Körper, keine Fläche. Dieser Körper ist aus Bestandteilen zusammengesetzt. Der Begriff des Bestandteils ist im Gesetze nicht bestimmt, sondern als gegeben vorausgesetzt. Bestandteile sind diejenigen körperlichen Gegenstände, die entweder von Natur eine Einheit bilden oder durch Verbindung miteinander ihre Selbständigkeit dergestalt verloren haben, daß sie, solange die Verbindung dauert, als ein Ganzes, als eine Einheitssache erscheinen1). Im Vordergrund steht die wirtschaftliche Bedeutung jedes einzelnen Teils und die Erhaltung ihres wirtschaftlichen Wertes. Eine einheitliche Sache soll grundsätzlich mit allen ihren Teilen rechtlich gleich behandelt werden. § 93 (in Verb. m. § 947) B G B will die Zerstörung wirtschaftlicher Werte verhindern. Bei dem heutigen Stand der Technik ist jedoch das volkswirtschaftliche Interesse an der Erhaltung einer Einheit dann nicht erheblich, wenn die Trennung und Wiederzusammensetzung von Bestandteilen ohne jede Beschädigung und ohne besonderen Arbeitsaufwand durchgeführt werden kann2). Bestandteil kann daher nur sein, was Teil einer einheitlichen Sache, ein unselbständiges Stück eines Körpers ist, nicht was selbst eine Sache unter mehreren selbständigen Sachen ist, die zusammen ein einheitliches Ganzes bilden. Das Gesetz hebt unter den Bestandteilen die wesentlichen Bestandteile hervor. Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind: a) solche Teile, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne daß im Wesen der voneinander getrennten Teile eine Veränderung einträte, die als Zerstörung wirtschaftlicher Werte anzusehen und auch der Sicherheit des Rechtsverkehrs abträglich wäre3) (§93 BGB), b) die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, (§94 Abs. 1 BGB), § 2. l ) R G 6 3 , 4 i 6 ; 130, 266; 69, 120; 158, 368; 164, 199; B G H in L M Nr. 2 zu § 93. 2 ) Vgl. B G H in N J W 55, 1793; N J W 56, 945; Karlsruhe in M D R 1955, 4 1 3 ; Schleswig in SchlHAnz. 55, 127; Braunschweig in NdsRpfl. 55, 193; V S H Kassel in DVB1. 55, 196. 3 ) Vgl. B G H Z 18, 229; 20, 158; N J W 58, 457.

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§2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

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c) Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. i BGB) 4 ), d) die zur Herstellung eines Gebäudes eingefügten Sachen (§94 Abs. 2 BGB). Die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil kann verloren gehen, wenn der wirtschaftliche Wert eines Bestandteils erheblich geschmälert wird 5 ). Die wesentlichen Bestandteile können nach der zwingenden Vorschrift des § 93 B G B nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein, daher auch nicht gepfändet werden (außer im Falle des § 810 ZPO). Dadurch soll eine mit der Trennung verbundene Vernichtung wirtschaftlicher Werte verhindert werden. Deshalb ist eine Vereinbarung, wonach sich der Verkäufer eines Grundstücks bei dessen Veräußerung ein darauf stehendes Gebäude als Eigentum zurückbehält, dinglich wirkungslos. Der Veräußerer hat lediglich einen obligatorischen Anspruch darauf, daß ihm der Käufer nach Abschreibung des Gebäudes mit der darunter liegenden Grundfläche das Eigentum an dem Gebäude verschafft. Nunmehr gibt § 3 W E G die rechtliche Möglichkeit, dingliche Sonderrechte in der Rechtsform des Raumeigentums ( = Wohnungsoder Teileigentums) an Gebäudeteilen zu begründen. Die Auflassung erstreckt sich auf alle wesentlichen Bestandteile eines Grundstücks 6 ), jedoch nicht auf die nur tatsächlichen Angaben, zu denen auch Angaben über auf einem Grundstück errichtete Gebäude gehören; daher kann eine Vereinbarung, wonach ein Haus samt Giebelmauer verkauft wird, für den Eigentumserwerb keine rechtliche Bedeutung haben7). Der Sonderbesitz an dem Gebäude (§ 865) mit dem daraus folgenden Besitzschutzrechte (§§ 858ff.) ist rechtlich zulässig. Ein leichter Schuppen, der ohne feste Verbindung einfach auf den Boden gestellt ist, ist selbst dann nicht wesentlicher Bestandteil, wenn er zu einem dauernden Zwecke errichtet wurde. Eine Gleisanlage auf einem Fabrikgrundstück zum Anschluß an die Eisenbahngeleise ist nicht fest verbunden ( O L G 28, 18). Nicht festverbunden sind regelmäßige Leitungsmaste für elektr. Stromleitungen (vgl. Warneyer 1914 Nr. 143; vgl. auch hierzu S. 27 Anm. 34). Dagegen sind Rohrleitungen, die in den Boden eingelassen sind, fest verbunden (vgl. S. 27 Anm. 34.) Hopfenstangen und Weinbergspfähle sind nicht fest verbunden. Steine einer gepflasterten Straße sind fest verbunden ( R G K Bern. 2 zu § 93). Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil (§ 94) ohne Rücksicht darauf, ob die Pflanze Wurzel geschlagen hat. Das Eigentum am Baum steht demjenigen zu, auf dessen Grundstück der Stamm aus dem Boden 4 ) Ein vom Eigentum am Grundstück verschiedenes Eigentum an stehenden Bäumen (anders bei Baumschulen des Pächters) ist ausgeschlossen (JW 1905, 280; Recht 1905, 14). Der Mieter darf einen von ihm gepflanzten Baum nicht wegnehmen. § 547 Abs. 2 ist nicht einschlägig, da der Baum keine „Einrichtung" ist. Auch der Pächter darf die von ihm gepflanzten Bäume nicht wegnehmen, soweit sie nicht nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag des Pachtgrundstückes anzusehen sind (vgl. Soergel Rspr. 1912 Nr. 1 zu § 581). Unter Umständen kann Ersatz für „Verwendungen" (Kosten des Einpflanzens) verlangt werden (vgl. §§ 994fr. insbes. § 997 Abs. 2). 5 ) Vgl. R G 69, 1 2 1 . •) Vgl. R G 97, 103; 150, 24; J W 21, 604. ') Vgl. R G in BayZt. 24, 196; Staudinger-Seufert Randb. 3, 4 u. 7 zu § 891.

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Bestandteile des Grundstücks

§2 ii

heraustritt. Die Wurzeln und Zweige des Baumes folgen notwendigerweise dem Eigentum am Stamm. Über die Rechte des Eigentümers, in dessen Machtbereich sie eingedrungen sind, trifft § 910 Bestimmung (s. darüber unten § 18). Ein auf der Grenze stehender Baum steht im Miteigentum der Nachbarn (gegen die herrschende Meinung s. unten § 10). Sonderrechte nach früherem Recht an Gegenständen, die nach §§ 93, 94 wesentliche Bestandteile sind, sind gemäß Art. 181 E G B G B am 1. 1. 1900 erloschen ( R G 56, 243; J W 1903, Beil. 90,1904, 89; 1 9 1 2 , 1 2 0 ) . Hinsichtlich des Stockwerkseigentums s. unten §3. Ein Grundstück kann immer nur einem anderen, nicht mehreren Grundstücken als Bestandteil zugeschrieben werden (HRR 1941, 602). Wird beantragt, ein Grundstück einem anderen „zuzuschreiben", so ist darunter regelmäßig die Zuschreibung als Bestandteil zu verstehen. § 6 B G O behandelt die Zuschreibung im Sinn des § 890 Abs. 2 B G B , wodurch das zugeschriebene Grundstück nichtwesentlicher Bestandteil des nunmehr einheitlichen Grundstücks wird. § 5 G B O dagegen behandelt die Vereinigung mehrerer Grundstücke. § 4 G B O betrifft lediglich die Führung eines gemeinschaftlichen Blattes für mehrere Grundstücke, also ein ausschließlich grundbuchtechnisches Verfahren ohne sachlichrechtliche Folgen (HRR 1941, 28).

Während § 93 die für alle Sachen gültige Begriffsbestimmungen der wesentlichen Bestandteile gibt, bezieht sich § 94 nur auf die Bestandteile v o n G r u n d s t ü c k e n , für welche eine Erweiterung des in § 93 gegebenen Begriffes bestimmt wird. Die Bedeutung des § 94 besteht also darin, daß den dort aufgeführten Sachen die Eigenschaft wesentlicher Bestandteile eines Grundstücks selbst dann zukommt, wenn die Voraussetzungen des § 93 nicht gegeben, ja sogar, wenn sie nach natürlicher Auffassung nicht als Bestandteile aufzufassen sind. Die einzelnen Flächenteile eines Grundstücks sind keine wesentlichen Bestandteile, weil das Grundstück durch Ziehen von Grenzlinien jederzeit in verschiedene Teile zerlegt werden kann8). Deshalb können die einzelnen Parzellen eines Grundstücks auch mit besonderen dinglichen Rechten belastet werden. So kann z. B. dann, wenn im Grundbuch mehrere Katasterparzellen unter einer Nummer vereinigt sind, eine dieser Katasterparzellen mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden. Die Ordnungsvorschrift des § 7 B G O läßt eine solche Belastung allerdings nur zu, wenn Verwirrung nicht zu besorgen ist9). Unzulässig dagegen ist es, zugunsten einer von mehreren Katasterparzellen, die im Grundbuch unter einer Nummer vereinigt sind, eine Grunddienstbarkeit zu bestellen. Die gegenteilige Ansicht (früh. Aufl. und Meisner-Stern-Hodes § 2 I S. 30) kann leicht zu Unklarheiten und zur Verwirrung führen, da die Dienstbarkeit idR auf dem Blatt des herrschenden Grundstücksteils nicht vermerkt wird und infolgedessen bei Zuschreibung oder Vereinigung mit anderen Parzellen zu einem selb8 ) J W I 9 I ° . 8 1 3 - Aus dem gleichen Grund ist ein zu einem Weg gehöriger Abzugsgraben als unwesentlicher Bestandteil des Wegs zu erachten (vgl. Warneyer 1919 Nr. 187). 9 ) R G K Bern. 6 zu § 93. Planck Vorbem. 2 vor § 1018; Meikel-Imhof-Riedel Randbem. 39 u. 76 zu § 7 G B O ; Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem. 2aa) zu § 1018.

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ständigen Grundstück oder im Falle weiterer Teilung der Parzelle der ursprünglich herrschende reale Teil des Grundstücks nicht mehr existiert. Für einen solchen Fall enthält daher auch die G B O keine dem § 7 entsprechende Bestimmung10). Eine für sich allein auf einem Grundbuchblatt stehende Liegenschaft ist eine selbständige Sache; sie kann niemals als Bestandteil eines anderen Grundstücks in Betracht kommen 11 ). 2. Von den Gegenständen, die nach § 93 oder § 94 wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sein würden, werden durch § 95 A u s n a h m e n gesetzt12). Darnach gehören zu den Bestandteilen des Grundstücks solche Sachen n i c h t , die nur zu einem v o r ü b e r g e h e n d e n Z w e c k 1 3 ) mit dem Grund und Boden verbunden sind. Maßgebend ist, ob der Wegfall der Verbindung von vornherein beabsichtigt (RG 47, 197) oder nach der Natur des Zwecks der Verbindung sicher war R G 63, 416) oder ob eine bei normalem Verlauf der Dinge als dauernd gedachte nicht von vornherein zur Wiederaufhebung bestimmte 10

) O L G 43, 6; K G J 53, 174; Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem 2 b b zu § 1018. ) Vgl. J W 1 o, 60. Ein Grundstück verliert seine Selbständigkeit, wenn es dem anderen Grundstück als Bestandteil zugeschrieben ( § 6 G B O ; vgl. H R R 1941 Nr. 602) oder mit dem anderen zu einem neuen selbständigen Grundstück vereinigt wird ( § 5 G B O , § 890 Abs. 1 B G B ; hinsichtlich der sog. Zuflurstücke vgl. B G H in D N o t Z 54, 197; BayOb. L G Z 54, 252; Henke-Mönch-Horber Anm. 4 zu § 6 GBO). Richter Deutsches Grundbuchrecht S 76fr.; § 62 Bay. VermA DA-GVB1. 1943, 83 u. And. dazu vom 15. 4. 1955 •—• GVB1. 177; über Begriff u. Entstehung des Zuflurstücks vgl. Meikel-Imhof-Riedel Randbem. 78 fr. zu § 5 G B O Anh.). 12 ) Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Ausnahme trifft denjenigen, der den Ausnahmefall behauptet. 13 ) Z. B. für die Dauer der Mietzeit (RG 55, 284; 59, 20; 63, 4 2 1 ; 87, 5 1 ; Recht 1914 Nr. 1632; sonach gehören die vom Mieter eingepflanzten Rosenstöcke diesem). — Bis zur Fertigstellung eines Gebäudes (Bauhütte, Gerüste R G Warneyer 10, 154). — Für die Zeit einer vorübergehenden Schaustellung (Ausstellungsgebäude J W 1901, 184). Zur Vereinigung mehrerer Grundstücke zu einem selbständigen Grundstück ist die Erklärung des Eigentümers und die Eintragung im Grundbuch erforderlich (vgl. § 29 GBO.; B a y O b L G Z 1956, 470; D N o t Z 58, 388). Der Zweck bleibt vorübergehend, wenn bei der Verbindung der Wegfall dieses Zweckes früher oder später mit Sicherheit zu unterstellen ist, mag auch eine noch solange Dauer vorherzusehen sein (vgl. R G 97, 102. Errichtung von Hüttenwerken aus allodialen Mitteln auf Fideikommißgrundstücken). Trockenschuppen, die bald auf diesem, bald auf jenem Grundstück eines Fabrikanwesens aufgestellt werden, sind nicht Bestandteile der Grundstücke, auch wenn sie zum Zwecke der Verlegung auseinandergenommen werden müssen (ObLG xo, 160). Für die Prüfung nach § 95 B G B ist allein der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Gegenstand mit Grund und Boden verbunden wird. Die so geschaffene dingliche Rechtslage kann durch spätere Änderung des Zwecks nicht ohne weiteres verändert werden (vgl. B G H Z 8, 1 = N J W 1953, 137 und 1466; N J W 1956, i 2 7 3 ; L M N r . 1 zu § 95 B G B ; L G Köln in N J W 55, 1797 B G H in M D R 1952, 87; O L G Neustadt in M D R 1954, 677). n

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Verbindung in Frage stand (RG 62, 410; SeuffA 78 Nr. 58). Der Zweck der Verbindung ist nicht nur dann vorübergehend, wenn er sich in kurzer Zeit erreichen läßt; er kann es auch dann sein, wenn ihm seiner Natur nach eine zeitliche Begrenzung innewohnt, wenn auch das Ende erst nach Jahren oder Jahrzehnten eintritt. Im Gegensatz dazu ist als dauernd derjenige Zweck anzusehen, für dessen Fortwirken ein Endpunkt begrifflich nicht feststeht, wenn nicht durch das Dazwischentreten unberechenbarer zufälliger Ereignisse Änderungen herbeigeführt werden ( R G 6 1 , 188; 66, 88; SeufFA 78 Nr. 58). Auch was nach H e r s t e l l u n g eines Gebäudes in dieses eingebaut wird, kann wesentlicher Bestandteil werden (RG 160, 183). Im Gegensatz zum Zubehör 14 ) dient der Bestandteil der Vollendung der Hauptsache und geht in ihr auf. Wesentliche und unwesentliche Bestandteile unterscheiden sich voneinander nur insofern, als die unwesentlichen Gegenstand besonderer Rechte sein können. Läßt sich im Einzelfall eine Verkehrsauffassung oder eine allgemeine natürliche Anschauung über die Bestandteilseigenschaft nicht feststellen, so hat der Richter zu entscheiden, wie jeder verständige und unbefangene Beurteiler die Dinge sehen würde. Auf Festigkeit der Verbindung kann geschlossen werden, wenn die Lösung so erhebliche Schwierigkeiten bereitet, daß die Kosten der Trennung im Vergleich zum Wert des Bestandteils unverhältnismäßig hoch sind. Die Zerlegung eines Gasbehälters z. B. erfordert im Verhältnis zum Wert der einzelnen Teile hohe Kosten; durch die Zerlegung würde er in seinem Wesen verändert (vgl. R G 158, 562; Warneyer 1934 Nr 114).

Über die Frage, ob eine Sache für dauernd oder nur zu einem vorübergehenden Zweck mit einem Grundstück verbunden ist, entscheidet die Willensrichtung desjenigen, der die Verbindung herstellt. Dabei kommt es darauf an, welche Vorstellung der Verbindende von den Verhältnissen und ihrer Entwicklung tatsächlich gehabt hat, nicht darauf, wie ein Sachkenner die Verhältnisse richtig beurteilt hätte. Die Willensrichtung desjenigen, der die Verbindung herstellt, ist maßgebend ohne Rücksicht darauf, ob die Verbindung lose oder fest ist. Die Willensrichtung ist aber nur insoweit von Bedeutung, als sie mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt im Einklang steht15). Bei einem Pacht- oder Mietverhältnis sprechen die Umstände idR dafür, daß die vom Pächter oder Mieter vorgenommene Verbindung nur für die Dauer des Vertragsverhältnisses Bestand haben soll, es sei denn, daß u

) Vgl. R G 69, 1 1 7 über Abgrenzung von Bestandteil und Zubehör. ) Vgl. R G Z 153, 2 3 1 ; 158, 376; H R R 1937 Nr. 1 2 1 6 ; 1942 Nr 257; WarnR 1918 Nr. 155; B G H Z 8, 1 ; B G H in L M Nr. 48 zu § 13 G V G . 16

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mit dem Grundstückseigentümer eine Sondervereinbarung über das Eigentum an der verbundenen Sache getroffen wurde. Das trifft z.B. zu, wenn dem Grundstückseigentümer als Verpächter das Recht eingeräumt wird, das vom Pächter errichtete Gebäude nach Ablauf der Pachtzeit zu übernehmen, oder wenn auch nur das Wahlrecht zugesprochen wird, ob der Grundstückseigentümer das Gebäude übernehmen will oder nicht16). Aus einer Vereinbarung, wonach an dem mit dem Grundstück verbundenen Gegenstand das Eigentumsrecht für einen anderen als den Grundstückseigentümer vorbehalten wurde, kann nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, daß die Verbindung nur für einen vorübergehenden Zweck erfolgt sei. Entscheidend ist vielmehr auch hier die Willenrichtung desjenigen, der die Verbindung hergestellt hat, ob er die Verbindung nach dem normalen Verlauf der Verhältnisse als dauernd gedacht ist 17 ). Die Bestimmungen in § § 93 und 94 B G B können dadurch nicht außer Wirksamkeit gesetzt werden, daß die Parteien etwa vereinbaren, eine Sache solle nicht wesentlicher Bestandteil werden18). Soll der Zweck eines mit dem Grundstück verbundenen Gebäude nachträglich eine Änderung erfahren, so bedarf es dazu einer besonderen Einigung über einen etwa gewollten Eigentumsübergang 19 ). Wenn ein Kleingärtner verein ohne besondere eigene Mittel auf einem Pachtgrundstück ein massives Vereinsheim mit erheblichem Kostenaufwand unter Aufnahme fremder Gelder errichtet, so würde es aller wirtschaftlichen Vernunft widersprechen, wenn dies mit dem Willen geschähe, die Lebensdauer des so errichteten Baues auf die Pachtzeit zu beschränken und den Bau nach deren Ablauf wieder abzubrechen. Die tatsächliche Vermutung spricht dafür, daß der Bau als Daueranlage errichtet ist. Die Anwendung des § 95 Abs. 1 S 1 B G B hierauf ist nich haltbar (HRR 1941, 257; R G 153, 236). Bei einem auf fremdem Grund errichteten Behelfsheim spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt ist, also das Heim bewegliche Sache ist. Diese Vermutung wird aber dann entkräftet, wenn vereinbart ist, daß das Heim im Falle einer Verkaufsabsicht des Bauherrn an den Grundstückseigentümer fallen soll. Entscheidend ist der Wille der Verfügenden, sofern er mit dem äußeren Tatbestand vereinbart ist ( O G H Z 1, 168; M D R 1948, 457; R G 153, 236; 62, 410; 158, 304; J W 1937, 2265).

Ein Gebäude oder anderes Werk20), das in Ausübung eines dinglichen21) Rechts (z.B. Dienstbarkeit, Nießbrauch, Überbau nach § 912) an einem le ) Vgl. B G H Z 8, 1 ; 10, 1 7 1 ; M D R 58, 418; L M Nr. 48 zu § 13 G V G ; B G H i n N J W 56, 1274; B G H Z 1 , 168; J W 37, 1265. vgl. auch Vennemann in M D R 52, 75; L G Münster in M D R 51, 354; Hamburg in M D R 51, 736; R G in J W 37, 2265. " ) Vgl. B G H Z 23, 57; R G R K o m m Bern. 25 zu § 195. 1S ) Vgl. R G in J W 36, 674; M D R 49, 30. 19 ) Vgl. B G H Z 23, 60; M D R 57, 215. 20 ) Unter einem W e r k versteht man eine einem bestimmten Zwecke dienende, nach gewissen Kunst- oder Erfahrungsregeln erstellte und mit dem Erdkörper verbundene

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Bestandteile des Grundstücks

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fremden Grundstück v o n dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist, werden kraft ausdrücklicher Vorschrift in § 95 A b s . 1 S. 2 B G B ebenfalls nicht wesentliche Bestandteile des Grundstücks. E n d lich gehören Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Z w e c k e in ein Gebäude eingefügt sind, nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes ( § 9 5 A b s . 2) 2 2 ). Das ist dann der Fall, wenn eine Trennung der eingefügten Sachen v o n A n f a n g an beabsichtigt oder mit Sicherheit zu erwarten war. E s gelten hier dieselben Grundsätze über die Willensrichtung desjenigen, der eine Sache einfügt, wie oben bei der Verbindung (vgl. bei Fußnote 15). Durch zusammenfassende Anwendung der in den §§ 93, 94 und 95 enthaltenen Begriffsbestimmungen ist zu entscheiden, ob ein zu einem Grundstück in Beziehung stehender Gegenstand wesentlicher Bestandteil dieses Grundstücks ist. Ist ein Gegenstand wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks, dann sind notwendigerweise die wesentlichen Bestandteile dieses Gegenstandes mit ihm und durch ihn auch wesentliche Bestandteile des Grundstücks. D a ein Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist und die Mauer wesentlicher Bestandteil des Gebäudes, so ist die Mauer auch wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Sache (RG 60, 139; 76, 261); z. B. Wasserleitung (vgl. R G 39, 205; 48, 267; 61,192), Eisenbahndamm (JW 1908, 196), Zaun (OLG 20, 37), Erdaufschüttung zur Anlage einer Erdböschung (SeuffA 36 Nr. 261), Baugerüst (JW 1910, 288), Senkgrube, Mauer, Keller. Ein Komposthaufen ist kein Bestandteil (SeuffA 3 5 Nr. 96). Uber die Rechtsverhältnisse an Kellern s. unten § 4. Sind Röhren- oder Drahtleitungen eines Gas-, Wasser- oder Elektr.-Werkes mit dem Grund und Boden, auf dem sich das Werk befindet, fest verbunden (§ 94) (das ist nicht der Fall, wenn die Masten, an denen sich die Drähte befinden, leicht heraus genommen werden können, ohne daß der Erdboden abgegraben werden muß oder die Masten beschädigt werden vgl. Warneyer 1914 Nr. 143), so sind sie wesentliche Bestandteile dieses Grundstücks, soweit dieses reicht. Andernfalls sind sie Zubehör (§97 Abs. 1, § 98 Ziff. 2, vgl. R G 83, 69; 87, 50). Sind die Leitungen in Ausübung eines dinglichen Rechts oder nur vorübergehend durch oder über fremde Grundstücke gelegt, so sind sie nicht Bestandteile dieser fremden Grundstücke, auch nicht, wenn sie fest mit ihnen verbunden sind, sondern Zubehör des Grundstücks, auf dem das Werk steht; sie gelten als bewegliche Sachen (RG 83, 69; 87, 50; Warneyer 1918 Nr. 155). 21 ) O L G io, 160. RGKomm Bern. 5 zu § 95. Dem dinglichen Recht an fremder Sache steht ein Recht am eigenen Grundstück mit dinglicher Wirkung auf das Nachbargrundstück gleich (vgl. § 922 Satz 3 (Grenzeinrichtungen); s. hierüber unten § 7). Vgl. H R R 1938 Nr. 574 (Grunddienstbarkeit); B G H in Z M Nr. 2 zu § 95 (Nießbrauch); vgl. auch Celle in M D R 52, 469 (hier wird der Pächter des Nießbrauchers als Berechtigter erachtet). Mieter u. Pächter gelten nach h. M. nicht als Berechtigte i. S. des § 95 Abs. 1, S. 2; vgl. dazu O L G München in HRR 1938 Nr. 364. 22 ) Die Scheinbestandteile des § 95 sind als bewegliche Sachen zu erachten (RG 55, 284; 59, 20; Wendt, ArchZPr. 103, 453), sofern sie nicht als wesentliche Bestandteile eines auf einem anderen Grundstück stehenden Gebäudes Immobiliareigenschaft haben. Vgl. Staudinger-Coing Randb. 19 zu § 95.

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Das grundlegende Gesetz, das für die wesentlichen Bestandteile des § 93, wie jene des § 94 in gleicher Weise gilt, gibt § 93 durch die z w i n gende 2 3 ) Vorschrift, daß wesentliche Bestandteile nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können. Sie stehen also notwendigerweise im Eigentum des Eigentümers der Einheitssache24). (Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nunmehr in der Rechtsform des Wohnungs-(Teil-)Eigentums nach dem W E G möglich). Wenn nun ein Gebäude von der Grenze zweier selbständiger Grundstücke dergestalt durchschnitten ist, daß es zu einem Teile auf der PL Nr. 1 und zum anderen Teil auf der PI. Nr. 2 steht, dann sind zunächst alle Teile des Hauses, die mit ihm fest verbunden sind, wesentliche Bestandteile dieses Hauses. Die Vorschrift des § 93 verbietet, daß diese wesentlichen Bestandteile Gegenstand besonderer Rechte sind. Sie müssen also alle demselben Eigentumsrechte unterworfen sein. Nun bestimmt aber der § 94 Abs. 1, daß das mit der PI. Nr. 1 verbundene Gebäude wesentlicher Bestandteil der PL Nr. 1 und das mit der PI. Nr. 2 verbundene Gebäude wesentlicher Bestandteil der PL Nr. 2 ist. Daraus würde sich ergeben, daß die wesentlichen Bestandteile des Hauses zum Teil im Eigentum des A , zum Teil im Eigentum des B stehen. Dieses Ergebnis ist durch § 93 in zwingender Weise ausgeschlossen und es ist in zwingender Weise durch § 94 Abs. 1 angeordnet. So treten die Bestimmungen der §§93 und 94 Abs. 1 miteinander in einen Widerstreit. Die Lösung dieses Widerstreites ist nur dadurch möglich, daß eine dieser beiden Vorschriften durch die andere überwunden wird. Deshalb ist zu prüfen, welche Vorschrift die stärkere ist. Aus der natürlichen Zusammengehörigkeit der Sachteile hat der Gesetzgeber in w i r t s c h a f t l i c h e r Denkweise den Rechtsgrundsatz der Zusammengehörigkeit abgeleitet. Der Gefahr wirtschaftlich nutzloser Zerstörung vorzubeugen und die Sicherheit des Rechtsverkehrs zu gewährleisten, ist Absicht und Zweck des Gesetzes25). Der Satz des § 93, der in zwingender Weise und ohne Anerkennung einer Ausnahme die rechtliche Zusammengehörigkeit der Bestandteile verfügt, erhebt ein Naturgesetz oder wenigstens einen wirtschaftlichen, dem gesunden Menschenverstand entsprechenden Grundsatz zum Rechtssatz. Im Gegensatz hierzu beruht die Vorschrift des § 94 Abs. 1 (superficies solo cedit) auf juristischer Begriffsbildung, die, dem römischen Rechte entnommen, im B G B keine ausnahmslose26) Durchführung erfahren hat. Das Wesen einer Sache beR G 62, 410; 74, 203. ) Auf Straßen und Wege soll nach J W 1910, 813 (RG) § 93 überhaupt nicht anwendbar sein, weil sie (wie jedes Grundstück) durch Ziehen von Grenzlinien jederzeit in verschiedene Teile zerlegt werden können, ohne daß ihr Wesen verändert wird. 25 ) R G 58, 341; B G H Z 18, 229; 20, 158; N J W 1953, 457. 2 «) Vgl. R G 72, 272; 160, 78. 24

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ruht in ihrer körperlichen Einheitlichkeit. Das Grundstück im Sinne einer selbständigen Sache ist durch die Rechtsordnung erst künstlich geschaffen. Ein willkürlich ausgewählter Ausschnitt der Erdmasse wird durch einen Willensakt zum Grundstück und dadurch zur Einheitssache (siehe oben § i , I). Es ist keineswegs verwunderlich, wenn durch die Einführung einer solchen, durch die Rechtsordnung geschaffenen Sacheinheit in den Kreis der Einheitssachen, deren Anerkennung durch das Recht auf natürlicher Grundlage ruht, Unstimmigkeiten herbeigeführt werden. Der Rechtssatz „superficies solo cedit" ist ein Konsequenz der durch den Gesetzgeber vollbrachten Schöpfung des Grundstücks. Er ist formal-juristisch und logisch auf der vom Recht angeordneten Fiktion aufgebaut, daß ein nur gedachter Ausschnitt der einheitlichen Erdmasse eine selbständige Sache ist. Der Gesetzgeber hat wohl die Macht, dies anzuordnen, aber es fehlt ihm die Macht, seine Anordnung durchzusetzen. Darin liegt der tiefste Grund des Widerstreites zwischen dem Grundsatz des § 93 und jenem des § 94 Abs. 1. D e r s t ä r k e r e G r u n d s a t z i s t d e r d e s § 9 3 . Er ist der Natur, dem natürlichen Recht und dem wirtschaftlichen Denken entnommen. Der Grundsatz des § 94 Abs. 1 ist auf einer gesetzlichen Anordnung aufgebaut, die den wahren Tatsachen Gewalt antut und deshalb nicht wurzelecht ist. Deshalb muß dem natürlichen Zusammenhang der Teile derselben Einheitssache (§ 93) der Vorzug gegeben werden vor dem erst v o m Recht geschaffenen Zusammenhang des § 94 Abs. 1, der das rechtliche Schicksal eines Sachteils ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu dieser Sache mit der Grundfläche zusammenfassen will 27 ). Gelangt man schon auf Grund dieser ausschließlichen Betrachtungen der §§93 und 94 Abs. 1 zu diesem Ergebnis, so findet es die volle gesetzliche Rechtfertigung, wenn man die Gesamtheit der die Bestandteilseigenschaft regelnden Vorschriften einer zusammenfassenden, einheitlichen Würdigung unterstellt. Der abstrakte Rechtsgrundsatz des § 94 Abs. 1 „superficies solo cedit" steht nicht für sich allein im Gesetz. Die Vorschriften der §§93 und 95 und insbesondere des § 94 Abs. 2 sind zusammen mit § 94 Abs. 1 und unter Heranziehung der §§ 946 fr. als einheitliches Recht zu würdigen. In ihrer Gesamtheit ist in diesen Vorschriften das gesetzgeberische Ziel ausgeprägt, einem Gegenstand, der kraft seiner Zweckbestimmung und der allgemein gültigen Verkehrsauffassung als w i r t s c h a f t l i c h e Einheit erscheint, auch die entsprechende r e c h t l i c h e Einheit zu geben 28 ). Zweckbestimmung und Verkehrsauffassung geben den Ausschlag für die Entscheidung der Frage, ob eine Sache wesentlicher Bestand27)

Vgl. Becher, BayZ 19x5, 67. Vgl. R G 58, 341; 61, 192; 6z, 408; 63, 419; 69, 121 und 153; 90, 201; StaudingerCoing Bern. 1 zu § 93 BGB. 28)

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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teil einer anderen ist29). Dabei handelt es sich um eine Zweckbestimmung, die nicht nur ein innerer Vorgang bei den Schaffenden ist, sondern durch die Verwirklichung seines Willens so vergegenständlicht wird, daß der Zweck in das Wesen des Werkes übergeht. Nur dann, wenn dieser Zweck infolge des Zusammenhanges des Werkes mit dem Boden nicht verwirklicht werden konnte, kann sich der abstrakte Rechtsgrundsatz des § 94 Abs. 1 behaupten, während im übrigen die verwirklichte Zwecksetzung (§93) den Ausschlag gibt. Bei Änderung der Zweckbestimmung, z.B. wenn unwesentlicher Bestandteil wie ein nur für vorübergehend errichtetes Behelfsheim nachträglich für dauernd mit dem Grandstück verbunden bleiben soll, so wird der bisher unwesentliche Teil nicht von selbst, sondern erst dann zum wesentlichen Bestandteil, wenn die bisher verschiedenen Eigentümer ausdrücklich und sinnvoll sich darüber einig geworden sind, daß das Eigentum am Behelfsheim auf den Grundstückseigentümer übergehen soll30). Die Zusammengehörigkeit der einzelnen Gebäudeteile untereinander ist enger und wirtschaftlich notwendiger als die Zusammengehörigkeit der Gebäudebestandteile mit dem Grundstück; die Folge davon ist, daß das Gebäude als rechtliche Einheit betrachtet wird und im Eigentum eines Eigentümers stehen kann. Eigentümer des als Einheit aufzufassenden Gebäudes ist immer der bauende Grundeigentümer31). Diese lange Zeit umstrittene Auffassung ist letzten Endes von der Rechtsprechung jedenfalls für die Fälle des Grenzüberbaues überwiegend anerkannt worden32). Sie muß allgemein gelten, wenn der wirtschaftliche Zweck und die Auffassung des Verkehrs es fordern. Eine Sonderstellung genießen jene Gegenstände, die „zur Herstellung eines Gebäudes e i n g e f ü g t " werden (§ 94 Abs. 2). Sie gelten mit der Einfügung kraft Gesetzes als wesentliche Bestandteile des Gebäudes und zwar ohne Rücksicht darauf, ob auch die Voraussetzungen der §§93 oder 94 Abs. 1 B G B gegeben sind. Für das Vorliegen der Einfügung kommt es 29 ) RheinA 110, 145 (Düsseldorf); R G Z I 5 O , 2 6 ; J W 1936, 1123; BGH inNJW 1953, 1123 (Gasheizung u. Warmwasseranlage als wesentliche Bestandteile); LM Nr. 2 zu § 93 (Kegelbahn nicht wesentl. Bestandteil); OLG Celle in NJW 58, 632 (Ölheizung nicht wesentlich); OLG Braunschweig in DRspr. I (ixo); L G Freiburg in MDR 52, 419 (Entlüftungsanlage). 30 ) Vgl. BGHZ 23, 57 = MDR 57, 213 = NJW 57, 457; femer NJW 53, 137 u. 1466; NJW 56, 1273 ygl.RGZ 96,102; Warn R 1934 Nr.19; a.M. RFH inJW 23, 790; StaudingerCoing Randb. 9 zu § 95 BGB. 31 ) Vgl. Staudinger-Coing Randb. 20 zu § 94; Staudinger-Seufert Randb. 12 zu § 921. 32 ) Vgl. R G Z 142, 231; 150, 22; 160, 166; 167, 178; JW 36, 1123; BGH NJW 55, 252; NJW 58, 1182 = MDR 58, 591 = BGHZ 27, 197; Glaser in MDR 56, 458; Hodes in NJW 54, 1348 und 1369; Moeller NJW 55, 183; Meisner-Stern-Hodes § 9 II 4b; Staudinger-Seufert Randb. 12 u. 25 zu § 921; RGRKom. Bern. 5 zu § 94.

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lediglich darauf an, daß der betreffende Gegenstand zwischen die Teile des Gebäudes gebracht und mit diesem so vereinigt wird, daß dem Gebäude seine Sonderart verliehen, daß es also zu dem gemacht wird, was es werden soll. Belanglos ist daher die Art und die Festigkeit der Verbindung. Bei Entscheidung der Frage, ob eine Sache als zur Herstellung eingefügt zu gelten hat, muß vom Gebäude als Ganzen so, wie es sich in seiner Sonderart darstellt, ausgegangen werden 33 ). Unrichtig ist es, wenn behauptet wird, das Gesetz selbst habe die Zugehörigkeit zum Grundstück als das hautpsächliche und entscheidende erklärt. Es werden sich34) Stellen der Gesetzesmateriallien, nicht aber eine einzige des Gesetzes dafür anziehen lassen. Die hier vertretene Ansicht ist zunächst für die Lehre vom Überbau aufgestellt worden36).- Die Rechtssprechung der O L G Dresden und Düsseldorf baut auf ihr die Lehre von der Kommunmauer auf36). Sie ist aber nicht auf diese Gebiete zu beschränken, wie es zumeist geschieht, sondern ist auch der Schlüssel zur Konstruktion des Eigentums an Grenzeinrichtungen. Vgl. hierüber unten § 7 III. II. V e r e i n i g u n g u n d T r e n n u n g d e r B e s t a n d t e i l e . 1. V e r s c h i e b u n g v o n G r u n d s t ü c k f l ä c h e n d u r c h N a t u r ereignisse. Dem Eigentümer eines Grundstückes gehören — abgesehen von den dem Bergberechtigten vorbehaltenen Mineralien (Bergges. Art. 1 vgl. unten § 36) — grundsätzlich alle Bestandteile, aus denen sich die Erdmasse des Grundstücks zusammensetzt. Lösen sich einzelne Bestandteile des zum Grundstück gehörigen Erdkörpers los 37 ) — gleichviel ob sich diese Loslösung im Inneren des Erdkörpers oder an der Oberfläche vollzieht — , so bleibt der Eigentümer des Grundstückes zunächst Eigentümer der losgelösten, also beweglich gewordenen Bestandteile. Das gilt dem Grundsatz 33 ) V g l . B G H in M D R 58, 307; B G H Z 20, 154 = M D R 56, 473 = N J W 56, 945; L M Nr. 2 zu § 93; R G Z 150, 22. R G in H R R 1919 Nr. 1298 (Warmwasseranlage in einem Hotel); Stuttgart in N J W 58, 1685. B G H in N J W 53, 1180 (Entlüftungsanlage in Gasthaus). 34 ) Mit Busch in B a y Z f R 14, 157. 36 ) Zuerst v o n Boethke, bei Gruchot 45, 722. Dann ausführlich niedergelegt von Staudinger-Ritzler Bern. 7 zu § 94. S. ferner Delbrück, ArchBürgR 39, 436; Schmitt, B a y Z f R 15, 58; s. hierüber unten §. 8 36) Vgl. SächsAnn. 33, 178; RheinA n o , 151; s. hierüber unten § 8. 37 ) Dafür sind die verschiedensten Ursachen denkbar: Erdbeben, Einfluß des Bergbaus, Vertiefung der Nachbargrundstücke; Unterwaschung durch Wasser, Verwitterung am Gestein; Zusammenbruch von Hohlräumen im Erdinnern, Veränderung der Grundwasserverhältnisse (s. oben S 11 ff.). Uber eine durch den Druck aufgeschichteter Steinmassen (Halde) verursachte Verschiebung der Bodenbestandteile vgl. JW 1921, 253 (RG).

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

nach auch dann, wenn die losgelösten und in Bewegung geratenen Bestandteile auf ein anderes Grundstück gelangen und hier zum Stillstand gekommen sind. Wenn z. B. ein Bergrutsch stattgefunden hat mit der Folge, daß die Erdmasse des höher gelegenen Grundstückes mitsamt der Erdoberfläche und den darauf stehenden Grenzsteinen über die Grenzlinie hinüber auf das tiefer gelegene Grundstück geschoben ist, so wird hierdurch eine Änderung des rechtlichen Bestandes des Grundstückes nicht bewirkt. Das Grundstück als solches, das ist der keilförmige Ausschnitt aus der Erdmasse, der durch gedachte Linien auf der Oberfläche (die Grenzen) in seiner räumlichen Beziehung zu den übrigen Teilen der Erdkugel (in seiner geographischen Lage) dauernd und unverrückbar festgelegt und durch diese gedachten Linien individualisiert ist, geht nicht mit, wenn sich einzelne Bestandteile des Grundstückes, sei es von der Oberfläche, sei es von dem Erdinnern, loslösen und auf ein anderes Grundstück gelangen. Die durch die verschobenen Grenzzeichen gegebene Linie ist nicht die Grenzlinie und die verschobenen Grenzzeichen müssen deshalb wieder an ihren richtigen geographischen Standort gesetzt werden. Grundverschieden davon ist die Frage, welches rechtliche Schicksal die früheren Bestandteile des Grundstücks haben, die nach ihrer Loslösung auf einem anderen Grundstück angelangt sind. Auszuscheiden sind hier zunächst die Veränderungen, deren rechtliche Beurteilung gemäß Art. 65 E G nach den landesgesetzlichen Vorschriften zu erfolgen hat. Das ist der Erwerb nach Ufer- und Wasserrecht, insbesondere die Fragen, die sich hinsichtlich des Eigentums am verlassenen Flußbett (Art. 12, 23, 25 WG), hinsichtlich der Verlandungen (Art. 8, 21, 23, 24 W G — Art. 8 u. 9 des Entw. zum neuen BayWG), hinsichtlich der Landversetzungen und Uferabrisse (Art. 14, 21, 24 WG), hinsichtlich neu entstandener Inseln (Art. 1 1 , 13, 22 W — Art. 10 u. 1 1 des Entw. zum neuen BayWG) ergeben. Bei den nach B G B zu beurteilenden Verschiebungen kann es sich um Steine, Erde usw., um Gebäude und um Pflanzen (Bäume) handeln. Auszugehen ist davon, daß durch die Loslösung an dem Eigentumsverhältnis der Bestandteile nichts geändert wird. Wenn aber die fortgewanderten Bestandteile des Grundstückes auf oder in ein anderes Grundstück gelangt sind, dann verliert der bisherige Eigentümer sein Eigentum an den losgelösten Bestandteilen, sobald diese wesentliche Bestandteile des anderen Grundstücks geworden sind; denn § 946 bestimmt: „Wird eine bewegliche Sache mit einem Grundstück dergestalt verbunden, daß sie wesentlicher Bestandteil des Grundstückes wird, so erstreckt sich das Eigentum an dem Grundstück auf diese Sache." Um die Verbindung beweglicher Sachen mit einem Grundstück handelt es sich; denn durch die Loslösung haben die Bestandteile die Eigenschaft (unselbständiger) unbeweglicher Sachen verloren; 36

Bestandteile des Grundstücks

§2

Ii 1

sie sind (selbständige) bewegliche Sachen geworden. Das bleiben sie solange, bis sie wieder „unbewegliche Sachen" im Rechtssinne werden. Dieser Begriff ist noch nicht ohne weiteres erfüllt, wenn sich die losgelösten Sachen nicht mehr bewegen. Dazu ist die feste Verbindung mit einer unbeweglichen Sache, dem Grundstück, erforderlich (§ 946). Für die Anwendung des § 946 ist es ohne Bedeutung, ob die Ursache der Loslösung und der Verbindung auf menschlicher Tätigkeit 38 ) oder auf Zufall (höherer Gewalt) beruht. In allen Fällen ist zunächst nach den von §§93, 94, 95 aufgestellten Gesichtspunkten zu entscheiden, ob die von einem Grundstück losgelösten Bestandteile zu einem wesentlichen Bestandteil des anderen Grundstückes geworden sind. Eine Sondervorschrift, wie sie der von der zweiten Kommission gestrichene § 786 E I hatte, gilt nicht. Es kommt vor allem darauf an, ob die ausgewanderten Bestandteile in feste Verbindung mit dem Grund und Boden des anderen Grundstückes gekommen sind. Diese Frage kann nicht für alle Fälle in gleicher Weise entschieden werden39). Die Entscheidung muß noch heute nach denselben Grundsätzen getroffen werden, die schon die Römer aufgestellt haben, i g § 2 D 39, 2 überliefert uns die Entscheidung des Juristen Alfenus, die folgendermaßen lautet: „Wenn von Deinem Acker ein Stück auf meinen Acker gefallen ist, kannst Du die herabgefallene Erde nur unter der Voraussetzung zurückfordern, daß sie sich mit meinem Erdreich nicht schon verbunden und vereinigt h a t . . . . Auch ein Baum, welcher auf meinen Acker geschoben wurde und mit meinem Erdreich zusammengewachsen ist, kann von Dir nicht eigentümlich zurückgefordert werden. Aber auch ich werde gegen Dich keine Klage anstellen können, daß Dir kein Recht zustehe, das (frühere) Stück Deines Ackers auf meinem Acker zu haben, sobald es mit dem meinigen sich verbunden hat, weil es mein Eigentum geworden ist." Weiter bestimmt § 21 J 2, 1 und damit fast gleichlautend 1. 7 § 2 D 4 1 , 1 : „Wenn der Strom von Deinem Grundstück ein Stück abreißt und es an ein benachbartes ansetzt, so ist es klar, daß es Dein bleibt. Wenn es freilich längere Zeit hindurch mit meinem Boden zusammengehangen und die Bäume, welche es mit fortgetragen, in meinem Boden Wurzel getrieben haben, so sind sie von da ab für mein Grundstück erworben." 1. 20 J 2, 1 ; 1 , 7 § 1 D 41, 1 bestimmen: „Was ein Fluß durch Ausspülung an Deinen Acker anschwemmt ist Dein. Durch Anschwemmung wird das angesetzt, was so allmählich hinzukommt, daß man nicht gewahr werden kann, wieviel in jedem Augenblick dazu kommt."

Wesentlich in diesen Quellenstellen sind zwei Gesichtspunkte. Die A n s c h w e m m u n g wird ohne weiteres deshalb Bestandteil des Grundstückes, weil die Aussonderung nicht tunlich ist. Weil und soweit bei dem a b g e r i s s e n e n Stück Land die Aussonderung möglich ist, wird es nicht sofort 38 39

) Ausnahmen können sich aus § 95 ergeben. ) Vgl. R G 50, 243; J W 1904, 110.

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§2 ii i

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Bestandteil. Es erwirbt die Bestandteilseigenschaft erst, wenn es sich mit dem Grundstück fest verbunden hat 40 ). b) Eine im I n n e r n des Erdkörpers v o r sich gehende Verschiebung, welche Bestandteile über die lotrechte Grenzfläche hinüber in den Bodenkörper eines anderen Grundstückes geführt hat, bewirkt ohne weiteres einen Wechsel im Eigentum, weil, abgesehen davon, daß die Aussonderung nicht möglich ist, die in die kompakte Masse des Erdkörpers eingedrungenen Gegenstände infolge des Druckes, den die zusammenhängende Masse von allen Seiten auf sie ausübt, mit dem Boden an der Stelle, an welcher sie zur Ruhe gekommen sind, in fester Verbindung stehen. c) Nicht so einfach ist die Rechtslage, wenn die O b e r f l ä c h e des Grundstückes von der Verschiebung der Bestandteile betroffen ist. Solange und soweit die von dem Grundstück losgelösten, auf ein anderes Grundstück verschobenen Bestandteile unterscheidbar und der Aussonderung fähig sind, bleibt das bisherige Eigentum regelmäßig zunächst erhalten. Deshalb kann der Eigentümer des Weinberges die auf die Wiese eines Unterliegers gelangte Humuserde zurückholen (§ 967)41). Läßt er die Humuserde längere Zeit liegen, dann ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu prüfen, ob er hierdurch nicht seinen Willen der Aufgabe seines Eigentums kundgegeben hat42) (§ 959) und daraufhin der Nachbar die dadurch herrenlos gewordene Sache sich angeeignet hat (§958). Ohne Rücksicht auf diesen Willen der Eigentumsaufgabe durch den einen und des Erwerbs durch den anderen Nachbarn geht das Eigentum an der Humuserde von dem einen Nachbarn auf den anderen selbsttätig mit dem Zeitpunkte über, in welchem die Humuserde mit dem Wiesengrundstück zusammengewachsen ist. Das ist z. B. der Fall, wenn die Gräser der unter der Humusschicht liegenden Grasnarbe aus der Humusschicht herausgewachsen sind. Oder bei einer dickeren Humusschicht, wenn die darunter liegende Grasnarbe zerstört ist und sich auf der Humusschicht eine geschlossene Vegetation gebildet hat. Sind von der Felswand eines Grundstückes abgelöste Steine auf den Acker des Nachbarn gefallen, so ist hinsichtlich der Dereliktion und Aneignung nicht anders zu entscheiden. Eine feste Verbindung dieser Steine mit dem Grundstück wird dagegen, wenn überhaupt, so erst nach recht langer Zeit eintreten. 40 ) Über Eigentum an Verlandungen eines Flußbettes vgl. BGH in MDR 58, 595 — code civile; RGZ 87, 1181; Gruch 57, 1181. Vgl. auch Art. 8, 21, 23 u. 24 BayWG nebst §§ 20ff.VollzugsBekm. u. Entwurf zum neuen WG Art 7, 8, 9 ul 11. 41 ) Der Besitzer des Grundstücks muß ihm die Wegschaffung gestatten. Weigert er sich, so kann er hierauf verklagt werden und wird bei Verzug schadenersatzpflichtig ( § 286). Eine gegen den Willen des Grundstücksbesitzers ausgeführte Zurückschaffung wäre verbotene Eigenmacht (§ 858). Hat der Grundstückbesitzer die ausgewanderten Bestandteile in seinen Besitz genommen, so ist gegen ihn der Anspruch auf Herausgabe nach § 861 und nach § 985 begründet. 42 ) § 959 i s t auch dann anzuwenden, wenn die Kundgebung des Willens, das Eigentum aufzugeben, dem unfreiwilligen Besitzverlust zeitlich nachfolgt. Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 959; RGR Kom. Bern. 3. Bendix in ArchBBürgA 32, 140; Süß in Arch.civPr. 151, 1 (Durchgangsherrenlosigkeit).

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Bestandteile des Grundstücks

§2

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Ist eine dem Grundstückseigentümer gehörige (isolierte) Scheidemauer mitsamt der Erdoberfläche über die Grenze auf das Nachbargrundstück hinüber gewandert, so erwirbt der Nachbar ohne weiteres das Eigentum der Mauer. Denn in einem solchen Fall muß die verschobene Erdmasse so mächtig sein, daß sie infolge des von ihr ausgeübten Druckes auf den darunter Hegenden Erdkörper ohne weiteres mit diesem Erdkörper in eine feste Verbindung gelangt ist und da die Mauer ihrerseits mit der verschobenen Erdmasse fest verbunden ist, so ist die Mauer wesentlicher Bestandteil des Nachbargrundstückes. In gleicher Weise ist zu entscheiden, wenn mit der Erdmasse ein darin eingewurzelter Baum auf ein fremdes Grundstück geschoben ist. Handelt es sich um eine mächtige Erdschicht, die durch ihre eigene Schwere eine feste Verbindung mit dem Grundstück herstellt, dann ist diese und durch sie auch der Baum Bestandteil des Grundstücks geworden. In einem solchen Fall ist es zur Erlangung der Bestandteilseigenschaft des Baumes nicht erforderlich, daß der Baum in dem ursprünglichen Bestand der Erdmasse des Grundstückes Wurzel geschlagen hat. Wenn die verschobene Erdschicht dagegen dünn ist, so werden die darauf stehenden mitverschobenen Pflanzen Bestandteil, sobald sie in den ursprünglichen Bestand der Erdmasse Wurzel geschlagen haben. Dadurch wird dann auch die verschobene Erdschicht mit dem Grundstück fest verbunden. Eine andere Beurteilung hat Platz zu greifen, wenn es sich nicht um eine isolierte Mauer, sondern um eine Hauswand handelt, die durch seitliche Verschiebung der Erdmasse (und des daraufstehenden Hauses) über die Grenze auf das Nachbargrundstück hinüber gerückt ist. Auch hier ist zwar die hinübergewanderte Erdmasse wesentlicher Bestandteil des Nachbargrundstückes geworden. Allein die daraufstehende Hauswand verbleibt als wesentlicher Bestandteil des Hauses im Eigentum des Gebäudeeigentümers, weil der Grundsatz des § 93 mächtiger ist als der des § 94 Abs. 1 (vgl. unten § 21 V I I 3).

Eine andere Frage ist wiederum die, ob der Eigentümer des Grundstückes, dessen Bestandteile auf ein anderes Grundstück gelangt sind, diese Bestandteile zurückholen muß. Sind die ausgewanderten Bestandteile zu wesentlichen Bestandteilen des fremden Grundstückes geworden, dann ist ohne weiteres klar, daß eine solche Verpflichtung nicht besteht. Aber auch solange das ursprüngliche Eigentum an diesen Bestandteilen noch besteht, kann deshalb allein, weil diese Gegenstände in fremden Eigentum stehen, der Eigentümer des Grundstückes, auf welchem sie sich befinden, einen Anspruch auf Beseitigung nicht erheben43). Dazu wäre ein besonderer Rechtsgrund erforderlich. Ist die Verschiebung der Grundstücksbestandteile durch ein unzuverlässiges Verhalten eines Anderen herbeigeführt worden, dann kann der Eigentümer des Grundstückes, auf welches hierdurch die Bestandteile verschoben wurden, die Beseitigung mit der Eigentumsfreiheitsklage verlangen (§ 1004 BGB). Verschulden ist nicht Voraussetzung dieses Anspruches. Liegt ein solches Verschulden vor, dann kann Ersatz des durch die Verschiebung verursachten Schadens (es ist z.B. eine Mauer eingedrückt worden) in Gemäßheit des § 249 B G B beansprucht werden. In Betracht kommt u.a. eine unzulässige Änderung des Wasser43 ) Wohl aber kann er selbst beseitigen. Dagegen kann er die Gegenstände nicht auf das Grundstück zurückschaffen, von dem sie gekommen sind, falls dessen Eigentümer nicht damit einverstanden ist.

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§2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

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laufes44) oder eine andere gewillkürte Veränderung des natürlichen Zustandes des Grundstückes (Erdaufschüttung, Auflagerung von Steinhalden46) oder ein Vertiefen des Erdbodens46). Zum Schluß ist noch zu prüfen, welche Rechte dem Eigentümer zustehen, der sein Eigentum an Bestandteilen dadurch verloren hat, daß sie wesentliche Bestandteile des fremden Grundstückes geworden sind. E r kann von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsveränderung eingetreten ist, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Die Wiederherstellung des früheren Zustandes kann nicht verlangt werden (§951). Der Verpflichtete kann jedoch diesen Bereicherungsanspruch dadurch erfüllen, daß er dem Berechtigten die früheren Bestandteile seines Grundstückes herausgibt, die sich dann dieser holen mag. Er ist zur Herausgabe nicht verpflichtet (§951 Abs. 1 Satz 2), aber natürlich berechtigt. Durch die Herausgabe entfällt seine Bereicherung. Geldentschädigung kann also der Berechtigte trotz § 951 Abs. 1 nur dann verlangen, wenn der Verpflichtete zur Herausgabe nicht bereit ist. Wenn eine unter dem Acker des A befindliche Tonschicht in den Erdkörper des dem B gehörigen Grundstückes eingedrungen ist und sich mit diesem Erdkörper fest verbunden hat, ist B der Eigentümer geworden. Erhebt A gegen B Klage auf Zahlung des Werts der ausgewanderten Tonmassen, so muß die Klage abgewiesen werden, wenn B sich zur Herausgabe47) bereit erklärt. Verbraucht aber B die Tonmasse, so muß er ihren Wert ersetzen.

2. R e c h t s g e s c h ä f t l i c h e V e r ä n d e r u n g e n

an

Grundstücken

a) Vereinigung (§ 890 Abs. 1 B G B in Verb, mit § 5 GBO). Erforderlich ist eine Erklärung des Grundstückseigentümers in der Form des § 29 G B O sowie die Eintragung der Vereinigung im Grundbuch. Die auf den vereinigten Teilflächen ruhenden Belastungen bleiben bestehen. b) Zuschreibung (§890 Abs. 2 B G B in Verb, mit § 6 GBO). Wesentliches Erfordernis ist auch hier die Erklärung des Eigentümers, daß ein Grundstück einem anderen als Bestandteil zugeschrieben wird, sowie ein u ) Der Besitzer eines Zwischengrundstücks haftet nicht für Zuführung von Erdmassen, wenn diese durch Veranstaltungen auf einem anderen Grundstück verursacht ist. Vgl. Recht 1915 Nr. 537 R G . 46 ) Vgl. J W 1921, 253. 46 Siehe unten § 17. 4? ) Ist infolge der Vermischung eine Ausscheidung nicht tunlich, so muß sich A damit begnügen, daß ihm B von der gemischten Masse so viel herausgibt, als A Ton verloren hat. Hat sich der Ton des A mit Mergel des B vermischt, so wird wohl B durch den Zuwachs überhaupt nicht bereichert sein (vgl. § 818 Abs. 3), äußerstenfalls müßte A sich mit der Zurückgabe seines Tones mitsamt dem Mergel begnügen.

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Bestandteile des Grundstücks

§2 in

in der F o r m des § 29 G B O beim G r u n d b u c h a m t zu stellender A n t r a g dieses Inhalts. D i e auf d e m H a u p t g r u n d s t ü c k eingetragenen G r u n d p f a n d r e c h t e erstrecken sich kraft Gesetzes (§ 1 1 3 1 B G B ) auf das zugeschriebene (anders bei der V e r e i n i g u n g nach § 5 G B O ) 4 8 ) . Z u s t i m m u n g Dritter z u r Z u s c h r e i b u n g ist nicht erforderlich, w o h l aber die Z u s t i m m u n g des E h e g a t t e n i m Falle des § 1 4 4 5 B G B . B e i land- u n d forstwirtschaftlichen G r u n d s t ü c k e n ist A r t . V K R G N r . 45 in V e r b , mit B a y D V O N r . 1 2 7 zu beachten, w e n n das zuzuschreibende G r u n d s t ü c k höher als mit 7 / 1 0 des Einheitswertes belastet w e r d e n soll.

III. Ü b e r g a n g s r e c h t Während nach dem B G B Sonderrechte an wesentlichen Bestandteilen insbes. E r zeugnissen (Bäumen) eines Grundstückes nicht begründet werden können, sind die v o r dem 1. 1. 1900 begründeten Sonderrechte durch Art. 1 8 1 Abs. 2 E G hinsichtlich der Erzeugnisse (Bäume), durch Art. 182 hinsichtlich des Stockwerkseigentums aufrecht erhalten. Im übrigen ist das Eigentum an Grundstücken ganz nach B G B zu beurteilen, insbesondere auch die Frage eines Überbaues nach § 912 BGB 4 9 ). Das Stockwerkseigentum ist unten (§ 3) behandelt. Hinsichtlich der Erzeugnisse (Bäume) wird der Vorbehalt des Art 1 8 1 E G wohl kaum mehr praktisch werden. E s kommen Bestimmungen des preußischen Landrechts und des Code civil in Betracht. a) §§ 187, 199, 200 A L R I, 2 2 anerkennen die Möglichkeit, daß bei wildwachsendem Holz der Grundeigentümer und der Eigentümer verschiedene Personen sein können. Das Sondereigentum an Bäumen konnte durch die gewöhnlichen Eigentumserwerbstitel z. B. durch Anschlag mit dem Forsthammer erworben werden 50 ). Hat am 1. 1. 1900 Sondereigentum an Bäumen bestanden, so kann es nach §§ 9 2 9 f r . B G B weitübertragen werden. §§ 9 3 2 f r . B G B finden auf den gutgläubigen Erwerb Anwendung. Dagegen kann der Erwerb des Grundstücks, der gutgläubig den Veräußerer für den Eigentümer der Bäume gehalten hat, das Eigentum an den Bäumen nicht beanspruchen. § 8 2 9 B G B findet auf einen Irrtum über die Bestandteilseigenschaft von Erzeugnissen keine Anwendung 5 1 ). b) Das französiche Recht 52 ) kennt ein Sondereigentum an Bäumen, die unter der Geltung des Gesetzes vom 9. Ventôse 13 auf routes nationales et départementales angepflanzt wurden; diese Bäume gehören den Anliegern. Das Gesetz vom 9. Vent 13 ist durch Gesetz vom 16. 12. 1 8 1 1 aufgehoben. 48 ) Vgl. B G H in D N o t Z 1954, 1 9 7 ; B a y O b L G Z 56, 475 ; = D N o t Z 58, 388. '") Vgl. R G in J W 1900, 777; R G Z 56, 243; 169, 177. 50 ) Vgl. Förster-Eccius 3, 40fr.; Dernberg 3, 335. Dieses Sondereigentum ist nicht mit der superficies nach §§ 243 fr., A L R . I 22 zu verwechseln, bei welcher das Verfügungsrecht über die Bäume dem beschränkten dinglichen Recht am Grund und Boden entspringt. 51 ) R G 6 1 , 194. H R R 1926 Nr. 249; BayOb. in Seuff. Bl. 73, 239; vgl. StaudingerSeufert zu § 892 Randbem. 7. 52 ) Vgl. Kisch-Dernburg, Els.-Lothr. Privatr. S. 486; Fuzier-Hermann, Répertoire générale V , 26 ff.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

§ 3. Stockwerkseigentum1) Eine Teilung des Grundstücks und seiner wesentlichen Bestandteile in waagrechter Richtung ist nach dem System des Bürgerlichen Gesetzbuches unmöglich; die wesentlichen Bestandteile eines Gebäudes folgen mit Notwendigkeit seinem rechtlichen Schicksale (s. oben § 2, II). Es ist daher die Neubegründung eines Stockwerkseigentums nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche nicht mehr zulässig2). Ein am 1. 1. 1900 bestehendes Stockwerkseigentum kann nicht mehr auf ein zu dem horizontal geteilten Gebäude neuerdings hinzugezogenes Grundstück erweitert werden3). Das am 1. 1. 1900 bestehende4) Stockwerkseigentum bleibt bestehen (Art. 182, 189 Abs. 1 EG). Das Wesen des Rechtsverhältnisses wurde verschieden aufgefaßt. Nach der einen Ansicht galten die dem Sonderrecht der einzelnen Teilhaber unterworfenen Teile des Gebäudes als selbständige unbewegliche Sachen, wobei das Miteigentum an der Grundfläche und den gemeinschaftlichen Teilen des Gebäudes als ein den Teilhabern mit dem Eigentum an den § 3. Über Eintragung des Stockwerkeigentums im Grundbuch s. D. A . §§ 173 Abs. 1 , 220 Abs. 2, 296 Abs. 2, 397. 2 ) Vgl. M. 3, 44Í. (Mugdau 3, 24f.); Ausschußverh. der Kammer d. A . 1898, 31 (Becher, Mat. I, 188). Es ist auch nicht zulässig, aus einem bestehenden Stockwerkseigentum durch Teilung weiteres Stockwerkseigentum zu schaffen, auch dann nicht, wenn nach bisherigem Rechte eine solche Teilung zulässig war. Recht 1905, 576 (Stuttgart). O b L G 1 1 , 716. Darüber, auf welche Weise es möglich ist, unter der Geltung des neuen Rechts ein dem Stockwerkseigentum wirtschaftlich verwandtes Rechtsgebilde hervorzubringen, s. am Schluß dieses § 3 (§ 1010 BGB). 3 ) SeuffBl. 58, 187 (ObLG). 4 ) Dem g e m e i n e n Recht war das Stockwerkseigentum (auch Etageneigentum oder Herbergsrecht genannt) fremd. R G . 31, 1 7 1 ; ebenso dem p r e u ß i s c h e n L a n d r e c h t nach der neueren Praxis, vgl. EntschOTr. 53, 4; 75, 85; 79, 128; Recht 1 9 1 3 , 210 (RG). Nach c o d e c i v i l Art. 664 konnten die verschiedenen Stockwerke eines Gebäudes verschiedenen Eigentümern gehören ( R G 24, 340; 56, 259); das b a d i s c h e L a n d r e c h t hat diesen Artikel unverändert übernommen; vgl. Neumann Jahrb. 1908, 595. Auf Grund eines Gewohnheitsrechtes wurde das Stockwerkseigentum zugelassen für das Gebiet des b a y e r i s c h e n L a n d r e c h t s ; vgl. SeuffBl. 32, 297; O G H . 6 , 5 5 3 ; 1 3 , 1 0 5 ; ebenso für das Gebiet des A n s b a c h e r R e c h t s , vgl. SeuffBl. 4, 1 9 1 ; O G H 8, 2 2 1 ; SeuffA 36,Nr. 106; SeuffBl. 45, 133. Durch ausdrückliche statuarische Vorschrift („ein Keller oder eine Kammer unter dem Gebäude eines anderen") wurde das Herbergsrecht begründet, für N ü r n b e r g (Reformation X X V I , 1), K e m p t e n (VI, 21), S a l z b u r g (Einstandsordnung § 16). Für die Stadt M ü n c h e n wird die gewohnheitsrechtliche Bildung des Stockwerkseigentums bezeugt von Roth, Bayer. Zivilrecht § 120 Anm. 35. Für einige Rechtsgebiete ergibt sich das f r ü h e r e Vorhandensein dieses Gewohnheitsrechts aus Statutarvorschriften, durch welche die Teilung eines Hauses nach Stockwerken untersagt wird, so für W ü r z b u r g (Stadtbauordnung Nr. 8 Landmandats-Sammlung Bd. 1 , 678 u. Bd. 3, 784fr.); R e g e n s b u r g (Wachtgerichtsordnung § 9).

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Stockwerkseigentum

§3

ersteren zustehendes Recht behandelt wurde5). Nach der anderen Ansicht bestand lediglich ein Miteigentumsverhältnis mit Ausschluß der Teilung und dauernder Zuweisung der Benutzung einzelner Teile des Gebäudes an die einzelnen Teilhaber6). Beiden Auffassungen ist gemeinsam einmal das ausschließliche Benützungsrecht an den ausgeschiedenen Gebäudeteilen und dann das Miteigentumsrecht an anderen Teilen des Grundstückes insbesondere der Bodenfläche, den Hauptmauern, dem Dache, dem Hausflur7). Das p f ä l z i s c h e R e c h t unterscheidet ausdrücklich, ob die Stockwerksberechtigten Miteigentümer des Grundstückes sind, auf dem sich das im geteilten Eigentum stehende Gebäude befindet. Nur wenn dies der Fall ist, findet der mit Art. 42 Ü G gleichlautende Art. 20 LiegenschG Anwendung. Wenn aber ein Stockwerksberechtigter allein, oder ein Dritter der Eigentümer des Grundstückes ist, dann gilt für die Pfalz Art. 19 LiegenschG wonach das Sondereigentum an einzelnen Räumen eines fremden Gebäudes von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches an als das veräußerliche und vererbliche Recht an dem fremden Grundstücke gilt, auf diesem den Gebäudeteil zu haben, wobei §§ 1016, 1017 B G B entsprechende Anwendung finden8).

Es gibt auch Rechtsbildungen, bei denen jemand nur das Sonderrecht an dem Stockwerk zusteht, während er an den übrigen Grundstücksteilen keinerlei Miteigentumsrecht besitzt. In einem solchen Fall wird man den Art. 42 Ü G nicht anwenden können. Hier kann ein superfiziarisches Rechtsverhältnis, Erbbaurecht oder auch eine Servitut in Frage kommen9). Eine superficies und ein Erbbaurecht ist aber regelmäßig nur dann gegeben, wenn der in Sonderbenutzung stehende Gebäudeteil eine wirtschaftlich selbständige Bedeutung hat, also nicht lediglich ein annexum eines anderen Grundstückes ist, wie dies namentlich bei einem für sich allein nicht benutzbaren Teile eines Gebäudes der Fall ist10). Die superficies und ein Erb5 ) S. Roth, Bayer. Zivilrecht 2 § 120; vgl. RheinArch. 90 Abt. I, 237; 91 Abt. I, 7 1 ; J W 1894, 95 Nr. 52; Becher, Mat. VII, 46. 6 ) Vgl. Stobbe 2, 285; Henle-Schneider 468; Oertmann 316. ') Zu den Hauptmauern gehören nicht nur die Umfassungsmauern, sondern auch die anderen Mauern, soweit sie Gebälke und Decken tragen, nicht aber die nur die Zimmer einteilenden Zwischenwände. Wenn eine Zwischenwand zwei Stockwerksrechte trennt, so gehört sie den Inhabern dieser Stockwerksrechte gemeinschaftlich. 8 ) Schneider 208. 9 ) Vgl. R G 56, 260; K G in J W 1933, 1334. 10 ) So wird man es beispielsweise bei einem Felsenkeller, der eine vollständig selbständige Existenz (insbes. auch einen eigenen Zugang) hat, zumeist mit einer superficies oder einem Erbbaurecht zu tun haben. Gehört zu einem Hause ein Zimmer, welches in ein fremdes Haus hineingebaut ist, ohne von diesem letzteren aus zugänglich zu sein, so wird man regelmäßig ein servitutarisches Verhältnis anzunehmen haben. Vgl. hierzu auch Becher, Mat. III, 30: „Beschränkt sich das Recht auf einen Teil eines fremden Bauwerkes, so kommt es darauf an, ob dieser Teil für den Berechtigten ein selbständiges Vermögensstück bildet oder ob er Bestandteil einer eigenen Anlage des Berechtigten ist. Im ersten Fall, z. B. wenn jemand Eigentümer eines Zimmers oder eines sonstigen Raumes in einem

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

baurecht hat nach § 95 Abs. 1 mit Art. 184 E G 1 1 ) , eine Servitut nach Art. 184 E G fortdauernde Geltung, superfiziarische Rechte sind durch Art. 181 E G B G B nicht gedeckt und können daher nur als Dienstbarkeiten oder als Erbbaurecht aufrecht erhalten werden (vgl. Riedner Bern. 4a zu Art. 184 E G B G B ; R G Z 56, 260). Der Inhalt der am 1. 1. 1900 bestehenden superfiziarischen und servitutarischen Rechtsverhältnisse bestimmt sich auch unter der Geltung des neuen Rechts ausschließlich nach bisherigem Recht; für die Pfalz sind die superfiziarischen Verhältnisse durch Art. 19 LiegenschG in Erbbaurechte umgewandelt. Übertragung, Belastung und Verlust des Stockwerkseigentums richtet sich seit Anlegung des Grundbuchs nach § 873 ff., 925 B G B und § 20 G B O in Verb. m. § 72 GBVerfg 1 1 ). Art. 42 BayÜG (ebenso Art. 20 Liegenschaftsges. f. d. Pfalz) will das am 1. 1. 1900 bestehende Stockwerkseigentum gem. Art. 218 u. 131 E G B G B dem Geiste des B G B dadurch anpassen, daß das Sondereigentum an einzelnen realen Gebäudeteilen in ein „uneigentliches Stockwerkseigentum", das das Miteigentum zur Grundlage hat, übergeleitet wird. Das zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende Stockwerkseigentum (Herbergsrecht) gilt nämlich von diesem Zeitpunkt an (nicht erst von dem Zeitpunkt an, in welchem das Grundbuch für angelegt anzusehen ist) als Miteigentum an dem g a n z e n Grundstücke, d. i. an der Bodenfläche und dem darauf stehenden Gebäude 12 ). Das S o n d e r e i g e n t u m der einzelnen Berechtigten ist also vom 1. 1. 1900 an erloschen, und an dessen Stelle tritt ein dem R e c h t e nach ungeteiltes Miteigentum mit Sonderbenützungsrechten; die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über das Miteigentum (§§ 1008—1011) bzw. die zu deren Ergänzung dienenden Bestimmungen über die Gemeinschaft (§§ 741 bis 758) sind insoweit heranzuziehen, als sich nicht aus Art. 42 Ü G ein anderes ergibt. fremden Hause ist, besteht ein dem Erbbaurecht ähnliches vererbliches und veräußerliches Recht; im zweiten Falle, z.B. wenn jemand in seinem Hause einen Keller hat, der sich in das Nachbargrundstück hineinerstreckt, liegt im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Grunddienstbarkeit vor. Der Inhalt aller dieser Rechte wird durch Art. 184 E G gewahrt." u ) Vgl. Meikel-Imhof-Riedel G B O § 3 Bern. 1 1 , § 20 Bern. 5, § 1 1 7 Bern. 22g. Durch § 63 W E G wird dieses Stockwerkseigentum nicht berührt, jedoch gebührenrechtlich begünstigt, um die Überleitung in die Rechtsformen des W E G zu erleichtern. Wegen der grundbuchrechtlichen Behandlung ist auf §§ 220, 296 u. 397 der D A n w . für GrundbÄ. in Bayern zu verweisen. 12 ) Vgl. § 17 der V O vom 23. Juli 1898 betr. Anlegung des Grundbuchs r. d. Rh., sowie §§ 397, 220 Abs. 2, 296 Abs. 2 der DAnw., wonach die Anteile der Miteigentümer (die bisherigen Stockwerksrechte) regelmäßig auf gesonderten Blättern einzutragen sind. Vgl. ferner Henle-Dandl, Grundbuchanlegung 39, 63, 77, 80, 89; BayOb. in SeuffBl. 76, 244; B a y O b Z G Z 3, 1023.

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Stockwerkseigentum

§3

Hiernach ist im Zweifel anzunehmen, daß den Teilhabern gleiche Anteile zustehen (§ 742 BGB). War aber das Recht der einzelnen Berechtigten vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches räumlich kein gleiches, so steht ihnen nach diesem Zeitpunkt das Miteigentum nach dem Verhältnis der früheren räumlichen Beteiligung zu 13 ). Hatte der eine Berechtigte an einem Gebäude mit zwei Obergeschossen ein Stockwerk, der andere zwei Stockwerke zu Alleineigentum, so ist nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches das Miteigentum an dem Gebäude samt Grund und Boden in der Weise geteilt, daß ersterer zu einem Drittel, letzterer zu zwei Drittel anteilsberechtigt ist. Der einzelne Teilhaber kann über diesen seinen Anteil samt dem hiervon untrennbaren14) Benützungsrechte durch Veräußerung, Bestellung einer Hypothek, Grund- oder Rentenschuld, sowie eines dinglichen Vorkaufsrechtes verfügen (§ 747 Satz 1 BGB) 16 ). Der Anteil eines Teilhabers kann von seinen Gläubigern zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung gemacht werden. Dagegen kann über das ganze Gebäude nur von allen Teilhabern gemeinschaftlich verfügt werden (§ 747 Satz 2 BGB). Ein einzelner Miteigentümer kann das Grundstück im ganzen weder veräußern noch belasten. Eine solche Verfügung ist in vollem Umfang unwirksam. Die räumliche Ausdehnung der bestehenden Stockwerksrechte kann ebensowenig wie deren Teilung vereinbart werden; denn das käme einer unzulässigen Neubegründung von Stockwerkseigentum gleich18). Jeder Teilhaber ist zum Gebrauche des ganzen Grundstückes und des ganzen Gebäudes insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird (§ 743 BGB). Dieses Recht des gemeinsamen Gebrauchs erstreckt sich jedoch gemäß Art. 42 Ü G nicht auf diejenigen Gebäudeteile, welche zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches dem einen Teilhaber allein gehörten; er ist zur ausschließlichen und dauernden Benützung dieser Teile nach wie vor befugt. Der Ausdruck „gehörten" trägt den verschiedenen Konstruktionen Rechnung, die nach bisherigem Rechte möglich waren, so daß es gleichgültig ist, ob das bisherige rechtliche Herrschaftsverhältnis auf einem Sondereigentum oder dinglichem Benützungsrecht beruhte. Das durch Art. 42 Ü G i n eine neue Form gebrachte Recht ist ein dingliches, dauerndes und ausschließliches Benützungsrecht. Das Miteigentum aller ist mit diesem Benützungsrecht zugunsten eines jeden Miteigentümers belastet17). 13

14 ) Zustimmend Oertmann 319. ) Schneider 2 1 1 . ) Zustimmend Oertmann 518. le ) Vgl. Recht 1905, 576; R G 89, 177. Die Pfändung richtet sich nach §§ 828, 857, 864fr. ZPO. 17 ) Schneider 2 1 1 . 16

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§3

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Das Rechtsverhältnis ist also folgendermaßen gestaltet: Es besteht Miteigentum an der ganzen Fläche, auf welcher das Gebäude steht, und an dem ganzen Gebäude. Es steht ferner ein Sonderbenützungsrecht für jeden der Miteigentümer an denjenigen Teilen des Hauses, welche ihm am i. i. 1900 gehörten. An den übrigen Teilen des Gebäudes und der Grundfläche besteht ein gemeinschaftliches Benützungsrecht, welches Ausfluß des Miteigentums ist und nach den §§ 1008 ff., 741 ff. zu beurteilen ist. Da das Sonderbenützungsrecht nicht auf einem Sondereigentum beruht, können auf das Rechtsverhältnis der Sonderbenützungsrechte untereinander die gesetzlichen, insbesondere die nachbarrechtlichen Eigentumsbeschränkungen nicht angewendet werden. Das Sonderbenutzungsrecht wurzelt im Miteigentum an dem ganzen Haus, ist also Ausfluß der hieran bestehenden Gemeinschaft. Zwar ist das Sonderbenützungsrecht an dem betreffenden Teil ein ausschließliches, aber durch die gesonderte Benützung des Teiles wird zugleich das ganze Haus (als Einheitssache) benützt und somit wird das Gemeinschaftsverhältnis durch die Sonderbenützung ausgeübt. Es ist deshalb § 743 B G B anzuwenden, wonach jeder Teilhaber zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes insoweit befugt ist, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird. Jeder Teilhaber hat also die ausschließliche Benützung seines Stockwerkes so auszuüben, daß das Sonderbenützungsrecht des anderen Teilhabers an seinem Stockwerk und dessen Mitbenützungsrecht an den gemeinschaftlichen Teilen nicht beeinträchtigt wird. Die Richtschnur wird durch das billige Ermessen gezogen (§ 242). Hierfür können die Gedanken herangezogen werden, welche der gesetzlichen Regelung des Nachbarrechtes zugrunde Hegen (vgl. z. B. § 906 über Zuführung von Lärm, Gerüchen usw.). Dabei ist natürlich der Verschiedenheit des Zusammenwohnens unter einem Dache gemäß den nachbarlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Es wird z.B. auch in einem Fabrikviertel nicht angängig sein, daß in einem W o h n h a u s e mit Stockwerkseigentum der eine Teilhaber in seinem Stockwerk einen Fabrikbetrieb einrichtet; ebensowenig zulässig wäre es, wenn er in sein Stockwerkseigentum einen Stall verlegen wurde. Hat aber das Erdgeschoß von alters her als Stall eines Teilhabers gedient, so kann der andere diese Benützung nicht mit Rücksicht auf den Geruch und die Fliegenplage verbieten18). Andererseits muß bei einem Widerstreit der Interessen immer daran gedacht werden, daß der Gesetzgeber mit der Vorschrift des Art. 42 Ü G 18 ) Auch in diesem Fall braucht ein Übermaß solcher Einwirkungen nicht geduldet zu werden. Ob ein solches Übermaß vorliegt, ist durch entsprechende Verwertung der dem § 906 zugrunde liegenden Gedanken zu ermitteln. Vgl. Wiethaup in M D R 60. 632; Weimer M D R 60, 639.

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Stockwerkseigentum

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zwar das Rechtsverhältnis auf eine neue konstruktive Grundlage stellte, dabei aber von der Absicht geleitet war, die Rechtseinwirkungen aufrecht zu erhalten, die sich nach bisherigem Recht aus dem Sonder e i g e n tum ergaben. Im Zweifel wird man sich also dafür entscheiden müssen, daß eine beanstandete Art der Benützung des in Sonderbenützung stehenden Teils zulässig ist. Nimmt ein Teilhaber eine Familie in Untermiete auf, so kann das von dem anderen Teilhaber nicht verboten werden. Wenn die Sonderbenützung und Mitbenützung der anderen in unerträglicher Weise beeinträchtigt wird, und die Beeinträchtigung von einer Benützungsart ausgeht, für die nach objektiver Sachlage das Stockwerkseigentum nicht bestimmt erscheint, kann durch das billige Ermessen ein Verbietungsrecht begründet werden. Da der Berechtigte den Mitgebrauch der übrigen Teilhaber nicht beeinträchtigen darf, so darf der Erdgeschoßberechtigte ein auf den gemeinsamen Hof gehendes Fenster nicht in eine Türe umwandeln. Der Eigentümer des obersten Geschosses ist nicht befugt, ein weiteres Stockwerk aufzusetzen, weil jedes neue Stockwerk die unteren Stockwerke und die gemeinschaftlichen Hauptmauern belastet und auch zu einer Steigerung des Mitgebrauchs der gemeinschaftlichen Teile führt 19 ). Die V e r w a l t u n g des Grundstücks steht den Stockwerksberechtigten gemeinschaftlich zu. Jeder Teilhaber ist berechtigt, die zur Erhaltung des Gebäudes notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen; er kann verlangen, daß diese ihre Einwilligung zu einer solchen Maßregel im voraus erklären (§ 744 BGB) 19a ). Ist das Miteigentum nach ungleichen Quoten geteilt, so kann eine der Beschaffenheit des Stockwerkshauses entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benützung des ganzen Grundstücks und jener Teile, welche dem gemeinsamen Gebrauche offenstehen, durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen (§ 745)20). Haben die Stockwerkseigentümer die Verwaltung und Benützung geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung gegen den Sondernachfolger eines Berechtigten, wenn sie als Belastung des Anteils im Grundbuch eingetragen ist (§ 1010 BGB). Jeder Stockwerksberechtigte kann die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung des ganzen Grundstücks geltend machen. Nur in der Verfolgung des Anspruchs auf Herausgabe des Grundstücks ist '•) Vgl. J W 1894, 9518a ) Dieses im Interesse der Erhaltung wirtschaftlicher Werte jedem Teilhaber eingeräumte Recht kann auch durch Vertrag oder Mehrheitsbeschluß nicht ausgeschlossen werden. Vgl. Palandt-Gramm Bern. 1 zu § 744 B G B . 20 ) Wenn der eine zu 2 / 3 , der andere zu 1 / 3 berechtigt ist, so kann ersterer anordnen, daß der gemeinschafdiche Hausflur in jeder dritten Woche von dem anderen Teilhaber, sonst von ihm zu reinigen ist.

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§3

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

er beschränkt, indem er nur die Herausgabe an alle Stockwerksberechtigten beanspruchen kann (§ I O I I mit § 432 BGB). Jeder Stockwerksberechtigte ist dem anderen Berechtigten gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gebäudes sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und der gemeinschaftlichen Benutzung nach Verhältnis seines Anteils zu tragen (§ 748 BGB) 2 1 ); jedoch fällt der Aufwand für die Unterhaltung jener Gebäudeteile, an welchen dem betreffenden Stockwerksberechtigten das ausschließliche Benützungsrecht zusteht, auch ihm allein zur Last 22 ) (Art. 42 ÜG). An den Umfassungsmauern steht die Sonderbenützung nicht zu, weil sie ja nicht nur dem einen Stockwerk, sondern dem ganzen Haus dienen; das gilt auch für die Umfassungsmauern, welche das oberste Stockwerk umschließen, da auf ihnen das Dach ruht. Das gleiche muß für die Innenmauern gelten, wenn sie Gebälk, Decken usw. tragen, nicht aber für die Zwischenwände, durch welche lediglich ein Stockwerkseigentum in einzelne Gelasse eingeteilt wird (vgl. Art. 664 Code civil). Die Unterhaltung der innerhalb des Stockwerkseigentums befindlichen Fenster obliegt dem Berechtigten. Bezüglich der seiner Sonderbenützung unterstehenden Teile entscheidet der Berechtigte nach eigenem Ermessen, ob und welche Aufwendungen zu machen sind. Soweit aber der Aufwand für die Erhaltung des ganzen Gebäudes notwendig ist, muß der Sonderberechtigte bezüglich der ihm allein zu21

) Darunter fallen auch die öffentlichen Lasten (Grundsteuern, Straßenpflasterkosten). ) Art. 664 Cod. civ. legt dem Stockwerkseigentümer die Pflicht auf, für den Fußboden zu sorgen, auf dem er geht. Art. 664 ist außer Geltung. Art. 42 Ü G . führt aber zu dem gleichen Ergebnis. Die Sorge für den Fußboden umfaßt die Sorge für die ihn tragenden Balken und die auf diesen liegenden Schwellen. Eine Treppe, die ausschließlich von dem einen Stockwerkseigentümer benützbar ist, ist von diesem zu unterhalten. Der Berechtigte des unteren Stockwerkes hat für die Zimmerdecken zu sorgen. Wenn der Berechtigte eines unteren Stockwerkes eines Wohnhauses in seinem Stockwerk eine Wäscherei betreibt mit der Folge, daß die aufsteigenden Dämpfe das Zimmerbodengebälk des darüber liegenden Stockwerkes mit Feuchtigkeit durchsetzen, so ist eine hierdurch herbeigeführte Beschädigung des Fußbodengebälks des darüber liegenden Stockwerkes von dem Berechtigten des unteren Stockwerkes zu vertreten. Das gleiche muß gelten, wenn die Beschädigung durch die Dünste eines Stalles herbeigeführt ist. Art. 42 beruht auf dem Gedanken, daß die Lasten der gemeinschaftlichen Benützung gemeinschaftlich, die Lasten der Sonderbenützung gesondert zu tragen sind. Diese seine Absicht glaubte Art. 42 dadurch zu erreichen, daß er den Aufwand für die Unterhaltung der Sonderteile dem Sonderberechtigten auferlegt. Wenn aber der Aufwand für einen solchen Sonderteil durch die Sonderbenützung des anderen an seinem Sonderteil herbeigeführt ist, so muß nach der ratio des Gesetzes (Art. 42 ÜG) angenommen werden, daß der Gesetzgeber an den hier besprochenen Fall nicht gedacht hat und, wenn er daran gedacht hätte, ihn zweifellos in dem hier entschiedenen Sinne geregelt hätte; dies würde allein noch nicht hinreichen, um eine Entscheidung gegen den Wortlaut des Gesetzes (Art. 42 ÜG) zu rechtfertigen. Hier greifen aber die Rechtsgrundsätze der Gemeinschaft ein, die zur Auslegung der in Art. 42 getroffenen Regelung heranzuziehen sind. 22

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Stockwerkseigentum

§3

stehenden Teile den erforderlichen Aufwand machen und zwar aus seiner eigenen Tasche23). Soweit die Rechte der übrigen Berechtigten hierdurch keine Beeinträchtigung erleiden, ist jeder Berechtigte befugt, an den seinem Sonderrechte unterstehenden Gebäudeteilen ohne Zustimmung der anderen Teilhaber Veränderungen vorzunehmen24). Dies gilt trotz § 744 gemäß § 226. Der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft ist ausgeschlossen (Art. 42 ÜG). Das Gemeinschaftsverhältnis bleibt bestehen, solange es nicht durch Übereinkommen aufgehoben ist. Die Aufhebung kann weder aus wichtigen Gründen (§ 749 Abs. 2 BGB), noch im Falle des Konkurses über das Vermögen eines Miteigentümers von dem Konkursverwalter verlangt werden26). Mit dem U n t e r g a n g des Gebäudes bleibt nur noch das ungeteilte Miteigentum an der Grundfläche übrig. Wird das Gebäude wieder hergestellt, so lebt das Gemeinschaftsverhältnis an dem Gebäude n i c h t wieder auf. Das Rechtsverhältnis läßt sich vermöge seiner Eigenart auf einen Neubau nicht übertragen; es ist an das spezielle Gebäude gebunden und kann nach dessen Untergang nicht wieder aufleben. Mit dem Untergang der Sache, hier der Gebäudeteile, erlischt notwendig auch jedes Rechtsverhältnis daran. Die Rechtslage ist ähnlich derjenigen beim Untergang eines Gebäudeteiles, an dem ein dingliches Wohnungsrecht bestand26). Den gegenteiligen Ansichten von Henle-Schneider (Anm. 9 zu Art. 42 BayÜG), Planck-Strecker (Bern, zu Art. 182 E G BGB), Habicht (Einwirkung S. 416) u. örtmann (BayLPrivR S. 319) kann nicht beigetreten werden. Zu einem anderen Ergebnis könnte es führen, wenn mit der Begründung des Stockwerkseigentums eine dinglich (durch Reallast) gesicherte Verpflichtung verbunden gewesen wäre, den Gebäudeteil wiederherzustellen; denn die Reallast würde auch durch eine Zerstörung des Gebäudes nicht untergehen, da sie auf dem Grund und Boden ruht. Wenn nur ein Teil des Gebäudes abgebrannt ist, so wird zu untersuchen sein; ob der abgebrannte Teil die Hauptsache darstellt oder die Überreste. Ersteren23

) Schneider 212. ) Doch ist der Eigentümer des obersten Geschosses nicht berechtigt, ein weiteres Stockwerk darauf zu setzen, weil jedes weitere Stockwerk eine Belastung der gemeinsamen Teile (insbesondere der Umfassungsmauern) bewirkt ( J W 1894, 95 RG). — Setzt er ein weiteres Stockwerk mit Genehmigung der übrigen Berechtigten und mit der Vereinbarung auf, daß das neue Stockwerk sein Sondereigentum oder doch seinem Sonderbenutzungsrecht unterworfen sein soll, so werden die mehreren Berechtigten gleichwohl Miteigentümer. Der Vereinbarung kann dingliche Wirkung verschafft werden nach Maßgabe des § 1010 B G B (s. hierüber unten S. 47). 25 ) Henle-Schneider Anm. 9 zu Art. 42 ÜG). 2 «) Vgl. B G H Z 7,268 = N J W 52, 1 3 7 5 ; B G H Z 8, 58 = N J W 53, 140 D N o t Z 54, 383; Z M Nr. 1—3 zu § 1093; Staudinger 1 1 . Aufl. Randb. 13 zu § 1093; Meisner-SternHodes § 3 I F N 14. 24

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

falls ist das Stockwerkseigentum ebenfalls erloschen. Ob der Untergang des Gebäudes auf Zufall (Brand)27) oder auf gewolltes Zusammenwirken aller Beteiligten (Abbruch) zurück2uführen ist, hat keine Bedeutung28). Haben die Teilhaber ein bisher im Stockwerkseigentum stehendes Gebäude abgebrochen und ein Ersatzgebäude errichtet mit dem Willen und der Verabredung, daß dasselbe und seine einzelnen Teile dem gleichen Stockwerkseigentum wie das frühere Haus unterworfen sein soll, so wird hierdurch kein Stockwerkseigentum begründet283). Das neue Gebäude steht wie das Grundstück selbst im einfachen Miteigentum. Man wird annehmen können, daß durch eine solche Vereinbarung das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer ausgeschlossen sein soll; es kommt daher § I O I O B G B zur Anwendung 29 ). Auf die gleiche Weise läßt sich an jedem Gebäude ein dem Stockwerkseigentum verwandtes Ergebnis erreichen, wenn an dem Gebäude das Miteigentum begründet wird und die einzelnen Miteigentümer vertragsmäßig die Verwaltung und Benutzung in der Weise regeln, daß jedem einzelnen ein Sonderrecht an einem Stockwerk eingeräumt wird, und endlich auch das Recht auf Aufhebung der Gemeinschaft für immer ausschließen und diese Vereinbarung im Grundbuch eintragen lassen. Diese Eintragung hat die rechtliche Bedeutung einer besonderen gegenseitigen Belastung jedes einzelnen Miteigentumsanteils zugunsten der übrigen Miteigentümer. Zur Eintragung ist die Bewilligung der Beteiligten gemäß §§ 873 fr. B G B in Verb. m. § 19 G B O und § 10 Abs. i a G B V f g . erforderlich30). Durch die 27 ) Wenn nach den Vorschriften des Brandversicherungsgesetztes ein Zwang zum Wiederaufbau besteht, so haben alle Teilhaber im Verhältnis ihrer Anteile zum Wiederaufbau beizusteuern, wie ihnen auch die Brandversicherungssumme nach diesem Verhältnis zufällt (Schneider 211). 2S ) Selbst wenn ein Berechtigter rechtswidrig das Gebäude beseitigt hat, kann die ihm obliegende Schadensersatzpflicht nicht zur Wiederherstellung des eigentlichen Stockwerkseigentums führen, weil diese Wiederherstellung gesetzlich nicht möglich ist (§ 251 BGB). Dagegen kann Wiederherstellung des Hauses verlangt werden. Das Haus mit allen seinen Teilen wird Miteigentum. Der Ersatzpflichtige hat dann zu einem dinglichen Vertrag (§ 1010) mitzuwirken, durch welchen die Benützung der einzelnen Teile genau so geregelt wird, wie sie nach dem Stockwerkseigentum zustand. Die Herstellung dieses zu demselben wirtschaftlichen Ergebnis führenden Rechtszustandes (vgl. R G 76, 146) kann auf Grund des § 249 verlangt werden. 28a ) Das Ziel kann durch Begründung von Wohnungseigentum oder Dauernutzungsrecht nach §§ 1 , 3 oder 31 W E G erreicht werden. 29 ) Aber auch § 749 kommt zur Anwendung, wonach trotz einer solchen Vereinbarung die Aufhebung der Gemeinschaft jederzeit verlangt werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Vgl. B G H u. N J W 54, 106. 30 ) Vgl. B a y O b L G Z 12, 850; K G J 52, 1 1 3 ; Staudinger-Seufert Randb. 3; PlanckStrecker Bern, i c u. 2b; Palandt-Hoche Bern. 3; Ermann-Seibert Bern. 2 je zu § 1 0 1 0 ; a. M. Güthe-Triebel G B O II, 1948, der die Eintragung als Verfügungsbeschränkung ansieht.

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Das Recht an Kellern

§4

i

Eintragung der Vereinbarung werden die Miteigentümer nicht gehindert, ihren Miteigentumsanteil zu belasten oder zu veräußern. Die Eintragung hat nur für die Sonderrechtsnachfolger im Eigentum, jedoch nicht für Gläubiger eines Miteigentümers Bedeutung. Das Stockwerkseigentum erlischt nicht durch Vereinigung der mehreren Stockwerksanteile in einer Hand. Alsdann ist eben das Miteigentumsrecht zugunsten des anderen beschränkt, so daß in Ansehung des einen Miteigentumsanteils dem Miteigentümer zugleich ein Sonderrecht zugunsten des anderen Anteils zusteht. Diese Doppelstellung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken und ist in den §§889, 1009 B G B ausdrücklich zugelassen. Weil aber die in einer Hand vereinigten Stockwerksrechte noch als gesonderte Rechte nebeneinander bestehen, so steht der Veräußerung des einen Stockwerksrechts kein rechtliches Hindernis entgegen31).

§ 4. Das Recht an Kellern I. Das Eigentum an einem Grundstück erstreckt sich nach § 905 B G B auch auf den Erdkörper unter der Erdoberfläche. Der Eigentümer eines Grunstücks ist daher auch Eigentümer des darunter befindlichen Kellers. Die Begründung eines Sondereigentums an dem Keller ist nicht mehr möglich 1 ). Dagegen kann an einem Grundstück, auf dem ein Keller als selbständiges Bauwerk errichtet ist oder errichtet werden soll, ein Erbbaurecht des Inhalts bestellt werden, daß auf diesem Grundstück ein Keller gehalten werden darf (§ ioizff. B G B , §§ iff. ErbbVO) 2 ). Stellt aber der Keller für sich keinen selbständigen Bau dar, sondern nur einen Teil eines anderen Gebäudes, so kann ein Erbbaurecht hieran seit 1. 1. 1900 nicht mehr begründet werden (§ 1014 B G B , § 1 Abs. 3 ErbbVO). 31 ) BayZ 1 1 , 92 (ObLG). Anders natürlich, wo nach altem Recht vor 1900 das Stockwerkseigentum durch Vereinigung in einer Hand erloschen war (Bad. Rspr. 09, 178).

§ 4. Übrigens ist ein nach früherem Recht etwa vorhandenes Sondereigentum (vgl. R G 24, 540), abgesehen vom Stockwerkseigentum, nicht aufrecht erhalten. (Vgl. J W 1903, Beilage S. 90 BayOb. 22, 217). Wo nach bisherigem Recht ein solches Sondereigentum bestanden hat, gilt es jetzt als das Recht, den Keller auf einem fremden Grundstück zu haben ( R G 56, 260). Man muß annehmen, daß dieses Sondereigentum von selbst in ein Erbbaurecht übergegangen ist. Vgl. RheinArch. 102 Abt. I, 144. Das Kellergewölbe wird sodann als Bestandteil des Erbbaurechts anzusehen sein und kann daher nach § 95 B G B im Sondereigentum des Erbbauberechtigten stehen. Bei Zerfall des Gewölbes bleibt der Superfiziar Eigentümer des mobilisierten Materials. M. 3, 473 (Mugdan 3, 264); Dernburg § 163 Anm. 8. Vgl. R G 22, 195. 2 ) Vgl. J W 1903, Beilage S. 90; BayOb. 22, 217. 4"

51

8 4 II 1,2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Wohl aber ist nunmehr nach den Bestimmungen des W E G die Begründung von Teileigentum oder eines Teilerbbaurechts sowie die Bestellung einer Dienstbarkeit oder Dauernutzungsrechts an einem Gebäudeteil rechtlich möglich. II. R e c h t s n a t u r der v o r i. i. 1 9 0 0 b e s t e l l t e n K e l l e r r e c h t e u n d i h r e Ü b e r l e i t u n g in das S y s t e m des B G B Die am 1. 1. 1900 bestehenden Sonderberechtigungen an Kellern sind mit Inkrafttreten des B G B entweder als Stockwerkseigentum (Art. 182 E G B G B in Verb, mit Art. 42 Ü G B G B ) oder als Erbbaurecht (Art. 184 E G ) oder als Dienstbarkeit (Art. 184 E G B G B , §§ ioi8ff. B G B ) aufrechterhalten. Welche Rechtsform jeweils anzunehmen ist, beurteilt sich im einzelnen Fall je nach den zugrundeliegenden Verhältnissen: 1. Stockwerkseigentum kann nur dann angenommen werden, wenn der Kellereigentümer gleichzeitig Miteigentümer wenigstens eines Teils der unterkellerten Grundfläche ist und wenn die Sonderberechtigung nicht etwa mit einem herrschenden Grundstück verbunden, sondern frei veräußerlich und vererblich ist (vgl. BayObZ 18 B 3 1 5 ; 14, 254). 2. Als Erbbaurecht wird ein am 1. 1. 1900 bestehendes Kellerrecht nur in solchen Fällen beurteilt werden, in denen der fragliche Keller nach der Verkehrsauffassung als selbständiges Gebäude, nicht nur als Gebäudeteil betrachtet werden kann (vgl. BayObZ 16, 282, SeufF. Bl. 32, 297 Silberschmid in SeufF. Bl. 69, 409 ff.; vgl. auch Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem. 27 zu § 1 ErbbVO). Als selbständiges Bauwerk wird ein Keller idR dann anzusehen sein, wenn er vom Gebäude aus, unter dem er sich befindet wirtschaftlich nicht benützt werden kann, etwa weil er von dort her überhaupt nicht zugänglich ist. Bildet jedoch der Keller einen konstruktiven Teil des Gebäudes und ist er vom Hause aus benützbar, so erscheint er als unselbständiger Teil des betreffenden Gebäudes; daher werden Sonderberechtigungen Dritter an einem solchen Kellerraum als Dienstbarkeit zu behandeln sein. Wird über einem bereits angelegten Kellerbau von einem Dritten ein Haus errichtet oder wird von einem Dritten unter einem ohne Keller erbauten Hause ein Keller angelegt, so hat man es mit einem selbständigen Bauwerk zu tun. Dieser Kellerbau wird idR mit einer Dienstbarkeit (servitus oneris ferendi) zugunsten des über ihm errichteten Hauses belastet sein (vgl. SeufF. Arch. 6 Nr. 152; § 1022 BGB). Das Erbbaurecht kann Subjekt oder Objekt einer Grunddienstbarkeit sein (vgl. Silberschmid in Seuff. Bl. 69, 410). Aber selbst wenn der Keller nach seiner baulichen BeschafFenheit und seiner Verbindung mit dem Hause als Teil dieses Hauses 52

Das Recht an Kellern

§4

II 3, III 1 , 2

im konstruktiven Sinne zu betrachten ist, dürfte ein solcher Keller dann gleichwohl als eigenes Ganzes zu beurteilen sein, wenn er sich innerhalb der Umfassungsmauern befindet und keine Türöffnung gegen die Seite dieses Hauses hat, so daß er von den übrigen Räumen aus gar nicht benützbar ist. Da an einem solchen Keller ein selbständiger Besitz möglich ist (vgl. O G H 16, 282; SeufF. Arch. 6 Nr. 152; 52 Nr. 147; Seuff. Bl. 32, 297), dürfte an ihm, weil er nicht zu den Bestandteilen des Hauses gehört, ein Erbbaurecht zulässig sein (vgl. Silberschmid Seuff. Bl. 69, 411). 3. Eine Grunddienstbarkeit ist immer dann anzunehmen, wenn das Kellerrecht mit einem Grundstück derart in Verbindung steht, daß es dem jeweiligen Eigentümer dieses Grundstücks von Nutzen ist (vgl. R G Z 4, 135; 7, 146, Seuff. Arch. 29 Nr. 1 1 ; BayObZ 18 B 315) 3 ). III. E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e

an

Erbbaurechts-Kellern

1. Das Eigentum an der Grundfläche, auf der der Kellerbau steht, bleibt beim Grundstückseigentümer auch wenn der Keller schon vor Begründung des Erbbaurechts bestanden hat. 2. Hinsichtlich des Eigentums am Kellerbau selbst ist zu unterscheiden: a) Bei Erbbaurechten nach §§ ioi2ff. B G B (auch bei solchen, die mit Inkrafttreten des B G B aus Sonderberechtigungen vor 1. 1. 1900 gem. Art. 42 BayÜG in Erbbaurechte übergeleitet worden sind), ist mit der jetzt herrschenden Rechtsansicht anzunehmen, daß ein schon vor Begründung des Erbbaurechts vorhandener Kellerbau mit der Begründung des Erbbaurechts an ihm wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts wird und zwar unter Herauslösung aus seiner bisherigen Zugehörigkeit zu den wesentlichen Bestandteilen des Grund und Bodens (vgl. Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem. 2 u. 3 zu § 1 0 1 7 ; Planck-Strecker Bern. 3 b zu § 1 0 1 2 ; R G R K o m . Bern. 1 zu § 1 0 1 2 ; K G J 39 B 87). Damit wird der Kellerbau auch der vollen Verfügungsbefugnis des Erbbauberechtigten unterstellt und in dessen Eigentum übergeleitet; das folgt zwingend aus § 93 B G B , wonach an einem wesentlichen Bestandteil keine Sonderrechte Dritter bestehen können. b) Kellerbauten, die erst nach dem 22. 1. 1919 (Inkrafttreten der ErbbVO) von einem Erbbaurecht erfaßt werden, unterstehen als wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts dem Eigentumsrecht des Erbbauberechtigten ( § 1 2 Abs. 1 S. 1 ErbbVO). Das gilt auch dann, wenn der Keller 3 ) Über Kellerrechte als Nutzungsrechte vgl. Schmitt in BayNotZ. 1915, 146; BayO b Z 22, 270; Seuff. Arch. 70 Nr. 99).

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§4

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

IV

schon vor Eintragung des Erbbaurechts als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem er erbaut ist, bestanden hat; denn aus § 12 Abs. 1 S. 1 ErbbVO ist als klarer Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, daß ein Bauwerk (Kellerbau) mit seiner Einreihung in die wesentlichen Bestandteile des Erbbaurechts kraft Gesetzes aus der bisherigen rechtlichen Verbindung mit der Grundfläche auf der er steht, ausscheidet, weil das Erbbaurecht nach § 11 ErbbVO ausdrücklich als (juristisches) Grundstück zu behandeln ist (vgl. Staudinger xi. Aufl. Randbem. 2 zu § 1 1 ErbbVO; Wolff SR § 104, IV), auf das die Bestimmungen in §§94 und 95 B G B entsprechendanzuwenden sind ( § 1 2 Abs. 2 ErbbVO; vgl. Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem. 17 u. 18 in Verb. m. Randbem. 2, n , 12 u. 16 zu § 12 ErbbVO). Der in RGRKomm. Bern. 2 zu § 12 ErbbVO vertretenen Ansicht, das schon vor Begründung des Erbbaurechts vorhandene Bauwerk bleibe Eigentum des Grundeigentümers, steht die zwingende Vorschrift des § 93 B G B entgegen, die jedes Sonderrecht am wesentlichen Bestandteil verbietet, soweit nicht etwa eine abweichende Regelung nach § 3 W E G getroffen wird. Mit dem Ausscheiden des Kellerbaus aus der Verbindung mit Grund und Boden erlöschen auch etwaige dingliche Rechte, für die das Bauwerk als Grundstücksbestandteil bis dahin verhaftet war (vgl. Staudinger 1 1 . Aufl. Randbem. 15 zu § 12 ErbbVO). Für den Fall, daß das Erbbaurecht am Kellerbau durch Beendigung des Erbbaurechts infolge Zeitablaufs oder rechtsgeschäftlicher Aufhebung (vgl. Staudinger Randbem. 23 zu § 12 ErbbVO) erlischt, wird der Keller wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ( § 1 2 Abs. 3 ErbbVO) und damit zugleich Eigentum des Grundeigentümers; etwaige Entschädigungsansprüche des bisherigen Erbbauberechtigten richten sich nach § 27 ErbbVO. Gleichzeitig erlischt auch die Haftung des Kellerbaus für die am Erbbaurecht begründeten dinglichen Rechte. Eine Sonderregelung gilt beim Heimfall des Erbbaurechts gem. § 33 ErbbVO, wonach Grundpfandrechte bestehen bleiben (vgl. Staudinger 1 1 . Aufl. Bern, zu §33 ErbbVO). I V . S c h u t z des I n h a b e r s eines K e l l e r r e c h t s Dem Inhaber eines Kellerrechts stehen selbstverständlich alle aus dem Besitz herzuleitenden Befugnisse der §§ 858fr. B G B zu (vgl. dazu unten (§4°). Wird sein Recht in anderer Weise als durch Entziehung oder Störung des Besitzes beeinträchtigt, so gilt je nach der Rechtsgrundlage des Kellerrechts folgendes: a) Ist der Berechtigte Eigentümer des Kellers, so hat er alle Ansprüche aus §§985 u. 1004 B G B (vgl. dazu unten § 38). 54

Das Recht an Kellern

§4

IV

b) Bildet das Kellerrecht den Inhalt eines Erbbaurechts nach § 1012 ff. B G B (ev. übergeleitet aus einer alten Sonderberechtigung gem. Art 42 BayÜG), so sind zum Schutz des Kellers gem. § 1017 B G B die Bestimmungen in den §§ 985 u. 1004 B G B entsprechend anzuwenden. Nach 1. 1. 1900 begründete Kellerrechte auf erbbaurechtlicher Grundlage § § 1 ff. E r b b V O ) können gem. § 1 1 Abs. 1 E r b b V O ebenfalls durch entsprechende Anwendung der § 985 u. 1004 B G B Schutz gegen ihre Beeinträchtigung finden. c) Beruht das Kellerrecht auf einer Grunddienstbarkeit, so genießt der Berechtigte nicht nur den Besitzschutz nach § 1029 in Verb, mit §§ 8 5 8 ff. B G B , sondern auch die Schutzrechte aus §§ 985 u 1004 B G B (vgl. unten §§ 41 u. 42). Als Beeinträchtigung des Rechts am Keller können auch Abgrabungen auf dem Nachbargrundstück in Betracht kommen. Der Nachbar ist hierzu, soferne er innerhalb seiner Grenzen bleibt, befugt; nur darf das Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, daß für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist (§ 909 B G B , s. darüber unten § 17)Zumeist liegt der Hauptwert des Kellers in der kühlen Temperatur, infolge deren der Keller zur Lagerung von Vorräten geeignet ist. Wenn nun das den Keller umgebende Erdreich auf dem Nachbargrundstück weggenommen wird (z. B. durch Anlegung eines Steinbruches oder einer Lehmgrube), wird dem Zutritt der Wärme Vorschub geleistet und so der Keller verdorben. Das kann z. B. bei dem Lagerkeller einer Brauerei zu einer äußerst erheblichen Entwertung des Kellers führen. Der Eigentümer des Kellers kann dessen ungeachtet keinerlei Ansprüche gegen den Nachbar erheben, da er nur von der in seinem Eigentum gelegenen Befugnis Gebrauch macht, wenn er das Erdreich seines Grundstückes beseitigt. Anders kann das Rechtsverhältnis zu beurteilen sein, wenn das Recht am Keller auf einer Grunddienstbarkeit oder einem Erbbaurecht beruht. Der Eigentümer des mit diesem Kellerrecht dinglich belasteten Grundstücks darf auf diesem 4 ) keine Handlung vornehmen, durch welche die bestimmungsgemäße Benützung des Kellers beeinträchtigt wird. 4 ) Wohl aber auf einem anderen Grundstück vgl. Kohler, ArchZivPrax. 87, 226. Ist die Grunddienstbarkeit vertragsmäßig bestellt, so kann die Auslegung des Vertragswillens dazu führen, daß der Besteller und sein Universalrechtsnachfolger auch auf einem anderen als dem belasteten Grundstück keinerlei Handlungen vornehmen dürfen, durch welche der mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit verfolgte Zweck vereitelt wird. Dabei handelt es sich natürlich nur um eine obligatorische Verpflichtung.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

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§ 5. Die Grenze und ihre Vermarkung Der Zug der Grenzen1) wird durch gedachte Linien bestimmt2). Zur äußeren Kennbarmachung dieser Grenzlinien dienen sichtbare Zeichen, die sog. Grenzmarken. In früherer Zeit setzten die Nachbarn ihre Grenzzeichen selbst, indem sie Pflöcke einschlugen oder Steine und ähnliche sichtbare Gegenstände aufstellten. Mit der zunehmenden Ausnützung des Bodens und der dadurch bewirkten Zersplitterung des Grundbesitzes wurde die sichere Festhaltung der Grenzen zu einem öffentlichen Interesse. In vielen Gegenden bildete sich schon frühzeitig das Institut der Feldschieder oder Märker aus, die für den Flurbezirk der Markgenossenschaft oder Gemeinde als Hüter der Grenzen aufgestellt waren und die Grenzzeichen meist unter Anwendung geheimer Merkmale zu setzen hatten. An dieses durch das Herkommen bewährte Institut schloß sich die bayerische Gesetzgebung mit dem Vermarkungsgesetz vom 16. 4. 1868 an. Das jetzt geltende Recht ist in dem bayerischen Gesetz vom 30. 6. 1900, die Abmarkung der Grundstücke betreffend3), enthalten (BayBS III 601). Daneben kommt aber auch § 919 B G B in Betracht. Die Abmarkungspflicht liegt im Interesse der beteiligten Nachbarn und im allgemeinen Interesse. Dementsprechend ist eine privatrechtliche Verpflichtung zur Abmarkung und eine öffentlich-rechtliche gegeben. Bei einer öffentlichrechtlich angeordneten Abmarkung einschließlich der vorausgehenden Vermessung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, gegen den die Anfechtungsklage gegeben ist. Die Entscheidung über die Gültigkeit einer Abmarkung gehört stets zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (vgl. B a y V G H in BayVerwBl. i960, 22).

In den Rahmen dieser Abhandlung fällt nur der p r i v a t r e c h t l i c h e Anspruch. Hierüber gilt folgendes: I. D e r A b m a r k u n g s a n s p r u c h Die privatrechtliche Verpflichtung zur Abmarkung ist durch § 919 Abs. 1 B G B normiert, wonach der Eigentümer4) eines Grundstücks von § 5. E s handelt sich hier nur um die privatrechtliche Abgrenzung der Grundstücke. Uber Gemeindemarkungsgrenzen siehe Becher, Bayer. Landeszivilrecht 1, 240, Seydel, Bayer. Staatsrecht 2, 44. 2 ) S. oben § 1, III. Für die Grenzen von Flüssen und Bächen kommen die Bestimmungen des BayerWassergesetzes in Art. 21 (Art. 6 und 12 des Entwurfs zum B a y W G von i960) in Betracht; hiernach sind Privatflüsse und Bäche idR Bestandteil der Ufergrundstücke. Gehören die Ufer verschiedenen Eigentümern, so bestimmt sich die Eigentumsgrenze nach einer Linie, die durch die Mitte des Gewässers bei Mittelwasserstand zu ziehen ist (vgl. im übrigen Riederer-Sieder Bern, zu Art. 21 BayWG). s ) Durch Art. 32 dieses Gesetzes ist das Vermarkungsgesetz vom 16. April 1868 mit Art. 156 A G aufgehoben worden. 4 ) Eine Mitwirkung der Realberechtigten ist nicht erforderlich, da die Anwendung

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dem Eigentümer des Nachbargrundstücks verlangen kann, daß dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen und wenn ein Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden ist, zur Wiederherstellung mitwirkt. Der Anspruch auf Grenzabmarkung ist ein rein dinglicher Anspruch aus dem Eigentum 5 ). a) Der Anspruch setzt u n m i t t e l b a r aneinander anstoßende Grundstücke voraus; sind zwei Grundstücke durch ein drittes Grundstück, einen Weg, einen Fluß getrennt, so ist der Anspruch nicht gegeben6). b) Die Grenze zwischen den beiden Nachbargrundstücken darf nicht streitig sein. Im Falle eines Streits über den Grenzverlauf ( = Grenzverwirrung) ist nach § 920 B G B zu verfahren, dh., die Grenze ist durch eine Entscheidung des Zivilgerichts festzustellen (vgl. Wolff SR § 57 II; Staudinger-Seifert Randbem. 5 zu § 920). c) Aktiv und passiv legitimiert zum Grenzabmarkungsanspruch sind die Eigentümer 7 ) der angrenzenden Grundstücke, und nur diese, also nicht die an dem Grundstück dinglich Berechtigten (Nießbraucher, Pfandgläubiger, Dienstbarkeitsberechtigte), wohl aber nach überwiegender Meinung der Erbbauberechtigte, weil diesem nach § 1 1 Abs. 1 ErbbVO (für alte Rechte aus § 1017 Abs. 2 BGB) alle Rechte des Grundstückseigentümers zustehen, somit auch die Rechte aus § 919 BGB 8 ). Allerdings wird man ein rechtliches Interesse an der Abmarkung des ganzen Grundstücks nicht in jedem Falle annehmen können; es wird vielmehr auf den Inhalt und Umfang des Erbbaurechts ankommen. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat (in BayVerBl. 1960, 22) den Käufer eines Grundstücks, der noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war, die Aktivlegitimation zur Anfechtungsklage nach Art. 19 Abs. 1 AbmGes. unter der Voraussetzung zugebilligt, daß ihm Nutzen und Lasten des Grundstücks übertragen und daß für ihn eine Auflassungsvormerkung eingetragen seien, da er in einem solchen Falle wirtschaftlich als Eigentümer zu erachten sei. Diesem Gedanken steht zwar der Wortlaut des § 919 B G B entgegen. Man wird jedoch aus dem Sinn und Zweck des Gedes § 919 keine Veränderung im Bestände des Grundstückes herbeiführt. Staudinger Bern. I zu § 919. 5 ) Höninger, Grenzstreitigkeiten 48; Plank-Strecker Bern. 2 zu § 919; ErmannSeibert Bern. 2 zu § 919; Palandt-Hoche Bern. 2 zu § 919 B G B . 6 ) Höninger, Grenzstreitigkeiten 52; Staudinger Bern. I i a zu § 919. 7 ) Der Vorerbe ist Eigentümer, solange der Fall der Nacherbschaft noch nicht eingetreten ist. (§§ 2100, 2139 BGB). 8 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 3; R G R Kom. Bern. 2; Planck-Strecker Bern. 3; Palandt-Hoche Bern. 2; Ermann Bern. 2 je zu § 919 B G B a. M. früh. Aufl. u. MeisnerStern-Hodes § 5 I.

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setzes, klare Grenzverhältnisse zu schaffen und unnötige Grenzstreitigkeiten zu vermeiden, unter „Eigentümer" i. S. des § 919 B G B nicht lediglich den eingetragenen Eigentümer zu verstehen haben, sondern jeden dinglich Berechtigten der die Machtbefugnisse des Eigentümers am fraglichen Grundstück hat. Das entspricht auch den praktischen Bedürfnissen; denn man wird den noch nicht eingetragenen Käufer des Grundstücks nicht immer darauf verweisen können, seine Eintragung herbeizuführen, weil diese erfahrungsgemäß gar manchmal von langwierigen Vermessungen und deren Bearbeitung abhängen. Ebensowenig wird man ihm die Einschaltung seines Rechtsvorgängers in jedem Falle zumuten können. Eine dem Eigentümer ähnliche Rechtsstellung (wirtschaftliches Eigentum) kann unter Umständen auch einem Grunddienstbarkeits-Berechtigten zukommen, der gerade der Grenze des dienenden Grundstücks entlang nutzungsberechtigt ist, wie z.B. ein Weg-, oder Weide-, oder Wassernutzungsberechtigter, wenn Weg, Weidegrund oder Wasser unmittelbar an der Grenze verlaufen. In Fällen dieser Art kann die dingliche Rechtsstellung des Berechtigten so stark an die Machtbefugnisse des Grundeigentümers heranreichen, daß man ihm auch die Rechte des Eigentümers aus § 919 B G B gem. § 1027 B G B wird zubilligen müssen. Das gleiche gilt bei einem Wohnungs- oder Dauernutzungsberechtigten gem. § 31 W E G . Nach § 1 0 1 1 ist jeder Miteigentümer für sich allein aktiv legitimiert, dagegen muß die Klage gegen alle Miteigentümer gestellt werden82). Der Pächter ist natürlich nicht legitimiert9). § 919 bezieht sich auf alle Arten von Grundstücken, also auch auf städtische Grundstücke, selbst auf Gebäude mit festen Grenzwänden, weil nur die Marksteine als Grenzzeichen im Sinne des Gesetzes gelten10). Auch die Grundstücke des Staates11) und der Gemeinde unterliegen selbstverständlich dieser Abmarkungspflicht. Nach Art. 3 AbmarkG müssen die von den zuständigen Behörden und Personen gesetzten Grenzzeichen von den beteiligten Grundeigentümern stets im Stand erhalten werden. Unter Grenzzeichen im Sinne des § 919 B G B sind für Bayern solche im Sinne des Vermarkungsgesetzes vom 16. Mai 1868 und des Abmarkungsgesetzes vom 30. 6. 1900 zu verstehen, nicht aber private Grenzzeichen. Art. 30 AbmarkG bestimmt, daß bezüglich der Art der Abmarkung für die 8a

) Höninger 56; Staudinger Seufert Randb. 3 zu § 919. ) M. 3, 270 (Mugdan 3, 149). ) Aus diesem Grunde ist R G 44, 1 7 1 nicht mehr anwendbar. Vgl. auch Entsch. d. Bay. V G H 17, 253. n ) Über Vermarkung der Staatsstraßen vgl. Weber Ges.-Samml. 17, 592. Vgl. nun Bayr. Straßen- u. Wegeges. v. 1 1 . 7. 58 (GVB1. 147) Art. 12. 9

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durch § 919 B G B begründete Abmarkungspflicht die einschlägigen Vorschriften des Abmarkungsgesetzes maßgebend sind. Der Abmarkungsanspruch ist sowohl dann gegeben, wenn bisher Grenzzeichen überhaupt noch nicht bestanden haben oder dieselben wieder ganz verloren gegangen sind, als auch, wenn die bestehenden Marksteine nicht die richtige Grenze angeben, sei es, daß sie von Anfang an falsch gesetzt wurden 12 ), oder daß sie durch irgendwelche Ursachen von der Stelle gerückt wurden (z. B. durch Erdrutsch, Bodensenkungen)13) oder unkenntlich geworden sind (z.B. durch Verwitterung oder mechanische Beschädigung). Der Anspruch steht selbst demjenigen zu, der in strafbarer Weise die Grenzzeichen eigenmächtig verrückt hat; denn der Grund, aus welchem die Sicherung der Grenze durch Grenzzeichen fehlt, ist für die Entstehung der Abmarkungspflicht gleichgültig14). Die Verpflichtung zur Mitwirkung geht nur so weit, als das Bedürfnis nach Sicherung der Grenze. Die Grenze ist gesichert, wenn die Marksteine alle Grenzzüge der Grundstücke vollkommen sicher (also von einem Grenzzeichen zum anderen in gerader Linie) erkennen lassen. Der Anspruch ist gemäß § 924 B G B unverjährbar. Auf den Anspruch kann mit dinglicher Wirkung nicht verzichtet werden15), in einem Verzichte könnte deshalb nur das Versprechen gefunden werden, den Anspruch nicht geltend zu machen16); der Sonderrechtsnachfolger wird daher durch einen Verzicht nicht gebunden17). Die obligatorische Wirkung eines solchen Versprechens kann jedoch weder nach § 138 B G B noch nach § 309 B G B in Zweifel gezogen werden 18 ); denn die Geltendmachung des durch § 919 B G B gegebenen Anspruchs ist in das freie Belieben des Eigentümers gestellt; es liegt daher keine zwingende Vorschrift vor. 12 ) Besteht Streit darüber, ob eine Abmarkung formell gültig ist, so haben die Verwaltungsgerichte zu entscheiden. S. darüber unten F N . 29. 14 ) Vgl. Schuhmacher, Lage und Feststellung der Eigentumsgrenzen bei seitlicher Verschiebung der Grenzzeichen infolge der durch den Bergwerksbetrieb veranlaßten Bodensenkungen in der Zeitschr. f. Bergrecht 1903, 203fr. Wenn sich infolge einer Senkung der Erdmasse auch die Oberfläche des Grundstückes verschiebt, so werden sich damit regelmäßig auch die Grenzlinien und Grenzzeichen verschieben; sie sind wieder an den geographischen Ort zu setzen, an welchem sie sich vor der Verschiebung befunden haben. Schuhmacher 2 i 2 f . 14 ) V G H 17, 253. 16 ) Das könnte formell nur durch Begründung einer Dienstbarkeit geschehen (Gierke S. 640). Inhaltlich eignet sich aber die Befreiung von der Abmarkungspflicht nicht zu einer Grunddienstbarkeit, weil es an der hiefür notwendigen Voraussetzung des Nutzens für das herrschende Grundstück fehlt (Güthe 2, 1692). 16 ) Vgl. M. 3, 270 (Mugdan 3, 149). 17 ) KommProt. 3535 (Mugdan 3, 582). 18 ) Staudinger Randbem. 6, Planck Bern. 7, R G R Komm. 5, Palandt-Hoche 2 a, ErmannSeibert 2 je zu § 919.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Voraussetzung des Anspruchs aus § 9 1 9 B G B ist, ferner daß die Grenze zwischen den Nachbarn unbestritten ist 19 ). Weigert sich der Nachbar, den Anspruch zu erfüllen, so ist K l a g e zum Verwaltungsgericht, nicht zum Zivilgericht, zu erheben, da zur Entscheidung der Streitigkeiten über die Abmarkungspflicht gemäß Art. 30 mit Art. 19 A b m a r k G die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Die Zuständigkeitsbestimmung hat ihre Wurzel in § 13 G V G , welcher der Landesgesetzgebung allgemein gestattet, einzelne bürgerliche Rechtsstreitigkeiten den Verwaltungsbehörden zuzuweisen, und seit 1. 4. 60 in §§ 40 ff V w G O v . 2 1 . 1. 60 — B G B l . I 1 7 — . Zuständig zur Entscheidung über die Grenzabmarkungsklage ist das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die zu vermarkende Grenze liegt. V g l . nun § 5 2 N r . 1 V w G O . 19 ) M. 3, 268 Höniger 52; s. dagegen Rönnberg, Die Grenzscheidungsklage nach römischem und gemeinem Rechte sowie nach den Entwürfen eines Bürgerlichen Gesetzbuches (Berlin 1896) 84. — Für Bayern hat die ganze Streitfrage keine Bedeutung; denn nach Art. 30 mit Art. 19 des bayerischen AbmarkG entscheiden über die Abmarkungspflicht die Verwaltungsgerichte. Nach Art. 19 Abs. 3 AbmarkG sind Streitigkeiten über Feststellung der Grenze ausdrücklich der Entscheidung der Gerichte vorbehalten. Der Anspruch auf Vermarkung kann daher schon aus prozessualen Gründen nur dann geltend gemacht werden, wenn die Grenzen unbestritten sind. V G H 23, 232; ObLGSt. 5, 164. Wenn die Grenze auf dem Vermessungsplan als richtig von beiden Nachbarn anerkannt wurde, dann aber ein Nachbar v o r der Vermarkung Widerspruch erhebt (etwa wegen Irrtums, weil er bei der Unterzeichnung nur geglaubt habe, daß er die Richtigkeit der V e r m e s s u n g , nicht aber die Richtigkeit der Grenze anerkenne), kann die Vermarkung nicht vorgenommen werden. Auch dann nicht, wenn ein über den L a u f der G r e n z e abgeschlossenes Übereinkommen von einer Seite wegen Irrtums, Betrugs oder Zwangs angefochten ist und selbst dann nicht, wenn die Gültigkeit des Übereinkommens in offensichtlich unbegründeter Weise z.B. wegen eines angeblichen Formmangels bestritten wird, vgl. unten § 6 IV. Nach Art. 19 AbmarG sind die Verwaltungsgerichte auch zur Entscheidung über die Gültigkeit einer Abmarkung zuständig (vgl. BayVGH in BayVBl. i960, 22). Wenn aber Streit darüber besteht, ob die formell gültig gesetzten Marksteine auf der richtigen Grenze stehen, so sind die Zivilgerichte zuständig. Niemals kann die Klage v o r dem Z i v i l g e r i c h t e dahin erhoben werden, daß Beklagter in die Entfernung oder Versetzung der Marksteine einwillige; Kläger muß erst vom Zivilgericht die Grenze feststellen lassen und dann Klage zum Verwaltungsgericht erheben. Wenn freilich der Beklagte selbst und ohne Mitwirkung der staatlichen Organe Grenzzeichen gesetzt hat, ist die Klage auf Entfernung solcher Grenzzeichen, die im Sinne des Gesetzes keine wahren Grenzzeichen sind, an das Zivilgericht zu richten. Hat aber das zuständige Staatsorgan (Geometer, Feldgeschworene) die Vermarkung wenn auch in ganz ungesetzlicher Weise vorgenommen, so kann auf Entfernung dieser Grenzzeichen nicht vor Gericht geklagt werden. Die Vermessung ist ein Verwaltungsakt, über dessen Rechtmäßigkeit im Wege der Anfechtungsklage vom Verwaltungsgericht entschieden wird (Art. 19 Abs. 1 AbmGes.; vgl. BayVGH in BayVBl. i960, 22). Vgl. auch die Entsch. des Gerichtshofes für Kompetenzkonflikte vom 8. Jan. 1907, Beil. II zum GVB1. vom Jahre 1907 S. 9.

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Die Grenze und ihre Vermarkung

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Verläuft diese Grenze in verschiedenen Verwaltungsbezirken, so ist von dem Verwaltungsgerichtshof, der hier zunächst übergeordneten Instanz, das zuständige Verwaltungsgericht zu bestimmen (vgl. § 5 3 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Wird nach Erhebung der Klage vor dem Verwaltungsgericht das Grundstück des Beklagten an einen Dritten veräußert, so ist der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit in der Lage, in welcher er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen (§ 266 ZPO). Bei der Entscheidung über den Abmarkungsanspruch kann das Verwaltungsgericht nach ausdrücklicher Vorschrift des Art. 30 mit Art. 19 Abs. 3 AbmarkG Streitigkeiten über Feststellung der Grenze nicht entscheiden, da diese der Entscheidung der Gerichte vorbehalten sind. Das Verwaltungsgericht wird deshalb, wenn sich vor ihm erst nach Erhebung eines Anspruchs aus § 919 B G B . Streit über den Lauf der Grenze entspinnt, das Verfahren bis zur Entscheidung über den Lauf der Grenze aussetzen, dagegen die Klage abweisen, wenn schon vor ihrer Anbringung Streit über die Grenze bestand20). Eine Streitigkeit über die Grenze liegt jedoch dann nicht vor, wenn sie lediglich von dem beteiligten Nachbar simuliert wird, während die Grenze durch rechtskräftiges gerichtliches Urteil21) außer Zweifel gestellt ist. Beim Vorliegen des Nachweises hat das Verwaltungsgericht die Abmarkungsverpflichtung festzustellen. Die Prüfung der Aktivund Passivlegitimation ist stets Sache des Verwaltungsgerichts, das daher im Streitfalle incidenter auch darüber entscheiden muß, ob der Antragsteller bzw. der von diesem auf Errichtung der Grenzzeichen der belangte Eigentümer des in Betracht kommenden Grundstückes ist22). Wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angerufen, so hat der Antragsteller die Plannummern der Grundstücke, um deren Abmarkung es sich handelt, den Namen des Grundeigentümers, welcher der Abmarkung widerspricht oder eine Erklärung noch nicht abgegeben hat, die Gründe, auf welche der Antrag gestützt wird, sowie die gewünschte Art der Abmarkung anzugeben und erforderlichenfalls den Katasterplan, auf welchem die zu setzenden Grenzzeichen vorgetragen sein müssen, vorzulegen (Art. 20 AbmarkG). Der Antrag der Klage wird dahin formuliert werden können, •den Beklagten zu verurteilen, a) zur Errichtung von Marksteinen auf der 20 ) Henle-Schneider, A G 264; Brettreich, Abmarkungsgesetz 7 5 ; Windstoßer, Vermarkungsgesetz 18 meint dagegen, daß der Antrag abzuweisen sei. Das ist nicht immer angezeigt; denn die Verpflichtung zur Abmarkung besteht auch dann, wenn die Grenze noch nicht feststeht ( § 9 1 9 BGB). Dagegen kann das Verwaltungsgericht dem Antragsteller auch eine Frist zur Erhebung der Klage an das Zivilgericht vorstrecken und nach deren fruchtlosem Ablauf den Antrag abweisen. 21 ) Vgl. Brettreich, Abmarkungsgesetz 76. 22 ) Henle-Schneider, A G 264; vgl. V G H 13, 16.

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im beiliegenden Plane verzeichneten Grenze der Pl.-Nr. x und y mitzuwirken, demgemäß in Gemeinschaft mit dem Kläger die Feldgeschworenen der Gemeinde N oder das Messungsamt zu ersuchen, diese Grenze zu vermarken, b) die Kosten der Abmarkung hälftig mit dem Kläger, die Kosten des Verwaltungsrechtsverfahrens aber allein zu tragen. Eine genaue Bezeichnung der Grenze im Antrag und im verfügenden Teil des Urteils wird sich empfehlen, weil sonst die Zwangsvollstreckung 23 ) Schwierigkeiten bereiten würde. Daneben muß dargetan werden, daß Grenzzeichen fehlen oder unkenntlich geworden sind oder nicht mehr auf der anerkannten Grenzlinie liegen. Das Verwaltungsgericht vernimmt zunächst die widersprechenden und noch nicht gehörten Grundeigentümer mit ihren Erinnerungen, erholt die erforderlichen Gutachten der Sachverständigen und entscheidet hiernach über den gestellten Antrag. Findet für die Einvernahme der Beteiligten eine besondere Verhandlungstagfahrt statt, so sind sie hierzu gegen Nachweis mit dem Beifügen zu laden, daß diejenigen Grundeigentümer, welche ohne Entschuldigung weder in Person erscheinen, noch durch einen Bevollmächtigten sich vertreten lassen, als der Abmarkung zustimmend gelten (Art. 21 AbmarkG). Bleibt der geladene Gegner des Antragstellers trotz richtiger Ladung in dem Termine aus, so hat dies keineswegs zur Folge, daß nunmehr ein dem Antrage entsprechender Beschluß zu erlassen ist. Denn im Verwaltungsrechtsverfahren erfolgt die Feststellung des Sachverhalts von Amts wegen, der Richter hat im Gegensatz zum Zivilprozeßverfahren den Sachverhalt unabhängig von den Anträgen und Behauptungen der Parteien zu ermitteln (§86 VwGO). Der Verwaltungsrichter muß trotz Ausbleibens des geladenen Beklagten von Amts wegen insbesondere feststellen, ob zwischen den Beteiligten die 23 ) Der verwaltungsgerichtliche Beschluß ersetzt die Zustimmungserklärung des Beklagten zur Grenze und zur Vornahme der Abmarkung durch die Feldgeschworenen (§ 894 Z P O , vgl. RGSt. 41, 97). 60. Nach RGKomm. Bern. 7 zu § 919 soll die Verurteilung zur Mitwirkung eine unvertretbare Handlung betreffen, die nach § 888 Z P O zu erzwingen ist (vgl. jedoch J W 1915, 7 1 7 RG). Für Bayern ist bestimmt, daß die Abmarkung nur durch die Feldgeschworenen oder die Messungsbehörde vorgenommen werden kann. E s kann daher der Anspruch erhoben werden, das Messungsamt oder die Feldgeschworenen um die Vermarkung zu ersuchen. Dieses Ersuchen ist eine vertretbare Handlung nach § 894 Z P O . — Wenn eine Grenze durch gerichtliches Urteil festgestellt ist, hat das Gericht I. Instanz die Messungsbehörde hievon zu verständigen, die Messungsbehörde hat dann binnen drei Monaten die allenfalls noch erforderliche Messung auszuführen und die Abmarkung entweder selbst zu bewirken oder durch die Feldgeschworenen vollziehen zu lassen ( § 4 der VollzVorschr. vom 21. 12. 1900 zum Abmarkungsgesetz. In einem solchen Fall wäre ein Antrag an das Verwaltungsgericht unbegründet ( V G H 38, 23); die Vermessung ist jedoch als Verwaltungsakt durch Klage vor dem Verwaltungsgericht anfechtbar (vgl. V G H in BayVBl. i960, 22).

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Grenze unbestritten feststeht; denn dies ist die erste Voraussetzung des Anspruchs auf Mitwirkung bei der Abmarkung. Wenn die Beteiligten im Laufe des verwaltungsrechtlichen Verfahrens eine Linie als richtige Grenzlinie anerkannt haben, und alsdann ein rechtskräftiger verwaltungsgerichtlicher Beschluß erlassen wurde, so ist, wenn sich hinterher herausstellt, daß die anerkannte Grenzlinie mit dem rechtlichen Bestände nicht übereinstimmt, durch den Beschluß eine Änderung in den Eigentumsverhältnissen nicht herbeigeführt worden, und die Beteiligten können nachträglich die Richtigkeit der Grenzlinie bestreiten24). Das muß aber im Wege eines Zivilprozesses geschehen; denn einen Streit über die richtige Grenze haben die Zivilgerichte zu entscheiden (vgl. § 920 BGB). Ist die richtige Grenze festgestellt, so kann im Wiederaufnahmeverfahren vor dem Verwaltungsgericht gem. §153 V w G O unter den in § § 5 79, 580 Ziff. 2—7, 581 Abs. 1 und 583 ZPO gegebenen Voraussetzungen die Abmarkung der neu festgelegten Grenze durchgeführt werden. Im Zivilprozeß muß derjenige, welcher die ordnungsgemäß vermarkte Grenze nicht gelten lassen will, die Unrichtigkeit nachweisen26). Das Verwaltungsgericht entscheidet durch Urteil (§§ 107fr. VwGO). Dagegen steht den Beteiligten die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof zu; diese ist binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgericht einzureichen. Sie muß einen bestimmten Antrag enthalten ( § 1 2 4 VwGO). Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Abmarkung erzeugt Rechtskraft gegen Dritte, die zur Zeit der Rechtshängigkeit an dem Grundstücke dinglich berechtigt oder Besitzmittler waren26). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat keine konstitutive Wirkung; die vermarkte Grenze gilt jedoch bis zum Beweis des Gegenteils als richtig vgl. darüber unter III). Die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen über die Verpflichtung Abmarkung erfolgt nach § 167 V w G O in Verbindung mit Art. 22 AbmarkG. Der Antrag des Klägers ist an die Kreisverwaltungsbehörde zu stellen, welches dem Verpflichteten zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung, zur Errichtung oder Wiederherstellung der Grenzzeichen mitzuwirken, eine angemessene Frist setzt, nach deren Ablauf die Gemeindebehörde mit dem weiteren Vollzug beauftragt wird. Bezüglich der Kosten der Abmarkung erfolgt die Vollstreckung durch die Gemeindebehörde nach den Bestimmungen über die Abhebung und zwangsweise Beitreibung der Gemeindeumlagen (Art. 25 Abs. 6 AbmarkG.) 24

) Brettreich, Abmarkungsgesetz 75. ) Staudinger-Seufert Randbem. 1 1 zu § 919 B G B . 26 ) Höniger 76.

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I. A b s c h n i t t . R ä u m l i c h e B e g r e n z u n g des E i g e n t u m s

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Die durch Art. 3 AbmarkG begründete Verpflichtung der beteiligten Grundeigentümer, die von den zuständigen Behörden und Personen gesetzten Grenzzeichen stets i n s t a n d zu h a l t e n , gewährt dem Angrenzer gegen den Nachbar, welcher sich weigert, bei der Erfüllung dieser Verpflichtung mitzuwirken, einen Anspruch auf Erfüllung, der in gleicher Weise geltend zu machen ist, wie der Anspruch auf Mitwirkung bei der Abmarkung. II. Das

Abmarkungsgeschäft27)

Die Art der Abmarkung und das Verfahren ist durch § 919 Abs. 2 B G B den Landesgesetzen überlassen; für Bayern ist das Abmarkungsgesetz vom 30. 6. 1900 (BayBS III 601 = GVB1. 1906, 553) maßgebend. Hiernach sind zur Vornahme der Vermarkung eigene Organe aufgestellt, derart, daß die Vermarkung nur durch diese Organe in legaler Weise vorgenommen werden kann. Für jeden Gemeindebezirk und jeden ausmärkischen Bezirk sind auf Lebensdauer 4—7 eidlich verpflichtete (Art. 16 AbmarkG) Feldgeschworene aufgestellt, welche sich durch eigene Zuwahl ergänzen (Art. 5—8 AbmarkG). Dieselben sind (neben den staatlichen Messungsbehörden) im Umfange ihres Bezirkes ausschließlich befugt, Abmarkungsgeschäfte vorzunehmen, d.i. Grenzzeichen zu setzen, sie zum Zwecke der Untersuchung zu heben, sie wieder in die richtige Lage zu bringen und im Falle der Entbehrlichkeit herauszunehmen. Zur gültigen Vornahme eines Abmarkungsgeschäftes ist die Anwesenheit von zwei Feldgeschworenen nötig (Art. 9 AbmarkG). Die Feldgeschworenen können sich zum Zwecke der Kontrolle der Echtheit und Unverrücktheit der Grenzzeichen bei dem Setzen derselben bestimmter geheimer Zeichen, sog. Unterlagen, bedienen (Siebenergeheimnis, Art. 10 AbmarkG). Zur Abmarkung sind in der Regel dauerhafte Steine von entsprechender Größe oder Form zu verwenden. Die Steine müssen soweit zugerichtet sein, daß ihre Bedeutung als Grenzzeichen zweifellos erkennbar ist. Ausnahmsweise sind auch andere Grenzzeichen, insbesondere solche von dauerhaftem Holze zulässig, wenn die Beschaffenheit des Bodens (z.B. Sumpfland) das Setzen von Steinen nicht angezeigt erscheinen läßt, oder wenn die Beschaffung der Steine mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre (Art. 2 AbmarkG). 28 ) 2 7 ) Ü b e r das R e c h t der Messungsbeamten, die G r u n d s t ü c k e z u m Z w e c k ihrer amtlichen H a n d l u n g e n z u betreten, s. Zeiler, B l A d m P r . 61, 13 ff. 28 ) V g l . hierzu M B ü b e r den V o l l z u g des A b m a r k u n g s g e s e t z e s v o m 21. 12. 1900 ( M A B 1 . 7 7 1 ) geändert durch M B v o m 9. 7. 1917 ( G V B 1 . 4 1 7 ) ; F e l d g e s c h w o r e n e n o r d u n g v o m zi. 12. 1900 ( M A B 1 . 819; M B v o m 20. 2. 1901 über den technischen V o l l z u g des A b m a r k u n g s g e s . (FMB1. 217), geändert durch M B v o m 6. 1 1 . 1918 (FMB1. 225) u n d v o m 12. 12. 1922 (FMB1. 185) s o w i e v o m 27. 1 1 . 1933 ( G V B 1 . 446).

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Die Grenze und ihre Vermarkung

§5

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Zur Vornahme des Abmarkungsgeschäftes sind die beteiligten Grundeigentümer oder deren Vertreter gegen Nachweis zu laden. Erscheinen die Beteiligten nicht, so kann das Abmarkungsgeschäft gleichwohl gültig vorgenommen werden (Art. 17 AbmarkG). Hierbei muß jedoch die Einschränkung gemacht werden, daß die Abmarkung in Abwesenheit der Beteiligten nur dann gültig vorgenommen werden kann, wenn die V o r a u s s e t z u n g e n der Abmarkung gegeben sind. Dazu gehört vor allem, daß die Grenze und die Verpflichtung zur Abmarkung feststeht, sei es, daß hierfür eine Einigung der Beteiligten n a c h g e w i e s e n 2 9 ) ist oder ein rechtskräftiger verwaltungsgerichtlicher Bescheid vorliegt. War dies nicht der Fall, so kann die Gültigkeit einer in Abwesenheit eines Beteiligten erfolgten Abmarkung bei dem Verwaltungsgericht angefochten werden (vgl. Art. 19 AbmarkG). Weil mit Rücksicht hierauf die Anwesenheit der Beteiligten vielfach nicht umgangen werden kann, bestimmt Art. 17 AbmarkG, daß die Kosten eines durch unentschuldigtes Ausbleiben vereitelten Termines der Nichterschienene zu tragen hat. Beim Legen oder Untersuchen der geheimen Zeichen haben sich die beteiligten Grundeigentümer und ihre Vertreter zu entfernen (Art. 17 AbmarkG). Über die Vornahme der Abmarkungsgeschäfte sind Protokolle zu führen, in welche die Zeit, der Name und die Eigenschaft der Anwesenden anzugeben, und die stattgehabte Handlung zu beschreiben ist. Das Protokoll ist von den beteiligten Grundeigentümern oder deren Vertretern und den Feldgeschworenen zu unterzeichnen (Art. 18 AbmarkG). Die Unterlassung der Eintragung eines Vermarkungsgeschäftes bildet keinen Grund für die Ungültigkeit der vorgenommenen Vermarkung, wenn die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. V G H 17, 25 3). Stimmt die nach dem Willen der Beteiligten abzumarkende Grenzlinie nicht mit den wirklichen Eigentumsverhältnissen überein und soll demnach eine neue Eigentumsgrenze geschaffen werden, so kann zwar die Abmarkung einstweilen vorgenommen werden; diese erlangt aber ihre endgültige Wirksamkeit erst, wenn den Erfordernissen für den dinglichen Eigentumsübergang Genüge geleistet ist (notarielle Verlautbarung und nach Anlegung des Grundbuchs Eintrag im Grundbuch)30). (Vgl. § 22 der Vollzugsvorschriften vom 21. 12. 1900; § 20 Ziff. 4 der Feldgeschworenenordnung). Streitigkeiten über die Art der Abmarkung, über die Gültigkeit einer solchen und über die Erhaltung von Grenzzeichen sind in gleicher Weise 29 ) Vgl. Beil. z. d. Verhandl. d. K . d. A . 1899 Bd. 1 S. 352, Brettreich, Abmarkungsgesetz 33. Die Anerkennung der festgestellten Grenze muß ausdrücklich entweder an Ort und Stelle oder auf Grund eines entsprechenden Planes erfolgen; s. hierüber unten I V . 30 ) Vgl. Begründung zum Abmarkungsgesetz 350. Brettreich 2Öf. Ein Vertrag über Festsetzung unsicherer Grenzen, bei dem die Vertragsteile keine Veränderung in den Eigentumsverhältnissen, sondern nur die Feststellung des vorhandenen Eigentums beabsichtigen, bedarf zu seiner Gültigkeit keiner Form. BayZ 1906, 227 (RG); vgl. unten IV.

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Meisncr-Ring, Nachbarrecht, j . Aufl.

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§5 in

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

wie die Streitigkeiten über die Abmarkungspflicht von dem Verwaltungsgericht in erster und von dem Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz zu entscheiden (Art. 19 AbmarkG, § 40 V w G O ) . Mit einem Streit über die formale G ü l t i g k e i t der Abmarkung ist ein Streit über die materielle W i r k u n g der Vermarkung nicht zu verwechseln, zu dessen Entscheidung der Zivilrichter berufen ist (s. hierüber unten III). Die Kosten der Abmarkung 31 ) sind von den Beteiligten zu gleichen Teilen zu tragen, soferne nicht aus einem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse sich ein anderes ergibt ( § 9 1 9 BGB) 32 ). Letzteres ist z.B. dann der Fall, wenn die Abmarkung dadurch notwendig geworden ist, daß ein Beteiligter die vorhandenen Grenzsteine schuldhaft zerstört hat und daher nach §§ 825fr. B G B für den Schaden haftbar ist. Auch über diese Frage hat im Streitfalle das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Nach Art. 17 Abs. 3 AbmarkG fallen die Kosten eines durch unentschuldigtes Ausbleiben eines Beteiligten vereitelten T e r m i n e s zur Vornahme des Abmarkungsgeschäftes dem Nichterschienenen zur Last. Für einen Streit, der sich auf die Kosten der Abmarkung beschränkt, ist in gleicher Weise, wie bei einem Streit über die Abmarkungspflicht (Art. 19 AbmarkG) die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben (vgl. V S H 17, 156; 38, 21).

III. W i r k u n g der

Abmarkung

Die gesetzlich vollzogene Abmarkung 33 ) bewirkt, abgesehen von dem durch Art. 28 AbmarkG und § 274 Nr. 2 RStGB gegebenen strafrechtlichen 31 ) Von den Kosten der Abmarkung sind wohl zu unterscheiden die Kosten des Verwaltungsrechtsstreites über die Abmarkungspflicht, welche dem Unterliegenden ausschließlich zur Last fallen. 32 ) Ausnahmen für die Abmarkung öffentlicher Verkehrswege s. Art. 25 Abs. 3 AbmarkG; vgl. V G H 31, 91. Art. 1 2 BayStrWG. 33 ) Es kommen hierfür Grenzzeichen im Sinne des VermarkG vom 16. 5.1868 und des AbmarkG vom 30. 6. 1900 in Betracht, nicht aber private Grenzzeichen (vgl. Begründung 350). Grenzzeichen, welche vor Inkrafttreten des VermarkG vom 16. 5. 1868 durch Siebener, Feldgeschworene auf Grund alter Siebenerordnungen gesetzt wurden, sind gleichfalls als gültig zu erachten. Brettreich 27. Vgl. VermarkG von 1868 Art. 25. Nach Roth, Bayer. Zivilrecht Bd. 2 § 118 Anm. 24 finden sich Bestimmungen über Siebener (Steinsetzer, Feldschieder usw.): Plohenlohe, L R III, 20, Arnold II, 485; Weißenburg, St. I V , Arnold II, 720; Würzburg, V 5. 7. 1753 MS 2, 640; Schweinfurt Feldordnung Samml. 60—82; Solms, L O II, 30; Mainz, L R V u. U G O I X ; Erbach, Steinsetzordnung 7. 1 1 . 1695, Weber V, 305; Amberg, Amt- und Portungschauordnung 26. 2. 1552 Art. 26. Bei einem Eigentumsstreit kann das Zivilgericht in die Lage kommen, über die Gültigkeit der Abmarkung incidenter zu entscheiden, während an sich ein Streit über die Gültigkeit der Abmarkung zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gehört. Kläger beruft sich beispielsweise zum Beweise seines Eigentums auf vorhandene Marksteine, Beklagter

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Die Grenze und ihre Vermarkung

§5 in

Schutz der vermarkten Grenze34), eine behördliche Beurkundung darüber, daß die beteiligten Nachbarn die Richtigkeit der Grenze so, wie sie vermarkt wurde, anerkannt haben. Durch die Vermarkung wird keine Änderung in den Eigentumsverhältnissen herbeigeführt; aber sie schafft ein ausschlaggebendes Beweismittel dafür, wie weit das Eigentum zur Zeit der Vermarkung gereicht hat. Die Beweiskraft der Vermarkung (Setzung der Grenzzeichen) kann zwar nicht aus § 415 ZPO abgeleitet werden, weil als Urkunde im Sinne der ZPO nur s c h r i f t l i c h e Verkörperungen eines Gedankens gelten (vgl. Baumbach 19. Aufl. Übl. 1 vor § 415). Grenzzeichen können jedoch im Wege des Augenscheins als Beweismittel dienen (§§ 144, 371 ZPO). Unter Anwendung des § 286 Z P O wird das Gericht dann dazu kommen, auf Grund der Abmarkung die beiderseitige Anerkennung der Grenze als voll erwiesen zu erachten35); denn das staatlich geordnete Abmarkungsverfahren gibt hinreichende Gewähr dafür, daß diese erste Voraussetzung des Abmarkungsgeschäftes vorgelegen hat. — Ist aber die beiderseitige Anerkennung der Grenze bewiesen, so muß sie bis zum Beweise des Gegenteiles als r i c h t i g angenommen werden. Denn die Anerkennung ist unter Umständen erfolgt, welche den Beteiligten die Tragweite ihrer Erklärungen zum vollen Bewußtsein bringen mußten, und es ist daher auch anzunehmen, daß sich die Beteiligten, welche als Eigentümer hierzu wohl in der Lage waren, über die einschlägigen Verhältnisse informiert haben. Diese Erwägungen müssen vernünftigerweise den Richter zur Überzeugung bringen, daß die vermarkte Grenze die richtige ist, sofern nicht das Gegenteil bew i e s e n wird34). Nach § 891 wird vermutet, daß ein Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, dem eingetragenen Berechtigten zusteht. Diese Vermutung wendet ein, daß die Vermarkung ungültig ist. Ist die Abmarkung von dem h i e r z u zus t ä n d i g e n ö f f e n t l i c h e n O r g a n e vorgenommen worden, so darf das Zivilgericht die Ungültigkeit nicht annehmen; dem Beklagten ist eine Frist zur Einleitung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu setzen und der Prozeß bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts auszusetzen. Wenn Beklagter das verwaltungsgerichtliche Verfahren innerhalb der gesetzten Frist nicht eingeleitet hat, muß das Gericht die Abmarkung als f o r m e l l gültig behandeln. 34 ) Vgl. SeuffBl. 70, 510. In der dort mitgeteilten Entscheidung hat das Oberste Landesgericht als Voraussetzung für den strafrechtlichen Schutz der Grenzzeichen bezeichnet, daß die Grenze unbestritten feststeht, da andernfalls die Feldgeschworenen zur Setzung nicht zuständig seien. Auch das Reichsgericht (JW 1908, 383 Nr. 24; RGSt. 41 95) hat ausgesprochen, daß Grenzzeichen den Schutz des § 274 Z 2 R S t G B nur dann genießen, wenn sie mit Zustimmung beider Grenznachbam gesetzt sind oder die fehlende Zustimmung des einen nach § 919 B G B ersetzt ist. 35 ) Vgl. Kretzschmar im SächsArch, 12, 405; Staudinger-Seufert Randbem. 1 1 zu § 919 B G B . 36 ) Vgl. Maenner 175 Anm. 1 1 2 ; Staudinger Randbem. 1 1 zu § 919.



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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

IV

erstreckt sich auf die katastermäßige Grenze 37 ). Durch eine entgegenstehende Vermarkung wird diese Vermutung überwunden. Dagegen überwindet der Buchglaube des rechtsgeschäftlichen Erwerbers (§ 892) eine entgegenstehende Vermarkung. Denn der buchgläubige Erwerber kann die Grenzen auch dann beanspruchen, wenn sie erwiesenermaßen unrichtig sind, weil das dem Katasterplan entsprechende Flurstück mit den darin festgelegten Grenzen als richtig gilt, es sei denn daß ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder daß die Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt war (vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 28 zu § 892; O L G 31, 315; Reiß in JW 1915, 1413). IV.

Grenzfeststellungsvertrag

Vielfach wird der Anerkennung der Grenze, die vor der Abmarkung erfolgt, eine v e r t r a g s m ä ß i g e Feststellung der Grenze zugrunde liegen, oder damit zusammenfallen. Nicht immer ist in den Erklärungen, welche die Beteiligten im Anschluß an eine geometrische Vermessung oder bei einer Abmarkung abgeben, insbesondere in einer Anerkennung der durch die Vermessung gefundenen Grenzlinie ein Grenzfeststellungsvertrag enthalten. Dazu ist ein Austausch (Antrag und Annahme) der beiderseitigen Willenserklärungen erforderlich, die Grenze rechtsgeschäftlich festzusetzen38). Es kann sehr wohl sein, daß die Unterzeichnung des Ergebnisses der geometrischen Vermessung sich nach dem Willen des Unterzeichners in der Anerkennung der Tatsache erschöpft, daß dieses Ergebnis die Einträge im Katasterplan richtig wiedergibt, also die Vermessung technisch richtig ausgeführt ist39). Aber regelmäßig (also bis zum Beweis des Gegenteils) wird man wohl unterstellen dürfen, daß der Beteiligte, der ein Messungsergebnis unterschreibt, damit nicht nur dem Messungsbeamten, sondern auch dem Nachbar gegenüber zum Ausdruck bringen will, daß er die vermessene Grenze als die richtige gelten lasse. Das genügt vollauf als Erklärung eines rechtsgeschäftlichen Willens und da der Beteiligte weiß, daß der Vermessungsbeamte über die Vermessung und die Grenzfeststellung auch mit dem Nachbar verhandelt, so ist er sich auch bewußt, und damit einverstanden, daß der Austausch der beiderseitigen Erklärungen durch den Messungsbeamten erfolgt. Die Beteiligten wissen sehr wohl, daß der Unterzeichnung eine rechtliche Wirkung zukommt und wenn sie wirklich in der irrigen An37 ) S. darüber unten I V ; O L G Celle in N J W 1956, 32; Staudinger-Seufert Randbem. 11 zu § 919 u. Randbem. 7 zu § 891; Meisner-Stem-Hodes § 5 III; vgl. auch L G Hildesheim in NdsRpfl. 1957, 149. 3S ) Meisner, SeuffBl. 77, 256; zustimmend Zeiler, BayZ 1913, 348 u. 572 (unrichtig Feßler, BayZ 1911, 236). 39 ) Zeiler, BayZ 1913, 372.

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Grenzstreitigkeiten

§6 i

nähme unterzeichnen, daß das Messungsergebnis schlechthin bindend sei, so sind sie doch darüber klar, daß sie mit ihrer Unterschrift ihre eigene Zustimmung erklären. Diese Erklärung ist rechtswirksam, da der Irrtum nur den Beweggrund dieser Erklärung betrifft und daher unbeachtlich ist. Wenn nun die Nachbarn bei einem solchen Grenzfeststellungsvertrage davon ausgehen, daß durch diesen die richtige Grenze festgelegt werden und vielleicht unter Lösung einer vorhandenen Ungewißheit jeder von ihnen erhalten oder behalten soll, was ihm gehört, dann ist ein solcher Vertrag formfrei gültig. Wenn aber die Beteiligten die Auffassung haben, daß eine von der wahren Grenze abweichende neue Grenze geschaffen werden, also ein Stück Land den Eigentümer wechseln soll, dann ist zur Gültigkeit eines solchen Vertrags die Einhaltung der Form des § 3 1 3 erforderlich40). Es kommt also darauf an, ob nach dem W i l l e n der Nachbarn die Grenzfestsetzung deklaratorische oder konstitutive Bedeutung haben soll; in letzterem Fall ist die Einhaltung der Form des § 3 1 3 erforderlich, während in ersterem Fall der Vertrag formfrei gültig ist. Die W i r k u n g des formfrei gültigen Vertrags ist dann allerdings konstitutiv, d.h. die unrichtig festgestellte Grenze ist durch den Vertrag die richtige geworden 41 ). § 6. Grenzstreitigkeiten I.

Grundstücke sind festumrissene Teile des Erdkörpers. Der Umriß ist durch gedachte Linien auf der Erdoberfläche (die Grenzen) bestimmt. Wer die Eigentumsklage erhebt, muß sein Eigentum beweisen. Wenn nicht das Eigentum am ganzen Grundstück streitig ist, sondern nur darüber gestritten wird, wie weit sich das Eigentumsrecht am Grundstück räumlich erstreckt, mit anderen Worten, wie seine Grenzen verlaufen, so ist es Sache des Eigentumsklägers, den von ihm behaupteten Zug der Grenze zu beweisen. Ist dies dem Kläger nicht möglich, so ist seine Klage nicht schlüssig und er muß mit der Eigentumsklage selbst dann unterliegen, wenn der be40 ) BayZ 1906, 227 (RG); Staudinger-Seufert Randbem. 19 zu § 920 B G B ; R G in J W 1906, 302; Meisner, SeuffBl. 77, 2 5 1 ; Feßler, BayZ 1 9 1 1 , 235 R G K o m m . Bern. 1 zu § 313. Also nicht daraufkommt es an, ob durch den Vertrag die Grenze anders festgesetzt wird, als sie in Wahrheit (objektiv) besteht, sondern darauf, ob nach der Meinung und dem Willen der Beteiligten ein Stück Land den Eigentümer wechseln soll. So mit Nachdruck Zeiler BayZ 1913, 349. — Übrigens bedarf der Grenzfeststellungsvertrag auch dann der Form des § 313, wenn nur der eine der beiden Beteiligten, nämlich derjenige, der durch den Vertrag ein Stück verliert, seinen Willen auf den Wechsel des Eigentums an diesem Stück gerichtet hat. Vgl. Richter, D. Grundbuchrecht 138; derselbe in Mittlbl. f. Verm. i960, 63. 41 ) So mit Recht Zeiler BayZ. 1913, 350.

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klagte Nachbar nicht den Gegenbeweis liefern kann, daß der von dem Kläger in Anspruch genommene Landstreifen sein •— des Beklagten — Eigentum ist. Die Konsequenz würde dahin führen, daß die Grenze für immer im Zweifel bleiben müßte1). Dem wird durch die Bestimmung des § 920 B G B abgeholfen. Ihre Anwendung setzt eine G r e n z v e r w i r r u n g voraus. Eine solche liegt vor, wenn keiner der beiden Grenznachbarn den genauen Zug der Grenze beweisen kann2). Eine Grenzverwirrung kann nur bei Grundstücken, die unmittelbar aneinanderstoßen, vorkommen. Liegt z. B. zwischen den beiden Grundstücken des A und B ein öffentlicher Weg, so kann zwar A gegen B negatorisch klagen, weil B auf den Weg herauspflügt und dadurch den Weg über die Grenze des A herüberdrängt3); denn hierdurch hat B einen Zustand der Beeinträchtigung für das Eigentum des A geschaffen, für welchen B als Störer verantwortlich ist (§ 1004), aber das den B zur Beseitigung der Beeinträchtigung verurteilende Erkenntnis erzeugt keine dingliche Wirkung. Die Vorschrift des § 920 B G B bezieht sich auf alle Fälle einer Grenzverwirrung, in denen die richtige Grenze nicht ermittelt werden kann und ist daher auch für überbaute Grundstücke anzuwenden4). Ist die Grenze ordnungsgemäß vermarkt, dann wird regelmäßig eine Grenzverwirrung nicht vorliegen; denn durch die Vermarkung wird Beweis dafür erbracht, daß die Grenze zur Zeit der Vermarkung so verlaufen ist, wie sie von den Marksteinen aufgezeigt wird. Zwar ist gegen die Richtigkeit dieser angezeigten Grenzlinie Gegenbeweis zulässig, der aber nur dadurch geführt werden kann, daß der Gegenbeweisführer das Eigentum an einer bestimmten Fläche des Bodens nachweist. Es ist nicht etwa angängig, daß er lediglich die Unrichtigkeit der vermarkten Grenze nachweist und dadurch die Bedeutung der Markzeichen überhaupt aufhebt; er muß vielmehr sein § 6 . 1 ) R G Z 68, 24; Planck-Strecker Bern. 4a zu § 920 B G B . 2 ) Vgl. WamR 1921 Nr. 10. 3 ) BayObZ 12, 260; O G H 12, 260; Staudinger-Seufert Randbem. 3 zu § 920 B G B ; Meisner-Stern-Hodes § 6, I. 4 ) Die Grenzscheidungsklage ist da nicht ausgeschlossen, wo die Nachbargrundstücke mit Gebäuden besetzt sind, die feste Grundmaueren aufweisen. — Die freie richterliche Beweiswürdigung wird in vielen Fällen annehmen können, daß durch den Bestand fester Grenzmauern das Eigentum bewiesen wird; eventuell wird die Grenze auf Grund des Besitzstandes nach dem Zug der Mauer in Gemäßheit des § 920 festgelegt. Andererseits wird bei der Behauptung eines Grenzüberbaues (vgl. §§ 912fr. B G B ) vielfach die Grenze gesucht werden müssen. — Wird von einem Grundstückseigentümer behauptet, daß der Nachbar über die Grenze gebaut hat, so wird, trotz des Vorhandenseins fester Grundmauern, über den Z u g der Grenze gestritten. Bei Grenzmauern im Sinne des § 921 wird wohl in den seltensten Fällen die Grenzlinie haarscharf festgestellt werden können. Gerade hier ist daher eine Grenzverwirrung sehr wohl möglich. (Vgl. hierüber unten § 6 II, 5).

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Grenzstreitigkeiten

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Eigentum für jeden Quadratzentimeter Land, den er jenseits der vermarkten Grenzlinie für sich in Anspruch nimmt, nachweisen, und nur insoweit als ihm dies gelingt, ist die vermarkte Grenzlinie zurückzusetzen. Wenn aber infolge einer Bodensenkung oder eines Erdrutsches mit den Erdmassen die Grenzzeichen eine Verschiebung erfahren haben, so kann trotz vorliegender Abmarkung eine Grenzverwirrung gegeben sein, auf welche § 920 anzuwenden ist6). Andererseits ist dort, wo die Grenze nicht vermarkt ist, eine Grenzverwirrung leichter möglich; denn es fehlte in Bayern vor Einführung des Grundbuchs an einem Flurplan, der mit gesetzlicher Beweiskraft ausgestattet war. Der Steuerkatasterplan als solcher hatte diese Beweiskraft nicht. Nach dem Grundsteuergesetz, auf Grund dessen der Steuerkatasterplan geschaffen und fortgeführt wurde, erschöpfte sich sein Zweck darin, für die Steuererhebung die erforderlichen Grundlagen zu geben; er war nicht bestimmt für zivilrechtliche Verhältnisse Maß zu geben. Was nun aber die Verwertung des Katasterplanes als tatsächlicher Beweisbehelf anlangt, so ist zwar die Herstellung des Katasters auf Grund einer Anerkennung der Richtigkeit aller maßgebenden Feststellungen durch die Besitzer, erfolgt. Man mag daher zugeben, daß dem solchermaßen zustandegekommenen Kataster eine gewisse Autorität zukommt. Allein es wurden durch die Erfahrung in zahlreichen Fällen Irrungen festgestellt. Es lag in der Natur der Sache, daß gerade bei der Feststellung der Grenzen zuweilen eine gewisse Willkür obwalten mußte. Denn es ist klar, daß die Grenzen zu der Zeit, als sie zwecks Anlegung des Steuerkatasters ermittelt wurden, vielfach unter den Beteiligten gar nicht unbestritten feststanden. Gleichwohl mußte im Katasterplan eine bestimmte Grenze gezogen werden. Da die Vermessung in Bayern in der Zeit von 1808 bis 1853 durchgeführt wurde, liegen die ursprünglichen Eintragungen im Kataster zeitlich soweit zurück, daß inzwischen manche Verschiebungen in den Eigentumsgrenzen eingetreten sein können6). Es kann auch ein formloser Grenzfeststellungsvertrag unter gewissen Voraussetzungen nach altem wie neuem Recht gültig sein (s. hierüber oben IV). Es gibt also reichliche Fehlerquellen für den Katasterplan (vgl. hierzu unten II, 1). Auf Grund dieser Erwägungen wurde dem Grundsteuerkataster von der früheren Rechtsprechung bei Ermittlung der Grenzen eine sehr geringe 6 ) Schuhmacher, Zeitschr. für Bergrecht 1903, 216 Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 3 zu § 920. 6 ) Vgl. V G H Bd. 13 S. 4 2 3 ; Brettreich, Abmarkungsgesetz S. 2: „Das bayerische Katasterwesen hat ohne Zweifel seine großen Vorzüge, allein die Katasterpläne, namentlich die älteren, durch Neumessungen nicht ersetzten, entbehren der ausreichenden Genauigkeiten und oft der Übereinstimmung mit den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen."

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Bedeutung beigemessen. Durch die geometrische Vermessung, deren Richtigkeit nicht durch gewichtige andere Gründe gestützt wurde, war für den Beweis der Grenzen nach bisheriger Auffassung nichts gewonnen 7 ). II. D a s hat sich seit d e r A n l e g u n g der G r u n d b u c h s g e ä n d e r t . Dem Steuerkatasterplan und, soweit das Bundesliegenschaftskataster eingeführt ist, der Flurkarte (vgl. unten Ziff. 4) wird nunmehr bei den meisten Grenzstreitigkeiten eine erhebliche, unter Umständen sogar ausschlaggebende und nicht zu widerlegende Bedeutung beizumessen sein. 1. Unerläßliche Voraussetzung für die zivilrechtliche Bedeutung der Katastergrenze ist in allen Fällen, daß die im Katasterplan für das betreffende Grundstück eingezeichneten Grenzen derart sind, daß sie auf die Natur übertragen werden können8). Das ist nicht der Fall, wenn die Linie, die der Katasterplan darstellen will, sich an Ort und Stelle nicht mehr ermitteln läßt, weil es an Grenzmalen fehlt oder an Messungszahlen, mit deren Hilfe die richtigen Maße von den feststehenden Grenzmalen aus im Felde abgetragen werden könnten, oder weil die festen Punkte, von denen aus die vorliegenden Messungszahlen zu rechnen sind (z. B. Gebäude, Raine, Hügel) verschwunden sind9). Eine Katasterkarte, welche die in der Natur vorhandenen festen Punkte (z.B. Hügel, Gebäude, Mauern, Raine) falsch verzeichnet, ist überhaupt In jenen Gegenden Bayern, in welchen vor Inkrafttreten des Notariatsgesetzes vom Jahre 1861 für die Verträge über Grundstücke eine besondere Form nicht vorgeschrieben war (vgl. Roth, Bayer. Zivilrecht § 136), kommen außer der Ersitzung auch Änderungen durch Rechtsgeschäfte in Betracht. Nach gemeinem Recht kann eine Grenze auf Grund von Ersitzung nur dann beansprucht werden, wenn die betreffende Grenze durch außerordentliche 30 jährige Verjährung ersessen ist. Die 10jährige ordentliche (tilulierte) Verjährung reicht in Grenzstreitigkeiten nicht aus (SeuffA. 75 Nr. 9 1 ; s. unten § 32, III). ') Wenn z.B. nachgewiesen wird, daß vom Jahre 1885 an bis 1899 der Besitzstand dem Flurplan entsprochen hat und für die Zeit vor dem Jahre 1885 keiner der Beteiligten den Besitz nachgewiesen hat, dann kann der Richter, obwohl der Zeitraum von 1885 bis 1899 die dreißigjährige Ersitzungszeit des gemeinen Rechtes nicht ausfüllt, das Eigentum desjenigen als bewiesen erachten, der im Jahre 1899 aus dem Besitze verdrängt wurde vgl. auch O b L G 2, 1 1 6 . 8 ) Vgl. R G 73, 125: „ O b der Inhalt des Grundbuchs der Voraussetzung, eine bestimmte Grundfläche als Gegenstand der eingetragenen Rechte nachzuweisen, genügt, das ist in jedem einzelnen Falle zu prüfen." 9 ) Reiß 23, 59. Unter Umständen wird es trotzdem möglich sein, auf graphischem Wege durch sog. Abgreifen die gesuchte Stelle zu ermitteln, indem von weiter entfernt liegenden Punkten Abmessungen nach der Richtung vorgenommen werden, in welcher der gesuchte Punkt liegen muß. Versagt auch dieses Verfahren, so ist eine genügende Unterlage für die Übertragung der Katastergrenzen auf die Natur nicht vorhanden (Reiß 71).

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Grenzstreitigkeiten

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II 2 , 3

keine geeignete Unterlage für die Auffindung von Grenzen in der Örtlichkeit10). Wenn die Katasterkarte alt ist, kann es vorkommen, daß sie infolge des Eintrocknens des Papiers durch Kartenschwund gelitten hat. Hat sich dieser Kartenschwund dem Papier in allen seinen Teilen gleichmäßig mitgeteilt. so ist dadurch nur der Maßstab etwas verändert und zwar in gleichmäßiger Weise. Bei ungleichmäßigem Schwund dagegen entsteht ein verzerrtes Bild, das zur Übertragung auf die Natur ungeeignet ist 11 ). Doppelbuchungen, d. s. Eintragungen von zwei oder mehreren Grundstücken auf einem Grundbuchblatt, sind nach jetzt überwiegender Auffassung z u s a m m e n als das für das fragliche Grundstück geführte Blatt zu beurteilen und zwar mit der Maßgabe, daß einander w i d e r s p r e c h e n d e Eintragungen weder die Vermutung der Richtigkeit nach § 891 B G B noch den Schutz des öffentlichen Glaubens i. S. von § 892 B G B für sich beanspruchen können. Zur Behebung dieses grundbuchtechnischen Fehlers hat das Grundbuchamt nach § 38 GBVerf. zu verfahren 12 ). 2. Nach § 891 B G B wird vermutet, daß ein Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, dem eingetragenen Berechtigten zusteht. Nach § 892 B G B gilt zugunsten des rechtsgeschäftlichen Erwerbers eines Grundstückes der Inhalt des Grundbuchs als richtig, es sei denn, daß ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen oder daß dem Erwerber die Unrichtigkeit bekannt ist. Hervorragendstes Recht im Sinne dieser Vorschriften ist das Eigentum; die Vermutung des § 891 B G B und die Fiktion des § 892 B G B beziehen sich darauf in erster Reihe. § 892 wirkt nur zugunsten des rechtsgeschäftlichen Erwerb, also weder bei Erwerb kraft Gesetzes (Gesamtrechtsnachfolge —• §§ 1922, 2139, 1416) noch in Fällen des § 90 Z w V G oder der Zuteilung im Siedlungs- oder Flurbereinigungsverfahrens oder einer Enteignung 13 ). 10 ) Reiß S. 24, der beispielsweise anführt: Eine Linie, welche auf der Karte in ihrem Verlauf durch Hügel bestimmt wird, die an ihrem Anfangs- und Endpunkt liegen, läßt sich nicht mit Sicherheit in der Natur wiederfinden, wenn sich herausstellt, daß die Hügel, welche die Karte darstellen wollte, nicht auf den ihnen in der Karte angewiesenen Plätzen, sondern von diesen mehrere Meter weit entfernt liegen (vgl. Reiß 72). u ) Reiß 72. 12 ) J W 1900, 573; R G 56, 58 K G Z 39 A 154: Gruch Beitr. 33, 1069; J W 33, 1339; J W 38, 3046; WolfFSR § 37 I 3, R G R Kom. Bern. 6e zu § 892; Staudinger-Seufert Randbem. 30 zu § 891 u. 6 zu § 892; Planck-Strecker Bern. 6a zu § 891; Meickel- Imhof-Riedel Bern. 39 zu § 3 G B O ; Henke-Mönch-Horber Bern. 5 a zu § 38 G B V f g . Eine Doppelbuchung, die nur einen Teil einer Parzelle betrifft, kann vorkommen, wenn von zwei aneinander grenzenden Grundstücken nur das eine vermessen wird und das Ergebnis dieser Vermessung in das Grundbuch übernommen wird (Reiß) 87. 13 ) R G 54, 105; Gruchot 57, 1087 (RG); J W 1902, 272; O L G 25, 1 5 5 ; B G H Z 12, 368; Staudinger-Seufert Randbem. 25, 26, u. 2 7ZU § 892 B G B ; GruchBeitr. 47, 554.

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3. Für den Erwerb durch Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g ist der Zuschlag maßgebend. Darnach wird das Grundstück in dem Umfang zugeschlagen, der sich aus dem Inhalt des Grundbuchs ergibt, das ist, der katastermäßige Umfang 14 ). Der Ansteigerer erwirbt deshalb das Eigentum mit den im Katasterplan angegebenen Grenzen selbst dann, wenn sich in Wahrheit das Eigentum des Schuldners nicht so weit erstreckte. Es ist belanglos, ob der Ansteigerer die wahren Grenzen kannte. Selbst wenn er das Grundstück nur in dem geringeren Umfang erwerben will, der sich aus den ihm bekannten richtigen Grenzen ergibt, erwirbt er durch den Zuschlag das Eigentum mit den katastermäßigen Grenzen, weil es beim Zuschlag auf den Erwerbswillen des Ansteigerers überhaupt nicht ankommt16). Steht einem Dritten das Eigentum an der Grenzfläche zu, so verliert er es durch den Zuschlag an den Ansteigerer. Seine entgegenstehenden Rechte sind durch das Aufgebot ausgeschlossen (§ 37 Nr. 5 ZwVG 1 6 ). Diese Ausschließung tritt aber nur dann ein, wenn der Dritte aus der veröffentlichten Terminsbestimmung ersehen konnte, daß sein Recht der Zwangsversteigerung entgegensteht, er also Veranlassung nehmen mußte, sein Recht zu wahren17). Ist die gehörige Bekanntmachung des Termines unterblieben oder sind bei der Bekanntmachung des Termines nicht die einzelnen Plannummern, sondern nur das Grundbuchblatt angeführt, so hatte der Nachbar keine Veranlassung, im Versteigerungsverfahren geltend zu machen, daß die wahren Grenzen des zu versteigernden Grundstücks nicht so weit reichen, wie die katastermäßigen; er verliert daher sein Eigentum an der Grenzfläche durch den Zuschlag nicht 1 8 ). 4. Soll das Grundbuch Aufschluß über das Eigentum geben, so muß man aus ihm vor allem ersehen können, an welchem Gegenstand das Eigentum besteht, mit anderen Worten, welcher Abschnitt des Erdkörpers von diesem Eigentum erfaßt wird. M ) Gruchot 54, 398 (RG); 55, 1 1 1 4 (RG); Meisner SeuffBl. 77, 280; StaudingerSeufert Randbem. 28 zu § 892; O L G 1 1 , 324; Güthe Bern. 57 zu § 2; Consbruch, J W 1 9 2 1 , 219. Z u demselben Ergebnis gelangte man nach bayer. Subhastationsrecht, wenn eine mit gutgläubig erworbener Hypothek belastete Liegenschaft zugeschlagen wurde (Meisner, SeuffBl. 77, 280). 16 ) Meisner, SeuffBl. 77, 280. Wenn der Ersteher das mit den wahren Eigentumsverhältnissen widersprechende Ergebnis arglistig herbeigeführt hat, ist er ersatzpflichtig ( J W 1903, 406). 16 ) Vgl. J W 1903,406 (RG); O L G 8 , 4 ; 1 4 , 1 0 7 ; Jaeckel-GütheBern. 3 zu § 90 Z w V G . 17 ) R G 57, 200; Jaeckel-Güthe Bern. 4 zu § 90 Z w V G . 18 ) Vgl. Reiß 57f.; Jaeckel-Güthe Bern. 4 zu § 90 Z w V G ; Wilhelmi-Vogel Bern. 2 zu § 90 Z w V G ; R G 57, 200; O L G 17, 356; 22, 410). Ist aber die Pl.-Nr. in der Bekanntmachung angegeben, dann hat der Dritte die Möglichkeit und Veranlassung, sich zu erkundigen, ob diese Pl.-Nr. an sein Grundstück grenzt und ob nicht sein Eigentum durch die katastermäßige Grenze verkürzt wird (Reiß 57).

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Die Grundstücke wurden bis zur Überleitung in das Reichs-, jetzt Bundesliegenschaftskataster im Grundbuch nach Plannummern bezeichnet. Grundlage hiefür bildete das Grundsteuerkataster (§§ 159fr DAnw.) mit dem Katasterplan, aus dem Lage, Umgrenzung und Plannummer des einzelnen Grundstücks zu ersehen war (§§ 163, 168 DAnw.). Auf Grund des Steuerkatasters nebst Katasterplan wurde für jede Steuergemeinde ein S a c h r e g i s t e r hergestellt und nebst dazu anfallenden Unterlagen vom Grundbuchamt auf dem Laufenden gehalten. Dieses Sachregister (vgl. § 2 V O vom 25. 2. 1905 JMB.l 61) stellte das „ a m t l i c h e V e r z e i c h n i s " i. S. des § 2 Abs. 2 G B O dar. Auf diese Weise war Vorsorge getroffen, daß die im Grundsteuerkataster enthaltene Bezeichnung der Grundstücke mit Plannummern in das Grundbuch überging (vgl. §§219, 294 DAnw.) 19 ). 19 ) Über die Einrichtung des Grundsteuerkatasters und des Katasterplanes verbreitet sich die Dienstanweisung für die Grundbuchämter in den Landesteilen rechts des Rheins (§§ I 59ff-)- Es wird für jede Steuergemeinde ein eigener Grundsteuerkataster geführt (§ 161). Der Katasterplan läßt insbesondere die Lage, F i g u r , B e g r e n z u n g , Kulturart und Plannummer jedes einzelnen Grundstückes mit der Hausnummer oder Besitznummer des Eigentümers entnehmen. Die Plannummern sind in der Regel mit schwarzen, die Hausnummern oder Besitznummern mit roten Ziffern eingeschrieben (§ 163). Die Wege und Gewässer und andere nicht steuerbare Flächen werden in der Regel am Schlüsse des Katasters vorgetragen (§ 164). Privatflüsse sind vielfach im Kataster ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse mit e i n e r Plannummer bezeichnet; in ähnlicher Weise sind häufig Wege und Gräben behandelt, die nicht eigene Grundstücke im Eigentum einer bestimmten Person oder im Miteigentum mehrerer Personen sind, sondern die Bestandteile der Grundstücke bilden, über die der Weg oder der Graben führt, bei denen also die als Weg oder Graben benützten Teile nur mit einer Grunddienstbarkeit belastet sind. In diesen Fällen darf also für die Frage, ob ein Privatfluß, Weg oder Graben als eigenes Grundstück zu erachten ist, die Tatsache nicht als ausschlaggebend erachtet werden, daß eine gesonderte Plannummer gebildet ist (§ 170 der DAnw.). Die Beifügung kleiner lateinischer Buchstaben bei der Plannummer deutet an, daß das an sich einheitliche, im Eigentum einer Person stehende Grundstück in seinen einzelnen Teilen von verschiedener Bodengüte oder von verschiedener Bebauung ist. Ist z.B. auf dem Grundstücke Pl.-Nr. 100 ein Wohnhaus mit Hofraum, ein Hausgarten und ein Baumgarten angelegt, so kann das Wohnhaus mit Umgriff als Pl.-Nr. 100a, der Hausgarten mit Pl.-Nr. 100b, der Baumgarten mit Pl.-Nr. 100c bezeichnet sein. Diese einzelnen durch Buchstaben kenntlich gemachten Teile bilden keine eigenen Grundstücke, sondern alle Teile zusammen bilden das Grundstück Pl.Nr. 100. Es ist früher nicht selten vorgekommen, daß bei Veräußerung der mit Buchstabenplannummern bezeichneten Teile eines Grundstückes an verschiedene Personen, die Buchstabenplannummern beibehalten wurden (§ 1 7 1 der DAnw.).

Die Beifügung eines Sternes zur Plannummer zeigt an, daß die Plannummer mehrmals vorgetragen ist. Dies geschieht im Falle gesonderter Katasterierung der Anteile an einem in ungeteilter Gemeinschaft stehenden Grundstücke und im Falle der Überbauung eines fremden Grundstückes; letzterem wird der Fall der Errichtung eines Bauwerks unter der Oberfläche eines fremden Grundstückes gleich geachtet ( § 1 7 2 der D A n w ; vgl. O L G Müchen in J F G 14, 399 und F M E v. 14. 5. 1938 — BayFinMBl. 71 wonach Sternplannummern zu beseitigen sind. Die Beifügung von „ N " (z.B. Pl.-Nr. 32 N) soll darauf hinweisen, daß die Abmarkung der Grenzen erst noch vorgenommen werden muß (vgl. B a y D A f M Ä §§ 20 u. 60).

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Dieses System wurde und wird nach und nach auf Grund der V O v o m 23. 1. 40 (RGBl. I, 240) nebst A V R J M vom 20. 1. 40 (DJ 212) und v o m 28. 4. 41 (DJ 548) in Verb, mit BayJMBekm. v o m 31. 3. 52 (JMB1. 101), vom 2 5 . 4 . 5 2 (JMB1. 138), vom 1 5 . 9 . 5 2 (JMB1. 52, 233) sowie v o m 8.4. 52 (JMB1. 105) übergeführt in das B u n d e s l i e g e n s c h a f t s k a t a s t e r . Darin werden die Grundstücke nach Flurstücken bezeichnet. Wesentlicher Bestandteil des Liegenschaftskatasters ist die F l u r k a r t e ( = Katasterkarte, früher Katasterplan). Diese Karte gibt Lage, Gestalt, Begrenzung und Nummer der einzelnen Flurstücke an. Ein Grundstück besteht aus einem oder mehreren Flurstücken, niemals nur aus einem Teil eines Flurstücks (vgl. BayOb. in D N o t Z 1955, 205). Amtliches Verzeichnis i. S. des § 2 Abs. 2 G B O ist das Liegenschaftskataster; die Flurkarte ist als „ K a r t e " i. S. von § 2 Abs. 3 G B O bestimmt (vgl. darüber Meikel-Imhof-Riedel Bern, i o i f f , zu § 2 G B O und Einl. 48ff. zur G B O ) . Für eine ordnungsgemäße Eintragung eines Grundstücks im Grundbuch kommt es hiernach darauf an, daß die Bezeichnung des betreffenden Grundstücks im Grundbuch mit derjenigen übereinstimmt, die im Sachregister und im Grundsteuerkataster nebst dazu gehörigen Plan bzw. (soweit das Bundesliegenschaftskataster bereits eingeführt ist) im Liegenschaftskataster und der Flurkarte vermerkt ist. Ein Grundstück kann somit nicht im Grundbuch eingetragen werden, solange es nicht entweder im Sachregister und Katasterplan oder im Liegenschaftskataster und in der Flurkarte richtig bezeichnet ist. Ausnahmen hiervon gibt es im Siedlungsverfahren (vgl. § 2 SiedlGes. v. 4. 1. 35 — RGBl. I, 1), wonach eine vorläufige Karte der Siedlungsbehörde für die Eintragung im Grundbuch ausreicht. Auch im Flurbereinigungsverfahren kann gem. § 79 FlurberGes. ein Grundstück auf Grund des Flurbereinigungsplans auf Ersuchen der Flurber.-Behörde in das Grundbuch eingetragen werden. Wegen der Übereinstimmung zwischen Grundbuch, Sachregister und Grundsteuerkataster war schon in §§ 327fr. BayDAnw. durch die Weisung zur Verbindungsaufnahme mit der Messungsbehörde Vorsorge getroffen. Für das neue System des Liegenschaftskatasters enthält die A V R J M v o m 20. 1. 40 (DJ 214) in Verb, mit der BayJMBekm. v o m 25. 4. 52 eine entsprechende Regelung; hiernach hat das Grundbuchamt das Vermessungsamt durch besondere „Veränderungslisten" und umgekehrt die Messungsbehörde das Grundbuchamt durch „Veränderungsnachweise" über Änderungen oder notwendige Berichtigungen auf dem Laufenden zu halten (vgl. A G Lichtenfels in BayJMBl. 54, 140). Für die Neuvermessung der Kataster gilt nun in Bayern die Dienstanweisung für Katasterneuvermessung vom 15. 3. 51 (vgl. BayFMBekm in FMB1. 1951, 177 u. GVB1. 51, 42). 76

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Hiernach werden bei Neuvermessungen Flurstückslisten angefertigt und die Ergebnisse der Abmarkung in eine „Abmarkungskarte" eingetragen. Dabei werden die einzelnen Flurstücke bezeichnet und ihre Fläche berechnet. Durch JMBekm. vom 15. 9. 52 (JMB1. 233) wurde die Vereinheitlichung der Messungsverzeichnisse und der Veränderungsnachweise in der Weise angeordnet, daß an Stelle des alten Messungsverzeichnisses und der Veränderungsnachweise allgemein ein einheitlicher Veränderungsnachweis festgelegt wurde. Die Auszüge aus diesen Nachweisen gelten als „Urkunden, auf die eine Eintragung sich gründet," i. S. von § 10 Abs. 1 G B O (vgl. hiezu Meikel-Imhof-Riedel Bern, i o i f f . zu § 2 G B O ; Richter, Deutsches Grundbuchrecht S. 3 5 ff.). Über die Zuverlässigkeit der Kataster-Eintragungen vgl. Richter Zt. f. Verm. 1956, 145; 1942, 245 u. 313; 1939, 438;Mittig. Bl. f. Verm. i960, 53. Auf Grund dieser im Grundbuch enthaltenen Bezeichnung nach Planoder Flurstücknummern ist Gegenstand der Eintragung derjenige Ausschnitt des Erdkörpers, welcher im Steuerkatasterplan bzw. in der Flurkarte unter einer bestimmten Nummer mit der dort ersichtlichen Abgrenzung der Erdoberfläche eingetragen ist. Auf den hierdurch ausgewiesenen Ausschnitt des Erdkörpers beziehen sich alle Eintragungen im Grundbuch, vor allem der wichtigste Eintrag: das Eigentum. Daraus folgt: Es wird auf Grund des § 891 vermutet, daß das im Grundbuch eingetragene Eigentum am Grundstück in der räumlichen Ausdehnung zusteht, welche die im Katasterplan bzw. in der Flurkarte eingezeichneten Grenzen ausweisen. § 891 B G B gilt nicht für die rein t a t s ä c h l i c h e n Angaben im Grundbuch über Eigenschaften, Lage, Wirtschaftsart oder Bebauung der betreffenden Bodenfläche oder über den Erwerbsgrund oder etwa vorhandene Gebäude. Jene beschreibenden Angaben jedoch, aus denen zu entnehmen ist, welche Teile des Grundstücks unter das Eigentumsrecht fallen, sind keine bloß tatsächlichen, sondern materiellrechtlich bedeutsame Angaben. Sie gehören zu den sog. B e s t a n d s a n g a b e n , die den Umfang des Eigentumsrechts, nämlich einen bestimmten, räumlich abgegrenzten Teil des Erdkörpers als Gegenstand des eingetragenen Grundstücks ausweisen20). Sie fallen unter die Vermutung des § 891 B G B . 20 ) Vgl. R G Z 73, 1 2 5 ; J W 1910, 813; D J Z 1910, 1354; L Z 1925, 23; J W 1927, 44; Die zunächst für das Preußische Recht aufgestellten Grundsätze des Reichsgerichts gelten auch für das nach bayer. Recht eingerichtete Grundbuch (vgl. München in O L G 31, 3 1 5 ; BayZ 1915, 246; 1923, 23). Die Rechtsauffassung des Reichsgerichts, die zunächst sehr umstritten war (vgl. Dernburg, Das Sachrecht . . 157) Neumann in Gruch 48, 20 Turnau-Förster Bern, zu § 891; Endemann 300; Höniger, Die Grenzstreitigkeiten S. 94; Predari G B O 204; Planck-Strecker Bern, zu § 921; Fröhlich D N o t Z 1912, 329;

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Diese Vermutung kann durch Gegenbeweis entkräftet werden. Den Gegenbeweis kann jeder führen, der ein rechtliches Interesse an der Unrichtigkeit des Grundbuchs darlegt; andererseits kann sich jeder auf eine Eintragung im Grundbuch berufen, an deren rechtlichem Bestand er interessiert ist21). Weichen Grundbuch und Kataster voneinander ab, so ist zunächst zu prüfen, ob diese Abweichung nur rein tatsächliche oder materiell-rechtlich bedeutsame Angaben betrifft. Unrichtigkeiten rein tatsächlicher Natur können jederzeit von Amts wegen vom Grundbuchamt, allenfalls im Benehmen mit dem Vermessungsamt berichtigt werden. Unstimmigkeiten in den Bestandsangaben dagegen sind nur dann einer einfachen Berichtigung zugänglich, wenn kein gutgläubiger Rechtserwerb Dritter in Mitte liegt; Beispiele einer Unrichtigkeit von Bestandsangaben sind Grenzunrichtigkeiten oder Parzellenverwechslungen. Der nach § 891 B G B zulässige Gegenbeweis für eine Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich der dort im Zusammenhalt mit Katasterplan oder Flurkarte ausgewiesenen Grenzen versagt zugunsten desjenigen, der das Eigentum oder ein sonstiges dingliches Recht durch Rechtsgeschäft erwirbt; denn zu seinen Gunsten gelten die durch das Grundbuch in Verbindung mit Katasterplan (oder Flurkarte) ausgewiesenen Grenzen als richtig, es sei denn daß ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder die Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt ist (§ 892 BGB). Die in das Grundbuch übergegangene Bestandsnachweisung des Katasterplans bezw. der Flurkarte fällt somit unter den öffentlichen Glauben des Grundbuchs, jedoch nur soweit als dadurch der Gegenstand des im Grundbuch eingetragenen Eigentums begrenzt wird. Auch der bei den Grundakten befindliche beglaubigte Auszug aus dem amtlichen Verzeichnis, in dem ein aus mehreren Plan- oder Flurstücksnummern bestehendes Grundstück näher beschrieben wird, fällt unter § 892 B G B (vgl. MeikelImhof-Riedel Bern. 180 zu § 3 GBO); andererseits geht die Wirkung des öffentlichen Glaubens nicht über das Grundbuch nebst Anlagen hinaus22). Die übrigen in das Grundbuch übernommenen Angaben des Katasters, durch welche das Grundstück näher bezeichnet wird, vor allem die Angaben über die Größe des Grundstücks (Flächenmaß), werden durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht gedeckt. Solche Angaben über das Flächenmaß jedoch, die mit der Grundstücksgröße übereinstimmen, die Consbruch in J W 1921, 219) hat sich nunmehr allgemein durchgesetzt (vgl.RGRKomm. Bern. 3; Staudinger-Seufert Randb. 7 je zu § 891 B G B ; B G H Z 7, 64; O L G Celle in N J W 1956, 632; L G Frankenthal in N J W 1956, 873) vgl. auch Meikel-Imhof-Riedel Bern. 6 zu § 2; Henke-Mönch-Horber Bern. 6 je zu § 2 G B O ; 21 ) v g l . R G Z in J W 1936, 2399. 22 ) Bay Ob. in D N o t Z 57, 313.

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sich aus dem Plan (Flurkarte) entnehmen läßt, stellen den Umfang des Eigentumsrechts klar und fallen daher unter den Schutz des § 892 B G B . Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, dem Erwerber die Sicherheit zu geben, daß der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung der dinglichen Rechtsverhältnisse mit der wirklichen Rechtslage im Einklag steht. 5. Die Anwendbarkeit des § 892 setzt ein positives Vertrauen auf die im Grundbuch enthaltenen Bestandsangaben nicht voraus. Der Erwerber kann sich daher auf § 892 selbst dann berufen, wenn in der Katasterkarte günstigere Grenzen eingezeichnet sind, als er sie sich beim Erwerbe vorstellte 23 ). Nur darf diese Vorstellung nicht auf Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs beruhen. Entscheidend für die Kenntnis ist der Zeitpunkt, zu welchem der Antrag auf Eintragung der Eigentumsveränderung beim Grundbuchamt einläuft (§ 892 Abs. 2). Hat sich der Käufer in der Zeit zwischen Abschluß des Kaufvertrags und dem erwähnten Zeitpunkt die Grenzen vom Verkäufer einweisen lassen, so hat er sie gekannt. „ K e n n e n " ist gleichbedeutend mit „für wahr halten" 23 ). Ist das, was der Erwerber für wahr hielt, tatsächlich wahr gewesen, dann ist ihm die Unrichtigkeit einer damit in Widerspruch stehenden Angabe des Grundbuchs bekannt gewesen, und somit der Schutz des § 892 ausgeschlossen. Kannte der Erwerber den Umstand, daß die Grenze nicht da verläuft, wo sie in der Katasterkarte eingezeichnet ist, dann ist es ohne Bedeutung, ob der Erwerber statt dessen nun den richtigen oder einen anderen gleichfalls falschen Grenzzug für den zutreffenden gehalten hat24). Woher der Erwerber die Kenntnis genommen hat, ist gleichgültig. Erkenntnisquellen werden besonders Mitteilungen des Veräußerers und eigene Beobachtungen sein. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß auch durch Mitteilungen dritter Personen, welche der Erwerber für glaubwürdig hielt, die Kenntnis gewonnen wird 26 ). Hat der Erwerber das Grundstück vor dem Kauf besichtigt und hierdurch den Verlauf der in Natur ersichtlichen Grenzen kennen gelernt, so kann er die im Katasterplan eingezeichnete günstigere Grenze nicht auf Grund des § 892 in Anspruch nehmen. Gegenstand des Kaufs war z. B. ein zu Zeit der Besichtigung mit Klee bestellter Acker. Die tatsächlich mit Klee bestellte Grundfläche reicht nicht ganz bis zur katastermäßigen Grenze, während der daranstoßende Kartoffelacker des Nachbarn über die katastermäßige Grenze in der Natur hinüberreichte. Die auf eigener Wahrnehmung beruhende Vorstellung des Käufers, der bei der Besichtigung sah, wie weit mit Klee und wie weit mit Kartoffeln 23 ) (gegen 24 ) 26 )

R G K Bern, z u § 892; Staudinger-Seufert R a n d b e m . 28 z u § 892. R G 86, 356 R G 61, 195); O L G 31, 315. Prot. 3, 79 u. 85. R e i ß 5 1 ; v g l . auch B a y O b L G Z zi, 16.

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bestellt war, ging dahin, daß der Kaufacker so weit reicht, als die Bestellung mit Klee26). Verläuft die Katastergrenze anders, so hat er deren Unrichtigkeit gekannt. Er kann sich also auf § 892 B G B nicht berufen, wenn schon er nach der Erfahrung damit rechnen konnte, daß vielleicht der Nachbar über die Grenze herübergeackert haben könne. Auf die widerlegbare Vermutung des § 891 B G B kann er sich jedoch berufen27). War Gegenstand des Kaufs ein Landgut mit zerstreutem Parzellenbesitz und hat der Käufer vor dem Erwerb die Flur begangen, so wird er durch diese Besichtigung wohl kaum die in der Natur ersichtlichen Grenzen eines jeden Grundstücks kennen gelernt haben. Es ist zu berücksichtigen, daß dem Erwerber die Kenntnis von der Unrichtigkeit der Katastergrenze bewiesen werden muß28). Der öffentliche Glaube wird weder durch grob fahrlässige Unkenntnis noch durch den Nachweis ausgeschlossen, daß der Erwerber mit der Möglichkeit der Unrichtigkeit gerechnet hat oder daß er die gegebene zweifelhafte Rechtslage gekannt hat29). 6. Der Grundsatz des Buchglaubens kann dazu führen, daß dem rechtmäßigen Eigentümer wertvolle Bestandteile seines Grundstückes, ja das ganze Grundstück genommen wird (Katasterraub) 3 0 ). E r kann nicht einmal Entschädigung dafür verlangen, denn der Bereicherungsanspruch des § 812 ist ihm gegen den Erwerber 31 ) versagt, da dieser nicht 2e

) J W 1910, 813. ) Eine andere Beurteilung greift natürlich z.B. dann Platz, wenn der Verkäufer dem Käufer erklärt hat, der Nachbar habe über die Grenze herübergeackert. 28 ) Auch das ist nicht ausnahmslos. Kann nachgewiesen werden, daß beim Erwerb die beiden Vertragsteile darüber einig waren, daß Gegenstand des Vertrags das Grundstück mit den ihnen b e i d e n b e k a n n t e n in der Natur vorhandenen Grenzen sein sollte und deckt sich damit die katastermäßige Grenze nicht, so haben die beiden Vertragsteile durch die Erklärung, daß die Pl.-Nr. 312 verkauft werde, ihren übereinstimmenden Willen unrichtig erklärt. Es liegt eine falsa demonstratio vor. Der wahre Wille gilt (s. darüber unten S. 81). 28 ) R G 90, 395. Die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit des Grundbuchinhalts ergibt, genügt. Dem Erwerber muß aber der Gegenbeweis offen gelassen werden, daß er trotz Kenntnis dieser Tatsachen infolge Rechtsirrtums den Inhalt des Grundbuchs für richtig gehalten hat (vgl. R G Z 91, 2 1 8 ; H R R 1934 Nr. 806; Wolff SR § 45 I 5a Recht 1914 Nr. 3 0 1 1 ; J W 1906, 226; O L G 31, 347; Gruchot 50, 985). 29 ) Der Gegenbeweis nach § 892 ist darauf zu richten, daß das Grundbuch unrichtig ist und der Erwerber beim Erwerb die Unrichtigkeit gekannt hat (ObLG 21 B 13 (Nürnberg); vgl. R G Z 1 1 7 , 188; 128, 56; 156, 128; Staudinger-Seufert Randbem. 40 zu § 892. 30 ) Über Katasterraub vgl. Recht 1905, 2 7 1 ; 1908, 874; 1909, 4 1 7 ; vgl. auch D N o t Z 53, 386 u. 389. 31 ) Nur beim Erwerb auf Grund unentgeltlicher Verfügung kann der Erwerber nach § 816 Abs. 1 Satz 2 in Anspruch genommen werden. Bei entgeltlichem Erwerb ist der geschädigte Eigentümer auf den Bereicherungsanspruch des § 816 Abs. 1 Satz 1 gegen den V e r ä u ß e r e r angewiesen. E r kann nur das verlangen, was der Veräußerer infolge der unberechtigten Verfügung m e h r erlangt hat, als er erlangt hätte, wenn er nur über das 27

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ohne rechtlichen Grund erworben hat. Soll der Grundsatz des Buchglaubens nicht in einer dem gesunden Rechtsempfinden unerträglichen Weise überspannt werden, so dürfen die Anforderungen an den Nachweis daß der Erwerber die wahren Grenzen gekannt hat, nicht zu streng gestellt werden32). Dem regelmäßigen Verlaufe der Dinge entspricht es, daß der Eigentümer sein Eigentum bis zur Grenze ausnützt. Hat also der Erwerber zur Zeit der Eintragung des Eigentumerwerbes in das Grundbuch gewußt, daß sein Besitzvorgänger die Bodenfläche nur bis zu einer gewissen Linie ausgenützt und jenseits dieser Linie ein anderer den Boden benützt hat, so hat der Erwerber annehmen können und müssen, daß das von ihm erworbene Eigentum nur bis zu dieser Linie reicht, mit anderen Worten, daß diese Linie die Grenze ist. Reicht die katastermäßige Grenze darüber hinaus, so muß der Angrenzer die Unrichtigkeit der Katastergrenze beweisen (§ 891). Gelingt ihm dieser Beweis, dann behält er sein Eigentum trotz § 892 B G B , weil der Erwerber die wahre Grenze gekannt hat. In einem s o l c h e n F a l l hat man es übrigens mit einer f a l s a d e m o n s t r a t i o zu tun. Beide Teile haben denselben Willen erklärt, indem sie als Gegenstand des Vertrages die Pl.-Nr. 312 bezeichneten. Das ist eben der Teil des Erdkörpers, der im Katasterplan die Nr. 312 mit den dort ausgewiesenen Grenzen führt. Aber sie haben beide etwas anderes gewollt und zwar beide das gleiche. Gegenstand des Vertrages sollte das Grundstück sein, welches im Kataster die Pl.-Nr. 312 führt, aber mit den ihnen bekannten in der N a t u r vorhandenen Grenzen. Sie haben ihren übereinstimmenden W i l l e n u n z u t r e f f e n d zum A u s d r u c k gebracht. Die Auflassung ist nur hinsichtlich der von dem übereinstimmenden Willen umfaßten Grundfläche rechtsgültig, hinsichtlich der anderen Grundfläche nichtig33). ihm Zustehende verfügt haben würde ( R G Recht 1913 Nr. 476; 1915 Nr. 489). Damit wird derjenige, der den Grenzstreifen verloren hat, nur in den seltensten Fällen zu einem Ersatz kommen (Reiß 91). 32 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 42 zu § 892: „Das Vorschützen grobfahrlässiger Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs kann unter Umständen derart frivol sein, daß das Gericht auf Grund freier Beweiswürdigung zu dem Schluß gelangen kann, der Erwerber habe in Kenntnis der Unrichtigkeit des Grundbuchs gehandelt." (Zustimmend Consbruch, J W 1 9 2 1 , 219); vgl. auch Karlsruhe D N o t Z 1927, 408. 33 ) R G 60, 340; 66, 2 1 ; 77, 53; J W 1907, 540; 1 9 1 1 , 940; O L G 26, 38. Mit Recht weist deshalb Consbruch, J W 1921, 219 daraufhin, daß den auf Herausgabe eines Grundstücks erhobenen Klagen die Beklagten in der Regel mit dem Einwand des Mangels der Aktivlegitimation begegnen können, da sich meistens der Wille der Veräußerer und Erwerber eines Grundstücks auf die Grundstücksfläche erstreckt habe, die der Veräußerer besessen hat. Uber die rechtliche Bedeutung von Vertragsbestimmungen „wie an Ort und Stelle besichtigt und besprochen" oder „wie es liegt und steht" u. ä. vgl. D N o t Z 53, 386 u. 389; Staudinger-Coing Randbem. 57 zu § 1 1 9 B G B ; Josef in SeuffBl. 70, 493; Gruch 52, 224; Bang in ArchZivPr. 118, 399; R G Z 109, 334; L Z t 1932, 1304; R G Z 133, 279; R G R Kom. Bern. 4 zu § 925; Staudinger-Seufert Randbem. 23 zu § 925. 6

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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Dabei ist zu berücksichtigen: daß der Inhalt der E r k l ä r u n g nicht bloß aus ihrem Wortlaut, sondern auch aus den begleitenden Umständen abzuleiten ist. Die vertragliche Erklärung unterliegt deshalb der Auslegung. Hierfür kommt es aber nicht ausschlaggebend darauf an, wie jeder Teil für sich den Inhalt seiner Erklärung aufgefaßt hat, sondern darauf, wie die vorliegende Erklärung objektiv verstanden werden muß. Nur wenn nach diesem Standpunkt die Erklärung verschieden aufgefaßt werden kann, und sie in der Tat von den beiden Vertragsteilen verschieden aufgefaßt worden ist34), liegt in Wahrheit eine Willenseinigung über den Gegenstand des Vertrages n i c h t vor. In einem solchen Falle hat man es mit einem v e r s t e c k t e n D i s s e n s im Sinne des § 15 5 B G B zu tun mit der Folge, daß ein Vertrag überhaupt nicht zustande gekommen ist. Der Fall eines versteckten Dissenses, wo beide Parteien, jede im Irrtum über die Erklärung der anderen, verschiedenes erklärt haben, ist häufig schwer zu unterscheiden von dem Fall des Irrtums eines Vertragsteiles über den Inhalt seiner Erklärung. Die Anfechtung wegen Irrtums setzt voraus, daß die b e i d e r s e i t i g e n Erklärungen o b j e k t i v den g l e i c h e n Inhalt haben, gleichviel ob sich dieser aus dem Wortlaut ohne weiteres ergibt oder unter Berücksichtigung aller dafür auf beiden Seiten in Betracht kommenden Umstände durch Auslegung festgestellt wird. Dann liegt eben nicht der Fall eines Mißverständnisses, einer bloßen fälschlichen Annahme des Einverständnisses vor (§ 155), sondern ein wirklich e r k l ä r t e s Einverständnis und wenn sich dabei die eine Partei über die Bedeutung ihrer Erklärung getäuscht hat, so betrifft dieser Irrtum nicht den Inhalt der gegnerischen, sondern den ihrer eigenen Erklärung. Dieser rechtliche Unterschied führt zu praktisch wichtigen Ergebnissen. Denn im Falle des § 155 kann j e d e r D r i t t e sich auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen. Im Falle der Anfechtung wegen Irrtums (§ 1 1 9 B G B ) kann n u r der i r r e n d e V e r t r a g steil durch Anfechtung die Nichtigkeit herbeiführen36). Ist die Plannummer 312 als verkauft bezeichnet, so liegt darin, von besonderen Umständen abgesehen, regelmäßig die Erklärung, daß Gegenstand des Vertrages jener abgegrenzte Teil des Erdkörpers sein soll, welcher im Katasterplan als die Plannummer 312 mit den dort eingezeichneten Grenzen ausgewiesen ist. Der Käufer, der die in der Natur anders verlaufenden Grenzen nicht kennt, wird wohl regelmäßig seiner Erklärung den Willen zugrunde gelegt haben, das Grundstück mit den katastermäßigen Grenzen zu erwerben. Sein Wille deckt sich mit der Erklärung. Der gleichlautenden Erklärung (Pl.-Nr. 312) des Verkäufers lag dagegen der M ) Vgl. R G 66, 122, 68, 9; 78, 376; Staudinger-Coing Randbem. 56 zu § 119 u. Randbem. 2a — 2e zu § 155 BGB; R G in J W 1930, 3055; J W 1938, 590. 36 ) Vgl. R G 58, 233; J W 1906, 190; WamE 1910 Nr. 270; B G H N J W 51, 308.

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Grenzstreitigkeiten

§ 6

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Wille zugrunde, nur das Grundstück mit den in der Natur vorhandenen Grenzen zu verkaufen. Sein Wille deckt sich nicht mit der Erklärung. Er kann deshalb seine Erklärung wegen Irrtums anfechten ( § 1 1 9 BGB). Dies muß er ohne schuldhaftes Zögern tun, sobald ihm die rechtliche Tragweite seiner Erklärung klar geworden ist (§ 121 BGB), was unter Umständen lange dauern kann36). Da aber die Anfechtung nur dem irrenden Vertragsteil zusteht, wird die Irrtumsanfechtung nur in den Fällen von praktischer Bedeutung sein, in welchem der Anfechtungsberechtigte Eigentümer des an die Parzelle angrenzenden Grundstückes geblieben oder geworden ist, das von dem Katasterraub betroffen wird. Da aber für den Inhalt der Erklärung nicht bloß der Wortlaut maßgebend ist, sondern der objektive Inhalt der Erklärung durch Auslegung festzustellen ist, muß im Einzelfalle i m m e r geprüft werden, ob die Erklärung o b j e k t i v auch wirklich so und nicht anders zu verstehen ist, als daß Gegenstand des Vertrages die im Katasterplan als Plannummer 312 bezeichnete Grundfläche mit den dort eingezeichneten Grenzen sein soll. Das ist nicht der Fall, wenn in dem Vertrag nicht nur die Plannummern aufgeführt sind, sondern daneben gesagt wird, daß der Verkäufer seinen Grundbesitz in dem Umfange verkauft, w i e er ihn b i s h e r b e s e s s e n hat; es ist ferner regelmäßig nicht der Fall, wenn im Vertrag als verkauft bezeichnet ist die „Plannummer 312 Ö d u n g " und wenn der strittige Teil der zur Plannummer 312 gehörigen katastermäßigen Fläche mit Bäumen bepflanzt ist, während der übrige Teil der katastermäßigen Plannummer 312 noch Ödung ist. Ebenso liegt der Fall, wenn als verkauft bezeichnet ist die „Plannummer 3 1 1 W i e s e " und wenn auf einem Teil dieser katastermäßigen Fläche ein Gebäude steht37). In allen diesen Fällen ist die Erklärung objektiv so zu verstehen, daß Gegenstand des Vertrages und der Auflassung sein sollen die Grundstücke mit den in der N a t u r vorhandenen Grenzen. Ein Dissens liegt nicht vor. Denn objektiv ist die beiderseitige Erklärung in gleicher Weise aufzufassen; nur wenn die Bezeichnung Plannummer 312 f ü r sich a l l e i n ins Auge gefaßt wird, ist diese Bezeichnung für den übereinstimmenden wahren Willen unzutreffend. Insoweit liegt also eine falsa demonstratio vor, mit der Folge, daß eine rechtswirksame Auflassung desjenigen Gegenstandes eingetreten ist, auf den sich der beiderseitige Wille und der durch Auslegung gewonnene objektive Inhalt der beiderseitigen Erklärung erstreckte, also nur derjenigen Fälche, welche durch die in der Natur vorhandenen Grenzen der Plannummer 312 umschrieben wird, während hinsichtlich des über diese 3S

) Vgl. R G in HRR 1931 Nr. 584; R G Z 124, 1 1 5 ; vgl. auch R G Z 134, 25. ) Vgl. Sawitz, Der Inhalt des Grundbuchs nach § 892 S. 79; Guethe, Bern. 57 zu § 2 GBO; Fröhlich, DNotZ 1912, 335. 37

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IUI

natürlichen Grenzen herausfallenden Teiles der katastermäßigen Plannummer 312 die Auflassungserklärung nichtig ist38). Festzuhalten ist die Voraussetzung einer falsa demonstratio. Jeder Teil meint mit seiner Erklärung dasselbe; er bedient sich jedoch einer unzutreffenden Bezeichnung des Vertragsgegenstandes39). Eine falsche Bezeichnung, mit der die beiden Vertragsgegner denselben Gegenstand gemeint haben, ist unschädlich, gleichviel, ob beide Vertragsteile oder einer von ihnen ihrem Willen eine unrichtige Annahme über das Flächenmaß zugrunde gelegt haben40). III. 1. Bei einer Grenzstreitigkeit ist für die im Grundbuch eingetragenen Grundsücke zunächst zu prüfen, ob nach Anlegung des Grundbuchs der derzeitige Eigentümer oder sein Sondervorgänger 41 ) das Grundstück im Buchglauben an die Richtigkeit der im Grundbuch (Katasterplan oder Flurkarte) eingetragenen Grenzen erworben hat. Ist das der Fall, so kann er die durch das Grundbuch ausgewiesenen Grenzen selbst dann in Anspruch nehmen, wenn feststeht, daß diese Grenzen unrichtig sind. Kann sich der Eigentümer auf den Schutz des öffentlichen Glauben des Grundbuchs hinsichtlich der dort ausgewiesenen Grenzen n i c h t berufen, so gelten diese gleichwohl auf Grund des § 891 B G B bis zum Beweis des Gegenteils als richtig. Daraus folgt, daß eine Grenzverwirrung bei aneinander grenzenden Grundstücken, die im Grundbuch eingetragen sind42), nicht zu häufig vorkommen wird. Ausgenommen von dem Buchungszwang sind in Bayern nur die Grundstücke des Bundes, der Länder, der Gemeinden und anderer Kommunalverbände, der Kirchen, Klöster und Schulen, ferner die Wasserläufe, die öffentlichen Wege sowie die Grundstücke, die einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Bahnunternehmen gewidmet sind ( § 3 Abs. 2a 3S ) Vgl. R G 60, 340; 66, 2 1 ; 77, 3 3 ; J W 1907, 540; 1 9 1 1 , 944; Gruchot 58, 196; O L G 26, 38; s. oben Fußnote 33. 39 ) Staudinger-Coing Randbem. 2a — e zu § 1 5 5 ; O b L G 17, 42; R G Z 109, 334; 1 3 3 , 279; J W 1930, 3085; J W 1938, 590. 40 ) O L G 40, 260 (ObLG). Dort ist auch ausgeführt, daß es in einem Falle, in welchem beide Teile über den Gegenstand des Vertrages durchaus einig sind, überhaupt „nichts anzufechten" gibt. Vgl. aber R G Z 1 3 3 , 279; Staudinger-Seufert Randbem. 23 zu § 925 B G B . 41 ) Dem Nachmann eines gutgläubigen Erwerbers schadet die Kenntnis von der früheren Unrichtigkeit des Grundbuchs nichts. Ein gutgläubig erworbenes Recht bleibt bestehen, auch wenn es später auf einen schlechtgläubigen Erwerber übergeht ( O L G 2, 266, 25, 378; SeuffA 67, Nr. 12); Staudinger-Seufert Randbem. 66 zu § 892 B G B . 42 ) Die §§ 891, 892 gelten auch für ein eingetragenes buchungsfreies Grundstück (Lehmann, BayNotZ 1916, 373); R G Z 156, 126; 164, 389.

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GBO). Familienfideikommisse, Lehen u. ä. sind seit i. i. 1939 kraft Gesetzes erloschen (§ 30 Ges. v. 6. 7. 38 — RGBl. I, 825; Ges. v. 28. 12. 50 — BGBl. I, 820). Land- u. forstwirtschaftliche Fideikommißgüter sind übrigens auch nach K R G Nr. 45 Art. III, Abs. 2 u. § 4 Bay. D V O Nr. 122 (GVB1. 180 u. 248) nach den allgemeinen Vorschriften zu behandeln und unterliegen daher dem Buchungszwang. Die buchungsfreien Grundstücke erhalten nur auf Antrag ein Grundbuchblatt. Solche nicht eingetragene Grundstücke werden regelmäßig an ein eingetragenes Grundstück anstoßen. Dessen Eigentümer kann sich auf § 891, unter Umständen auch auf § 892 berufen. Behauptet er, daß sein Grundstück weiter reicht, als die im Katasterplan eingezeichnete Grenze ausweist, so ist bezüglich der jenseits der Katastergrenze liegenden Fläche eine Grenzverwirrung möglich. Dabei wird allerdings mit dem Reichsgericht43) von der Voraussetzung ausgegangen, daß §§ 891, 892 B G B auf die in das Grundbuch übergegangene Bestandsangabe des Katasterplanes bzw. der Flurkarte anzuwenden ist. Eine Grenzverwirrung liegt vor, wenn keiner der beiden Angrenzer die Grenze nach den für den Beweis des Eigentums geltenden Grundsätzen nachweisen kann. In einem solchen Fall soll nach § 920 B G B in erster Linie der B e s i t z stand maßgebend sein. Welcher Zeitpunkt hierfür entscheidend sein soll, ist im Gesetze nicht gesagt. Man muß daher annehmen, daß der gegenwärtige, nicht der bisherige Besitzstand gemeint ist44). Der Richter hat also die Zeit der U r t e i l s f ä l l u n g , nicht etwa die der Klageerhebung zugrunde zu legen. Eine besondere Rechtslage ist gegeben, wenn sich der derzeitige Besitzer die Herrschaftsgewalt durch verbotene Eigenmacht verschafft hat. Ein solcher Besitz ist fehlerhaft (§858 BGB). Der dadurch Verdrängte hat Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes nach § 861 B G B und genießt deshalb die Rechtsstellung des gegenwärtigen Besitzers, ohne daß er erst im Wege der Besitzklage gegen den fehlerhaft Besitzenden vorgehen müßte. Es genügt vielmehr, daß der Verdrängte den Nachweis erbringt, er sei aus seiner Stellung als Besitzer durch verbotene Eigenmacht verdrängt worden. Allerdings scheidet dieser Weg aus, wenn bereits ein Jahr seit Verübung der verbotenen Eigenmacht verflossen und die Besitzklage deshalb gem. § 864 B G B nicht mehr zulässig ist. Im übrigen bildet ein ruhiger Besitzstand keine Voraussetzung für die Klage aus § 920 BGB 48 ). 43 ) Vgl. R G Z 73, 1 2 5 ; Recht 1918 Nr. 523; BayOb. in O L G 3 1 , 3 1 5 ; vgl. auch R G Z 156, 126; 164; 389; BayOb. in D N o t Z 57, 313. 44 ) Vgl. M. 3, 2 7 1 ; Staudinger-Seufert Randbem. 8a; Planck-Strecker Bern. 2a; Paland-Hoche Bern. 4 je zu § 920. 45 ) Vgl. B G H Z 27, 362; R G in J W 25, 784; Staudinger-Coing Randbem. 3 zu § 854; Wolff-Raiser § 10 III 2.

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Besitzer eines Grandstücks ist derjenige, der die tatsächliche Gewalt darüber ausübt (§854 BGB). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach den Umständen jedes einzelnen Falles, insbesondere nach der Anschauung des Lebens und der Verkehrsauffassung. Stets ist eine gewisse Festigkeit und Dauer der Beziehungen zwischen der Person und dem Grundstück erforderlich46). Der Wille, den Besitz zu begründen, muß nach nunmehr herrschender Meinung mit der Maßgabe verlangt werden, daß der rein natürliche Wille zur Ausübung der Herrschaftsmacht (also nicht rechtsgeschäftliche Willensfähigkeit) erforderlich ist.47) Wird die streitige Fläche nur auf Grund eines ausdrücklichen vorläufigen Abkommens benützt, so ist selbstverständlich kein Raum für eine Entscheidung nach dem derzeitigen Besitzstand48). In dem Einpflocken eines Grundstückes mit Grenzzeichen, Einzäunen eines Grundstückes, Einstecken von Dörnern zum Schutze gegen Betreten durch Menschen, Errichtung einer Warnungstafel, in dem Pflügen eines Ackers, Abgrasen eines Raines sind regelmäßig Besitzhandlungen zu finden. Auch durch den Tropfenfall kann an dem unter der Traufe gelegenen Raum Besitz ausgeübt werden. Alle Handlungen, durch welche auf das Grundstück eingewirkt wird, können als Besitzhandlungen in Betracht kommen. Vorausgesetzt daß nach der Anschauung des Lebens und Verkehrs infolge solcher Einwirkungen ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis vorliegt. Unter Umständen ist auch eine Einwirkung genügend, die weder alle Teile der Sache trifft, noch an sich die inhaltlich vollendete Herrschaft in sich begreift, aus der sich aber doch die Fähigkeit für den Handelnden ergibt, über den Gegenstand zu verfügen. An einem Teich kann z. B. durch Ausübung der Jagd, Fischerei, Schilf- und Materialentnahme voller Besitz ausgeübt sein49). 2. Kann der Bestitzstand nicht festgestellt werden (z. B. bei unkultivierten Grundstücken), so ist jedem der Grundstücke ein gleich großes Stück der streitigen Fläche, d. i. jener Fläche, an welcher der Besitz nicht nachweisbar ist, zuzuteilen. Eine Feststellung des Besitzstandes ist namentlich dann unmöglich, wenn beide Teile den Besitz nebeneinander ausgeübt haben. Jedem Grundstücke ist ein gleich großes Stück zuzuteilen. Auf Wert und Bonität wird also keine Rücksicht genommen50). Auch das Größenverhältnis der beteiligten Nachbargrundstücke dergestalt, daß etwa 46 ) Vgl. R G Z 75, 227; 92, 266; 1 5 1 , 187; J W 19, 379; 34, 1484; Staudinger-Coing Randbem. 3 u. 4; R G R K o m m . Bern. 3a; Palandt-Hoche Bern. 1 je zu § 854; WolffRaiser § 5 III. " ) Vgl. R G Z 106, 1 3 5 ; J W 25, 784; O G H Z 1, 149; Staudinger-Coing Randbem. 4 u. 5; Palandt-Hoche Bern. 2 je zu § 854. 48 ) S. unten § 24, 1. 48 ) Vgl. EntschOTr. 55, 208; K G in J W 26, 2647. B0 ) Vgl. M. 3, 272 (Mugdan 3, 150).

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III 3 — 5

ein diesem Größenverhältnis entsprechender Teilungsmaßstab angelegt würde 61 ), kommt nicht in Betracht. Bei der Teilung braucht eine bestimmte Teilungslinie nicht eingehalten zu werden. Es sind in jedem Fall verschiedene Linien möglich, durch welche die vorgeschriebene Teilung bewirkt werden kann52). 3. Soweit eine diesen Vorschriften entsprechende Bestimmung der Grenze zu einem Ergebnis führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der feststehenden Größe der Grundstücke, nicht übereinstimmt, ist die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieser Umstände der Billigkeit entspricht (§ 920 Abs. 2 BGB) 83 ). Bei der Hervorhebung des Falles, in welchem die Größe der Grundstücke feststeht, ist der Gesetzgeber von folgender Erwägung ausgegangen: Wenn im Falle der Grenzverwirrung die richtige Grenze nicht erwiesen werde, so könne doch genau feststehen, ein wie großer Teil des streitigen Flächenabschnittes dem einen oder dem anderen Nachbar gehöre, z. B. wenn feststehe, daß von zwei benachbarten Grundstücken das eine 100, das andere 200 qm groß sei; in solchem Falle dürfe die Grenze weder nach dem Besitzstand, noch durch Halbierung des streitigen Stücks bestimmt werden. Die Bestimmung müsse vielmehr so erfolgen, daß jeder Nachbar ein Grundstück von dem ihm unzweifelhaft zustehenden Flächeninhalt erhalte64). 4. Im übrigen ist der Inhalt der im § 920 Abs. 2 B G B enthaltenen Bestimmung recht dunkel. Was man unter einem Ergebnis, das mit den ermittelten Umständen nicht übereinstimmt, verstehen soll, ist kaum zu ergründen. Man wird nur solche Umstände heranziehen dürfen, aus denen sich ergibt, daß die nach Abs. 1 gefundene Grenze nicht richtig sein kann. Eine bloße UnZweckmäßigkeit dieser gefundenen Grenze erfüllt wohl diese Voraussetzung nicht. Es genügt daher z. B. nicht ohne weiteres, daß ein Bach vorhanden ist, der eine zweckmäßigere Grenzlinie bilden würde, als die gefundene Linie. 5. Auch aus der Unverhältnismäßigkeit der Größe der beiden Grundstücke kann ein solcher Umstand nicht abgeleitet werden. Wenn also von den 61

) Vgl. nunmehr auch Staudinger 1 1 . (gegen 10.) Aufl. Randbem. 10. ) Vgl. KommProt. 3536 (Mugdan 3, 583). ) Vgl. Recht 1901 Nr. 1 3 2 9 ; Recht 1908 Nr.75. Der Richter ist aber nicht befugt, absichtlich eine Umlegung unzweckmäßiger Grenzen vorzunehmen. Endemann 4 5 7 ; Biermann, Anm. 2 zu § 920. 64 ) Vgl. KommProt. 3536 (Mugdan 3, 853). Auch hier ist übrigens wiederum darauf hinzuweisen, daß die katastermäßige Größenbestimmung noch keine Feststellung der Größe darstellt, da für deren Richtigkeit von Anfang an zuverlässige Garantien nicht gegeben waren und seit der Katastrierung auch eine Verschiebung der Größenverhältnisse eingetreten sein kann. 62 63

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IV

angreifenden Grundstücken die unbestrittenermaßen dem A gehörige Fläche i ha und die unbestritten dem B gehörige Fläche nur 0,10 ha umfaßt, so mag wohl die Hälfteteilung der streitigen Fläche, welche eine Größe v o n 0,5 ha hat, unbillig sein; allein das Gesetz hat im Abs. 1 des § 920 B G B ausdrücklich bestimmt, daß bei Ermangelung einer Feststellung über den Besitzstand jedem Grundstück ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zuzuteilen ist und in den Gesetzgebungsarbeiten 58 ) ist besonders hervorgehoben, daß nicht etwa das Größenverhältnis der Nachbargrundstücke in Frage komme, dergestalt, daß ein diesem Größenverhältnis entsprechender Teilungsmodus angelegt werde. Dagegen kann ein Umstand, mit welchem das Eregbnis, zu dem die nach Abs. 1 erfolgte Bestimmung der Grenze geführt hat, nicht übereinstimmt, bei G r e n z e i n r i c h t u n g e n , die zum Vorteile beider Grundstücke dienen (s. § 921 BGB., Mauer, W i n k e l , R a i n , H e c k e usw.) häufig gegeben sein. § 921 B G B stellt die Vermutung auf, daß die Nachbarn zur Benützung solcher Grenzeinrichtungen gemeinschaftlich berechtigt sind, soferne nicht äußere Merkmale darauf hinweisen, daß die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört. — Der Besitzstand ist für diese Frage gleichgültig. Strengt ein Nachbar die Grenzscheidungsklage an, so würde, wenn sich die richtige Grenze nicht ermitteln läßt, gemäß § 920 B G B für die Abgrenzung zunächst der Besitzstand maßgebend sein. Allein eine diesem Besitzstand entsprechende Bestimmung der Grenze kann, wenn der eine Nachbar den Besitz der ganzen Grenzeinrichtung hat, unter Umständen zu einem Ergebnis führen, das mit dem vom Gesetze vermuteten Recht der gemeinschaftlichen Benützung im Widerspruch steht (§ 920 Abs. 2 BGB). Es ist daher die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieses Umstandes der Billigkeit entspricht. Dies wird dazu führen, die gedachte Grenzlinie durch die Mitte der Grenzeinrichtung zu legen56). Wenn aber äußere Umstände darauf hinweisen, daß die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört, dann entfällt die im § 921 aufgestellte Vermutung des gemeinschaftlichen Benützungsrechts. In diesem Falle hat eben der eine Nachbar einen Umstand dargetan, der dafür spricht, daß die Grenzeinrichtung auf seinem Eigentum steht und die Grenzlinie mit dieser Einrichtung abschneidet. A u f den Besitzstand kommt es auch hier nicht an. IV. Während die Eigentumsklage dem Kläger die Verpflichtung auferlegt, eine bestimmte Grenze zu behaupten und zu beweisen, wird im Falle der Grenzscheidungsklage durch § 920 B G B ein besonderer Anspruch gewährt, der gerade voraussetzt, daß die wahre Grenze weder v o m Kläger noch v o m Beklagten bewiesen werden kann. Anders als bei der Eigentumsklage ist bei der K l a g e aus § 920 B G B als Klagegrund nicht etwa eine bestimmte Grenze zu behaupten, sondern lediglich anzugeben, daß sich die richtige Grenze nicht ermitteln läßt 57 ). Die Grenze läßt sich ermitteln, wenn 66 )

KommProt. 3536 (Mugdan 3, 583). Unrichtig Höniger, Grenzscheidungsklage 102. 67 ) Prot. 3, 129; Gierke 442; Höniger 86, 88, 90; Staudinger-Seufert Randbem. 6; R G R K o m m . Bern. 1 ; Palandt-Hoche Bern. 2c je zu § 920; a.M. Zeiler BayZ 1913, 347 u. Planck-Strecker Bern. 1 zu § 920 B G B sowie Mot. 3, 270, w o die Klage aus § 920 B G B 86 )

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IV

nach den für den Beweis des Eigentums geltenden Regeln die Gren2e nachgewiesen werden kann. Die Grenzscheidungsklage ist deshalb nur dann gegeben, wenn keiner der beiden Nachbarn die richtige Grenze beweisen kann68). Erachtet der Kläger Grenzverwirrung für gegeben, indem er die vom Beklagten behauptete Grenze bestreitet, so muß er mit seiner Grenzscheidungsklage aus § 920 abgewiesen werden, wenn der Beklagte die von ihm behauptete Grenze nachweisen kann. Andernfalls würde Beklagter in der Sache recht bekommen und gleichwohl die Kosten tragen. Kann jedoch der Beklagte die von ihm behauptete Grenze nicht nachweisen, so dringt die Grenzscheidungsklage selbst dann durch, wenn sich die festgestellte Grenze nicht mit der v o m Kläger außerhalb des Rechtsstreites beanspruchten oder im Rechtsstreit vorgeschlagenen Grenze deckt. Wenn der Beklagte vor dem Prozeß die Grenzverwirrung nicht bestritten, und im Prozeß sofort das Verlangen auf Abgrenzung als berechtigt anerkennt, dann fallen dem Beklagten gleichwohl die Kosten zur Last, weil der Anspruch nicht auf ein Tun oder Unterlassen des Beklagten, sondern auf eine richterliche Handlung gerichtet ist. Dem Beklagten steht aber so gut wie dem Kläger das Recht zu, die Feststellung der Grenze durch den Richter zu verlangen. Er ist hierbei v o m Kläger völlig unabhängig und kann hierauf Widerklage stellen. Die rechtliche Natur des iudicium duplex kommt hierin zum Ausdruck. Der Klageantrag ist kein Anspruch auf ein Tun oder Unterlassen des Beklagten, sondern das durch Klage gestellte Verlangen an das Gericht, die Grenze zu bestimmen. Dieses Verlangen kann der Beklagte so gut stellen, wie der Kläger und auch dann noch, wenn es der Kläger bereits gestellt hat. Der Sinn der Widerklage ist der: Was der Kläger verlangt, verlange ich auch, und die Folge ist, daß die beiden Parteien die Kosten gemeinschaftlich tragen, ein Ergebnis welches das allein vernünftige ist. Zur Durchführung der Grenzscheidungsklage sind die Eigentümer der benachbarten Grundstücke a k t i v und p a s s i v l e g i t i m i e r t . Gemäß §1011 mit § 432 B G B kann die Klage auch von nur einem Miteigentümer erhoben werden. Dagegen muß sie g e g e n a l l e Miteigentümer gerichtet werden, da eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 der als Eigentumsklage erachtet wird. Diese Auffassung läßt sich mit Rücksicht auf den grundsätzlichen Gegensatz des Klagegrundes der Grenzscheidungsklage zu dem der Eigentumsklage nicht aufrecht erhalten. Dazu kommt die Fassung des § 920 „so ist . . . . z u z u t e i l e n " , während es im Entwurf I hieß: „Wird im Fall einer Grenzverwirrung die richtige Grenze nicht erwiesen, so ist als richtige Grenze diejenige Linie a n z u s e h e n , durch welche . . . zugeteilt wird". Vgl. auch die Besonderheit des § 924. Der Übergang von der Eigentumsklage zur Grenzscheidungsklage ist eine Klageänderung. Einer hilfsweisen Verbindung der Grenzscheidungsklage mit der in erster Linie erhobenen Eigentumsklage steht nichts im Wege. 6S) R G K Bern. 1; Staudinger Bern. 1 zu § 920; Höniger 93.

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§6

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IV

Z P O besteht59). Einem nur dinglich Berechtigten (Dienstbarkeitsberechtigten oder Nießbraucher), der den räumlichen Umfang seines Rechts, weil dieses bestritten wird, klarstellen will, steht nicht die Grenzscheidungsklage, sondern lediglich die Feststellungsklage gem. § 1004 in Verb, mit § 1017, 1027, 1090 oder 1065 B G B zu. Wenn es sich bei Geltendmachung dieses Anspruchs um die räumliche Ausdehnung des Rechts handelt, muß diese räumliche Ausdehnung bewiesen werden. § 920 kann dabei nicht zur Anwendung kommen60). Das Urteil wirkt konstitutiv 81 ). Das Urteil erzeugt daher auch Rechtskraft gegen die dinglich Berechtigten; anders nur für den Fall einer nachweisbaren Kollusion 62 ). Das Urteil muß die Grenze genau bestimmen. Vielfach wird dies nur unter Bezugnahme auf einen Plan möglich sein. Ist im Rechtsstreit zwischen den Eigentümern das Eigentum an der strittigen Fläche rechtskräftig festgestellt, dann kann die Klage nicht mehr gestellt werden; ihr steht der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen. Die sehr umstrittene Frage, ob das Urteil auch die dinglich Berechtigten an beiden benachbarten Grundstücken berührt, wird von StaudingerSeufert (Randb. 17 zu § 920 BGB) mit zutreffenden Gründen bejaht. Nur so wird der gesetzgeberische Zweck, befriedete und klare Grenzverhältnisse zu schaffen, erreicht. Es ist — wie Staudinger-Seufert hervorheben — davon auszugehen, daß die beschränkt dinglichen Rechte vor der Neugestaltung der Grenzverhältnisse (durch den Richterspruch) durch die bis dahin bestehende Grenzunsicherheit ihrem Inhalt nach belastet waren63). Der sich aus § 920 ergebende Anspruch ist durch § 924 B G B der Verj ährung entzogen, d. h. wenn die Grenzverwirrung auch noch so lange gedauert hat, kann der Anspruch auf Bestimmung gleichwohl erhoben werden. 69)

Vgl. Gruchot 26, 993. Vgl. O L G 35, 326; Staudinger-Seufert Randbem. 7; Palandt-Hoche Bern. 2b zu § 920; a.M. RGRKomm. Bern. 1; Planck-Strecker Bern. 3 je zu § 920. 61 ) Staudinger-Seufert Randbem. 16; Palandt-Hoche Bern. 2e; Ermann-Seibert Bern. 2 je zu § 920; Wolff-Raiser § 57, II; Westermann SR § 66, III 4; Meisner-SternHodes I V ; a.M. RGRKomm. Bern. 1; Planck-Strecker Bern. 4d je zu § 920. Ein nach § 920 ergangenes Urteil begründet nicht nur einen persönlichen Anspruch des einzelnen Nachbarn gegen den anderen auf Übertragung einer bestimmten Fläche, sondern setzt die Grenzen derart fest, daß das Eigentum an dem diesseits oder jenseits der Grenze liegenden Stücke der streitigen Fläche dem betreffenden Nachbar zu Eigentum zugeteilt wird. O L G 20, 405). Nach Maßgabe des Urteils kann die Abmarkung verlangt werden (vgl. § 5 oben). 62) Biermann, S. 118; Turnau-Förster Anm. zu § 920; Kretzschmar im SächsArch. Bd. 12 S. 407. Liegt aber der Fall der Kollusion nicht vor, so bleibt es bei dem Urteil, selbst wenn sich nachträglich herausstellt, daß die angenommene Grenzlinie unrichtig ist. Die Restitutionsklage bleibt selbstverständlich vorbehalten. 83) Vgl. auch Palandt-Hoche Bern. 2 f; Ermann-Seibert Bern. 4 je zu § 920; a. M. RGR Komm. Bern. 1; Planck-Strecker Bern. 4 b je zu § 920; Westermann § 66 III 4. 60)

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Grenzeinrichtungen

§7 ii

§ 7. Grenzeinrichtungen I. B e g r i f f der G r e n z e i n r i c h t u n g 1. Unter Grenzeinrichtung i. S. von § 921 B G B versteht die jetzt wohl herrschende Meinung (im Anschluß an R G Z 70, 210) „solche mit dem Grund und Boden verbundene, auf der Grenze befindliche Anlagen, die zufolge ihrer Gestaltung und Lage die beiden Grundstücke von einander scheiden und gerade dadurch, also durch ihre Lage auf der Grenze und durch ihre die Grundstücke scheidende Wirkung, beiden Grundstücken zum Vorteile dienen" 1 ). Die Vorschriften der §§ 921, 922 finden auch auf eine vor dem 1. 1. 1900 schon vorhandene Einrichtung Anwendung. Es ist aber nicht erforderlich, daß die Einrichtung schon von alters her bestanden hat, auch deren Neuerrichtung kann vielmehr die Voraussetzungen für die Anwendung des § 921 B G B erfüllen. Es ist auch keineswegs erforderlich, daß die Nachbarn einen auf gemeinsame Benutzung abzielenden förmlichen Grunddienstbarkeitvertrag geschlossen haben; im Gegenteil: die Vorschriften der §§ 921, 922 sind gerade für die Fälle getroffen, in welchen ein Grunddienstbarkeitsverhältnis nicht oder doch nicht erwiesenermaßen vorhanden ist2). Es kann aber selbstredend nicht in der Willkür eines Grundeigentümers gelegen sein, einseitig und gegen den Willen seines Nachbars eine Grenzeinrichtung zu schaffen, für welche der Grund und Boden des Nachbars mit in Anspruch genommen wird. Es steht vielmehr an sich dem Nachbar der Anspruch auf Beseitigung einer solchen einseitig errichteten Einrichtung zu, insoweit sie seinen Grund und Boden umfaßt (§ 903 BGB). Allein hier können wieder die Vorschriften der §§ 912 fr. § 7. Vgl. RGRKomm. Bern. 1 ; Planck-Strecker Bern. 3 a; Palandt-Hoche Bern. 2 (der noch enger darauf abstellt, daß die Einrichtung die Scheidung der Grenze geradezu bezwecken müsse); Ermann-Seibert Bern. 1 je zu § 920; Westermann § 66 IV. vgl. auch B G H in M D R 59, 565. Gegen die h.M. lassen sich auch keine durchgreifenden Bedenken aus dem in Motiven 3, 275 angeführten Willen des Gesetzgebers herleiten, „derartigen nachbarlichen Verhältnissen die Anerkennung als Rechtsverhältnis nicht versagen" zu wollen, um „nicht in das nachbarliche den beiderseitigen Wirtschaftsinteressen angepaßte Zusammenleben in einer volkswirtschaftlich schädlichen Weise einzugreifen". Dieser gegenteiligen Auffassung (vertreten von Staudinger-Seufert Randbem. 2 zu § 921) kann nicht beigetreten werden. Freilich werden dann idR Brunnen oder Dungstätten sowie Anlagen, die nicht die ganze Grenze einnehmen, nicht unter § 920 B G B fallen. Vgl. dazu unten Ziffer 3. Ob die Grenzeinrichtung vor oder nach Inkrafttreten des B G B errichtet wurde, ist rechtlich insofern von Bedeutung (vgl. Staudinger Vorträge 349), als die Bestimmungen der §§ 921, 922 B G B auch auf alte Grenzeinrichtungen anzuwenden sind (vgl. Art. 173 u. 181 E G B G B ; R G 53, 307; RGRKomm. Bern. 8 zu § 921). 2 ) Pfirstinger in SeuffBl. 67, 67; Glaser in M D R 1856, 449; Herold, Bl. f. G r B W 54, 133-

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B G B über den Überbau eingreifen. Wird v o n zwei Nachbarn gemeinschaftlich oder v o n einem unter ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des anderen eine v o n der Grenze durchschnittene Einrichtung getroffen, welche nach ihrer o b j e k t i v e n Beschaffenheit und durch ihre die Grundstücke scheidende Wirkung zum V o r t e i l e b e i d e r Grundstücke dient und d a u e r n d zu dienen bestimmt erscheint, so hat man es mit einer Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 zu tun 3 ). Die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des Nachbars zur Schaffung der Grenzeinrichtung, die neben der objektiven Beschaffenheit der Einrichtung V o r a u s setzung für Entstehung einer Grenzeinrichtung im Sinne des § 9 2 1 ist, liegt unter Umständen schon in der Unterlassung eines Widerspruchs, wenn dem Nachbarn die unter Beanspruchung seines Eigentums erfolgte Schaff u n g der Einrichtung bekannt ist (stillschweigend erklärte Zustimmung). Bei einer s c h o n l ä n g e r bestehenden Einrichtung, die sich objektiv als Grenzeinrichtung darstellt, wird man demjenigen, der die Einrichtung nicht als Grenzeinrichtung gelten lassen will, den Beweis dafür auferlegen, daß er oder sein Rechtsvorgänger Widerspruch gegen die Schaffung der E i n richtung erhoben und diesen Widerspruch auch nicht (stillschweigend) fallen gelassen hat. Diese Grundsätze gelten bei allen in § 921 B G B aufgeführten Einrichtungen. Eine besondere Rechtslage ergibt sich bei der G i e b e l m a u e r (Kommunmauer oder Brandmauer), da diese nicht nur Grenzeinrichtung i. S. von § 921 B G B sein kann, sondern zugleich jedem der auf den benachbarten Grundstücken errichteten oder zu errichtenden Gebäuden als Scheidewand, Abschlußwand oder Brandmauer dient. Ist eine solche Giebelmauer von einem der beiden Nachbarn mit ausdrücklicher Zustimmung oder (wenn 3 ) Das stillschweigende Einverständnis kann auch daraus entnommen werden, daß der Nachbar durch Duldung der ihm vorteilhaften Anlage nachträglich seine Zustimmung zu erkennen gibt. Vgl. Hodes in N J W 55, 1782. Pfirstinger in SeuffBl. 67, 68. Dieser Grundsatz läßt sich sogar auf den Fall anwenden, daß der Eigentümer eines Grundstückes dadurch eine enge Reihe, welche von der Grenze durchschnitten wird, bildet, daß er, gleichwie es der Angrenzer seinerzeit bei Errichtung seines Gebäudes getan hat mit seinem Neubau ebenfalls etwas von der Grenze zurückbleibt. Die Schaffung der engen Reihe war dann mit der Errichtung des älteren Baues vorbereitet, und mit der Aufführung des Neubaus vollendet. Vgl. dagegen Wölfl im Recht 1900, 448, nach dessen Ansicht sich in solchem Falle der äußerlich als Grenzanlage erkennbare Zustand erst dann zu einem gesetzlichen gestalten soll, wenn beide Nachbarn die Absicht der Abschließung aufgegeben haben. Dies soll insbes. dann anzunehmen sein, wenn die dem Zweck der Anlage entsprechende Benützung längere Zeit hindurch beiderseits geduldet ist. Die Ansicht von Wolff ist geeignet, in der Praxis zu unklaren Verhältnissen zu führen. Wird mit Wissen und Wollen der beiden Nachbarn eine Einrichtung geschaffen, die sich äußerlich als Grenzeinrichtung darstellt, dann ist sie auch rechtlich als solche zu behandeln, wenn nicht der Nachbar den gegenteiligen Willen äußerlich wahrnehmbar kundgegeben hat, z. B. durch Anbringen besonderer Zeichen an der Grenze. Nach § 49 BayBauO sollen Winkel und sogen. Reihen zwischen den einzelnen Bauten, wo nur möglich vermieden werden. Eine Reihe i.S. des § 49 BayBauO setzt i.d.R. einen Gebäudeabstand von weniger als 3,50 m voraus (vgl. BayObSt. 2, 289; 8, 372; v. Scheurk, Bl. f. Adm. Pr. 55, 204).

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auch erst) nachträglichem Einverständnis des anderen Nachbarn errichtet worden und gleichzeitig deren Mitbenützung durch diesen für einen späteren Anbau in Aussicht genommen, so ist bereits vor dem Anbau eine Grenzeinrichtung i. S. von § 921 B G B geschaffen 1 ). Eine solche Mauer ist vor dem Anbau wesentlicher Bestandteil des Hauses, zu dessen Abschluß sie errichtet wurde. Sie steht jedenfalls zunächst im Alleineigentum des Erbauers (§ 93 B G B ) . Da sie außerdem auf der Grenze steht, ist das Rechtsverhältnis auch aus dem Gesichtspunkt des Überbaues nach § 912 B G B zu beurteilen. Bei einer Giebelmauer ist somit zu prüfen: a) Steht sie auf der Grenze, also wenigstens zu einem geringen Bruchteil auf dem Nachbargrundstück? Nur dann kann sie als Grenzeinrichtung nach § 921 in Betracht kommen. Eine nur auf dem Grund und Boden des Erbauers errichtete Giebelmauer stellt keine Grenzeinrichtung dar. b) Hat der Nachbar seine Zustimmung oder sein stillschweigendes Einverständnis zum Überbau oder allenfalls nachträglich durch widerspruchslose Duldung eines an sich rechtswidrigen Überbaues zu erkennen gegeben, daß er nichts gegen den Überbau einwenden wolle ? In allen diesen Fällen dient die Giebelmauer schon vor dem Anbau dem V o r t e i l der b e i d e n Nachbargrundstücke. Dieser Vorteil liegt sowohl in der grenzscheidenden Wirkung als auch darin, daß die Giebelmauer vorhanden ist und deshalb jederzeit vom Nachbar zum Anbau mitbenützt werden kann. Eine Grenzeinrichtung besteht nicht nur aus der auf dem Grund und Boden aufgeführten Anlage (Mauer), sondern schon aus dem zur Anlage verwendeten Grund und Boden selbst6). Die äußere Beschaffenheit der Mauer (größere Stärke, rauhe Außenseite) weist darauf hin, daß eine solche Mauer nicht einem der Nachbarn allein, sondern auch dem bisher noch nicht Anbauenden zum Vorteil dienen soll (§ 921). Was die Eigentumsverhältnisse anlangt, die für die Frage, wem eine Anlage zum Vorteil dient, von Bedeutung sein kann, so ist bei der Giebelmauer zu beachten: Die in § 921 B G B aufgestellte Vermutung gilt nur für das gemeinschaftliche Benützungsrecht, nicht für das Eigentum. Solange an der Giebelmauer nicht angebaut ist, steht sie als wesentlicher Bestandteil des Hauses, für dessen Abschluß sie errichtet wurde, im Alleineigentum des Erbauers. Die Rechte des Nachbarn für den Fall vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Uberbaues richten sich nach §§ 9 i 2 f f . B G B . Mit dem Anbau, genauer mit dem Zeitpunkt, in dem der Nachbar den Rohbau des anzubauenden Hauses Vollender hat6), tritt eine Änderung der Rechtslage ein. Nach nun wohl überwiegender Rechtsauffassung tritt b e i e n t s c h u l d i g t e m Überbau M i t e i g e n t u m der beiden Nachbarn an der als Einheit aufzufassenden Giebelmauer gem. § § 94, 946 B G B ein. Bei nicht entschuldigtem (vorsätzlichem oder grob fahrlässigen) Überbau (§ 912) wird jeder der Nachbarn Alleineigentümer des auf seinem Grundstück stehenden realen Teils der Giebelmauer 7 ). Eine durch Kriegseinwirkung teilweise zerstörte frühere Brandmauer zwischen zwei Gebäuden scheidet mit dem stehen gebliebenen Teil die beiden Grundstücke wie ein Zaun und dient ihrem Vorteil, ist also Grenzeinrichtung i. S. von § 921 B G B auch wenn sie den Zweck als Brandmauer nicht mehr erfüllt; denn der Mauerrest steht auf der Grenze und 4 ) Vgl. R G i n B a y Z 1915, 350; Dresden in O L G 18, 1 3 0 ; Buhmann in B a y Z 1 9 1 4 , 1 9 9 ; Lieberich ebenda S. 237ff.; Herold in B l f G r B u W 54, 1 3 3 ; Glaser in M D R 56, 449; Hodes in N J W 55, 1782; vgl. auch B G H in M D R 58, 591 u. 592; R G Z 70, 201; 130, 266; 162,

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) Vgl. R G in B a y Z 1915, 350; W a m R 1915 Nr. 270; R G R Kom. Bern, i b zu § 921. ») Vgl. O L G Köln in N J W 57, 1323. 7 ) Vgl. B G H Z 27, 197 = N J W 58, 1180; für nicht entschuldigten Überbau vgl. B G H Z 27, 204 = M D R 58, 592 M D R 58, 591fr.; O L G Celle in N J W 58, 224. 98

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

bietet jedem Nachbarn die Möglichkeit, die noch vorhandenen Mauerteile zum Auf- und Anbau zu verwenden8).

2. Ein Zwang zur Mitwirkung an der Schaffung einer Grenzeinrichtung kann nicht ausgeübt werden. Ein Kommunmauerzwang besteht nicht (s. darüber unten § 8). Für Weinberge läßt sich nach bisherigem Recht in manchen Gegenden ein Herkommen nachweisen, wonach der Eigentümer eines jeden Weinbergs eine gewisse Breite liegen lassen mußte. Unter der Geltung des neuen Rechts kommt einem solchen Herkommen keine gesetzliche Bedeutung mehr zu (vgl. unter § 32 B IV). Immerhin wird eine solche Übung auch unter der Geltung des neuen Rechts als tatsächlicher Behelf für die Annahme einer Grenzeinrichtung Verwertung finden können. Das Mitbenützungsrecht nach § 921 ist für jeden der beiden Nachbarn zugleich ein Recht i. S. des § 95 Abs. 1 B G B , die betreffende Einrichtung auf dem fremden Grundstück zu haben. Dieses Recht stellt eine dienstbarkeitsähnliche gesetzliche Eigentumsbeschränkung zugunsten des jeweiligen Nachbarn des anderen Grundstücks dar (vgl. Prot 3, 130; R G in WarnR 1916, Nr. 169). 3. Nach der oben gegebenen Begriffsbestimmung ist also erforderlich, daß die Grenzeinrichtung von der Grenze durchschnitten wird, mithin teils zu dem einen, teils zu dem anderen Grundstücke gehört9), wobei aber die Grenze nicht gerade durch die M i t t e der Einrichtung zu fallen braucht10). Gehört die Bodenfläche, auf welcher sich die Einrichtung befindet, erweislich 11 ) nur dem einen Nachbar, so ist eben eine Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 B G B nicht gegeben 12 ). Gleichwohl kann unter Umständen dem 8 ) Vgl. B G H in M D R 59, 565; Hodes in N J W 54, 1348 u. 1369; derselbe in N J W 55, 1782; a. M. O L G Hamm u. N J W 54, 273. 9 ) Mit den Grenzeinrichtungen sind nicht zu verwechseln die sogenannten „Scheidungen", die zwar zwei Grundstücke von einander abgrenzen, aber vollständig auf dem einen Grundstück stehen. Vgl. L G Göttingen in NdsRpfl. 55, 92; R G Z 70, 203; WarnR 1915 Nr. 270. 10 ) Vgl. Wolif im Recht 1900, 449. Staudinger-Seufert Randbem. 4 zu § 921. u ) Das Alleineigentum kann auch durch den Nachweis der Ersitzung bewiesen werden. Doch ist hierfür der Nachweis des a u s s c h l i e ß l i c h e n Besitzes erforderlich. Hat der Gegner desjenigen, der sich auf Ersitzung beruft, bezüglich einer engen Häuerreihe zwar keine anderen Besitzhandlungen und Einrichtungen, als das Haben von an sich unzulässigen Fenstern und eines Dachvorsprunges, so genügt dies doch, um darzutun, daß jener nicht im alleinigen und ausschließlichen Besitze war, mithin das Alleineigentum nicht ersessen hat; vgl. O G H 16, 58. la ) Dies gilt auch dann, wenn die Einrichtung zugleich dem Vorteil des anderen Grundstücks dient. J W 1909, 162. — Cosack, Bd. 2 S. 159 hält es zur Widerlegung der Vermutung des § 921 nicht genügend, wenn einer der Nachbarn sein Alleineigentum dartut, wohl aber, wenn das Alleineigentum durch ä u ß e r e M e r k m a l e erkennbar ist. Vgl.. Staudinger-Seufert Randb. 17 zu § 921.

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angrenzenden Nachbar das Recht der Mitbenützung an einer solchen jenseits seiner Grenze liegenden Einrichtung (z. B. einer Mauer) zustehen; er muß aber den b e s o n d e r e n E r w e r b dieses Rechtes (z. B. vertragsmäßig Bestellung oder Ersitzung) nachweisen. Das Recht auf Mitbenützung stellt sich in solchem Falle als Grunddienstbarkeit dar 13 ). Kann der Nachweis, daß eine „Mauer, Hecke oder Planke", die abgebrochen oder entfernt wurde, tatsächlich von der Grenze durchschnitten worden ist, nicht mehr erbracht werden, so greift die Vermutung des § 921 Platz. Andererseits wird durch den Nachweis, daß eine Anlage — selbst wenn sie auf der Grenze steht — im Alleineigentum eines der beiden Nachbarn steht, die Vermutung des § 921 entkräftet14). Außer dieser Lage der Grenzeinrichtung ist aber eine Beschaffenheit erforderlich, welche äußerlich ihren Zweck kundgibt, der Benützung der Nachbarn zum Vorteile der beiderseitigen Grundstücke zu dienen. Die Zweckbestimmung ist nach objektivem Maßstab zu beurteilen und zwar idR nach der Beschaffenheit der Einrichtung. Es kommt daher nicht auf den Willen der Nachbarn an, sie zu benützen. Bei den in § 921 aufgeführten Einrichtungen bedarf es keiner besonderen Prüfung, ob sie den benachbarten Grundstücken zum Vorteil dienen; denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sie für beide Grundstücke von Vorteil sind16). Weiteres Erfordernis für eine Einrichtung i. S. des § 921 ist die grenzscheidende Wirkung der betreffenden Anlage. Diese Voraussetzung fehlt bei Einrichtungen von geringer Ausdehnung, wie bei Brunnen, Dungstätten oder Futterhütten für Wild sowie auch bei Gebäuden, die auf der Grenze stehen und nur einem der Nachbarn gehören (s. unten Ziffer 4)16). Nur dann, wenn gemeinschaftliche Brunnen, Dungstätten oder Dachrinnen die Grenze in ihrem wesentlichen Verlauf einnehmen und dadurch grenzscheidende Wirkung haben, fallen sie unter § 921 B G B . Eine bauliche Anlage oder überhaupt eine durch menschliche Tätigkeit geschaffene Einrichtung ist nicht notwendig; es genügt vielmehr schon eine Grundfläche, die für eine gemeinsame Benützung beider Grundstücke verwendet werden kann. Darauf weisen die Ausdrücke „Zwischenraum, Rain, Winkel" in § 921 hin17). 13

) Mot. 3, 277; RGRKomm. Bern. 6 zu § 9 2 1 ; Habicht Einwirkung S. 381. ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 3 b u. c; Staudinger-Seufert Randb. 10; R G R Komm. Bern. 4 je zu § 9 2 1 ; R G in WarnR 1915 Nr. 270. 16 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 5 zu § 921. " ) Vgl. B G H in M D R 59, 565; Planck-Strecker 3 c ; R G R K o m . Bern. 3; PalandtHoche Bern. 1 je zu § 9 2 1 ; Westermann § 66, I V ; a. M. Staudinger-Seufert Randb. 2 zu § 9 2 1 ; Meisner-Stem-Hodes § 7 I 3; die ebenfalls gegenteilige Ansicht in den früh. Aufl. kann nicht aufrecht erhalten werden. 17 ) Vgl. Mot. 3, 275; BayZt. 1915, 351 (RG). 14

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I 4

Die mehr oder minder große Ausdehnung eines Zwischenraums zwischen den beiden Grundstücken ist nicht entscheidend, sondern die Tatsache, daß der Zwischenraum (Rain, Winkel, Weg, Einfahrt, Lichthof usw.) je zu einem Teil im Eigentum der beiden Nachbarn steht18). 4. Wohl zu unterscheiden von einer Grenzeinrichtung ist der Fall, in welchem ein zwischen zwei Grundstücken gelegenes s e l b s t ä n d i g e s Grundstück im Miteigentum der beiden Angrenzer 19 ) steht und den wirtschaftlichen Zwecken dieser beiden angrenzenden Grundstücke dauernd zu dienen bestimmt ist, wie dies namentlich bei gemeinschaftlichen Einfahrten, Hofräumen, Brunnen, Backöfen, aber auch Wegen20) vorkommt. Entscheidend ist, ob das betreffende gemeinschaftliche Grundstück ein s e l b s t ä n d i g e s Grundstück ist, also im Grundsteuerkataster oder in der Flurkarte bzw. im Grundbuch unter einer eigenen Flurnummer eingetragen ist. Nach gemeinem Recht, wie auch nach allgemeinem preußischen Landrecht und code civil (indivision forcée) ist in Anlehnung solcher Gemeinschaftsverhältnisse die Teilung ausgeschlossen, wenn die Fortdauer der Gemeinschaftlichkeit für den Gebrauch oder die Bewirtschaftung der Nachbargrundstücke dauernd notwendig ist21). Ist nach den früheren Vorschriften die Teilung eines solchen Grundstückes, das im Miteigentum der Eigentümer anderer Grundstücke steht, und diesen dauernd zu bestimmten wirtschaftlichen Zwecken dient, wegen dieser Zweckbestimmung ausgeschlossen, so gilt das Grundstück von dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs an als zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines jeden der anderen Grundstücke mit einer Grunddienstbarkeit des Inhalts belastet, daß er es zu den bestimmten Zwecken benützen darf (Art. 43 Ü G ähnlich Art. 21 LiegenschG für die Pfalz) 22 ). Daß das gemeinschaftliche Grundstück gerade zwischen den Grundstücken der Eigentümer liegt, in deren Miteigentum es steht, ist kein begriffsmäßiges Erfordernis. Es fällt deshalb auch das im Miteigentum der Müller stehende Quellgrundstück unter Art. 43 ÜG. — 18 ) Staudinger-Seufert Randb. 4; Planck-Strecker Bern. 5 b je zu § 921. A , M. MeisnerStern-Hodes § 7 I 3. 19 ) Vgl. § 346 D A Henle-Schmitt Bern. 1 zu § 3. 20 ) Vgl. für Kulturweg (Exploitionsweg), der lediglich dem Zwecke der Bewirtschaftung der anstoßenden Grundstücke dient und eine eigene Plannummer hat. R G 15, 330. Über Adjazentenwege vgl. BayZ. 1 9 1 1 , 54ff. 21 ) Für gemeines Recht vgl. Windscheid 772; Dernburg, Pand. § 197 Anm. 10; Gruchot 6, 279; Kohler, Gesamm. Abh. 170fr.; SeufTBl. 5, 108; 41, 328; EntschOHG 6, 68; 7, 401; SeuffA 7 Nr. 176; 15 Nr. 126. Für preuß. Landrecht: Dernburg, PrR. 563fr.; Gruchot 12, 375. Für rhein. Recht: Habicht, Einwirkung 398; RheinA. 108, 298 (Köln). 22 ) Das Miteigentum am Grundstück ist aufrecht erhalten (Art. 181 E G ) ; somit gelten die Vorschriften über die Gemeinschaft (§ 741 B G B ) im Zusammenhalt mit § 1 0 1 1 B G B und Art. 43 Ü G .

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Grenzeinrichtungen

§7

15, II

Im übrigen laufen die Bestimmungen des Art. 43 Ü G über die Gebrauchsrechte an dieser sogen, notwendigen Gemeinschaft des bisherigen Rechts (indivision forcee) im wesentlichen auf dieselben Regeln hinaus, wie sie für die Grenzeinrichtungen durch § 921 normiert sind23). 5. Als Beispiele von Grenzeinrichtungen sind in § 921 B G B besonders genannt Zwischenräume (Häuserreihen, Feuergassen, Lichtschacht)24), Raine, Winkel, Gräben (Flutgräben), Mauern (Kommunmauern), Hecken26), Planken. Die gesetzlichen Beispiele lassen sich noch vermehren: gemeinsame Dachrinnen zwischen zwei Häusern26), durch Waldungen geschlagene Grenzgestelle, Wege, namentlich Gangsteige, Baumreihen, gemeinsame Hofeinfahrten; es ist auch denkbar, daß ein Weg samt der dazu gehörigen Allee Grenzeinrichtung ist; Steinwälle27). II. W e s e n der G r e n z e i n r i c h t u n g Nach dem oben dargelegten Begriff der Grenzeinrichtung ist es wesentliches Erfordernis, daß die Grenze durch die Einrichtung geht. Da in zahllosen Fällen gerade das Vorhandensein von Einrichtungen das Auffinden der genauen Grenze erschwert, so würde an sich die Frage, wer Eigentümer der Grenzeinrichtung ist, ja, ob überhaupt die Grenze durch die Einrichtung geht, häufig zu einem schwierigen Grenzermittlungsverfahren führen. Das soll vermieden werden, um so mehr als regelmäßig die Nachbarn viel weniger Interesse an der Frage haben, wem von ihnen das Eigentum zusteht als daran, ob und inwieweit sie ein Benützungsrecht haben. In verständiger 23 ) Die Teilhaber müssen einen angemessenen modus vivendi bei der gemeinschaftlichen Benützung finden (vgl. SeuffA 62 Nr. 207). Es können die übrigen Teilhaber keinen Widerspruch dagegen erheben, wenn sich das Maß der Benützung einer Einfahrt durch einen Teilhaber z. B. wegen Hebung seines Geschäftes steigert; selbstverständlich brauchen sich aber die anderen Teilhaber nicht ganz an die Wand drücken zu lassen (vgl. SeuffA 24 Nr. 300); andererseits darf die Benützungsart der Einfahrt von einer bloßen Durchfahrt nicht geändert werden zu einem Stapelplatz für Wägen (vgl. SeuffA 22 Nr. 216). Vgl. ferner SeuffA 43 Nr. 175; 57 Nr. 34. E s sind die Grundsätze entsprechend anzuwenden, die für Grunddienstbarkeiten bei einer Änderung des Bedürfnisses des herrschenden Grundstücks gelten (s. darüber unten § 28 II). 24 ) WarnE 1916, 264. 25 ) Bei einer Hecke, die als Grenzeinrichtung dient, ist zu beachten, daß sie gern § 923 Abs. 2 S. 4 B G B nur dann beseitigt werden kann, wenn sie durch ein zweckmäßigeres Grenzzeichen ersetzt werden kann oder wenn der Nachbar einverstanden ist (vgl. Prot. 3. 153)26 ) Recht 1904 Nr. 2490 (Dresden). 27 ) Bei steinigem Boden hat oft eine zuweilen auf Generationen zurückgehende Arbeit die Steine gesammelt und längs der Grenze aufgeschichtet, wodurch sich allmählich ein förmlicher Rain von Steinen gebildet hat. Hier hat man es mit einer Grenzeinrichtung zu tun. Jeder Nachbar ist berechtigt, die weiter herausgeholten Steine darauf zu legen, auch wenn dadurch mit der Zeit die Einrichtung breiter wird.

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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§ • II, I I I 1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Würdigung dieser Sachlage hat das Gesetz die Eigentumsfrage offen gelassen. Hiergegen führt § 921, wenn die unter I dargelegten Voraussetzungen vorliegen, wenn also insbesondere die Einrichtung sich äußerlich als dem Vorteil beider Grundstücke gewidmet zeigt, eine Vermutung dafür auf, daß beide Nachbarn zu ihrer Benützung gemeinsam berechtigt sind28). Diese Vermutung wird aber durch den Nachweis29) widerlegt, daß die sich äußerlich als Grenzeinrichtung darstellende Einrichtung in Wirklichkeit keine ist, daß z. B. eine Einrichtung nicht auf der Grenze, sondern ganz auf dem einen der beiden Grundstücke steht, oder daß sie nach den für den Überbau geltenden Grundsätzen des § 912 B G B dem Überbauenden allein gehört, oder daß die auf der Grenze befindliche Anlage nicht beiden Grundstücken zum Vorteil dient oder keine grenzscheidende Wirkung hat. Der die Vermutung des § 921 widerlegende Nachweis muß streng geführt und einwandfrei erbracht sein. Er kann durch die Feststellung des Grenzverlaufs gem. § 920 B G B , unter Umständen auch durch Berufung auf § 891 B G B geliefert werden30). Nach ausdrücklicher Vorschrift des § 921 wird die Vermutung eines gemeinschaftlichen Benützungsrechtes aber schon durch äußerliche Merkmale widerlegt, die darauf hinweisen, daß die Einrichtung einem Nachbar allein gehört (s. unter III). Natürlich bleibt es beiden Nachbarn überlassen, das gesetzliche Mitbenutzungsrecht an der Grenzeinrichtung durch Vereinbarungen zu ändern oder auszuschließen. Im Wege der Dienstbarkeitsbestellung können sie d i n g l i c h e n Charakter erhalten und, soweit sie sich lediglich auf die Art und Weise der Benützung beziehen, auch formlos für die Sondernachfolger verbindlich (§ 745) werden. III. D a s E i g e n t u m an der G r e n z e i n r i c h t u n g i. Die Frage nach dem Eigentum an den Grenzeinrichtungen bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Aus § 921 selbst ist für die Eigentumsfrage nichts zu entnehmen; die gesetzliche Vermutung bezieht sich nur auf das Benutzungsrecht. Im Gegenteil, durch den Nachweis des Alleineigentums wird die für gemeinschaftliches Benutzungsrecht bestehende Vermutung 28 ) Die in der zweiten Auflage des bayer. Nachbarrechts 44 und Seuff. Bl. 77, 281 vertretene Auffassung, daß die Vermutung auch dafür sprechen soll, daß der Grenzzug durch die Anlage gehe, kann nicht aufrechterhalten werden. Diese Auffassung ist auf eine Wendung des Prot. III, 1 3 1 zurückzufuhren, die sich mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht verträgt. 29 ) Vgl. R G in WarnR 1 9 1 1 Nr. 243; 1915 Nr. 270; BayOb. in BayZt. 1915, 3 5 1 ; Staudinger-Seufert Randb. 1 7 ; R G R Komm. Bern. 4 je zu § 921. 30 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 17 zu § 921; a. M. O L G Bamberg in BayZt. 29, 181.

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Grenzeinlichtungen

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III 2,3

des § 921 beseitigt, sofern nicht das Mitbenut2ungsrecht durch eine Grunddienstbarkeit gesichert ist. Bei echten Grenzeinrichtungen, die also von der Grenze durchschnitten werden, ist die Entscheidung, wer Eigentümer ist, nach der Einrichtung verschieden. 2. Handelt es sich um bloße Grenzflächen (Raine, Winkel, Gestelle im Walde), so ist reale Teilung durch die Grenzlinie gegeben, da Grundstücksteilflächen nie wesentliche Bestandteile sind und somit § 93 B G B nicht entgegensteht. 3. Bei Einrichtungen, die sich von der Grundfläche abheben, kann die Entscheidung verschieden ausfallen, je nach dem, ob es sich um eine mit Grund und Boden festverbundene oder eine nur lose, jederzeit leicht zu entfernende und anderweit wieder verwendbare Anlage handelt. Ein aus unverbundenen Steinen bestehender Steinwall, zu dem beide Nachbarn durch Anhäufung von Steinen beigetragen haben, steht gemäß §§ 948, 947 B G B im Miteigentum beider Nachbarn 31 ). Wenn es sich aber um Einrichtungen handelt, die mit dem Grund und Boden fest verbunden sind (z. B. massive Zäune, Hecken oder Mauern), so sollen nach herrschender Meinung in erster Linie die Grundsätze des § 93 B G B gelten, wonach — wie bei Flächen — reale Teilung gemäß dem Verlauf der Grenzlinie eintrete32). 31 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 1 1 zu § 921; a. M. R G R Komm. Bern. 1 1 ; PalandtHoche Bern. 4: Planck-Strecker Bern. 2a je zu § 921; Wolff-Raiser § 58 I ; Westermann § 6 6 I V 2; O L G Köln B B 51, 600; vgl. auch B G H Z 27, 204 = M D R 58,592 = N J W 58, 1182 (für einen Fall des nicht entschuldigten Überbaues). 32 ) Vgl. R G Z 53, 3 1 1 ; 65, 363; 70, 201; R G Z 162, 2 1 2 ; Gruch 45, 1 0 1 8 ; WamR 1924 Nr. 98; O L G Nürnberg in BayZt. 1916, 156; München in O L G 29, 340; Düsseldorf in RheinArch. 1 1 0 , 145; Pfirstinger in SeuffBl. 67, 65fr.; Planck-Strecker Bern. 2a zu § 921 und Bern. 4 zu § 94; Ermann-Seibert Bern. 1 ; R G R K o m . Bern, l a ; Palandt-Hoche Bern. 4 je zu § 921; Westermann § 66 I V 2; Wolff-Raiser § 58 I Anm. 3; vgl. auch O L G Köln in B B 51, 600. Diese Rechtsauffassung geht im Grund zurück auf die Ausführungen in den Motiven (vgl. Mot. III, 274fr.): „Der Entwurf geht von dem Prinzip aus, daß ein jedes Grundstück gegen das Nachbargrundstück eine geometrische Grenze haben muß und daß diese Grenze objektiv stets gewiß und in den Fällen subjektiver Ungewißheit stets auffindbar ist. Mit der strengen Durchführung dieses Prinzips ist derjenige Weg, welchen die modernen Gesetzgebungen zu dem Zwecke der Erhaltung der Grenzanlagen einschlagen, unvereinbar. Dieselben suchen nämlich mit der Annahme eines Miteigentums und mit einer aus diesem Gesichtspunkt sich ergebenden Regelung des gegenseitigen Verhältnisses zu helfen. Für ein solches Miteigentum fehlt es aber an einem Gegenstande; denn ein drittes Grundstück außer den beiden Nachbargrundstücken gibt es nicht, und an einer Superfizies finden von dem Rechte am Grundstücke abgesonderte Rechte nicht statt. Wollte man in der Grenzanlage ein selbständiges, von den beiderseitigen Grenzen der Nachbargrundstücke eingeschlossenes Grundstück erblicken, so müßte dieses Grundstück und das Recht an demselben gebucht oder es müßte von der Regel der Buchung eine Ausnahme gemacht werden. Außerdem müßten die angenommenen Miteigentumsrechte entsprechend dem

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§7

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Die Meinung, von der der Entwurf (Mot. III, 274) ausgeht, es fehle bei der Grenzeinrichtung an einem Gegenstand für das Miteigentum, geht fehl. Gegenstand des Miteigentums ist nicht das Grundstück, sondern die Grenzeinrichtung selbst. Diese ist als Einheitssache aufzufassen. Der Grundsatz in § 94 Abs. 1 B G B (superficies solo cedit) verliert hier seine Kraft zugunsten der Rechtsnorm in § 93 B G B , nach der wesentliche Bestandteile u n t r e n n bar sind33). Die Annahme, die Grenzeinrichtung werden durch die Grenzlinie geometrisch in reale Teile geteilt, würde dazu führen, daß das Eigentum an der Grenzeinrichtung je nach dem Verlauf der Grenzlinie unter die beiden Nachbarn aufgeteilt würde. Eine Hecke oder ein Steinwall bzw. eine Mauer (,die nicht unter die Voraussetzungen der §§912 oder 94 Abs. 1 B G B fallen') würden hiernach jedem Nachbar zu dem Bruchteil als Alleineigentum zufallen, mit welchem die fragliche Einrichtung nach dem gedachten geometrischen Verlauf der Grenzlinie auf dem Grund und Boden eines Nachbarn steht. Eine solche Aufteilung widerstrebt dem natürlichen Empfinden und führt zu rein konstruktiver Rechtsbildung. Die Entscheidung in R G Z 70,201 bezieht sich auf einen Fall, in dem die Grenzlinie durch ein einheitlich errichtetes Gebäude, nicht durch eine Grenzeinrichtung, geht. Der Unterschied zwischen einem auf der Grenze errichteten Gebäude und einer Grenzeinrichtung besteht jedoch gerade darin, daß bei der Grenzeinrichtung eine Gemeinschaft der beiden Nachbarn an dieser Einrichtung besteht, beim einheitlichen Gebäude jedoch nicht. Diese Gemeinschaft beurteilt sich aus dem gleichen Grunde als Miteigentum der beiden Nachbarn an der Grenzeinrichtung, aus dem das Reichsgericht (in R G 70, 201) Miteigentum an den Teilen der Einrichtung annimmt, die infolge Niederreißens unmittelbar auf die Grenze zu liegen kommen. Das Reichsgericht führt nämlich dort aus: „Die Stücke aber, die sich unmittelbar auf der Grenze der beiden Grundstücke dergestalt befinden, daß sie durch die Grenzlinie durchschnitten würden, müßten, da sie nach der Trennung von dem Boden und dessen anderen Bestandteilen den für bewegliche Sachen geltenden Rechtsgrundsätzen unterlägen, und da eine Sonderinhabung eines jeden der beiden Grundstückeigentümer an ihnen tatsächlich nicht möglich wäre, mit RechtsnotZwecke ihrer Annahme als anomale Miteigentumsrechte gedacht werden, welche als subjektiv dingliche Rechte mit dem Eigentume der Nachbargrundstücke verbunden sind. Alle diese Konsequenzen sind für den Entwurf nicht annehmbar. Hiernach kann derselbe die zu bestimmenden Rechte nicht als Miteigentumsrechte, sondern nur als Rechte der Nachbarn denken, welche die aus den allgemeinen Bestimmungen der §§ 848, 849 sich ergebenden Rechte gegenseitig beschränken. Die beschränkenden Rechte finden ihren Gegenstand in der durch die Grenzeinrichtung okkupierten Grundstücksparzelle. Damit eine gegenseitige Beschränkung — nur eine solche soll bestimmt werden — denkbar sei, ist erforderlich, daß jene Grundstücksparzelle von der Grenze durchschnitten, teils zu dem einen, teils zu dem andern Nachbargrundstücke gehöre, wenn auch die Beiträge von der einen und von der anderen Seite von verschiedener Größe sind." 3S ) Vgl. oben § 2 II.

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wendigkeit Miteigentum der beiden Parteien werden und zwar zu Bruchteilen, die der früheren räumlichen Erstreckung des zur beweglichen Sache gewordenen Bodenbestandteiles auf das eine und das andere Grundstück entsprechen müssen." 34 )

Nach dieser Ansicht des Reichsgerichts sollen die unmittelbar auf der Grenze stehenden (!) Stücke durch die Trennung Miteigentum beider Parteien nach Quoten werden, da sie nach der Trennung den Normen für Mobilien unterlägen und eine getrennte Innehabung nicht vertrügen; damit aber wird die Tatsache der Trennung von Einfluß auf das Eigentum. Es ist nicht zu verstehen, wo die Grenze für diejenigen Teile verlaufen soll, die sich im Sondereigentum erhalten, gegenüber den Teilen, die aus dem Sondereigentum ins Miteigentum treten. Wo sollen z.B bei einer festen Scheidemauer von i m Dicke die von der Grenze geschnittenen „Stücke" aufhören? Es kann doch wohl kaum das Eigentum an Teilen bis zu 5, 10, 15 cm Entfernung von der Grenzlinie durch die Trennung berührt werden, die weiter entfernten Teile nicht. Eine solche Mauer kann durch die Verhärtung des Mörtels so zusammengewachsen sein, daß sie ohne Zerstörung der einzelnen Steine, durch welche sie zusammengesetzt ist, gar nicht auseinandergenommen werden kann. Man könnte darauf antworten, daß 34 ) Ebel (Arch. f. ziv. Pr. 1 4 1 , 185 (192)) stellt die Entscheidung der Eigentumsfrage auf den konkreten Fall ab. Aus der jeweiligen tatsächlichen Lage des Gebäudes soll geschlossen werden, ob der in § § 93 u. 94 Abs. 2 B G B niedergelegte Grundsatz so stark sei, daß er die Bestandteilszugehörigkeit eines der Gebäudeteile zu dem Grundstück, auf dem dieser Teil steht, zurückdränge und das Gesamtgebäude als Ganzes von einem der beiden Grundstücke (eben dem wirtschaftlich stärkeren) umfaßt werde (nach § 94 Abs. 1). Das sei dann der Fall, wenn der eine Teil des Gebäudes so erheblich sei, daß er als Hauptsache gegenüber dem kleineren Teil angesprochen werden könne. Dann soll der kleinere Teil als wesentlicher Bestandteil der Hautpsache gelten, die als „Gebäude" gem. § 946 B G B im Eigentum des Grundstückseigentümers stehe. Hiernach würde also der hauptsächlichste Teil des Gebäudes das rechtliche Schicksal des Ganzen und damit auch des Überbaus bestimmen. Wenn jedoch ein erhebliches offensichtliches Übergewicht des einen Gebäudeteils nicht bestehe, könne keines der Grundstücke das ganze Haus als Bestandteil erfassen und es müsse deshalb die Sacheinheit des Gebäudes der Zugehörigkeit der Teile zu den Grundstücken weichen; in solchen Fällen trete Teileigentum nach Kopfteilen ein. Diese Ansicht leidet daran, daß sie die Frage, wem das Eigentum am übergebauten Gebäudeteil zustehen soll, von dem unsichern, oft schwer feststellbaren und auch der Veränderung unterworfenen Umstand abhängig macht, ob ein erhebliches Übergewicht des einen Gebäudeteils über den anderen gegeben sei. Es ist durchaus denkbar, daß mit den Fortschritten in Wirtschaft und Technik das Übergewicht von dem einen Gebäudeteil auf den anderen sich verlagert; soll etwa in solchen Fällen eine erneute Verschiebung in den Eigentumsverhältnissen eintreten ? Das würde zu unhaltbaren Folgerungen führen, die mit der Rechtssicherheit unvereinbar sind. Wenn man schon in Fällen, in denen kein Gebäudeteil ein erhebliches, offensichtliches Übergewicht über den anderen hat, Miteigentum der Grundstückseigentümer nach Kopfteilen annimmt, so ist kein Grund einzusehen, warum ein solches Miteigentum nicht allgemein ohne Rücksicht auf ein etwaiges Übergewicht des einen Teils über den anderen in Betracht gezogen wird.

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eben dann alle Bestandteile dieser Mauer nach der Trennung vom Boden ins Miteigentum fallen. Soll das dann anders sein, wenn der Mörtel die Mauersteine weniger fest zusammenhält ? Eine Entscheidung, die zu solchen Widersprüchen und Künsteleien führt, kann unmöglich von richtiger Grundanschauung ausgehen. Die logische und juristische Unmöglichkeit der Zerlegung von Teilen der Einheitssache steht ihr entgegen. Läßt man diese Unmöglichkeit in den Hintergrund treten gegenüber der doch nur rechtspolitischen Vorschriften des § 94 Abs. 1 „superficies solo cedit", dann führt das bei Grenzeinrichtungen zu Ergebnissen, die mit den Anschauungen des Verkehrs unverträglich sind. Man muß sich nur freimachen von der Anschauung, die Grenzeinrichtung in erster Linie nach ihrem Zusammenhang mit dem Grund und Boden zu beurteilen. In Wahrheit ist ja doch der Zusammenhang der Teile untereinander von vorneherein inniger als der Zusammenhang mit dem Boden. Die Steine der Mauer sind zunächst Bestandteile der Mauer, erst mit dieser und durch sie werden sie zum Bestandteil des Grundstücks. Davon muß man auch bei der rechtlichen Würdigung ausgehen und den Zusammenhang des Steines mit der Mauer auch in seiner Wirkung dem Zusammenhang des Steines mit dem Grundstück voranstellen. Der Zusammenhang des Steines mit der Mauer ist auch stärker. Bei einer durch Verhärtung des Mörtels zusammengewachsener Mauer läßt sich denken, daß man die Mauer vom Boden trennt und die Steine bleiben dennoch beisammen. Der Natur der Sache entsprechend muß demnach auch der rechtliche Zusammenhang der Teile untereinander für stärker erachtet werden, als der rechtliche Zusammenhang der Teile mit dem Grundstück. Dann bleibt aber für die rechtliche Beurteilung des Eigentumsverhältnisses keine andere Wahl als die mit dem Rechtsbewußtsein, der Verkehrsanschauung und der Rechtsüberlieferung im Einklang stehende Annahme eines Miteigentums an der Grenzanlage36). Die Anlage selbst bleibt ungeteilt (§921 BGB), nur das Herrschaftsrecht an der Anlage wird in Teile zerlegt. Genau dieselbe Erwägung, die das Reichsgericht dazu bringt, nach der Trennung vom Grundstück Miteigentum an den vorher von der Grenze geschnittenen zusammenhängenden Bestandteilen der Sache anzunehmen, führt zur An35 ) Miteigentum nehmen an: Crome 428 f., und 299 Nr. 3; Landsberg 2, 645; Cosack 2, 160; Breit in FischersZ 38, 185f.; Waller, J W 1909, 945 und in RheinArch. 107, 87ff. (allerdings mit bedenklichen Folgerungen); Rhein Arch. 1 1 0 , 1 5 1 ; Brugger in BadRspr. 1 9 1 1 , 60 und in BadNotZ 1912, 7; Delbrück Arch. BürgR 59, 436; Schmitt BayZt. 1915, 58; Kisch KrVjSchr. 6i, 362; Bergenroder in J W 1937, 970; Staudinger-Seufert Randb. 12 zu § 921; Meisner-Stern-Hodes § 7 III 3. A. M. R G 70, 201; 162, 212; R G R Kom. Bern, i a ; Palandt-Hoche Bern. 4; Erman-Seibert Bern. 1 je zu § 921; Westermann § 66, I V 2: Wolff-Raisen § 58.

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nähme des Miteigentums an der noch stehenden Anlage. Denn „da eine Sonderinhabung an ihnen tatsächlich nicht möglich" ist, sind sie „mit Rechtsnotwendigkeit Miteigentum der beiden" Nachbarn. Sie sind es nach der Trennung und, weil die Tatsache der Trennung auf das bestehende Eigentum keinen Einfluß ausüben könnte, auch schon vor der Trennung. Das Miteigentumsrecht an der Grenzanlage ist als subjektiv dingliches Recht untrennbar mit dem Eigentum der Nachbargrundstücke verbunden. Insoweit kommt die Abhängigkeit der Anlage von dem Grund und Boden, auf welchem sie steht, und somit der Grundsatz des § 94 Abs. 1 zur Geltung. Die Voranstellung des Grundsatzes von der Untrennbarkeit der Bestandteile führt aber zu einem weiteren Rechtskonflikt, wenn die Einheitssache (Mauer), um deren Teile es sich handelt, selbst wieder ein Bestandteil einer anderen Anlage (Haus) ist; wenn z. B, eine auf der Grenze stehende Mauer die Scheidewand von zwei Häusern bildet, dergestalt, daß sie ebenso gut zu dem einen Haus gehört wie zu dem anderen. Die beiden Häuser stehen in Alleineigentum. § 93 bestimmt, daß sich das Eigentum auf die wesentlichen Bestandteile erstreckt. Die Mauer, und zwar die ganze Mauer, ist wesentlicher Bestandteil des Hauses Nr. 1 nicht mehr und nicht weniger als des Hauses Nr. 2. Es trifft also bei konsequenter Durchführung des § 93 an der ganzen Mauer das Alleineigentumsrecht des einen mit dem Allgemeineigentumsrecht des anderen zusammen. Es würde keine Lösung des Konfliktes, sondern nur ein Ausweichen bedeuten, wenn man d e s h a l b den § 93 völlig preisgeben und sich auf den Standpunkt des § 94 Abs. 1 (superficies solo cedit) zurückziehen wollte. Denn wenn die Vorschrift des § 94 Abs. 1 nicht bestünde, müßte der Konflikt, der sich ausschließlich im Rahmen des § 93 selbst bewegt, doch auch gelöst werden. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß dieser Konflikt gerade eine Folge der Unbeweglichkeit der beiden Häuser, also eine Folge ihrer festen Verbindung mit dem Grund und Boden ist. Allein die Preisgabe des § 93 und der Rückzug auf den Rechtsboden des § 94 Abs. 1 führt zu demselben Konflikt. Denn der Grundsatz des § 94 Abs. 1 gilt nicht ausnahmslos. Nach § 95 gehört nicht zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstückes ein Werk, das in Ausübung eines (dinglichen) Rechts von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist. Ist das eine Haus mit der halbscheidigen Mauer mit Zustimmung des Nachbars errichtet, so hat man es schon vor dem Anbau mit einer Grenzeinrichtung des § 921 zu tun, folglich darf die Mauer nicht ohne Zustimmung des Eigentümers des zuerst gebauten Hauses beseitigt werden (§ 922). Dieses dingliche Recht auf das Halten der Mauer, soweit sie auf fremden Boden steht, fällt unter § 95 (s. unten § 8). Daraus folgt, daß auf den übergebauten Mauerteil nicht § 94 Abs. 1, sondern § 94 Abs. 2 und § 93 anzuwenden ist, mithin auch dieser Mauerteil 103

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im Alleineigentum des Gebäudeeigentümers steht. Hat dann der Nachbar an das Gebäude angebaut, so hat er das gleiche dingliche Recht, an dem auf den Boden des ersterrichteten Gebäudes stehenden Mauerteil. E r kann sich deshalb mit demselben Rechte, wie sein Nachbar, darauf berufen, daß der (von seinem Grundstück aus betrachtet) hinübergebaute Teil der Mauer nicht zu den wesentlichen Bestandteilen des Nachbargrundstückes gehört, sondern als wesentlicher Bestandteil seines Hauses in seinem Alleineigentum steht. Also auch im Rahmen der §§94 Abs. 1,95 stößt das Alleineigentum des einen Nachbarn auf das Alleineigentum des andern mit der rechtlich unabweisbaren Folge, daß sie beide Miteigentümer der ganzen Mauer sind. Das deckt sich mit der Tatsache, daß die ganze Mauer gemeinschaftlich ist. Es ist nicht wahr, daß jedem an der einen Hälfte die ausschließliche Einwirkungs- und Ausschlußbefugnis zusteht. Die Macht der Tatsachen erzwingt die Behandlung der Scheidewand als einer gemeinschaftlichen. Wenn § 93 zwei verschiedenen Personen das volle und ausschließliche Herrschaftsrecht an derselben Sache zuspricht, so kann es logischerweise gar nichts anderes sein als Miteigentum. In dem Zusammentreffen von zwei Alleineigentumsrechten in derselben Sache ist begrifflich Miteigentumsrecht gegeben36). Es ist kein Ausfluß des Eigentums am Grund und Boden, sondern untrennbar mit dem Eigentum am Gebäude verbunden. Solange nur ein Haus besteht, gehört die ganze Grenzmauer, die von der Grenze durchschnitten wird, zu diesem Haus. Wird das Nachbarhaus angebaut und die Scheidewand auch diesem Nachbarhaus als wesentlicher Bestandteil einverleibt, so verwandelt sich das bisherige Alleineigentum des einen Nachbarn in Miteigentum der beiden Nachbarn. Reißt der Nachbar, der zuerst gebaut hatte, sein Haus ab, so muß er die ganze Mauer stehen lassen und der andere wird von selbst Alleineigentümer der ganzen Mauer37). ae ) § 947 bestimmt: Werden bewegliche Sachen miteinander dergestalt verbunden, daß sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache werden, so werden die bisherigen Eigentümer Miteigentümer d i e s e r Sache; die Anteile bestimmen sich nach dem Verhältnis des Wertes, den die Sachen zurzeit der Verbindung haben. Ist eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer das Alleineigentum. Gewiß gilt diese Vorschrift nur f ü r bewegliche Sachen; die Erlassung einer Vorschrift f ü r den Fall der Verbindung mehrerer unbeweglicher Sachen hat der Gesetzgeber •— wie zugegeben werden muß — bewußt unterlassen, weil er sich vorgestellt hat, daß eine solche Verbindung mit Rücksicht auf die Bestimmungen des § 94,946 rechtlich nicht möglich sei. Diese Möglichkeit wird aber durch die Macht der Tatsachen erzwungen u n d die sich hieraus ergebende Gesetzeslücke muß dann eben durch analoge Anwendung des in § 947 anerkannten Prinzips ausgefüllt werden. 3 ' ) E r wird daraus nicht verpflichtet, dem Eigentümer des zuerst gebauten Hauses den Wert der halben Mauer zu ersetzen. Zwar hat dieser einen Rechtsverlust erlitten, den der andere als Vorteil erlangt hat; er hat ihn auch ohne rechtlichen G r u n d im Sinne des § 812 erlangt. Aber die ganze Mauer, die auch jetzt noch der Wirkung nach die Grenze scheidet, ist Bestandteil der noch vorhandenen Grenzeinrichtung geblieben, und der-

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Allenthalben sehen wir, wie der wirtschaftliche Zusammenhang der Sachbestandteile (§93) dem Zusammenhang mit dem Boden vorangeht und der Grundsat2 superficies solo cedit zurücktritt. 4. Die vorstehenden Darlegungen führen auch für das Übergangsrecht zu einer von der herrschenden Meinung abweichenden Ansicht. Die herrschende Meinung, die lehrt, daß nach B G B ein vom Grundeigentum getrenntes Gebäude nicht existieren kann, daß also nur Sondereigentum an vertikal geteilten Bauwerkteilen denkbar sei, muß gemäß Art. 181 Abs. 1 E G das bestehende Miteigentum in real geteiltes Eigentum überleiten38). Das bedeutet einen völligen Bruch mit der bisherigen Rechtsentwicklung, da nach gemeinem, rheinischem und preußischem Recht Grenzeinrichtungen als im Miteigentum der Nachbarn stehend erachtet werden39). Die herrschende Meinung beseitigt diesen Rechtszustand, so daß das bisherige Miteigentum in real geteiltes Eigentum übergeführt werden muß. Nach der hier vertretenen Ansicht bleibt das Miteigentum bestehen, allerdings nach Art. 181 Abs. 1 E G . gemäß den Normen des B G B . über Miteigentum und Gemeinschaft40). Auch etwa begründetes Gesamteigentum bleibt aufrechterhalten41). Im Gegensatz zur herrschenden Meinung müßte sogar Sondereigentum an Teilen der Grenzeinrichtung, wie es nach der für ALR 4 2 ) herrschenden Ansicht zur Entstehung gelangt sein kann, jenige, der sein Haus abgerissen hat, ist berechtigt, jederzeit die Mauer wieder zum Anbau zu benützen. Es wird also nur die Hälfte der so b e l a s t e t e n Mauer erworben. Der Erwerber hat somit nicht mehr Befugnis durch den Erwerb erlangt, als er schon vorher hatte und infolgedessen ist der Geldwert des erworbenen Eigentumsrechts gleich Null. 38 ) Vgl. R G in Grachots 45, 1018; R G K Bern. 8 zu § 921; Endemann 458 Anm. 24; Kretzschmar Bern. 4 zu § 921; SächsAnn. 3 3 , 1 8 (Dresden). 39 ) Gem. Recht: Dernburg, Pand. 642 Anm. 17—19; Kohler, ges. Abh. i 7 o f . ; SeuffA. 22 Nr. 216; 34 Nr. 99; 35 Nr. 99; SächsAnn. 33, 186; Stölzel, ArchPraktRw. N F 4, 3ff. A L R : Rehbein 1, 287^; StriethorstArch. 54, 170; 74, 257; 100, 74; O T r . 48, 25. Abweichend zum Teil die Rechtslehre Dernburg, 533 Nr. 17; Förster-Eccius 74 Nr. 25. F r a n z . R e c h t : Zachariae-Crome 1, 529ff.;Kohlera. a. 0 . 1 7 5 ;Dernburg-Kisch486; Aron, Els.-Lothr. AusfGes. § 91 Nr. 2; Aubry-Rau 2, § 222 S. 4 1 7 ; Bandry-Lacantinerie 636 Nr. 931; Habicht 4 1 1 , 4 1 3 ; Maenner, Recht 1900, 410; R G 60, 3 1 1 ; BadRspr. 1903, 565; Scherer, E G 163 Nr. 219, der sogar Gesamthandeigentum annimmt. 40 ) Ebenso Biermann Bern. 2 zu § 921; Crome 300 Anm. 26; Goldmann-Lilienthal 63 Anm. 26, 41 ) Vgl. Planck Bern. 6; Niedner Bern. 5a; Staudinger Bern. 4b zu Art. 1 8 1 ; Habicht 410; RheinArch. 108, 299 (Köln), die die Ansicht vertreten, daß das in Art. 181 Abs. 2 aufrecht erhaltene Gesamthandeigentum sich lediglich beziehe auf besondere Fälle (z.B. adelige Ganerbschaften), nicht auf Gesamthandeigentum, das sich aus allgemeinen Lehrsätzen der Gesetze ergibt. Diese Unterscheidung ist zwar in den Protokollen VI, 517a enthalten; sie hat aber im Gesetz selbst keine Aufnahme gefunden. Es muß daher der unzweifelhafte u n d unzweideutige Gesetzestext den Vorrang behalten. Ebenso Giercke 3 8 9 Nr. 61 und Strübbe, BadRspr. 1903, 96 ff. 42 ) Gemeinrechtlich war die Frage bestritten, vgl. Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 86.

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in Wegfall kommen und in Miteigentum nach Bruchteilen übergeleitet werden ; denn für den Inhalt des Eigentums gilt gemäß Art. 181 E G neues Recht. 5. Das Rechtverhältnis an Grenzeinrichtungen ist danach gemäß §§921, 922 wie folgt aufzufassen. Bei Grenzanlagen, die im Miteigentum stehen, trifft, wenn die Vermutung des § 921 eingreift und unwiderlegt bleibt, Gemeinschaft an Eigentum und Benutzung zusammen, diese ist ein Ausfluß jener, wie bei jedem Miteigentum, nur mit etwas abweichender Regelung der Gemeinschaftsrechte und -pflichten. Fällt die Vermutung des § 921, so gelten die gewöhnlichen Regeln für Miteigentum. Kommt bei G r e n z f l ä c h e n , an denen ja real geteiltes Eigentum vorliegt, die Vermutung des § 921 in Anwendung, so ist einerseits jeder der Nachbarn in seinem Eigentum beschränkt durch das gemeinschaftliche Benutzungsrecht43), welches die Einwirkungs- wie die Ausschließungsbefugnis des § 903 bezüglich der eigenen Fläche entsprechend einengt. Zugleich ist aber auch dem Eigentum jedes Nachbarn eine den gesetzlichen Eigentumsinhalt übersteigende Einwirkungsmacht auf die fremde Fläche zugelegt. Jeder Nachbar benutzt daher die Grenzanlage aus demselben Rechtsgrund, nämlich auf Grund seines Eigentums an dem Flächenteil44). Das Benutzungsrecht ist zugleich wesentlicher Bestandteil des Eigentums am Grundstück eines jeden Nachbarn gem. § 96 B G B und kann deshalb nicht gesondert auf Dritte übertragen werden. Gegen jede Beeinträchtigung ist daher der Anspruch auf Unterlassung gem. § 1004 B G B gegeben. IV. Ä u ß e r e M e r k m a l e f ü r und g e g e n das e i g e n t u m eines N a c h b a r s

Sonder-

Die Vermutung des § 921 kann, außer durch den Nachweis der Grenze, welche die Einrichtung ganz dem einen Grundstück zuweist (s. darüber oben § 7 III) dadurch widerlegt werden, daß äußere Merkmale auf das Sondereigentum eines Nachbarn hinweisen. Es kommt nicht darauf an, ob die Merkmale auf Sonderbenutzung hinweisen, sondern auf Sondereigentum wird abgestellt45) Trotz solcher Merkmale kann ein gemeinschaftliches Benützungsrecht bestehen; es wird nur nicht vermutet46). 43 ) Es gibt nur ein gemeinschaftliches Benutzungsrecht, nicht zwei parallel laufende Befugnisse: Prot. 3, 130; Turnau-Förster Bern. 2 zu §§ 921, 922; Wolif-Raiser SR § 58; Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 922 B G B ; Crome 300; Goldmann-Lilienthal 64/5. u ) Unrichtig ist daher die Auffassung, als entfließe das Nutzungsrecht auf die eigene Fläche dem Grundeigentum, daß auf den fremden Teil einer eigenen „gesetzlichen Grunddienstbarkeit"; so Wolff im Recht 1900, 176; R G in WarnR 1 9 1 1 Nr. 243 u. 1916 Nr. 169; Staudinger-Seufert Randb. 9 zu § 922. 46 ) Breit in Fischers Z 38, I74flf. Staudinger-Seufert Randb. 18 zu § 921. 46 ) Vgl. Breit a. a. O. — Über Ersitzung einer Reihe nach bayer. L R , s. O b L G . 16, 58.

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§7

IV

Welcher Art die Merkmale sein müssen, die auf Sondereigentum hinweisen, bestimmt das B G B nicht, während die früheren Vorschriften hierüber vielfach genaue Bestimmungen trafen. Für die am i. i. 1900 bestehenden Gren2einrichtungen bleibt in dieser Beziehung das bisherige Recht maßgebend 47 ). Die zeitliche Geltung von gesetzlichen Vermutungen bestimmt sich nach dem materiellen Rechtsgebiet, für das Beweisregelung getroffen wird48). Dieses ist hier der Eigentumserwerb, der nach altem Recht zu beurteilen ist49). Übrigens geben die in den bisherigen Rechtsquellen aufgestellten diesbezüglichen Normen nur Erfahrungssätze wieder, die — wenn auch nicht mit bindender Kraft — auch für die nach dem 1. 1. 1900 entstandenen Grenzeinrichtungen anzuwenden sind. Im Bezirke des gemeinsamen Rechts waren gesetzliche Merkmale überhaupt nicht bestimmt und hatte man sich daher nach den durch die Erfahrung gewonnenen Regeln zu richten50). Hierfür dürfen auch die Normen anderer Rechtsquellen herangezogen werden. Daß die äußeren Merkmale sich gerade an der Grenzeinrichtung selbst befinden, ist nicht erforderlich. W i n k e l . W e n n in einen W i n k e l (Häuserreihe) bisher nur einer der N a c h b a r n die T r a u f e hat fallen oder allein dorthin G o s s e n hat ausmünden lassen oder allein Fenster in seiner daran angrenzenden W a n d hat, so w i r d vermutet, daß der Z w i s c h e n r a u m i h m allein gehöre 5 1 ). W e n n ein W i n k e l v o n nicht z u geringer L ä n g s a u s d e h n u n g n u r d e m einen N a c h bar z u g ä n g l i c h ist, s o spricht dies dafür, daß er diesem allein g e h ö r t . G r a b e n . Befindet sich der A u s w u r f eines G r a b e n s oder K a n a l s nur auf d e m G r u n d u n d B o d e n des einen Nachbars, s o ist z u v e r m u t e n , daß diesem die Grenzeinrichtung allein gehört 5 2 ). Bei M a u e r n sind die äußeren M e r k m a l e , w e l c h e d a r a u f h i n w e i s e n , daß sie einem der N a c h b a r n allein g e h ö r e n , verschieden, je nachdem es sich u m M a u e r n handelt, w e l c h e den Nachbarhäusern als W ä n d e dienen, oder u m solche M a u e r n , w e l c h e die H o f r ä u m e , H a u s gärten u s w . der N a c h b a r n voneinander trennen. Bei Hausmauern, die als W ä n d e der b e i d e n Nachbarhäuser dienen, g i b t es n u r w e n i g e M e r k m a l e , w e l c h e dartun, daß die M a u e r nur einem der N a c h b a r n gehört. W e n n 4 7 ) Habicht 398; N i e d n e r Bern. 2 b z u A r t . 1 8 1 ; O L G 4, 294 ( Z w e i b r ü c k e n ) ; w o h l auch Planck Bern. 4 b zu A r t . 181. V g l . auch R G Z 53, 370; W o l f f in R e c h t 1900, 478. A . M . d a g e g e n Schröder, P u c h e l t s Z . 36, 227; D e r n b u r g , Sachenrecht 242. 48 ) H e d e m a n n , D i e V e r m u t u n g 346ff.; Affolter, Intemporales Privatrecht 95. 4 9 ) Planck Bern. 3 a ; Staudinger Bern. F 3 b z u A r t . 181. 50 ) V g l . Schelhaß 99. 51) A L R . I, 8 § 121; Ulmer Bauordnung X I 1; Memminger Bauordnung. Derselbe G r u n d s a t z hat auch nach fränkischem Landrecht g e g o l t e n , v g l . W ü r z b u r g e r Stadtbaurecht, dritter A b s c h n i t t § 3. (Hiernach wird vermutet, daß eine G i e b e l w a n d kein W i n k e l r e c h t hat. W i r d ein W i n k e l v o n der T r a u f w a n d des einen N a c h b a r s u n d v o n der G i e b e l w a n d des anderen Nachbars begrenzt, so m u ß daher vermutet w e r d e n , daß er d e m ersteren allein gehört). S. d. n. unten § 24. 52 ) Diese V e r m u t u n g ist im A L R I, 8 § 188 und C o d e civil A r t . 668 ausgesprochen, ist aber als allgemein g ü l t i g e R e g e l z u erachten, v g l . R o t h , Bayer. Z i v i l r e c h t 2, 66.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

IV

nur das Gebälke des einen Hauses auf der Mauer und nicht nur auf der halben Dicke der Mauer, sondern auf ihrer ganzen Dicke aufliegt, dann ist anzunehmen, daß sie zu diesem Hause gehört 63 ), wogegen umgekehrt Miteigentum vermutet wird, wenn die Balken der beiden Häuser gleich tief in der Mauer liegen 64 ). Wenn eine Mauer, die überhaupt kein Gebälk trägt, über das Gebäude des einen Nachbars hinausragt, so daß sie sich nur unter dem Dache des anderen Nachbars befindet, gehört sie dem letzteren 65 ). D o c h kann die Beweiskraft dieser Merkmale wiederum dadurch ausgeschlossen werden, daß andere Merkmale die Gemeinschaftlichkeit dartun, so z. B. wenn durch die Mauer eine Abtrittsröhre 56 ) oder ein Kamin 5 7 ) geht, der v o n beiden Nachbarn gemeinschaftlich benützt wird, oder wenn auf der Stirnseite der Mauer in deren Mitte ein Abzugsrohr (Nüst) senkrecht zum Boden führt, welches das v o n den Dachtraufrinnen beider Nachbaranwesen kommende Wasser aufnimmt 58 ). Die Gemeinschaftlichkeit an einer Scheidemauer ist unter besonderen Umständen selbst dann möglich, wenn sie einen konstruktiv notwendigen Bestandteil des zuerst errichteten Hauses und die Abschlußwand des von demselben Besitzer später daran angebauten Hauses bildet. Wird später ein Haus wegverkauft und hierbei ausdrücklich bestimmt, daß die Scheidewand gemeinschaftliches Eigentum sein solle, so hat man es mit einer Grenzeinrichtung zu tun 69 ). Bei Mauern, durch welche die Hofräume und Hausgärten der Nachbarn voneinander geschieden werden, sind die Merkmale, welche darauf hinweisen, daß die Mauer nur dem einen Nachbar gehört, zahlreicher. Solche sind darin zu finden, wenn nur an der einen Mauerseite Pfeiler, Bogen, Tragsteine, Vertiefungen (Blenden), Blindfenster, eiserne Ringe, eingehauene Wappen und Schriften sich vorfinden. Die Mauer gehört demjenigen, auf dessen Seite sich die Pfeiler, Bogen usw. befinden 60 ). Besonders wichtig ist der Umstand, daß die Oberfläche der Mauer nur nach einer Seite geneigt ist (Traufe). Dies weist daraufhin, daß die Mauer dem Nachbar gehört, auf dessen Seite sich die Traufe befindet 61 ). Ein weiteres Merkmal liegt vor, wenn eine Mauer, die unten dicker ist als oben, auf der einen Seite lotrecht ist, so daß nur die andere Seite die nach oben laufende Verjüngung 63 ) V g l . Amberger Bauordnung I X ; Würzburger Bauordnung I V § 6; Mainzer Bauordnung V I I § 23; Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 92. 54 ) Mainzer Bauordnung VII, §23. 55 ) V g l . Regensburger Wachtgerichtsordnung X V I 1 — 5 ; Mainzer Bauordnung V I I 23; Ulmer Bauordnung V I 4 — 1 1 ; Memminger Bauordnung X 4 — 1 3 ; Schelhaß, Nachbarrecht 98. 68 ) V g l . Würzburger Stadtbaurecht V I § 6. 57 ) V g l . Mainzer Bauordnung V I I § 23. 58 ) V g l . Ulmer Bauordnung V I § 4 — 1 1 ; Memminger Bauordnung X § 4—13; Augsburger Bauordnung I § 32—36. 5 9 ) R G 53, 309. Wäre eine solche Vereinbarung nicht nachweisbar, so wäre für das zuletzt erbaute Haus nur die Bestellung einer Grunddienstbarkeit durch Widmung anzunehmen. Der Grunddienstbarkeitsberechtigte darf die Mauer n u r in dem bisherigen Umfange benützen. «°) V g l . A L R Tl. I Tit. 8 § 160; Würzburger Bauordnung I V § 6; Regensburger Wachtgerichtsordnung V I § 1 — 5 ; Mainzer Bauordnung V I I § 23; Ulmer Bauordnung V I § 4 — 1 1 ; Memminger Bauordnung X § 4 — 1 3 ; Augsburger Bauordnung I § 32—36; Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2,92; Schelhaß, Nachbarrecht 97 f. 61 ) V g l . Code civil Art. 654; A L R I, 8 § 159; Regensburger Wachtgerichtsordnung X V I ; Würzburger Stadtbaurecht I V § 8. — V g l . SeufTBl. 43, 93: Wenn sich der Horsch oder die Platten nach beiden Seiten neigen, so kommt nichts darauf an, wenn die Neigung des Horsches gegen die eine Seite stärker ist, als gegen die andere; die Mauer gilt als gemeinschaftlich.

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§7

Grenzeinrichtungen

IV, V der Mauer zeigt. Die Mauer gehört demjenigen, auf dessen Seite sich die Verdickung der Mauer befindet. Ist die eine Seite der Mauer rauh, die andere aber glatt, so spricht dieser Umstand für das ausschließliche Recht desjenigen Nachbars, dem die rauhe Seite zugekehrt ist 62 ). Ist ein Grundstück ringsum von einer Mauer umgeben, das daran angrenzende Nachbargrundstück aber nicht, so ist die Mauer als zu ersteren gehörig zu betrachten. Eine H e c k e muß dann als dem einen Nachbar gehörig erachtet werden, wenn dieser sein Grundstück auch an der anderen Seite eingezäunt hat, während dies bei dem Nachbargrundstück nicht der Fall ist®3). Die P l a n k e gehört dann dem einen Nachbarn ausschließlich, wenn auf der diesem zugekehrten Seite allein die Pfostenständer oder Stiele stehen 64 ). A u s dem Umstand, auf welcher Seite ausschließlich die Häupter der Nägel stehen, läßt sich ein verlässiger Schluß nicht ziehen 66 ). Eine D u n g s t ä t t e auf der Grenze wird dann als ausschließlich dem einen Nachbarn gehörig e r a c h t e t , wenn nur v o n dessen Haus ein Rohr in dieselbe mündet und auch sonst keine Rinne von dem anderen Anwesen in die Dungstätte führt 66 ). Der sogen, hohe R a i n , d. h. der zwischen einem höher und einem tiefer liegenden Grundstücke befindliche Abhang, gehört nach seiner natürlichen Beschaffenheit zum oberliegenden Grundstück 67 ). Dies gilt aber nur bei ganz auffälliger Niveauverschiedenheit der beiden Grundstücke.

V. I n h a l t

des g e m e i n s c h a f t l i c h e n

Benützungsrechtes

Ist im gegebenen Fall in Gemäßheit des § 921 B G B die gemeinschaftliche Berechtigung beider Nachbarn zur Benützung der Grenzeinrichtung gegeben, so fragt sich, welchen Inhalt dieses Benützungsrecht hat. Hierüber stellt § 922 B G B die Norm auf. Jeder Nachbar kann die Grenzeinrichtung zu dem Zwecke, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt, insoweit benützen als nicht die Mitbenützung des anderen beeinträchtigt wird68). Die Nachbarn können Inhalt und Umfang des Mitbenutzungsrechts durch besonderen Vertrag (Bestellung einer gegenseitigen Grunddienstbarkeit) regeln. Wird eine Grenzanlage von einem der Nachbarn ohne Zustimmung abgebrochen, so kann der andere die Neuerrichtung verlangen 683 ). Welcher Zweck sich aus der Beschaffenheit der Grenzeinrichtung ergibt, ist aus ihren objektiven Merkmalen nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu entscheiden. Vielfach geht der Zweck nicht weiter, als eine Scheidung der 82 )

Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 92; Schelhaß, Nachbarrecht 100. V g l . Code civil Art. 670. M ) V g l . Augsburger Bauordnung I 51; A L R I Tit. 8 § 154; Roth, Bayer. Zivilrecht 2, 67. 66 ) Nach Amberger Bauordnung I X soll die Planke demjenigen gehören, auf dessen Seite die Häupter der Nägel stehen; Memminger Bauordnung X 14 entscheidet genau umgekehrt. 66 ) V g l . Augsburger Bauordnung I 53; Roth, Bayer. Zivilrecht 2, 68. 67 ) Dernburg, Sachenrecht 242; Dernburg, PrPrR 5 5 2 f. s s ) V g l . Gruch 52, 1061. 68*) Vgl. L G Göttingen NdsRpfl. 58, 92. 63 )

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

beiden Grundstücke herbeizuführen. Bei anderen Grenzeinrichtungen liegt der Zweck in der Abwendung der Feuersgefahr, der Ableitung des Dachtraufwassers, der Ermöglichung des Durchgehens, der Zuführung von Licht und Luft usw. Nur eine dieser Zweckbestimmung entsprechende Benützung ist dem Nachbar gestattet. Will ein Nachbar ein weitergehendes Benützungsrecht behaupten, so muß er einen besonderen Erwerbsgrund, z.B. vertragsmäßige Bestellung oder Ersitzung einer Grunddienstbarkeit beweisen. Im einzelnen sind hiernach folgende allgemeine Gesichtpunkte gegeben: In die W i n k e l oder Häuserreihen dürfen Abwässer der Hauswirtschaft nicht geleitet werden, noch weniger Unrat und Fäkalien. Wenn freilich seit alters für die Abwässer oder Fäkalien Abzugsrohre oder sonstige Zuleitungen bestehen, welche in den Winkel einmünden, dann sprechen eben äußere Merkmale für die Befugnis zu solcher Benützung. Dem Nachbar ist es nicht verwehrt von seinem Anwesen eine Türe in den Winkel zu brechen, um ihn zum Zwecke der Reinigung zu betreten und auch sonst durchzugehen69). Ist ein solcher Gang der objektiven Beschaffenheit nach bestimmt, als Durchgang zu dienen, so muß es auch gestattet sein, mit einem Schubkarren d u r c h z u f a h r e n , dies selbst dann, wenn es mit Rücksicht auf die Enge des Ganges nicht möglich ist70). Andererseits ist es nicht gestattet, die Reihe zur Aufbewahrung irgendwelcher Gegenstände (z.B. Lagerung von Holz oder Steinen, Aufbewahrung von Handwagen, Dung 7 0 a ) zu benützen; es müßte denn sein, daß eine vorhandene besondere Einrichtung das Gegenteil dartut, z.B. ein Schutzdach, oder eine Dunggrube usw. Wohl aber dürfen Gerüste in der Reihe zur Ausbesserung der Häuser aufgestellt werden 71 ). Dem Teilhaber kann nicht verwehrt werden, durch Erhöhung seines Hauses der zur Lichtzuführung bestimmten Reihe Licht zu entziehen72). Eine Polizeivorschrift über die Reihen enthält § 49 der bayerischen Bauordnung wonach die Winkel und Reihen so gepflastert werden müssen, daß ein entsprechender Wasserlauf ermöglicht ist und Vorrichtungen zur Einleitung des Inhalts von Abtritten in solche Reihen unzulässig und zur Einleitung von Schmutzwässern nur dann erlaubt sind, wenn eine hin89 ) Vgl. 1. 41 § 1 D 8, 2. Wolff im Recht 1900, 176. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn hierdurch das Mitbenützungsrecht des Nachbars beeinträchtigt werden würde; dies könnte der Fall sein, wenn die beiderseitigen dem Winkel zugekehrten Hauswände überhaupt keine Öffnungen haben und somit infolge dieser Beschaffenheit die ganze Einrichtung dem Schutz gegen Feuersgefahr zu dienen bestimmt erscheint. 70 ) Vgl. SeuffA 62 Nr. 207. 70a ) Vgl. Gruchot 27, 914 (RG). 71 ) Staudinger-Seufert Randb. 5 b zu § 922. 72 ) S. darüber unten § 7 V I F N 98; vgl. unten § 23.

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reichende Spülung mit reinem Wasser bewirkt werden kann. Zuwiderhandlungen sind strafbar. Durch diese Bestimmungen wird in das privatrechtliche Benützungsrecht von Reihen eingegriffen, gleichviel ob das Benutzungsrecht nur einer Person oder den beiden Nachbarn gemeinschaftlich zusteht. Es ist aber zu beachten, daß dies nur auf Grund einer Polizeivorschrift eintritt, und es kann sich auf diese Weise ergeben, daß eine Zivilklage auf Unterlassung der Zuleitung von Abwässern und Fäkalien abgewiesen werden muß, weil durch das Vorhandensein von Zuleitungseinrichtungen die wirtschaftliche Zweckbestimmung der Reihe für die Aufnahme dieser Stoffe dargetan wird, während auf Anzeige die Polizeibehörde dem Nachbar trotz seiner zivilrechtlichen Berechtigung diese Zuleitung verbieten kann. Dagegen hat die Vorschrift des § 49 der Bauordnung insoferne eine zivilrechtliche Folge, als der eine Nachbar gegen den anderen Anspruch erheben kann, daß die Reihe auf gemeinschaftliche Kosten gepflastert wird. Denn die Unterhaltungskosten sind gemäß § 922 Abs. 2 B G B von beiden Nachbarn zu gleichen Teilen zu tragen und die Pflasterung der Reihe ist infolge der polizeilichen Vorschriften eine notwendige Vorkehrung. Grenzraine zwischen Feldern dürfen von den Teilhabern zum Zweck der Pflugwende benutzt, nicht aber durch Geröll oder Steine verschüttet werden 73 ), es müßte denn sein, daß diese Zweckbestimmung des Raines äußerlich (durch vorhandene Steinauflagerung) ersichtlich ist. Flutgräben sind vor allem für die Zuleitung und die Entnahme von Wasser bestimmt; sie dürfen daher nicht plötzlich von einem Anlieger überflutet werden, z.B. dadurch, daß er auf seinem Grundstücke zahlreiche neue Torfgräben angelegt 74 ). Bei G r e n z m a u e r n kann sich ebenfalls je nach der Beschaffenheit der Mauer ein verschiedener Zweck und somit auch eine Verschiedenheit der zulässigen Benützungsart ergeben. Eine Mauer, deren Zweck lediglich in der Scheidung der beiden Grundstücke besteht, darf nicht als Stütze für Balken benützt werden. Dagegen ist es dem Nachbarn unverwehrt, an derselben auf seiner Seite Gemälde oder Spalierlatten zum Ziehen von Pflanzen oder Haken für Leitern anzubringen 76 ). Eine wesentliche Veränderung der Mauer ist nur mit Zustimmung beider Nachbarn zulässig. Sofern man die Vorschrift des Art 68 A G für ungültig erachtet (s. darüber unten S. 113), hat ein Beteiligen nicht das Recht, die Mauer gegen den Willen des anderen zu erhöhen (vgl. aber unten § 9). Eine halbscheidig gebaute Giebelmauer, an die der Nachbar noch nicht angebaut hat, darf 73)

Planck Bern, i a ; RGKomm. Bern. 2; Staudinger-Seufert Randb. 5 b zu § 922. Gmchot 47, 1066 (RG). ,6 ) Vgl. Holzschuher, Theorie und Kasuistik 2, 87. 74)

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von diesem zur Anbringung von Reklameschildern nicht benützt werden 76 ); denn der Zweck dieser Grenzeinrichtung erschöpft sich in dem Anbau und der grenzscheidenden Wirkung. Eine Mauer, welche zwei Gebäude voneinander trennt, wird regelmäßig nach ihrer Beschaffenheit dazu bestimmt sein, die Last des beiderseitigen Gebälkes zu tragen und einen schall- und feuersicheren Abschluß der Häuser zu bilden"). Der Nachbar kann daher Balken in dieselbe einlassen. Eine Mauer kann von jedem der Nachbarn nicht nur bis zur Hälfte ihrer Dicke, sondern in ihrer ganzen Ausdehung benützt werden, sofern sich diese Art der Benützung aus der Zweckbestimmung der Mauer ergibt, was für den Einzelfall besonders zu entscheiden ist. So kann z. B. das Gebälk auf der ganzen Dicke der Mauer aufgelegt werden, während eine Aushöhlung der Mauer regelmäßig nur bis zur Hälfte der Mauer gehen darf 78 ). Wenn die Mitbenützung des anderen Teiles dadurch nicht beeinträchtigt wird, dürfen Treppenstufen in die Wand auch über die Mittellinie hinaus eingefügt werden 79 ), Ein Wandschrank darf nicht eingelassen werden, wenn dadurch der Zweck der Mauer, einen schallsicheren Abschluß der Nachbarhäuser zu bilden, vereitelt würde80). Man darf sich aber bei Entscheidung dieser Frage nicht gerade den Fall denken, daß beide Nachbarn an derselben Stelle zur Einlassung eines Wandschrankes die Mauer bis zur Hälfte aushöhlen würden, denn die beiden Berechtigten haben gegenseitig aufeinander Rücksicht zu nehmen81). Gas- und Wasserleitungsröhren darf jeder Nachbar einfügen. Nach moderner Anschauung dienen die Mauern bestimmungsgemäß zur Aufnahme solcher Leitungsröhren. Auch darf der Nachbar regelmäßig seinen Kamin in die Mauer hineinstellen, sofern hierdurch nicht die Feuersicherheit gefährtet wird 82 ). Selbstverständlich darf die Mauerwand getüncht oder tapeziert werden; es können Nägel und Kloben eingeschlagen werden. Eine Treppe kann an der Mauer mit ihren Stützpunkten angebracht werden. An der Stirnseite der gemeinschaftlichen Hausmauer kann die Dachrinne senkrecht zum Boden geführt werden, 7e

) Vgl. RheinArch. 1909 I 200 (Köln). ) SeuffA 66 Nr. 189 (RG). ' 8 ) Vgl. Maenner 1 7 8 ; J W 1883, 188 Nr. 40; Wolff im Recht 1900, 476. 79 ) J W 1 9 1 1 , 567; SeuffA 66 Nr. 189. 80 ) Vgl. SeuffA 66 Nr. 189. 81 ) Vgl. O L G 4, 294; Cosack 2, 159; Dernburg, Sachenrecht 242. Ist die Mauer eine B r a n d m a u e r im Sinne des § 40 der Bauordnung, so ist sie gegen Einbrüche, die ihren Zweck gefährden, durch die Vorschriften des § 16 der Bauordnung geschützt, wonach Öffnungen in Brandmauern im allgemeinen unzulässig sind und nur unter besonderen Voraussetzungen von der Behörde gestattet werden können. 82 ) Dernburg, Sachenrecht 242; Planck Bern, i a zu § 922. E s kommt also auf die tatsächliche Lage des Einzelfalles an. A L R I, 8 § 132, wonach ein Anlehnen von Öfen und Feuerherden schlechtweg verboten war, ist nicht mehr gültig. 77

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doch darf hierbei der eine Nachbar für sich nur soviel Raum beanspruchen, daß von der Dicke der Mauer derselbe Raum für den anderen Nachbar zum gleichen Zweck übrig bleibt. Über die Zuführung von Feuchtigkeit und ähnlichen Immissionen sind die für das Alleineigentum geltenden Grundsätze des Nachbarrechts (§§ 906ff. BGB) analog anzuwenden. In Art. 68 B a y A G B G B wird die Frage behandelt, ob der Nachbar berechtigt ist, die gemeinschaftliche Grenzmauer zu erhöhen 8 3 ). Nach dieser Vorschrift kann der eine Nachbar dem anderen nicht verbieten, eine zwischen ihren Grundstücken liegende und von beiden gemeinschaftlich benützte Mauer ihrer ganzen Dicke nach zu erhöhen, wenn ihm nachgewiesen wird, daß durch die Erhöhung die Mauer nicht gefährdet wird. Eine etwa erforderliche Verstärkung der Mauer muß auf dem Grundstück durchgeführt werden, dessen Eigentümer die Erhöhung vornimmt. Die Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift, die derjenigen in Art, 23 § 1 Pr. A G B G B wörtlich entspricht, ist umstritten. Die herrschende Meinung, der sich neuerdings auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat84), sieht in Art. 124 E G B G B eine genügende Rechtsgrundlage für eine landesrechtliche Vorschrift, durch die einem Grundstücksnachbar das Recht zur Erhöhung einer gemeinschaftlich benützten Grenzmauer eingeräumt und näher geregelt wird; denn bei diesem Recht auf Mauererhöhung handle es sich um eine „andere Beschränkung" als die in § 922 B G B ausgesprochene, wonach jeder Nachbar eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung ihrem Zweck entsprechend benutzen dürfe. Daß bei der Erhöhung die bestehende Mauer als Unterlage für den Aufbau benützt werde, spreche ebensowenig gegen die Gültigkeit der landesrechtlichen Vorschrift über das Recht zur Mauererhöhung wie die Annahme, daß die fragliche Grenzmauer im Miteigentum der beiden Nachbarn stehe. Als Miteigentümer seien die beiden Nachbarn auch Mitbesitzer der Mauer. Da durch den Höherbau keinem der Nachbarn der Besitz völlig entzogen werde, bestehe auch kein Besitzschutz für den Nachbarn, gegen dessen Willen eine Erhöhung ausgeführt werde. 83 ) Das bayerische Ausführungsgesetz hat die Bestimmungen, welche das preußische Ausführungsgesetz Art. 23 und 24 für den bisherigen Geltungsbereich des Rheinischen Rechtes getroffen hat, übernommen. Dieselben finden sich ferner in den Ausführungsgesetzen von Anhalt Art. 34; Baden Art. 13 ; Bremen § 24; Hessen Art. 82. Für die Rechtsgültigkeit der Art. 23 und 24 pr. A G : Stranz-Gerhard Bern. 1 1 ; Chusen-Müller Bern. 1 ; Hodler Bern. 1 zu Art. 23 pr. A G : Endemann 459 Anm. 27 R G K Bern. 2 zu § 922; Tumau-Förster Bern. 8 zu § 921. Gegen die Gültigkeit: Biermann Bern. 1 zu § 922; Goldmann-Lilienthal 66 Anm. 1 ; Dernburg-Wolff, Hess. Landesprivatrecht 262. 84 ) Vgl. R G Z 1 6 2 , 2 1 3 ; O L G Düsseldorf in N J W 55,1799 zu Art. 23 Preuß A G B G B , der dem Art. 68 Bay. A G B G B wörtlich entspricht; B G H in M D R 59, 565; StaudingerSeufert Randb. 44 zu § 922; Palandt-Hoche Art. 124 E G B G B Bern. 1 ; A . M. MeisnerStern-Hodes § 7 V und § 1 0 , 1 .

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Meisnet-Ring, Nachbarrecht.

Aufl.

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Gegen diese Ansicht wird im wesentlichen geltend gemacht, die Regelung des nachbarlichen Mitbenutzungsrechts in §§ 921 und 922 B G B sei erschöpfend und lasse keinen Raum für eine landesrechtliche Vorschrift. Art. 124 E G B G B biete keine Rechtsgrundlage dafür; denn das Erhöhen der Grenzmauer stelle ein Benutzen sowie ein Ändern der Mauer i. S. des § 922 B G B dar. Die Würdigung dieses Einwands führt zu folgendem Ergebnis : Art. 124 E G B G B gibt dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit, das Grundstückseigentum „noch anderen als den im B G B bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen". Zunächst ist daher zu prüfen, ob die Erhöhung einer Grenzmauer, wie dies in Art. 68 B a y A G B G B vorgesehen ist, überhaupt als eine Beschränkung des Eigentums an einem Grundstück aufgefaßt werden kann. Die Grenzmauer ist als einheitliche Grenzeinrichtung für sich betrachtet kein Grundstück, wohl aber wesentlicher Bestandteil der beiden benachbarten Grundstücke, auf denen sie steht, und wird insofern umfaßt von dem Miteigentumsrecht der beiden Nachbarn. Eine Beeinträchtigung des Miteigentums an der Grenzmauer wirkt sich daher letzten Endes auch als solche des Eigentums an den Grundstücken der beiden Nachbarn aus. Die Erhöhung einer gemeinschaftlichen Grenzmauer stellt einen Eingriff in die Verfügungsmacht der Miteigentümer an der Grenzeinrichtung dar; denn es wird diesen zugemutet, zu dulden, daß eine in ihrem Miteigentum stehende Anlage als Unterlage für ein Bauwerk, nämlich für die Mauererhöhung Verwendung finden darf. Art. 68 B a y A G B G B befaßt sich somit mit einer Eigentumsbeschränkung an einem Grundstück i. S. des Art. 124 E G B G B . Die weitere Frage ist nun die, ob diese Eigentumsbeschränkung „eine andere" ist, als diese im B G B ohnehin bereits bestimmt ist. Für eine Prüfung nach dieser Richtung kommt es darauf an, wie die Bestimmungen in § 922 in Verb, mit § 921 B G B auszulegen sind, insbesondere darauf, was unter „benutzen" in § 922 Satz 1 und unter „ändern" in Satz 2 zu verstehen ist, mit anderen Worten, ob das Erhöhen einer Grenzmauer als Benutzen oder als Ändern einer solchen i. S. der §§ 921, 922 B G B aufzufassen ist. Bei Auslegung des Begriffes „benutzen" ist nicht vom reinen Wortsinn im allgemeinen auszugehen, sondern von seiner Bedeutung im Rahmen des § 922. Hiernach ist dafür der Zweck, der sich aus der objektiven Beschaffenheit der Grenzeinrichtung als solcher ergibt, maßgebend. Dieser Zweck besteht im wesentlichen in dem Vorteil, den die Grenzanlage vermöge ihrer grenzscheidenden Wirkung für die beiden benachbarten Grundstücke hat. Darum ist z.B. das Anbringen eines Fensters in der Grenzmauer kein Benutzen i. S. des § 922. Ebensowenig fällt das Erhöhen der Mauer unter diesen Begriff, weil die Erhöhung mit der Grenzscheidung an sich nichts zu tun hat. Die Erhöhung 114

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§ * V , VI

der Grenzmauer ist auch keine Änderung i. S. von § 922 Satz 3; denn die Mauer erfährt durch die Erhöhung keine Änderung in ihrem Wesen, bleibt vielmehr genau im selben Zustand, in dem sie vor der Erhöhung war, da ihre Standfestigkeit vorher nachgewiesen werden muß. Die Mauererhöhung stellt zugleich eine weitere Anlage, ein neues Bauwerk dar, das der Nachbar auf seinem Grundstück zu dulden hat. Insoweit liegt demnach eine „andere Beschränkung" vor, als im B G B vorgesehen. Art. 68 A G B G B muß daher als rechtsgültig erachtet werden85). Nach § 922 darf die Grenzeinrichtung nur zu dem Zwecke benützt werden, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt. Das Recht auf Vergrößerung der Grenzeinrichtung ist zwar nicht ausdrücklich eingeräumt, aber auch nicht ausgeschlossen. Es wird in jedem Fall gesondert zu prüfen sein, ob die Interessen des Nachbarn beeinträchtigt werden. Im übrigen siehe unten § 9. Die nach der Zweckbestimmung der Grenzeinrichtung entsprechende Benützung darf nur soweit ausgedehnt werden, daß dem anderen Nachbar die Möglichkeit der gleichen Benützung für sein Grundstück bleibt. Unter Benützung hat man den tatsächlichen Gebrauch und die Nutzung zu verstehen. Ob F r ü c h t e und N u t z u n g e n von der Grenzeinrichtung zu ziehen sind, bestimmt sich nach dem Zwecke, der sich aus der Beschaffenheit der Anlage ergibt. Bei einer Häuserreihe ist dies nicht der Fall. In einer solchen darf man nicht etwa Gras oder Bäume anpflanzen. Sind aber Früchte vorhanden86), so gebührt nach § 743 in Verb, mit § 922 B G B jedem Nachbar ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte. Nach § 742 B G B hat jeder Nachbar Anspruch auf die Hälfte der Früchte. VI. D i e V e r w a l t u n g der

Grenzeinrichtung

Die Verwaltung der Grenzeinrichtung steht den beiden Nachbarn gemeinschaftlich zu (§ 922 mit § 744 Abs. 1 BGB). Jeder Nachbar ist berechtigt, die zur Erhaltung der Grenzeinrichtung notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung des anderen zu treffen. Er kann verlangen, daß dieser seine Einwilligung zu einer solchen Maßregel im voraus erteilt (§ 744 Abs. 2 BGB). Die Nachbarn können über die Verwaltung und Benutzung Vereinbarungen treffen. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und ist in den §§ 745 Abs. 2, 746 bestätigt. 85 ) Die in den früheren Auflagen vertretene gegenteilige Ansicht wird nicht aufrecht erhalten. 86 ) Z . B . der Grasertrag eines Raines. RGKomm. Bern. 7 zu § 922.

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Nun bestimmt § 746: „Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benützung des gemeinschaftlichen Gegenstandes geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger." Damit sind nur solche Vereinbarungen gemeint, welche Art und Weise des bestehenden und in seinem rechtlichen Bestand unberührt gelassenen Benutzungsrechts regeln, also sich darüber verhalten, w i e zu benutzen, nicht aber, ob überhaupt benutzt werden darf. Deshalb geht eine Vereinbarung, wonach die Benutzung nur gegen eine Geldzahlung erfolgen darf, nicht auf die Sondernachfolger über87). Aber auch eine über Maß und Art der auszuübenden Benutzung getroffene Vereinbarung geht nur dann auf die Sondernachfolger über, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß bei der Vereinbarung wirklich eine d a u e r n d e Regelung der Benutzung beabsichtigt war, also dann nicht, wenn es sich nur um eine Vereinbarung vorübergehender und rein persönlicher Natur handelt88). Vereinbarungen der beiden Nachbarn über die Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Grenzeinrichtung wirken gem. § 746 B G B für und gegen die Sondernachfolger; eine Eintragung im Grundbuch nach § 1010 B G B kommt nicht in Betracht, weil es sich nicht um eine Gemeinschaft an einem Grundstück, sondern an einer einheitlichen Grenzanlage handelt, an der (nach der hier vertretenen Ansicht) Miteigentum besteht. Dieses Miteigentum ist Bestandteil des Eigentumsrechts jedes einzelnen Nachbarn an seinem Grundstück und wird daher ohnehin von dessen Eintragung umfaßt89). Die U n t e r h a l t u n g s k o s t e n , zu denen auch die Lasten und Kosten der Verwaltung gem. § 748 B G B gehören, sind unter allen Umständen von beiden Nachbarn je zur Hälfte zu tragen, auch wenn die Grenze nachweisbar nicht durch die Mitte der Einrichtung geht (§ 922 Abs. 2 BGB). Unter Unterhaltungskosten sind nur jene Aufwendungen zu verstehen, welche erforderlich sind, um die Grenzeinrichtung in einer ihrem Zweck entsprechenden Beschaffenheit zu erhalten. Stellt sich ein Weg mitsamt der dazu gehörigen Allee als Grenzeinrichtung dar, so gehört auch die Nachpflanzung einzelner eingegangener Bäume zu den Unterhaltungskosten. 87

) S. hierüber unten § 8 I V 2. F N 75. ) Lieberich, BayZ 1914, 242 Anm. 18. ) Vom Standpunkt der Meinung, welche real geteiltes Eigentum annimmmt, ist § 1010 nicht anzuwenden, so daß hiernach anzunehmen wäre, daß die Sondernachfolger auch ohne Eintragung der Vereinbarung in das Grundbuch gebunden sind; s. hierüber R G K Bern. 6 zu § 922; Lieberich, BayZ 1914, 242 Anm. 1 8 ; Maenner 178 Anm. 1 2 5 ; Wolff, Recht 1900, 476; Vgl. O L G Frankfurt N J W 58, 65; München N J W 55, 637; Staudinger-Ostler Randbem. 5; Palandt-Gramm Bern. 1 ; Achilles-Greif Bern. 1 ; ErmannWerk Bern. 1 je zu § 746. Vgl. auch Staudinger-Seufert Randbem. 6 zu § 922. 88

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E s muß daher zu den Kosten ,welche durch die Nachpflanzung des auf dem Boden eines Nachbarn stehenden, zu der Grenzeinrichtung (Allee) gehörigen Baumes erwachsen, auch der andere Nachbar beitragen. Auch solche Unterhaltungskosten, die nur durch die Benützung des einen Nachbars entstanden sind, müssen von beiden Nachbarn gemeinschaftlich getragen werden90). Das Gesetz legt schlechtweg die Unterhaltungspflicht beiden Nachbarn auf. Es hat daher nur darauf anzukommen, ob die Aufwendung notwendig ist. Aus welchem Grunde die Notwendigkeit eingetreten ist, ist gleichgültig. War die Benützungsart, durch welche der eine Nachbar die Voraussetzung für die Aufwendung der Unterhaltskosten gesetzt hat, zulässig, so spricht nicht einmal die Billigkeit dafür, den anderen Nachbar, der aus freien Stücken von dem ihm in gleicher Weise zustehenden Benützungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, von der Unterhaltungspflicht freizuhalten. War dagegen die Art der einseitigen Benützung unzulässig, so ist zwar an und für sich der andere Nachbar verpflichtet, die Unterhaltungskosten mit zu tragen, er hat aber unter Umständen gegen den Nachbar einen Schadenersatzanspruch gemäß §§ 823 ff. B G B , mit dem er aufrechnen kann. Ist das Eigentum von dem Nachbar, welcher durch unzulässige Benützung die Unterhaltungskosten verursacht hat, später auf einen anderen übergegangen, so können sie diesem letzteren gegenüber nicht aufgerechnet werden. Diese Folge kann nicht befremden. Der Grund hierfür liegt in dem Unterschied zwischen dem dinglichen Anspruch aus § 922 und dem obligatorischen Anspruch aus §§ 823 fr. Eine K l a g e auf T e i l u n g ist ausgeschlossen91). Dies ergibt sich aus § 922 Abs. 3 B G B , wonach die Einrichtung, insolange einer der Nachbarn an den Fortbestand der Einrichtung ein Interesse92) hat, ohne seine Zustimmung nicht beseitigt oder geändert werden darf. Damit ist nicht gesagt, daß gegen den Widerspruch des Nachbars überhaupt keine Änderung vorgenommen werden darf. Die Änderung ist nur insoweit unzulässig, als die Mitbenützung des Nachbars beeinträchtigt wird 93 ) oder der Nachbar an dem unveränderten Fortbestand sonst ein Interesse hat94). Dies folgt aus 90 ) Der Ansicht im KommProt. 3549, daß gegen die unbillige Verteilung solcher Kosten die Praxis sich durch eine strenge Auslegung des Begriffs der Unterhaltungskosten helfen könne, ist nicht beizupflichten. 91 ) Planck Bem. 2e; Turnau-Förster Bern. 6 zu § 922; Staudinger-Seufert Randbem. 8 zu § 922. 92 ) Das Interesse braucht kein vermögensrechtliches zu sein. 93 ) J W 1908. i 2 (RG) (auch abgedruckt B a y Z f R 1908, 42). 94 ) Darnach kann im Falle der vorgenannten Entscheidung ( J W 1908, 12) die Erhöhung der Grenzmauer auf der einen Mauerhälfte selbst dann unzulässig sein, wenn der Aufbau keinem bautechnischen Bedenken unterliegt; es kann dadurch ein ästhetisches Interesse verletzt werden.

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§ 226 BGB. Daraus ergibt sich, daß eine zeitgemäße Umgestaltung der Einrichtung unter Umständen auch gegen den Willen des Nachbars zulässig ist. Dann nämlich, wenn hierdurch dieser weder in seinem Benützungsrecht beeinträchtigt wird, noch eine Erhöhung der Unterhaltungskosten für die Zukunft herbeigeführt wird. Wenn das Ziergartengrundstück des A von alters her durch einen Lattenzaun, der sich als Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 B G B darstellt, von dem Acker des B geschieden wird, so kann A auch gegen den Widerspruch des B den Lattenzaun auf seine Kosten durch einen eisernen Zaun ersetzen. Daß ein Nachbar auch gegen den Widerspruch des anderen den morschen Holzzaun, der durch eine Reparatur nicht in ordnungsgemäßen Zustand zurückgebracht werden kann, durch einen neuen Holzzaun ersetzen kann, ergibt sich schon aus seiner in § 744 Abs. 2 B G B begründeten Berechtigung, die zur Erhaltung der Grenzeinrichtung notwendigen Maßregeln einseitig zu treffen. Der andere Nachbar muß die Hälfte der Herstellungskosten ersetzen. Hat ein Nachbar einseitig an Stelle des unbrauchbaren Holzzaunes einen eleganten eisernen Zaun errichtet, so kann er den anderen Nachbar nur auf den hälftigen Ersatz desjenigen Betrages in Anspruch nehmen, den die Einrichtung eines neuen Holzzaunes erfordert hätte. Selbstverständlich bedeutet eine V e r l e g u n g der Grenzeinrichtung eine sehr wesentliche Änderung; sie kann besonders bei Rainen, Wegen, Gangsteigen vorkommen. Die Fälle sind zahlreich, in welchen die Bauern bestrebt sind, die Ausdehnung ihres Grundstücks zu vergrößern, indem sie immer mehr von dem auf der Grenze befindlichen Rain oder Weg wegackern. Während der Rain auf diese Weise immer schmäler wird und schließlich ganz verschwindet, wird der Weg mehr und mehr auf das Nachbargrundstück hinübergedrängt, so daß er schließlich ganz jenseits der Grenze liegt. In einem solchen Falle kann man natürlich aus der Untätigkeit des Nachbars, der sich eine solche Verschiebung gefallen läßt, nicht ableiten, daß er hiermit einverstanden ist. Ihm steht vielmehr der Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes zu (§ 1004 BGB). Bei Flutgräben auf der Grenze bewirkt oft die selbsttätige Wirkung des Wassers die Verschiebung. Hier kann natürlich der Eigentümer, auf dessen Grundstück der Flutgraben durch das Wasser ohne Mitwirkung des anderen Angrenzers hinübergeschoben wurde, gegen diesen nicht den Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes erheben, wohl aber darauf, daß er dies gemeinschaftlich mit ihm bewirkt; es ist dies eine Folge der gemeinschaftlichen Unterhaltungspflicht. Nimmt der eine Nachbar ohne Zustimmung des anderen eine unzulässige Beseitigung oder Änderung der Grenzeinrichtung vor oder schafft er sonst eine Beeinträchtigung des Mitbenützungsrechts des anderen, 118

Grenzeinrichtungen

§7

vi

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so hat dieser den Anspruch aus § 1004 BGB ). Dieser Anspruch ist immer dann gegeben, wenn der andere Nachbar seine Zustimmung nicht erteilt hat. Es ist einerseits nicht erforderlich, daß er Widerspruch erhoben hat, andererseits kann unter Umständen in einem Stillschweigen die Zustimmung gefunden werden96). Eine Beseitigung oder Änderung der Grenzeinrichtung, die der eine Teil ohne Zustimmung des anderen vornimmt, oder eine Benüt2ung der Einrichtung zu einem Zwecke, der sich nicht aus ihrer Beschaffenheit ergibt oder durch welche die Mitbenützung des anderen Teiles beeinträchtigt wird, kann (nach dem Standpunkt real abgeteilten Eigentums) von dem anderen mit der Eigentumsfreiheitsklage des § 1004 abgewehrt werden97). Voraussetzung ist jedoch hiebei, daß die Beeinträchtigung durch eine Einwirkung auf die Grenzeinrichtung selbst herbeigeführt wird. Deshalb hat der Teilhaber einer engen Reihe kein Widerspruchsrecht aus §§ 922, 1004 dagegen, daß der andere Teilhaber durch einen Aufbau auf die Mauer seines Hauses der Reihe Licht und Luft entzieht98). Wie eine Grenzeinrichtung formlos begründet werden kann, so kann das hierdurch begründete Rechtsverhältnis der Grenzeinrichtung auch formlos wieder aufgehoben werden. Eine bloße Vereinbarung genügt hierzu noch nicht, sondern es muß die Vereinbarung auch ausgeführt werden. Ist einmal ein tatsächlicher Zustand mit Zustimmung der beiden Nachbarn vorhanden, vermöge dessen die Einrichtung objektiv dem Vorteil beider Grundstücke dient, so bleibt die vom Gesetz daran geknüpfte dingliche Wirkung solange erhalten, bis dieser Zustand mit Zustimmung beider Nachbarn beseitigt ist99). Eine besondere Rechtslage entsteht, wenn eine Grenzmauer zerstört oder abgebrochen wird. Für den Fall einer von keinem Nachbarn ver96 ) Unter Umständen kann der Eingriff als Sachbeschädigung oder nach Art. 1 1 2 Z 2 PStGB strafbar sein (BayZ 1 9 1 1 , 488). Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 9; PalandtHoche Bern. 4 je zu § 922. 96 ) Die Zustimmung zur Aufhebung und Änderung der Grenzeinrichtung bedarf keiner Form. Wolff im Recht 1900, 477. Solange der Auf hebungswille nicht äußerlich vollzogen ist, besteht die Grenzeinrichtung als solche weiter. 97 ) BayZ 1916, 321 (RG). Bei Annahme von Miteigentum (§ 1 0 1 1 ) gelangt man zu demselben Ergebnis aus § § 744fr. 98 ) Das sich aus dem Alleineigentum des Hausbesitzers ergebende Recht, mit s e i n e r Sache nach Belieben zu verfahren, könnte nur durch einen besonderen Rechtstitel etwa durch eine bestellte oder ersessene Dienstbarkeit beschränkt sein. Das gilt auch dann, wenn die Reihe zur Licht- und Luftzuführung bestimmt ist (BayZ 1916, 321 RG). Eine solche Grunddienstbarkeit wäre ersessen, wenn früher der Hauseigentümer hätte aufbauen wollen, dies aber auf den Widerspruch des anderen an der Reihe Beteiligten unter der Geltung des bisherigen Rechts während der Ersitzungszeit unterlassen hat. 99 ) S. hierüber unten § 8 I V 3.

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§ 8 i I

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

schuldeten Zerstörung (Kriegszerstörung) der Giebelmauer kommt es darauf an, ob die Mauer völlig beseitigt ist, so daß auch ihre Funktion als Grenzeinrichtung zu dienen, entfallen ist und die Grenze erst neu festgestellt werden muß, oder ob wenigstens noch ein Mauerrest verblieben ist, aus dem der Grenzverlauf erkannt werden kann, in letzterem Falle ist die Mauer nach wie vor Grenzeinrichtung i. S. der §§921 und 922. Jeder der beiden Nachbarn kann sie aufbauen und gegebenenfalls anbauen100).

§ 8. Die Kommunmauer1) I.

1. In vielen Gegenden Deutschlands ist es üblich, zur Ersparung von Baugrund und Baumaterial zwei aneinander stoßenden Häusern eine gemeinsame Giebelmauer verstärkten Umfangs zu geben. Nur selten erfolgt der Bau solcher Häuser gleichzeitig. Häufiger baut zunächst nur der eine Nachbar sein Haus und setzt dabei eine Giebelwand zum Teil, meist zur Hälfte (halbscheidig)2) über die Grenze auf den Grund und Boden seines Nachbars. Baut dann früher oder später dieser, so verwendet er die zum Teil auf seinem Boden stehende Mauer als Umfassungsmauer seines Neubaues. 10 °) Vgl. O L G Hamm in N J W 54, 273, wo die wohl unrichtige Auffassung vertreten wird, eine Grenzmauer sei nach Zerbombung der Häuser keine Grenzeinrichtung mehr, obwohl sie stehen geblieben sei; das Gemeinschaftsverhältnis nach §§ 921, 922 bestehe nur solange und nur soweit, als die Brandmauer beiden Häusern zum Vorteil diene. Dagegen richtig Hodes in N J W 54, 1369, der ausführt, eine Giebelmauer behalte auch nach Zerstörung eines Hauses den Charakter als Grenzeinrichtung, solange sie die Möglichkeit zum Anbau für den Nachbarn biete. Diesen Standpunkt vertritt ersichtlich auch der Bundesgerichtshof (MDR 59, 565) in einem Fall, in dem die gemeinschaftliche Giebelmauer nach Zerstörung beider Häuser stehen geblieben und dann bis auf 70 cm abgetragen worden war. § 8. Vgl. Abele, L Z 1916, 831; Breit in Fischers Z 33, 1 5 5 ; 35, 1 1 3 u. 385; Breit, SächsRpfl. Arch. 1 9 1 1 , 385; Geiershöfer im Recht 1905, 401; Kukuk, Die Rechtsverhältnisse an der gemeinschaftlichen Mauer (Leipz. Dissertation 1909); Pftrstinger, Die Kommunmauer (1909); Waller, RheinArch. 107, 78; Wein, BayZ 1 9 1 3 , 454 u. 472; Ziel, Die gemeinschaftlichen Giebelmauern (Leipz. Dissert. 1 9 1 1 ) ; Nützel, BayZ 1914, 179; Buhmann, BayZ 1914, 197- Lieberich, BayZ 1914, 237; Frommherz, BadRspr. 1914, 2 4 1 ; Becher, BayZ 1915, 65; Metzgers, Gruchot 62, 76; Droste, Gruchot 60, 251. Vgl. auch Herold in BIGrBW 54, 133 (Das Rechtsverhältnis an der halbscheidigen Kommunmauer; Bull in ArchZivPr. 138, 60 (Überbau und Anbau); Hodes in N J W 54, 1348 und 1369; derselbe in N J W 55, 1782; Glaser in M D R 56, 4 5 1 ; Schmalzl in M D R 57, 3 4 1 ; Gollnik in ArchZiv Pr. 157, 460. 2 ) Der Einfachheit halber wird in folgendem immer nur von einer „halbscheidigen" Giebelwand gesprochen. E s ist aber für das rechtliche Schicksal der Mauer und die Befugnis zum Anbau belanglos, ob die Grenze gerade durch die Mitte geht oder ob die

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Die Kommunmauer I 1, 2 Diese Bauweise bürgerte sich namentlich in den Rheinlanden (Rheinpfalz) ein, w o sie durch Art. 66o, 66i Code civil und die daran anknüpfende Rechtsprechung des O L G Köln und des Reichsgerichts gestützt wurde 3 ). Aus der dem Angrenzer durch Art. 66i Code civil eingeräumten Befugnis, eine ganz auf dem Nachbargrundstücke stehende Mauer gegen Ersatz des halben Mauerwertes gemeinschaftlich zu machen, leitete die Rechtsprechung seine Pflicht ab, dem Mauereigentümer Ersatz zu leisten. Bis zur Ersatzleistung konnte der Ersatzberechtigte die Mitbenützung der Mauer verbieten. In ähnlicher Weise vollzog sich die Rechtsentwicklung nach M ü n c h e n e r S t a d t recht 4 ) auf der Grundlage des Münchener Stadtrechtsbuchs (Art. 549—351) und der Art. 3 ff., 60 der Münchener Bau- und Kundschaftsordnung von 1489, sowie nach N ü r n b e r g e r S t a d t r e c h t 6 ) auf der Grundlage des Tit. 26 Gesetz 8 der Nürnberger Reformation von 1564. In diesen Gebieten ist die halbscheidige Errichtung von Giebelmauern, die auch anderweitig vorkommt 6 ), besonders häufig.

Bundesrechtliche Sonderbestimmungen7) über Anbau an eine halbscheidige Mauer bestehen nicht. Das A G hat sich darauf beschränkt, in Art. 68 Bestimmungen über die E r h ö h u n g 8 ) einer Kommunmauer zu treffen. Die Rechtsgültigkeit des Art. 68 ist umstritten9). 2. Z w a n g zur E r r i c h t u n g einer K o m m u n m a u e r Im übrigen enthält das A G nur noch Ü b e r g a n g s b e s t i m m u n g e n . Verschiedene bisherige Rechtsvorschriften v e r p f l i c h t e t e n den Eigentümer, auf Anfordern seines Nachbars eine Mauer als Kommunmauer zu bauen oder dem Nachbar den erforderlichen Grund und Boden abzutreten. Für Bayern kommen nur Code civil, Art. 663, Nürnberger Reformation 40 cm dicke Mauer nur in einer Dicke von 10 cm auf dem einen Grundstück steht. Wegen des Anspruchs auf Ausgleich bei entschuldigtem Überbau vgl. unten II 3 a, bei nicht entschuldigtem Überbau vgl. unten II 3b. 3 ) O L G Köln im RheinArch. 82 I 2 1 3 ; 92 I 201; R G 2, 346; RheinArch. 74 m 4 1 ; vgl. RheinArch. 1 0 0 1 46; 1 1 0 , 2 1 1 (Köln); 100, 46 (Düsseldorf). 4 ) Vgl. SeuffBl. J4, 243 (München); Samml. 1 , 162; 7, 821; 12, 1 2 1 und 3 2 1 ; 14, 499, BayZ 1915, 249 (RG). Die Geltung des Münchener Stadtrechts beschränkte sich auf das Gebiet innerhalb des Burgfriedens (SeuffBl. 54, 243). 6 ) Die aus der Reformation für die Kommunmauer abgeleiteten Rechtsgrundsätze wurden auch in den neuen Stadtteilen Nürnbergs angewendet (BayZ 1 9 1 6 , 1 5 7 Nürnberg). •) Vgl. Amberger BauO 1 1 ; Ulmer B O V U , 3; Memminger B O X I , 4; Mainzer B O V I I , 21 u. Entw. III 205, 207 (Roth, BayZivilr. 2, 65); Würzburger Stadtbaurecht vom 25. 2. 1774, I V §§ 3, 6 (Würzb. Landes-Verordn. 3, 787; Weber, Statuarr. 385t.). 7 ) Art. 181 E G wirkt auf das Eigentumsverhältnis an Kommunmauern ein. Die §§ 93> 94> 95 B G B , welche ein Sonderrecht an Bestandteilen einer Sache ausschließen, haben mit Inkrafttreten des B G B ein damit im Widerspruch stehendes Sonderrecht beseitigt (vgl. R G 65, 243; J W 1904, 89; 1912, 129), vgl. hierzu oben S. 1 0 1 . 8 ) Art. 68 setzt eine fertige Kommunmauer voraus. Eine bei Inkrafttreten des B G B begonnene, aber noch nicht fertiggestellte halbscheidige Mauer fällt nur dann unter Art. 68 A G , wenn sie auf Grund eines Z w a n g s r e c h t e s des bisherigen Rechts zu bauen begonnen wurde (Art. 70 Abs. x u. 2). Ungenau daher Lieberich, BayZ 1914, 238. 9 ) S. darüber oben § 7 V .

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I 2, 3

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

von 1564, Tit. 26 Ges ; 8 und Münchener Bau- und Kundschaftsordnung vom Jahre 1489, Art. 4 in Betracht10). Für die Fälle, in welchen zur Zeit des Inkrafttretens des B G B der Eigentümer eines Grundstückes auf G r u n d eint» s o l c h e n Z w a n g s r e c h t e s eine derartige Mauer zur gemeinschaftlichen Benützung zu errichten b e g o n n e n hatte11), bestimmt Art. 70 Abs. 1 A G , daß die bisherigen Vorschriften für das Recht und die Pflicht zur Herstellung der Mauer maßgebend bleiben. Für die Benützung der gemeinschaftlichen Mauer gelten im übrigen die Bestimmungen des § 922. Ist eine gemeinschaftliche Mauer auf Grund eines solchen Zwangsrechtes hergestellt worden, gleichviel ob die Mauer vor oder nach dem 1. 1 1 . 1900 v o l l e n d e t wurde, so finden die bisherigen Vorschriften, nach welchen im Falle der Benützung der Mauer seitens des Eigentümers des Nachbargrundstückes ein Teil der Kosten zu ersetzen ist, keine Anwendung mehr. Es sind vielmehr die Bestimmungen des Art. 68 Abs. 2 und 3 A G , welche sich mit dem Ersatz der Baukosten für eine Mauererhöhung befassen, entsprechend zur Anwendung zu bringen 12 ). Nur dann, wenn der durch das bisherige Recht eingeräumte Ersatzanspruch schon vor dem 1. 1. 1900 fällig geworden war, bleiben die bisherigen Vorschriften maßgebend13). 3. Abgesehen von diesem Fall sind für das Kommun-Mauerrecht die bisherigen Rechtsquellen weder durch das B G B , noch durch das A G aufrechterhalten, so daß deren Geltung erloschen ist. Die für Preußen recht zweifelhafte Frage, ob bei Erbauung des ersten Hauses vor 1900, des zweiten nach 1900 Anbaurecht und Entschädigungspflicht nach dem alten oder neuen Recht zu entscheiden ist, ist daher für Bayern (abgesehen von dem Sonderfall des Art. 70 Abs. 2 A G ) zweifelsfrei zugunsten des neuen Rechts zu beurteilen, weil ja das bayerische A G auf dem Gebiete des Nachbarrechts grundsätzlich einheitliches Recht schaffen wollte und daher das bisherige Recht auf diesem Gebiete als aufgehoben gilt, soferne es nicht ausdrücklich aufrecht erhalten ist. Da das B G B und das A G unterlassen haben, für die Kommunmauern Sonderbestimmungen zu treffen, so ist es Aufgabe der Rechtslehre und Rechtspflege, die überaus schwierigen Rechtsverhältnisse der Kommunmauer auf Grund der allgemeinen Vorschriften des BGB 1 4 ) zu meistern. 10

) Roth, Bayer. Zivilrecht, 2, 64t. ) Der tatsächliche Beginn der Errichtung entscheidet; dem Zeitpunkt der Vollendung ist keine Bedeutung beizumessen (SeuffBl. 70, 209). Mit der Errichtung ist begonnen, sobald der erste Spatenstich für das Fundament gemacht ist. 12 ) Siehe darüber unten, § 9. 13 ) Art. 70 Abs. 2 AG. 14 ) Nur die Ablösung derjenigen Kommunmauern, welche auf G r u n d eines gesetzlichen K o m m u n m a u e r z w a n g s des bisherigen Rechts errichtet wurden, ist unter entsprechender Anwendung des Art. 68 Abs. 2, 3 A G zu beurteilen (Art. 70 Abs. 2 AG). n

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Die Kommunmauer I 3, 4

Seit Inkrafttreten des B G B gehen die Rechtsansichten darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Kommunmauer geduldet und an sie angebaut werden darf, ferner wie sich die Eigentumsverhältnisse vor und nach dem Anbau gestalten und wie die Kosten für Errichtung und Unterhaltung einer solchen Mauer auf die Nachbarn verteilt werden sollen, stark auseinander. 4. Nach allen möglichen Richtungen sind rechtliche Konstruktionen unternommen worden. Zunächst wurde vom O L G Köln der Versuch gemacht, das bisherige Recht durch analoge Anwendung des Art. 23 P r A G (der denselben Wortlaut wie Art. 68 B a y A G hat) aufrecht zu erhalten15). Dieser Versuch wurde vom Oberlandesgericht Köln selbst stillschweigend aufgegeben 16 ). Mit Recht; Art. 653 ff. code civil sind durch Art. 69 P r A G ausdrücklich aufgehoben. Das B a y A G enthält eine solche ausdrückliche Aufhebung nicht. Dies war auch nach dem Standpunkt der bayerischen Ausführungsgesetzgebung nicht notwendig, nach welchem nur die ausdrücklich aufrechterhaltenen Bestimmungen des bisherigen Nachbarrechts weiter gelten. Ein anderer Versuch, das alte Recht aufrechtzuerhalten, unterstellte, daß in den Gebieten, in welchen die kommune Bauweise gemeinüblich war, sich dieser Brauch zu einem förmlichen Gewohnheitsrecht verstärkt habe derart, daß hierdurch ein wirkliches Recht gewährt werde. Der Versuch war schon deswegen verfehlt, weil eine Rechtsübung, welche die g e s e t z l i c h e n Vorschriften anwendet, zur Begründung eines Gewohnheitsrechtes nicht tauglich ist und sich ein solches Gewohnheitsrecht nur für das g a n z e Gebiet des Gesetzesrechtes, also entweder für das g a n z e Reich oder (auf Grund der Art. 2, 124 E G ) für das g a n z e Land hätte bilden können17). Das O L G Düsseldorf wollte aus der bloßen Zwecksatzung, welche der halbscheidigen Mauer durch den Erstbauenden gegeben wurde, ein Anbaurecht des Nachbars folgern 18 ). Mit diesem kühnen Versuch war aber ebensowenig weiterzukommen, wie durch den Vergleich mit der Rechtsprechung über Straßenanliegerecht19). Man bemühte sich auch, die Lehre von der gemeinschaftlichen Giebelmauer auf einem Gewebe stillschweigender Verträge aufzubauen20). Von diesem Weg hat sich die Rechtsprechung bald wieder abgewendet, weil im Regelfall die auf den Vertragsschluß hinzielende Willenseinrichtung, der rechtsgeschäftliche Wille fehlt 21 ). Es wird weiter unten22) 16

) RheinArch. 1 0 0 1 48; 1 0 1 1 227; 1 0 4 1 34; 105 1 4 8 . ) RheinArch. 1 1 0 I 426 (Köln); 106, 80 und 164 (Düsseldorf), Haase im RheinArch. 105, 328. 1? ) RheinArch. 1 1 0 , 145 (Düsseldorf); vgl. R G Z 75, 4 1 ; 76, 1 1 5 ; 170, 32; PalandtHoche Bern. 1 zu Art. 2 E G B G B ; Gierke DPrR I 184; Staudinger-Brändl E vor § 1 Randb. 42; Enneccerus-Nipperdey § 40 II. 18 ) RheinArch. 1 1 0 , 309. 19 ) S. darüber unten § 15 II, 1. 2C ) Koppers, D J Z 1904, 806; Broicher in PucheltsZ 3 8 , 1 7 5 ; O L G 1 8 , 1 3 0 ; RheinArch. 109, 285 (Düsseldorf). 21 ) Neumann, Jahrb. 1912 Ziff. 2 und 3 (Dresden); RheinArch. 108, 368 (Karlsruhe); RheinArch. 1 1 0 , 145 (Düsseldorf). Das BayObLG hat in seiner Entscheidung Bd. 22, 334 angenommen, zwischen demjenigen der eine halbscheidige Giebelmauer erbaut, und seinem Nachbar komme schon durch die Unterzeichnung des Bauplans eine stillschweigende Vereinbarung zustande, wonach der Nachbar gegen Ersatz der halben Kosten der Errichtung der Mauer an diese anbauen dürfe. 22 ) S. unten § 8 III 2. 16

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§ ö I 4, II

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

dargetan werden, daß mit der Konstruktion stillschweigender Verträge auf diesem Gebiet sehr wenig anzufangen ist. Auch mit der Einrede der Arglist wurde das Anbaurecht des Nachbars an die halbscheidige Mauer begründet. So hat das O L G Düsseldorf in wiederholten Entscheidungen ausgeführt23), daß in den Gegenden, wo die halbscheidige Bauweise gemeinüblich ist, jeder Grundeigentümer, der ein Gebäude mit halbscheidiger Mauer inne hat, weiß, zu wes Ende die Mauer teilweise über die Grenze gesetzt ist, daß sie eben dem Anbau des Nachbars dienen soll. Wer seinerseits den Vorteil daraus ziehe, daß ein Teil der Mauer auf dem Grund des Nachbars steht, handle arglistig, wenn er sein Eigentum in einer der offensichtlichen Zweckbestimmung der Mauer zuwiderlaufenden Weise geltend mache. Diese Erwägungen mögen zutreffen auf den Fall, daß der Erbauer der Mauer noch ihr Eigentümer ist, seinem Sondernachfolger wird man die Pflicht der Duldung zum Anbau, wenn sie nach dem Gesetz nicht bestehen sollte, nicht dadurch aufbürden können, daß man in der Geltendmachung seines gesetzlichen Abwehranspruchs ein arglistiges Verhalten erblickt. Als ein offensichtlicher Verlegenheitsbehelf stellte sich der Versuch dar, die Verpflichtung des Anbauenden zur Zahlung einer Ablösungsentschädigung aus der Vorschrift des § 922 oder § 748 abzuleiten, wonach die Unterhaltskosten einer gemeinschaftlichen Einrichtung von den Nachbarn zu gleichen Teilen zu tragen sind24). Es liegt ja auf der Hand, daß es sich bei der Neuherstellung einer Mauer nicht um Unterhaltskosten handeln kann25). Ein lebhafter Streit entspann sich über die Frage, ob eine halbscheidig errichtete Mauer vor dem Anbau als G r e n z e i n r i c h t u n g im Sinne des § 921 zu erachten sei. Das R G und neuerdings der Bundesgerichtshof haben die Frage bejaht und die gleiche Ansicht wird hier vertreten (s. hierüber unten II, 1 F N 40). Mehr und mehr ist in die Rechtsprechung und Rechtslehre der Gedanke eingedrungen, den A b l ö s u n g s a n s p r u c h mit der Bereicherung zu begründen, wobei wieder die Ansichten darüber auseinander gingen, ob dieser Bereicherunganspruch aus § 951 oder aus § 812 abzuleiten sei. Der Bereicherungsanspruch bietet wohl den einzigen brauchbaren Ausweg26). Zu seiner Begründung ist es erforderlich, die sachenrechtliche Grundlage darzustellen, auf welcher das Rechtsverhältnis der Kommunmauer beruht. II. Das Rechtsverhältnis

an d e r K o m m u n m a u e r Anbau

vor

dem

W e r beim Bau seines Hauses eine Giebelmauer halb auf das Nachbargrundstück stellt, vollendet den Tatbestand, der in § 9 1 2 als Grenzüberbau behandelt ist 27 ). Sind sämtliche Voraussetzungen des § 9 1 2 gegeben, dann steht der übergebaute Teil der Mauer im Alleineigentum des überbauenden 23

) RheinArch. 110, 308. ) So Pfirstinger 24; SächsRpflArch. 1 1 , 4 (Dresden). ) Lieberich, BayZ 1914, 262 Anm. 2 1 ; FrkfRdsch. 1906, 71 (Frankfurt). Zu Unrecht wird aber dort der Ersatzanspruch aus der Geschäftsführung ohne Auftrag abgeleitet. 26 ) Siehe hierüber unten III 2. 27 ) Vgl. RheinArch. 108, 375 (RG); 109 1 1 9 8 (Köln); 1 0 6 1 80 und 109 I 283 (Düsseldorf); 108 I 365 (Karlsruhe); Geiershöfer im Recht 1905,403; Breit in FischersZ. 38, 160; Ball in ArchZivPr. 138,60; Hodes in N J W 54,1348 und 55, 1782; Gollnik in ArchZivPr. 157, 460; Glaser in M D R 56, 451; Staudinger-Seufert Randb. 20 zu § 921. 24

25

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Die Kommunmauer

§8 ii

Hauseigentümers28). Man muß sogar noch weiter gehen und das Alleineigentum des überbauenenden Hauseigentümers an der gan2en Mauer in jedem Falle, also z. B. 29 ) auch dann annehmen, wenn der Hauseigentümer bewußt rechtswidrig einen Teil der Mauer über die Grenze hinübergesetzt hat. Der gute Glaube ist von Bedeutung für die Frage, ob der Eigentümer des überbauten Grundstückes die Beseitigung des Überbaues verlangen kann, nicht aber für das Eigentumsverhältnis an der Mauer. Sie gehört in jedem Fall dem Hauseigentümer; es ist „seine" Mauer. Das ist eine Auswirkung der oben vertretenen Auffassung, daß der Grundsatz der rechtlichen Untrennbarkeit der Bestandteile (§ 93) stärker ist, wie der Grundsatz des § 94 Abs. 1 (Superficies solo cedit) und deshalb beim Zusammentreffen der beiden Grundsätze auf denselben Tatbestand der § 94 dem § 93 weichen muß. Das Reichsgericht geht von einem anderen Standpunkt aus: Darnach soll ein Gebäude grundsätzlich nur soweit wesentlicher Bestandteil eines Grundstückes sein, als es mit diesem fest verbunden ist, also darauf steht (§ 94). Reicht ein Teil des Gebäudes über die Grenze des Grundstückes hinaus, so ist dieser Teil Bestandteil des angrenzenden Grundstückes. Nur dann ist der hinübergebaute Teil eines Gebäudes a u s n a h m s w e i s e rechtlicher Bestandteil des Gebäudes, wenn der Teil in Ausübung eines Rechtes an dem Nachbargrundstücke mit diesem verbunden wurde (§ 95 Abs. 1) oder wenn die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen der Nachbar den Überbau nach § 912 zu dulden hat. Dieser Rechtsauffassung hat sich auch der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen v. 30. 4. 1958 —• V Z R 178/56 u. 215/56 — angeschlossen30). In der für Kommunmauerrecht grundsätzlichen Entscheidung vom 8. 2 . 1 9 1 1 führt das R G 3 1 ) aus: Wenn es sich um eine halbscheidig errichtete 28 ) Jetzt herrsch. Meinung. RheinArch. 108, 363 (Kalrsruhe); 109, 198 (Köln); 109, 277 (auch in J W 1912, 491) u. 110, 145 (Düsseldorf); Sachs. Ann. 33, 175 (Dresden); Giershöfer a.a.O. 402; BayZ 1907, 334 (Nürnberg). An diesem Alleineigentum kann durch entgegenstehende Vereinbarung nichts geändert werden, da die Vorschrift des § 93 zwingend ist. Vgl. auch BGH in MDR 58, 591; RGRKomm. Bern. 1; Staudinger Seufert Randb. 12 u. 26; Soergel-Baur Bern. 3 b; Achilles-Greif Bern. 5; Ermann-SeibertBem. 2; Palandt-Hoche Bern. 5 je zu § 921; Glaser MDR 56, 451; Hodes NJW 54, 1348; «benso in NJW 55, 1782; Meisner-Stern-Hodes § 811 3a. Gollnik in ArchZivPr. 157,460; Köln in BB 51, 600. 29 ) Auch dann, wenn der Erbauer bei Errichtung der halbscheidigen Mauer Eigentümer der beiden Grundstücke war und dann das eine Grundstück veräußert hat oder die beiden Grundstücke im Wege der Zwangsversteigerung an verschiedene Erwerber zugeschlagen sind. Weil in einem solchen Fall § 912 nicht anwendbar sein soll (s. dagegen Tanten § 21 VII 1), nimmt RG 65, 361 u. BayZ 1914, 180 (München) Realteilung an der Mauer an. 30 ) RGKomm. Bern. 3 zu § 94; vgl. RG 162,212; 169,175; BGH in MDR 58, 591 u. 592. 31 ) RheinArch. 108, 373fr. (in recht unvollständigem Auszug, der leicht zu Mißverständnissen führen kann, auch abgedruckt. JW 1911, 365).

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§8

Ii 1

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Mauer handelt, die w e d e r in Ausübung eines Rechts am Nachbargrundstücke (§ 95 Abs. i Satz 2) n o c h unter den eine Duldungspflicht des Nachbarn begründeten Voraussetzungen des § 912 hinübergebaut wurde, so steht die Mauer je zur Hälfte in real a b g e t e i l t e m Eigentum der beiden Nachbarn (§ 94). Der Angrenzer kann die Beseitigung des übergebauten Mauerteiles verlangen. Bei dem abgeteilten Eigentum bleibt es auch nach dem Anbau. Handelt es sich aber um eine halbscheidige Mauer, bei der die Voraussetzungen des § 95 oder der Duldungspflicht des § 912 gegeben sind, so steht die ganze Mauer im Alleineigentum des Hauseigentümers und dabei bleibt es auch nach dem Anbau 32 ). Eine Erörterung der beiden vom R G zugelassenen Ausnahmefälle ergibt: 1. Die Anwendbarkeit des § 912 wird vom R G verneint, wenn der Überbau auf Grund und in Gemäßheit einer V e r e i n b a r u n g erfolgt, durch die der Erbauer eine rechtliche Befugnis zum Bauen über die Grenze wirklich erworben hat 33 ); in diesem Fall ist § 95 anzuwenden. Es ist nur die Frage, welche Anforderungen an einen Vertrag gestellt werden müssen, durch welchen eine rechtliche Befugnis im Sinne des § 95 Absatz 1 Satz 2 erworben wird. Die herrschende Meinung nimmt mit Recht an, daß nur ein d i n g l i c h e s Recht die Befugnis des § 95 gewährt34). Man sollte meinen, daß ein solches dingliches Recht nur in der Form wirksam bestellt werden kann, welche für die Begründung dinglicher Rechte vorgeschrieben ist, also durch Einigung und Eintragung im Grundbuche (§ 873). Das R G hat jedoch in einer anderen Entscheidung36) angenommen, daß durch die formlose Zustimmung des Nachbars zur halbscheidigen Errichtung der Mauer die rechtliche Befugnis zur Verbindung der Scheidemauer mit dem Nachbargrundstück erworben wird. Dieser Standpunkt ist richtig, bedarf aber der Begründung. Wie in dieser Entscheidung des R G anerkannt wird, ist die im beiderseitigen Einverständnis halbscheidig errichtete Mauer, deren spätere Mit32 ) Aus dieser unrichtigen (s. darüber unten § 8 III 2) Annahme wird dann die Folgerung gezogen, daß der anbauende Nachbar für den Anbau in keinem Falle eine Entschädigung bezahlen müsse, weil der andere Nachbar in keinem Fall d u r c h den A n b a u einen Rechtsverlust erleide. 33 ) R G Warn. 1915 Nr. 270; BayZ 1915, 350 (RG); R G 83, 142; R G R Kom. Bern. 7; Staudinger-Seufert Randb. 23 c u. 28 je zu § 921; Glaser in M D R 5 6, 45 2; Hodes in N J W 54, 1348 u. 1369; N J W 55, 1782. 34 ) RGKomm. Bern. 5 zu § 95. 36 ) BayZ 1915, 350 (RG). Im Einklang hiermit lehrt RGKomm. Bern. 5 zu § 95 (nachdem vorher das Erfordernis eines d i n g l i c h e n Rechts für die Befugnis des § 95 aufgestellt ist): Wenn eine Giebelmauer mit der ausdrücklich oder stillschweigend von den Nachbarn vereinbarten Bestimmung des späteren Anbaus des Nachbarn halbscheidig errichtet wird, so ist der hinübergebaute Teil „als in Ausübung eines bedingten Rechtes, mit dem Nachbargrundstück verbunden anszusehen".

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Die Kommunmauer

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benützung durch den Anbau des Nachbars in Aussicht genommen ist, auch schon v o r dem Anbau eine G r e n z r i c h t u n g im Sinne des § 921 BGB 36 ). Eine Grenzeinrichtung darf aber, so lange einer der Nachbarn an dem Fortbestand der Einrichtung ein Interesse hat, nicht ohne seine Zustimmung beseitigt werden (§ 922). Dieses dinglich wirkende Recht 37 ) an dem fremden Grund und Boden, soweit darauf die Anlage steht, wird durch die mit formloser Zustimmung erfolgte Schaffung einer Einrichtung erworben, welche nach ihrer objektiven Beschaffenheit zum Vorteil beider Grundstücke dient (§ 921). Es fällt unter § 95 Abs. 1 Satz 2. Zwar ist, streng genommen, die Verbindung der Anlage mit dem fremden Grundstück nicht in Ausübung eines dinglich oder dinglich wirkenden Rechts an diesem Grundstück v o r g e n o m m e n (§ 95 Abs. i) 38 ). Denn dieses Recht wird nicht schon durch die bloße Zustimmung zur Schaffung der Einrichtung erworben, sondern erst durch die mit Zustimmung e r f o l g t e Schaffung der Einrichtung, welche objektiv dem Vorteil beider Grundstücke dient. Dieser Zustand wird erst durch die Verbindung geschaffen, während § 95 voraussetzt, daß schon die Vornahme der Verbindung in Ausübung eines dinglichen Rechtes erfolgt. Aber wegen völliger Gleichheit des Rechtsgrundes bestehen keine Bedenken gegen die analoge Anwendung des § 95 auf diesen Fall. 36 ) Deshalb darf der Eigentümer der halbscheidigen Mauer diese ohne Zustimmung des Nachbars nicht beseitigen. Nach § 922 muß der Nachbar die Hälfte der U n t e r h a l t u n g s k o s t e n für die mit seiner Zustimmung erbaute halbscheidige Mauer auch schon vor dem Anbau tragen. Das ist durchaus nicht unbillig. Derjenige, der das erste Haus gebaut hat, mußte mit den gesamten Herstellungskosten in Vorschuß gehen. Da der Nachbar der Schaffung der Grenzeinrichtung zugestimmt hat und die halbscheidige Mauer schon vor dem Anbau den Wert seines Grundstücks erhöht und es ihm ja jederzeit frei steht, den in Aussicht genommenen Anbau auszuführen, so ist nicht erfindlich, weshalb er sich der Zahlung der hälftigen Unterhaltungskosten entschlagen können sollte. A. M. Buhmann, BayZ 1914, 223; Lieberich, BayZ 1914, 26;. Nur unter ganz besonderen Umständen kann eine gegenteilige stillschweigende Vereinbarung unterstellt werden. Vgl. B G H in M D R 59, 565; R G in BayZt. 15, 35; Nürnberg in BayZt. 16, 156; R G R K o m . Bern. 3 zu § 921 und Bern. 5 zu § 95, wo eine Grenzmauer als in Ausübung eines dinglichen Rechts mit dem Nachbargrundstück verbunden angesehen wird, wenn sie mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung beider Nachbarn errichtet wurde, daß später angebaut werden dürfe. Vgl. auch Westermann SR § 66 I V 2; Hodes in N J W 54, 1348 und 1369; Herold in BlfGrBW 54, 1 3 3 ; a.M. Staudinger-Seufert Randbem. 30c zu § 921, wonach eine Kommunmauer nicht als Grenzeinerichtung gelte, solange sie im Alleineigentum des einen der beiden Nachbarn stehe; Planck-Strecker Bern. 3 b zu § 921; WolffSR § 56 Anm. 2. 37 ) Es ist kein dingliches Recht, sondern Ausfluß und Inhalt des Eigentums an seinem Grundstück, aber es wirkt dinglich. 3S ) Das Reichsgericht leitet daraus, daß ein Nachbar dem Überbau zustimmt oder wenigstens keinen Widerspruch dagegen erhebt (§ 912) und deshalb zur Duldung der Mauer verpflichtet ist, ein dienstbarkeitsähnliches Verhältnis ab, das als Rechtsverhältnis i. S. des § 95 Abs. 1 Satz 2 zu beurteilen sei.

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§ ö II 1, 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Das Ergebnis ist: Immer dann, wenn der Nachbar der Errichtung einer herüber gebauten Scheidemauer z u g e s t i m m t hat, gilt die Mauer, soweit sie auf seinem Grund und Boden steht, als von dem andern Nachbar (dem an der Grenzeinrichtung Mitberechtigten)39) in Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstück mit dem Grundstück verbunden (§ 95). Auf einen solchen Fall ist § 912 nicht anzuwenden. Damit ist auch die Streitfrage40), ob für den hinüber gebauten Teil der Mauer Überbaurente und Grundabnahme verlangt werden kann, ohne weiteres zu verneinen. Entscheidend hiefür ist der Gedanke, daß bei vereinbartem Überbau das Rechtsverhältnis von den Parteien selbst geregelt wird und daß es Sache der Auslegung der Parteienvereinbarungen ist, zu entscheiden, welche Rechte und Pflichten jeden Vertragsteil treffen. 2. § 912 ist auf den Fall einer halbscheidig gebauten Giebelmauer vor dem Anbau des Nachbars anzuwenden: a) wenn der Nachbar dem Grenzüberbau weder ausdrücklich noch stillschweigend zugestimmt hat; b) wenn der Nachbar weder bei der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat, noch auch einen rechtzeitig erhobenen Widerspruch später fallen Heß«); c) wenn dem überbauenden Hauseigentümer bei Überschreitung der Grenze weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Vorsatz bei der Grenzüberschreitung liegt vor, wenn der Hauseigentümer bei der Errichtung der Mauer gewußt hat, daß er unberechtigt über die Grenze baut. Hat er sich über den Verlauf der Grenze getäuscht oder irrtümlich angenommen, daß er auch Eigentümer des Nachbargrundstückes sei oder daß der Nachbar mit dem Überbau einverstanden sei42), dann hat er die Grenze nicht mit dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, also nicht vorsätzlich rechtswidrig überschritten. Es kommt dann 89 ) Gewiß hat nicht er, sondern der Hauseigentümer die Verbindung ausgeführt. Aber dieser hat zugleich auch für den Nachbarn gehandelt, bei dessen vorheriger Zustimmung als Beauftragter, bei nachträglicher Genehmigung als Geschäftsführer ohne Auftrag. 40 ) Vgl. R G 52, 1 5 ; 83, 142; RheinArch. 1 0 8 , 3 7 3 ; BayZt. 15, 350; WeinBayZt. 15, 455; Hoeniger ArchZivPr. 35, 282; Lieberich BayZt. 14, 239; R G R K o m m . Bern. 7 Staudinger-Seufert Randb. 23c und 28 je zu § 921; Hodes in N J W 54, 1348 u. 1369; 55, 1782; Glaser M D R 56, 451. A . M . Planck-Strecker Bern. 5; Schmitt in BayNotZ 1907, 47; München BayZt. 14, 1 8 1 . 41 ) SeuffA 62 Nr. 109. 42 ) Hat der Nachbar ein Verhalten an den Tag gelegt, welches objektiv betrachtet, nicht anders aufgefaßt werden kann als die Zustimmung, dann hat er diese Zustimmung auch dann erklärt, wenn dies seinem inneren Willen nicht entsprach. Denn auch die stillschweigende Zustimmung ist eine Willenserklärung (vgl. R G K Vorbem. 2 vor § 116). Wird sie nicht rechtzeitig (§ 1 2 1 ) wegen Irrtums angefochten (§ 119), dann liegt der Fall a des Textes vor.

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Die Kommunmauer II 2, 3

darauf an, ob sein Irrtum auf grober Fahrlässigkeit beruht. Der Hauseigentümer muß beweisen, daß ihm Vorsatz und Fahrlässigkeit bei der Grenzüberschreitung nicht zur Last fällt. Andernfalls besteht die Duldungspflicht des § 912 nicht. In Gegenden, in denen die halbscheidige Bauweise Brauch ist, also vor allem in Nürnberg und München werden Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit regelmäßig durch den Nachweis dieses Brauches43) ausgeschlossen sein44). 3. Aus dieser Rechtsprechung, deren Grundlagen beizupflichten ist, ergibt sich für die Frage der Eigentumsverhältnisse an der Kommunmauer vor dem Anbau: a) (Fall des vereinbarten Überbaues): Ist die halbscheidige Giebelwand mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Nachbars, somit auf Grund einer V e r e i n b a r u n g (zu unterscheiden von dem Fall einer widerspruchlosen Hinnahme des Überbaues i. S. des § 912) errichtet, so muß er den Überbau dulden. Er kann Überbaurente und Grundabnahme nicht verlangen, hat aber das Recht, die Giebelwand zum Anbau seines Hauses zu benützen. Bis zum Anbau steht die Giebelwand im A l l e i n e i g e n t u m des überbauenden Hauseigentümers (§§ 95, 93, 94 Abs. 2). Die Giebelmauer ist schon vor dem Anbau Grenzeinrichtung i. S. der §§ 921, 922 (vgl. unten § 21 I 6). b) (Fall des entschuldigten Überbaues): Ist die halbscheidige Giebelwand o h n e ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des Nachbars errichtet, so muß der Nachbar45) die Giebelwand dulden, wenn die Voraussetzungen des § 912 gegeben sind. Die ganze Mauer steht im A l l e i n e i g e n t u m des Hauseigentümers. Der Nachbar kann Überbaurente and Grundabnahme verlangen. Dagegen darf er die Giebelwand n i c h t zum A n b a u seines Neubaues verwenden. Tut er dies trotzdem, so muß er auf 43 ) Z u weit geht RheinArchRZ 29, 172, wenn dort der Brauch als Gewohnheitsrecht aufgefaßt wird, durch welches ein wirkliches Recht zum Bauen verliehen werde. Dagegen mit Recht RheinArch. 110, 149 (Düsseldorf). 44 ) Vgl. RheinArch. 109 I 199. Ist in einer Stadt, wo die halbscheidige Bauweise üblich ist, ein Bauplan, der die halbscheidige Errichtung der Giebelwand aufzeigt, vom Nachbar unterschrieben worden, so liegt darin zwar nicht die ausdrückliche Erklärung seiner Zustimmung. Denn bei der Unterzeichnung des Bauplanes handelt es sich nur um eine Erklärung gegenüber der Behörde, nicht gegenüber dem Bauherrn. Aber in der Unterzeichnung des Bauplanes im Z u s a m m e n h a l t mit dem Geschehenlassen des halbscheidigen Mauerbaues wird dem Bauherrn gegenüber ein Verhalten an den Tag gelegt, das nach Lage der Sache keine andere Auslegung zuläßt, als die Zustimmung. Es liegt also die stillschweigende Erklärung der Zustimmung vor. (Im Ergebnis richtig) BayZ 1 9 1 5 , 350 (München)). War der Nachbar im Irrtum darüber, daß halbscheidig angebaut werde, so ist er auf die Anfechtung wegen Irrtums angewiesen (s. oben Anm. 42). 45 ) Natürlich auch sein Sondernachfolger, da die Beschränkung des § 912 dinglich wirkt.

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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§8 in

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Verlangen des Eigentümers des ersten Hauses die Beeinträchtigung der Giebelwand selbst dann beseitigen, wenn dieser rechtzeitig Widerspruch (§ 912 Abs. 1) nicht erhoben hat (§§ 903, 1004). Wenn dieser aber durch sein Verhalten ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck gebracht hat, daß er mit der Benützung seiner Mauer beim Anbau des Nachbars einverstanden ist, dann entfällt von da ab die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 912 fr. Denn dann ist mit Zustimmung beider Nachbarn eine Einrichtung vorhanden, die objektiv dem Vorteil beider Nachbarn dient und dauernd zu dienen bestimmt ist. Das ist eine Grenzeinrichtung (§§ 921, 922), so daß von da ab der Fall a gegeben ist. c) (Fall des rechtswidrigen oder nicht entschuldigten Überbaues): Ist die halbscheidige Giebelwand o h n e ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung des Nachbars errichtet oder f e h l t eine der Voraussetzungen der Duldungspflicht des § 9 1 2 Abs. 1, dann steht die ganze Mauer gleichwohl im A l l e i n e i g e n t u m des erstbauenden Hauseigentümers, der jede Einwirkung auf seine Mauer verbieten kann (§ 903, 1004). Davon weicht die Ansicht des Reichsgerichtes46) und des Bundesgerichtshofs ab, die in diesem Falle real abgeteiltes Eigentum an der Mauer annehmen. Jedenfalls kann der Nachbar Überbaurente und Grundabnahme nicht verlangen. Erhebt er gleichwohl den Anspruch auf Überbaurente oder Grundabnahme, dann wird darin zwar nicht ohne weiteres die nachträgliche Zustimmung der Grenzüberschreitung, aber im Zweifel der Antrag an den Eigentümer des zuerst gebauten Hauses zu erblicken sein, den Überbau nach den Bestimmungen der §§ 912 fr. zu behandeln. Dieser Antrag schließt den Verzicht auf den Beseitigungsanspruch ein. Nimmt der Nachbar diesen Antrag an, so sind von da ab die Bestimmungen der §§ 912 fr. anzuwenden. Benützt der Nachbar die Mauer zum Anbau seines Neubaues, so ist das Rechtsverhältnis genau so zu beurteilen, wie bei der darin liegenden Zustimmung zur rechtlichen Begründung einer Grenzeinrichtung im Fall b. III. D e r g e s e t z l i c h e

Ablösungsanspruch.

Baut der Nachbar an die vom Hauseigentümer halbscheidig errichtete Mauer an, so benützt er einen Gebäudeteil, zu dessen Errichtung er zwar durch Grund und Boden, aber weder durch Arbeit noch durch Baustoff etwas beigetragen hat. Die Rechtsprechung zog daraus unter der Herrschaft des rheinischen Rechts, wie des Münchener und des Nürnberger Stadrechts die Folgerung, daß er den Eigentümer des zuerst gebauten Grundstückes 46 ) RhcinArch. 108, 377; J W 1 9 1 1 , 366; O L G 34, 190 (München). B G H in M D R 58 592; Gollnick ArchZivPr. 157, 460. Dagegen wie oben Staudinger-Seufert Randb. 25 Zu § 921; Köln B B 51, 600; Meisner-Stem-Hodes § 8 II 1.

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Die Kommunmauer Iii 1

dafür entschädigen muß. Diese Entschädigungspflicht, die der Billigkeit und der Überlieferung entspricht,wurde für das neue Recht von einem Teil der Rechtslehre und der Gerichte, an der Spitze vom Reichsgericht geleugnet47). Für die Untersuchung der Frage, ob für den Anbau nach neuem Recht Entschädigung gezahlt werden muß, empfiehlt es sich, zunächst von Abreden der Beteiligten abzusehen und bei der Untersuchung zu unterstellen, daß weder eine dingliche noch eine schuldrechtliche Vereinbarung über die Ersatzleistung zwischen den Nachbarn und ihren Besitzvorgängern getroffen wurde. i. Ä n d e r u n g des E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e s d u r c h den A n b a u . Die Untersuchung hat auszugehen von dem Eigentumsverhältnis, das an der halbscheidigen Mauer v o r dem Anbau besteht. Wie oben gezeigt wurde, steht in jedem Fall48) das Alleineigentum an der halbscheidig gebauten Mauer vor dem Anbau dem Gebäudeeigentümer zu. Dieses Alleineigentum an der ganzen Mauer wird aber durch den Anbau geändert. Denn durch die Einverleibung der Mauer in das zweite Haus wird sie auch zu dessen wesentlichen Bestandteil49) (s. oben S. 22). Der Rechtsgrundsatz des § 94 Abs. 1 „superficies solo cedit" ist an sich ein abstrakter Rechtsgrundsatz. E r steht aber nicht für sich allein im Gesetz. Die Vorschriften der §§93 und 95 und insbesondere des § 94 Abs. 2 sind zusammen mit § 94 Abs. 1 und unter Heranziehung der §§ 946 fr. einer einheitlichen Betrachtung zu unterstellen. In ihrer Gesamtheit ist in diesen Vorschriften das gesetzgeberische Ziel ausgeprägt, einem Gegenstand, der kraft seiner Zweckbestimmung und der allgemein gültigen Verkehrsauffassung als w i r t s c h a f t l i c h e Einheit erscheint, auch die entsprechende 47 ) RheinArch. 108, 373 (RG); im ungenügenden Auszug auch in J W 1 9 1 1 , 366; BayZ 1914, 181 (München); O L G 34, 1 9 1 ; Bungard 28, Wein 455; Geiershöfer 403; Staudinger 10 Aufl. Bern. I V a b zu § 921. 48 ) Reichsgericht und ihm folgend der Bundesgerichtshof machen hiervon eine (einzige) Ausnahme, nämlich für eine halbscheidige Mauer, bei der weder die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 2 noch die Duldungspflicht des § 9x2 Abs. 1 gegeben ist. Vgl. oben § 2 II u. § 7 III. 49 ) J W 1912, 1038 (Dresden); RheinArch. 109, 277 (Düsseldorf); auch in J W 1 9 1 2 4 9 1 ; Metzgers, Gruchot 62,77; s. dagegen BayZ 1 9 1 4 , 1 8 1 (München); Droste, Gruchot 60, 256. Ganz seltsam O L G 29, 241 (München): Es wird Überbau angenommen und daraus richtig gefolgert, daß an sich der hinübergebaute Teil Bestandteil des Hauses sei. Durch Annahme stillschweigender Abrede wird das Gegenteil (Realteilung) konstruiert, wobei übersehen wird, daß die Vorschriften der §§ 93 ff. Zwingendes Recht sind. Vgl. ferner B G H Z 27, 197 = M D R 58, 591 = N J W 58, 1182.

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r e c h t l i c h e Einheit zu geben50). Die Zweckbestimmung d. i. die Willensrichtung dessen, der die Verbindung herstellt, und Verkehrsauffassung gibt den Ausschlag für die Entscheidung der Frage, ob eine Sache wesentlicher Bestandteil einer andern ist oder durch die Verbindung wird 51 ). Dabei handelt es sich um eine Zweckbestimmung, die nicht nur ein innerer Vorgang bei dem Schaffenden ist, sondern durch die Verwirklichung seiner Willensrichtung so vergegenständlicht wird, daß der Zweck in das Wesen des Werkes übergeht. Der Erbauer einer halbscheidigen Mauer gibt dieser Mauer zunächst einmal die Zweckbestimmung, die Abschlußmauer seines Hauses zu bilden; sie fällt daher gemäß §§ 93, 94 Abs. 2 als Bestandteil seines Hauses in sein Alleineigentum. Daneben aber gibt der Erbauer, indem er die Abschlußmauer seines Hauses halb über die Grenze setzt, der Mauer die weitere Zweckbestimmung, später, nämlich im Fall des Anbaues, auch dem Nachbarhaus als Abschlußmauer zu dienen. Diese Zweckbestimmung ist im Wesen der Mauer vergegenständlicht. Baut dann der Nachbar an, so wird dadurch lediglich die Zweckbestimmung verwirklicht, welche die Mauer von allem Anfang in sich getragen und für die Verkehrsauffassung ersichtlich bewahrt hat. Wenn die in die Einheitssache hineingelegte, ihrem Wesen aufgeprägte Zweckbestimmung von allem Anfang an und immer darin besteht, dem einen Haus so gut wie dem andern die unentbehrliche Abschlußmauer, also wesentlicher Bestandteil zu werden, so muß in dem Augenblick, in welchem diese Zweckbestimmung auch für das zweite Haus verwirklicht wird, die wirtschaftliche wie die rechtliche Zusammengehörigkeit der Mauer zu dem zweiten Haus genau dieselbe werden, wie zu dem ersten Haus. Für jedes der beiden Häuser ist die ganze Mauer, nicht nur die eine real abgeschnittene Hälfte unentbehrlich; die ganze Mauer ist mit dem einen wie mit dem andern Haus fest verbunden, sie ist wesentlicher Bestandteil beider Häuser ( § 9 4 Abs. 2). Indem das Alleineigentum des einen Nachbars an der ganzen Mauer mit dem Alleineigentum des andern an derselben ganzen Mauer zusammentrifft und keines die Kraft hat, das andere zu überwinden, müssen sich die beiden Eigentumsrechte vereinigen und auflösen in ein u n g e t e i l t e s M i t e i g e n t u m . Durch den Anbau wird also die Mauer nach wirtschaftlicher und rechtlicher Auffassung auch dem neuen Haus als Bestandteil einverleibt52). 60 ) Vgl. R G 58, 3 4 1 ; 61, 192; 62, 408; 63, 4 1 9 ; 67, 4 1 9 ; 69, 1 2 1 u. 1 5 3 ; Staudinger-Coing Randb. 2 zu § 93; B G H Z 8, 1. 61 ) RheinArch. n o , 145 (Düsseldorf); vgl. auch R G 153, 2 3 1 ; 158, 376; B G H in L M Nr. 48 zu § 13 G V G = N J W 36, 1 2 7 3 ; B G H Z 27, 197. 62 ) Becher, BayZ 1 9 1 5 , 84; RheinArch 1 1 0 I 145 (Düsseldorf); J W 1 9 1 2 , 1038 (Dresden) wenden den § 946 (Verbindung einer beweglichen Sache mit einer unbeweglichen Sache) entsprechend an. Das wird nicht angängig sein; abgesehen davon, daß die Mauerhälfte keine bewegliche Sache ist und es doch etwas zu gekünstelt ist, sich die

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Die Kommunmauer

in 1

Die erforderliche feste Verbindung liegt schon dann vor, wenn die halbscheidige Mauer als Abschluß des Neubaues (als dessen Verwandung) benützt wird, auch wenn eine besonders feste Verbindung durch Einbauen oder Auflegen von Balken nicht hergestellt ist63). Wird das neue Haus mit einer selbständigen Mauer nicht neben die alte Scheidewand gestellt, dann wird diese dem Neubau nicht einverleibt. Es muß sich aber auch wirklich um eine selbständige Mauer des Neubaues handeln, die für sich allein (alo ohne Anlehnung an die Halbscheidemauer) standsicher wäre. Das ist bei einer aus (auf der schmalen Seite) aufgestellten Backsteinen bestehenden Wand eines einigermaßen hohen Gebäudes nicht der Fall. Die Ä n d e r u n g des E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e s vollzieht sich in dem Augenblick, in welchem sich der Neubau nach wirtschaftlicher Auffassung als ein wirtschaftlich zusammengehöriges und benützbares Ganzes, als eine Einheitssache, nämlich als ein Gebäude darstellt. Das ist der Zeitpunkt, in welchem der Neubau in Rohbau vollendet ist54). In diesem Augenblick zieht der Neubau die halbscheidige Mauer als Bestandteil zu sich herüber. Wie oben (S. 99 ff) dargelegt ist, besteht die Änderung des Eigentumsverhältnisses, die durch den Anbau herbeigeführt wird, darin, daß die bisher im Alleineigentum des Eigentümers des ersten Hauses stehende halbscheidige Mauer in das ungeteilte Miteigentum der beiden Nachbarn überführt wird. Nach der Ansicht des Reichsgerichts, deren Widerlegung oben versucht wurde 55 ), wird durch den Anbau eine Änderung des Eigentumsrechts nicht bewirkt. Nach der Ansicht verschiedener Obergerichte56) wird durch den Anbau eine Änderung des Eigentums Verhältnisses bewirkt, die darin bestehen soll, daß sich das Alleineigentum des einen Mauerhälfte einen Augenblick als bewegliche Sache zu denken (vgl. RheinArch. 1 1 0 , 145), kann man überhaupt mit der Mauerhälfte auch in Gedanken nicht so umspringen, als ob die andere Mauerhälfte nicht fest mit ihr verbunden wäre und mit ihr nicht eine Einheitssache bilden würde. Vgl. B G H Z 27, 201; Celle in N J W 58, 225; Staudinger-Seufert Randb. 34 zu § 921. 53 ) BayZ 1916, 157 (Nürnberg). 54 ) RheinArch. 11 o 1 1 5 2 (Düsseldorf); 1 1 o 1 2 1 6 (Köln); Sachs Ann. 3 3 , 1 8 0 (Dresden); Breit in SächsArchR 1 9 1 1 , 400; Ziel 36. — Abweichend RheinArch. 1 1 0 I 306 und 3 1 1 (Düsseldorf); Bungard 2 7 ; Becher 85; welche die Eigentumsänderung entsprechend dem Fortschreiten das Baues eintreten lassen. Allein nur das fertige Gebäude hat die Kraft, die Mauer zu seinem Bestandteil an sich zu ziehen. — Metzgers in Gruchot 6 2 , 7 6 hält den B e g i n n des Baues für den entscheidenden Zeitpunkt. 56 ) Vgl. RheinArch. 108, 374; Westermann § 66 I V . 66 ) B a y Z 1915, 350 (München); 1916 1 5 7 (Nürnberg); RheinArch 108, 368 (Karlsruhe); 109, 277; 1 1 0 1 1 4 5 (Düsseldorf); 1 1 0 I 219 (Köln); J W 1912, 1038 (Dresden); 1 9 1 2 491 (Düsseldorf). Vgl. Lieberich, BayZ 1914, 239. Dieser Ansicht der Obergerichte hat sich angeschlossen R G K Bern. 5 zu § 95. Vgl. auch R G 1 9 6 , 1 7 2 ; Gollnick in ArchZiy. Pr. 157, 460; O L G Köln B B 51, 600.

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§8

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HI I

Nachbars an der ganzen Mauer verwandelt in zwei Alleineigentumsrechte, je an der durch die Grenze geteilten, real gedachten Hälfte der Mauer. Während also nach der Ansicht des Reichsgerichts ein Rechtsverlust des bisherigen Alleineigentümers des Hauses durch den Anbau nicht herbeigeführt wird, tritt (nach der Ansicht der Obergerichte) infolge des Anbaues ein Rechtsverlust ein an der realen Hälfte, nach der hier vertretenen Ansicht an der ideellen Hälfte. Es kommt nun häufig vor, daß die halbscheidige Mauer nur t e i l w e i s e zum Anbau benützt wird, sei es, daß der Neubau nicht so tief ist wie das anstoßende Haus oder daß der Neubau nicht so hoch ist, so daß der obere Teil der halbscheidigen Mauer frei vom Anbau in die Luft ragt. Die hier aufgezeichneten Querschnitte von Giebelwänden enthalten einen schraffierten Ausschnitt, welcher den Querschnitt des Neubaues

Falli

Fall II

darstellt. Der schraffierte Teil der halbscheidigen Mauer ist durch den Anbau auch Bestandteil des neuen Hauses geworden; er ist zugleich Bestandteil des ersten Hauses, steht also im ungeteilten Miteigentum der beiden Nachbarn. Der nicht schraffierte Teil der Giebelwand ist nicht zum Bestandteile des Neubaues geworden, würde also im Alleineigentum des Eigentümers des zuerst gebauten Hauses verbleiben. Es ist nun aber rechtlich unmöglich (§ 93), daß dieselbe Einheitssache (halbscheidige Mauer) einem verschiedenen Herrschaftsrecht unterworfen ist. Weil nun feststeht, daß der schraffierte Teil der Mauer Bestandteil des Neubaues ist, aber auch Bestandteil des alten Hauses und infolgedessen dieser Teil nur im Miteigentum der beiden Nachbarn stehen kann, so muß auch der nichtschraffierte Teil dem gleichen Herrschaftsrechte unterworfen sein, weil ja sonst zweierlei Herrschaftsrechte an derselben Sache bestehen würden. Aber das Miteigentum ist in diesem Falle nicht nach gleichen 134

Die Kommunmauer

III 2

(hälftigen) Bruchteilen geteilt, sondern nach dem Verhältnis, in welchem das Flächenmaß des zum Anbau benützten Teiles der halbscheidigen Mauer zu dem Flächenmaße der ganzen halbscheidigen Mauer steht. Das Flächenmaß des schraffierten Teiles beträgt im Falle I 90 qm, im Falle II 80 qm. Das Flächenmaß der ganzen halbscheidigen Mauer beträgt im Falle I 120 qm, im Falle II 240 qm. Es steht die g a n z e halbscheidig errichtete Mauer im Miteigentum nach Bruchteilen, wobei der Eigentümer des zuerst gebauten Hauses im Falle I zu 6 / 8 , im Falle II zu 5 / 6 , der Eigentümer des Neubaues im Falle I zu 3 / 8 , im Falle II zu 1 / 6 beteiligt ist. Der Rechtsverlust, den der Eigentümer des alten Hauses erleidet, beträgt somit im Falle I 3 / 8 , im Falle II 1 / 6 seines Eigentumsrechts57). 2. G r u n d u n d H ö h e der E n t s c h ä d i g u n g . Für den Rechtsverlust, den der Eigentümer des ersten Hauses an seinem Mauereigentum durch den Anbau erleidet, muß Entschädigung geleistet werden. Der eine hat einen Teil seines Eigentums verloren, der andere hat ihn erlangt. Um den Wert dieses von dem einen verlorenen Eigentumsteiles ist der andere bereichert. Diese Bereicherung beruht auf einer kraft Gesetzes (§ 93) eintretenden Rechtsänderung. Es muß nach Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung beurteilt werden, ob (nach dem Willen des Gesetzgebers) der Verlust der Wiederherstellung des gekränkten Rechts oder nur der logischen Durchführung einer Rechtskonstruktion dienen soll. Der von § 93 erzwungene Rechtsverlust tritt nur deshalb ein, weil ein zweifaches Herrschaftsrecht an derselben Einheitssache sich mit der Logik nicht verträgt. Deshalb muß das Herrschaftsrecht des einen vernichtet werden, auch wenn dieses Eigentum der materiellen Gerechtigkeit durchaus entspricht. Mit § 93 wird also das materielle Recht durch das formale überwunden. Ein dadurch herbeigeführter Rechtsverlust beruht nicht auf einem von Recht und Billigkeit getragenen Rechtsgrund, also hat der andere das, was der eine verloren hat, auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund 67 ) Vgl. Breit in FischersZ 38, 196; Glaser in M D R 56, 450; B G H Z 27, 197; Düsseldorf in BB1. 56, 540; Celle in N J W 58, 224 mit Bern, von Runge.; a. A. R G 162, 209. „Das Eigentum an einer Grenzmauer steht jedem Nachbar an dem auf seinem Grundstück stehenden Mauerteil zu (also kein Bruchteilseigentum); jeder Eigentümer wird jedoch durch das Mitbenutzungsrecht des Nachbarn in seinem Grundeigentum beschränkt". Diese Auffassung, für die Gollnik in ArchZivPr. 157, 460 u. O L G Köln in B B 51, 600 eintritt, dürfte durch die Entscheidung des B G H (27, 197 ff.) u. die diesem folgende Rechtsprechung in Fällen des entschuldigten Überbaues überholt sein; sie wird von der Rechtsprechung vertreten für rechtswidrigen (unentschuldigten) Überbau, so B G H Z 27, 197; M D R 58, 592 = N J W 58, 1183. Vgl. auch R G R Komm. 1 , Soergel-Baur 3b, Ermann 2 je zu § 921. Dagegen Staudinger-Seufert Randb. 25 u. 34 je zu § 921; MeisnerStern-Hodes § 8, II 1 ; Hodes in N J W 55, 1782.

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verlangt. Damit ist der Herausgabeanspruch des § 812 gegeben 58 ). Der Einwand, daß ja der Nachbar das Recht zum Anbau habe (§ 922), und deshalb das Eigentumsrecht an der Mauer mit rechtlichem Grund erlangt, ist nicht stichhaltig. Allerdings hat der Nachbar das Recht, die halb schichtige Mauer durch den Anbau mit seinem Haus zu verbinden. Aber der Erwerb des Eigentumsrechts gehört nicht zum Inhalt dieser Befugnis, sondern ist nur die rechtliche F o l g e der Ausübung der Befugnis. Der Bereicherte muß das, was er erlangt hat, herausgeben. Da er aber hierzu aus demselben zwingenden Rechtsgrund des § 93, der ihm das Eigentum zugebracht hat, außerstande ist, muß er den Geldwert ersetzen ( § 8 1 8 Abs. 2). Zu ersetzen ist der Wert des Eigentumsrechts, das er erlangt hat. Der Wert des Eigentums ist kein anderer, als eben der Wert der Sache. Das Eigentum an der ideellen Hälfte der Mauer deckt sich mit der Hälfte ihres Wertes. Maßgebend für den Wert ist der Zeitpunkt, in welchem der Vorteil erlangt ist. Das ist der Z e i t p u n k t der V o l l e n d u n g des A n b a u e s im R o h b a u . In diesem Zeitpunkt wird der Ablösungsanspruch fällig 69 ). Die Hälfte des Wertes, den die Mauer in diesem Zeitpunkt hat, ist zu ersetzen. Ob die Kosten, die seinerzeit für die Herstellung der Mauer aufgewendet wurden, höher oder niedriger waren, als ihr Wert im Zeitpunkt der Vollendung des Rohbaues, ist belanglos60). Somit ist zu ersetzen die 68 ) Breit, FischersZ 38, 195; RheinArch. 109, 227 (Düsseldorf), auch J W 1 9 1 2 , 491; s. dagegen Lieberich, BayZ 1 9 1 4 , 2 5 1 . Auf dem Umweg der §§946,951 nehmen den Bereicherungsanspruch an J W 1912, 1038 (Dresden); RheinArch. 1 1 0 I 219 (Köln); 108, 368 (Kalrsruhe); R G K o m m . Bern. 5 zu § 95; das O L G Dresden verkennt nicht, daß § 946 sich nur auf die Verbindung einer b e w e g l i c h e n Sache mit einem Grundstück bezieht; meint aber, daß das, was gelte, wenn die beiden Nachbarn die Mauer zusammen errichtet hätten, auch nach dem Anbau an eine von einem Nachbar allein errichtete halbscheidige Mauer gelten müsse. Das gilt auch, aber nicht auf Grund des §951 (lex specialis für Verbindung b e w e g l i c h e r Sachen mit einem Grundstück), sondern auf Grund der allgemeinen Vorschrift des § 812. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 34, Palandt-HocheBem. 5 b je zu § 921. E9 ) Vgl. für Fälligkeit bei Beginn des Anbaus Lieberich S. 262 und dortige Nachweise ( O L G München). Der Anbau und seine Fortführung kann nicht etwa von der Zahlung der Ablösungsentschädigung abhängig gemacht und bis dahin verboten werden. Denn der Ablösungsanspruch ist vor Vollendung des Rohbaues noch nicht fällig (§ 273). Abweichend RheinArch. 109, 325; 1 1 0 I 306 u. 3 1 1 (Düsseldorf), das ratenweise Fälligkeit nach Fortschreiten des Baues annimmt. Ähnlich, aber nicht mit folgerichtiger Durchführung, Becher, BayZ 1915, 85. Vgl. B G H Z 10, 1 7 1 = N J W 53, 1466; B G H Z 17, 2 4 1 ; N J W 54, 265; R G Z 130, 310. Staudinger-Seufert Randb. 36. 60 ) Vgl. R G K o m m . Bern. 3 zu § 818 u. Bern. 3 zu § 951 und die damit in Widerspruch stehende Bern. 5 zu § 95. —Hier wird ein Anspruch auf Entschädigung „wegen der Kosten der Herstellung" zugesprochen. Den Unterschied zwischen „Her. e ungskosten" und Mauerwert scharf erfassend, führt Lieberich, BayZ 1914, 262 aus, daß nach Münchener Übung der Wert des vom Nachbar zum Anbau beanspruchten, auf seinem Grund und

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Hälfte des Betrages, den die Herstellung der Mauer kosten würde, wenn sie erst zur Zeit der Vollendung des Rohbaues durch Werkvertrag fest vergeben worden wäre. Hiervon ist der Betrag abzuziehen, um den der Wert der halbschichtigen Mauer in diesem Zeitpunkt infolge von Abnützung geringer war, als eine neue Mauer. Die Hälfte dieses so errechneten Betrages muß ersetzt werden. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob die Grenze genau durch die Mitte der Mauer geht, oder ob beispielsweise die Mauer in einer Dicke von 3 5 cm auf dem einen, in einer Dicke von 15 cm auf dem andern Grundstück steht; denn der Eigentümer des zuerst gebauten Hauses ist vor dem Anbau in allen Fällen der Alleineigentümer der ganzen Mauer und er verliert durch den Anbau die ideelle Hälfte des Eigentums an den Nachbar. Die Anhänger der Lehre von der realen Abteilung der Mauer durch die Grenzlinie müssen für den Bereicherungsanspruch zu einem anderen Ergebnis gelangen. Nach dieser Lehre stellt sich die Rechtslage folgendermaßen dar: Ist die Mauer vor dem Anbau Alleineigentum des Gebäudeeigentümers (Fall des § 95 oder des § 912), dann verliert dieser durch den Anbau den jenseits der Grenze stehenden Mauerteil an das Alleineigentum des Nachbarn und dieser ist um den Wert dieses Mauerteils bereichert. Das würde zu dem Ergebnis führen, daß der Anbauende um so mehr bezahlen muß, je mehr von seinem eigenen Grund und Boden durch die Mauer weggenommen ist und daß er um so weniger bezahlt, je weniger von seinem eigenen Boden durch die Mauer bedeckt wird. Hat man es aber vor dem Anbau mit einer halb scheidigen Giebelmauer zu tun, die weder unter § 95, noch unter § 912 fällt und infolgedessen nach der Ansicht des Reichsgerichts schon vor dem Anbau real durch die Grenzlinie geteilt ist, dann hätte der Nachbar, der diese Mauer seinem Neubau einverleibt, dafür überhaupt nichts zu bezahlen, weil ja durch den Anbau an den Eigentumsverhältnissen nichts geändert wird. Das sind unsinnige Ergebnisse und lehrreiche Beispiele, dafür, daß diese Lehre eben nur eine Rechtskonstruktion ist, die der wahren Sachlage Gewalt antut. In Wahrheit kann eine einheitliche Hauswand dem Herrschaftsrecht nach nicht real geteilt sein und wenn zwei Personen das Herrschaftsrecht an derselben Hauswand zusteht, so kann es Boden stehenden Mauerteils zu vergüten und die Ablösung nach dem Bauwert zur Zeit der Ablösung unter Zugrundelegung des allgemeinen Arbeits- und Materialpreises dieses Zeitpunktes zu berechnen sei. — Wohl ohne an den Unterscheid zwischen Herstellungskosten und Mauerwert zu denken, spricht das O L G München (BayZ 1915, 350) und das O L G Nürnberg (BayZ 1916, 157) von den „Herstellungskosten". Vgl. L G Duisburg in BB1. 56, 540 = M D R 56, 486, wonach derjenige, der eine zerstörte Giebelmauer wieder aufbaut, im Zeitpunkt der Erneuerung der Mauer — nicht erst mit dem Anbau — einen Bereicherungsanspruch gegen den Nachbarn erwirbt. Vgl. ferner Hodes in N J W 55, 1782; O L G Hamm in Hdb. fürBRspr. 53/54 Nr. 85.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

nur Miteigentum sein. So war es nach alter deutschrechtlicher Auffassung. So und nicht anders wird das Rechtsverhältnis vom gesunden Menschenverstand beurteilt und so muß es auch vom Juristen aufgefaßt werden, wenn ihm der Vorwurf der Weltfremdheit erspart bleiben soll. Das ist, wie oben gezeigt, mit dem Standpunkt des Gesetzes vereinbar. Weil der Grund des Bereicherungsanspruchs die eingetretene Eigentumsveränderung ist, kann der Ablösungsanspruch nur dann erhoben werden, wenn durch den Anbau eine Änderung des Eigentums bewirkt wurde. Das ist nur der Fall, wenn die halbscheidige Mauer dem Neubau einverleibt ist. Hat der Nachbar seinen Neubau mit einer s e l b s t ä n d i g e n Mauer neben die halbschichtige Mauer gestellt, dann braucht eine Ablösung nicht bezahlt zu werden. Es kann auch nicht etwa Schadensersatz wegen Unterlassung der Einverleibung verlangt werden. Denn es besteht keine gesetzliche Pflicht zum Anbau 61 ). Ist die halbscheidige Mauer nur teilweise zum Anbau benützt worden, dann besteht, wie oben § 7 III 3 gezeigt, die Änderung des Eigentumsverhältnisses darin, daß das Miteigentum an der Mauer nicht nach hälftigen Bruchteilen erworben wird, sondern nach dem Verhältnis, in welchem das Flächenmaß des zum Anbau benützten Teils der halbscheidigen Mauer zum Flächenmaß der ganzen halbscheidigen Mauer steht. Zu genau demselben Bruchteile, zu welchem der Anbauende am Miteigentum der halbscheidigen Mauer beteiligt wird, muß auch Ersatz für den Wert der Mauer geleistet werden. Vom Standpunkt der Annahme, daß reale Teilung eintritt, müßten auch Mauerteile bezahlt werden, die zum Anbau nicht benützt werden. 3. G l ä u b i g e r u n d S c h u l d n e r des A b l ö s u n g s a n s p r u c h s Weil sich der Wechsel in der Bestandteileigenschaft der Mauer erst im Zeitpunkt der Vollendung des Neubaues im Rohbau vollzieht, so trifft der Rechtsverlust nur denjenigen, dem in diesem Zeitpunkt das Eigentum 61 ) Aus § 922 ist nichts Gegenteiliges abzuleiten. Dort ist bestimmt: „Solange einer der Nachbarn an dem Fortbestand der Einrichtung ein Interesse hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden." Durch den Anbau einer selbständigen Mauer an die halbscheidige Mauer wird diese noch nicht einmal ihrer Eigenschaft als Grenzeinrichtung entkleidet, da sie ihre grenzscheidende Wirkung behält. Aber selbst wenn man annehmen würde, daß die Mauer durch einen solchen Anbau aufhören würde, eine Grenzeinrichtung zu sein, so wird jedenfalls die E i n r i c h t u n g selbst durch den Anbau weder beseitigt noch geändert und das Interesse des Eigentümers des ersten Hauses an s e i n e r Benützung nicht berührt. Berührt wird wohl sein Interesse an der Ablösungssumme, aber darauf hat er keinen Anspruch, wenn der andere von dem ihm freistehenden Recht der Benützung zum Anbau keinen Gebrauch macht.

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§8

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an dem zuerst gebauten Hause zusteht; dieser ist also der Gläubiger des Ablösungsanspruchs62). Aus dem gleichen Grunde erlangt den Vorteil nur derjenige, der in diesem Zeitpunkt der Eigentümer des Neubaues ist 63 ). Dieser ist also der Schuldner des Ablösungsanspruchs64). Daraus folgt: Nur derjenige, der zur Zeit der Vollendung des Anbaues im Rohbau der Eigentümer des zuerst errichteten Hauses ist, ist zur Abtretung65) des Ablösungsanspruchs berechtigt. Eine von ihm vorgenommene Abtretung ist aber auch dann wirksam, wenn sie schon vor diesem Zeitpunkte erfolgte, soferne nur der Abtretende noch zur Zeit der Vollendung des Anbaues im Rohbau der Eigentümer ist. Durch die Veräußerung des Grundstücks wird der in der Person des bisherigen Eigentümers entstandene Anspruch auf Ablösung nicht berührt. Abgetreten kann immer nur werden die Forderung gegen den Vollender des Rohbaues66).

62 ) BayZ 1915, 350 (RG); O L G 34, 1 9 1 ; SächsAnn. 36, 281 (Dresden); vgl. Lieberich 264 u. dagegen Bungard 22. Unrichtig: BayZ 1914, 180 ( L G München); Nützel, BayZ 1914, 183. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 35; Palandt-Hoche Bern. 5 b je zu § 921. 63 ) Hat dieser das Baugrundstück unmittelbar vor Vollendung des Rohbaues an einen Dritten übereignet, so ist dieser Erwerber zur Zahlung verpflichtet. Der Versuch des O L G Düsseldorf, diesem Ergebnis aus Billigkeitsgründen durch die Annahme zu entgehen, daß die Eigentumsänderung im Verhältnis zum Fortschreiten des Anbaues vor sich geht, ist verfehlt (s. oben Anm. 59). Doch kann dem Käufer, der durch arglistiges Verhalten des Verkäufers (z. B. geflissentliches Hinauszögern der Vollendung des Rohbaues während der Kaufverhandlungen und spekulatives Verschweigen der bevorstehenden Zahlungspflicht) geschädigt ist, mit § 826 geholfen werden, aber nur gegenüber seinem Verkäufer. 6i ) O L G 34, 190 (München); das gleiche gilt bei Pfändung O L G 34, 191 (Dresden); vgl. auch Westermann SR § 6 6 I V 2; a.M. Lieberich, BayZ 1914, 262 u. 264, der die Fälligkeit des Ablösungsanspruchs auf den B e g i n n des Anbaues verlegt. Schuldner ist der Eigentümer des Anbaugrundstückes zu diesem Zeitpunkt. Gleichwohl soll sein Besitznachfolger vor Zahlung der Ablösungssumme nicht weiterbauen dürfen oder gar den Anbau beseitigen müssen. Unrichtig die Ansicht ( O L G Nürnberg in JMB1. 53, 293), die Grundsätze über den Anspruch aus einer Kommunmauerablösung seien entsprechend anwendbar, wenn ein Nachbar an eine Mauer anbaut, die nicht Kommunmauer ist, weil sie ganz auf dem Boden des anderen Nachbarn steht; dazu Staudinger-Seufert Randb. 43 zu § 921. Es entsteht auch kein Ablösungsanspruch, wenn ein Nachbar die Kommunmauer nicht benützt, sondern eine eigene Mauer daneben aufführt. 65 ) Über die Zulässigkeit der Abtretung künftiger Forderungen vgl. R G K Bern. 2 Abs. 2; Palandt-Danckelmann Bern 3 je zu § 398; Lieberich, BayZ 1914, 291; Buhmann, BayZ 1914, 223; O L G 34, 190 (München). Zweifelhaft ist, ob auch die Pfändung schon vor dem Anbau zulässig ist. DieFrage wird zu bejahen sein; vgl. R G 82, 227; Lieberich, BayZ 1914, 291; Buhmann 14, 223; O L G 34, 191 (Dresden). Das durch die Pfändung begründete Pfandrecht entsteht jedoch nicht vor der Entstehung der Forderung ( R G 82, 231). Vgl. auch B G H in N J W 55, 544. 66 ) O L G 34, 190 (München); 34, 191 (Dresden); BayZ 1910, 412 (Nürnberg; 1917, 250; SeuffBl. 72, 262.

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums III 3

Ein vor Entstehung des Ablösungsanspruchs von dem Eigentümer der Kommunmauer erklärter Verzicht auf den Ablösungsanspruch bindet seinen Sondernachfolger nicht67). Eine Beschlagnahme des alten Hauses zum Zwecke der Zwangsversteigerung erstreckt sich nicht auf den Ablösungsanspruch68), der deshalb dem Zessionar verbleibt, gleichviel ob die Beschlagnahme vor oder nach der Abtretung erfolgt, immer wieder vorausgesetzt, daß der Rohbau des Nachbars zu der Zeit vollendet ist, in welcher der Zedent noch Eigentümer ist, also vor dem Zuschlag69). Aus dem Veräußerungsverbot des § 2 3 Z w V G kann das Gegenteil nicht abgeleitet werden, da von dieser Bestimmung nur rechtliche Verfügungen des Eigentümers getroffen werden, im Falle des Anbaues aber der Verlust kraft Gesetzes eintritt. Der naheliegende Gedanke, daß an die Stelle des von der Beschlagnahme erfaßten Gegenstandes (hier der ganzen Mauer) der wirtschaftliche Ersatz (hier die Ersatzforderung) treten muß, ist vom Gesetz (§ 20 Abs. 2 Z w V G mit § 1 1 2 7 BGB) nur für die besonderen Fälle des Anspruchs auf die Versicherungssumme ( § 2 0 Abs. 2 des Z w V G mit § 1 1 2 7 BGB), für den Anspruch auf Grund einer Zwangsenteignung (Art. 52 und 109 E G B G B ) und für die Ansprüche wegen Entschädigung durch den Bergbau (Art. 67 E G B G B ) angenommen. Auch im Falle der Zwangsverwaltung wird die Kommunmauerentschädigung von der Beschlagnahme nicht ergriffen, da es sich hier um eine einmalige Entschädigung handelt, die nicht zu den „Rechten auf wiederkehrende Leistungen" (§§20 Abs. 2,148 Z w V G ) gerechnet werden kann70). Ist das Grundstück, auf welchem der Neubau errichtet ist, zur Zeit der Vollendung des Rohbaues beschlagnahmt, so kann der ersatzberechtigte Eigentümer des erst gebauten Hauses den Anspruch nicht als Masseforderung geltend machen. Gegen den Ersteher des Neubaues hat er keinen Bereicherungsanspruch, da dieser das Miteigentumsrecht an der Mauer (nach der herrschenden Ansicht das Eigentum an der realen Hälfte der Mauer) auf Grund des Zuschlags, also nicht ohne Rechtsgrund (§ 812) erlangt hat. Er hat ein Haus mit vier Wänden eingesteigert und dementsprechend hat er sein Gebot gelegt. Bereichert ist und bleibt allein derjenige, der zur Zeit der Vollendung des Rohbaues Eigentümer des Neubaues war (also der Beschlagnahmeschuldner). Zu seinen Gunsten ist die Rechtsveränderung eingetreten; denn er hat trotz vorliegender Beschlagnahme das Eigentumsrecht erworben. Die Gläubiger, die Befriedigung 67

) Vgl. BayZ 1917, 250 (Dresden); a.M. Lieberich, BayZ 1914, 290. ) Vgl. Jäckel-Güthe Bern. 10 a.E. zu § 21 Z w V G , Steiner-Riedel Z w V G Einl. I V , 6b; Lieberich in BayZ 1914, 237 (260 u. 290). 69 ) Vgl. Lieberich, BayZ 1914, 292; Pfirstinger 36; Wolff im Recht 1900, 417. 70 ) O L G 9, 139 (Dresden); Lieberich, BayZ 1914, 292. 68

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Die Kommunmauer

§8

IV 1

aus dem Versteigerungserlös erlangt haben, sind nicht bereichert. Auch wenn der schier unmögliche Beweis erbracht werden könnte, daß infolge der eingetretenen Rechtsveränderung an der Mauer bei der Versteigerung ein ziffermäßig feststellbarer Mehrerlös erzielt wurde und einem Gläubiger zugefallen ist, der sonst ausgefallen wäre, ist dieser Gläubiger nicht bereichert. Nicht an ihn hat der Eigentümer der Mauer das Miteigentum verloren, sondern an den Eigentümer des Baugrundstückes. Dem genannten Gläubiger ist dieser Eigentumswechsel nur indirekt zugute gekommen und nicht etwa auf Grund einer Zuwendung des Beschlagnahme-Schuldners, sondern auf Grund des Gesetzes (§20 Z w V G , § 1 1 2 0 BGB). IV. D e r v e r t r a g s m ä ß i g e

Ablösungsanspruch

Bei den bisherigen Ausführungen wurde unterstellt, daß, abgesehen von einer etwaigen Zustimmung zur Überschreitung der Grenze irgendwelche Abreden über die halbscheidige Mauer, insbesondere den Anbau und die hierfür zu zahlende Ablösungsentschädigung von den Beteiligten nicht getroffen wurden. Nunmehr ist zu untersuchen, welche rechtlichen Folgen eintreten, wenn solche Abreden vorliegen. 1. D i n g l i c h e r V e r t r a g In dinglicher Weise kann das Rechtsverhältnis der halbscheidigen Mauer durch formgültige Bestellung einer Grunddienstbarkeit geregelt werden. In diesem Falle ist das Rechtsverhältnis nach dem Inhalt der Bestellung und den Gesetzesvorschriften über die Grunddienstbarkeiten zu beurteilen. Das Recht zur Ausübung der Grunddienstbarkeit (Benützung der Mauer zum Anbau) kann bei der Bestellung von einer Gegenleistung (Zahlung einer bestimmten Summe, der halben Baukosten oder des halben Bauwertes) abhängig gemacht werden 71 ). Die Bestellung der Grunddienstbarkeit könnte etwa in folgender Form rechtswirksam erfolgen: Die beiden Nachbarn räumen sich für ihre beiden Grundstücke gegenseitig in dinglicher Weise das An- und Aufbaurecht auf der Grenze als Grunddienstbarkeit ein. Derjenige, welcher auf seinem Grundstück zuerst einen Neubau errichtet, muß die ganze Mauer seines Neubaues je zur hälftigen Breite auf das beiderseitige Besitztum stellen. Der andere ist bei Errichtung eines Gebäudes auf seinem Grundstück zur Benützung der Grenzmauer berechtigt und verpflichtet und muß dem Eigentümer des 71 ) Vgl. Mot. 3, 277; R G K Bern. 6 zu § 9 2 1 ; Staudinger-Seufert Randb. 41 zu § 9 2 1 ; Nürnberg BayZt. 1907, 334; Geiershöfer i. Recht 1905, 402; auch Recht 1 9 1 4 Nr. 912.

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§8 IV 2

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Hauses, das zuerst gebaut wurde, die Hälfte des Bauwertes zahlen, den die halbscheidige Mauer zur Zeit des Beginns seines Neubaues hat. Der Ablösungsbetrag ist fällig, sobald der Anbau im Rohbau vollendet ist72). Das Rechtsverhältnis an der halbscheidigen Mauer kann auch in der Weise dinglich geregelt werden, daß aus dem Grund und Boden, auf welchem die halbscheidige Giebelwand steht, ein von den beiden Nachbargrundstücken abgetrenntes selbständiges Kommunmauergrundstück gebildet und im Grundbuch als Miteigentum der beiden Angrenzet eingetragen wird. Dabei wäre nach § ioio das Recht auf dauernde Benützung dieses Grundstückes zum Zwecke der Errichtung und zum Halten einer Kommunmauer zu vereinbaren und das Recht der beiden Miteigentümer, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer auszuschließen. Diese Bestimmung wäre als Belastung des Anteils im Grundbuch einzutragen (§ ioio)73).

2. S c h u l d r e c h t l i c h e r

Vertrag

Ist zwischen dem Erbauer der halbscheidigen Mauer und dem Angrenzer oder zwischen ihren Besitznachfolgern eine Vereinbarung darüber getroffen, unter welchen Bedingungen oder Voraussetzungen der Nachbar zum Anbau berechtigt sein soll, insbesondere ob und in welcher Höhe eine Ablösung zu bezahlen ist, dann ist ein solches, wenn auch formlos getroffenes Abkommen zunächst einmal obligatorisch verbindlich. Ist seit Abschluß der Vereinbarung bis zur Vollendung des Anbaues im Rohbau auf keiner Seite eine Sondernachfolge eingetreten, so ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten. Ist bedungen, daß der Nachbar für den Anbau die Hälfte der Herstellungskosten der halbscheidigen Mauer zu entrichten hat, so kann natürlich der Berechnung der Ablösung der Wert der Mauer zur Zeit des Anbaues nicht zugrunde gelegt werden, gleichviel ob er höher oder niedriger ist, wie die seinerzeitigen Herstellungskosten, während andererseits von den Herstellungskosten ein Betrag für Abnützung nicht abzuschreiben ist. Wenn über die Fälligkeit der Ablösung keine weitere Bestimmung getroffen wurde, dann wird man im Zweifel die Fälligkeit auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rohbaues verlegen müssen; denn die volle Entschädigung wird ja für die Benützung der Mauer zum Anbau versprochen und so lange sie noch nicht benützt ist, wird sie nicht geschuldet. Regelmäßig wird einer solchen Vereinbarung auf beiden Seiten der Wille zugrunde liegen, daß der Nachbar, wenn er anbaut, die ganze Mauer zum Anbau benützen soll. E r muß daher die vereinbarte Entschädigung im vollen Betrage auch dann bezahlen, wenn nur ein Teil der Mauer zum Anbau benützt wird. Das gilt wenigstens bei einer Vereinbarung, die v o r der Errichtung der halbscheidigen Mauer getroffen ist; denn in einem solchen Fall wild die halbscheidige Mauer im Vertrauen auf das Versprechen des Nachbarn errichtet, im Falle des Anbaues die halben Kosten zu ersetzen. 72 ) BayZ 1907, 334; Recht 1914 Nr. 912 (Nürnberg); B G H Z 10, 1 7 1 ; 17 241; R G Z 130, 310; Duisburg M D R 56, 486. 73 ) Vgl. Lieberich, BayZ 1914, 239; O b L G 12, 859; Buhmann BayZt. 1914, 223.

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Die Kommunmauer

IV 2

Wenn jedoch vor Vollendung des Anbaues eine Sondernachfolge im Eigentum eines der beiden Grundstücke eingetreten ist, so erhebt sich die schwierige Frage, ob die zwischen dem Vorbesitzer und dem Nachbarn getroffene Abrede auch für den Sondernachfolger verbindlich ist. Selbstverständlich ist das der Fall, wenn das Rechtsverhältnis in dinglicher Weise vereinbart ist. Erfahrungsgemäß fehlt es aber in den Rechtsgebieten, in denen die halbscheidige Bauweise üblich ist, sehr häufig sogar an formlosen Abreden, während die Bestellung einer Grunddienstbarkeit auf diesem Rechtsgebiete zu den größten Seltenheiten gehört. Es wird nun von einem Teil der Rechtslehre74) die Ansicht aufgestellt, daß eine über die Kommunmauerablösung formlos abgeschlossene Vereinbarung kraft Gesetzes auch für die Sondernachfolger verbindlich sei. Mit besonderem Nachdruck wird diese Lehre von Lieberich vertreten. Lieberich geht zutreffend davon aus, daß die halbscheidige Mauer auch schon vor dem Anbau des Nachbars eine Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 darstellt. Nun bestimme zwar § 922, daß jeder Teilhaber berechtigt sei, die Grenzeinrichtung zu dem Zwecke zu benützen, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergebe. Da aber nach § 922 auf die Grenzeinrichtung im übrigen die Bestimmungen über die Gemeinschaft anzuwenden seien und hiernach (§ 745) die Verwaltung und Benützung der Grenzeinrichtung durch Vereinbarung, die gemäß § 746 auch für die Sondemachfolger wirksam sei, geregelt werden könne, so könne die nach § 922 regelmäßige Form der gemeinschaftlichen Benützung vereinbarungsgemäß eingeschränkt oder von Bedingungen (Zahlung einer Ablösungssumme) abhängig gemacht werden und eine solche formlos gültige Vereinbarung sei in ihrer Wirksamkeit von einem Besitzwechsel unabhängig. Das ist freilich eine sehr einfache und deshalb bestechende Lösung. Sie kann aber der Nachprüfung nicht standhalten. Der Angelpunkt der Begründung liegt in der Annahme, daß das durch § 922 bestimmte gemeinschaftliche Benützungsrecht durch eine die Sondernachfolge bindende Vereinbarung über das Gemeinschaftsverhältnis (§ 746) von einer Bedingung abhängig und auch völlig aufgehoben werden könne. Aber der Grundsatz des gemeinschaftlichen Benützungsrechts wird von § 922 vorangestellt und nur „im übrigen" sollen die Bestimmungen über die Gemeinschaft gelten. Daraus folgt: Nur eine Vereinbarung über die Art und Weise des Benützungsrechts, also eine Vereinbarung, durch welche der Benützungsanspruch als solcher unberührt bleibt, ist für den Sondernachfolger verbindlich (§ 746). Das gilt für die Gemeinschaft an einer Grenzeinrichtung. Aber ganz abgesehen davon gilt bei einer dinglichen 7i

) Lieberich, BayZ 1914, 2 4 1 ; Buhmann, BayZ. 1914, 223.

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§8

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

Gemeinschaft an Grundstücken überhaupt das gleiche schon auf Grund der Bestimmungen über die Gemeinschaft75). Mit rein obligatorischer Wirksamkeit können die Beteiligten frei über das Benützungsrecht, also auch über dessen rechtlichen Bestand Vereinbarungen treffen, mithin die Befugnis eines Teilhabers auch völlig ausschließen. Zwischen ihnen und ihren allgemeinen Rechtsnachfolgern gilt die Vereinbarung allemal. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und wird durch § § 745 Abs. II, 746 lediglich bestätigt, nicht bestimmt. Zu einer Vereinbarung ist die Zustimmung aller Teilhaber erforderlich. Daneben kann nach § 745 Abs. 1 durch Stimmenmehrheit der Teilhaber, deren Stimmrecht sich nach der Größe ihrer Anteile bestimmt, eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benützung beschlossen werden. § 746 bestimmt: „Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benützung des gemeinschaftlichen Gegenstandes geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger." Durch diese Bestimmung wird der fundamentale Grundsatz des Grundbuchrechts durchbrochen, wonach ohne Eintrag in das Grundbuch Vereinbarungen der Vorbesitzer über Grundstücksverhältnisse für die Sondernachfolger nicht verbindlich sind. Es handelt sich also in § 746 um eine Ausnahmebestimmung, die als solche nicht ausdehnend ausgelegt werden darf. Schon der Gebrauch des Wortes „regeln" weist nach dem Sprachgebrauch auf eine Wiederholung gleichartiger Fälle eines länger dauernden Verhältnisses hin und dieser sprachliche Hinweis wird verstärkt durch die Gleichstellung der Begriffe „Verwaltung und Benützung" in § 745 Abs. 1 und 3, § 746. Die Ausbedingung einer einmaligen Abfindung als Bedingung für die Benützung wird daher als Regelung der Verwaltung und Benützung um so weniger aufgefaßt werden können, als ja dadurch vereinbart wird, daß ohne Zahlung überhaupt nicht benützt werden darf, mit anderen Worten das Recht der Benutzung als solches gekauft werden muß. Unter Regelung der Benutzung kann vielmehr nur eine Vereinbarung verstanden werden, welche Art und Maß des bestehenden und in seinem rechtlichen Bestand unberührt gelassenen Benutzungsrechts bestimmt, also sich darüber verhält, w i e zu benutzen ist, nicht aber ob überhaupt76) benutzt werden darf. 75 ) § 1010 kann allerdings zur Stütze dieser Ansicht nicht herangezogen werden, da er sich nur auf Miteigentum an einem Grundstücke bezieht (Buhmann, BayZ 1914, 223; während § 922 das gemeinschaftliche Benützungsrecht ganz abgesehen von der Eigentumsfrage regelt. Vgl. Staudinger-Berg Randb. 6 zu § 1010; R G Z 89, 179. 7 ®) Eine solche Vereinbarung hat nur obligatorische Wirksamkeit unter den Vertragschließenden.

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Die Kommunmauer

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Gewiß kann eine Grenzeinrichtung formlos vereinbart werden, das dadurch begründete Rechtsverhältnis muß also auch formlos wieder aufgehoben werden können. Allein durch bloße Vereinbarung wird eine Grenzeinrichtung nicht geschaffen; erforderlich ist vielmehr die mit Zustimmung beider Nachbarn erfolgte Schaffung eines t a t s ä c h l i c h e n Z u stande s, vermöge dessen die Einrichtung objektiv dem Vorteil beider Grundstücke dient. Ist einmal ein solcher tatsächlicher, von dem Gesetz mit nachbarrechtlicher (also dinglicher) Wirkung ausgestatteter Zustand 77 ) der beteiligten Grundstücke mit Zustimmung ( = Einwilligung nach § 183 oder Genehmigung nach § 184) beider Nachbarn vorhanden, dann bleibt die vom Gesetz darangeknüpfte dingliche Wirkung solange erhalten, bis dieser tatsächliche Zustand mit Zustimmung beider Nachbarn beseitigt ist. Das ist dann der Fall, wenn der tatsächliche Zustand eine an äußeren Merkmalen erkennbare Änderung erfahren hat (§921), aus der hervorgeht, daß die betreffende Einrichtung überhaupt keinem oder nur mehr einem der beiden Grundstücke als Vorteil dient. Die bloße, nicht tatsächlich ausgeführte Vereinbarung, das Grenzeinrichtungsverhältnis aufzuheben, erzeugt daher nur obligatorische, keine dingliche Wirkung78). 3. S t i l l s c h w e i g e n d e r

Vertrag

An und für sich kann jede Art von Verträgen, für die keine Form vorgeschrieben ist, durch stillschweigende Erklärung der Beteiligten geschlossen werden. Eine stillschweigende Willenserklärung darf nur in einem solchen (sog. schlüssigen) Verhalten gefunden werden, das nach den obwaltenden Umständen, insbesondere nach der Verkehrssitte, d. i. nach der in den beteiligten Kreisen herrschenden tatsächlichen Übung, dem Erklärungsgegner den Schluß ermöglicht, daß ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Wille vorhanden sei, wobei andererseits dem Handelnden selbst bewußt ist, daß sein Verhalten als Erklärung gewertet werden könnte. Entscheidend ist nicht etwa der wirkliche rechtsgeschäftliche Wille, sondern das Gesamtverhalten und dessen Würdigung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nach §§ 157, 242 B G B . Es kommt stets darauf an, wie der Vertragspartner das Verhalten auffassen mußte79). Es genügte, wenn die " ) Vgl. Lieberich, BayZ 1914, 241 u. 290. ,8 ) S. dagegen Lieberich, BayZ 1914, 290. '•) Vgl. R G Z 95, 1 2 2 ; 134, 195; R G in J W 1938; 807; B G H in N J W 53, 58; B G H in L M Nr. 1 zu § 15 7: Die Verkehrssitte dient der Auslegung zur Ermittlung des Sinnes einer Erklärung oder eines bestimmten Verhaltens, gleichgültig ob die Parteien die Verkehrssitte gekannt und sich ihr unterworfen haben oder nicht. Vgl. auch R G in J W 1 9 1 5 , 19; Staudinger-Coing Randb. 3ff. und 5 vor § 1 1 6 ; B G H Z 1 1 , 1 ; B a y O B L G Z 32, 339. 10

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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schlüssigen Handlungen zwar unmittelbar auf andere Zwecke gerichtet sind, gleichwohl aber mit Gewißheit und jede andere Deutung ausschließend den Willen erkennbar zum Ausdruck bringen, daß auch ein anderer Zweck mit umfaßt sein sollte80). Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß für das Zustandekommen eines Vertrages Erklärungen der beiden Vertragsteile erforderlich sind, die sich in allen Punkten decken. Das gilt natürlich auch für die stillschweigenden Erklärungen. Bei einem so schwierigen Rechtsverhältnis, wie es die Kommunmauer und insbesondere die Frage der Ablösungsentschädigung ist, muß eine solche Feststellung praktisch als ausgeschlossen erscheinen. Es gibt eine Theorie, welche der juristischen Not bei der Konstruktion des Ablösungsanspruchs geradezu oder fast grundsätzlich durch Unterstellung eines stillschweigenden Vertrags abhelfen will. Die stillschweigenden und sich deckenden Erklärungen der Beteiligten werden in dem Sinne konstruiert, daß sie nach der Natur der Sache durch ihr ganzes Verhalten stillschweigend erklärt haben sollen, es solle hinsichtlich der Kommunmauer, insbesondere hinsichtlich der Entschädigung für den Ausbau alles nach dem Brauche gehalten werden, der sich hierüber herausgebildet hat81). Aber worin besteht denn dieser Brauch ? Wenn schon auf dem Gebiete des bisherigen Rechts erhebliche Meinungsverschiedenheiten vorhanden waren. Bald soll die Hälfte der Herstellungskosten, bald die Hälfte des Wertes der Mauer ersetzt werden. Bald soll die Entschädigung beim Beginn des Anbaues, bald bei Vollendung des Rohbaues bezahlt werden. Die einen sprechen den Anspruch dem Erbauer zu, die andern demjenigen, der zur Zeit des Anbaues der Eigentümer ist. Wie soll hier aus der Natur der Sache der Wille der Beteiligten und noch mehr der sich in allen Punkten deckende Wille als zwingend gefolgert werden ? In Wahrheit machen sich die Beteiligten über all diese Dinge viel weniger Gedanken als die Juristen und es braucht deshalb gar nicht darauf hingewiesen zu werden, daß im Einzelfall die Beteiligten sehr häufig gar nicht darüber im klaren sein werden, daß überhaupt eine halbscheidige Scheidewand vorhanden ist. Es muß deshalb die Theorie der stillschweigenden Verträge für die Begründung der Rechtsverhältnisse der Kommun80

) R G Warn. 1919 Nr. 132. ) Vgl. B a y O b L G Z 22, 334. Hier wird das Zustandekommen eines Vertrags durch schlüssiges Verhalten darin gefunden, daß der eine Nachbar den Bauplan des anderen, der die halbscheidige Giebelmauer erbaut, unterzeichnet. Darin soll die Übernahme der Verpflichtung liegen, die Hälfte der Kosten für Errichtung der Giebelmauer zu tragen, falls diese zum Anbau benützt -werde. Gegen diese Konstruktion spricht der rein öffentlich rechtliche Charakter der Unterzeichnung des Bauplans, sofern nicht privatrechtliche Sondervereinbarungen in Mitte liegen, s. oben F N 44. 81

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IV 3 82

mauer ) als ein Mißbrauch erachtet werden, der dem Willen der Beteiligten in willkürlicher Weise Zwang anlegt und mit dem in der Praxis nichts anzufangen ist83). Wenn nun aber und nur dann, wenn zwischen dem Erbauer der halbscheidigen Mauer und dem Nachbar eine klare V e r e i n b a r u n g über das Recht zum Anbau und die dafür zu zahlende Entschädigung getroffen ist, dann kann allerdings nach den Umständen, die für jeden Einzelfall sorgfältig zu würdigen sind, ein Ubergang des Schuldverhältnisses auf den Sondernachfolger durch stillschweigende Willenserklärungen herbeigeführt sein. Man kann in einem solchen Fall auch daran denken, daß schon in dem Abschluß des Vertrages zwischen A und B, wonach B dem A für den Fall des Anbaues an die von A errichtete halbscheidige Mauer eine Ablösungsentschädigung verspricht, ein Vertrag zugunsten eines Dritten vorliegt, nämlich des Sondernachfolgers des A für den Fall, daß A sein Grundstück an ihn (C) weiterverkauft, bevor B angebaut hat. Ob in dem Vertragsabschluß zwischen A und B wirklich dieser Wille stillschweigend zum Ausdruck gebracht wurde, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des E i n z e l f a l l s festzustellen. In einem solchen Fall wäre dann bei Veräußerung des Grundstückes des A an C eine ausdrückliche oder stillschweigende Abtretung des Ablösungsanspruchs gar nicht erforderlich. Auf Grund des Vertrages zugunsten des Sondernachfolgers würde C unmittelbar den Anspruch erwerben, soferne er nicht das aus dem Vertrage erworbene Recht dem Versprechenden B gegenüber zurückweist (§ 333). Dazu kann er alle Veranlassung haben, wenn er nach der Abrede seines Vorbesitzers A mit B nur die halben Herstellungskosten beanspruchen könnte, der halbe Wert der Mauer, auf den er gesetzlich Anspruch hat, aber inzwischen viel höher geworden ist. Ein zwischen den Nachbarn mit obligatorischer Wirkung unter ihnen begründetes Schuldverhältnis kann natürlich sowohl auf der Gläubigerwie auf der Schuldnerseite auf dritte Personen übergehen. Die Zulässigkeit einer A b t r e t u n g des bedingten Ablösungsanspruchs ist bereits oben dargetan. Es fragt sich nur, ob diese Abtretung auch s t i l l s c h w e i g e n d erfolgen kann. Das ist grundsätzlich möglich. Wenn A und B 82 ) Vgl. Koppers, D J Z 1904, 806; Broicher in PuchZ 38, 1 7 5 ; BadRspr. 1905, 61 (Kalrsruhe) und die ältere, später preisgebene Rechtsprechung des O L G Dresden seit dem Urteil in SächsAnn. 26, 132 (s. darüber Breit in FischersZ 35, 116). 83 ) Mit Recht ist daraufhingewiesen (RheinArch. 110, 147 (Düsseldorf)); 108, 372 (Karlsruhe) und insbes. von Breit in FischersZ 35, 120), daß gerade in Gebieten, w o die halbscheidige Bauweise althergebracht ist, die Beteiligten bauen im Vertrauen auf diesen Brauch, nicht auf ein Einverständnis des Nachbars, das sie meist gar nicht für nötig halten.

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die Vereinbarung getroffen haben, daß B im Falle des Anbaues an die von A errichtete halbscheidige Mauer an A eine Ablösungsentschädigung zu bezahlen habe, dann werden die beiden Nachbarn unter Umständen als selbstverständlich erachten, daß dann, wenn zur Zeit des Anbaues A nicht mehr Eigentümer sein sollte, dessen bedingter Anspruch auf seinen Sondemachfolger übergehen soll. Wenn nun auch C von der Tatsache, daß eine halbscheidige Kommunmauer vorhanden ist, zur Zeit des Kaufabschlusses Kenntnis hatte, dann wird man als Willen des Verkäufers A und des Käufers C beim Kaufabschluß unterstellen dürfen, daß der dem A gegen B zustehende Anspruch auf C übergehen soll. In einem solchen Fall kann unter Umständen stillschweigende Abtretung angenommen werden. Wird der Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen, dann wird die stillschweigende auf Abtretung gerichtete Willenserklärung gültig (§ 313 Abs. 2). Baut dann B an, so muß er gleichwohl nicht ohne weiteres an C bezahlen; denn er ist zur Leistung an C nur gegen eine von dem bisherigen Gläubiger A über die Abtretung ausgestellte Urkunde verpflichtet (§ 410). Die Ausstellung dieser Urkunde kann aber C von A verlangen (§ 403). Andererseits kann die Schuld (Ablösungsentschädigung) von einem Dritten (Sondernachfolger) durch V e r t r a g mit dem Schuldner in der Weise übernommen werden, daß der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt (§ 415). Wenn also das Grundstück, auf dem der Anbau in Aussicht genommen war, an D, als dem Sondernachfolger des B, übergegangen ist, dann kann die bedingte Ablösungsschuld durch Vertrag zwischen dem Verkäufer B und dem Käufer D von letzterem übernommen werden. Wie jeder Vertrag, so kann auch die S c h u l d ü b e r n a h m e durch stillschweigende Erklärungen vereinbart werden. Die Wirksamkeit der Schuldübernahme hängt nach § 415 von der Genehmigung des Gläubigers (das ist der Eigentümer des zuerst erbauten Hauses) ab. Auch diese Genehmigung kann stillschweigend erklärt werden84). Wenn der Gläubiger an die mit dem Vorbesitzer des Anbaugrundstückes getroffene V e r e i n b a r u n g obligatorisch gebunden ist (sei es, daß er die Vereinbarung selbst getroffen oder in den von seinem Vorbesitzer geschlossenen Vertrag vertragsmäßig eingetreten ist), dann ist zu untersuchen, ob nicht der Gläubiger nach dem Inhalt dieses ursprünglichen Vertrages im vornherein seine Einwilligung zu der Übernahme der Schuld durch jeden Sondernachfolger des Schuldners erklärt hat. Eine solche im voraus erklärte Einwilligung ist wirksam86). 84 85

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) Vgl. BayZ 1921, 44; R G Z 107, 216; H R R 1928 Nr. 8. ) Vgl. RGKomm. Bern. 2 zu § 4 1 5 ; R G Z 60, 4 1 5 ; H R R 1933, Nr. 1 4 1 5 .

Erhöhung einer Grenzmauer

§9

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§ 9. Erhöhung einer Grenzmauer

I. R e c h t der E r h ö h u n g 1 ) Es ist die Ansicht begründet worden, daß die Bestimmungen des Ausführungsgesetzes über das Recht eines Teilhabers, eine Grenzmauer ihrer ganzen Dicke nach zu erhöhen, gültig sind. Pflichtet man dieser Ansicht bei, so ergibt sich folgendes: An und für sich läßt Art. 68 Abs. 1 AG dem Nachbar für den auf seiner Seite liegenden Teil der Mauer 3 ) das aus seinem Sondereigentum4) entspringende Recht, der Erhöhung der Mauer (nach ihrer ganzen Dicke) zu widersprechen. Wenn ihm aber der andere Nachbar den Nachweis erbringt, daß durch eine solche Erhöhung die Mauer keine Gefährdung erleidet5), so wird hierdurch das Verbietungsrecht aufgehoben6). Wie dieser außergerichtliche Nachweis zu führen ist, bestimmt das Gesetz nicht; in der Regel wird er durch Beibringung sachverständiger Gutachten geliefert werden. Es muß aber jedenfalls ein solcher Nachweis erbracht werden, daß ein vernünftiger Mensch sich dabei beruhigen kann. Es ist möglich, daß der Eigentümer gegen das vom Nachbar beigebrachte Gutachten von Sachverständigen begründete persönliche oder sachliche Bedenken haben kann. Insolange er begründeten Anlaß zu solchen Bedenken hat, verliert er sein Verbietungsrecht nicht. Der Nachweis muß eben so beschaffen sein, daß er vernünftige Zweifel ausschließt7). Ist dem Nachbar zwar ein Beweis durch Sachverständige oder auf andere Weise erbracht, welchen er nicht für genügend erklärt und es kommt dann zum Prozeß8), in welchem dargetan oben2)

§ 9. *) Auf ein Unterfangen (Tieferlegen) der Mauer (z. B. zum Zwecke der Anlage eines Kellers, wo bis dahin keiner vorhanden ist) hat ein Teilhaber gegen den Willen des anderen keinen Anspruch. Obermeyer in SeuffBl. 68, 496. 2 ) S. oben § 7, V. 3 ) Ein bloßer aus zusammengemauerten Steinen verbundener Sockel, der nur zur Anbringung und Stütze eines Grenzgitters dient, ist überhaupt nicht als Mauer zu erachten. Vgl. RheinArch. 1 0 4 1 38 (Köln). 4 ) Vom Standpunkt der Lehre der Motive, der auch der des bayerischen wie des preußischen A G ist (RheinArch. 97, 141 R G ) ; Crusen-Müller Bern. 1 zu Art. 32 pr. A G Für die hier vertretene Auffassung vom Miteigentum gelangt man in gleicher Weise zum Widerspruchsrecht aus § 744 Abs. 2 B G B . 6 ) Aus anderen Gründen (z. B. Entziehung von Luft und Licht durch den Maueraufbau) kann ein Verbietungsrecht nicht abgeleitet werden. Oertmann, Landesprivatrecht 335. 6 ) Selbstverständlich entfällt das Verbietungsrecht, wenn der Nachbar den Aufbau gestattet hat; eine solche formlos erteilte Erlaubnis wirkt aber natürlich nur obligatorisch. 7 ) AAPr. 1 7 1 u. 172; Becher, Mat. I, 444f. 8 ) Derjenige, welcher die Mauer ihrer ganzen Dicke nach erhöhen will und hieran durch den anderen Angrenzer gehindert wird, hat die actio negatoria (§ 1004) zu erheben; Oertmann, Landesprivatrecht 336; für die Feststellungsklage ist hier das rechtliche Interesse

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§9

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wird, daß einerseits der beigebrachte Nachweis ein vollständiger nicht war und andererseits ein Schaden durch die Erhöhung tatsächlich nicht verursacht wird, so werden die Prozeßkosten nach § 93 ZPO dem Kläger zur Last gelegt werden müssen, wenn der Beklagte s o f o r t nach Erbringung des genügenden Nachweises seine Zustimmung zur Erhöhung erteilt. Denn dann hat er zur Erhebung der Klage durch sein Verhalten keinen Anlaß gegeben9). Wenn der Beklagte aber noch nach der im Prozeß erfolgten Beibringung des genügenden Nachweises widersprochen hätte, dann müßte er sämtliche Kosten tragen10). Wollen beide Nachbarn erhöhen, so ist nicht die Priorität der Erklärung entscheidend, sondern es ist unter Zugrundelegung der Gemeinschaftsnormen eine verständige Regelung zu treffen 11 ). Sobald der genügende Nachweis erbracht ist, ist der Nachbar verpflichtet, die Erhöhung auf der ganzen Dicke der Mauer, also auch auf seiner Seite zu dulden12). Zu einem aktiven Mitwirken bei der Errichtung des Maueraufbaues ist der Nachbar nicht verpflichtet. Ist die Mauer zu schwach, um den beabsichtigten Aufbau zu tragen, so kann der Nachbar, welcher den Aufbau aufführen will, die Mauer verstärken lassen. Die Verstärkung hat er jedoch auf seiner Seite anzubringen ( Art.68 Abs. 3 AG). Dagegen ist es nicht etwa zulässig, daß er die stehende Mauer einreißt und mit stärkerer Konstruktion herstellt13). Art. 68 A G räumt dem Nachbar nur ein Recht zur Erhöhung der M a u e r ein; steht die Mauer unter den Dächern der beiden Nachbarhäuser derart, daß die Dachtraufdächer der beiden Nachbaranwesen auf der Oberkante der Mauer zusammenstoßen, so darf der Nachbar zum Zwecke der Erhöhung der Mauer keine Einwirkung auf das Dach des Nachbars ausüben. Denn dort, wo das Dach des Nachbars anfängt, hört die Grenzeinrichtung auf. Vielfach ist die Beschaffenheit der Scheidemauer derart, daß die beiden Häuser, welche äußerlich ein unausgeschiedenes Ganzes bilden, im Innern von der Scheidemauer getrennt werden. Solche Nachbarhäuser haben meistens zusammen einen einheitlichen Dachstuhl. Der Dachstuhl ist nun unter keinen Umständen eine stets gegeben; vgl. Staudinger-Berg Randb. 4 zu § 1004; gegen tatsächliche Hinderung ist der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung gegeben. S. unten § 58. 9 ) A A P r . 1 7 2 ; Becher, Mat. I, 445. 10 ) Nicht bloß die „weiteren", wie es in A A P r . 1 7 2 ; Becher, Mat. I, 445 heißt; denn dann fehlt es an der zweiten Voraussetzung des § 93 Z P O , daß der Beklagte den Anspruch s o f o r t anerkennt. 11 ) Vgl. Stranz-Gebhard Bern. 9; Crusen-Müller Bern, i b zu Art. 8} pr. A G . 12 ) Und zwar im Gegensatz zu Art. 658 C. c. ohne Vergütung (Stranz-Gebhard Bern. 8 zu Art. 23 pr. A G ) . 13 ) Vgl. Henle-Schneider Anm. 5 zu Art. 68 A G RheinArch. 97 II 142 (RG). Anders war es nach Art. 659 C. c.

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Erhöhung einer Grenzmauer

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Grenzeinrichtung. Schwierigkeit wird es nur bereiten, die genaue Grenzlinie beim Mangel äußerer Merkmale festzustellen. Aber die Grenze läßt sich nötigenfalls im Wege des Grenzscheidungsverfahrens feststellen. Würde durch die beabsichtigte Erhöhung der Mauer auf das so gefundene Alleineigentum des Nachbars an dem Dachstuhl eingewirkt, dann ist die Erhöhung der Mauer unzulässig. Regelmäßig wird diese Voraussetzung zutreffen. Der Nachbar, welcher bauen will, kann sich nur dadurch helfen, daß er die Mauer auf seiner Seite verstärkt und dann den Aufbau in einer Weise aufführt, daß er hierdurch auf das Eigentum des Nachbars an dem realiter abgeteilten Dachstuhl keine Einwirkung ausübt. Verjüngt sich die Mauer nach oben, so darf die Erhöhung nur in der Stärke des oberen Teiles vorgenommen, nicht etwa die ganze Mauer vom Beginn der Verjüngung an gleichmäßig breit verstärkt und dann erhöht werden14). Ist die Erhöhung der Mauer zulässig, so müssen ihre Kosten von demjenigen Nachbar bestritten werden, der sie ausführt. Dieser hat auch den Mehraufwand zu tragen, den die Unterhaltung der Mauer infolge der Erhöhung verursacht (Art. 68 Abs. 4 letzter Satz)16). Andrerseits ist auch nur dieser Nachbar berechtigt, die Vorteile der Mauererhöhung zu genießen. Der andere Nachbar hat also keinen Anspruch auf die Mitbenützung jenes Teiles der Mauererhöhung, der auf seinem Alleineigentum steht16). Durch Art. 68 Abs. 2 A G wird dies in negativer Weise zum Ausdruck gebracht. Der Eigentümer des Grundstückes, von dem aus die Erhöhung erfolgt ist, kann dem Eigentümer des anderen Grundstückes die Benützung des Aufbaues verbieten. Bei dieser Fassung des Gesetzes ist die Benützung des Maueraufbaues durch den anderen Nachbar insolange nicht rechtswidrig, als kein Verbot der Benützung erfolgt ist. Das Verbietungsrecht des Eigentümers des Grundstückes, von dem aus die Erhöhung erfolgt ist, fällt aber dann weg, wenn ihm von dem anderen Nachbar für die Hälfte oder, wenn nur ein Teil des Aufbaues benützt werden soll, für den entsprechenden Teil der Baukosten Ersatz geleistet wird. Ist der Bauwert geringer als der Betrag der Baukosten, so bestimmt sich der zu ersetzende Betrag nach dem Bauwerte. Der Ersatz ist stets dem derzeitigen Eigentümer des Grundstückes, von dem aus die Erhöhung vorgenommen wurde, zu leisten, auch wenn dessen Besitz14

) RheinArch. 97 I 58 (Köln); 97 II 135 (RG). ) Böhm-Klein Anm. 2 zu Art. 68. 16 ) RheinArch. 102 I 268 (Köln) nimmt an, daß das aufgesetzte Mauerstück nach § 95 im Alleineigentum desjenigen steht, der es aufgesetzt hat. Danach besteht die Mauer unten aus zwei Mauerteilen im getrennten Eigentum der beiden Nachbarn, oben aus je einem Stück, das ganz im Alleineigentum steht. Ein Musterbeispiel konstruktive Künstelei, die abzulehnen ist. 15

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§ 9 I

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Vorgänger den Aufbau ausgeführt hatte. Das Verbietungsrecht ist ein dem Eigentümer zustehendes dingliches Recht; er verliert es, wenn man an ihn bezahlt17). Hat der Eigentümer des Grundstückes, von dem aus die Erhöhung vorgenommen wurde, die Mauer zum Zwecke der Erhöhung verstärken müssen18), so erhöht sich der von dem anderen Nachbar zu ersetzende Betrag um die Hälfte der Baukosten der Verstärkung und des entsprechenden Teiles des Wertes der zu der Verstärkung verwendeten Grundfläche. Verlangt 19 ) der Eigentümer des Grundstückes, auf dem die Verstärkung angebracht ist, diese Ersatzleistung, so ist er verpflichtet, dem Eigentümer des anderen Grundstückes das Eigentum an der zu der Mauer verwendeten Grundfläche soweit zu übertragen, daß die neue Grenzlinie durch die Mitte der verstärkten Mauer geht20). Die Vorschriften über den Kauf finden entsprechende Anwendung 21 ). Die Ersatzleistung kann auch 17 ) Vgl. übrigens SeuffBl. 53, 1 ff. Das Verbietungsrecht auf Benützung des Anbaus ist der Verjährung nicht entzogen (Art. 78 AG). Die Verjährung beginnt mit der Benützung. Meikel in SeuffBl. 66, 512. 18 ) Das ist nur dann der Fall, wenn die Verstärkung zum Zwecke der Erhöhung notwendig, nicht nur nützlich war, vgl. Begründung z. A G 42; Becher, Mat. I, 90; BöhmKlein Bern. 3 zu Art. 68. 19 ) E r kann sich natürlich auch mit der einfachen Kostenerstattung des Art. 68 Abs. 2 begnügen. 20 ) Diese Bestimmung ist äußerst doktrinär und unpraktisch. Der Gesetzgeber ist zu derselben durch eine schiefe Auffassung des Wesens der Grenzeinrichtung gekommen. E r geht nämlich von der Voraussetzung aus, daß vermöge der Verstärkung eine Grenzverschiebung stattfinden wird, infolge deren die genaue Grenze durch die Mitte der verstärkten Mauer geht. Das ist nicht richtig. Eine von einem Angrenzer auf seinem Grund und Boden vorgenommene bauliche Änderung übt auf das Eigentum des unter der Mauer befindlichen Bodens gar keinen Einfluß. Es ist eine unrichtige Voraussetzung, daß die Grenze gerade durch die Mitte der Grenzeinrichtung gehen muß. (Vgl. dagegen M 3, 275; Mugdan 3, 152). Es ist sehr wohl möglich, daß eine Grenzmauer zu 1 / i ihres Querschnitts auf dem Boden des A und zu 3/4 auf dem Bodes des B steht. Bei einer solchen Rechtslage würde sich aus der obenerwähnten Bestimmung des Art. 68 A G eine geradezu absurde Konsequenz ergeben, wie die nachstehende Skizze dartut. a b c d stellt den Querschnitt der ß lzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzi}x Grenzmauer dar; ef ist die Grenzlinie. g h a b ist der Querschnitt derVerstärkung, welche A angebracht hat. Nach Art. 68 A G muß nun die Mittellinie von g h c d festgelegt werden; dieselbe wird durch i k dargestellt. A hat dann samt der Verstärkung noch lange nicht die Hälfte der verstärktenMauer; durch eine von ihm betätigte Abtretung kann daher die Grenze unmöglich in die Mitte verlegt werden. 21 ) Das Verlangen zur Eigentumsübertragung ist formlos wirksam, aufgelassen muß jedoch dann in der Form des § 313 werden.

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Erhöhung einer Grenzmauer

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durch Hinterlegung22) oder durch Aufrechnung erfolgen. Es ist keineswegs in das Belieben des Nachbars, der den Aufbau ausgeführt hat, gestellt, sich durch Verweigerung der Annahme der Ersatzleistung sein Verbietungsrecht zu erhalten. Andrerseits kann der Nachbar, welcher den Maueraufbau errichtet hat, den anderen Nachbar, sobald dieser den Maueraufbau ohne vorherige Ersatzleistung tatsächlich in Benützung genommen hat, nach seiner Wahl auf Ersatz der Baukosten oder nach vorausgegangenem Verbot auf Unterlassung der Benützung belangen23). B e w e i s l a s t gilt: es muß derjenige, der das Verbietungsrecht geltend macht, lediglich beweisen, daß von ihm oder seinem Besitzvorgänger der Aufbau ausgeführt wurde24). Sache des Gegners ist es dann, zu beweisen, daß er die Baukosten dem Eigentümer oder dessen Besitzvorgänger ersetzt hat. Sowohl das Verbietungsrecht, als der Anspruch auf Ersatzleistung26) erlöschen gemäß Art. 77 A G durch Verzicht des Berechtigten, welcher als empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Eigentümer des Nachbargrundstückes zu erklären ist. Für diesen Verzicht ist keine Form vorgeschrieben; er ist unwiderruflich. Ist das Grundstück des Berechtigten mit dem dinglichen Rechte eines Dritten belastet, so ist die Zustimmung des Dritten zum Verzichte erforderlich, wenn 22 ) Durch bloßes, wenn auch tatsächliches Anbieten der Ersatzleistung wird das Verbietungsrecht noch nicht entzogen. Nimmt der Ersatzberechtigte nicht an, so muß vielmehr hinterlegt werden. 23 ) Aus dem Wortlaut des Art. 68 A G (gleichlautend mit Art. 23 § 2 pr. A G ) „kann verbieten, bis ihm . . . Ersatz geleistet wird", wird von Stranz-Gerhard Bern. 1 1 ; CrusenMüller Bern. II 1 b; Hodler Bern. 3 zu Art. 23 pr. A G und RheinArch. 102 I 268; 1 0 4 1 34 (Köln) gefolgert, daß das Kostenbegehren nur einredeweise gegen den Benutzungsanspruch, nicht aber aktiv geltend gemacht werden dürfe. Die Redaktion des Art. 68 Bay.A G (Art. 33 pr. A G ) ist aber schwach. In Art. 68 Abs. 3 Bayr AG(Art. 23 § 3) steht deutlich: „Verlangt der Eigentümer — die Ersatzleistung". Der Wortlaut des Gesetzes gibt also jeder der zwei Deutungen Raum. Die Absicht des preuß. Gesetzgebers, dessen Konzept der bayerische abgeschrieben hat, ging dahin, das bisherige Recht dem Sinne nach aufrechtzuerhalten. Art. 660 C. c. gewährte aber dem Erhöhenden ein Forderungsrecht.Das besteht auch unter der Geltung des neuen Rechts (RheinArch. 105 148(Köln); SeufFBl. 70, 210 (München)). Auch Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht 3 3 6 f. gewährt einen klagbaren Anspruch auf Kostenerstattung von dem Moment an, wo der Nachbar durch tatsächliche Gebrauchsanmaßung o d e r w ö r t l i c h e E r k l ä r u n g d e n Willen bekundet hat, sich die Vorteile der Mauelerhöhung anzueigenen. 24 ) Ob die Erhöhung für die Mauer schädlich war oder nicht, ist für das Verbieten der Benützung gleichgültig. Auch wenn die Erhöhung auf Grund einer von dem anderen Nachbar erteilten Erlaubnis ausgeführt wurde, kann ihm der Erbauer die Benützung des Aufbaus bis zur Ersetzung der halben Baukosten verbieten. 25 ) Und zwar auf Ersatz sowohl der Baukosten der Erhöhung als der Verstärkung: Art. 68 Abs. 3 A G , welcher die Kosten der Verstärkung behandelt, ist zwar in Art. 77 A G nicht besonders genannt, allein es handelt sich hierbei nur um eine Erweiterung der in Art. 68 Abs. 2 A G behandelten Ersatzpflicht (vgl. Böhm-Klein Anm. 5 zu Art. 68 A G ) .

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dessen Recht durch den Verzicht berührt würde. Die Zustimmung des Dritten ist entweder dem Grundbuchamte oder dem Eigentümer des Nachbargrundstückes gegenüber zu erklären und ist unwiderruflich (Art. 77 Abs. 2 A G mit § 876 BGB). Im Falle der Belastung mit einer Reallast, einer Hypothek, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld ist der Verzicht auf das in Art. 68 Abs. 2 A G bezeichnete Verbietungsrecht dem Dritten gegenüber wirksam, wenn er erfolgt, bevor das Grundstück zugunsten des Dritten in Beschlag genommen worden ist (Art. 77 Abs. 2 AG). Der Eigentümer kann also ungeachtet einer bestehenden Hypothek oder eines dieser gleichgestellten Rechte auf sein Verbietungsrecht ohne Zustimmung des Gläubigers verzichten, solange nicht das Grundstück zu dessen Gunsten in Beschlag genommen ist. II. B e s e i t i g u n g eines A u f b a u e s auf der

Kommunmauer

Hat ein Teilhaber die Kommunmauer erhöht, so darf er diese Erhöhung eigenmächtig jedenfalls dann nicht beseitigen, wenn er für die Erhöhung auch einen Teil der Kommunmauer benützt hat, der auf dem Grund und Boden des Nachbarn steht. Denn in diesem Fall ist auch der Maueraufbau als Grenzeinrichtung zu betrachten (vgl. oben § 8 II 1). Die zur Schaffung einer Grenzeinrichtung erforderliche Zustimmung des Nachbars, die auch als nachträgliche Genehmigung erfolgen kann, liegt hinsichtlich des Maueraufbaues letzten Endes in der Unterlassung eines Widerspruches gegen den Aufbau. Ist aber die Erhöhung nur auf dem Teil der Mauer vorgenommen worden, der auf dem Grund und Boden des Erhöhenden steht, so ist der Aufbau nicht als eine Grenzeinrichtung zu erachten. Dann darf der andere die Erhöhung trotz des Widerspruches des Teilhabers nicht beseitigen, und zwar selbst dann nicht, wenn auch dieser auf seiner Seite der Kommunmauer einen Aufbau ausgeführt hat. Dabei ist es für die Entscheidung dieser Frage ohne Bedeutung, ob man Miteigentum oder abgeteiltes Alleineigentum an der Kommunmauer unterstellt. Denn da die Unterstellung des Miteigentums auf der Annahme beruht, daß § 93 B G B den § 94 B G B überwindet, so steht das Miteigentum an der Kommunmauer der Annahme des Alleineigentums an den Maueraufbau nicht entgegen. Da der aufgebaute Teil nur dem Haus dessen, der die Erhöhung vorgenommen hat, als Umfassungsmauer dient, steht diese als wesentlicher Teil des Hauses im Alleineigentum des Hauseigentümers (§93 BGB). Das Recht zur Beseitigung des Aufbaues ergibt sich aus § 903 B G B . Auf einer Kommunmauer, die mit ihrem breiteren Teil auf dem Grundstück des Beklagten steht, hat zunächst dieser, dann der Kläger eine Mauer je als Seitcnwand eines Hausaufbaues errichtet. Die beiden Mauern hielten sich diesseits der Grundstücks-

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Erhöhung einer Grenzmauer

§9 in

grenzen. Beklagter hat sein Gebäude und damit auch seinen Maueraufbau, nicht aber die Kommunmauer abgerissen. Der Maueraufbau des Klägers war für sich allein zu schwach und mußte deshalb verstärkt werden. Kl. beanspruchte vom Bekl. Ersatz der Kosten der Verstärkung. Die Klage wurde mit Recht abgewiesen (HeßRspr. 1 9 1 7 , 189). Ob der Bekl. beim Abbruch der Mauer die nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte (s. unten § 17, III), stand nicht in Frage.

III. Ü b e r g a n g s v o r s c h r i f t Art. 68 A G ist maßgebend für alle Grenzmauern, gleichviel ob sie vor oder nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches errichtet worden sind26). Ist eine Grenzmauer, zu deren Benützung die Eigentümer der Nachbargrundstücke gemeinschaftlich berechtigt sind, vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches von dem Eigentümer des einen Grundstückes e r h ö h t worden, so findet, soweit nach den bisherigen Vorschriften 27 ) für die Benützung des Aufbaues seitens des Eigentümers des anderen Grundstückes ein Teil der Kosten zu ersetzen oder eine sonstige Vergütung zu leisten ist, die Vorschrift des Art. 68 Abs. 2 und 3 über das Recht des einen Nachbars, die Benützung des Aufbaues zu verbieten, Anwendung, es sei denn, daß die Vergütung schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches fällig geworden ist, in welchem Falle es bei der Gestaltung, die das Rechtsverhältnis durch die bisherigen Vorschriften erhalten hat, sein Bewenden hat (Art. 69 AG). Im anderen Falle richtet sich die Heranziehung zu den Baukosten auch nach den neuen Vorschriften, wenn die Erhöhung der gemeinschaftlichen Mauer schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches erfolgt ist, die Benützung des Aufbaues aber erst nach diesen Zeitpunkte eintritt28). Dagegen ist die Frage, ob die vor diesem Zeitpunkte erfolgte Erhöhung der Mauer zulässig war, nach bisherigem Rechte zu entscheiden29). Hat aber das bisherige Recht für den Fall, daß die Erhöhung in unzulässiger Weise von dem einen Teil26 ) Pfirstinger, Die Kommunmauer 1 2 ; vgl. RheinArch. 101, 227; 104 I 34; 105 I 48 (Köln). 27 ) Code civil Art. 6j8f., sowie die Statutarrechte von München (Bauordnung Art. 4); Amberg (Bauordnung X I ) ; Ulm (Bauordnung V I I , 3); Memmingen (Bauordnung X I , 4); Mainz (Bauordnung VII, 21) geben dem Nachbar die Befugnis, eine gemeinschaftliche Mauer ohne Zustimmung des anderen Nachbars zu erhöhen und versagen dem anderen Nachbar das Recht der Mitbenützung, bis er die Hälfte der Baukosten ersetzt hat. 28 ) Henle-Schneider Anm. 3 zu Art. 69 A G . 29 ) Zulässig ist die Erhöhung einer Kommunmauer ihrer ganzen Dicke nach nach den Statutarrechten von München, Amberg, Ulm, Memmingen und Mainz. Die Statutarrechte von Nürnberg Ref. X X V I , 4 und Augsburg (Bauordnung II, 5) gestatten dem Miteigentümer das Höherbauen auf der H ä l f t e der Mauer. Das gemeine Recht dagegen verbietet die einseitige Erhöhung der Kommunmauer 1. 27 § I D 8, 2: Si in area communi aedificare velis, socius prohibendi ius habet, quia invito socio in iure communi non habeas ius aedificandi.

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§10

I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

haber vorgenommen wurde, dem anderen Teile einen Anspruch auf Niederreißung einer verbotswidrig vorgenommenen Erhöhung eingeräumt, so wird dieser Anspruch durch das Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung30) beseitigt. Die gegenteilige Ansicht entbehrt der Begründung obwohl sie sich auf Gesetzgebungsverhandlungen berufen kann 31 ). E s kann in einem geordneten Rechtsleben nicht angängig sein, daß der eine Teilhaber von dem anderen die Niederreißung der Mauer verlangen kann, obwohl der andere Nachbar berechtigt ist, die niedergerissene Mauer am anderen Tag in gleicher Weise wieder aufzubauen. Einem solchen Verlangen kann aus § 226 B G B wirksam begegnet werden. § 10. Grenzbaum*) Indem die Grenze die zusammenhängenden Bestandteile der Grundstücke (Erdboden, Gestein, Gebäude) durchschneidet, teilt sie auf beiden Seiten der Grenze liegenden Stücke dem einen oder dem anderen Grundstücke zu. Durchschneidet die Grenzlinie den Stamm eines Baumes da, wo er aus der Erde heraustritt, so würde bei strenger Durchführung des § 94 der Baum, solange er steht, körperlich geteilt zu erachten sein; das eine Stück würde dem einen, das andere dem anderen Grundeigentümer zum Alleineigentum gehören. Allein nach der hier vertretenen Ansicht (s. oben S. 103) geht § 93 dem § 94 vor; ein körperlich geteiltes Eigentum an einer einheitlichen Sache ist wirtschaftlich und rechtlich unmöglich. Der Baum und andere Gewächse, die auf der Grenze stehen, sind im M i t e i g e n t u m der beiden Nachbarn 1 ), auf welches die Vorschriften der § § 741 ff. B G B über die Gemeinschaft anzuwenden sind. Im Einklang mit § 749 B G B bestimmt § 923 B G B , daß jeder der Nachbarn die Beseitigung des Baumes verlangen kann. Auf die Wurzelung kommt es nicht an. Der Baum, dessen Stamm von der Grenze nur gestreift, nicht geschnitten wird, steht mit samt seinen in das Eigentum des Nachbars hinüberragenden Wurzeln und Zweigen im A l l e i n e i g e n t u m e desjenigen, auf dessen Grund und Boden der Stamm heraustritt2). Wird der Stamm erst weiter oben wegen schiefen 30

) Die Gültigkeit des Art. 68 A G vorausgesetzt s. oben § 7 III. ) Äußerung von Jacubezkys A A P r . 173 (Becher, Mat. I, 446 f.) und im Gefolge hiervon Böhm-Klein Anm. 2 zu Art. 69 und Henle-Schneider Anm. 2 zu Art. 69 A G . 31

§ 10 *) Vgl. Ortloff in ArchBürgR 1 7 , 2 3 4 ; Trendel in SeuffBl. 71, 508 ; Luks in Gruch 60, 975; Weber, Grundeigentum 1937, 874; Glaser in B l f G B W 52, 53. r ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 923 § 923; Luks in Gruch 60, 480; gegenteilige herrsch. M. M3, 278 (Mugdan 3, 15 3) ; Planck-Strecker Bern. 1 ; R G R K o m m . Bem.i Palandt-Hoche Bern, je zu § 923. 2 ) O G H (alt 8, 453 ; Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 923.

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Grenzbaum

§ 1 0

Wachstums von der Grenze geschnitten, so ist § 910 anzuwenden3). Auf keinen Fall hat aber der Nachbar das Recht, den Baum ohne Einwilligung des anderen zu fällen4). Der Anspruch auf Beseitigung des Grenzbaumes oder Grenzstrauches unterliegt nach § 924 B G B nicht der Verjährung. Der Anspruch auf Beseitigung ist aber dann ausgeschlossen, wenn der Baum als Grenzzeichen dient und den Umständen nach nicht durch ein anderes zweckmäßiges Grenzzeichen ersetzt werden kann5). Letztere Ausnahmen wurde für notwendig gehalten wegen der in manchen Gegenden, insbesondere den Überschwemmungsgebieten größerer Flüsse, bestehenden Notwendigkeit, die Grenze durch Bäume (sog. Kopfbäume, gekappte Weiden) zu sichern, weil andere Grenzzeichen weggespült würden6). Dient eine Baumreihe oder eine Sträucherreihe (Hecke) als Grenzeinrichtung im Sinne des § 921, so besteht der Anspruch auf Beseitigung nicht, gemäß § 922 BGB 7 ). Im übrigen sind für die Verwaltung des Baumes (Strauches) die Vorschriften der §§ 744fr. B G B maßgebend. Für andere Sachen, z. B. Steine, Balken, gelten die Vorschriften des § 925 selbstverständlich nicht. Der Nachbar ist befugt, den Stein bis zu seiner Grenze herauszubrechen, denn so weit gehört er ihm. Nimmt er den ganzen von der Grenze durchschnittenen Steinblock heraus, so handelt er rechtswidrig. An dem herausgenommenen Steinblock besteht Miteigentum nach Bruchteilen, welche von dem bisherigen Grenzschnitt nach Verhältnis des Realeigentums bestimmt werden8). An und für sich müßte man annehmen, daß von dem Miteigentum an dem Baum jedem der Teilhaber ein Bruchteil zuzuweisen sei, dessen Größe dem Verhältnis der räumlichen Erstreckung des Baumes in das eine oder andere Gebiet entspricht. Da aber § 923 B G B den g e f ä l l t e n Baum und die Früchte9) des stehenden Baumes den Teilhabern zu gleichen Teilen zuspricht10) und ebenso die Kosten der Beseitigung verteilt, so 3

) Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 923. ) RGRKomm. Bern. 4; Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 923. ) Die Beweislast dafür, daß der Baum als Grenzzeichen dient, trägt derjenige, der den Baum erhalten will; sie wird erfüllt sein, wenn die Grenze nicht vermarkt ist und der Grenzbaum an einer Stelle steht, an welche bei vorzunehmender Vermarkung ein Grenzstein kommen müßte. Die Beweislast dafür, daß der Baum nicht durch ein anderes zweckmäßiges Grenzzeichen ersetzt werden kann, trifft denjenigen, der die Beseitigung verlangt. Staudinger-Seufert Randb. 2; Planck-Strecker Bern. 5 je zu § 923. 6 ) KommProt. 3550 (Mugdan 3, 585). ' ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 2 zu § 923. 8 ) Vgl. Staudinger 9. Aufl. Bern. 3 Zu § 923 und dortige Nachweise; R G 70, 200. 9 ) Dazu gehört auch dürres Holz (Dernburg 290), Baumblätter, die als Streu dienen ( O L G München in Strafs. 3, 380). 10 ) Die Bestimmung des § 923 .wonach die Früchte den Nachbarn zu gleichen Teilen zustehen, ist mit der Annahme eines körperlich abgeteilten Eigentums unvereinbar. Denn bei körperlich abgeteilten Bäumen würde das Eigentum an den hängenden Früchten dem4

5

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I. Abschnitt. Räumliche Begrenzung des Eigentums

müssen (vgl. § 743 B G B ) auch an dem stehenden Baum gleiche Anteilsrechte angenommen werden. Die Ermittlung eines anderen Quotenverhältnisses wäre mit ungebührlichen Schwierigkeiten verbunden. Da die Beseitigung möglicherweise mehr Kosten verursacht als Gewinn verschafft, so erfordert die Billigkeit, daß der eine Nachbar dem anderen Nachbar, welcher die Beseitigung fordert, die Ausführung der Trennung auf eigene Kosten und zu eigenem Gewinn überlassen kann (§ 923 BGB). In diesem Falle erwirbt derjenige, der den Baum beseitigt, mit der Trennung des Baumes das Alleineigentum. Besteht ein Nießbrauch am Grundstücke, so ist, da der Baum eine Frucht ist, nur der Nießbraucher zu der Trennung und zu der Verfügung über die getrennten Stücke des Baumes, welche sein Eigentum werden, berechtigt11). Der Pächter hat nur einen obligatorischen Anspruch darauf, daß ihm der Verpächter während der Pachtzeit die Aneignung der Früchte gestattet. Befindet sich der Pächter im Besitze des verpachteten Grundstückes, so erwirbt er zwar das Eigentum an den Früchten mit deren Trennung (§ 956 BGB), aber gemäß § 581 nur an den Früchten, die nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind. Ob der gefällte Grenzbaum zu diesen Früchten gehört, ist je nach der Gestaltung des einzelnen Falles verschieden zu beurteilen; deshalb ist der Pächter dem Nießbraucher nicht schlechtweg gleichzustellen12). Soferne auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses (z. B. Pacht) die Früchte einem anderen als dem Eigentümer gehören, gilt der andere als Nachbar im Sinne des § 92 3 13 ). Die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Rechte der Grundeigentümer in Ansehnung der auf der Grenze stehenden O b s t b ä u m e abweichend von den Vorschriften des § 923 Abs. 2 B G B bestimmen, bleiben nach Art. 122 E G unberührt. Ebenso bleiben zugunsten eines Grundstückes, das am 1. 1. 1900 mit Wald bestanden ist, die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Rechte des Eigentümers eines Nachbargrundstückes in Ansehnung der auf der Grenze stehenden Bäume und Sträucher abweichend von den Vorschriften des § 923 Abs. 2 und 3 bestimmen, bis zur nächsten Verjüngung des Waldes in Kraft (Art. 183 EG). Die bayerische Ausführungsgesetzgebung hat von diesem Vorbehalt weder nach der einen noch nach der anderen Richtung Gebrauch gemacht 14 ). jenigen zustehen, übet dessen Grundstück sie hängen. — Die abgefallenen Früchte gelten aber auch bei einem auf der Grenze stehenden Baum als Früchte des Grundstücks, auf welches sie gefallen sind ( § 9 1 1 BGB). u ) M. 3, 279 (Mugdan 3, 154). 12 ) Vgl. Goldmann-Lilienthal 67 Anm. 53 und dagegen Maenner 179. 13 ) Staudinger-Seufert Bern, i c zu § 923 und Nachweise. 14 ) Vgl. A G B G B für Coburg Art. 23 §§ 10 u. 1 1 (s. Anhang).

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II. A b s c h n i t t

Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums A . Allgemeine Eigentumsbeschränkungen § i i . Schikanöse Rechtsausübung1) Aus dem Wesen des Rechtes folgt an sich, daß es im Belieben des Berechtigten steht, das Recht innerhalb der gezogenen Schranken auszuüben. Die Ausübung eines Rechtes ist nicht schon deswegen unerlaubt, weil dadurch ein anderer Schaden leidet2). Im Prinzip gilt auch für das bürgerliche Recht der Grundsatz: qui iure suo utitur, nemini facit inuiriam. Deshalb darf z. B. der Grundstückseigentümer dem Nachbar durch Errichtung eines Gebäudes das Licht verbauen. Es besteht an sich keine Verpflichtung des Grundeigentümers, positive Veranstaltungen auf seinem Eigentum zu treffen, um seinen Nachbar vor Nachteilen zu schützen3). Eine solche Verpflichtung kann sich aber aus §§ 906 ff. B G B ergeben (vgl. darüber unten § 14 II, § 15 und § 16). Beispiele: Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem Berberitzensträucher frei wachsen, die als Träger des Getreiderostpilzes für umliegende Getreidefelder eine Gefahr bilden, kann unter Umständen verpflichtet sein, den Nachbarn die Ausrottung der gefährlichen Sträucher zu dulden. Die Verweigerung dieser Maßnahme würde idR gegen §§226 und 823 ev. 826 verstoßen. Aus denselben Rechtsgründen kann ein Grundeigentümer, dessen Gebäude mit Schwamm behaftet ist, verpflichtet sein, Vorkehrungen zu treffen, durch die ein Übergreifen auf die Gebäude seiner Nachbarn verhindert wird. Ähnliches gilt für einen Gartenbesitzer hinsichtlich der Beseitigung von Wespennestern, falls diese eine erhebliche Gefahr für die Nachbarn bilden. Der Eigentümer eines § 11. Schrifttum: Jakubetzky in Gruch 40, 592; Ramdohr in Gruch 46, 577; Fuld in SeuffBl. 63, 501 (Der Schikaneparagraph des B G B ) ; Siebert in J W 1937, 2495; derselbe in D R 1941, 1930; Schneider in Recht 1906 Nr. 603; ebenda 1906, 847; Werner, Diss. Göttingen 1936 (Der Rechtsmißbrauch in den Entscheidungen des Reichsgerichts); Kipp, Festgabe für Otto Gierke 1 9 1 0 ; Rüdy, Diss. München 1934 (Rechtsmißbrauch); Gadow in JheringsJ 84, 174; Manik in D J Z 36, 355; Soergel-Siebert Vorb. vor § 226; Enneccerus-Nipperdey § 239 III S. I027ff; Haueisen in N J W 57, 729. 2 ) Vgl. B a y O b L G Z 7, 237; R G Z 68, 424; 125, 1 1 0 ; 146, 396; H R R 36 Nr. 1484; K G in J W 36, 1936, 637. 3 ) Vgl. unten § 23.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums Grundstücks, von dem sich ein Felsblock abzulösen droht, kann je nach Lage der Verhältnisse verpflichtet sein, diese Gefahr für seine Nachbarn zu beseitigen. Vom Eigentümer eines von Natur aus bestehenden Teiches, dessen Gerüche eine erhebliche Belästigung für die Nachbarn bilden, können entsprechende Maßnahmen zur Abstellung der Beeinträchtigungen verlangt werden. Die Ausübung des Eigentumsrechts ohne Rücksicht auf die Interessen der Nachbarn ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn diese in erheblichem Maße beeinträchtigt werden. Soweit von Menschenhand errichtete Anlagen (künstlicher Teich) oder Bauwerke gefahrdrohende Einwirkungen auf die Nachbarn ausüben, greifen die Bestimmungen in §§ 907 u. 908 ein. Vielfach werden auch polizeiliche Vorschriften bestehen, deren schuldhafte Verletzung nach § 823 Abs. 2 B G B zum Schadenersatz verpflichtet.

Eine grundsätzliche Einschränkung der Machtbefugnis des Eigentümers bewirkt § 226 B G B . Wenn eine rechtliche Befugnis ohne eigenes Interesse des Berechtigten lediglich zur Schädigung eines Dritten ausgeübt wird, dann verstößt dies gegen den Zweck des Gesetzes, das eine Berechtigung nur zur Förderung menschlicher Interessen, niemals aber zu deren Schädigung verleiht. Eine derartige Schädigung bedeutet in Wahrheit nicht die Ausübung eines Rechts, sondern dessen Mißbrauch. In den Entwürfen zum B G B hatte man von einer Bestimmung, die den Mißbrauch eines Rechts verbietet, Abstand genommen. In den Kommissionsberatungen hatte man zunächst die exceptio doli generalis zulassen wollen, sie aber dann fallen gelassen, um nicht die Grenze zwischen Recht und Moral zu verwischen. Man wollte keinen Anlaß geben zu einem Streit über die Beschaffenheit des Interesses, das der Berechtigte an der Ausübung seines Rechtes hat. Auch hielt man den Nachweis dafür daß die Rechtsausübung nur aus Schikane erfolge, für schwer zu erbringen, während auf der anderen Seite ein solches Verbot vielfach mißbraucht werden und so im Ergebnis zu einer Schikane von der anderen Seite führen könne4). Erst derBundesrat hat nachdem Vorbild des preußischen Landrechtes ( A L R I 8 § 28) dem damaligen § 887 den Zusatz gegeben: „Eine Ausübung des E i g e n t u m e s , die nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen, ist unzulässig." Der Reichstag hat diesen auf das Eigentum beschränkten Grundsatz zu einem allgemeingültigen erhoben. Hiernach ist die A u s ü b u n g eines R e c h t e s unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen (§ 226 BGB).

Die Rechtsbefugnis selbst ist nicht entzogen, sondern nur die Ausübung unter den besonderen Voraussetzungen, die § 226 B G B aufstellt. Wird die Ausübung eines Rechts in einem Falle durch Gerichtsurteil für unzulässig erklärt, so steht die Rechtskraft des Urteils einer Ausübung desselben Rechts in einem anderen Falle, in dem der damit verfolgte Zweck erlaubt ist, nicht im Wege5). Die Fassung des § 226 ist eine recht enge, so daß sich der Richter nicht allzu häufig in der Lage finden wird, von dieser Gesetzesbestimmung Gebrauch zu machen; denn § 226 ist an die Voraussetzung gebunden, daß, o b j e k t i v betrachtet, die Rechtsausübung gar keinen anderen Zweck haben kann, als den der Schädigung, wobei begrifflich nicht erforderlich ist, 4 6

160

) Vgl. Mot. 1 , 275 (Mugdan 1, 505). ) Vgl. Staudinger-Coing Randb. 4a; R G R Komm. Bern. 2 je zu § 226.

Schikanöse Rechtsausübung

§11

daß der Zweck bereits erreicht wurde. Jeder andere Zweck muß ausgeschlossen sein. Nicht auf die Absicht und die Beweggründe des Handelnden wird abgestellt, sondern auf den Zweck seines Tuns, wie sich dieses bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände des konkreten Falles darstellt. Dabei können die inneren Beweggründe des Handelnden von Bedeutung sein. Dient die Rechtsausübung verschiedenen Zwecken und verfolgt auch nur einer davon ein berechtigtes Interesse, dann entfällt der Tatbestand des § 226. Kommt neben dem Zweck, einem anderen Schaden zuzufügen, ein anderer Zweck nur ganz nebenbei (oder ersichtlich nur vorgeschützt) in Betracht, dann wird die Anwendung des § 226 angebracht sein6). In diesem Erfordernis eines objektiven Tatbestandes ruht das Schwergewicht der Bestimmung. Hierdurch wird der Vorstoß, der mit § 226 gegen den Begriff der Rechtsbefugnis, insbesondere in seiner Anwendung auf das Eigentum, geführt werden sollte, außerordentlich abgeschwächt. Zuweilen wird die Rechtsausübung, die auf Grund des § 226 nicht verboten werden kann, nach § 826 unzulässig sein7). Die wichtigsten Fälle, in denen schikanöse Rechtsausübung in Frage kommen könnte, sind durch Einzelbestimmungen in der Weise geregelt, daß die Rechtsbefugnis selbst entzogen wird, wenn zur Ausübung derselben das Interesse fehlt. So § 905 BGB, wonach der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat; § 906 BGB, wonach der Eigentümer eines Grundstückes die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwir6 ) Ramdohr bei Gruchot 46, 819, der mit bes. Schärfe auf den Unterschied der Begriffe Zweck und Absicht hinweist. Zweck ist die Bestimmung, welche ein „Etwas" hat; er haftet dem Dinge oder Vorgang objektiv an. Die Ermittlung der Zweckbestimmung erfolgt von einem außerhalb der Person des Bestimmenden befindlichen, objektiven Standpunkt aus. Vgl. R G 68,424; 125,110; HRR 1936 Nr. 1484; K G in JW 1936, 673. In R G 98, 17 wird die Anwendung des § 226 abgelehnt, weil die vor die Fenster des Nachbarhauses gestellte Bretterwand möglicherweise auch den Zweck haben könne, sich und dieFamilienmitglieder vorBelästigungen und Beleidigungen desNachbars zu schützen. 7 ) Vgl. darüber Maenner 158 Anm. 8; SeuffA 62 Nr. 151. (Verbauen der Aussicht). Vgl. R G 98, 17 (oben Anm. 5). Im dortigen Falle wurde die Anwendbarkeit des § 886 verneint, weil die von den Beklagten in ihrem berechtigten Interesse vorgenommene und an sich rechtlich erlaubte Errichtung der Bretterwand auch dann noch nicht sittenwidrig werde, wenn die Beklagten nebenbei die Absicht gehabt haben sollten, den Kläger zu schädigen (Vgl. R G 71, 173). Über die Abgrenzung des Tatbestands des § 226 von demjenigen in § 826 vgl. R G Z 4 8 , 1 1 4 ; 55, 368; 58,216; 60,103; 66, 238; 86,195; 155,117. Eine Beurteilung nach § 826 wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn eine Rechtsausübung der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden widerspricht und als sittenwidriger Mißbrauch einer Rechtsstellung zu erachten ist. Vgl. auch Planck Bern. 5; Staudinger-Coing Randb. 4a je zu § 226 B G B ; Palandt-Gramm Bern. 1 u. 2e zu § 826 BGB.

Ii

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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§11

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

kungen insoweit nicht verbieten kann, als die Einwirkung die Benützung seines Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt; ferner § 910 Abs. 2 B G B , wonach der Grundstückseigentümer Wurzeln und Zweige, die in seine Eigentumsphäre herübergedrungen sind, nicht beseitigen darf, wenn sie die Benützung des Grundstückes nicht beeinträchtigen. Auf alle diese Vorschriften bezieht sich das allgemeine Schikaneverbot des § 226 nicht; denn diese Bestimmung setzt voraus, daß an sich ein R e c h t b e s t e h t , was in den Fällen dieser Einzelvorschriften nicht zutrifft. Das Erfordernis eines objektiven Tatbestandes führt bei der Anwendung des § 226 zu wichtigen Folgen. Es genügt nicht, daß die Rechtsausübung der Absicht einer Schädigung entspringt, ja nicht einmal, daß n a c h w e i s b a r der einzige Zweck des Handelnden die Schadenszufügung gewesen ist8). Der Gesetzgeber will nicht haben, daß bei dem Offenbleiben verschiedener Möglichkeiten die Absicht des Rechtsausübenden nachgeprüft werden soll; erforderlich ist vielmehr, daß nach Lage der Verhältnisse, objektiv betrachtet, gar kein anderer Zweck des Handelns gedacht werden kann, als der einer Schadenzufügung. Maßgebend ist der Zweck des Handelnden, wie er sich bei Betrachtung der gesamten objektiven Sachlage darstellt; auch die i n n e r e n Beweggründe sind dabei wesentlich, wenn sie sich in dem objektiven Tatbestand widerspiegeln9). Die Schädigungsabsicht rückt den Schädigungszweck erheblich näher10). Hieraus ergibt sich die wichtige Folge, daß die B e w e i s l a s t für diese Voraussetzung des § 226, welche demjenigen obliegt, der seine Anwendung verlangt, nicht durch eine Parteivernehmung über die Absicht der Schadenszufügung getragen werden kann; denn diese Absicht beweist für sich allein noch nichts. Dagegen kann in Anwendung des § 452 ZPO eine Partei Vernehmung darüber in Betracht kommen, ob die Rechtsausübung auch einen 8 ) Vgl. dagegen O L G 1, 439 (Kammergericht). Hier wurde der § 226 angewendet, weil nach Lage des Falles der w a h r e Zweck, den der Kläger verfolge, nicht der einer Sicherung seiner Mietforderung sein könne, sondern nur der, den Beklagten in seinem Interesse zu schädigen. Allein nicht darauf kommt es an, was der wahre Zweck ist, sondern darauf, daß keine anderer Zweck vorliegen kann. Gegen diese Entscheidung wendet sich Ramdohr bei Gruchot 46, 590 u. 829. Nur wenn jeder andere Zweck als der einer Benachteiligung des anderen ausgeschlossen ist, kann die Anwendung des § 226 in Frage kommen. J W 1905, 388. Läßt sich noch ein anderer Zweck des Handelns, namentlich also der des eigenen Vorteils, denken, mag selbst dieser Zweck augenscheinlich mit der Schädigung des anderen verknüpft und wegen der Wahl des benützten Mittels oder aus sonstigen Gründen von einem rechtlich Denkenden nicht Zu billigen sein, also gegen die guten Sitten verstoßen, so ist für die Anwendung des § 226 kein Raum; es kann aber in solchem Fall § 826 in Frage kommen. SeuffA 62 Nr. 1 5 1 (München), (Verbauen der Aussicht); O b L G n. F. 3, 758 (Entziehung des Grundwassers). 9 ) Vgl. R G 68, 424; Recht 1 9 1 1 Nr. 1269 (ObLG). Dort wird den inneren Beweggründen eine etwas größere Bedeutung beigelegt. 10 ) O b L G 12, 110.

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Schikanöse Rechtsausübung

§H

anderen Zweck als den der bloßen Schadenszufügung haben kann. Sind die Tatsachen, in denen der Tatbestand des Schikaneverbots enthalten ist, zum Gegenstand der Verhandlung vor dem Richter gemacht worden, so hat dieser von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 226 B G B gegeben sind 11 ), und zwar auch dann, wenn sich die betreffende Partei nicht auf § 226 berufen hat. Das Schikaneverbot des § 226 B G B gilt für alle Rechtsgebiete, auch für das öffentliche Recht 12 ). Er findet Anwendung bei Schädigungen jeder Art sowohl vermögensrechtlicher wie auch rein ideeller Interessen13). Bei d i n g l i c h e n Rechtsverhältnissen muß zur Feststellung der schikanösen Rechtsausübung aus den örtlichen Verhältnissen der Nachweis erbracht werden, daß für die Rechtsausübung weder ein wirtschaftlicher noch ein persönlicher Zweck vorliegen kann; hieraus ist sodann die Schlußfolgerung zu ziehen, daß der Zweck eben nur auf eine Schädigung gerichtet sein kann. Der Richter wird sich seine Überzeugung wohl in erster Linie auf Grund eines Augenscheines an Ort und Stelle bilden. Wer sein Grundstück mit einer Mauer umgibt und dadurch dem Nachbar das Licht entzieht, kann aus § 226 zur Beseitigung nicht schon deshalb angehalten werden weil er nachweisbar (z. B. weil er es selbst vor Gericht ausdrücklich zugestanden hat) die Mauer nur zu dem Zweck errichtet hat, um seinem Nachbar Licht und Aussicht zu benehmen; denn die Umfriedungen von Grundstücken können objektiv betrachtet auch dem wirtschaftlichen Zweck dienen, die Grundstücke zu sichern. Wenn nach den örtlichen Verhältnissen bei der konkreten Sachlage ein wirtschaftlicher Zweck erkannt werden kann, ist die Anwendung des § 226 von vorneherein ausgeschlossen. Wenn freilich die Mauer zu einer derartigen Höhe geführt wurde, daß die Unwirtschaftlichkeit und objektive Unzweckmäßigkeit der Bauführung in die Augen springt, dann ist der Schluß gerechtfertigt, daß die Errichtung der Mauer, i n s o w e i t dies der F a l l i s t , nur den Zweck einer Schädigung haben kann. In diesem Fall kann der Nachbar zur Einlegung bis zu der Höhe angehalten werden, die einen wirtschaftlichen Zweck erkennen läßt.

In aller Regel werden die konkreten Verhältnisse auch unter dem Gesichtspuokt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 B G B zu beurteilen sein, wie nunmehr in der Rechtsprechung gerade bei der Regelung nachbarlicher Beziehungen anerkannt ist 14 ). u ) Vgl. Ramdohr Gruch46, 822; R G Z 1 3 7 , 1 4 2 ; 152,403; 156, 292; 1 5 7 , 1 5 ; 160, 357; 163, 88; Staudinger-Coing Randb. 4 b u . 9 ; Ermann Bem.6 jezu§22Ö; R G R K o m m . Bem.2; Palandt-Danckelmann je zu § 242. Vgl. auch B G H Z 3, 94. 12 ) Vgl. O L G München in H R R 1938 Nr. 1 1 6 2 ; J F G 14, 26; Celle in N J W 51, 3 1 7 ; B G H in L M Nr. 1 u. 2 zu § 903; Haueisen in N J W 57, 729; R G in Gruch 51, 820; Enneccerus § 220, 1 ; Planck Bern. 2; Staudinger-Coing Randb. 7; R G R K o m m . Bern. 1 je zu § 226. 13 ) Vgl. R G Z 72, 2 5 1 ; 215, 108 (Verbot des Straßenhandels durch die Eigentümerin der Straße im Hinblick auf das Allgemeininteresse). Vgl. auch B G H in B B 53, 375. " ) Vgl. R G Z 154, 1 6 1 ; 155, 154/159; 167,14.

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§11

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Beruft sich ein Vertragspartner auf seine vertraglichen Rechte oder auf die Nichtigkeit eines Vertrags wegen Formmangels, so liegt darin grundsät2lich keine mißbräuchliche Rechtsausübung. Ausnahmen hievon sind jedoch dann angebracht, wenn die Ausübung eines Rechts für den einen Teil zu einem völlig untragbaren Ergebnis, nicht bloß zu einer unbilligen Härte führen müßte. So wurde z. B. die Berufung des Verkäufers zweier benachbarter Grundstücke auf Formnichtigkeit des Vertrags (§313 B G B ) als unzulässige Rechtsausübung erachtet, weil die beiden Grundstücke, deren eines infolge Parzellenverwechslung nicht Gegenstand der Einigung war, vom Erwerber inzwischen durch Errichtung eines einheitlichen Fabrikgebäudes eine vollständige wirtschaftliche Umgestaltung erfahren hatten l s ). Der Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem Bebauungsverbot (Grunddienstbarkeit) Zugunsten des Nachbargrundstücks belastet ist, auf dem aber gleichwohl ein Gebäude errichtet worden ist, kann sich gegen den Anspruch des Nachbarn auf Beseitigung des Gebäudes nicht mit dem Einwand verteidigen, dem herrschenden Grundstück werde weder Licht noch Luft entzogen. Anders wäre die Rechtslage dann zu beurteilen, wenn etwa nach jahrelanger Duldung des der Grunddienstbarkeit widersprechenden Zustandes die Voraussetzungen der Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben angenommen werden könnten, wobei das Verhalten des Berechtigten und des Verpflichteten entsprechend zu würdigen wären 16 ) Umgibt ein Grundeigentümer sein Grundstück auf drei Seiten mit einem durchsichtigen Lattenzaun und auf der vierten Seite, die den Fenstern des unmittelbar anstoßenden Nachbarhauses zugekehrt ist, mit einer dichten Bretterwand, so dürfte idR der Fall einer Schikane nach § 226 vorliegen. Dasselbe wird auch im Falle einer Grunddienstbarkeit (Wegerecht) zutreffen, wenn der Dienstbarkeitsberechtigte die Wegfläche durch Sandstreuen gangbar machen will, der Eigentümer des dienenden Grundstücks aber dies nicht zuläßt.

Die Anwendung des § 226 wird nicht nur durch die Möglichkeit ausgeschlossen, das ein wirtschaftliches Interesse vorliegt, es genügt vielmehr jegliches, auch nur rein persönliches Interesse17). Auch ein zukünftiges Interesse kann genügend sein18). Dient ein Gartengrundstück als Restaurationsgarten, so kann es seinem Eigentümer nicht verwehrt werden, eine Bretterwand an der Grenze vor den Fenstern des Nachbarhauses bis zu dessen 3. Stockwerk emporzuführen; denn der Zweck dieser Bauführung kann auch darin bestehen, die Gäste vor neugierigen Blicken zu schützen; dieser Zweck ist auf den Schutz des eigenen Interesses gerichtet, wenn seine Erfüllung auch die Interessen des Nachbars schädigt. 18 ) " ) Vgl. R G Z 133, 293; B G H Z 12, 286; 16, 334; 23, 249; D N o t Z 58, 21 = L M N r . 13 zu § 313. 18 ) Vgl. B G H in L M Nr. 1 zu § 903 zur Frage, ob ein Bauwerk errichtet werden darf, durch das dem Nachbargebäude Licht entzogen wird. Zur Frage der Verwirkung vgl. B G H Z 25, 47 = N J W 57, 1358. 17 ) Vgl. R G 72, 2 5 1 ; O L G 34, 172; O b L G 6, 148. 18 ) R G 54, 43419 ) Vgl. SeuffA 59, 225.

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Schikanöse Rechtsausübung

§11

Hieraus ergibt sich, daß der wahre Wortlaut des Gesetzes gegen den sog. Neidbau, d. i. Ausführung eines Bauwerkes, das offensichtlich keinen anderen Zweck als den der Schädigung des Nachbarn hat, nur in seltenen Fällen einen Schutz gewährt. Der Nachbar, der boshaft genug ist, es sich etwas kosten zu lassen, um seinem Nachbar Schaden zuzufügen, braucht nur irgendeinen Bau (Scheune, Halle) auszuführen, welcher nach den örtlichen Verhältnissen eine wirtschaftliche Zweckbestimmung erkennen läßt. Mit § 226 kann dann dem geschädigten Nachbarn nicht geholfen werden; dagegen kann unter besonderen Umständen durch § 826 B G B dem gekränkten Rechtsgefühl Genugtuung verschafft werden. Der Eigentümer eines Hauses hat das Recht, eine Maschine zur Erzeugung elektrischen Lichtes aufzustellen; die hiermit verbundenen Belästigungen durch Ruß, Rauch, Geräusch und Erschütterung muß sich der Nachbar nach § 906 gefallen lassen, wenn diese Einwirkungen die Benützung seines Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen oder durch eine ortsübliche Benützung des anderen Grundstückes herbeigeführt werden, aber durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden können. Wenn nur jenes Haus gar nicht bewohnt wird und gleichwohl die Maschine zur Erzeugung des überhaupt nicht verwendeten Lichts in Betrieb gesetzt wird, so ist regelmäßig § 226 anwendbar20). Ausnahmen sind denkbar, so z.B. wenn die Maschine zeitweilig in Gang gesetzt werden muß, um im richtigen Stand gehalten zu werden, oder wenn nach den gegebenen Umständen mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß der Besitzer des Hauses durch Beleuchtung Mietslustige aufmerksam machen will. Abwehr widerrechtlicher, wenn auch unschädlicher Einwirkung auf das Eigentum stellt keine Schikane dar 21 ).

An der Einhaltung der Grenze hat der Grundeigentümer jederzeit ein Interesse, auch wenn die Grenzüberschreitung irgendwelchen nachteiligen Einfluß auf die Benützung des Grundstückes nicht ausübt22). Dem Anspruch des Eigentümers auf Beseitigung einer Anlage, mit welcher die Grenze überschritten ist, wird daher, soferne dieser Anspruch nach § 912 fr. des B G B überhaupt gerechtfertigt ist, regelmäßig § 226 nicht entgegen gehalten werden können. Auch wenn nachgewiesen wird, daß er die Beseitigung in der Absicht verlangt, den anderen zu schädigen und er von der Grenzüberschreitung keinerlei fühlbare Beeinträchtigungen erleidet, so kann, objektiv betrachtet, der Anspruch auf Beseitigung doch auch den Zweck haben, die Integrität der Grenze zu erhalten. Nur bei ganz geringfügigen Grenz20

) SeuffBl. 63, 503. ) O L G 26, 72 (RG); Recht 1 9 1 1 Nr. 1268 (ObLG); Recht 1910 Nr. 3308 (RG): O b L G 12, 86; vgl. Recht 1908 Nr. 287, wo das R G darin, daß der Eigentümer das Legen w e i t e r e r Wasserleitungsröhren verbietet, Schikane nicht erblickte, obwohl dadurch eine weitere Belastung nicht entstehen würde. 22 ) O b L G 12, 1 1 0 . Auch ein kleiner Grenzstreifen ist für ein städtisches Grundstück, wenn auch nur als Zubehör, von nicht zu unterschätzender Bedeutung; daher kann die Geltendmachung des Eigentumsrechts daran gegenüber dem, der es überbaut, nicht als Schikane erachtet werden (ObLG 14, 704). 21

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§11

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Überschreitungen mag es vorkommen, daß der Eigentümer zeitweilig an deren Beseitigung gar kein Interesse haben kann. Z. B. bei einer Ausbauchung der Mauer des Nachbarhauses, die in seinen Luftraum hineinragt. An sich könnte der Eigentümer nach § 1004 die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, aber zumeist wird man vom objektiven Standpunkte aus sagen können, daß für die Ausübung dieses Anspruches auch nicht die Möglichkeit eines anderen Zweckes besteht als die Schadenszufügung 23 ). Wenn freilich der Grundstückseigentümer, in dessen Luftraum die Mauerausbauchung hineinragt, seinerseits senkrecht an der Grenze eine Mauer für seinen Neubau aufführen will, dann ist ein wirtschaftliches Interesse an der Beseitigung der Mauerausbauchung sofort erkennbar24). Der Eigentümer kann den Luftraum nicht bis zur Grenzlinie ausnützen, bzw. er müßte wenn er dies doch will, seiner Wand eine fehlerhafte Struktur geben (vgl. unten § 2 1 , V I I , 4). Ähnlich verhält es sich, wenn die Fensterflügel des Nachbarhauses beim öffnen durch den Luftraum des Grundeigentümers geführt werden. § 905 Abs. 2 ist hier nicht anzuwenden, denn diese Bestimmung hat eine solche Höhe im Auge, welche für die regelmäßige Benützung von Grundstücken überhaupt nicht in Betracht kommt. Dagegen kann der Anspruch des Grundeigentümers auf Unterlassung dieser Einwirkung auf den Luftraum durch die Vorschrift des § 226 lahm gelegt werden. Die Gefahr einer Grenzverwischung besteht bei einer derartigen Beeinträchtigung nicht, ebensowenig besteht die Gefahr, daß der Hauseigentümer durch Zeitablauf ein Recht auf die Benützung des nachbarlichen Luftraumes zum Aufschlagen der Fenster erwirkt; denn das Bürgerliche Gesetzbuch kennt im Prinzip keinen Erwerb von Grunddienstbarkeiten durch Ersitzung oder Verjährung 28 ). E s läßt sich deshalb vielfach für den Anspruch auf Unterlassung einer solchen Benützung des Luftraums gar keine Möglichkeit eines anderen Zweckes als der einer Schikane erkennen. Wenn freilich der Grundeigentümer das Recht hat, das öffnen der Fenster überhaupt (auch wenn sein Luftraum nicht benützt wird) zu verbieten 26 ), so kann er in der Ausübung des Rechtes durch die Vorschrift des § 226 nie gehindert werden.

Das Verlangen, einen rechtswidrigen Überbau zu beseitigen, ist nicht schon deswegen schikanös, weil der Überbau nur wenig über der Grenze steht27). Sind die Voraussetzungen des § 226 B G B gegeben, so ist die Rechtsausübung unzulässig und daher w i d e r r e c h t l i c h . Der von einer schikanösen Rechtsausübung Betroffene kann sich je nach Sachlage in Notwehr befinden. Eine aus Schikane, d. i. nur zum Zweck der Schädigung eines 23 ) Vgl. SeuffA 23 Nr. 210, 42 Nr. 192; R G 45, 287; BayZ 1906, 227; Endemann 463 Anm. 1 1 . 24 ) Vgl. R G 45, 287. Dort ist auch ausgeführt, daß das bloße Hineinragen eines schiefen Giebels in den fremden Luftraum für sich allein keinen zur Ersitzung geeigneten Rechtsbesitz darstellt. Vgl. aber andererseits wegen der Ersitzung O L G 5, 423. 26 ) Für die Übergangszeit ist die Rechtslage eine andere. Denn gemäß Art. 189 E G u. Art. 177 A G erfolgt die Begründung eines Rechts an einem Grundstück auch nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches nach den bisherigen Gesetzen bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. Vgl. unten § 3 2. Uber das Bestehen von Fensterläden als servitus proiciendi. O G H 4, 410. 29 ) S. unten § 22. 27 ) Vgl. Recht 1916 Nr. 625.

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Notstandshandlung

§ -l« I

anderen getroffene V e r f ü g u n g ist nichtig. Derjenige, dessen Eigentum durch die Rechtsausübung beeinträchtigt wird, kann die Beseitung der Beeinträchtigung verlangen; sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen 2 8 ) (§ 1004 B G B ) . Daneben hat der Eigentümer auf Grund des § 823 A b s . 2 B G B , sowie auf G r u n d des § 826 einen Anspruch auf Schadenersatz 29 ). D e r A n w e n d u n g des § 226 für sich allein sind zwar enge Grenzen gesetzt; seine praktische Bedeutung kommt aber in Verbindung mit den § § 242 oder 826 B G B zur Geltung.

§ 12. Notstandshandlung*) I. D e r eigenmächtige Eingriff in die Eigentumssphäre eines anderen ist rechtswidrig; auf das Motiv des Eingriffs kommt es im allgemeinen nicht an. Das Gemeinwohl, in dessen Dienst auch das Privateigentum steht, verlangt eine Ausnahme v o n diesem Grundsatz für den Fall, daß der E i n griff durch einen Notstand, das ist zum Z w e c k e der erforderlichen A b w e h r einer gegenwärtigen Gefahr veranlaßt wurde. Diesem Gedanken trägt das geltende Recht in weitgehendem Maße Rechnung, indem es in § 904 B G B bestimmt, daß der Eigentümer einer Sache nicht berechtigt ist, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur A b w e n d u n g einer gegenwärtigen 28

) R G 72, 25x. ) Der Ansicht, daß sich § 826 mit dem § 226 deckt, (vgl. Planck Bern. 5 zu § 226) ist nicht beizupflichten. § 826 verbietet schon das sittenwidrige nicht bloß das vom Recht verbotene Handeln; jede nach § 226 unzulässige Rechtsausübung fällt auch unter § 826. Der Rechtsmißbrauch des § 226 hat jedoch viel weitergehende Folgen als das sittenwidrige Handeln nach § 826. E r löst das Recht der Notwehr aus und berechtigt zur Störungs- und Unterlassungsklage (Oertmann, D J Z 1903, 325 fr., dessen Auslegung die jetzt herrschende Aleinung folgt, vgl. Staudinger Bern. 6 zu § 826; R G 58, 214; 6o, 103; 62, 137; 66, 238; 86, 195; 155, 58; 166, 1 1 7 ; SeuffArch. 93 Nr. 1 ; HRR 1 9 3 6 ^ . 5 3 6 ; B G H Z 13, 7 1 ; B G H in Betr. 57, 185. Vgl. auch Mühl in N J W 56, 1657fr. *) Schrifttum ¡ A l b e r t i , Gefährdung durch überlegene Gewalt (N0tstand)i903;Auer, der strafrechtliche Notstand und das B G B 1903; O e t k e r , Notwehr und Notstand nach §§ 227, 228, 904 B G B , (1903) in Bernhöfts Beitr. zur Ausi, des B G B S. 237fr.; ders. in D J Z 1908, 616; A h s b a h s , Notwehr u. Notstand in GoldtdArch. 53, 427; N e u b e c k e r , Zwang u. Notstand 1910; derselbe in Festschrift für Gierke 1910; G o l d s c h m i d t , der Notstand ein Schuldproblem 1 9 1 3 ; H u e c k , Notstand in JheringsJ 68, 205; S i e g e r t , Notstand u. Putativnotwehr i 9 3 2 ; B o c k e l m a n n , Hegels Notstandslehre 1935; v . W e b e r , das Notstandsproblem 1925; W e i l i n g h a u s , der Notstand nach §§ 228 u. 904; ders. in Recht 1914, 66: § 904 u. ges. Veräußerungsverbote; S e l i g s o h n , § 904 S. 2 in JW 1913, 72; W e i m a r , Angriffsnotstand in RdK 53, 4 1 ; E b n e r , Die Bedeutung des § 228 B G B in ZStW 33, 59; F i s c h e r , Die Rechtswidrigkeit 1 9 1 1 ; K ü h l e w e i n in L Z 33, 621; P e t e r s , Die Duldungspflicht des Eigentümers nach § 904 B G B , 1 9 1 1 . 29

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§ J-^ II

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Gefahr objektiv notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Diese Vorschrift ist eine Ergänzung der in § 228 BGB enthaltenen Bestimmung. § 228 erlaubt der v e r t e i d i g e n d e Notstandshandlung, bei welcher die Gefahr durch die fremde Sache selbst droht („Sachwehr"), 2. B., ich schieße den wutkranken, auf mich losgehenden fremden Hund nieder. Die Wendung „eine durch sie drohende Gefahr" in § 228 ist eng auszulegen1). Im Falle des § 904 BGB dagegen handelt es sich um eine a n g r e i f e n d e Notstandshandlung: Der Eingriff erfolgt in eine Sache, welche an dem Notstand gänzlich unbeteiligt ist; die Gefahr kommt von einer anderen Seite. Sie kann auch von einem Menschen verursacht sein. Die fremde Sache wird als Mittel zur Abwendung der drohenden Gefahr benützt2). Wenn bei einer Feuersbrunst ein Haus eingerissen wird, um die Weiterverbreitung des Feuers zu hindern, so ist zu unterscheiden, ob das Haus bereits brennt oder nicht; ersterenfalls ist § 228 BGB, letzterenfalls § 904 BGB anzuwenden.

Nach dem Wortlaut des § 904 wäre an sich nur der Eigentümer duldungspflichtig; da aber das Eigentum an dieser Sache selbst eingeschränkt wird, wirkt die Beschränkung notwendig auch gegen den Besitzer, den Besitzdiener oder den Nießbraucher und gegen jeden, der an der Sache ein Recht hat3). II. § 904 enthält eine gesetzliche Einschränkung des Eigentumsinhalts; er ist als Ausnahme von § 903 gedacht, so daß er dem Eigentümer die dort eingeräumte Ausschließungsbefugnis nimmt und ihm eine Duldungspflicht auferlegt. Der Eigentümer darf sich der Einwirkung auf seine Sache nicht widersetzen. Gewaltsame Abwehr der Einwirkung würde als rechtswidriger Angriff (§ 227) gegen den Einwirkungsberechtigten zu werten sein4). § 904 gibt dem Einwirkungsberechtigten keinen klagbaren Anspruch gegen den Eigentümer6). § J21) Vgl. R G Z 71, 240 (Durchstoßen eines Dammes,der den Abfluß vonHochwasser hindert); 88, 2 i i ; J W 1909, 387; B G H Z 2, 57; RGR Komm. 3 zu § 228; Staudinger-Seufert Randb. 10 zu § 904. A . M . O G H Z 4, 99; Batierstedt JZ 51, 228; Soergel-Baur Bern. 1 zu § 9°42) R G Z 71, 241; 88, 211; JW 1908, 611. Zum Unterschied von § 228, der einen Schaden voraussetzt, welcher nicht außer Verhältnis zur Gefahr steht, stellt § 904 auf einen unverhältnismäßig großen Schaden ab. Außerdem trifft den Einwirkenden im Fall des § 228 nur bei Verschulden, nach § 904 aber auch ohne Verschulden die Pflicht zum Schadensersatz. 3 ) Prot. II, 6, 216; Mugdan 1, 804; R G Z 156, 190; JW 25, 1535; Planck-Strecker Bern. 4; RGRKom. Bern. 3; Staudinger-Seufert 3; Palandt-Hoche 3 a je zu § 904. 4 ) Vgl. RGRKomm. 3; Planck-Strecker 3 a; Staudinger-Seufert 20 je zu § 904. 6) O L G 21, 121; Dernburg 3, 268; Planck-Strecker 3a, Staudinger-Seufert 21. A . M. Locher in ArchZivPr. 123,5.

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Notstandshandlung

§ 1 2 I I 1, 2

1. Die Vorschrift des § 904 B G B gilt für alle Arten von Einwirkungen auf die Sache (Gebrauch, Beschädigung, Wegnahme und selbst Zerstörung), auch für mittelbare Einwirkungen. Ohne Belang ist es, ob die Gefahr verschuldet ist. Hat aber der Einwirkende die Gefahr selbst verschuldet, so muß er § 254 B G B (Mitverschulden) gegen sich gelten lassen6). Nur eine Einwirkung auf Sachen, nicht auch auf andere Rechtsgüter, steht in Frage. Deshalb ist ein Eingriff in die Person oder reine Persönlichkeitsrechte, 2. B. in den Hausfrieden nicht erlaubt7). Eingriffe in dieser Richtung können nach § 227 gerechtfertigt sein. Die umstrittene Frage, ob § 904 auf subjektive Privatrechte entsprechend anwendbar ist, wird nur zu bejahen sein, wenn absolute Vermögensrechte in Betracht kommen8). 2. Die Regel gilt für alle Arten von Gefahren. Es ist gleichgültig, ob die Gefahr Leben oder Gesundheit, Ehre oder Freiheit, oder das Vermögen betrifft. Jedes rechtlich anerkannte Interesse kann in Betracht kommen. Bedeutungslos ist es, ob durch die Gefahr die Interessen desjenigen, der die Einwirkung vornimmt, oder die Interessen eines Dritten bedroht werden (Nothilfe)9). Immer aber muß eine Gefahr 10 ), d. i. die objektiv gegebene (nicht etwa eine subjektiv befürchtete) Gefährdung eines Rechtsgutes vorliegen. Es wird also ein gefahrdrohendes Ereignis vorausgesetzt, durch das die bestehenden Verhältnisse, mit denen man rechnen muß, derart verändert werden, daß eine sofortige Abhilfe notwendig wird. Die Gefahr muß gegenwärtig sein. „ G e g e n w ä r t i g " ist im Grunde gleichbedeutend mit einer „drohenden Gefahr" i. S. des § 228, d. i. einer Gefahr, die mit großer Wahrscheinlichkeit — wenn auch nicht unmittelbar — bevorsteht, so daß ein verständiger und sachkundiger Mann Anlaß nimmt, Gegenmaßnahmen zu treffen 11 ). Eine gegenwärtige Gefahr ist auch anzunehmen, wenn eine 6 ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 2 a; Staudinger-Seufert Randb. 4; Venzner (i960): Mitverursachung u. Mitverschulden; Weilinghaus Recht 1 9 1 1 , 66; Dernburg 268. A . M. Fischer, Die Rechtswidrigkeit 1 9 1 1 , S. 256. ' ) Vgl. Kühlewein in L Z 3 3, 622 ¡Prot II, 6,216; R G R K o m m . Bern. 2; Ermann-Seibert Bern. 2 je zu § 904; vgl. auch R G 57, 187 (Bergwerkseigentum) sowie unten § 56,10. s ) Vgl. O L G 13, 369; 29, 333; Planck. Strecker Bern 2 b ; Staudinger-Seufert Randbem. 4; Palandt-Hoche Bern i b je zu § 904; vgl. auch Kipp in J W 1908, 643; Gruch 56, 182 (Unterbringung eines plötzlich Erkrankten in einem Gasthaus). A . M. Heck § 49 Nr. 10; Westermann SR § 28 III, 1 ; Ballerstedt in J Z 51, 228; Fischer, Die Rechtswidrigkeit 1 9 1 1 S. 239. 9 ) R G in Gruch 66,479; J W 25, 1535. Planck-Strecker Bern. 2 a (entgangener Gewinn ist keine Gefahr); Staudinger-Seufert Randb. 1 1 je zu § 904; vgl. auch B G H Z 6, 105; N J W 52, 1 2 1 1 . 10 ) Über den Begriff „ G e f a h r " vgl. unten § 16 II 1 b. Gefahr ist auch drohende Haftung nach § 836 B G B vgl. B G H in L M Nr. 3 zu § 904. u ) Vgl. B G H in B B 53, 995; Staudinger-Seufert Randb. 9 zu § 904.

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§ II 2, 3

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

schon länger bestehende Gefahr sich so erhöht, daß sofortige Abhilfe geboten ist 12 ). Über die Frage des Putativnotstandes s. unten Ziffer 4 a. E . Dem Hauseigentümer steht kein Recht zu, zwecks Vornahme einer Reparatur an seiner Hausmauer auf dem Nachbargrundstücke ein Gerüst aufzuschlagen. Ein sogen. Hammerschlags- oder Leiterrecht ist dem Hauseigentümer auch sonst nirgends eingeräumt13). Wenn dagegen ein Balkon herabzustürzen droht, kann die Anwendung des § 904 B G B gegeben sein. Nicht minder muß sich der Nachbar gefallen lassen, daß sein Haus zum Versprießen des Nachbargebäudes, an welchem eine Hauptreparatur vorgenommen wird, benützt wird, soferne dies zur Verhütung des Einsturzes notwendig ist. Der Eigentümer eines Grundstücks ist regelmäßig nicht verpflichtet, das Betreten seines Grundstücks dem Nachbar, der sein Grundstück vertieft, zwecks Vornahme der Befestigungsarbeiten zu gestatten. Auch auf § 226 kann er sich nicht berufen14), jedoch auf § 242 BGB, sofern das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis es erfordert. Notstandsfälle im Luftverkehr sind in § 12 Luftverkehrsgesetz von 1955 gesondert geregelt. Der durch eine Notlandung oder durch Balastabwurf (aus Not) geschädigte Grundeigentümer kann Schadnenersatz nach § 904 S. 2 B G B verlangen. 3. Erfordernis ist aber, daß der drohende Schaden gegenüber dem durch die Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Soll ein Vermögensschaden durch Z u f ü g u n g eines Vermögensschadens abgewendet werden, so entscheidet das V e r h ä l t n i s der in Betracht kommenden V e r m ö g e n s v e r l u s t e . Handelt es sich um den Schutz immaterieller Interessen, so wird nach billigem Ermessen abzuwägen sein. D e r Schutz der körperlichen Integrität wird zumeist einen mit der Einwirkung verbundenen Vermögensschaden des Eigentümers überwiegen. D e r Wert des bedrohten und der des durch den Eingriff zu schädigenden Rechtsgutes sind gegen einander abzuschätzen. Dabei ist zu beachten, daß § 904 als Ausnahme zu § 903 eng auszulegen und mit V o r 12

) Vgl. B G H in L M Nr. 3 zu § 904; Palandt-Hoche Bern. 2 b zu § 904. ) O L G 12, 122. Die Fundamente der Giebelwand des dem Kläger gehörigen Hauses sind unmittelbar an das lehmige, erheblich höhere Grundstück des Beklagten gesetzt. Dadurch bestand die Gefahr, daß in die Giebelwand Feuchtigkeit und Pilze eindringen und sich infolgedessen Schwamm und Pilze im Haus des Klägers entwickeln. Der Anspruch des Klägers, die Giebelwand seines Hauses am Grundstück des Beklagten zu verputzen, um sein Haus vor Zerstörung zu bewahren, findet in § 904 B G B keine Rechtfertigung; es handelt sich nicht um eine außergewöhnliche unerwartete, plötzlich hervortretende Gefahr, nicht um eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 904. Auch mit § 226 ist nicht zu helfen. Der Anspruch des Klägers wurde abgewiesen (OLG 12, 122). Es hätte aber geprüft werden sollen, ob nicht mit § 242 unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu helfen ist. Diese Frage ist bei dem gegebenen, besonderen Tatbestand zu bejahen. Es widerspricht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, daß das Haus bloß deshalb zugrunde gehen soll, weil der Nachbar auf seinem Scheinrecht besteht und die Ausfuhrung der für den Bestand des Nachbarhauses unerläßlichen, anders gar nicht vorzunehmenden Arbeiten verbietet, obwohl ihm hierdurch keine erheblichen Ungelegenheiten bereitet werden. Für den Ersatz etwa möglicher Schäden müßte der Kläger Sicherheit leisten. 14 ) Recht 1904 Nr. 1164 (Köln). 13

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Notstandshandlung

§ 12

II 3, 4

sieht anzuwenden ist. Ein Eingriff, durch die eine Gemeingefahr für die Allgemeinheit ausgelöst wird, läßt sich durch § 904 nicht rechtfertigen16). Eine Notstandshandlung setzt immer voraus, daß die das fremde Eigentum verletzende Handlung mit Wissen und Willen geschieht. Diese Voraussetzung fehlt, wenn die Handlung gerade dazu bestimmt ist, die Schädigung zu vermeiden. Eine vom Willen des Einwirkenden nicht umfaßte Beschädigung oder Zerstörung fällt nicht unter § 904 BGB 1 6 a ). 4. Die Einwirkung muß zur Abwendung der Gefahr notwendig sein, d. h. das Recht zum Eingriff ist ausgeschlossen, wenn zur Abwendung der Gefahr andere genügende Hilfsmittel zu Gebote standen, oder der Eingriff ein zur Abwendung der Gefahr objektiv untaugliches Mittel16) war. Die N o t w e n d i g k e i t i s t zwar im o b j e k t i v e n Sinne zu verstehen, doch darf nicht eine absolute Notwendigkeit erfordert werden. Es ist vielmehr unter Berücksichtigung der Situation zu entscheiden, ob ein verständiger Mensch unter den gegebenen Umständen ein anderes Mittel zur Beseitigung der Gefahr finden konnte. Wenn das nicht der Fall war, ist der Begriff, dem immer ein relatives Gepräge anhaftet, erschöpft. Wenn ein Teil meines Hauses abzustürzen droht, so bin ich nicht berechtigt, ein Gerüst auf dem Gartengrundstück meines Nachbars zur Befestigung dieses Gebäudeteils aufzurichten, wenn sich diese Arbeit auch von dem Dache meines Hauses bewerkstelligen läßt. Wenn dagegen meiner Mauer der Einsturz droht, kann ich auf dem Grundstück meines Nachbars Stützbalken anbringen, auch wenn hierdurch dessen Gartenanlagen beschädigt werden. Darauf, ob die Gefahr durch die Einwirkung tatsächlich abgewendet wird, kommt es nicht an, es genügt, wenn die Einwirkung nach den Umständen als geeignet betrachtet werden konnte, der Gefahr wirksam zu begegnen 17 ). Es ist keine Voraussetzung des Notrechts, daß der Schaden mit Sicherheit eingetreten wäre, wenn die Nothandlung nicht erfolgt wäre 18 ). Hat der Handelnde den Eingriff infolge irriger Annahme einer Notstandslage ( = Putativnotstand) ausgeführt, so ist der Eingriff bei verschuldetem Irrtum nach § 823 fr. B G B zu beurteilen. Der Eingriff ist rechtswidrig. Der Eigentümer darf sich daher zur Wehr setzen. Der Anspruch auf Schadensersatz verjährt nach § 852. Ist der Irrtum unverschuldet, so wird § 904 entsprechend anzuwenden sein, wenn alle sonstigen Voraussetzungen vorls ) Maenner 160; R G Z 7 1 , 241; Planck-Strecker Bern. 2 c ; R G R K o m m . Bern. 7; Staudinger-Seufert Randb. 17 je zu § 904; J W 1908, 6 1 1 . Vgl. auch R G Z 1 1 3 , 302; Bay. Ab. in JMB1. 56, 1 2 1 (Befahren einer Straße, die polizeilich gesperrt ist); J W 1933, 407 u. 700 (RG). 15 a) Vgl. O L G Köln in B B 58, 355; R G Z 75, 83; R G R K o m m . Bern. 8; StaudingerSeufert, Randb. 14 je zu § 904. 16 ) Endemann 1 § 88, Planck-Strecker Bern. 2 b ; R G R K o m m . Bern. 6; Staudinger Seufert Randb. 16 je zu § 904; Meisner-Stern-Hodes § 14 II 4; B G H Z 2, 37: § 904 ist nicht anwendbar, wenn ein Eingriff nicht notwendig ist, weil die Gefahr erst nach längerer Zeit und nach Behebung anderer Hindernisse beseitigt werden kann. 17 ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 2b; Staudinger-Seufert Randb. 16 je zu § 904. 18 ) Vgl. Fischer, Die Rechtswidrigkeit S. 235 fr.

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9 II 5, 6

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

liegen. Beispiel: Die Feuerwehr hatte eine Ladentüre aufgebrochen, weil sie irrigerweise einen Unglücksfall des Ladeninhabers vermutet hatte19).

5. Die Entziehung des Verbietungsrechts, welche zunächst für den Eigentümer ausgesprochen wird, aber auch für alle anderen Rechte an Sachen und für den Besitz Geltung hat20), bewirkt, daß dem Eigentümer das Recht der Selbstverteidigung gegen den Eingriff genommen ist. Wehrt er sich, so hat der Urheber der Einwirkung das Recht der Selbsthilfe21). Die Anwendung des § 904 hängt nicht davon ab, daß dem Eigentümer die Voraussetzungen des Rechts zum Eingriffe nachgewiesen werden, weil eben sofortiges Handeln geboten ist. Im Rechtsstreit über die Schadensersatzpflicht, der idR auf §§ 903 in Verb. m. 823 gestützt wird, muß derjenige, der den Eingriff ausgeführt hat, die Rechtmäßigkeit seines Tuns, somit alle Voraussetzungen des § 904, insbesondere das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr und eines unverhältnismäßig großen drohenden Schadens, nachweisen22). § 904 ist Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 23). Ein der Einwirkung von dem Eigentümer entgegengesetzter Widerstand ist eine unerlaubte Handlung, die zum Schadenersatz verpflichtet, sofern dem Eigentümer Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, er also das Recht des andern zur Einwirkung kannte oder erkennen mußte. 6. Dagegen kann der Beschädigte Ersatz des ihm durch die Einwirkung 24 ) entstehenden Schadens verlangen. Die Ersatzpflicht rechtfertigt sich aus der Überlegung, daß die durch einen (nach § 904 erlaubten) Eingriff zerstörte oder beschädigte Sache zugunsten eines höherwertigen Rechtsgutes geopfert werden mußte, ohne daß der duldungspflichtige Eigentümer selbst einen Anlaß zum Eingriff gegeben hätte. Es ist ein allgemeiner Rechtsgedanke, daß derjenige, der ohne eigene Veranlassung Eingriffe in sein 19 ) Staudinger-Seufert Randb. 34 zu § 904; Hueck JherJ 68, 230; Ermann-Nipperdey § 241 III 96; vgl. auch L G Hamburg in M D R 59, 460. 20 ) Prot. 1 1 6 216; Mugdan 804; R G Z 1 5 6 , 1 9 0 ; J W 2 5 , 15 35; Planck-Strecker Bern. 4; Staudinger-Seufert Randb. 3; R G R K o m m . Bern. 3 je zu § 904. 21 ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 3 a; Staudinger-Seufert Randb. 20; R G R K o m m . Bern. 3 je zu § 904; a. M. Cosack 1 , 273 und 2,149, nach dem das Notrecht zur Einwirkung auf die Sache nicht mittels Eigenmacht ausgeübt werden dürfe, der Eigentümer handle zwar rechtswidrig, wenn er den Eingriff verbiete, der Gefährdete dürfe aber das Verbot nicht einfach unbeachtet lassen und eigenmächtig vorgehen. 22 ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 2 d ; Staudinger-Seufert Randb. 18 u. 33 je zu § 904; vgl. auch R G Z 156, 187; B G H in L M Nr. 2 zu § 904. 23 ) Vgl. Planck-Strecker Bern. 3 a; Staudinger-Seufert Randb. 20 je zu § 904. 24 ) Wenn der Schaden nicht durch die Notstandshandlung, sondern nur anläßlich einer solchen durch eine rein zufällige Einwirkung auf eine Sache verursacht wird, besteht keine Ersatzpflicht (SeuffBl. 75, 83; O L G 20, 404, K G in J R 50, 345). In einem solchen Falle greift allenfalls § 823 Abs. 1 ein.

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Notstandshandlung

§ 1 2

II 6

Eigentum dulden muß, Ersatz für den ihm erwachsenen Schaden verlangen kann25). Als ersatzpflichtig kann nur derjenige in Anspruch genommen werden, der den Eingriff vorgenommen hat26). Zwar beruht die Ersatzpflicht nicht auf einer deliktartigen Handlung; denn sie tritt ein ohne Rücksicht darauf, ob der Notstand und die dadurch bewirkte Einwirkung auf einem Verschulden beruht oder nicht. Allein an und für sich hätte der Eigentümer das Recht, die Einwirkung auf seine Sache zu verbieten. Dieses Verbietungsrecht könnte selbstverständlich nur gegen den ausgeübt werden, der die Einwirkung vornehmen will. § 904 B G B entzieht dem Eigentümer das Verbietungsrecht und gibt ihm als Ersatz den Schadenersatzanspruch. Es ist in der Natur der Sache begründet, daß dieser Ersatzanspruch seine Richtung gegen eben denjenigen nehmen muß, gegen welchen die entzogene Rechtsbefugnis begründet wäre. Diese Auffassung führt in Fällen, in denen nicht der Gefährdete selbst, sondern ein D r i t t e r die Notstandshandlung vornimmt, d. i. bei der Nothilfe, zur Schadenersatzpflicht des Nothelfers 27 ). Eine solche Haftung des Helfers in Notfällen mag nicht geeignet sein, zur Hilfeleistung in Stunden der Gefahr anzuspornen. Andererseits besteht aber keine rechtliche Handhabe, den Dritten (Begünstigten) lediglich deshalb haftbar zu machen, weil die Einwirkung in seinem Interesse herbeigeführt worden ist. Nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen trifft die Schadensersatzpflicht den Täter (vgl. § § 8 23 ff. BGB). Eine allgemeine Haftung desjenigen, in dessen Interesse die schadensstiftende Handlung vollführt wurde, ist dem Schuldrecht des B G B fremd; eine Ausnahme gilt nur für die Fälle kraft besonderer Vertretungsmacht z. B. nach §§ 30, 31, 831 B G B . Es besteht auch keine Rechtsgrundlage dafür, das bedrohte und vor Schaden bewahrte Rechtsgut ipso jure mit der Schadensersatzpflicht zu belasten28). Die Rechtsstellung, die der geschädigte Eigentümer durch die Notstandshandlung gegen den Handelnden erlangt hat, kann ihm nicht einfach geschmälert werden; es wäre unbillig und mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar, ihm das Risiko zu überbürden, den Begünstigten erst zu ermitteln. Sache desjenigen muß es vielmehr bleiben, der den Schaden tatsächlich verursacht hat, sich an den zu halten, dem der Vorteil der Notstandshandlung zugute 25 ) Vgl. B G H 16, 366; Hubmann in JZ 58, 491; Schmitz in MDR 59, 973; Art. 74, 75 Pr. Allg. LR. 28) Cosack 2, 151; JW 38, 1205; B G H in NJW 52, 1211. R G K . Bern. 8 zu § 904. A. M. Endemann § 88 Anm. 14; Biermann Anm. 3 zu § 904; Meumann, Prolegomena § 27. Nach deren Ansicht würde den Schaden stets derjenige zu ersetzen haben, zu dessen Rettung die Sache beschädigt wurde. 27 ) Vgl. B G H Z 6, 105; NJW 52, 1211; vgl. auch Prot. II. 6, 213, 219; StaudingerSeufert Randb. 24. 28) A. M. Endemann § 88 Anm. 14.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums II 6

gekommen ist. Dafür gibt ihm das Gesetz die Ansprüche aus §§ 677 ff. (Geschäftsführung ohne Auftrag), eventuell auch aus §§ 812 ff.29). Eine unmittelbare Haftung des Dritten an Stelle des Handelnden ist dann gegeben, wenn der Einwirkende zu der betreffenden Handlung von einem Dritten oder einer Behörde a u s d r ü c k l i c h beauftragt war und zu diesem in einem Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis stand30). In solchen Fällen haftet der Dritte (Vertretene, Auftraggeber) oder die Behörde bzw. der Staat (Bund, Land oder öffentl.-rechtliche Körperschaft). Ist die Einwirkung von m e h r e r e n ausgeführt worden, so kommt es auf die Willensrichtung jedes einzelnen an, d. h. darauf, ob jeder die Einwirkung in ihrer Gesamtheit oder lediglich einen Teil des Eingriffs gewollt hat. Der Einzelne haftet nur für den Teil des Gesamtschadens, der durch den von ihm gewollten Eingriff entstanden ist 31 ). Die Rechtsfolgen eines Notstandes sind bei Einwirkungen auf Sachen in §§ 228 und 904 B G B erschöpfend geregelt. Insoweit ist kein Raum für die Anwendung der im Strafrecht geltenden Grundsätze eines ü b e r g e s e t z l i c h e n Notstandes32). Von dem Grundsatz, daß der Geschädigte seinen Anspruch aus § 904 S. 2 gegen den Schädiger unmittelbar geltend machen kann, gilt auch für den Fall keine Ausnahme, daß die Nothilfe unter der Strafdrohung des § 330c StGB geleistet wird, wenn also die Verweigerung der Hilfeleistung strafbar wäre33). E r s a t z b e r e c h t i g t ist der Geschädigte, mag es der Eigentümer oder ein Berechtigter sein. Der Anspruch aus § 904 S. 2 B G B beruht nicht auf einer unerlaubten Handlung, da der Eingriff nicht rechtswidrig ist. Infolgedessen kommt auch nicht etwa die kurze Verjährungsfrist des § 8 5 2 B G B zur Anwendung. Die Verjährungsfrist beträgt vielmehr 30 Jahre 34 ). 29 ) Vgl. Prot. II, 6, 2 1 5 : Planck-Strecker Bern. 3 b ; Staudinger-Seufert Randb. 24 Abs. 2 je zu § 904; Düsseldorf in J W 27, 922; Rümmelin, Die Gründe der Schadenszurechnung 44 u. 96; Meisner-Stem Hodes § 14, II 6, vgl. auch B a y V G H ; VerwRspr. I, 273. 30 ) Vgl. R G Z 1 1 3 , 3 0 1 ; J W 38, 1205; B G H Z 6, 102; B G H in L M 2 u. 4 zu § 904; V G H n. F. 1 , 2 7 3 (Haftung des Staates für einen Polizeibeamten); Planck-Strecker Bern. 3 b ; RGRKomm. Bern. 8; Staudinger-Seufert Randb. 26 je zu § 904; Westermann § 28 III, der im Falle einer Nothilfe-Pflicht die Haftving des Nothelfers ablehnt. 31 ) Vgl. B G H in L M Nr. 2 zu § 904; Staudinger-Seufert Randb. 26 zu § 904. 32 ) Vgl. Staudinger-Riezler 10. Aufl. Bern. 25; Staudinger-Seufert Randb. 24 a. E . Ermann Seibert Bern. 5 je zu § 904; Ballerstedt in J Z 5 1 , 228; Kühlewein in L Z 33, 612. A . M. O L G Freiburg in J Z 51, 223; vgl. auch Soergel-Baur Bern, i a ; Palandt-Hoche Bern. 3 b je zu § 904. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 24 a. E . zu § 904; a. M. Westermann § 28 III, 1 ; Fritzle in S J Z 46, 220. 34 ) Vgl. B G H Z 9, 209; R G Z 167, 27: Planck-Strecker Bdm. 3 b; RGRKomm. Bern. 8; Staudinger-Seufert Randb. 25 je zu § 904; a. M. früh. Auflagen; Meisner-Stern- Hodes § 1 4 ; Palandt-Hoche Bern. 3 b zu § 904; WolffRaiser § 49 II, 1.

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Notstandshandlung

§ 1 2

II 6, 7

Wenn die zerstörte Sache auch ohne die Einwirkung mit Sicherheit verloren gewesen wäre, so entfällt die Ersatzpflicht36). Wenn die durch eine Notstandshandlung beschädigte Sache bei Unterbleiben der Notstandshandlung den gleichen oder einen noch größeren Schaden erlitten hätte, so ist die Notstandshandlung nicht ursächlich für den Schaden ( R G 156, 1 8 7 ; J W 1938, 323 — Überschwemmung einer Gärtnerei durch Ziehen einer Kanalschleuse; das Öffnen der Schleuse war rechtmäßig, weil Dammbruch drohte; bei Nichtöffnen wäre die Gärtnerei infolge Dammbruchs überschwemmt worden). E s widerspricht dem Sinn des § 904 B G B , dem Eigentümer einer Sache, die durch ein späteres Ereignis ohnehin zu Verlust geraten wäre, deshalb einen Schadensersatz zuzubilligen, weil ein anderer es vorher durch eine Notstandshandlung beschädigte ( N J W 1949, 5 8 5 i : E i n bereits brennendes Haus wird zerstört, um das Umsichgreifen des Brandes einzudämmen).

Der Geschädigte, der den Notstand durch ein Verhalten mitverursacht hat, das ihn an sich zum Schadensersatz verpflichten würde, muß sich die Schmälerung seines Ersatzanspruchs gem. § 254 B G B gefallen lassen36). 7. Durch Art. 159 E G ist bestimmt, daß die landesgesetzlichen Vorschriften über die im ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e erfolgte Entziehung, Beschädigung oder Benützung einer Sache unberührt bleiben. In dieser Hinsicht kommt insbesondere Art I B des Bayerischen Zwangsenteignungsgesetzes vom 17. 1 1 . 1837 i. d. F. vom 13. 8. 1910 (GVB1. 621), 1. 8. 1933 (GVB1. 219), 14. 3. 1938 (GVB1. 117), 1 1 . 1 1 . 1940 (GVB1. 215), 4. 12. 1943 (GVB1. 1944, 1) u. vom 27. 3. 1952 (GVB1. 153) —wegen der Rechtsgültigkeit vgl. V f G H in GBl. 1957, 6 — in Betracht, wonach Eigentümer angehalten werden können, unbewegliches Eigentum für öffentliche, notwendige oder gemeinnützige Zwecke abzutreten oder mit einer Dienstbarkeit beschweren zu lassen. Insbesondere muß sich der Eigentümer Eingriffe in sein Eigentum in Fällen des öffentlichen Notstandes gefallen lassen, nämlich bei Feuers- und Wassergefahr, Erdbeben und Erdfällen sowie in Kriegs- und anderer dringender Not und zwar ohne vorgängiges förmliches Verfahren und ohne Aufhalt, jedoch gegen nachträgliche volle Entschädigung. Die Befugnis zu solchen Eingriffen bei Unglücksfällen steht nur der Staatsgewalt und zwar regelmäßig der Kreisverwaltungsbehörde, d. i. dem Landratsamt bzw. in kreisunmittelbaren Städten dem Stadtrat, in äußersten Notfällen auch der Ortspolizeibehörde zu37). Da der 36 ) Vgl. R G Z 156, 1 8 7 ; J W 38, 323; RGRKomm. Bern. 9; Staudinger-Seufert Randb. 29; Soergel-Baur Bern. 3 Ermann-Seibert Bern. 6 je zu § 904; Hueck in JherJ 68, 228. 36 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 30 zu § 904; Planck-Strecker Bern. 3 b zu § 904; vgl. auch B G H in N J W 57, 869; Ein Kraftfahrer, der mit Rücksicht auf ein ihm in die Fahrbahn laufendes Kind einen Schaden verursacht oder selbst erleidet (Selbstaufopferung) kann keine Ersatzansprüche erheben, solange er nicht den Entlastungsbeweis nach § 7 Abs. 2 S t V G erbracht hat. Dagegen: Staudinger-Werner Randb. 33ff. zu § 254; Böhmer in M D R 60, 366. 37 ) Vgl. Seufert, Bayer. Enteignungsrecht Randb. 50 zu Art. I B ; Art. 78 L S t V G .

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§ la II 7

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Feuerschutz in Art. i des Gesetzes Nr. 41 über das Feuerlöschwesen vom 17. 5. 1946 (GVB1. 297 = BayBS I 353) den Gemeinden als Aufgabe ausdrücklich übertragen ist und da die auf Grund dieses Gesetzes zu bildenden Feuerwehren (Art. 2 u. 3 freiwillige, Art. 6 Pflicht-, Art. 8 Berufs-, und Art. 9 Werk-Feuerwehren) gesetzlich verpflichtet sind, bei Feuersgefahr und auf Aufforderung des zuständiges Bürgermeisters oder der Verwaltungsbehörde auch in anderen Notständen Hilfe zu leisten (Art. 2 Abs. 2 u. 10 des Ges. Nr. 41), steht außer Zweifel, daß Eingriffe in das Eigentum aus Anlaß von Brandfällen oder Notständen durch Angehörige der Feuerwehr mit staatlicher Autorität vorgenommen werden. In den Fällen, in denen Gebäude beschädigt oder niedergerissen werden, um einen in einem Nachbargebäude ausgebrochenen Brand zu hemmen38), kommt die Bestimmung in Art. I B des Zwangsenteignungsgesetzes zur Anwendung jedoch mit folgender Maßgabe: a) Wird das Gebäude auf Anordnung der Behörde beschädigt oder niedergerissen, so ist § 904 B G B nicht anwendbar, sondern grundsätzlich Art I B und V I I des Zwangsenteignungsgesetzes. Hienach findet ein Verfahren darüber, ob der Eingriff notwendig war, nicht statt; der Eigentümer hat vielmehr Anspruch auf Entschädigung und zwar entweder gegen den Staat, falls dessen Organe, z. B. die Kreisverwaltungsbehörde, die Beschädigung oder das Niederreißen veranlaßt haben. Ging die Anordnung vom Bürgermeister als Ortspolizeibehörde aus, so trifft die Pflicht zur Entschädigung die Gemeinde. b) Die Bestimmungen des Zwangsenteignungsgesetzes treten jedoch zurück, soweit die Bayer. Brandversicherungsanstalt für den Schaden aufzukommen hat. Nach Art. 1 in Verb, mit Art. 19 und 20 des Gesetzes über das öffentliche Versicherungswesen ( = VersG) vom 7. 12. 1933 (GVB1. 467 = BayBS I 242) haftet die Landesbrandversicherungsanstalt für die bei ihr versicherten Gebäude neb st Zugehörungen nach Maßgabe der Satzung dieser Anstalt vom 15. 12. 1956 (GVB1. 473 = BayBS I 249) in Verb, mit den allgemeinen Versicherungsbedingungen vom 15. 12. 1956 (GVB1. 473 = BayBS I 258). Hiernach erstreckt sich die Haftung der Anstalt auch auf Schäden, die durch Zerstörung, Beschädigung, Löschen, oder Niederreißen an versicherten Gegenständen verursacht werden. Darunter fallen auch solche Gebäude, die beschädigt oder niedergerissen werden, um einen in einem Nachbargebäude entstandenen Brand zu hemmen39). Die Entschädi38 ) Wird das brennende Haus selbst eingerissen, so ist § 228 B G B anzuwenden. Vgl. oben Ziffer I. 39 ) Vgl. § 83 Vers. Vertr. Ges. i. d. F. vom 28. 12. 1942 (RGBl. 740), wonach der Versicherer auch den Schaden ersetzen muß, der durch Löschen oder Niederreißen verursacht wird und zwar auch an dem Nachbargrundstück.

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gungspflicht entfällt jedoch hinsichtlich solcher Gebäude und Gegenstände, die bei der Brandversicherungsanstalt nicht versichert sind, oder deren Beschädigung bzw. deren Niederreißen o h n e Anordnung der Polizeibehörde oder o h n e Befehl des Leiters der Feuerwehr ausgeführt worden ist. Hat demnach ein Unberufener den Eingriff in ein nicht vom Brand ergriffenes Gebäude oder dessen Zubehör verursacht, so ist dieser selbst entschädigungspflichtig und zwar auf Grund der allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen (§823 BGB). In derartigen Fällen hat überdies der Eigentümer des Gebäudes, das beschädigt werden soll, die Befugnis, sich gegen den Eingriff eines Unberufenen zur Wehr zu setzen, da die Voraussetzungen des § 904 B G B nicht vorliegen.

§ 13. Verpflichtung zur Duldung von Telegrafenund Telefonanlagen Bis zum 1. 1. 1900 konnten Telegrafen- und Fernsprechlinien auf fremden Grundstücken und öffentlichen Straßen nur im Wege der Zwangsenteignung nach Art. I Ziffer 12 Zwangsabtretungsges. ( = Z A G ) vom 17. 1 1 . 1837 1 ) errichtet werden. Das Verbietungsrecht des Eigentümers aus § 903 B G B konnte nur in den seltenen Fällen beseitigt werden, in denen es gelang, nachzuweisen, daß ihm an der Ausschließung seines Eigentumsrechts jedes Interesse fehle2). Erst das Telegrafenwegegesetz vom 18. 12. 1899 § 1 3 . N a c h Art. I Z . 1 2 des Zwangsenteignungsgesetzes, können Eigentümer angehalten werden, ihre Grundstücke gegen vorgängige Entschädigung Zur Aufstellung von T e l e g r a p h e n zum Dienste des Staates abzutreten oder mit einer Dienstbarkeit beschweren zu lassen. 2 ) In R G 42, 205 wird ein i n d i r e k t e s Interesse an der Ausschließung angenommen für eine Stadtgemeinde, welche auf ihren Straßen die elektrische Straßenbahn betreiben will. Durch § 23 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen v. 14. 2. 1928 (RGBl. I, 8) ist dem Unternehmer einer Starkstromleitung die Verpflichtung auferlegt, beim Vorhandensein ä l t e r e r Schwachstromleitungen der Gefahr einer Störung im Betriebe der letzteren dadurch vorzubeugen, daß er an seiner s p ä t e r e n elektrischen Anlage auf seine Kosten Vorkehrungen trifft oder dulden muß. Dasselbe gilt, wenn durch eine später eintretende Änderung der bereits f r ü h e r bestehenden elektrischen Anlage die Gefahr einer Störung der anderen Leitung veranlaßt wird. Auf diese Weise ist durch den Bestand der Fernsprech- und Telegrafenleitungen eine Beeinträchtigung der Freiheit des Privateigentums dargetan, an deren Ausschließung der Eigentümer ein Interesse hat. Vgl. R G 50, 8} über die Frage, inwieweit der Unternehmer der späteren elektrischen Anlage verpflichtet ist, die Kosten verbesserter Sicherungsmaßregeln dem Unternehmer der älteren elektrischen Anlage zu ersetzen. § 23 FermG hat Anwendung zu finden wenn da, wo eine störende Beeinflussung der einen Leitung durch die andere eingetreten oder zu befürchten ist, keine der beiden Leitungen oder nur eine derselben auf einem öffentlichen Verkehrs12

Meisner-Ring, Nachbarrecht, y. Aufl.

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S A«

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(RGBl. 705 — inKraft seit 1. 1. 19003) ergänzt durch Gesetz vom 24. 9.193 5 (RGBl. I, 1177) nebst D V O vom 10. 10. 1935 (RGBl. I 1236) hat die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, fremde Grundstücke, auch öffentliche Straßen und Wege, zur Anlage von Telegrafen- und Fernsprechlinien zu benützen, allerdings auch das nur unter ganz bestimmten im Gesetz festgelegten Voraussetzungen. Soweit diese nicht gegeben sind, können Anlagen für Telegrafen- und Fernsprechlinien nur im Wege der Enteignung auf fremden Grundstücken eingerichtet werden. In dieser Hinsicht ist das Bayer Z A G , nunmehr ersetzt durch § 3 2 des Postverwaltungsgesetzes vom 24. 7. 1953 (BGBl. I, 676), wodurch der Postverwaltung ganz allgemein das Enteignungsrecht zur Erfüllung ihrer Aufgaben eingeräumt worden ist. Das Zwangsenteignungsverfahren richtet sich nach wie vor nach dem ZAG. Hinsichtlich der Rundfunk- und Fernsehanlagen ist noch streitig, in wieweit das Bayer. Rundfunkgesetz vom 10. 8. 1948 (GVB1. 135) idF vom 17. 3. 1950 (GVB1. 57) mit dem G G vereinbar ist und ob das in § 32 PostverwGes. der Bundespost eingeräumte Enteignungsrecht auch im Bereich des Rundfunk- und Fernsehwesens gilt4).

A. Recht der Benützung von Verkehrswegen Vor allem ist der Telegrafenverwaltung ein Recht der Benützung eingeräumt an V e r k e h r s w e g e n , als welche mit Einschluß des Luftraumes und des Erdkörpers die öffentlichen Wege, Plätze, Brücken und die öffentlichen Gewässer nebst deren dem Gemeingebrauche dienenden Ufer gelten (§§ 1 — 1 1 TelWegGes.). Soweit ein Verkehrsweg eingewege sich befindet, ferner in allen Fällen, in welchen die staatliche Leitung nicht zu öffentlichen Zwecken dient. In den übrigen Fällen gelten die Bestimmungen der § § 5 und 6 des Telegrafen-Wege-Gesetzes. 3 ) Die bereits vordem 1. 1. 1900 für oder gegen die Telegrafenverwaltung (sei es auf Grund besonderer Verträge, sei es auf Grund des § 12 des Telegrafengesetzes vom 6. 4. 1892) e r w a c h s e n e n A n s p r ü c h e sind nach bisherigem Recht zu beurteilen. (Vgl. amtlich erläuterte Ausgabe des TelWegGes. Anm. I zu § 19.) Im übrigen findet auf die vorhandenen zu öffentlichen Zwecken dienenden Linien der Telegrafenverwaltung das TelWegGes. Anwendung, soweit nicht e n t g e g e n s t e h e n d e besondere Vereinbarungen (z. B. Vereinbarung einer Vergütung für die Benützung des Verkehrsweges, Ermäßigung der Fernsprechgebühren) getroffen sind. Vgl. hierüber Amtl. erl. Ausg. TelWegGes. Anm. III zu § 19. 4 ) Vgl. Seufert Bayer. Enteignungsrecht D 4 S. 298 F N 2. Der Ansicht, daß das Enteignungsrecht jedenfalls hinsichtlich der technischen Seite, also insbesondere für die Sendeanlagen des Rundfunks und Fernsehens, der Bundespostverwaltung auf Grund des § 3 2 PostverwGes. zusteht, dürfte beizupflichten sein.

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zogen wird, worüber die nach dem Landesrecht zuständigen Behörden zu entscheiden haben5), erlischt die Befugnis der Telegrafenverwaltung zu seiner Benützung (§3 Abs. 3 TelWegGes.). I. I n h a l t des B e n ü t z u n g s r e c h t e s an V e r k e h r s w e g e n Die Telegrafenverwaltung darf für ihre zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegrafen- und Fernsprechlinien die Verkehrswege benützen (§ 1 T e l W e g G e s . ) .

Der Begriff der zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegrafenlinien ist derselbe wie in den §§317 und 318 StGB 6 ). Damit sind nicht bloß die der Benützung des Publikums offen stehenden Telegrafenanlagen gemeint, sondern alle jene, welche dem Interesse der Allgemeinheit dienen, also auch diejenigen, welche zur Benützung in öffentlichen Angelegenheiten dienen, ohne dem Publikum geöffnet zu sein7), z. B. Feuerwehrtelegraphen. Auch die Haupt- und Nebenanschlüsse an die Fernsprechnetze oder Umschaltstellen gehören dazu8). Der Begriff der öffentlichen Wege (Art. 2 Bayer StrWG v. 1 1 . 7. 1958) und öffentlichen Flüsse (Art. 1 Bayer W G v. 23. 3. 1907 — vgl. auch Art. 2 u. 3 des Entwurfs für ein BayWG v. 26. 10. 1958) bestimmt sich nach dem Landesrecht. 1. Die Benützung der Verkehrswege für die Telegrafenanlagen ist jedoch unzulässig, insoweit dadurch der G e m e i n g e b r a u c h der Verkehrswege, d. i. der jedermann ohne besondere Genehmigung9) zustehende Gebrauch einer öffentlichen Straße im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften, d a u e r n d beschränkt würde (§ 1 TelWegGes.). Ergibt sich nach der Errichtung einer Telegrafenlinie, daß e siden Gemeingebrauch eines Verkehrsweges 10 ) und zwar nicht nur vorübergehend, beschränkt oder die Vornahme der zu seiner Unterhaltung er5 ) Vgl. Art. 8 u. 41 BayStrWGes. vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147). Hiernach kann ein öffentlicher Weg ( = Verkehrsweg) vom Träger der Straßenbahnlast eingezogen werden, wenn kein öffentliches Verkehrsbedürfnis mehr besteht. 6 ) Komm.-Ber. z. TelWegGes. 5. ' ) Vgl. Olshausen, StGB Anm. 3 zu § 3 1 7 ; Leip. Komm. Anm. 2 zu § 317 StGB. 8 ) RGSt. 29, 244; 34, 250. 9 ) Die Benützung des Weges zu besonderen Anlagen (Straßenbahnen, Beleuchtungsanlagen usw.) fällt nicht unter den Gemeingebrauch (Amtl. erl. Ausg. des Tel.WegGes. Bern. II zu § 1). Über Rechtsverhältnisse des Gemeingebrauches vgl. Zimniok, Bayer StrWG; Prandl-Wiebel, BayerStrWGAnm. je zu Art. 14 BayStrWG. Der Umfang des Gemeingebrauchs steht nicht ein für allemal fest, er ist wandelbar mit den stetigen V e r änderungen der Umweltsverhältnisse (vgl. B G H Z 22, 395 = N J W 57, 457; N J W 5 7 , 1 3 9 7 ; M D R 58, 588). 10 ) Das Verhältnis zu den auf dem Verkehrsweg eingerichteten „besonderen Anlagen" ist in § 5 und § 6 TelWegGes. geregelt (RG 80, 288).

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forderlichen Arbeiten verhindert oder der Ausführung einer von dem Unterhaltspflichtigen beabsichtigten Änderung des Verkehrsweges entgegensteht, so ist die Telegrafenlinie, soweit erforderlich, abzuändern oder gänzlich zu beseitigen (§ 3 Abs. 1 TelWegGes.) 11 ). Die gebotene Änderung oder Beseitigung hat die Telegrafenverwaltung auf ihre Kosten zu bewirken (§ 3 Abs. 2 TelWegGes.). Wegen einer nur v o r ü b e r g e h e n d e n E r s c h w e r u n g der U n t e r h a l t u n g eines Verkehrsweges ist Ersatz zu leisten (§ 2 TelWegGes.). Der E r s a t z a n s p r u c h verjährt in zwei Jahren von dem Schlüsse des Jahres an, in welchem er entstanden ist (§ 13 TelWegGes.). Er ist bei der Verwaltungsbehörde geltend zu machen, die für die betreffende öffentliche Straße in Betracht kommt, d. i. der zuständige Träger der Straßenbaulast; denn ihm unterstehen die Aufsicht und Verwaltung der öffentlichen Straßen12). Eine vorübergehende Erschwerung der Unterhaltung oder Beschränkung des Gemeingebrauchs i. S. von § 2 TelWG betrifft die Sondernutzung des betreffenden Verkehrsweges. Eine Einschränkung oder Entziehung einer solchen Sondernutzung für Fernmeldeanlagen richtet sich nach § 8 FStrG bei Bundesfernstraßen und nach Art. 18, 22, 41 und 42 BayStrWG bei sonstigen öffentlichen Straßen. Die für die Unterhaltung des Verkehrsweges etwa erwachsenen Kosten und Schäden können nach § 2 TelWG von der „Telegrafenverwaltung", d. i. der Postverwaltung Ersatz verlangt werden. Hiefür ist in § 13 Abs. 3 TelWG der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten vorgesehen. Wird durch eine Fernmeldeanlage der Gemeingebrauch an einer öffentlichen Straße nicht nur vorübergehend behindert, z. B. dadurch, daß wegen erheblicher Zunahme des Verkehrs eine Änderung oder Verlegung der Fernmeldeanlage notwendig wird, so ist folgendes zu beachten. Die Benützung des Verkehrsweges für eine Fernmeldeanlage stellt eine Sondernutzung dar, die der Erlaubnis des Straßenbaulastträgers bedarf und zwar bei Anlagen an einer Bundesfernstraße nach § 8 FStrG und bei solchen an sonstigen öffentlichen Straßen nach Art. 18 und 22 BayStrWG. Die Sondernutzungserlaubnis hat öffentlichrechtlichen Charakter und wird durch Verwaltungsakt auf Zeit oder auf Widerruf erteilt ( § 8 Abs. 2 FStrG bzw. Art. 18 Abs. 2 BayStrWG). Eine Einschränkung, d. i. ein teilweiser oder auch ein völliger Widerruf eine solchen Erlaubnis ist bei überwiegendem öffentlichen Interesse jederzeit zulässig. Bei unwiderruflichen Nutzungsrechten, etwa solchen aus der Zeit vor Inkrafttreten des FStrG (12. 9. 195 3 n

) Vgl. hierzu R G 102, 185. ) Träger der Straßenbaulast sind bei Bundesfernstraßen nach § 5 FStrG vom 6. 8.1955 (BGBl. I, 903) der Bund, bei Staatsstraßen nach Art. 41 BayStrWG vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147) das Land Bayern und bei Kreisstraßen die Landkreise bzw. die kreisfreien Städte (Art. 41 und 42 BayStrWG). 12

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— § 27 FStrG) bzw. des BayStrWG (1. 8. 1958), gibt § 8 Abs. 9 FStrG und Art. 69 BayStrWG das Enteignungsrecht13). 2. Die B a u m p f l a n 2 u n g e n auf und an den Verkehrswegen sind nach Möglichkeiten zu schonen, auf das Wachstum der Bäume ist tunlichst Rücksicht zu nehmen. Ausästungen können nur insoweit verlangt werden, als sie zur Herstellung der Telegrafenlinien oder zur Verhütung von Betriebsstörungen erforderlich sind; sie sind auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken ( § 4 Abs. 1 TelWegGes.). Nach den Ausführungsbestimmungen vom 26. 1. 190014) sind die Ausästungen in dem Maße zu bewirken, daß die Baumpflanzungen mindestens 60 cm nach allen Richtungen von den Leitungen entfenrt sind. Ausästungen über die Entfernung von 1 m im Umkreis der Leitungen können nicht verlangt werden. Die Telegrafenverwaltung hat dem Besitzer der Baumpflanzungen eine mit Rücksicht auf den Umfang der Arbeiten angemessene16) Frist zu setzen, innerhalb welcher er die Ausästung selbst vornehmen kann. Sind die Ausästungen innerhalb der Frist nicht oder nicht genügend vorgenommen, so bewirkt die Telegrafenverwaltung die Ausästungen. Dazu ist sie auch berechtigt, wenn es sich um dringliche Verhütung oder Beseitigung einer Störung handelt (§4 Abs. 2 TelWegGesetz). Einer speziellen Aufforderung zur Ausästung bedarf es nur, wenn es sich um neue Telegrafenanlagen handelt. Bezüglich der regelmäßigen Ausästungen sind die Baumbesitzer nur zu befragen, ob sie diese selbst bewirken oder deren Vornahme der Telegrafenverwaltung überlassen wollen16). Die Telegrafenverwaltung ersetzt den an den Baumpflanzungen verursachten Schaden und die Kosten der auf ihr Verlangen vorgenommenen Ausästungen (§ 4 Abs. 3 TelWegGes.). Diese K o s t e n sind nicht nur bei Neuanlagen, sondern auch bei den regelmäßigen Ausästungen an vorhandenen Linien von der Telegrafenverwaltung zu tragen. Der E r s a t z 13 ) Im Streitfalle stehen sich die Bundespost auf der einen Seite (vgl. Postverwaltungsgesetz vom 24. 7. 1953 — BGBl. I, 676, in Verb. m. V O vom 1. 8. 1953 —• BGBl. I, 715) und die Träger der Straßenbaulast (d. sind Bund, Land oder Landkreise bzw. kreisfreie Städte) als Parteien gegenüber (vgl. § 3 FStrG, Art. 41 und 42 BayStrWG). In aller Regel dürfte unter diesen Parteien eine Einigung zu erzielen sein. Sollte eine Einigung nicht Zustandekommen, so steht der Rechtsweg nach § 1 3 Abs. 3 TelWG vor den ordentlichen Gerichten zur Verfügung; hierbei handelt es sich um die Entscheidung der Frage, ob die Postverwaltung verpflichtet ist, eine den Gemeingebrauch der betreffenden Verkehrsstraße dauernd behindernden Fernmeldeanlage so zu ändern oder zu verlegen, daß keine Gefährdung des Gemeingebrauchs mehr zu befürchten ist. Der in § 13 TelWG vorgesehene ordentliche Rechtsweg ist in § 40 Abs. 1 V w G O vom 21. 1. i960 (BGBl. I, 17) aufrechterhalten. " ) RGBl. 1900, 7. u ) Vgl. hierzu unten § 18 I; vgl. auch § 910 B G B , Staudinger-Seufert Randb. 3. le ) Amtl. etl. Ausg. des TelWegGes. Anm. II zu § 4.

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a n s p r u c h v e r j ä h r t in zwei Jahren von dem Schlüsse des Jahres an, in welchem er entstanden ist (§ 13 TelWegGes.). E r ist bei der Verwaltungsbehörde d. i. bei dem zuständigen Straßenbaulastträger17) geltend zu machen und von diesem festzusetzen. Gegen seine Entscheidung steht binnen eines Monats nach der Zustellung der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen18). 3. Die Rechtsverhältnisse rücksichtlich der b e s o n d e r e n A n l a g e n auf Verkehrswegen, d. i. aller jener Anlagen, welche auf den Verkehrswegen nur mit besonderer Bewilligung errichtet werden dürfen (der Wegeunterhaltung dienende Einrichtungen, Kanalisations-, Wasser-, Gasleitungen, Schienenbahnen, elektrische Anlagen, Leitungen und dergleichen) sind in den § § 5 und 6 TelWegGes. behandelt. Die Vorschriften der § § 5 und 6 TelWegGes. beziehen sich nur auf solche Fälle, in denen eine zu ö f f e n t l i c h e n Zwecken dienende staatliche Fernmeldeanlage und eine der in § 5 Abs. 1 bezeichneten besonderen Anlagen a u f einem V e r k e h r s w e g e zusammentreffen. In allen sonstigen Fällen des Zusammentreffens staatlicher öffentlicher Fernmeldelinien mit besonderen Anlagen — sei es, daß da, wo eine staatliche Telegrafen(Telefon-)Anlage mit einer besonderen Anlage zusammentrifft, jede der beiden Anlagen oder auch nur eine derselben sich auf einem a n d e r e n Grundstücke als einem Verkehrswege befindet, oder daß das Zusammentreffen zwar auf einem Verkehrswege stattfindet, die staatliche Telegrafenanlage aber n i c h t ö f f e n t l i c h e n Zwecken, sondern nur den Zwecken einer einzelnen oder einiger weniger Personen dient — sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Telegrafenverwaltung und des Unternehmers der besonderen Anlage nach § 23 des Gesetzes über das Telegrafenwesen vom 6. 4. 1892 (RGBl. 467) idF vom 7. 3. 1908 (RGBl. I, 79), sowie vom 1 1 . 7. 1921 (RGBl. 913) und vom 3. 12. 1927 (RGBl. I, 331), neugefaßt als Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14. 2. 1928 (RGBl. I, 8) zu beurteilen. a) Die Fernmeldelinien sind so auszuführen, daß sie v o r h a n d e n e besondere Anlagen nicht störend beeinflussen. Die aus der Herstellung erforderlicher Schutzvorkehrungen erwachsenden Kosten hat die Postverwaltung zu tragen (§ 5 Abs. 1 TelWegGes.). Die Verlegung oder Veränderung vorhandener besonderer Anlagen kann nur gegen Entschädigung und nur dann verlangt werden, wenn die Benützung des Verkehrsweges für die Fernmeldelinie sonst unterbleiben müßte und die besondere Anlage anderweit ihrem Zwecke entsprechend untergebracht werden kann (§ 5 Abs. 2 TelWegGes.). Dieser Anspruch verjährt in 2 Jahren. Er ist bei zuständigen Straßenbaulastträger geltend " ) S. oben F N 12. le ) S. oben unter I 1, F N 12 u. 13.

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zu machen und von diesem festzusetzen. Gegen diese Festsetzung steht der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen19). Auch beim Vorhandensein dieser Voraussetzungen hat die Benützung der Verkehrswege für die Telegrafenlinie zu u n t e r b l e i b e n , wenn der aus der Verlegung oder Veränderung der besonderen Anlage entstehender Schaden gegenüber den K o s t e n , welche der Telegrafenverwaltung aus der Benützung eines anderen ihr zur Verfügung stehenden Verkehrsweges erwachsen, u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g g r o ß ist (§ 5 Abs. 3 TelWegGes.). b) Diese Vorschriften finden auf solche in der V o r b e r e i t u n g b e f i n d l i c h e besondere Anlagen, deren Herstellung im öffentlichen Interesse liegt, entsprechende Anwendung. Eine Entschädigung auf Grund des § 5 Abs. 2 TelWegGes. wird nur bis zu dem Betrage der Aufwendungen gewährt, die durch die Vorbereitung entstanden sind. In der Vorbereitung begriffen sind Anlagen, sobald sie auf Grund eines im einzelnen ausgearbeiteten Planes die Genehmigung des Auftraggebers und, soweit erforderlich, die Genehmigung der zuständigen Behörden und des Eigentümers oder des sonstigen Nutzungsberechtigten des in Anspruch genommenen Weges erhalten haben (§ 5 Abs. 4 TelWegGes.). c) Spätere 2 0 ) besondere Anlagen 21 ) sowie Veränderungen22) solcher Anlagen sind nach Möglichkeit23) so auszuführen, daß sie die vorhandenen Fernmeldelinien nicht störend beeinflussen (§ 6 Abs. 1 TelWegGes.). Soweit zu diesem Zwecke Maßnahmen zum Schutze von Fernmeldeanlagen an der s p ä t e r e n Anlage24) oder an den T e l e g r a f e n a n l a g e n 2 5 ) zu treffen sind, hat der Unternehmer der besonderen Anlage die hierdurch erwachsenden Kosten zu tragen. Es muß also die spätere besondere Anlage mit allen Schutzvorkehrungen, die an ihr getroffen werden können, ohne ihren wirtschaftlichen Zweck zu gefährden28), versehen werden. Hierher 19

) S. oben unter I, 1 F N 12 u. 13. ) Vgl. R G 80, 289. ) Vgl. R G 90, 1 2 1 (Starkstromanlage einer Uberlandzentrale); R G 78, 22} (Elektrische Überlandleitung zur Versorgung von Landgemeinden); R G 63, 88 (Elektrische Anlage einer Stadtgemeinde zur Beleuchtung von Straßen und zur Lieferung von Strom für gewerbliche Zwecke). 22 ) § 6 Abs. 6 TelWegGes. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß die spätere Anlage ausgeführt werden darf, wenn auch die Störung einer vorhandenen Telegrafenlinie nicht zu vermeiden ist, während im Falle des § 5 Abs. 1 die neue Telegrafenlinie nicht angebracht werden d a r f , wenn die Störung der vorhandenen Anlage nicht zu vermeiden ist. Aron in den A n n D R 1904, 312. 24 ) § 6 Abs. 1 TelWegGes. 26 ) § 6 Abs. 5 TelWegGes.; vgl. oben § 13 am Anfang. 26 ) „Nach Möglichkeit" (§ 6 Abs. 1 TelWegGes). Der Verband Deutscher Elektrotechniker hat „Allgemeine Vorschriften für die Ausführung und den Betrieb neuer elektrischer Starkstromanlagen (ausschließlich der elektrischen Bahnen) bei Kreuzungen und 20

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gehört z. B. die Anbringung von Schutznetzen und Schutzdrähten, die Aufsattelung von Holzleisten auf die Arbeitsleitung elektrischer Bahnen, die Anwendung isolierter Leitungsdrähte, die Herstellung kurzer Kabelleitungen, welche die Kosten nicht unverhältnismäßig steigern. Soweit hiermit nicht ausreichend geholfen werden kann, sind die dann nötigen Schutzmaßregeln an der vorhandenen Telegrafenanlage anzubringen, z. B. durch Einschaltung von Schmelzsicherungen, Herstellung metallischer Rückleitungen, Umwandlung oberirdischer Linien in unterirdische, wo dies ohne Gefährdung des Betriebes möglich ist27). Läßt sich auch durch Schutzvorrichtungen eine Sicherstellung des Betriebes der vorhandenen Telegrafenanlage nicht erreichen, so hat die beabsichtigte spätere besondere Anlage zu unterbleiben28). d) Für jene s p ä t e r e n Anlagen, welche aus Gründen des öffentlichen Interesses, insbesondere aus volkswirtschaftlichen oder Verkehrsrücksichtigen, von den W e g u n t e r h a l t u n g s p f l i c h t i g e n oder unter überwiegender Beteiligung eines oder mehrerer derselben zur Ausführung gebracht werden29), hat das Gesetz ( § 6 Abs. 2 und 3) besondere Vorteile zugestanden30): a) Würden die durch die Anpassung der späteren besonderen Anlage an die vorhandenen Telegrafenanlagen erforderlichen Maßregeln, durch welche ein störender Einfluß der neuen besonderen Anlage auf die vorhandenen Telegrafenlinien nach Tunlichkeit hintangehalten werden soll 31 ) (§ 6 Abs. 1 TelWegGes.), zu einer w e s e n t l i c h e n Erschwerung der Herstellung der Anlage führen oder deren Herstellung unmöglich machen, so muß die Fernmeldanlage der besonderen Anlage Platz machen und beim Verlangen des Wegunterhaltspflichtigen auf Kosten der Postverwaltung verlegt oder entsprechend verändert werden32) ( § 6 Abs. 2 TelWegGes.). Näherungen von Telegrafen- und Fernsprechleitungen" aufgestellt (Vgl. V D E 0210 von 1958, herausgeg. v. V D E Berlin-Charlottenburg z Bismarckstr. 33). " ) Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. II zu § 6 (S. 15). 28 ) Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. I I b zu § 6 (S. 16). 29 ) S. hierüber R G 63, 88; 65, 3 1 1 ; 78, 225; 80, 289; 90, 1 1 9 ; 97, 7 1 ; 1 0 1 , 280. 30 ) Berührt die von einem Wege-Unterhaltspflichtigen errichtete besondere Anlage zum Teil öffentliche Verkehrswege, zum Teil anderes Gelände, so sind die Vergünstigungen des § 6 Abs. 2 u. 3 des TelWegGes. einem derartigen Unternehmen nur insoweit zuzugestehen, als es die öffentlichen Verkehrswege benützt. Wo es diese verläßt, fällt der gesetzgeberische Grund seiner Bevorzugung gegen über den Telegrafenlinien weg. Von diesem Punkt an unterliegt die Anlage dem Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 7. 3. 1908 idF vom 14. 1. 1928 (RGBl. I, 8), insbesonder dessen §§ 23 u. 24 (vgl. dazu R G Z 1 0 1 , 280 zu § 12 des Ges. v. 7. 3. 1908). 31 ) Und deren Kosten auch in diesem Falle dem Unternehmer der besonderen Anlage zur Last fallen; vgl. Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. II Abs. 1 zu § 6. 32 ) Vgl. Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. IIa zu § 6.

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Die Verlegung einer nicht lediglich dem Orts-, Vororts- oder Nachbarortsverkehr dienenden Fernmeldelinie kann nur dann verlangt werden, wenn die Fernmeldelinie ohne Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten33) anderweitig ihrem Zwecke entsprechend untergebracht werden kann ( § 6 Abs. 2 letzter Satz TelWegGes.). ß) Wenn diese Voraussetzung nicht gegeben ist, mithin die Fernmeldeanlage bestehen bleiben darf, so hat die Postverwaltung die zum Schutze der Fernmeldelinie erforderlichen Vorrichtungen34) auf ihre Kosten zu treffen ( § 6 Abs. 3 TelWegGes.). Ein Ersatzanspruch verjährt in zwei Jahren von dem Schlüsse des Jahres an, in welchem er entstanden ist. Er ist beim Träger der Straßenbaulast geltend zu machen und von diesem festzusetzen. Dagegen steht binnen eines Monats nach Zustellung der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen36). II. V e r f a h r e n v o r B e n ü t z u n g der V e r k e h r s w e g e Vor der Benützung eines Verkehrsweges zur Ausführung neuer Fernmeldelinien oder wesentlicher Änderungen vorhandener Fernmeldelinien hat die Postverwaltung einen Plan36) über die in Aussicht genommene Anlage aufzustellen. Dieser Plan soll den besonders Beteiligten und außerdem bei den Post- und Telegrafenämtern, soweit die Fernmeldelinien deren Bezirk berührt, auf die Dauer von vier Wochen öffentlich ausgelegt werden ( § 7 TelWegGes.). Die Postverwaltung ist zur Ausführung des Planes befugt, wenn nicht gegen diesen binnen vier Wochen von der Zustellung bzw. der öffentlichen Auslegung des Planes bei der Behörde, welche den Plan ausgelegt hat, Einspruch schriftlich oder zu Protokoll37) erhoben wird. Über den Einspruch entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde38), gegen deren Entscheidung binnen einer Frist von zwei Wochen 33) Für den Begriff der „unverhältnismäßig hohen" Kosten kommt nicht das Verhältnis der Kosten der neuen Anlage zu den Kosten der Verlegung der Telegrafenlinien in Betracht, sondern das Interesse der Telegrafenverwaltung wird für die Feststellung der Verhältnisziffern wesentlich maßgebend sein müssen. Aron in den AnnDR 1904, 315. 34) Dies umfaßt die Schutzvorkehrungen sowohl an der Telegrafenanlage selbst, wie auch an der späteren Anlage. R G 57, 364. 36) S. oben 1 1 , FN 12 u. 13. 36) Hierüber trifft die Ausführungsbestimmung des Reichskanzlers vom 26. 1. 1900 nähere Bestimmungen. RGBl. 1900, 7. Nach d. Ges. v. 24. 9. 1935 (RGBl. I, 1177) mit D V O v. 10. 10. 1935 (RGBl. I, 1236) kann die Postverwaltung anordnen, daß von dem Planverfahren abgesehen wird; sie bestimmt, wer als Beteiligter gehört wird; die Anhörung kann mündlich erfolgen. 37 ) Ausführungsbestimmungen vom 26. 1. 1900 Ziff. 5. 38) Als höhere Verwaltungsbehörde i. S. des § 8 TelWegGes. gilt die Regierung (MinBek. v. 11. 4. 1900, GVB1. 398).

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nach der Zustellung die Beschwerde an die Landeszentralbehörde39) stattfindet (§8 TelWegGes.). Gegen diese Entscheidung besteht gem. §§ 40, 42 u. 45 V w G O vom 21. 1.1960 (BGBl. I, 17) der Verwaltungsrechtsweg. Die hiernach zulässige Anfechtungsklage ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des anzufechtenden Bescheids beim Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Plan durchgeführt werden soll, zu erheben (§§ 45, 52 Ziff. 1 u. 74 VwGO). B. Rechte der Telegrafenverwaltung zur Benützung von Privatgrundstücken Die Postverwaltung ist befugt, Fernmeldelinien durch den Luftraum 4 ®) über Grundstücken, die nicht Verkehrswege im Sinne des TelWGes. sind, zu führen, soweit nicht dadurch die Benützung des Grundstücks nach den zur Zeit der Herstellung der Anlage 41 ) bestehenden Verhältnissen wesentlich beeinträchtigt wird. Wird erst durch eine später in diesen eintretende Änderung eine Beeinträchtigung der Benützung verursacht, z.B. weil der Eigentümer sein von den Telegrafenleitungen überspanntes Gebäude erhöhen will, so muß die Postverwaltung die Leitung auf ihre Kosten beseitigen oder so verlegen, daß eine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums völlig vermieden wird42) ( § 1 2 Abs. 1 TelWegGes.). Dies gilt insbesondere auch, wenn der Eigentümer auf seinem Grundstück besondere Anlagen (z. B. elektrische Beleuchtungsanlagen) errichtet, welche den Betrieb der durch den Luftraum geführten Telegrafenlinien beeinträchtigen. In diesem Falle finden die §§5 und 6 TelWegGes. keine Anwendung. Streitigkeiten über die Befugnis der Postverwaltung zur Benützung fremder Grundstücke (z. B. der Anspruch auf Beseitigung einer Telefonleitung, § 1004 B G B ) sind im Zivilrechtsweg auszutragen. Beeinträchtigungen in der Benützung eines Grundstückes, welche ihrer Natur nach lediglich vorübergehend sind, stehen der Führung der Fernmeldelinien durch den Luftraum nicht entgegen, doch ist der entstehende Schaden zu ersetzen. Ebenso ist für Beschädigungen des Grundstücks und 39 ) Die Befugnisse der Landeszentralbehörde werden von dem Staatsministerium d. I. im Benehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft u. Verkehr ausgeübt. Für bestimmte Linien kann von einem Plan-Feststellungsverfahren abgesehen werden (Ges. v. 24. 9. 1935 — RGBl. I, 1177). 40 ) Ein Recht, Gestänge auf Gebäuden oder Grundstücken aufzustellen, ist dadurch nicht gegeben (Amtl. erl. Ausg. des TelWegGes. Anm. IV zu § 12). Ein solches Recht ist auch aus keiner allgemeinen Bestimmung des BGB, insbes. nicht aus § 905 B G B abzuleiten. Vgl. Staudinger, Vorträge 323. 41 ) Darin liegt der wesentliche Unterschied von Satz 2 des § 905 BGB. 42 ) Amtl. erl. Ausgabe des TelWegGes. Anm. I zu § 12.

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seines Zubehörs, die infolge der Führung der Fernmeldelinie durch den Luftraum eintreten, Ersatz zu leisten ( § 1 2 Abs. 2 TelWegGes.). Die Post haftet für Beschädigung körperlicher Sachen des Eigentümers eines Grundstücks, durch dessen Luftraum sie eine Femsprechleitung legt (RG 126, 28). Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt war folgender: Bei Legung einer Fernsprechleitung, die über eine Starkstromleitung hinwegführt, warf ein Telegraphenarbeiter einen mit einer Zange beschwerten Draht über die Drähte der Starkstromleitung. Hierbei entstand Kurzschluß. Die Starkstromleitung brannte durch. Die Pferde eines gerade vorbeifahrenden Fuhrwerks kamen mit der Drahtrolle in Berührung und wurden durch elektrischen Schlag getötet. Das R G sah in der schädigenden Handlung des Postarbeiters einen so engen und unmittelbaren Zusammenhang mit der auf einem Hoheitsakt beruhenden Legung der Leitung, daß eine in Ausübung der öffentlichen Gewalt begangene unerlaubte Handlung nach § 839 B G B anzunehmen war (Vgl. R G 156, 565; B G H in N J W 57, 1396).

Die Beamten und Beauftragten der Postverwaltung, welche sich als solche ausweisen, sind befugt, zur Vornahme notwendiger Arbeiten an Fernmeldelinien, insbesondere zur Verhütung und Beseitigung von Störungen, die Grundstücke nebst den darauf befindlichen Baulichkeiten und deren Dächer mit Ausnahme der abgeschlossenen Wohnräume während der Tagesstunden nach vorheriger schriftlicher Ankündigung zu betreten (§ 12 Abs. 3 TelWegGes.). Der Ersatzanspruch des § 12 Abs. 2 und 3 TelWegGes. verjährt in zwei Jahren von dem Schlüsse des Jahres an, in welchem er entstanden ist ( § 1 3 TelWegGes.). Der Anspruch kann im ordentlichen Rechtsweg gem. § 13 Abs. 4 TelWG verfolgt werden. C. Die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen des Nachbarrechtes § 14. Immissionen*) I. A l l g e m e i n e s Die rechtliche Abgrenzung der Grundstücke würde mit den Bedürfnissen des Lebens in einen unversöhnlichen Widerspruch treten, wenn die zugunsten des Eigentümers bestehende Befugnis, die Einwirkung Dritter *) Schrifttum: O r t l o f f , ArchBürgR 26,327; H ö r i g , Rauch u. ähnliche Einwirkungen nach § 906, Leipzig 1906; R i e h l in Gruch 51, 142; M o s i c h , Das Grundeigentum in Jheringj 80, 255; S c h i f f e r in Z A k D R 36, 1076; 37, 276; 39, 3 1 1 ; K l a u s i n g i n J W 37, 68; 38, i68iff.; E p p i n g DRpfleger 39, 571; H u b e r n a g e l in D J Z 36, 804; v. d. G o l t z , B B 51, 267 (nachbarrechtliche Einwirkungen in höchstr. Rspr.); S c h u l t e , N J W 54, 495; H a b s c h e i d , M D R 54, 260; W e s t e r m a n n : Welche Maßnahmen zur Luftreinhaltung sind erforderlich? 1958; N o r d a l m , R d L 58, 1 1 4 ; H e r s c h e l , J Z 59, 76 (Neugestaltung des Immissionsrechts) Vgl. BaySVerwVorschr. Staatsmin. d. I. II, 396: Rechtsgrundlagen zur Lärmbekämpfung; Lassally, D. Lärmbekämpfungsrecht, Schriftenreihe des D A L Bd. 2; Runge N J W 58, 1997; Kürzel B B 58, 580.

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auszuschließen, derart streng durchgeführt würde, daß jede nicht autorisierte mechanische oder physikalische Einwirkung als objektive Rechtswidrigkeit behandelt würde 1 ). Vor allem läßt sich eine gewisse Art der Hinüberwirkung nicht in bestimmte Grenzen bannen. Die Schall- und Lichtwellen, die auf dem einen Grundstücke erzeugt werden, pflanzen sich mit physikalischer Notwendigkeit auf andere Grundstücke fort und ebensowenig lassen sich die Gase (Gerüche) an der Scholle festhalten. Auch der Erschütterung, welche auf den Boden übertragen wird, läßt sich an den Grenzpfählen nicht Halt gebieten; kurz, es läßt sich eine ganze Reihe derartiger Immissionen auf fremdes Gebiet nach zwingenden Naturgesetzen und unvermeidlichen Folgen des menschlichen Beisammenlebens nicht aufhalten8). Andererseits würde der Inhalt des Eigentums in vielen Fällen zu stark eingeschränkt, wenn man jede derartige Immission, z. B. die Einwirkung eines noch so unerträglichen Geräusches, das Eindringen selbst gesundheitsschädlicher Gase usw. ohne Einschränkung zulassen würde. Das positive Herrschaftsrecht des einen Nachbarn und das negative Ausschließungsrecht des anderen geraten auf diese Weise in Widerstreit, den die Rechtsordnung auszugleichen hat3). Dabei war die erste Kommission davon ausgegangen, daß jeder Grundeigentümer innerhalb seines Machtbereiches schalten und walten könne ohne Rücksicht darauf, daß seine Handlungen notwendig in den Machtbereich anderer Grundeigentümer hinüberwirken, so daß es sich für den Gesetzgeber nur darum handele, die natürliche Immissionsfreiheit jedes Grundeigentümers positiv auf ein für die anderen erträgliches Maß einzuschränken4). Die zweite Kommission ist von dem gegenteiligen Standpunkt ausgegangen, wonach jede Immission an sich verboten ist und die Zulässigkeit einer Immission durch eine besondere Ausnahmebestimmung begründet wird. Dieser grundsätzliche Standpunkt ist für die Auslegung des § 906 von wesentlicher Bedeutung. § 906 stellt die Ausnahmen von dem grundsätzlichen Recht dar, die Einwirkungen auf das Grundstück auszuschließen. Nur insoweit, als die Ausschließungsbefugnis des § 903 durch § 906 eingeschränkt ist, handelt der Einwirkende in Ausübung einer Befugnis, also rechtmäßig6). In Anlehnung an die frühere Rechtsprechung8)stellt § 14. M 3, 264 (Mugdan 146). 2 ) KommProt. 3532 (Mugdan 3, 580). 3 ) M 3, 266 (Mugdan 3, 147). 4 ) Vgl. KommProt. 3532 (Mugdan 3, 580). 5 ) Monich in JhJahrb. 38,185; R G K 9. Aufl. Bern. 13 zu § 906. 6 ) Das grundsätzliche Immissionsverbot beherrscht das gemeine Recht (RG 6, 217), das A L R (Plenar-Entsch. Ob.-Tr. 23, 252; R G 7, 265), das Recht des code civil (RG n , 343). Die bisherige Rechtsprechung hat daher durch Inkrafttreten des B G B ihre Bedeutung nicht verloren (vgl. JW 1900, 890; Gruchot 45, 1014).

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§ 906 B G B den Grundsatz auf, daß der Eigentümer Einwirkungen, die das gewöhnliche Maß des Erträglichen nicht übersteigen, im Interesse des Zusammenlebens der Menschen zu dulden habe, daß ihm mithin nur gegen ü b e r m ä ß i g e Immissionen das durch § 903 B G B begründete Verbietungsrecht verbleibt. Schrifttum und Rechtsprechung haben bei der Anwendung des § 906 auf den einzelnen Fall die Grundsätze des § 242 B G B herangezogen und ausgesprochen, daß der Grundstückseigentümer bei der Ausübung seiner Eigentumrechte die Interessen eines geordneten nachbarlichen Zusammenlebens beachten muß6a). Da aber die Bedürfnisse der auf gut nachbarliches Verhältnis angewiesenen Menschen nicht immer gleich sind, sondern nach Zeit und Ort wechseln und überdies von den Fortschritten in der Technik und von der Entwicklung des Verkehrs abhängig sind, so kann § 906 nicht als starre Rechtsnorm erachtet werden. Bei seiner Anwendung ist vielmehr auf ein geordnetes nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis abzustellen und ein der Billigkeit und Zweckmäßigkeit entsprechender Ausgleich der widerstreitenden Interessen herbeizuführen (Prinzip des Ausgleichs nachbarlicher Kollisionen). Die Herrschaftsmacht des Grundeigentümers ist demnach abzugrenzen auf der einen Seite (positiv) dahin, inwieweit er in die Rechtssphäre des Nachbarn einwirken darf (pflichtgebundene Eigentümerstellung), und nach der anderen (negativen) Seite, inwieweit er sich Einwirkungen von Seite der Nachbarn gefallen lassen muß (Unterlassungspflicht). Unter diese Duldungspflicht nach § 906 fällt die u n w e s e n t l i c h e sowie jede o r t s ü b l i c h e wesentliche Immission. Sowohl bei Ausübung der Eigentumsrechte wie bei Erfüllung der Duldungspflichten muß der Grundeigentümer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242) im Hinblick auf ein geordnetes nachbarliches Zusammenleben handeln. Durch Gesetz vom 22. 12. 1959 (BGBl. I, 781) — in Kraft ab 1. 6. i960— wurde § 906 B G B insofern geändert als nach Satz 1 (nunmehr Abs. 1) ein Absatz 2 eingefügt und der bisherige Satz 2 als Absatz 3 bestimmt wurde. Im nunmehrigen Absatz 2 wird die in Abs. 1 festgelegte Duldungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen erweitert, wie folgt: „Das gleiche (wie Abs. 1) gilt, insoweit als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benützung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benützern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benützer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die 6a ) V g l . R G Z 1 3 9 , 2 9 ; 154, 1 6 1 ; 159, 129; 162, 216 u. 3 5 7 ; 163, 549; 1 6 7 , 1 4 ; B G H in L M N r . 1 u. 2 zu § 903; M D R 51, 726; R d L 58, 206; R G in Seuff. Arch. 93 Nr. 92; O G H Z 2, 1 6 1 ; Klausingin J W 3 7 , 6 8 ; 38, i68i;Schulte, N J W 5 4 , 495; Habscheid,MDR54, 260; Staudinger-Seufert Randb. i c zu § 906. Vgl. auch Westermann in N J W 58, 2106; Zeitlmann in BBB1. 58, 527.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Einwirkung eine ortsübliche Benützung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt."

Dadurch wird die Duldungspflicht gegenüber einer ortsüblichen wesentlichen Immission nur für solche Fälle festgeigt, in denen es technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, einer Immission den Charakter einer wesentlichen Beeinträchtigung durch besondere Vorkehrungen zu nehmen. Dabei richtet sich die Frage, ob eine solche Schutzmaßnahme wirtschaftlich zumutbar ist, nicht nach den Verhältnissen des einzelnen Betriebes, sondern nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines gleichartigen Betriebs. Es soll auf diese Weise Vorsorge getroffen werden, daß der Nachbar eines wirtschaftlich schwachen Betriebs nicht etwa durch eine Immission härter in Mitleidenschaft gezogen wird als der Nachbar eines Großbetriebes. Läßt sich trotz geeigneter Schutzmaßnahmen eine Beeinträchtigung des Nachbarn nicht vermeiden, so steht dem Nachbarn ein Entschädigungsanspruch in Geld gegen den Betriebsinhaber zu (vgl. unten V 3). II. 1. § 906 befaßt sich nur mit Einwirkungen, die durch s i n n l i c h e W a h r n e h m u n g vermittelt werden; eine Einwirkung auf das Gefühlsleben fällt nicht darunter, wie überhaupt der Begriff der „ideellen" oder „immateriellen" Immission dem Bürgerlichen Gesetzbuch fremd ist7). Der Umstand, daß durch eine nicht über die Grenzen hinauswirkende Benützung des Grundstückes der Wert des Nachbargrundstückes beeinträchtigt wird, ist belanglos8). Deshalb kann eine Fabrik explodierender Stoffe, wie Pulvermagazin nicht deshalb verboten werden, weil durch die hiermit verbundene Explosionsgefahr Furcht erregt wird9). Der An7 ) R G 50, 226; 57, 239; O L G 5, 386; Recht 1915 Nr. 1084 (RG). Vgl. hierzu auch Endemann 4 7 1 ; Staudinger-Seufert Randb. 1 2 ; Planck-Strecker Bern. 3; R G R K o m . 1 je zu § 900. A. M. Heck SR S. 219, der für eine entsprechende Anwendung des § 906 eintritt; vgl. auch Müller-Michels, Mainzer Diss. 1956 (negative Einwirkungen); PalandtHoche Bern. 2a zu § 906 u. Bern. 3 b zu § 1004; Weimar in M D R 58, 20; sieht in der Verletzung seelischer Empfindungen, z.B. Aufstellen von Särgen in beleuchtetemAusstellungsraum usw., einen Angriff auf die Menschenwürde i. S. des Art. 1 G G . Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. 8 ) Es müßte denn der Tatbestand der §§ 226, 823, 826 gegeben sein. J W 1902 Beil. 2 1 1 . Wenn infolge eines gefährlichen Betriebes die Nachbarn durch polizeiliche Anordnung in der Bebauung ihrer Grundstücke beschränkt werden, kann aus diesem besonderen Rechtsgrund eine Entschädigungspflicht in Frage kommen. SeuffA 57 Nr. 191. 9 ) R G 50, 225 (Petroleumraffinierie) ; 63, 374 (Gasfabrik); O L G 4, 55. Solche gefährliche Betriebe (wie Schießpulverfabriken, Anlagen zu Feuerwerkereien, zur Bereitung von Zündstoffen aller Art, Gasbereitungsanstalten) bedürfen nach § 1 6 der GewO einer gewerbepolizeilichen Genehmigung. Die Verwaltungsbehörde hat darauf zu sehen, daß die Anlage nur unter Bedingungen gestattet wird, welche für die Sicherheit Dritter hinreichende Gewähr leisten. Vgl. die Neufassung des § 16 GewO durch Ges. v. 22. 12. 1959 (BGBl.

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spruch auf die Unterlassung von Schießübungen kann mit der unbegründeten Besorgnis einer Verletzung durch abirrende Kugeln nicht begründet werden10), ebensowenig kann die Errichtung eines Leichenhauses, weil hierdurch Schauder und Grausen erregt wird 11 ), oder ein Bordell verboten werden, weil hierdurch das Schamgefühl verletzt wird 18 ), oder ein städtisches Freibad wegen des Anblicks nackter Badegäste13). Dagegen kann es bei einem Leichenhause nach § 906 ins Gewicht fallen, wenn üble Gerüche herüberdringen oder durch die herüberfliegenden Insekten eine Gefahr der Infektion durch Insektenstiche herbeigeführt wird 14 ). Auch bei dem Betriebe eines Bordells kann § 906 nur insoweit Anwendung finden, als derselbe von Umständen begleitet wird, die eine durch sinnliche Warnehmung vermittelte Einwirkung auf das Nachbargrundstück herbeiführen (z. B. das Benehmen der Dirnen, insbesondere Belästigung der Passanten durch dieselben, fortwährendes Anfahren von Droschken in der Nacht, Singen und Klavierspiel usw.)15). Im übrigen kann der Bordellbetrieb, soweit § 906 nicht einschlägt, unter Umständen aus § 826 verboten werden16). Auch die sog. „negativen Einwirkungen" 17 ) (Entziehung der Aussicht, Abhalten von Licht und Luft) 18 ) gehören nicht zu den in § 906 geregelten Rechtsverhältnissen19). I, 781): behördliche Genehmigung für alle Anlagen, welche erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen, auch für Anlagen des Bergwesens und für Anlagen nicht gewerblicher Art, sofern sie im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden. 10 ) Aber eine solche Angst kann das Schießgeräusch indirekt insofern lästiger machen, als man bei dem Knall unwillkürliche, also nicht infolge einer bewußtenVorstellung einer Gefahr, zusammenschreckt (Recht 1915 Nr. 1084 RG). " ) O L G 4, 6 1 ; a. M. Weimar in M D R 58, 20. 12 ) R G 57, 239; J W 1904, 291; BadRechtspr. 1905, 198; Recht 1904, Nr. 1642. Dagegen kann auf Grund des § 826 Schadenersatz verlangt werden, wenn durch einen, sei es auch polizeilich genehmigten, Bordellbetrieb der Wert der Nachbargrundstücke herabgedrückt wird ( R G 38, 380; 50, 227; 57, 239); R G 76, 130; J W 1 1 , 587; StaudingerSeufert 12 zu § 906. 13 ) J W 1 9 1 1 , 587; R G 7 6 , 1 3 0 ; vgl. Wolff-Raiser SR § 53 I ; Ermann-Seibert Bern. 3 zu § 9° 6 " ) O L G 4, 6 1 ; PucheltsZ 33, 94; vgl. auch R G 160, 382. 15 ) R G 57, 239; J W 1904, 291; O L G 5, 386; SeufTA 60, 18. Sind diese Voraussetzungen vorhanden, so ist der Anspruch auf Unterlassung selbst dann gegeben, wenn die Prostitution von der Polizei auf die fragliche Straße konsigniert wurde; gerade dann sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen. Vgl. Recht 1908, 234 Nr. 1386. " ) SeuffA 56 Nr. 199; O L G 2, 457; J W 1904, 291; BayZ 1908, 183. 17 ) R G K Bern. 1 zu § 906; vgl. auch Celle in N J W 53, 388; R G 96, 16; a. M. MüllerMichels Dissert. Mainz 1956 (Negative Einwirkungen im Nachbarrecht). 18 ) R G JI, 252; J W 1908, 142 (Aussicht); JW 1909, 161 (Wind); B G H in M D R 51, 726; Celle in M D R 54, 241. 19 ) Vgl. hierüber oben I.

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Im einzelnen fällt unter § 906 die Zuführung von Gasen20), Dämpfen 21 ), Gerüchen 22 ), Rauch 23 ), Ruß 24 ), Wärme 26 ), Geräusch26), Erschütterun20 ) Gase. Vgl. SeuffA 3 Nr. 7; 15 Nr. 2 (Gasfabrik)8 JW 1908, 11 Nr. 12 (Brikettfabrik); 1912, 752 (chemische Fabrik); R G 63, 374 (Gas aus dem gebrochenen Rohr einer Gasanstalt vgl. hierzu unten § 43 D III); RG 159, 69; OGH in NJW 49, 713. 21 ) Dämpfe. Vgl. SeuffA 3 Nr. 7 (Gasfabrik); 8 Nr. 346 (Ziegelei); 11 Nr. 14 (Seifenfabrik); 32 Nr. 18 (Mittelbare Immission übelriechender Dämpfe durch Einleitung heißer Fabrikwässer in einen öffentlichen Fluß); Bolze 5 Nr. 106 (Dämpfe aus warmem Abwasser, infolge deren Holzwerk anfaulte und Pflanzen eingingen); JW 1904, 203 (Hotelküche); BGH in Betrieb 58, 1039 (Teerdämpfe). 22 ) Gerüche (Miasmen, Ausdünstungen, vgl. unten § 14 II 2). Vgl. Bolze 14 Nr. 175 (Schlachthaus); WarnE 1915 Nr. 83 (Gänsemästerei); OLG 18, 122 (Straßenkanäle); SeuffA 46 Nr. 248 (Fabrik); 51 Nr. 1 1 (Käserei); RG 37, 173; Bolze 22 Nr. 56 (Fäkalien Recht 1904, 282 Nr. 1279); JW 1904, 203 Nr. 15 (Dünste aus Hotelküche); 1900 , 639; SeuffA 71, 281; Warn. 15 Nr. 285; Recht 1915 Nr. 1081 (Düngerfabrik, Bedürfnisanstalt); RG 37, 172; SeuffA 53 Nr. 8; JW 1904, 487 Nr. 12; WarnE 14 Nr. 189 (Knochenkocherei); Recht 1904, 386 Nr. 1709 (Schmiede). Über Autorennen vgl. unten § 27 I b; RG 155, 318 (Abdeckerei); L G Siegen in RdL 56, 191 (Dünger); MDR 58, 604 (Hundezucht). 23 ) Rauch. Vgl. Bolze 18 Nr. 43 (Brennerei); SeuffA 31 Nr. 312; 42 Nr. 100 (Dampfdreschmaschine); 46 Nr. 248 (Fabrik); 38 Nr. 8 (Ziegelfeldbrände); SeuffBl. 36, 392; Recht 1908, 91 Nr. 528; WarnE 15 Nr.284 (Eisenbahnbetrieb); R. d. RLG 2, 506; SeuffBl. 73, 697 RG (schädliche Raucheinwirkung auf Waldungen); Recht 1904, 386 Nr. 1709 (Schmiede), vgl. RG 154, 161 (Fabrik-Rauch); Braunschweig in RdL 55, 268; BGH in MDR 55, 28 = NJW 55, 19; OLG Köln in MDR 58, 359; vgl. auch Westermann NJW 58, 210 (Luftreinhaltung); derselbe im Westdeutschen Verlag-Köln-Opladen: Gesetzl. Maßnahmen zur Reinerhaltung der Luft 1958. Vgl. BGH in VersR 59, 1030: Dampf- u. Qualmwolken von Lokomotiven an Bahnunterführung für Benützer der Autobahn. 24 ) Ruß. SeuffA 11 Nr. 114 (Dampfmühle); 21 Nr. 208 (Bäckerei); Bolze 3 Nr. 90 (Schwärzung der Häuser durch Lokomotivruß); JW 1912, 31 (Asche). 25 ) Wärme. Vgl. JW 1899, 757 Nr. 38 (Backofen); 1905, 495 Nr. 21 (Dampfkesselraum neben Eiskeller). Über die Frage, ob der Besitzer eines Kellers Ansprüche erheben kann, wenn seinem Keller durch Abgraben von Erdreich Wärme zugeführt wird, s. oben S. 51. 2e ) Geräusch. Vgl. SeuffA 52 Nr. 146 (Schriftgießerei); RG 6, 217; SueffBl. 4. Erg.Bd., 148 (Dampfdruckerei); Recht 1905, 194 Nr. 846 (RG); 1903, 551 Nr. 2789 (Jena); Warn. 15 Nr. 83; 17 Nr. 244 (Schnattern der Gänse); Bolze 16 Nr. 65 (Brüllen der Kühe in einer Molkerei); Warn. 3 Nr. 336; JW 1910, 654 (Froschquaken in künstlichen Teichen) ; JW 18 9 3, 315 Nr. 3 2 (Geschäftsbetrieb im ganzen bei einer Molkerei); Schweizer Bundesgericht 5. 2. 1914: Unzulässig ist der von Pfauen, Truthühnern, Perlhühnern ausgehende nächtliche Lärm eines Tierparkes in einem Luftkurort. Schweizer Bundesgericht 30. 9. 1919: Unzulässig ist das Glockengeläute einer Viehherde bei der Nachtweide. SueffA 49 Nr. 236 und SeuffBl. 12. Erg.-Bd., 389 (Eisenbahnbetrieb); JW 1904, 384; D J Z 9, 407 (Kinderspielplatz); RG 57, 234 (Straßenbahnbetrieb, Wagenhalle einer Trambahn); Warn. 3 Nr. 118 (Rangierbahnhof einer Eisenbahn); SeuffA 59 Nr. 217 (Kirchenglocken, jedoch Rechtsweg unzulässig); JW 1904, 175; 1905, 231 (Kegelbahn); SeuffA 57 Nr. 9; WamE 16 Nr. 138 (Wirtshauslärm); D J Z 8, 552 (nächtliches Klavierspielen in einem Restaurant); bezüglich des Lärms infolge eines Bordells s. oben S. 183, Recht 1904, 386 Nr. 1709 (Hamburg); BadRspr. 1907, 129 (Hundegebell), 1906, 168

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gen27) und ähnlichen von einem anderen Grundstücke ausgehenden Einwirkungen, deren Feststellung der Praxis überlassen wurde. Als weitere Anwendungsfälle ergeben sich aus der Praxis: das Eindringen von Staub28), Sand29), Steinsplittern30), Asche 31 ), Funken 32 ), Feuchtigkeit33), (Bäckerei); J W 1894, 267 (Übungsschießen); 1908, 682 und dagegen Recht 1 9 1 1 Nr. 2733 (Schießstand eines Schützenvereins); Recht 1915 Nr. 1084 (Knall bei Schießübungen); O G H 14, 175 (Wasserwerksbetrieb); SeuffBl. 4. Erg.-Bd., 148 (Dampfdruckerei); R G 26, 352 (Holzsägerei); Recht 1916 Nr. 1507 (Sägewerk); SeuffA 45 Nr. 240 (Böttcherei); Bolze 8 Nr. 62 (Dampfpfeife einer Fabrik); J W 1 9 1 1 , 387 (städt. Freibad); Recht 1908 Nr. 3133 (Exhaustor); O L G 26, 125 (Benzinmotor); L Z 1916, 1098 (Musikkaffee); Gruchot 58, 1024 (Kindergeschrei aus einem Säuglingsheim). Bezüglich der Errichtung und Verlegung von Anlagen, von denen ein übermäßiger Lärm ausgeht, in der Nähe von Kirchen, Schulen, öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern vgl. § 27 GewO. Für Kegeln vgl. Gruch 48, 605; JW 05, 231. Über Lärm eines Automobilrennens vgl. unten § 38. R G 133, 346 (elektr. Anlagen); JW 32, 407 (überlaute Musik); H R R 40 Nr. 295 (Milchkannen); B G H in L M Nr. 1 zu § 906 (Bohrgeräusch); L M Nr. 4 zu § 903 (Maschinengeräusch); Oldenburg in M D R 56, 738 (Kino); L V G Lüneburg in DVB1. 56, 727 (Aufhebung einer Bauerlaubnis wegen lärmender Anlage); Bremen in WM 56,133 (Maschinengeräusch); vgl. auch Drews in WM 57, 49 — 66 — 82 — 99 (Lärmeinwirkungen). B G H in M D R 59, 921 (Geräusch-Immissionen durch Lärm aus Tanzcafes). Vgl. ferner Wiethaup: M D R 60, 632 (Rechtl. Möglichkeiten d. Lärmbekämpfung). Donat: „Lärmprobleme der Gegenwart" Schrift Nr. 4 d. D. Arbeitsrings f. Lärmbekämpfung, 1956. Mitteilungen d. D A L 1959, 72 u. 53 (Lärm durch Müllbeseitigungsanlagen — Radio auf Zimmerlautstärke). O L G Bremen in Glaser Miet- u. Wohnungsrecht II 138 (Dauerndes Brummen von Maschinen braucht nicht geduldet zu werden). 27 ) E r s c h ü t t e r u n g e n . Bolze 22 Nr. 71 (Kreis- und Hobelmaschine); O G H 9, 185 (Stanzmaschine); 14, 175 (Wasserwerksbetrieb); JW 1890, 182 Nr. 18; Bolze ; Nr. 89 (Dampfhammer); R G 7, 265; 17, 103 (Eisenbahnbetrieb); O L G 2, 252 (elektrische Kraftanlage); 5, 1 5 1 ; R G 133, 153 (Erschütterungen durch K f z . ; Weigelt in R d K 1935, 198. 28 ) S t a u b . SeuffA 18 Nr. 1 1 ; 42 Nr. 100; 48 Nr. 247 (Dampfdrescherei); J W 1908, 1 1 Nr. 1 2 (Kohlenstaub); Recht 1916 Nr. 1507 (Holzstaub eines Sägewerks); J W 1910, 654 (Zementfabrik); B G H in RdL 58, 207; B B 57, 1 1 2 3 ; R G 154, 1 6 1 . 29 ) S a n d . R G 60, 140; SeuffA 61 Nr. 55 R G (vor einem aufgeschütteten Sandhaufen, Sandkippe); Recht 1 9 1 1 Nr. 2732; wegen kleinster Steinsplitter vgl. R G 1 6 1 , 65. 30 ) 1. 8 § 5 D 8, 5 (Steinbruch); vgl. R G 6, 219; 76, 1 3 2 ; WarnE 18 Nr. 55; J W 1 9 1 1 , 588; R G 1 6 1 , 65; B G H in N J W 59, 97 in J Z 59, 58 (Steinflug ist keine Einwirkung i. S. des § 906). 31 ) A s c h e . R G 40, 182; J W 1908 , 1 1 Nr. 12, 1910, 20; 1912, 3 1 ; WarnE 19 Nr. 172. 32 ) Lokomotivfunken. R G 17, 103; SeuffA 13 Nr. 235; 14 Nr. 208; Gruchot 45, 1 0 1 6 ; 46, 1009; J W 1904, 360; 1910, 20. Nach JW 1910, 619 (RG) soll der Funkenauswurf wegen seiner Gefährlichkeit überhaupt nicht unter § 906 fallen. Diese Annahme ist unhaltbar. Diese Entscheidungen gewähren bei Schadenszufügung durch Funkenwurf Ersatzanspruch ohne Verschulden; s. darüber unten § 43; J W 27, 45 (Feuerwerkskörper). 33 ) F e u c h t i g k e i t . Vgl. Bolze 5 Nr. 86 (durch eine Brauerei); a. M. R G in SeuffA 76 Nr. 90 (Feuchtigkeit gehört nicht hierher); bestritten, ob Feuchtigkeit aus Ruinengrundstücken unter § 906 fällt, überwiegende Meinung verneint; Hamburg M D R 56, 352; Köln N J W 56, 1564; vgl. auch Düsseldorf N J W 53, 1394; Kassel in M D R 59, 844; B G H in N J W 56, 382; Hodes in N J W 54, 1345; a. M. Bartsch N J W 56, 1266.

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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Wasserstaub34),Zuführung starker Lichtreflexe35), von starker Kälte36), vonPilzkeimen37), Schnee38), Geschossen39), Einwirkung von elektrischen Strömen40), Herüberfliegen von Bienen41) und Tauben42). Ferner gehört hierher das Eindringen von Ratten und Mäusen43). 34

) Z. B. von einem Springbrunnen. ) J W 1 9 1 1 , 587. Z. B. Scheinwerfer (Endemann 470 Anm. 37) oder Anstrich einer Mauer mit blendend weißer Lackfarbe. Die Beschattung (Entziehung von Licht) ist keine unzulässige Einwirkung, BayZ 1908, 125 (RG). Dagegen steht den Eigentümern eines Hauses kein Unterlassungsanspruch gegen die Anbringung von Reklametafeln auf dem Nachbargrundstück zu, auch wenn dadurch das Landschaftsbild verunstaltet wird. In einzelnen Kantonen der Schweiz bestehen derartige Schutzvorschriften (Waldis, Schweizer Nachbarrecht S. 64). 3e ) Urteil des R G V 344/97 mitgeteilt von Turnau-Förster Anm. 2 zu § 906 (künstlich erzeugte Kälte); R G V I 77/01 in R G K Bern. 4 zu § 906; R G R K o m . Bern. 4 zu § 906; vgl. auch R G 76, 132. 37 ) Striethorst, Arch. 59,1 (Pilze, welche sich auf Berberizensträuchern entwickeln und welche notorisch Rost in den Roggenfeldern herbeiführen). Vgl. hierzu oben § 1 1 S. 155 Anm. 5 und Endemann 461 Anm. 4. Cour d'appel Limoges mitgeteilt von Scherer 3. Jahrg., 306 (Tuberkelbazillen infolge eines Asyls für im letzten Stadium befindliche Lungenkranke). Vgl. Koch in J R 57, 456: Schäden durch Unkrautsamen. 35 ) S c h n e e . Vgl. Bolze 21 Nr. 52 (beim Schneeschippen eines Weges). A. M. Staudinger-Seufert 6 b zu § 906. 39 ) G e s c h o s s e . Vgl. Bolze Nr. 54; Gruchot 45, 1016 (Haftung des Militärfiskus ohne Verschulden für das zufällige Herüberfliegen von Kugeln aus einem Militärschießstand); WarnE 1 1 Nr. 330 lehnt die Anwendbarkeit des § 906 auf Kugeln ab; vgl. über Zulässigkeit des Rechtswegs unten § 44. 40 ) E l e k t r i s c h e u. a n d e r e E n e r g i e n : vgl. R G 81, 216 (Vagabondierende elektrische Ströme, die von einer elektrisch betriebenen Straßenbahn mit Schienenrückleitung in den Erdkörper ausstrahlen). Die Einwirkung von Starkstromleitungen auf bereits früher bestandene Schwachstromleitungen ist durch § 12 des Reichsgesetzes über das Telegraphenwesen vom 6. 4. 1892 (RGBl. 1892,469) i.d.F. vom 14. 2. 1928 (RGBl. 1,8) geregelt; s. hierüber oben S. 175 Ziffer 3. Vgl. auch Kloeß in ArchZivPr. 103, 77. Einwirkung von hochfrequenten Strömen auf Radio- oder Femsehanlagen fallen unter § 906, Störungen werden aber durch techn. Schutzvorrichtungen ausgeschaltet. Nach § 14 Abs. 3 der V O über Bau u. Betrieb von Straßenbahnen vom 13. 1 1 . 1937 (RGBl. I, 1247) i.d.F. vom 14. 8. 1953 (BGBl. I, 974) in Verbindung mit dem Ges. vom 4. 12. 1934 (RGBl. I, 1237) gelten für die Anbringung von Haltevorrichtungen für die Oberleitung der Straßenbahnen die Bestimmungen in § 6 Ziff. 3 des StrVGes. v. 1 9 . 1 2 . 1 9 5 2 (BGBl. I 837) i.d.F. v. 16. 7. 1957 (BGBl. I, 709). Hiernach sind die Besitzer von Grundstücken und Baulichkeiten verpflichtet, das Anbringen der erforderlichen Vorrichtungen zu dulden. 41 ) B i e n e n . Vgl. unten S. 143; vgl. R G 1 4 1 , 406; 159, 68 (unter Afgabe der früheren Ansicht in R G 76, 130 u. J W 1 1 , 588); B G H Z 16, 366 = N J W 55, 747; München H R R 1932 Nr 447; O L G 26, 23; Pritzl, SeuffBl. 66,459; Endemann 469; Friedrichs, D J Z 1904, 685; Kuhlenbeck im Recht 1904, 309 gegen Strauß, D J Z 1903,367. Für den durch Bienen herbeigeführten Schaden (Bienenstich) haftet der Bienenzüchter nach § 833; Pritzl in SeuffBl. 66, 465; Oppermann, SächsRpfl. 16, 449. Durch das Gesetz vom 30. 5.1908 betr. Änderung des § 833 ist die Haftung des Halters von Haustieren gemildert worden. Die Biene ist kein Haustier. (Anders Oppermann a.a.O.). Ein Antrag, dem § 833 als Abs. 3 36

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2. F e s t e u n d f l ü s s i g e K ö r p e r Nicht bei allen diesen Fällen ist es zweifelsfrei, daß sie unter § 906 fallen. Die herrschende Meinung klammert sich an die Ausdrucksweise der Motive, die von „Imponderabilien" sprechen und lehnt die Anwendbarkeit des § 906 auf feste und flüssige Körper ab44). Das bedeutet einen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung, zu welchem der Wortlaut des Gesetzes nicht zwingt. Der § 906 verdankt seine Entstehung der Tatsache, daß es eine Reihe von Einwirkungen gibt, die sich nicht in bestimmten Grenzen bannen lassen und deren strenge Ausschließung die Wirtschaft der einzelnen und der Gesamtheit erheblich schädigen würde. Das Gesetz führt eine Reihe von Beispielen auf und stellt ihnen „ähnliche Einwirkungen" gleich. Eine Abgrenzung von festen und nicht festen Stoffen würde dazu führen, daß auch Staub, Sand, Steinsplitter nicht unter § 906 fallen können. Das einzelne Sandkorn ist ein fester Körper 48 ). Läßt man die Anwendbarkeit des § 906 auf diese Fälle nicht zu, so braucht die Einwirkung fester Körper vom Eigentümer nicht geduldet zu werden. Das ergibt sich aus den vom Gesetz anerkannten Ausschließungsprinzip (s. oben S. 188). Dadurch würde die Volkswirtschaft geschädigt. Ein solcher Wille kann dem Gesetzgeber ohne hinzuzufügen: „ D i e Bienen gelten als Haustiere" wurde abgelehnt. (Nr. 558 der Drucks, d. R T 1907/08, KommBer. S. 4, Reichstagsberatung S. 5142). Über das Recht des Selbstschutzes gegen Bienen und die Schranken dieses Rechtes s. unten § 14 V. Der Eigentumsfreiheitsklage wegen Eindringens von Bienen ist die Grundlage entzogen, wenn der Bienenschwarm infolge Ausziehens herrenlos geworden ist (§ 971). Endemann 469 Anm. 35. Die Bienen werden vom römischen Recht zu den wilden Tieren, vom alten Sachsenrecht (Sächw. Weichbild Art. 124) zu den Gewärmern und von verschiedenen Provinzialrechten zu dem gezähmten Vieh (Geflügel) gerechnet (Hagemann Landwirtschaftsrecht S. 541; Figge in R d L 54, 260 (Grundzüge des Bienenrechts). 42 ) T a u b e n . Vgl. J W 1 9 1 1 , 588; EntschOGH 6, 400; SeuffA 33 Nr. 5; SeuffBl. 42, 94. Vgl. dagegen Endemann 469 Anm. 35; Mosich JheringsJ 80, 290; StaudingerSeufert Randb. 7 zu § 906; a.M. R G 76, 132 (Tauben); Planck-Strecker 3a; R G R K o m m . Bern. 5; Ermann-Seibert Bern. 3 a je zu § 906. 43 ) Mit manchen Gewerbebetrieben (z. B. Getreidelagern, Aufbereitung von Tierfellen) ist eine Ratten- und Mäuseplage verbunden, welche für die Nachbarn sehr lästig werden kann. Schadensersatzpflicht hier nur bei Verschulden, da § 833 nicht einschlägt. Die hM erklärt § 906 auf Tiere, wie Mäuse u. Ratten nicht für anwendbar, vgl. H R R 30 Nr. 1 1 0 5 ; RGRKomm. Bern. 5; Planck-Strecker Bern. 3 a zu § 906; dafür (wie hier) (Staudinger-Seufert Randb. 7 zu § 906. 44 ) R G K Bern. 5 zu § 906; Endemann 476; Planck Bern. 3 zu § 906; R G 76, 132 spricht von der Anwendbarkeit des § 906 auf „feste Körper, wie Bienen, Tauben, Steine aus Steinbrüchen". Dagegen verneint R G in L Z 1918, 845 die Anwendung des § 906 bei festen Körpern — abgesehen von Kohlenstaub und Asche — ; ebenso Recht 1 9 1 1 Nr. 2732 (RG), wo es sich um abgeirrte Kugeln eines Schießstandes handelt. Die hM wendet § 906 nicht auf feste Körper u. Flüssigkeiten an: R G 1 6 1 , 65; WarnR 1 9 1 1 Nr. 330; Staudinger-Seufert Randb. 7 zu § 906. « ) Vgl. Recht 1 9 1 1 Nr. 2732 (RG).

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

zwingende Not nicht unterstellt werden. Es liegt also kein hinreichender Grund vor, von den bewährten Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Beim Eindringen von Bienen und Tauben, sowie von Ratten und Mäusen könnte man freilich bezweifeln, ob es sich auch hier um eine „ähnliche Einwirkung" handelt, wie in den vom Gesetz aufgestellten Fällen. Doch dürfte dies zu bejahen sein, denn auch hier hat man es mit Körpern zu tun, welche von verhältnismäßig geringem Volumen sind und deren Abhaltung von den Nachbargrundstücken in Ansehung der Ratten und Mäuse geradezu unmöglich ist, in Ansehung der Bienen und Tauben zwar nicht gerade unmöglich, aber doch nach der Beschaffenheit der Tiere, denen eine rationelle Wirtschaft den Ausflug lassen muß, untunlich ist46). Dies trifft dagegen nicht zu bei Hühnern, Gänsen, Kaninchen, noch weniger bei Katzen, Hunden, Schafen, Rindern usw. Hier kann es sich nicht um eine ähnliche Einwirkung handeln. Der Eigentümer eines Grundstückes kann daher das Eindringen solcher Tiere schlechtweg verbieten 47 ). Was speziell das Eindringen von B i e n e n (vgl. oben S. 141 Anm. 41) anlangt, so ergibt sich bei Anwendung der Grundsätze des § 906 folgendes: a) Das Verbietungsrecht besteht vor allem dann nicht, wenn durch das Hinüberfliegen der Bienen die Benützung des Nachbargrundstückes nicht oder nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Ob eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, wird einerseits nach der Menge der Bienen und der Zahl der Fälle, in welchen sie eindringen, andererseits nach der Art der Benützung des betr. Grundstückes zu entscheiden sein. Die Belästigung ist weit fühlbarer in einem Restaurationsgarten als auf einer Wiese. Aber auch für einen Restaurationsgarten wird das Eindringen von Bienen nur dann als w e s e n t l i c h e Beeinträchtigung angesprochen werden können, wenn die Bienen in größerer Menge auftreten. Aber selbst wenn durch die fremden Bienen die Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird, kann dessen Eigentümer das Eindringen der Bienen dann nicht verbieten, wenn die Bienenzucht nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken der Lage wie die, von welchen die Bienen kommen, gewöhnlich ist. Auf dem Lande wird diese 46

) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 7 zu § 906 und Nachweise; vgl. O L G 18, 123. ) Dem Eigentümer ist der Anspruch aus § 1004 B G B gegeben; der Anspruch auf Beseitigung der Störung wird wohl kaum praktisch werden; wohl aber der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen, wenn solche zu besorgen sind. Wenn ein Hund auf fremdem Gebiet einmal reviert, so ist diese Besorgnis nicht begründet; anders, wenn der Hund des Nachbars wiederholt in den Hofraum des Eigentümers läuft. Desgleichen ist der Anspruch auf Unterlassung begründet, wenn ein Ortseinwohner es wiederholt geschehen läßt, daß seine Gänse oder Hühner in fremde Gärten, Hofräume oder auf fremde Felder laufen. Die Klage ist gegen denjenigen, welcher die Tiere hält, zu richten; dieser muß dafür sorgen, daß die Gänse und Hühner nicht auf fremde Grundstücke laufen. Für den durch die Tiere angerichteten Schaden haftet er in Gemäßheit des § 833 Abs. 2 B G B . Daneben kommt noch das Feldschadengesetz vom 6. 3. 1902, GVB1. 1902, 99 in Betracht. Vgl. hierzu unten § 43. 47

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Votaussetzung eher zutreffen als in der Stadt48). Doch ist keineswegs ausgeschlossen, daß auch in der Stadt, namentlich in den mit Gartenanlagen reichlich versehenen Teilen, Bienenzucht getrieben wird. Wo dies in einer Vielzahl von Fällen, so daß man von Ortsüblichkeit sprechen kann, vorkommt, kann der Inhaber eines Konzertgartens das Eindringen von Bienen nicht verbieten, auch wenn ihm hierdurch die Gäste vertrieben werden49).

3. Das E i n d r i n g e n v o n W a s s e r , welches nicht in der Luft suspendiert ist60), wird durch § 906 B G B nicht getroffen. Soweit Wasser, welches auf dem Boden oder von der Dachtraufe läuft, in Betracht kommt, sind die landesgesetzlichen Vorschriften anzuwenden; denn gemäß Art. 65 E G bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche dem Wasserrecht angehören, durch das bürgerliche Gesetz unberührt. Nach Art. 17 Abs. 2 W G ist der Eigentümer des niedriger liegenden Grundstückes nicht befugt, den natürlichen Ablauf des Wassers, welches sich auf den höher liegenden Grundstück auf natürliche Weise ansammelt, zu dessen Nachteil zu hindern, während nach Art. 17 Abs. 1 WG der Eigentümer nicht befugt ist, dem Wasser, welches auf seinem Grundstücke entspringt oder sich darauf natürlich sammelt, zum Abflüsse auf fremdes Eigentum eine dieses belästigende andere Leitung, als wohin nach der Beschaffenheit des Bodens der natürliche Lauf geht, oder eine belästigende größere als die natürliche Stärke zu geben. Wird durch Anschüttungen, die auf einem Grundstück zum allgemeinen Nutzen vorgenommen werden, das Steigen des Grundwasserspiegels auf einem Nachbargrundstück verursacht, so liegt keine unzulässige Einwirkung im Sinne der §§ 905 bis 907 B G B vor (HRR 1936 Nr. 1937 = R G 155, 154). Zu beachten ist, daß nach dem seit 1. 3. i960 auch in Bayern geltenden Wasserhaushaltsgesetz v. 25. 7. 1957 (BGBl. I, 1 1 1 0 ) in sog. Wasserschutzgebieten bestimmte Handlungen verboten und den Grundeigentümern die Duldung bestimmter Maßnahmen auferlegt werden können, wodurch nachteilige Einwirkungen auf Gewässer und schädliches Abfließen des Niederschlagwassers verhütet sowie die Anreicherung des Grundwassers herbeigeführt werden sollen (§ 19 WHG). Verboten ist außerdem das Einbringen fester Stoffe lediglich zu dem Zweck, um sich ihrer zu entledigen (§ 26 WHG). Um eine Verunreinigung oder nachteilige Veränderung der Eigenschaften des Wassers und des Wasserabflusses hintanzuhatten, wird die Lagerung von Stoffen an Gewässern unter Kontrolle gestellt ( § 2 6 Abs. 2 W H G in Verb. m. Art. 35 Entw. BayWG). Das Einleiten von Stoffen in das Grundwasser ist erlaubnispflichtig ( § 3 4 WHG). Eine schädliche Verunreinigung und nachteilige Veränderung des Grundwassers soll auch durch entsprechendes Lagern und Befördern von Stoffen sowie von Flüssigkeiten von Gasen (in Rohrleitungen) vermieden werden (§§ 34, 38ff. WHG). In § 22 W H G ist eine weitgehende Haftung festgelegt für jede irgendwie verursachte 4a

) Vgl. Pritzl, SeuffBl. 66, 459. ) Recht des Selbstschutzes gegen eindringende Bienen (Vergiftung?) s. unten § 14 V. ) Das Eindringen von Wasserstaub infolge eines Springbrunnens fällt unter § 906, nicht aber das Eindringen des ganzen Wasserstrahles des Springbrunnens, auch nicht, wenn derselbe nur zeitweilig z. B. durch stärkeren Wind auf das Nachbargrundstück hinübergetrieben wird. Uberschwemmungsschäden sind nach Wasserrecht, nicht nach §§ 906 ff. B G B zu beurteilen (Vgl. R G 122, 134; J W 12, 391). 49

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Veränderung in der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers60»). A u c h die Frage, ob der Nachbar das durch den menschlichen G e brauch hindurchgegangene, durch Fabrikabwässer verunreinigte Wasser v o n Privatflüssen aufnehmen muß, gehört dem Wasserrecht an. Der Begriff „Benutzungen" i. S. des W H G ist in dessen § 3 ganz weit gefaßt. Es fallen darunter: das Entnehmen und Ableiten, das Aufstauen und Absenken von Wasser aus oberirdischen Gewässern und aus dem Grundwasser, ferner das Entnehmen fester Stoffe, das Einbringen und Einleiten von Stoffen — mögen sie fest oder flüssig oder gasförmig sein — in oberirdische Gewässer und in das Grundwasser. Damit gehören alle irgendwie mit dieser Art von Benutzungen zusammenhängende Fragen zum Wasserrecht und sind nach dem W H G und dem Bayer. W G zu beurteilen, nicht nach § 906 fr. B G B . Nur insoweit, als kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung oder Heilquellen gem. § 1 Abs. 2 W H G von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen werden sollten — was bisher nicht geschehen ist — wäre eventuell Raum für die Anwendung der §§ 906 fr. B G B . A u c h das Versetzen des Grundwassers mit schädlichen chemischen Stoffen fällt nach dem W H G unter das Wasserrecht; denn auch die chemische Verunreinigung v o n Grundwasser ist in § 3 A b s . 1 Ziff. 5 u. A b s . 2 Ziff. 2 in V e r b . m. §§ 26, 3 4 und 38 W H G verboten. Jeder G e f a h r f ü r eine schädliche E i n w i r k u n g auf das Grundwasser soll durch Reinhalte-Maßnahmen v o r g e b e u g t werden. III. 1 . Voraussetzung des § 906 ist, daß d i e E i n w i r k u n g v o n e i n e m a n d e r e n G r u n d s t ü c k a u s g e h t 5 1 ) ; ob dieses Grundstück unmittelbar angrenzt oder weiter entfernt liegt, so daß die E i n w i r k u n g erst durch V e r mittlung der dazwischen Hegenden Grundstücker herübergelangt, ist gleichgültig 6 2 ). E s ist unerheblich, ob der Dritte, dessen Grundstück die soa) Vgl. L G Bayreuth in Landw. Wochenbl. 59, 16 (Durch Gaswerk vergiftetes Grundwasser). 61 ) Wenn die Immission von einer auf dem betroffenen Grundstück befindlichen Anlage ausgeht, ist § 906 nicht einschlägig ( R G 81, 225). Nach R G 57, 240 soll dieses Erfordernis nicht vorliegen, wenn auf dem Grundstück des Beklagten ein Gewerbe betrieben wird, das zu Ansammlungen und zum Lärmen des Publikums auf der Straße Anlaß gibt. In dieser Allgemeinheit ist das nicht richtig. Die Einwirkung geht von einem anderen Grundstück aus, nämlich unter Benützung des Grundsstücks oder der Straße in Ausnützung des Gemeingebrauchs (vgl. Staudinger-Seufert Randb. 4e zu § 906; a. M. PlanckStrecker 3 b; R G R Kom. 6 je zu §906). Es fragt sich nur, ob der Inhaber des Gewerbes der Einwirkende ist. Das ist nach § 1004 zu beurteilen und beispielsweise bei einem Schaubudenbesitzer der Fall, nicht beim Hotelier. 62 ) M 3, 265 (Mugdan 3, 146). Vgl. J W 1882,158. —Deshalb fällt auch die Immission der Fabrikabwässer in einen öffendichen Fluß dann, aber auch nur dann unter § 906 B G B , wenn infolge dieser Einleitung aus dem Flusse übelriechende Gase oder Dämpfe usw. aufsteigen. Die Angrenzer des Flusses haben dann unter Umständen in Gemäßheit des § 906 einen Anspruch gegen den Fabrikanten. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß § 906 nicht 198

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§ 1 4 III 2

Immission vermittelt, dieselbe aufnehmen muß53). Es ist nicht notwendig, daß die Quelle der Einwirkungen sich in maschinellen oder sonstigen Einrichtungen verkörpert. Es ist nicht einmal erforderlich, daß die Einwirkung mit der wirtschaftlichen Benützung des Grundstücks zusammenhängt64), sondern es handelt sich lediglich um räumliche Bezeichnung des Ursprungs der Einwirkung. Auch braucht derjenige, der die Einwirkung veranlaßt, zu dem Grundstücke, von welchem sie ausgeht, in keinem rechtlichen Verhältnis als Eigentümer, Mieter usw. zu stehen56). Es ist daher nach § 906 zu beurteilen, wenn jemand auf der Straße eine Kanone (Böller) abfeuert58). Für den Fall, daß auf ein und demselben Grundstück verschiedene Anlagen gegenseitig auf einander einwirken — z. B. die Beschädigung von Gasrohren durch elektrische Ströme, die von einer auf demselben Grundstück verlaufenden Starkstromanlage (der Straßenbahn) ausgehen — hat das R G ( R G Z 81, 216) die Anwendung des § 906 verneint. Zutreffend tritt Staudinger-Seufert (Randbem. 4c zu § 906) in solchen Fällen für eine entsprechende Anwendung des § 906 ein. Vgl. dazu B G H in B B 54,426 (Geräuschimission, die eine Mietwohnung beeinträchtigt durch den von einer Wohnung im gleichen Hause ausgehenden Lärm).

2. Die Zuführung 57 ) setzt k e i n p o s i t i v e s T u n voraus, ein Nichthindern genügt. Wer zur Entstehung oder Verbreitung der Imponderabilien einschlägig ist insoweit, als durch die Fabrikabwässer der Gebrauch des Flußwassers beeinträchtigt wird. Diese Frage gehört dem Wasserrecht an, weil hier eine Benutzung i. S. von § 3 W H G vorliegt. 5S >) J W 1887, 125 Nr. 42. 64 ) A. M. Goldmann-Lilienthal II § 10 Anm. 29 u. 50, gebilligt von Staudinger Bern. 1 4 zu § 906, die dem Inhaber einer Konditorei einen unbeschränkten Anspruch gegen die Rauchbelästigung eines Kastanienrösters gewähren. Diese Anschauung deckt sich weder, mit den Bedürfnissen des Verkehrs noch mit dem Wortlaute des Gesetzes. A . M. Staudinger-Seufert Randb. 4 a zu § 906. 66 ) Vgl. J W 1894, 30 Nr. 93. 66 ) Das wird idR als Salut-Schießen bei besonderen Anläßen zulässig sein, da es in Ausübung des Gemeingebrauchs geschieht (worauf Staudinger-Seufert Randb. 4a F N * zu § 906 zutreffend hinweist). Eine andere Frage ist die, ob der Eigentümer des Grundstücks hierwegen eine Klage erheben kann. Die Beeinträchtigung ist mit dem Aufhören der Schallwirkung von selbst beseitigt. Die Gefahr der Wiederholung wird zur Zeit der Klageerhebung regelmäßig nicht mehr bestehen. Es ist deshalb auch kein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung oder Unterlassung weiterer Beeinträchtigung (§ 1004 B G B ) gegeben. Ist infolge des Schreckens (vgl. hierzu R O H G 21, 412), der durch den plötzlichen Knall verursacht wurde, die Gesundheit eines Hausbewohners beschädigt worden, so hat dieser einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 B G B , weil das unerwartete Abfeuern einer Kanone in der Nähe bewohnter Häuser eine schuldhafte Handlung darstellt. Vgl. § 367 Nr. 8 StGB, worunter auch das blinde Schießen fällt (Stenglein 7, 217). 67 ) Hörig 9f. weist darauf hin, daß unter den Begriff „Zuführung" zwei ganz verschiedene physikalische Vorgänge fallen: Gase, Gerüche, Rauch, Ruß, Dämpfe usw. dringen tatsächlich als Körper ein; Geräusche, Wärme und Erschütterung sind nichts anderes als eine von außen her durch Schwingung von Luftwellen bewirkte Bewegung der kleinsten Stoffteile in leidenden Grundstück selbst oder dem darüber befindlichen Luft-

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§ 14 IV

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die Ursache liefert, muß es verantworten, daß diese ihren eigenen Weg nehmen. Ist somit eine unmittelbare Tätigkeit nicht Voraussetzung des Begiiffes „Zuführen", so erfordert er doch ein e i g e n e s V e r h a l t e n des Nachbarn. Ein solches eigenes Verhalten liegt z. B. nicht vor, wenn sich Ruß auf einem Grundstücke von selbst angesammelt hat und später wieder aufgewirbelt wird58). Anders, wenn der Ruß aus den auf dem Grundstück selbst befindlichen Schloten stammt. Ein eigenes Verhalten in dem erwähnten Sinne liegt nicht vor, wenn der Wind den in natura vorhandenen Kalkstaub auf das Nachbargrundstück trägt, anders dagegen, wenn der Staub durch die exerzierenden Truppen aufgewühlt wird59). Wer ein Häutelager hält, ist für die davon ausgehende Rattenplage verantwortlich. Die Unzulässigkeit einer Zuführung hat ein Verschulden des Immittenten n i c h t zur Voraussetzung. Die schädliche Einwirkung muß nicht durch unmittelbare menschliche Tätigkeit hervorgerufen sein; sie kann auch auf der Wirkung von Naturkräften beruhen. Höhere Gewalt allein reicht nicht aus für eine Anwendung des § 90660). IV. Die Zuführung solcher Imponderabilien durch eine eigene L e i t u n g 6 1 ) ist unter allen Umständen, selbst bei unwesentlicher Beeinträchtigung (Ausnahme § 226), unzulässig. Eine besondere Leitung im Sinne des § 906 liegt dann vor, wenn die auch nicht beabsichtigte Wirkung der Einrichtung räum. Der Ausdruck „ Z u f ü h r u n g " ist daher ungenau. V g l . Staudinger-Seufert Randb. 5 a zu § 906. 68 ) Endemann 461 Anm. 4 und 470 Anm. 39 setzt als Voraussetzung der Unzulässigkeit einer Immission, daß ihre Ursache in einer Veranstaltung liegt, welche auf dem Nachbargrundstücke durch menschliche Arbeit eingerichtet ist, im Gegensatz zu den v o n Natur vorhandenen schädlichen Zuständen, zu deren Beseitigung keine Pflicht bestehe. Das ist im Prinzip richtig, soweit die Eigentumsfreiheitsklage in Betracht kommt. In besonderen Fällen kann aber ausnahmweise eine Ersatzpflicht begründet sein, s. über diese Frage oben S. 155; s. dort auch den Fall, daß v o n einem Sumpfe Miasmen aufsteigen. 69 ) R G Z 60, 140; SeuffA 61 Nr. 55. 60 ) V g l . B G H Z 19, 129. Für die Eigentumsfreiheitsklage nach § 1004 wird es in solchen Fällen immer darauf ankommen, ob der Grundeigentümer irgend eine Vorbedingung gesetzt hat, die das Wirksamwerden der Naturkräfte ermöglicht hat. V g l . dazu R G Z 127, 34; 134, 233; 149, 210 (Steinschlag aus einem verwitterten Felsen). V g l . auch B G H in L M Nr. 14 zu § 1004. Die überwiegende Meinung verneint eine Verpflichtung des Grundeigentümers, ganz allgemein Gefahren vorzubeugen, die v o n Seite der Naturkräfte drohen. V g l . dazu B G H Z 19,129; Krach N J W 1953, 789; a.M. Wesskott in N J W 53, 1109 zu L G Hagen in N J W 53, 266; Bartsch in N J W 56, 1266; Pleyer in ArchZivPr. 156, 290; Wolff-Raiser SR § 871 2, § 52 I 3. Im einzelnen Fall kann die Nachbarschaftslage nach den hier anzuwendenden Grundsätzen v o n Treu und Glauben gem. § 242 die Anwendung des § 906 in Verb. m. § 1004 rechtfertigen. S. dazu näher unten bei § 38. 6 1 ) Selbstverständlich unbefugte; der Fall, daß eine Dienstbarkeit oder eine sonstige Berechtigung vorliegt, gehört nicht hierher. Staudinger, Vorträge 335.

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§ 1 4

v 1

gerade darin besteht, daß hierdurch die Imponderabilien (Rauch, Dampf, Gas) von dem Grundstück, auf dem sie entstehen, weg auf ein anderes Grundstück gebracht werden62). Es ist nicht notwendig, daß die Leitung bis an die Grenze geführt ist. Andererseits ist aber erforderlich, daß die Leitung geeignet ist, den oben erwähnten Zweck zu erfüllen. Ist das Rohr, durch welches der Dampf ausströmt, zwar gegen das Nachbargrundstück gerichtet, aber die Mündung desselben soweit von der Grenze entfernt, daß der Dampf die ihm durch das Rohr gegebene Richtung nicht bis zur Grenze beibehalten kann, so ist dies nicht der Fall. Auf die absolute Unzulässigkeit der Zuführung durch eine besondere Leitung kann sich nur der Eigentümer jenes Grundstückes berufen, auf welches durch die Leitung ein d i r e k t e r Einfluß ausgeübt wird. Läßt z. B. der Fabrikherr unter Zustimmung seines unmittelbaren Angrenzers das Rohr, durch welches er den Dampf abführt, hart an dessen Grenze ausmünden, so kann der weiter entfernte Grundnachbar aus dem Umstände allein, daß eine besondere Leitung vorliegt, sein Verbietungsrecht nur dann begründen, wenn diese Leitung noch direkt auf sein Grundstück wirkt. Derjenige, der die Unzulässigkeit der Leitung behauptet, hat die Beweislast, daß eine besondere Leitung im obigen Sinne vorliegt. Ist dies der Fall, so kann er die Beseitigung dieser Leitung verlangen, auch wenn sie die B e n ü t z u n g seines Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Wird das Interesse des Eigentümers aber durch die Leitung ü b e r h a u p t n i c h t berührt, so kann dem Verlangen auf Beseitigung unter Umständen § 226 B G B im Wege stehen.

V. Liegt keine besondere Leitung vor, sondern wirken die Imponderabilien lediglich durch ihre natürliche Verbreitung und unabhängig von menschlichem Zutun über die Grenze hinüber63), so gelten folgende Grundsätze: 1. D e r E i g e n t ü m e r kann die Z u f ü h r u n g d e r a r t i g e r I m m i s s i o n e n n i c h t v e r b i e t e n , insoweit die Einwirkung die Benützung seines Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Diese Frage bildet eine Rechtsfrage64). Nur eine Einwirkung auf das Grundstück 62 ) Es ist deshalb gleichgültig, ob die Anlage durch menschliches Tun oder durch Naturgewalt oder von Tieren (Gänge) bewirkt worden ist. Vgl. Hörle, Verwaltungsarchiv 10, 368. Vgl. Braunschw. Zt. 26, 43 : Rohre in einer Grenzmauer, wodurch Schallwellen auf das Nachbargrundstück dringen. 63 ) M 3, 265 (Mugdan 3, 146). 64 ) Recht 1904, 603 Nr. 2608 (ObLG). Natürlich wird diese Rechtslage auf der Grundlage tatsächlicher Erwägungen entschieden. Es kann sich hierbei oft um Fragen handeln, die ganz besonders schwierig sind, bei deren Beantwortung der Richter immerhin nicht allzu ängstlich zu Werke gehen darf. E r wird sich mit demjenigen hohen Grade der Wahrscheinlichkeit begnügen dürfen und müssen, der dem Umfange der menschlichen Erkenntnis und den Erfahrungen entspricht und Wahrheit ist für ihn das, was er nach dem Stande der Wissenschaft und auf Grund der bisherigen Erfahrungen für Wahrheit halten darf. Unter Berufung auf R G 15, 338 angewendet auf den Beweis für die Schädlichkeit der Raucheinwirkung auf das Wachstum des Waldes von O L G 2, 506 (Dresden).

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und den darüber befindlichen Luftraum gibt dem Eigentümer das Verbietungsrecht, nicht also eine Einwirkung auf die öffentliche Straße, sofern sie nicht von da auf das Grundstück weiterwirkt65). Einflüsse des gewöhnlichen Haushaltes oder des kleinen Gewerbebetriebs werden regelmäßig zu dulden sein66). Ob die Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird, ist nach einem rein objektiven Maßstabe zu beurteilen. Hierbei ist davon auszugehen, daß der Eigentümer das Recht hat, sein Grundstück beliebig zu benützen. Auch eine für derartige Grundstücke außergewöhnliche Art der Benützung darf daher der Nachbar nicht wesentlich beeinträchtigen. Es entscheidet weder die gewöhnliche, regelmäßige noch die bisher geübte Benützungsweise. Dabei ist die Zweckbestimmung des fraglichen Grundstücks zu berücksichtigen67). Beispielsweise wird dem Eigentümer einer Wiese, der sie als Bleiche benützen will und deshalb durch den Rauch und Ruß der benachbarten Fabrik erheblich beeinträchtigt wird, der negatorische Anspruch nicht deshalb zu versagen sein, weil die Benützung der Wiese als Bleiche in jener Gegend ganz außergewöhnlich ist68). Eine wesentliche Beeinträchtigung kann darin erblickt werden, daß auf dem Nachbargrundstück gehaltene Bienenvölker durch Knallen (von einem Schießstand) wesentlich beunruhigt werden.

Ob die Beeinträchtigung längere Zeit hindurch andauert oder ihrem Wesen nach vorübergehender Natur ist, ist nicht ausschlaggebend, kann aber sowohl für die Frage nach der Wesentlichkeit als für die Frage nach der Gemeinüblichkeit von Bedeutung werden69). Die Stärke der Reize ist für den Grad ihrer Lästigkeit nicht allein entscheidend; es kommt vielmehr auch auf die Dauer und den Wechsel der Schall-, Licht- oder Geruchsreize an70). Die von einer Maschine ausgehenden

65 ) Der Umstand, daß infolge des Knallens beim Schießen wiederholt Pferde auf den Zugangsweg zum Nachbargrundstück scheu geworden sind und sich hiedurch ein im Wagen sitzender Mietlustiger abschrecken ließ, das Grundstück zu mieten, kann einen Anspruch aus § 1004 nicht begründen (Recht 1915 Nr. 1085 RG). 66 ) Staudinger-Seufert Randb. 25 zu § 906; Planck Bern. 5 zu § 906. e ' ) Vgl. B G H in N J W 58, 1293. 68 ) KommProt. 3534 (Mugdan 3, 581). Vgl. Recht 1908, 57 Nr. 317 (Herstellung von Teigwaren). 69 ) Die Aufführung eines Neubaus wird zumeist für den Nachbar eine recht wesentliche Beeinträchtigung darstellen; gleichwohl muß er die damit verbundenen Belästigungen dulden, weil das Bauen gemeinüblich ist; dies gilt selbst für jene Lagen, in welchen weil und breit noch kein Haus steht. In solchem Fall muß eben der Kreis der in Betracht kommenden Grundstücke weit hinaus gelegt werden. Vgl. Hörle, Verwaltungsarchiv 10, 368. Eine besondere Häufigkeit und Dauer der Einwirkung ist an sich nicht erforderlich, unter Umständen aber für die Frage von Bedeutung, ob die Beeinträchtigung wesentlich ist ( R G 57, 227). Vgl. auch R G 99, 180; Celle in J W 37, 2116. 70 ) J W 1 9 1 1 , 236.

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verschiedenartigen Geräusche sind nicht lediglich jedes für sich allein, sondern auch in ihrer Gesamtwirkung zu prüfen 71 ). Wird auf dem bisher als Ackerland benützten Grundstück ein Wohnhaus errichtet, so steigert sich dadurch das Verbietungsrecht des Eigentümers gegen Immissionen. Der Eigentümer eines noch nicht bebauten, aber zur Bebauung geeigneten und bestimmten Grundstücks (Bauplatz), kann durch die Zuführung von Immissionen in der Verwendbarkeit als Bauplatz wesentlich beeinträchtigt werden72) (Erschwerung des Verkaufs). Dabei darf es sich freilich nicht um eine entfernte Möglichkeit handeln, sondern um eine schon jetzt vorhandene Bauplatzeigenschaft73). Der Fabrikherr kann sich nicht darauf berufen, daß seine Fabrik eher gestanden hat, als das Wohnhaus. Der Umstand, daß die Beeinträchtigung nur dadurch zu einer wesentlichen wird, daß das Nachbarhaus schlecht gebaut ist und deshalb die Erschütterung, welche einem gut gebauten Hause nicht schaden würde, nicht aushalten kann, genügt nicht zur Begründung der Zulässigkeit dieser Einwirkung 74 ). Die Beschränkung hat ihren Grund im Mangel eines wesentlichen Interesses. Weshalb aber ein solches vorliegt, ist ohne Bedeutung, ebenso der Umstand, daß es in der Hand des Eigentümers liegt, ein solches Interesse in Wegfall zu bringen. Wenn aber der Eigentümer des Grundstücks, auf welches eingewirkt wird, durch verbotswidriges Handeln oder Unterlassen einen Zustand herbeiführt, infolgedessen eine an sich unwesentliche Beeinträchtigung wesentlich ist, kann er sie nicht verbieten76). Bei Prüfung der Frage, ob eine Einwirkung übermäßig ist, ist das Gericht aber keineswegs an etwa hierüber erlassene polizeiliche Anordnungen gebunden76). Gewerbepolizeiliche Genehmigung ( § 2 6 GewO) eines Betriebes kann den Anspruch auf Unterlassung unter Umständen in einen solchen auf bloße Schadloshaltung umwandeln77), jedoch nur im Rahmen der Gewerbegenehmigung, nicht bei Überschreitung der behördlichen Auflagen oder Bedingungen. 71 ) Recht 1908 Nr. 3 1 3 2 (RG); O L G Bremen in Glasers Miet- u. WohnR II 138 (Dauerndes Brummen von Maschinen). 72 ) J W 1909, 219. 73 ) O L G 18, 1 2 5 ; B G H Z 15, 148: die gegenwärtigen tatsächlichen Verhältnisse sind zu berücksichtigen. 74 ) Vgl. O G H 17, 19; Bolze 10 Nr. 67. 75 ) Z . B. wenn er beim Bau seines Hauses die Trennungswand gegen die Schreinerei des Nachbars entgegen baupolizeilicher Vorschrift zu dünn aufgeführt hat. (Dernburg274 Anm. 16; J W 1912, 589; Gruchot 34, 476). 76 ) Recht 1905, 1 9 4 N r . 846 (RG); R G 133, 1 5 5 ; Staudinger-Seuf. Randb. 15 zu § 906. 77 ) S. darüber unten § 39; sonstige polizeiliche Genehmigung übt keinen rechtlichen Einfluß; vgl. J W 1904, 487 Nr. 1 2 ; R G 159, 129; Seuif A 96 Nr. 68; R G 156, 320 (Vermeidbare Immissionen aus einer Brauerei); vgl. auch O G H Z 2, 181 = M D R 49, 612.

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8 A4 V I

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Wenn seitens verschiedener Nachbarn oder mehrerer Betriebe unabhängig voneinander Immissionen zugeführt werden, und erst durch das Zusammenwirken aller Immissionen eine wesentliche Beeinträchtigung der Benützung des Grundstückes herbeigeführt wird, ist gleichwohl diese Beeinträchtigung als durch jede einzelne Immission herbeigeführt zu erachten. Dies ergibt sich aus dem oben erwähnten Zweck der Vorschrift; es ist jede einzelne Einwirkung kausal für den durch alle herbeigeführten Erfolg 7 8 ). Auch kann von keinem der mehreren Immittenten eingewendet werden, daß die anderen neben oder vor ihn belangt werden müssen 79 ). Die Frage, ob die Beeinträchtigung wesentlich ist, wird nach dem Gesamtschaden beurteilt. Der einzelne Betrieb kann sich nicht damit entlasten, daß seine Störung unerheblich sei. Erst bei der Verteilung des Ersatzes des Gesamtschadens kommt das Maß der Beteiligung des einzelnen Betriebes in Betracht. Immer aber muß o b j e k t i v die Benützung beeinträchtigt sein. E s muß daher regelmäßig das Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen unter Berücksichtigung der Natur und Zweckbestimmung des betroffenen Grundstücks zugrunde gelegt werden; auf persönliche Nervosität oder individuelle Eigentümlichkeit ist keine Rücksicht zu nehmen 80 ). 7S ) Vgl. R G 21, 300; R G 99, 180; WamR 40, 4 1 ; R G 167, 14. Riehl, GruchotsBeitr. 5 1 , 1 5 9 kommt praktisch zu demselben Ergebnis. Dem Immittenten liege der Nachweis ob, daß s e i n e Immissionen nicht über das Maß des Erlaubten hinausgehen. Da diesen Nachweis in solchen Fällen niemand zu erbringen vermöge, so falle die das Maß des Gemeinüblichen und Erlaubten überschreitende Gesamtwirkung allen zur Last. Mir erscheint diese Begründung bedenklich. Beizupflichten wird aber Riehls weiterer Ausführung sein, daß es bezüglich der Schadensersatzklage ex delicto und § 26 der Gewerbeordnung darauf ankomme, ob der Anteil des einzelnen an dem angerichteten Schaden feststellbar sei oder nicht; ersterenfalls habe ein jeder nur die auf ihn fallende Quote des Schadens zu ersetzen; letzterenfalls haften alle als Gesamtschuldner, das ergebe sich bei der Deliktslage aus § 830, bei der Klage aus § 26 der Gewerbeordnung aus § 431 B G B . Vgl. J W 1908, 1 1 9 . (Es besteht kein Gesamtschuldverhältnis bei Schädigung durch Bergbau einer Gewerkschaft und durch Immission Dritter.) 79 ) Vgl. Bolze 6 Nr. 134; R G 155, 154; 167, 14; H R R 1939 Nr. 889. 80 ) Endemann 472 Anm. 45; Recht 1903, 551 Nr. 2789 (Jena), ebenda 557 Nr. 2887 (Colmar); SeuffA 59 Nr. 125 (RG); J W 1904, 384 (Kinderspielplatz, Schlafen bei offenem Fenster). Recht 1909 Nr. 1500 (öffnen der Fenster unter Tags). In einem Badeplatz sind bezüglich Lärms, Rauches usw. strengere Anforderungen zu stellen als in einer anderen Stadt, auch wenn dies keine Fabrikstadt ist. Vgl. J W 1904, 203 Nr. 15 (Küchengerüche in einem Badeort). Ähnlich für ein Villenviertel Recht 1909 Nr. 1 1 3 3 . Es kann nicht als eine bloße Laune bezeichnet werden, wenn Kurgäste an einem Luftkurort Anspruch darauf erheben, während der Nacht die Fenster offen halten zu können. Vgl. ferner J W 32, 399; B G H in N J W 58, 1393; Schulte in N J W 54, 497. Ein allgemeiner Rechtsanspruch auf Beachtung der Gewohnheit eines Hausbewohners, nachts bei offenen Fenster zu schlafen, kann nicht anerkannt werden. Diese Gewohnheit kann aber unter Umständen ortsüblich sein und verdient dann Beachtung nach § 906 (JW 1932, 400); B G H in M D R 58, 674 (differenziert-objektiver Maßstab nach dem Zweck und der Natur

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§ 1 4

v i

Der von der benachbarten Fabrik kommende Lärm beeinträchtigt die Benützung wesentlich, weil das davon betroffene Grundstück eine Nervenheilanstalt ist, nicht aber, weil der derzeitige Eigentümer nervenkrank ist 81 ).

Zur Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung genügt es, wenn das Wohnen an Annehmlichkeit verliert und dadurch der Wert des Grundstücks herabgemindert wird 82 ). Aber auch hier ist das Empfinden eines normalen Menschen zum Maßstab zu nehmen. Ist hiernach eine nur unwesentliche Beeinträchtigung anzunehmen, so verschlägt es nichts, wenn eine Erschwerung der Vermietbarkeit infolge der Geräusche erwiesen wird 83 ), weil gerade ein Mietlustiger an den Geräuschen Anstoß genommen hat. An einem Badeort können für einzelne Wohnungsgebiete, welchen der Charakter einer besonders ruhigen Kurlage aufgedrückt ist, strengere Anforderungen gestellt werden, durch welche das besondere Ruhebedürfnis der erholungsbedürftigen Kurgäste berücksichtigt wird. Für eine solche Lage ist eben das Empfinden der Kurgäste das normale 84 ). An der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ändert der Umstand nichts, daß diese nur infolge einer solchen Benützung des von der Immission betroffenen Grundstückes herbeigeführt wird, welche ungewöhnlicht ist. Auch kann sich der Immittent nicht darauf berufen, daß jener seine Schädigung selbst abwenden könne 85 ). Er braucht also nicht zur Abdämpfung des Lärms seine Fenster zu schließen oder seine Hauswand zu verstärken. Andererseits muß er die Einrichtungen und Maßnahmen treffen, die allgemein gebräuchlich sind und die jeder billig denkende Nachbar unter gleichen Verhältnissen auf sich nehmen würde. Unterläßt er dies, so hat er es sich selbst zuzuschreiben, wenn sein Eigentum wesentlich beeinträchtigt wird; denn in diesem Fall wird die wesentliche Beeinträchtigung nicht durch die Einwirkung herbeigeführt, sondern durch das eigene Verhalten des Betroffenen 86 ). des Grundstücks); München H R R 41 Nr. 29; L M Nr. 5 zu § 906; R G R K o m m . Bern 1 0 ; Erman-Westerman Bern. 4a je zu § 906; Wolff-Raiser SR § 53, II 1. 81 ) Endemann 472 Anm. 45; Staudinger-Seufert Randb. 22 zu § 906; R G 70, 3 1 1 ; J W 1904, 143 u. 384. 82 ) Recht 1908, 201 Nr. 1198 (Frankfurt). Ein Hotelbesitzer braucht die Beeinträchtigung durch übermäßigen Lärm, der von «iner Autoreparaturwerkstätte des Nachbargrundstücks ausgeht, nicht zu dulden (Warneyer 1936, 172). 83 ) Recht 1909 Nr. 2 1 1 4 (RG). 84 ) Vgl. Anm. 87. 85 ) WarnR 1902 Nr. 359; 1909 Nr. 359; 1 9 1 1 Nr. 187; 1913 Nr. 227; J W 1912, 589. R G 70, 3 1 1 . 86 ) Vgl. J W 1912, 589; Wameyer 12 Nr. 227; Gruchot 34, 476. (Scheidewand unter der polizeilich vorgeschriebenen Stärke; Einrichtung eines empfindlichen Betriebs unmittelbar an der Nachbarwand ohne die üblichen Vorkehrungen).

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

V II Im übrigen sind hier die Grundsätze des § 242 B G B zu beachten, wonach auf die Erfordernisse eines geordneten nachbarlichen Zusammenlebens Rücksicht zu nehmen ist. 2. O r t s ü b l i c h k e i t : Auch, wenn durch die Zuführung v o n Immissionen die Benützung des benachbarten Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird, kann dessen Eigentümer die Zuführung dann nicht verbieten, wenn dieselbe durch eine Benützung des anderen Grundstückes herbeigeführt wird, die nach den ö r t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n bei Grundstücken dieser Lage üblich ist. Damit will das Gesetz sagen: wenn in einer bestimmten Gegend („Lage") die Grundstücke gewöhnlich so benützt werden, daß die Benützung der anderen Grundstücke dieser Gegend dadurch beeinträchtigt wird, so sollen alle Grundstücke gleich behandelt werden. Jeder Eingesessene dieser Gegend darf d i e s e Art Benützung beginnen oder weiterführen, wie andererseits jeder dortige Grundeigentümer verpflichtet ist, sich diese Störungen gefallen zu lassen. Das Interesse der Allgemeinheit drängt eben das Interesse des einzelnen zurück. Ausschlaggebend ist in dieser Beziehung lediglich die Benützung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, nicht die Benützungsart des betroffenen Grundstücks 87 ). Die Tatsache allein, daß in einem Gebiet mit verschiedenen Gewerbebetrieben auch Landwirtschaft betrieben wird, kann für sich allein noch nicht die Annahme rechtfertigen, die industrielle Grundstücksnutzung sei nicht ortsüblich88). Bei Prüfung der Frage, ob die Benützung gewöhnlich ist, ist die nächste Umgebung des in dieser Art benützten Grundstückes maßgebend, weiter entfernte Ortschaften oder die Verhältnisse in a n d e r e n Städten sind regelmäßig nicht zu berücksichtigen 89 ). Immerhin ist es zulässig, Ortsüblichkeit anzunehmen, wenn ein ähnlicher Betrieb nicht in demselben Ort, wohl aber allgemein in anderen umliegenden Orten auf ähnlicher Grundlage üblich ist90). Dies gilt namentlich auch dann, wenn es sich um einen sehr großen, 87 ) V g l . Gruch. 57, 1004; R G 139, 31; K ö l n in M D R 55, 359; Staudinger-Seufert Randb. 31 zu § 906. 88 ) Ausnahmen bei zwar ortsüblichen, jedoch für die Landwirtschaft oder Gärtnerei u. a. unerträglichen Einwirkungen. Vgl. R G 154, 165; 159, 140; B G H i n M D R 1951, 726; L M Nr. 2 zu § 903; Staudinger-Seufert Randb. 49 zu § 906. 89) SeuffA 65 Nr. 242 ( R G ) ; Recht 1903, 18 Nr. 32 ( R G ) ; 1908, 57 Nr. 318 (RG). V g l . auch Recht 1903, 430 Nr. 2263 ( O b L G Verlegung einer Brückenwage in eine andere Stadtgegend). Es ist für die Beobachtung, unter angemessener Berücksichtigung aller Umstände, ein Bezirk abzugrenzen. JW 1908, 12 Nr. 12; R G 133, 154; K ö l n in M D R 55, 359. 90 ) Z . B. eine Schmiede; D J Z 1906, 486 (RG). Ähnlich Recht 1911 N r . 2733 ( R G ) für Schützenhäuser im Kreise Teltow und Niederbarnim. V g l . Recht 1910 Nr. 705 (verschiedene Städte derselben Gegend). Dagegen besteht keine Berechtigung, auch weit entfernt liegende einzelne Ortschaften, Großstädte usw. mit zu berücksichtigen (SeuffA 65 Nr. 242; RG). Verschiedene Stadtteile einer Großstadt können trotz räumlicher Trennung

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V II

weit ausgedehnten Betrieb handelt. Eine Landschaft kann den Charakter als Fabrikgegend durch das Bestehen eines einzigen Industriebetriebs von überwiegender Bedeutung und Ausdehnung annehmen. Für die Frage aber, ob die von dem einzigen Unternehmen ausgehenden Immissionen als gewöhnlich zu erachten sind, müssen Vergleichsobjekte herangezogen werden, die in der engeren oder weiteren Umgebung liegen, und es muß das Maß der Einwirkungen berücksichtigt werden, die von anderen in der Umgegend liegenden und in gleicher Weise benützten Fabrikgrundstücken ausgehen91). Handelt es sich um einen Großbetrieb in einer Stadt, so sind zunächst die Verhältnisse der ganzen Stadt ins Auge zu fassen. Nur dann darf die Beobachtung auf einen Teil der Stadt beschränkt werden, wenn dieser durch die Art seiner Bebauung oder der dort betriebenen Gewerbe ein charakteristisches Gepräge trägt. Ein einzelner Stadtbezirk, in dem gerade keine industrielle Anlage sich befindet, kann nicht ohne weiteres als eine Gegend bezeichnet werden, in der Geräusch- oder Ruß-Immissionen üblich sind. Zu einer solchen Feststellung bedarf es vielmehr der Untersuchung, ob das fragliche Stadtviertel etwa reines Villenviertel ist, das sich durch seine ganze Anlage, insbesondere durch die Art seiner auf den Einfluß von Licht und Luft gerichteten Bebauungsart von den übrigen Stadtteilen unterscheidet92). Bei der Ausscheidung eines einzelnen Stadtbezirkes aus dem gesamten Ortsbereich handelt es sich aber um einen Ausnahmefall, der stets genauer Feststellung und Abgrenzung bedarf93). Ist der betreffende Stadtteil ganz überwiegend als Wohnviertel anzusprechen, dann ändert an diesem Charakter der Umstand nichts, das vereinzelte Gewerbe mit kleineren maschinellen Anlagen darin vorkommen94). Das Vergleichsgebiet ist so zu umgrenzen, wie es sich infolge des dem betreffenden Umkreis eigentümlichen Gepräges als zusammengehörig als zusammengehörig betrachtet werden, wenn sie durch die bes. Art ihrer Bebauung (Villenstil, herrschaftliche Miethäuser) ein einheitliches charakteristisches Gepräge haben, durch das sie sich in erkennbarer Weise von den anderen Stadtteilen unterscheiden (SeuffA 71, 281: Bedürfnisanstalten in Villenvierteln). Zur Annahme der Ortsüblichkeit genügt die Feststellung, daß der betreffende Stadtteil der unruhigste der ganzen Stadt ist (Recht 1907, 511 Nr. 1036). V g l . O L G 5, 151 (Breslau). Der mit dem Straßenbahnbetrieb verbundene Lärm gilt als ortsüblich ( R G 57, 224). Desgleichen die gewöhnlichen mit dem Eisenbahnbetrieb ausgehenden Einwirkungen. Anders liegt dagegen die Sache, wenn eine ungewöhnliche Konzentration des Betriebes an einer Stelle stattfindet (vgl. R G 70, 154; BayZ 1909, 148, R G SeuffA 65 Nr. 242, R G ) ; vgl. Recht 1919 Nr. 2124 (RG). 91 ) V g l . H R R 1940, 295 (Gemeinschaftsrampe für mehrere Dörfer zur Abstellung v o n Milchkannen); JW 10, 942; R G 105, 213; 133, 152; B G H in N J W 55, 19 92 ) V g l . SeuffA 71 Nr. 281; Recht 1904, Nr. 1163; JW 1904,175; 1910,149; 1919, 312; R G 70, 311 (Villenkolonie bei Berlin). 9S) V g l . JW 19, 312. 94 ) Vgl. München O L G 26, 125.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

dem Beobachter darstellt, auch wenn diese Teile des Vergleichsgebiets verschiedenen Ortsgemeinden oder Provinzen angehören98). Um die Ortsüblichkeit annehmen zu können, ist eine gleichartige Übung bei einer Mehrheit96) von Grundstücken derselben Lage erforderlich97). Deshalb genügt das zeitliche Nachfolgen eines einzigen neuen störenden Betriebes auf einen gänzlich beendeten störenden Betrieb nicht98). Es ist aber nicht erforderlich, daß die B e t r i e b e , von welchen die Einwirkung ausgeht, ganz gleichartig sind, es genügt, wenn die Einwirkungen im wesentlichen gleichartig sind99). Es stellt kein Erfordernis für den Begriff der Gemeinüblichkeit dar, daß die betreffende Benützungsart w ä h r e n d e i n e r b e s t i m m t e n l ä n g e r e n Z e i t geübt worden ist 100 ).Es kann deshalb diese Gemeinüblichkeit auch dadurch begründet werden, daß gleichzeitig eine größere Anzahl von Betrieben mit der gleichen Benützungsart in eine bis dahin hiervon freie Lage verlegt wird. Die Tatsache, daß eine Anlage 95 ) Vgl. L Z 1916, 1098 R G (Ortsüblichkeit eines Musikcafes in einer Wohnstraße, wenn daselbst noch zwei gleiche Cafés festgestellt sind); R G 133, 152. 96 ) L Z 1916, 740; Recht 1916 Nr. 1302 (RG). "') J W 1908, 12 Nr. 12 (RG). Vgl. aber auch O L G 5, 1 5 1 . Eine Mehrheit von Grundstücken kann unter Umständen selbst dann angenommen werden, wenn die mehreren Parzellen im Grundbuch zu einer rechtlichenEinheit oder wenn sie zu einer wirtschaftlichen Einheit (Vereinigung zu einem Gewerbebetrieb) zusammengefaßt sind ( R G 70, 153). Bei einem solchen Großbetrieb können höhere Anforderungen hinsichtlich der Vermeidung ungünstiger Einwirkungen gestellt werden (Recht 1915 Nr. 889 RG). 98 ) Recht 1904, 282 Nr. 1280 (RG). 99 ) Das ist aber nicht schon deshalb der Fall, weil die verschiedenen Betriebe Rauch zuführen. Es macht einen wesentlichen Unterschied in der Art der Zuführung aus, ob die den Rauch entwickelnden Eisenbahnlokomotiven in der Höhe des oberen Stockes und in der Entfernung von nur 1 m vorüberfahren und den Rauch unmittelbar auf das Haus werfen, oder ob der aus hohen Fabrikschlöten kommende Rauch erst nach der im Luftraum erfolgten Verteilung auf die Grundstücke herabkommt. Recht 1908, 91 Nr. 528 (RG). Ein Eisenwerk kann sich nicht darauf berufen, daß gleiche und noch stärkere Einwirkungen durch den benachbarten Straßenverkehr und Eisenbahnbetrieb verursacht werden, weil hinsichtlich der Art, des Maßes und der Zeit der Einwirkungen wesentliche Verschiedenheiten bestehen. Recht 1908, 201 Nr. 1199 (RG). Miteinander vergleichbar sind nur gleichartige Verhältnisse ( R G 57, 277). Wenn also als Grund des Anspruchs Lärm geltend gemacht wird, kann der Anspruch nicht damit abgewehrt werden, daß andere Betriebe jener Gegend üble Gerüche entwickeln (JW 1 9 1 0 , 9 4 1 ; Recht 1917 Nr. 2736 (RG). Ebensowenig kann von Gleichartigkeit bei Fabriklärm und Gewehrknall die Rede sein (Recht 1 9 1 1 Nr. 2736 RG). Dort ist jedoch mit Recht bemerkt, daß der anders geartete Lärm des Fabrikbetriebs für die Frage von Bedeutung sein kann, ob das Hinzukommen der Schießgeräusche überhaupt noch einen fühlbaren Eindruck macht (eine w e s e n t l i c h e Beeinträchtigung darstellt). — Andererseits ist nicht für jede einzelne Geräuschart (Pfeifen,Summen) selbständig zu untersuchen, ob sie ihrGegenstück in einem gleichartigen Geräusch anderer Betriebe findet. Vielmehr ist, wenn mehrfache Geräusche herüberdringen, ihre Gesamtwirkung und das Maß der durch d i e s e hervorgerufene Belästigung ausschlaggebend für die Frage der Üblichkeit (JW 1919, 50 RG). lTO

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) Vgl. R G 21, 299.

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V 2

zur Benützung eines Grundstücks schon vor einer anderen eingerichtet war, daß also eine bestimmte Benützungsart älter ist, hat idR keine Bedeutung für die Frage der Ortsüblichkeit. Maßgebend ist allein der gegenwärtige Stand der Verhältnisse. Der Gedanke der P r ä v e n t i o n wird von der herrschenden Meinung abgelehnt; Ausnahmen können jedoch gerechtfertigt sein, wenn höhere Interessen des Gemeinwohls vorliegen 101 ). Eine besonders schädigende Benützungsweise eines Fabrikgrundstücks (Ausströmen außergewöhnlich schädlicher Gase) kann ungewöhnlich sein, obwohl in der Gegend ähnliche Fabrikbetriebe mit weniger schädigenden Ausströmungen von Nachbarn geduldet werden102). Wenn der Wind die unaustehlichen Gerüche eines Fabrikbetriebes in das eine halbe Stunde entfernte Villenquartier trägt, müssen das die Villenbewohner ertragen, wenn in der Lage, in welcher die Gerüche aufsteigen, eine Benützung, mit welcher die Erzeugung derartiger Gerüche verbunden ist, gewöhnlich ist. Der mit dem Dreschen verbundene Staub ist für denjenigen, der in einem Dorfe seine Sommervilla hat, so unangenehm, wie für den Bewohner eines städtischen Hauses. Aber den örtlichen Verhältnissen auf dem Lande entspricht es, daß der Landmann sein Getreide mittelst Dampfbetriebes ausdreschen läßt. Deshalb kann der Eigentümer der Sommervilla die damit verbundene Belästigung nicht von sich abweisen103). Dem Eigentümer des städtischen Anwesens steht dagegen das Verbietungsrecht zu; denn in der Stadt ist der Dreschmaschinenbetrieb etwas Außergewöhnliches. Liegt das städtische Anwesen in einem Fabrikviertel, so wird sich jeder Eigentümer den mit dem F a b ri kbetrieb verbundenen Rauch, Ruß und Lärm gefallen lassen müssen. Den Staub der Dampfdreschmaschine, der im Vergleich mit jenen Einwirkungen eine viel geringere Belästigung darstellen mag, braucht er dagegen nicht zu dulden; denn der landwirtschaftliche Betrieb wird für ein Fabrikviertel regelmäßig nicht als gewöhnliche Benützungsart gelten können. Andererseits kann unter Umständen auch auf dem Lande die Dampfdrescherei zu einer außergewöhnlichen Art der Benützung werden. Dann nämlich, wenn sie sich nicht darauf beschränkt, eigenes Getreide auszudreschen, sondern als ein selbständiger Gewerbebetrieb ausgeübt wird. Der Eigentümer der Sommervilla in einem Dorf kann daher die Zuführung des mit dem Dampfmaschinenbetrieb verbundenen Staubes, Lärmes und Rauches verbieten, wenn der Dampfdreschmaschinenbesitzer, von dem die Ortsangehörigen ihr sämtliches Getreide gegen Entgelt ausdreschen lassen, die Dreschmaschine auf der Ortsstraße oder in einem benachbarten Hofe als S t a n d q u a r t i e r aufstellt; denn ein derartiger Großbetrieb ist nach den örtlichen Verhältnissen außergewöhnlich 104 ). Anders, wenn der Dampfdreschmaschinenbesitzer mit seiner Maschine von Hof zu Hof zieht. Liegt ein Dampfhammer in einem Industrieviertel, so müssen solche Erschütterungen, welche das Schreiben und Zeichnen behindern, ertragen werden, da es dort infolge der verschiedenen Werke, der Eisenbahn usw. allenthalben zittert. Der Lärm und Ruß, den eine Holzzerkleinerungsmaschine durch die Aufarbeitung des Holzes für den Hausgebrauch verursacht, muß gedultet werden.

Für die Frage, welche Benützung in einer Gegend gewöhnlich ist, kommt es nicht nur auf die A r t , sondern auch auf das Maß der Be101

) ) 103 ) 104 ) 102

14

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

R G 6 4 , 365; 1 5 4 , 1 6 1 ; 162, 349/357; B G H in N J W 55, 19. R G 139, 29; 154, 1 6 1 ; B G H in N J W 55, 19. SeuffA 42 Nr. 100. SeuflA 48 Nr. 247.

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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8 1 4 V 2

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

nützung der anderen Grundstücke an. Ist ein bestimmter Betrieb, mit dem ein gewisser Grad von Geräusch verbunden ist, in der Gegend gewöhnlich und kann deshalb die Zuführung dieses Geräusches nicht verboten werden, so ist es deshalb noch nicht gestattet, den Betrieb rücksichtslos zu steigern, so daß nun die Störung, die bisher vielleicht die Grenze, wo sie wesentlich wird, nur wenig überschritten hat, weit über diese Grenze hinausgeht106). Werden in einem Viertel die Grundstücke gewöhnlich in der Weise benutzt, daß auf ihnen die Elektrizität in eigenen Kraftanlagen erzeugt wird, so kommt es noch weiter darauf an, welches Maß von Geräusch und von Erschütterungen hierbei gewöhnlich erzeugt wird106). Denn für die Frage der Ortsüblichkeit ist nicht oder doch nicht stets allein entscheidend, ob die Anlage in gleicher oder in wesentlich ähnlicher Weise hergestellt und eingerichtet ist, wie Anlagen auf anderen Grundstücken dieser Lage. Vielmehr kommt es vornehmlich oder doch auch darauf an, ob im Hinblick auf die s c h ä d l i c h e W i r k u n g die Art und das Maß dieser Benutzung gleich oder im wesentlichen gleich Zu erachten ist der Art und dem Maß der Benutzung auf den anderen Grundstücken. Es kann daher eine besondere schädigende Benützungsweise, z.B. durch giftige Gase oder durch massierte Einwirkung von Rauch und Qualm, ungewöhnlich sein107).

Der Begriff Ortsüblichkeit ist im wesentlichen tatsächlicher Natur108). Maßgebend dafür ist die Benützung des immittierenden Grundstücks. Dieser Grundsatz findet jedoch seine Grenze in den lebenswichtigen Interessen des von der Immission betroffenen Grundeigentümers109), d. i. dann, wenn die Benützung des betroffenen Grundstücks durch existenz-gefährdende Immissionen überhaupt unterbunden oder wenn der betroffene Eigentümer in seinem wirtschaftlichen Fortkommen schwer beeinträchtigt würde110). So kann z.B. die Ableitung übelriechender Gase (Schwefelwasserstoff) den Bewohnern eines bestimmten Gebiets das Leben auf ihren Grundstücken völlig verleiden und läßt sich deshalb nicht als ortsüblich rechtfertigen. Ob eine Immission ortsüblich ist, beurteilt sich nach den Anschauungen der von ihr betroffenen Bevölkerungskreise. Dabei kommt es auf die Benützungsweise an, die derjenigen aller gerecht und billig Denkenden ent106) j w I 9 o 3 ; Beil. 103. Vgl. JW 1900, 890; 1903 Beil. 86; 1902 Beil. 202 (Übergang zur Nachtarbeit); OLG 18, 125; Recht 1903, 18 Nr. 32 (Erweiterung des Fabrikbetriebs); OLG 5, 151 Breslau (Einführung eines neuen Verfahrens). WarnR 1903 Nr. 386. Vgl. BGHZ 15, 149; R G 139, 32. loe ) OLG 2, 252. 10 ') Vgl. SeuffA 71 Nr. 281 (Bedürfnisanstalt in Villenviertel); Gruch. 47, 955; R G 1 3 9 , 29, 154, 161; 156, 315 (Flugkoks) 159, 140; BGHZ 15, 146/149; L M Nr. 2 zu § 906; NJW 59, 1867. 108 ) Vgl. R G JW 1905, 495; BGH in NJW 59, 1632 (Garagen als lästige Anlagen); Staudinger-Seufert Randb. 31 zu § 906. 109 ) Vgl. R G Z 154, 161; OGH BrZ in NJW 49, 713; R G 159, 140. 110 ) Vgl. BGH in NJW 1959, 1867; HRR 1940 Nr. 294 (Gefährdung einer Gärtnerei).

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§14 V 2

spricht und die einem geordneten nachbarlichen Zusammenleben, aber auch der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung trägt 111 ). Die Ansicht der zuständigen Verwaltungsbehörde kann allenfalls im Sinne eines Spiegels der in der Bevölkerung herrschenden Anschauung gewertet werden112). Ebenso können auch die Vorschriften der Gewerbeordnung oder ein örtlicher Bebauungsplan lediglich als Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob eine Einwirkung ortsüblich ist, herangezogen werden, bilden aber keine ausschlaggebende Grundlage 113 ). Stets ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Durch Proteste einzelner Angrenzet kann einem jahrelang bestehenden tatsächlichen Zustand der Charakter eines Stadtteils als Fabrikviertel nicht genommen werden114). An sich kommt es nicht darauf an, ob neben dem geschädigten Grundstück auch andere Grundstücke in gleichem Maße leiden; entscheidend ist allein, ob die beeinträchtigende Art der Benützung nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken der hier fraglichen Lage gewöhnlich ist. Wird diese Frage bejaht, so ist es ohne Belang, ob das betreffende Grundstück stärker benachteiligt wird als Nachbargrundstücke116). Für die Ortsüblichkeit von Einwirkungen eines industrieellen Großbetriebs genügt es nicht, daß in dem Vergleichsbezirk andere Betriebe durch Immissionen gleicher Art benachbarte Grundstücke beeinträchtigen. Es ist allenfalls zu unterscheiden zwischen Immissionen, die unbebaute Grundflächen, und solchen, die menschliche Siedlungen beeinträchtigen. Dabei können je nach der Stärke der Einwirkungen auch Zonen gebildet werden. Der Schutz der Menschen an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort muß als wichtiger Umstand in Erwägung gezogen werden116). Die für die Ortsüblichkeit maßgebenden Verhältnisse sind nach dem gegenwärtigen Zustand zu würdigen, wie er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sich darstellte. Mit einer Änderung der örtlichen Verhältnisse kann auch der Maßstab des allgemein üblichen eine Änderung erfahren. Allerdings darf auf Erscheinungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, keine Rücksicht genommen werden 117 ). Die Ortsüblichkeit i.S. des § 906 ist keine starre Norm, sondern als beweglicher Regulator zu beurteilen, der sich mit den sich ändernden Verm

) Vgl. Schack in J W 1932, 8 5 1 ; B G H in N J W 59, 1632. ) Vgl. SeuffA 64 Nr. 2 1 3 ; 71 Nr. 2 8 1 ; B G H in M D R 58, 497 = N J W 58, 1776. ) Vgl. B G H in N J W 59, 1632 = M D R 59, 741 (Garagen); auch N J W 58, 1 7 7 6 ; H R R 33 N r 1648; 36 Nr. 1 3 5 7 ; L M Nr. 5 zu § 906. 114 ) Vgl. B G H in N J W 58, 1776 = M D R 58, 497. Iis) Vgl. Recht 1909 Nr. 989. 116 ) Vgl. B G H in N J W 59, 1867. 117 ) Vgl. R G Recht 1909 Nr. 687 Gruch 46, 370; O L G 6, m ; 18, 124; R G Z 64, 363 ; 156, 3 1 4 ; J W 1907, 1 7 ; Recht 1 9 1 1 Nr. 2735. 112 115

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

hältnissen selbst ändert. Mit den Änderungen und Fortschritten der Technik, der Ausdehnung der Industrie und des Verkehrs sowie mit der Wandlung in den Anschauungen der beteiligten Kreise wird auch der Begriff des Ortsüblichen einer Wandlung unterworfen 118 ). Ist ein gewerblicher Betrieb, von dem Geräusch- oder Rauch-Immissionen auf die Nachbargrundstücke ausgehen, früher auf einem abgelegenen Gelände errichtet worden, durch Ausdehnung der Stadt jedoch in den Bereich bewohnter Stadtteile gelangt, so ist nunmehr nach städtischen Verhältnissen zu entscheiden, ob die Benützung des gewerblichen Grundstücks zu einem Unternehmen mit lästigen Einwirkungen auf Nachbargrundstücke noch als ortsüblich, i. S. des § 906 gelten kann. Sind umgekehrt durch Anwachsen einer Stadt, in der bisher eine Reihe gewerblicher Unternehmungen mit ihren lästigen Einwirkungen auf die Umgebung als gewöhnlich hingenommen werden mußten, Fabriken nach und nach weiter aus dem städtischen Bereich hinausverlegt worden und sind so aus ehemaligen Fabrikvierteln nun Wohnviertel geworden, so darf ein einzelner Fabrikunternehmer, der allein im Stadtgebiet geblieben ist und sein Unternehmen wie bisher weiterbetreibt, lästige Einwirkungen durch Rauch, Ruß oder Geräusch nicht mehr wie früher auf die benachbarten nunmehrigen reinen Wohnsiedlungen zulassen; denn nun können diese Einwirkungen nicht mehr als „gewöhnlich" erachtet werden, weil der Charakter des betreffenden Stadtteils sich grundlegend geändert hat. Der Unternehmer kann sich nicht etwa darauf berufen, daß sein Gewerbebetrieb schon längst bestanden habe, bevor das Wohnviertel entstanden sei; denn es kommt bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit nach § 906 B G B nicht darauf an, welche Benützungsart in einer Gegend die ältere ist 119 ). Das gilt auch dann, wenn der Eigentümer des benachteiligten Grundstücks die lästigen Einwirkungen von Seite des Nachbargrundstücks voraussehen mußte, als er mit der veränderten Benützung seines Grundstücks, nämlich für den Wohnhausbau, begann. Eine Verjährung des Anspruchs, lästige Einwirkungen zuzuführen, scheidet aus. Selbst wenn eine Immission 30 Jahre und länger unbeanstandet zugeführt worden ist, so ist dadurch kein Recht begründet worden, weil die Einwirkung durch lästige Zuführungen keine Rechtsausübung darstellt120). Dagegen unterliegt der Anspruch auf Beseitigung oder Unter118 ) Vgl. R G Z 133, 152; 154, 161; 159, 139; 162, 349; Warn. 1936 Nr. 172; Köln in MDR 55, 359; vgl. auch Pagenkopf in L Z 1932, 742; Staudinger-Seufert Randb. 31 zu § 906; Habscheid MDR 54, 260. 119 ) Vgl. BGH NJW 55, 19 = MDR 55, 28; R G Z 154, 164; 162, 157; O L G Köln in MDR 55, 359; Staudinger-Seufert Randb. 13 zu § 906. 120 ) Vgl. R G Z 12, 173; 57, 229; Recht 1907 Nr. 1467; Staudinger-Seufert Randb. 14 u. 51 zu § 906.

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Immissionen

§14 V 2, 3

lassung einer unzulässigen Immission der Verjährung nach §§ 194, 195 B G B (30 Jahre), es sei denn daß der Anspruch dinglich etwa durch Grunddienstbarkeit gesichert ist 121 ). Wegen der Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus Immissionen vgl. unten § 39 a. E. Wenn ein Gärtner in einem Villenviertel seit 30 Jahren seinen Garten unbehelligt aus seiner Senkgrube gedüngt hat, so darf der Nachbar die damit verbundene Einwirkung durch üble Gerüche gleichwohl verbieten; denn weder die Rücksichtslosigkeit des einen noch die Nachsicht des anderen hat einen Rechtszustand geschaffen.

Ein V e r z i c h t auf die Ansprüche aus § 903 B G B wegen unzulässiger Immissionen ist wirksam, bindet aber den Rechtsnachfolger nur, wenn der Verzicht durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit dinglich gesichert ist. Ein Verzicht kann auch stillschweigend oder durch konkludente Handlung zum Ausdruck gebracht werden, so kann z.B. in dem Verkauf einer Teilfläche eines Grundstücks zum Zwecke der Errichtung eines gewerblichen Betriebs (einer Tankstelle mit Reparaturwerkstätte) die Billigung der notwendig mit dem Gewerbebetrieb verbundenen lästigen Einwirkungen auf das Restgrundstück enthalten sein (vgl. unten § 32). Aus dem Umstand allein, daß der Nachbar Immissionen lange Zeit hindurch geduldet hat, darf idR kein Verzicht auf seine Abwehransprüche hergeleitet werden122). 3. Die Zulässigkeit von Immissionen aus dem Gesichtspunkt der O r t s ü b l i c h k e i t ist bisher bereits durch die Rechtsprechung in zunehmendem Maße unter Heranziehung der durch das nachbarliche Zusammenleben gebotenen Rücksichtnahme (§ 242) eingeschränkt worden, insbesondere zur Vermeidung der Existenzgefährdung oder zur Verhinderung schwer wiegender Benachteiligung (vgl. oben unter 2a.E.) 123 ). Nunmehr ist durch Gesetz vom 22. 12. 1959 (BGBl. I 781) § 906 B G B insoweit geändert worden, als dann, wenn „eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benützung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benützern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind", der Abwehranspruch aus § 903 B G B versagt wird. Dadurch soll der von lästigen Einwirkungen eines Nachbargrundstücks betroffene Grundeigentümer zur Duldung ortsüblicher Immissionen nur unter der Voraussetzung verpflichtet sein, daß die Einwirkungen nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen eingedämmt werden können. m ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. j i ; R G R K o m . Bern. 1 3 ; Ermann-Seibert Bern. 8 je zu § 906; Palandt-Hoche Bern. 8 a zu § 1004. 122) Vgl. R G Z 66, 126; SeuifA 56 Nr. 104; J W 1904, 4 8 7 ; 1935, 1 7 7 5 ; StaudingerSeufert Randb. 1 4 ; RGRKomm. Bern. 1 je zu § 906; Wolff-Raiser § 53 III. 123 ) B G H Z 15, 146; N J W 59, 1867; H R R 1940 Nr. 294 (Einwirkungen eines Steinbruchs auf Fremdenbeherbergung); Habscheid M D R 54, 260 (Nachbarrecht und Verkehrsfortschritt).

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§ 14 V 3

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Die Frage, ob eine Maßnahme zur Eindämmung von Immissionen „wirtschaftlich zumutbar" ist, hängt hiernach nicht von der Leistungsfähigkeit des einwirkenden Grundeigentümers, also nicht von der Kapitalkraft des einzelnen gewerblichen Unternehmens ab, sondern davon, ob eine Maßnahme ,,Bv nützern dieser A r t " zumutbar ist. Damit soll ein gesunder Durchschnittsbetrieb des jeweiligen Gewerbezweiges als Maßstab für die wirtschaftliche Zumutbarkeit herangezogen werden124). Auf diese Weise soll nach Möglichkeit verhindert werden, daß Immissionen von leistungsschwachen Betrieben in weiterem Umfang geduldet werden müssen als Einwirkungen von Seite großer kapitalstarker Werke. Für den Fall, daß Vorkehrungen oder Maßnahmen gegen lästige Einwirkungen etwa technisch nicht durchführbar oder wirtschaftlich nicht tragbar sind, ist in § 906 Abs. 2 Satz 2 weiter vorgesehen: Ein Grundeigentümer, der lästige Einwirkungen zu dulden hat, kann von dem einwirkenden Eigentümer „einen angemessenen Ausgleich in Geld" verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benützung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Dieser Geld-Ausgleichsanspruch ist zwar anderer Art als der Anspruch auf Schadloshaltung i. S. von § 26 GO, bei dem ein an sich gegebener Abwehranspruch durch einen hoheitlichen Akt, die gewerberechtliche Genehmigung, ausgeschlossen ist. Man wird aber auch bei dem Ersatzanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 die für § 26 GewO entwickelten Grundsätze entsprechend anwenden müssen, weil auch hier ein Abwehranspruch kraft Gesetzes versagt wird (vgl. dazu unten § 39 a.E.). Der Gedanke eines Ausgleichs durch Geld als Ersatz für die infolge gesetzlicher Regelung zu duldenden Immissions-Schäden ist von der Rechtsprechung bereits für die Fälle des Zusammenlebens von Großindustrie und Landwirtschaft aus den durch das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis gebotenen Rücksichten entwickelt worden und ist nunmehr ausdrücklich gesetzlich verankert worden. 126 ) 124 ) Vgl. Herold in Bl. f. GrBuW 60, 37; Schmidt-Tophoff in B B 59, 569; Westermann : Welche gesetzl. Maßnahmen zur Luftreinhaltung und Verbesserung des Nachbarrechts sind erforderlich? (1958 in wissenschaftl. Abhandl. der Arbeitsgem. f. Forschung des Landes NRhW). 126) Vgl. R G Z 154, 162; 159, 139; 162, 216; 167, 23; 169, 183 (in diesen Entscheidungen hat das Reichsgericht den Gedanken des nachbarl. Gemeinschaftsverh. als Anwendungsfall des § 242 B G B erklärt und damit die Auslegung des § 906 unter diesem Gesichtspunkt erweitert). Die folgende Rechtsprechung insbesondere des B G H hat diese Gedanken übernommen: B G H Z 15, 146; L M Nr. 2 zu § 906; N J W 59, 1867; Köln M D R 55, 359. Vgl. auch Schiffer in Z A k D R 1936, 1076; 37, 276; 39, 3 1 1 ; Klausing J W 37, 68; Zach D R 36, 1076; Pleyer in J Z 59, 305; Henschel in J Z 59, 76 (Neugestaltung des Immisionsrechts). Vgl. auch Schultz in M D R 1955, 260 (Haftung f. fremdes Verschulden im Nachbarrecht).

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Immissionen

§14 vi

V I . D u l d u n g s p f l i c h t als E i g e n t u m s b e s c h r ä n k u n g Der Grundeigentümer kann an sich auf Grund des § 903 B G B jede Einwirkung Dritter ausschließen und kann zu diesem Zwecke Klage gegen den Störer aus § 1004 B G B erheben (vgl. unten § 14 VI). Durch § 906 Abs. 1 B G B idF. v. 22.12.5 9 wird dem beeinträchtigten Eigentümer eine Duldungspflicht auferlegt, die sich als Eigentumsbeschränkung gegenüber unwesentlichen sowie gegenüber wesentlichen, aber ortsüblichen Immissionen darstellt, wie das schon bisher nach der alten Fassung des § 906 gegolten hat. Neu ist die Milderung der Eigentumsbeschränkung insofern, als nunmehr der beeinträchtigte Eigentümer in allen Fällen einer wesentlichen und ortsüblichen Immission verlangen kann, daß alle technisch möglichen und dem einwirkenden Nachbarn wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung der Immission getroffen werden. Durch § 906 wird der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks natürlich nicht gehindert, eine Immission durch tatsächliche Vorkehrungen selbst abzuwehren; er kann z.B. zum Schutz gegen lästige Schallwellen eines benachbarten Gewerbebetriebs eine schalldämpfende hohe Mauer errichten, auch wenn dadurch die Schallwellen für den Nachbarn, von dem die Geräuscheinwirkung ausgeht, verstärkt und kaum erträglich werden126). Handelt es sich jedoch um eine Geräuscheinwirkung, die gerade deshalb besonders stark wirkt, weil die Wände des beeinträchtigten Hauses außergewöhnlich schalldurchlässig sind, so kann der beeinträchtigte Eigentümer gem. § 906 Abs. 2 verlangen, daß Maßnahmen zur Verhinderung der Geräuscheinwirkung, etwa durch schalldämpfende Verstärkung der Wände getroffen werden, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß dies für einen Betrieb von der Art des einwirkenden wirtschaftlich zumutbar ist. Im Hinblick auf die durch das nachbarliche Zusammenleben gebotene Rücksichtnahme wird der beeinträchtigte Eigentümer gestatten müssen, daß seine Hauswände innerhalb seines Gebäudes schallsicher verstärkt werden, wenn dies technisch und wirtschaftlich als die beste Lösung nahliegt. Im Zusammenleben von Industrie und Landwirtschaft hat jene die bestmöglichen technischen Einrichtungen zur Schonung des Nachbarn zu treffen und deren einwandfreies Arbeiten sorgfältig zu überwachen. Aber auch dem Landwirt liegt die Pflicht ob, seinen Betrieb den ortsüblichen Verhältnissen entsprechend einzurichten und eine Art der Bewirtschaftung zu wählen, die gegenüber den schädlichen Zuführungen möglichst wenig empfindlich ist; eine Vernachlässigung dieser Pflicht mag die Anwendung des § 254 B G B rechtfertigen127). 126

) Vgl. Turnau-Förster Anm. 9 zu § 906. ) Vgl. R G Z 154, 164; H R R 1936 Nr. 1007; Venzner (i960): Mit Verursachung u. Mitverschulden. 127

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§ J.4 VI

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Die zur Abwehr berechtigende Vorschrift des § 903 B G B wird ergänzt durch § 228 (Selbsthilfe). Das Schutzrecht des § 228 gilt auch zum Schutze der im Garten sich aufhaltenden Singvögel. Der Gartenbesitzer hat daher an sich das Recht, nötigenfalls die in seinem Garten den Singvögeln nachstellenden Katzen einzufangen und zu verwahren. Das Weitere veranlaßt die Polizei, der die Sache anzuzeigen ist128). Auch das Eindringen von Bienen (s. hierüber oben § 14 I 2) kann der Nachbar durch entsprechende Vorkehrungen abwehren129). Einem Imker dagegen, dessen Bienen auf fremden Grundstücken durch die bei der Schädlingsbekämpfung verwendeten Giftstoffe Schaden erlitten, steht idR. kein vom Nachweis eines Verschuldens unabhängiger Entschädigungs- oder Aufopferungsanspruch zu130). Wie weit geht aber dieses Recht zur Abwehr? Darf der Nachbar die B i e n e n , welche in sein Grundstück eingedrungen sind, töten? Sie stehen im Eigentum des Imkers und sind für den Nachbar fremde Sachen. Eine vorsätzliche oder fahrlässige Vernichtung der Bienen verpflichtet daher zum Schadenersatz, sofeme die Vernichtung widerrechtlich ist (§ 823). Die Widerrechtlichkeit wird vor allem durch § 228 ausgeschlossen: Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadenersatz verpflichtet. Eine Überspannung des Rechtes auf Selbstschutz wird in der Praxis dadurch vorgebeugt werden, daß im Einzelfalle unter Berücksichtigung aller Umstände kritisch geprüft wird, ob denn wirklich die Vernichtung zur Abwendung der Gefahr erforderlich war und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr stand. Die Bienen müssen schon außergewöhnlich massenhaft in den Restaurationsgarten eingedrungen sein, wenn die Annahme gerechtfertigt sein soll, daß die Aufstellung von flüssigem Zucker, welchen die Bienen überreichlich mit der Folge des Verendens aufzunehmen pflegen, oder gar von Gift erforderlich war. Nur wenn dies der Fall war, entfällt die Rechtswidrigkeit. Bienen, die in b e w o h n t e R ä u m e eingedrungen sind, wird man regelmäßig mit allen Mitteln vernichten dürfen, gleichviel ob sie nur vereinzelt oder zahlreich auftreten; in solchem Falle wird man sich regelmäßig nicht anders helfen können 131 ). Natürlich darf das wiederum nicht dazu mißbraucht werden, um die Bienen anzulocken und die eigens angelockten Bienen zu töten. Es geht nicht an, die Rechtswidrigkeit, prinzipiell deshalb auszuschließen, weil das Aufstellen von flüssigem Zucker auf e i g e n e m Grundstück nicht widerrechtlich sei (§ 903). An und für sich kann der Eigentümer freilich auf seinem Grundstücke tun was er will, aber so wenig er ohne weiteres befugt ist, in seinem Garten einen giftigen Köder aufzustellen, um die fremden Katzen zu töten 132 ), 128

) Vgl. § 18 NaturschutzVO vom 18. 3. 1936 (RGBl .1, 181). 12») Vgl. Schüssler, Bienenrecht 1934; Figge in R d Z 1954, 172; Pritzl-SeuffBl. 66, 458. 130 ) Vgl. B G H Z 16, 366 = N J W 55, 747; vgl. auch Schultz in M D R 55, 260. 131 ) Dem Schokoladenfabrikanten ist es unbenommen, sich gegen das Eindringen von Bienen in die Fabrikräume dadurch zu schützen, daß er an den Luft- und Lichtöffnungen flüssigen Zucker vermischt mit Salzsäure aufstellt. 132 ) Vgl. hierzu auch R G S t . 34, 296. So kann auch das Legen von Selbstgeschossen (Fußangeln) auf eigenem Grund und Boden rechtswidrig sein. Die Selbstgeschosse

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Immissionen

§ 1 4 vi

so wenig ist es ihm prinzipiell und unter allen Umständen erlaubt, einen zur Vernichtung der fremden Bienen b e s t i m m t e n Stoff auszulegen. Ebenso ist es sicher, daß mir das Anlegen von Pflanzen auf meinem Grundstück nicht schon deshalb verboten werden kann, weil sie den Bienen schädlich sind; wenn aber die Anlegung dieser Bienenschädlinge gerade zu dem Zwecke geschieht, um die Bienen zu vernichten, kann dieses Mittel rücksichtlich der Zulässigkeit seiner Anwendung nicht anders beurteilt werden, als das vorsätzliche Erschießen einer Katze 133 ). Honigraub, Raubbienen. Eine besondere Untersuchung bedarf nun der Fall, daß in den Bienenstock eines Züchters f r e m d e Bienen eindringen und daraus den Honig rauben 134 ). Darf der Bienenzüchter zum Schutz gegen diese Beraubung seines Stockes die fremden Bienen durch Aufstellung von Giften töten ? E s steht fest, daß es eine besondere Raubbienenart nicht gibt, daß niemand imstande ist, seine Bienen auf Raub auszusenden, der Besitzer der beraubten Stöcke in 100 Fällen 99 mal selbst die Schuld an der Räuberei trägt 136 ), der der raubenden Bienen aber stets und unter allen Umständen schuldlos ist 135 ); insbesondere rauben die Bienen nicht aus Hunger oder Honigmangel, sondern aus dem natürlichen Triebe, Honig zu suchen, w o er eben zu finden ist 135 ). Es kann auch dem Züchter der raubenden Bienen nicht zugemutet werden, daß er seinerseits seine raubenden Bienen in den Keller stellt, weil er dabei den Verlust des Honigs und selbst des Bienenvolkes riskiert. Endlich gibt es viele anderweitige Mittel zur Abwehr der sog. Raubbienen, während von den Imkern in Theorie und Praxis einmütig als das verwerflichste Mittel der Selbsthilfe die Vergiftung der sog. Raubbienen angesehen wird 135 ). Daraus ergibt sich, daß der Imker nicht berechtigt ist, die fremden Raubbienen zu vergiften, da dies zur Abwendung der Gefahr nicht erforderlich ist; denn es stehen dem Imker genügend Mittel zu Gebote, um sich der Räubereien auf andere Weise als durch Tötung der Bienen zu erwehren. Das Vergiften der Raubbienen zum Schutz gegen die Räuberei verpflichtet deshalb zum Schadenersatz (§ 823) 136 ). Aber selbst wenn die Widerrechtlichkeit durch § 228 ausgeschlossen wäre, würde in solchem Falle die Schadensersatzpflicht nach § 228 Abs. 2 bestehen, wenn der gefährdete Imker die Gefahr durch sein unsachgemäßes Handeln selbst verschuldet hat 137 ). müssen so eingerichtet sein, daß sie erst gegenüber einem beginnenden Angriff in Tätigkeit treten; andernfalls kann der Veranstalter bei eintretenden Verletzungen Unschuldiger verantwortlich werden. Vgl. Olshausen StGB 7. Aufl. Bern. 1 2 c zu § 53; vgl. ferner § 367 Nr. 8 StGB). Vgl. Art. 40 BayLandestraf- u. VOGes. vom 17. 1 1 . 1956 (GVB1. 261 = BayBS I 327) über Legen von Selbstgeschossen usw. 133 ) Vgl. dagegen Friedrichs D J Z . 1904, 688; Kuhlenbeck im Recht 1904, 310; Kuhlenbeck will lediglich auf Grund des § 826 eine Haftung eintreten lassen. Strauß, D J Z . 1903, 367 versagt dem Grundeigentümer schlechtweg das Recht, auf seinem Grundstück Giftpflanzen zu halten oder Gift aufzustellen, um die vorüberfliegenden Bienen zu töten. BayZ 1916, 91 R G läßt diese Frage dahingestellt. 134 ) Nicht zu verwechseln mit dem Einfall eines Bienenschwarmes in eine fremde, besetzte Bienenwohnung (Not-, Hunger- oder Bettelschwarm). Die diesbezüglichen Rechtsverhältnisse sind in § 964 B G B geregelt. 136 ) Durch Verstöße gegen die Imkerkunst, insbes. durch Füttern bei Tage und bei offenen Fluglöchern. Berlepsch, Die Biene und die Bienenzucht (1860), 164; Huber, Die neue nützliche Bienenzucht (1905), 39; Schüssler, Deutsches Bienenrecht 1934; Figge in R d L 54, 260. 136 ) Urteil des Landgerichts Würzburg vom 13. 2. 1907 R.-Nr. 745/A II 1905. 137 ) BayZ 1916, 91 (RG); R G Z 159, 69; J W 1916, 38; vgl. auch R G in D R 1942,1703. 217

§ A4 VII

IX. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

D a fast ausnahmslos der Eigentümer der beraubten Stöcke schuld an der Räuberei ist, wird man dies im gegebenen Falle insolange unterstellen dürfen, als nicht der Bienenzüchter den Entschuldungsbeweis erbringt. Abgesehen v o n § 228 Abs. 2 kann hier übrigens unbedenklich § 826 angewendet werden, denn das Vergiften der Raubbienen gilt nach der Meinung aller anständigen Bienenzüchter als unanständig und unmoralisch. Werden Bienen durch die giftigen Gase eines gewerblichen Betriebes, der nach § 16 R G e w O konzessioniert, in dem Luftraum über dem Grundstück des Gewerbebetriebes getötet, so haftet der Betriebsunternehmer nur dann auf Schadenersatz, wenn den bei der Konzession gemachten Auflagen, die als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 zu erachten sind, zuwidergehandelt ist 138 ). Imker machten ein Hüttenwerk dafür verantwortlich, daß ihre Bienen durch arsenhaltige Gase aus den hohen Schornsteinen des Hüttenwerks getötet worden seien, die Gase würden ungereinigt hinausgelassen, obschon technische Einrichtungen zu besseren Reinigung möglich seien. Hier handelt es sich nicht um eine Zuführung v o n Giftstoffen auf die Bienenstöcke, sondern die Bienen haben bei der Nahrungssuche das auf vielen v o n vorneherein unbestimmten Grundstücken verstreut liegende Gift zu sich genommen. Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dem Imker eine Sachberechtigung aus eigenem Recht zur Verteidigung fremder Grundstücke gegen Eingriffe (Bestreuen mit Gift) zuzubilligen, wenn er mit seinen Völkern eine große Anzahl fremder Grundstücke flüchtig und vorübergehend benützt. Der Bienenflug ist in den Grenzen des § 906 zulässig; der Imker hat jedoch kein Recht am fremden Grundstück; er hat kein Legalservitut an allen für die Nahrungsaufnahme der Bienen in Betracht kommenden Grundstücke. Für den Anspruch des Imkers kommt lediglich die vom Nachweis eines Verschuldens abhängige Schadenersatzklage nach § 823 B G B in Betracht ( R G J W 1916, 38). Hier kommt es darauf an, o b und inwieweit die Arsenzuführung das nach § 906 zulässige Maß überschreitet. Was sich innerhalb dieses Rahmens hält, muß allgemein hingenommen werden ( R G 139, 34); das ist n i c h t rechtswidrig. Zuführungen, die das nach § 906 zulässige M a ß überschreiten, können — wenn Abhilfemaßnahmen nicht möglich — nicht verboten werden ( § 2 6 G e w O ) , wohl aber ist die K l a g e auf Ersatz des durch sie herbeigeführten Schadens gegeben, sofern ein s c h u l d h a f t e s Verhalten nachgewiesen wird ( R G 159, 129).

VII. E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e Insoweit die Einwirkung durch Immissionen nach den Bestimmungen des § 906 nicht erlaubt ist, ist der Nachbar gemäß § 903 B G B zur Ausschließung der Einwirkung berechtigt 139 ). Die Klage, mit welcher diese unzulässige Einwirkung abgewehrt wird, ist die Eigentumfreiheitsklage des § 1004 B G B . Sie geht auf B e s e i t i g u n g der Beeinträchtigung und auf U n t e r l a s s u n g weiterer Beeinträchtigung. Der Anspruch auf B e s e i t i g u n g der Beeinträchtigung setzt das objektive Bestehen eines durch den Willen einer anderen Person aufrecht erhaltenen körperlichen Zustandes voraus; hier kommen solche Anlagen in 138) V g l R G 1 J 9 ; 6 ? . BayZt. 1916, 91; JW 1916, 38; dagegen R G in D R 4 2 , 1703. 39 ) Der Immittent kann sich nicht darauf berufen, daß durch zu hohe Anforderungen hinsichtlich der Vermeidung schädlicher Einflüsse eine bestimmte Industrie vernichtet w ü r d e ; Recht 1908, 57 Nr. 318 ( R G ) ; s. jedoch § 26 G e w O (unten § 39).

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Immissionen

§14 VII

Betracht, welche durch ihre Benützung eine unzulässige Immission auf das Nachbargrundstück bewirken (§ 907), s. hierüber unten § 38 II, 1. Der Anspruch auf U n t e r l a s s u n g weiterer Beeinträchtigung setzt lediglich voraus, daß nach den Umständen weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind140) (s. darüber unten § 38 II, 2). Der K l a g s a n s p r u c h geht in solchem Falle dahin: der Beklagte hat die Zuführung von Rauch und Ruß auf das Grundstück des Klägers insoweit zu unterlassen, als dieselbe die Benützung dieses Grundstücks wesentlich beeinträchtigt und durch eine Benützung des Grundstücks des Beklagten herbeigeführt wird, welche nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage nicht üblich ist141). Der Kläger braucht nicht die Vorkehrung bestimmter Maßregeln, durch welche die unzulässige Beeinträchtigung hintangehalten werden soll, zu verlangen; er darf dies nicht einmal tun, ebensowenig als das Urteil hierüber Bestimmung zu treffen hat. Sache des Beklagten ist es, entweder die Einwirkung überhaupt einzustellen oder Vorkehrungen zu treffen, durch die eine wesentliche Beeinträchtigung so herabgemindert wird, daß sie sich im Rahmen des Ortsüblichen hält. (Näheres hierüber s. unten § 38, II, 2). A k t i v l e g i t i m i e r t zur Eigentumfreiheitsklage ist der Eigentümer auch der Wohnungs- oder Teileigentümer oder der sonst dinglich Berechtigte, nicht aber der Mieter142) (s. darüber § 38, I V , 1). Mieter oder Pächter können die Klage aus § 1004 erheben, wenn ihr Eigentum beeinträchtigt wird. Der Pächter ist denselben Beschränkungen aus § 906 wie der Eigen14 °) Sind Kugeln von dem Schießstand bisher noch nicht herübergeflogen, so kann von der Besorgnis einer weiteren Beeinträchtigung nicht die Rede sein (Recht 1911 Nr. 2732 RG). 141 ) Der Anspruch kann nicht auf Unterlassung schlechtweg gerichtet werden. Dem Kläger steht nach dem Gesetz der Unterlassungsanspruch nur mit Einschränkung zu; der Richter kann daher nicht ohne Einschränkung verurteilen. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 4jff. zu § 906; R G 162, 349; JW 1930, 2934; vgl. B G H in NJW 1958, 1776 = MDR 5 8, 497 (Es genügt, wenn im Urteilssatz die Störungsart im allgemeinen bezeichnet wird, etwa: „Dem Bekl. wird geboten, Störungen durch Geräusch- (oder Rauch — usw.) einwirkungen zu unterlassen). Vgl. ferner Hodes in NJW 1954, 644 (gegen Köln in NJW 1953, 592)142 ) R G 59, 327. Der Mieter kann aber wegen Immissionen die Besitzstörungsklage erheben. Vgl. Endemann 474 Anm. 52 und 244 Anm. 9. — Auch kann der Mieter den Vermieter aus § 536 dazu anhalten, daß er seinerseits gegen den Nachbar vorgeht. Vgl. O L G . 17, 26 (Dresden). Eventuell kann der Mieter nach § 544 oder, wenn der Vermieter trotz Aufforderung nicht die erforderlichen Maßnahmen gegen den Nachbar ergreift, aus § 5 3 8 ohne Kündigungsfrist aufkündigen. Hat aber der Mieter beim Abschluß des Mietvertrags gewußt, daß nebenan ein Hammerwerk betrieben werde, so stehen ihm g e g e n ü b e r dem V e r m i e t e r diese Rechte nicht zu (§ 539), während sein Anspruch auf Besitzschutz gegen den Nachbar von einer solchen Kenntnis nicht berührt wird. Vgl. auch B G H in BB 54, 426 (Die Mieter verschiedener Gebäudeteile können in entsprechender Anwendung des § 907 Ansprüche wegen lästiger Einwirkungen untereinander geltend machen).

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§ 14

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

VIII tümer unterworfen; denn er kann keine größeren Rechte haben als der Eigentümer. Andererseits stehen dem Pächter auch dieselben Rechtsbehelfe zu wie dem Eigentümer. 143 ) Dagegen ist keine gesetzliche Grundlage dafür vorhanden, dem I m k e r , der mit seinen Bienenvölkern vorübergehend fremde Grundstücke benützt, eine Berechtigung aus eigenem Recht zur Verteidigung fremder Grundstücke gegen schädigende Einwirkungen (giftiger Ruß und Staub aufpflanzen) zuzubilligen (RG 159, 68).

P a s s i v l e g i t i m i e r t zur Eigentumfreiheitsklage ist der Störer (vgl. hierüber unten § 38, I V , 2), ohne Rücksicht darauf, ob er Eigentümer des Grundstückes ist, von welchem die Störung ausgeht. A b e r der letztere kann unter Umständen schon deswegen als Störer angesprochen werden, weil er den Zustand der Beeinträchtigung oder Gefährdung, der v o n seinem Grundstück aus für den Nachbarn herbeigeführt worden ist, nicht abstellt (z. B. als Vermieter bezüglich der v o n seinem Mieter begangenen Störung); s. darüber unten § 38, I V , 2. Eine besondere Gestaltung erleidet die Eigentumfreiheitsklage gegenüber gewerblichen Anlagen durch § 26 der Reichsgewerbeordnung und gegenüber Verkehrsunternehmungen durch Art. 80 A G (s. darüber unten § 39). Die Eigentumfreiheitsklage selbst geht nicht auf Schadenersatz; hierfür ist Verschulden des Immittenten Voraussetzung (§ 823). Derselbe mußte voraussehen oder bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt voraussehen können, daß v o n seinem Grundstücke aus eine unzulässige Einwirkung im Sinne des § 906 auf das Nachbargrundstück erfolgen werde (s. darüber unten § 43). N u r in jenen Fällen, in welchen dem beeinträchtigten Eigentümer der Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung der Immission durch Sondervorschrift entzogen ist, hat er nach der herrschenden Ansicht auch ohne Nachweis eines Verschuldens ein Schadenersatzanspruch (s. darüber unten § § 3 9 und 43). VIII. B e w e i s l a s t Der Eigentümer, welcher die Immission verbietet und den negatorischen Anspruch wegen der Immission erhebt, hat nur zu beweisen, daß eine Einwirkung vorliegt. Damit hat er zunächst seine Befugnis zur A b w e h r aus § 903 dargetan; denn diese liegt an sich im Begriffe des Eigentums. Sache des Immittenten ist es, darzutun, daß diese Einwirkung erlaubt ist, daß also entweder durch die Einwirkung die Benützung des Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird, oder aber die Einwirkung durch eine im) Vgl. BGH in NJW 1955, 19 gibt dem Pächter den Anspruch auf Schadloshaltung nach § 26 GewO unter Hinweis auf R G Z 105, 213, auf R G Z 159, 68 und JW 1952, 2984.

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Immissionen

§ 1 4

IX

ortsübliche Benützung des anderen Grundstückes herbeigeführt wird und durchwirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden kann144). Wenn der Beklagte n a c h der K l a g e e r h e b u n g A b h i l f e schafft, so wird hierdurch seine Verurteilung nur dann abgewendet, wenn er beweist, daß eine Wiederkehr der unzulässigen Einwirkung nach Lage der Sache als ausgeschlossen zu betrachten ist (s. hierüber unten § 38). Eine Steigerung der Einwirkung, die nach der Klageerhebung eintritt, ist natürlich bei der Entscheidung zu berücksichtigen 146 ). I X . E i n f l u ß des ö f f e n t l i c h e n R e c h t s Selbstverständlich läßt § 906 alle im öffentlichen Rechte begründeten Vorschriften unberührt, andererseits wird eine nach § 906 unzulässige Immission durch Genehmigung von Seite der Verwaltungsbehörde nicht zulässig146). So kann der Eigentümer eines Grundstückes die nach § 906 nicht zulässige Zuführung des mit dem Betrieb brandgefährlicher Anlagen z.B. mit dem Fässerpichen verbundenen Rauches und Geruches auch dann verbieten, wenn der Betrieb dieser Anlagen behördlich erlaubt ist. Beispielsweise seien erwähnt: § 368 Nr. 6 StGB Art. 45, 96 des Forstgesetzes (Anzünden von Feuer an gefährlichen Stellen in Wäldern, Heiden oder in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen), Art. 40 Abs. 1 Landesstraf- u. VO-Gesetz v o m 17. 11. 56 ( = L S t V G ) in Verb. m. § 368 Ziffer 7 StGB (das Schließen und Abbrennen v o n Feuerwerkskörpern an bewohnten oder von Menschen besuchten Orten ohne distriktspolizeiliche Genehmigung), Art. 44 L S t V G in Verb. m. § 368 Nr. 8 S G B (Verwendung von Feuer und offenem Licht in Gebäuden oder in deren Nähe. Lagerung und Verwendung brandgefährlicher Stoffe, sowie der Betrieb brandgefährlicher Anlagen 147 ). 144) R G Z 64, 365; 105, 2 1 7 ; R G R K o m . Bern. 8; Staudinger-Seufert R a n d b . 4 2 ; Planck-Strecker Bern j b je z u § 906; Biermann A n m . z u § 906; M a e n n e r 1 6 3 ; J W 1901, 640 ( R G ) ; 1902 Beil. 202 ( R G ) ; R e c h t 1904, 282 N r . 1280 ( R G ) M 1909 N r . 3 1 3 3 ; J W 1 9 1 1 , 326; R G 57, 224. A . M . O r t l o f f , Nachbarrecht 246f.; L e o n h a r d , B e w e i s l a s t 41, w e i l das G e s e t z f ü r den Regelfall das Verbietungsrecht ausschließe u n d d e n A n s p r u c h n u r ausnahmsweise gewähre. 1 4 5 ) R G K Bern. 13 z u § 906; J W 1910, 654; Recht 1 9 1 1 N r . 507; J W . 1 9 1 1 , 326 ( R G ) ; R G W a r n . 1930 N r . 1 9 4 ; J W 1932, 400; Staudinger-Seufert R a n d b . 4 2 z u § 906. V g l . a u c h B G H i n N J W 1955, 19, w o n a c h auch f ü r A n s p r ü c h e aus der Z e i t v o r E r h e b u n g d e r K l a g e A n s p r ü c h e auf Schadensersatz geltend g e m a c h t w e r d e n k ö n n e n u n d z w a r o h n e den N a c h w e i s eines Verschuldens. 1 4 6 ) V g l . o b e n S. 148 u. 155. A n d e r s bei g e w e r b l i c h e n A n l a g e n , die nach § 26 G e w O behördlich g e n e h m i g t sind. V g l . dazu unten § 39 u n d Meisner in B a y Z 23, 5. 1 4 7 ) V g l . V G H 19, 1 1 3 , w o n a c h Faßpichereien nicht unter die nach § § 16, 26 genehm i g u n g s p f l i c h t i g e n A n l a g e n fielen. I n w i e w e i t das jetzt n o c h zutrifft, dürfte in j e d e m einz e l n e n Fall auf G r u n d der V O v o m 4. 8. 60 ( B G B l . I , 690) z u § 16 G e w O idF. v o m 2. 12. 59 ( B G B l . I, 781) z u p r ü f e n sein.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

I

§ 15*). Verbotene Anlagen1)

I. A l l g e m e i n e s Es gibt eine Menge von Anlagen, bei deren Errichtung sich der Eigentümer zwar streng innerhalb der Grenzen seines Eigentums hält, welche indessen im Laufe der Zeit entweder selbsttätig wirkend oder infolge ihrer zweckentsprechenden oder zweckwidrigen Benützung zu unzulässigen Einwirkungen führen2). Durch § 907 wird der Anspruch gewährt, solche Anlagen auf einem Nachbargrundstück zu verbieten, die auf das andere Grundstück schädigend einwirken. Der die betreffende Anlage errichtende Grundeigentümer wird durch § 907 in seinem Eigentumsrecht beschränkt. Sondervorschriften, welche von der besonderen Natur der einzelnen Anlagen ausgehend, die Einhaltung von Abständen gebieten und Vorsichtsmaßregeln auferlegen, hat man im Bürgerlichen Gesetzbuche3) mit Rücksicht auf die lokale Verschiedenheit der Anschauungen nicht für angezeigt erachtet. Dies wurde durch den Vorbehalt des Art. 124 des E G der Landesgesetzgebung überlassen. Bayern hat übrigens von diesem Vorbehalt rücksichtlich der in § 907 B G B in Betracht kommenden Anlagen keinen Gebrauch gemacht. P r i v a t r e c h t l i c h e Vorschriften über den A b s t a n d § 15*). Schrifttum: Werneberg, Grundeigentum 1928; Meisner-Stern-Hodes § 1 7 ; Cstloff, ArchBürgR 26, 3 2 7 f r . 1 ) Das allgemeine Prinzip von der Abgrenzung der im Eigentum liegenden Machtverhältnisse der Grundstückseigentümer beruht auf dem Grundsatze, daß jeder auf seinem Grund und Boden unbeschränkt ist, daß er jedoch bei Ausübung seiner Befugnisse nicht hinübergreifen darf in die Eigentumssphäre des Nachbarn. Solange daher eine von dem Eigentümer auf seinem Grundstück getroffene Einrichtung noch keine Einwirkung auf das Nachbargrundstück gezeitigt hat, hat der Eigentümer des letzteren kein Recht, gegen den anderen einen Anspruch zu erheben, auch wenn mit Sicherheit oder doch Wahrscheinlichkeit in Zukunft unzulässige Einwirkungen von Seiten der Nachbareinrichtungen hervortreten werden. Dieses allgemeine Prinzip wird aus wohlerwogenen Zweckmäßigkeitsgründen vom B G B durchbrochen. Es wäre unbillig, dem Nachbar unter allen Umständen die Geltendmachung eines Anspruches zu versagen, bis tatsächlich die unzulässige Einwirkung erfolgt und somit der Schaden eintritt. Die Vorschriften, welche dem Schutze des Eigentums bei bloßer Gefährdung desselben, also vor der tatsächlich erfolgten Einwirkung, dienen, sind in den §§ 907—909 B G B normiert (§§ 15—17 dieser Abhandlung). 2 ) M 3, 293 (Mugdan 3, 162). 3 ) Bei einer örtlichen Statutenkollision entscheidet über das Erfordernis des Grenzabstandes von Anlagen an sich das Recht desjenigen Gebietes, auf welchem sich die betreffende Anlage befindet. Müßte jedoch nach diesem Rechte ein Abstand eingehalten werden, nach dem Rechte des daran angrenzenden Grundstückes aber nicht oder nur in geringerem Maße, so ist nur diese Vorschrift zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: bei Grundstücken, welche durch die Grenze verschiedener Rechtsgebiete geschieden sind, braucht für beide Grundstücke nur diejenige Rechtsvorschrift eingehalten zu werden,, welche das Halten der Anla gen weniger erschwert. Vgl. Endemann 476 Anm. 60.

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Verbotene Anlagen

§ 1 5 i

solcher Anlagen sind, abgesehen von den Bestimmungen über den Abstand von Fenstern (Art. 60—-66 AG), in Bayern nicht in Geltung. D i e f r ü h e r e n partikularrechtlichen Normen haben auch für die Anlagen, die vor dem 1. 1. 1900 errichtet wurden, keine G e l t u n g mehr; so z.B. die Vorschriften des Preußischen-, Münchener-, Nürnberger-, Mainzer-, Augsburger-, Regensburger-, Ulmer- und Memminger-Rechtes über den Abstand für Abtritte; des Preußischen-, Münchener-, Memminger-, Augsburgerund Regensburger-Rechtes für Mistgruben; des Preußischen Landrechtes und Augsburger-Rechtes für Brunnen4). Dagegen sind die Vorschriften ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e r Natur, welche sich auf den Abstand von Anlagen von der Grenze beziehen, durch das Bürgerliche Gesetzbuch nicht berührt worden und haben daher fortlaufende Geltung6). Hierbei ist aber zu beachten, daß die Nichteinhaltung derartiger Verwaltungsvorschriften dem hiervon benachteiligten Nachbar keine Berechtigung zur Erhebung des negatorischen Anspruchs auf Einhaltung dieses Abstandes6), sondern nur Veranlassung zur Erhebung der Anfechtungsklage gegen einen im Widerspruchsverfahren erlassenen Bescheid der Regierung auf Grund der § § 40, 70 und 74 VerwGerO vom 20. 1. 60 (BGBl. I 17) geben kann. Ein privatrechtlicher Anspruch auf Einhaltung der durch Verwaltungsvorschriften normierten Grenzabstände besteht nicht.7) 4

) Vgl. Roth, Bayer. Zivilrecht 2 § 125 Anm. 17fr. ) Prot. 3, 159. ) J W 1908. 142 Nr. 12 (RG); vgl. Schade, ArchÖffR 25, 286; Recht 1910 Nr. 1385 (Hamburg). Vgl. aber O V G Münster in BB1. 58, 630 (Der Bauwich [ = Bauabstand] hat auch nachbarschützenden Charakter; V G Hessen in BB1. 58, 630 gibt den Bewohnern eines Baugebiets eine geschützte Rechtsposition gegen Ausnahmegenehmigungen von Seite der Baubehörde. 7 ) Durch Art. 73 PStGB, der gem. Art. 76 Ziff. 5 des Landesstraf- u. VO-Ges. vom 17. 1 1 . 1956 (GVB1. 261) mit Wirkung vom 1. 1. 1961 ersetzt wird, durch die auf Grund des Art. 13 dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften, in Verbindung mit § 52 der Bauordnung i d F . der V O vom 14. 1 1 . 1954 (GVB1. 310) sind Anordnungen über Anlage, Einrichtung oder Abänderung von A b t r i t t e n , D u n g - und V e r s i t z g r u b e n in Wohngebäuden oder in unmittelbarer Nähe von Wohnungen, Brunnen oder Brunnenquellen der zuständigen Behörde, i d R . dem Landrat, vorbehalten. Daher können auch für einen einzelnen Amtsbezirk Vorschriften über den Grenzabstand der Abtritte, Dung- und Versitzgruben rechtswirksam gegeben werden. Dung- und Versitzgruben müssen gemäß § 5 2 Abs. 2 der Bauordnung unter allen Umständen mindestens 1 m von den Umfassungsmauern bewohnter Gebäude entfernt sein. Zuwiderhandeln begründet Schadenersatzpflicht (§ 823 Abs. 2). Für Anlieger von öffentlichen Straßen und Wegen bestehen nun Anbauverbote und zwar bei Staatsstraßen auf 20 m, bei Kreisstraßen auf 1 5 m und bei Gemeindewegen auf 10 m Entfernung gem. Art. 23 ff. BayStrWGes. Außerdem enthalten Art. 29fr. dieses Ges. Maßnahmen zum Schutze des Verkehrs (Sichtverhältnisse), insbesondere das Recht zur Beseitigung von Anpflanzungen und Zäunen gegen „angemessene Entschädigung". Gegen die Errichtung genehmigungspflichtiger gewerblicher Anlagen können im Verwaltungswege Einwendungen ( § 1 7 Abs. 2 GewO) und eventl. Widerspruch und An5

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III

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

II. V o r a u s s e t z u n g e n u n d B e g r i f f i. Bei Anlagen, welche ihre Wirkung allmählich und unter kaum merklichen Fortschritten auf das Nachbargebiet erstrecken, wird die Lage beider Teile verschlimmert, wenn erst das Vorliegen einer grenzüberschreitenden Beeinträchtigung abgewartet werden muß, da die Erlangung des früheren Zustandes für den Beeinträchtigten erschwert und die Wiederherstellung für den anderen Teil mit großer Mühe und Kosten verbunden ist8). Aus diesem Grunde rechtfertigt sich ein grundsätzliches und allgemeines Präventivverbot, welches die von der Anlage ausgehenden Wirkungen, bevor sie die Grenzen überschreiten und fremdes Recht verletzen, zu verhüten sucht. Demgemäß wird auch durch § 907 B G B dem Eigentümer eines Grundstückes die Befugnis verliehen, zu verlangen, daß auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß ihr Bestand oder ihre Benützung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Dieser Anspruch ist durch § 924 B G B der Verjährung entzogen. Das Wesentliche bei § 907 ist somit, daß zur Begründung des Beseitigungsanspruches noch keine unzulässigen Einwirkungen auf das Nachbargrundstück stattgefunden zu haben brauchen9). § 907 setzt n i c h t voraus 10 ), daß die beiden in Betracht kommenden Grundstücke unmittelbar aneinander angrenzen11). Unter Nachbargrundstück ist jedes im Einwirkungsbereich der betreffenden Anlage befindliche Grundstück zu verstehen. Führt ein Gemeindeweg zwischen zwei gleich hochgelegenen Grundstücken hindurch und wird unter Aufschüttung des Gemeindewegs eine Zufahrt zu dem höher gelegenen Grundstück hergestellt, so daß die Benützer des Gemeindewegs die Aufschüttung umfahren und dabei Gefahr laufen, nach der Seite des tieferliegenden Grundstücks abzugleiten, so ist mit Sicherheit zu erwarten, daß das tiefer liegende Grundstück im Laufe der Zeit beschädigt wird. Der Hersteller der Auffahrt und die sie duldende Gemeinde können aus § 907 in Anspruch genommen werden. fechtungsklage gem. §§ 40, 70 u. 74 VerwGerG vom 12. 1. i960 (BGBl. I 17) erhoben werden. In diesem Verwaltungsverfahren sind auch die nachbarrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen. Dem Zivilrichter wird durch die Entscheidung der Verwaltungsbehörde selbstverständlich nicht vorgegriffen. Dagegen übt § 26 GewO einen Einfluß auf die Art des zustehenden Anspruches aus (s. unten § 39). 8 ) M. 3, 294 (Mugdan 3, 163). 9 ) R G 50, 299. Vgl. auch O L G München in N J W 54, 513 (Erweiterung einer Tankstelle durch Errichtung einer Hebebühne und eines Waschplatzes); Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 907; Meisner-Stern-Hodes § 17, F N 5. (Der vorbeugende Abwehranspruch kann geltend gemacht werden, wenn der Wille zur Errichtung der Anlage ernsthaft, etwa durch Einreichung eines Planes, kundgegeben worden ist.) 10 ) OLG 18, 126. n ) Ebenso Dernburg 290 Anm. 2; Plattner, PrVerwBl. 22, 543; Gruchot 54, 1 0 1 1 ; 66,478; vgl. R G j o , 3 2 2 ; 167,20; BayZt. 1922,203; J W 1 9 2 3 , 288; RGRKomm. Bern. 3a; Staudinger-Seufert Randb. 5 je zu § 907.

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Verbotene Anlagen

§ 1 5 II 2

2. B e g r i f f . Unter Anlage 12 ) ist ein Werk von gewisser Selbständigkeit und Beständigkeit13), ein Bau oder ein Bauteil u. dgl. zu verstehen. Nicht erforderlich ist, daß das betreffende Werk Bestandteil des Grundstücks ist, wenn nur eine auf die Dauer berechnete Verbindung der Sache mit Grund und Boden vorhanden ist. Bewegliche Sachen werden regelmäßig14) nicht als Anlagen im Sinne des § 907 zu betrachten sein. Wenn aber nach den Umständen anzunehmen ist, daß der Gegenstand f ü r die D a u e r aufgestellt ist und wenn ihm eine gewisse wirtschaftliche Selbständigkeit beizumessen ist, kann der Begriff der Anlage gegeben sein. Man denke z. B. an Bienenkörbe, die nicht in einem festen Bienenhaus, sondern einzeln standfest (etwa auf Pflöcken) für die Dauer aufgestellt sind. Fahrbare Bienenstöcke oder sonst nur vorübergehend in einer Gegend mit gerade guter Honigausbeute aufgestellte Bienenkörbe bilden keine Anlage i. S. des § 907.16) Eine bloße räumliche Veränderung, wie Erhöhung oder Tieferlegung eines Grundstückes, z.B. die bloße erhöhende Aufschüttung einer Straße oder deren Tieferlegung, mag auch dadurch der Zugang zu dem Nachbargrundstück erschwert oder demselben die Aussicht oder das Licht beeinträchtigt werden16), ist keine Anlage im Sinne des § 907. Dagegen ist der 12 ) Hörle, VerwArch. 10, 393 führt beispielsweise als Anlage im Sinne des § 907 auf: Dunggruben, Schlammgruben, Schmutzkanäle, Aborte, Brunnen, Gräben, Teiche, Häuteoder Knochenlager, Schweineställe, Fisch- und Geflügelschlächtereien, Schmieden, Backöfen, Rauchfänge, Heizungs- und Feuerungsanlagen, Brauereien, Wollwäschereien, Anstalten zur Bereitung künstlicher Mineralwässer, Salzmagazine, Gruben mit ätzenden Flüssigkeiten, sowie der Genehmigungspflicht nicht unterworfene Rauchwarenzubereitungsanstalten, Färbereien, Feldziegelöfen, Feldbrände, elektrische Leitungen. Als Anlage kommen auch solche Werke in Betracht, die auf Grund ihrer Beschaffenheit von sich aus ohne menschliche Mitwirkung eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes herbeiführen (vgl. R G WarnR 1910 Nr. 336). 15 ) J W 1912. 752 (RG); R G 51, 253; Gauch 46, 652. 14 ) Vgl. J W 1912, 752; R G 51, 253; Gruchot 46, 652. 16 ) Kuhlenbeck im Recht 1904, 309. Vgl. auch Staudinger-Seufert Randb. 8 zu § 907. 16 ) Über die Rechtsverhältnisse des S t r a ß e n a n l i e g e r s und seine evtl. Ersatzansprüche bei Nachteilen, die ihm infolge Veränderungen, z.B. höher oder niedriger Lagen des Straßenkörpers erwachsen, waren die Ansichten verschieden je nach dem Rechtsgebiet, dem die betreffende öffentliche Straße angehörte. Das Reichsgericht hat für den Bereich des P r A L R (vgl. R G Z 44, 284; 56, 110) sowie für das Rhein.-französ. Recht (vgl. R G Z 10, 2 7 1 ; J W 1900, 35) den servitutarischen Charakter des Rechtsverhältnisses und damit den Sonderrechtsanspruch des Straßenanliegers anerkannt. Diese Rechtsauffassung hat das Reichsgericht schließlich auch (unter Aufgabe seiner ursprünglichen Ansicht in R G 145, 1 1 1 ) auf das Gemeine Recht ausgedehnt. Zur Begründung dieser Auffassung führt das R G (im Ansch.uß an Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht S. 1 3 1 ff. und an Gierke SR 28 Anm. 36) insbesondere aus, daß jedem, der im allgemeinen Interesse ein Vermögensopfer bringen müsse, nach den allgemein geltenden Grundsätzen des Aufopferungsrechts — §§ 74 u. 75 Einl. z. PrALR — ein Anspruch auf billige Entschädigung gegen die Gemeinschaft zustehe. Durch diese für das ganze Reichsgebiet anerkannte Rechtsprechung wurde auch die bis dahin geltende Ansicht des BayObLG

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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§ A« II 2

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Ausbau einer Straße dann als Anlage im Sinne des § 907 zu erachten, wenn dabei Wassergräben und Kanäle angelegt sind, welche dem Nachbargrundstück unzulässige Einwirkungen zuführen 17 ), oder wenn dabei die Straße nicht höher gelegt wird, sondern vor dem angrenzenden Hause ein lichter Raum hergestellt, eine Futtermauer errichtet und der Wasserlauf verändert wird 18 ), oder wenn infolge der Erhöhung die anliegenden Häuser durch Ansammlung von Sickerwasser Schaden (Ersatzpflicht nach § 367 Ziff. 14 StGB, § 823 Abs. 2 G B G ) erleiden19). Desgleichen Schlamm und -Sandmassen, die beim Bau eines Kanals aufgeschüttet worden sind20). Ein Bienenkorb 21 ) unmittelbar an der Grenze kann als Anlage im Sinne des § 907 angesprochen werden, desgleichen ein Taubenschlag. Auch eine in einem öffentlichen Flusse errichtete Stauanlage, durch welche das Grundstück eines Anliegers beeinträchtigt wird, gehört hierher22). (vgl. JMB1. 1880, 7), die jeden Ersatzanspruch des Straßenanliegers wegen Veränderungen an der Straße abgelehnt hatte, überholt. Daraufhin hat sich allgemein die Rechtsauffassung durchgesetzt, daß dem Anlieger an einer öffentlichen Straße ein Rechtsanspruch auf Erhaltung des Zugangs und der Zufahrt von und zur Straße sowie auf Erhaltung des Zutritts von Licht und Luft zu seinen Gebäuden zustehe und daß jede erhebliche Beeinträchtigung dieser Rechte durch nachträgliche Veränderungen an der Straße einen Entschädigungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung nach dem allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 74, 75 EinlPrALR auslöse (vgl. R G Z 156, 509; Gruch 66, 597; J W 25, 2446). Ein solcher Entschädigungsanspruch wurde jedoch verneint, wenn lediglich „tatsächliche Vorteile" entzogen wurden, auf deren Fortbestand der Straßenanlieger kein Anrecht habe (vgl. hierüber R G Z 1 6 1 , 364). Insbesondere wurde dem Anlieget ein Anspruch auf den Fortbestand von Vorteilen versagt, die sich etwa aus einer bestimmten Wohn- oder Verkehrslage auf Grund von Bebauungsplänen ergeben können (vgl. B G H vom 4. 2 . 1 9 5 7 — I I I Z R 1 8 1 / 5 5). Von dem Aufopferungs-Entschädigungsanspruch zu unterscheiden ist der Anspruch auf Schadloshaltung für Nachteile von Seite gewerberechtlich genehmigter Unternehmungen ( § 2 6 GewO). Diese durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind im wesentlichen durch Art. 17 BayStrWG vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147) aufrecht erhalten und gesetzlich ausdrücklich geregelt worden, jedoch insofern eingeengt, als dem Anlieger an einer öffentlichen Straße ein Rechtsanspruch darauf ausdrücklich versagt wird, daß die betreffende Straße nicht (durch Höher- oder Tieferlegung oder sonstwie) verändert oder überhaupt eingezogen werde. S. darüber unten § 29, II. " ) Recht 1906, 1197 Nr. 2848 (Frankfurt). 18 ) O L G 18, 126; Recht 1915 Nr. 539. 19 ) Warney er 1915 Nr. 51. 2 °) R G 60, 138; J W 1905, 201 Nr. 5. 21 ) S. oben Anm. 15. 22 ) Recht 1908, 268 Nr. 1563 (RG); J W 1908, 301 (RG). Anders für einen Teich, der nach landesgesetzlichem Wasserrecht zu beurteilen ist. J W 1912, 392; J W 1936, 804 (Ein wasserrechtlich genehmigtes Triebwerk unterliegt nur den Bestimmungen des W G in Verb. m. W H G vom 27. 7. 1957 u. 29. 2. 1959 (BGBl. I, 37). Auch Veränderungen der Grundwasserverhältnisse (vgl. R G 155, 154) sind nunmehr nach dem W G in Verb. m. W H G §§ 33ff. zu beurteilen). Ein k ü n s t l i c h e r Teich dagegen kann als Anlage gelten (Froschgequacke WarnE 3 Nr. 336).

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Verbotene Anlagen

§15 II 3

Nur Anlagen, welche eine Einwirkung auf das Nachbargrundstück ausüben, können unter § 907 fallen, nicht dagegen solche Anlagen, die sich streng auf der Grundfläche ihres Eigentümers halten und nicht in das Gebiet des anderen Grundstückes hinübergreifen, wenn sie dieses auch vielleicht durch Entziehung von Licht, Luft, Aussicht oder Bequemlichkeiten beeinträchtigen23); deshalb gehört eine Bretterwand nicht zu den Anlagen im Sinne des § 90724), noch weniger Fenster, für welche überhaupt die landesrechtlichen Vorschriften gelten26), dagegen sind Türen, welche bestimmungsgemäß nur den Zweck haben können, den Übertritt von einem Anwesen auf ein Nachbargrundstück zu ermöglichen, Anlagen im Sinne des § 90726), desgleichen der Straßenanschluß, durch welchen jemand eine aus seinem Grundstück angelegte Straße in den Weg eines anderen einmünden läßt27). Ein unmittelbar vor dem Fenster des Nachbars aufgestellter Kandelaber ist keine unzulässige Anlage, wenn auch hierdurch die Gefahr des Einsteigens in das Nachbarhaus begründet wird. Denn der Eigentümer ist nach § 903 befugt, den Kandelaber aufzustellen, er übt damit keine Einwirkung auf das Nachbargrundstück. 3. Man kann bei den Anlagen im Sinne des § 907 solche unterscheiden28), welche selbsttätig ohne Hinzutreten einer weiteren menschlichen Tätigkeit wirken (wie Gräben und Kanäle, welche übelriechendes Wasser enthalten29), oder Aufenthalt für schädliche Tiere bieten30), Dung- und Versitzgruben)31) und solche Anlagen, welche nur, wenn sie in Funktion gesetzt werden, einwirken (z.B. Backöfen, Rauchfänge, Viehställe32), Aufschüttungen von Erd- und Sandmassen33), Stauvorrichtung34) und gewerbliche Anlagen)36). In beiden Fällen kommen nur Anlagen mit solchen E i n w i r k u n gen in Betracht, die durch s i n n l i c h e Wahrnehmungen vermittelt werden, nicht dagegen mit bloßen Einwirkungen auf das Gefühlsleben; es fallen 23

) R G 5 1 , 2 5 3 ; 9 8 , 1 7 ; Recht 1908 N r . 5 3 1 ; J W 1 9 0 8 , 1 4 2 ( R G ) ; vgl. oben Einleitung. ) Recht 1906 N r . 2847 (Frankfurt); R G 98, 1 7 . ) Neumann, Jahrb. 5, 399 ( L G Mainz). 26 ) V g l . O G H 8, 284. D e r Nachbar, auf dessen Eigentum der durch die T ü r e vermittelte A u s g a n g führt, braucht sich nicht damit zu begnügen, daß die Türe verschlossen gehalten wird, er kann Beseitigung, zum mindesten aber eine solche Einrichtung der Türe verlangen, daß sie nicht mehr geöffnet werden k a n n . 27 ) O L G 2, 345 (Marienwerder). 28 ) M . 3, 294 (Mugdan 3, 163). 29 ) R G 5 1 , 254. 3 ») J W 1 9 1 0 , 654. » ) O L G 4, 59. 32 ) R G 5 1 , 254. 3S ) R G 60, 140. M ) J W 1908, 301. Turnau-Förster A n m . 1 zu § 907. V g l . O L G 2, 3 4 5 ; J W 1 9 0 1 , 52. 24

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

also Anlagen, von denen lediglich sog. i d e e l l e oder immaterielle Immissionen (Erregung von Furcht, Grausen, Scham) ausgehen, nicht unter § 9°7 (vgl. bezüglich der Anlagen mit Explosionsgefahr [Pulvermagazin], bezüglich der Leichenhäuser und Bordelle s. unten § 38 I), wie überhaupt Anlagen, welche das Nachbargrundstück in anderer Weise als durch s t o f f l i c h e s Hinüberwirken, wie z.B. durch Werfen von Schatten oder Behinderung des Luftzutrittes beeinträchtigen, nicht unter § 907 fallen 36 ). Die Höher- oder Tieferlegung einer Straße fällt nur dann unter § 907, wenn sie direkt auf das Eigentum einwirkt. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn durch die Änderung der Straße Licht und Aussicht oder der Zugang zu der Straße genommen wird 37 ), wohl aber z.B. dann, wenn der Wasserlauf in schädlicher Weise geändert wird 38 ), was übrigens nunmehr besonderer Erlaubnis oder Bewilligung nach §§ 2, 3 Abs. 2 W H G vom 27. 7. 57 (BGB1.I 1110) idF. vom 29. 2. 59 (BGBl. I 37) bedarf und daher idR. nach öffentlichem Recht (vgl. auch Art. 62 Bay. WG-Entwurf, Landtg.-Drucks. 1958/59 Nr. 380 und 1062) unzulässig ist. Nicht zu den Anlagen im Sinne des § 907 B G B gehören B ä u m e und S t r ä u c h e r , die durch Abs. 2 des § 907 B G B ausdrücklich ausgenommen sind. Für diese ist § 910 B G B sowie Art. 71 ff A G maßgebend 39 ). Dagegen fällt es unter § 907 B G B , wenn jemand ein Haus mit so schlechter Fundamentierung baut, daß sich die dem Nachbar zugekehrten Wände notwendig über dessen Grundstücke neigen müssen 40 ). 4. Voraussetzung für die Anwendung des § 907 B G B ist der Nachweis, daß die Anlage von selbst oder bei ihrer Benützung unzulässige Einwirkungen zur n o t w e n d i g e n , wenn auch nur allmählich hervortretenden Folge hat. Die auf die bloße M ö g l i c h k e i t , ja selbst Wahrscheinlichkeit, sich gründende Besorgnis derartiger Einwirkungen genügt nicht 41 ). So kann man beispielsweise nicht mit Sicherheit voraussehen, daß in einer 36

) BayZ 1908, 123 (RG); R G 155, 1 5 7 ; J W 1914, 196. ) R G 51, 253; O L G 18, 126; vgl. aber Art. 17 BayStrWG vom 1 1 . 7. 1958, wonach das Recht des Straßenanliegers eingeengt wird, s. darüber unten § 29 II a. E . 38 ) O L G 18, 126. 39 ) S. unten §§ 18 und 19. 40 ) Cosack 2, 153, Vgl. hierzu unten § 16. 41 ) M 3, 295 (Mugdan 3, 163); J W 1902 Beil. 203 (RG); Recht 1904, 282 Nr. 1281 (RG); Recht 1907 Nr. 1 1 5 7 ; J W 1910, 20; SeuffA 65 Nr. 212 (RG). E s genügt also nicht der Beweis, daß, w e n n auf dem Nachbargrundstück Feuer entstehen sollte, mit Sicherheit die Flammen in das Grundstück des Klägers hinüberwirken würden, sondern es muß auch nachgewiesen werden, daß das Feuer mit Sicherheit vorauszusehen sei ( R G 50, 226). Aus dem gleichen Grunde sind bei einem ordnungsgemäß angelegten Rohrnetz einer Gas- oder Wasserleitung die Voraussetzungen des § 907 nicht gegeben. Der Unternehmer haftet für den durch Rohrbruch entstandenen Schaden nur im Falle seines Verschuldens (RG 63, 374). 37

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§ 1 5

Verbotene Anlagen

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Sprengstoffabrik früher oder später Explosionen eintreten werden ). Andererseits ist eine mathematische Sicherheit nicht erforderlich; es genügt, wenn nach den Lebenserfahrungen ein ernsthafter Zweifel darüber, daß das Ereignis früher oder später einmal eintreten muß, nicht bestehen kann43). Wer den Anspruch aus § 907 geltend macht, z.B. eine Pensionsinhaberin wegen der Errichtung einer Freibadeanstalt unmittelbar in der Nähe ihrer Pension, hat zu beweisen, daß von der beanstandeten Anlage mit Sicherheit unzulässige Einwirkungen ausgehen. Dieser Beweispflicht wird nicht schon dadurch genügt, daß dargetan wird, es seien mit Sicherheit Einwirkungen überhaupt zu erwarten. Es ist nicht Sache des Erbauers der Anlage zu beweisen, daß die Einwirkungen nach Maßgabe der Ausnahmevorschriften, insbesondere nach § 906, vom Eigentümer geduldet werden müßten, also nicht unzulässig seien432).

Wenn nach den besonderen Umständen die Gefahr so sehr gesteigert ist, daß man mit einer der Gewißheit gleichkommenden Wahrscheinlichkeit den Eintritt von unzulässigen Einwirkungen voraussehen konnte, dann sind diese Einwirkungen im Sinne des § 907 mit Sicherheit vorauszusehen. Es ist also zur Anwendung des § 907 nicht erforderlich, daß der Eintritt der schädigenden Einwirkung mit unbedingter Gewißheit, wie ein auf Grund von Naturgesetzen notwendig eintretendes Ereignis vorausgesetzt werden kann. Vielmehr muß mit Rücksicht auf die Beschränktheit der menschlichen Erkenntnis und des Voraussetzungsvermögens, wie in anderen Fällen (z.B. bei Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs) so auch hier derjenige höchste Grad von Wahrscheinlichkeit genügen, auf Grund dessen nach der Lebenserfahrung im gewöhnlichen Laufe der Dinge von einer, wenn auch nur relativen Sicherheit des früheren oder späteren Eintritts der Einwirkung besprochen werden kann. Von einer Anlage ist eine unzulässige Einwirkung nur dann mit Sicherheit zu erwarten, wenn sie die Folge einer o r d n u n g s m ä ß i g e n B e n ü t z u n g der Anlage ist44). Denn andernfalls kann ja die Benützung so gestaltet werden, daß unzulässige Störungen vermieden werden46). Wenn aber der Bestand der Anlage selbst ein ordnungswidriger ist, läßt sich derselbe Grundsatz nicht aufstellen. Ist eine dicht an der Grenze befindliche Dunggrube nicht zementiert, dann kann auf Beseitigung geklagt werden. Dagegen kann nicht auf Beseitigung geklagt werden, wenn die Dunggrube 42

) S. darüber unten § 43 III 2. ) Vgl. Gruchot 59, 476; JW 1923, 289; SeuffA 78 Nr. 83; Gruch 66, 476; R G Z 134, 255; vgl. auch RGRKomm. Bern. 5; Staudinger-Seufert Randb. 12a zu § 907; Oldenburg 1958, 1096. 43a ) Vgl. BGH u. BB 5 5, 301; ZU Nr. 8 zu § 5 59 ZPO; Staudinger-Seufert Randb. 32; RGRKomm. Bern. 4 zu § 907. 44 ) OLG 4, 60; Maenner 164 Anm. 38. 45 ) JW 1902 Beil. 187 (RG). Hier kann der Anspruch auf Unterlassung (§ 1004) in Frage kommen. 43

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§ A III

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zementiert ist und nur der Zementverputz schadhaft ist; denn in diesem Falle liegt nur eine mangelhafte Unterhaltung desjenigen Zustandes vor, der an sich geeignet wäre, die Einwirkung auszuschließen46). Die zu gewärtigende Einwirkung muß eine unzulässige, d.h. eine solche sein, durch welche das Recht des Eigentümers im Sinne der §§ 903, 905, 906 B G B verletzt würde 47 ). III. A n s p r u c h a u f U n t e r l a s s u n g e i n e r g e p l a n t e n u n d B e s e i t i g u n g einer bestehenden A n l a g e

auf

Während nun nach § 1004 B G B der Eigentümer gegenüber einer solchen Anlage erst vorgehen könnte, wenn bereits eine der nach §§ 903, 905, 906 B G B unzulässigen Einwirkungen auf sein Grundstück eingetreten wäre, und auch unter dieser Voraussetzung das Recht hätte, Beseitigung der Einwirkung zu verlangen und gegebenenfalls auf Unterlassung weiterer Einwirkungen zu klagen, gibt § 907 B G B dem Eigentümer das Recht, zu verlangen, daß auf den Nachbargrundstücken Anlagen der bezeichneten Art überhaupt gar nicht hergestellt oder gehalten werden. Vermöge dieses Anspruchs kann der Eigentümer sowohl die Herstellung solcher Anlagen verhindern, als auch ihre Beseitigung herbeiführen48). Durch § 907 wird der Inhalt des Eigentums für den einen erweitert und demgemäß für den andern beschränkt. Durch die Schaffung eines Zustandes, der dem durch § 907 erweiterten Inhalt des Eigentums zuwiderläuft, wird das Eigentum beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung wird mit dem Anspruch aus § 1004 abgewehrt 49 ). Der Anspruch a u f B e s e i t i g u n g setzt nicht voraus, daß der Nachbar der Anlage widersprochen hat. Handelt es sich um gewerbliche Anlagen, welche nach § 16 der Gewerbeordnung einer gewerberechtlichen Genehmigung bedürfen, so können die Einwendungen aus §§ 906, 907 B G B in dem der Genehmigung vorausgehenden Verwaltungsverfahren geltend gemacht werden ( § 1 7 Gewerbeordnung). Dagegen besteht kein Klagerecht, durch welches die Errichtung einer solchen gewerblichen Anlage verhindert 46)

Vgl. O L G 4, 60; Maenner 164 Anm. 58; R G Z 63, 379; JW 1912, 752. KommProt. 3603 (Mugdan 3, 602). 48) Denkschrift 123 (Mugdan 3, 972); JW 1900, 640 (Beseitigung einer öffentlichen Bedürfnisanstalt). 49) Ein Schadenersatzanspruch ist nur begründet, wenn dessen besondere Voraussetzungen (§ 823 BGB) erfüllt sind. § 907 ist Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB. Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 3; RGRKomm. Bern. 1 je zu§907- R G Z 145,107. In den Fällen, in denen kraft Gesetzes der Anspruch auf Beseitigung einer genehmigten Anlage ausgeschlossen ist (z. B. nach § 26 GewO), besteht ein Anspruch auf Schadenersatz auch dann, wenn kein Verschulden vorliegt. 47 )

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oder die Beseitigung der g e n e h m i g t e n Anlage verlangt werden könnte ). Ist die Anlage ohne Genehmigung errichtet, so kann unter den Voraussetzungen des § 907 auf Beseitigung geklagt werden. Der Anspruch geht auf U n t e r l a s s u n g der Herstellung oder auf B e s e i t i g u n g der Anlage. Ist der Zustand beseitigt, durch welchen die Unzulässigkeit der Anlage begründet wurde, so ist der Beseitigungsanspruch erfüllt 51 ). Mit bloßer Unterlassung der Benützung, durch welche allein die unzulässige Einwirkung herbeigeführt wird, braucht sich der Nachbar nicht zu begnügen52). Wenn freilich der Nachbar Einrichtungen an der Anlage getroffen hat, welche für die Zukunft die unzulässige Einwirkung auf das Nachbargrundstück ausschließen, dann muß sich der Nachbar hiermit zufrieden geben. Er kann aber, insolange dies nicht geschehen ist, Klage auf Beseitigung der ganzen Anlage erheben und ist nicht etwa darauf beschränkt, die Klage lediglich auf Herstellung solcher Einrichtungen zu stellen. Trifft der Eigentümer der Anlage solche Einrichtungen vor Erhebung der Klage, so ist dadurch der Anspruch auf Beseitigung der Anlage entzogen. Der Kläger, welcher die Klage auf Beseitigung stellt, muß beweisen, daß die Anlage mit Sicherheit unzulässige 5 3 ) Einwirkungen erwarten läßt. War dies im Zeitpunkt der Klageerhebung der Fall und hat der Beklagte erst nach Erhebung der Klage diejenigen Einrichtungen getroffen, welche unzulässige Einwirkungen ausschließen, so kann eine Verurteilung zur Beseitigung nicht mehr eintreten. Der Beklagte muß aber in diesem Falle beweisen, daß tatsächlich infolge der nach der Klageerhebung getroffenen Einrichtungen bei ordnungsgemäßer Benützung unzulässige Einwirkungen ausgeschlossen sind. Erst wenn der Beklagte diesen Beweis erbracht hat, braucht der Kläger von seiner ursprünglich begründeten Klage auf Beseitigung abzugehen und wenn er dies sofort tut, fallen dem Beklagten die sämtlichen Kosten zur Last. War aber zur Zeit der Klage50

) S. unten § 59. ) Vgl. BayZ 1909, 375 R G . Um jeden Zweifel hierüber auszuschließen, hat das R G den Urteilssatz wie folgt gefaßt: „Dem Beklagten wird untersagt, die Dunggrube als solche zu halten, bevor den polizeilichen Vorschriften genügt ist". 52 ) Vgl. KommProt. 3603 (Mugdan 3, 602). 53 ) Planck Bern. 4 zu § 907; Endemann 198; Crome 284 Anm. 52; Goldmann-Lilienthal 42; J W 1910, 20 ( R G ) ; SeuffA 65 Nr. 2 1 2 verlangen vom Kläger lediglich den Nachweis, daß die Anlage des Beklagten Einwirkungen mit Sicherheit erwarten lasse; dann müsse Beklagter beweisen, daß die Einwirkungen zulässig seien. — Dieser Auffassung ist nicht beizutreten. § 907 enthält einen besonders gearteten Anspruch, der nur ausnahmsweise und unter ganz besonderen Voraussetzungen gegeben ist. Daß diese Voraussetzungen, zu denen die U n z u l ä s s i g k e i t der Einwirkung gehört, gegeben sind, hat der Kläger zu behaupten und zu beweisen. (So auch Biermann, Krezschmar, Turnau-Förster sämtlich zu § 907; Müller 47.) B G H in BB 55, 301; L M Nr. 8 zu § 559 Z P O ; StaudingerSeufert Randb. 32; jetzt auch RGRKomm. Bern. 4 je zu § 907. 51

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erhebung oder später eine unzulässige Einwirkung b e r e i t s e i n g e t r e t e n und waren weitere unzulässige Einwirkungen für die Zukunft mit Sicherheit zu erwarten, so kann der Kläger, wenn der Beklagte nach Erhebung der Klage Einrichtungen, welche für die Zukunft die Einwirkung ausschließen, getroffen hat, von der Klage auf Beseitigung der ganzen Anlage übergehen zum Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung. Dieser letztere Anspruch wird dem Kläger nicht dadurch entzogen, daß die obenerwähnten Einrichtungen nach Erhebung der Klage hergestellt wurden54).

IV. E i g e n t u m s f r e i h e i t s k l a g e § 907 fügt dem Inhalt des Eigentums das Recht hinzu, das dort vorgesehene Verlangen zu stellen. Der diesem Recht entsprechende Anspruch ist in § 1004 gegeben. Die Aktiv- und Passivlegitimation unterliegt daher den allgemeinen Regeln des § 1004 (s. hierüber unten § 38). Der Anspruch steht daher grundsätzlich nur dem Eigentümer des durch die Anlage beeinträchtigten Grundstücks zu. Mieter oder Pächter haben die Rechte aus § 862 BGB 8 8 ); man wird aber zu ihren Gunsten eine entsprechende Anwendung des § 907 zulassen, wenn es die das ganze Nachbarrecht beherrschenden Grundsätze von Treu und Glauben im Hinblick auf die durch das nachbarliche Zusammenleben gebotene gegenseitige Rücksichtnahme nach § 242 B G B im Einzelfall angezeigt erscheinen lassen56). Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung oder Einstellung des Baues ist zulässig (§ 940 ZPO) 57 ). Einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten g e w e r b l i c h e n A n l a g e o d e r E i s e n b a h n - , D a m p f s c h i f f a h r t s - und ä h n l i c h e n E i n r i c h t u n g e n gegenüber kann jedoch die Klage nicht auf Einstellung des Gewerbebetriebes, auch nicht auf Beseitigung der Anlage, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, oder wo solche Einrichtungen untunlich oder mit einem

M ) Vgl. R G 36, 178; J W 1896, 210 Nr. 37; 1898, 610 Nr. 41. Vgl. unten § 38 II 2. Nur dann, wenn weitere unzulässige Beeinträchtigungen überhaupt (nicht nur bei ordnungsgemäßer Benützung) mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen ist, ist der Kläger klaglos gestellt; das ist nicht schon dann ohne weiteres der Fall, wenn der Betrieb eingestellt wird oder Einrichtungen getroffen sind, die bei ordnungsgemäßer Instandhaltung und Benutzung die unzulässige Einwirkung auszuschließen g e e i g n e t sind. Vgl. unten § 3 8. 56 ) Vgl. R G 105, 213. 66 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 28 zu § 907; vgl. auch B G H in L M 1 zu § 1004; M D R 59, 997; s. unten § 38 IV. " ) Vgl. O L G 4, 6 1 ; O L G München in N J W 54, 513.

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gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar sind, auf Schadloshaltung gerichtet werden ( § 2 6 GewO und Art. 80 AG) 58 ). Der Unternehmer der Eisenbahn haftet für alle bei der Beförderung auf der Bahn verursachten Schäden, und zwar auch für schädigende Einwirkungen auf Nachbargrundstücke selbst dann, wenn diese Einwirkungen nach § 906 B G B erlaubt wären ( R G 133, 342). Der Betrieb eines Rangier- und Abstellbahnhofs ist ein im öffentlichen Interesse genehmigter Betrieb. Gegen Beeinträchtigungen, die von einem solchen auf ein Nachbargrundstück einwirken, besteht kein Abwehranspruch, wohl aber ein Anspruch auf Vornahme schützender Vorkehrungen gegen wesentliche und nicht ortsübliche Einwirkungen (HRR 1938, 1531). Auch gegenüber Betrieben, die den Belangen der Volksgesundheit dienen, tritt eine Beschränkung der Nachbarrechte gemäß Ges. vom 18. 10. 1935 (RGBl. I, 1247) ein, soweit der störende Betrieb nach § 2 des Ges. vom 13. 12. 1933 (RGBl. 1 , 1 0 5 8 ) genehmigt ist. Das Gesetz vom 18. 10. 1935 sieht eine sinngemäße Anwendung des Gesetzes vom 13. 12. 1933 vor; dieses aber beschränkt die Nachbarrechte nur gegenüber solchen Betrieben, bezüglich deren geprüft und entschieden ist, inwieweit das Gemeinwohl eine Beschränkung der Nachbarrechte erfordert und zumutbar macht (Pfundtner-Neubert I I b , Nr. 26 Anm. 26). Eine Beschränkung, der Rechte auf Grund des Gesetzes vom 13. 12. 1933 tritt nicht ein, soweit es sich um Ansprüche handelt, die auf einem besonderen bürgerlichrechtlichen Titel, wie einem Vertrage oder einem rechtskräftigen Urteil, beruhen (HRR 1936, 668). Bei Klagen auf Beseitigung öffentlicher Einrichtungen ist natürlich die Zulässigkeit des Rechtswegs zu prüfen 69 ).

V. A u s n a h m e f ü r L a n d e s r e c h t Eine Ausnahme von der Vorschrift des § 907 B G B wird durch Abs. 1 Satz 2 geschaffen für den Fall, daß bei der Herstellung oder Einrichtung der Anlage die landesgesetzlichen Vorschriften, die einen bestimmten A b s t a n d von der Grenze oder sonstige S c h u t z m a ß r e g e l n vorschreiben, eingehalten sind. Diese landesgesetzlichen Vorschriften können privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher60) Natur sein. An privatrechtlichen Vorschriften kommen nur die Bestimmungen der Art. 60—66 A G für den Abstand von Fenstern und Lichtöffnungen in Betracht. 68 ) R G 50, 229 s. hierüber unten § 39. Diese Ansprüche bleiben dem Eigentümer auch, wenn er im Verwaltungsverfahren gegen die Genehmigung der Anlage keine Einwendung ( § 1 7 GewO) erhoben hat. Es steht zweifellos eine auf privatrechtlichem Titel beruhende Einwendung in Frage. Staudinger, Vorträge S. 338. 69 ) Für — wenigstens theoretisch — zulässig hat das R G die Anwendung des § 907 erachtet bei städtischen Bedürfnisanstalten (JW 1900, 369), Gasanstalten ( R G 63, 378), Kanalanlagen (JW 1 9 1 1 , 764). Vgl. JW. 1901, 52; 1900, 639. 60 ) Ist in einer gesetzlichen oder allgemein gültigen Verordnung (z.B. in einer ortspolizeilichen Vorschrift) die Errichtung einer Anlage von einer Genehmigung abhängig, so ist dies eine sonstige „Schutzmaßregel" im Sinne des § 907 Abs. 1 Satz 2. Ist dann der betreffenden Anlage die Genehmigung erteilt, dann ist diese Gesetzesvorschrift einschlägig.

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Zu den landesgesetzlichen Vorschriften, die unter § 907 Abs. 1 Satz 2 fallen, gehört § 52 Abs. 2 idF. der V O vom 1 4 . 1 1 . 5 4 (GVB1. 310) BauO, wonach Dung- und Versitzgruben mindestens 1 Meter von den Umfassungswänden bewohnter Gebäude hergestellt und Dunggruben überdies so angelegt werden müssen, daß ihr etwaiger Überlauf sich nicht dem Wohnhaus nähert. In Gemäßheit des § 5 2 Abs. 1 BauO (Art. 73 Abs. 1 PStGB 61 ) können für die Anlage, Einrichtung oder Abänderung und bauliche Instandhaltung von A b t r i t t e n , D u n g - und V e r s i t z g r u b e n in Wohngebäuden oder in unmittelbarer Nähe von Wohnungen, Brunnen oder Brunnquellen Vorschriften erlassen werden. Die bayerischen Kreisregierungen haben solche Vorschriften erlassen. Vielfach ist neben diesen Vorschriften eine noch weitergehende ortsrechtliche Regelung erfolgt. Nur dann, wenn diesen s ä m t l i c h e n für eine Gemeinde geltenden Vorschriften im vollen Umfange genügt ist, gilt die in § 907 Abs. 1 Satz 2 bestimmte Einschränkung des Beseitigungsanspruchs. Einschlägig ist ferner § 47 BauO, wonach (Abs. 1) Gebäude, welche zur Herstellung, Bearbeitung oder Lagerung größerer Quantitäten leicht entzündlichen oder schwer zu löschenden Materials bestimmt sind, mit massiven Mauern umgeben und, wenn sie mit anderen Gebäuden zusammenhängend gebaut werden sollen, von diesen durch Backsteinbrandmauern getrennt werden müssen. Nach § 47 Abs. 2 kann aber auch eine allseitig freie Lage bis zu 9 Meter Entfernung von anderen Gebäuden, Einwölbung, unverbrennliches Stiegenwerk, dann eiserner Tür- und Fensterverschluß, feuerfester Boden gefordert werden. Es kommen jedoch nur solche Schutzmaßregeln in Betracht, welche die konkrete Einwirkung abzuhalten oder abzuschwächen g e e i g n e t sind. Der Inhaber einer Anlage, aus der große Gefahren für die Umwohner entstehen können, hat die Pflicht, die Nachbarschaft nach Möglichkeit zu schützen. Bei Benzintankstellen müssen bei Undichtigkeit gegen Entweichen von Gas Vorkehrungen zum Schutz der Nachbarschaft getroffen werden (HRR 1939, 307; D J 1939, 270). Wenn polizeilich bloß bestimmt ist, daß Dunggruben nach oben mit einem dichten Abschluß zu versehen sind, so kann die Beseitigung der Dunggrube verlangt werden, wenn zwar diese Auflage erfüllt ist, die Wandungen der Grube für Jauche aber durchlässig sind.

Der durch § 52 BauO für Dunggruben vorgeschriebene Abstand von 1 Meter von den Umfassungsmauern bewohnter Gebäude bezweckt 61 ) Art. 73 P S t G B wird gem. Art. 76 Ziff. 5 Landesstraf- u. VO-Ges. vom 17. 1 1 . 1956 (GYB1. 261) mit Wirkung vom 1. 1. 1961 ersetzt durch die auf Grund Art. 13 dieses Gesetzes zu erlassenden Vorschriften; vgl. § 75 Münchener BO.

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auch nur den Schutz des Mauerwerks. Ist dieser Abstand von i Meter eingehalten, so kann deshalb, weil die Benützung der Dunggrube der Mauer des Nachbarhauses sicher Jauche zugeführt werden wird, eine K l a g e auf Beseitigung erst nach erfolgter Zuführung erhoben werden, sofern bei der Anlage der Dunggrube auch die übrigen Vorschriften eingehalten sind. Würden solche anderweitige kreis- oder ortsrechtliche Vorschriften nicht bestehen, so könnte die Beseitigung einer Dunggrube trotz Einhaltung des durch § 5 2 vorgeschriebenen Abstandes dann verlangt werden, wenn von der Benützung der Dunggrube übermäßige (§ 906) Gerüche mit Sicherheit zu erwarten sind. D e r Gesetzgeber wollte durch Zulassung der Ausnahme des Abs. 2 (§ 9°7) das unerwünschte Ergebnis vermeiden, daß jemand, der eine Anlage vorschriftsmäßig eingerichtet hat, gleichwohl v o m Nachbar zur Beseitigung der Anlage gezwungen werden könnte. Das Verlangen auf Beseitigung der Anlage ist daher in diesem Fall erst dann statthaft, wenn tatsächlich unzulässige Einwirkungen auf das Nachbargrundstück eingetreten sind 62 ). D i e Landesgesetzgebung ist also nicht in der Lage zu bestimmen, daß bei B e obachtung der landesgesetzlichen Schutzvorschriften der Nachbar trotz Hervortretens unzulässiger Einwirkungen keinen negatorischen Anspruch haben soll 63 ). I m übrigen ist es gleichgültig, welcher Art diese landesgesetzlichen V o r schriften sind 64 ). E s rechnen dazu insbesondere Vorschriften öffentlichrechtlichen, auch solche rein polizeilichen Charakters; es ist nicht erforderlich, daß sie unmittelbar den Schutz des Nachbarn bezwecken. 6 2 ) Auch jene Bestimmungen, welche von den Behörden auf Grund einer Delegation erlassen worden sind, gehören hierher. Ist sonach durch ortsrechtliche Vorschrift bestimmt, daß Schweineställe mit Abzugsröhren zum Zwecke des Luftwechsels zu versehen sind, so kann der Nachbar, wenn trotz Vorhandenseins vorschriftsmäßiger Abzugsröhren mit Sicherheit eine unzulässige Einwirkung durch Gerüche zu erwarten ist, keinen Anspruch auf Beseitigung erheben, bevor nicht die unzulässige Einwirkung tatsächlich hervorgetreten ist.

62 ) KommProt. 3604 (Mugdan 3, 603). Dann aber kann die Beseitigung verlangt werden; der Eigentümer braucht sich nicht mit der bloßen Unterlassung der Beeinträchtigung zu begnügen. 63 ) KommProt. 3605 (Mugdan 3, 603). M ) Privatrechtliche Vorschriften bestehen in Bayern nur hinsichtlich des Abstands von Fenstern usw. nach Art. 62—66 A G B G B . S. oben § 15 am Anfang. V g l . O L G München in N J W 54, 5 1 3 : Hat die Baubehörde die Errichtung einer Hebebühne und eines Waschplatzes bei einer Tankstelle genehmigt, so muß der Nachbar diesen Zustand solange dulden, bis eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück tatsächlich eintritt. Vgl. auch Staudinger-Seufert Randb. 22 zu § 907 BGB.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

§ 16. Gefahr des Einsturzes von Gebäuden und sonstigen Bauwerken I. A l l g e m e i n e s Ein weiterer Fall, in welchem gegen künftige Einwirkung ein Schutz gewährt wird, ist in § 908 B G B enthalten. Während sich § 903 gegen rechtswidrige menschliche Handlungen wendet, fordert § 908 ein Eingreifen des Menschen zur Abwehr von Gefahren, die von einer Sache drohen, weil diese so schadhaft ist, daß nach dem Naturgesetz der Schwerkraft ihr Einsturz oder das Ablösen von Teilen zu erwarten ist1). Das g e m e i n e Recht gibt demjenigen, der sich durch eine baufällige Anlage bedroht fühlt, das Rechtsmittel der cautio damni infecti. Die Haftung auf Grund dieses Rechtsinstituts ist eine im hohen Grade objektive, indem sie von aller Schuld des Handelnden absieht. Die Eigentümlichkeit desselben liegt darin, daß die Haftung nur dann eintritt, wenn der Bedrohte seinerseits sich vor dem Eintritt des schädigenden Erfolges gerührt und von dem Gegner gerichtliche Kautionsleistung verlangt hat. Nur dann wird von diesem Erfordernis abgesehen, wenn dem Bedrohten die Unterlassung des Kautionsbegehrens nicht als Nachlässigkeit ausgelegt werden kann, weil er wegen Kürze der Zeit oder sonstiger triftiger Gründe die Kautionsstellung nicht hat fordern können 2 ). Das p r e u ß i s c h e Recht legt den Eigentümern von Gebäuden, die an Straßen oder öffentliche Plätze stoßen, die Verpflichtung auf, dieselben im baulichen Zustand zu unterhalten, soweit es zur Erhaltung der Substanz und zur Verhütung alles Schadens und Nachteiles für das Publikum notwendig ist ( A L R Tl. I, Tit. B § 37). Die Unterlassung dieser Pflicht hat nach A L R Tl. I, Tit. 6 § 26 für den Eigentümer Schadenersatzpflicht zur Folge 3 ). Nach c o d e c i v i l Art. 1686 bestand eine Schadenersatzpflicht ohne jedes Verschulden, soferne der durch den Einsturz verursachte Schaden in mangelhafter Unterhaltung oder fehlerhafter Konstruktion seine Ursache hat.

II. V o r a u s s e t z u n g e n 1. Die einschlägige Vorschrift in § 908 B G B hat zur Voraussetzung, daß einem Grundstück die Gefahr droht, daß es durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen Werkes, das mit einem Nachbargrundstück verbunden ist oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder Werkes beschädigt wird: a) Der Begriff des G e b ä u d e s (s. unten § 21) umfaßt jedes Bauwerk, das nach der seiner Anlage geeignet ist, Personen, Tieren oder Sachen durch die räumliche Umfriedung Schutz gegen äußere Einflüsse zu gewähren. Unter einem W e r k , das mit einem Nachbargrundstück verbunden ist, versteht man einen einem bestimmten Zweck dienenden, nach gewissen § 16. !) Neumann, Jahrb. 5, 396 (Colmar); R G 70, 206 (§ 908 schützt nicht gegen willkürliche menschliche Einwirkung). 2 ) Delius, Über die Haftung für den Einsturz von Gebäuden und anderen WerkenS. 16. 3 ) Vgl. R O H G 20, 1 7 1 .

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Gefahr des Einsturzes von Gebäuden und sonstigen Bauwerken

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Regeln der Kunst und der Erfahrung hergestellten unbeweglichen Gegenstand4); also einen solchen, der in seiner Gesamtheit unbeschadet seiner Gestalt und Verbindung nicht von einer Stelle zur andern gebracht werden kann. Besonders hervorgehoben aus diesem weiteren Begriff sind von dem Gesetze die Gebäude 6 ); zu den anderen mit einem Grundstück fest verbundenen Werken gehören Mauern, Senkgrube, Brunnen, Zaun, Denkmal, elektrische Leitungsstangen mitsamt den Leitungsdrähten6), Kanal, Damm, Turngerüste7). Dagegen gehört eine aus Balken und Brettern bestehende Hütte nicht hierher, soferne sie nicht mit dem Boden in eine feste Verbindung gebracht worden ist8). Wesentlich ist, daß das Werk von Menschenhand errichtet ist. Nicht in Betracht kommt daher der n a t ü r l i c h e Z u stand des Grundstückes, hätte er auch beseitigt werden können und müssen9). 4 ) SeuffArch. 61 Nr. 55 (RG); deshalb ist ein zusammengeschütteter Erdhaufen, gleichviel von welcher Höhe, kein Werk. Ein solcher wird zu einem Werk erst durch die Bearbeitung zu einem bestimmten Zweck, z.B. wenn eine Böschung hergestellt wird. Steile, durch bloße Abgrabungen entstandene, keinem bestimmten Zwecke dienende Erdwände eines Nachbargrundstückes sind kein mit diesem Grundstück verbundenes Werk. WürttJ 19, 277 (Stuttg.), wohl aber ein Steinbruch vgl. Reger, Entsch. 5, 82. 5 ) Uber den Begriff der Gebäude s. unten § 21 I 1. 6 ) O L G 18, 85; SeuffArch. 64 Nr. 30; H R R 1932 Nr. 444. ') Vgl. Kuhlenbeck Note j zu § 836; Delius, Uber die Haftung für den Einsturz von Gebäuden und anderen Werken S. 14. Vgl. J W 1905, 370 Nr. 10 (Deichbruch), 387 Nr. 3 (Fensterladen); SeuffArch. 57, 62 (Torpfeiler); J W 1906,423 (Firmenschild); J W 1908,196 (Bahndamm); Gruchot 60, 132 (Fahrstuhl); J W 1910, 653; O L G 20, 37 (Drahtzaun); SeuffArch. 64 Nr. 92 (Kanal, Schleuße); JW 1908, 196 (Brunnen, Wasserleitung); R G 74, 22 (Gasrohrleitung); O L G 14, 43 (Maurer); Warneyer 1912 Nr. 78 (Ruine, unfertig gelassener Rohbau); J W 1910, 288 (Baugerüste, auch dann, wenn die Tragstangen nicht in den Boden eingelassen sind. Unrichtig O L G 18, 86); R G 60, 140 (Böschung); R G 97, 1 1 2 (Dammbruch durch Hochwasser); SeuffA 79 Nr. 168 (elektr. Leitung); Gruchot 57, 972 (Signalmast); R G 97, 1 1 4 (Damm); R G 1 1 3 , 292 (lose hängender Torflügel). 8 ) Was aber auch durch die eigene Schwere bewirkt werden kann. 9 ) Delius, Über die Haftung für den Einsturz von Gebäuden und anderen Werken S. 14. Vgl. R G 149, 2o6ff.: Gegen die aus der Verwitterung eines Felsens drohenden Gefahren braucht der Eigentümer des Fels-Grundstückes keine Vorkehrungen zu treffen. Die Untätigkeit gegen das Wirken von Naturgewalten, die ein Nachbargrundstück gefährden, bedeutet auch keinen gegen das Gemeinwohl gerichteten Gebrauch des Eigentums. Vgl. auch R G 134, 231 (Ablösen verwitterter Steine von einem Steilhang). Wenn aber ein von Natur vorhandener Zustand infolge einer durch menschliche Tätigkeit bewirkten Umwandlung für das Nachbargrundstück gefahrdrohend wird, ist unter Umständen der Anspruch auf Abwendung der Gefahr selbst dann begründet, wenn man es nicht mit einem Werk im Sinne des § 908 zu tun hat. Der Anspruch kann sich aus § 907 ergeben, wenn mit S i c h e r h e i t vorauszusehen ist, daß der Bestand der Anlage eine unzulässige Einwirkung auf das Nachbargrundstück zur Folge haben wird. Vgl. SeuffArch. 61 Nr. 55 (RG). (Ablösung oder Hinüberfallen von Teilen) s. darüber oben § 15 II, 2. Abgesehen hiervon kann sich die Verpflichtung des Eigentümers der gefahrdrohenden Anlage vermöge seiner Haftung aus der unerlaubten Handlung ergeben. Zwar liegt

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§ J.Ö II 1

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Wenn z. B. ein Felsblock auf ein benachbartes Haus herabzustürzen droht, ist die Voraussetzung des § 908 B G B nicht gegeben; ebensowenig, wenn ein altersschwacher Baum, der jenseits der Grenze steht, so morsch ist, daß er vom nächsten Sturmwind auf das Haus des Nachbarn geworfen werden kann 10 ). (Vgl. oben § 1 1 . )

b) Dem Nachbargrundstück muß ferner die G e f a h r e i n e r B e s c h ä d i g u n g durch Einsturz oder durch Ablösung 11 ) von Teilen des Gebäudes oder Werkes drohen. Der Ausdruck „Teil des Gebäudes" ist entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch unter Anschauung des Verkehrs zu verstehen. Es wird also, soweit einzelne Sachen als Gebäudeteile in Frage kommen, eine baumäßige, nicht nur äußerliche, sondern dem Zweck des Ganzen dienende und in diesem Sinne organische Verbindung der Sache mit dem Gebäude gefordert. Baumäßig ist die Verbindung dann, wenn die Sache zur Herstellung des Gebäudes eingefügt oder sonstwie aus baulichen Gründen oder zu baulichen Zwecken an ihm angebracht ist. Eine mechanische Verbindung genügt allein nicht, vielmehr muß das Verbinden in einem festen, dem Wesen eines Bauwerks entsprechenden Zusammenhang mit dem Gebäude stehen, so daß sich daraus ohne weiteres seine Zugehörigkeit zu dem Bauganzen ergibt (Recht 1924 Nr. 3 5 1 ; B G H in M D R 58, 680 Betondecke). eine V e r l e t z u n g des Eigentums im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B insolange nicht vor als die Einwirkung bloß droht, also noch nicht eingetreten ist. Aber regelmäßig wird sich der Anspruch aus § 823 Abs. 2 ableiten lassen. Der Schaden ist schon dann gegeben, wenn durch den gefahrdrohenden Zustand die Benützung des Nachbargrundstückes beeinträchtigt wird. Der Schadenersatzanspruch wird erfüllt durch Abwendung der Gefahr (§ 249 BGB). Als Schutzgesetze kommen hier die polizeilichen Vorschriften (auch die ortspolizeilichen) in Betracht. Ist eine Einwirkung schon eingetreten, so genügt die Gefahr weiterer Einwirkung, um den Anspruch aus § 1004 sicherzustellen. 10 ) Vgl. Cosack 2, 154. Auch § 907 B G B ist nicht anwendbar; denn weder der Felsblock, noch der Baum ist eine Anlage; bezüglich des Baums ist dies in Abs. 2 des § 907 ausdrücklich hervorgehoben. Der Hauseigentümer ist aber berechtigt, die Schutzmaßregeln zu treffen, welche die Gefahr aufheben; er darf zu diesem Zwecke das fremde Grundstück betreten und, soweit es notwendig ist, benützen, z.B. um den Felsblock zu stützen (§ 904); ist zur Abwendung der Gefahr die Absprengung des den Absturz drohenden Felsblockes erforderlich, so ist der Hauseigentümer hierzu in Gemäßheit des § 228 B G B berechtigt. Würde dadurch ein auf dem Felsblock stehendes Bauwerk in Mitleidenschaft gezogen werden, so wäre abzumessen, ob der mit der Wegsprengung verbundene Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Selbst dann würde an sich der Hauseigentümer zur Wegsprengung des Felsblockes berechtigt sein, wenn er die durch denselben verursachte Gefahr selbst herbeigeführt hat, indem er z. B. sein Grundstück vertieft und dadurch dem Felsblock die erforderliche Stütze im Erdreich entzogen hat. Jedoch würde der Hauseigentümer schadenersatzpflichtig sein (Satz 2 des § 228). u ) Das ist nicht bloß die vollständige Trennung des Teils vom Ganzen, sondern auch das Einstürzen oder Zerbrechen eines Teiles. ( R G 52, 236). Zum Begriff der Ablösung gehört die selbsttätige Trennung des Teiles. Die Ursache der Ablösung muß in der Beschaffenheit des Werkes liegen, die Veranlassung zur Ablösung kann jedoch durch einen von außen kommenden Anstoß (auch durch menschliche Einwirkung) gegeben werden (vgl. Gruchot 57, 973; 58, 193; Warneyer 1919 Nr. 169; R G 97, 1 1 2 (adäquate Verursachung genügt); München in BayZ 24, I i i (Bruch eines Schneefängers).

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Eine Gefahr droht nicht nur dann, wenn der künftige Eintritt der Beschädigung gewiß ist, sondern auch schon dann, wenn nach Lage der Verhältnisse die M ö g l i c h k e i t zu gewärtigen ist. Es ist also nicht einmal eine Wahrscheinlichkeit erforderlich. Andererseits genügt auch nicht jede noch so entfernte Möglichkeit; die Möglichkeit muß vielmehr unter Zugrundelegung der vorliegenden Umstände und der n o r m a l e n Verhältnisse gegeben sein. Die Gefahr muß infolge des allgemeinen Naturgesetzes bestehen, kraft dessen die Gebäude und sonstigen Werke, wie alle irdischen Dinge, mit der Zeit zugrunde gehen. Dabei ist auch die Benützung des Hauses und deren normale Folgen in Betracht zu ziehen, nicht aber ein bei der Benützung mögliches Unglück. Daher gehört der Fall, daß auf dem Nachbargrundstück eine Pulverfabrik betrieben wird und deshalb die Gefahr besteht, daß durch eine Explosion Teile der Fabrik herübergeschleudert werden, nicht unter § 908 BGB 1 2 ). Für normale Verhältnisse kann man auch nicht heranziehen, daß ein Erdbeben, wohl aber, daß ein heftiger Sturmwind kommen kann. Ein Wirbelwind, der ein ganz außergewöhnliches Naturereignis ist, gehört hinwiederum nicht zu normalen Verhältnissen. Ein Hochwasser gehört dann zu den normalen Verhältnissen, wenn das Werk im Überschwemmungsgebiet12*) liegt, andernfalls nicht. In Betracht ist zu nehmen die Erschütterung, welche durch die hart am Hause vorbeifahrenden Schnellzüge oder durch die Ausübung des in dem baufälligen Haus oder auf einem Nachbargrundstück betriebenen Gewerbes herbeigeführt wird. Ob eine G e f a h r besteht, muß nach o b j e k t i v e m Maßstab beurteilt werden. Es genügt nicht, wenn die Gefahr nur subjektiv als bevorstehend befürchtet wird 13 ). Wenn die Besorgnis nur in der Einbildung des Grundeigentümers beruht, besteht eben keine wirkliche, sondern nur eine vermeintliche Gefahr. Eine wesentliche Rolle spielt für die Standesfestigkeit der Baugrund. Die Widerstandsfähigkeit (Tragkraft) des Baugrundes bestimmt die Erfornisse für die Fundamentierung des Bauwerkes. In Sandböden oder aufgeschüttetem Gelände ist ein stärkeres und tieferes Fundament nötig. Wird das Gebäude auf aufgeschüttetem Boden errichtet, so müssen die Fundamente bis auf den gewachsenen Boden geführt werden oder in anderer Weise eine Sicherung des Fundaments geschaffen werden. Sonst ist das Gebäude fehlerhaft errichtet. 12

) S. R G 50, 226. Vgl. Recht 1901, 562 und oben § 14 I. ) Vgl. R G in Gruch 58, 193. ) Anders für die cautio damni infecti des gemeinen Rechts ; Burkhard, Die cautio damni infecti 128. 12a 13

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Wenn der Baugrund bei Errichtung des Gebäudes so beschaffen war, daß das eingebaute Fundament die Standsicherheit verbürgte, jedoch später an dem Baugrund (infolge Grundwassers) Veränderungen auftreten mit der Folge, daß der Boden unter dem Fundament nachgibt und dadurch die Standsicherheit des Gebäudes beeinträchtigt wird, dann gehört zur ordnungsgemäßer Unterhaltung des Gebäudes, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um ein Ausweichen des Fundaments zu verhindern. Bei lettigem Boden ist eine Aufweichung des Baugrundes durch das eindringende Tagwasser, das in den tonigen Schichten keinen Durchlaß findet, häufig. Ein charakteristisches Merkmal der hierdurch begründeten Gefahr des Einsturzes ist es, wenn sich am Boden des Kellers konkave Wölbungen bilden. In erster Linie ist also zu prüfen, ob die Gefahr eines Einsturzes des Werkes (Gebäudes) oder der Ablösung von Teilen desselben (Balken, Erker, Fenster, Dachziegel, Stuckverzierungen, Gesimse) besteht, wie überhaupt die Verursachung der Gefährdung gleichgültig ist14). Ob der Zustand des Werkes, durch welchen diese Gefahr bedingt ist, auf einem Verschulden des Eigentümers beruht, ist ohne Bedeutung. Selbst eine durch ein Erdbeben, durch einen Erdrutsch oder eine Feuersbrunst h e r b e i g e f ü h r t e Baufälligkeit gibt dem Nachbar den Anspruch aus § 90815). Auch wenn der Geschädigte den gefahrdrohenden Zustand selbst verschuldet hat, steht ihm der Anspruch aus § 908 zu1Sa). Hieran hat sich die weitere Prüfung zu schließen, ob die Gefahr besteht, daß durch den drohenden Einsturz des Werkes (oder die drohende Ablösung von Teilen desselben) das Nachbargrundstück beschädigt wird. Keineswegs ist erforderlich, daß das Werk die Grenze überragt oder gar auf Teilen des Nachbargrundstückes (Mauer) aufliegt 16 ). Ingleichen nicht, daß das Grundstück, auf welchem das Werk steht, an das gefährdete Grundstück unmittelbar anstößt; es genügt vielmehr, wenn die beiden Grundstücke in einer so nahen räumlichen Beziehung zueinander stehen, daß der Einsturz 14 ) Ortloff, ArchBR 26, 347; vgl. J W 1903 Beil. 1 1 5 ; 1904, 487 (Gesimse); Recht 1921 Nr. 2180 (RG); Warneyer 1916 Nr. 78 (Teile des Verputzes); J W 1904, 91 (Dachaufsätze); Wameyer 1919 Nr. 169 (Dachziegel); R G 60, 421 (Fensterläden); O L G 5, 249 (Fensterscheiben); O L G 14, 53 (Torflügel); O L G 12, 277 (Fahnenstangen); O L G 5, 246 (Telegraphenstangen); O L G 18, 85; SeuffArch. 64 Nr. 30 (Draht einer elektrischen Leitung); Gruchot 6o, 132 (Tragseil eines Fahrstuhls); O L G 18, 86; R G 59, 8 (Treppe, Treppengeländer). Der Begriff „ T e i l e " eines Gebäudes erfordert eine organisch-bauliche Verbindung. Vgl. R G 107, 337; B G H in L M Nr. 1 1 zu § 836; B G H in N J W 55, 300 (SchneeAbsturz vom Dach). 15 ) Vgl. Cosack 2, 1 5 3 ; Ortloff 239; Maenner 165. 15a ) Vgl. L G Lübeck SchlHAnz. 51, 25. 16 ) Ortloff, ArchBR 26, 347.

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Gefahr des Einsturzes von Gebäuden und sonstigen Bauwerken

§ -lO

III

des Werkes oder die Ablösung von Teilen eine schädigende Einwirkung auf das andere Grundstück ausüben kann. Das kann selbst dann der Fall sein, wenn andere Grundstücke dazwischen liegen. Man denke nur an die Gefahr des Einsturzes eines Fabrikschornsteines. Wenn das baufällige Haus des A auf dem in ordnungsmäßigem Zustande befindlichen Hause des B aufliegt und infolgedessen die Gefahr besteht, daß durch den Einsturz des dem A gehörigen Hauses das dem B gehörige Haus auf das an letzteres anstoßende Haus des C geworfen wird, so kann C nicht gegen B, wohl aber gegen A den Anspruch des § 908 B G B erheben. Eine Beschädigung ist in jeder mechanischen Einwirkung auf die Substanz des Grundstückes oder der darauf errichteten Anlagen zu erblicken. Sind die Ziegel des Nachbardaches gelockert, so kann auch der Eigentümer des daran anstoßenden Krautackers sich auf § 908 B G B berufen. Denn durch herabfallende Ziegel werden zwar keine Löcher in den Boden geschlagen, wohl aber die Pflanzen beschädigt. Man wird sogar soweit gehen müssen, entgegen dem strengen Wortlaut des Gesetzes eine Beschädigung des Grundstückes schon in einer Beeinträchtigung seiner Benützung zu finden. Wenn ein Ziegel auf den gepflasterten Hofraum fällt, so ist dies der Fall. III. I n h a l t des A n s p r u c h s Der Anspruch aus § 908 B G B geht dahin, daß der für den gefahrdrohenden Zustand Verantwortliche die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Vorkehrung trifft. a) Der Anspruch steht dem Eigentümer 17 ) des bedrohten Grundstückes zu. Bestritten ist die Frage, ob auch der Besitzer (Pächter oder Mieter) anspruchsberechtigt ist. Die Frage dürfte wohl zu bejahen sein18). Jedenfalls wird — sofern nicht der Sachverhalt des § 862 gegeben ist •—• § 908 entsprechend anzuwenden sein, wenn dies nach den Grundsätzen des § 242 im Hinblick auf das Nachbarschaftsverhältnis gerechtfertigt ist. Der von einer Gefahr bedrohte Besitzer kann nicht schlechter gestellt werden als der Grundstückseigentümer. 17 ) Dem Miteigentümer (§ 1011 BGB), dem Wohnungs- (oder Teil-) Eigentümer (WEG § i), dem Dauerwohnberechtigten (WEG § 34), dem Erbbauberechtigten (§ 1017 Abs. 2 BGB § 11 ErbVO), dem Dienstbarkeitsberechtigten (§§ 1027, 1090 Abs. 2 BGB) und dem Nießbraucher (§ 1065 BGB). l s ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 4; Ermann-Seibert; Rosenberg je zu § 908; Westermann SR § 63 III 2, Wolf SR § 5 3 V gibt dem Besitzer zwar nicht den Anspruch aus § 908, wohl aber einen inhaltsgleichen Anspruch aus dem Rechtsgrund des Besitzschutzes. A.M. Planck-Strecker Bern. 2a; Meisner-Stern-Hodes § 19 II 2a; Palandt-Hoche Bern. 3 zu § 908.

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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§ Aw

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

b) Der Anspruch richtet sich, und das ist die Besonderheit des § 908, nicht auf ein Dulden oder Unterlassen, sondern enthält einen Zwang zu direktem Handeln; er geht dahin, daß die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Vorkehrung getroffen wird. Der K l a g s a n t r a g wird daher z.B. lauten: „ D e r Beklagte ist schuldig, Vorkehrungen zu treffen, welche die Gefahr einer Beschädigung des Grundstücks des Klägers durch einen Einsturz des auf dem Anwesen Hs.-Nr. x befindlichen Schornsteines (oder durch Ablösung von Dachziegeln von dem zum Anwesen Hs.-Nr. x gehörigen Gebäude) abwenden". Es ist nicht Sache des Klägers, die erforderlichen Vorkehrungen bestimmt zu bezeichnen. Es ist dies nicht einmal zulässig. Dem Beklagten muß es vielmehr überlassen werden, durch welche Vorkehrungen er die Gefahr abwenden will 19 ). Er kann das baufällige Gebäude einlegen; er kann ihm durch eiserne Klammern ein festes Gefüge geben; er kann es durch Balken stützen; er kann an der Grenze eine genügend starke Mauer aufführen, welche auch für den Fall eines Einsturzes jede Einwirkung auf das Nachbargrundstück abhalten würde. Unter Umständen kann ein völliger Abbruch des Werkes nötig sein20). Die Anbringung einer Warnungstafel ist natürlich nicht genügend 21 ). Hierbei ist zu betonen, daß der Grundeigentümer kein Interesse an der Verhinderung des Einsturzes, sondern nur an der Verhinderung der Beschädigung hat. Die erforderliche Vorkehrung im Sinne des § 908 ist daher schon dann getroffen, wenn verhindert wird, daß bei einem Einsturz des Werkes Teile desselben auf das Nachbargrundstück fallen, z.B. durch Errichtung einer Schutzmauer. Im Zwangsvollstreckungsverfahren ist zu entscheiden, ob eine auf Grund einer Verurteilung betätigte Vorkehrung genügend ist22). c) Passiv legitimiert ist nach § 908 derjenige, der nach §§ 836 Abs. 1, 837, 838 für den eintretenden Schaden verantwortlich sein würde. Die Verweisung auf diese Bestimmungen soll nach der Rechtsauffassung einzelner Kommentatoren nicht nur die Person des Haftpflichtigen bestimmen, sondern auch bedeuten, daß die Voraussetzungen für seine Haftpflicht die gleichen seien wie in diesen Bestimmungen. Daher sei der Eigenbesitzer (§ 836 Abs. 1) oder der Berechtigte am Bau (§ 837) und der Unterhaltspflichtige (§ 838) zur Vorkehrung des § 908 nur verpflichtet, wenn der Einsturz die Folge fehlerhafter Einrichtung oder mangelhafter Unterhaltung 19) Vgl. hierzu RG 37, 174; 40, 184; 65, 76; Gruchot 44, 1097; JW 100 Beil. 1; vgl. auch L G Lübeck in SchlHAnz. 1951, 25; Staudinger-Seufert Randb. 8 zu § 908. S. unten § 38 II 2a. 20) R G 65, 76. (Unter Umständen ist völliger Abbruch erforderlich.) 21 ) A.M. Delius, Über die Haftung für den Einsturz von Gebäuden und anderen Werken 11. 22) Vgl. Gruchot 44, 1097.

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Gefahr des Einsturzes von Gebäuden und sonstigen Bauwerken

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sei, und die Pflicht zur Vorkehrung entfalle, wenn der an sich Pflichtige zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe. Dieser Meinung ist nicht beizutreten23). Der § 908 betrachtet die Gefahr des Einsturzes als eine Beeinträchtigung des Eigentums am Nachbargrundstück. Nur diese Gefahr bildet die Voraussetzung des Anspruchs, der auf die Beseitigung der Beeinträchtigung abzielt. Er steht zum Schadenersatzanspruch aus §§ 836fr. in demselben Verhältnis, wie der Anspruch auf Beseitigung aus § 1004 zum Schadenersatzanspruch aus § 823. Auch im Falle des § 908 ist lediglich die Beeinträchtigung Voraussetzung des Anspruchs auf Vorkehrung zur Abwendung der Gefahr; V e r s c h u l d e n des Beklagten ist k e i n e Voraussetzung dieses Anspruchs. Die Streitfrage hat übrigens keine erhebliche praktische Bedeutung. Denn wenn ein gefahrdrohender Zustand besteht — das ist die Voraussetzung des § 908 — , dann muß er, auch wenn er durch vis major herbeigeführt ist, ohne Verzug beseitigt werden. Geschieht das nicht, so wird mangelhaft unterhalten. Im übrigen ergibt sich aus dem Zusammenhalt des § 908 mit den dort angezogenen §§ 836 Abs. 1, 837, 838, daß passiv legitimiert zunächst der Eigenbesitzer des schädigenden Werkes (Gebäudes) ist, dagegen nicht der Eigentümer, auch nicht der frühere Besitzer; denn auf § 836 Abs. 2 ist in § 908 B G B nicht verwiesen (§ 908 in Verbindung mit § 836 Abs. 1 BGB). Besitzer ist derjenige, der das Grundstück als ihm gehörig besitzt, gleichviel, ob er sich im guten oder bösen Glauben befindet23®). Wenn aber das gefahrdrohende Werk oder Gebäude nicht von dem Grundstücksbesitzer, sondern von einem anderen in Ausübung eines Rechtes besessen wird, so muß der Anspruch aus § 908 B G B gegen diesen letzteren gerichtet werden; der Besitzer des Grundstückes ist in diesem Falle nicht passiv legitimiert (§ 908 mit § 8 3 7 BGB). Der Fall des § 8 3 7 B G B kann vorkommen auf Grund eines Erbbaurechts, einer Grunddienstbarkeit, eines Nießbrauches oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, ferner bei einem Überbau24). Auch jene Fälle gehören hierher, in denen 23 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 6; Palandt-Hoche Bern. 2a je zu § 908. Wie hier Maenner 165, Müller 85, wohl auch Biermann zu § 908. Vgl. Gruchot 61, 758; L G Lübeck in SchlHAnz. 1951, 25. A.M. RGRKomm. Bern. 6 zu § 908; Planck-Strecker Bern. 2c je zu § 908 unter Berufung auf R G 70, 206 und R G 76, 262 (beide Entscheidungen haben Fälle des § 836 zum Gegenstand). 23a) Vgl. B G H in L M Nr. 9 zu § 836; vgl. auch R G in LeipzZ 1916, 57. 24) Planck Bern, zu § 837. Der Bauhandwerker, der auf einem fremden Grundstück ein Baugerüst zur Ausführung von Arbeiten (Malerarbeiten) an dem Grundstück errichtet, ist in Ausübung seines in Vertretung begründeten Vertragsrechts Besitzer des Gerüstes und daher im Rahmen des § 837 BGB verantwortlich für das Gerüst (Recht 1924 Nr. 637).

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

auf Grund eines obligatorischen Rechtes, z. B. eines Miet- oder Pachtverhältnisses, zu einem vorübergehenden Zweck ein Gebäude oder ein sonstiges Werk mit einem Grundstück verbunden ist (§ 95 Abs. 1 B G B ) und sich im Eigenbesitz des obligatorisch Berechtigten befindet25). Neben demjenigen, der nach den eben vorgetragenen Grundsätzen haftet, ist passiv legitimiert derjenige, der die Unterhaltung des Werkes für den Besitzer übernimmt (was beim Mieter, Pächter, Hausverwalter252) zutreffen kann, aber nicht zutreffen muß), oder das Werk vermöge eines ihm zustehenden Nutzungsrechtes zu unterhalten hat (ein Fall, der bei Grunddienstbarkeiten26), beim Nießbrauch27) und bei beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten, insbesondere bei einem Wohnungsrecht28) vorkommen kann; § 908 mit § 838 BGB). Die Verbindlichkeit aus § 908 B G B ist vom Eigenbesitzer und dem daneben haftbaren Unterhaltspflichtigen samtverbindlich zu erfüllen. d) Der Anspruch aus §90 8 B G B ist der Verjährung entzogen(§924BGB). e) Vollständig unabhängig von den Vorschriften des § 908 B G B sind das Recht der Selbsthilfe nach § 228 B G B , sowie die öffentlich-rechtlichen Schutzvorschriften, z. B. § 47 BauO (Lagerung leicht entzündlichen und schwer zu löschenden Materials). GaragenO vom 17. 2. 39 (RGBl. I 219) nebst V O dazu vom 13. 9. 1944 (RArbBl. I 325), V O über Sprengstoffverkehr vom 16. 5. 1954 (BayBS I 392), V O über pyrotechnische Gegenstände vom 10. 10. 1956 (BayBS I 402), Azetylän-VO vom 21. 12. 1923 (BayBS IV 650). Nach § 367 Nr. 13 StGB ist strafbar, wer es trotz der polizeilichen Aufforderung unterläßt, Gebäude, welche einzustürzen drohen, auszubessern oder niederzureißen. Im Falle einer Verurteilung ist das Landratsamt (der die kreisfreie Gemeinde) gem. Art. 78 L S t V G berechtigt, die Beseitigung des ordnungswidrigen Zustandes anzuordnen und zu diesem Zwecke die Sicherstellung, Abänderung, den gänzlichen oder teilweisen Abbruch des betreffenden Bauwerkes zu verfügen. Besteht Gefahr auf Verzug oder ein dringendes öffentliches Interesse, so kann die erforderliche Maßnahme sofort getroffen werden. 26 ) Planck Bern, zu § 857. Der nach §§ 837 u. 838 Verantwortliche hat die zur A b wendung der Gefahr (des Einsturzes oder der Ablösung von Teilen) erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Hält der Beklagte unter dem fremden Grundstück einen Keller, ohne hierzu berechtigt zu sein, so ist er ersatzpflichtig für den Schaden, der dem Eigentümer durch Einsturz des mangelhaft unterstützten Kellergewölbes entsteht; sein Einwand, daß ihm eine Grunddienstbarkeit (Kellerrecht) gar nicht zusteht, wird durch die exceptio doli aus dem Feld geschlagen. 25 ») Vgl. B G H Z 6, 3 1 5 ; L M Nr. 2 zu § 838; Weimar in M D R 59, 724. 26 ) §§ 1021, 1022 B G B . 27 ) § 1041 B G B . 28 ) §§ 1090, 1093 B G B ; beim Dauerwohn-oder Dauernutzungsrecht nach § 34 W E G .

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Gefahr des Einsturzes von Gebäuden und sonstigen Bauwerken

§ J-Ö IV 1

IV. H a f t u n g i . D i e H a f t u n g für den durch den Einsturz eines Werkes (Gebäudes) verursachten Schaden wird in den §§ 836ff. B G B behandelt. § 836 B G B enthält einen allgemeinen und somit auch hier anwendbaren Rechtsgedanken, wonach jeder Sacheigentümer für solche Beschädigungen aufzuzukommen hat, die durch seine Sachen entstehen und die bei entsprechender Rücksichtnahme auf fremde Interessen hätten verhindert werden können29). Hiernach ist der Eigenbesitzer des Grundstückes verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, soferne der Einsturz oder die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist. Die Ausdrücke fehlerhaft und mangelhaft sind durchaus o b j e k t i v zu nehmen; sie weisen n i c h t auf ein V e r s c h u l d e n hin30). Es kann sein, daß der Baumeister sich der Fehlerhaftigkeit seiner Bauweise bewußt war und deswegen verantwortlich ist. Es kann aber auch sein, daß er vollständig den Regeln der Technik entsprechend gebaut hat; trotzdem ist ein Fehler da infolge von Umständen, die er nicht zu kennen brauchte. Ebenso ist die mangelhafte Unterhaltung nur der Gegensatz zur ordnungsgemäßen, und das ist diejenige, welche den schädigenden Erfolg verhütet hätte31). Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Besitzer zum Zwecke der Abwendung der Gefahr während seiner Besitzzeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat32). Befindet sich in der Zinkabdeckung eines Hauses ein Riß, so erfordert die ordnungsgemäße Unterhaltung des Gebäudes die Beseitigung des Risses. Wurde durch das eindringende Wasser das Mauerwerk feucht und löste sich deshalb der Putz ab, so war die Ablösung die Folge mangelhafter Unterhaltung des Gebäudes. Ist insoweit vom Beschädigten der Beweis erbracht, so haftet der Besitzer, sofern er seinerseits nicht den Beweis erbringt, daß er zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. War der Putz, wenn auch nur an einzelnen Stellen, schadhaft, 29

) Vgl. R G in H R R 1935 Nr. 730. ) Vgl. B G H in L M Nr. 4 zu § 836. ) Delius, Haftung für den Einsturz 15. 32 ) Dieser dem Besitzer obliegende Entlastungsbeweis ist erbracht, wenn er im allgemeinen während der Besitzzeit die zur Verhütung solcher Gefahren verkehrsüblichen Maßnahmen und von Zeit zu Zeit Revisionen vorgenommen hat, hierbei aber keine Schäden entdecken konnte. SeuffArch. 61 Nr. 6 (RG). Eine jährlich einmalige Prüfung der Stromleitungsdrähte und Schutznetze genügt wenigstens an den Straßenkreuzungen nicht zum Entschuldungsbeweis ( O L G 18, 85; SeuffArch. 64 Nr. 30). Im Einzelfall kann neben der Betreuung durch eine sachkundige Person auch noch eigene Nachprüfung geboten sein (BGH in N J W 1956, 506). Wegen des lebhaften Personenverkehrs und der fortwährenden Erschütterungen sind Bahnhofgebäude besonders sorgfältig auf die Gefahr der Ablösung (z.B. des Verputzes) zu untersuchen (Recht 1921 Nr. 2180, RG). Vgl. auch B G H in L M Nr. 4 u. 6 zu § 836 (Die Haftung geht auf den Erben des Eigenbesitzers über von dem Zeitpunkt an, in dem er vom Erbfall Kenntnis erhält. 30

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

konnten die Stücke, die herabzufallen drohten, Beschädigungen verursachen und konnte dies der Besitzer bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen, so ist dieser Entlastungsbeweis mißlungen33).

Ob der Einsturz äußerlich durch menschliche Tätigkeit oder durch ein Naturereignis v e r a n l a ß t ist, macht keinen Unterschied, es kommt auf die V e r u r s a c h u n g an 34 ), Wenn ein Erdbeben oder eine durch unterirdische Gewässer herbeigeführte Senkung des Bodens Risse in der Mauer verursacht hat, dann liegt es dem Verantwortlichen ob, a l s b a l d geeignete Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Tut er das nicht, so hat er seine Unterhaltungspflicht mangelhaft erfüllt. Stürzt in diesem Fall die Mauer zusammen, bevor der Besitzer in der Lage war, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, so haftet er dagegen nicht für den Schaden; denn dann ist er keine Folge der mangelhaften Unterhaltung. Ebenso liegt der Fall, wenn der Baumeister durch fehlerhafte Konstruktion einen gefahrdrohenden Zustand verursacht hat. Auch hier ist es Sache des Besitzers, alsbald die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Zu einer ordnungsgemäßen Unterhaltung eines Werkes oder Gebäudes gehört es, diese regelmäßig durch einen zuverlässigen Sachverständigen nachprüfen zu lassen (RG in J W 1931, 194; B G H in N J W 56, 506: Untersuchung eines Hochkamins). Schon aus dem Nichtstandhalten des Gebäudes gegenüber dem voraussehbaren regelmäßigen Einwirkungen des Wetters kann ein Schluß auf fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung gezogen werden. Für die Anwendung des § 836 genügt die Feststellung, daß entweder wetterfestes Material nicht verwendet worden ist, oder daß der verwendete Stoff nicht sorgsam instandgehalten worden ist. Auch schwierige und kostspielige Methoden zur Verhütung sind erforderlich, wenn die gewöhnlichen Untersuchungen nicht ausreichen (LeipzZ 1921, 454; Recht 1921 Nr. 2186, 2380, 2381). Die Anforderungen an den Entlastungsbeweis des Besitzers sind entsprechend der Entstehungsgeschichte des Gesetzes hochzustellen (vgl. SeuffA 78 Nr. 128). Weitergehend als § 831 ist der Nachweis fortdauernder Überwachung zu fordern (LeipzZ 1921, 226; Recht 1921 Nr. 1371).

Das Wesentliche ist also: der Einsturz muß zurückzuführen sein auf Ursachen, die im Gebäude selbst liegen. Die Haftung tritt nicht ein, wenn das Ereignis durch Vorgänge herbeigeführt ist, die ganz unabhängig vom Zustande des Hauses gewirkt haben, wie Erdbeben oder Überschwemmung, sofern sie den Einsturz oder die Ablösung unmittelbar bewirkt haben. Wenn sie nur einen schadhaften Zustand herbeigeführt haben, der aber wieder zu beheben war, dann tritt unter den sonstigen Voraussetzungen die Ersatzpflicht ein35). Besondere Sorgfalt ist geboten bei Ruinengrundstücken an verkehrsreichen Straßen, wenn auch im allgemeinen die Sorgfaltspflicht bei Ruinen nicht überspannt werden darf 36 ). 33

) Gruchot 52, 129 (RG). ) Vgl. Planck Anm. 2c zu § 836. Der Besitzer eines Baugerüstes hat die erforderliche Sorgfalt nicht angewendet, wenn die polizeilich verlangten Absperrmaßnahmen vor völliger Fertigstellung des Gerüstes fehlten (Recht 1924 Nr. 637). 36 ) Delius, Haftung für den Einsturz 15. 36 ) Vgl. B G H in L M Nr. 1 zu § 836; VersR 1953, 432. M

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d 1D IV 2

Wird ein mangelhaft gebautes Haus durch einen Sturmwind zum Einsturz gebracht, so ist der Einsturz dann eine Folge des fehlerhaften Bauzustandes, wenn das Haus bei fehlerloser Beschaffenheit dem Sturmwinde widerstanden hätte. Ablösung von Teilen ist jede Lockerung der Verbindung eines Teils mit dem übrigen unversehrt gebliebenen Ganzen. § 836 ist auch anwendbar, wenn das Herausstürzen eines bereits gelockerten Gebäudeteils durch menschliche Tätigkeit veranlaßt wird (Recht 19 Nr. 1785, Gruch. 64, 109 und 71, 257, R G 133, 6).

Die Haftung aus § 836 besteht nicht, wenn der Zusammenhang zwischen dem herabgestürzten Mauerteil und dem mit dem Grundstück verbundenen Werk schon vor dem Unfall durch Menschenhand getrennt war.36a) Ebensowenig tritt die Haftung aus § 836 B G B ein, wenn bei einer baulichen Änderung i n f o l g e der Bauarbeiten ein Einsturz oder eine Ablösung von Teilen erfolgt. Der Einsturz einer Brandmauer ist als Ablösung eines Teils eines Gebäudes anzusehen. Der Hauseigentümer entgeht seiner Haftung nicht durch den Hinweis, daß die Gebäudetrümmer zugunsten der Stadt beschlagnahmt seien. Haftungsgrundlage ist ein vermutetes Verschulden des Eigentümers mit der ihm vorbehaltenen Möglichkeit, sich durch den Nachweis zu entlasten, daß er die zur Abwendung der Einsturzgefahr im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe. Die Frage, ob bei § 836 B G B ein Mitverschulden beachtlich sei, ist zu bejahen (NJW 1948, 427) 37 ).

Neben dem Besitzer haftet nach § 836 Abs. 2 B G B für den entstandenen Schaden auch der f r ü h e r e Eigenbesitzer, wenn der Einsturz innerhalb eines Jahres nach der Beendigung seines Besitzes eingetreten ist, es sei denn, daß er während seines Besitzes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder ein späterer Besitzer durch Beobachtung dieser Sorgfalt den Schaden hätte abwenden können. Diese Bestimmung ist getroffen, daß eine Solidarhaftung des früheren und des späteren Besitzers vorkommen kann38). Die Verbindlichkeit des späteren Besitzers schließt jedoch die des früheren aus. Im übrigen haften neben bzw. an Stelle des Besitzers diejenigen Personen, welche für den Anspruch aus § 908 B G B passiv legitimiert ist. (S. oben 232.) Die Haftung eines Dritten für Verschulden nach § 823 B G B , z.B. des Baumeisters, bleibt d a n e b e n bestehen. Mehrere Ersatzpflichtige haften solidarisch (§ 840 BGB), untereinander nach § 426 zu gleichen Teilen, bei Verschulden eines Einzelnen dieser allein (§ 840 Abs. 2 u. 3 BGB). 2. U m f a n g des S c h a d e n s . Der Schaden ist im vollen Umfang zu ersetzen. Ist das Gewölbe eines Kellers, den der Grunddienstbarkeitberech36a) Vgl. L G Konstanz in M D R 58, 591 (Auf der Straße liegender Draht). 37 ) Vgl. O L G Hamburg in H E Z 1 , 1 5 3 ; B G H in L M Nr. 1 zu § 836; Venzner (i960): Mitverursachung und Mitverschulden. 38 ) Planck Bern. 2b zu § 836; Delius, Haftung für den Einsturz 17, ist dagegen der Ansicht, daß eine Solidarhaftung des früheren und des späteren Besitzers nicht vorkommen könne, da die Verbindlichkeit des einen die des anderen ausschließe.

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tigte unter einem fremden Keller hält, eingestürzt und der Berechtigte für den dadurch herbeigeführten Einsturz des darüberstehenden Hauses ersatzpflichtig, so kann dessen Eigentümer Wiederherstellung des Hauses, oder den hierfür erforderlichen Geldbetrag, außerdem Ersatz des Ausfalls v o n Miete fordern. A u c h der mittelbar (durch adäquate Verursachung) herbeigeführte Schaden ist zu ersetzen 39 ).

§ 16 a. Trümmergesetz Die Zerstörung zahlreicher Gebäude durch Kriegseinwirkungen hat in vielen Orten, insbesondere in Städten und Industriegebieten, außerordentliche Gefahren verursacht, deren Beseitigung die Eigentümer der einzelnen Grundstücke nicht gewachsen sind. Das Allgemeininteresse gebot daher eine gesetzliche Sonderregelung. In Bayern geschah dies durch das Trümmergesetz v o m 30. 5. 1949 (GVB1. 117) und die D V O hierzu v o m 20.2.1950 (GVB1. 46) 1 ). Hierdurch wurde die Behebung der gefahrdrohenden Z u stände als Aufgabe der Gemeinden erklärt, die ja als Träger der Sicherheits-, Verkehrs- und Gesundheitspolizei in erster Linie dazu berufen sind. Sache der Gemeinden ist es, die aus den Ruinen drohenden Gefahren zu beseitigen, die Trümmergrundstücke zu räumen und die hierbei gewonnenen Trümmer zu verwerten. Die Rechte der Eigentümer der Ruinengrundstücke sind nach dem Trümmergesetz dadurch gewahrt, daß v o r der Räumung unter Beteiligung des Grundstückseigentümers der Schadenszustand festgestellt werden muß und dem Eigentümer die Räumung mit eigenen Mitteln anheimgegeben wird; entschließt sich der Eigentümer selbst zur Räumung, so hat er dies vier Wochen v o r Beginn der Räumung der Gemeinde mitzuteilen. Diese kann dann bestimmte Fristen setzen und A u f l a g e n machen. Falls ein Ruineneigentümer nicht selbst räumt, oder den v o n der Gemeinde bestimmten Auflagen nicht nachkommt, hat die Gemeinde die Räumung durchzuführen. Die Aufgabe der Gemeinde beschränkt sich jedoch auf gefahrdrohende Zustände aus Trümmergrundstücken. A l s Gefahren gelten solche, die durch einsturzgefährdete Mauern und Bauteile 39) RG in SeufiEA 79 Nr. 168 (Der von einer Starkstromleitung infolge Durchschmelze herabhängende noch unter Strom stehende Draht verursacht beim Berühren den Tod eines Menschen). Vgl. auch RG in HRR 1930 Nr. 1104; DR 1940, 723. *) H a m b u r g : EnttrümmGes. vom 31. 7. 1948 mit D V O vom 3. 8. 1948 (GVB1. 75 u. 81); Hessen: TrGes. vom 21. 12. 1949 und vom 20 12. 1949, D V O vom 22. 9. 1949 (GVB1. 1950, 1); N i e d e r s a c h s e n : TrGes. vom 21. 3. u. 10. 4. 1949 (GVB1. Nds. 64, 89 u. 96); N o r d - R h e i n - W . : TrGes. vom 2. 6. 1948 (GVB1. 106) und vom 2. 5. 1949 (GVB1. 109); S c h l e s w i g - H . : TrGes. vom 21. 3. 1948 (GVB1. 209); W ü r t t e m b e r g Baden: TrGes. vom 25. 11. 1948 (RGBl. 173 u. 455).

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Triimmergesetz

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einschließlich Kellermauern und Kellerdecken, durch herabfallende Trümmer oder lose Mauern, sowie durch Entstehen von Seuchen (Rattenplage) verursacht werden können (§ 2 D V O vom 20. 2. 1950). Nimmt die Gemeinde die Beseitigung der Trümmer oder gefahrdrohender Zustände vor, so gehen die Trümmer in das Eigentum der Gemeinde über. Eine Entschädigung des Grundstücks-(Ruinen-)Eigentümers für die Trümmer kommt nur insoweit in Frage, als die Kosten der Räumung und eventueller Sicherungsmaßnahmen niedriger sind als der Wert der Trümmer (vgl. Art. 4 und 6 TrGes. und § 7 DYO). Für die Lagerung der Trümmer, für die Anlagen zu ihrer Beförderung und Verwertung sowie für die Unterstellung der hierfür erforderlichen Geräte haben die Gemeinden geeignete Plätze zur Verfügung zu stellen. Soweit den Gemeinden eigene Lagerplätze nicht zur Verfügung stehen, sind sie berechtigt, Grundstücke Dritter mit Rechten für die Gemeinde zu belasten oder zugunsten der Gemeinde zu enteignen. Auf die Enteignung finden die Vorschriften des EnteignGes. vom 1.8. 1933 (GVB1. 217) und 9. 12. 1943 (GVB1. 1947, 1) Anwendung. Gegen alle Anordnungen und Entscheidungen der Gemeinde bei Räumung der Trümmergrundstücke, bei Verwertung der Trümmer und bei Beseitigung gefahrdrohender Zustände steht den Grundstückseigentümern und sonst Betroffenen der Verwaltungsrechtsweg gemäß §§ 40 ff. V w G O vom 21. 1. 60 (BGBl. I, 17). Das BayTrGes. geht davon aus, daß die Eigentumsrechte des Grundstückseigentümers durch Zerstörungen infolge Kriegseinwirkung keine rechtliche Einbuße erlitten haben. Die durch Gebäudeeinsturz entstandenen Gebäudeteile (Trümmer) sind nicht etwa herrenlos geworden; § 959 B G B findet daher keine Anwendung. Bei Ineinanderfallen von Einsturzteilen verschiedener benachbarter Gebäude besteht das Eigentum des ursprünglichen Eigentümers an den Trümmern fort, wenn diese nicht untrennbar mit einander vermengt sind und ohne unverhältnismäßig hohe Kosten ausgeschieden werden können (§§ 947, 948 BGB). Im Falle einer untrennbaren Vermengung werden die bisherigen Eigentümer der einzelnen Gebäudeteile Miteigentümer an den Trümmern nach dem Verhältnis des Wertes, den die Sachen zur Zeit der Verbindung hatten. Durch die Regelung der Ruinengefahren im Bay TrGes. entfallen in der Regel die privatrechtlichen Ansprüche eines Grundstückseigentümers auf Beseitigung von Trümmern, die durch Einsturz des Nachbargebäudes auf sein Grundstück gefallen sind oder die sonst irgendwie sein Grundstück beeinträchtigen (wie etwa durch Eindringen vonFeuchtigkeit). Ein Anspruch aus § 907 B G B könnte dann in Frage kommen, wenn der Ruineneigentümer 249

§16a

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zur Entstehung eines Trümmerhaufens, der auf das Nachbargrundstück schädigend einwirkt, irgendwie beigetragen hat (vgl. BetrBer. 1947, 259). Für die Haftung des Eigentümers eines Ruinengrundstücks sind die Vorschriften der §§ 908, 836, 837 und 838 B G B maßgebend. Grundsätzlich hat jeder Eigentümer eines Ruinengrundstücks dieses auf eine Einsturzgefahr zu überwachen. Die Haftung eines Ruineneigentümers für Einwirkungen auf Nachbargrundstücke ist grundsätzlich aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnises (§ 242 BGB) zu beurteilen. Insbesondere hat hiernach der Ruineneigentümer die Pflicht, auf dem Ruinengrundstück alle jene Vorkehrungen treffen zu lassen, die zum Zwecke der Beseitigung von Beeinträchtigungen (z. B. Feuchtigkeits- oder SchwammHerd) erforderlich sind. Insoweit muß das Betreten und allenfalls auch das Entschutten des Ruinengrundstücks erlaubt werden2). Kommt der Ruineneigentümer seiner Verpflichtung nicht nach, so hat das zuständige Landratsamt (bzw. die kreisfreie Gemeinde) gem. Art. 42 Abs. 3 u. 78 L S t V G in Verb. m. Art. 4 Trümmerges. die zur Beseitigung eines Gefahrenzustandes notwendigen Maßnahmen zu treffen3). Umstritten ist die Frage, ob ein Trümmergrundstück als eine Anlage i. S. von § 907 B G B anzusehen ist. Sie wird überwiegend verneint. Aus dem Grundeigentum allein kann nicht etwa eine Rechtspflicht abgeleitet werden, jeden Schaden zu verhüten, der einem Nachbarn droht4). In der Tatache, daß von einem Trümmergrundstück aus Feuchtigkeit in ein Nachbargrundstück eindringt, ist ein Naturereignis zu sehen, das unabhängig von einer Willensbetätigung des Ruineneigentümers eintritt. Daher fehlt der adäquate Zusammenhang5). Auch eine Hausruine, z.B. eine stehengebliebene Brandmauer, ist als Teil eines Gebäudes im Sinne des § 836 B G B anzusehen. Welche Maßnahmen des Grundbesitzers zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflicht erforderlich sind, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Hierzu gehört nicht in jedem Fall ein Tätigwerden des Besitzers. Der Sorgfaltspflicht kann Genüge geleistet sein, wenn der Grundbesitzer gegenüber der gutachtlichen Äußerung eines städtischen Beamten keinen Grund zu weiteren Maßnahmen finden brauchte. Allerdings trifft in Fällen, in denen mit einem Bauwerk besondere Gefahren verbunden sind, den Besitzer eine besondere Sorgfaltspflicht. E s kann daher die Frage auftauchen, ob sich der Grundstücksbesitzer mit einer ersten Begutachtung der Brandmauer auch dann zufrieden geben durfte, wenn die Brandmauer längere Zeit den Witterungseinflüssen ausgesetzt gewesen und die Einsturzgefahr vergrößert worden ist (BetrB 1950, 1 7 8 ; O G H Br.Z.). — Vgl. H E Z 2, 256 (Hamburg) — M D R 1949, 554. 2 ) Vgl. O L G Düsseldorf N J W 53, 1394; Meisner-Stern-Hodes Pr. Nachbr. § 38a II, 2 d. 3 ) Vgl. B G H in N J W 55, 258 zu Art. 41 P r V G . 4 ) Vgl. O L G Hamm in N J W 54, 273; Hamburg M D R 56, 352; Köln in N J W 56, 1564; Hodes in N J W 54, 1348. A . M . Weskott in N J W 5 3 , 1 1 0 9 ; Bartsch in N J W 56, 1266. 5 ) Vgl. B G H in N J W 52, 1010; 56, 382; s. oben F N 33. § 14, S. 1 9 3 ; vgl. auch R G 149, 205; 159, 129.

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Verbotenes Vertiefen des Erdbodens

§17 Ii

§ 17. Verbotenes Vertiefen des Erdbodens* I. B e g r i f f e und V o r a u s s e t z u n g e n des u n z u l ä s s i g e n Vertiefens 1. Das römische Recht gab im Falle des gefährlichen Grabens in der Nähe der Grenze nur den Anspruch auf cautio damni infecti. Weder durch das Bürgerliche Gesetzbuch, noch durch die bayerischen Ausführungsgesetze ist ein zivilrechtlicher Zwang eingeführt, bei Abgrabungen einen bestimmten Abstand von der Grenze einzuhalten. Der Grundeigentümer ist daher an sich berechtigt, senkrecht an der Grenze herunter zu graben. Jede, wenn auch minimale Grenzüberschreitung (Ausnahme in § 912) begründet den Anspruch auf § 1004 B G B , eventuell aus § 823 B G B . Aber solange die Grenze nicht überschritten wird, darf unmittelbar an derselben heruntergegraben werden, auch wenn dadurch dem Nachbargrundstück geschadet, z. B. bewirkt wird, daß diesem durch den Sonnenbrand die Feuchtigkeit entzogen wird, so daß längs der Abgrabung die Pflanzen nicht mehr gedeihen können1) oder durch die Abgrabung die unterirdischen Wasserläufe verändert werden, so daß der Brunnen des Nachbars versiegt (vgl. jedoch Art. 19 W G und seit 1. 3. i960 das Wasserhaushaltgesetz vom 27. 7. 1957 (BGBl. I, 1 1 1 0 ) idF. vom 19. 2.1959 (BGBl. I, 37), nach dessen §§2 und 3 Abs. 2 jede Veränderung des Grundwasserlaufs einer Genehmigung unterworfen ist — vgl. dazu auch Art. 32 Entw. des BayWG). § 909 B G B bestimmt nun, daß ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden darf, daß der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert; es sei denn, was Sache des Einredebeweises ist, daß für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist. G r u n d s t ü c k im Sinne des § 909 ist der Grund und Boden des Grundstücks ; der Boden kann auch ein künstlich erhöhter sein. Die vom BGH 2 ) § 17. *) Schrifttum: Grübnanu.Weber (1938): Häuserschädenu. Grundwassersenkung; Klausing-Paul (1940): Häuser- u. Grundstücksschäden durch Grundwassersenkung; Weber D W A 1939, 1 0 4 ; Schäffer D J Z 1936, 1009; Felix in N J W 1957, 1547. Die früher (Scherer SR 182) vertretene Ansicht, der abgrabende Grundeigentümer müsse einen Schutzstreifen liegen lassen, findet im Gesetze keine Stütze Der Eigentümer ist Herr seines Grundstücks; er braucht auf den Nachbar nicht weiter Rücksicht zu nehmen, als ihm durch das Gesetz zur Pflicht gemacht wird. Vgl. O G H 5, 2 1 8 ; 7, 403; SeuffA 47 Nr. 96. Anders wäre es natürlich, wenn dem Nachbargrundstück ein Anwenderecht zustehen würde. In diesem Fall hat der Nachbar einen Anspruch darauf, daß ein zum Wenden genügender Streifen Landes jenseits der Grenze liegengelassen wird. Vgl. hierüber unten § 26. Für das öffentliche Recht sind nun durch das BayStrWG vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147) in Art. 23 fr. Abstände der Hochbauten von öffentlichen Straßen sowie Schutzmaßnahmen bei Errichtung und Änderung von Bauanlagen vorgesehen. 2 ) V g l B G H Z 12, 78 = N J W J 4 , 593; in dieser Entscheidung wird unter Grundstück i. S. von § 909 B G B nur das durch das Grundbuchrecht abgegrenzte Grundeigentum

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II. Abschnitt: Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

vertretene Ansicht, in § 909 B G B werde nur die Festigkeit des B o d e n s des Nachbargrundstücks geschützt, nicht auch die Bestandteile weiterer benachbarter Grundstücke, wenn deren Boden nicht in Mitleidenschaft gezogen werde, läßt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus seiner Entstehungsgeschichte und seinem Sinn und Zweck rechtfertigen. Zum Boden werden Aufhöhungen in der Regel nur dann, wenn sie dafür gemacht werden, ihn tauglich zu machen, zu solchen Zwecken denen er nach allgemeiner Auffassung dienen soll: z.B. Erhöhungen eines zu niedrigen Baugeländes oder Ausgleichung von Bodensenkungen. Anderes gilt dann, wenn die Aufschüttung vorgenommen wird, um das Grundstück nur dem besonderen Zweck geeignet zu machen, den der jeweilige Eigentümer mit ihm verbindet, insbesondere zu der gewerblichen Anlage, die er auf dem Grundstück errichtet. Es erscheint dann die Aufschüttung als ein Teil der Anlage, die auf dem Boden errichtet wird (OLG 31, 319). Unter V e r t i e f u n g eines Nachbargrundstückes versteht man jede Wegnahme von Bestandteilen des Bodens, gleichviel zu welchem Zweck dies geschieht (z. B. Unterkellerung eines Hauses)3), Anlage eines Steinbruches, einer Senkgrube, eines Fundamentes4) für einen Neubau, eines Fischteiches, eines Bergwerks, Abbau von Lehm, Ton 5 ) usw. Die Abtragung eines Rains oder einer Böschung mit der Folge, daß diese steiler wird, ist als Vertiefung zu erachten6). Daß der durch die Vertiefung bewirkte Zustand auf eine gewisse Dauer angelegt ist, ist nicht erforderlich; deshalb fällt auch das stückweise Ausheben eines Fundamentes behufs sofortiger Wiederauffüllung unter § 9097). Der B o d e n bildet ein zusammenhängendes Ganzes. Ein Teil bedarf des anderen, um den Zusammenhang zu behalten. Durch eine Vertiefung des Grundstückes verliert das Nachbargrundstück die erforderliche Stütze, wenn seinem Boden infolge der Vertiefung der Halt entzogen wird, so daß die Gefahr eines Einsturzes oder der Senkung besteht. § 909 spricht nur von dem Boden des Nachbargrundstückes. Darunter hat man den Erdkörper als solchen mit seinen natürlichen Bestandteilen zu verstehen. Wenn aber der Boden des Nachbargrundstückes durch darauf errichtete Anlagen beschwert ist, so erfordert die dadurch bewirkte Mehrung des Drucks eine stärkere Stütze zur Bewahrung des Zusammenhalts. Es fragt sich, ob die verstanden. Vgl. dazu R G Z 70, 206 und Staudinger-Seufert Randb. o zu § 909. V g l unten F N 8a. 3 ) Vgl. Bolze 16 Nr. 47. *) Vgl. SeuffA 51, Nr. 8; R G in J W 1910, 150; Recht 1937 Nr. 143 (Kabelgraben). 6 ) Vgl. Wahnschaffe Recht 1 9 1 3 , 492. e ) Vgl. Warneyer 2 Nr. 2 (Zweibrücken); SeuffA 64 Nr. m (Stuttgart, Böschung eines Straßenkörpers). ' ) SeuffA 58 Nr. 53; 64 Nr. 32 (Zweibrücken); R G 51, 179.

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Vertiefung so ausgeführt werden muß, daß der Boden des Nachbargrundstückes mit den darauf errichteten Anlagen die erforderliche Stütze behält. Diese Frage ist an sich zu bejahen8). Es sind aber Fälle denkbar, bei denen eine andere Beurteilung eintreten muß. Der Begriff N a c h b a r s c h a f t umfaßt den Einwirkungskreis der Vertiefungsarbeiten, kann sich daher auch auf ein nicht unmittelbar angrenzendes Grundstück beziehen8a). Hat der Nachbar auf seinem Grundstück eine Steinhalde sehr hoch aufgetürmt, so kann der dadurch ausgeübte Druck so stark sein, daß dem Angrenzet ein lohnender Abbau des auf seinem Grundstücke befindlichen Lehmes oder Tones unmöglich gemacht wird, wenn er für anderweitige Befestigung des Haldengrundstücks auf seine Kosten sorgen muß. Es will schwer einleuchten, daß er diesen Schaden tragen soll 9 ). Ein anderes besonders häufig vorkommendes Beispiel: Auf dem Grundstück steht ein schlecht fundamentiertes oder baulich schlecht unterhaltenes Haus, dessen Wände schief stehen und rissig sind. Das R G zieht daraus die Folgerung, daß der Angrenzer, der auf seinem Grundstück eine Vertiefung vornehmen will, zur Verhütung des Einsturzes des Nachbarhauses besonders sorgfältige, m. a. W. sehr kostspielige Vorkehrungen treffen müsse 10 ). Dieses Ergebnis ist durchaus unbefriedigend. Es führt dazu, daß der Angrenzer auf seine Kosten dem Haus die ihm fehlende genügende Fundamentierung beschaffen oder die für die Ausnützung seines Grundstücks erforderliche Vertiefung unterlassen muß. Rücksichten auf das nachbarliche Zusammenleben erfordern je nach Lage des Falles einen angemessenen Ausgleich §( 242 B G B — vgl. R G 132, 5 1 ; Böhmer M D R 59, 261).

Der Zusammenhang der einzelnen Teile des Erdkörpers ist an sich kein völlig unveränderlicher. Auch ohne menschliche Einwirkung gehen im Innern des Erdkörpers Veränderungen vor sich, die auch unter normalen Verhältnissen gewisse, wenn auch im allgemeinen unerhebliche Verschiebungen und Senkungen herbeiführen. Es sei hier nur auf die Einwirkung der atmosphärischen Niederschläge und eine Änderung in den Grundwasserverhältnissen verwiesen. Auch die Benützung der Erdoberfläche durch die menschliche Wirtschaft übt einen gewissen Einfluß auf den Zusammenhang und die Verlagerung der Erdkörperbestandteile aus. Man denke an die Erschütterungen durch einen benachbarten Fabrikbetrieb oder durch den Lastkraftwagenverkehr sowie durch den Eisenbahnbetrieb. Mit solchen geringfügigen und für die normale menschliche Wirtschaft unerheblichen Veränderungen muß die Wirtschaft rechnen und auch der Gesetzgeber (vgl. z.B. § 906). 8

) Vgl. SeuffA 51 Nr. 8; Bolze 14, 4 1 ; Marwitz in J W 1916, 1179. ) Vgl. R G 167, 1 4 ; a.A. B G H in N J W 54, 593 = B G H Z 12, 78; hier wird dem nicht unmittelbar an das vertiefte Grundstück angrenzenden, aber durch Abreißen einer Seitenwand geschädigten Grundeigentümer der Anspruch versagt, weil unter NachbarGrundstück i.S. von § 909 nur das grundbuchrechtlich abgegrenzte zu verstehen sei; es wäre anders entschieden worden, wenn das vertiefte und das zwischen diesem und dem geschädigten gelegene Grundstück demselben Eigentümer gehört hätten. Dagegen mit überzeugenden Ausführungen Staudinger-Seufert Randb. 33 zu § 909. 9 ) Vgl. hierzu unten Anm. 45. 10 ) J W 1910, 330; Warneyer 1910, 23; 1912, 385. 8a

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

2. A n s p r u c h auf U n t e r l a s s u n g : i. § 909 behandelt nun die Vertiefung, die einen u n m i t t e l b a r e n und sinnfälligen Einfluß auf den Zusammenhalt der Erdkörperbestandteile ausübt und bestimmt, daß ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden darf, daß der Boden des Nachbargrundstückes die „ e r f o r d e r l i c h e S t ü t z e " verliert. Unter „Stütze" ist sowohl der vertikale wie auch der horizontale Halt zu verstehen. Die erforderliche Stütze ist ein relativer Begriff. Erforderlich ist die Stütze die der Boden braucht, um den Zwecken zu genügen, zu welchen er von der menschlichen Wirtschaft benützt wird. Eine durch die Vertiefung herbeigeführte Senkung, die so minimal ist, daß die wirtschaftliche Benützung des Bodens hiervon nicht berührt wird, kommt für die Anwendung des Gesetzes nicht in Betracht. Es ist nicht eine solche Stütze erforderlich, daß das angrenzende Erdreich sich auch nicht um einen Millimeter in seiner Verlagerung ändert. Man denke z.B. an den Fall, daß auf einem Grundstück Präzisionsinstrumente in Tätigkeit sind. Hier kann vom Nachbar nicht verlangt werden, daß er bei einer Vertiefung so verfährt, daß diese Instrumente nicht im mindesten in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Grund besteht darin, daß es sich bei der Aufstellung von Präzisionsinstrumenten um eine ganz außergewöhnliche Art von Benützung handelt. Eine Stütze, die einer solchen a u ß e r g e w ö h n l i c h e Benützungsart Rechnung trägt, ist im Sinne des § 909 eben n i c h t erforderlich. Ganz außergewöhnliche Verhältnisse der Bodenbenützung oder ein o r d n u n g s w i d r i g e r Zustand des N a c h b a r g r u n d s t ü c k e s sind nicht einzubeziehen. Bestritten ist die Frage, ob eine Vertiefung dann unzulässig ist, wenn ein ohne genügendes Fundament errichtetes oder in seinem baulichen Zustand verwahrlostes Haus des Nachbarn eine geringfügige und für die menschliche Wirtschaft im allgemeinen unerhebliche Senkung des Bodens nicht aushält11). Diese Frage ist nach den Grundsätzen des § 242 im Hinblick auf die durch das nachbarliche Zusammenleben gebotene gegenseitige Rücksichtnahme je nach Lage des Einzelfalles zu entscheiden. Jedenfalls kann demjenigen, der sein Grundstück vertieft, nicht zugemutet werden, einem schlecht fundamentierten und ungenügend instandgehaltenen Gebäude des Nachbarn die fehlende Unterbauung unter erheblichem Kostenaufwand zu verschaffen12). Gewiß darf der Grundeigentümer sein Grundstück in jeder beliebigen Art benützen. u ) Marwitz, J W 1916, 1 1 9 7 leitet aus §§ 1024, 1060 durch analoge Anwendung ab, daß unter der erforderlichen Stütze nur eine solche zu verstehen sei, die einem ordnungsgemäß gebauten und unterhaltenen Gebäude Halt gewährt. Genügt diese Stütze wegen mangelhafter Beschaffenheit des Nachbargrundstücks nicht, dann kann der vertiefende Eigentümer die weiteren Schutzmaßnahmen dem Nachbar überlassen. 12 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 24 zu § 909; Meisner-Stern-Hodes § 20 Nr. 1 3 u. 14; Palandt-Hoche Bern. 2b zu § 909; a.A. R G i n J W 2 5 , 2 2 3 9 ; R G R K o m m . Bern. 5 zu § 909; Süß J W 34, 2234.

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Verbotenes Vertiefen des Erdbodens

§ 1 7

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Ordnungsmäßig, wie z.B. im Sinne des § 917, braucht seine Benützung nicht zu sein, um auf den Schutz des § 909 Anspruch zu haben. Aber andererseits wird eine solche Benützung durch § 909 nicht geschützt, die auch bei einem Mindestmaß von Anforderungen als ordnungswidrig zu erachten ist. Unter S t ü t z e ist nicht nur der vertikale Halt zu verstehen, welchen die benachbarten Grundstücke einander gegenseitig gewähren, so daß das seitliche Abstürzen oder Nachstürzen (von Gestein) nicht eintritt, sondern auch die horizontale Stütze, die ein Grundstück in seinen unteren Bodenschichten findet und durch die ein Einbruch, ein Zusammenstürzen verhindert wird (in dem in Gruchot 5 8, 664 entschiedenen Fall war der Moorboden infolge Entziehung des Grundwassers zusammengesunken 13 ). Im übrigen fehlt die erforderliche Stütze nicht bloß dann, wenn der Zusammenhang selbst bereits verloren ist, sondern auch dann, wenn der Zusammenhang derart gelockert ist, daß früher oder später mit einem Einsturz oder einer Senkung zu rechnen ist (vgl. SeufFArch. 51, 8). Hierzu kann unter Umständen schon eine an sich unerhebliche Vertiefung genügen. A n einem Berghang liegen übereinander zwei Weinberge. Längs der oberen Grenze des tiefer liegenden Grundstücks hebt dessen Eigentümer einen Graben aus; das v o n oben kommende Wasser nimmt das fruchtbare Erdreich des oben liegenden Weinbergs nach und nach mit und der Tieferliegende fängt dieses Erdreich in seinem Graben auf. Eine solche Vertiefung ist unzulässig.

2. Die Entziehung der erforderlichen Stütze kann auch dadurch bewirkt werden, daß dem Boden durch die Vertiefung das G r u n d w a s s e r e n t z o g e n und das darüber liegende Erdreich gesenkt wird. Dadurch allein, daß infolge der Vertiefung der Grundwasserstand sinkt oder der Brunnen des Nachbarn versiegt, wird § 909 freilich nicht anwendbar 14 ); wenn aber 13 ) V g l . R G Z 132, 52 (Durch Ausschachtungen und Senkung des Grundwasserspiegels waren Risse am Gebäude des Nachbarn aufgetreten; es war zu prüfen, o b diese Risse auf Einwirkungen auf die Stützen des Bodens zurückzuführen waren); R G Z 144, 171 (Bei der Fundierung eines Neubaues waren eiserne Rohre in den Boden gesenkt, dann die Erde daraus entfernt und dafür Beton eingestampft worden; darin erblickte das Gericht eine — wenn auch nur vorübergehende Vertiefung des Bodens, wobei das Nachbargebäude die erforderliche Stütze in den unteren Bodenschichten verloren habe). 14 ) Vgl. R G Z 155, 391; 167, 20 (Eine Vertiefung kann auch darin liegen, daß durch Anlegung eines Brunnens oder durch Tiefbauten und die damit verbundene Wasserentnahme oder Grundwassersenkung dem Nachbargrundstück erst nach Jahren der erforderliche Halt entzogen wird); vgl. dazu die Bemerkungen von Eplinius i n J W i 9 3 7 , 3228); vgl. ferner Gruch 58, 664 (Bei Entziehung des Grundwassers war die aus Moorgrund bestehende untere Bodenschicht zusammengesunken). § 909 B G B ist anwendbar, wenn bei Tiefbauten durch Senkung des Grundwassers der Pfahlrost, auf dem ein Gebäude errichtet ist, in Fäulnis gerät. Das Gundwasserschöpfen gehört hierbei untrennbar zu den durch Grundwassersenkung ermöglichten Bauarbeiten.

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§ J- * 13

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

die Festigkeit und Tragfähigkeit des Bodens des Nachbargrundstücks auf einem gewissen Stande des Grundwasser unter ihm beruht und wenn dem Boden durch die infolge der Vertiefung herbeigeführte Entziehung des Grundwassers die erforderliche Festigkeit entzogen wird, so daß das darauf befindliche Gebäude seine Stütze verliert, so findet § 909 Anwendung 15 ). 3. Ob die Entziehung der erforderlichen Stütze infolge der Ausführung einer beabsichtigten Vertiefung eintreten wird, ist eine technische Frage. Es genügt für den Anspruch auf Unterlassung der Vertiefung, daß ihre Ausführung eine G e f a h r 1 6 ) des Einsturzes oder der Senkung begründen würde; eine Gewißheit braucht nicht dargetan zu werden. Wenn eine steile Abgrabung vorgenommen ist, dann wird infolge der Witterungsverhältnisse (Wasser und Verwitterung) durch Abschwemmen und Abbröckeln allmählich eine Böschung gebildet, die sich solange fortentwickelt, bis die Standsicherheit erreicht ist. Dem Nachbargrundstücke ist durch eine auf einem Grundstück vorgenommene Vertiefung nur dann die erforderliche Stütze n i c h t entzogen, wenn die Vertiefung so weit von der Grenze entfernt bleibt, daß der stehengebliebene Geländestreifen die allmähliche Einstellung einer standsicheren Böschung ermöglicht, ohne daß die Oberfläche des Nachbargrundstückes für die Grundfläche der Böschung mit verwendet wird. Die B r e i t e des für die Böschung erforderlichen Schutzstreifens richtet sich nach Gewicht, Reibung und Zusammenhalt der in Betracht kommenden Bodenarten, nach der Gleichartigkeit der Masse und der Lage und Beschaffenheit der Auflagenschicht; man spricht von einem natürlichen Böschungswinkel, wie ihn die speziellen Bodenarten und Verhältnisse erfordern. Unter Böschungswinkel ist der Winkel zu verstehen, welchen die schräge Abdachung mit der Horizontalebene bildet. Die Höhe der Böschung bezeichnet die lotrechte Linie von dem höchsten Punkt der Abdachung auf die durch den Fuß der Böschung gelegte Horizontalebene. Der Abstand dieser Lotlinie von dem Fuß der Böschung bezeichnet die „Anlage" der Böschung. Die Böschung von 45 0 , bei welcher Höhe und Anlage gleich groß sind, wird als Böschung mit ganzer Anlage bezeichnet, wogegen man unter Böschung von 1 / i oder von dreifacher Anlage spricht, je nachdem die Anlage um 1ji kleiner oder um das Dreifache größer als die Höhe ist. Eine Böschung in gewachsener Lehmerde, die ohne Bekleidung standsicher sein soll, muß mindestens ganze Anlage haben. Nach dem „Handbuche der Ingenieurwissenschaften" ist in unserem Klima der natürliche Böschungswinkel für sandige Erdarten 1 % : 1 , unter ungünstigen Verhältnissen bis 2 : 1 und nur ausnahmsweise flacher; in Kies und Gerölle pflegen sich 16 ) O L G 26, 19 u. 20; R G 62, 372; bedenklich ist jedoch an dieser Entscheidung die Bemerkung: „Daß die Entziehung des Grundwassers unmittelbar erst mit dem Auspumpen des in dem vertieften Kanal angesammelten Wassers erfolgt ist, kann den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Vertiefung und der Entziehung des Grundwassers nicht beeinflussen." In solchem Falle hat nicht die V e r t i e f u n g , sondern erst die n a c h dem Vertiefen erfolgte Entziehung des Grundwassers die Bodensenkung herbeigeführt. Diese Frage gehört dem Wasserrecht an; vgl. Gruchot 54, 1014; JW. 1910, 330. — Wenn aber durch Pumpen bei Anlage eines Brunnens nicht das Grundwasser, sondern die Flugsandschicht des Nachbargrundstücks abgehoben und diesem dadurch die Stütze entzogen wird, ist § 909 B G B . einschlägig Das WHG. vom 27. 7. 1957 idF. vom 29. 2. 1959 (BGBl. I, 37) hat durch §§ 2 u. 3 Abs. 2 sowie § 33 das Absenken oder Umleiten des Grundwassers einer behördlichen Genehmigung unterworfen; vgl. dazu Art. 15 u. 32 Entwurf BayWG. Hier handelt es sich um Schutzgesetze i. S. von § 823 Abs. 2 B G B . 16 ) S. oben § 16, i b . Vgl. Bolze 14 Nr. 40.

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§ 1 7 I 4

die Böschungen bei einer Steigung von i 1 ^ : i, in weichem Tagegestein u. dgl. bei einer Steigung von i : i und in festem Gestein je nach dem Grade der Wetterbeständigkeit in steiler Lage bis zur senkrechten dauernd zu halten. Nach Loewe Straßenbau sind die erforderlichen SteigungsVerhältnisse für Humus i % : i, lehmige Erden 1 Y 4 : i bis i : i, wenn die Einschnittstiefen nicht mehr als 4—5 m betragen und die durchschnittenen Bodenarten trocken gelagert sind. Angenommen z. B., es wäre auf einem Grundstück eine 1 m tiefe Sandschicht (hierfür Böschungswinkel 2 : i), darauffolgend eine 2 m tiefe kiesige Geröllschicht (hierfür Böschungswinkel 1V4 : 1); dann eine 2 m tiefe weiche Tagegesteinsschicht (hierfür Böschungswinkel 1 : 1) vorhanden, worauf standsicheres Felsgestein folgen würde, so würde eine 6 m tiefe Abgrabung 6,5 m von der Grenze entfernt bleiben (oder für anderweitige Sicherung gesorgt werden) müssen, falls der Gleichgewichtszustand für das Nachbargrundstück erhalten bleiben soll; nämlich für die 1 m tiefe Sandschicht 2 m, für die 2 m tiefe Geröllschicht 2 y 2 m, für die 2 m tiefe weiche Tagegesteinsschicht 2 m. Durch entsprechende Bekleidung (Faschinen, Sockelmauer, aufgesetzte Steinstützen u.a.) wird Standsicherheit bei viel steilerem Böschungswinkel hergestellt.

4. Wenn ein Eigentümer auf seinem Grundstück bereits eine Vertiefung vorgenommen (z. B. einen Keller ohne festes Mauerwerk ausgehoben) hat und sein N a c h b a r nimmt nun auf seinem Grundstück e b e n f a l l s eine Vertiefung vor, wird natürlich auch das Erdreich jenes Grundstücks viel leichter 2usammenfallen. Hier ist nach einem billigen Ausgleich und unter Zuteilung der gleichen Rechte an beide Nachbarn zu entscheiden, ob und inwieweit die neue Vertiefung unzulässig ist. Im allgemeinen muß davon ausgegangen werden, daß eine Vertiefung dann zulässig ist, wenn durch diese Vertiefung die Standsicherheit der benachbarten Grundstücke in ihrem dermaligen Zustand nicht beeinträchtigt wird. Durch das Zusammenwirken menschlicher Eingriffe bei Benützung des Bodens (Anlage von Kellern, Abbau von Bodenbestandteilen, Ausschachten von Fundamenten, Planierungen, Eisenbahneinschnitte), die am Fuß eines Berges vorgenommen werden und von denen jeder Eingriff für sich allein für die Standsicherheit bedeutungslos ist, kann im Laufe der Zeit die Bergmasse in eine labile Gleichgewichtslage gebracht werden, zu deren Störung und völliger Aufhebung es dann nur noch eines ganz geringfügigen menschlichen oder natürlichen Eingriffs bedarf. Der beabsichtigte Eingriff, von dem diese Wirkung vorauszusehen ist (Gefahr), muß unterbleiben, wenn er auch für sich allein betrachtet noch so geringfügig ist. War jedoch diese Wirkung nicht vorauszusehen, so besteht keine Haftung, wenn sie infolge des ausgeführten Eingriffs eintritt. Wenn an einem Berghang eine subkutane Bodenbewegung ( = Verschiebung der Gesteinsmasse unmittelbar unter der Vegetationsschicht) vorhanden, also ein Gebäude bergunsicher ist, dann muß jede Vertiefung unterbleiben. Wird sie dennoch ausgeführt und so die Gleichgewichtslage gestört, so wird die Wiederherstellung des vor dem Eingriff vorhandenen Zustandes unmöglich sein. Auf keinen Fall kann derjenige, der den Eingriff verursacht hat, angehalten werden, dem Gebäude eine bessere Standsicherheit zu geben, als es vor dem Eingriff hatte. Wenn der Boden s c h o n v o r 17 Meisner-Ring, Nachbarrccht, 5. Aufl.

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8 J- * 4,5

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

dem E i n g r i f f die n o t w e n d i g e S t ü t z e (infolge Bergflusses) n i c h t besessen hat, so kann nur die Wiederherstellung des Zustandes verlangt werden, der bestehen würde, wenn die Wirkung des Eingriffes nicht mehr vorhanden wäre. Der Kläger muß sich mit der Herstellung eines Zustandes begnügen, der nach wie vor standunsicher ist, nicht nur in höherem Maße, als dies vor dem Einbruch der Fall war. Die erforderliche Stütze ist nicht verloren, wenn sie schon vorher nicht vorhanden war. 5. Nur dann darf das Grundstück in der Weise vertieft werden, daß der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, wenn für eine genügend anderweitige Befestigung 17 ) gesorgt ist. Diese anderweitige Befestigung muß schon zur Zeit der Vertiefung wirken, so daß jede Gefahr eines Einsturzes oder einer Senkung für das Nachbargrundstück und dessen Anlagen ausgeschlossen ist. Durch die Vertiefung darf also nicht einmal eine vorübergehende Gefahr begründet werden18). Welcher Art die anderweitige Befestigung ist, ist gleichgültig. Der Nachbar muß deshalb auch mit einem noch so unschönen Gerüst zufrieden sein. Er kann auch nicht eine solche Befestigung verlangen, die eine besondere Dauerhaftigkeit gewährleistet. Versprießung mit Holzbalken ist daher genügend. Wenn diese später morsch werden, muß der Besitzer des vertieften Grundstückes eben anderweitige Fürsorge treffen. Daß diese anderweitige Befestigung genügend ist, hat er zu beweisen19). 17 ) Der Eigentümer eines Grundstücks ist regelmäßig (Notstand im Sinne des § 904 ausgenommen) nicht verpflichtet, das Betreten seines Grundstücks dem vertiefenden Nachbarn zwecks Vornahme der Befestigungsarbeiten zu gestatten. Diesem steht hierfür auch § 226 nicht zur Seite (Recht 1904, 252 Nr 1164 [Köln]). Unter besonderen Ausnahmeverhältnissen (z. B. zur Vermeidung unerträglicher Mehrkosten) -wird das Betreten des Nachbargrundstückes mit § 826 erzwungen werden können. Wenn nicht die Unterlassungsklage des § 909, sondern die Schadenersatzklage aus unerlaubter Handlung erhoben ist, dann kann dem Kläger unter Umständen der Einwand mitwirkendenVerschuldens (§254 Abs. 2) entgegengesetzt werden, wenn er die Betretung seines Grundstücks zwecks Vornahme der Befestigungsarbeiten verweigert hat (JW 1910, 330; Gruchot 54, 1010). J e nach Lage des Einzelfalles wird nach den Grundsätzen des § 242 zu prüfen sein, ob und inwieweit das Betreten des Nachbargrundstücks unter Abwägung der gegenseitigen Interessen aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Zusammenlebens zugemutet werden kann (vgl. auch Staudinger-Seufert Randbem. 32; RGRKomm. Bern. 5 je zu § 909). Das Herausziehen von Erde aus einem versenkten Rohr (Straußsches Gründungsverfahren) stellt eine Wegnahme von Bestandteilen des Bodens und damit eine Vertiefung dar. Daß die Vertiefung nur eine vorübergehende war, indem sie durch den in das Rohr eingelassenen Beton wieder ausgefüllt sei, ist unerheblich. Das Gesetz unterscheidet zwischen dauernder und vorübergehender Vertiefung. Unter Stütze im Sinne des § 909 ist sowohl die vertikale wie die horizontale zu verstehen ( R G 144, 177. — HHR 1935, 1207). 18 ) Nur für die Sicherungsmaßregeln, die zur Z e i t notwendig sind und für erforderliche Vorbereitung künftig notwendiger Maßnahmen muß der den Bau beginnende Nachbar sorgen. WürttZ 14, 317 (Stuttgart). 19 ) Demburg 3, 177; WürttZ 19, 278. A. M. Leonhard, Beweislast 413.

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§ 1 7 I 5,6

Für eine genügende anderweitige Befestigung ist gesorgt, wenn derjenige, der sein Grundstück vertiefen will, Schutzvorkehrungen getroffen hat, die ausreichen, um den Zusammenhang des Nachbarbodens mit den derzeit darauf stehenden Anlagen zu erhalten. Man wird aber noch weiter verlangen müssen, daß die Befestigung eine derartige sein muß, daß der Boden des Nachbargrundstückes auch eine Belastung durch weitere Anlagen verträgt, mit deren Errichtung unter Berücksichtigung aller Verhältnisse, namentlich der örtlichen Lage des Grundstücks zu rechnen ist. Auch hier zeigt sich die R e l a t i v i t ä t des Begriffes „ e r f o r d e r l i c h e S t ü t z e " . Handelt es sich um ein unbebautes, im freien Felde liegendes Nachbargrundstück, dann wird eine solche Befestigung, daß der Boden auch bei Errichtung eines Gebäudes in keiner Weise nachgibt, nicht erforderlich sein. Handelt es sich um einen Bauplatz, so ist eben eine anderweitige Befestigung erforderlich, die die bestimmungsgemäße Ausnützung des Bauplatzes durch Bebauung ins Auge faßt. Ist auf einem Grundstück durch eine Vertiefung demNachbargrundstück die n a t ü r l i c h e Stütze entzogen, so erwächst hierdurch dem Eigentümer die dauernde (auch auf den Sondernachfolger) übergehende Verpflichtung, für eine genügende anderweitige Befestigung zu sorgen; es muß also die Stützmauer in einem für ihren Zweck geeigneten Zustand unterhalten und in anderer Weise für die Erhaltung der Standsicherheit gesorgt werden. In der U n t e r l a s s u n g der Erfüllung dieser Pflicht liegt der Wirkung nach eine unzulässige Vertiefung. Wenn das Hügelgelände, wie es namentlich in Weinbaugebieten der Fall ist, in einzelne Terrassen abgeteilt ist, die durch Mauern (zumeist Trockenmauern) gestützt sind, dann obliegt dem einzelnen Weinbergbesitzer gegenüber dem Oberlieger aus § 909 (und aus § 908 auch gegenüber dem Unterlieger) die Pflicht, die Stützmauer in einem für ihren Zweck geeigneten Zustand zu unterhalten. Diese Pflicht geht nicht so weit, daß eine solche Beschaffenheit der Mauer vorhanden sein muß, daß jegliches Abwandern des Erd- und Schuttgeländes ausgeschlossen ist. E s braucht keine höhere Standsicherheit hergestellt und erhalten zu werden, als bestehen würde, wenn der natürliche Zustand des Weinberges (die natürliche Böschung vom höchsten Teil des Weinberges bis zum Fuß der Mauer) erhalten wäre. Man wird unterstellen dürfen, daß die Trockenmauern, wie sie (nach Höhe, Dicke, Art der verwendeten Steine und ihrer Zusammenfügung) in der betreffenden Lage herkömmlich sind, der Erfahrung entsprechend die für normale Verhältnisse ausreichende Stütze bieten. In dieser Beschaffenheit muß die Mauer erhalten werden. Hat der Besitzer der Mauer dieser Verpflichtung genügt und wird dann gleichwohl infolge außergewöhnlich langandauernder Regengüsse oder eines Wolkenbruches oder infolge der Schmelze außergewöhnlicher Schneemassen die Mauer eingedrückt, so besteht keine Haftung für die dadurch bewirkte Beschädigung der Nachbargrundstücke. Dem Eigentümer der eingedrückten Mauer obliegt jedoch die Verpflichtung, die beschädigte Mauer alsbald nach Eintritt besserer Wetterverhältnisse wieder herzustellen.

6. Ist für eine genügende Befestigung nicht gesorgt, so hat der Eigentümer oder sonstige Berechtigte an dem für die Vertiefung vorgesehene >7*

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§ A « I 6

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Grundstück (z.B. Erbbauberechtigte, Nießbraucher, usw.) den negativen Unterlassungsanspruch. § 909 gibt den Anspruch auf Unterlassung einer geplanten oder auf Beseitigung bereits ausgeführten Vertiefung, „es sei denn, daß für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist". Der Nachbar kann somit nicht schlechthin verlangen, daß eine Vertiefung unterlassen oder beseitigt werde; dem Vertiefenden muß vielmehr die Wahl überlassen werden, ob er von einer Vertiefung überhaupt absehen oder durch eine genügende Befestigung den Interessen des Nachbars Rechnung tragen kann und will20). Der Klagantrag wird demnach lauten: a) für den Fall einer noch nicht oder erst ganz kurz begonnenen Vertiefung: „dem Beklagten wird verboten, das Grundstück Fl.-Nr in der Weise zu vertiefen, daß dem Grundstück des Klägers die erforderliche Stütze entzogen wird, es sei denn, daß für genügende anderweitige Befestigung gesorgt wird", b) für den Fall einer bereits ganz oder großenteils ausgeführten Vervorgenommene tiefung : „Der Beklagte ist verpflichtet, die auf Fl.-Nr Vertiefung zu beseitigen (oder genauer: den ausgehobenen Graben u. dgl. wieder zuzufüllen), so daß der Boden des klägerischen Grundstücks Fl.Nr die erforderliche Stütze wieder erhält, oder statt dessen für eine genügende anderweitige Befestigung des klägerischen Grundstücks Fl.Nr zu sorgen" 21 ). Es kann nicht einfach Beseitigung der Vertiefung verlangt werden, auch nicht schlechthin anderweitige Befestigung. Ist bereits eine unzulässige Vertiefung vorgenommen worden und besteht nach Lage der Sache die Besorgnis weiterer unzulässiger Vertiefungen, so 20 ) Die in den früh. Auflagen (Anm. 18) vertretene Auffassung, es bedürfe im Klagantrag keines Vorbehalts für eine anderweitige Befestigung wird nicht aufrechterhalten. Vgl. dazu Staudinger-Seufert Randbem. 36 a . E . zu § 909; Meisner-Stern-Hodes § 20 Anm. 29). Ist jedoch eine anderweitige Befestigung technisch nicht durchführbar, z.B. wenn der Untergrund an Berghängen infolge unterirdischer Gesteinsverschiebungen bei jeder Vertiefung schädliche Einwirkungen auf das Nachbargrundstück ausübt, so kann Unterlassung schlechthin begehrt werden (vgl. R G in WatnE 12 N r 385). 21 ) Der Klagantrag kann auch alternativ lauten, z.B.: „Der Bekl. ist schuldig, entweder den von ihm ausgehobenen Graben derart zuzuschütten, daß der Boden des dem Kläger gehörigen Grundstücks FlNr. . . . die erforderliche Stütze wieder erhält, oder für anderweitige genügende Befestigung zu sorgen. „Wesentlich ist, daß die Fassung in der zweiten Alternative so gefaßt ist, daß es dem Bekl. freisteht, welche Art von genügender Befestigung er wählen will. Durch eine Verurteilung zur Aufführung einer Schutzmauer würde er in diesem Wahlrecht beschränkt (vgl. O L G 18, 130; Meisner-Stern-Hodes § 2 0 / 5 Anm. 31). Stets muß das Wahlrecht des beeinträchtigten Nachbars beachtet werden (vgl. R G 132, 58; Staudinger-Seufert Randbem. 35; RGRKomm. Bern. 5 je zu § 909). Nur bei Unmöglichkeit einer anderweitigen Befestigkeit entfällt das Wahlrecht.

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ist die Klage auf Unterlassung nach § 1004 Abs. 1 S. 2 B G B gegeben. Eines weiteren Nachweises bedarf es in diesem Falle nicht 213 ). § 909 erweitert den Inhalt des Eigentums für den einen, indem er dem anderen Nachbar eine Handlung verbietet und dadurch dessen Eigentum dem Inhalt nach beschränkt. Durch die Vornahme der verbotenen Vertiefung ist ein Zustand geschaffen, der das Recht des Nachbars beeinträchtigt. § 1004 verleiht den Anspruch auf Beseitigung dieser Beeinträchtigung. Dieser negatorische Anspruch setzt kein Verschulden des Beklagten voraus 22 ); das gilt aber nicht für den Anspruch auf Schadenersatz (s. dazu unten II). A k t i v l e g i t i m i e r t zur Erhebung des Anspruchs ist der Eigentümer des benachbarten Grundstückes, ebenso der Wohnungs- oder Teileigentümer (§§ 1, 3 W E G , § 1 0 1 1 BGB), ferner der Erbbauberechtigte (§ 1017 B G B , § 1 1 ErbbVO), der Nießbraucher (§ 1065) und der Dienstbarkeitsberechtigte (§§ 1027, 1090 Abs. 2). Grundsätzlich wird man auch dem B e s i t z e r , z.B. dem Pächter, den Anspruch entsprechend zubilligen müssen, da er i. d.R. die von Seite des vertiefenden Nachbarn drohende Gefahr besser und richtiger erkennen und beurteilen kann als der vielleicht nicht anwesende Eigentümer und mindestens ebensosehr interessiert ist, wie dieser eine Beeinträchtigung rechtzeitig abzuwehren. Dafür sprechen die hier anzuwendenden Grundsätze der gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Zusammenlebens gem. § 242 B G B . Es würde eine durch nichts zu rechtfertigende, übertriebene Formalität bedeuten, wollte man den Besitzer auf den Umweg verweisen, sich zunächst an den Grundeigentümer zu wenden, damit dieser seine Rechte aus § 909 selbst geltend mache223). Ist durch die Vertiefung der Besitz bereits beeinträchtigt, so kann der Besitzer die Besitzstörungsklage erheben (vgl. unten § 40). Es wird anzunehmen sein, daß auch der nicht unmittelbar angrenzende Nachbar das Untersagungsrecht hat, sofern nur sein Grundstück durch die 21a) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 36 zu § 909; Meisner-Stern-Hodes § 20 Anm. 29. V g l auch R G 125, 393; O L G Karlsruhe N J W 56, 1922: Besorgnis weiterer Beeinträchtigung ist nach vorausgehender Verletzung i. S. von § 823 Abs. 2 zu vermuten, so daß den Vertiefenden die Beweislast trifft. 22 ) R G 103, 176 ( J W 1922, 485); 132, 56; WarnR 1910 Nr. 1 8 ; SeuffA 56 Nr. 200; O L G 4, 64; 5, 152. Der Anspruch aus § 909 besteht deshalb auch dann, wenn die Vertiefung unter Beobachtung der Grundsätze der Baukunst vorgenommen ist ( J W 1910, 330). Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß er die Vertiefungsarbeiten durch einen sachkundigen Baumeister ausfuhren ließ (Recht 1909 Nr. 3368); StaudingerSeufert Randbem. 5 u. 3 5 zu § 909. 22a ) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 33 u. 35 zu § 909 ebenso Palandt-Hoche Bern. 3 zu § 909; a.M. Meisner-Stern-Hodes § 20 I 5 ; die hier in den früh. Auflagen vertretene Ansicht wird nicht aufrecht erhalten.

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Vertiefung gefährdet wird23). Man denke nur an den Fall, daß am Hange eines Berges drei Äcker übereinanderliegen. Wenn der Eigentümer des untersten Ackers eine Vertiefung vornimmt, welche für das mittlere Grundstück eine Gefahr des Erdsturzes mit sich bringt, so besteht für das oberste Grundstück die Gefahr des Nachrutsches. Wird das durch die Vertiefung beeinträchtigte Grundstück v e r ä u ß e r t , so ist der neue Eigentümer aktiv legitimiert zur Erhebung des Anspruches auf Wiederherstellung des früheren Zustandes oder zur Herstellung einer genügenden sonstigen Befestigung. Soll ein Vergleich geschlossen werden, so empfiehlt sich die Bestellung einer Grunddienstbarkeit: Der Eigentümer der PI.-Nr. i bestellt zugunsten der PI.-Nr. 2 eine Grunddienstbarkeit, inhaltlich deren die Beeinträchtigung des Eigentums der PL-Nr. 1, die durch die Abgleitung des Berges auf Pl.-Nr. 2 bewirkt ist, zu dulden ist. P a s s i v l e g i t i m i e r t für den Anspruch ist derjenige, welcher die Vertiefung vornimmt oder vornehmen läßt und, wenn die zulässige Vertiefung ausgeführt ist, derjenige, welcher diesen Zustand aufrecht erhält. Der derzeitige Eigentümer ist daher regelmäßig der richtige Beklagte, ebenso der Besitzer und Inhaber24). Anders wäre es, wenn jemand, dem der Eigentümer keinerlei Rechte an dem Grundstück eingeräumt hat, eine Vertiefung vornehmen will25). Maßgebend ist der Rechtsstand im Zeitpunkt der E r h e b u n g der K l a g e . Hat derjenige, der die Vertiefung vorgenommen hat, das Grundstück v o r Rechtshängigkeit veräußert, so kann er mit dem dinglichen Anspruch des § 909 nicht mehr belangt werden, da der Zustand der Beeinträchtigung nicht durch ihn aufrecht erhalten wird26). Auch wenn nur der T e i l des Grundstücks, auf welchem die Vertiefung vorgenommen wurde, wegveräußert wurde, fehlt dem früheren Eigentümer dieses Teilstücks die Passivlegitimation. Jedoch kann der frühere Eigentümer im Fall des Verschuldens aus §§ 823, 249 auf Wiederherstellung des früheren Zustandes belangt werden27). as >) Gruchot 54, 1 0 1 3 ; J W 1910, 150 (RG), vgl. Gruchot 66, 478; R G 167, 1 4 ; J W 1936, 804; Staudinger-Seufert Randbem. 18. A . M . anscheinend B G H Z . 12, 75/77 = N J W 54, 593 (bedenklich; vgl. dazu Staudinger-Seufert Randbem. 33 zu § 909). 24 ) Zustimmend R G 103, 176 ( J W 1922, 486); ebenso SeuffA 56 Nr. 200; 64 Nr. 32; O L G 4, 62; 18, 138); R G 167, 1 4 ; 103, 176; 132, 56; Staudinger-Seufert Randbem. 34; RGRKomm. Bern, xa; Planck-Strecker Bern. 3 b ; Palandt-Hoche Bern. 3a je zu § 909. 25 ) Hat er aber die unzulässige Vertiefung — wenn auch gegen den Willen des Eigentümers — vorgenommen, so muß dieser die Vertiefung beseitigen; denn er ist für den gesetzmäßigen Zustand seines Grundstücks verantwortlich; ein Fall höherer Gewalt liegt nicht vor. 26 ) R G 103, 176 ( J W 1922, 486); O L G 18, 129; Staudinger-Seufert Randbem. 34 zu § 909). 27 ) Noest, J W 1922, 485 Anm. 7. Der Eigentümer und der ersatzpflichtige Dritte haften, soweit sich des letzteren Schadenersatzpflicht ( § § 8 2 3 , 249) auf Wiederherstellung

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Verbotenes Vertiefen des Erdbodens

§ 1 7 ii

B e w e i s l a s t : Der Kläger muß beweisen, daß der Boden seines Grundstücks die erforderliche Stütze verliert, während dann dem Beklagten der Nachweis obliegt, daß für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist 27a ). II. S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t Die vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung des gesetzlichen Verbots ( = Schutzgesetzes) ist ein gegen den Eigentümer sich richtendes Delikt mit den allgemeinen Folgen einer unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB 2 8 ). Der eingetretene Erfolg kann aber dem Täter nur dann zugerechnet werden, wenn er denselben voraussehen konnte29). Eine Ersatzpflicht für den Einsturz des Hauses trifft ihn daher nur dann, wenn er bei sorgfältiger Prüfung hätte voraussehen können, daß durch die Vertiefung das Nachbargrundstück die erforderliche Stütze verlieren würde. Hierfür ist auf die Bodenbeschaffenheit beider Grundstücke und auf die Entfernung der Vertiefung von der Grenze entscheidendes Gewicht zu legen 30 ). Die Ersatzpflicht ist nicht an die Voraussetzung gebunden, daß gegen ein Verbot des Nachbars vertieft wurde. Man kann dem Nachbar die Unterlassung eines Verbots auch nicht als konkurrierendes Verschulden anrechnen; denn er (Befestigung) mit der Verpflichtung des Eigentümers aus § 909 deckt, als Gesamtschuldner (vgl. Reichel, Grundstücks-Archiv 1909, 83). 2?a ) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 39; R G R K o m m . Bern. 4 je zu § 909. 28 ) Vgl. SeuffA 53 Nr. 150; Bolze 23 Nr. 49 u. 50. —Immer aber ist ein Verschulden Voraussetzung derErsatzpflicht. Recht 1904,253 Nr.i 165 (Köln); Gruchot 50,680 (RG)¡SeuffA 61 Nr. 34 (RG);JW 1 9 1 1 467: Recht 1 9 1 1 N r . 3 i 8 7 ; R G E i s e n b E 2 6 , 34. Vgl. auch unter §43. § 909 ist zwar Schutz-Gesetz i. S. des § 823 Abs. 2 B G B R G 54, 177; 62, 3 7 1 ; SeuffA 58 Nr. 53; R G 167, 25; B G H Z 12, 77 = N J W 54, 593. Gleichwohl ist bei § 909 ein Verstoß gegen das Gesetz auch ohne Verschulden möglich (SeuffA 61 Nr. 34 RG). Nimmt ein Nachbar Ausschachtungen auf seinem Grundstücke vor, ohne die erforderlichen Sicherungsmaßregeln trotz der Erkennbarkeit ihrer Notwendigkeit zu treffen, so liegt hierin ein Verschulden. Vgl. Samml. d. Entsch. d. Bayer. Gerichtsh. für Kompetenzkonflikte 1 , 32, woselbst für den Ersatzanspruch wegen Beschädigung eines Hauses durch plangemäße Ausführung des obrigkeitlich genehmigten Baues einer Distriktsstraße die Zuständigkeit der Gerichte angenommen wurde. Infolge Abgrabung des Bodens war eine Scheune eingestürzt. A n der Zuständigkeit der ordentl. Gerichte für Streitfälle dieser Art hat auch das BayStrWGes. vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147) nichts geändert; der Anspruch richtet sich gegen den Träger der Straßenbaulast gem. Art. 9, 1 1 , 13 ev. 17 BayStrWGes. Die in Art. 17 Abs. 3 vorgesehene Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ist überholt durch die BundesVwGO vom 21. 1. i960 (BGBl. 1 1 7 ) , nach deren § 40 Abs. 2 ev. § 41 die Zuständigkeit ausschließlich geregelt ist. Vgl. hiezu auch die Rechtspr. zu § 831: B G H in N J W 57, 785. 29 ) Vgl. Recht 1914 Nr. 628; R G 144, 172. Da es sich hier um Verletzung eines Schutzges. handelt, genügt es, wenn der Vertiefende voraussehen konnte, daß er gegen ein Schutzgesetz verstoßen könne; er braucht also den Eintritt eines Schadens selbst nicht vorauszusehen (vgl. dazu R G 145, 1 1 5 ; B G H in B B 57, 240). 30 ) Vgl. Tumau-Förster Anm. 2 zu § 909.

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8 -I- i II

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

kann sich ruhig darauf verlassen, daß der vertiefende Eigentümer die Tragweite der Vertiefung pflichtgemäß geprüft hat. Z u r pflichtmäßigen Prüfung für den Eigentümer, der die Vertiefung ausführen will, wird unter Umständen auch die Einholung eines technischen Gutachtens erforderlich sein, z. B. über die Frage, ob die beabsichtigte Vertiefung dem Nachbarhause nicht Schaden bringen werde 3 1 ). Erhebungen über die Fundamentierung des fremden Hauses können je nach der A r t der beabsichtigten Vertiefung geboten sein. Deshalb wird sich der Vertiefende regelmäßig nicht damit entlasten können, daß die Fundamentierung des Nachbarhauses zu schwach gewesen sei; denn, wenn das Fundament ohne Vertiefung genügend tragkräftig war, wird regelmäßig anzunehmen sein, daß eine eingetretene Mauersenkung die Folge der Vertiefung war. Zeigt sich die Gefahr eines Nachsturzes erst später und war sie bei A n legung der Vertiefung auch bei sorgfältiger Prüfung nicht vorauszusehen, so kann nur das spätere U n t e r l a s s e n d e r F ü r s o r g e für eine genügende B e f e s t i g u n g den Charakter einer unerlaubten Handlung annehmen 32 ). Der Besitznachfolger desjenigen, der die Vertiefung vorgenommen hat, haftet für denjenigen Schaden, der hätte vermieden werden können, wenn er alsbald die nötigen Vorkehrungen getroffen hätte 33 ). Der Vertiefende kann seine Pflicht nicht auf den Nachbar abwälzen durch die Aufforderung zur Vornahme v o n Vorkehrungen, er hat selbst die nötigen Vorkehrungen zu treffen 34 ). Dagegen kann seine S c h a d e n e r s a t z p f l i c h t entfallen, wenn sich der Nachbar weigert, die erforderlichen Sicherungsarbeiten auf seinem Grundstück vornehmen zu lassen, obwohl dessen Benützung hierdurch nicht wesentlich beeinträchtigt würde 3 5 ). 31 ) Bedient sich der Eigentümer bei Vertiefungsarbeiten der Tätigkeit eines Baumeisters, so haftet er nicht bloß aus § 831, sondern hat an sich auch die Pflicht der Uberwachung (vgl. Recht 1909 Nr. 3 3 6 8). Es kann aber in dieser Richtung von einem Laien nur verlangt werden, daß er Fehler und Mängel wahrnimmt, die so auffällig und augenscheinlich zutage treten, daß sie jedem auch nicht sachkundigen Beobachter ohne weiteres als Mängel oder doch als gefahrdrohende Maßnahmen erkennbar sind. Recht 1908 Beil. 2, 495 Nr. 2826 (Augsburg). Vgl. Düsseldorf NJW 5 9, 500. Dagegen: BGHZ 12, 77 = NJW 54> 593 (Annahme eines ges. Schuldverhältnisses und Anwendung des § 278 BGB werden abgelehnt); vgl dagegen Westermann § 63, IV 2, der für entspr. Anwendung des § 278 eintritt; ebenso Ermann. Anm. I zu § 909; OLG Hamm in MDR 56, 678; die Ausführungen von Schulz in MDR 55, 260 (das nachbarl. Gemeinscbaftsverh. stelle keine vertragsähnl. Beziehung dar) vermögen die Ansicht Westermanns nicht überzeugend zu widerlegen. Es wird wohl immer Tat-Frage des einzelnen Sachverhalts sein, inwieweit § 278 einschlägig ist; so mit Recht Meisner-Stem-Hodes § 20 Anm. 48 unter Hinweis auf RG 132, 51; auch Selten in JW 31, 2628; Böhmer MDR 59, 261 u. 904. 32 ) Vgl. M. 3, 296 (Mugdan 3, 164). 33 ) Vgl. Bolze 6 Nr. 85; vgl. SeuffA 56 Nr. 200; 64 Nr. 32; OLG 18, 128. 34 ) Recht 1911 Nr. 405 (RG). 36 ) Gruchot 54, 1016; vgl. dazu oben Anm. 17.

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Verbotenes Vertiefen des Erdbodens

§ 1 7

in

Ist die Vertiefung schon v o r dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches vorgenommen worden, so kommt es darauf an, ob sie nach früherem Recht zulässig war oder nicht. Nach gemeinem Recht konnte der Nachbar sich die cautio damni infecti bestellen lassen. Hatte er dies übersehen, so war die Vertiefung zulässig. Bei strenger Durchführung des Instituts der cautio damni infecti müßte man annehmen, daß eine Schadenersatzpflicht für den durch die Vertiefung dem Nachbar zugefügten Schaden dann nicht besteht, wenn der letztere es unterlassen hat, sich die cautio damni infecti bestellen zu lassen. Allein die Praxis hatte jenen starren Rechtsstandpunkt schon längst verlassen und die aquilische Klage gleichwohl gewährt36).

Der Anspruch auf Unterlassung der Vertiefung wie auch auf Beseitigung einer unzulässigen Vertiefung unterliegt nicht der Verjährung (§ 924). Ein Verzicht auf die Rechte aus § 909 ist rechtlich wirksam, ist aber für den Rechtsnachfolger des Berechtigten nur bindend, wenn er mit dinglicher Wirkung (Grunddienstbarkeit) erklärt wird 36a ). Sind Bestandteile des Grundstücks infolge einer Vertiefung des Nachbargrundstücks auf dieses gelangt, so behalten sie ihr bisheriges Eigentumsrecht, bis sie wesentlicher Bestandteil des anderen Grundstückes geworden sind (s. hierüber oben § 2, II ff.). Daraus folgt, daß der Eigentümer der ausgewanderten Bestandteile solange zurückholen kann, als er ihr Eigentümer ist 37 ). Dies gilt auch dann, wenn die Vertiefung in zulässiger Weise ausgeführt ist. War die Vertiefung unzulässig, so kann der Eigentümer die Rückschaffung durch den Nachbar nicht mit der Eigentumsfreiheitsklage verlangen, diese geht nur darauf, daß der Zustand der unzulässigen Vertiefung beseitigt wird. Soweit ein Anspruch auf Schadenersatz besteht, ist dieser nach §§ 249 fr. zu leisten. Somit hat der Ersatzpflichtige grundsätzlich die abgewanderten Ersatzteile an ihren alten Standort zurückzubringen (§ 249). Es steht ihm aber frei, statt dessen in Geld zu entschädigen, wenn dies nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist (§ 251 Abs. 2). III. W e g r e i ß e n v o n

Gebäuden

§ 909 B G B bezieht sich nicht auf den Fall, daß ein Gebäude abgerissen wird und dadurch das Nachbarhaus den Halt verliert38). Auch sonst ist 36 ) Vgl. SeuffA 53 Nr. 150. 36a) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 41 zu § 909; Meisner-Stern-Hodes § 20 Anm. 35. 37 ) Eignet sich der andere die Bestandteile an, so ist er nach § 823 wie auch nach § 812 zum Ersatz verpflichtet. Sind die ausgewanderten Bestandteile zu Bestandteilen des anderen Grundstücks geworden, so steht ihm der Bereicherungsanspruch zu (§ 9 5 1 ; s. hierüber oben § 2 II 1 a.E. 3S ) Recht 1909 Nr. 8 4 1 ; vgl. Endemann 2, 479; R G . 70, 206. Das gilt auch für den Fall, daß auf einer Kommunmauer, die mit ihrem breiteren Teil auf dem Grundstück des Beklagten steht, zunächst dieser dann der Kläger eine Mauer je als Seitenwand eines Hausaufbaues der Gestalt errichtet hat, daß sich die beiden Mauern diesseits der Grundstücks-

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8 Ai IV

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschiänkungen des Eigentums

keine gesetzliche Bestimmung vorhanden, welche dem Eigentümer des Hauses, welches weggerissen werden soll, die Verpflichtung auferlegt, dafür zu sorgen, daß dem Nachbarhaus ein anderweitiger genügender Halt gegeben wird. Wenn kein besonderes Rechtsverhältnis, wie z.B. servitus oneris ferendi, vorliegt39), so kann der Eigentümer sein Haus wegreißen, auch wenn dadurch dem Hause des Nachbars der Halt verloren geht. Doch muß er dabei mit aller Vorsicht verfahren40), widrigenfalls er in Gemäßheit des § 367 Nr. 14 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB ersatzpflichtig werden kann41). Durch § 367 Nr. 14 StGB soll aber nur verhütet werden, daß d u r c h den Abbruch eines Bauwerkes und im unmittelbaren Anschluß daran Leben und Gesundheit von Personen und fremdes Eigentum gefährdet und geschädigt wird; keinesfalls darf aber diese Vorschrift darauf erstreckt werden, daß der Abbrechende Vorsichtsmaßregeln zu treffen habe, die darauf abzielen, den nach erfolgtem Abbruch (etwa infolge davon, daß hierdurch dem Nachbarhause eine Stütze entzogen wurde) eintretenden Unfällen dauernd vorzubeugen. Ist der Abbruch ohne Schädigung des Nachbarhauses ausgeführt, so ist es Sache seines Eigentümers, dafür zu sorgen, daß sein Haus in den Stand gesetzt werde, ohne die frühere Stütze fortzubestehen42). Zu diesem Behufe muß ihm der Eigentümer des Nachbargrundstücks, wenn dies nach § 904 notwendig erscheint, die Benützung seines Eigentums gestatten. Kommt der Hauseigentümer dieser seiner Verpflichtung nicht nach, so finden die Vorschriften des § 908 B G B gegen ihn Anwendung. S. oben § 16. IV. E r h ö h u n g der E r d o b e r f l ä c h e An dieser Stelle ist darauf einzugehen, wie sich das Rechtsverhältnis zwischen den Nachbarn bei einer Erhöhung der Erdoberfläche stellt. Man denke an den Fall, daß eine im Eigentum des Eisenbahnfiskus stehende grenzen hielten. Bekl. ist berechtigt, die von ihm errichtete Mauer Zu beseitigen, auch wenn dadurch der Seitenwand des Klägers die erforderliche Stütze entzogen wird (HessRspr. 1917, 189). Vgl. auch R G 132, 51; Böhmer MDR 59, 261; B G H in MDR 60, 298. 39 ) Eine solche Servitut ist nicht schon dadurch erworben, daß tatsächlich während rechtsverjährender Zeit das Nachbarhaus seine Stütze an dem anderen Haus gefunden hat; denn dies stellt für sich allein noch keinen Rechtsbesitz dar. O G H 5, 45 8. Wenn jedoch die Konstruktion des angebauten Hauses derart ist, daß nicht nur eine Anlehnung an das andere Haus gegeben ist, sondern Teile dieses Hauses zum Tragen benützt werden oder wenn gar Balken aufgelegt sind, dann liegt natürlich ein Rechtsbesitz vor. 4 °) Vgl. O G H 5, 443; SeuffA. 56 Nr. 25; O L G 4, 281. 41 ) JW 1902 Beil. 231. Vgl. R G 38, 183; 70, 206. 42) Gruchot 45,1053 (RG). Dort wird auch daraufhingewiesen, daß eine Ersatzpflicht durch Zuwiderhandeln gegen § 367 Nr. 15 StGB begründet werden kann. Vgl. hierzu Gruchot 46, 975 (RG).

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Verbotenes Vertiefen des Erdbodens

§17 IV

Wiese zu dem daran anstoßenden, höher gelegenen Eisenbahnterrain gezogen und deshalb entsprechend erhöht wird 43 ). Es besteht keine gesetzliche Vorschrift, welche den Eigentümer verhindern könnte, eine solche Erhöhung vorzunehmen44). Fügt er dadurch dem Nachbar Schaden zu, so hat er denselben im allgemeinen nicht zu ersetzen. So kann z. B. der Nachbar nicht den Ersatz des Schadens verlangen, der durch Entziehung des Lichtes und der Luft herbeigeführt wird. Wenn sich der Untergrund infolge des Drucks, welchen das aufgeschüttete Erdmaterial ausübt, senkt und hierdurch dem Nachbargrundstück die erforderliche Stütze entzogen wird, so liegt der Fall des § 909 B G B vor; denn durch den Druck wird eine Vertiefung herbeigeführt und die Erdaufschüttung würde im gegebenen Falle sich nicht als genügende anderweitige Befestigung erwiesen haben 45 ) Insoweit durch die Erhöhung der natürliche Wasserlauf geändert wird, indem das Wasser nicht wie bisher von dem Nachbaranwesen auf die Wiese ablaufen kann oder das Wasser von dem erhöhten Grundstück in vermehrtem Maße auf das Nachbargrundstück abströmt, kommt das Wassergesetz in Anwendung. Nach dessen Bestimmungen ist eine schädliche Änderung des natürlichen Wasserlaufes unzulässig (Art. 17 WG. Vgl. jetzt § 3 Abs. 2 W H G vom 27. 7. 1957 BGBl. I 1110). Wenn durch den vermehrten Druck eine Veränderung in den unterirdischen Wasserläufen oder dem Grundwasser herbeigeführt wird (z.B. es steigt das Grundwasser im Nachbarkeller), so kann d e s w e g e n der Nachbar weder einen Anspruch auf Unterlassung der Erhöhung, noch auf Schadenersatz erheben46). Immerhin muß angenommen werden, daß bei Ausführung der Erhöhung nach allen Regeln der Technik und mit allen Vorsichtsmaßregeln verfahren werden muß, welche eine derartige benachteiligende Einwirkung auf das Nachbargrundstück hintanzuhalten geeignet sind. Denn auch ein Recht darf nicht in brutaler Weise so ausgeübt werden, daß die Ausübung einem anderen Schaden bringt 47 ). Wird durch die Erderhöhung eine durch sinnliche Wahrnehmung vermittelte I m m i s s i o n auf das Nachbargrundstück bewirkt, so ist nach Maßgabe der §§ 906 und 907 über die Zulässigkeit der Immission und der ganzen Anlage zu entscheiden. Vgl. über den Fall der Aufschüttung 43

) SeuffA 51 Nr. 7. « ) O L G 26, 21. ) Vgl. J W 1921, 252 (Dresden). So hat das O L G Oldenburg (OldenbZ 32, 83) einen Grundstückseigentümer zum Schadenersatz verurteilt, der durch das Höherbauen seines Hauses und die dadurch bewirkte Belastung des Bodens das Senken des Nachbarhauses bewirkt hat, weil er diese schädliche Einwirkung durch geeignete Maßregeln (Schlagen einer Spundwand) hätte verhüten können. 46 ) Vgl. R G 155, 160. 47 ) Vgl. unten § 3 8 / 1 . 45

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§ J-O I

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

von Sandhaufen (Sandkippe) und dadurch bewirkten Sandzuführung oben S. 193 Anm. 29. Droht die Gefahr des Abrutsches von Teilen einer Erderhöhung (Böschung, Halde), so kann der Anspruch aus § 908 in Frage kommen (s. oben § 16). § 18. Überhängen von Zweigen. Eindringen von Wurzeln* Die Grenzen, durch welche die Grundstücke verschiedener Eigentümer getrennt sind, setzen dem Machtbereich des Eigentümers ein räumliches Ziel. Innerhalb der räumlichen Grenzen seines Grundstücks darf er die ihm durch das Gesetz verliehenen Machtbefugnisse ausüben; ein Übergreifen auf die jenseits der Grenze liegenden Grundstücke ist ihm nicht gestattet. Eine Ausnahme von diesem Grundsatze ist durch das gegenseitige nachbarliche Interesse für die Eigentümer von Bäumen begründet. Das Eigentum am Baum steht demjenigen zu, auf dessen Grundstück der Stamm aus dem Boden heraustritt. Auf die Lage der Wurzeln kommt es nicht an; sie sind wesentliche Bestandteile des Baumes und stehen daher im Eigentum desjenigen, aus dessen Boden der Stamm heraustritt. Bäume, die nicht weit von der Grenze stehen, ragen mit ihren Wurzeln und Zweigen über die Grenze hinüber und greifen daher in den Machtbereich des Nachbars ein. Gegen diesen Eingriff in sein Eigentum ist dem Nachbar ein besonderer Rechtsbehelf gegeben. I. § 910 B G B verleiht ihm ein S e l b s t h i l f e r e c h t gegen Wurzeln eines Baumes oder Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind und gegen Zweige 1 ), welche von einem Baum oder Strauch2) herüberragen. Es darf nämlich der Grundstückseigentümer sowie der Wohnungs- und Teileigentümer (§§ 1, 3 W E G in Verb. m. § 1 0 1 1 B G B ) § 18. *) S c h r i f t t u m : Luks, Gruch6o, 975 (Bäume an und auf der Grenze); Ortloff, ArchBürgR 17, 234 (Uberhang, Uberfall, Grenzbaum); Trondel, Blf AdmPr 56, 155 (Inhalt des Waldeigentums); Weber, Grundeigentum 1937 (Beeinträchtigung durch Hecken und Bäumen). Glaser, Blf GrBuWR 1 9 5 2 , 5 3 : Streitigkeiten zwischen Grundstücksnachbarn. x ) Nicht dieselben Grundsätze gelten, wenn der Stamm, der jenseits der Grenze aus dem Boden heraustritt, infolge eines schiefen Wachstums über die Grenze herüberragt. —• Vgl. Cosack 2 § 2 1 1 II. In diesem Fall hat der Nachbar kein Selbsthilferecht; er kann nur auf Beseitigung klagen; Staudinger Bern. 4 zu § 910. — Vgl. dagegen SeuffA 43 Nr. 6. 2 ) § 910 gilt auch für Bäume auf oder an öffentlichen Straßen (vgl. Henle-Schneider Anm. 5 zu Art. 74 A G ) ; Art. 29 u 30 BayStrWG vom 1 1 . 7. 1958 (SVB1. 147) regeln u.a. auch das Freihalten des Lichtraumes über einer öffentlichen Straße im Interesse der Sicherheit des Verkehrs.

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§ 1 8

Übergängen von Zweigen. Eindringen von Wurzeln

i 3

und der Erbbauberechtigte (§ 1017 B G B und § 1 1 ErbbVO) ), die eingedrungenen Wurzeln und herüberragenden Zweige abschneiden und behalten. Die Wurzeln ohne weiteres4), die Zweige jedoch erst dann, wenn er dem Besitzer des Baumes oder Strauches eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt ist. Für die Angemessenheit dieser Frist kommt in Betracht, daß die Beseitigung der Äste in der Periode des Wachstums des Baumes schädlich ist 5 ). Bei einem großen Wald muß insbesondere auch der Umfang der Arbeit in Betracht gezogen werden. Wenn der Grundstückseigentümer vor der Beseitigung der Zweige keine oder doch keine angemessene Frist gesetzt hat, so ist die Beseitigung widerrechtlich6). Dies hat vor allem zur Folge, daß der Nachbar, welcher die Zweige beseitigt hat, das hierdurch angefallene Holz nicht behalten darf. E r muß es herausgebenen oder den Wert ersetzen7). Im Falle des Verschuldens ist er schadenersatzpflichtig, z. B. wenn er bei dem Ausästen von Obstbäumen nicht sorgfältig zu Werke gegangen ist8). Entfernt der Nachbar im Rahmen des § 910 Wurzeln und Zweige, so geschieht dies auf Gefahr des Baumeigentümers, dem kein Schadenersatzanspruch zusteht9). Die in zulässiger Ausübung des Selbsthilferechts abgeschnittenen Wurzeln und Zweige darf der Nachbar behalten. Hängen an den Zweigen 3 ) Nicht auch diejenigen, welche bezüglich des Anspruchs aus § 1004 dem Eigentümer gleichgestellt sind. Biermann 108; Planck Bern; R G K Bern. 1 ; Staudinger-Seufert Randbem. 1 ; Palandt-Hoche Bern. 2 je zu § 910. 4 ) Ortloff im ArchBürgR 17, 277 hält auch vor der Beseitigung der Wurzeln die Bestimmung einer angemessenen Frist für notwendig. 6 ) KommProt 3570 (Mugdan 3, 594). Bei Beurteilung der Angemessenheit der Frist ist nicht allein auf ihre absolute Dauer, sondern auch auf die Jahreszeit und eine sachgemäße Bewirtschaftung Rücksicht zu nehmen; insbesondere bei Obstbäumen kann in der Zeit, in welcher sie im Wachstum oder in vollem Safte stehen, die Beseitigung von Ästen nicht verlangt werden. Fromherz im Recht 1906, 1070. 8 ) War die Frist nicht angemessen, so gilt die zur Angemessenheit verlängerte Frist. Der Nachbar braucht nicht nochmals eine angemessene Frist Zu setzen, vgl. R G 56, 234; 62, 68; R G K Bern. 2 zu § 250; Staudinger Randb. 7 zu § 250 mit Nachweisen; Planck Bern. 3 b_/f zu § 910. Wenn der Nachbar nach dem Fristablauf und im ganzen eine angemessene Zeit gewartet hat, so darf er das Abschneiden der Zweige vornehmen. 7 ) Kretzschmar im SächsArch. 12, 413. 8 ) Turnau-Förster Bern. /, 1 zu § 910. Die Beseitigung der Äste darf nicht in einer Zeit vorgenommen werden, in welcher sie für die Bäume schädlich ist (etwa weil diese im vollen Safte stehen). Fromherz im Recht 1906,1070. Ausnahmen sind denkbar. Wenn z.B. der Nachbar einen Bau aufführen will und aus diesem Grunde die Beseitigung der überragenden Äste nicht aufgeschoben werden kann, liegt kein Verschulden vor. 9 ) Es sei denn, daß die Beseitigung so heimlich und schnell erfolgt, daß der Baumeigentümer sein Interesse nicht wahren kann. Ein Außerachtlassen der durch Treu und Glauben gebotenen nachbarlichen Rücksicht kann unter Umständen Ersatzansprüche nach §§ 823, 826 begründen. O L G 39, 215,

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8 J-ö I

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Früchte, so gehören ihm auch diese 10 ). Hat der Baumeigentümer der an ihn ergangenen Aufforderung Folge geleistet und die Zweige beseitigt, so verbleiben ihm dieselben selbstverständlich. Hat der Baumeigentümer auf Verlangen des Nachbars oder doch mit dessen Zustimmung die Wurzeln beseitigt, so gehört ihm das Holz, weil er der Eigentümer des Baumes und somit auch der Wurzeln ist 1 1 ). Die rechtmäßig abgeschnittenen Teile darf er auch vom Nachbargrundstück abholen (§§ 867 u. 1005 BGB) 1 2 ). Eine Überschreitung des Selbsthilferechts bedeutet es, wenn die überhängenden Zweige am Stamm also jenseits der Grenze abgeschnitten werden 1 2 3 ). Dem Eigentümer des Nachbargrundstückes steht das durch § 910 B G B eingeräumte Selbsthilferecht nicht zu, wenn und insoweit die Wurzeln oder die Zweige die Benützung seines Grundstückes nicht beeinträchtigen (§ 910 Abs. 2 BGB). Daß die Voraussetzungen dieser Ausnahmebestimmung gegeben sind, hat der Baumeigentümer zu beweisen 13 ). Eine Beeinträchtigung der Benützung ist immer dann gegeben, wenn die wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks infolge der Wurzeln oder Zweige nach irgendwelcher Richtung verhindert oder erschwert wird. Hierfür sind nicht nur die bisherigen Verhältnisse, sondern auch ein unmittelbar bevorstehender Wechsel maßgebend, nicht aber die entfernte Möglichkeit späterer Wirtschaftsänderung14). Die Benützung einer Wiese wird durch eingedrungene Wurzeln meist nicht beeinträchtigt. Der Grundstückseigentümer kann aber regelmäßig die Wurzeln beseitigen, wenn er die Wiese in ein Ackergrundstück umwandeln will; denn das Ackern wird regelmäßig durch die Wurzeln erschwert werden. Befinden sich überragende Zweige über dem Dache des Nachbarhauses, so kann der Nachbar deren Beseitigung verlangen, da die atmosphärischen Niederschläge infolge des Vorhandenseins der überragenden Zweige das Dach in erhöhtem Maße angreifen und auch die Feuchtigkeit festhalten. Will der Nachbar auf seinem Grundstück einen Bau errichten, so können ihm die Wurzeln, von deren Vorhandensein er früher gar nichts wußte, sehr hinderlich werden.

Weil nur die jeweilige Art der Benützung in Berücksichtigung gezogen wird, so steht dem Nachbar auch nicht die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen, wenn er nach Änderung der Benützung wieder klagt 15 ). 10 ) A . M. Fromherz im Recht 1906, 1069. Dagegen ist dessen Ansicht beizupflichten, daß die Beseitigung der Äste während der Zeit, in welcher ein Obstbaum noch mit Früchten behangen ist, regelmäßig nicht verlangt werden kann; dies ist bei Bemessung der „angemessenen Frist" zu berücksichtigen. u ) E s fehlt also die in diesem Fall regelnde gesetzliche Bestimmung keineswegs, wie Ortloff im ArchBürgR 17, 277 annimmt. 12 ) Staudinger-Seufert Randbem. 8 zu § 910. la *) Vgl. B G H in N J W 60, 678. 13 ) KommProt. 3567 (Mugdan 3, 593). M ) Staudinger Bern. 7 zu § 910. 15 ) Kretzschmar im SächsArch. 12, 4 1 3 .

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Überhängen von Zweigen. Eindringen von Wurzeln

§ 1 8 ii

Es ist sehr gut möglich, daß nur ein Teil der Wurzeln oder Zweige die Benützung das Nachbargrundstückes beeinträchtigt. Bei den Wurzeln wird dies sogar regelmäßig der Fall sein. In solchen Fällen darf der Nachbar nur jene Wurzeln und Zweige beseitigen, welche die Benützung beeinträchtigen16). Eine Beeinträchtigung der Benützung liegt nicht schon darin, daß die Wurzeln dem Boden unter allen Umständen Nahrung entziehen und insoferne, objektiv betrachtet, nachteilig auf das Grundstück einwirken. Es ist vielmehr eine nachteilige Wirkung auf die B e n ü t z u n g zu verlangen. Eine solche ist dann gegeben, wenn durch die Wurzeln dem Boden derartig viel Nahrung 17 ) entzogen wird, daß die Fruchtgewinnung verkürzt oder durch die Wurzeln die Bestellung erschwert wird. Die Beschränkung des Selbsthilferechts wurde von der Kommission aufgenommen, um der Möglichkeit einer Schikane vorzubeugen. Sie deckt sich nicht mit dem allgemeinen Schikaneverbot, wonach bloß jene Rechtsausübung unzulässig ist, welche nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen. § 226 B G B wäre z.B. dann nicht anwendbar, wenn der Grundeigentümer irrtümlicherweise annehmen würde, daß durch die Zweige oder Wurzeln die Benützung seines Grundstückes beeinträchtigt wird. Wohl aber tritt in diesem Falle die Beschränkung des § 910 B G B in Wirksamkeit18). II. Ob der Eigentümer n e b e n dem Recht zur Selbsthilfe ein Klagerecht (aus § 1004) auf Beseitigung der eingedrungenen Wurzeln und Zweige habe, ist bestritten. Die herrschende Meinung verneint dies, indem sie sich den in den Gesetzgebungsakten gemachten Ausführungen anschließt19). 16 ) Vgl. SeuffA 43 Nr. 6. Dort ist das Recht auf Beseitigung der Zweige, nicht aber jenes auf Beseitigung des herübergewachsenen schiefen Stammes zugesprochen, weil letzterer nicht schade. Nach heutigem Recht braucht übrigens der Stamm überhaupt nicht geduldet zu werden, da sich die Vorschrift des § 910 B G B auf den herübergewachsenen Stamm nicht bezieht. 17 ) Vgl. KommProt. 3571 (Mugdan 3, 594). 18 ) Die Beschränkung des § 9x0 schließt sich an deutschrechtliche Grundsätze an. Vgl. Sachsenspiegel II Art. 5 2 § 2: Siner bome telge ne solm Over den tun ofc nicht gan, sine nakebare to scaden; und die Glosse hierzu: Dis alles vernimm doch sofern die Zweige dir als den nachbauern schaden theten; denn so solches nicht wäre, darf man ihn nicht abhauen. Vgl. Gierke 429 ff. 19 ) KommProt. 3568 (Mugdan 3, 593); Denkschrift 124 (Mugdan 3, 973); Maenner 166; Turnau-Förster Anm. 1 zu § 910; Leske, Vergl. Darstellung d. B G B usw. 274; Staudinger-Seufert Randbem. 4; RGRKomm. Bern. 1 ; Palandt-Hoche Bern. 1 ; PlanckStrecker je zu § 910; vgl. nun auch B G H in N J W 60, 678; M D R 57, 100; O L G 2, 1 4 1 ; Kretzschmar im SächsArch. 12, 4 1 4 ; L G Köln im R d L 54, 100. A M Ermann-Seibert Anm. 2 zu § 910; Westermann SR § 66 V I 1 ; Wolff-Raiser SR § 54 I 3; Meisner-SternHodes § 21 II; L G Hamburg in M D R 55, 478; L G Tübingen in R d L 54, 44; Detmold in N J W 5 4 , 1 4 5 0 ; Frankfurt/M. in R d L 51, 12 (m. Anm.. von Lunger). Vgl. auch R d L 1957, 2 1 ; L G Tübingen inEntsch. aus Miet-Wohn- und Grundstücksrecht 1957, X I 2 7 ; L G Hamburg in M D R 57, 100.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

I

Entwurf I § 861 hatte einen solchen Anspruch auf Beseitigung ausdrücklich vorgesehen. Die Meinungen in der zweiten Kommission waren geteilt. Ein Antrag auf Abänderung des § 861 enthielt u.a. folgende Bestimmung: „ E i n Anspruch darauf, daß der Besitzer die Beseitigung vornehme, steht ihm (dem Nachbar) nicht z u . " Die Kommission billigte diesen Satz mit folgender Begründung 20 ): Der Gedanke, dem Eigentümer einen Anspruch auf Beseitigung zu geben, sei unpraktisch. Der Eigentümer müsse dann, wenn etwa der Nachbar sich weigere, ein Urteil erwirken, und selbst dieses sei nicht direkt vollstreckbar. Der Anspruch auf Beseitigung erscheine aber überhaupt nicht genügend gerechtfertigt. Es handle sich nicht um einen bewußt widerrechtlichen Eingriff in das Eigentum. Man könne nicht wohl sagen, daß der Nachbar durch sein Verschulden die Störung herbeigeführt habe; denn der Baum wachse einfach aus natürlichen Gründen. Diese Erwägungen führten dazu, daß die Bestimmung des Entwurfes I § 851, in der ausdrücklich der Anspruch auf Beseitigung eingeräumt war, gestrichen wurde. Dagegen unterließ man es bei der Redaktion, den im Prinzip durchaus gebilligten Satz des oben erwähnten Antrags ausdrücklich aufzunehmen, daß dem Nachbar ein Anspruch auf Beseitigung nicht zustehe. Man hielt dies für überflüssig.

Dem gegenüber ist folgendes zu bemerken: Auszugehen ist von dem allgemeinen Prinzip des § 903 B G B , wonach der Eigentümer andere von jeder Einwirkung ausschließen kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Nirgends im Gesetze ist gesagt, daß der andere ein Recht hat, die Wurzeln und Zweige seiner Bäume in den Machtbereich seines Nachbars eindringen zu lassen; insbesondere ist dies im § 910 B G B nicht bestimmt. Hier ist dem Nachbar nur ein besonderes Selbsthilferecht gegen die Einwirkung eingeräumt. Der Eigentümer, auf dessen Grundstück eingewirkt wird, hat durch die Bestimmung des § 910 B G B etwas erhalten und nichts verloren. Steht daher auf Grund der allgemeinen gesetzlichen Vorschriften dem Eigentümer ein Anspruch auf Beseitigung zu, so ist er ihm durch § 910 B G B nicht entzogen 21 ). Dieser Anspruch auf Beseitigung ist durch § 1004 B G B gegeben. Derjenige, welcher Bäume in der Nähe der Grenze anlegt oder hält, hat auch das Bewußtsein davon, daß er das Eigentum des Nachbars beeinträchtigt. Ein weiterer Behelf für die hier vertretene Ansicht ist aus folgendem abzuleiten. Das Selbsthilferecht des § 910 ist nur dem Eigentümer gegeben, nicht auch denjenigen, welche bezüglich des Anspruchs aus § 1004 dem 20

) KommProt. 5568 (Mugdan 3, 593). ) Die irrige Meinung des Gesetzgebers, daß dies geschehen sei, kann für sich allein eine andere Gesetzesnorm nicht zur Aufhebung bringen. Übereinstimmend Ortloff, ArchBürgR 17, 274fr.; Gierke 4 3 1 ; Goldmann-Lilienthal 47 Anm. 22; Wolff 142. Die beiden letzteren wenden sich zutreffend gegen den hauptsächlichen Grund der herrschenden Meinung, daß § 1004 sich nur auf störende Menschenhandlung beziehe. Kipp-Windscheid 1 , 868 will nur einen Anspruch auf Duldung der Beseitigung durch den Gestörten geben. Der Anspruch auf Beseitigung (§ 1004) ist hinsichtlich von Bäumen gegeben, die der Eigentümer oder sein Rechtsvorgänger gepflanzt hat (im Gegensatz zu wild gewachsenen Bäumen); denn bei jenen beruht das Eindringen auf dem Willen des Eigentümers. 21

272

Überhängen von Zweigen. Eindringen von Wurzeln

§18 ii

Eigentümer gleichgestellt sind (s. oben Anm. 3). Entweder gewährt man diesen den Anspruch auf Beseitigung aus § 1004, der dem Eigentümer selbst nicht zusteht, oder aber man muß ihnen die Pflicht zur Duldung auferlegen, wofür im Gesetz gar kein Anhaltspunkt gegeben ist. Im Gebiete des gemeinen Rechts wurde mit Recht neben dem interdictum de arboribus caedendis die actio negatoria zugelassen22). Der Anspruch auf Beseitigung war hiernach an und für sich auch dann gegeben, wenn die Wurzeln oder Zweige die Benützung des Nachbargrundstückes nicht beeinträchtigen und daher das Selbsthilferecht des § 910 B G B durch dessen Abs. 2 ausgeschlossen ist 23 ). Für die Entscheidung des einzelnen Falles werden jedoch jeweils die Grundsätze von Treu und Glauben und die Rücksicht auf das nachbarliche Zusammenleben (§ 242) zu beachten und zu prüfen sein, ob und inwieweit überhaupt eine Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist. In reinen Bagatellfällen wird man keine Beeinträchtigung i. S. von § 1004 annehmen. Dem Eigentümer eines Wiesengrundes, dessen Wiesenkultur durch die eingedrungenen Wurzeln der vom Nachbar gepflanzten Bäume einer Baumreihe nicht beeinträchtigt wird, kann man, wenn er die Beseitigung der Wurzeln verlangt, wohl kaum entgegenhalten, daß die Ausübung dieses Anspruchs nur den Zweck haben kann, dem Baumbesitzer zu schaden; denn tatsächlich werden dem Grundstück durch die Wurzeln Nährstoffe entzogen, an deren Erhaltung der Eigentümer ein Interesse haben mag, auch wenn die d e r m a l i g e Benützung des Grundstücks hierdurch nicht beeinträchtigt wird.

Es ist möglich, daß durch die eingedrungenen Wurzeln ein Schaden verursacht wird, es wird z.B. die Fundamentmauer eines Hauses auseinandergetrieben. Durch das Eindringen der Wurzeln wird, sofern hierdurch die Benützung des Nachbargrundstückes beeinträchtigt wird, ein objektiv rechtswidriger Zustand bewirkt. Solange aber der Nachbar weder die Beseitigung der Wurzeln verlangt noch sein Selbsthilferecht ausübt, wird sein Einverständnis damit, daß der Baum an der Grenze steht und somit mit seinen Wurzeln herübergreift, angenommen werden können. Er hat deshalb keinen Ersatzanspruch für die Beschädigung seiner Hausmauer. Selbst wenn man die Zustimmung nicht aus den Umständen ableiten könnte, würde man zu demselben Resultat auf Grund des § 2 5 4 gelangen können. Denn wenn man ein Verschulden des Baumeigentümers annehmen könnte, so wäre das des Gebäudeeigentümers sicher das weit überwiegende. Wenn ein Pferd, das im eingezäunten Sprunggarten gehalten wurde, von den überhängenden Zweigen einer auf dem Nachbargrundstück stehenden Eibe gefressen hat, und infolge dessen verendet ist, so kann der Eigentümer der Eibe nicht ersatzpflichtig gemacht werden. 22

) Vgl. SeuffA 1 1 Nr. 1 1 5 ; 17 Nr. 7 ; Windscheid, Pand. § 169 N. 10. ) A . M . Ortloff a.a.O., der die Beschränkung des Selbsthilferechts (wonach nicht mehr vom Überhang beseitigt werden soll, als zur Abwendung der Beeinträchtigung notwendig ist) auch für die klageweise Geltendmachung des Anspruchs aus § 1004 gelten läßt. 2S

18

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

273

§ lö III

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Der Eigentümer der Eibe braucht nicht zu wissen, daß die Eibe für Pferde giftig ist; diese Kenntnis geht in erster Linie den Pferdehalter an (Schweizer Bundesgericht vom 17. 4. 1919).

III. Z e i t l i c h e S t a t u t e n k o l l i s i o n . Die Vorschriften des § 910 B G B finden auch auf die zur Zeit des Inkrafttretens des B G B schon vorhandenen Bäume Anwendung 24 ). A u f Grund des in Art. 183 E G eingeräumten Vorbehaltes hat das bayerische Gesetz, Übergangsvorschriften zum Bürgerlichen Gesetzbuch betr., in Art. 9 24a ) zugunsten der auf einem W a l d g r u n d s t ü c k e stehenden Bäume für die Übergangszeit Ausnahmen bestimmt. Der B e g r i f f des W a l d e s ist ein verschiedener, je nachdem man ihn im naturwissenschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Sinne auffaßt. Naturwissenschaftlich wird jede größere, mit wilden Holzarten bewachsene Fläche —- o h n e Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Bestimmung —• Wald genannt. Im forstwirtschaftlichen Sinne versteht man dagegen unter Wald eine mit wilden Holzarten bestandene und zur Gewinnung des Holzes bestimmte Bodenfläche von einer gewissen räumlichen Ausdehnung 25 ). Wenn auch zuzugeben ist, daß der in Art. 183 E G zugunsten der Waldgrundstücke eingeräumte Vorbehalt der Absicht entsprungen ist, die W a l d b e w i r t s c h a f t u n g zu fördern und dies darauf hinweisen könnte, den Begriff Wald im forstwirtschaftlichen Sinne zu verstehen, so ist doch ausschlaggebend, daß der gemeine Sprachgebrauch den Begriff Wald im naturwissenschaftlichen Sinne versteht und dürfte daher dieser bei Auslegung des Gesetzes zugrunde zu legen sein. Es sind daher Parkanlagen, die nicht der Holzgewinnung, sondern nur dem Vergnügen dienen, bei entsprechender Größe den Waldungen zuzurechnen. Keinesfalls aber isolierte Baumgruppen, auch wenn sie zur Holzzucht bestimmt sind; ebensowenig Alleen und Baumanlagen, die zum Obstbau bestimmt sind26).

a) Der Eigentümer eines W a l d g r u n d s t ü c k e s 2 7 ) ist gemäß Art. 9 Abs. 1 Ü G verpflichtet, die eingedrungenen Wurzeln und herüberragenden Zweige eines Baumes dann zu dulden, wenn der Baum auf einem Nachbar24)

Turnau-Förster Anm. I, 1 zu § 910. Art. 9 Ü G wurde mit Wirkung vom 1. 4. 1922 eingeführt in den ehem. Coburgischen Landesteilen durch Ges. vom 18. 12. 1920 (BayBG I 45) m. Bekm. vom 30. 1.1922 (BayBG III 214), ferner durch Bekm. vom 15.3. 1922 (BayBG II 561) mit Wirkung vom 1.4.1922 das Bayer. Forstges. vom 28. 3.1852 i.d.F. vom 26. 2. 1908 und vom 5. 11. 1920 (BayBG IV 533). 25) Ganghofer, Forstgesetz 1. 26) Ganghofer a.a.O. 27) Zu einem Waldgrundstück gehören alle einzelnen Bestandteile des Waldes, wenn sie momentan auch nicht mit Bäumen und Pflanzen bestockt sind. Auch die auf dem Waldgrundstück vorhandenen Wege, öden Plätze usw. sind zum Walde zu rechnen (Ganghofer, Forstgesetz 2). Einer Bodenfläche geht die Eigenschaft eines Waldes nur dadurch, daß sie 24a )

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Ubergängen von Zweigen. Eindringen von Wurzeln

§ 1 8

in

grundstück steht, das schon am i. i. 1900 mit W a l d b e s t a n d e n war. Die Wurzeln und Zweige müssen geduldet werden, selbst wenn sie Schaden anrichten und auch dann, wenn sich die Zweige in geringerer Höhe als fünf Meter vom Boden befinden. Diese Duldungspflicht besteht nur solange, als die beiden Nachbargrundstücke mit Wald bestanden sind. Ob die Wurzeln und Zweige vor oder nach dem 1. 1. 1900 eingedrungen sind, ist ohne Bedeutung. Die Duldungspflicht nach dieser landesgesetzlichen Vorschrift hört auf, wenn auf dem Grundstücke, von dessen Bäumen Wurzeln und Zweige eingedrungen sind, die nächste V e r j ü n g u n g des W a l d e s stattfindet, indem der Wald als Ganzes gerodet und neu aufgeforstet wird. Es ist nicht notwendig, daß der ganze Wald auf einmal verjüngt wird, sondern es genügt, wenn er nur partienweise verjüngt wird. Wenn also nur ein bestimmter Teil abgetrieben und neu angepflanzt wird, dann ist bezüglich dieses Teiles eine Verjüngung des Waldes eingetreten. Für diesen verjüngten Teil gelten die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, während für die übrigen Waldteile Art. 9 Ü G Anwendung findet28). Die Beseitigung einzelner Bäume und ihre Ersetzung durch neue ist keine Verjüngung 28 ). Den einzelnen nachgepflanzten Ersatzbäumen gegenüber besteht daher bis zur erfolgten Verjüngung des Waldes die gleiche Duldungspflicht, wie den Bäumen gegenüber, die schon am 1. 1. 1900 gestanden sind.

Wenn das an das Waldgrundstück anstoßende Grundstück, in welches die Zweige eingedrungen sind, zur Zeit des Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches gleichfalls mit Wald bestanden war, aber später Ackergrundstück wurde, so gilt von der Zeit dieser Änderung seiner Beschaffenheit an nicht mehr der Abs. 1, sondern der Abs. 2 des Art. 9 Ü G (s. nachstehend unter b). Die weitergehende Duldungspflicht des Abs. 1 beruht auf der Erwägung, daß der Nachbar infolge der gegenseitigen Duldungspflicht ebensoviel erhält, als er dem Nachbargrundstücke gewährt. Diese Erwägung trifft nicht mehr zu, wenn das Grundstück des Nachbars ein Ackergrundstück geworden ist28). Wird der Wald, von welchem Zweige in das Nachbargrundstück eingedrungen sind, niedergelegt und nicht wieder aufgeforstet, so findet d a u e r n d eine andere Bestimmung erhält, nicht aber schon dadurch verloren, daß sie teilweise nebenher oder vorübergehend in anderer Weise als zur Erzielung und Gewinnung von Holz benützt wird. Aus diesem Grunde ändert auch die Anlage und Ausbeutung eines Steinbruchs auf einer Bodenfläche, welche bis dahin einen Bestandteil eines Waldes bildete, diese Eigenschaft nicht ohne weiteres und können daher auch Steinbrüche in Waldungen, gleich den Waldblößen, Bestandteile eines Waldes bilden. O L G S t . 4, 48. 28 ) A A P r . 495 (Becher, Mat. Abt. VII, 97); vgl. Trendel SeuffBl. 7 1 , 508 (Feld- und Waldnachbarrecht); Staudinger-Seufert Randbem. 9 zu § 910.

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8 Aö III

n . Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

A r t . 9 Ü G f ü r B ä u m e , w e l c h e a u f d i e s e m G r u n d s t ü c k e ü b r i g gelassen o d e r neu a n g e p f l a n z t w u r d e n , selbstverständlich keine A n w e n d u n g m e h r 2 9 ) . I m Falle des Plenterbetriebes g i l t als der Z e i t p u n k t der n ä c h s t e n V e r j ü n g u n g der B e g i n n des Jahres 1950 ( A r t . 9 A b s . 3 Ü G ) . Die Waldungen in Bayern werden vorzugsweise im s c h l a g w e i s e n B e t r i e b e bewirtschaftet. Der schlagweise Betrieb charakterisiert sich zunächst dadurch, daß an Stelle eines haubaren oder abnutzfähigen Waldbestandes innerhalb eines verhältnismäßig kurzen, Zumeist die Dauer von 30 Jahren nicht überschreitenden Zeitraumes ein ganz neuer Waldbestand begründet wird, so daß auf einer hinreichend großen Fläche jeweils ein gleichaltriger Holzwuchs sich befindet. Der Schlag kann nun ein Kahlschlag sein, wenn ganz abgeräumt wird, oder ein sog. Sonnenschlag, bei welchem innerhalb eines gewissen Zeitraumes die älteren Bäume weggenommen werden, damit der entstandene Jungwuchs sich entwickeln kann. Die Verjüngung eines Waldes erstreckt sich hiernach entweder sogleich über die ganze Fläche desselben oder in bestimmten Intervallen je über einen geschlossenen Teil dieser Fläche30)). Der P l e n t e r b e t r i e b ist nur in einigen Bezirken Bayerns, zumeist in Waldungen bäuerlichen Besitzes oder in Schutzwaldungen üblich und zunächst nur für gewisse schattenliebende Holzarten, wie Buche, Weißtanne und Fichte geeignet. Von den im schlagweisen Betriebe bewirtschafteten Waldungen unterscheiden sich die Plenterwaldungen dadurch, daß in ihnen die Altersstufen nicht flächenweise geschieden sind, sondern daß Stämme aller Altersklassen, von der einjährigen Pflanze an bis zum haubaren Stamme, zumeist einzeln, zuweilen auch gruppenweise regellos durcheinander gemengt stehen. Der Plenterwald ist daher jederzeit mit vollem Holzwuchs versehen, er ist aber auch ebenso in ständiger Verjüngung begriffen. Eine völlige Verjüngung eines Plenterwaldes wäre daher nur dann gegeben, wenn an Stelle eines jeden einzelnen zur Zeit des Inkrafttretens des B G B aufstehenden Holzwuchses ein anderer von gleichem Alter getreten sein würde; an Stelle eines haubaren Stammes müßte also wieder ein haubarer Stamm, an Stelle einer einjährigen Pflanze wieder eine solche getreten sein. Man müßte sozusagen über jeden Baum ein Geburtsregister führen. Da dies technisch unmöglich ist, wurde an Stelle des Zeitpunkts der nächsten Verjüngung für Plenterwaldungen der Beginn des Jahres 1950 als maßgebend erklärt31). b) D e m E i g e n t ü m e r e i n e s n i c h t m i t W a l d bestandenen G r u n d s t ü c k s liegt z u g u n s t e n v o n G r u n d s t ü c k e n , die bei d e m I n k r a f t treten des B ü r g e r l i c h e n G e s e t z b u c h e s s c h o n m i t W a l d bestanden w a r e n 3 2 ) , g e g e n ü b e r d e n h e r ü b e r r a g e n d e n Z w e i g e n (nicht a u c h g e g e n ü b e r einged r u n g e n e n W u r z e l n 3 3 ) , s o w e i t diese mindestens 5 M e t e r v o m B o d e n entf e r n t sind, die g l e i c h e D u l d u n g s p f l i c h t o b , w i e sie A r t . 9 A b s . 1 Ü G v o r schreibt. D i e s e D u l d u n g s p f l i c h t e n d i g t in d e m g l e i c h e n Z e i t p u n k t ( A r t . 9 Abs. 2 ÜG). 29)

Vgl. Habicht, Einwirkung 369. AAPr. 562 (Becher, Mat. Abt. IV und V , 1, 977); Trendel SeuffBl 71, 508. 31 ) AAPr. 562 (Becher, Mat. Abt. IV und V , 1, 977). 32) Hiervon sind aber durch Art. 9 Abs. 4 Ü G isolierte Waldparzellen, die bis Zum Beginn des Jahres 1885 als landwirtschaftliche Grundstücke benutzt worden sind, ausgenommen. S. unten IV 2. 33) S. unten IV 2 und oben Ziff. I. 30)

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Überhängen von Zweigen. Eindringen von Wurzeln

§ 1 8

in

Die Entfernung wird von der unteren Spitze der Zweige bis zum Boden gemessen. Die Messung ist vorzunehmen, wenn die Zweige frei von Regen oder Schnee sind. Sind die Zweige durch daranhängende Früchte heruntergedrückt, so muß gleichwohl die volle Entfernung von 5 m gewahrt sein. Wenn der Erdboden durch bestimmungsgemäße Benützung des Grundstückes (z. B. durch Aufackern) erhöht ist, ist nicht von der Furche aus, sondern von dem Kamm des Beetes zu messen. Solche Zweige müssen auch dann geduldet werden, wenn sie die Benützung des anderen Grundstückes beeinträchtigen. Die Zweige, die weniger als 5 m vom Boden entfernt sind, dürfen andererseits nur dann im Wege der Selbsthilfe beseitigt werden, wenn sie die Benützung des Grundstücks beeinträchtigen. Dies folgt aus § 910 B G B , der, soweit Art. 9 Ü G nicht Platz greift, in Anwendung zu kommen hat 34 ). Für die Beseitigung der herüberragendenZweige, die weniger als 5 m vom Boden entfernt sind, ist dem Eigentümer des mit Wald bestandenen Grundstückes eine dem Umfange der Arbeit für das ganze Grundstück entsprechende Frist von höchstens zwei Jahren zu gewähren (Art. 9 Abs. 2 ÜG). Durch diese Bestimmung wird zugunsten der Waldgrundstücke die Angemessenheit der in § 910 B G B vorgesehenen Frist in einen ziemlich weiten Rahmen gestellt. Die Frist muß nicht nur gewährt, sondern dem Waldbesitzer direkt gestellt werden (§ 910 BGB) 3 5 ). Auf der westlichen, nordwestlichen, südwestlichen und südlichen Seite des mit Wald bestandenen Grundstückes müssen auch solche weniger als 5 m vom Boden entfernte herüberragende Zweige geduldet werden, wenn im Falle der Beseitigung der Fortbestand eines zum Schutze des Waldes erforderlichen Baumes oder Strauches gefährdet oder die Ertragsfähigkeit des Waldbodens infolge des Eindringens von Wind und Sonne beeinträchtigt werden würde (Art. 9 Abs. 2 ÜG 3 6 ). 34 ) A . M. Henle-Schneider Anm. 6 zu Art. 9 Ü G , nach deren Ansicht die Entfernung der Zweige, die weniger als 5 m vom Boden entfernt sind, verlangt werden kann, unabhängig davon, ob sie dem anderen Grundstücke Nachteile bringen, also z.B. auch von dem Eigentümer einer Ödfläche. Die Vorschrift des § 910 Abs. 2 B G B finde hier keine Anwendung. — Dies kann dem Art. 9 Ü G nicht entnommen werden. Sein Wortlaut spricht nicht dafür, daß in dieser Beziehung der Eigentümer eines Waldgrundstückes ungünstiger gestellt sein soll als die Eigentümer anderer Grundstücke. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, würde es keine Wirkung haben, weil Art. 183 E G dem Landesrecht nur einen Vorbehalt „ z u g u n s t e n " der Waldgrundstücke einräumt. 36 ) S. darüber oben Ziff. I. 3e ) A u f den Südwest-, West- und Nordwesträndern der Wälder ist der Angriff des Windes besonders schädlich für die Waldungen, auf der Südseite wirkt die Isolation (Sonnenbestrahlung) auf die durch Äste nicht geschützten Stammteile namentlich durch Austrocknung des aufsteigenden Saftes nachteilig. Vgl. Trendel, SeuffBl. 7 1 , 519.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Für die eingedrungenen Wurzeln gilt keine Besonderheit; sie können daher nach § 910 B G B beseitigt werden, wenn sie die Benützung des Grundstückes beeinträchtigen. Auf i s o l i e r t e W a l d p a r z e l l e n , d.h. auf solche mit wilden Bäumen bestandene Grundstücke, welche von landwirtschaftlichen Grundstücken umgeben sind und vermöge ihrer geringen Ausdehnung eine forstwirtschaftliche Benützung nicht gestatten37), finden, soferne sie bis zum Beginne des Jahres 1885 als landwirtschaftliche Grundstücke benützt worden sind, nicht die Vorschriften des Art. 9 Ü G , sondern die allgemeinen Normen des § 910 B G B Anwendung (Art. 9 Abs. 4 ÜG).

§ 19. Grenzabstand von Pflanzen1) Es ist an sich kein Eingriff in das Recht des Nachbars, wenn jemand auf seinem Grundstück Bäume hält; das ist des Eigentümers gutes Recht 2 ). Soweit dies direkte Einwirkungen in die Eigentums Sphäre des Nachbars im Gefolge hat (Eindringen von Wurzeln und Zweigen), kann sich der Nachbar in Gemäßheit des § 910 B G B schützen3). Allein dieser Schutz ist nicht ausreichend. Die Wurzeln und Zweige greifen naturgemäß immer von neuem über; die von den Bäumen ausgehende Beschattung beeinträchtigt die Ertragsfähigkeit des unmittelbar angrenzenden Grundstückes; die Bäume halten die Feuchtigkeit im Boden fest und sind eine Brutstätte für Insekten und andere kleine Tiere 4 ). Deshalb hat das bayerische Ausführungsgesetz in Art. 71—78®) dem Grundeigentümer das Gebot eines mäßi*') Bei den Verhandlungen des Ausschusses der Reichsratskammer hat der Vertreter der Forstbehörde sich dahin ausgesprochen, daß zu den Parzellen kleine Waldgrundstücke gehören, welche über 8—10 Tagwerke nicht hinausgehen. Stoßen zwei oder mehrere Parzellen zusammen, so werden sie insgesamt als isolierte Parzelle gelten können, wenn sie in ihrer Gesamtfläche die für eine Parzelle zulässige Größe nicht überschreiten. Vgl. hierzu Trendel, SeuffBl. 7 1 , 520. § 19. Bei einer örtlichen Statutenkollision entscheidet über das Erfordernis des Grenzab standes das Recht desjenigen Gebietes, auf welchem sich die betreffende Pflanze befindet. Müßte nach diesem Rechte ein Abstand eingehalten werden, nach dem Rechte des daran angrenzenden Grundstücks aber nicht oder nur in geringerem Maße, so ist nur diese Vorschrift zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Bei Grundstücken, welche durch die Grenze verschiedener Rechtsgebiete geschieden sind, braucht für beide Grundstücke nur derjenigen Rechtsvorschrift entsprochen zu werden, welche das Halten der Pflanze weniger erschwert. Vgl. Endemann 476 Anm. 60. 2 ) AAPr. 175 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1 , 451). 3 ) S. oben § 18. 4 ) Begründung zu A G 42 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1 , 91). 6 ) Vgl. Code civil, HessGes. vom 23. 1. 1881, WürttGes. vom 15. 6, 1893. Von den Statutarrechten hatten nur wenige (Augsburg, Regensburg, Schweinfurt, für Hopfen auch

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Grenzabstand von Pflanzen

§19 i

gen Abstandes der Bäume und Sträucher von der Nachbargrenze auferlegt. Diese Eigentumsbeschränkung findet ihre Rechtfertigung in dem durch das nachbarliche Zusammenleben bedingten Gebote gegenseitiger Rücksicht. Es soll hintangehalten werden, daß der Eigentümer durch eine Benützung seines Grundeigentums, die ihm nur geringe Vorteile bringt, dem Nachbar einen unverhältnismäßig größeren Nachteil zufügt 6 ). Deshalb hat Art. 71 A G Vorschriften über den Grenzabstand von Gewächsen eingeführt, die sich auf B ä u m e , S t r ä u c h e r , H e c k e n , W e i n s t ö c k e und H o p f e n s t ö c k e beziehen. Unter einem S t r a u c h ist ein Holzgewächs zu verstehen, dessen Stamm sich schon von der Wurzel an in mehrere über der Erde als Einzelsträucher erscheinende Äste zerteilt, sich somit in seinen Zweigen niedrig zu halten und holzartig zu entwickeln pflegt. Darunter fallen z.B. Rhododendron, nicht aber Stauden-Gewächse, wie Malven oder Rittersporn, bei denen alle über dem Boden befindlichen Teile im Herbst absterben; für sie ist kein Abstand vorgeschrieben 63 ). Den Sträuchern gleichgestellt sind die H a l b s t r ä u c h e r , das sind Holzgewächse, deren jüngere Zweige im Herbst absterben, während ein Teil der Zweige verholzt. Die Abstandsvorschriften sind zwar in erster Linie zum Schutz der landwirtschaftlichen Benützung bestimmt; sie können aber auch von Eigentümern nichtlandwirtschaftlicher Grundstücke in Anspruch genommen werden. I. V o r a u s s e t z u n g e n u n d I n h a l t des A n s p r u c h s Diese Pflanzen dürfen, abgesehen von den unten III. behandelten Ausnahmefällen, nicht unmittelbar an der Grenze, sondern nur in einem bestimmten Abstand von der Grenze gehalten werden. Der Abstand ist n u r dann einzuhalten, wenn der Berechtigte es v e r l a n g t . Das Verlangen kann f o r m l o s und zu jeder Zeit geschehen, solange der Anspruch nicht verjährt ist. Es kann daher gestellt werden sowohl vor als nach der Pflanzung der betreffenden Gewächse. Ein Verzicht auf dieses Verlangen ist, wie sich aus Art. 77 Abs. x A G ergibt, wirkungslos 7 ). A k t i v l e g i t i m i e r t zu dem Verlangen und dem sich hieraus ergebenden Anspruch auf Erfüllung sind der Eigentümer des Grundstückes (Art. 71 A G ) , aber auch diejenigen, welche bezüglich des Anspruchs aus § 1004 dem Eigentümer gleichgestellt sind nämlich Wohnungs- und TeilMünchen und Memmingen) ähnliche Vorschriften. Vgl. Begründung z. A G 42 (Becher, Mat. Abt. IV und V, 1, 91). 6 ) Vgl. AAPr. 175 (Becher, Mat. Abt. IV u. V, 1, 452). 6a ) Vgl. BayObLGZ 26, 267. ') Böhm-Klein Anm. 2 zu Art. 71.

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I

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

eigentümer (§§ i u. 3 W E G , § 1 0 1 1 BGB), Erbbauberechtigte ( § 1 0 1 7 B G B , § 1 1 ErbbVO), Nießbraucher (§ 1065) und Dienstbarkeitsberechtigte (§§ 1027,1090 Abs. 2). Dem Besitzer (Pächter u.dgl.) steht bei tatsächlicher Beeinträchtigung die Besitzstörungsklage (vgl. unten § 40) zu. Eine entsprechende Anwendung der Art. 71 ff. A G B G B auf den Besitzer kann unter Umständen aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Zusammenlebens nach den Grundsätzen des § 242 B G B dann gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen einer Besitzstörungsklage noch nicht gegeben sind, die Interessen des Besitzers aber auf Grund besonderer Verhältnisse (etwa eine lange dauernde Besitzzeit oder der Schutz landwirtschaftlicher oder gärtnerischer Anlagen), denen des Eigentümers gleich zu achten sind. P a s s i v l e g i t i m i e r t ist derjenige, welcher die Pflanzen hält oder halten will; also regelmäßig der Besitzer, aber auch der Eigentümer des Nachbargrundstückes. Denn er ist derjenige, welcher den Widerspruch mit dem Inhalt des Eigentums stehenden Zustand aufrecht erhält oder begründen will. Der I n h a l t des A n s p r u c h s geht auf Erfüllung des Verlangens. Sind die Bäume usw. noch nicht gepflanzt, so kann der Anspruch nur im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden. Es müssen dann aber auch deren prozessuale Voraussetzungen gegeben sein. Der Klageantrag würde dahin gehen: „ E s wird festgestellt, daß der Beklagte nicht berechtigt ist, Bäume in einer geringeren Entfernung als x Meter von der Grenze des dem Kläger gehörigen Grundstückes zu halten." Sind die Bäume bereits gepflanzt, so kann der Eigentümer des Nachbargrundstückes die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen (§ 1004 BGB) 8 ). Der Anspruch geht darauf, daß der Baum auf das zulässige Höchstmaß herabgesetzt (zugeschnitten) wird; denn die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks liegt darin, daß die Bäume in einer das Höchstmaß übersteigenden Höhe „gehalten" (Art. 71 A G B G B ) werden. Es kann daher nicht die Entfernung der Bäume begehrt werden. Der Klageantrag geht daher dahin: „Der Beklagte ist schuldig, den Pappelbaum auf das zulässige Höchstmaß von 2 m herabzusetzen."Ist zu besorgen, daß der Nachbar auch in Zukunft Pflanzen in vorschriftswidriger Nähe der Grenzen anlegen wird, so kann auch auf Unterlassung geklagt werden (§ 1004 BGB). Wie unten noch dargelegt werden wird, kann für Bäume, die über 2 m hoch sind, ein größerer Abstand verlangt werden, als für Bäume, welche diese Höhe nicht überschritten haben. Die Verpflichtung zur Einhaltung dieses größeren Abstandes kann der Nachbar hintanhalten, wenn er den betr. Baum durch Beschneiden verhindert, über 2 m hinauszu8 ) Der Nachbar ist nicht berechtigt, die Bäume selbst zu beseitigen; das wäre verbotene Eigenmacht (§ 862) und Sachbeschädigung (§ 303 StGB).

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Grenzabstand von Pflanzen

§19 i

wachsen. Sobald er aber den Baum tatsächlich über 2 m hat hinauswachsen lassen und der Nachbar das Verlangen auf Beseitigung gestellt hat, muß der Baum beseitigt werden, auch wenn der für Bäume bis zu 2 m Höhe vorgeschriebene Abstand eingehalten ist. Der Nachbar braucht sich nicht damit zu begnügen, daß der Baum durch nachträgliches Abschneiden auf das Maß unter 2 m zurückgebracht wird9). Hat der Eigentümer des Baumes, der über 2 m hinausgewachsen ist, den Baum durch Abschneiden auf das Maß von 2 m zurückgebracht, bevor der Nachbar das Verlangen auf Beseitigung gestellt hatte, so kann dieser die Beseitigung des Baumes, der den für Bäume bis zu 2 m vorgeschriebenen Abstand einhält, nicht mehr verlangen; denn das Recht des Nachbars wird durch Überschreitung des vorgeschriebenen Abstandes erst von dem Zeitpunkte an verletzt, in welchem er die Einhaltung des Abstandes verlangt. Die V e r j ä h r u n g des Anspruchs auf Beseitigung tritt in fünf Jahren ein; sie beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Verletzung der über den Abstand gegebenen Vorschriften erkennbar wird (Art. 78 AG) 1 0 ). Die Verletzung ist erkennbar, sobald mit einem Baum, Strauch usw., der vorgeschriebene Abstand nicht eingehalten ist und Klarheit über die Grenze besteht 11 ). Besteht ein Irrtum über den Lauf der Grenze und geht deshalb der Eigentümer des Grundstückes, dessen Grenze der Baum in Wahrheit zu nahe steht, von der irrigen Annahme aus, daß die tatsächlichen Voraussetzungen, von deren Vorhandensein das Gesetz sein Beseitigungsrecht abhängig macht, nicht gegeben seien, so ist die Verletzung der Abstandsvorschriften für ihn nicht erkennbar. Daß er in einem solchen Irrtum nicht nur in einem Zweifel war, müßte er beweisen. Der Beginn der Verjährung ist also nicht an die Voraussetzung gebunden, daß der Nachbar die Einhaltung des Abstandes verlangt. Für Pflanzen bis zu 2 m Höhe ist ein Abstand von 0,50 m vorgeschrieben. Für Pflanzen, die über 2 m hoch sind, ist regelmäßig ein Abstand von 2 m vorgeschrieben und gegenüber einem landwirtschaftlich genützten Grundstück regelmäßig sogar ein Abstand von 4 m. Man setze nun den Fall, daß am 1. 5.1908 eine Baumpflanze von 1,90 m Höhe in einer Entfernung von 0,30 m von der Grenze gesetzt wird. Im Jahre 1909 überschreitet der Baum die Höhe 9

) Böhm-Klein Anm. 5 zu Art. 7 1 ; Meikel Anm. 2 zu Art. 71 A G . ) Haberstumpf tritt in Bayer. StA Nr. 96 vom 26. 4. 1922 mit Recht dafür ein, daß mit Rücksicht auf das jetzt bestehende Interesse an der Förderung der landwirtschaftlichen Produktion die Vorschrift des Art. 78 über die Verjährung beseitigt werden sollte. — u ) In die Verjährungszeit von fünf Jahren ist bei Sondernachfolge die Besitzzeit des Rechtsvorgängers, während dessen Besitzzeit die Verletzung der Abstandsvorschrift erkennbar geworden ist, einzurechnen (Begr. z. A G 44; Becher, Mat. 95; Haberstumpf in „ D e r Bayerische Bürgermeister" 1 9 2 1 , 219). 10

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

II

von 2 m. Wann beginnt die Verjährung des Anspruchs auf Einhaltung des Abstandes von 2 m ? A m 31. Dezember 1908; denn die Verletzung der Abstandsvorschriften ist schon im Jahre 1908 eingetreten. Nach der Vollendung der Verjährung ist der Verpflichtete berechtigt, die Leistung, d.i. die Beseitigung des Baumes, zu verweigern (§ 222 BGB). Durch die Verjährung wird dagegen nicht eine dauernde Belastung des Inhaltes begründet, daß eine Pflanze von der Art derjenigen, die während der Verjährungszeit bestanden hat, an der Stelle, w o diese bestanden hat, gehalten werden darf 12 ). Werden Gewächse, in Ansehung derer der Anspruch verjährt ist, durch neue ersetzt, so ist daher gemäß Art. 78 Abs. 2 A G die vollendete Verjährung ohne Einfluß auf das Recht des Eigentümers des Nachbargrundstückes, in Ansehung der neuen Gewächse die Einhaltung des vorgeschriebenen Abstandes zu verlangen. Werden in einer Reihe von Gewächsen (Baumreihe oder Hecke) einzelne Pflanzen ersetzt, so ist zu untersuchen, ob die Baum- oder Gesträucherreihe sich als eine Einheit darstellt. Zweifelsohne ist die Hecke eine solche Einheit. Dagegen ist eine Baumreihe oder eine Reihe von Weinstöcken, Hopfenstöcken usw. regelmäßig keine Einheit; wohl aber eine förmliche Allee 1 3 ), und ebenso eine durch Weinstöcke gebildete Laube. Bei kunstgärtnerischen Anlagen kann auch in einer bloßen Baumreihe eine Einheit gefunden werden, wenn sie bestimmt ist, der ganzen Anlage als ein symmetrisch eingefügter Teil zu dienen. Wird ein einzelner Teil einer Einheit von Gewächsen ersetzt, so wirkt die für das Ganze eingetretene Verjährung auch für den einzelnen Teil. Dies folgt trotz Art. 78 Abs. 2 A G aus dem Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen. Der Eigentümer des Nachbargrundstückes muß sich daher gefallen lassen, daß die neuen Gewächse an die Stelle der alten gesetzt werden, deren Ersatz sie abgeben sollen. Ein Verzicht auf die durch die AbstandsvorSchriften begründeten Beschränkungen findet nicht statt, wie sich durch argumentum a contrario aus Art. 77 A G ergibt 14 ). II. G r ö ß e des A b s t a n d s Der Abstand wird gemäß Art. 73 A G bei Bäumen von der Mitte des Stammes an der Stelle, wo dieser aus dem Boden hervortritt, bei Sträuchern und Hecken von der Mitte der zunächst ander Grenze befindlichen Triebe 1 5 ), 12 )

Begründung zum A G 44 (Becher, Mat. Abt. I V und V, 1, 95). Dies hat nur für Grundstücke, die keine öffentlichen Wege sind, Bedeutung; denn mit Bäumen längs einer öffentlichen Straße braucht nach Art. 74 A G überhaupt kein Abstand eingehalten zu werden. 14 ) Oertmann, Landesprivatrecht 338. Doch ist eine Änderung dieses Rechtszustandes durch Bestellung einer entgegenstehenden Grunddienstbarkeit möglich. Oertmann a.a.O. 15 ) Der Eigentümer der Sträucher und Hecken kann natürlich die der Grenze zu13 )

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Grenzabstand von Pflanzen

§19 ii l

bei Hopfenstöcken von der Hopfenstange oder dem Steigdraht (und zwar ebenfalls, wo diese aus dem Boden herauskommen) gemessen. Die Größe des Abstandes ist verschieden: a) Für P f l a n z e n bis zu 2 m H ö h e einschließlich beträgt der Abstand 0,50 m (Art. 71 Abs. 1 AG). Hierbei macht es keinen Unterschied, ob das Grundstück, zu dessen Gunsten der Abstand verlangt wird, angepflanzt ist oder nicht 16 ), oder ob aufihm Gebäude stehen. Auch Pflanzen, welche an fremden (z. B. öffentlichen) Gewässern stehen, müssen diesen Abstand einhalten. b) F ü r P f l a n z e n , die ü b e r 2 m h o c h s i n d , beträgt der Abstand im allgemeinen 2 m (Art. 71 Abs. 1 AG). Hiervon gibt es jedoch drei Ausnahmen : Der Abstand der S t r ä u c h e r und H e c k e n wird von der Mitte der zunächst an der Grenze befindlichen Triebe aus gemessen (Art. 73 AG). Für den zulässigen Abstand des ganzen Strauches wird das Maß genommen an dem Triebe, der an der Stelle, wo er aus dem Boden kommt, die geringste Entfernung von der Grenze hat. Es gibt aber auch Sträucher, die mit einem, wenn auch kurzen Stamm aus dem Boden kommen und erst über dem Boden Zweige austreiben; das sind im Grunde genommen Bäume; bei diesen ist der Abstand von der Mitte des Stammes zu rechnen. Für einen H a l b s t r a u c h gilt keine Besonderheit; er wird wie der Strauch behandelt. Wenn jedoch alle über dem Boden befindlichen Teile eines Gewächses im Herbst absterben, dann hat man es mit einer S t a u d e zu tun, bei der kein Abstand von der Grenze einzuhalten ist. 1. Z u g u n s t e n eines W a l d g r u n d s t ü c k e s 1 7 ) kann auch für über 2 m hohe Pflanzen nur die Einhaltung eines Abstandes von 0,50 m verlangt werden (Art. 71 Abs. 2 AG). An Waldgrundstücke dürfen die Pflanzen deshalb näher herangerückt werden, weil bei diesen Schutz vor Beschattung nicht in Frage kommt und sie von den sonstigen Nachteilen der Nähe von Gewächsen weniger berührt sind 18 ). Hiervon werden insbesondere 19 ) die Fälle betroffen, in welchen Waldung gegen Waldung steht. Bezüglich der Grundstücke, die schon zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Wald bestanden waren, vgl. unten IV, 2. gekehrten Triebe jeweils zuschneiden und dadurch bewirken, daß er die Hecke viel näher an der Grenze halten darf, als dies bei ungehindertem natürlichen Wachstum der Fall wäre. ie ) Unter Umständen könnte das allgemeine Schikaneverbot des § 226 B G B in Frage kommen. 17 ) Uber den Begriff Waldgrundstücke s. oben § 18, II, Anm. 27. 18 ) Begründung z. A G 42 (Becher, Mat. Abt. I V und V , i, 91). 19 ) Nicht „ n u r " ; vgl. A A P r . 173 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 448) und dagegen die auf einem offenbaren Mißverständnis der Äußerung des Regierungsvertreters beruhende Bemerkung des Abgeordneten Fuchs in A A P r . 174 (Becher, Mat. i, 449).

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5} I V

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

II 2 , 3

Im übrigen ist es ohne Bedeutung, ob es sich um bereits bestehende Waldungen handelt, oder ob ein bisher anderweitig benützes Grundstück aufgeforstet wird 20 ). Steht Waldung gegen Waldung und rodet der eine Waldbesitzer sein Waldgrundstück, um darauf einen Acker anzulegen, so muß der andere bei der nächsten Verjüngung seines Waldes 2 m Abstand von der Grenze einhalten (Art. 75 Abs. 2 A G ) 2 1 ) ; dem ersteren aber ist es dann nach wie vor unverwehrt, einzelne Bäume (z. B. Obstbäume) bis auf einen Abstand von 0,50 m an die Grenze heranzurücken; denn zugunsten eines Waldgrundstückes kann kein größerer Abstand gefordert werden (Art. 71 Abs. 2 AG). 2. Ein Abstand von nur 0,50 m kann ferner dann gefordert werden, wenn Wein oder H o p f e n auf einem Grundstück angebaut wird, in dessen Lage ein solcher Anbau nach den ö r t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n ü b l i c h ist (Art. 71 Abs. 2 Satz 2 AG). Es ist keine notwendige Voraussetzung, daß auch das Nachbargrundstück in gleicher Weise angebaut ist; auch wenn an der Grenze des Nachbargrundstückes ein Wohnhaus steht, ist beim Vorhandensein der oben aufgestellten Voraussetzung mit diesen Pflanzen nur der geringere Abstand einzuhalten. Erfordernis ist aber, daß gerade in der Lage des betreffenden Grundstückes der Anbau von Hopfen bzw. Wein üblich ist. Wenn z.B. in einer Weingegend nur die Hänge, nicht auch die Niederungen mit Wein angebaut zu werden pflegen, so kann sich der Eigentümer eines in der Niederung gelegenen Grundstückes nicht auf die Ausnahmebestimmung berufen, selbst dann nicht, wenn zufällig noch ein anderer Eigentümer eines benachbarten Grundstückes Wein auf seinem Grundstück angebaut haben sollte; denn e i n z e l n e Fälle bewirken nicht, daß der Anbau in der betreffenden Lage ü b l i c h ist. Diese Voraussetzung trifft nur dann zu, wenn eine größere Anzahl (nicht gerade die Mehrzahl) der Grundstücke in derselben Weise angebaut ist. Maßgebend ist der g e g e n w ä r t i g e Zustand. Werden in einer b i s h e r i g e n Hopfengegend die Hopfenstöcke fast allgemein ausgerodet, so kann sich der Eigentümer eines weiterhin als Hopfengarten benützten Grundstückes nicht darauf berufen, daß b i s l a n g in der betr. Lage der Hopfenbau üblich war. 3. Gegenüber einem l a n d w i r t s c h a f t l i c h b e n ü t z t e n Grunds t ü c k e , dessen wirtschaftliche Bestimmung durch Schmälerung des Sonnenlichtes e r h e b l i c h b e e i n t r ä c h t i g t werden würde, ist gemäß Art. 72 Abs. 1 A G mit Bäumen (nicht auch mit Sträuchern und Hopfenstöcken), welche über 2 m hoch sind, ein Abstand v o n 4 m einzuhalten. Diese weitergehende Eigentumsbeschränkung wurde mit Rücksicht auf 20 21

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) Trendel, SeuffBl. 7 1 , 510. ) Trendel a.a.O. Vgl. unten I V , 2.

Grenzabstand von Pflanzen

§ 1 9 113

das Bedürfnis der Landwirtschaft eingeführt, den Betrieb intensiver zu gestalten22). Zu den landwirtschaftlichen Grundstücken i. S. des Art. 72 Abs. 1 A G sind sinngemäß auch gärtnerische Anlagen zu rechnen. Hervorzuheben ist, daß der größere Abstand von 4 m nur zugunsten derjenigen landwirtschaftlich benützten Grundstücke einzuhalten ist, deren landwirtschaftliche Bestimmung durch Schmälerung des Sonnenlichtes erheblich beeinträchtigt würde 23 ). Die Voraussetzung fehlt bei Ödungen, Viehweiden und minderwertigen Wiesen24). Zu den landwirtschaftlich benützten Grundstücken gehören an sich auch die Ökonomiegebäude; nach dem Zwecke der Vorschrift wird man von einer landwirtschaftlichen Benützung im Sinne des Gesetzes nur dann sprechen können, wenn durch die Benützung dem Boden Früchte abgewonnen werden sollen. Deshalb kann zugunsten einer Scheune der größere Abstand des Art. 72 auch dann nicht verlangt werden, wenn durch die Nähe der Bäume der Scheune der erforderliche Luftzug entzogen wird. Eine weitere Voraussetzung ist nach Art. 72 Abs. 2 A G , daß das Grundstück diese wirtschaftliche Bestimmung schon zu der Zeit gehabt hat, zu welcher die Bäume die Höhe von 2 m überschritten haben. Die Beweislast hierfür trifft denjenigen, welcher den Abstand von 4 m verlangt 26 ). Dies ergibt sich aus der Fassung des Gesetzes: „Die Einhaltung des Abstandes kann nur verlangt werden, wenn " Hat z. B. der Eigentümer einer nur als Weide benützten Wiese sein Grundstück durch Bewässerungsanlagen zu einer guten Wiese umgestaltet, so kann er die Beseitigung eines von der Grenze 2 m entfernten, 8 m hohen Nußbaumes dann nicht verlangen, wenn dieser schon vor Herbeiführung der Melioration der Wiese höher als 2 m war.

Andererseits müssen die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 1 A G zur Zeit des Verlangens gegeben sein26). Wenn z. B. eine Wiese infolge einer Änderung des Wasserlaufes zu einer ganz minderwertigen geworden ist, so kann der Abstand von 4 m nicht mehr verlangt werden. Hat der Eigentümer einer kultivierten Wiese die Beseitigung eines nur 2 m von der Grenze entfernten Baumes von 5 m Höhe im Wege der Klage verlangt, so entzieht er dieser Klage den Boden, wenn er auf der in Betracht kommenden Stelle seiner Wiese ein Gebäude errichtet; es bleibt ihm dann nichts anderes übrig, als seine Klage in der Haupt22

) Begründung z. A G 43 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 91). ) Trendel, SeuffBl. 7 1 , 5 1 1 nimmt an, daß nur auf der Südseite des landwirtschaftlich benützten Grundstückes der größere Abstand von 4 m einzuhalten sei, weil nur hier von einer Schmälerung des Sonnenlichtes gesprochen werden könne. Das wird für die Regel, aber keineswegs ausnahmslos zutreffen. 24 ) A A P r . 176 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 452). 25 ) Vgl. Böhm-Klein Bern. }i> zu Art. 72 A G . 26 ) A . M . Meikel Anm. 2 zu Art. 72 A G . , der den Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs derart entscheidend betrachtet, daß es belanglos sei, ob in der Zwischenzeit •die wirtschaftliche Bestimmung gewechselt habe. 23

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

sache zurückzunehmen, andernfalls müßte sie abgewiesen werden; bei rechtzeitiger Zurücknahme des Hauptanspruchs fallen die Kosten dem Beklagten zur Last. Hatte der Kläger schon vor Erbauung des Hauses rechtskräftiges Urteil auf Beseitigung des Baumes erwirkt und dann den Neubau ausgeführt, so steht dem Beklagten die Vollstreckungsgegenklage des § 767 Z P O zu.

Aber auch, wenn sämtliche Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 1 A G gegeben sind, ist in folgenden A u s n a h m e f ä l l e n nur ein Abstand von 2 m und nicht von 4 m einzuhalten: a) mit S t e i n - u n d K e r n o b s t b ä u m e n 2 7 ) (Art. 72 Abs. 1 Satz 2). Hierher sind zu rechnen Birn-, Apfel-, Pflaumen-, Zwetschgen-, Pfirsich-, Aprikosen-, Kirsch-, Reineklauden-, Mirabellenbäume usw. Die Nußbäume fallen nicht unter diese Kategorie.

ß ) mit B ä u m e n , die sich in e i n e m H o f r a u m o d e r H a u s g a r t e n befinden (Art. 74 Abs. 2 AG). Als Hofraum ist eine zu einem Gebäude gehörige Grundfläche zu betrachten, die bestimmt ist, dem wirtschaftlichen Zwecke des Gebäudes zu dienen28). Eine Umfriedung des Raumes ist nicht erforderlich, doch muß die Fläche unmittelbar an das Gebäude angrenzen, zu welchem sie gehört. Unter H a u s g a r t e n hat man ein Grundstück zu verstehen, welches in der Nähe eines Wohngebäudes gelegen ist und die Bestimmung hat, den Bewohnern des Hauses als kultiviertes Grundstück zu dienen29). Eine Umfriedung ist auch hier nicht wesentlich; ebensowenig erforderlich ist ein unmittelbares Angrenzen an das Wohngebäude. Unter Umständen kann sonach auch eine neben dem Hause befindliche, mit Obstbäumen versehene Wiese unter den Begriff desHausgartens fallen 30 ). Dies selbst dann, wenn zwar der Ertrag der Wiese als Viehfutter, die Wiese zugleich aber als Trockenplatz, Bleiche, als Aufenthaltsort für die Hausbewohner (Spielplatz) dient. Aber immer ist Erfordernis, daß der Garten zunächst den häuslichen Zwecken gewidmet ist. Der Begriff wird also, namentlich auf dem Lande, wo die Grenzen zwischen Feld- und Gartenbau sowohl nach Art als Gegenstand der Bestellung mehr oder minder ineinander fließen, nicht gerade auf Gärten für Blumenzucht, Obstund Gemüsebau (Baum- und Krautgärten) einzuschränken sein; wohl aber wird Grundstücken, welche lediglich dem allgemeinen Zwecke des land27 ) Durch den größeren Abstand von 4 m würde die Obstbaumzucht beeinträchtigt, auch genügt mit Rücksicht auf die gewöhnliche Höhe und die sonstige Beschaffenheit dieser Bäume ein Abstand von 2 m zum Schutze der Nachbargrundstücke. Begründung z. A G 73 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 92). V g l . A G B G B für Coburg Art. 24 § 3. 2S ) Vgl. V G H 14, 237. 29 ) A A P r . 165 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 434). Ein Lawn-Tennis-Spielplatz gehört nicht hierher; ein solcher kann aber in einem Hausgarten liegen. 30 ) A A P r . 165 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 434). Stenglein, Zeitschr. 1 3 , 198 (Grasgarten). Vgl. A G B G B für Coburg Art. 24 § 6 (s. Anhang).

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wirtschaftsbetriebes dienen, wie Kornäckern, Weidegründen, namentlich bei größeren Flächenmaßen, wenn sie auch in die Umfriedung des häuslichen Anwesens einbezogen sind, in der Regel die Eigenschaft eines Hausgartens nicht zuerkannt werden können 31 ). Die ein Schloßgut umgebenden Parkanlagen können, wenn der Umfang nicht allzu groß ist, als Hausgarten betrachtet werden 32 ). y) Im Falle einer A u f f o r s t u n g , wenn sie nach der Lage des aufzuforstenden Grundstückes der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit entspricht (Art. 74 Abs. 3 AG). Unter Aufforstung versteht man die Anlegung von Wald auf einem bisher nicht mit Wald bestandenen Grundstück (im Gegensatz zur Wiederaufforstung oder Verjüngung) 33 ). Die erforderliche Zweckmäßigkeit ist im objektiven Sinne zu verstehen. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Aufforstung etwa nach den Verhältnissen des Eigentümers zweckmäßig ist, z.B. weil er sich mit dem landwirtschaftlichen Betriebe nicht befassen will und die einfachere forstwirtschaftliche Benützung vorzieht, sondern es muß die Lage des Grundstückes eine solche sein, daß es zweckmäßig ist, es aufzuforsten. Bei der Vorschrift des Abs. 3 handelt es sich um öde Flächen und um Abhänge, die nicht anders ausgenützt werden können34). Es wird aber auch der Fall hierher zu rechnen sein, daß eine kleine Wiese von drei Seiten von Wald umschlossen ist und wegen dieser ihrer Lage als Wiese keinen entsprechenden Ertrag abwirft. Die Voraussetzung des Art. 74 Abs. 3 A G liegt nicht vor, wenn ein Grundstück in Mitte einer dem Ackerbau gewidmeten Fläche aufgeforstet wird 35 ). Die Aufforstung eines landwirtschaftlich benützten Grundstücks bedarf der Erlaubnis der zuständigen Verwaltungsbehörde. Zu den landwirtschaftlich benützten gehören auch Grundstücke, soweit sie zeitweise brach liegen (Art. I BayAufforstGes. vom 22. 12. 1921 i d F. vom 30. 1 1 . 37 — GVB1. 609). Die Erlaubnis kam unter Auflagen erteilt werden (Art. 4 AuffGes.), folglich kann auch ein größerer Grenzabstand bestimmt werden, als im A G z. B G B vorgeschrieben (Haberstumpf: Wochenbl. d. landw. Vereins 1928 Nr. 26). 4. Zugunsten der S t a a t s s t r a ß e n bestand in Bayern schon vor 1900 eine ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e E i g e n t u m s b e s c h r ä n k u n g 3 6 ) , welche 31

) Wirschinger, Jagdrecht 37; RGSt. 5, 230. ) Vgl. Wirschinger, Jagdrecht 46. ^ Böhm-Klein, Anm. 6 zu Art. 75 A G . 3i ) A A P r . 175 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 452). Jacubezky bei Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 839. 3B ) Jacubezky (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 838). 36 ) Durch kurfürstliches Mandat vom 29. 4. 1 7 7 } wurde die späterhin mehrmals gleichlautend wiederholte Bestimmung getroffen, daß zu beiden Seiten der Staatsstraßen 32

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durch das Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Ausführungsgesetzgebung gemäß Art. i n E G und Art. i A G nicht berührt wurde. Hiernach mußte zu beiden Seiten der Staatsstraßen mit Holz 37 ) und Gesträuch ein Abstand von 7 m 38 ) eingehalten werden. Der Abstand von 7 m ist die Normalgrenze. Die Einhaltung eines größeren Abstandes konnte die Straßenbaubehörde unter keinen Umständen verlangen; innerhalb der Normalgrenze wird in jedem Einzelfalle der einzuhaltende Abstand nach dem örtlichen Bedürfnis bestimmt; entscheidend hiefür ist das Ermessen der Verwaltungsbehörde. Ein Anspruch auf Entschädigung für diese Eigentumsbeschwerung wurde den beteiligten Grundeigentümern durch Ministerialbekanntmachung vom 6. 7. 1876 39 ) insoweit eingeräumt, als in d e r F o l g e 4 0 ) bei der Anlage neuer Staatsstraßen für die in Anspruch genommenen Umlegung bestehender Staatsstraßen für die in Anspruch genommenen Auslichtungsflächen Entschädigung vorgesehen war. Nach ausdrücklicher Erklärung des Ministers bewege sich diese Verordnung als Vollzugsvorschrift innerhalb des Rahmens der bestehenden Auslichtungsgesetze, eine Gesetzesänderung habe durch diese Bekanntmachung nicht herbeigeführt werden können. Die zugesicherte Entschädigung erfolge in jedem Einzelfall auf Grund des Verzichts der Staatsregierung auf ihr gesetzliches Recht das Gehölze und Gebüsch auf eine bestimmte Entfernung ausgehauen werden solle. Bestätigt sind diese Vorschriften u.a. durch königl. Reskript v o m 13. 2. 1800 (Döllinger, GVSamml. 16, 717). Während ursprünglich der vorgeschriebene Abstand 15 Schritt betrug, wurde er durch M i n E v o m 5. 8. 1840 auf 8 Schritt reduziert und mit königl. Entschließung vom 7. 12. 1850 (Döllinger, GVSamml. 31, 181, Weber, Gesetzessammlung 4, 202) auf 10 Schritt oder 25 Fuß festgesetzt. Mit diesem Maßstab sind die genannten Verordnungen durch den Landtagsabschied v o m Jahre 1837 und die oberpolizeilichen Vorschriften v o m 28. 4. 1863 § 2 Ziff. 2 (RegBl. 1863, 681 ff.) ausdrücklich bestätigt worden. Der oberste Gerichtshof hat wiederholt (Samml. von EntschOGHSt. 5, 42; 6, 41, 398) die rechtverbindliche Kraft dieser Vorschriften anerkannt; s. insbesondere auch die eingehenden Ausführungen in V G H 13, 346fr. V g l . femer Henle, Zwangsenteignungsgesetz 44 ff. 37 ) Wie sich aus der wiederholten Anwendung des Ausdruckes „Auslichten" und „ G e h ö l z " ergibt, bezieht sich die Vorschrift nicht auf jeden einzelnen Baum oder Strauch, sondern man wird für die Anwendung dieser öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung als Voraussetzung aufstellen müssen, daß zum mindesten eine wald- oder schlagä h n l i c h e Anhäufung von Bäumen oder Sträuchern vorhanden sein muß. V g l . insbesondere Verordnung vom 13. 2. 1809, die Auslichtung der „ G e h ö l z e " an den Straßen betr. (Döllinger, G V S a m m l 16, 717; Weber, Gesetzessammlung i , 277); M i n E v o m 7. 12. 1850, die Breite der „ W a l d a u s l i c h t u n g " an den Staatsstraßen betr. (Döllinger GVSamml. 31, 181; Weber, Gesetzessammlung 4, 202); MinBek. vom 6. 6. 1876, das Auslichten der „ G e h ö l z e " längs der Staatsstraßen betr. (GVB1. 358; Weber, Gesetzessammlung 11, 557. 38 ) Der nach dem Landtagsabschied vom Jahre 1837 maßgebende Abstand v o n 10 Schritt oder 25 Fuß ist in der MinBek. vom 26. 10. 1876 (MAB1. 425) in 7 m umgewandelt worden. 39 ) G V B 1 . 1876, 358 (Weber, Gesetzessammlung 11, 557). 40 ) Damit ist zugleich ein Entschädigungsanspruch insoweit abgeschnitten, als eine Verpflichtung Zur Auslichtung schon zur Zeit der Erlassung der Ministerialbekanntmachung bestand; mit anderen Worten: rücksichtlich der zu seinem Zeitpunkt bereits bestehenden Staatsstraßen war die Auslichtung ohne Entschädigung durchzuführen.

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der unentgeltlichen Inanspruchnahme der Auslichtungsfläche 41 ). In der Ministerialbekanntmachung vom 26. 10. 1876 42 ) war als Regel die e i g e n t ü m l i c h e E r w e r b u n g der Auslichtungsfläche durch das Staatsärar in Aussicht genommen. Der Vollzug der Vorschriften über das Auslichten der Gehölze und Gebüsche an Staatsstraßen oblag auf Ersuchen der Straßenbaubehörde den Kreisverwaltungsbehörden welche sich zu diesem Behufe der in Art 20 PStGB gegebenen Mittel bedienen konnten43) Gegen Maßnahmen nach Art 21 P S t G B war der Verwaltungsrechtsweg nach § 22 des Ges Nr 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben Die Auslichtungsvorschriften bezogen sich lediglich auf Staatsstraßen46), nicht aber auf Kreisstraßen und Gemeindewege 4 ') N u n m e h r sind in § 1 0 F S t r G v o m 6. 8. 195 3 ( B G B l . I, 903) Bestimmungen f ü r die Erklärung v o n Waldungen entlang allen Bundesstraßen (das sind die Autobahnen und die Bundesstraßen mit Ortsdurchfahrten nach §§ 1 und 5 A b s . 4 F S t r G ) in einer Breite v o n 40 m zu „ S c h u t z w a l d u n g e n " getroffen. Außerdem bestimmt § 1 1 A b s . 2 — 5 F S t r G , daß Anpflanzungen entlang der Bundesstraßen nicht durchgeführt werden dürfen, w e n n die Verkehrssicherheit durch Behinderung der Sicht beeinträchtigt wird. In A n l e h n u n g an F S t r G hat auch das B a y S t r G v o m 1 1 . 7. 1 9 5 8 ( G V B 1 . 1 4 7 ) in A r t . 29 A b s . 2 Anpflanzungen verboten, soweit sie in den L i c h t raum der öffentlichen Straßen (das sind Staatsstraßen, Kreisstraßen, Gemeindestraßen und sonstige öffentliche Straßen — A r t . 3 S t r W G ) hineinragen oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch Sichtbehinderung beeinträchtigen. Bereits vorhandene Anpflanzungen können beseitigt werden. D e r Eigentümer muß dies gegen „angemessene V e r g ü t u n g " dulden. A r t . 28 S t r W G gibt die gesetzliche Handhabe, u m ebenso wie bei Bundesstraßen auch bei den öffentlichen Straßen i. S. v o n A r t . 3 41

) Henle, Zwangsenteignungsgesetz 48 f. ) MAB1. 1876, 425 ff. 45 ) Henle, Zwangsenteignungsgesetz 49 44 ) Art. 4 Nr. 8 A V O zu Ges. Nr 59. 46 ) Vgl. OGHSt. 5, 42; 6, 41 und 398. 46 ) Die Erklärung eines Weges zur Staatsstraße war Sache des freien Ermessens der staatlichen Verwaltung. Seydel, Bayer. Staatsrecht § 337 bei Note 34, 3, 301. 47 ) BlAdmPr. 13, 1 1 6 ; 15, 1 4 1 ; MinBek. vom 19. 5. 1876 (MAB1. 1876, 237); Pechmann, Wirkungskreis der Distriktsverwaltungsbehörden 2, 270; Henle, Zwangsenteignungsgesetz 49. In Bedürfnisfällen war das strikte Zwangsenteignungsverfahren einzuleiten. Henle a.a.O. - Das Ges über das Straßenwesen vom 26. 3. 1934. (RGBl. I, S 243) mit D V O vom 7. 12. 1934. (RGBl. I, S. 1237) und vom 25. 3. 1939 (RGBl. I, S. 629) unterschied Reichs- (nun Bundes-) Straßen sowie Straßen I. u. II. Ordnung. § 9 des Autobahnges. vom 29. 4 . 1 9 4 1 (RGBl. I, S. 313) erklärte Waldungen, die an die Autobahn anschließen in einer Breite von 40 m, von der Außenkante der befestigten Fahrbahn an gerechnet, als „ S c h u t z w a l d u n g e n " , die nach den Weisungen der Forstaufsichtsbehörde (Min. f. Ern. Landw. u. Forsten) zu bewirtschaften sind. Nutzungsbeschränkungen (AuslichtungsVorschriften I) oder besondere Aufwendungen sind angemessen zu entschädigen ( § 9 Abs. 2). 42

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

BayStrWG Waldungen „in der erforderlichen Breite" längs der Straße zu „Schutzwaldungen" zu erklären. Eine bestimmte Breite wurde hier nicht festgelegt, damit die im Einzelfall nur die jeweils erforderliche Mindestbreite herangezogen werden kann. Die Rechtsfolgen aus der Erklärung zur Schutzwaldung richten sich nach Art. 3 5 ff. insbesondere die Frage der Entschädigung nach Art. 40 StrWG, wonach die Enteignungsgrundsätze Anwendung finden (vgl. Begründung zu Art. 41 des Entwurfs zum BayStrWG). III. A u s n a h m e n K e i n A b s t a n d ist einzuhalten: 1. Mit Gewächsen, die sich h i n t e r e i n e r M a u e r o d e r einer sonstigen d i c h t e n E i n f r i e d u n g befinden und diese nicht oder nicht erheblich überragen (Art. 74 Abs. 1 Satz 1 A G ) . Gleichgültig ist, ob die dichte Einfriedung auf dem Grund und Boden des Pflanzenbesitzers oder dem des Nachbars steht. In solchen Fällen wird der Schaden nicht durch die Bäume usw., sondern durch die dichte Einfriedung zugefügt. Dagegen aber, daß der Nachbar auf seinem Grundstücke hart oder unmittelbar an der Grenze eine Einfriedung errichtet, wird ein zivilrechtlicher Schutz nur im Rahmen der Art. 62 ff. A G B G B (s. unten § 22) gewährt 48 ). Der Begriff der dichten Einfriedung ist nach dem Zwecke der Vorschrift zu bestimmen. Ob man durch die Einfriedung durchsehen kann, ist gleichgültig; wesentlich ist nur, ob bei der Beschaffenheit der Einfriedung die G e f a h r besteht, daß die Zweige durch sie hindurchragen 49 ). Ob diese Gefahr besteht, ist nach der Beschaffenheit der Einfriedung und der Gewächse zu entscheiden. Bei einem engen Lattenzaune wird sie zumeist nicht bestehen, noch weniger bei einer Umfriedung aus Drahtgeflecht, wohl aber bei einem eisernen Staketenzaun mit größeren Zwischenräumen. Die Frage, ob der Baum die Mauer erheblich überragt, hängt davon ab, ob eine Gefahr besteht, daß die überragenden Teile des Baumes in den Luftraum des Nachbargrundstückes eindringen, oder ob der durch den Baum verursachte Schatten neben dem durch die Umfriedung verursachten Schatten sich für das Nachbargrundstück augenfällig geltend macht. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Vorschrift. Ist diese Frage nach der einen oder anderen Richtung zu bejahen, dann ist mit dem betreffenden Baum der 48 ) A A P r . 177 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 455). Baurechtliche Grenzabstände richten sich nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften. 49 ) A A P r . 177 (Becher, Mat. Abt. I V und V , 1, 455).

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Grenzabstand von Pflanzen III 2,3

§ 1 9 IV1

Abstand einzuhalten, welcher durch die allgemeinen Bestimmungen vorgeschrieben ist50). Der Eigentümer des Baumes, mit welchem der vorgeschriebene Abstand nicht eingehalten ist, kann sich dem Verlangen auf Beseitigung des Baumes dadurch entziehen, daß er an der Grenze eine dichte Einfriedung errichtet. Geschieht dies erst, nachdem Klage auf Beseitigung des Baumes erhoben war, so müssen die bis zur Errichtung der Einfriedung erwachsenen Kosten dem Beklagten überbürdet werden; in der Hauptsache kann aber der Kläger kein Urteil erwirken, weil der Anspruch nicht mehr besteht. 2. Die Ausnahme in Art. 74 Abs. 1 S. 2 A G B G B , wonach mit Bäumen, die längs einer öffentlichen Straße oder auf einem öffentlichen Platze gehalten werden, kein Abstand einzuhalten sei, ist überholt durch Art. 29 Abs. 2 BayStrWG vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147) und § 1 1 FStrG (s. oben II a. E.). Sie kann nur noch Bedeutung erhalten in den wohl seltenen Fällen, in denen die Voraussetzungen von Art. 29 BayStrWG oder § 1 1 FStrG nicht vorliegen 51 ). 3. Endlich braucht kein Abstand eingehalten zu werden mit P f l a n z u n g e n , w e l c h e zum U f e r s c h u t z e , zum S c h u t z e v o n A b h ä n g e n u n d B ö s c h u n g e n o d e r zum S c h u t z e einer E i s e n b a h n dienen (Art. 74 Abs. 1 AG). Es ist zu prüfen, ob objektiv diese Pflanzen geeignet sind einen Schutz zu gewähren; die bloße subjektive Willensrichtung des Pflanzenhalters genügt nicht. IV. U b e r g a n g s b e s t i m m u n g e n 1. Art. 75 A G bestimmt, daß es für die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches vorhandenen Bäume, Sträucher und Hecken, Weinstöcke und Hopfenstöcke bei den bisherigen Vorschriften verbleibt, soweit sie das Halten der Gewächse in einer geringeren als der nach dem Ausfuhrungsgesetz einzuhaltenden Entfernung von der Grenze des Nachbargrundstückes gestatten. Diese Vorschrift ist durch Zeitablauf in der Hauptsache gegestandslos geworden und dürfte nur noch für die als Einheit zu betrachtenden Hecken oder Lauben sowie für Alleen von Bedeutung sein. Werden in einer Reihe von Gewächsen (Baumreihen) oder von einer Hecke einzelne Teile ersetzt, so ist zu untersuchen, ob die betreffende Baum- oder Pflanzenreihe sich als eine E i n h e i t darstellt. Zweifellos ist die Hecke eine solche Einheit; dagegen ist eine Baumreihe oder eine Reihe von Weinstöcken, Hopfenstöcken regelmäßig keine Einheit, wohl aber eine förmliche Allee62) oder eine durch Weinstöcke gebildete Laube. Bei kunst60

) S. oben unter II. ) Die Vorschrift des § 910 über eingedrungene Wurzeln und herüberragende Zweige gilt auch für Bäume an öffentlichen Straßen (vgl. Henle-Schneider Anm. 5 zu Art. 74 AG). 52 ) Das hat nur für Alleen, welche an Wegen stehen, die nicht öffentlich sind, eine Bedeutung, denn mit Bäumen längs einer öffentlichen Straße gelten die Vorschriften in Art 29 Abs. 2 BayStrWG und in § 1 1 FStrG (s. oben II). 61

19'

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums IV 2 gärtnerischen Anlagen kann auch in einer bloßen Baumreihe eine Einheit gefunden werden, wenn sie bestimmt ist, der ganzen Anlage als ein symmetrisch eingefügter Teil zu dienen. Solange die Einheit (Hecke, Allee, Laube), welche schon zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches vorhanden war, besteht, darf eine in der Einheit entstandene Lücke ersetzt werden. Stellt sich aber die Reihe von Bäumen, Sträuchern usw. nicht als Einheit dar, so müssen die neuen Pflanzen, durch welche die abgehenden ersetzt werden, auf den durch das Ausführungsgesetz vorgeschriebenen Abstand zurückgerückt Verden. Nach und nach wird so die ganze Reihe auf den gesetzlichen Abstand gebracht werden. 2. W a l d g r u n d s t ü c k e . Bei einem Grundstücke, das zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches mit Wald 5 3 ) bestanden ist; verbleibt es auch f ü r neue Bäume und Sträucher bei den bisherigen V o r schriften, soweit sie das Halten der Gewächse in einer geringeren als der nach dem Ausführungsgesetz einzuhaltenden Entfernung v o n der Grenze des Nachbargrundstückes gestatten, jedoch nur bis zur nächsten V e r jüngung 5 4 ) des Waldes. I m Falle des Plenterbetriebes 55 ) gilt die V e r j ü n g u n g als am i . i . 1950 eingetreten. A b e r auch nach der V e r j ü n g u n g kann die Einhaltung eines mehr als 2 m betragenden Abstandes unter keinen U m ständen verlangt werden (also auch nicht zugunsten eines landwirtschaftlich benützten Grundstückes, dessen wirtschaftliche Bestimmung durch Schmälerung des Sonnenlichtes erheblich beeinträchtigt werden würde 6 6 ) (Art. 75 A b s . 2 A G ) .

§ 20. Überfall von Baumfrüchten 1 ) T r ä g t ein überstehender B a u m oder Strauch, d.h. ein solcher, v o n welchem Teile über die Grenze in den Luftraum des Nachbars hinüber63)

Über den Begriff Wald s. oben § 18, II. Über den Begriff Verjüngung, insbes. auch teilweise Verjüngung s. oben § 18, II, a. 65) Über den Begriff Plenterbetrieb s. oben § 18, II, a. 68) Hier wäre nach Art. 72 Abs. 1 A G an sich mit Bäumen, die über 2 m hoch sind, ein Abstand von 4 m einzuhalten; s. oben II, b. § 20. Der Überfall von Baumfrüchten war durch das gemeine Recht dahin geregelt, daß dem Eigentümer eines überhängenden Fruchtbaumes gestattet war, einen Tag um den anderen das Nachbargrundstück zum Zweck der Abholung der daraufgefallenen Früchte zu betreten. Im älteren sächsischen Recht galt der Satz, daß dem Baumeigentümer an überhängenden Früchten soviel gehöre, als er erlangen könne, alles übrige aber dem Nachbar zu Eigentum zufalle. Dort wie hier war die Voraussetzung, daß der Nachbar den Überhang sich gefallen lasse und im Überfall eine Ausgleichung des ihm etwa durch den Überhang zugehenden Nachteiles zu finden sei. Das preußische Landrecht (ALR Tl. 1 Tit. 9 § 289) spricht dem Nachbar nicht nur den Überfall zu, sondern auch das Recht, die in seinem Luftraum am Baume hängenden Früchte abzubrechen, soweit sie der Eigen54)

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Überfall von Baumfrüchten

§ 2 0

ragen, Früchte 2 ), so stehen diese, solange sie hängen, im Eigentum desjenigen, aus dessen Grund und Boden der Stamm heraustritt; er darf auch die Früchte abernten3). Geht die Grenzlinie durch den Stamm, so gehören alle Früchte des stehenden Baumes den Nachbarn zu gleichen Teilen (Gemeinschaft nach Bruchteilen). Fallen aber Früchte auf das Nachbargrundstück, so gelten sie als Früchte dieses Grundstückes, gleich als ob sie auf diesem gewachsen wären ( § 9 1 1 B G B ) . Dies gilt gleichmäßig von Bäumen und Sträuchern, die auf der Grenze oder jenseits derselben stehen4). Das Eigentum an diesen hinübergefallenen Früchten fällt daher regelmäßig (§953 BGB) dem Grundstückseigentümer zu, eventuell dem Nießbrauchberechtigten (§ 954 B G B ) oder dem Pächter, der im Besitze des Grundstückes ist (§ 956 BGB). Eignet sich der Eigentümer eines Baumes die auf das Nachbargrundstück gefallenen Früchte an, so handelt er objektiv rechtswidrig. Es ist gleichgültig, ob die Früchte jenseits der Grenze gehangen haben. § 9 1 1 B G B gilt auch bei einem durch Sturm verursachten größeren Obstfall. Selbst wenn das Fallen der Früchte durch Schütteln veranlaßt wurde, gelangen sie in das Eigentum desjenigen, welchem die Früchte des Grundstückes gehören, auf welches sie gefallen sind. Hat dieser selbst geschüttelt, so hat er unbefugt gehandelt; die Früchte bleiben Eigentum des Baumeigentümers (§ 935 BGB) 5 ) § 9 1 1 B G B bestimmt, daß diese Früchte als Früchte jenes Grundstückes gelten, auf welches sie gefallen sind. An Früchten des Grundstückes erwirbt aber der Berechtigte mit der Trennung von selbst6) das Eigentum (§§ 953fr. BGB). Als gefallen sind nur jene Früchte zu betrachten, welche unmittelbar nach ihrer Loslösung von dem Baume auf das Nachbargrundstück gefallen sind, wenn sie auch zunächst auf dem Boden des Baumeigentümers aufgeschlagen und dann erst über die Grenze gerollt sind. Dagegen sind solche Früchte, die schon ruhig auf dem Grundstück des Baumeigentümers gelegen sind und dann von einem Sturmwind über die Grenze geschleudert tümer nicht erreichen kann, ohne des Nachbars Grund zu betreten. Das sächsische bürgerliche Gesetzbuch (§ 363) räumt dem Stammeigentümer das Recht ein, die hängenden Früchte sich insoweit anzueignen, als er sie ohne Betretung des fremden Grundstückes erlangen kann, wogegen die herabgefallenen Früchte dem Nachbar gehören. V g l . Ortloff, Nachbarrecht 254f. 2 ) Früchte im natürlichen Sinne, also Kirschen, Äpfel, Eicheln, nicht aber Früchte im Sinne des § 99 B G B , also z.B. nicht Äste. Dernburg 280, wohl aber Baumblätter, die als Düngemittel dienen können. O L G München in Strafs. 3, 380. 3 ) A . M . Cosack 2, 1 5 7 . 4 ) Cosack 2, 158. 5 ) V g l . Staudinger-Seufert Randbem. 1 zu § 9 1 1 ; Ortloff, Nachbarrecht 2 5 6 ; Biermann, Turnau-Förster Bern, zu § 9 1 1 . 8 ) A . M . Kuhlenbeck Bern. 1 zu § 9 1 1 .

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

wurden, nicht hierher zu rechnen7). Doch kann man dem Nachbar, auf dessen Grundstück die Früchte tatsächlich liegen, nicht den Beweis aufbürden, daß sie hinübergefallen sind und nicht etwa erst nachträglich durch den Wind hinübergeschleudert wurden. Letzteres nachzuweisen, liegt vielmehr dem Baumeigentümer ob. Der Baumeigentümer ist nicht berechtigt, die hinübergefallenen Früchte zu holen und setzt sich einer Bestrafung wegen Diebstahls aus, wenn er dies doch tut. Dagegen ist es ihm nicht verwehrt, die an dem Baume hängenden Früchte zu brechen, auch wenn sie in dem Luftraum des Nachbargrundstückes hängen8), er kann sich hierzu auch eines Obstbrechers bedienen. Die Vorschrift des § 911 Satz 1 B G B findet nach Satz 2 keine Anwendung, wenn das Nachbargrundstück dem öffentlichen Gebrauche dient. Hierher gehören öffentliche Straßen und Plätze9), öffentliche Flüsse und Seen 10 ). In diesen Fällen verbleiben die Früchte demjenigen, welchem die übrigen Früchte des Baumes gehören, also regelmäßig dem Eigentümer des Grundstückes, auf welchem der Baum steht 11 ). Dieser kann die Früchte an sich nehmen, auch wenn sie auf dem Nachbargrundstück, welches dem öffentlichen Gebrauche dient, liegen. Diese liegenden Früchte bleiben solange im Eigenbesitz des Baumeigentümers, bis ein Preisgeben derselben nach den Umständen anzunehmen ist 12 ) und damit die übergefallenen Früchte als herrenlos im Sinne der § 958 und 959 B G B zu gelten haben. Insolange dies nicht der Fall ist, ist die Aneignung der Früchte seitens Dritter objektiv rechtswidrig und setzt sich derjenige, welcher die Früchte wegnimmt, der Gefahr einer Bestrafung wegen Diebstahls eventuell wegen Mundraubes aus. Regelmäßig wird aber das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit fehlen. Manche Früchte, z.B. wilde Kastanien, Haselnüsse, Tannenzapfen dürfen nach allgemeiner Auffassung ohne weiteres als preisgegeben erachtet werden, so daß ihre Aneignung auf öffentlich zugänglichem Gebiete nicht rechtswidrig ist, so lange nicht ein ausdrückliches Verbot und dessen Kenntnis das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit begründet 13 ). Aber auch bezüglich anderer Früchte sind die Volksanschauungen lockere, indem ') Z . B . das aus einem Wald auf die Wiese gewehte dürre Laub (Laubstreu) O L G München in Strafs. 3, 380. 8 ) Vgl. Scherer Anm. 186 zu § 9 1 1 ; Staudinger-Seufert Randbem. 1 ; R G R K o m m . Bern. 1 zu § 9 1 1 . 9 ) Über den Begriff der öffentlichen Wege und Plätze vgl. Art. 2 u. 3 BayStrWG. vom 1 1 . 7. 1958 (GVB1. 147). 10 ) Der Begriff der öffentlichen Gewässer ist nach Wasserrecht zu bestimmen. u ) Vgl. §§ 953ff. B G B . 12 ) Ortloff, Nachbarrecht 257. 13 ) Vgl. Staudinger Bern. 2 zu § 912; Kuhlenbeck Bern. 2 zu § 912.

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Überbau

§ 2 1

vielfach angenommen wird, daß dann, wenn der Berechtigte nicht sofort die auf öffentliches Gebiet übergefallenen Früchte aufnehmen läßt oder ein Verbot gegen das Auflesen erläßt, ein Verzicht auf das Eigentum angenommen werden dürfe 14 ). § 21.

Überbau*)

Wer bei Errichtung eines Gebäudes die Grenze seines Eigentums 1 ) überschreitet, begeht einen Eingriff in das Eigentum des Nachbars. Bei folgerichtiger Durchführung des Eigentumsschutzes könnte der betroffene Nachbar die Beseitigung des Bauwerkes verlangen, soweit es über die Grenze gebaut ist2). Der hiermit für den Eigentümer des Bauwerkes verbundene Schaden würde oft außer allem Verhältnis zu der dem Eigentümer der überbauten Fläche zugefügten Beeinträchtigung stehen3). Die Durchführung des Eigentums schutzes wäre daher namentlich dann eine unbillige Härte gegenüber dem Gebäudeeigentümer, wenn dieser im besten Glauben, auf eigenem Grund und Boden zu bauen, den Überbau ausgeführt hat. Das B G B hat durch die §§ 912 bis 916 einen billigen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen des Gebäudeeigentümers und des beeinträchtigten Grundnachbars herbeigeführt4). Dieser Ausgleich verschafft 14

) Ortloff, Nachbarrecht 257. § 2 1 * ) . Schrifttum: Delbrück ArchBürgR 39,400; Bergenroth J W 37, 970; Ebel Arch. 1 4 1 , 183; Bull Arch 138, 80; Schmitt BayNotZ 1907, 45; Westermann-Liermann (1954), Bauliches Nachbarrecht. Über analoge Anwendung der §§ 912fr. s. unten V I I S. 309. 2 ) Standpunkt des gemeinen Rechtes (vgl. JW. 1880, 93). 3 ) Der Gesetzgeber ließ sich bei den Überbauvorschriften von dem volkswirtschaftlichen Gedanken leiten, daß die Erhaltung stehender Gebäude wichtiger ist als die schroffe Durchsetzung des Eigentumsrechts (vgl. Mot. 3, 283, Prot. 3, 135). Dadurch ist der Rechtsprechung eine analoge Anwendung des § 912 auf verwandte Tatbestände nahegelegt, vgl. R G Z 1 6 0 , 1 6 6 ; 167,178 (unter Aufgabe der früh, gegenteiligen Rechtsprechung R G 133, 264). 4 ) A L R Tl. 1 Tit. 9 §§ 340 und 341 bestimmen, daß derjenige, welcher auf der Grenze einen Bau ausführen will, dies dem Nachbar mit der Angabe, wie weit er ihn vorzurücken beabsichtige, anzuzeigen habe und daß dann, wenn gegen die angegebenen Baufluchtlinien von dem Nachbar kein Einwand erhoben und das Gebäude durch einen Zufall oder ein geringes Versehen über die angegebene Linie vorgerückt worden sei, der Bauherr dem Nachbar nur den Grund und Boden nach einer billigen Taxe zu vergüten brauche. •— Die württembergische Bauordnung vom 6. 10. 1872 Art. 72 läßt das Eigentum des überbauten Grundes, wenn der Bauende im guten Glauben bei Ausführung des Baues ohne Widerspruch des Nachbars die Grenze seines Eigentums überschritten hatte, gegen volle Entschädigung des Nachbars auf den Bauenden übergehen. Vgl. M. 3, 283 (Mugdan 3, 156). In M. 3, 283 u. R G Z 160, 166 wird als Zweck des § 912 hervorgehoben, daß ein unwirtschaftliches Auseinanderreißen wesentlicher Bestandteile u. das Zerstören wirtschaftlicher Werte verhindert werden soll.Vgl. Westermann SR § 64 I.

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§ II

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

dem Gebäudeeigentümer erhebliche Vorteile, ohne den anderen Teil in unerträglicher Weise zu belästigen. Dem beeinträchtigten Nachbar wird nämlich durch § 912 in gewissen Fällen das Recht entzogen, die Beseitigung des Überbaues zu verlangen; er muß vielmehr den Überbau dulden und sich hierfür mit einer Geldentschädigung in Form einer Rente abfinden lassen. Das Grundstück des Überbauenden wird im Zeitpunkt der Grenzüberschreitung mit der Rentenpflicht kraft Gesetzes belastet. Der Grenzüberbau ist seinem Wesen nach zwar keine Verfügung, kommt aber einer solchen sehr nahe, weil er ohne weiteres die Belastung des Stammgrundstücks herbeiführt.4a). I. V o r a u s s e t z u n g e n der D u l d u n g s p f l i c h t (§ 912) 1. Zu dulden ist der Überbau nur bei einem G e b ä u d e , nicht bei jedem sonstigen Bauwerk 5 ). Der Begriff des Bauwerkes ist der weitere6); man versteht darunter jedes von Menschenhand hergestellte Werk, das sich als ein selbständiges Ganzes darstellt und mit dem Erbboden verbunden ist7). Unter einem G e b ä u d e versteht man ein Bauwerk, welches nach der Art seiner Anlage 8 ) geeignet ist, Personen, Tieren oder Sachen durch seine räumliche Umfriedung 9 ) Schutz gegen äußere Einflüsse zu gewähren 10 ). Erforderlich ist aber, daß das Bauwerk seinem Umfange nach den Zutritt von Menschen gestattet 11 ). Zum Unterschied von Hütten wird daneben eine gewisse Dauerhaftigkeit und Festigkeit des verwendeten Baummaterials erfordert 12 ) und außerdem eine feste Verbindung mit dem Erd4a

) Vgl. BGHZ 15, 216 = N J W 1955, 177) Mot. 3, 470 u. 482. *) M. 3, 470 (Mugdan 3, 262); Wolff, Gremiiberbau 88. ') Wolff, Grenzüberbau 88. 8 ) Nicht notwendig „nach seiner Zweckbestimmung"; Wolff, Grenzüberbau 89. 9 ) Wolff, Grenzüberbau 89; deshalb gehören Schleusen und Dämme nicht zu den Gebäuden. 10 ) Vgl. RGSt. 3, 411. Zu den Gebäuden gehören demnach jene Bauwerke nicht, welche nur der Umfriedung des Raumes zu dienen geeignet sind, z.B. Mauern. Vgl. Turnau-Förster Bern. 2 zu § 912; ebensowenig eine Brücke, ein Tor, ein Denkmal; Wolff, Grenzüberbau 92. u ) Wolff, Grenzüberbau 89; RGSt .10, 103; deshalb ist ein Taubenschlag kein Gebäude, RGSt. 7, 262; Olshausen, KommStGB Anm. 13 zu § 243. 12 ) RGSt. 10, 103. A.M. für das BGB Wolff, Grenzüberbau 90, der hierfür einen anderen Maßstab anwenden will als für das Strafrecht. Aber der Zweck der Vorschriften über den Überbau weist naturgemäß auf das Erfordernis der Dauerhaftigkeit hin. Es müßte sonst auch eine aus Lehm zusammengeklebte Unterkunftshütte im Walde den Gebäuden zugerechnet werden. Ein leichter Schuppen ist kein Gebäude im Sinne des § 912 (Recht 1919 Nr. 1290, Stuttgart). 6

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Überbau

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boden. Das Bauwerk muß unbeweglich sein, also in seiner Gesamtheit unbeschadet seiner Gestalt und Verbindung nicht von einer Stelle zur andern gebracht werden können 13 ). Für den Begriff des Gebäudes ist nicht erforderlich, daß das Bauwerk die Eigenschaft eines umschlossenen Raumes hat 14 ), wenn es nur nach der Seite oder nach oben umfriedet ist. Deshalb ist eine für den Wirtschaftsbetrieb bestimmte Gartenhalle als Gebäude zu betrachten 15 ); auch eine Bedachung ist nicht unbedingt erforderlich 16 ). Nicht erforderlich ist, daß das Bauwerk v e r s c h l i e ß b a r ist 17 ). Auf dem Lande findet man häufig freistehende Backöfen, die solid gebaut sind und den Zutritt von Menschen gestatten. Solche Backöfen 18 ) gehören zu den Gebäuden. Ebenso gehören Brunnenstuben, die auf dem Lande vielfach in einem steinernen Aufbau mit Überdachung bestehen, zu den Gebäuden. Eine mit Steinen massiv ausgemauerte und zementierte Senkgrube (Mistgrube) ist k e i n Gebäude 19 ), dagegen ist ein mit soliden Mauern versehener Keller ein Gebäude 20 ), da es für den Begriff des Gebäudes gleichgültig ist, ob das Werk oberhalb oder unterhalb des Erdbodens errichtet ist. Die Vorschriften über den Überbau gelten auch für die sogenannten Zeitbauten des § 95 Abs. 1 Satz x, die nur zu einem vorübergehenden Zweck bestimmt sind, da die ratio legis (Erhaltung wirtschaftlicher Werte) auch auf sie zutrifft und die Zeitbauten in § 912 nicht ausgenommen sind 21 ). Nicht erforderlich zur Anwendung der Vorschriften über den Überbau ist, daß das Gebäude bereits vollständig fertiggestellt ist; es genügt, wenn mit der Errichtung des Gebäudes begonnen und dieselbe so weit fortgeschritten ist, daß der Teil des Gebäudes, mit welchem überbaut ist, bereits aus dem Boden hervorgetreten ist und mit demselben in fester 13 ) RGSt. 4, 164; Wolif, Grenzüberbau 90; Olshausen, KommStGB Anm. 1 1 zu § 243; A . M . Oppenhoff, KommStGB Anm. 14 zu § 243; Rüdorff-Stenglein, KommStGB Anm. 10 zu § 243. 14 ) RGSt. 10, 403; Wolff, Grenzüberbau 89; A . M . Striethorst'Arch. 97, 91. 16 ) O G H 17, 43 f. 16 ) Wolff, Grenzüberbau 89; A . M . Olshausen, KommStGB Anm. 1 2 b zu § 243; mit Recht wird daher der ungedeckte R o h b a u zu den Gebäuden gerechnet. Ein nach römischer Art gebauter Zirkus ist ein Gebäude. 17 ) EntschOLGSt. 3, 591. 18 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randbem. 2; RGRKomm. Bern 4 ; Palandt-Hoche Bern. 2 a je zu § 9 1 2 ; a.M. Wolff Grenzüberbau 89. 19 ) Striethorst'Arch. 48, 240. 20 ) RGSt. 3, 4 : 1 ; Liszt, Strafrecht 444. 21 ) Wolff, Uberbau 90; Stuttgart Recht 1913 N r 1290; Staudinger-Seufert Randb 2 zu § 9 1 2 ; Oberneck 1, 641; dagegen R G R K o m m Bern. 4; Turnau-Förster Bern. II, 2 je zu § 912.

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§ 12

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Verbindung steht22). Es wird jeweils zu prüfen sein, ob die Beseitigung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten für den Eigentümer eine unbillige Härte bedeutete. Ein unwirtschaftlicher Abbruch soll nach Möglichkeit vermieden werden. 2. Weitere Voraussetzung ist, daß ü b e r die G r e n z e g e b a u t ist (§ 912 BGB). Welcher Art das überbaute Grundstück ist, insbesondere welchem Zweck es dient, kommt im allgemeinen nicht in Betracht. Einer besonderen Erwähnung bedarf der Fall der Überbauung einer öffentlichen Straße. Auch in diesem Falle ist die Anwendung der §§ 912 ff. B G B nicht grundsätzlich ausgeschlossen; allein tatsächlich wird es meistens an der Voraussetzung des § 912 B G B fehlen, daß dem Überbauenden weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Doch lassen sich Ausnahmen denken; so z.B. bei einem freien Platz vor dem Hause, der zwar in Wirklichkeit zu der Straße gehört, aber von dem Hauseigentümer als ihm gehörig betrachtet wird, oder wenn auf Grund eines unrichtigen Bescheides der Behörde gebaut oder die privatrechtliche Erlaubnis Zur Überbauung erteilt wurde. Jedenfalls sind bei einer Überbauung einer öffentlichen Straße auch die Rechte und Pflichten des Straßeneigentümers in Betracht zu ziehen23). § 38 der Bauordnung vom 17. 2. 1901 bestimmt, daß Altanen, Balkone oder Galerien über die Baulinie 2 4 ) nicht mehr als 1,30 m vorspringen, nur in Straßen von wenigstens 12 m Breite und nur in einer Höhe von mindestens 3,50 m über dem darunter befindlichen Trottoir oder öffentlichen Wege angebracht werden dürfen. Diese Vorschrift, die einen Überbau in bestimmtem Ausmaß zugelassen hat, dürfte durch das BayStrWG vom 27. 7. 1958 (GVB1. 147) überholt sein. Das Hineinragen von Baikonen oder Vordächern in eine öffentliche Straße gehörte bisher zum Gemeingebrauch bzw. Anliegergebrauch. Nunmehr wird in Art 14 BayStrWG der Begriff „Gemeingebrauch" ausdrücklich dahin eingeschränkt, daß darunter nur der Gebrauch einer öffentlichen Straße „im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften zum Verkehr" fällt. Eine Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus, wie dies auch das Hineinragen von Baikonen, Erkern oder Vordächern darstellt, sowie jeder sonstige Überbau in eine öffentliche Straße hinein wird in Art 18 und 20 (für Ortsdurchfahrten) als „Sondernutzung" von einer besonderen Erlaubnis des Straßenbaulastträgers abhängig gemacht. Dieses Erlaubnisverfahren richtet sich ausschließlich nach der seit 1. 3 i960 geltenden V w G O vom 12. 1. i960 (BGBl. I, 17). Art 50 des BayStrWG gibt den Gemeinden die rechtliche Handhabe, Sondernutzungen an Gemeindestraßen abweichend von Art 18 durch S a t z u n g zu regeln. Bestehende dingliche Rechte, z.B. ein durch eine Dienstbarkeit gesichertes Überbaurecht, können nach Art 40 u. 69 des Gesetzes enteignet werden. Soweit solche Rechte durch Vertrag kündbar festgelegt sind, gelten sie vom Zeitpunkt, in dem sie erstmals gekündigt werden können, als Sondernutzungen i. S. der Art 18 u. 50. Damit ist die Frage des Überbaues bei öffentlichen Straßen für die Zukunft ausschließlich geregelt. Die Anwendung des § 912 dürfte nur mehr für solche 22 ) Vgl. oben Anm. 4; Staudinger-Seifert Randb. 2 zu § 912, der darauf abstellt, ob die Beseitigung — vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet — sinnlos wäre wie z.B. bei kostspieligen Fundamentierungsarbeiten. 23 ) Vgl. Staudinger-Seufert Randb. 9 zu § 912. 24 ) Die Baulinie kann, muß aber nicht mit der Grenzlinie zwischen Straßenkörper und Gebäude zusammenfallen. Trifft dies zu, so ist im Falle des § 38 der Bauordnung ein Überbau gegeben.

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Überbau

§ 2 1 I 2

Überbaurechte in Betracht kommen, die durch Bestellung einer Dienstbarkeit gesichert sind. Dazu gehören insbesondere alte Überbaurechte, die bereits vor Inkrafttreten der Grundbuchverfassung ersessen worden sind und auch ohne Eintragung im Grundbuch rechtswirksam fortbestehen (vgl. dazu unten § 32 B II). Jede Rechtsstellung an der Fläche eines öffentlichen Weges, die eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs zur Folge hat, kann nur nach öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zur Entstehung gelangen ( V G H in BayBürgmstr. 53, 164). Nach BayStrWG Art. 18 gibt es außerhalb des Gemeingebrauchs nur Sondemutzungen, die ebenfalls dem öffentlichen Recht unterstellt sind; das bedeutet, daß eine Nutzung am öffentlichen Straßengrund die nicht Gemeingebrauch ist, ausschließlich öffentlich-rechtlicher Regelung vorbehalten ist. Dabei ist unter öffentlicher Straße auch der Luftraum über und die Erdmasse unter der Straße zu verstehen (vgl. amtl. Begründung zu Art. 18 BayStrWG). Die in Art 69 BayStrWG vorgesehene Überfuhrung privatrechtlicher Nutzungsrechte in öffentlich-rechtliche Sondernutzungen greift in das Rechtsgebiet des B G B ein und dürfte, da auch dann das bisher privatrechtlich geregelte Verhältnis kraft Gesetzes zum Erlöschen gebracht werden soll, wenn der Kündigungstermin da ist, gegen Art. 31 G G verstoßen (vgl. W. Ring, Diss. 57, Der öffentl. Weg S. 115). Was insbesondere die Straßenanliegerrechte anlangt, so ist zu beachten, daß die Rechtsbeziehungen des Anliegers grundsätzlich privatrechtlicher Natur sind, weil es sich um Grundstücke handelt, auf die das Liegenschaftsrecht des B G B und der G B O Anwendung findet, insbesondere die nachbarrechtlichen Bestimmungen der §§ 906 ff. B G B . Einwirkungen, die von einer öffentlichen Straßenfläche aus ein Anliegergrundstück beeinträchtigen etwa infolge schlechten Straßenzustandes (z.B. auf Schlaglöcher zurückzuführende Erschütterungen des Straßengrundes und der anliegenden Gebäude oder Eindringen von Feuchtigkeit wegen ungenügender Kanalisation oder Abrutschen eines Lastfahrzeugs gegen eine Gebäudewand wegen falscher Straßenneigung oder wegen Schäden am Straßenkörper) lösen die Rechte des Anliegers nach §§ 906 ff. ebenso aus wie Ansprüche wegen Beschädigung des Anliegergrundstücks wegen schuldhafter Verletzung der Straßensicherungspflicht nach §§ 823 ff. B G B . Die Geltendmachung all dieser Ersatzansprüche richtet sich ausschließlich nach bürgerlichem Recht, da insoweit nicht die öffentliche Zweckbindung des öffentlichen Weges (vgl. Forsthoff S. 335) und keinerlei Über- oder Unterordnungsverhältnis zwischen dem Anlieger und dem Straßeneigentümer (Straßenbaulastträger) in Mitte liegt (vgl. W. Ring, Diss. 5 7, Der öffentl.Weg usw. S. 118).

Ü b e r die G r e n z e 2 5 ) i s t dann g e b a u t , wenn das Gebäude selbst oder irgendein festgefügter Teil 26 ) des Gebäudes (Erker, Balkon, Keller, 25 ) Der Nachweis der Grenze liegt demjenigen ob, der die Beseitigung verlangt. S. über Grenzstreitigkeiten, insbes. die Beweiskraft der Vermarkung und des Katasterplans oben § 5 III u. § 6 II 5. Über analoge Anwendung des §912 auf den Fall, daß nicht die Grenze, sondern der durch Gesetz oder Grunddienstbarkeit vorgeschriebene Abstand nicht eingehalten ist, s. unten VII, 2 S. 312. Über den Fall, daß der Bauende die Grenze eines anderen, ihm ebenfalls gehörenden Grundstücks überbaut s. unten V I I , 1 S. 309. 26 ) Festgefügt, nicht bloß eingefügt muß der Gebäudeteil sein, derart, daß er von dem Gebäude nicht getrennt werden kann, ohne daß das Gebäude oder der Teil zerstört oder in seinem Wesen verändert würde. Die Notwendigkeit dieser Einschränkung ergibt sich aus dem Zwecke des Gesetzes im Zusammenhalt mit dessen Wortlaut „über die Grenze g e b a u t " . Wenn lediglich die an dem Gebäude angebrachten Läden, Jalousien in das Nachbargrundstück überragen oder die Läden und Fenster beim Aufschlagen in den Luftraum des Nachbars hinüberragen, liegt kein Überbau im Sinne der §§ 912fr. B G B vor. Der Grundnachbar kann daher die Beseitigung der überragenden Läden und Jalousien verlangen (§ 907 B G B ) bzw. das Aufschlagen der Fenster und Läden durch seinen Luft-

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§ «J13

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Giebel 27 ), Mauerausbuchtung28) in das Erdreich oder den Luftraum des Nachbargrundstückes hinübergreift. E s ist belanglos, ob sich der hinübergebaute Gebäudeteil oberhalb oder unterhalb der Erboberfläche (z.B. ein Weinkeller) befindet29). U m wie viel die Grenze überschritten wird, ist gleichgültig; auch wenn das Gebäude zum weitaus größten Teile auf dem Nachbargrundstücke steht30) und selbst, wenn sich der fremde Bau über das g a n z e N a c h b a r g r u n d s t ü c k erstreckt 31 ), liegt ein Überbau vor. Doch darf der Überbau kein selbständiges Gebäude darstellen; er muß mit dem auf dem Boden des Bauherrn stehenden Bauwerk ein einheitliches Gebäude darstellen32). Wenn das g a n z e Gebäude auf fremdem Boden steht, so können die §§ 912ff. B G B nicht in Anwendung kommen; in solchem Falle kommen § § 9 4 und 93, eventuell ioi2ff. B G B oder §§ iff. E r b b V O in Betracht 33 ). 3. Der Überbau muß von dem E i g e n t ü m e r 3 4 ) a u s g e f ü h r t s e i n ; dem Eigentümer steht der Erbbauberechtigte gleich (§ 1 0 1 7 B G B § 1 1 ErbbVO), auch der Wohnungs- und Teileigentümer ( § 3 W E G ) und der Dienstbarkeitsberechtigte (§ 1 0 1 8 ) und ebenso der Vorerbe; dagegen erzeugt der Überbau des Pächters, Nießbrauchers die Duldungspflicht des Nachbars nicht 35 ). Hat aber der Nießbraucher, Pächter mit Einverraum verbieten. Wenn die Ausübung dieses Rechtes nur den Zweck haben kann, dem Inhaber des Gebäudes zu schaden, ist sie nach § 226 BGB unzulässig; s. oben § 1 1 . 27 ) Der überragende Gebäudeteil braucht nicht auf dem fremden Boden zu stehen; es genügt ein Hineinragen in den fremden Luftraum. Es muß aber eine Folge des Bauens sein. Ob Überbau vorliegt, wenn sich eine Mauer infolge Alters über die Grenze neigt oder ausbaucht, darüber vgl. unten VH 4 (Mauerausbauchung). Dernburg 282; Biermann Anm. 1 zu § 912; R G 88, 41; Staudinger-Seufert Randbem. 5 zu § 912; ferner Wolff, Grenzüberbau 94. Mit letzterem wird man auch § 915 BGB für anwendbar erachten müssen. - Man wird aber gegenWolff a.a.O. annehmen müssen, daß auch dann, wenn die Störung nur eine geringfügige ist, z.B. der herüberragende Dachgiebel nur durch den Tropfenfall lästig wird, der Nachbar gemäß § 915 BGB von dem Hauseigentümer den Erwerb der überbauten Fläche verlangen kann. Derjenige, welcher objektiv rechtswidrig in fremdes Eigentum eingreift, kann sich nicht beschwert fühlen, wenn hieraus die Konsequenzen gezogen werden. Der Kaufpreis wird entsprechend niedrig sein. 28 ) Recht 1911 Nr. 943 (Naumburg), s. hierüber unten YII 4. 28 ) RGRKomm. Bern. 5 zu § 912; R G 88, 41. 30 ) Wolff, Grenzüberbau 93; vgl. JW 1914, 38; s. dagegen Schmitt, BayZ 1914, 60. 31 ) R G 52, 1 5 : 8 3 , 1 4 6 . 32 ) Wolff, Grenzüberbau 93. Es können auch zwei unter einem Dache stehende Häuser sich als verschiedene Gebäude darstellen, vgl. oben S. 115 und RGSt. 8, 102. Das Vorder- und Hinterhaus wird als ein Gebäude anzusehen sein, nicht aber das Vorderhaus und Gartenhaus. Wolff a.a.O. Anm. 1. 33 ) Staudinger-Seufert Randbem. 1 ; RGRKomm. Bern. 5 zu § 912, vgl. R G 52, 17. 34 ) Die Anwendung der §§ 912ff. auf einen von einem Vorbesitzer, der nicht Eigentümer war, aufgeführten Bau ist nicht ausgeschlossen. Turnau-Förster Bern. II, 1 zu § 912. 36 ) Vgl. BGHZ 15, 216; RGRKomm. Bern. 2; Staudinger-Seufert Randbem. 12 je zu § 912.

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Überbau

§ 2 1 I 4,5

ständnis oder Genehmigung des Eigentümers gebaut, so hat er als dessen Vertreter gehandelt (§§ 185, 1 8 4 B G B ) 3 6 ) . D e m Überbau des Eigentümers ist derjenige des fälschlich eingetragenen Bucheigentümers nur dann gleichzustellen, wenn die Voraussetzungen des § 185 B G B gegeben sind 37 ). § 9 1 2 ist auch anzuwenden, wenn die benachbarten Grundstücke des Uberbaues einem Alleigentümer gehören, aber später durch Erbfall oder Verkauf an verschiedene Eigentümer fallen 3 7 3 ). 4. B e i d e r E r r i c h t u n g des Gebäudes muß die Grenzüberschreitung erfolgt sein. Eine n a c h Errichtung des Gebäudes betätigte Ansetzung eines Balkons oder Erkers muß auf Verlangen des Nachbars beseitigt werden 3 8 ); anders bei einem nachträglichen Anbau, der für sich selbst ein Gebäude darstellt und teilweise die Grenze überschreitet. 5. Das Überschreiten der Grenze darf n i c h t a u f V o r s a t z o d e r g r o b e r F a h r l ä s s i g k e i t b e r u h e n (§ 9 1 2 A b s . 1 B G B ) . Vorsatz liegt vor, wenn der Bauende weiß, daß er die Grenze überschreitet, ohne ein Recht zu haben. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn er dies hätte wissen müssen 39 ). Eine Definition der groben Fahrlässigkeit gibt das B G B nicht. E s ist nach den Umständen zu entscheiden, ob eine besonders schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt anzunehmen ist 40 ). Vorsatz und Fahrlässigkeit sind dann zu verneinen, wenn der Bauende zu der Annahme berechtigt war, daß er über die Grenze bauen dürfe 4 1 ). Nicht unter allen 36 ) Wolff, Grenzüberbau m . RGRKomm Bern. 2 zu § 917; Crome 287 Anm. 6. Da die Genehmigung mit rückwirkender Kraft ausgestattet ist (§ 184 BGB), so gilt der Nachbar schon von der Grenzüberschreitung, nicht erst von der Erteilung der Genehmigung an zur Duldung verpflichtet. Der Zeitpunkt der Grenzüberschreitung ist daher maßgebend für den Widerspruch des Nachbars und für dessen Anspruch auf die Rente, vgl. auch B G H Z 15, 216. 37 ) Wolff, Grenzüberbau 1 1 2 ; Staudinger-Seufert Randbem. 1 2 ; Planck-Strecker Bern, i b je zu § 912; Wolff-Raiser SR § 55 I 2. 3, a) Vgl. R G Z 160, 166; B G H Z . 15, 216 = N J W 55, 177. 3S ) Wolff, Grenzüberbau 92. (A.M. Recht 13, 1291, Stuttgart, da eine Veranda ein selbständiges Gebäude sei). Die Regeln der §§ 912fr. B G B gelten insbesondere auch dann nicht, wenn ein Gebäude nur ausgebessert wird. Biermann Anm. 1 zu § 912; O L G 4, 65; Kretzschmar im SächsArch 12, 418. 39 ) Das Kennen oder Kennenmüssen der Grenzüberschreitung genügt nicht; der zu vertretende Umstand ist die objektiv rechtswidrige Grenzüberschreitung. Wolff, Grenzüberbau 1 1 3 . A . M . Bungard, Kommunmauer 6. Vgl. auch O L G IJ, 348 (Hamburg). 40 ) Turnau-Förster Anm. 3 zu § 912; J W 1901, 52; vgl. auch R G 65, 73; 88, 39. 41 ) R G 52, 17. Eine solche Annahme kann unter besonderen Umständen ihre Berechtigung in einem obligatorischen Vertrage finden, durch welchen sich der Eigentümer zur Überlassung des Eigentums an der hinterher überbauten Fläche verpflichtet hat. R G a.a.O.; vgl. auch R G 74, 87; R G 88,39 und dazu unten III, 1. Hat ein Grundeigentümer die Mauer seines Gebäudes auf Grund einer mit dem Nachbar getroffenen formlosen Vereinbarung über kommune Errichtung der Mauer zur Hälfte jenseits der Grenze er-

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§ 3°5 (nicht zumutbarer Brückenbau); Staudinger-Seufert 25 zu § 917; BGH in N J W 54, 13 21 = LM Nr 2 zu § 917; a.M. Planck Bern. 1; RGRKomm. Bern. 4 je zu §917. 19 ) Vgl. RG 79, 116; BayObZ 7, 230; SeuffA 62 Nr. 41; Staudinger-Seufert Randb. 28; RGRKomm. Bem.4 je zu § 917. Hesse, Nachbarrecht 548; Recht 1901, 311 (LGMetz):

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Notweg

§ 2 5 I 3

kann der Notweg wegen bloßen Gewinnes durch Wegabschneidung nicht verlangt werden 20 ); wie es überhaupt ohne Bedeutung ist, ob die Benützung der vorhandenen Verbindung etwas kostspieliger ist, wie eine andere, während eine unverhältnismäßige Schmälerung des Ertrags den Anspruch auf den Notweg begründet 21 ). In Villenvororten der Großstädte und in Kur- und Badeorten bestehen Landhäuser mit Garten in Berglage und werden solche neu angelegt, die lediglich durch einen Fußweg mit dem öffentlichen Weg Verbindung haben. Unter solchen Umständen wird regelmäßig eine Zufahrt nicht beansprucht werden können, da diese nach der maßgebenden Verkehrsauffassung nicht notwendig ist. Für die O r d n u n g s m ä ß i g k e i t der Benützung kommt es nicht nur auf die b i s h e r i g e Benützung an, sondern auch darauf, ob ü b e r h a u p t eine ordnungsmäßige Benützung als erforderlich erscheinen läßt 22 ). Ausschlaggebend ist, ob die geplante Benützung den wirtschaftlichen Bedürfnissen mit Rücksicht auf die Beschaffenheit des Grundstücks entspricht 23 ). Nicht jede spekulative Änderung in der Benützung genügt, um den Anspruch auf den Notweg zu begründen, sondern es muß das Grundstück seiner Natur nach zu einer der Änderung entsprechenden Benützungsart bestimmt sein. Ordnungsgemäß ist eine Benützung, die nach ihrer Art der Natur (d. i. der Bodenbeschaffenheit, Größe und klimatischen Lage) und der Umgebung des Grundstückes angemessen ist und deren Ausübungsweise rationell ist 24 ). So kann die Umwandlung eines bisher landwirtschaftlich benützten Grundstückes in einen Steinbruch eine ordnungsgemäße Benützung sein 26 ). Wenn der Eigentümer aus persönlichen Gründen 26 ) irgendeine neue Benützung, welche nicht als ordnungswidrig bezeichnet werden kann, der bisherigen vorzuziehen geneigt ist, so kann er Gierke 438 Anm. 93; Selbst erhebliche Unbequemlichkeit: SächsArch. 14, 236 (Dresden); Recht 1904, 503 Nr. 2107 (Dresden); O L G , 26. 30. 20 ) V g l . SeuffA. 13 Nr. 210; O L G z, 506. BayZ 25, 169; JW 25, 474. Eine bloße Unbequemlichkeit liegt übrigens dann nicht mehr vor, wenn der W e g so weit außen herumführt, daß mit den ordnungsgemäß vorhandenen Transportmitteln die Ernte nicht in angemessener Zeit hereingeschafft werden kann. 21 ) Rüdenberg 15. 22 ) KommProt. 3588 (Mugdan 3, 598); BayZ 1914, 191 ( R G ) ; JW 14, 529. 23 ) BayZ 1914, 191 (RG). 24) Rüdenberg 1 5 — 1 8 ; Staudinger-Seufert Randb. 28. 25 ) Puchelts Zeitschr. 1905, 152 (Zweibrücken); R G 79, 116 (Interesse an günstigerer Verpachtung genügt nicht). 26 ) Wenn R G 79, 117 die Abgabe der Bewirtschaftung eines Grundstücks an mehrere Teilpächter hierher rechnet, so mag das im allgemeinen richtig sein. Wenn aber die Zerteilung in Einzelbewirtschaftung eine rationellere Ausnutzung des Bodens gewährleistet, so entspricht sie der Beschaffenheit des Grundstücks.

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§ I 3

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

hierfür nicht ohne weiteres einen Notweg beanspruchen27). Wenn der Eigentümer den Fortschritten und Anforderungen der Zeit und der örtlichen Verhältnisse Rechnung trägt und deshalb eine Änderung der Benützung eintreten läßt, so handelt er rationell28). Ist die Stadt an ein bisher landwirtschaftlich benutztes Grundstück herangewachsen, so wird die Erbauung von Wohnhäusern der Natur des Grundstückes entsprechen. Ist für diese Benützung der bisherige Zugang nicht mehr genügend, so kann der Notweg verlangt werden, nicht aber gleich für ein Hotel. Soll auf einem Grundstück der dort vorhandene Steinbruch ausgebeutet werden, so ist dies eine ordnungsmäßige Benützung, die einen Fahrweg erforderlich macht. Will der Eigentümer auf seinem Grundstück eine Fabrik errichten, so kommt es auf die Lage des Grundstückes an. In einem Industrieviertel ist dies eine ordnungsmäßige Benützung. Aud dem platten Lande dagegen liegt diese Voraussetzung regelmäßig nicht vor; denn hier wird zumeist diese Änderung der Benützung nicht auf die durch die objektive Beschaffenheit des Grundstückes bedingten wirtschaftlichen Bedürfnisse, sondern auf die subjektive Willensrichtung des Eigentümers zurückzuführen sein. Wenn sich aber auf dem Grundstücke wertvolle Tonlager befinden, so wird die Errichtung einer Tonwarenfabrik der rationellen Ausbeutung dieses Tonlagers entsprechen und daher eine ordnungsmäßige Benützung im Sinne des Gesetzes darstellen. Die Einrichtung einer Mühle auf einem an einem Triebgewässer liegenden Grundstücke ist ebenfalls eine ordnungsmäßige Benützung, da das Grundstück infolge seiner Lage zu dieser Art der Benützung bestimmt ist. Es entspricht regelmäßig nicht der Lage, sohin nicht der Natur eines eingeschlossenen Grundstücks, darauf einen frequentierten Schuppen zu stellen, der im Laufe der täglichen Arbeit vielfach benützt werden muß. Diese Benutzungsweise ist zwar nicht ordnungswidrig, aber auch nicht naturgemäß29). Anders, wenn in der Umgebung des Grundstücks sich mehrfach Schuppen befinden.

Das Bedürfnis unserer Volkswirtschaft erheischt die stärkste Ausnützung des Bodens. Wenn man vor dem Krieg die Umwandlung eines mageren Weidegrundstücks in Ackerland als irrationell betrachtet hat, so ist hierin jetzt ein Wandel der Anschauung eingetreten. Das Bedürfnis nach einem Notweg kann ein nur vorübergehendes sein30); dann kann der Notweg nur insolange beansprucht werden, als das Bedürfnis besteht. Wenn infolge der Baufälligkeit eines Hauses Baumaterialien zu seiner Instandsetzung beigefahren werden müssen, muß zu diesem Zwecke ein Notweg eingeräumt werden.

Auf der anderen Seite wird der Notweganspruch nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Bedürfnis nach einem Notweg durch eine Veränderung der Kulturart, z. B. durch Holzbepflanzung, in Wegfall oder doch in engere 27 ) KommProt. 3591 (Mugdan 3, 599). Für jetziges Recht würde die den Notweganspruch einschränkende Entscheidung in J W 1894, 437 Nr. 49 nicht mehr zutreffen. Vgl. O L G 12, 124. 2S ) Vgl. BayZ 26, 45; Staudinger-Seufert Randb. 29 u. 30 zu § 917. Ein Nachweis der Rentabilität der Neuanlage kann nicht gefordert werden. Enedmann 484 Anm. 29. 29 ) O L G 12, 124. 30 ) Rüdenberg 2 1 ; Staudinger-Seufert Randb. 22 zu § 917; Westermann § 65 II 1.

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Notweg

§ 2 5 I 3

Grenzen gebracht werden könnte31). Dies gilt selbst dann, wenn bisher das Grundstück mit Holz bestanden war und erst als Ackerland urbar gemacht wurde. Wie die Verbindung, so muß auch der öffentliche Weg, zu dem sie führt, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Benützung genügen32). Deshalb fehlt die zur ordnungsmäßigen Benützung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg nicht nur dann, wenn das notleidende Grundstück von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege durch zwischenliegende, einer Wegservitut nicht unterworfene Ländereien absolut ausgeschlossen ist; es kann vielmehr der Notweganspruch auch dann erhoben werden, wenn zwar ein Fußweg, nicht aber der erforderliche Fahrweg vorhanden ist oder, wenn der vorhandene Fahrweg zu schmal oder für schwere Fuhrwerke nicht fahrbar ist33). Die erforderliche Verbindung mit einem öffentlichen Weg ist dann gegeben, wenn der Grundstückseigentümer eine dem Bedürfnis entsprechende Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit34) zu einem dem gemeinen Gebrauch unterstellten Wege hat. Unter Umständen können für die ordnungsmäßige Benützung zwei Wege notwendig sein36); dies kann namentlich bei einem größeren Komplex zusammengehöriger Grundstücke der Fall sein, für deren ordnungsgemäße Nutzung eine vorhandene Verbindung nicht ausreicht. Das B G B verlangt von dem Eigentümer des notleidenden Grundstückes nicht den Nachweis, daß die Notlage ohne sein Verschulden ein31

) Vgl. StriethorstArch. 31, 14; Dernburg 286. ) Rüdenberg 20; Zeiler, SeuffBl. 78, 99; BraunschwZ. 10, 180 (Braunschweig); Staudinger-Seufert Randb. 28 zu § 917; Mot. 3, 291; a.M. O L G Augsburg in BayZ 12, 1 6 ; 25, 160. Die für die ordnungsmäßige Ausnützung des Grundstücks erforderliche Verbindung mit einem öffentlichen Weg ist nicht schon dann vorhanden, wenn das Grundstück Anschluß an eine als öffentlicher Weg b e z e i c h n e t e Bodenfläche hat, sondern diese Bodenfläche muß auch in der Tat die Eigenschaft eines W e g e s haben. Unter einem Weg versteht man eine Bodenfläche, die bestimmt und g e e i g n e t ist, dem Verkehr zu dienen. Deshalb steht der Wortlaut des Gesetzes der hier vertretenen Auslegung nicht zwingend entgegen. Ausschlaggebend ist der Zweck des Gesetzes. Das Gesetz will aus wirtschaftlichen Gründen die ordnungsmäßige Ausnützung des Grundstücks ermöglichen. Der Gesetzgeber hätte diesen Zweck nicht erreicht, wenn die an sich vorhandene Verbindung mit einem öffentlichen Weg den Notweganspruch auch dann ausschließen würde, wenn dieser Weg unbrauchbar oder doch für das ordnungsgemäße Bedürfnis des Grundstücks ungeeignet ist. s 3 ) M. 3, 291 (Mugdan 3, 1 6 1 ) ; vgl. auch BayZ 1912, 16; 1925, 160. M ) Vgl. J W 25, 475; Westermann § 65 II 1. Dem steht der Fall gleich, daß sich der eingeschlossene Grundstückseigentümer durch Kauf einen Weg erwerben könnte, und wenn ihm der Kauf zugemutet werden kann. S5 ) Rüdenberg 87; vgl. auch B G H in N J W 54, 1 3 2 1 ; R G Warn 1914 Nr. 290; Reinicke in M D R 48, 358; J W 25, 474. 32

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II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums I 3

getreten sei, wohl aber gestattet es dem in Anspruch genommenen Nachbar, die Duldung des Notweges zu verweigern, wenn die bisherige Verbindung des Grundstückes mit dem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wurde (§ 918 BGB). Beweispflichtig hierfür ist der in Anspruch genommene Nachbar36). Dieser Umstand steht auch dem späteren Erwerber des Grundstücks entgegen, selbst wenn er nicht Gesamtrechtsnachfolger desjenigen ist, welcher die willkürliche Handlung vorgenommen hat37). Der Ausdruck „ w i l l k ü r l i c h e Handlung" ist lediglich in o b j e k t i v e m Sinne auszulegen, er stellt keineswegs einen Fall des Vorsatzes dar 38 ); er ist nicht gleichbedeutend mit schuldhaft39). Willkürlich ist eine Handlung dann, wenn sie weder durch die ordnungsgemäße Benützung noch durch eine zwingende andere Veranlassung geboten ist40). Als willkürliche Handlungen können sonach unter Umständen41) in Betracht kommen der Abbruch einer den Zugang vermittelnden Brücke, die Überbauung der bisherigen Verbindungsfläche42), Verschüttung der bisherigen Verbindung 36

) Maenner 172; Planck Anm. 1 ; Staudinger-Seufert Randb. 1 je zu § 918. ) Dernberg 287 Anm. 9; Rüdenberg 33; Wolff-Raiser (56 I 2; Staudinger-Seufert Randb. i b ; R G R K o m m . Bern. 1 je zu § 915. 38 ) Vgl. R G J W 25, 474 (keine Willkür, wenn Zugangsnot infolge Eigentumswechsels eintritt. 38 ) Rüdenberg 28; Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 918. 40 ) Nach Rüdenberg 33 ist eine Handlung des Eigentümers dann nicht willkürlich, wenn er erstens zur Vornahme derselben von der Rechtsordnung oder durch widerrechtliche Drohung oder arglistige Täuschung eines Dritten bestimmt wird oder zweitens er sie kraft öffentlichen oder privaten Rechts vornimmt, insbesondere kraft des Rechts zur (schikanefreien) ordnungsgemäßen Benutzung seines Grundstückes. Alle anderen Handlungen des Eigentümers, durch welche die bisherige Verbindung aufgehoben wird, werden von Rüdenberg als willkürlich erachtet. Der Begriff „willkürliche Handlung" ist — (wie Staudinger-Seufert Randb. 1 d zu § 917 darlegt) — negativ in dem Sinne aufzufassen, daß alle jene Handlungen willkürliche sind, die der Eigentümer nicht kraft eines öffentlichen oder privaten Rechts im Rahmen einer ordnungsgemäßen Benutzung vornimmt. Vgl. dazu R G in J W 25, 474; BayObZ 7, 230; SeuffA 75 Nr. 160, J W 21, 252. Wird durch Errichtung eines Bauwerks eine Zugangsnot geschaffen, so ist darauf abzustellen, ob dieser Bau einer ordnungsgemäßen Grundstücksnutzung entspricht und ob außerdem beim Bau auf die Verbindung mit einem offen tl. Weg Rücksicht genommen wurde und werden konnte. Vgl. Meisner-Stern-Hodes § 27 F N 49. 41 ) Nicht immer; man denke z. B. an die Zerstörung einer Brücke auf Anordnung der Behörde oder auf Drohung des Feindes. Vgl. Rüdenberg 29. Erfolgt die behördliche Anordnung zum Abbruch der Brücke wegen Baufälligkeit, so kann die willkürliche Handlung in der Unterlassung der baulichen Unterhaltung bestehen. 42 ) Dernburg 287 wendet den § 918 Abs. 1 entsprechend an, wenn der Eigentümer sich willkürlich durch Veränderung in der Hauptbestimmung, z. B. durch Errichtung eines Miethauses auf einem früheren Kornfeld, in die Notlage versetzt hat. Jedenfalls müßte aber hier die Einschränkung gemacht werden, daß der Neubau nicht durch die ordnungsgemäße Benützung veranlaßt war. 37

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Notweg

§25 ii

durch Anlage einer Halde43), Verzicht auf eine Wegedienstbarkeit. Ordnungswidriges Unterlassen ist dem Handeln gleichzuachten44). Die Zustimmung des Wegebedürftigen zur Verlegung des bisher bestandenen öffentlichen Weges (ebenso die Unterlassung eines Widerspruchs gegen die Verlegung (schließt den Notweganspruch dann aus, wenn anzunehmen ist, daß gegen den Widerspruch die Verlegung des öffentlichen Weges nicht erfolgt wäre45). Wenn der Notstand nur dadurch herbeigeführt wurde, daß das Grundstück verpachtet wurde und deshalb nach einer ganz anderen Richtung gravitiert, ist § 918 Abs. 1 anzuwenden. Die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege ist nur dann aufgehoben, wenn die Zugangsverhältnisse in tatsächlicher Beziehung geändert werden. Durch eine Veräußerung des Grundstücks wird eine solche Änderung nicht bewirkt, wenn auch für den Erwerber die Möglichkeit bestehen bleibt, die bisherige Verbindung weiter zu benützen. Es kann sich dabei aber ergeben, daß die für den bisherigen Besitzer völlige genügende Verbindung für die ordnungsgemäße Benützung des neuen Erwerbers deshalb ungenügend ist, weil das erworbene Grundstück nun von einem in ganz anderer Richtung gelegenen Anwesen aus bewirtschaftet wird und deshalb die bisherige Verbindung einen wirtschaftlich untragbaren Umweg mit sich bringt. Der neue Erwerber kann den Notweg beanspruchen; die Einrede aus § 918 Abs. 1 kann ihm nicht entgegengesetzt werden. Denn wenn auch der Erwerb des Grundstücks als willkürliche Handlung zu erachten ist, so ist dadurch keineswegs die frühere Verbindung mit dem öffentlichen Weg aufgehoben worden; es ist nur bewirkt worden, daß die unveränderte Verbindung nunmehr für die ordnungsgemäße Benützung nicht mehr genügt (JW 1925, 474 — RG). Ob die willkürliche Handlung, durch welche der Notstand geschaffen wurde, vor oder nach dem Inkrafttreten des B G B vorgenommen wurde, ist belanglos, da das Gesetz keinen Unterschied macht46). II. I n h a l t des N o t w e g a n s p r u c h e s Sind diese Voraussetzungen gegeben, so hat der Nachbar auf Verlangen des Eigentümers die Benützung seines Grundstückes zur Her43

) J W 1921, 252 (Dresden). ) Rüdenberg 26. Vgl. Anm. 4; (Staudinger-Seufert Randb. i a zu § 918. " ) Vgl. Bolze 8 Nr. 82. 46 ) Nicht um eine ruckwirkende Kraft des § 918 handelt es sich, sondern darum, unter welchen Voraussetzungen das geltende Recht den Notweganspruch einräumt. Dagegen meint Höchtle SeuffBl. 1 9 1 1 , 465, der Einwand, daß der Notstand durch eine willkürliche Handlung geschaffen sei, könne dann nicht gebracht werden, wenn die Handlung vor 1900 vorgenommen wurde, weil der § 918 Abs. 1 in gewissem Sinne (!) eine Strafvorschrift für ziviles Unrecht sei und deshalb keine rückwirkende Kraft haben könne. u

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§ ä> II

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Stellung der erforderlichen Verbindung zu dulden (§ 917 Abs. 1 BGB). Diese Verpflichtung enthält eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung47), kraft welcher der Nachbar einen W e g dulden muß. Notwegrecht und die richterlich bestimmte Rente kann daher auch nicht im Grundbuch eingetragen werden. Eintragungsfähig dagegen ist eine Vereinbarung, durch die auf die Rente ganz oder teilweise verzichtet wird oder wenn sie in geringerer Höhe als der gesetzlichen Höhe festgesetzt werden soll47a). Es kann auf Grund des § 917 BGB nicht die Duldung einer durch den Luftraum des Nachbargrundstückes geführten Drahtseilbahn zur Bei- und Fortschaffung von Material usw. verlangt werden48). Unter Umständen kann der Nachbar die Führung einer solchen Drahtseilbahn durch seinen Luftraum auf Grund des § 905 BGB nicht verbieten. Der Anschluß eines bebauten Grundstücks an das Abwasser-Kanalnetz49) sowie die Verlegung von Wasser-, Gas- oder elektrischen Rohrleitungen oder die Verlegung von Kabeln für das Fernmeldewesen oder von sonstigen Versorgungsanlagen50) stellen eine für die ordnungsgemäße Benützung „notwendige Verbindung" dar und fallen ebenso unter § 917 wie die Befugnis über die Nachbargrundstücke zu gehen, zu fahren (auch mit Kraftwagen), zu reiten, zu treiben51), oder Fässer zu rollen und Baumstämme zu schleifen52). Der Notweg ist von dem Berechtigten auf seine Kosten anzulegen und zu unterhalten53). Ob der Verpflichtete den Notweg neben dem Berechtigten oder ob ihn dieser allein benützen darf, entscheidet sich danach, ob bei der Mitbenützung durch den Eigentümer die für die ordnungsgemäße 47 ) Gierke 438; Wolff, Sachenrecht 168; Staudinger-Seufert Randb. 2; Planck Bern. 2a zu § 917. Vgl. M. 3, 291 (Mudang 3, 161). Dort werden die Gründe dargelegt, aus denen der Gesetzgeber die Konstruktion einer Expropriation ebenso wie die einer gesetzlichen Obligation abgelehnt hat. 4?a) Vgl. R G 55, 384; JFG 4, 387; Meickel-Imhof-Riedel Vorb. 20 vor § 13; HesseSaage-Fischer GVfg. § 10 II 3 a. Vgl. auch O L G 45, 209 (Grunddienstbarkeit zugunsten des mit einem Notwegrecht belasteten Grundstück für den Fall einer vertraglichen Regelung der Notwegrentenpflicht). i a ) SeuffA 62 Nr. 41 (ObLG). 49) B G H in JW 1960, 93 = MDR 60, 124. 60) L G Elbing, Neumanns Jahrb. 8, 388; R G L Z 1914, 1768 (fliegende Brücke); JW 36, 3495; JW 32, 1069; Staudinger, 11. Aufl. Randb. 34a; RGRKomm. Bern. 10 je zu § 917; Westermann § 65 II : ; Langlotz Recht 1913, 400; Rüdenberg 14; Berthmann D W W 1937, 655; Meisner-Stern-Hodes § 27 II 1; a.M. früh. Auflagen u. Planck-Strecker Bern. 2 a ß zu § 917. 51 ) RheinArch. 100,1, 134 (Köln); RGKomm. Bern. 10; Staudinger 11. Aufl. Randb. 34 zu §9x7. 62) Auch hierbei handelt es sich um die Benützung eines Grundstücks zum Transport von Sachen und diese Art des Transportes ist (z. B. bei Brauereien) üblich und für die Waldnutzung unter Umständen die allein mögliche. 63) Der Nachbar kann dies der Duldungsklage gegenüber im Wege der Widerklage geltend machen. Soergel, Rechtsprechung 1903, 169; Recht 1903, 551 Nr. 2791 (Posen).

868

Notweg

§ 2 5

ii 1

Benützung des herrschenden Grundstücks erforderliche Verbindung beeinträchtigt wird54). i. Die Verpflichtung zur Duldung des Notweges tritt nur auf V e r langen 6 5 ) des Eigentümers des notleidenden Grundstückes ein. Das Verlangen ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung; sie setzt Geschäftsfähigkeit des Verlangenden voraus und wird wirksam, sobald sie dem Gegner zugeht (§ 310 BGB). Das Verlangen kann formlos geschehen. Immer aber ist erforderlich, daß in dieser Erklärung zum Ausdruck gebracht wird, daß der Wegebedürftige die Duldungspflicht als einen Notweganspruch geltend macht. Zulässig ist es, eine Klage wegen Zugangsnot in erster Linie aus dem Gesichtspunkt einer Wegegerechtigkeit zu erheben, für den Fall aber, daß die Dienstbarkeit nicht festgestellt werden könne, im Wege eines Eventualantrages das Notwegrecht aus § 917 geltend zu machen56). A k t i v legitimiert zur Stellung des Verlangens wie zur Erhebung des Anspruchs auf Duldung 57 ) ist der Eigentümer des wegebedürftigen Grundstücks (§ 917 BGB). Ein einzelner Miteigentümer ist zum Verlangen und zur Klage auf Einräumung des Notweges nicht legitimiert (trotz § 1 0 1 1 BGB) 68 ). Dem Nießbraucher steht der Notweganspruch so wenig zu69) wie dem Besitzer und Pächter60), wohl aber dem Erbbauberechtigten (§ 1017, § 1 ErbbVO). M ) Rüdenberg 86; zu weit geht in der Annahme des Mitbenützungsrechtes Süßheim, BlAdmPr. 52, 365. Wenn der Notwegberechtigte und der Eigentümer den Weg gemeinsam benützen, so tragen sie die Kosten der Unterhaltung nach den Grundsätzen der Gemeinschaft zusammen. Rüdenberg 90. 65 ) Das Verlangen ist Tatbestandsmerkmal und zwar Voraussetzung der Duldungspflicht (Müller 103; RGKomm. Bern. 13, Staudinger Randb. 37 zu § 917). 66 ) Die in den fr. Auflagen enthaltene gegenteilige Ansicht wird nicht aufrecht erhalten. Vgl. dazu R G 144, 7 1 ; Rosenberg Lhrb. ZPO § 6 I V 2; Staudinger-Seufert Randb. 39 zu § 917. Im übrigen kann der Notweganspruch einredeweise oder durch Widerklage geltend gemacht werden (Vgl. BayObZ 7, 230). 67 ) Für die Klage ist der dingliche Gerichtsstand des § 24 Z P O begründet, weil es sich um einen Anspruch aus dem Eigentum am notleidenden Grundstück handelt, und sie gegen den Eigentümer des Nachbargrundstückes als solchen zu richten ist. Dernburg 288 Anm. 15. 68 ) Turnau-Förster Bern. 1 zu § 917 B G B , weil der Ansprach auf Einräumung des Notweges von einer Gegenleistung a b h ä n g i g ist. RGKomm. Bern. 6 Staudinger-Seufert Randb. 3 je zu § 917. A. M. Maenner 173; Biermann Bern. 2 zu § 917; Planck Bern. 2a ß. 59 ) Herrschende Meinung, A. M. Rüdenberg 81, der dem Nießbraucher das Notrecht grundsätzlich zuspricht, jedoch mit der weittragenden Einschränkung, daß er die „Bestimmung des Notweges" nicht vornehmen dürfe. 60 ) Rüdenberg 82; Süßheim, BlAdmPr 52, 365; Neumann, Jahrbuch 6, 375 (Jena); SeuffA 56 Nr. 150; Recht 1920 Nr. 2406; R G 79,118 (der Pächter kann einen Notweg über andere Grundstücke des Verpächters nur nach Auslegung des Pachtvertrags, nicht nach § 917 beanspruchen).

24

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

369

§ äD II 1, 2

II. Abschnitt. Gesetzliche Beschränkungen des Eigentums

Die Duldungspflicht ( P a s s i v legitimation) trifft die Eigentümer aller jener Grundstücke, welche der Verbindung mit dem öffentlichen Wege entgegenstehen, unter Umständen also auch die mittelbaren Nachbargrundstücke61). Hat ein Grundstück eine Fahrtgerechtigkeit über das daranstoßende Grundstück des A , nicht aber über das an letzteres angrenzende Grundstück des B , welches an einem öffentlichen Wege liegt, so richtet sich der Anspruch auf Einräumung des Notweges gegen B.

Die mehreren Miteigentümer des belasteten Grundstückes müssen gemeinsam belangt werden62). Das Verlangen zur Duldung ist daher an sämtliche Miteigentümer zu richten. Die Zuziehung der Erbbau- und Dienstbarkeitsberechtigten ist nicht erforderlich63). Gegen nur dinglich Berechtigte oder gegen den bloßen Besitzer ist die Klage nicht zulässig64). 2. Welches von m e h r e r e n in Betracht kommenden Grundstücken ist im Einzelfalle belastet? Die Duldungspflicht liegt kraft Gesetzes allen Nachbarn ob, nicht nur dem Eigentümer desjenigen Grundstücks, welches durch den Weg am wenigsten belästigt wird 65 ). Es ist nicht erforderlich, daß der Eigentümer des notleidenden Grundstücks gerade die kürzeste Verbindung in Anspruch nimmt66). Der Einwand, daß der Notweg für ein anderes Grundstück weniger lästig wäre, ist daher unzulässig67). Immerhin muß angenommen werden, daß der Wegebedürftige nicht nach reiner Willkür irgendeine Verbindungslinie herausgreifen kann, sondern daß nur jene Grundstücke mit der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung belastet sind, welche nach den Terrain- und sonstigen örtlichen Verhältnissen n a t u r g e m ä ß für eine Verbindung in Betracht kommen68). 61 ) Denkschrift 126 (Mugdan 3, 974). Das Verlangen kann sich nur gegen denjenigen richten, dessen Eigentum beschränkt ist, das ist also gegen den Eigentümer, nicht etwa gegen den bloßen Besitzer, Nießbraucher u. dgl. (SeuffA 56 Nr. 150; Staudinger-Seufert Randb. 3 zu § 917). • a ) RGKomm. Bern. 7; Staudinger-Seufert Randb. 3 je zu § 917; J W 1906, 233 (RG). Die Klage ist gegen alle Eigentümer des Grundstücks zu richten, auch gegen solche, welche die Verpflichtung nicht bestreiten (notwendige Streitgenossenschaft). Wenn es sich dagegen um die Eigentümer verschiedener in Betracht kommenden Grundstücke handelt, ist § 60 Z P O anzuwenden (Kraft, RheinZ 2, 341). vom 17. 8. 1918 (GVB1. 551), vom 10. 10. 1919 (GVB1. 676), vom 9. 2. 1924 (GVB1. 25), vom 23. 7. 1931 (GVB1. 189), das Graphitges. vom 12. 11. 1937 (GVB1. 299), vom 23. 3. 1938 (GVB1. 145), vom 30. 3. 1939 (GVB1. 87), vom 29. 12. 1949 (GVB1. 1950, 40); ferner durch das 1. Ges. zur Änderung des Art. 160 BV vom 18. 7. 1947 (GVB1 152), das 2. Ges. zur Sicherung der Brennstoffversorgung und zur Förderung der Braunkohlenwirtschaft vom 31. 3. 1948 (GVB1. 54), ferner durch die Tiefbohr-VO vom 3. 6. 1959 (GVB1. 185), außerdem durch folgende Reichsgesetze vom 28. 2. 1935 (RGBl. I, 315), vom 1. 12. 1936 (RGBl. I, 999), sowie der YOen vom 31. 12. 1942 (RGBl. I, 1917), vom 23. 7. 1937 (RGBl. I, 883), vom 1. 2. 1939 (RGBl. I, 115), vom 25. 3. 1938 (RGBl. I, 345) und vom 28. 2. 1939 (RGBl. I, 381). DurchVO vom 21. 11. 1956 (GVB1. 278) wurden Sitz und Bezirk der Bergbehörden festgelegt. Im Art. 17, 18 und 37 mit 51 BayAGGBO und §§213, 591 ff. DA ist die Eintragung im Bergwerksgrundbuch geregelt. Das Bayer. Bergges. wurde in Coburg eingeführt durch Bekm. vom 5. 3. 1921 (GVB1. 67). Auf Bergwerkseigentum, das bereits vor Inkrafttreten des Bergges. verliehen wurde, insbesondere auf das Rechtsverhältnis zwischen Grundeigentümer und Bergbauberechtigten findet das Berggesetz vom 20. 3. 1869 i.d.F. vom 13. 8. 1910 nebst späteren Änderungen Anwendung. Vgl. RGZ 38, 329. Das Bergrecht ist in Art. 67 EG BGB dem Landesrecht vorbehalten, in Art. 74 Ziffer 11 GG aber der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterstellt. 2 ) Ein vom Grundeigentümer eingeräumtes Recht auf Gewinnung von Mineralien, die nicht zu den bergbaufreien im Sinne des Art. 1 Berggesetz gehören, ist nach bürgerlichem Rechte zu beurteilen; das Berggesetz findet hierauf keine Anwendung (Becher, Landeszivilrecht 969). Auch dieser Betrieb untersteht der Bergaufsicht (Art. 83, 138 und 253 BergG). 3 ) Diese Mineralien sind: Gold, Silber, Quecksilber, Eisen, Blei, Kupfer, Zinn, Zink, Kobalt, Nickel, Arsenik, Mangan, Antimon, Molybdän, Titan, Uran, Wismut, Wolfram 34*

531

I V . Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw.

eigentümer muß vielmehr dulden, daß diese Mineralien von dritten Personen aufgesucht, zutagegefördert und gewonnen -werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die Befugnis zur Aufsuchung und Gewinnung der Mineralien von der zuständigen Bergbehörde den dritten Personen ausdrücklich übertragen worden ist. Der Grundeigentümer wird somit von der Verfügung über bestimmte Bodenbestandteile ausgeschlossen. Gleichwohl wird weder dem Staat noch einem Dritten das Eigentumsrecht an diesen Bestandteilen zuerkannt. Es wird vielmehr der Hoheitsmacht des Staates anheimgegeben, einem beliebigen Dritten, der sich um das Recht zur Aufsuchung und Gewinnung der bergrechtlichen Mineralien bewirbt, dies zu gestatten. Damit ist dem Grundsatz der B e r g b a u f r e i h e i t Ausdruck verliehen. Die Frage, in wessen Eigentum diese Mineralien stehen, so lange sie sich ungebrochen auf ihrer natürlichen Lagerstätte befinden, wird verschieden beantwortet4). Soviel ist für Bayern kraft ausdrücklicher Bestimmung des Art. i BergG sicher, daß sie nicht im Eigentum des Grundeigentümers stehen; diese rein negative Bestimmung gibt keinen Aufschluß, wem die Mineralien positiv gehören. Ein Eigentum des Staates5) könnte nur auf Grund eines Bergregals und da nur mit Schwierigkeiten konstruiert werden; für Bayern ist aber das Bergregal schon durch Art. 240 des BergG aufgehoben worden 6 ). Somit müssen die dem Bergbaurecht unterliegenden Mineralien als herrenlos betrachtet werden 7 ). Sie unterliegen nicht dem allgemeinen freien, sondern einem nach Maßgabe des BergG besonders und Schwefel, gediegen und als Erze; Alaun- und Vitriolerze; Stein- und Braunkohle, Graphit, Steinsalz nebst den mit ihm auf der nämlichen Lagerstätte vorkommenden Salzen, namentlich Kali-, Magnesia- und Borsalzen, sowie die Solquellen; ferner Bitumen in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand, insbesondere Erdöl, Erdgas, Bergwachs und Asphalt, sowie die wegen ihres Gehaltes an Bitumen technisch verwertbaren Gesteine. Die Grenze zwischen Braunkohle und Torf ist von einem preußischen Rekursbescheid vom 14. 1 1 . 1867 (Brassert, Z.f.Bergrecht 8, 545) in der Weise gezogen, daß dann, wenn ein Deckgebirge das Kohlenlager gegen die Oberfläche abschließt, die Kohle als Braunkohle anzusprechen sei, auch wenn die Formation jünger sei als das Tertiär, während man von Torf nur sprechen könne, wenn die höchsten Schichten der Ablagerung sich noch in unzersetztem, nicht fossilem Zustand befinden. 4 ) Siehe darüber Sehling, Die Rechtsverhältnisse an den der Verfugung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien (Leipzig 1904) 35 fr. 6 ) Dieses wird mit Nachdruck verfochten von Arndt, Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit (Halle 1879) 279 ff.; s. dagegen Sehling a.a.O. 41. 6 ) Die Konstruktion von zwei übereinander liegenden Eigentumsschichten, etwa nach Art des Stockwerkseigentums, ist daher abzulehnen. Dernburg 494. Deshalb gehört eine im Abbaugebiete gelegene Höhle dem Grundeigentümer und nicht dem Bergwerkseigentümer. R G 28,152. Ein in der Lagerstätte gefundener Schatz ist zwischen dem Finder und dem Grundeigentümer zu teilen. Demburg 494 Anm. 6. ') Sehling a.a.O. 50.

532

Das Schürfrecht

§35

geregelten Okkupationsrechte 8 ) desjenigen, d e m das B e r g w e r k s e i g e n t u m verliehen w u r d e . K e i n e s w e g s g e w ä h r t diese V e r l e i h u n g schon v o n selbst das E i g e n t u m an den n o c h i m E r d k ö r p e r befindlichen Mineralien; erst durch den A k t der G e w i n n u n g u n d der Besitznahme erwirbt der B e r g w e r k s berechtigte das E i g e n t u m 9 ) . D u r c h A r t . z B e r g G w i r d d e m Bayer. Staat das R e c h t v o r b e h a l t e n , bestimmte Mineralien aufzusuchen u n d z u g e w i n n e n u n d a u f G r u n d dieses Rechts, einzelnen Personen oder G e m e i n s c h a f t e n die Erlaubnis z u m A u f suchen u n d G e w i n n e n dieser Mineralien z u erteilen. Dieser Staatsvorbehalt k o m m t d e m altrechtlichen B e r g r e g a l gleich. E i n auf G r u n d dieses V o r behalts v o m Staat selbst betriebener B e r g b a u untersteht der Bergaufsicht ebenso w i e die v o n sonstigen Unternehmern v e r m ö g e der diesen erteilten Erlaubnis betätigte A u f s u c h u n g u n d G e w i n n u n g der d e m Staat v o r b e h a l tenen Mineralien, d . h . es finden die f ü r den B e r g w e r k s b e t r i e b in A r t . 4ff. B e r g G niedergelegten B e s c h r ä n k u n g e n u n d V e r p f l i c h t u n g e n s o w i e die B e s t i m m u n g e n über das Verhältnis der Bergbauunternehmer z u anderen B e r g w e r k s e i g e n t ü m e r n und z u den M u t e r n , s o w i e z u d e n G r u n d e i g e n tümern u n d den b e i m Betrieb beschäftigten Personen sinngemäße A n w e n d u n g (Art. 3 B e r g G ) . E r w e r b u n d Betrieb eines f ü r R e c h n u n g des Staates betriebenen B e r g w e r k s richten sich in v o l l e m U m f a n g nach d e m B e r g g e s e t z . Zu den dem Staate vorbehaltenen Mineralien gehören: Steinsalz nebst den mit ihm auf derselben Lagerstätte vorkommenden Salzen sowie Solquellen, Gold, Eisen-, Manganund Titanerze, Uranerze, alle wegen ihres Gehaltes an Phosphor verwertbaren Gesteine, Braunkohle, Graphit, Bitumen in festem, flüssigem und gasförmigem Zustand (wie Erdöl, Erdgas) sowie die wegen ihres Gehaltes an Bitumen verwertbaren Gesteine.

§ 35. Das Schürfrecht 1 ) D a s Schürfen ( A u f s u c h e n der Mineralien) mit A u s n a h m e derjenigen, die unter den Staatsvorbehalt des A r t . 2 B e r g G fallen, ist grundsätzlich jedermann gestattet ( A r t . 1 u. 4 B e r g G ) . D e r G r u n d e i g e n t ü m e r kann das 8)

Sehling a.a.O. 51. Sehling a.a.O. 54; RG 10, 212. Dernburg 494. Oertmann 434. Becher, Landeszivilrecht 969. Dagegen betrachtet das ObLG im Anschluß an die Motive zum Berggesetze (Verh. der Kammer der Abgeordneten Beil. 4, 36) das Bergwerkseigentum als ein wirkliches Grundeigentum an den Lagerstätten und Grubenfeldern und den darin befindlichen bergbaufreien Mineralien. O G H 7, 854. SeufTBl. 44, 152. Unentschieden O G H 14, 278; SeuffBl. 58, 120; vgl. unten § 36. § 35 Die oberpolizeilichen Vorschriften über das Schürfen vom 11. 9. 1952 (BayBS IV, 294) sind durch die Tiefbohr-VO vom 3. 6. 1959 (GVB1. 185) ersetzt. Hinsichtlich der Pech- und Steinkohlenbergwerke vgl. die V O vom 12. 2. 1959 (GVB1.157). Wegen polizeilicher Beschränkungen des Schürfrechts besteht kein Entschädigungsanspruch (JW 1899, 65). Das Schürfrecht wird entweder durch Vertrag mit dem Grund9)

533

§ OD

I, II

IV. Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw.

Schürfen i.d.R. niemandem verwehren, sofern die besonderen Vorschriften in Art. 5 ff. BergG beachtet werden. I. A u s n a h m e n von der Schürffreiheit: A u f öffentlichen Plätzen, Straßen und Eisenbahnen sowie auf Friedhöfen (auch wenn nicht mehr auf denselben beerdigt wird), ist das Schürfen unbedingt verboten (Art. 5 Abs. 1 BergG) 2 ). A u f anderen Grundstücken ist das Schürfen unstatthaft, wenn nach der Entscheidung des Oberbergamts überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen (Art. 5 Abs. 2 BergG) 3 ). Solche Gründe können beispielsweise vorliegen, wenn es sich um den Schutz von gemeinnützigen Anlagen oder Mineralquellen handelt. Auch dem Grundeigentümer selbst kann auf Grund des Art. 5 Abs. 2 das Schürfen untersagt werden 4 ). Unter Gebäuden 5 ) und in einem Umkreise um dieselben bis zu sechzig Metern, in Gärten 6 ) und in eingefriedeten Hofräumen darf nicht geschürft werden, es sei denn, daß der Grundbesitzer seine ausdrückliche Einwilligung hierzu erteilt und das Oberbergamt das Schürfen aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Interesses zugelassen hat (Ges. vom 30. 3. 1939 — GVB1. 87). Gegen eine solche Entscheidung des Oberbergamts steht den Beteiligten die Anfechtungsklage zum Verwaltungsgerichtshof nach § § 40 ff. V w G O v o m 21. 1. i960 (BGBl. I, 17) zu. II. Abgesehen von den Fällen des Art. 5 BergG muß der Grundbesitzer 7 ), er sei Eigentümer oder Nutzungsberechtigter, das Schürfen auf seinem besitzer oder durch bergamtliche Bewilligung erworben. Die bergamtliche Bewilligung begründet stets ein dingliches einer Dienstbarkeit ähnliches Recht, das vererblich und veräußerlich ist. Im Zweifel ist anzunehmen, daß auch durch die freiwillige Einräumung des Schürfrechtes durch den Grundeigentümer ein dingliches Recht eingeräumt werden soll. Becher, Landeszivilrecht 974. Ist das Benützungsrecht von einem Besitzer eingeräumt, der nur auf Grund eines Schuldverhältnisses besitzt (Pächter), so ist auch das Benützungsrecht schuldrechtlich (ObTr. in Brassert, Z. f. Bergrecht 1918, 407). Nach Isay Bern. 14 zu § 5 pr. Bergges. stellt das Benützungsrecht eine Belastung des Eigentums dar, die einer Grunddienstbarkeit ähnlich ist (Isay Bern. 14 zu § 5 pr. Bergges.). Der Vertrag, durch welchen das Schürfrecht eingeräumt wird, ist obligatorisch formlos gültig. Zur dinglich wirksamen Entstehung der persönlichen Dienstbarkeit ist aber Eintragung im Grundbuch erforderlich. Vgl. Staudinger Bern. 3 zu § 1090 und oben § 32 A. 2) Vgl. JW 1899, 65; R G 43, 198. 3 ) Das Oberbergamt kann auch die Fortsetzung bereits begonnener Schürfarbeiten verbieten; ein Entschädigungsanspruch für die bis dahin gemachten nutzlosen Aufwendungen besteht nicht, vgl. R G 43, 201. 4) Rauck, Berggesetz Anm. 2 zu Art. 5 vom 30. 6. 1900; Becher, Landeszivilrecht 973. 6 ) Über den Begriff „Gebäude" s. oben S. 283. 6 ) Parkanlagen gehören nicht hierher, Becher, Landeszivilrecht 973. 7 ) Unter Grundbesitzer ist derjenige zu verstehen, der berechtigt ist, das verlangte Benützungsrecht einzuräumen. Das ist der Nießbraucher, Pächter (RG 93, 10). Wenn es zweifelhaft ist, ob dem Besitzer das erwähnte Verfügungsrecht zusteht, ist es ratsam, den

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Das Schürfrecht

§ 3 5 ii

Grund und Boden jedermann8) gestatten9) (Art. 6 Abs. 2 BergG). Wer zur Ausführung von Schürfarbeiten fremden Grund und Boden benützen will, hat hierzu die Erlaubnis des Grundeigentümers nachzusuchen (Art. 6 Abs. 1 BergG). Er hat einen Anspruch auf die Erlaubnis 10 ). Vor der Erteilung der Erlaubnis hat der Schürfer kein Recht, das Grundstück zu benützen. Tut er es dennoch, so macht er sich verbotener Eigenmacht schuldig. Die Erfüllung des Anspruchs auf die Einräumung des Benützungsrechts erfolgt durch Vertrag (Art. 9 Abs. 1 BergG). Kann sich der Schürfer mit dem Grundbesitzer über die Gestattung der Schürfarbeiten nicht gütlich einigen, so entscheidet das Oberbergamt darüber, ob und unter welchen Bedingungen die Schürfarbeiten unternommen werden dürfen (Art. 9 BergG) 1 1 ). Der Schürfer ist verpflichtet, dem Grundbesitzer für die entzogene Nutzung jährlich im voraus vollständige Entschädigung zu leisten und das Grundstück nach beendigter Benützung wieder zur freien Verfügung des Grundbesitzers zu stellen, auch für den Fall, daß durch die Schürfarbeiten eine Wertsminderung des Grundstückes eintritt, bei Beendigung der Benützung den Minderwert zu ersetzen (Art. 7 Abs. 1 BergG). Für die Erfüllung dieser letzteren Verpflichtung kann der Grundbesitzer schon vor dem Beginne der Schürfarbeiten die Bestellung angemessener Sicherheit von dem Schürfer verlangen (Art. 7 Abs. 2 BergG). Beim Mangel einer Einigung unter den Beteiligten setzt das Oberbergamt die Entschädigung und Sicherheitsleistung in Geld vorbehaltlich der Betretung des Rechtsweges fest. Gegen die Entscheidung des Oberbergamts ist das Anfechtungsverfahren gem. Art. 249 BergG nun ersetzt durch §§ 40ff. V w G O vom 21. 1. i960 (BGBl. I 17) zulässig. Die Schürfarbeiten dürfen erst begonnen werden, wenn die Entscheidung über Entschädigung und Sicherheitsleistung rechtskräftig ist oder wenn sie durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 V w G O zuGrundeigentümer mit heranzuziehen (vgl. Isay 2, 15). Regelmäßig wird, wenn es sich um tiefere Bohrungen handelt, neben der Erlaubnis eines sonstigen Nutzungsberechtigten auch die Zustimmung des Eigentümers nötig sein (Isay Bern. 3 zu § 5 pr. Berges.). 8

) Selbstverständlich auch dem Staat, J W 1895, 564 Nr. 14 und 400 Nr. 68. ) Die Erlaubnis ist ohne Form obligatorisch wirksam. Über das Wesen des durch die Erlaubnis begründeten Schürfrechtes s. oben § 34. 10 ) Die bloße Erklärung des Grundbesitzers, selbst schürfen zu wollen, begründet kein Recht zur Versagung der Erlaubnis; anders wenn er schon eine äußerlich wahrnehmbare Vorbereitung zum Schürfen getroffen hat (Isay Bern. 9 zu § 5 pr.Bergges.). Ein ausschließliches Recht hat der Schürfer nicht; der Grundbesitzer darf ebenfalls schürfen. Der Ausgleich zwischen ihnen ist nach den Regeln des Besitzschutzes zu treffen (Isay Bern. 13 zu § 5 pr.Bergges.). Die Erlaubnis zu einer Wiederholung des Schürfens kann nicht deshalb verweigert werden, weil schon ausreichend geschürft sei (Isay Bern. 9 zu § 5). u ) Ohne vorgängige Erlaubnis des Grundbesitzers darf mit den Schürfarbeiten nicht begonnen werden. Die Erteilung dieser Erlaubnis wird ersetzt durch die Entscheidung des Oberbergamts und durch Zahlung oder Hinterlegung der von diesem festgesetzten Entschädigung und Sicherheitsleistung (Art. 10 Berggesetz). 9

535

IV. Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw. III, IV, V

gelassen werden 12 ). Wird der in Art. 10 BergG vorgesehene Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten wegen der Höhe der Entschädigung oder der Sicherstellung betreten, so ist für die Klage das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Die Kosten des Verfahrens vor dem Oberbergamt fallen dem Schürfer zur Last (Art. 9 BergG), während die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof dem hierbei Unterliegenden zur Last fallen. Durch Beschreiten des Rechtsweges wegen der Festsetzung der Entschädigung oder der Sicherheitsleistung wird der Beginn der Schürfarbeiten nicht aufgehalten, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß die v o n dem Oberbergamt festgesetzte Entschädigung an den Berechtigten bezahlt oder bei verweigerter Annahme hinterlegt, desgleichen die Sicherheit in dem von der Bergbehörde festgestellten Betrage geleistet ist (Art. 10 BergG). III. Im Felde eines verliehenen Bergwerks darf nur nach denjenigen Mineralien geschürft werden, auf die der Bergwerkseigentümer Rechte noch nicht erworben hat und die nicht unter den Staatsvorbehalt des Art. 2 BergG fallen. Bedrohen solche Schürfarbeiten die Sicherheit der Baue eines fremden Bergwerks oder dessen ungestörten Betrieb, so kann der Bergwerkseigentümer vom Schürfer eine angemessene Sicherheit für eine etwa zu leistende Entschädigung verlangen (Art. 11 BergG). Für den Fall derartiger Störungen kann auch das Bergamt von Amtswegen eingreifen und die Schürfarbeiten untersagen (Art. 12 Abs. 1 BergG). Gegen einen Untersagungsbescheid des Bergamts steht den Beteiligten das Anfechtungsverfahren nach §§ 40 ff. V w G O zu. IV. Der Schürfer ist befugt, über die bei seinen Schürfarbeiten geförderten Mineralien, die in Art. 1 Abs. 2 BergG aufgeführt sind, zu verfügen, insofern nicht bereits Dritte Rechte auf diese erworben haben (Art. 13 BergG) 1 3 ). V . Wer ein Gesuch um Verleihung des Bergwerkseigentums (Mutung) 14 ) eingereicht hat, ist zu weiteren Versuchsarbeiten berechtigt; deren Zulässigkeit und Folgen sind denselben Regeln unterstellt, welche für das eigentliche Schürfen gelten (Art. 23 BergG). 12 )

Vgl. RG 45, 198; JW 1899, 65. Die Mutung muß bei der Bergbehörde entweder zu Protokoll erklärt, oder schriftlich (Telegramm genügt, Becher, Landeszivilrecht 976 Anm. 5) in zwei gleichlautenden Exemplaren eingereicht werden (Art. 15 Berggesetz). Die Gültigkeit der Mutung wird in Art. 16 BergG von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht, nämlich Angabe des Namens und Wohnorts des Muters, genaue Bezeichnung des Minerals, das Gegenstand des Bergwerkseigentums sein soll, sowie nähere Angaben über Lage und Größe des Fundorts (Art. 16, 18 u. 19 BergG). Vgl. hierzu Becher, Landeszivilrecht 976. Unter dem Fundpunkt, dessen Bezeichnung hiernach notwendig ist, ist kein mathematischer Punkt, sondern der Fundort zu verstehen. Näheres s. Becher a.a.O. 1 4 ) Becher, Landeszivilrecht 979. 13 )

536

Das Bergwerkseigentum

§36 11

Die den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Mutung bewirkt, daß ein Dritter, welcher das Mineral an einem anderen Fundpunkte des bereits gesetzlich begehrten Feldes aufschließt, hieraus ein Recht auf Mutung seinerseits nicht ableiten kann (Art. 20 Abs. 2 BergG); sie begründet einen Anspruch auf Verleihung des Bergwerkseigentums. Dieser Anspruch ist vererblich und veräußerlich und hat dinglichen Charakter 14 ). E r kann jedoch auf dem Rechtswege nicht gegen das zur Erteilung der Verleihung berufene Oberbergamt, sondern nur gegen diejenigen Personen verfolgt werden, welche dem Muten die Behauptung eines besseren Rechts entgegensetzen (Art. 25 BergG) 1 6 ). Ein V o r r e c h t vor anderen Mutungen hat jedoch derjenige, der auf eigenem Grund und Boden ein bergbaufreies Mineral i.S. des Art. 1 B e r g G entdeckt und innerhalb von zwei Wochen nach dem Tage der Entdeckung selbst Mutung einlegt, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß er den Fund bereits gemacht hat, bevor der andere die Mutung nach dem fraglichen Mineral eingelegt hatte, und dies auch beweisen kann. Unter denselben Voraussetzungen steht auch demjenigen, der in seinem eigenen Grubengebäude, sowie demjenigen, der durch vorschriftsmäßige Schürfarbeiten (Art. 4 ff. BergG) ein Mineral auf seiner natürlichen Ablagerung entdeckt, ein Vorrecht vor einer nach der Entdeckung eingelegten Mutung zu (Art. 26 BergG). Bei den in Art. 2 dem Staat vorbehaltenen Mineralien entfällt natürlich das Vorrecht. V I . Der Schürfer haftet für den durch seine Schürfarbeiten dem Grundeigentum erwachsenden Schaden auch ohne Verschulden in demselben Umfang wie der Bergwerkseigentümer (Art. 210 BergG), vgl. hierüber unten § 37. § 36. Das Bergwerkseigentum 1 ) I. 1. Das Bergwerkseigentum wird nach Maßgabe der Art. 24—41 BergG verliehen 2 ). Man versteht unter Bergwerkseigentum die ausschließliche Befugnis, nach Maßgabe der Bestimmungen des BergG, das in der u

) Vgl. Becher, Landeszivilrecht 979 Anm. 25. § 36 *) Die Entstehung des Bergwerkseigentums ist nach dem Rechte zu beurteilen, das zur Zeit seiner Entstehung Geltung hatte (ObLG 13, 165; vgl. hierzu J W 1893, 81). Für das Bergwerkseigentum wird ein besonderes Grundbuchblatt angelegt und zwar jeweils aus Anlaß einer Eintragimg von Amtswegen (vgl. Meikel-Imhoff-Riedel Randb. 34 zu Art. 1 1 7 G B O , Randb. 27 u. 356 zu § 3 GBO). Das Oberbergamt hat unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Verleihungsurkunde nebst Plan (Art. 40 u. 36 BergG) das Grundbuchamt um die Eintragung zu ersuchen ( § 3 8 GBO). 2 ) Das Gesuch um Verleihung des Bergwerkseigentums nennt man Mutung (Art. 14 ff., 2 4 f r . BergG); vgl. hierzu R G 36, 255; 74, 269; J W 1896, 92; 1 9 1 1 , 123.

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§ OÖ I 1

I V . Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw.

Verleihungsurkunde benannte Material in dem verliehenen Grubenfelde (Art. 28 BergG) aufzusuchen und zu gewinnen 3 ). Die bergrechtliche Verleihung verschafft dem Bergwerksbesitzer noch kein Eigentum an dem Minerale, auf welches sich die Verleihung bezieht; sie gewährt ihm vielmehr nur die ausschließliche Befugnis, das Mineral innerhalb seines Feldes aufzusuchen und zu gewinnen, so zwar, daß das Eigentum erst mit der Okkupation des einzelnen Mineralstückes erworben wird 4 ). Das Bergwerkseigentum kann daher rechtlich nicht als ein Eigentumsrecht im juristisch-technischen Sinne betrachtet werden; denn das ganze Minerallager ist herrenlos6); daraus folgt aber zugleich auch, daß das Bergrecht in der Hauptsache nicht als ein Recht an einer fremden Sache aufgefaßt werden kann 6 ); es muß sich ja auch der Grundeigentümer das Bergwerkseigentum verleihen lassen, wenn er die in seinem Grund und Boden befindlichen Mineralien gewinnen will 7 ). Man wird vielmehr das Bergwerkseigentum als ein sachenrechtliches Institut besonderer Art betrachten müssen, bei welchem das den Kern bildende Aneignungsrecht verbunden ist mit dem dinglichen Rechte, das fremde Grundstück zum Zwecke der Aneignung des herrenlosen Minerals in einzelnen Beziehungen zu benützen. Die Verleihung des Bergwerkseigentums an einen anderen als den Grundstückseigentümer stellt einen erheblichen Eingriff in das Grundeigentumsrecht dar; denn damit wird dem Grundeigentümer die Befugnis entzogen, sich gegen Einwirkungen aus dem Bergbaubetrieb mit den Ansprüchen aus §§ 903, 1004 B G B zu wehren8). Auf das Bergwerkseigentum finden die sich auf G r u n d s t ü c k e beziehenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts Anwendung (Art. 44 BergG). Es erhält daher ein Blatt im Grundbuche9). Die Veräußerung des 3

) Vgl. Becher, Landeszivilrecht 969. ) R G io, 2 1 2 ; vgl. § 34. ) Oertmann 434. Staudinger-Seufert Vorb. 26 vor § 903. 6 ) R G 135, 96; B G H 1 1 , 104; N J W 55, 1186. A . M . Oertmann 434. 7 ) Vgl. J W 1915, 528 R G (Das Bergwerkseigentum ist kein Sacheigentum und auch kein Recht an einem fremden Grundstück, sondern der Ingegriff der Berechtigungen, die dem Zweck des Bergbaus dienen. Die für den Inhalt und den Umfang der Berechtigungen entscheidende Vorschrift bietet § 54 pr. BergG [Art. 46 bayer. BergG], der insbesondere auch durch § 907 B G B keine Einschränkung erleidet. § 907 ist für das Bergrecht überhaupt nicht verwendbar). — Über das Verhältnis zwischen Bergbau und öffentlichen Verkehrsanstalten vgl. R G 103, 221 und unten IV. 8 ) Sehling a.a.O. 61—64; vgl. Dernburg 493; vgl. auch B G H in M D R 1958, 499. N J W 55, 1186. 9 ) Uber Grundbuchfragen vgl. Henle-Schmitt 230, 265 und Meikel-Imhoff Riedel Randb. 356 zu § 1 1 7 G B O ; A V R J M vom 27. 5. 1938 in D J 847, wonach landesgrundbuchrechtliche Vorschriften vorbehalten werden, somit Art. 7, 17, 18 u. 37 mit 51 A G G B O und §§ 213 u. 591 ff. B a y D A ; es gilt daher noch das bayer. Grundbuchmuster. 4

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Das Bergwerkseigentum

§ «W 12

Bergwerkseigentums ist zulässig, der Veräußerungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der notariellen Verlautbarung (Art. 45 BergG, § 313 BGB). Die §§ 9°5—918 finden auf das Bergwerkseigentum keine Anwendung 10 ). 2. Das dem Bergberechtigten zustehende Gewinnungsrecht erstreckt sich auf das gesamte Gebiet des Grubenfeldes, nicht etwa bloß auf die zusammenhängende Ablagerung des Minerals am Fund- oder Aufschlußorte. Wenn der Bergwerkseigentümer innerhalb seines Feldes durch Schürfen von einer neuen Aufbruchstelle der Oberfläche aus neue Abgrabungen des verliehenen Minerals vornehmen will, dann hat er die Bestimmungen des Art. 5—13 BergG zu beachten 11 ) (s. oben § 35). Durch die Verleihung erwirbt der Bergwerkseigentümer das Recht auf Gewinnung des in der Beleihungsurkunde speziell bezeichneten Minerals (Art. 46 BergG); er ist aber auch befugt, die nicht unter Art. 1 BergG fallenden Mineralien ohne Entschädigung des Grundeigentümers zu verwenden, jedoch nur zu Zwecken seines Bergwerksbetriebes und nur unter der Voraussetzung, daß diese Mineralien durch den Betrieb des Bergwerkes gewonnen wurden. Verwendet er diese Mineralien nicht, obwohl er hierzu berechtigt wäre, so ist er verpflichtet, sie dem Grundeigentümer auf sein Verlangen gegen Erstattung der Gewinnungs- und Förderungskosten herauszugeben (Art. 49 BergG). Hat er aber solche Mineralien nicht durch 10 ) R G 72, 303; 87, 400; J W 1915, 528. — Dagegen ist § 904 zugunsten des Bergwerkseigentums anwendbar ( R G 57, 187). Isay 1 , 257 will die §§ 906fr. z u m S c h u t z des B e r g b a u s gegen Einwirkungen, die v o n der O b e r f l ä c h e aus vorgenommen werden, anwenden. Dem wird beizupflichten sein, weil sonst eine Kollision der Benützungsrechte des Grundstückseigentümers mit dem Rechte des Bergbauberechtigten überhaupt nicht gelöst werden könnte. Auf die Einwirkungen, die vom Bergwerkseigentum ausgehen, sind dagegen die §§ 906 fr. unanwendbar, wie auch Isay anerkennt. Der Bergwerkseigentümer muß eben für schädliche Einwirkungen Schadenersatz leisten. Durch § 16 Abs. 2 GewO idF. v. 22. 12. 1959 (BGBl. I, 781) sind nun Anlagen des Bergwesens der Genehmigungspflicht nach § 16 Abs. 1 GewO unterworfen und dahin zu überprüfen, ob von ihnen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für das Publikum ausgehen. In dieser Hinsicht können auch schon bestehende Anlagen des Bergwesens einer laufenden Uberprüfung unterstellt werden (§25 GewO n.F. = Vgl. unten § 39 Anm. 2a). Einwirkungen eines Bergwerkseigentums auf das andere begründen weder einen zivilrechtlichen Abwehr- noch einen Ersatzanspruch (JW 1891, 563; Bolze 13, 99; R G 72, 303; J W 1915, 528). Der Schutz der benachbarten Bergwerke obliegt ausschließlich der Bergbehörde (vgl. Art. 70, 253, 254, 257 BergG; vgl. R G 72, 303; Recht 1912, 269). Ein zivilrechtlicher Anspruch wegen Schädigung durch den Nachbarbetrieb steht dem Bergwerksberechtigten nur ausnahmsweise zu, wenn der Betrieb unter Verletzung gesetzlicher oder polizeilicher Vorschriften erfolgt ist (§ 823 Abs. 2; vgl. R G 72, 303), oder wenn der Fall der §§ 226, 826 erweisbar ist, oder wenn der Nachbarbetrieb ein zum Bergwerkseigentum gehörendes Grundstück geschädigt hat, also der Fall des Art. 206 BergG vorliegt (JW 1891, 536). Isay Bern. 3 zu § 50 pr. BergG. 11

) Rauck Bern, zu Art. 44 BergG vom 30. 6. 1900. 539

I V . Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw.

II

den Betrieb seines Bergwerkes gewonnen, dann muß er sie dem Grundeigentümer ohne Entschädigung 12 ) herausgeben und ist im Falle des Verschuldens sogar schadenersatzpflichtig. II. Das durch die Verleihung begründete Bergbaurecht ist mit denjenigen Befugnissen ausgestattet, welche zur Gewinnung des Minerals erforderlich erscheinen, insbesondere mit einem beschränkten Enteignungsrecht (Art. 56 u. 178 BergG) und dem Rechte auf Herstellung der zum Bergbau unter und über Tage erforderlichen Vorrichtungen 13 ) (Art. 46 BergG). Dem Bergwerkseigentümer steht ferner die Befugnis zu, die zur Aufbereitung (z.B. durch Pochen, Mahlen, Waschen) seiner Bergwerkserzeugnisse erforderlichen Anstalten zu errichten und zu betreiben (Art. 50 BergG) 1 4 ) und im freien Felde Hilfsbaue anzulegen (Art. 52 BergG). Unter Hilfsbauten versteht man bergmännische Anlagen außerhalb des verliehenen Feldes, welche die Mineralgewinnung im Felde ermöglichen oder erleichtern sollen18). Die Befugnis zur Anlegung von Hilfsbauten besteht auch gegenüber den Feldern anderer Bergwerkseigentümer unterliegt aber hier gewissen Beschränkungen (Art. 52 Abs. 2 BergG). Durch Art. 56 u. 178 BergG wird einem benachbarten Grundeigentümer eine Eigentumsbeschränkung insofern auferlegt, als er die Benützung seines Grundstücks dulden muß, wenn dies für den Betrieb des Bergwerks 16 ) notwendig ist und zwar zu den Grubenbauen selbst, zu Halden-, Ablage- und Niederlageplätzen, zu Wegen, Eisenbahnen, Kanälen, ohne Unterschied, ob diese Anlagen zur Gewinnung oder zum Absätze der Bergbauerzeugnisse dienen, ingleichen zu Maschinenanlagen, Wasserläufen, Teichen, Hilfsbauen, Zechenhäusern und zu anderen für Betriebszwecke bestimmten Tagegebäuden, Anlagen und Vorrichtungen, zu den im Art. 58 bezeichla

) B G H in N J W 55, 1186 m. Antn. von Feuth. ) Näheres s. Becher, Landeszivilrecht 982. 14 ) Vgl. R G 12, 269; Dernburg 3, 5 1 1 . 16 ) Becher, Landeszivilrecht 983. Vgl. J W 1891, 563; R G 35, 170; 72, 303. 16 ) Vgl. Bolze 2 Nr. 266 b; 4 Nr. 167. Wenn die Oberfläche durch das Bergwerk zu Bruche gebaut wird, liegt dann eine Benützung des Grundstücks vor, wenn das Zubruchebauen einen Teil des Betriebsplanes bildet, wenn also das Zubruchegehen der Oberfläche erforderlich ist, um weiter bauen zu können, so daß ein Hängenbleiben des Bruchs zwischen Abbau und Oberfläche die planmäßige Fortsetzung des Betriebs verhindern würde (vgl. Bolze 2 Nr. 266b; 4 Nr. 167. Isay Bern. 4 zu § 135 pr.BergG). Auch die p l a n m ä ß i g e Ableitung der Grubenwässer auf ein Grundstück, sei es zum Versickern, sei es zum A b fließen, ist eine Benützung (Bolze 7 Nr. 128; Gruchot 33, 105 5; J W 1893, 509); nicht aber die sonstige Einwirkung von Grubenwasser, auch der Ablauf auf fremde Grundstücke ( J W 1899, 615). Nur im ersteren Falle hat der Grundbesitzer die Klage auf Unterlassung, bis dem Grundbesitzer das Recht zur Ableitung nach Art. 191 ff. BergG von der Bergbehörde eingeräumt ist; im zweiten Fall steht der Schadenersatzanspruch des Art. 206 BergG zu (Isay Bern. 4 zu § 135 pr.BergG). 13

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Das Bergwerkseigentum

§36 ii

neten Aufbereitungsanstalten sowie zu Soleleitungen und Solebehältern17). Zu dieser Überlassung kann der Grundeigentümer gezwungen werden, sofern nicht die Weigerung des Grundbesitzers durch überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses unterstützt wird (Art. 179 BergG). Im Streitfall entscheidet die Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk das fragliche Grundstück liegt (Art. 191 BergG), allenfalls auf Grund einer Tagfahrt gem. Art. 195 ff BergG. Gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde steht den Beteiligten das Anfechtungsverfahren nach §§ 40 ff. V w G O vom 21. 1. i960 (BGBl. I, 17) zu. Vorher hat der Bergwerksberechtigte nicht das Recht, eigenmächtig in das Eigentum an der E r d o b e r f l ä c h e einzugreifen; handelt er dem zuwider, so kann der Eigentümer nicht nur Schadenersatz (und zwar sowohl nach § 823 B G B wie nach Art. 206 BergG) fordern, sondern auch die Eigentumfreiheits- bzw. Besitzklage anstellen18). Ist der vom Bergbautreibenden nach Art. 56 u. 178 des Ges. beanspruchte Grund und Boden mit Wohn-, Wirtschafts- oder Fabrikgebäuden überbaut, so bedarf es außerdem der Zustimmung des Staatsministeriums für Wirtschaft, die nur aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Interesses erteilt werden kann (Art. 179 Abs. 2 BergG). In diesem Fall ist der Bergwerkseigentümer verpflichtet, nicht bloß die Gebrauchsüberlassung zu fordern, sondern das Eigentum am fraglichen Grundstück zu erwerben. Der Eigentumserwerb tritt mit Erfüllung der rechtskräftig festgesetzten Bedingungen kraft Gesetzes ein18a). Diese Rechtsfolge ergibt sich aus der Wortfassung in Art. 56 („Abtretung") und Art. 191, 199, 200 BergG („Zwangsweise Überlassung des Eigentums"). Der Bergwerkseigentümer ist verpflichtet, dem Grundeigentümer für die entzogene Nutzung im voraus jährlich vollständige Entschädigung 19 ) zu leisten und das Grundstück nach beendigter Benützung 20 ) wieder zur Verfügung des Grundbesitzers zu stellen (Art. 180 BergG). Diesen Verpflichtungen tritt für den Fall, daß durch die Benützung eine Wertverminderung des Grundstücks eingetreten ist oder voraussichtlich eintreten wird 21 ), als weitere hinzu, daß der Bergwerkseigentümer bei der Rückgabe des Grundstückes dessen Minderwert22) ersetzen und daß er auf Verlangen des 17 ) Eine Benützung ist auch in der Weise denkbar, daß dem Grundbesitzer Handlungen verboten werden, Zu denen er an sich befugt wäre, z.B. die Ableitung von Tagewässern in den Tagebruch des Bergwerks (Isay a.a.O.). ls ) R G 32, 2 4 2 . 18a ) Vgl. Meikel-Imhoff-Riedel Randb. 22 zu § 20 G B O . 19 ) Vgl. R G J2, 206; 93, 10; Gruchot 30, 1 0 1 1 ; 3 1 , 876; 36, 1104; J W 1891, 563;

1901, 267; 1902, 323. 20

) Uber diesen Zeitpunkt vgl. R G 47, 289. ) Vgl. R G 3 4 , 2 1 9 . 22 ) Ersatzberechtigt ist derjenige, welcher zur Zeit der Rückgabe der Eigentümer des abgetretenen Grundstückes ist. Vgl. R G 34, 220. 21

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IV. Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw.

Grundbesitzers schon bei der Überlassung des Grundstückes, selbstverständlich aber auch noch später23), zur Sicherung der Erfüllung dieser Verpflichtung eine angemessene Kaution bestellen muß (Art. 181 BergG) 24 ). An Stelle des Minderwertsersatzes hat auch hier der Grundeigentümer das Recht, zu fordern, daß der Bergwerkseigentümer das Eigentum am fraglichen Grundstück erwirbt (Art. 181 Abs. 3,182 u. 183 Abs. 2 in Verb. m. Art. 200 BergG). III. Mit diesen Befugnissen findet das Recht des Bergwerkseigentümers dem Grundeigentümer gegenüber seine Grenzen. Eine dingliche Belastung des Grundeigentums mit der Folge, daß der Eigentümer behindert wäre, sich einer jeden dem Bergbau nachteiligen Handlung zu enthalten, wird durch die bergrechtliche Verleihung nicht herbeigeführt. Vielmehr bewendet es auch bezüglich dieses Verhältnisses bei dem allgemeinen Grundsatze, daß der Eigentümer in dem Rechte der freien Benützung seines Grundes und Bodens an sich unbeschränkt ist und durch die Ausübung dieses Rechts vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 226, 826 B G B niemandem verantwortlich wird. Der Grundeigentümer ist deshalb berechtigt, eine u n t e r dem Kohlenlager befindliche Tonschicht ohne Berührung des Kohlenlagers selbst dann auszubeuten, wenn hierdurch der Bergwerksbetrieb in dem Kohlenflöze beeinträchtigt wird 28 ), z.B. dadurch, daß durch die Wegnahme des Tones dem Kohlenflöze und den in demselben befindlichen Bergbaueinrichtungen die erforderliche Stütze entzogen wird. Auch auf § 909 B G B , welcher von der unzulässigen Vertiefung eines Grundstückes handelt, k a n n sich der Bergbauberechtigte nicht berufen, da § 909 auf das Rechtsverhältnis zwischen Grundeigentümern und Bergbauberechtigten keine Anwendung leidet. § 37. Entschädigungspflicht der Bergbauberechtigten*) Der Bergwerksbesitzer ist verpflichtet, für allen Schaden, welcher dem Grundeigentum 1 ) oder dessen Zubehörungen durch den unterirdisch oder mittels Tagebaues geführten Betrieb des Bergwerkes zugefügt wird, voll23 ) Der Kautionsanspruch kann nicht nur von dem Grundbesitzer, welcher das Grundstück zum Bergbaubetrieb abgetreten hat, sondern auch von dessen Besitznachfolgern während der ganzen Dauer der Nutzungsentziehung geltend gemacht werden, vgl. RG 34, 220. 21 ) Vgl. Bolze 10 Nr. 139; 19 Nr. 110; RG 34, 217. 25 ) RG 38, 329. Bekämpft von Isay 1, 87. § 37 *) Vgl. BGH in NJW 1954, 187: Die Berggesetze der einzelnen Länder sind nicht einheitliches geltendes Bundesrecht i. S. von Art. 125 Ziff. 1 G G ; vgl. dazu auch Dapprich in Zt. f. BergR 91, 462/467; Brockdorff in Zt. f. BergR 94, 83. A.M. Schlütter in NJW 1950, 396. Das Gesetz zur Überleitung des Bergwesens auf das Reich vom 28. 2. 1935 (GBB1. I, 315) hat am materiellen Bergrecht der Länder wenig geändert. Auch das im gemeinen Gebrauch stehende Staatseigentum ist geschützt (vgL Recht 1909, 77); nicht aber das Leben.

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Entschädigungspflicht der Bergbauberechtigten

§ 3 7

1.2

ständige Entschädigung zu leisten ohne Unterschied, ob der Betrieb unter dem geschädigten Grundstücke stattgefunden hat oder nicht, ob die Beschädigung von dem Bergwerksbesitzer verschuldet ist und ob sie vorausgesehen werden konnte (Art. zo6 BergG). Das gleiche gilt für die von Schürfern oder Mutem ausgeführten Arbeiten (Art. 210 BergG). Diese Schadensersatzpflicht bedeutet einen Ausgleich für die dem Grundeigentümer durch den Bergbaubetrieb auferlegten Beschränkungen. Sie besteht völlig unabhängig von der Person des Schadensverursachers und ist a l l e i n geknüpft an den objektiven Tatbestand des Eintritts eines Schadens am Grundeigentum während des Bestehens eines Bergwerkseigentums. Die schädigende Handlung als solche ist nicht Haftungsgrund. Es handelt sich um einen Fall der reinen Gefährdungshaftung. Die Gefahrenlage wird durch die Verleihung des Bergwerkseigentums herbeigeführt. Daraus entspringt bei Eintritt eines Schadens die Ersatzpflicht. Es ist auch ohne Belang, ob der Bergwerkseigentümer den Bergbau selbst betreibt oder einem anderen überlassen hat. Der Bergwerkseigentümer kann sich von dieser Haftung auch nicht durch den Einwand befreien, er habe gegen die schadenstiftenden Handlungen des Pächters nicht einschreiten können2). 1. Der Betrieb des Bergwerks im Sinne des Art. 206 umfaßt alle diejenigen Handlungen und Verrichtungen, zu denen Art 46 den Bergwerkseigentümer in Ansehung der fremden Grundstücke ohne vorgängiges Enteignungsverfahren berechtigt3), und die somit von den an den fremden Grundstücken Berechtigten nicht abgewehrt werden können. An die Stelle des entzogenen Abwehranspruchs tritt der Schadenersatzanspruch. 2. Haftbar für den Schaden ist derjenige, welcher bei Eintritt des Schadens der Eigentümer 4 ) des Bergwerks ist, auch wenn die Betriebs2 ) Die Ersatzpflicht besteht, wenn die Halde sich selbst entzündet (Bolze 3 Nr. 181); wenn einem Bergwerk durch einen Nachbarbetrieb Wasser entzogen und es dadurch zusammengebrochen ist und Schaden angerichtet hat. Der Eigentümer des zusammengebrochenen Bergwerks ist ersatzpflichtig (Bolze 2 Nr. 272; Isay Bern. 5 zu § 148 pr. BergG). Liegt ein Verschulden vor, so besteht neben dem Anspruch des Art. 206 BergG der Anspruch aus der unerlaubten Handlung (Bolze 3 Nr. 181 und Nr. 555). Vgl. insbesondere B G H in M D R 1958, 499; R G Z 30, 2 3 1 ; Zt. BergR 77, 165; R G Z 70, 242; 74, 3 1 3 ; vgl. auch Stumpf in Zt. BergR 100, 408 (Kostenpflicht bei Leitungsumlegung infolge Bergschäden); Heinemann 2. Aufl. 1954: Der Bergschaden. 3 ) Für Handlungen, die hierunter nicht fallen, wird nur aus einem besonderen Rechtsgrund (Verschulden) auf Schadenersatz gehaftet (Isay Bern. 2 zu § 148 pr. BergG). Dabei ist zu berücksichtigen, daß Handlungen, welche eine planmäßige Benützung der Oberfläche des Grundstücks bedingen, ohne vorherige Einräumung des Benützungsrechts unzulässig sind und daher abgewehrt werden können (vgl. oben S. 521). Für den durch eine solche rechtswidrige Handlung herbeigeführten Schaden wird nicht nach Art. 206 BergG gehaftet (Isay a.a.O.). Handeln gegen Verbot stellt Verschulden (§ 823 Abs. 1) und Verzug (§ 286) dar. 4

) R G 3°.

22g

; 7 1 » I5 2 - J W 1894, 403; 1909, 437.

543

Q Ai

3

IV. Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw.

h a n d l u n g , d u r c h w e l c h e die S c h ä d i g u n g verursacht w i r d , s c h o n unter seinem V o r b e s i t z e r v o r g e n o m m e n w u r d e 5 ) . V o r a u s s e t z u n g ist n u r , daß das schädigende B e r g w e r k identisch ist mit dem, dessen E i g e n t ü m e r in A n s p r u c h g e n o m m e n wird 6 ). D e m hiernach Ersatzpflichtigen bleibt der R ü c k g r i f f g e g e n seinen V o r b e s i t z e r vorbehalten, falls dieser nach d e m der Besitzn a c h f o l g e z u g r u n d e liegenden Rechtsverhältnis regreßpflichtig ist. N i c h t d a g e g e n kann der Ersatzberechtigte d e n S o n d e r r e c h t s v o r g ä n g e r des B e r g w e r k s e i g e n t ü m e r s in A n s p r u c h n e h m e n f ü r einen B e r g s c h a d e n , der erst nach dem Besitzwechsel entstanden ist. D e r Schaden ist entstanden mit der W a h r n e h m b a r k e i t der E i n w i r k u n g des B e r g b a u e s auf das G r u n d stück, nicht bereits mit der E i n w i r k u n g auf das V e r m ö g e n 7 ) . N u r d e m jenigen, der z u diesem Z e i t p u n k t berechtigt an dem beschädigten G r u n d stück ist, steht der Ersatzanspruch z u 8 ) . Ist der Schaden d u r c h den Betrieb z w e i e r oder mehrerer B e r g w e r k e verursacht, so haftet jeder Bergwerksbesitzer z u gleichen Teilen (s. unten 3). Z u r E n t s c h ä d i g u n g berechtigt ist auch jeder N u t z u n g s b e r e c h t i g t e des G r u n d s t ü c k s , sofern der Schaden N u t z u n g s r e c h t e trifft 9 ). D e r E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r u c h ist persönlicher N a t u r ; er g e h t daher w e d e r a u f Seite des Berechtigten n o c h auf der des Verpflichteten o h n e weiteres 1 0 ) a u f den Singularrechtsnachfolger über 1 1 ). D e r Schadenersatz ist in G e l d z u leisten. D e r B e r g b a u b e r e c h t i g t e k a n n den Ersatzanspruch nicht dadurch a b w e n d e n , daß er sich erbietet, d e n Schaden selbst z u beseitigen (§ 249 Satz z B G B ) 1 2 ) . 3. D i e s e V o r s c h r i f t e n b e z w e c k e n , soweit m ö g l i c h , eine A u s g l e i c h u n g der Nachteile herbeizuführen, die d e m G r u n d e i g e n t u m d u r c h die A u s ü b u n g 6) Rauck Bern, i g zu Art. 184 BergG vom 30. 6. 1900; RG 30, 250; JW 1893, 109; 1897, 297; Becher, Landeszivilrecht 1019. 6) Vgl. Daubenspeck, Bergrechtliche Entsch. 219, 231. Mitverantwortlich ist der Eigentümer desjenigen Bergwerks, dessen früherer Betrieb den durch den späteren Betrieb eines anderen Bergwerkes veranlaßten Schaden vergrößert hat (vgl. Daubenspeck a.a.O. 337). Greift ein Bergwerksbesitzer in das Feld eines anderen unbefugterweise hinüber und verursacht hierdurch Schädigungen Dritter, so ist der andere Bergwerksbesitzer hierfür nicht verantwortlich. RG 35, 165. ') Isay Bern. 12 zu § 148 pr. BergG, vgl. JW 1896, 720; Recht 1914 Nr. 74 und andererseits bei einem Schaden infolge der Gefahr des Bergbaus JW 1893, 109; 1901, 157. 8) In der Veräußerung des beschädigten Grundstücks liegt keine stillschweigende Abtretung (Bolze 1 Nr. 275; RG 30, 250. A.M. Isay Bern. 25 zu § 148 pr. BergG). 8) Rauck, Bern, i b Zu Art. 184 BergG vom 30. 6. 1900. Auch dem Pächter oder Mieter steht der Anspruch zu. RG 46, 280; 70, 242; 74, 313; Recht 1909, 255; 1915, 252 (RG). A.M. Becher, Landeszivilrecht 1019. 10 ) Eine stillschweigende Zession des Entschädigungsanspruchs auf den Käufer des geschädigten Grundstückes ist denkbar, s. jedoch oben Anm. 8. u ) Becher, Landeszivilrecht 1019. 12 ) JW 1921, 233.

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Entschädigungspflicht der Bergbauberechtigten

§ 3 7 4

der dem Bergbau von der Gesetzgebung eingeräumten Rechte erwachsen. Eines dieser Rechte ist die Befugnis des Bergwerkseigentümers zum ungehinderten Betrieb des Bergwerks, den der Grundeigentümer dulden muß, auch wenn er darunter Schaden leidet; aber dafür ist der Bergwerksbesitzer zum vollen Ersatz des Schadens verpflichtet. Nur derjenige Schaden ist auf Grund Art. 206 BergG zu ersetzen, welcher dem Grundeigentum oder dessen Zubehörungen zugefügt wird. Für den Begriff der Zubehörungen sind die §§ 93 ff. B G B maßgebend; wegen Beschädigung von beweglichen Sachen, die nach bürgerlichem Recht nicht Zubehörungen des Grundstückes sind, kann ein Schadenersatzanspruch auf bergrechtliche Normen nicht gestützt werden 13 ). Weil n u r der dem G r u n d e i g e n t u m zugefügte Schaden zu ersetzen ist, kann der Eigentümer eines durch den Berbaubetrieb beschädigten Grundstückes nicht etwa Ersatz der Geschäftsverluste beanspruchen, die er in unmittelbarer Folge der Beschädigung des Grundstückes an einem außerhalb des letzteren betriebenen Gewerbe erlitten hat14). 4. U m f a n g der E r s a t z p f l i c h t . Im übrigen ist der dem Grundeigentum als solchem durch den Bergbaubetrieb erwachsene Schaden 15 ) schlechtweg zu ersetzen16). Der Begriff des Schadens ist im Berggesetz nicht definiert und muß deshalb nach den Vorschriften des B G B (§§ 249fr.) beurteilt werden. Zu ersetzen ist der Vermögensschaden, der durch die Einwirkung des Bergbaues auf ein Grundstück verursacht wird. Maßgebend hierfür sind die Grundsätze des adäquaten Kausalzusammenhangs 17 ) (s. unten S. 623). Hiernach gehört zur vollständigen Entschädigung der Ersatz des gesamten (positiven) Schadens (§ 249 B G B ) und des entgangenen Gewinns ( § 2 5 2 BGB). Hieraus ergibt sich, daß der Eigentümer des beschädigten Grundstückes für alle mit dem Betriebe des Bergwerkes im Zusammenhang stehenden Vermögensnachteile, mögen sie unmittelbar oder mittelbar durch den Bergbau veranlaßt sein, Ersatz fordern kann und daß es keineswegs erforderlich ist, daß die Integrität des Grundstückes infolge der Einflüsse des Bergbaues aufgehoben werde oder auch nur eine Einbuße erleide. Somit 13 ) Becher, Landeszivilrecht 1021. Vgl. J W 1915, 908 (Fernleitungen eines Elektrizitätswerks), J W 1910, 396. " ) R G 64, 276. 15 ) Ist durch den Betrieb des Bergwerks der Wert eines Grundstückes gemindert, so ist eine einmalige Kapitalsabfindung und nicht eine fortlaufende Rente zu zahlen. Dies gilt auch dann, wenn die Wertsminderung in der dauernd verminderten Ertragsfähigkeit ihren Grund findet und sich mithin die Folgen des entstandenen Schadens in die Zukunft erstrecken und sich alljährlich erneuern. Vgl. R G 45, 203. 16 ) Darüber, inwieweit sich der Geschädigte mit der Wiederherstellung des früheren Zustandes begnügen muß, vgl. R G 1 1 , 266 und §§ 249, 250, 251 B G B . 17 ) Bolze 1 Nr. 267; J W 1883, 98; 1896, 2 1 8 ; R G 64, 276. — Uber den Einfluß der Preissteigerung (Geldentwertung) auf die Bemessung der Schadenhöhe vgl. Recht 1920 Nr. 2998 (RG) und andererseits Recht 1920 Nr. 2999 (RG) und unten § 43 I.

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, j . A u f l .

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XV. Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw.

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erzeugt schon die bloße Gefahr schädlicher Einwirkungen den Schadenersatzanspruch, sofern durch diese Gefahr eine Minderung des gemeinen Werts des Grundstücks herbeigeführt ist 18 ). Es ist deshalb auch dafür Ersatz zu leisten, daß ein Grundstück durch den Bergbau seine bisherige Bauplatzqualität eingebüßt hat 19 ) oder daß durch Bodensenkungen eine Erschwerung des Eisenbahnbetriebs bewirkt wird 20 ). Demgemäß hat die auf der gleichen gesetzlichen Grundlage beruhende preußische Rechtsprechung den Grundbesitzer z.B. auch für die Trockenlegung seines Brunnens und für die Entziehung bisher oberirdisch zugeflossenen Quellwassers Schadenersatz zugesprochen, auch wenn ihm Sonderrechte in diesen Beziehungen nicht zur Seite standen und obgleich er diese Handlungen, wenn in Ausübung des Eigentumsrechtes von dem Nachbar vorgenommen, ohne Entschuldigung hätte dulden müssen. Deshalb haftet der Bergwerksbesitzer dem Besitzer einer Windmühle für die Schädigung, welche die Mühle infolge der Windentziehung durch die Aufschüttung des bei Gewinnung des Minerals gebrochenen und aufgelagerten Steinmaterials (Halden) erleidet, obwohl dem Mühlenbesitzer kein gesetzliches Recht auf Windbezug zusteht21). 5. Voraussetzung ist natürlich immer, daß die schädigende Handlung im B e t r i e b e des Bergwerkes geschehen ist. Unter Betrieb des Bergwerkes im Sinne des Art. 206 BergG ist nur die u n m i t t e l b a r auf F ö r d e r u n g des Minerals gerichtete Tätigkeit, der Betrieb im engeren Sinn (Art. 46 BergG) 22 ) zu verstehen, nicht aber Handlungen und Veranstaltungen, welche 1S

) R G 30, 250; 84, 197; J W 1898, 1 2 4 ; 1902, 1 5 7 ; 1914, 600. ) Art. 208 Abs. 2 BergG steht dem nicht entgegen. R G 30, 253. Ist dem Grundstück durch den Bergbau die Bauplatzqualität entzogen, so kann es für die Ersatzpflicht nicht darauf ankommen, daß m ö g l i c h e r w e i s e künftighin Verhältnisse eintreten können, durch die das Grundstück wieder bausicher wird. Denn dem existent gewordenen Schaden gegenüber hat Kläger nicht die Verpflichtung, auch noch nachzuweisen, daß er ein dauernder bleiben werde. Gruchot42, 726 (RG). Vgl. J W 1 9 1 4 , 1 0 7 ; Recht 1915, 539; R G 93, 262. 20 ) Gruchot 45, 941 (RG). 21 ) R G 49, 282. 22 ) Unter den Betrieb des Bergwerks fallen: Schächte ( J W 1902, 322). N i c h t unter den Betrieb des Bergwerks im Sinne des Art. 46 BergG fallen: Halden ( j W 1921, 252. A.M. Gruchot 30, 1008); Aufbereitungsanlagen, Koksöfen ( J W 1890, 1 2 5 ; R G 35, 170; J W 1915, 1 1 2 5 ; Recht 1916, 652); Anlagen zur Weiterbeförderung des gewonnenen Materials z.B. Zechenbahnen (JW 1 9 1 1 , 338; Recht 1915, 307 [RG]); Entwässerungsanlagen ( R G 26, 224; 35, 171). Die vorsätzliche Ableitung der Grubenwasser in Wasserläufe fällt zwar unter den Betrieb des Bergwerks, allein dabei handelt es sich um eine Benützung der Oberfläche fremder Grundstücke oder fremder Wasserläufe (Art. 178 BergG); eine solche Benützung fällt nicht unter Art. 206 BergG (Isay Bern. 2 zu § 148 pr. BergG. A . M . dagegen die h e r r s c h e n d e M e i n u n g vgl. J W 1893, 49; 1910, 396 und andererseits Bolze 7 Nr. 1 2 8 ; J W 1 9 1 1 , 338). Die Beseitigung der Grubenwasser durch Versickernlassen fällt nicht unter Art. 206 BergG (RG in BrassertZ 48, 288). 19

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zur Ausgleichung eines durch den Bergwerksbetrieb hervorgerufenen Schadens vorgenommen werden23). Die Ersatzpflicht für Schäden, die nicht unmittelbar durch den Bergwerksbetrieb, sondern durch Beförderung, Aufbewahrung oder sonst bei Verwertung des gewonnenen Materials entstehen, richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Beeinträchtigungen eines Nachbargrundstücks durch Immissionen von Seite einer Bergwerksanlage können im Wege der Eigentumsfreiheitsklage (§ 1004) abgewehrt werden23"). Ist die Schädigung im Betriebe des Bergwerks erfolgt, so ist es für die Ersatzpflicht des Bergbauberechtigten unerheblich, ob er Eigentümer des Grundstückes ist, auf welchem die dem Nachbar schädliche Handlung vorgenommen wird. Es kommt nur darauf an, ob der Schaden durch den Betrieb des Bergwerks zugefügt wurde; ist dies der Fall, so muß der Bergwerksbesitzer auch dann entschädigen, wenn er auf Grund seines Eigentums am Grund und Boden oder einer sonstigen Berechtigung befugt ist, die schädliche Handlung, z.B. Entziehung des Quellwassers24), vorzunehmen; denn die Ersatzpflicht ist n i c h t davon abhängig, daß der Bergwerksbesitzer w i d e r r e c h t l i c h gehandelt hat. 6. Ist der Schaden durch den Betrieb zweier oder m e h r e r e r Bergwerke verursacht, so sind die Besitzer dieser Bergwerke g e m e i n s c h a f t l i c h und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Schaden zum größeren oder geringeren Teil von dem einen oder anderen Bergwerk verursacht ist, zu gleichen Teilen zur Entschädigung verpflichtet25) (Art. 207 Abs. 1 BergG). Im Verhältnis der Bergwerksbesitzer unter sich ist der Nachweis eines anderen Teilnahmeverhältnisses nicht ausgeschlossen (Art. 207 Abs. 2 BergG) 26 ). 23 ) R G 35, 170. Der Bergwerksbetrieb hatte die Trockenlegung eines Sees erfordert. Um Ersatz für den Entgang des Trink- und Nutzwassers für die Angrenzer zu schaffen, hat der Berg werksbesitzer auf einem ihm gehörigen Grundstück Wasser erbohrt, wodurch die Brunnen der Kläger trocken gelegt wurden. Der hierfür eingeklagte Ersatzanspruch wurde abgewiesen. Ebenso R G 26, 225. Der Bergwerksbesitzer hatte behufs Entwässerung der durch den Bergbaubetrieb gesunkenen und versumpften Gegend eine Anlage gemacht, welche eine allmähliche Senkung des Grundwasserstandes zur beabsichtigten Folge hatte und hierdurch die Brunnen der Kläger trocken legte. 23a) Vgl. R G Z 26, 227; 55, 1 7 1 ; Gruchot 55, 1168; J W 1915, 601. 24 ) Art. 19 W G findet auf eine im Betrieb des Bergwerkes (oder beim Schürfen) herbeigeführte Zutageförderung oder Ableitung von Grund- und Quellwasser keine Anwendung. 25 ) Vgl. R G 8, 283; 102, 318; J W 1889, 249. Eine n o t w e n d i g e Streitgenossenschaft ist auf Seite der mehreren Bergwerksbesitzer nicht gegeben; es kann also die Klage nur gegen einen derselben erhoben werden. Becher, Landeszivilrecht 1019 Anm. 40. Bei Schädigungen durch Bergbau einer Gewerkschaft und Immissionen Dritter besteht kein Gesamtschuldverhältnis. J W 1908, 1 1 9 Nr. 20. 26 ) Vgl. R G 422; 79, 288.

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IV. Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw.

7. M i t v e r s c h u l d e n : Hat zur Entstehung oder Vergrößerung eines Bergschadens eine unerlaubte Handlung eines Dritten m i t g e w i r k t , so stehen dem Beschädigten zwei aus verschiedenen Rechtsgründen Verpflichtete gegenüber, von denen jeder nur in dem von ihm verursachten und daher zu verantwortenden Umfang haftet; ein Gesamtschuldverhältnis kann weder aus §§ 830, 840 B G B abgeleitet werden, da der Bergbau keine unerlaubte Handlung ist, noch aus § 431 B G B , da die jeden einzelnen treffende Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustandes (§ 249 B G B ) sich je nach der zu vertretenden Einwirkung verschieden gestalten wird 27 ). 8. Eine Sonderstellung gegenüber dem Bergbau nehmen die öffentlichen Verkehrsanstalten nach Art. 2 1 1 ff. BergG ein. Zu ihren Gunsten wird der Bergwerkseigentümer mit der Beschränkung belastet, daß er „die Ausführung von öffentlichen Straßen und Wegen, Eisenbahnen, Kanälen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln", zu deren Anlegung dem Unternehmer das Recht der Zwangsenteignung beigelegt ist, dulden muß. Dieses Vorrecht der öffentlichen Verkehrsanstalten wird nur insoweit eingeschränkt, als dem Bergbautreibenden, dessen Betrieb schon vor der Anlage der öffentlichen Verkehrsmittel genehmigt worden ist, ein Schadenersatzanspruch, also kein Widerspruchsrecht, und auch dieser nur insoweit eingeräumt wird, als bei dem Bergwerksbetrieb besondere Anlagen errichtet oder vorhandene Anlagen verändert oder beseitigt werden müssen, um die Ausführung der fraglichen öffentlichen Verkehrsmittel zu ermöglichen. Ein Unternehmer eines öffentlichen Verkehrsmittels, das bereits vor der Verleihung des Bergwerkseigentums bestanden hat, kann somit gegen den Bergwerkseigentümer die Unterlassungsklage erheben, falls die öffentlichen Verkehrsanlagen durch den Bergwerksbetrieb beeinträchtigt werden. Unter Umständen kann sogar die Einstellung des Bergbaubetriebes verlangt werden. Allerdings ist dabei auf möglichst geringe Benachteiligung des Bergwerkseigentümers zu achten. Der Bergwerkseigentümer kann sich dem Unternehmer eines öffentlichen Verkehrsmittels auch nicht etwa darauf berufen, daß die Anlagen des öffentlichen Verkehrsmittels zu einer Zeit errichtet worden seien, da die durch den Bergbau drohenden Gefahren dem Verkehrsunternehmer bei Anwendung der gewöhnlichen Aufmerksamkeit nicht unbekannt bleiben konnten (vgl. Art. 208 BergG). 27 ) R G 67, 275. Dort wurde gleichwohl Gesamthaftung für den Fall angenommen, daß die beiden schädigenden Ursachen nebeneinander, nicht erst nacheinander eingewirkt haben, weil der Anspruch des Geschädigten in erster Linie auf Wiederherstellung (§ 249) geht, dieser Anspruch aber unteilbar ist (§ 431) und die sonach für diesen Anspruch begründete Gesamthaftung durch die bloße Umwandlung des Anspruchs in eine Geldforderung nicht aufgehoben wird.

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§ 3 7 9

Als öffentliche Verkehrsmittel i.S. von Art. 2 1 1 BergG sind auch anzusehen die öffentlichen Fernsprech- und Telegrapheneinrichtungen, wohl auch öffentliche Rundfunk- und Fernsehanlagen. Ebenso dürften hieher zu rechnen sein die der Allgemeinheit dienenden Anlagen zur Verteilung elektrischer Energie, insbesondere Starkstromleitungen, zumal auch für solche Anlagen in § 1 1 Energiewirtschaftsgesetz ein Recht zur Enteignung vorgesehen ist27"). 9. Der Bergwerksbesitzer (Schürfer) ist n i c h t zum E r s ä t z e des Schadens28) v e r p f l i c h t e t , welcher an Gebäuden oder anderen Anlagen durch den Betrieb des Bergwerkes 29 ) (bzw. das Schürfen) entsteht, wenn solche Anlagen 30 ) zu einer Zeit errichtet worden sind, wo die denselben durch den Bergbau (bzw. das Schürfen) drohende Gefahr 31 ) dem Grundbesitzer32) bei Anwendung gewöhnlicher Aufmerkramkeit 33 ) nicht unbekannt bleiben konnte34) (Art. 208 Abs. 1 BergG). Muß wegen einer der27a ) Vgl. J W 1923, 754 (zu § 153fr. pr. BergG); J W 1938, 1406; Stumpf in Zt. BergR 100, 408; Heinemann, Der Bergschaden, 2. Aufl. 1954, 1 2 1 . 28 ) Im Falle des Art. 208 Abs. 1 BergG will der Gesetzgeber das unvorsichtig errichtete Gebäude weggedacht wissen und die Schadenersatzpflicht so regeln, als wenn das Grundstück nach wie vor unbebaute Grundfläche wäre. War das Grundstück eine Baustelle und hat es diese Qualität durch den Bergwerksbetrieb verloren, so ist dieser Minderwert auch im Falle des Art. 208 BergG zu ersetzen (RG 59, 287). 29 ) Bei Immissionen von Asche aus den Kaminen einer Zeche fällt der Anspruch des Nachbars weg, wenn er sein Haus zu einer Zeit erbaut hat, als bereits die Immissionen auf die Baustelle vorhanden waren. A . M . Gruchot 45, 1013 (RG). Vgl. oben § 14 V 2. 30 ) Eine Gasröhrenleitung kann als Anlage im Sinne des Art. 208 BergG in Betracht kommen, jedoch nicht dann, wenn die Leitung in einer b e r e i t s b e s t e h e n d e n Ortsstraße gelegt wird. R G 61, 23. 31 ) Es muß sich um die Gefahr handeln, die später den Schaden herbeigeführt hat (Bolze 4 Nr. 170; 10 Nr. 1 3 5 ; Recht 1918, 122). Bei Grundstücken, unter denen oder in deren Nähe der Bergbau umgeht, muß stets mit der Möglichkeit bergbaulicher Schäden gerechnet werden; es gibt also in solchen Fällen überhaupt keine absolute Bausicherheit, insbesondere nicht bei Grundstücken, die in ausgesprochenen Kohlengebieten liegen. Es muß aber nicht etwa wegen des Mangels solcher absoluter Bausicherheit die Bebauung der Grundstücke in diesen Gegenden überhaupt unterbleiben. Vielmehr steht der Einwand des groben Verschuldens (Art. 208 BergG) dem Bergwerksbesitzer nur dann zur Seite, wenn im Einzelfalle dem Grundstück besondere konkrete Gefahren gedroht haben und diese der Grundbesitzer bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit erkennen konnte (JW 1924, 1980). 32 ) Art. 208 BergG findet auch auf solche Fälle Anwendung, wo nicht der klagende Grundbesitzer, sondern dessen Vorbesitzer bei Errichtung der später beschädigten Anlage die gewöhnliche Aufmerksamkeit außer acht gelassen hat. R G 34, 268; J W 1896, 309. 33 ) Zuwiderhandeln ist gleichbedeutend mit grober Fahrlässigkeit, L Z . 1910, 1545; R G 1 1 , 337. Vgl. J W 1891, 579; 1894, 597; 1895, 30; 1898, 527; 1900,402 u. 832; 1 9 0 3 , 1 3 1 ; Bolze 1 Nr. 274; 19 Nr. 109; 6 Nr. 129; J W 1924, 1980. 34 ) Vgl. Gruchot 46, 1 1 5 2 (RG). — Der Umstand, daß der Bergbau in der Nähe des Grundstückes umgeht, wird in der Regel noch nicht die Besorgnis begründen, daß der Baugrund durch den Bergbau gefährdet sei. Ob dies der Fall sei, hängt ab von der Art

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I V . Abschnitt. Rechtsverhältnisse zwischen Grundeigentümer usw.

artigen Gefahr die Errichtung solcher Anlagen unterbleiben, so hat der Grundbesitzer auf die Vergütung der Wertsminderung, welches sein Grundstück hierdurch erleidet, keinen Anspruch, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß die Absicht zu errichten nur kundgegeben wird, um jene Vergütung zu erzielen. Nunmehr sind auch Anlagen des Bergwesens einer Genehmigung und laufenden Überwachung nach §§ 16 u. 25 GewO i.d.F. vom 2 2 . 1 2 . 1 9 5 9 (BGBl. I, 781) wegen schädlicher Einwirkungen auf Besitzer und Bewohner benachbarter Grundstücke unterworfen. Der Bergwerkseigentümer kann zu entsprechenden Schutzmaßnahmen angehalten werden, die technisch erfüllbar und wirtschaftlich vertretbar sind. Dabei handelt es sich aber um eine rein öffentlichrechtliche Überwachung. Für den Fall, daß es technisch oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, an sich notwendige Schutzeinrichtungen zu schaffen, kann ein benachteiligter Nachbar nicht etwa Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt des § 26 GewO herleiten, wenn die Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 BergG zutreffen. 10. V e r j ä h r u n g . Ansprüche auf Ersatz eines durch den Bergbau oder das Schürfen verursachten Schadens, welche sich nicht auf Vertrag gründen, verjähren in 3 Jahren von dem Zeitpunkte an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt35), ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von dem Eintritt des Schadens an (Art. 208, 209 BergG mit § 852 BGB). 1 1 . Die Zuständigkeit richtet sich nach §§ 12ff. ZPO. Zuständig ist auch das Gericht, in dessen Bezirk das beschädigte Grundstück liegt (§ 26 ZPO) 36 ). und dem Umfang des Bergbaubetriebs, den Bodenverhältnissen, der Beschaffenheit des Deckgebirges, der Lagerung der Flötze usw. Von einem Laien (gewöhnlichen Bergarbeiter) kann man nicht erwarten, daß er hierüber unterrichtet sei. Nur wenn er von Tatsachen Kenntnis erlangt hat, die bei jedem vorsichtigen Mann Zweifel an der Bebaubarkeit des Grundstückes rege zu machen geeignet sind, besteht die Pflicht, Erkundigungen einzuziehen (Gruchot 42, 1032 RG). Eine bloße Warnung, durch welche die konkrete Gefahr nicht deutlich erkennbar gemacht wird, hat für sich allein noch nicht die Wirkung, daß der Grundbesitzer durch Außerachtlassung der Warnung seiner Entschädigungsansprüche verlustig geht. Gruchot 44, 993 (RG). 35 ) Vgl. J W 1893, 89; 1896, 720; 1897, 428; 1 9 1 1 , 494 u. 726; 1914, 419; Recht 1918, 35; Gruchot 48, 1060. B G H in N J W 55, 706; M D R 1958, 595: Als Kenntnis gilt es nicht, wenn das Wissen des Berechtigten über Person und Sachverhalt objektiv unrichtig ist. Ist dieses Wissen so vollständig, daß er von der Person des Verpflichteten eine ganz bestimmte Vorstellung hat und deshalb keinen Anlaß nimmt, weitere Erkundigungen einzuziehen, die Ansprüche aber gegen den vermeintlich Verpflichteten rechtzeitig geltend macht, dann aber nach Behebung des Irrtums die erforderlichen Erkundigungen einzieht und sofort den wirklich Verpflichteten in Anspruch nimmt, so ist die Verjährungsfrist gewahrt. 36 ) Bolze 20 Nr. 723.

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V. A b s c h n i t t

Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz und dinglichen Rechten § 38. Die Eigentumfreiheitsklage I. V o r a u s s e t z u n g e n des A n s p r u c h s 1. Im Wesen des Eigentums liegt es, daß der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, andere von jeder Wirkung ausschließen kann (§ 903 BGB). Die rechtswidrige Einwirkung eines Dritten enthält eine Störung des Eigentumsrechts, zu deren dem Eigentümer die Eigentumsklagen gegeben sind. Bei v ö l l i g e r Ausschaltung der Sachherrschaft durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes, geht der Anspruch auf Herausgabe der Sache (§ 985 B G B , E i g e n t u m s k l a g e im engeren Sinn, rei vindicatio). Wird das Eigentum nur t e i l w e i s e , d.i. eben in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes, beeinträchtigt, so steht dem Eigentümer die E i g e n t u m f r e i h e i t s k l a g e nach § 1004 B G B zu; sie entspricht der actio negatoria des gemeinen Rechts und richtet sich gegen das Bestehen einer Eigentumsbeschränkung. Ob eine solche Beeinträchtigung des Eigentums vorliegt, ist nach den über den Inhalt des Eigentums gegebenen Vorschriften des Bundes- und Landeszivilrechts zu entscheiden. Die nachbarrechtlichen Eigentumsbeschränkungen haben für den Inhalt des Eigentums eine doppelte Bedeutung: auf Seite des einen Eigentümers nehmen sie dem Inhalt des Eigentums eine Befugnis, auf der Seite des Nachbars fügen sie zu dem Inhalt des Eigentums eine Befugnis hinzu. So wird die dem einen auferlegte Eigentumsbeschränkung für den anderen zur Eigentumsverstärkung. Der Grundeigentümer, welcher mäßige Schallwellen auf das Nachbargrundstück eindringen läßt oder die Einräumung eines Notweges verlangt, macht das Eigentum an seinem Grundstücke, nicht etwa ein dingliches Recht am Nachbargrundstück, geltend. Gerade im Nachbarrechte findet die Eigentumsfreiheitsklage ihre häufigste Anwendung. 551

§ Oö I 1

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

Eine B e e i n t r ä c h t i g u n g des Eigentums liegt in der Verhinderung des Eigentümers, mit der Sache innerhalb des durch das Gesetz gesteckten Rahmens nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen. Ein Vermögensschaden ist nicht Voraussetzung der Beeinträchtigung 1 ). Jede Beeinträchtigung des Eigentums mit Ausnahme der Vorenthaltung des Besitzes2) kann Veranlassung zu der Eigentumfreiheitsklage des § 1004 B G B sein. Sie hat ihren Grund im Eigentum ebenso wie die Klage aus §985. Beide unterscheiden sich nach ihrem Zweck. Doch muß das Eigentum als solches beeinträchtigt sein, nicht bloß der derzeitige Eigentümer. Daher kann zur Geltendmachung eines bloßen obligatorischen Rechts der negative Anspruch nicht erhoben werden. Die Behauptung eines dinglichen Rechts (z.B. eines Erbbaurechts, des Miteigentums, einer Dienstbarkeit oder Reallast) an einem Grundstück stellt nur dann eine Beeinträchtigung i. S. von § 1004 dar, wenn der Grundeigentümer schon durch das Behaupten eines solchen Rechts in der Ausübung seiner Befugnisse behindert wird (vgl. dazu unter Ziffer 3). § 1004 setzt immer eine Beeinträchtigung der p r i v a t r e c h t l i c h e n Befugnisse voraus. Ein Grundstückseigentümer kann sich daher nicht auf § 1004 B G B berufen, wenn sein Nachbar eine allgemein gültige Rechtsnorm, z.B. eine baurechtliche Vorschrift, nicht einhält, die ihre Grundlage allein in öffentlich-rechtlichen Belangen hat und nicht etwa zusätzlich ein Privatrecht auf ihre Beobachtung begründet. Ist eine bestimmte Grundstücksbenützung ohnehin durch eine Rechtsvorschrift verboten, so fehlt jedes Rechtsschutzbedürfnis, ein derartiges Verbot noch durch eine Dienstbarkeit zu sichern. Handelt es sich dagegen um ein Verbot, das von der Verwaltungsbehörde im Rahmen ihres Ermessens verfügt werden kann und ist demnach für Art und Ausmaß der Eigentumsbeschränkung auf privatrechtlicher Ebene noch Raum, so kann die fragliche Beschränkung auch noch durch eine Dienstbarkeit gesichert werden. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks hat in solchen Fällen ein rechtliches Interesse daran, daß die Eigentumsbefugnisse des Nachbarn unabhängig vom Ermessen der Behörde privatrechtlich durch eine Grunddienstbarkeit eingeschränkt § 3 8 / ) J W 1 9 1 1 , 587 (RG). 2 ) Hier kommt § 985 B G B (rei vindicatio) in Betracht. Vgl. Staudinger-Spreng Randbem. 2 und 6; RGRKomm. Bern. 1 je zu § 1004; B G H in L M Nr. 14 zu § 1004; R G Z 160, 166; Westermann SR § 36 I, ia. Z u beachten ist aber, daß eine nur einmalige Verletzung, etwa durch Betreten fremden Grundeigentums, noch nicht unter § 1004 fällt. Erforderlich ist vielmehr ein Störungszustand oder wenigstens die Befürchtung von wiederholten Verletzungen ( B G H Z 14, 163 = N J W 1954, 1682; R G Z 57, 2 2 7 ; 125, 393; SeuffA 59 Nr. 87).

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Die Eigentumfreiheitsklage

§ 3 8 12

werden, z.B. die Einhaltung eines bestimmten Bauabstandes, dessen Festsetzung im Ermessen der Baubehörde liegt3). 2. Die Beeinträchtigung kann durch eine p o s i t i v e Tätigkeit oder eine rechtswidrige U n t e r l a s s u n g herbeigeführt sein, durch eine Unterlassung dann, wenn sie im Widerspruche steht zu einem der Ansprüche, zu denen jemand in Ansehung seiner Sache auf Grund seines Eigentums berechtigt werden kann4). Soll jemand für die Beeinträchtigung verantwortlich gemacht werden, so ist erforderlich, daß ihm der Vorgang nach den Grundsätzen der adäquaten (vgl. R G 1 5 8 , 2 7 ; B G H Z 3, 267; N J W 5 5, 1876) Verursachung zugerechnet werden kann; Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung müssen wenigstens eine der Ursachen der Beeinträchtigung sein. In einer durch N a t u r g e w a l t herbeigeführten schädlichen Einwirkung von einem Grundstück auf ein anderes kann ein Eingriff in fremdes Eigentum nicht gefunden werden 5 ), wohl aber dann, wenn m e n s c h l i c h e T ä t i g k e i t erst die schädliche Wirkung der Naturereignisse e r m ö g l i c h t oder g e f ö r dert hat6), wie z.B. bei Anschüttung großer Sandmassen oder Auflagerung der Halden, die bei langandauernden Regengüssen abgeschwemmt oder zum Einsturz gebracht werden') oder bei Halten eines durch Menschenhand 3 ) Zwar ist eine Vorschrift, wonach z.B. mit einem Neubau ein Abstand von 5 m von der Grenze einzuhalten ist, ein Gesetz im Sinne des § 903. Aber dieses Gesetz bezweckt i.d.R. den Schutz der öffentlichen Interessen (vgl. J W 1908, 142 R G ; Schade, A ö f f R 25, 286). Ob auf dem Umweg über § 823 Abs. 2 ein Ersatz für den nicht gegebenen Anspruch des § 1004 geschaffen werden kann, hängt von der Frage ab, ob die Verordnung neben dem Schutz der Allgemeinheit auch den Schutz des einzelnen Grundeigentümers bezweckt ( R G 63, 324; 73, 32). Der Kreis derjenigen, die durch ein Schutzgesetz geschützt sein sollen, ist durch Auslegung des Schutzgesetzes selbst festzustellen ( R G Sörgel Rspr. 1913 zu § 823 Nr. 147); s. darüber unten § 43 D II, 2 und § 38 X . Vgl. auch B a y V G H E 2, 94; 1 1 , 262; 1 1 , 420 (bei Vorschriften, die den Nachbar besonders schützen sollen, hat dieser ein subjektives öffentliches Recht auf Einhaltung der Bauordnung). Vgl. ferner Pietzonka in N J W 1954, 1 1 8 1 ; Westermann in BBB1. 1952, 137 (Das Baurecht im Rechtssystem); DVB1. 1956, 74; Köhler in J R . 1955, 135. 4 ) Vgl. oben § 14 II, 2. Kuhlenbeck, Von den Pandekten Zum B G B 2, 564. Die Störung setzt nicht notwendig ein Handeln voraus; sie ist auch bei einem das Eigentum beeinträchtigenden Zustand gegeben, der auf den maßgeblichen Willen des Beklagten zurückzuführen ist oder doch mit dessen Willen fortbesteht (RheinArch. 1 1 0 , 1 7 1 Köln). Ein Beispiel bildet die durch Unterlassung der notwendigen Unterhaltung herbeigeführte Baufälligkeit des Nachbarhauses; s. oben § 16. Ist durch Veranstaltungen (Anlagen) eines Eigentümers auf seinem Grundstück das Herunterfallen von Schnee auf das Nachbargrundstück wesentlich gefördert, so kann dessen Eigentümer den Anspruch aus § 1004 erheben. Dem Unterlassungsanspruch wird durch Anbringen eines Schneefängers die Grundlage entzogen (vgl. aber B G H in N J W 55, 300; s. oben § 16 F N 14.) 6 ) SeuffA 60 Nr. 55 (RG); BayZ 1900, 28 (RG); Gruchot 5 4 , 1 5 6 ; vgl. oben § 1 4 I I 2 . s ) SeuffA 60 Nr. 55 und BayZ 1 , 28. Vgl. hierzu R G 122, 29; 127, 34; 134, 2 3 1 ; ferner oben § 14, II 2 und § 1 1 Abs. 2 (Absturz eines Felsblocks); B G H in L M Nr. 14 zu § 1004. ') Gruchot 54, 156 u. 158; BayZ 1900, 28; SeuffA 60 Nr. 55; R G 51, 408 u. 4 1 1 .

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§ öö 12,3

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

geschaffenen Teiches, mit dem die Ansiedelung von Fröschen und deren Gequake als vorhersehbare Folge verbunden ist 8 ) oder bei Zuführen von Schnee. Besteht eine Rechtspflicht, die Einwirkung von N a t u r k r ä f t e n zu verhindern, so kann im Unterlassen gebotener Vorkehrungen eine Beeinträchtigung liegen. Das gilt auch für Eigentümer eines T r ü m m e r g r u n d s t ü c k s . Nach überwiegender Ansicht kann in der Untätigkeit eines Ruineneigentümers gegenüber der in Ruinen sich sammelnden Feuchtigkeit und deren schädliche Einwirkungen auf Nachbargrundstücke keine Beeinträchtigung i. S. von § 1004 gefunden werden, da der Kausalzusammenhang zwischen dem Unterlassen des Ruineneigentümers und den schädigenden Einwirkungen fehlt 83 ). Eine Beeinträchtigung i. S. von § 1004 B G B liegt n i c h t vor, wenn die Einwirkung auf das Grundstück die natürliche und unvermeidliche Folge einer gesetzlich und p o l i z e i l i c h e r l a u b t e n Benützung des Nachbargrundstückes ist, wenn z. B. durch ein hohes Gebäude der Regen und Wind zurückgeworfen und auf das Nachbargrundstück gelenkt wird 9 ). Bestritten ist, inwieweit ideelle Einwirkungen (durch Verletzung des Gefühlslebens) unter § 1004 fallen. Sie gehören jedenfalls dann hierher, wenn sie sinnlich wahrnehmbar sind und objektiv beeinträchtigend wirken, z. B. durch üblen Geruch oder durch eine davon ausgehende Insektenplage. Rein seelische oder äthetische Belästigung (z.B. durch ein Leichenhaus) scheidet selbst dann aus, wenn der materielle Grundstückswert darunter leidet (vgl. B G H in L M Nr. 1 u. 2 zu § 903; a. M. Westermann SR § 3 6 1 , 1 , a). Die rechtswidrige Verletzung des Rechts des Jagdpächters ist keine Beeinträchtigung des Eigentums. Das Jagdrecht des Pächters ist nicht ein Teil des Grundeigentums; es stellt vielmehr ein dem Grundstückseigentümer neben dem Eigentum gesondert zustehendes Recht dar (bestr.). Daraus ergibt sich, daß auch dem Jagdpächter das Recht zur Ausübung der Jagd nicht als ein den Ausfluß des Grundeigentums bildendes Recht übertragen sein kann. Es steht jedoch dem Jagdpächter die Unterlassungsklage in rechtsähnlicher Anwendung des § 862 BGB zu. Eventuell muß ihm die vorbeugende Unterlassungsklage aus § 823 BGB zugebilligt werden (Ludwig JW 1924, 775; vgl. unten S. 574 Anm. 6).

3. Die Gefahr k ü n f t i g e r Beeinträchtigung erfüllt nur dann den Begriff einer Beeinträchtigung i. S. von § 1004, wenn eine ernstliche (nicht bloß mögliche) und objektiv bestehende, nicht nur nach Meinung der Beteiligten vorliegende Besorgnis gegeben ist, daß weitere Eigentumsverletzungen zu 8

) JW 1910, 654 (RG); vgl. oben § 14, II 2. ) Düsseldorf NJW 53, 1394; Hamm NJW 54, 273; Köln BB 55, 179; Hodes NJW 54,1345; Krach NJW 53, 789; Staudinger Randb. 30 zu § 1004; Westermann SR § 36 II 2; a. A. Z G Hagen NJW 53, 266; Weskott NJW 53, 1109. 9 ) BayZ 1914, 170 (RG); R G Z 155, 154: Steigen des Grundwasserspiegels infolge von Aufschüttungen auf dem Nachbargrundstück. 8

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befürchten sind. Deshalb stellt eine Gefährdung durch einen benachbarten Betrieb (Gefahr der Explosion einer Sprengstoffabrik) keine Beeinträchtigung dar 10 ). Bloße Vorbereitungshandlungen zu in Aussicht genommener Beeinträchtigung genügen gleichfalls nicht 11 ). Die Einreichung eines Bauplanes für einen Bau, durch dessen Ausführung das Eigentum beeinträchtigt werden würde, stellt noch keine vorhandene Beeinträchtigung dar 12 ). Hat die Verwaltungsbehörde an den Nachbar eines Steinbruchs ein Verbot erlassen, sein Grundstück zu gewissen Zeiten zu betreten, während welcher im Steinbruch gesprengt werden soll, so ist die Beeinträchtigung gegeben 13 ), aber erst mit Eintritt der ersten Sprengzeit; vorher kann nur Feststellungsklage erhoben werden, soferne ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Klarstellung gem. § 256 Z P O nachgewiesen wird. Dagegen genügt ein einfaches Bestreiten einer dem Eigentümer als solchem zustehenden Befugnis für sich allein nicht zur Begründung des negatorischen Anspruchs 14 ). Wohl aber kann in solchen Fällen eine F e s t s t e l l u n g s k l a g e gegeben sein, wenn deren prozessuale Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 256 Z P O kann auf Feststellung des Bestehens einer im Eigentum gelegenen Befugnis bzw. auf Feststellung des Nichtbestehens einer das Eigentum beschwerenden Befugnis eines Dritten Klage erhoben werden, ehe ein Zustand der Beeinträchtigung eingetreten ist, sofern der

10 ) J W 1910, 645 (RG). Eine Beeinträchtigung des Eigentums im Sinne des § 1004 B G B liegt auch nicht darin, daß der Nachbar es unterläßt, Raupennester an seinen Obstbäumen zu beseitigen. Ebensowenig kann die Bekämpfung der Mäuse- oder Reblausplage mit § 1004 B G B erzwungen werden (vgl. § 45 D II 2). Unter Umständen ist hier mit der vorbeugenden Unterlassungsklage nach § 823 B G B zu helfen (JW 1924, 776). Als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B ist das Ges. zum Schutze der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen vom 5. März 1937 (RGBl I, 271) und die auf Grund dieses Ges. erlassenen Anordnungen zur Bekämpfung von Schädlingen zu erachten (vgl. Art. 120 Abs. 1 Ziff. 2 bayer. PolStGB, § 368 Ziff. 2 StGB, bayer. V O zur Bekämpfung der Viruskrankheiten der Kartoffel vom 14. Februar 1949 (GVB1. 51), ferner Reblausgesetz vom 6. Juli 1904. Neben dem durch diese Bestimmungen gegebenen strafrechtlichen Schutz läßt die neuere Rechtsprechung die Unterlassungsklage nach § 823 B G B zu (vgl. R G K , 9. Aufl., Vorbem. III vor § 823). 11 ) S. dagegen RGKomm. Bern. 1 Zu § 1004. Anlagen, die bei ordnungsmäßigem Gebrauch mit Sicherheit zu einer Störung führen müssen, können allerdings schon vor ihrer Benützung verboten werden, aber nur aus § 907. 12 ) L Z 1918, 389. Dagegen wird das Feststellungsinteresse vom R G mit Recht angenommen. Vgl. R G in D J Z 25, 341. Staudinger-Spreng Randb. 36fr. u. 59 zu § 1004; B G H Z 14, 163/170 = N J W 54, 1682; N J W 52, 4 1 7 ; O G H Z 1 , 182; R G Z 140, 392; 156, 372; 166, 150. Vgl. auch Lorenz in N J W 5 5 , 5 2 1 ; Koebel in N J W 55,1337. Siehe auch unten § 43 D III 2 b. 1S ) Recht 1918 Nr. 714 (RG). 14 ) O L G 12, 128 (Jena).

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Eigentümer nur ein rechtliches Interesse 16 ) an der alsbaldigen Feststellung dartun kann16). Wenn das wörtliche Bestreiten mit D r o h u n g e n verbunden ist, so kann darin eine Beeinträchtigung liegen, sofern hierdurch der Eigentümer in der Ausübung seines Eigentumsrechts gestört wird, indem ihm z.B. die Drohungen zur Aufstellung eines Wächters Veranlassung geben, oder der Eigentümer aus Furcht vor der Verwirklichung der Drohungen sich scheut, die Bäume anzupflanzen, deren Beseitigung für den Fall der Anpflanzung angedroht ist. Bloße Verbote werden nur ausnahmsweise eine Beeinträchtigung bewirken, da sie ja nicht beachtet zu werden brauchen 17 ). 15 ) M. 3, 423 (Mugdan 3, 236); J W 1902, 68; Maenner 244; Cosack 2, 80. Die Entscheidung, ob ein solches rechtliches Interesse vorliegt, ist dem richterlichen Ermessen überlassen (M. 3, 423; Mugdan 3,236). Die Einreichung eines Bauplanes durch den Nachbar wird regelmäßig das Feststellungsinteresse begründen (LZ 1918, 389 RG). Eine Feststellungsklage kann unter Umständen auch gleichzeitig mit der Klage auf Unterlassung einer Beeinträchtigung erhoben werden, wenn das Interesse an alsbaldiger Feststellung über das Interesse an der Unterlassung hinausgeht (SeuffA 88 Nr. 14; du Chesne in SeuffBl. 75, 628). 16 ) Das Interesse für eine Feststellungsklage des Eigentümers kann beispielsweise gegen die beabsichtigte Veranstaltung eines Automobilrennens auf der an seinem Hause vorbeiführenden Straße begründet sein. Das Interesse an alsbaldiger Feststellung ist gerade dadurch begründet, daß der Eigentümer, wenn er erst die Ausführung des Rennens abwarten wollte, mit seiner Klage zu spät kommen würde. Die Klage ist gegen den veranstaltenden Automobilklub zu richten und geht auf Feststellung, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, die mit der Abhaltung eines Automobilrennens auf der an seinem Anwesen vorüberführenden Straße verbundenen Einwirkungen durch Lärm, Rauch und Geruch zu dulden, insoweit hierdurch die Benützung des klägerischen Anwesens wesentlich beeinträchtigt wird. Materiell ist eine solche Feststellungsklage dann begründet, wenn als sicher a n z u n e h m e n ist, daß die dem vorliegenden Projekt entsprechende Ausführung des Rennens Einwirkungen auf das Anwesen des Klägers im Gefolge haben würde, welche nach § 906 B G B unzulässig wären. In dieser Richtung muß in Betracht gezogen werden, daß dem Hauseigentümer gegen die Behinderung des Verkehrs auf der Straße und des Zugangs von dieser zu seinem Grundstück kein privatrechtliches Verbietungsrecht zusteht; die öffentlich-rechtliche Seite untersteht lediglich der Würdigung der Straßenpolizei. Es kann also nur wegen der Einwirkungen auf s e i n e i g e n e s Grundstück ein Verbietungsrecht des Straßenangrenzers in Frage kommen. Das Automobil f a h r e n auf Straßen istwohl eine übliche Art der Straßenbenützung, aber es kommt nicht nur auf die Art, sondern auch auf das Maß der Benützung an (vgl. oben § I 4 V 2 ) ; das Automobilenr e n n e n ist keine für Straßen übliche Benützung. Die damit verbundene Einwirkung auf die an die Straße angrenzenden Grundstücke ist daher unzulässig, wenn sie die Benützung dieser Grundstücke wesentlich beeinträchtigt. Mit einem Automobilrennen können derartige unzulässige Einwirkungen verbunden sein, notwendig ist es nicht. Wenn die in Betracht kommende Straßenfläche von dem Rennen nur verhältnismäßig kurze Zeit in Anspruch genommen wird, wird regelmäßig keine w e s e n t l i c h e Beeinträchtigung angenommen werden können; eine Ausnahme wäre z.B. bei einer Heilanstalt für Nervenkranke anzunehmen. Vgl. § 1 4 VI. 17 ) Vgl. Cosack 2, 176; R G in J W 1908, 142; 1932, 399; B G H in Z M Nr. 2 zu § 903; Celle in M D R 53,388554, 241; Staudinger 1 1 . Aufl. Randb. 8 Zu § 1004 und Randb. 16 u. 23

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D i e Sozialbindung des Eigentums nach A r t 1 4 G G sowie die G r u n d sätze nachbarlicher Rücksichtnahme im Hinblick auf T r e u und Glauben nach § 2 4 2 B G B können jedoch die A n w e n d u n g § 1004 rechtfertigen, ebenso auch landesrechtliche Vorschriften. 4. D e r negatorische A n s p r u c h setzt k e i n V e r s c h u l d e n desjenigen voraus, welcher f ü r die Beeinträchtigung verantwortlich ist 1 8 ). D a ß sich dieser e i n R e c h t zu seinem Verhalten z u s c h r e i b t , ist ebensowenig Voraussetzung des A n s p r u c h s 1 9 ) , noch weniger ist erforderlich, daß der Beklagte behauptet, aus e i g e n e m Rechte zu dem Eingriff berechtigt zu sein 2 0 ). D e r A n s p r u c h kann selbst dann gegeben sein, w e n n der Störer ausdrücklich erklärt, daß er kein Recht zu der Störung habe 2 1 ). W e n n auch die Störung keineswegs auf Vorsätzlichkeit oder Fahrlässigkeit zu beruhen braucht 2 2 ), so erzeugt doch nicht jeder rein zufällige Eingriff ( z . B eine E x p l o s i o n ) die K l a g e 2 3 ) . Andererseits ist der negatorische A n s p r u c h jedesmal dann gegeben, w e n n die Handlungen durch welche, die Störung verzu § 903; Westermann SR § 36 II i a ; Palandt-Hoche Bern. 2 b zu § 1004. RGKomm. Bern. 1 zu § 1004 erblickt in Verboten und Drohungen nur eine Besitzstörung (§ 862), keine Eigentumsstörung. Wenn aber die Drohungen derart sind, daß sich der Eigentümer fürchtet, sein Eigentum zu benützen, so ist das Eigentum beeinträchtigt. Bloße Verbote dagegen stellen regelmäßig auch keine Besitzstörung dar. Anders z.B. wenn sich das Verbot an die Angestellten des Eigentümers gerichtet und auf diese Eindruck gemacht hat. -— E s kommt hier eben alles auf die Umstände an. Dasselbe Wort kann im Munde des einen sich auf die Herbeiführung einer bloßen Rechtsunsicherheit beschränken, im Munde des anderen aber die Vertreibung des Besitzers bewirken, weil dieser sonst Gewaltanwendung zu gewärtigen hat ( O L G 20, 395). Unter Umständen können auch Eingaben an Behörden als Beeinträchtigung betrachtet werden (vgl. Recht 1919 Nr. 1475 R G ; Störung der Ausübung einer Grunddienstbarkeit (§ 1029); vgl. unten § 42 III. 18 ) M. 3, 426 (Mugdan 3, 238); Recht 1904 Nr. 764 R G ; 1906 Nr. 2851 (Frankfurt). D J Z 1915, 3 1 3 ; O L G 31, 327 (Rostock). Vgl. R G 60, 6; Gruchot 46, 650 (RG). Deshalb ist die Klage auf Beseitigung wie auf Unterlassung auch gegen einen Unzurechnungsfähigen zulässig. Eitzbacher, Unterlassungsklage 175. Vgl. Planck Bern, i c zu § 227, Crome i , 536; Endemann 1 , 434. R G Z 105, 2 1 5 ; 149, 212, 157, 281. 19 ) Gruchot 44, 1095 (RG); Recht 1902 Nr. 1854 u. 835. O L G 4, 313. 20 ) Deshalb kann auch derjenige, welcher behauptet, nur deshalb über ein fremdes Grundstück zu gehen, weil über dasselbe ein öffentlicher Weg führe, mit der Eigentumfreiheitsklage belangt werden. SeuffA 33 Nr. 203; s. Nachschr. des Herausgebers in SeuffBl. 43, 123 gegen die dort mitgeteilte oberstrichterliche Entscheidung. Unrichtig auch O G H 7, 233. Vgl. unten I V , 2. 21 ) Gruchot 44, 1095. 22 ) R G 51, 4 1 1 ; J W 1902 Beil. 187. O L G 4, 313. Dort wurde die Beklagte verurteilt, welche anläßlich der Eisengewinnung eine Abraumhalde angelegt und mit taubem Gestein verstürzt hatte. Die Gesteinsmassen übten auf das Nachbargrundstück einen Druck aus und gerieten zugleich ins Rutschen, so daß dasselbe mit Gestein überschüttet wurde; vgl. SeuffBl. 8. Erg.-Bd., 153 (Hinaustreten des Viehs über einen zum Trieb zustehenden Raum). 23 ) Vgl. O G H 8, 66; R G 1 0 , 1 4 2 (Explosion); vgl. R G 1 0 1 , 1 0 2 ; B G H in N J W 5 5 , 1 9 . 557

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ursacht ist, mit dem Bewußtsein vorgenommen werden, daß nach den Regeln der Erfahrung hierbei zufällige Einwirkungen in die fremde Rechtssphäre vorkommen. 5. Zur Begründung der Eigentumfreiheitsklage ist die bestimmte Angabe des Grundes des erhobenen Anspruchs erforderlich (§253 ZPO). Hierfür genügt nicht die Behauptung, daß der Beklagte das Eigentum des Klägers beeinträchtigt habe, sondern es sind die Tatsachen anzuführen, in denen die Beeinträchtigung erblickt wird, bei der Unterlassungsklage auch die Tatsachen, aus denen die Besorgnis der weiteren Beeinträchtigung abgeleitet wird. Das Vorbringen neuer Eigentumsstörungen, die in der Klage selbst noch nicht enthalten waren, stellt nur dann keine Klageänderung dar, wenn die neuen Störungen den in der Klage vorgebrachten gleichwertig sind. Soweit neue Tatsachen vorgebracht werden, die aus dem Rahmen des ursprünglichen Vortrags fallen, können sie von jeder Tatsacheninstanz berücksichtigt werden, wenn sie sachdienlich sind (§ 264 ZPO). II. D a s Z i e l der E i g e n t u m f r e i h e i t s k l a g e ist die Abwehr der Beeinträchtigung. Es ist klar, daß sie da nicht angestellt werden kann, wo sie nicht mehr notwendig ist, weil keine Beeinträchtigung mehr vorliegt. Deshalb kann man sagen, daß die Eigentumfreiheitsklage einen Zustand der Beeinträchtigung voraussetzt24). Dieser Zustand kann in einem k ö r p e r l i c h e n V e r h ä l t n i s 2 5 ) bestehen, in welchem die Sache des anderen zu dem Grundstücke des Eigentümers sich befindet, oder aber in einem Z u s t a n d der G e f ä h r d u n g durch Wiederholung der Eingriffe 26 ). Aus dieser Verschiedenheit der Veranlassung ergibt sich eine doppelte Gestaltung des Anspruchs: 1. D e r A n s p r u c h auf B e s e i t i g u n g der B e e i n t r ä c h t i g u n g geht auf Wiederaufhebung einer fortbestehenden Beeinträchtigung des Eigentums. Der Fortbestand und die Wiederaufhebbarkeit der Beeinträchtigung setzen ein k ö r p e r l i c h e s V e r h ä l t n i s voraus 27 ). Eine v o r ü b e r g e h e n d e E i n w i r k u n g kann daher diesen Anspruch nicht erzeugen (z.B. das Abbrennen eines Feuerwerkskörpers auf dem Nachbargrundstück, einmaliges Betreten fremden Bodens durch einen Spaziergänger)28). Voraussetzung des Anspruchs auf Beseitigung der Beeinträchtigung ist demnach 24

) M. 3, 423 (Mugdan 3, 236). ) M. 3, 424 (Mugdan 3, 237). 26 ) M. 3, 426 (Mugdan 3, 238). 27 ) M. 3, 424 (Mugdan 3, 237). 25 ) Ein Automobilrennen auf öffentlicher Straße zieht eine Mehrheit von Einwirkungen nach sich (Lärm-, Staub- und Geruchzuführung durch jedes vorbeifahrende Automobil), vgl. oben Anm. 16. 26

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das gegenwärtige objektive Bestehen eines durch den Willen einer anderen Person aufrecht erhaltenen körperlichen Zustandes29). Hauptsächlich kommt das Halten von A n l a g e n in Betracht, welche selbst einen unberechtigten Eingriff in das Eigentum des Nachbars darstellen (z.B. Überbau, Fenster in unerlaubter Nähe an der Grenze) oder durch ihre Benützung eine unzulässige Einwirkung auf das Eigentum des Nachbars ausüben (z.B. Immissionen). Nach § 907 B G B kann der Eigentümer dem Nachbar das Halten solcher Anlagen verbieten (vgl. oben § 15). Die Anlage selbst stellt die Beeinträchtigung dar und es kann daher die Beseitigung der Anlage verlangt werden 30 ). § 907 B G B ist unzweifelhaft auch auf gewerbliche Anlagen anzuwenden31), soferne nur bei der dermaligen Beschaffenheit der Anlage mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß der Betrieb eine (insbesondere in Gemäßheit des § 906 B G B ) unzulässige Einwirkung auf das Nachbargrundstück zur Folge hat. (Hier greift jedoch zugunsten gewerblich konzessionierter Anlagen § 26 RGewO ein; s. darüber unten § 39.) Aber auch solche Anlagen gehören hierher, welche einer diesseitigen erlaubten Hinüberwirkung über die Grenzen, z. B. dem natürlichen Wasserablauf, hindernd entgegenstehen32). Der Anspruch geht auf ein T u n , nicht etwa auf ein bloßes Unterlassen. Es ist nicht ganz genau zu sagen, daß derBeklagte verpflichtet sei,dieNaturalrestitution zu bewirken 33 ); jedenfalls darf man dies nicht dahin verstehen, daß der Verpflichtete den Zustand herzustellen habe, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung ü b e r h a u p t nicht eingetreten, also gar nie vorhanden gewesen wäre 34 ). Denn damit würde man einen Anspruch auf Schadenersatz einräumen (§ 249 BGB), der nicht ohne weiteres wegen einer Eigentumsbeeinträchtigung gegeben ist36). Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung geht 29 ) M. 3, 423 (Mugdan 3, 236). Vgl. Bolze 12 Nr. 68. Der Anspruch des Grundeigentümers auf Beseitigung der schädlichen Anlage besteht auch dann, wenn er selbst auf seinem Grundstück Änderungen vorgenommen hat, welche die erste Ursache für die Schädlichkeit der Einwirkung gewesen sind. Recht 1903, 605 Nr. 3088 (Dresden). 30 ) Vgl. J W 1900 Beil. 26. Hier ist eine Klage gegen die Stadtgemeinde auf gänzliche Entfernung einer öffentlichen Bedürfnisanstalt zugelassen worden; vgl. ferner O G H 16, 330 und SeuffA 53 Nr. 8 (Beseitigung eines Knochenlagers). 31 ) Vgl. Turnau-Förster Bern. 1 zu § 907; s. im übrigen unten § 39 S. 559fr. 32 ) M. 3, 423 (Mugdan 3, 237). 33 ) M. 3, 425 (Mugdan 3, 237). 34 ) Der Schadenersatzanspruch setzt Verschulden voraus, vgl. unten S. 5 98 ff. Nur dann, wenn dem Grundeigentümer im einzelnen Fall sein Abwehrrecht durch Spezialgesetz entzogen ist, wird ihm nach der Rechtsprechung des R G eine vom Nachweis des Verschuldens befreite Schadenersatzklage gewährt. S. hierüber unten § 43 D III 2. 36 ) Nur der Zustand der Beeinträchtigung ist zu beseitigen, nicht aber die durch die Beeinträchtigung herbeigeführte Wirkung, soferne diese Wirkung nicht selbst wieder einen Widerspruch gegen den Eigentumsinhalt darstellt. Das Beschädigt w e r den der Sache durch einen Dritten widerspricht dem Inhalt des Eigentums, das Beschädigt sein

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vielmehr nur dahin, daß der Zustand hergestellt wird, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung n i c h t mehr vorhanden wäre36). Hieraus ergibt sich aber keineswegs, daß, wenn die Beseitigung der Beeinträchtigung unmöglich und im Wege des unmittelbar auf ihre Herbeiführung gerichteten Zwanges nicht durchzusetzen ist, die Verpflichtung zur Leistung des Interesses nur aus einem besonderen Verpflichtungsgrunde hergeleitet werden kann37). Der Anspruch auf das Interesse an dem künftigen Wegfall der Beeinträchtigung tritt vielmehr als Ersatz an die Stelle des Anspruchs auf Beseitigung 38 ). Die Beeinträchtigung ist, soweit dies möglich ist, vollständig zu beseitigen. Zu diesem Behufe braucht nicht derselbe Zustand herbeigeführt zu werden, der früher bestanden hat; es genügt, wenn nur überhaupt ein Zustand hergestellt wird, bei welchem die Beeinträchtigung nicht mehr wirksam ist39). der Sache widerspricht ihm an dieser nun einmal beschädigten Sache gewiß nicht (Zitelmann, Luftschiffahrtsrecht 36; Niemeyer, Verh. d. X X X I . D. J.-Tages 2, 42). 36 ) Ist ein Gasrohr gebrochen, so wird der negatorische Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung durch Auswechselung des schadhaften Rohres bewerkstelligt. E r umfaßt also nicht den Ersatz des Schadens, der durch Ausströmen des Gases verursacht worden ist. R G 63, 375; D R 44, 410. Ist durch Platzen eines Wasserleitungsrohres Wasser in einen Keller eingedrungen, so umfaßt der negatorische Anspruch nicht nur die Auswechselung des Rohres, nicht auch den Ersatz für die Waren, welche durch das eingedrungene Wasser beschädigt wurden. Werner, Recht 1904, 330. Auch nicht den Ersatz für den durch das Wasser verursachten Hausschwamm oder für die durch das Wasser weggeschwemmte Humuserde. Wenn sich aber der Pflichtige mit der Beseitigung der Beeinträchtigung im V e r z u g befindet, ist er nach § 286 zum Ersatz des durch den Verzug entstehenden Schadens verpflichtet. S. unten § 43 D. 37 ) A. M. M. 3, 425 (Mugdan 3, 237); vgl. Recht 1919 Nr. 427 (Stuttgart). 3a ) Wenn der Inhalt eines Petroleumfasses (ohne Verschulden eines Dritten) in ein fremdes Grundstück eingedrungen ist mit der Folge, daß der hierauf befindliche Brunnen für lange Zeit unbrauchbar ist, so stellt die Durchsetzung des fremden Erdreiches einen durch den Willen einer anderen Person aufrecht erhaltenen Zustand der Beeinträchtigung nicht dar. Der Zustand der Beeinträchtigung des Eigentums im Sinne des § 1004 bestand nur solange, als das Petroleumfaß ausgelaufen ist. Die Durchsetzung des Erdreichs mit Petroleum ist eine W i r k u n g dieser Beeinträchtigung. Die Beseitigung dieser Wirkung oder im Falle der Unmöglichkeit dieser Beseitigung der Leistung des Interesses kann deshalb nicht mit der Eigentumfreiheitsklage, sondern nur mit dem Schadenersatzanspruch des § 823, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind, beansprucht werden. Vgl. dagegen Recht 1919 Nr. 426 (Stuttgart), wo zunächst zutreffend ausgeführt wird, daß bei unverschuldetem Rohrbruch die Zuführung von Wasser auf den Willen des Inhabers der Wasserleitungsanlage insoferne zurückzuführen ist, als der Wille dessen, der die ganze Anlage hält, auch für die Wasserzuführung infolge Rohrbruchs mit ursächlich ist. Dieser ist also Störer, er kann auf Unterlassen der weiteren Zuführung von Wasser (Abdichten des Rohres) mit dem Ansprach aus § 1004 belangt werden; aber zu Unrecht folgert das O L G Stuttgart daraus eine Haftung wegen Beschädigung des Grundstücks. (Es war die Humuserde weggeschwemmt worden.) 39

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) M. 3, 425 (Mugdan 3, 237). Staudinger Bern. 5 a zu § 1004. Recht 1919 Nr. 428.

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Wenn der Beklagte die Mauer des Klägers weggerissen und dann ein neues Mauerwerk aufgeführt hat, so umfaßt die Beseitigung nur die Wegnahme der störenden Anlage, nicht auch die Wiederherstellung des früheren oder eines gleichwertigen Zustandes, also nur die Fortschaffung des vom Beklagten aufgeführten Mauerwerkes, nicht auch die Wiederaufführung der früher bestandenen Mauer 40 ).

Die Verurteilung zur Beseitigung der Beeinträchtigung kann der Beklagte durch eine Geldentschädigung selbst dann nicht abwenden, wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht; denn es handelt sich bei der actio negatoria nicht um eine Schadenersatzleistung, und nur für diese gilt § 251 4 1 ). Unmöglichkeit der Beseitigung schließt den Anspruch auf Beseitigung aus. Für diesen Fall kann nicht etwa Geldersatz verlangt werden, da § 251 Abs. 2 B G B nur für eine wirkliche Schadensersatzleistung Anwendung findet42). 40 ) Unrichtig O L G 4, 65. Die Wiederaufführung der früheren Mauer kann mit dem Schadenersatzanspruch (§ 823) verlangt werden, der in einem solchen Fall wohl stets begründet ist. 41 ) M. 3, 423 (Mugdan 3, 237). O L G 4, 313. SeuffA 58 Nr. 55 (RG). R G 51, 408; 9 3 , 1 0 1 ; J W 1910,754; 1 9 2 1 , 2 5 2 ; R G i n H R R 39 Nr. 489 (Beeinträchtigung eines Fischereirechts durch Wassersport). B G H in L M Nr. 14; Staudinger-Spreng Randbem. 34; Palandt Bern. 1 u. 5 c je zu § 1004; O G H Z 2, 170 (Durch höhere Gewalt verursachte Erschwerung der Beseitigung eines Wracks im Hafengelände sowie die Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten gehen zu Lasten des Störers, auch wenn er das Eigentum an dem störenden Gegenstand aufgegeben und an der Beeinträchtigung keine Schuld hat). Vgl. auch Westermann SR § 36 III 1, wo für besondere Fälle auf § 242 verwiesen wird. A.M. Ermann-Bem. 6 zu § 1004. Es kann also auch nicht der Einwand der Nichtzumutbarkeit nach § 242 B G B gebracht werden (vg l . R G K Bern. 2 Abs. 4 Zu § 275; Bern. 3 zu § 2 4 2 ; R G 5 1 , 4 1 1 ; 93, 105; 1 3 1 , 178). Dagegen kann einem Mißbrauch des Beseitigungsanspruchs unter Umständen mit § 826 B G B begegnet werden. Wenn z.B. ein Grundstück durch eine unzulässige Vertiefung auf dem Nachbargrundstück die Standsicherheit verloren hat, muß der verantwortliche Nachbar die Standsicherheit herstellen. Wenn nun die hierfür notwendigen Aufwendungen höhere Kosten verursachen würden, als das ganze Grundstück wert ist und es erbietet sich der Verantwortliche zum vollen Schadenersatz (einschließlich aller Nachteile, die aus dem Verlust des Grundstücks etwa entstehen könnten), so würde es gegen die guten Sitten verstoßen, wollte der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks gleichwohl auf Naturalherstellung bestehen. Man muß sich aber vor Augen halten, daß auf diese Weise nicht etwa eine Art Zwangsenteignung eingeführt werden darf. Für die Sittenwidrigkeit des Verlangens muß deshalb auch in Betracht gezogen werden, ob der Verantwortliche die Beeinträchtigung etwa vorsätzlich herbeigeführt hat. Einem solchen Störer gegenüber wird man regelmäßig nicht von Sittenwidrigkeit reden können. Auch in anderen Fällen müssen die Kosten der Aufwendungen schon ein Vielfaches höher sein als das Interesse des Geschädigten, wenn § 826 B G B angewendet werden soll; endlich wird die Entschädigung so reichlich zu bemessen sein, daß die Annahme ausgeschlossen wird, daß dem Geschädigten von seinem Standpunkt aus durch eine Naturalherstellung mehr gedient wäre als durch eine Geldentschädigung. 42

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) Vgl. R G Z 51, 408; 93, 1 0 1 ; SeuffA 75 Nr. 160; J W 39,419; Celle in M D R 54,294. Meisrier-Rmg, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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Aber Unmöglichkeit liegt dann nicht vor, wenn die (volle oder annähernde) Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes überhaupt im Bereiche physischer Ausführbarkeit liegt43). Das zur Beseitigung der Beeinträchtigung Erforderliche hat der Verpflichtete auf seine Kosten vorzunehmen, gleichviel, ob der Beeinträchtigungszustand auf ein Verschulden zurückzuführen ist oder nicht44). Ist die Passivlegitimation für die actio negatoria gegeben, so steht damit auch die Verpflichtung des Beklagten fest, die Kosten der Beseitigung der Beeinträchtigung zu tragen. Deshalb muß angenommen werden, daß der Vermieter, insoweit er die von seinem Mieter verursachte Beeinträchtigung zu vertreten hat46), auch verurteilt werden muß, die Beeinträchtigung auf seine Kosten zu beseitigen46). Erfüllt der verurteilte Beklagte diese Verpflichtung nicht, so darf der Eigentümer die Wiederherstellung auf Kosten des Beklagten nach richterlicher Ermächtigung selbst vornehmen (§887 ZPO). 2. D e r A n s p r u c h auf U n t e r l a s s u n g w e i t e r e r B e e i n t r ä c h t i g u n g setzt eine zuständliche körperliche Beeinträchtigung nicht voraus, dabei findet jedoch eine Angleichung an die unter 1. erörterte Gestaltung des Anspruchs insoferne statt, als auch hier der Anspruch die Aufhebung eines Zustandes, nur nicht eines körperlichen Zustandes, bezielt und daher einen solchen Zustand auch zur Voraussetzung hat. Der Anspruch auf Unterlassung w e i t e r e r Beeinträchtigung setzt als erforderlich voraus, daß eine Beeinträchtigung tatsächlich schon vorausgegangen ist47). Bestreiten und behaupten stellt regelmäßig noch keine Beeinträchtigung dar48). Wenn das Zuwiderhandeln gegen die aus dem Inhalte des Eigentums für die anderen Personen sich ergebenden Pflichten die zuständliche, bis in die Gegenwart fortdauernde49) Folge hervorgebracht hat, daß weitere Beeinträchtigungen nach den Umständen zu besorgen sind, so ist dem Eigentümer der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung gegeben 80 ) (§ 1004 BGB). Die Befürchtung weiterer Gefährdungen braucht sich durchaus nicht auf ein schuldvolles Verhalten des Gegners zu gründen; vielleicht ist dieser in ganz entschuldbarer Weise im Irrtum über sein Recht, und ist gerade wegen seines guten Glaubens die Fortsetzung der früheren rechts43

) J W 1910, 754 (RG). H R R 39, 498; Celle in M D R 1954, 295. ) M. }, 424 (Mugdan 3, 237); vgl. B G H in N J W 56, 382 (Sprengstücke einer zerstörten Brücke). 45 ) S. unten Anm. 198. 48 ) Vgl. dagegen J W 1900, 3 84 Nr. 34 und andererseits J W 1901, 5 1 ; unter Umständen kann auf Ersatz auf Grund von § 683 oder § 812 B G B verlangt werden ( R G 167, 38). 47 ) RGKomm. Bern. 1 u. 5 zu § 1004; R G Warn. 1 9 1 1 Nr. 330. 48 ) SeuffA 58 Nr. 35 (ObLG); s. oben S. 612. 49 ) S. unten Anm. 52. 60 ) M. 3, 427 (Mugdan 3, 238); vgl. SeuffBl. 66, 220 ( L G Würzburg). 44

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verletzenden Handlungsweise zu erwarten61). Im übrigen ist die Frage, ob eine weitere Beeinträchtigung zu besorgen ist, nach den Umständen und der Lebenserfahrung zu beurteilen. Keineswegs braucht eine Gewißheit vorzuliegen, daß eine weitere Beeinträchtigung erfolgen wird; es genügt schon, wenn man nach Lage der Verhältnisse mit der Möglichkeit einer Wiederholung rechnen muß62). Daß der Beklagte ein Recht behauptet, ist nicht Voraussetzung. Wenn freilich der Beklagte ein Recht behauptet, so ist regelmäßig63) die Besorgnis der Wiederholung gegeben; hat jedoch das Verhalten des Beklagten zu der Annahme, daß er ein Recht beanspruche, keine Veranlassung gegeben, so wird zumeist eine öftere Wiederholung erforderlich sein. Eine besondere Häufigkeit und Dauer der Störungen setzt der Anspruch nicht voraus 64 ). Von wesentlicher Bedeutung ist die Vizinität. Bei dem Schäfer, dessen Herde beim Treiben zum Markt übergrast hat, wird die Gefahr der Wiederholung weniger in Betracht kommen als beim Schäfer, der regelmäßig an einem Grundstücke vorübertreibt. Läuft ein Spaziergänger einmal über eine fremde Wiese, so ist das etwas ganz anderes, als wenn der Briefträger bei seinem Botengang den Weg über die Wiese zur Abkürzung nimmt. 61

) M. 3, 427 (Mugdan 3, 258). ) Eine solche Besorgnis erfordert aber mehr als die abstrakte Möglichkeit, daß ein schadenbringendes Ereignis sich wiederholen könne. R G 63, 379. Eine mehr oder minder große Wahrscheinlichkeit genügt (vgl. R G 98, 269). Wiederholungsgefahr wurde angenommen bei Steinflügen, die bei regelmäßigen Sprengungen wiederkehren ( L Z 1918, 845 RG). Vgl. Gruchot 44, 868: Die Klage auf Unterlassung des Eingriffs wird dann zu versagen sein, wenn bei Erhebung der Klage der Eingriff bereits unterlassen ist und der Eigentümer nach den Umständen des Falls auch mit Sicherheit annehmen kann, daß eine Wiederholung nicht eintreten wird (vgl. Bolze 12 Nr. 68). Wenn der Störer vor Klageerhebung erklärt hat, daß er von künftiger Wiederholung absehen werde, so wird die Besorgnis regelmäßig wegfallen, es müßte denn sein, daß diese Erklärung infolge besonderer Umstände nicht als vertrauenswürdig zu erachten ist, vgl. unten S. 567. Eine Besorgnis der Wiederholung wird von vornherein nicht bestehen, wenn bei Erhebung der Klage die Eigentumsstörung zwar noch fortdauert, der Eigentümer aber mit Sicherheit erkennen kann, es handle sich um einen einmaligen, kurzen, vorübergehenden Eingriff, der sich gar nicht gegen sein Eigentum als solches richtet und auf dessen Unterlassung der Störer selbst bedacht ist. Vgl. auch J W 1894, 30 Nr. 93, woselbst als Beispiel erwähnt ist,daß das Einwerfen eines Fensters durch einen Vorübergehenden die negatorische Klage nicht begründet. Ist der früher zugeführte Lärm infolge gerichtlicher einstweiliger Verfügung seit Monaten unterblieben, so ist möglicherweise kein Anlaß mehr zur Unterlassungsklage gegeben; alsdann kann sie nur dann Erfolg haben, wenn es sich etwa um eine Anlage im Sinne des § 907 handelt oder sonstwie eine Besorgnis der Wiederholung des Lärms festgestellt werden kann (Recht 1902, 149 RG). 52

53 ) Nicht unter allen Umständen; vgl. Recht 1914 Nr. 775 (ObLG); B G H in N J W 1954, 1682 (an die Beseitigung der Wiederholungsgefahr sind strengste Anforderungen zu stellen); B G H Z 1 , 241. 64 ) J W 1 9 1 1 , 587; R G 57, 227. — Doch kann dies von Bedeutung für die Frage sein, ob die Beeinträchtigung wesentlich im Sinn von § 906 ist.

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Es ist regelmäßig genügend, daß die Besorgnis zur Zeit der letzten Tatsachenverhandlung begründet war, soferne nicht zur Zeit der letzten Tatverhandlung die Gewißheit besteht, daß eine Wiederholung nicht eintreten wird68). Der Unterlassungsklage braucht kein Verbot weiterer Beeinträchtigung vorauszugehen86), andererseits wird ein nur einmaliges, neuerliches Zuwiderhandeln gegen das Verbot regelmäßig die Besorgnis der Wiederholung begründen. Auch auf Grund einer einzigen Verletzung kann die Gefahr künftiger Verletzung als bestehend angenommen werden87). a) Der Kläger braucht nicht die V o r k e h r u n g b e s t i m m t e r M a ß r e g e l n , durch welche die zulässige Beeinträchtigung hintangehalten werden soll, zu verlangen; ja, er darf dies nicht einmal tun, ebensowenig als das Urteil hierüber Bestimmung treffen darf. Es muß vielmehr dem Beklagten überlassen bleiben, wie er es anstellen will, um für die Zukunft eine unzulässige Beeinträchtigung zu verhüten88). Man muß sogar so weit gehen zu 55 ) Siehe hierüber unten Anm. 73. Andererseits genügt es, wenn diese Besorgnis zwar nicht zur Zeit der Klageerhebung, aber zur Zeit des Urteils besteht. Darin, daß rechtsverletzende Tatsachen geltend gemacht werden, die sich erst im Laufe des Rechtsstreit ereignet haben, liegt keine Klageänderung (RG 99, 172). Entfällt die Wiederholungsgefahr während des Rechtsstreits vor Abschluß der Tatsachenverhandlung, so wird damit die Hauptsache erledigt (Hodes Z Z P 66, 387). 56 ) Der Kläger muß aber mit Auferlegung der Kosten rechnen, falls der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt (§93 ZPO). 67 ) Eitzbacher, Unterlassungsklage 187; Crome 3, 424; Planck Bern. 2 b zu § 1004. 68 ) BayZ 1918, 50 R G . — Vgl. SeuffA 46 Nr. 248; 51, Nr. 1 1 ; R G 37, 172; 40 182; J W 1896, 343 Nr. 57; 1897, 636 Nr. 16; Turnau-Förster Bern. 5 zu § 903. — R G 60, 120; Gruchot 43, 683; 47, 916; RGKomm. Bern. 4 zu § 1004 vertreten die Ansicht, daß der die Zwangsvollstreckung Betreibende die Vorkehrungen im e i n z e l n e n b e s t i m m t anzugeben habe, zu deren Ausführung der allgemein zur Unterlassung verurteilte Beklagte gezwungen werden soll. Dieser Ansicht ist nicht beizutreten. Es ist Sache des Beklagten, wie er seiner Unterlassungspflicht genügen will. E r kann Vorkehrungen treffen, er kann den Betrieb einstellen. Eine bestimmte Maßnahme kann ihm nicht aufgezwungen werden. Dem Gläubiger wird auch vielfach die Kenntnis der Betriebseinrichtung des Beklagten, vielleicht auch die nötige Sachkunde fehlen, so daß er gar nicht beurteilen kann, welche Maßnahme erforderlich und genügend, sowie welche von mehreren möglichen Vorkehrungen die zweckmäßigste ist (vgl. SeuffA 75 Nr. 54 [Hamm]; J W 1909, 5ff. unter II und III, 2: Gruchot 43, 861; 51, 141). Eine Verurteilung zur Vorkehrung bestimmter Maßnahmen ist dann zulässig, wenn der Beklagte einen dahingehenden Antrag nicht beanstandet (so R G in Recht 1925 Nr. 3) oder wenn er sich mit einer bestimmten Maßnahme einverstanden erklärt, ferner auch dann, wenn nur eine bestimmte Maßnahme in Frage kommt, z.B. die Errichtung einer ganz bestimmten Anlage. Vgl. Hodes in N J W 54, 644; Meisner-Stern-Hodes § 38 Anm. 98; R G J W 1930, 2935; J W 1920, 566; SteinJonas-Schönke § 938 Z P O Anm. I, 3. Entscheidend ist stets, daß dem freien Ermessen des Störers, die Einwirkung zu beheben, nicht vorgegriffen wird. Vgl. auch Köln N J W 1953, 1592.

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sagen, daß nicht einmal ganz allgemein auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, geklagt werden kann 59 ); noch weniger kann auf Betriebseinstellung geklagt werden, wenn die Beeinträchtigung von einem Betrieb ausgeht60). Die Unterlassungsklage ist eine Leistungsklage, keine Feststellungsklage, da sie nicht darauf besteht, daß der Richter die Verpflichtung des Beklagten zu einem Unterlassen feststellt, sondern darauf, daß der Beklagte unterläßt, und ihm der Richter dies gebietet. Für die Unterlassungsklage ist daher kein besonderes Interesse an der alsbaldigen Feststellung (§256 ZPO) des vielleicht nie bestrittenen Anspruchs erforderlich 61 ). Liegt die Beeinträchtigung in einer unzulässigen Immission (vgl. § 906 BGB), so geht der Anspruch dahin: „Der Beklagte hat die Zuführung von Rauch und Ruß auf das Grundstück des Klägers insoweit zu unterlassen, als dieselbe die Benützung dieses Grundstücks wesentlich beeinträchtigt und durch eine Benützung des beklagten Grundstücks herbeigeführt wird, welche nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage ungewöhnlich ist" 62 ). 59 ) Vgl. Gruchot 44, 1096; 46, 1001. Anders, -wenn die Anlage selbst, von welcher die Beeinträchtigung ausgeht, eine unzulässige Beeinträchtigung darstellt und in Gemäßheit des § 907 B G B B e s e i t i g u n g der Anlage verlangt werden könnte. Der Antrag auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, stellt sich gegenüber dem Anspruch auf Beseitigung der ganzen Anlage als das minus dar. Vgl. Gruchot 44, 1096. So kann z.B. der Eigentümer eines Grundstückes, in welches aus der Dunggrube des Nachbars auf unterirdischem Wege Mistjauche eindringt, den negatorischen Anspruch darauf erheben, daß der Nachbar die Wandungen der Dunggrube in einen für Flüssigkeiten undurchlässigen Zustand versetzt. E r kann aber auch Beseitigung der Dunggrube verlangen. 60 ) Vgl. R G 37, 173. Im Erfolge kann allerdings die Durchführung des Anspruchs auf Unterlassung zur Einstellung des Betriebes führen; dann nämlich, wenn die Ausschließung der unzulässigen Einwirkung durch keinerlei Vorkehrungen bewirkt werden kann, wird sich der Betriebsunternehmer nicht anders helfen können, als daß er den Betrieb einstellt; aber direkt zur Einstellung des Betriebes kann er nicht verurteilt werden; es kann ja morgen eine Erfindung gemacht werden, vermöge welcher bei dem Betriebe jede unzulässige Einwirkung auf das Nachbargrundstück vermieden werden kann. Dagegen hat das R G (Recht 1909 Nr. 688; J W 1908, 682) eine Verurteilung gebilligt, wonach dem Beklagten der Betrieb der Anlage untersagt wurde, solange er nicht die Anlage derart ändere, daß der Betrieb für den Kläger unschädlich und erträglich sei. -— In ähnlicher Weise hat das R G (Recht 1908 Nr. 3423) eine Verurteilung zur Unterlassung von Scheibenschießen gebilligt, weil der Beklagte selbst nicht geltend gemacht habe und auch aus der Sachlage nicht von selbst hervorgehe, daß die Benützung eines Scheibenstandes in einer dem § 906 entsprechenden Weise eingeschränkt werden könne (vgl. J W 1900, 640; 1908, 682; unten S. 544 Anm. 66). 61 ) Eitzbacher, Unterlassungsklage 212. Vgl. Hellmann, JheringsJ. 31, 1 2 3 ; Gaupp II, 1 vor § 253; Seuffert 2a zu § 253 ZPO. 2 ® ) Das R G (Gruchot 44, 1096) hat eine Verurteilung gebilligt, welche dahin ging, „die Erschütterungen und Geräusche, welche durch den Betrieb der Stein-

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Dem Beklagten ist völlige Freiheit zu belassen, wie er die Ursache der Immission beseitigen will. Damit wird zugleich die übliche Einwendung des Beklagten ausgeschaltet, daß die begehrte Art der Beseitigung nicht geeignet sei, den beabsichtigten Erfolg herbeizuführen63). Es ist zuzugeben, daß in einer solch allgemeinen Verurteilung eine gewisse Unbestimmtheit liegt. Es ist jedoch nicht möglich, diese Unbestimmtheit im Urteile zu beseitigen; denn dieselbe liegt nicht allein darin, daß je nach dem Zusammenwohnen der Menschen und den in den verschiedenen Ortschaften herrschenden Beschäftigungen das Maß der nach Billigkeit zu ertragenden und andererseits der übermäßigen Belästigungen ein verschiedenes sein wird, sondern durch Worte ist im voraus eine feste Begrenzung in der Urteilsformel überhaupt nicht zu geben; vielmehr wird stets nur in den in Zukunft etwa eintretenden einzelnen Fällen, also bei der Zwangsvollstreckung, geprüft und entschieden werden können, ob die vorliegende Beeinträchtigung als eine wesentliche anzusehen ist 64 ). Ist einmal eine Störung des Eigentums eingetreten, welche die Besorgnis weiterer Beeinträchtigung begründet, so kann der in seinem Eigentum Beeinträchtigte den Anspruch auf Unterlassung einer künftigen Störung nicht nur gleicher Art, sondern jeder dem Zwecke seines Eigentumsrechts zuwiderlaufenden Art erheben65). Der Anspruch wird nicht dadurch beseitigt, daß der Beklagte erklärt, daß er in Zukunft unterlassen wolle. Hat der Beklagte diese Erklärung schon v o r der Klageerhebung abgegeben, so kann hierdurch unter Umständen die Besorgnis weiterer Beeinträchtigung entfallen und hiermit dem Unterlassungsanspruch selbst die Grundlage entzogen werden. Ist der unzulässige Eingriff von einer Anlage auf dem Nachbargrundstück ausgegangen, so wird der Anspruch auf Unterlassung dadurch aufgehoben, daß im Laufe des Prozesses Einrichtungen an der druckerei-Immobile, Langenstraße 123, in dem Hause des Klägers, Langenstraße 122, gegenwärtig entstehen, soweit sie das erträgliche Maß überschreiten, abzustellen." Die Unerträglichkeit einer Einwirkung stellt jedoch keinen gesetzlichen Tatbestand dar. Nach § 906 B G B kann überdies eine unerträgliche Einwirkung erlaubt sein, weil durch eine Benützung herbeigeführt, die in jener Gegend gemeinüblich ist. Uberhaupt ist der Begriff des Unerträglichen nicht nur unbestimmt, sondern auch unbestimmbar. Für die Vollstreckung eines Urteils ist aber notwendige Voraussetzung, daß der Inhalt der Verurteilung, mag dieselbe auch unbestimmt sein, aus sich selbst heraus bestimmt werden kann. Vgl. auch Bolze 10 Nr. 66. Eine Verurteilung zur Unterlassung, „soweit nicht § 906 B G B die Zuführung gestattet", welche von Riehl bei Gruchot 51, 144 Anm. 9 empfohlen wird, genügt zwar diesem Erfordernis; die Anführung des gesetzlichen Wortlauts ist jedoch sachgemäßer. B a y Z 1908, 288 (RG). 63 ) Endemann 474 Anm. 54. 64 ) SeuffA 53 Nr. 180; J W 1902, Beil. 203. 65 ) Gruchot 44, 1098.

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Anlage getroffen worden sind, welche die benachteiligende Wirkung ausschließen. Dabei muß jedoch vorausgesetzt werden, daß nach Lage der Sache auch die Gewähr einer ordnungsgemäßen Anwendung und Erhaltung dieser Einrichtungen besteht66). Denn dem beeinträchtigten Eigentümer wird der fortbestehenden Anlage gegenüber der richterliche Schutz nur dadurch dauernd gewährt, daß er auf Grund des Urteils gegen den Beklagten jederzeit im Zwangsvollstreckungsverfahren vorgehen kann, wenn die getroffenen Einrichtungen beseitigt werden oder in der Folge sich doch nicht als zureichend erweisen 67 ). Ingleichen entfällt die Besorgnis bei vollständiger Einstellung des Fabrikbetriebes, soferne nur nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mit der Möglichkeit der Wiederaufnahme des Betriebs nicht zu rechnen ist 68 ). Es ist also keine Voraussetzung, daß noch zur Zeit des Urteils die B e s o r g n i s der Wiederholung besteht, während andererseits die nach der konkreten Sachlage vorhandene M ö g l i c h k e i t der Wiederholung als Voraussetzung der Verurteilung gefordert werden muß. Diese Möglichkeit darf nicht aus allgemeinen Erwägungen, sondern sie muß aus der Lage des gegebenen Falles festgestellt werden 69 ). Ist darnach zur Zeit des Urteils die Gewißheit gegeben, daß keine Wiederholung mehr erfolgen wird, so z. B., wenn der Nachbar die Fabrik, von welcher die störende Wirkung ausgeht, nicht nur stillgelegt, sondern abgebrochen hat 70 ), oder wenn nach den gegebenen Umständen an eine Wiedereröffnung des Betriebes nicht zu denken ist 71 ). Das gleiche muß gelten, wenn der Störer infolge Veräußerung seines Grundstücks nicht mehr in die Lage zu weiterer Beeinträchtigung kommen kann72). Jedenfalls muß die Besorgnis der Wiederholung zur Zeit der Klageerhebung gegeben ee ) Mit der Gefahr eines Versagens einer erprobten maschinellen Einrichtung ist dabei ebensowenig zu rechnen als damit, daß es dem Beklagten ohne denkbares Motiv einfallen könne, die Einrichtung wieder auszuschalten (vgl. Gruchot 5 4 , 1 0 1 0 ; auch i n J W i 9 i o , 6 5 4 [RG] hinsichtlich einer Entstaubungsanlage für eine Zementfabrik). Anders liegt der Fall, wenn die Erträglichkeit der Geräusche und Gerüche nur dann gewährleistet wird, wenn während des Betriebs die Türen und Fenster geschlossen gehalten werden. Nachlässigkeiten und Pflichtwidrigkeiten seiner Leute kann erfahrungsgemäß der Betriebsleiter auch mit strengsten Anordnungen nicht ausschließen (Recht 1909 Nr. 1 1 3 2 RG). 67 ) R G 36, 180; J W 1898, 610 Nr. 4 1 ; Gruchot 44, 869; SeuffA 57 Nr. 37. 68 ) Vgl. Gruchot 54, 1010; J W 1906, 556; 1910, 654 (RG). 69 ) Gruchot 54, 1010 (RG). Wenn der Geflügelzüchter, dessen Hühner das Eigentum des Nachbars beeinträchtigt haben, mit seinem Hühnerhof in eine entfernte Gegend zieht, so ist der Zustand der Beeinträchtigung entfallen. Vgl. Recht 1 9 1 7 Nr. 2006 (Noch keine Klaglosstellung, wenn der Eigentümer dem neuen Mieter die Vertragspflicht auferlegt hat, Störungen zu vermeiden). ">) Vgl. SeuffA 57 Nr. 37 (RG). 71 ) Gruchot 54, 1010 (RG). 72 ) Eitzbacher a.a.O. 192. Hält der Erwerber die Beeinträchtigung aufrecht, so kann dieser verklagt werden.

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sein (vgl. oben Anm. 5 2); hat der Beklagte schon vor der Klageerhebung in vertrauenswürdiger Weise die Unterlassung zugesichert, so kann nicht geklagt werden. Gibt aber der Beklagte erst nach der Klageerhebung eine solche Zusicherung ab, so kann er hierdurch seine Verurteilung nicht abwenden. Andererseits ist dann, wenn die Besorgnis weiterer Beeinträchtigung zwar nicht zur Zeit der Klageerhebung, aber im Laufe des Prozesses gegeben ist, der Anspruch auf Unterlassung zuzusprechen. Maßgebend ist die Zeit der letzten Tatverhandlung vor dem Urteil 73 ). b) Die Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g aus einem Urteil auf Unterlassung weiterer Störung erfolgt in Gemäßheit des (§ 890 ZPO 74 ). Hiernach ist der Beklagte, wenn er der Verpflichtung eine Handlung, zu unterlassen, zuwiderhandelt76), wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozeßgerichte erster Instanz zu Geld- oder Haftstrafe zu verurteilen76). Das Maß der Gesamtstrafe darf 2 Jahre Haft nicht überschreiten. Der Verurteilung muß eine Strafandrohung vorausgehen, welche, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteile nicht enthalten ist, auf Antrag dem Prozeßgerichte erster Instanz erlassen wird. Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlung entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden (§ 890 ZPO). Für die Frage der Unzulässigkeit einer Einwirkung muß unterschieden werden zwischen der Zeit des Immissionsprozesses und der des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Im letzteren ist nur zu prüfen, ob sich die konkrete Einwirkung als eine übermäßige im S i n n e des U r t e i l s erweist77). c) Einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage ( § 2 6 GewO) und Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- und ähnlichen 73 ) Deshalb darf eine vor Beendigung des Beweisverfahrens vom Kläger unter Beweis gestellte Mehrung der Beeinträchtigung, durch welche sie von einer bisher unwesentlichen zu einer wesentlichen geworden sei, nicht übergangen werden ( J W 1 9 1 1 , 326 [RG]). 74 ) Gruchot 44, 1098; J W 1900 Beil. 1 ; vgl. O L G 29,257 u. 254. Lautet das Urteil auf Vornahme bestimmter Handlungen, so wird nach § 888 oder § 887 Z P O vollstreckt. Die erforderlichen Maßnahmen sind im Vollstreckungsverfahren im einzelnen anzugeben. R G Z 60, 120; Gruch 43, 683. Bei einem auf Unterlassung lautenden Urteil dürfen dem Schuldner auch im Zwangsvollstreckungsverfahren keine bestimmten Vorkehrungen auferlegt werden (Meisner-Stern-Hodes § 38 Anm. 1 1 4 ; a.M. R G Z 60, 120. 76 ) Die Strafe wird durch schuldhaftes Zuwiderhandeln gegen das Unterlassungsverbot verwirkt. R G 36, 4 1 7 ; J W 1898, 1 7 2 ; O L G 29, 255; 35, 1 3 9 ; 3 5 , 1 4 0 (Haftung für Verschulden eines Dritten?). 78 ) Die Strafe kann auch gegen eine Körperschaft erkannt werden. R G 43, 405. A . M . Stein-Jonas-Schönke § 890 V (Geldstrafe wegen Zuwiderhandlung gegen ein Verbot trifft gegebenenfalls die juristische Person selbst, eine Haftstrafe dagegen wäre dem gesetzlichen Vertreter der Jurist. Person aufzuerlegen. " ) Hörle im V e r w A 10, 368f.

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Verkehrsunternehmungen78) gegenüber (Art. 80 A G z. B G B ) kann niemals auf Einstellung des Betriebes, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen oder, wo solche Einrichtungen nicht tunlich sind, auf Schadloshaltung geklagt werden (s. hierüber das Nähere unten § 3 9 ff). Außerdem greift der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz in die Eigentumfreiheitsklage ein, wonach gegenüber der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und speziell gegenüber polizeilichen Anordnungen nicht auf Unterlassung geklagt werden kann79).

III. E i n w e n d u n g e n des B e k l a g t e n 1. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist80) (§ 1004 Abs. 2 BGB). Der Beseitigungsanspruch des Eigentümers aus § 1004 setzt einen rechtswidrigen, wenn auch nur objektiv rechtswidrigen Eingriff in sein Eigentum voraus. Durch diese Bestimmung wird dem Beklagten eine Einwendung, keine bloße Einrede gewährt 81 ). Der Richter hat daher die Klage von Amts wegen dann abzuweisen, wenn aus dem Vorbringen des Klägers seine Verpflichtung zur Duldung erhellt. Die Verpflichtung zur Duldung kann durch Gesetz (insbesondere durch §§ 904, 905 S. 2, 912), durch Rechtsgeschäft oder durch ein anderweitiges besonderes Rechtsverhältnis82) auferlegt sein. Sie kann nicht nur in private 78 ) Hiernach kann gegen die Postverwaltung nicht auf Einstellung des Rohrpostbetriebs geklagt werden. Der Rohrpostbetrieb ist ein Unternehmen, welches dem öffentlichen Verkehr (Beförderung von Briefen) dient (Art. 80 A G ) ; vgl. R G 73, 271 für preußisches Recht. 79 ) Recht 1908, 331 Nr. 1974 (RG); J W 1894, 267 Nr. 25 erkennt einen solchen a l l g e m e i n e n Rechtsgrundsatz nicht an. Vgl. unten § 39. 80 ) Dabei ist jedoch zu beachten, daß hierher nicht jene gesetzlichen Vorschriften gehören, welche dem Inhalt des Eigentums eine konkrete Einschränkung geben. Denn in diesen Fällen (z.B. §§ 905, 906, 910 Abs. 2 B G B ) fehlt es an einer Beeinträchtigung des Eigentums, da durch die bezügliche Vorschrift die Rechtsbefugnis zur Ausschließung entzogen ist. Dagegen ist z.B. einschlägig § 226 B G B . Vgl. auch R G Z 1 3 1 , 336; 163, 210; M D R 1949, 100. 81 ) R G Z 144, 271 betrachtet die Berufung auf § 1004 Abs. 2 als Einrede. 82 ) Eine Stadtgemeinde hat als Eigentümerin des Friedhofs gegen einen Gärtner, der mit der Bepflanzung und Ausschmückung der Grabstätten beauftragt war, Klage auf Unterlassung dieser gärtnerischen Arbeiten erhoben (§ 1004). Die Klage wurde abgewiesen, weil das zwischen Gemeinde und Angehörigen der Begrabenen vorliegende Vertragsverhältnis dahin ausgelegt wurde, daß die Angehörigen die Gräber so pflegen und schmücken dürfen, wie es ihrem Geschmack entspricht. Dieses Ausschmückungsrecht findet allerdings darin eine Schranke, daß nicht Veranstaltungen getroffen werden dürfen,

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§ öö III 1

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

Rechtsbeziehungen, sondern auch auf polizeilicher oder auf einer sonstigen, aus Gründen des Gemeinwohls oder öffentlichen Interesses getroffenen obrigkeitlichen Anordnung beruhen83). Sie kann auch auf einem persönlichen Rechte des Beklagten beruhen84). Hier kommt insbesondere ein Leihoder Mietvertrag in Betracht. Wenn z. B. der Eigentümer eines Grundstücks dem Besitzer einer elektrischen Lichtoder Kraftanlage gestattet, auf seinem Grundstücke Masten aufzustellen oder an seinem Hause Gestänge für die Leitungen anzubringen, so liegt ein Leihvertrag vor, wenn hierfür kein Entgelt vereinbart wird (§ 598 BGB.), dagegen ein Mietvertrag, wenn eine wiederkehrende Leistung bedungen ist (§ 535 BGB.); ist eine einmalige Entschädigung bedungen, so wird man es regelmäßig mit der zunächst nur obligatorischen Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit zu tun haben (s. hierüber oben § 32 B I ) .

Wer einen Teil seines Grundstückes zu einem bestimmten Unternehmen veräußert, kann sich über dessen schädliche Einwirkungen, die vorherzusehen waren, auf die übrigen Teile nicht beschweren; es ist s t i l l s c h w e i g e n d e r V e r z i c h t zu unterstellen85). Dagegen kann dem beeinträchtigten Eigentümer nicht entgegengehalten werden, daß er sein Grunddie die Ordnung und Würde des Ortes oder die berechtigten Empfindungen anderer Grabstelleninhaber verletzen (Recht 1 9 2 4 Nr. 1 2 3 4 ) . Vgl. auch B G H Z 14, 2 9 4 ; O L G Köln in N J W 5 5,1072. Vgl. auch Staudinger-Spreng Randbem. 45 ff.; RGRKomm. Bern. 6; Ermann Bern. 5 je zu § 1004; R G Z 1 3 1 , 9 3 6 ; 133, 2 9 6 ; Celle in MDR 1954, 2 9 4 (Anspruch auf Beseitigung von Pfeilern, die wesentliche Bestandteile geworden sind, wird weder durch § 951 Abs. 1 noch durch §§ 9 9 4 f r . B G B berührt). Die Duldungspflicht aus § 1004 Abs. 2 kann auch auf gerichtlicher Anordnung beruhen; so B G H in L M Nr. 3 zu § 1004. 83 ) JW 1908, 334 (RG), SeuffA 63 Nr. 159; vgl. die Entsch. bei Warneyer Jahrb. 1, 1 1 5 Nr. 1—3; 2, 84 Nr. 2; R G 37, 331; Endemann 485 fr. Durch baupolizeiliche Genehmigung wird der Anspruch aus § 1004 nicht berührt. Recht 1914 Nr. 628 (RG). Ist die Abwehrklage aus § 1004 wegen Gemeinnützigkeit des schädigenden Unternehmens versagt, dann ist ein vom Nachweis schuldhaften Verhaltens unabhängiger Entschädigungsanspruch gegeben (RG in D R 41, 1788). Beruht der Eingriff auf einer behördlichen Anordnung, so ist der Rechtsweg vor dem Zivilgericht unzulässig. Das Gericht kann also nicht entscheiden, daß die Negatoria auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Störungsrechts und der daraus abgeleiteten Einwendung des Beklagten unbegründet sei ( R G K Bern. 6 zu § 1004 B G B gegen J W 1908, 334 = SeuffBl. 63, 159). Vgl. auch B G H in N J W 54, 1483. (In Bayern ist der Friedhofeigentümer nach herrschendem Brauchtum durch den Widmungszweck in seinen Eigentumsrechten nicht beschränkt); vgl. auch München in DVB1. 1952, 529. 84 ) Biermann Bern. 4 zu § 1004; Maenner 243. Vgl. O L G Köln in N J W 1955, 1072: Ist ein Hauseigentümer gegenüber einem Mieter (Drogerie-Inhaber) zur Duldung von Reklametafeln an den Außenwänden des Hauses verpflichtet, so kann sich auch die Lieferfirma des Drogerie-Inhabers auf § 1004 Abs. 2 und § 986 Abs. 1 B G B berufen, wenn die Reklame mit Zustimmung des Mieters angebracht wird. 86 ) R G 29, 268; SeuffA 58 Nr. 142 (RG). Dieser Verzicht' wirkt nach § 328 auch zugunsten eines Sondernachfolgers des Käufers (RG 66, 126). Dagegen wird dem Sondernachfolger, an welchen der Verkäufer den beim ersten Kauf zurückbehaltenen Teil veräußert hat, durch den formlosen Verzicht seines Vorbesitzers nicht gebunden (RG 66,126).

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Die Eigentumfreiheitsklage

§ 3 8 in 1

stück in Kenntnis der üblen Einwirkungen von einem Dritten erworben hat86). Ein obligatorisches Recht ist nur dann zur Begründung der Einwendung geeignet, wenn es dem Eigentümer gegenüber besteht87). Deshalb fällt der Unterlassungsanspruch nicht schon deswegen fort, weil der frühere Eigentümer den Eingriff gestattet hat88). Der A n s p r u c h auf B e s e i t i g u n g ist jedoch auch dem Sondernachfolger versagt, wenn sein Rechtsvorgänger die Bewilligung zu dem noch vorhandenen tatsächlichen Dauerzustand der Beeinträchtigung erteilt hat. Denn dann ist dieser Zustand mit Willen des verfügungsberechtigten Rechtsvorgängers geschaffen worden, und das ist geradeso zu beurteilen, als ob er selbst den Zustand geschaffen hätte89). Sein R e c h t s n a c h f o l g e r darf deshalb den Zustand der Beeinträchtigung auf seine eigenen Kosten beseitigen ; denn eine Duldungspflicht obliegt ihm als Sondernachfolger nicht90). Beruft sich der Störer auf eine G r u n d d i e n s t b a r k e i t , so müssen die erforderlichen Formvorschriften beobachtet sein. Andererseits ist erforderlich, daß das einredeweise geltend gemachte Recht gerade dem Beklagten oder dessen Gewährsmann zusteht. Wird daher die Einwendung auf eine Grunddienstbarkeit begründet, so muß der Beklagte berechtigt sein, sie auszuüben, sei es als Eigentümer oder Nutzungsberechtigter des herrschenden Grundstücks. Die Duldungspflicht aus § 1004 Abs. 2 kann auch aus dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens oder der Mitverursachung gerechtfertigt sein, z. B. bei Immissionen infolge zu dünner Grenzmauer90"). Beruht der Eingriff in das Eigentum auf der Anordnung einer öffentlichen Behörde, so ist die Eigentumfreiheitsklage versagt. Wegen der hier gegebenen Schadloshaltung s. unten § 39 u. § 43 D III. *«) J W 1904, 487 (RG). 87 ) Kuhlenbeck, V o n den Pandekten zum B G B 2,566. Dem Eigentümer steht derjenige gleich, der seine Befugnis vom Eigentümer ableitet. Vgl. R G 81, 216. Dort wurde der Schadenersatzanspruch einer Gasanstalt gegen eine Straßenbahngesellschaft abgewiesen; die Gasanstalt verlangte Ersatz für Beschädigung der Gasrohre, die durch sog. vagabundierende elektrische Ströme der Straßenbahn herbeigeführt war. Die Stadt als Eigentümerin der Straße hatte zunächst einen Vertrag mit der Straßenbahn abgeschlossen, wonach die Straßenbahn das Recht (Miete) erwarb, die Straße zum elektrischen Bahnbetrieb mit Schienenrückleitung zu benützen. Nach Errichtung der Straßenbahn räumte die Stadt der Gasanstalt vertragsgemäß das Recht ein, die Gasleitungsröhren in den Straßenkörper zu verlegen. Der Gasanstalt können nicht mehr Rechte gegenüber der Straßenbahn zustehen, wie der Stadt als Eigentümerin. 8S ) Staudinger Randbem. 47; Palandt-Hoche Bern. 7a je zu § 1004. Vgl. auch J W 1890, 182 Nr. 18. 89 ) SeuffA 36 Nr. 261. A . M . RGKomm. Bern. 6 zu § 1004. 90 ) Vgl. SeuffA 36 Nr. 261 (RG); 64 Nr. 1 1 1 (Stuttgart); O b L G 12, 108. 90a ) Vgl. Staudinger-Spreng Randbem. 49 zu § 1004; J W 1912, 589; R G Z 138, 328; 154, 1 6 7 ; J W 1933, 1208 u. 690; Westermann SR § 36 III 1.

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§ «iö IV 1

v , Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

Die Rechtmäßigkeit der Beeinträchtigung kann möglicherweise aus einem Rechte abgeleitet sein, welches nicht demjenigen zusteht, von dem die Beeinträchtigung unmittelbar ausgeht, sondern demjenigen, in dessen Vertretung gehandelt worden ist91). Behauptet im Prozeß92) der Beklagte, daß er die Beeinträchtigung in Ausübung des R e c h t e s eines D r i t t e n vorgenommen habe, so kann er, wenn er dem Dritten vor der Verhandlung zur Hauptsache den Streit verkündet und ihn unter Benennung an den Kläger zur Erklärung ladet, bis zu dieser Erklärung oder bis zum Schlüsse des Termines, in welchem sich der Benannte zu erklären hat, die Verhandlung zur Hauptsache verweigern. Bestreitet der Benannte die Behauptung des Beklagten oder erklärt er sich nicht, so ist der Beklagte berechtigt, dem Klageantrage zu genügen. Wird die Behauptung des Beklagten von dem Benannten als richtig anerkannt, so ist dieser berechtigt, mit Zustimmung des Beklagten an dessen Stelle den Prozeß zu übernehmen. Hat der Benannte den Prozeß übernommen, so ist der Beklagte auf seinen Antrag von der Klage zu entbinden. Die Entscheidung ist in Ansehung der Sache selbst auch gegen den Beklagten wirksam und vollstreckbar (§§ 76, 77 ZPO). 2. Dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 kann die Einrede der V e r j ä h r u n g nach § § 194, 195, 198 B G B entgegengesetzt werden. Zu beachten ist, daß mit jeder Störung des Eigentums der Abwehranspruch neu entsteht; infolgedessen berechnet sich die 30 jährige Frist vom Zeitpunkt der letzten Einwirkung ab92a). Der Einwand der V e r w i r k u n g kann gegen den Abwehranspruch nur dann erhoben werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Anspruch mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht mehr vereinbar erscheinen lassen; darauf allein, daß der Rechtsvorgänger Einwirkungen geduldet hat, kann sich der Störer nicht berufen (vgl. J W 1935, 1775; vgl. auch Hamm in N J W 1956, 1780). Zur Frage der Beweislast vgl. B G H in M D R 58, 584 = J Z 58, 441: Gläubiger muß darlegen, wann und unter welchen Umständen er seine Forderung geltend gemacht hat. Schuldner kann dann dartun, daß die Darstellung des Gläubigers unrichtig.

IV. P a r t e i s t e l l u n g f ü r die E i g e n t u m f r e i h e i t s k l a g e 9 3 ) 1. Klageberechtigt ist vor allem der Eigentümer94). Es ist nicht erforderlich, daß er im Besitze des Grundstückes ist. Auch ein einzelner Miteigen91

) Maenner 243. Vgl. hierüber unten F.N. 125. ) Vgl. hierüber unten F.N. 129. ) Vgl. J W 1912, 3 1 ; 1935, 1775; WarnR 1914 Nr. 189. 93 ) Tritt während des Prozesses ein Wechsel im Eigentum ein, so ist jedenfalls bezüglich des Anspruchs auf Beseitigung einer fortdauernden Beeinträchtigung der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit aufzunehmen (§ 266 ZPO); vgl. R G 40, 333; Recht 1904, 79 Nr. 356 (Karlsruhe). Hat sich der Verkäufer im Kaufvertrage seinem Käufer verpflichtet, die auf dem Gut eingetragene Grunddienstbarkeit zur Löschung zu bringen und kann diese Löschung nur dadurch her92

92a

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Die Eigentumfreiheitsklage

§ 3 8 IV 1

tümer ist klageberechtigt ( § I O I I ) 9 B ) , ingleichen ein einzelner Mitetbe hinsichtlich eines in Erbengemeinschaft stehenden Grundstücks (§ 20 3 9)96), ebenso der Wohnungs- oder Teileigentümer (§34 Abs. 2 WEG). Der Anspruch steht ferner zu: dem Erbbauberechtigten ( § 1 1 ErbVO), demDienstbarkeitsberechtigten (§§ 1027,1090 Abs. 2), demNießbraucher97) und dem Pfandgläubiger (§ 1227 BGB), dem Bergwerkseigentümer (§44 BayBergG). An Stelle des Eigentümers ist aktiv legitimiert: der Konkursverwalter (§§ 6, iof. KO), der Testamentsvollstrecker (§§ 2212, 2213 BGB), aber auch der Zwangsverwalter, weil die Eigentumfreiheitsklage im wesentlichen eine der ruhigen Bewirtschaftung des Grundstückes dienende Schutzklage ist98). Dagegen fehlt die Aktivlegitimation dem Mieter und Pächter99). Es ist keine Voraussetzung der Aktivlegitimation, daß der Kläger schon zur Zeit der Beeinträchtigung Eigentümer war. Es genügt deshalb zur Klage auf Unterlassung, wenn die Störung mit der Besorgnis der Wiederholung beigeführt werden, daß der Verkäufer gegen den Inhaber der Dienstbarkeit Klage erhebt, so liegt in der Verabredung der Verpflichtung auch die Ermächtigung des Käufers an den Verkäufer die Klage anzustellen. Bolze 1 2 Nr. 70. si ) Der Käufer eines Hauses, dem dasselbe noch nicht übereignet ist, kann die Klage nicht erheben. Eitzbacher, Unterlassungsklage 150. 96 ) Gegen einen anderen Miteigentümer kann er aber die Eigentumsfreiheitsklage nicht stellen; in solchem Falle können nur die Ansprüche aus der Gemeinschaft geltend gemacht werden. Eitzbacher, Unterlassungsklage 151 und dagegen Recht 1901, 175. 96 ) § 2039 bezieht sich nicht nur auf persönliche, sondern auch auf dingliche Ansprüche (Planck Bern, zu § 2039). Sowohl der Anspruch auf Beseitigung, wie der auf Unterlassung ist auf eine Leistung (§ 241) gerichtet. Wird der Anspruch auf Beseitigung oder auf Unterlassung erfüllt, so kommt die Leistung bei einem in Erbengemeinschaft stehenden Grundstück von selbst allen Miterben zugute. Der Miterbe, der Beseitigung oder Unterlassung verlangt, fordert daher Leistung an alle Erben (§ 2039), ohne daß es nötig oder auch nur möglich wäre, dies im Klageantrage zum Ausdruck zu bringen. Das ist eine Folge der Unteilbarkeit dieses Anspruchs (vgl. Staudinger 1. Teil 2, 519). 97 ) § 1065 B G B . Der Nießbraucher ist selbst dann zur Anstellung der actio negatoria berechtigt, wenn das Nießbrauchgrundstück und das Grundstück, von welchem die Beeinträchtigung ausgeht, demselben Eigentümer gehören. 98 ) Jäckel Anm. 3g zu § 152 Z w V G . 99 ) R G 59, 327; 159, 69 (Kein Abwehranspruch des Imkers gegen giftige Gase, es sei denn, daß der Tatbestand des § 823 B G B gegeben ist); B G H in N J W 1955, 747; B G H Z 16, 3 66; a.M. Palandt-Hoche 3 b zu § 1004 unter Hinweis auf Schiffer in Zt. A D R 193 9,313. Doch steht dem Besitzer der Besitzstörungsklage nach § 862 B G B zu, die zu demselben Resultat führt. Volkmann in D J Z 1901, 382; vgl. unten § 42. Wird durch die Beeinträchtigung der Mietsache der vertragsmäßige Gebrauch derselben für den Mieter beeinträchtigt, so kann der Mieter auf Grund des § 536 B G B den Vermieter auf Beseitigung der Beeinträchtigung belangen und so den Vermieter veranlassen, gegen den Nachbar mit der Eigentumsfreiheitsklage vorzugehen. Ist durch die Beeinträchtigung dem Mieter oder Pächter ein Schaden verursacht worden, dann steht demselben, falls die Beeinträchtigung auf einem Verschulden des Einwirkenden beruht, die Schadenersatzklage des § 823 B G B gegen den Störer zu, s. unten § 43 D.

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§ Dö IV 2

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

gegen den Rechtsvorgänger des Klägers erfolgt ist 100 ) und die Besorgnis der Wiederholung während der Besitzzeit des Sondernachfolgers fortbesteht. Der Sondernachfolger kann also Beseitigung des beeinträchtigenden Zustandes auch dann verlangen, wenn dieser Zustand schon vor seinem Eigentumserwerb geschaffen wurde 101 ). Hat der klagende Eigentümer das beeinträchtigte Grundstück während der Anhängigkeit des Rechtsstreites veräußert, so ist sein Rechtsnachfolger berechtigt, und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit in der Lage, in welcher er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen (§ 266 ZPO). Als Rechtsnachfolger gilt auch derjenige, der das Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren erstanden hat 102 ). 2. P a s s i v l e g i t i m i e r t für die Eigentumfreiheitsklage ist jeder Störer ohne Rücksicht darauf, ob er Eigentümer des Grundstückes ist, von welchem die Störung ausgeht 103 ). S t ö r e r ist nicht nur der unmittelbare Täter, der die Beeinträchtigung vornimmt, sondern auch derjenige, der die Störung durch seine Anordnungen veranlaßt oder in ungehöriger Weise duldet 104 ). Juristische Personen haften für Störungshandlungen ihrer gesetzlichen Vertreter (§§ 31, 89). Ein Unterlassen genügt, wenn eine Rechtspflicht besteht, eine Beeinträchtigung abzuwenden. Das gilt insbesondere für den Eigentümer eines kriegszerstörten Ruinengrundstücks. Die umstrittene Frage, ob der Ruineneigentümer wegen der von seinem Grundstück ausgehenden Einwirkungen, insbesondere durch Feuchtigkeit als Störer anzusehen ist, wird überwiegend verneint 1042 ). 10

°) Eitzbacher, Unterlassungsklage 178. ) Unrichtig O b L G 12, 109 mit der unzulänglichen Begründung, daß er ja das Grundstück in diesem Zustand übernommen habe, demnach in seinem Besitzstand „weder beeinträchtigt noch geschädigt sei". Dagegen Staudinger-Spreng Randb. 23 und ErmannPeters Bern. 4 je zu § 1004. — Eine andere Frage ist, ob der Beseitigungsanspruch dann erfüllt, wenn der Rechtsvorgänger der Schaffung des Zustandes zugestimmt hat. Siehe darüber oben Anm. 88. 102 ) R G 40, 333; J W 1897, 448 Nr. 7 u. 8; 1899, 143 Nr. 14; Gruchot 43, 512; Turnau-Förster Anm. 7 zu § 906. 103 ) Dernburg 438. Vgl. Gruchot 25, 958; 38, 925; J W 1894, 30 Nr. 93; J W 1936, 3454; 1931, 1 1 9 1 (wirtschaftliche Verfügungsmacht genügt). 104 ) R G 97, 26; BayZ 1918, 50 (Die Stadt hat ihre Kanalanlagen für die Einleitung der Abwässer zur Verfügung gestellt und gilt daher als Immittent); R G Z 103, 174; 108, 3 3 1 ; 155, 319; 159, 129; B G H Z 3, 270; 14, 163; L M Nr. 14 zu § 1004 (wer das Einwirken von Naturkräften ermöglicht, ist Störer). ioia) Vgl. Düsseldorf N J W 53, 1394; Hamm N J W 54,273; L G Köln in B B 55, 179; N J W 56, 1564. Hodes in N J W 54, 1345. Vgl. auch B G H in N J W 1958, 1581 (Bei einer durch Kriegseinwirkung ausgebauchten Kommunmauer kann der Nachbar zwar nicht als Störer i. S. von § 1004, wohl aber aus § 812 und § 242 B G B in Anspruch genommen werden für die beim Aufbau der Mauer entstehenden Mehrkosten). 101

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Die Eigentumfreiheitsklage

§ 3 8

IV 2

Weil nur eine zuständlicheEigentumsbeeinträchtigung den negatorischen Anspruch erzeugt, so ist Beklagter nicht notwendig derjenige, welcher die Handlung, durch welche der Zustand der Beeinträchtigung herbeigeführt wurde, vorgenommen hat, sondern derjenige, durch dessen Willen dieser Zustand aufrecht erhalten wird 106 ). Deswegen kann gegen denjenigen, welcher einen Zaun über die Grenze gebaut hat, die Eigentumfreiheitsklage dann nicht mehr erhoben werden, wenn er vor der Klagezustellung das Grundstück oder auch nur den Teil des Grundstücks, von welchem der Zustand derBeeinträchtigung ausgeht 106 ),an einen anderen veräußert hat 107 ). Regelmäßig ist der Eigentümer als Vertreter des Grundstücks der richtige Beklagte 108 ); so ist der neue Erwerber der Klage unterworfen, wenn er nicht für sofortige Beseitigung des Beeinträchtigungszustandes sorgt 109 ). 106

) M. 3, 425 (Mugdan 3, 327); Bietmann Bern. 2 zu § 1004. R G 92, 176; 103, 176. ) R G 103, 176 läßt dies dahingestellt. ) Biermann Bern. 2 zu § 1004. R G 103, 176. Eine andere Frage ist, ob nicht die Beseitigung als Anspruch auf Schadenersatz wegen Verschuldens (Wiederherstellung des früheren Zustandes) verlangt werden kann (§§ 823, 249 BGB), vgl. O L G 4, 65; 18, 129; SeuffA 56 Nr. 20. Hat der Beklagte Eigentümer nach der Einreichung und vor der Zustellung der Klage das Grundstück veräußert, so kann er auf Ersatz der hierdurch dem Kläger erwachsenen Kosten nur dann in Anspruch genommen werden, wenn er den Zustand der Beeinträchtigung s c h u l d h a f t herbeigeführt oder aufrecht erhalten hat; in diesem Falle ist er schadenersatzpflichtig nach § 823 B G B und zu dem von ihm herbeigeführten Schaden gehören auch die Kosten des Prozesses, der infolge des Eigentumswechsels nicht mehr durchgeführt werden kann. War die Klage schon zugestellt, so ist § 266 Z P O anzuwenden; vgl. R G 40, 333. Gruchot 43, 510; 49, 663. R G Komm. Bern. 2 zu § 1004. Immer dann kommt § 266 Z P O zur Anwendung, w o gewissermaßen das Grundstück selbst als das berechtigte oder verpflichtete Subjekt und der jeweilige Eigentümer nur als dessen Vertreter erscheint. Das ist bei der Eigentumfreiheitsklage auf der aktiven Seite immer, auf der passiven dann der Fall, wenn der Beklagte als Eigentümer des Grundstücks verklagt wird, von dem die Einwirkung ausgeht. Das gilt nicht nur für den Beseitigungs-, sondern auch für den Unterlassungsanspruch. Die gegenteiligen Entscheidungen J W 1912, 471 (RG) und O L G 31, 42 (Rostock) schaffen, indem sie Wert darauf legen, ob der Beklagte ein R e c h t zu der Einwirkung behauptet, unklare Verhältnisse. Mit einer Verurteilung des bisherigen Eigentümers, der über das Grundstück zu verfügen nicht mehr berechtigt ist, ist nicht gedient. Es muß trotzdem gegen den Erwerber geklagt werden. Vgl. Warneyer E. 1 9 1 1 Nr. 331. (Der Verkäufer, der gewußt hat, daß die Beeinträchtigung durch den Erwerber herbeigeführt werden würde, ist nicht als Störer anzusehen.) loe 107

108

) Recht 1904, 167 Nr. 764 (RG). R G 103, 176. ) R G 103, 177 (JW 1922, 486), wo mit Recht der Ansicht RGKomm. Bern. 3 zu § 1004 entgegengetreten wird, daß der Erwerber, der dem Nachbar sofort sein Einverständnis mit der Beseitigung erkläre, nicht auf seine Kosten zu beseitigen, sondern nur die Beseitigung auf Kosten des Nachbars zu dulden brauche. — Vgl. SeuffA 48 Nr. 247; R G 15, 344; Dernburg 439. Bolze 6 Nr. 85 verurteilt den Eigentümer eines Grundstückes, dessen Vorbesitzer Abfälle und Rückstände von der Vaselinfabrikation auf dem Grundstücke hat eingraben lassen, welche noch nach dem Besitzwechsel auf das Nachbargrundstück nachteilig einwirken, sogar auf Schadenersatz. 109

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§ ött

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

IV 2

Aus dem gleichen Grunde kann wegen eines vom Mieter oder Pächter eines Grundstücks herbeigeführten körperlichen Zustandes der Beeinträchtigung regelmäßig neben dem Mieter und Pächter auch der Vermieter und Verpächter mit der Eigentumfreiheitsklage belangt werden 110 ). Besteht die Beeinträchtigung nicht in einem körperlichen Zustand, sondern in einem Zustand der Gefährdung durch Wiederholung der Einwirkung 111 ), so haftet der Vermieter nur dann für diesen vom Mieter herbeigeführten Beeinträchtigungszustand, wenn er das Grundstück dem Mieter zu einer derartige Eigentumsübergriffe in sich schließenden Benützung überlassen hat oder doch wenigstens von den ihm gebotenen Mitteln, den Mieter von einer Wiederholung der ihm bekannt gewordenen Eingriffe abzuhalten, keinen vollen Gebrauch gemacht hat 112 ). Dabei muß man den Vermieter in letzter Linie sogar dafür verpflichtet erachten, zu diesem Zwecke gegen seinen Mieter mit Klage auf Unterlassung vorzugehen 113 ). Aus demselben Grunde ist die Stadtgemeinde dafür verantwortlich, daß die Ortseinwohner in den von der Stadtgemeinde eingerichteten und den Ortseinwohnern zur Ableitung der Abwässer überlassenen Kanal Fäkalien einleiten und es kann daher die Eigentumfreiheitsklage wegen hierdurch entstehender übler Gerüche in diesem Falle selbst dann gegen die Stadtgemeinde gerichtet werden, wenn sie die Einleitung von Fäkalien verboten hat 114 ). Gehen unzulässige Einwirkungen von m e h r e r e n Immissionsquellen aus (es werden z. B. von verschiedenen Betrieben übelriechende Abwässer 110 ) R G 47, 162; 97, 26; L Z 1919, 32; (NG). Gruchot 57, 1003. J W 1900, 840. Der Vermieter kann dem Anspruch nur durch den Nachweis entgehen, daß der Mieter das gemietete Grundstück ohne sein Wollen und Wissen mißbraucht hat ( R G 47, 162; RGKomm. Bern. 3 zu § 1004). m ) Siehe oben Anm. 52. 112 ) Vgl. J W 1901, 5 1 ; 1904, 142; Recht 1904, 165 Nr. 737; R G 47, 162; SeuffA 48 Nr. 247; 57 Nr. 9; J W 1900, 323 Nr. 33; Mugdan, O L G 3, 1 1 ; Bad. Rspr. 1916, 1 7 ; vgl. O G H 5, 641 (Klage gegen den Eigentümer, der die Veränderung seines Eigentums durch einen anderen gestattet). U3 ) Vgl. J W 1901, 5 1 ; Recht 1917 Nr. 2003; 1918 Nr. 1372; 1919 Nr. 429 und dagegen O L G 3 , 1 1 . Hat sich der Vermieter durch entsprechende Bestimmungen des Mietvertrages die Klagestellung gegen den Mieter wegen Mißbrauchs unmöglich gemacht, so hat er im voraus unzulässigerweise seine Einwilligung zu Störungen des Nachbars erteilt. Gruchot 46, 654 (RG). 114 ) Vgl. J W 1901, 52; BayZ 1918, 50 (RG); O b L G 1 , 3 1 3 ; O L G 18, 123 (Eindringen von Gerüchen und Ratten aus Straßenkanälen). Bedenklich Recht 1903, 551 Nr. 2792 (Celle). Beklagter hatte seinem Nachbar gestattet, Abwässer in den über das Grundstück des Beklagten führenden Graben zu leiten; von diesem Graben wurden die Abwässer dem Grundstück des Klägers zugeführt. Das O L G hat die Passivlegitimation des Beklagten verneint. Zu Unrecht: denn dadurch, daß der Beklagte seinen Graben zur Aufnahme der Abwässer hergegeben hat, ist die unzulässige Einwirkung ermöglicht worden. Neben ihm kann natürlich auch derjenige belangt werden, der die Abwässer in den Graben eingeleitet hat.

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Eigentumsfreiheits klage

§ 3 8 IV 2

in einen Fluß geleitet), so ist es zulässig, den Abwehranspruch nur gegen einen Betriebsinhaber zu erheben 115 ). Ist das Eigentum von mehreren gestört worden, und hat auf Verlangen des Eigentümers der eine Störer die Beeinträchtigung beseitigt, so kann dieser von dem anderen Störer Ersatz des Teils der Kosten, die er aufgewandt hat, nur dann verlangen, wenn er Eigentümer auch von dem anderen Störer die Beseitigung verlangt hatte; denn nur in diesem Falle kann auftragliche Geschäftsführung oder Bereicherung in Frage kommen (Recht 1924, Nr. 823). Keine notwendige Voraussetzung der Eigentumfreiheitsklage ist es, daß sich der Störer ein Recht zu dem Eingriff anmaßt, auch nicht, daß ihm die Störung als Verschulden anzurechnen ist 116 ). Hat jemand die Störung in fremdem A u f t r a g verübt, so hat sich die Klage in erster Linie gegen den Auftraggeber zu richten 117 ), doch kann auch der Beauftragte verklagt werden, wenn er den Zustand der Beeinträchtigung aufrecht erhält, sei es, daß er zur Beseitigung der Beeinträchtigung nach den Umständen in der Lage ist oder daß gerade auch von ihm noch weitere Störungen drohen 118 ). Dies trifft nicht zu bei dem Baumeister, welcher im Auftrag des Eigentümers einen Bau ausführt und wohl auch nicht bei dem Dienstknecht, der wiederholt auf Geheiß seines Dienstherrn über den fremden Acker fährt 119 ). Dagegen ist der Pächter eines landwirt116

) BayZ 1918, 50; R G 21, 500. ) Siehe oben I 4. 117 ) O G H 7, 6 1 ; J W 1898, 620 Nr. 67. Vgl. SeuffA 60 Nr. 10 (Der Bauherr ist verantwortlich für Benützung des fremden Grundstückes zu Baufuhren). Der Beauftragte kann der Klage die Einwendungen entgegensetzen, die dem Auftraggeber zustehen (Recht 1924 Nr. 1234). 118 ) RGKomm. Bern. 3 zu § 1004. Eitzbacher, Unterlassungsklage 173. StaudingerSpreng Randbem. 26; RGRKomm. Bern. 3c je zu § 1004; R G Z 97, 26; H R R 1940 Nr. 214. Vgl. auch B G H in N J W 1955, 1474 (Handeln auf Befehl der Besatzungsmacht). Dadurch, daß der Störer als Mitglied einer Gemeinde gehandelt hat, wird seine Passivlegitimation nicht ausgeschlossen (OGH 14, 240; SeuffA 48 Nr. 169), wohl aber wenn er ohne persönliches Interesse und erkennbar nur als (befugter) Vertreter der Gemeinde gehandelt hat. Ii«) Wenn der Knecht ohne Geheiß seines Dienstherrn über den fremden Acker fährt, so ist der Dienstherr nicht ohne weiteres passiv legitimiert; wenn er aber davon Kenntnis erlangt hat, daß sein Knecht über das fremde Grundstück gefahren ist, liegt ihm die Verpflichtung ob, seinen Knecht von einer Wiederholung, die nach den Umständen als möglich anzunehmen ist, abzuhalten. Der Dienstherr befreit sich nicht unter allen Umständen durch ein wenn auch ernstgemeintes und energisches Verbot von seiner Verantwortung. E r muß den Vollzug seines Verbotes sichern; dazu gehört, daß er seinem Dienstknecht ab und zu nachgeht. Freilich kann man ihm nicht zumuten, daß er immer auf der Lauer steht; aber er muß so viel tun, als man von einem verständigen und gerecht denkenden Mann verlangen kann. Folgt der Knecht seinem Herrn nicht, so wird strengere Überwachung und äußerstenfalls sofortige Entlassung wegen beharrlicher Gehorsamsverweigerung eintreten müssen, wenn sich nicht der Dienstherr der Passivlegitimation für die Eigentumfreiheitsklage aussetzen will; vgl. O G H 3, 1 5 3 ; 7, 61. Zu verweisen ist hier noch 116

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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§ Ott V 1

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

schaftlichen Guts, der den ihm vom Verpächter angewiesenen Weg über ein fremdes Grundstück nimmt, passiv legitimiert, ebenso wie der Verpächter. Der Einwand, daß noch andere als Störer hätten mitverklagt werden müssen, ist unzulässig 120 ). Behauptet der Beklagte, daß er die Beeinträchtigung in Ausübung des Rechts eines Dritten vorgenommen habe, so finden die §§ 76, 77 Z P O Anwendung 1 2 1 ) (nominatio autoris). Nach Veräußerung des Grundstücks des Beklagten während des Rechtsstreits ist der Erwerber nach § 266 ZPO verpflichtet, den Rechtsstreit zu übernehmen 122 ). V. B e w e i s l a s t 1. Der K l ä g e r hat zu beweisen, daß er Eigentümer ist 123 ). Ist er als solcher im Grundbuch eingetragen, so kommt ihm die Vermutung des § 891 B G B zustatten. Dem Kläger liegt ferner der Nachweis der Klageveranlassung ob; er muß also beweisen, daß ein Z u s t a n d der Beeinträchtigung vorliegt. Für den Anspruch auf Beseitigung muß das körperliche Verhältnis und für den Anspruch auf Unterlassung die Gefährdung durch die Besorgnis der Wiederholung 124 ) nachgewiesen werden. auf die Bestimmungen des Feldschadengesetzes (s. unten § 43 D I I I Bb 8). Hiemach muß der Dienstherr als Tierhalter Ersatzgeld nach Maßgabe des Art. 1 u. 2 Feldschadengesetzes bezahlen, wenn sein Knecht mit Spann vieh über fremde Äcker unbefugt fährt; denn das Fahren gilt als Übertritt des Spannviehs (Art. 1 Abs. 4 Feldschadengesetzes). 120 ) BayZ 1917, 50 (RG). Über die Beeinträchtigung durch mehrere Immissionsquellen s. oben S. 554 Anm. 123. 121 ) Staudinger Randbem. 27 zu § 1004. Wenn der Mieter dem Vermieter gegenüber zu den schädigenden Handlungen berechtigt wäre, kann er eine gegen ihn angestellte Klage auf Grund des § 76 Z P O auf den Vermieter abwälzen. Recht 1904, 165 Nr. 737; H R R 1940 Nr. 214. 122 ) Das gilt auch dann, wenn die Klage darauf gerichtet ist, daß der Beklagte die durch einen Bau bewirkte Beeinträchtigung der vom Kläger als Eigentum beanspruchten Grundfläche auf seine Kosten beseitige, während der Beklagte nicht nur das Eigentum des Klägers bestreitet, sondern auch dem Beseitigungsanspruch gegenüber sich auf § 912 beruft (ObLG 14, 704). 123 ) Eitzbacher, Unterlassungsklage 1 5 1 . War zu der Zeit, zu welcher der Nachbar den Besitz an einem Grenzstreifen dem Eigentümer vollständig entzogen hat (z.B. dadurch, daß er die Grenzmauer über die Grenze gerückt hat), der Kläger noch nicht Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks, so ist er gleichwohl zur Klage legitimiert. Der Beklagte kann nicht einwenden, daß dem Kläger von seinem Besitzvorgänger an der überbauten Fläche nicht eingeräumt werden konnte und der Kläger daher nicht der Eigentümer des Grenzstreifens geworden sei. Das Klagerecht ist mit dem beeinträchtigten Grundstück verbunden und geht daher von selbst auf den Nachfolger im Eigentum über es kann auch eine stillschweigende Zession des Klagerechts angenommen werden. 124 ) Siehe oben Anm. 52.

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Eigentumsfreiheitsklage

§ 3 8 V 2 , VI

Für den Nachweis der Beeinträchtigung ist im Falle des § 906 B G B genügend, wenn eine E i n w i r k u n g bewiesen wird; dies ergibt sich aus der Fassung des § 906 B G B , durch welche dem Immittenten die Beweislast für die Zulässigkeit der Immission überbürdet wird. Der Beklagte hat daher zu beweisen, daß entweder durch die Einwirkung die Benützung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt oder aber die Einwirkung durch eine Benützung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist 125 ). 2. Dagegen ist es Sache des Einredebeweises für den B e k l a g t e n , darzutun, daß die Beeinträchtigung erlaubt ist oder m.a.W., daß der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Der Kläger hat die Freiheit des Eigentums von einem Beeinträchtigungsrechte des Störers zwar zu behaupten, nicht aber zu beweisen, da für die Freiheit des Eigentums die Vermutung spricht. Darauf, ob sich der Beklagte im Besitze des angemaßten Beschränkungsrechtes befindet, kommt es also nicht mehr an 126 ). VI. G e r i c h t s s t a n d Für die Eigentumfreiheitsklage ist, soferne es sich um unbewegliche Sachen handelt, das Gericht a u s s c h l i e ß l i c h zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist (§24 Abs. 1 ZPO). Dabei kommt es auf die Lage desjenigen Grundstückes an, für welches die Freiheit in Anspruch genommen wird (§ 24 Abs. 2 ZPO) 1 2 7 ). Wird Klage erhoben, daß der Nachbar die Fenster entsprechend den Vorschriften des A G einrichten soll 128 ), so macht Kläger keine Belastung des Nachbargrundstückes geltend, sondern die Freiheit seines Grundstückes von der in den unzulässigen Fenstern liegenden Beeinträchtigung. Dasselbe gilt, wenn der Eigentümer des höher liegenden Grundstückes gegen den Nachbar klagt, daß er eine auf dessen tiefer liegendem Grundstück befindliche Anlage, durch welche der natürliche Wasserlauf zurückgestaut wird, beseitigen soll. In beiden Fällen ist deshalb für die Zuständigkeit die Lage des dem Kläger gehörigen Grundstücks entscheidend, weil die für das Nachbargrundstück statuierte gesetzliche Eigentumsbeschränkung für ihn eine Verstärkung seines Eigentumsrechtes bedeutet und daher durch Zuwiderhandeln gegen die Eigentumsbeschränkung sein Eigentum beeinträchtigt wird.

Der Gerichtsstand ist ein ausschließlicher, er kann also weder durch ausdrückliche, noch durch stillschweigende Vereinbarung beseitigt werden (§ 40 Abs. 2 ZPO). 125

) Siehe oben § 14 I V , 2. ) Staudinger Randbem. 51 zu § 1004 hebt dies unter Bezugnahme auf bayer. Landrecht II Kap. 7 § n und Art. 142 des A G zur Z P O hervor. 127 ) Vgl. R G 52, 4 1 4 ; 36, 237. 128 ) Siehe oben § 22. 12e

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VII

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Streitwert, der nach der Höhe des Interesses an der Beseitigung oder Unterlassung zu bemessen ist 129 ). Das Interesse an der Beseitigung umfaßt die Aufwendungen, welche die Beseitigung erfordern würde, und den Minderwert, den das Anwesen hätte, wenn die Beeinträchtigung dauernd geduldet werden müßte. Bei der Unterlassungsklage gegen Immissionen ist die Behauptung des Klägers über das Maß der Einwirkung maßgebend und die darnach anzunehmende Minderung der Erträgnisse (Miete) zu kapitalisieren130). Mit der Klage nach § 24 Z P O können nach § 260 ZPO andere Klagen, so insbesondere die Klage aus der unerlaubten Handlung, verbunden werden, wenn für diese derselbe Gerichtsstand gegeben ist. Wenn infolge einer durch eine unerlaubte Handlung herbeigeführten Eigentumsbeeinträchtigung ein Schaden entstanden ist, so ist dies regelmäßig 131 ) der Fall, da nach § 3 2 Z P O für die hieraus abgeleitete Schadenersatzklage das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen ist. Neben dem negatorischen Anspruch kann der auf Verschulden 132 ) gestützte Schadenersatzanspruch als Nebenanspruch auch ohne Angabe des Schadenbetrages erhoben werden 133 ). VII. Z u l ä s s i g k e i t des R e c h t s w e g s . Der Anspruch aus § 1004 ist nur gegeben, wenn es sich um eine auf privatrechtlicher Grundlage beruhende Störung handelt. Die Frage, ob gegen eine Eigentumsstörung der Rechtsweg vor dem ordentlichen ( = Zivilgericht) oder vor dem Verwaltungsgericht gegeben ist, läßt sich allein nach dem tatsächlichen Klagevorbringen und nicht nach der Rechtsauffassung des Klägers oder des Beklagten entscheiden. Vor das Verwaltungsgericht gehören alle auf öffentlichrechtlicher Grundlage beruhenden Streitigkeiten (§40 Abs. 1 S. 1 VwGO). Ausgenommen hiervon werden solche Angelegenheiten, die durch Bundesoder Landesgesetz ausdrücklich einem anderen Gerichte zugewiesen werden 129 ) R G 3, 394; J W 1904, 482; R G Warneyer 1916 Nr. 57. Der Streitwert der Störungsklage, die auf das Eigentum bei Nichtvorhandensein eines Mietverhältnisses gestützt wird, bestimmt sich nach § 6 Z P O durch den Bruchteil des Verkehrswertes des Grundstücks, der dem Verhältnis der benützten Räume zu den gesamten Räumen des Grundstücks entspricht ( J W 1923, 773). 130 ) Recht 1907 Nr. 2099 (RG); 1909 Nr. 2969 (RG). 131 ) Nicht immer. Wenn z.B. ein Schaden dadurch herbeigeführt wird, daß der Eigentümer des tiefer liegenden Grundstücks entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung eine Anlage errichtet, durch welche der natürliche Wasserablauf auf das höher liegende Grundstück zurückgestaut wird und die beiden Grundstücke in verschiedenen Gerichtsbezirken liegen, so fällt die Zuständigkeit aus § 32 Z P O mit der des § 24 Z P O nicht zusammen. 132 ) Verschulden (§ 823 Abs. 1) liegt vor, wenn der Störer die nachteiligen Folgen seines Handelns für den Eigentümer bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt voraussehen konnte (Gruchot 44, 870 RG). 133 ) PucheltsZ 32, 80 (RG).

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Eigentumsfreiheitsklage

§38 VIII

( V w G O § 40 Abs. 1 S. 2), ferner die in § 40 Abs. 2 V w G O ausdrücklich den ordentlichen Gerichten zugewiesenen Angelegenheiten wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung für das gemeine Wohl und des Schadensersatzes wegen Verletzung öffentlichrechtlicher Pflichten. Z u beachten ist die in § 41 V w G O festgelegte gegenseitige Bindung der ordentlichen Gerichte, der Verwaltungsgerichte, der Finanz-, Arbeits- oder Sozialgerichte an rechtskräftige Entscheidungen eines solchen Gerichts über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Rechtswegs vor einem dieser Gerichte sowie die Möglichkeit der Verweisung eines Rechtsstreits an ein derartiges Gericht mit bindender Wirkung 134 ). VIII. Einstweilige Verfügungen können sich anläßlich eines Eigentumfreiheitsstreites vielfach als notwendig erweisen. Einschlägig wird zumeist § 940 Z P O sein, so namentlich bei Immissionsprozessen. Durch einstweilige Verfügung kann z. B. die Nachtarbeit in einer Fabrik verboten werden, ja sogar ein Verbot der Errichtung einer Anlage kann durch einstweilige Verfügung auf Grund des § 940 Z P O erlassen werden. Bei Grenzüberschreitungen wird vielfach die Einstellung des Baues durch einstweilige Verfügung veranlaßt sein. Durch einstweilige Verfügungen kann dem Störer grundsätzlich kein eindeutig bestimmtes Handeln auferlegt werden; die richterliche Verfügung kann vielmehr in aller Regel nur dahingehen, daß der Schuldner übermäßige Einwirkungen fernhalte. Nur wenn im Einzelfall eine ganz bestimmte Verhaltensweise in Betracht kommt oder wenn der Schuldner sich mit einer bestimmten Maßnahme selbst einverstanden erklärt oder eine solche stillschweigend hinnimmt, ist diese zulässig 135 ). Der Richter ist hier vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Zwar ist die Partei, welche die einstweilige Verfügung erwirkt hat, nach § 945 Z P O auch ohne Verschulden, dem Gegner, zum Schadenersatz verpflichtet wenn sich hinterher die einstweilige Verfügung als unberechtigt erweist. Z u m Vollzug dieser Vorschrift gehört aber ein zahlungsfähiger Gegner und gerade ein solcher wird sich die Beantragung einer solch einschneidenden einstweiligen Verfügung gerade mit Rücksicht auf seine Ersatzpflicht doppelt überlegen. Namentlich in größeren Städten sind die durch eine Baueinstellung entstehenden Verluste sehr bedeutend. Bei Würdigung der in das reine 1 3 i ) Vgl. B G H in MDR 6o, 652 (Verpflichtung eines Bauherrn aus der RGaragenO. hat öffentl. Charakter); B G H 5, 60 = NJW 52, 622; B G H 14, 294 = NJW 54, 1483 (gewerbl. Bestattungsunternehmen); RG 103, 18; JW 1920, 366 u. 1921, 743; BayOb.22,

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135 ) Vgl. Hodes NJW 1954, 644; Meisner-Stern-Hodes § 38 II, 2a; O L G Köln in NJW 1953, 1592; O L G Neustadt in MOR 60, 408.

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I

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

Ermessen des Richters gestellten Frage wird der Richter neben anderen Erwägungen zu prüfen haben, ob nicht die durch die Baueinstellung für den Bauherrn entstehenden Schäden außer allem Verhältnis zu den Nachteilen stehen würden, welche eine Fortsetzung des Baues für den Nachbar bis zur Beendigung des Prozesses bringen würde. Trotz der allgemeinen Fassung des § 938 ZPO kann im Unterlassungsstreit durch einstweilige Verfügung so wenig eine bestimmte Maßnahme angeordnet werden, als im Hauptprozeß, da § 938 ZPO seine Schranke im Inhalt des zu sichernden Hauptanspruchs findet 136 ). Zur Verhütung von Grenzverdunkelungen kann eine vorübergehende Sequestration auf Grund des § 935 ZPO in Frage kommen. Diese Bestimmung wäre für ein einstweiliges Verbot des Abbruchs einer strittigen Mauer anzuwenden. IX. Schadenersatz kann aus § 1004 B G B nicht gefordert werden (s. jedoch unten § 43 A ; besonderer Verpflichtungsgrund!). § 39. Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage gegenüber Interessen des Gemeinwohls I. Der Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 B G B kann im Hinblick auf die Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 G 6) nicht durchgesetzt werden, wenn I n t e r e s s e n der A l l g e m e i n h e i t entgegenstehen. In einer Reihe von Gesetzen wird demnach dem Grundeigentümer die Befugnis entzogen, die Beseitigung oder Unterlassung von Beeinträchtigungen seines Eigentums zu verlangen. Das gilt insbesondere gegenüber gewerblichen (industriellen Betrieben, die nach § 26 GewO behördlich genehmigt worden sind, ferner gegen Bergwerksbetriebe gem. Art. x ff., 24 u. 44 BayBergG, da dem Bergwerkseigentümer ein Vorrecht gegenüber dem Grundeigentümer eingeräumt ist. Auch im Gesetz über die Beschränkung der Nachbarrechte vom 31. 12. 1933 (RGBl. I, 1058) und im Gesetz vom 18. 10. 1935 (RGBl. I, 1247) ist ausdrücklich bestimmt, daß der Eigentümer eines Grundstücks gegenüber den durch diese Gesetze bevorzugten Betrieben, z. B. Krankenhäuser, Badeanstalten, weder die Einstellung des Betriebs noch die Herstellung besonderer Einrichtungen zum Schutze gegen schädliche Einwirkungen auf sein Grundstück verlangen kann. Für solche Fälle, in denen dem Eigentümer der Abwehranspruch auf gesetzlichem Wege entzogen ist, hat die Rechtsprechung zunächst in Anwendung des in §§ 74, 75 EinlPrALR niedergelegten allgemeinen 136

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) Kreß J W 1909, 5.

Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw.

§

"" II

Rechtsgedankens, wonach „ d e r Staat denjenigen, welcher seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wird, zu entschädigen gehalten ist", einen sog. Aufopferungsanspruch als Ersatz für die dem Eigentümer auferlegte Einbuße seiner Rechte zugebilligt. Neuerdings hat der Bundesgerichtshof (seit B G H Z 6, 270) im Hinblick auf Art. 3 G G (Gleichheitsgrundsatz) jede Beeinträchtigung der Eigentümerrechte als Enteignung oder als enteignungsgleichen Eingriff anerkannt. Das gilt insbesondere für alle Fälle, in denen einem Grundeigentümer der A b wehranspruch aus § 1004 A b s . 1, § 985 ff. B G B versagt und ihm ein Sonderopfer zugunsten der Allgemeininteressen auferlegt wird, weil insoweit der Gleichheitsgrundsatz beachtet werden müsse. Z u m Ausgleich für dieses Sonderopfer soll dem Eigentümer eine volle oder mindestens angemessene Entschädigung in Geld und zwar ohneNachweis eines Verschuldens gewährt werden. Die Entschädigungspflicht trifft in solchen Fällen denjenigen, der durch den Enteignungseingriff unmittelbar begünstigt wird 1 ). Bei Immissionen i.S. v o n § 906 B G B wird nunmehr durch die Neufassung des § 906 A b s . 2 S. 2 B G B v o m 22. 12. 1959 (BGBl. I, 781) jedem Grundeigentümer ein angemessener Ausgleich in Geld als Ersatz für solche Einwirkungen gewährt, die eine ortsübliche Benützung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen. II. Durch die Bestimmungen des § 26 der G e w O und durch Art. 80 A G zum B G B , welche als lex specialis den Vorschriften des B G B vorgehen, wird für die dort vorgesehenen Fälle eine Beschränkung bzw. Änderung des Eigentumfreiheitsanspruchs herbeigeführt. Es kann nämlich einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage gegenüber ( § 2 6 der G e w O ) und Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- und ähnlichen Unternehmungen gegenüber, welche dem öffentlichen Verkehr dienen (Art. 80 A G ) , niemals auf Einstellung des Betriebes, sondern nur auf Herstellung v o n Einrichtungen, welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen oder, w o solche Einrichtungen nicht tunlich (mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar) sind, auf Schadloshaltung geklagt werden. D e n Schutz des § 26 G e w O genießt nur die fertige Anlage; die A b w e h r von Störungen, die bei der Herstellung der Anlage erfolgen, wird daher durch § 26 nicht beschränkt 2 ).

§ 39 *) Vgl. BGHZ 6, 270; 9, 83; 11, 148; 13, 88; LM zu § 75 EilPrALR; über den Unterschied zwischen Aufopferungsanspruch und Enteignung vgl. BGH in N J W 1954, 993; Kühne in NJW 1957, 609 (611); zum Schutz gegen Immissionen vgl. BGHZ = 16, 366 = N J W 1955, 747 (kein Entschädigungsanspruch des Imkers bei Schädlingsbekämpfung; N J W 1955, 19 (Zuführung schädlicher Gase — §26 GewO). 2 ) OLG 39, 213 (Arbeiteraborte während der Bauausführung).

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II 1,2

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

§ 26 G e w O gibt einen Schadenersatzanspruch gegen Einwirkungen, die v o n einem nach § 1 6 G e w O genehmigten Betrieb ausgehen und über das in § 906 B G B vorgesehene Maß der Beeinträchtigung hinausgehen. Ersat2 zu leisten ist nur für die Folgen des Teils der Einwirkungen, der die Grenzen des nach § 906 B G B Erlaubten überschreitet 23 ). § 26 der G e w O 3 ) setzt voraus: 1. einen Anspruch a u f G r u n d d e s g e s e t z l i c h e n N a c h b a r r e c h t s . Eine auf besonderem privatrechtlichem Titel (Grunddienstbarkeit oder obligatorischer Zusage) beruhende K l a g e kann auf Unterlassung auch dann gerichtet werden, wenn der Unterlassungsanspruch nur durch Einstellung des Betriebs erfüllt werden kann 4 ). 2. Eine gewerbliche Anlage, für welche die Gewerbeordnung besondere behördliche Genehmigung erfordert. Die Gewerbeordnung enthält ein V e r zeichnis dieser Anlagen in § 16 A b s . 1 i.d.F. v o m 22. 12. 1959 ( B G B l . I, 7 8 1 ) . Hierzu kommen dann noch die in § 24 der G e w O angeführten Dampfkessel. Unter § 16 R G e w O fallen beispielsweise Gasanstalten, Kalk-, Ziegelei- und Gipsöfen, chemische Fabriken, Feuerwerkerei (Luftfeuerwerk, Herstellung v o n Gewehr- und Geschützmunition, Leim- und Seifensiedereien, Schlächtereien, Gerbereien, unter Umständen 6 ) auch Müllverbrennungsanlagen. „Gewerbliche A n l a g e n " im Sinne des § 16 R G e w O sind Vorrichtungen zur gewerblichen Erzeugung. Niederlagen (z.B. v o n Lumpen) fallen n i c h t 2a) Vgl. R G Z 139, 29. § 16 GewO ist durch Ges. v. 22. 12. 1959 (BGBl. I, 781) in Verb, mit V O v. 4. 8. i960 (BGBl. I, 690) geändert worden. Diese V O enthält den erschöpfenden Katalog aller genehmigungspflichtigen gewerblichen Anlagen. Zu beachten ist aber, daß nun in § 16 Abs. 2 GewO auch Anlagen des Bergwesens sowie Anlagen, die nichtgewerblichen Zwecken dienen, sofern sie im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gemäß § 16 Abs. 1 GewO genehmigungspflichtig sind. Außerdem ist durch die Neufassung des § 25 GewO die ges. Handhabe geschaffen, genehmigungspflichtige Betriebe laufend dahin zu überprüfen, ob für die Nachbarn oder das Publikum erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen drohen. Für den Fall eines unzureichenden Schutzes der Allgemeinheit können dann nachträglich technische Einrichtungen angeordnet werden, die nach dem Stand der Technik erfüllbar und wirtschaftlich vertretbar sind. 3 ) Die Art. 80 A G ; Art. 56, 178 W G stellen die gleichen Voraussetzungen auf, wie § 26 GewO. 4 ) Mandry, Der zivilrechtliche Inhalt der GewO 371; R G 93, 103; O G H 1 1 , 520. — In solchen Fällen kann die Verwaltungsbehörde die Bewilligung vorbehaltlich zivilrechtlicher Austragung erteilen oder bis zur Beseitigung des Einspruchs versagen ( V G H 2, 94). In R G 93, 105 ist daraufhingewiesen, daß bei einem vertragsmäßigen Anspruch die Einrede der nachträglichen Unmöglichkeit (Millionenschaden) in Frage kommen könne (§§ 275> 2 4 2 BGB). Vgl. auch Landmann-Rohmer-Eyermann Anm. x zu § 26 GewO. 5 ) Auf Herstellung von Lohkuchen durch einen Gerber, getrennt von der GerbereiBetriebsstätte (SeuffBl. ErgBd. 5, 1 1 3 . 584

Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw.

§ 3 9 113

darunter, wenn sie nicht Bestandteil einer solchen Anlage sind6). Die Kläranlagen einer Stadt fallen n i c h t unter § 16 7 ). Zu den gewerblichen Anlagen gehören außer den Betriebsstätten die Z u b e h ö r u n g e n , d.h. alles, was zur zweckentsprechenden Herstellung der genehmigungspflichtigen Anlage nötig ist, also auch die zur Fortschaffung von Abfällen und Abwässern erforderlichen Einrichtungen 8 ), nicht dagegen auch weitere Anlagen des Betriebs, die nicht der genehmigungspflichtigen Anlage und ihrerBenützung dienstbar sind9). Deshalb findet § 26 RGewO keine Anwendung auf die außerhalb der Gasbereitungs- und -bewahrungsanstalt befindliche, in dem Rohrnetz verkörperte Anlage, die dazu dient, das bereitete Gas den Straßen und Häusern zuzuführen 10 ); 3. Die b e h ö r d l i c h e G e n e h m i g u n g muß von der zuständigen Behörde e r t e i l t worden sein 11 ). Es ist eine Genehmigung im Sinne der Gewerbeordnung erforderlich. Die gewöhnliche p o l i z e i l i c h e Genehmigung ist nicht einschlägig 12 ). Der Schutz des § 26 wird nur für den genehmigten Dampfkessel (§24 GewO), nicht aber für die mit diesem ein Ganzes bildenden nicht genehmigten Anlagen, z.B. eine mit dem Dampfkessel verbundene Dynamomaschine gewährt 13 ). Denn im Gegensatz zu den Fällen des § 16 der GewO, in denen die g e s a m t e gewerbliche Anlage mit allem, w a s dazu g e h ö r t , der gewerbepolizeilichen Genehmigung bedarf, ist dies in § 24 der GewO ausdrücklich auf einen bestimmten Teil der Anlage (den Dampfkessel) beschränkt. Die Gewerbebetriebe selbst werden, falls sie an sich nicht genehmigungspflichtig sind, dies auch nicht dadurch, daß sie Dampfkessel benützen, welche der Genehmigung bedürfen. Der Schutz des § 26 GewO ist daher im Falle des § 24 der GewO nur für die Dampfkesselanlage selbst, nicht aber auch für die Feuerungsanlage

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) SeuffBl. 69, 21 (ObLG). ) BayZ 1918, 50 (RG). ) V G H 13, 342; Voraussetzung der Anwendung des § 26 R G e w O auf eine für den Fabrikbetrieb notwendige Anlage zur Fortschaffung der Abwässer ist jedoch, daß diese Anlage in dem der Behörde eingerichteten Plane vorgesehen war ( R G 86, 234). 9 ) Vgl. R G 104, 82. 10 ) R G 63, 274. u ) Diese Voraussetzung ist auch gegeben, wenn die Konzession vor Inkrafttreten der G e w O nach Landesrecht erteilt ist, sofern die Errichtung einer solchen Anlage nach § 16 R G e w O jetzt der Genehmigung bedarf (Riehl bei Gruchot 51, 1 5 2 ; J W 1886, 120 R G ; Bolze 2 Nr. 1 5 1 ; Warneyer E . 14 Nr. 189; a.M. R G 1 1 , 1 8 5 ; Bolze 2 Nr. 150). 12 ) Landmann, G e w O Anm. 3 zu § 26. Recht 1903, 557 Nr. 2887 für eine nur der polizeilichen Erlaubnis bedürfende Eismaschine einer Brauerei. 13 ) R G 40, 182. SeuffA 38 Nr. 159 (RG). 7

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V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

gegeben 14 ), obwohl ohne diese eine Benützung des angelegten und genehmigten Dampfkessels gar nicht möglich ist. Stauanlagen15) mit Wassertriebwerken sind in der V O vom 4. 8. i960 zu § 16 GewO i.d.F. vom 22. 12. 1959 nicht mehr aufgeführt, fallen somit nicht mehr unter § 26 GewO. Für sie gelten nun die Bestimmungen des W H G vom 27. 7. 1957 (BGBl. I, 1 1 1 0 ) in Verb, mit dem BayWG von 1907 nebst Übergangsgesetz zum 1 . 3 . i960. Hiernach ist bei nachteiligen Einwirkungen infolge einer Wasserbenutzung zu unterscheiden: a) Für nachteilige Wirkungen, die durch Änderungen in der Beschaffenheit des Wassers herbeigeführt werden, ist die Yerursachungshaftung in § 22 W H G und Art. 37 Abs. 5 BayWG von 1907 16 ) vorgesehen. Der Einwirkende ist hier grundsätzlich für allen Schaden verantwortlich, der einem Dritten durch Einbringen oder Einleiten von Stoffen usw. (§ 20 Abs. 1 u. 2 WHG) entsteht. Eine Ausnahme gilt nur bei höherer Gewalt. b) Beeinträchtigungen von Rechten Dritter infolge einer Wassernutzung, die auf Grund einer Erlaubnis (§7 WHG) oder einer Bewilligung (§8 WHG) 1 7 ) gestattet ist, werden im wasserrechtlichen Verfahren auf entsprechende Einwendungen des Betroffenen hin nach Möglichkeit im Wege von Auflagen zu vermeiden gesucht. Eine Bewilligung darf grundsätzlich nur erteilt werden, wenn nachteilige Wirkungen gegenüber Rechten Dritter durch Auflagen oder Bedingungen verhütet oder ausgeglichen werden können. Ist das nicht möglich, so darf eine Bewilligung aus Gründen des Gemeinwohls erteilt werden. In diesem Falle ist jedoch der Betroffene zu entschädigen. Konnte der Betroffene während des wasserrechtlichen Verfahrens nachteilige Wirkungen nicht voraussehen, so hat er Anspruch auf nachträgliche Festsetzung von Auflagen. Falls sich jedoch die Nachteile durch nachträgliche Auflagen nicht mehr vermeiden lassen, so hat der Betroffene Anspruch auf Entschädigung ( § 1 0 Abs. 2 WHG). Ist eine Bewilligung rechtskräftig erteilt, so kann ein in seinen Rechten Betroffener keine Ansprüche mehr geltend machen, die auf Beseitigung der Störung, auf Unterlassung der Wassernutzung, auf Herstellung von Schutzvorrichtungen oder auf Schadensersatz gerichtet sind (§ 1 Abs. 1 S. 1 WHG). Nur für den Fall, daß die schädlichen Wirkungen in einer Veränderung der Wasserbeschaffenheit (durch Einbringen von Stoffen usw. § 20 Abs. 1 u. 2 WHG) bestehen, und daß hierbei auf Grund des § 1 1 Abs. 1 WHG der Anspruch auf Schadensersatz ausgeschlossen ist, kann der Betroffene eine Entschädigung dann beanspruchen, wenn die nachteiligen 14

) ") 16 ) ")

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SeuffA 53 Nr. 180. — Vgl. V G H 2, 291. Vgl. V G H 26, 338; Riederer-Sieder Art 50 W G Randb. Vgl. Art 20 Entwurf zu Bay WG, Zandt. Drucksache Nr. 13 94 v. 6. 5. 60. Vgl. unten § 39 u. § 43 D III Bb 7.

Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw.

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Wirkungen auch durch nachträgliche Auflagen nicht verhütet oder ausgeglichen werden können (§ 10 Abs. 2 WHG). Der in Art. 5 9 B a y A G B G B vorgesehene Vorbehalt einer Gefährdungshaftung bei Stauanlagen oder Talsperren an öffentlichen Gewässern dürfte durch die Bestimmungen des W H G überholt sein; sie soll auch nach Art. 104 des Entwurfs zu einem neuen BayWG (Landtagsdrucksache Nr. 1394 vom 6. 5. i960) aufgehoben werden. 4. Die gewerbliche Anlage muß unter E i n h a l t u n g der in der b e h ö r d l i c h e n G e n e h m i g u n g g e m a c h t e n A u f l a g e n , durch welche eine Verminderung der betreffenden Einwirkungen bezweckt wird, errichtet worden sein18). Dabei ist zu beachten, daß für eine Veränderung der Betriebsstätte19) und soweit die Anlagen des § 16 RGewO in Betracht kommen, auch für eine wesentliche Änderung 20 ) im Betrieb Genehmigung erforderlich ist (§ 25 RGewO). Ist dem Unternehmer bei der Konzession die E i n h a l t u n g v o n B e d i n g u n g e n auferlegt worden, so kann im Falle des § 907 B G B Klage erhoben werden, daß der Betriebsunternehmer die fernere Überschreitung der ihm seinerzeit auferlegten Konzessionsbedingungen unterläßt21). Handelt der Unternehmer den ihm auferlegten Konzessionsbedingungen zuwider, so kann er insoweit nach den Grundsätzen der gewöhnlichen Eigentumfreiheitsklage in Anspruch genommen werden 22 ). Dem Unternehmer liegt der Beweis ob, daß die Einwirkung durch eine konzessionierte Betriebshandlung herbeigeführt wird 23 ). Würde an sich nicht der Beseitigungsanspruch (§ 907), sondern nur der allgemeine Unterlassungsanspruch (§ 1004) bestehen, so wäre die Klage darauf zu richten, daß der Beklagte die 18

) Vgl. SeuffA 38 Nr. 159. ) Betriebsstätte ist der gesamte zur Ausübung benützte Raum mit allen integrierenden Bestandteilen (SeuffBl. 70, 398). 20 ) Die Änderung ist wesentlich, wenn dadurch stärkere Belästigungen für die Nachbarn herbeigeführt werden (vgl. P r O Y G 10,260; 2 4 , 3 1 6 ; 29,286 u. 309; SeuffBl. 70, 398i). Die Herstellung einer neuen Abwasseranlage ist eine wesentliche Änderung (vgl. PrMinBl. für Handel u. Gewerbe 1915, 390). Reger 27, 348 (neuer Kamin für Dampfkessel); 32, 201 (nur geringfügige Änderungen sind nicht wesentlich); 35, 246 (entscheidend ist der Inhalt des Genehmigungsbescheids); BayObST 14, 85 (neue Betriebsart an Stelle oder neben der bisherigen. 21 ) Reger 10, 385. — Landmann, G e w O Anm. 5 zu § 26. 22 ) Bei einem Verstoß gegen die in der Genehmigungsurkunde getroffenen Anordnungen wird aus § 823 Abs. 2 B G B auf Schadenersatz gehaftet (BayZ 16, 91 RG). § 16 G e w O verbietet den Gewerbebetrieb, der nicht genehmigt ist. Wird die Genehmigung unter Bedingungen und Auflagen erteilt, so ist durch § 16 G e w O der Betrieb, bei dem die Bedingungen und Auflagen nicht eingehalten sind, verboten. Nicht die Anordnung der Verwaltungsbehörde stellt das Schutzgesetz dar, wie das R G a.a.O. sagt, sondern § 16 GewO. 23 ) Riehl bei Gruchot 51, 152. 19

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V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw. II 1

unzulässigen Einwirkungen insoweit unterläßt, als sie bei Einhaltung der Konzessionsbedingungen ausgeschlossen wären. II. Es ist nun zu untersuchen, inwieweit § 26 der GewO auf die einschlägigen Vorschriften des B G B einwirkt. Vor allem ist zu beachten, daß § 26 der GewO zur Förderung des Gewerbebetriebes eingeführt wurde. Es wollte also n i c h t etwa g e g e n den Gewerbebetrieb ein Anspruch begründet werden, der nach den allgemeinen Vorschriften nicht bestehen würde. Der Anspruch, welcher zum Schutze des durch den Gewerbebetrieb belästigten Grundeigentümers durch die allgemeinen Vorschriften gegeben ist, sollte in seinen Voraussetzungen nicht erleichtert werden. Ein Anspruch auf Einstellung des Betriebes besteht auf Grund des § 906 B G B überhaupt nicht24). Soweit aber nach § 907 B G B ein Anspruch auf Beseitigung der ganzen Anlage besteht, ist er für die gewerblich konzessionierten Betriebe im Sinne des § 26 der GewO und für Verkehrsunternehmungen im Sinne des Art. 80 A G durch diese Bestimmungen ausgeschlossen. Es ist klar, daß, wenn § 26 der GewO und der auf diesen verweisende Art. 80 A G nicht einmal einen Anspruch auf Betriebseinstellung zuläßt, dadurch auch der weitergehende Anspruch auf Beseitigung der Betriebsanlage entzogen ist 25 ). Hiernach stellt sich die Rechtslage für die behördlich genehmigten gewerblichen Anlagen im Sinne des § 26 derGewO, und für die Verkehrsunternehmungen im Sinne des Art. 80 A G , wie folgt dar: 1. Der etwa an sich bestehende Anspruch auf B e s e i t i g u n g der Anlage (§ 907 B G B ) f ä l l t w e g ; an dessen Seite tritt der Anspruch auf Herstellung der t u n l i c h e n E i n r i c h t u n g e n , welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen. Aber nur solche Einrichtungen können verlangt werden, welche tunlich und mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes vereinbar sind. Mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes ist alles unvereinbar, was vom Standpunkt des Unternehmens aus das in wirtschaftlicher Beziehung Unzweckmäßige in sich schließt26). Deshalb können unverhältnismäßig kostspielige Einrichtungen nicht verlangt werden, auch nicht Einrichtungen, die mit ganz erheblichen Betriebsstörungen verbunden wären. Besteht die Möglichkeit, daß nach Herstellung der tunlichen Einrichtungen doch noch unzählige Einwirkungen übrig bleiben, für welche der Unternehmer zur Schadloshaltung verpflichtet ist, dann kommt es darauf an, ob die Kosten der Vorkehrungen zu der hierdurch bewirkten Herab24

) Vgl. Mandry, Der zivilrechtliche Inhalt der G e w O 370. ) Vgl. Turnau-Förster Anm. 1 zu § 907. Für einen gleichwohl erhobenen Anspruch auf Beseitigung ist der Rechtsweg zulässig ( J W 1908, 302). Vgl. auch R G 139, 29. 28 ) Gruchot 42, 1 3 8 ; vgl. R G 93, 103. 26

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§39 112

minderung des Ersatzanspruchs in einem entsprechenden Verhältnis stehen27). Der Nachbar braucht sich regelmäßig28) nicht damit zu begnügen, daß die Beeinträchtigung vom Unternehmer durch Betriebseinstellung vermieden wird. E r könnte jeden Augenblick doch wieder begonnen werden und gerade gegen solche Gefährdung wäre an sich der Anspruch auf Beseitigung gegeben, an dessen Stelle aber der mindere auf Herstellung von Einrichtungen tritt. Ist Ausschließung nicht möglich, so kann der Eigentümer des leidenden Grundstücks verlangen, daß Einrichtungen getroffen werden, welche die benachteiligenden Einwirkungen auf ein erträgliches Maß herabsetzen29). Der Anspruch auf Herstellung und Unterhaltung solcher Einrichtungen ist ein dauernder; er besteht solange, wie die beeinträchtigende Anlage. Daher ist die Klage nicht abzuweisen, wenn der Beklagte erst im Laufe des Rechtsstreits Vorrichtungen getroffen hat, welche die beeinträchtigenden Einwirkungen in Wegfall bringen 30 ). Der Klageantrag und die Verurteilung dürfen n i c h t auf Herstellung konkret b e s t i m m t e r Einrichtungen gerichtet werden, weil der Unternehmer in der Auswahl der ihm zu Gebote stehenden Schutzmaßregeln nicht beschränkt werden darf 3 1 ). Dies bleibt der Zwangsvollstreckungsinstanz vorbehalten (§§ 887, 888 ZPO) 32 ). Behauptet der Beklagte, daß die Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen oder mindern, überhaupt nicht tunlich ist, so trägt er hierfür im Prozesse die Beweislast. 2. Der allgemeine A n s p r u c h 3 3 ) auf U n t e r l a s s u n g der Beeinträchtigung (§§ 1004, 862 B G B ) fällt dann weg, wenn Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, u n t u n l i c h sind. Denn wenn dies der Fall ist, dann könnte der Unternehmer nur durch Einstellung des Betriebes dem Anspruch auf Unterlassung gerecht werden. Gerade das soll aber von ihm nach § 26 der GewO bzw. Art. 80 A G nicht verlangt werden können34). Der Anspruch auf Unterlassung einer Einwirkung von Seite 27 ) R G 86, 234. R G 147, 353 (Schutzvorrichtungen an Starkstromleitung über einer Straße); 156, 320 (Vorrichtung gegen Flugkoks aus Brauerei); J W 1 9 3 1 , 3444; 1938, 2969. 28 ) Vgl. oben S. 544. 29 ) J W 1896, 210; 1900, 895; 1902, Beil. 202; O L G 36, 157. 30 ) R G 36, 1 7 8 ; J W 1896, 210 Nr. 37; 1898, 610 Nr. 41. 31 ) R G 36, 1 7 8 ; Gruchot 51, 1 4 2 ; Recht 1906 Nr. 1288; Reger 23, 196; Recht 1919 Nr. 1786; Hodes in N J W 54, 644. 32 ) Riehl bei Gruchot 51, 1 5 3 ; R G 60, 120; SeuffA 59 Nr. 21 (RG). 33 ) Nach § 51 G e w O kann die höhere Verwaltungsbehörde eine gewerbliche Anlage wegen überwiegender Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl jederzeit untersagen. Vgl. auch R G 105, 214. 34 ) Unrichtig WürttRV 1 9 1 3 , 247, Stuttgart, wonach nur eine auf Einstellung des Betriebs gehende Klage ausgeschlossen sein soll, nicht dagegen eine Klage auf Unter-

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III

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eines Unternehmens fällt auch dann weg, wenn Maßnahmen, durch die eine Beeinträchtigung verhindert werden könnte, einem Unternehmen von der Art des Störenden wirtschaftlich nicht zugemutet werden können (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB). Aber auch die Herstellung solcher Einrichtungen, die mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes n i c h t v e r e i n b a r sind, soll nicht verlangt werden können und es ist daher der Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung auch dann versagt, wenn nur durch Herstellung solcher Einrichtungen die unzulässige Beeinträchtigung vermieden werden könnte. Sind aber Einrichtungen, welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen, tunlich, so hat der Eigentümer des leidenden Grundstückes den Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung; er kann nicht verlangen, daß tatsächlich solche Einrichtungen getroffen werden35). Es bleibt dem Unternehmer überlassen, dem Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung auch durch Betriebseinstellung zu genügen. Sind Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung a u s s c h l i e ß e n , nicht tunlich, so kann der Eigentümer des leidenden Grundstücks doch auf die Unterlassung des Übermaßes der benachteiligenden Einwirkungen klagen, um welches diese durch Herstellung der tunlichen Einrichtungen g e m i n d e r t würden 36 ). Wegen störender Einwirkungen aus Nebenbetrieben (Kohlenwäscherei und Entstaubungsanlagen) eines Bergwerks kann nicht auf Einstellung des Betriebs (Art. 206 BayBergG) geklagt werden; vielmehr kann nur in entsprechender Anwendung des § 26 GewO die Herstellung von Einrichtungen verlangt werden, durch die benachteiligende Einwirkungen auf das zulässige Maß herabgesetzt werden. Die Frage, welche Lärmstörungen zu dulden sind, ist nach dem subjektiven Empfinden des Einzelnen, sondern nach dem normalen Empfinden des Durchschnittsmenschen zu entscheiden (HRR 1941, 29; HRR 1932, 1578). Unter § 26 GewO fallen nur solche Nebenanlagen, die notwendige Bestandteile der Hauptanlage sind (RG 127, 29; B G H in MDR 59, 31).

III. A n s p r u c h a u f S c h a d l o s h a l t u n g Es fragt sich nun, wie in jenen Fällen, in welchen auf Grund des § 26 G e w O (und des Art. 80 A G ) der negatorische Anspruch aus § 1004 entzogen ist, der an dessen Stelle durch § 26 G e w O (Art. 80 A G ) verliehene Anspruch auf Schadloshaltung beschaffen ist. Für die Untersuchung dieser Frage ist eine Klarstellung des Begriffs „Schadloshaltung" erforderlich. lassung einzelner Störungen, möge auch bei deren Durchführung der weitere Betrieb unmöglich sein. Vgl. R G Z 170, 44. 35 ) Siehe jedoch oben unter a; es handelt sich hier nur um den nach Maßgabe des §906 B G B bestehenden Anspruch, während unter a der weitergehende Anspruch, der aus § 907 B G B hervorgeht, erörtert ist. 36) SeuflA 47, Nr. 285 (RG). JW 1896, 210; 1900, 895 Beil. 202; O L G 35, 157. Der infolge des Vorhandenseins der geminderten Beeinträchtigung erwachsende Minderwert des Hauses muß ersetzt werden. Vgl. EntschOGH 6, 403. Vgl. unten c.

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III

Der Begriff „Schadloshaltung" wird nur dann richtig erfaßt, wenn man von der dem Anspruch zugewiesenen Aufgabe ausgeht, einen Ausgleich für die Entziehung des negatorischen Abwehranspruches zu schaffen. Weil nun die Eigentumsfreiheitsklage Verschulden des Beklagten nicht voraussetzt, so ist dies auch für den Anspruch auf Schadloshaltung des Beklagten nicht erforderlich37). Der Eigentümer soll dafür schadlos gehalten werden, daß er die Einwirkungen nicht abwehren kann, die er an sich nicht zu dulden hätte. Nur hierfür soll er entschädigt werden. Eine in der Zukunft weiter wirkende Beeinträchtigung des Eigentums, gegen die keine Abwehr möglich ist, muß den Wert des Gegenstandes des Eigentums herunterdrücken; der dadurch herbeigeführte Minderwert ist zu ersetzen38). Der beeinträchtigte Eigentümer darf aber dadurch nicht besser gestellt werden als er stehen würde, wenn ihm der gesetzliche Abwehranspruch verblieben wäre. Deshalb wird ihm nur der Minderwert ersetzt, den sein Grundstück dadurch erleidet, daß er die Einwirkungen nicht abwehren kann, die über das nach den allgemeinen Vorschriften (insbes. § 906), zulässige Maß hinausgehen39). Die Höhe der Schadloshaltung ist nach dem Maße der derzeit40) unzulässigen Einwirkungen festzusetzen. Steigert sich später das Maß der Einwirkungen, so kann weitere Schadloshaltung für die dadurch herbeigeführte Erhöhung des Minderwertes ver37 ) R G 47, 98; J W 1901, 1 1 ; Gruchot 50, 412 (RG); vgl. Maenner 165 Anm. 44; Bolze 17 Nr. 62. Zutreffend Endemann 2, 475 Anm. 57: „ § 26 GewO greift keineswegs der zivilrechtlichen Frage vor, ob stets eine Haftung auf S c h a d e n e r s a t z besteht". Das ist richtig; man muß eben die Begriffe „Schadenersatz" und „Schadloshaltung" auseinander halten. 3S ) SeuffA 49 Nr. 236 R G . 39 ) Vgl. R G 70, 150; (Einwirkungen, die über das zulässige Maß hinausgehen) 1 0 1 , 105 (rechtswidrige Einwirkungen). Dagegen kann darüber hinaus (vgl. R G Warneyer 1 1 Nr. 404 (Recht 1 1 Nr. 3185)) Ersatz auch des „Schadens", der durch die nach §906 zulässigen Einwirkungen verursacht wird, nicht anerkannt werden. Diese merkwürdige Folgerung aus dem im Interesse der Industrie erlassenen § 26 R G e w O ist abzulehnen. Sie wird daraus gefolgert, daß dem Eigentümer, der einen ihm Zustehenden Anspruch auf Beseitigung (§ 907) der Anlage durchsetzen könnte, von dieser Anlage überhaupt keine Immissionen mehr zugeführt würden, also auch keine an sich zulässigen. Nur weil nach § 26 der Abwehranspruch entzogen sei, habe es überhaupt noch zu irgendeiner Immission durch diese Anlage kommen können. Deshalb müsse auch für einen Schaden, der durch eine an sich zulässige Immission verursacht wurde, Ersatz geleistet werden. Diese Beweisführung beruht auf einem Trugschluß. Es wird nämlich übersehen, daß dem Eigentümer der gewerblichen Anlage nach deren Beseitigung eine anderweitige Benützung seines Grundstückes und die dadurch herbeigeführte Zuführung zulässiger Immissionen freistehen würde. Durch die Schadloshaltung soll der beeinträchtigte Eigentümer in seiner Vermögenslage so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn ihm sein Abwehranspruch durch § 26 RGewO nicht entzogen wäre. Vgl. auch R G Z 139, 29; 155, 316; B G H Z 15, 146 (Ersatz auch des vor Erhebung der Klage bereits entstandenen Schadens); M D R 59, 31 (Steinschlag aus Steinbruch). 40 ) R G Warneyer 13 Nr. 144.

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langt werden. Ist der Wert des Hauses nicht nur durch die an sich unzulässigen Einwirkungen des beklagten Betriebs, sondern auch durch Einwirkungen anderer Nachbarn gemindert, so hat der beklagte Betrieb nur für den von ihm verursachten Teil des Minderwertes schadlos zu halten 41 ). Da durch die Schadloshaltung der Nachteil ausgeglichen werden soll, daß die Einwirkungen für alle Zukunft nicht abgewehrt werden können, muß in entsprechender 42 ) Anwendung des § 249 der Zustand hergestellt werden, der bestehen würde, wenn der zur Schadloshaltung verpflichtete Umstand (Wegfall des Abwehranspruches für die Zukunft) nicht eingetreten wäre. Würde der Abwehranspruch bestehen bleiben, so hätte das Haus einen höheren Wert. Der Minderwert ist zu ersetzen. Der Ersatz wird regelmäßig durch eine Kapitalabfindung zu leisten sein43). Es kann aber unter Umständen auch Verurteilung zu einer jährlichen Rente für die Dauer des Beeinträchtigungszustandes angezeigt sein, wenn mit dem Fortfall einer an sich unzulässigen Beeinträchtigung zu rechnen ist43). Weil die Schadloshaltung den Ausgleich dafür schafft, daß für die Zukunft die an sich unzulässigen Einwirkungen nicht abgewehrt werden können, so kann nach geleisteter Schadloshaltung der Betriebsunternehmer von einem S o n d e r n a c h f o l g e r des beeinträchtigten Grundstückes insoweit nicht nochmals auf Schadloshaltung in Anspruch genommen werden als für die Entziehung des Abwehranspruches dem Vorbesitzer der dadurch herbeigeführte Minderwert ersetzt ist44). Eine andere Beurteilung hat einzutreten, wenn sich nach der Schadloshaltung das Maß der an sich unzulässigen Einwirkungen g e s t e i g e r t hat. 4 1 ) Eine entsprechende Anwendung des § 840 kommt nicht in Frage; R G K o m m . Bern. 13 zu § 906. 4 2 ) § 249 kann nicht unmittelbar, sondern nur analog angewendet werden, da er nur den „Schadenersatz" regelt, während es sich hier u m den damit nicht zusammenfallenden Begriff der „Schadloshaltung" handelt. 43 ) R G K o m m . Bern. 13 zu § 906 wendet den § 249 Satz 2 an, da es sich u m B e s c h ä d i g u n g e i n e r S a c h e handle, und somit der Zustand herzustellen sei, der bestehen würde, wenn die Einwendungen nicht stattfinden würden. Deshalb ist grundsätzlich eine Kapital, abfindung und nur unter ganz besonderen Umständen eine zeitweise oder fortdauernd zu zahlende Rente zu gewähren ( R G 45, 205; Gruchot 61, 804; J W 1918, 86; B a y Z 1918, 81; Warneyer 15 Nr. 1 4 1 ; Warn. 1915 Nr. 193; 19 Nr. 172). D e r Begriff „Schadloshaltung" hat eine Vermögensbeschädigung (ähnlich wie bei § 263 R S t G B ) im A u g e , die schon vorliegen kann, bevor die S a c h e beschädigt ist.

V g l . SeuffA 49 Nr. 236 ( R G billigt eine Verurteilung zu 5 % des Hauswertes), v g l . O G H 6, 403; SeuffA 52, Nr. 212. 44 ) R G K o m m . Bern. 13 zu § 906 meint, der Ersatzpflichtige könne sich im Falle der Kapitalabfindung dagegen, daß er v o n einem Besitznachfolger des Ersatzberechtigten etwa „ n o c h einmal auf Schadenersatz" in Anspruch genommen werde, dadurch schützen, daß er die Eintragung einer Grunddienstbarkeit betr. Duldung der Einwirkungen verlange ( R G Warneyer 15 Nr. 141). Hier wird also unterstellt, daß der Sondernachfolger, wenn eine solche Grunddienstbarkeit nicht eingetragen sei, nochmals Schadloshaltung bean-

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Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw. III D u r c h die Z a h l u n g des M i n d e r w e r t e s erhält aber der E i g e n t ü m e r des b e e i n t r ä c h t i g t e n G r u n d s t ü c k e s n o c h keinen v ö l l i g e n A u s g l e i c h f ü r die i h m d u r c h die E n t z i e h u n g des A b w e h r a n s p r u c h e s z u g e h e n d e n Nachteile. K ö n n t e er d e n A n s p r u c h a u f B e s e i t i g u n g ( § 907) o d e r U n t e r l a s s u n g ( § 1004) erheben, so w ü r d e v o n da a b der U n t e r n e h m e r d u r c h die G e l t e n d m a c h u n g des A n s p r u c h s 4 5 ) in V e r z u g gesetzt m i t der F o l g e der Schadenersatzpflicht o h n e V e r s c h u l d e n ( § 286). D u r c h die E n t z i e h u n g des A b w e h r a n s p r u c h s w i r d sein N a c h b a r außerstande gesetzt, d e n U n t e r n e h m e r i n V e r z u g z u setzen u n d d a d u r c h o h n e weiteres schadenersatzpflichtig z u m a c h e n . F ü r diesen V e r l u s t m u ß er schadlos g e h a l t e n w e r d e n u n d die S c h a d l o s h a l t u n g besteht eben g e r a d e darin, d a ß der U n t e r n e h m e r , der a u f E r f ü l l u n g n i c h t g e m a h n t w e r d e n k a n n , o h n e M a h n u n g schadenersatzpflichtig ist. V o r a u s s e t z u n g ist w e i t e r nichts, als daß an sich —- o h n e § 26 G e w O —- die E r f ü l l u n g des B e s e i t i g u n g s - o d e r U n t e r l a s s u n g s a n s p r u c h s hätte v e r l a n g t w e r d e n k ö n n e n , nicht aber, d a ß diese E r f ü l l u n g tatsächlich v e r l a n g t w o r d e n ist 4 6 ). N u r dann, w e n n n a c h d e n U m s t ä n d e n des Falls m i t v ö l l i g e r Sicherheit a n z u n e h m e n ist, d a ß der A b w e h r a n s p r u c h , a u c h w e n n seiner G e l t e n d m a c h u n g das rechtliche H i n d e r n i s aus § 26 R G e w O n i c h t e n t g e g e n spruchen könne. Das ist nicht der Fall. Wenn durch die Schadloshaltung der Minderwert ausgeglichen wird, der durch die Pflicht zur dauernden Duldung der Einwirkungen herbeigeführt ist, dann wird der Käufer des Grundstückes entsprechend diesem Minderwert auch einen geringeren Kaufpreis zu zahlen haben (vgl. hierzu unten Anm. 48). Hat der Verkäufer durch arglistiges Verschweigen der ihm geleisteten Schadloshaltung im Käufer den Glauben erweckt, daß er die unzulässigen Einwirkungen abwehren oder doch Schadloshaltung verlangen könne, dann kann er vom Käufer auf Schadenersatz aus dieser unerlaubten Handlung belangt werden. Gegen den Betriebsunternehmer hat der Sondernachfolger nach einer seinem Rechtsvorgänger geleisteten Schadloshaltung den Anspruch nicht mehr. 45 ) Auch der Anspruch auf Unterlassung ist auf eine „Leistung" gerichtet. 46 ) Anders das R G in Gruchot 50, 412; JW 1905, 503; 1912, 869 und mit besonderer Schärfe in JW 1915, 601. Dort wird zunächst richtig ausgeführt, daß § 26 RGewO den Anspruch auf Schadloshaltung nur gebe, wenn Einrichtungen, die die nachteiligen Einwirkungen auf das Gemeinübliche zurückführen, untunlich sind. Dann heißt es aber weiter: § 26 RGewO setzt voraus, daß der Benachteiligte sich meldet und Abhilfe verlangt. Unterläßt er dies und tritt er dann hinterher mit Schadenersatzansprüchen für die V e r g a n g e n h e i t , in der Regel also für die Zeit v o r der Klageerhebung hervor, so kann er sich nicht auf § 26 RGewO berufen, sondern muß dem anderen Teil nach allgemeinen Grundsätzen das Verschulden nachweisen. — Damit ist gesagt: § 26 bewilligt eine Schadloshaltung ohne weiteres nur gegen k ü n f t i g zu befürchtende benachteiligende Einwilligung und nicht auch für b e r e i t s e i n g e t r e t e n e Schäden (so das O L G Köln ohne Widerspruch des R G im Falle R G 101, 103). Vgl. dagegen R G Z 104, 85; Gierke, DPr. 11 § 126 Anm. 15; Riehl bei Gruchot 51, 155. Mit R G Z 139, 29 hat das Reichsgericht unter der früheren Rechtsprechung, sich der Ansicht angeschlossen daß der Schadloshaltungsanspruch aus § 26 GewO sich auch auf die vor Klageerhebung entstandenen Schäden erstrecke; vgl. auch R G Z 155, 316; B G H Z 15, 146; NJW 55, 19; Staudinger-Seufert Randbem. 48 zu § 906. 38

Meisner-Ring, Nachbarrecht, J. A u f l .

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III 1 , 2

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

gestanden hätte, nicht geltend gemacht worden wäre, kann dieser Schadenersatzanspruch nicht geltend gemacht werden, da ja die Schadloshaltung nur den Schaden ausgleichen soll, der infolge der Entziehung des Abwehranspruchs erlitten wird. Der Anspruch auf Schadloshaltung umfaßt also den Minderwert des beeinträchtigten Grundstückes und daneben den Ersatz des Schadens, der durch diesen Minderwert nicht ausgeglichen ist, gleichviel, ob der Schaden bereits entstanden ist oder erst in Zukunft entstehen wird. Der Minderwert stellt den Vermögensnachteil dar, der schon jetzt dadurch entstanden ist, daß der Eigentümer die an sich unzulässigen Einwirkungen f ü r d i e Z u k u n f t nicht verbieten kann, sondern dulden muß. Hat der Eigentümer dadurch, daß er nicht verbieten konnte, einen bereits eingetretenen Schaden erlitten, so gehört dessen Ersatz zur Schadloshaltung. Es kann aber in Zukunft durch die Einwirkungen ein weiterer Schaden verursacht werden, dessen Eintritt möglich oder sogar wahrscheinlich ist, aber nicht mit Bestimmtheit vorauszusehen ist. Während der schon jetzt entstandene Sachschaden und Vermögens schaden (Minderwert) den derzeitigen Eigentümer trifft, und daher diesem zu ersetzen ist, trifft ein weiterer späterer Schaden denjenigen, der zur Zeit des Eintritts dieses Schadens der Eigentümer ist. Solange dieser Schaden noch nicht eingetreten ist, kann er nicht zugesprochen werden und die Feststellung kann nicht zugunsten des derzeitigen Eigentümers erfolgen, sondern zugunsten desjenigen, der beim Eintritt des Schadens der Eigentümer sein wird. Die Klage auf Schadloshaltung wird also etwa folgenden A n t r a g zu erhalten haben: 1. Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger 20000 D M (Minderwert) zu ersetzen; 2. es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Eigentümer des Hausgrundstücks PI.-Nr. 211 jeden durch die Zahlung von 20000 D M für Minderwert nicht ausgeglichenen Schaden zu ersetzen, der in Zukunft dadurch erwachsen wird, daß der Beklagte dem Grundstück PI.-Nr. 211 Erschütterungen zuführt, welche die Benützung dieser Grundstücke wesentlich beeinträchtigen und welche durch eine Benützung des beklagten Grundstücks herbeigeführt werden, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage ungewöhnlich ist. Die Zahlung für Wertsminderung begreift alle Nachteile in sich, die infolge der Fortdauer der unzulässigen Einwirkung nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge in Zukunft eintreten werden. Ist das Maß der von dem Gewerbebetrieb ausgehenden Erschütterungen so stark, daß mit dem Grad von Sicherheit, mit dem sich die menschliche Erkenntnis für die Beurteilung 594

Die besondere Gestaltung der Eigentumfreiheitsklage usw.

§ 3 9 III 2

der Zukunft begnügen muß, die Verursachung von Rissen des Nachbarhauses vorherzusehen ist47), dann ist dem Ersatz der Minderung ein entsprechender Betrag für Schutzvorkehrungen und Instandsetzungsarbeiten einzurechnen48). Ist die Entstehung solcher Risse nicht vorherzusehen, so ist in der Gegenwart auch ein V e r m ö g e n s schaden nicht entstanden. Entsteht später ein Sachschaden, so ist es für den nachträglich erhobenen Schadenersatzanspruch des Eigentümers, gleichviel ob es der durch Zahlung der Wertminderung abgefundene Eigentümer ist oder sein Sondernachfolger. Tatsache, ob bei der seinerzeitigen Bemessung der Schadloshaltung auch die Gefährdung der Beschädigung des Nachbarhauses durch Risse einbezogen wurde. War dies der Fall, so ist noch weiter zu prüfen, ob nicht nach der Schadloshaltung eine Steigerung des Maßes der Einwirkungen eingetreten ist. Dies kann nach beiden Richtungen zu der Annahme führen, daß durch die Schadloshaltung für Wertminderung nur ein Teil des später entstandenen Sachschadens im voraus ausgeglichen wurde. Der U n t e r s c h i e d zwischen den Begriffen Schadloshaltung und Schadenersatz kommt auch insoferne zur Geltung, als derjenige, welcher den Anspruch auf S c h a d l o s h a l t u n g im Sinne des § 26 RGewO erhebt, b e w e i s e n muß, daß der negatorische Anspruch infolge der Bestimmung des § 26 RGewO bzw. des Art. 80 A G in Wegfall gebracht ist, insbesondere auch, daß solche E i n r i c h t u n g e n , welche die Beeinträchtigungen auf das zulässige Maß herabsetzen, n i c h t t u n l i c h sind49). Der Kläger wird daher gut daran tun, seinen Klageantrag a l t e r n a t i v zu stellen, so daß dem Beklagten die Wahl gelassen wird, ob er die erforderlichen Einrichtungen treffen oder schadlos halten will 60 ), zum mindesten aber sollte der Kläger 4 ') Dabei wird der Richter einen strengen Maßstab an die Erfordernisse einer solchen Sicherheit anzulegen haben, damit, wenn später die Beschädigung durch Risse eintritt, der Ersatz hierfür an den gelangt, der zur Zeit der Beschädigung Eigentümer ist. 48 ) Ein Haus, bei dem die Entstehung von Rissen mit S i c h e r h e i t vorauszusehen ist, ist schon jetzt entsprechend weniger wert. Der Vermögensschaden ist also schon jetzt entstanden, auch wenn der Sachschaden erst später eintritt. Der derzeitige Eigentümer ist daher geschädigt und ihm wird der Ersatz durch Zahlung der Wertminderung bezahlt. Tritt dann nach einem Wechsel des Eigentums der Sachschaden ein, so wird zwar der Erwerber von diesem Sachschaden betroffen; in seiner gesamten Vermögenslage wird jedoch der Erwerber nicht geschädigt; denn er hat seinerzeit ein Haus erworben, bei dem die spätere Entstehung von Rissen mit Sicherheit vorauszusehen und das Haus infolgedessen entsprechend weniger wert war. Hat er einen Kaufpreis bezahlt, bei dem die Wertminderung infolge der Gefährdung des Hauses nicht berücksichtigt war, dann ist sein Vermögen dadurch geschädigt, daß er zu teuer gekauft hat. 49 ) Vgl. Landmann G e w O Anm. 5 zu § 6. Vgl. Gruchot 50, 415 (RG). Hat z.B. der Eigentümer Klage auf Zahlung von 20000 D M als Schadloshaltung für den Minderwert seines Hauses erhoben und der Betriebsinhaber stellt Einrichtungen her, welche die Beeinträchtigungen auf das zulässige Maß herabsetzen, so muß die Klage auf Zahlung abgewiesen werden. 60 ) § 264 B G B ; vgl. Gaupp-Stein, Vorbem. m zu § 803.

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III 2

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

den einen Anspruch behelfsweise neben dem anderen erheben. Denn selbst, wenn er nachweisen kann, daß die Folgen der unzulässigen Einwirkungen auf einem Verschulden des Beklagten beruhen, so kann er nur Ersatz des bereits entstandenen Schadens, nicht Ersatz des Schadens beanspruchen, der durch künftige Einwirkungen entstehen wird. Die Schadloshaltung schafft einen Ausgleich für gewisse künftige Nachteile. Der Anspruch auf Schadloshaltung ist nur gerechtfertigt, wenn diese tatsächlichen Voraussetzungen des § 26 RGewO gegeben sind. Diese Voraussetzungen gehören also zur Klagebegründung und sind vom Kläger zu behaupten und zu beweisen51). Der Kläger, der Schadloshaltung verlangt, muß also beweisen, daß Einrichtungen zur Beseitigung der schädlichen Anlagen nicht tunlich sind (vgl. LeipZ 1921, 379). Freilich wird man an diese Beweislast keine zu großen Anforderungen stellen dürfen. Wenn der Beklagte auf Befragen nicht darzulegen vermag, welche Einrichtungen für die Ausschließung der schädlichen Einwirkungen in Betracht kommen, wird ein weiterer Beweis dem Kläger nicht angesonnen werden können. Umstritten ist die Frage, ob der Anspruch auf Entschädigung wegen Entzugs des Abwehranspruchs aus § 1004 Abs. 1 B G B , d.i. Schadloshaltungsanspruch nach § 26 GewO oder Ausgleichsanspruch für Enteignung, in entsprechender Anwendung des § 8 5 2 B G B bereits nach 3 Jahren verjährt oder der allgemeinen Verjährungsfrist des § 195 B G B unterliegt. Für den Schadloshaltungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung nach § 75 EinlPrALR hat die herrschende Ansicht die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren angenommen52). Der Aufopferungsanspruch sei seinem Wesen und Inhalt nach von einem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung so verschieden, daß er nicht ohne weiteres der kurzen Verjährung des § 852 B G B unterstellt werden könne. Dabei sei es ohne Belang, ob der Anspruch auf einem rechtmäßigen oder rechtswidrigen Ein61 ) Zwar kann dann der Kläger Schadenersatz nach § 823 beanspruchen, aber dieser Schadenersatzanspruch umfaßt nicht den Ausgleich der Wertminderung für die k ü n f t i g e n unzulässigen Einwirkungen. Soweit § 26 R G e w O nicht in Frage steht, kann der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstückes für die Zukunft weiter nichts verlangen, als die Unterlassung. Im Sinne des § 823 ist der Schaden erst entstanden, wenn der Sachschaden eingetreten ist. E s kann daher neben dem Anspruch auf Unterlassung wohl auf Feststellung einer künftigen Schadenersatzpflicht für den Fall der Zuwiderhandlung geklagt werden, keineswegs aber auf Abfindung durch einen Geldbetrag. Es liegt also nicht im Belieben des beeinträchtigten Nachbars, zu erklären daß er die unzulässige Immission dulden wolle, dafür aber Schadloshaltung, d.i. Ersatz des durch die Duldung bewirkten Minderwertes seines Hauses verlange (vgl. Bolze Nr. 2 Nr. 154). 62 ) Vgl. B G H in N J W 1953, 1060; R G Z 167, 1 4 ; Ermann Bern, i a zu § 852; Palandt Bern. 3 c zu § 903; a.M. Staudinger-Seufert Randbem. 51 zu § 906; Meisner-Stern-Hodes § 3 9 IIIa.E.; Landmann-Rohmer-Eyermann GewO Anm. 5 zu § 26.

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Die Besitzstörungsklage

§40 11

griff beruhe; auch mache es keinen Unterschied, ob der Anspruch öffentlichrechtlichen oder bürgerlichrechtlichen Charakter habe. Dem ist beizupflichten; es ist kein Grund ersichtlich, warum der Ersatzanspruch weit früher verjähren soll, als der Hauptanspruch auf Beseitigung oder Unterlassung einer Beeinträchtigung, zumal der Frage des Verschuldens — ganz im Gegensatz zur unerlaubten Handlung — keine Bedeutung zukommt. Was aber für den Aufopferungsanspruch gilt, muß erst recht gelten, wenn man in dem Entschädigungsanspruch einen Ausgleichsanspruch für eine Enteignung erblickt. Für Bayern ist jedoch zu beachten, daß nach Art. 125 Abs. x S. 1 A G B G B „die aus Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts entstandenen Ansprüche gegen den Staat eine Gemeinde oder einen anderen Kommunalverband auf eine Geldzahlung mit dem Ablauf von drei Jahren erlöschen, soweit nicht ein anderes vorgeschrieben ist". Die hierbei strittige Frage, ob Anspruch auf Entschädigung für eine Enteignung als „aus einem Rechtsverhältnis des öffentlichen Rechts entstanden" zu beurteilen ist, wurde vom Bundesgerichtshof bejaht; gleichzeitig wurde auch die Verfassungsmäßigkeit des Art. 125 A G B G B anerkannt63). § 40. Die Besitzstörungsklage I. B e g r i f f u n d Wesen des B e s i t z e s 1. Nach § 854 B G B versteht man unter Besitz die rechtlich anerkannte tatsächliche Gewalt über eine Sache. Der Besitz ist als ein Recht zu erachten1). Der Mieter (Pächter) kann auf Grund des § 862 die Abwehrklage gegen unzulässige Einwirkungen auf das Mietgrundstück erheben2). Im Gegensatz zu der r e c h t l i c h e n Herrschaft über eine Sache, die im Eigentum zum vollendeten Ausdruck kommt, stellt der Besitz die tatsächliche Herrschaft dar. Durch § 865 B G B hat der T e i l b e s i t z Anerkennung gefunden, indem der Besitz an einzelnen Teilen einer Sache insoweit möglich ist, als eine gesonderte räumliche Herrschaft einer anderen Person über den anderen Teil der Sache geübt werden kann. So ist z.B. an dem Keller 3 ) oder an anderen Räumen (Mietwohnung)4) eines Hauses, ja sogar an einem Teile ss

) Vgl. BGH in MDR 1958, 910; München in MDR 1955, 686; 1956, 131. § 40 Vgl. R G 59, 328; Staudinger Vorbem. 10 vor § 854; R G 129, 3 1 1 ; 1706; B G H Z 2, 164; Darmstädter ArchzPr. 151, 511. 2 ) Vgl. R G 105, 212; WarnR 1918 Nr. 55. 3 ) Vgl. ObLG 16, 282; SeuffA 52 Nr. 147; SeuffBl. 32, 297. R G 59, 328.

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der Oberfläche einer Hauswand 5 ) ein selbständiger Besit2 möglich, der auch dem Eigentümer des Ganzen gegenüber vollwirksam ist. Wann die für den Besitz erforderliche tatsächliche Herrschaft vorliegt, ist nach der im gewöhnlichen Leben und Verkehr herrschenden Auffassung für jeden Fall besonders zu entscheiden6). Das maßgebende Merkmal liegt darin, ob ein solches Verhältnis der Person zu der Sache vorliegt, welches die Möglichkeit gewährt, jederzeit auf die Sache einzuwirken 7 ). Einen hierauf gerichteten Willen verlangt das Gesetz nicht als begriffliches Erfordernis 8 ), der Mangel eines solchen Willens wird aber regelmäßig bei der tatsächlichen Würdigung der Frage, ob ein Besitzverhältnis vorliegt, gegen die Bejahung erheblich ins Gewicht fallen 9 ). Der Besitz muß erkennbar sein 10 ). Der gute Glaube spielt für den Besitzerwerb keine Rolle. Dadurch, daß jemand annimmt, sein Vormann sei Besitzer, kann er nicht Besitzer werden, wenn er nicht wirklich die tatsächliche Gewalt über die Sache erlangt. Bei dem mittelbaren Besitzer muß zur tatsächlichen Gewalt des Besitzmittlers noch das Rechtsverhältnis hinzukommen, vermöge dessen dieser für den mittelbaren Besitzer besitzt. Der etwaige gute Glaube an das Bestehen des Besitzverhältnisses ist für den Besitzerwerb auch hier ohne Bedeutung (RG 105, 413). Als Besitzhandlungen können alle Handlungen in Betracht kommen, durch welche eine Einwirkung auf das Grundstück ausgeübt wird. Gerade bei Liegenschaften kann sich der Besitz an dem g a n z e n Grundstück durch eine Einwirkung kundgeben, die weder alle Teile der Sache trifft, noch an 6 ) R. d. O L G 3, 26: Besitz an dem Teil der Oberfläche, auf welchem sich das Firmenschild des Mieters befindet. 6 ) Vgl. Prot. S. 3334f.; Mugdan 3, 502. Kein Besitzschutz des Jagdpächters, aber Unterlassungsklage eingeräumt J W 1922, 233; 1908, 653 (vgl. O L G 6, 254). — Vgl. BraunschwZ 1906, 41 (Schutz im Besitz eines Kirchenstuhlrechts). 7 ) Recht 1924 Nr. 1232. 8 ) Vgl. Bendix, Besitzlehre S. 1 ; Turnau-Förster Bern. 4 zu § 854. Bekker IherJ 34, 27; (A.M. Recht 1914 Nr. 209, Stuttgart). Zum Erwerbe des Besitzes ist also nicht unbedingt erforderlich, daß der Erwerber von seinem Besitze Kenntnis hat. Vgl. Strohal, Jahrb. f. Dogm. 38, 7 1 ; Turnau-Förster a.a.O. 9 ) Vgl. Staudinger Bern. I, 2 zu § 854; BlfRechtspfl. im Bezirke des Kammergerichts 1903 S. 21 (Kammergericht). 10 ) R G 77, 208. SeuffA 78 Nr. 112. Aus dem Fällen von Bäumen auf einem Grundstück, das dem Kläger nicht gehörte und an dem er keinen Besitz hatte, konnte er, ohne daß weitere Herrschaftshandlungen hinzukamen, keine tatsächliche Gewalt über die gefällten Stämme erwerben. In keiner Art hat er die Stämme in seinen tatsächlichen Machtbereich gebracht. Die Sachlage blieb, wie vor dem Fällen, nur daß die Möglichkeit für den Kläger, die Stämme in seine tatsächliche Gewalt zu bringen, günstiger geworden war. Eine Erkennbarkeit des Besitzes war also überhaupt nicht vorhanden (SeuffA 78 Nr. 112).

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Die Besitzstörungsklage

§40 11

sich die vollendete Herrschaft in sich begreift, aus der sich aber doch die Möglichkeit für den Handelnden ergibt, auf das ganzeObjekt einzuwirken 11 ). Auch hier muß die besondere Gestaltung des Einzelfalls entscheiden. Maßgebend wird zumeist sein, welche Willensrichtung aus einem äußeren Vorgang gemeinhin abgeleitet wird. Ist an der Hauswand das Firmenschild des Ladenmieters angebracht, so wird niemand daran denken, daß hier ein Besitz an dem ganzen Hause 12 ) manifestiert sei, während andererseits ein einziger auf das Grundstück gesteckter Strohwisch eine Besitzhandlung darstellen kann, die nach allgemeiner Auffassung das ganze Grundstück ergreift. Die den Besitz kennzeichnende Herrschaftsausübung wird vornehmlich durch Anlagen und Handlungen kundbar, gemacht die dem Zweck der wirtschaftlichen Verwendung des Grundstückes entsprechen13). In altrömischer Zeit war für den Übergang des Besitzes auf einen anderen die tatsächliche Übertragung entscheidend. Doch schon in Rom, mehr noch im Mittelalter, fiel das Gewicht vorzugsweise auf die Willenseinigung. Biermann, traditio victa (1891), hat nachgewiesen, daß nach gemeinem Recht die Besitzübertragung einfach als eine durch den Vertrag begründete Sukzession zu behandeln ist. Das B G B ist nicht soweit gegangen, weil diese Lehre zu bedenklichen Ergebnissen führen kann, wenn sich der tatsächlichen Ausübung des Besitzes von vorneherein unüberwindliche Hindernisse entgegenstellen. Deshalb bestimmt § 854 Abs. 2 B G B : „Die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerb, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben". Der Besitz einer Sache setzt in der Regel den Willen voraus, sie tatsächlich zu beherrschen. Wie aus § 867 B G B ersichtlich wird, bedeutet die unbewußte Innehabung einer Sache regelmäßig noch keinen Besitz im Sinne des § 8 5 4. Allerdings ist denkbar, daß jemand an Sachen, die in den Bereich seiner tatsächlichen Innehabung gelangen, Besitz erwirbt, bevor er von der Innehabung der Sachen Kenntnis erlangt hat. Es müssen dann aber Veranstaltungen getroffen sein, die einen allgemein auf Empfang der betreffenden Sachen gerichteten Willen des Inhabers erkennen lassen. Dahin gehört der Empfang von Briefen in einem an der Außenseite der Wohnung angebrachten Briefkasten, von Wild, das in für den Wildfang bestimmte Vorrichtungen gerät und ähnliche Fälle (JW 1925, 785). Gehört zu einem verkauften Anwesen ein in fremden Grund übergreifender Keller, so ist nach der Übergabe des Anwesens der Erwerber 11

) Bendix, Besitzlehre S. 9. ) Es liegt nur Besitz an dem Teil der Wandoberfläche vor, welche von dem Firmenschild bedeckt ist. OLG 3, 26 (Kammergericht). Vgl. R G 80, 281 (ein am fremden Hause angebrachter Lichtreklame-Kasten). 13 ) Endemann 2, 196. 12

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in der Lage, die Gewalt über den Keller auszuüben, und zwar selbst dann, wenn der Zugang zu diesem Keller durch eine Türe abgeschlossen ist und der Schlüssel verloren gegangen ist. Der Erwerber kann jederzeit durch einen Schlosser öffnen lassen. Dasselbe gilt in einem Fall, in dem der Zugang zum Keller vom Vorbesitzer vermauert worden war; es liegt in der Macht des Erwerbers, die Abschlußmauer wegzureißen. Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert (§ 856). Das gilt für bewegliche wie für unbewegliche Sachen. Vermauert der Dienstbarkeitsberechtigte den Zugang zu dem unter dem fremden Grundstück gelegenen Keller, so liegt darin in der Regel eine Aufgabe des Besitzes. Stürzt der Keller ein, weil nach der Vermauerung das vorher einwandfreie Kellergewölbe nicht mehr unterhalten wird, so kann der Berechtigte nicht auf Grund des § 836 auf Schadenersatz belangt werden. Dagegen würde der Einsturz dann als Folge einer unerlaubten Handlung anzusehen sein, wenn der Kellerberechtigte davon, daß er den Besitz aufgegeben hat, dem Grundeigentümer keine Mitteilung gemacht und dieser auch nicht auf andere Weise von der Vermauerung des Kellers Kenntnis erhalten hätte (über das Ende der Unterhaltspflicht s. oben S. 428). In dem Einpflocken eines Grundstückes mit Grenzzeichen, in dem Abpfählen einer Verlandung 14 ), Einzäunen eines Grundstückes, Einstecken von Dörnern zum Schutze gegen Betreten durch Menschen, Aufstellung eines Strohwisches oder einer Warnungstafel, im Pflügen eines Ackers, Abgrasen eines Raines sind regelmäßig Besitzhandlungen zu erblicken. Auch die Dachüberladung mit dem dadurch bedingten Tropfenfall kann als Besitzausübung an dem unter der Traufe gelegenen Raum in Betracht kommen 15 ). An einem Teich kann je nach den Umständen der Besitz durch Ausübung der Jagd, Fischerei, Schilf- und Materialentnahme ausgeübt werden 16 ). Andererseits ist z. B. aus der Entnahme von Lehm kein Besitz an dem Grundstück abzuleiten, wenn sie auf Grund einer vom Eigentümer erteilten Erlaubnis erfolgt 17 ). Zur B e s i t z ü b e r t r a g u n g bedarf es keiner äußeren Form, es genügt, die bloße Einigung über den Besitzübergang (§854 Abs. 2 BGB), die nicht ausdrücklich zu erfolgen braucht18), sondern sich auch aus den Umständen ergeben kann; so wird regelmäßig in der Auflassung auch die Einigung über den Besitzübergang liegen 19 ). 14

) ) ") 17 ) 18 ) w ) 15

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PreußVerwBl. 23, 520. Siehe oben § 24. Vgl. EntschOTr. 55, 208. Recht 1902, 125. Staudinger-Seufert Randb. 10 zu § 854. Staudinger-Seufert Randb. 16 zu §854.

Die Besitzstörungsklage

§40 II 1,2

2. Ausnahmsweise sind Personen, welche eine tatsächliche Herrschaft über eine Sache ausüben, nicht als Besitzer zu erachten, indem § 8 5 5 B G B bestimmt: Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft, oder in einem ähnlichen Verhältnisse aus, vermöge dessen er den auf sich die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat ( B e s i t z d i e n e r ) , so ist nur der andere Besitzer. Andererseits wird ein Besitz ohne tatsächliche Gewalt ausnahmsweise anerkannt, indem § 868 B G B bestimmt: Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnisse, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitze berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer ( m i t t e l b a r e B e s i t z e r ) . Der Besitzer hat die Rechte der Selbsthilfe nach § 859 Abs. 1, 3 u. 4 B G B . II. V o r a u s s e t z u n g e n der B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e 1. Im Begriffe des Besitzes als der rechtlich anerkannten tatsächlichen Gewalt über eine Sache (§854 BGB) liegt es, daß der Besitzer andere von jeder Einwirkung auf seinen Besitz ausschließen kann, soferne nicht die Einwirkung durch das Gesetz gestattet wird. Die rechtswidrige Einwirkung eines Dritten (verbotene Eigenmacht) enthält daher eine Störung des Besitzrechtes, zu deren Abwehr dem Besitzer neben dem Rechte der Selbsthilfe (§ 859 B G B ) die Besitzklagen gegeben sind (§ 858 BGB) 2 0 ). 2. Bei totaler Verletzung des Besitzes, nämlich bei E n t z i e h u n g d e s B e s i t z e s , geht der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes ( § 8 6 1 BGB). Wird der Besitz nur teilweise, d.i. eben in anderer Weise als durch E n t z i e h u n g des Besitzes, beeinträchtigt, so steht dem Besitzer die B e s i t z s t ö r u n g s k l a g e zu (§ 862 BGB). Bei Grundstücken können die Klagen wegen Besitzentziehung und Besitzstörung leicht ineinander übergehen 21 ). Wenn v o m Nachbargrundstück eine Furche weggeackert wird, so wird man es nicht mit einer bloßen Besitzstörung, sondern mit einer Besitzentziehung an der weggeackerten Furche zu tun haben; daneben liegt Besitzstörung rücksichtlich des ganzen Grundstückes vor. Der Übergang von der einen zu der anderen Besitzklage ist nicht als Klageänderung anzusprechen 22 ). 20)

Im Fall unerl. Handl. Klage aus §§ 823fr. R G 59, 327; a.M. Gruchot 53, 8. M. 3, 126; Mudgan 3, 70. O L G 20, 395 (Braunschweig). 22) Maenner 146; Staudinger-Seufert Randb. 6 zu §§ 86i, 862; vgl. O L G 20, 395 („Bei Grundstücken sind die Grenzen zwischen Störung und Entziehung des Besitzes schwer zu unterscheiden; der Unterschied ist tatsächlich quantitativer Art"). 21 )

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§ 4U II 3 , 4

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3. Das Gesetz erkennt die t a t s ä c h l i c h e Herrschaft als schutzwürdig an; dem Besitzer ist das Recht auf Erhaltung seiner tatsächlichen Herrschaft verliehen; sein Besitz wird geschützt ohne Rücksicht darauf, ob er mit der Rechtslage übereinstimmt. Wer diese tatsächliche Herrschaft ohne den Willen des Besitzers stört, handelt widerrechtlich, sofern ihm nicht das Gesetz die Störung gestattet; die Störung ist verbotene Eigenmacht (§858 BGB) und also selbst dann unzulässig, wenn der Störer seinerseits ein Recht zum Besitze hat und der Besitz des Gestörten ein materiell rechtswidriger ist (s. hierüber unter III). Der Besitzschutz bleibt auch gegenüber Zwangsenteignung bestehen. Der Enteigner muß wie jeder Eigentümer, dem das Recht zum Besitz aus seinem Eigentum erwächst, auf dem Rechtsweg sich den Besitz verschaffen. Dem Besitzer steht die Besitzschutzklage zu; der zeitlich nach der Besitzstörung liegende Enteignungsbescheid steht einem rechtskräftigen Urteil im Sinne des § 864 Abs 2 B G B nicht gleich (OLG 43, 208). 4. G e s t ö r t ist der Besitz immer dann, wenn der ihn darstellende Zustand der tatsächlichen Herrschaft des Besitzers über eine Sache beeinträchtigt wird 23 ). Die Handlungen, welche hierzu geeignet sind, decken sich mit jenen, welche eine Beeinträchtigung des Eigentums darstellen, weshalb auf die dortigen Ausführungen (oben S. 551) verwiesen werden kann24). Hier wie dort kann die Beeinträchtigung durch positive Tätigkeit oder eine rechtswidrige Unterlassung herbeigeführt werden (vgl. oben § 38); ein bloßes Bestreiten des Besitzes genügt nur ausnahmsweise26), kann aber 23 ) VgL O L G 2, 40 (Besitzstörung durch den Verpächter); Striethorst, Arch. 65, 230 (Aufstellung einer Warnungstafel); R G 5 9 , 3 2 8 ; O L G 9 , 2 9 6 ; B G H i n B B 5 4 , 4 2 6 . (Störung des Mietbesitzes durch unzulässige Immissionen); Störung des Pachtbesitzes durch unzulässige Einwirkungen durch Rauch und Gase auf die Pflanzen der gepachteten Handelsgärtnerei ( R G 105, 215), die Besitzstörungsklage des Pächters unterliegt der gleichen Beschränkung wie sie in § 906 B G B dem Eigentümer auferlegt ist, da dem Pächter keine größeren Rechte eingeräumt werden können. J W 1896, 14; R G 55, 56 (Irrläufer bei militärischen Schießübungen; vgl. hierzu § 4 5 S . 5 6 0 J E F . ; O L G 4 , 1 4 8 ; 1 0 , 1 0 5 ; J W 1 8 9 3 , 3 5 0 (Pfändung); SeuffA 21 Nr. 124 (Strafanzeige). In einer Klagestellung ist keine Besitzstörung zu erblicken, Staudinger Bern. II, 2, a zu § 858. Recht 1904 Nr. 1821 (Störung in der Ausübung des Notwegs); O L G 6, 254 (Ausübung der Jagd mit Zustimmung des Pächters, aber gegen Verbot des Grundstücksbesitzers). R G 1 0 5 , 2 1 5 ; J W 1 9 3 1 , 2 9 0 4 ; B G H Z 20, 169 (Klageerhebung keine Besitzstörung). 24 ) Vgl. R G 5 5 , 5 7 ; O L G 4 , 2 9 0 . 26 ) Aufstellung einer Warnungstafel kann bei Wegerechten eine Besitzstörung darstellen (Scherer 3, 24). Die Behauptung, Eigentümer zu sein, schließt ein Bestreiten des Besitzes noch nicht in sich (OGH 2, 427). Dadurch, daß der Beklagte als Mitglied einer Gemeinde gehandelt haben will, wird seine Passivlegitimation nicht ausgeschlossen. Die Besitzstörungsklage greift durch, wenn der Bekl. nicht beweisen kann, daß über das Grundstück ein öffentlicher Gemeindeweg führt und die Gemeinde durch ihre Mitglieder die Besitzhandlungen ausführen ließ (OGH 14, 246; SeuffA 48 Nr. 169). Bei seelischer

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eine Feststellungsklage rechtfertigen (vgl. oben S. 555); die Besitzstörungsklage setzt kein Verschulden26) des Störers voraus. Ebensowenig ist Voraussetzung, daß der Beklagte ein Recht behauptet27). III. Das Ziel der Besitzstörungsklage ist die Abwehr der Beeinträchtigung. Es ist klar, daß sie da nicht mehr angestellt werden kann, wo sie nicht mehr notwendig ist, weil eine Störung des Besitzes nicht mehr vorliegt. Deshalb kann man auch von der Besitzstörungsklage sagen, daß sie einen Zustand der Beeinträchtigung voraussetzt. Dieser Zustand kann in einem körperlichen Verhältnis stehen, durch welches die Störung dargestellt wird oder in einem Zustande der Gefährdung durch Wiederholung der Eingriffe. Aus dieser Verschiedenheit der Veranlassung ergibt sich eine doppelte Gestaltung des Anspruchs: 1. Der Anspruch auf B e s e i t i g u n g der Störung geht (§ 862 B G B ) auf Wiederaufhebung einer fortbestehenden Störung des Besitzes. Der Fortbestand und die Wiederaufhebbarkeit der Störung setzen ein körperliches Verhältnis voraus (vgl. hierüber oben S. 458). Die Wiederversetzung eines entzogenen Ackerstreifens in den früheren ackerbaufähigen Zustand läßt sich mit dem Anspruch aus § 861 nicht begründen; doch kann der Anspruch aus § 823 hergeleitet werden, wenn dessen Voraussetzungen (Verschulden) gegeben sind28). 2. Der Anspruch auf U n t e r l a s s u n g weiterer Störung setzt ebenfalls einen Zustand, jedoch nicht körperlicher Art, voraus. Wenn das Zuwiderhandeln gegen das Verbot der Eigenmacht die zuständliche, bis in die Gegenwart fortdauernde Folge hervorgebracht hat, daß weitere Störungen nach den Umständen zu besorgen sind, so ist dem Besitzer der Anspruch auf Unterlassung weiterer Störung gegeben (§ 862 B G B . Vgl. hierüber oben S.562). Eine bloß abstrakte Möglichkeit der Wiederholung genügt nicht; es ist eine auf die gegebenen Umstände sich gründende Wahrscheinlichkeit erforderlich (RG 63, 379; J W 1913, 543). Auch hier ist der Besitzer weder verpflichtet noch berechtigt, auf Vorkehrung bestimmter Maßnahmen zu klagen, durch welche die Störung Einwirkung durch Bestreiten des Besitzes mit förmlichem Verbot fernerer Besitzhandlungen liegt Besitzstörung vor ( J W 1908, 274; SeuffA 63 Nr. 205). Vgl. Wolff SR § 17 I ; Westermann § 22 I; Staudinger-Seufert Randb. 13 u. 14 zu § 858. 26 ) S. oben § 38 I 4 . 27 ) O G H 3, : 5 3 . a8 ) O L G 15, 329. (Gegen diesen Anspruch ist Widerklage auf Feststellung des Eigentums zulässig.)

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§ 40 IV 1

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

hintangehalten werden soll29) (vgl. oben S. 5 64). Die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil auf Unterlassung erfolgt aus § 890 Z P O (vgl. oben § 38, II, b). Anwendungsfälle der Besitzstörungsklage sind beispielsweise: unzulässige (§ 906) Immission in die vermietete Wohnung 30 ); Verhinderung an der Benützung des Notwegs 3 1 ); Anbringen von Firmenschildern32). Auch die Besitzstörungsklage kann eine mit obrigkeitlicher Erlaubnis errichteten gewerblichen Anlage und Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- und ähnlichen Unternehmungen gegenüber niemals die Einstellung des Betriebes, sondern höchstens die Herstellung von Einrichtungen, welche die Störungen ausschließen, bewirken. Wo solche Einrichtungen nicht tunlich sind, kann wegen der Besitzstörung lediglich Schadloshaltung verlangt werden (vgl. hierüber oben § 39). Daneben greift der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz in die Besitzstörungsklage ein, wonach gegenüber der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und speziell gegenüber polizeilichen Anordnungen nicht auf Unterlassung geklagt werden kann (z. B. Besitzstörung durch Militärschießplatz, Artilleriewerkstätte, Polizeiwachtstube, Läuten der Kirchenglocken), vgl. hierüber unten § 43 D III. IV. 1. Nur der tatsächliche Besitzstand ist entscheidend und nicht das bessere materielle Recht auf den Besitz. Niemals kann die Besitzklage auf das materielle Recht gestützt werden. Wer mit der Besitzstörungsklage durchdringen will, muß seinen Besitz 33 ) und die Störung durch verbotene Eigenmacht n a c h w e i s e n . Kann er seine den Besitz darstellende tatsächliche Gewalt über die Sache nicht nachweisen, so muß er mit seiner Besitzklage selbst dann abgewiesen werden, wenn sein materielles Recht auf den Besitz feststeht. Zur Begründung der Besitzstörungsklage ist aber weiter erforderlich, daß der Besitz durch verbotene Eigenmacht (§858 B G B ) gestört wurde. Die Besitzklage findet also nicht gegen j e d e n fehlerhaften und namentlich nicht gegen den 29

) O L G 12, 7 1 ; vgl. übrigens R G 63, 379. °) R G 59, 328; O L G 9, 295; 12, 71. 31 ) Recht 1904 Nr. 1821 (Colmar). 32 ) K G B 1 . 1908, 107 ( K G ) ; R G 80, 282. 33 ) Im allgemeinen steht auch dem mittelbaren Besitzer (§ 868 B G B ) die Besitzstörungsklage zu, wenn der Besitzer (Mieter, Pächter) in seinem Besitze gestört wird (§ 869 B G B ) ; jedoch kann der mittelbare Besitzer die Besitzstörungsklage nicht gegen den unmittelbaren Besitzer selbst erheben (vgl. SächsArch. 1 , 435, Dresden), während umgekehrt dem unmittelbaren Besitzer (Mieter) die Besitzstörungsklage gegen den mittelbaren Besitzer (Vermieter) zusteht und ihm sogar den wirksamsten Schutz gegen Übergriffe des Vermieters in die zum Gebrauch überlassene Sache gewährt (vgl. O L G 2, 4 1 , Stettin). 3

604

Die Besitzstörungsklage

§ 4 0

IV 1

34

precario erlangten Besitz statt ). Ob der Kläger seinerseits selbst den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat35), ist nur dann von Bedeutung, wenn der Besitzer dem S t ö r e r o d e r d e s s e n R e c h t s v o r g ä n g e r g e g e n ü b e r den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist. Nur wenn diese doppelte Voraussetzung gegeben ist, ist die Besitzstörungsklage ausgeschlossen (§ 862 Abs. 2 mit § 858 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise konzentriert sich die Entscheidung im Besitzprozesse auf die Frage, ob verbotene Eigenmacht von einer der Parteien verübt wurde. Der Besitzschutz bezweckt die Aufrechterhaltung der äußeren Rechtsordnung. So wenig der nichtbesitzende Kläger den Mangel seiner Aktivlegitimation durch den Nachweis ersetzen kann, daß ihm nach materiellem Rechte der Besitz gehört, so wenig ist es dem Beklagten nachgelassen, die von ihm verübte verbotene Eigenmacht durch den Nachweis zu rechtfertigen, daß der Kläger nach materiellem Rechte zur Duldung der Besitzbeeinträchtigung verpflichtet ist. Der gute Glaube des Eigenmächtigen ist ohne jede Bedeutung36). Ein solches materielles Recht zum Besitze oder zur Vornahme der störenden Handlung kann nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, daß die Entziehung oder die Störung nicht verbotene Eigenmacht sei (§ 863 BGB). Das will besagen: der Einwand, daß der Störer zur Störung berechtigt gewesen sei, ist insoweit unzulässig, als damit dargetan werden soll, daß der durch formelles Unrecht geschaffene Zustand dem materiellen Rechte entspreche37); zulässig ist jedoch dieser Einwand insoweit, als damit dargetan werden soll, daß durch die Störung gar kein formelles Unrecht geschaffen worden sei, mit anderen Worten, daß eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 8 5 8 nicht vorliegt. Dies trifft nur dann zu, wenn entweder der Besitzer38) oder das Gesetz39) die den Besitz beeinträchtigende Handlung gestattet hat40). Die Erlaubnis des Eigentümers schließt den Begriff der 34 ) Recht 1907, 310 Nr. 588 (RG). Der prekaristisch erlangte Besitz ist nicht ohne den Willen des früheren Besitzers entzogen. 35 ) Vgl. R G 34, 425. 36 ) J W 1904, 3 6 1 ; R G 67, 389; SeufTA 60 Nr. 9; Recht 1912 Nr. 3369 (RG). 37 ) Turnau-Förster Bern. 1 zu § 863. 38 ) Und zwar der unmittelbare Besitzer, nicht der mittelbare ( J W 1908, 681); vgl. übrigens § 869 und R G 68, 389. Der unmittelbare Besitzer hat den Besitzschutz auch gegen den mittelbaren Besitzer (Schlesw.-Holst.Anz. 1 9 0 4 , 1 4 5 ; Kiel, WürttJ 1 9 1 8 , 5 4 , Stuttgart). 39 ) Vgl. §§ 227—229; 561; 860; 861; 904; 910; 962; 1 3 7 3 ; 1443; 1 5 1 9 ; 1546; 2205 B G B ; § 127 StPO. (Wegnahme einer Sache zwecks Verwendung als Überführungsgegenstand. Vgl. R G 64, 385.) — Nicht dagegen gewährt § 867 das Recht auf Aufsuchung und Wegschaffung einer auf einem fremden Grundstück befindlichen Sache gegen den Willen des Eigentümers dieses Grundstücks. 40 ) Die Erlaubnis kann auch stillschweigend erteilt werden ( R G 72, 198); vgl. J W 1904, 361 (über das Fortwirken einer f r ü h e r erteilten Erlaubnis); Recht 1 9 1 4 Nr. 773.

605

§ 4U IV 1

V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

Eigenmacht nicht aus, wenn der Eigentümer nicht Besitzer ist 41 ). Hat jemand nach materiellem Rechte den Anspruch auf die Besitzeinwirkung, so wird, namentlich wenn dieses Recht auf vertraglicher Grundlage beruht, die Zustimmung des Besitzers zu der vertragsgemäß zulässigen Einwirkung regelmäßig insolange unterstellt werden dürfen, als nicht der Besitzer seinen der Vertragspflicht entgegenstehenden Willen dem Vertragsgegner kundgegeben hat42). Zieht der Pächter zu dem vereinbarten Termine auf dem Pachtgute auf, so kann ihn der Eigentümer nicht mit der Besitzklage vertreiben. Hat aber der Verpächter dem Pächter vorher erklärt, daß er ihn nicht aufziehen lasse, so kann der Pächter, der dessen ungeachtet aufgezogen ist, die Besitzklage des Verpächters nicht damit bekämpfen, daß ja der Verpächter gemäß § 5 81 B G B verpflichtet sei, ihm den Besitz zu dem vertragsgemäßen Termine einzuräumen und somit das Verbot des Verpächters rechtswidrig gewesen sei43. Andererseits kann der Vermieter gegen den Mieter, der nicht rechtzeitig räumt, die Besitzklage nicht erheben, weil ja der Mieter den Besitz mit dem Willen des Vermieters e r l a n g t hat. Stört der Vermieter den Mieter in diesem materiell unrechtmäßigen Besitz, so steht dem Mieter die Besitzklage zu, gegen welche der Beklagte nicht einwenden kann, daß die Mietzeit abgelaufen, und deshalb der Mieter zum Auszuge verpflichtet sei. Die Erlaubnis des Gesetzes schließt den Begriff der v e r b o t e n e n Eigenmacht aus. Hier kommen in erster Linie die allgemeinen Bestimmungen des § 229 B G B über die erlaubte Selbsthilfe44) und des § 904 B G B über die Notstandshandlungen (s. oben § 12) in Betracht, daneben aber auch Spezialbestimmungen wie z.B. § 561 B G B , sowie das Feldschadengesetz (s. unten § 43 D III Bb 8). § 561 B G B berechtigt den Vermieter, die seinem Pfandrecht unterliegenden Gegenstände des ausziehenden Mieters auch gegen dessen Willen in Besitz zu nehmen. Die Besitzentziehungsklage des Mieters wird mit diesem Einwände aus dem Feld geschlagen. Räumt der Mieter die Mietwohnung nicht zu dem vereinbarten Endtermine, so kann der Vermieter keine Besitzklage gegen ihn stellen. Die Vorschrift des § 863 hat eine wichtige prozessuale Konsequenz: Gegenüber einer Besitzklage ist eine petitorische Widerklage nur insoweit 41 ) BayZ 1905, 322 (RG). — (Der Enteignungsberechtigte begeht verbotene Eigenmacht, wenn er das Grundstück zwar mit Zustimmung des Eigentümers, aber ohne die des besitzenden Pächters in Besitz nimmt.) 42 ) Staudinger-Seufert Randb. 3 zu § 863. 43 ) Endemann 231 Anm. 23. Das Recht zum Besitz macht die Eigenmacht nicht zu einer rechtmäßigen Handlung, Endemann 231 Anm. 22. Ausnahme s. unten Ziff. 2. 44 ) Von dem Einwand des Rechtes zum Besitze ist der Einwand des Rechtes zur Selbsthilfe streng zu unterscheiden. Endemann 232 Anm. 24.

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Die Besitzstörungsklage

§ 4 0 IV 2

2ulässig, als nach § 863 gegen die Besitzklage eine petitorische Einrede zulässig ist, d.h. also eine petitorische Widerklage kann eben nur im Rahmen des § 863 B G B erhoben werden46), weil sonst der nach § 33 Z P O erforderliche rechtliche Zusammenhang fehlt46). Ebenso wie gegenüber der Besitzschutzklage der Einwand unzulässig ist, daß der Beklagte nach materiellem Recht zu der Störung befugt war, so kann dem materiellen Recht auch die Begründung einer Widerklage gegen die Besitzklage entnommen werden. Wenn aber der Beklagte gegenüber dem Besitzanspruch einwendet, daß die störende Handlung auf Grund einer Erlaubnis des Besitzers oder auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung zur Eigenmacht (§§ 227—229) zulässig war, so ist diese Verteidigung geeignet, dem Besitzschutzanspruch die Grundlage zu entziehen. Auf Grund einer solchen Einwendung kann zugleich eine Widerklage erhoben werden. Wendet der Beklagte ein, daß der Kläger dem Beklagten oder dessen Rechtsvorgänger den Besitz im letzten Jahre vor der Störung durch verbotene Eigenmacht entzogen habe (§ 861 Abs. 2; § 862 Abs. 2), so ist eine Widerklage auf Besitzeinräumung zulässig47). Eine Behauptung dagegen, die nicht geeignet ist, den Besitzschutzanspruch zu überwinden, ist ungeeignet, den für die Zulässigkeit einer Widerklage erforderlichen rechtlichen Zusammenhang ( § 3 3 ZPO) zu vermitteln48). 2. Von dem Grundsatz, daß das materielle Recht für den Besitzschutz gleichgültig ist, gibt es keine Ausnahme. Der Besitzanspruch erlischt nach § 864 Abs. 2 B G B , wenn nach 4 9 ) der Verübung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urteil 50 ) festgestellt wird, daß dem Täter ein dingliches

45 ) RGRKomm. 1 ; Palandt-Hoche 2; Planck Bern. 4 zu § 863; Bendix, Besitzklage 7 1 ; Turnau-Förster Bern. I, 4 zu § 8 6 1 ; Recht 1902, 528; Biermann Bern. 2 zu §865; Dernburg 95 Anm. 4. A . M . O L G 4, 289; Staudinger-Seufert Randb. 4 zu § 863; Westermann SR § 24 II 4. 46 ) Vgl. R G 23, 396; J W 1897, 228 Nr. 3 und dagegen SeuffA 48 Nr. 63. " ) Vgl. Turnau-Förster Bern. I, 4 zu § 861. 48 ) R G 23, 693; RGKomm. Bern, zu § 863; O L G 15, 328. 49 ) Liegt schon vor Verübung der Eigenmacht ein solches rechtskräftiges Urteil vor, so findet § 864 Abs. 2 keine Anwendung, wie Staudinger-Seufert Randb. 2 zutreffend ausführt. Dagegen die h.M. unter Berufung auf R G 107, 258; Palandt-Hoche 2 c zu § 864; RGKomm. Bern. 3 zu § 864; vgl. Recht 1910 Nr. 1586. 50 ) Eine einstweilige (wenn auch rechtskräftige) Verfügung steht einem Urteil in dieser Hinsicht nicht gleich. So mit Recht Staudinger Bern. 2e Zu § 864 gegen Recht 1901, 284 (Dresden). Allein es wird im Einzelfalle zu untersuchen sein, ob nicht die einstweilige Verfügung die Berechtigung zum eigenmächtigen Besitzeingriff verleihen wollte; dann ist der Besitzklage das Fundament entzogen, weil dann eben die Eigenmacht infolge der einstweiligen Verfügung (und zwar schon vor deren Rechtskraft) erlaubt, mithin nicht verboten ist.

607

§ 4U V

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

oder obligatorisches61) Recht an der Sache zusteht, vermöge, dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen kann52). War beim Eintritt der Rechtskraft des petitorischen Urteils ein Besitzanspruch anhängig, so muß der Kläger seinen Anspruch zur Hauptsache zurücknehmen, er kann aber den Prozeß wegen der Kosten weiterführen 53 ), denn wenn sein Anspruch erst durch das rechtskräftige Urteil beseitigt wurde, hat er ihn bis dahin mit Recht erhoben. Zur Begründung der Besitzstörungsklage gehört, daß sich der Kläger 2. Z. der Störung im Besitz befunden hat, daß der Besitz gestört wurde und daß der dadurch geschaffene Zustand der Beeinträchtigung des Besitzes zur Zeit der Klageerhebung noch fortdauert. Ruhiger Besitzstand oder fehlerfreier Besitz sind nicht Voraussetzung des Klaganspruchs. Infolge solcher Besitzfehler kann aber unter Umständen in Frage gestellt sein, ob überhaupt Besitz im Sinne der tatsächlichen Gewalt über die Sache gegeben ist. Nur dann ist das Klagerecht ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz im letzten Jahr vor der Störung erlangt ist (§ 862 Abs. 2). Fehlerhaft ist der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz (§ 858). Ist der Besitz auf Ruf und Widerruf (precario modo) eingeräumt, so ist er kein fehlerhafter. V. Der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes, wie auf Beseitigung der Störung und Unterlassung weiterer Störung e r l i s c h t mit dem Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn 51 ) Turnau-Förster Bern. 2 zu § 864; Endemann 233 Anm. 28, R G K Bern. 3 zu § 864; Strohal JherJ. 38, 120; Wolff JherJ. 44, 181 Anm. 105 und die überwiegende Meinung. Staudinger-Seufert Randb. 2 c zu § 864; a. M. Planck Bern. 2 zu § 864. Es ist ja richtig, daß das B G B unter einem Recht an einer Sache sonst nur ein dingliches Recht versteht. Das Motiv des Gesetzgebers, nach d e f i n i t i v e r Überwindung des tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses durch das materielle Recht nicht einen öden Formalismus aufkommen zu lassen und da zur Einräumung des Besitzes zu verurteilen, wo doch schon rechtskräftig feststeht, daß der eingeräumte Besitz sofort wieder zurückgegeben werden muß, trifft für obligatorische Rechtsverhältnisse genau so zu wie für dingliche. Da liegt es doch viel näher, an eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers im sprachlichen Ausdruck zu denken, als durch Beiholung des § 226 B G B die unerträgliche Lücke auszufüllen. 62 ) Die Besitzklage wie die Klage aus dem materiellen Rechte können unabhängig voneinander erhoben, ja sogar miteinander verbunden werden. Freilich wird sich eine solche Verbindung wohl niemals empfehlen; deshalb wird der Richter wohl auch von der Verbindungsbefugnis des § 147 Z P O keinen Gebrauch machen; keinesfalls ist es angängig, daß die Verhandlung über den Besitzanspruch ausgesetzt wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung des über das materielle Recht abhängigen Rechtsstreites. Denn gerade weil der Besitzanspruch abgesehen von der Ausnahme des § 864 Abs. 2 völlig unabhängig von dem materiellen Rechte ist, liegt Präjudizialität im Sinne des § 148 Z P O nicht vor. 63 ) Staudinger-Seufert Bern. 2 b zu § 864 und Nachweise.

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Die Besitzstörungsklage

§ 4 0 vi

nicht vorher der A n s p r u c h 6 4 ) im Wege der Klage geltend gemacht ist (§ 864 Abs. 1 BGB). Weil diese Frist keine Verjährungsfrist, sondern eine gesetzliche Ausschlußfrist ist, muß sie der Richter von Amts wegen berücksichtigen55). Sie läuft von der Verübung der verbotenen Eigenmacht an ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Klägers 56 ). Sind wiederholte Störungen vorgekommen, so wird zwar das Jahr von der letzten Störung an zu berechnen 57 ) sein, die früheren Störungen können aber für die Anwendung des § 862 Abs. 2 B G B von Bedeutung sein. VI. S c h a d e n e r s a t z . Die Besitzschutzklage (§§ 861, 862) ist nur darauf zu richten, daß ein Zustand herzustellen ist, bei dem die Beeinträchtigung des Besitzes nicht mehr vorhanden ist. Der Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung überhaupt nicht eingetreten wäre (Schadenersatzanspruch), bedarf einer besonderen Begründung 58 ) (vgl. unten § 43 A). Dieser Anspruch setzt voraus, daß die verbotene Eigenmacht schuldhaft begangen wurde. Da der Besitz ein Vermögensrecht und § 858 ein Schutzgesetz darstellt, ist § 823 Abs. 2 anwendbar59). Dem Besitzer, dem durch § 26 RGewO die Besitzstörungsklage entzogen ist (s. oben § 39 III), steht der Anspruch auf Schadloshaltung zu, der dem Eigentümer oder Besitzer des benachbarten Grundstücks zusteht. Natürlich unterliegt die Besitzstörungsklage aus § 862 der gleichen Beschränkung, die in § 906 B G B dem Eigentümer eines Grundstücks auferlegt ist (RG 105, 214). Der Anspruch auf Schadenersatz wegen Besitzstörung ist petitorischer Natur, so daß für ihn auch das materielle Recht von Bedeutung sein kann (Recht 1924, Nr. 269). Wird die Besitzstörungsklage mit dem Schadenersatzanspruch verbunden, so ist gegenüber dem Schadenersatzanspruch eine Widerklage aus dem materiellen Recht zulässig. Ein Besitzer, dem die Ansprüche aus §§ 861, 862 B G B durch Gesetz oder hoheitliche Gewalt entzogen werden, insbesondere im Falle des § 26 GewO, hat einen Ausgleichsanspruch in Geld 60 ). 54 ) Eine Feststellungsklage hält daher den Ablauf der Frist nicht auf. StaudingerSeufert Beni. 1 zu § 864. BS ) J W 1903 Beil. 105. 5e ) Das muß auch für wörtliche Handlungen gelten, wenn hierin überhaupt eine Besitzstörung zu erblicken ist. Vgl. hierüber oben S. 5 J4f. 67 ) Staudinger-Seufert Randb. 1 zu § 864. 55 ) Vgl. Recht 1917 Nr. 825 R G ; O L G 15, 329. — Der Anspruch aus §§ 861, 862 ist seiner Natur nach kein Schadenersatzanspruch (Recht 1909 Nr. 1683, Braunschweig). 59 ) R G 59, 326; RGKomm. Bern. 4 zu § 861. J W 1906, 7 3 7 ; Gruchot 51, 985. Über die Beschränkung, welche für die Verbindung des Schadenersatzanspruchs mit der Besitzschutzklage zu setzen ist, vgl. SeuffA 66 Nr. 54 (RG). 60 ) Vgl. R G Z 105, 214.

39

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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§ 41 1,11

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

§ 41. Klagenschutz der Grunddienstbarkeiten I. Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 B G B bestimmten Rechte zu (§ 1027 BGB). Die B e i n t r ä c h t i g u n g kann durch eine positive Tätigkeit 1 ) oder eine rechtswidrige Unterlassung herbeigeführt werden. Freilich ist hier zu berücksichtigen, daß der Eigentümer des dienenden Grundstücks regelmäßig nicht zu einem positiven Tun verpflichtet ist (servitus in faciendo consistere nequit (sieh oben § 27 III, 6). Ausnahmen siehe oben § 27, III, 62). §4i-

Auch bloße Drohungen können unter Umständen eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit darstellen3), während ein bloßes Verstreiten regelmäßig den Anspruch aus § 1027 nicht erzeugt4) (vgl. oben § 38, 3). In letzterem Falle kann ein F e s t s t e l l u n g s a n s p r u c h auf Anerkennung des rechtlichen Bestandes oder Umfanges der Grunddienstbarkeit erhoben werden, wenn die Voraussetzungen des § 256 ZPO gegeben sind. Die Verbindung eines solchen Feststellungsanspruchs mit dem Anspruch aus § 1027 ist zulässig und wird sich häufig empfehlen, um Rechtskraft zugunsten des ganzen Rechtsverhältnisses herbeizuführen und die Grundlage für die Eintragung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch zu schaffen6). Der Anspruch setzt kein Verschulden desjenigen voraus, welcher für die Beeinträchtigung verantwortlich ist (vgl. oben § 3 8 I 4). II. D a s Z i e l des A n s p r u c h s ist die Abwehr der Beeinträchtigung. Es ist klar, daß die Abwehrklage da nicht mehr angestellt werden kann, wo sie nicht mehr notwendig ist, weil eine Störung der Grunddienstbarkeit nicht mehr vorliegt. Deshalb kann man sagen, daß der Anspruch aus § 1027 einen Zustand der Beeinträchtigung voraussetzt. Dieser Zustand kann in einem körperlichen Verhältnis bestehen, durch welches die Störung dargestellt wird, oder in einem Zustande der Gefährdung durch Wiederholung der Eingriffe. Aus dieser Verschiedenheit der Veranlassung ergibt sich eine doppelte Gestaltung des Anspruchs: Vgl. R G Z 47, 359 (Errichtung eines Gebäudes) oder Behinderung eines Wegerechts durch Verengung der Fahrbahn. 2 ) Vgl. oben § 31, III: Verpflichtung des Eigentümers eines Waldgrundstücks, das mit einem Forstrecht belastet ist, zur Anweisung und zum Fällen des Rechtholzes. Vgl. ferner die Pflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks eine Anlage gemäß § 1022 B G B zu unterhalten (siehe oben § 27, III, 6). 3 ) Vgl. J W 1908, 274. 4 ) Vgl. BayZfR 1906, 446 (Bamberg); O b L G 3, 500; RGKomm. Bern. 2 zu § 1027. 6 ) Staudinger Randb. 1 b zu § 1027. Eine Feststellungsklage ist nicht zulässig, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit dauernd unmöglich ist (BayObZ 31, 102).

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Klagenschutz der Grunddienstbarkeiten

II 1 , 2 , 3

1. Der Anspruch auf B e s e i t i g u n g der Beeinträchtigung geht auf die Wiederaufhebung einer fortbestehenden Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit. Der Fortbestand und die Wiederaufhebbarkeit der Beeinträchtigung setzen ein körperliches Verhältnis voraus (s. hierüber oben § 3 8 II 1). Wenn die Unterhaltung einer zur Ausübung der Grunddienstbarkeit dienenden Anlage dem Eigentümer des dienenden Grundstückes obliegt stellt die Unterlassung dieser Unterhaltung eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit dar. Die Beseitigung dieser Beeinträchtigung wird durch Ausführung der Unterhaltung bewirkt und hieraus ist also in diesem Fall der Beseitigungsanspruch zu richten6). 2. Der Anspruch auf U n t e r l a s s u n g weiterer Beeinträchtigung setzt ebenfalls einen Zustand, jedoch nicht körperlicher Art, voraus. Wenn das Zuwiderhandeln gegen die aus dem Inhalte der Grunddienstbarkeit für die anderen Personen sich ergebenden Pflichten die zuständliche, bis in die Gegenwart fortdauernde Folge hervorgebracht hat, daß weitere Beeinträchtigungen nach den Umständen zu besorgen7) sind, so ist dem Berechtigten der Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung gegeben (vgl. hierüber oben § 38, II 2). Auch hier ist der Berechtigte weder verpflichtet noch berechtigt, auf Vorkehrung bestimmter Maßnahmen zu klagen, durch welche die Beeinträchtigung hintangehalten werden soll (vgl. oben S. 564). Die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil auf Unterlassung erfolgt aus § 890 ZPO (vgl oben § 38, II 2 b). Der Anspruch des Grunddienstbarkeitsberechtigten kann einer mit obrigkeitlicher Erlaubnis errichteten gewerblichen Anlage und Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- und ähnlichen Unternehmungen gegenüber niemals die Einstellung des Betriebes, sondern höchstens die Herstellung von Einrichtungen, welche die Störung ausschließen, bewirken. Wo solche Einrichtungen nicht tunlich sind, kann wegen der Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit lediglich Schadloshaltung verlangt werden (vgl. hierüber oben § 38, IX). Daneben greift der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz auch in den Anspruch auf § 1027 ein, wonach gegenüber der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und speziell gegenüber polizeilichen Anordnungen nicht auf Unterlassung geklagt werden kann (s. oben § 3 9 1 u. unten § 43 D III). 3. S c h a d e n s e r s a t z kann nur im Falle des Verschuldens nach Maßgabe der Haftung für die unerlaubte Handlung verlangt werden8), nämlich nach § 823 Abs. 1 (Dienstbarkeit als sonstiges Recht) odernach § 823 Abs. 2 6 7 8

) Staudinger Randb. 3 c zu § 1027; Dernburg 585. ) Bloße Möglichkeit genügt nicht (RG 63, 374). ) Vgl. R G in Warn. 1 9 1 1 Nr. 3 3 1 ; BayObZ 3, 492; SeuffBl. 68, 166.

8 41 V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw. I I I 1, 2

(Verletzung der Schutzgesetze in §§ 1027 u. 1004). Dieser Schadenersatzanspruch kann mit dem Anspruch aus § 1027 B G B verbunden werden. III. P a r t e i s t e l l u n g f ü r die K l a g e 1. K l a g e b e r e c h t i g t ist der Inhaber der Dienstbarkeit, also der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks9). Es ist nicht erforderlich, daß er im Besitze des Grundstückes ist. Auch der einzelne Miteigentümer ist klageberechtigt (§ 1011 BGB). Wird das herrschende Grundstück geteilt, und die Grunddienstbarkeit bleibt für die einzelnen Teile fortbestehen (§ 1025 B G B , s. oben § 34 VIII), so ist jeder Eigentümer eines solchen Teiles klageberechtigt 10 ). Ingleichen der Erbbauberechtigte (§ 10x7 Abs. 2 B G B § 1 1 Erbb. VO) und der Nießbraucher 11 ) (§ 1065 BGB), soweit mit dem Erbbaurecht und dem Nießbrauch die Grunddienstbarkeit verbunden ist und deren Ausübung behindert wird. An Stelle des Eigentümers ist der Konkursverwalter (§§ 6, 10f. KO), der Testamentsvollstrecker (§§ 2212, 2213 BGB), aber auch der Zwangsverwalter aktiv legitimiert. Dagegen fehlt die Aktivlegitimation dem Mieter und Pächter 12 ) (über die Aktivlegitimation überhaupt vgl. oben § 38, IV). 2. P a s s i v l e g i t i m i e r t ist jeder Störer, also nicht nur der Eigentümer des dienenden Grundstücks, sondern jeder Dritte, der unbefugt der Ausübung der Grunddienstbarkeit in den Weg tritt 13 ). Mehrere Störer haben aus einer gemeinschaftlich begangenen Störung als Gesamtschuldner für die Beseitigung der Beeinträchtigung 14 ). Der Eigentümer des dienenden Grundstücks, der störende Veranstaltungen auf seinem Grundstück durch andere wissentlich duldet, ist als Störer verantwortlich 16 ). Wird auf Feststellung einer Grundgerechtigkeit geklagt, die auf einem Grundstücke ruht, welches im Miteigentum mehrerer Personen steht, so muß die Klage gegen die sämtlichen Miteigentümer erhoben 9 ) Bei Gemeindeservituten ist das einzelne Mitglied der Gemeinde nicht aktiv legitimiert (s. oben § 27, III 3). 10 ) Vgl. OTribArch. 25, 280. n ) R G K o m m . Bern. 3; Staudinger Randb. 2 je zu § 1027. 12 ) Dagegen steht dem Mieter und Pächter der Besitzschutz, (§ 1029) hinsichtlich der Grunddienstbarkeit zu. Vgl. Staudinger Randb. 2; R G R K o m . Bern. 3 je zu § 1027; J W 1923, 305. Den rein obligatorisch Berechtigten kann, soweit ein rechtliches Interesse (§ 256 ZPO) gegeben ist, die Feststellungsklage zustecken. 13 ) B a y Z f R 1906, 446 (Bamberg); O b L G 3, 352 (Bamberg); R G K o m m . Bern. 4 zu § 1027. Vgl. BayObZ 10, 4 7 1 ; O L G 15, 361. 14 ) Vgl. SeuffA 61 Nr. 224; R G 162, 358. 16 ) Vgl. R G 47, 162; J W 1900, 840; 1902 Beil. 187; vgl. oben § 38 I 2.

612

Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten

§42 i

werden, wenn auch nur einer von ihnen die Grunddienstbarkeit bestritten hat 16 ). IV. B e w e i s l a s t . Der Kläger ist für den von ihm behaupteten Inhalt und Umfang der Grunddienstbarkeit beweispflichtig, wobei hinsichtlich der im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeiten die Bezugnahme auf den Inhalt des Grundbuches genügt (§§ 891, 874 BGB). Der Kläger liegt ferner der Nachweis der Klageveranlassung ob; er muß also beweisen, daß ein Zustand der Beeinträchtigung (in dem oben I und II erörterten Sinne) vorliegt. Im Falle der Feststellungsklage ist das Rechtsschutzbedürfnis von Amts wegen zu prüfen. V. Z e i t l i c h e S t a t u t e n k o l l i s i o n . Der § 1027 B G B gilt auch für die bei dem Inkrafttreten des B G B bereits bestehenden Grunddienstbarkeiten (Art. 184 EG). VI. G e r i c h t s s t a n d . Für die Klage aus § 1027 B G B ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk das dienende Grundstück belegen ist (§24 ZPO). Wird mit der Klage aus § 1027 B G B die Klage auf Schadensersatz aus § 823 ff B G B verbunden, so kommt derselbe Gerichtsstand in Betracht (§§ 25, 26 ZPO). § 42. Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten A . Begriff des Quasibesitzes an Grunddienstbarkeiten

I. Ein Sachbesitz im Sinne des § 854 B G B ist bei Grunddienstbarkeiten jedenfalls dann denkbar, wenn sich die Dienstbarkeit in Anlagen verkörpert, die auf das dienende Grundstück direkt einwirken, z.B. in überragenden Balken, Dunggruben, Wasserleitungen usw. Dasselbe gilt bei allen affirmativen Grunddienstbarkeiten, deren Inhalt darin besteht, daß das dienende Grundstück in einzelnen Beziehungen benützt werden darf (vgl oben § 17 I). Auf alle diese Fälle finden die Vorschriften der §§ 854ff B G B über den Schutz des Sachbesitzes unmittelbare Anwendung. Geht man übrigens — wie es wohl richtig ist — davon aus, daß der Dienstbarkeitsberechtigte — ebenso wie der Miteigentümer oder Erbbauberechtigte — schon mit der Einigung und Eintragung im Grundbuch die tatsächliche Herrschaftsgewalt innerhalb seines Rechtsbereichs und damit Sachmitbesitz erlangt (vgl Heck SR § 16, 3 ff), so wird man die Vorschriften der 16 ) O L G 18, 149 (Köln) Stein-Jonas-Schänke § 62 III 1. Vgl. aber Josef ArchZiv Prax. 107, 168; die Kosten, die gegen den nicht bestreitenden Miteigentümer erwachsen sind, können diesem auch dann überbürdet werden, wenn er den Anspruch sofort anerkennt, weil sein Anerkenntnis insolange wirkungslos ist, als es nicht alle Miteigentümer erklären.

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§ II

y . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

§§ 854ff B G B auf alle eingetragenen Grunddienstbarkeiten und zwar auch auf die sog. negativen anwenden. A u f diese Fälle finden die Vorschriften des B G B über den Schutz des Sachbesitzes (§§ 8;4ff B G B unmittelbar Anwendung 1 ). II. Im B G B wird das Institut des Rechtsbesitzes im allgemeinen nicht anerkannt. Deshalb hielt man aus praktischen Gründen für unumgänglich, dem Besitzer einer Grunddienstbarkeit den possessorischen Rechtsschutz zu gewähren. Bei der Bestimmung der Voraussetzungen dieses Schutzes geht das B G B davon aus, daß eine Analogie zwischen dem Sachbesitz und dem Zustande der Ausübung der Grunddienstbarkeit anzunehmen ist. Das Analogon des Sachbesitzes ist bei den Grunddienstbarkeiten der Zustand der Ausübung bzw. der Zustand der tatsächlichen Geltung der Dienstbarkeit, welcher in deren Betätigung seitens des Berechtigten zutage tritt 2 ). Den Vorschriften des B G B liegt der Gedanke zugrunde, daß man denjenigen, welcher sich in der Ausübung der Dienstbarkeit befindet, gewissermaßen als Mitbesitzer (quasi possessor) neben dem Sachbesitzer ansehen kann 3 ). Dadurch aber ist in der Tat bei Grunddienstbarkeiten v o m B G B der Rechtsbesitz anerkannt worden. Zwar spricht das B G B nur von einer entsprechenden Anwendung der für den Besitzschutz geltenden Vorschriften auf den Schutz der Ausübung einer Grunddienstbarkeit (Art. 191 E G ; § 1029 BGB). Aber die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Schutz des Sachbesitzes ist eben nur dann möglich, wenn Rechtsbesitz (quasi possessio) des Servitutberechtigten zugrunde gelegt wird 4 ).

§ 42 Planck Bern. 1 zu § 1029; Staudinger Bern, i a zu § 1029; Westermann SR § 27 III; Wolff-Raiser SR § 24 III 2; Krückmann ArchZPr. 108, 331. 2) M 3, 490, Mugdan 3, 273. 3) Planck Bern. 1 zu § 1029. 4) So ist nach § 862 Abs. 2 BGB der Besitzanspruch ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt ist. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den Schutz der Ausübung von Grunddienstbarkeiten setzt unerläßlich voraus, daß auch hier ein tatsächliches Machtverhältnis als e r l a n g t unterstellt wird. Mit anderen Worten: wie der Sachbesitz durch eine einmalige Handlung erworben wird, so muß auch das unterstellte Herrschaftsverhältnis bezüglich einer Grunddienstbarkeit, welches den Besitzschutz genießt, durch eine einmalige Handlung dergestalt erworben werden können, daß ein dem Sachbesitz analoges, aber nicht in der tatsächlichen Gewalt, sondern nur in der rechtlichen Fiktion bestehendes Herrschaftsverhältnis angenommen wird. Das dürfte bereits in der Tatsache der Eintragung im Grundbuch gegeben sein, da der Dienstbarkeitsberechtigte mit der Einigung und Eintragung Teilrechte des Eigentümers des dienenden Grundstücks erlangt. Für die auf ein Unterlassen gerichteten (negativen) ist dies auch in der Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt, insofern das Verbot, die unersagte Handlung zu unterlassen in der Eintragung erblickt wird (vgl. BayObZ 33, 284; Heck SR § 16, 4; Westermann SR § 27 II, 2).

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Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten

§42 i

B. Erwerb des Quasibesitzes an Grunddienstbarkeiten

I. Wie der Sachbesitz durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache erworben wird (§854 BGB), so wird die quasi possessio durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit erworben und zwar schon durch eine einmalige, auf Fortsetzung gerichtete Ausübung. Gleichwie der Sachbesitz als tatsächliche Gewalt besteht ohne Rücksicht darauf, ob er rechtlichen Schutz genießt, so besteht die dem Sachbesitz entsprechende quasi possessio unabhängig davon, ob und inwieweit ihr vom Gesetzgeber ein Schutz zugebilligt worden. Dieser Gedanke ist als grundlegend festzuhalten. Es wäre verfehlt, eine quasi possessio nur insoweit als gegeben zu erachten, als ein Schutz der quasi possessio vom Gesetzgeber zugebilligt ist. Die quasi possessio wird erlangt durch eine Handlung, welche sich objektiv als Ausübung einer Grunddienstbarkeit darstellt. Die Handlung muß den Charakter der Rechtsausübung tragen6). Gleichgültig für den Begriff der quasi possessio ist es, ob sie durch eine fehlerhafte Besitzhandlung erworben wird. Gleichwie der Räuber an der von ihm abgenommenen Uhr Besitz erwirbt, so wird die quasi possessio einer Grunddienstbarkeit auch dann erworben, wenn der Ausübende einen entgegengesetzten Willen des Eigentümers mit Gewalt überwindet. Er besitzt fehlerhaft, aber er besitzt, wenn es ihm gelungen ist, den entgegenstehenden Willen des Grundeigentümers zu überwinden. Er hat die quasi possessio e r l a n g t und behält sie so lange, als er nicht das von ihm begründete Herrschaftsverhältnis aufgibt oder in anderer Weise verliert. Durch den Akt der Betätigung der Dienstbarkeitsausübung wird ein dem Sachbesitz analoges Herrschaftsverhältnis begründet, welches mit zuständlicher Wirkung und im Rahmen der Ausübung fortdauert. Die Annahme eines solchen analogen Herrschaftsverhältnisses entfällt, wenn man in der Eintragung der Grunddienstbarkeit die Einräumung des Sachmitbesitzes erblickt; denn schon durch die Eintragung wird dem Dienstbarkeitsberechtigten ein Stück tatsächlicher Herrschaftsgewalt übertragen. § 1029 B G hat somit seine besondere Bedeutung für die nicht eingetragenen altrechtlichen Grunddienstbarkeiten. Deshalb wird z.B. eine auf Unterlassung gerichtete altrechtliche Grunddienstbarkeit solange als in Ausübung begriffen angesehen werden müssen, als nicht einem ausdrücklichen Verbot zuwidergehandelt wird. Die in Art .13 BayÜG B G B vorgesehene 10 jährige Nichtausübung läuft somit bei einem Konkurrenzverbot erst dann, wenn der untersagte Gewerbebetrieb verbotswidrig eröffnet wird. 5a ) Bei der altrechtlichen nicht eingetragenen Grunddienstbarkeit muß die 6 6a

) Vgl. O G H 8, 461; O L G 6, 255. ) Vgl. BayOBZ 33, 284.

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§ 4Z II

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung v o n Eigentum usw.

Unterlassung auf ein ausdrückliches Verbot des Berechtigten zurückgeführt werden können 6 ). II. Ob ein Besitzstand vorliegt, muß nach Lage des Einzelfalles entschieden werden. Es ist nicht erforderlich, daß die Willensrichtung des Berechtigten gerade auf die Ausübung einer Grunddienstbarkeit als eines Rechtes an einer f r e m d e n Sache ist; auch eine Rechtsausübung, welche in dem Glauben, Eigentümer zu sein, vorgenommen wurde, genügt. Aber es muß sich um eine solche Betätigung handeln, die rein objektiv betrachtet als die eines Grunddienstbarkeitsberechtigten aufgefaßt werden kann; es muß also eine Ausübung vorliegen, die für die Benützung eines Grundstückes Vorteil bietet; dem Grundsatz servitus fundo utilis esse debet muß bei der in Frage stehenden Betätigung Genüge geleistet sein, weil es sich sonst gar nicht um die Ausübung einer Grunddienstbarkeit handeln kann. Wenn z. B. der Postbote bei seinem täglichen Bestellgang über eine fremde Wiese geht, wird er niemals die quasi possessio einer Gehgerechtigkeit an dieser Wiese erwerben. Wenn aber der Eigentümer eines Ackers zum Zwecke der Bestellung desselben über einen daran grenzenden Rain gefahren ist, dann kann er hierdurch die quasi possessio einer Fahrtgerechtigkeit selbst dann erworben haben, wenn er sich irrtümlicherweise für den Eigentümer des Rains gehalten hat. Die Immission von Rauch, Ruß usw. kann nicht ohne weiteres als eine Handlung aufgefaßt werden, in welcher die Absicht einer Rechtsausübung an dem fremden Grundstück zum Ausdruck kommt 6 '), ebensowenig das Ausschwärmenlassen von Bienen7). Desgleichen stellt eine bloße Mauerausbauchung oder das bloße Hineinragen eines schief gewordenen Giebels für sich allein noch keine Rechtsausübung einer Servitut dar8). Die Rechtsausübung einer Dienstbarkeit an Sachen, welche dem öffentlichen Gebrauche gewidmet sind, ist denkbar, aber sie liegt noch nicht ohne weiteres in der Ausübung von allgemeinen Gebrauchsbefugnissen, welche aus der Öffentlichkeit des Weges folgen 9 ). Wenn die Benützung nur v e r g ü n s t i g u n g s w e i s e oder mit dem Willen der V e r h e i m l i c h u n g erfolgt, ist die quasi possessio nicht gegeben 10 ). Dagegen kann eine g e w a l t s a m erzwungene Ausübung sehr wohl den Charakter der Rechtsausübung tragen 11 ). 6)

Vgl. Bolze 2 Nr. 191, 5 Nr. 97, 11 Nr. 51, R G 12, 175; SeuffA 46 Nr. 171. V g l . SeuffA 36 Nr. 110. ') V g l . J W 1884, 281 Nr. 39. 8 ) V g l . R G 45, 287 und dagegen: O L G 5, 423. 9 ) O L G 6, 255, vgl. Kahr, G e m O 359; O G H 9, 81; io, 200; SeuffA 42 Nr. 194 (RG). 1 0 ) O L G 6, 255. n ) V g l . R G 22, 189; O G H 8, 201; a. M. Dernburg 587. Z u Unrecht beruft sich Dernburg auf Planck Bern. 3 b. 6a )

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Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten

§42 ii

Gerade weil jemand sich sein Recht nicht nehmen lassen will, übt er es trotz des Verbotes erst recht aus. Zweifelhaft ist, was zu der Ausübung der Dienstbarkeit gehört, wenn diese darin besteht, daß auf dem dienenden Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen. Die bisherige Rechtsprechung, hat in solchen Fällen eine quasi possessio nur dann angenommen, wenn die Nichtvornahme der betreffenden Handlungen infolge eines Verbotes des anderen Teiles erfolgte 12 ). Daran wird festzuhalten sein. Wenn aber die Dienstbarkeit im Grundbuche eingetragen ist, so wird man in dieser Eintragung schon das erforderliche Verbot erblicken können 13 ). Durch Dritte kann, wenn sie in einem Repräsentationsverhältnis zu der Person des Berechtigten stehen, die quasi possessio erworben werden 1 4 ); steht der Dritte zu dem Berechtigten in keinem Repräsentationsverhältnis, so kann die quasi possessio zwar durch ihn erhalten, aber nicht erworben werden 16 ). Wenn die Handlung so, wie sie äußerlich in die Erscheinung tritt, geeignet ist, eine Rechtsausübung darzustellen, so wird es Sache des Gegenbeweises sein, den Charakter der Rechtsausübung zu widerlegen 18 ). C. Endigung der quasi possessio Wie lange der durch den erwerbenden Akt vollzogene Zustand der quasi possessio erhalten bleibt, ist ebenso wie beim Sachbesitz eine Tatfrage. Auch hier tritt wieder in Erscheinung, daß der Begriff der quasi possessio den rechtlichen Schutz n i c h t zur Voraussetzung hat. Das ergibt sich aus Art. 191 E G . Danach wird für eine Grunddienstbarkeit, welche weder eingetragen, noch in einer Anlage verkörpert ist, der Besitzschutz nur gewährt, wenn die Dienstbarkeit in j e d e m d e r d r e i l e t z t e n J a h r e v o r der Störung mindestens einmal ausgeübt worden ist. Damit ist nicht gesagt, daß der Besitzschutz stets dann gewährt werden muß, wenn die Dienstbarkeit in jedem der drei letzten Jahre mindestens einmal ausgeübt worden ist. Es wird vielmehr vorausgesetzt, daß zur Zeit der Störung die quasi possessio noch besteht. Die quasi possessio kann aber erloschen sein, obwohl im letzten Jahre vor der Störung die Grunddienstbarkeit noch ausgeübt wurde 17 ). Es erlischt nämlich die quasi possessio, wenn der Be12

) Holzschuher, Theor. und Kas. 2, 403; SeuffA 36 Nr. 1 1 0 ; J W 1891, 23 Nr. 53. ) Planck Bern. 3 b zu § 1029; RGKomm. Bern. 5 Staudinger Randb. 1 je zu § 1029. ) Vgl. Planck Bern. 3 b zu § 1029; SeuffA 47 Nr. 188, O G H 5, 795 (Dienstboten), 7, 241 (Pächter). 15 ) Vgl. SeuffA 47 Nr. 188. 16 ) Planck Bern. 3 b zu § 1029. 17 ) Planck Bern. 3 zu § 1029. 13

14

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§ 4Z I 1

v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

rechtigte das durch Ausübung begründete Herrschaftsverhältnis aufgibt oder in anderer Weise verliert, gleich wie der Sachbesitz nach § 8 5 6 B G B dadurch beendigt wird, daß der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert. Wenn z.B. der Kläger am 29. Mai bei einer Fahrt über die fremde Wiese gestört wird, und deswegen die Besitzschutzklage erhebt, so wird er mit dieser Klage auch dann abgewiesen werden können, wenn er in jedem der drei vorhergehenden Jahre wiederholt und sogar durchaus ungehindert und im guten Glauben über die fremde Wiese gefahren ist. Wenn ihm z.B. am 20. Mai der Wiesenbesitzer eine von ihm aufgefundene Urkunde vorzeigt, aus der sich ergibt, daß die bis dahin von beiden Teilen unterstellte Fahrtgerechtigkeit in Wirklichkeit nicht besteht und daraufhin der Kläger, der im Begriffe stand, über die Wiese zu fahren, dies unterläßt, so hat er hierdurch die quasi possessio verloren, er hat das durch die Ausübungshandlung begründete Herrschaftsverhältnis aufgegeben.

Das Herrschaftsverhältnis des Berechtigten an der fremden Sache, die quasi possessio, wird namentlich dadurch aufgegeben, daß der Berechtigte die nach den Umständen veranlaßte Fortsetzung der Ausübung mit dem Willen unterläßt, die Grunddienstbarkeit nicht mehr weiter auszuüben. Die Aufgebung des Besitzwillens ist unter diesen Umständen auch aus einer bloßen länger andauernden Nichtausübung des Rechtsbesitzes zu folgern. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage vorwiegend tatsächlicher Natur 18 ). Der Verlust des Quasibesitzes tritt auch dann eine, wenn der Besitzer des herrschenden Grundstücks die Ausübung der Dienstbarkeit nicht freiwillig aufgibt, sondern ihm die Ausübung der Dienstbarkeit von dem Besitzer des belasteten Grundstücks, wenn auch nur zeitweilig 19 ), u n m ö g l i c h gemacht wird 20 ). Allein gegen diese Behinderung kann gerade der Besitzschutz wirksam angerufen werden. D. Schutz der Ausübung der Grunddienstbarkeiten

I. V o r a u s s e t z u n g e n des B e s i t z s c h u t z e s Die Voraussetzungen sind verschieden, je nachdem die Grunddienstbarkeit im Grundbuche eingetragen ist oder nicht. 1. E i n g e t r a g e n e Grunddienstbarkeiten. Wird der Besitzer eines Grundstückes in der Ausübung einer für den Eigentümer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit gestört, so finden die für den Besitzschutz geltenden Vorschriften der § 8 54ff B G B unmittelbar Anwendung, da durch die Eintragungsbewilligung in Verbindung mit der Eintragung der Sachmitbesitz in dem Umfang übertragen 18

) ) neuem 20 ) 18

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Vgl. O G H 15, 279; Krückmann ArchZPr. 108, 331. Nach dem Wegfall der Verhinderung kann die quasi possessio natürlich von erworben werden. Planck Bern. 3 zu § 1029. Staudinger Randb. 3 bzw. § 1029 u. 45 zu § 1018.

Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten

§42 I 2

wird, der dem Inhalt der Grunddienstbarkeit entspricht. Der Besitzschutz kann niemals über den Inhalt der Grunddienstbarkeit, wie er im Grundbuche eingetragen ist, hinausgehen 21 ). Eine Ausübung, die über den eingetragenen Inhalt der Grunddienstbarkeit hinausgeht, kann aber den Besitzschutz unter den Voraussetzungen genießen, unter welchen er einer nicht eingetragenen Grunddienstbarkeit zukommt (s. unten 2). Hier greift § 1029 B G B ein, der eine entsprechende Anwendung der Vorschriften in §§ 854ff vorsieht, soweit die Dienstbarkeit innerhalb eines Jahres vor der Störung mindestens einmal ausgeübt worden ist. Die Erfordernisse der Ausübung sind oben unter B erörtert. Ist die Dienstbarkeit innerhalb des der Störung vorausgehenden Jahres nicht mindestens einmal ausgeübt worden, so bleibt der Besitzschutz überhaupt versagt. E r wird dagegen gewährt, wenn dies auch nur einmal in dem der Störung vorausgegangenen Jahre geschehen ist. War diese vorhergehende Ausübung eine gewaltsame, so kommt es darauf an, ob der Quasipossessor die quasi possessio schon vor dem Beginn des der Störung vorhergehenden Jahres erlangt hat, (s. hierüber oben B I). War dies der Fall, dann kann ihm dieser fehlerhafte Erwerb seiner quasi possessio nach §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 nicht mehr entgegengehalten werden. Hat aber der Besitzer des herrschenden Grundstückes die quasi possessio erst in dem der Störung vorhergehenden Jahre erlangt, dann sind die Voraussetzungen gegeben, vermöge deren der störende Besitzer des dienenden Grundstückes die Besitzklage nach §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 aus dem Felde schlagen kann.

2. N i c h t e i n g e t r a g e n e Grunddienstbarkeiten. Nach Art. 191 Abs. 1 E G sind die bisherigen Gesetze über den Schutz im Besitze einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit aufrecht erhalten, bis das Grundbuch für das belastete Grundstück als angelegt anzusehen ist. Erst vom Inkrafttreten der Grundbuchverfassung an würde also der Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten in Gemäßheit des Art. 191 Abs. 2 E G nach Bundesrecht zu beurteilen sein. Art. 45 Ü G hat jedoch die Anwendbarkeit des bisherigen Rechts auch für die Übergangszeit beseitigt und die Vorschriften des Art. 191 Abs. 2 E G schon vom Inkrafttreten des B G B an in Geltung gesetzt, so daß von da ab der Besitzschutz der nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten in Bayern einheitlich durch Art. 191 Abs. 2 E G geregelt ist. Die Beschränkung, wonach Art. 191 Abs. 2 E G nur insolange Anwendung finden soll, als Dienstbarkeiten nach Art. 128 oder Art. 187 E G zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs der Eintragung bedürfen, ist für Bayern zunächst bedeutungslos, da die für die Unterwerfung von Grunddienstbarkeiten unter den Eintragungszwang erforderliche Verordnung (Art. 10 Abs. 2 ÜG) bislang noch nicht erlassen wurde und vorerst auch nicht zu erwarten ist. Demgemäß finden in Bayern auch zum Schutze der Ausübung einer nicht eingetragenen Grunddienstbarkeit die für den Besitzschutz geltenden Vorschriften des B G B vom 1. Januar 1900 an entsprechende Anwendung. Es sind jedoch zu unterscheiden: 21

) Vgl. Gruchot. 49, 1 2 7 ; Siebert J W 1956, 7.453.

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§ 4 2

II

V. Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

a) die nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten, mit welchen das Halten einer dauernden A n l a g e verbunden ist sowie für die affirmativen Grunddienstbarkeiten, deren Inhalt im Benüt2en des dienenden Grundstücks besteht, weil insoweit zum Teil die Sachherrschaft eingeräumt ist. Diese genießen den Besitzschutz unmittelbar (Art. 191 Abs. 2 S. 1 E G ) ; b) die sämtlichen nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten a n d e r e r Art, denen der Besitzschutz nur dann gewährt wird, wenn die Dienstbarkeit in jedem der drei letzten Jahre vor der Störung wenigstens einmal ausgeübt worden ist (Art. 191 Abs. 2 Satz 2 EG). Daß die quasi possessio während der drei Jahre ununterbrochen fortgedauert hat, ist nicht notwendig. Es genügt, wenn sie in jedem Jahre mindestens einmal, wenn auch nur zeitweilig vorhanden war, soferne sie nur unmittelbar vor Beginn des letzten der Störung vorausgegangenen Jahres bestanden hat. Ist aber die quasi possessio erst in dem der fraglichen Störung unmittelbar vorausgehenden Jahre wieder erlangt worden, so schlägt der störende Besitzer des belasteten Grundstücks die Besitzklage mit dem Einwände aus §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 B G B . II. I n h a l t des

Besitzschutzes

Solange das durch die Ausübungsbetätigung begründete zuständliche Herrschaftsverhältnis fortdauert, ist jede Behinderung oder Störung in der Ausübung der Dienstbarkeit ohne den Willen des Besitzers eine Verletzung des Besitzrechtes. Die rechtswidrige Verhinderung in der Ausübung oder deren rechtswidrige Beeinträchtigung ist verbotene Eigenmacht, zu deren Abwehr dem Besitzer neben dem Rechte der Selbsthilfe 22 ) (§859 B G B ) die Besitzklagen gegeben sind. Bei totaler Verletzung, nämlich bei Entziehung des Besitzes geht der Anspruch auf Wiedereinräumung desselben (§ 861 BGB). Wird der Besitz nur partiell, d. i. eben in anderer Weise als durch Entziehung, beeinträchtigt, so steht dem Besitzer die Besitzstörungsklage zu (§ 862 BGB). Der Besitz ist entzogen, wenn der Dritte die Ausübung der Dienstbarkeit ganz vereitelt; er ist gestört, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit erschwert wird; die Grenzen der beiden Besitzklagen sind bei ihrer Anwendung auf den Schutz der Grunddienstbarkeitsausübung besonders flüssig. Das Gesetz erkennt mit gewissen Einschränkungen, die unter I erörtert wurden, bei nicht eingetragenen Grunddienstbarkeiten den Rechtsbesitz (§ 1029), die quasi possessio, als schutzwürdig an; dem Quasipossessor ist 22)

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Vgl. hierüber Planck Bern. 4a zu § 1029; Staudinger Randb. 3 zu § 1029.

Anspruch auf Schadenersatz

§43

das Recht auf Erhaltung des durch die Ausübung erlangten Herrschaftsverhältnisses in dem Sinn verliehen, daß er an der Fortsetzung der Ausübung nicht behindert werden darf. Sein Quasibesitz wird geschützt ohne Rücksicht darauf, ob er mit der Rechtslage übereinstimmt. Wer diesen Herrschaftszustand stört, handelt widerrechtlich, soferne ihm nicht das Gesetz die Störung gestattet. Die Störung ist verbotene Eigenmacht (§858 B G B ) und also selbst dann unzulässig, wenn die angemaßte Grunddienstbarkeit in Wirklichkeit gar nicht besteht. Ob der Kläger seinerseits selbst den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat, ist nur dann von Bedeutung, wenn der Quasibesitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist ( § 8 6 1 Abs. 2, § 862 Abs. 2 B G B ) . Das Nähere hierüber s. oben § 40 III. (Anwendungsfälle s. oben D I, 1 und D I, 2 b). Der Anspruch geht auf Wiedereinräumung des Besitzes bzw. auf Beseitigung der Störung und Unterlassung weiterer Störung der Ausübung der Grunddienstbarkeit. E r erlischt mit dem Ablaufe eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn nicht vorher der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht ist (§ 864 Abs. 1 B G B ) , s. hierüber oben § 40 V. Eine Einwendung oder Widerklage aus dem materiellen Rechte ist nicht zulässig (s. hierüber und über die Ausnahmen von diesem Grundsatz oben § 40 I V 2).

§ 43. Anspruch auf Schadenersatz A. Eigentumfreiheitsklage und Schadenersatz Schaden ist gleichbedeutend mit Minderung des Vermögens. Grundsätzlich muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, Nur dann kann er ihn auf einen anderen abwälzen, wenn dieser aus einem besonderen Rechtsgrund zum Ersatz verpflichtet ist. Deshalb allein, weil ein anderer den Schaden verursacht hat, ist er noch nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Aus § 1004 ist ein zum Schadenersatz verpflichtender Rechtsgrund nicht abzuleiten 1 ). Der Eigentumfreiheitsanspruch erschöpft sich in der Beseitigung der Beeinträchtigung des Eigentums. Die Beeinträchtigung besteht darin, daß das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache nach Be§ 43 Das gleiche gilt für den Anspruch des § 862 wegen Beeinträchtigung des Besitzers ( O L G 20, 595).

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V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

lieben zu verfahren, und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903), durch das Verhalten eines anderen in zuständlicher Weise verletzt wird. Folgerichtig geht der Beseitigungsanspruch auf Herstellung eines Zustandes, bei dem v o n nun ab der Eigentümer sein Recht, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, ungehemmt ausüben kann. Mit der Herstellung dieses Zustandes ist der Beseitigungsanspruch auch dann erfüllt, wenn während der Dauer der Beeinträchtigung der Zustand der Sache selbst durch die Beeinträchtigung in nachteiliger Weise verändert worden und nach der Beseitigung der Beeinträchtigung verändert geblieben ist (Sachschaden) oder der Eigentümer infolge der Beeinträchtigung eine anderweitige Minderung seines Vermögens (Vermögensschaden) erlitten hat. Der Eigentumfreiheitsanspruch gewährt also keinen Ersatz dafür, daß infolge der Beeinträchtigung des Eigentums der Eigentümer an seinem Vermögen geschädigt ist2). Mit dem Anspruch aus § 1004 kann W i e d e r h e r s t e l l u n g des früheren Zustandes im Sinne des § 249 n i c h t gefordert werden, weder hinsichtlich der Sache noch hinsichtlich der allgemeinen Vermögenslage. Mit anderen Worten: Mit der Eigentumfreiheitsklage kann nur gefordert werden die Herstellung eines Zustandes, bei dem die Beeinträchtigung n i c h t m e h r vorhanden ist; nicht dagegen die Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn die Beeinträchtigung ü b e r h a u p t n i c h t stattgefunden hätte. Wer diesen letzteren Anspruch geltend macht, verlangt S c h a d e n e r s a t z (§ 249) und damit kann er nur durchdringen, wenn die Haftung auf Ersatz des infolge der Beeinträchtigung eingetretenen Schadens durch einen b e s o n d e r e n R e c h t s g r u n d bestimmt ist. Der aus einem solchen besonderen Grund beanspruchte Schadensersatz wegen Beeinträchtigung des Eigentums kann neben dem negatorischen Anspruch in derselben Klage sogar ohne ziffermäßige Angabe des Betrags geltend gemacht werden 3 ). 2 ) R G 45, 300; 63, 374; SeuffA 60 Nr. 218 (RG); Recht 1906 N r 940 ( O b L G ) ; Werner Im Recht 1904, 330 gegen O L G 7, 29 (Köln); Staudinger Randb. 32, 52 zu § 1004 und Randb. 43 ff zu § 906 B G B . Der Unternehmer einer städtischen Gasanstalt oder einer städtischen Wasserleitung haftet deshalb für den durch Rohrbruch verursachten Schaden nur im Falle des Verschuldens ( R G 63, 374). Vgl. ferner B G B in L M Nr. 14 zu § 104 (Beseitigung eines rechtswidrig errichteten Bauwerks ist nicht Schadenersatz); R G Z 1 2 7 , 35 (Beseitigung der Undichtigkeit eines Dammes). Vgl. auch Westermann SR § 36, III, 1 (Beseitigung einer Besitzstörung durch Instandsetzung eines schadhaften Zaunes). 3 ) PucheltsZ 32, 80 (RG); vgl. Recht 1906 Nr. 2852 (Frankfurt); Staudinger-Berg Randb. 53 zu § 1004. Aktiv legitimiert für den Anspruch auf Schadensersatz ist der Geschädigte, d. i. i.d.R. der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks; ist dieses verpachtet, so steht auch dem Pächter oder dem sonst dinglich oder obligatorisch am geschädigten Grundstück Berechtigten die Schadensersatzklage zu.

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Anspruch auf Schadenersatz

§ 4 3

B. Ursächlicher Zusammenhang

Wer Schadenseratz fordert, muß in jedem Fall den Nachweis erbringen, daß der Schaden auf dasjenige Ereignis zurückzuführen ist, für das der Beklagte haftet (Kausalzusammenhang). Im logischen Sinn ist ein ursächlicher Zusammenhang schon dann gegeben, wenn durch ein Ereignis eine der mehreren Bedingungen für die Entstehung des Schadens gesetzt ist. Allein der logische Begriff des ursächlichen Zusammenhangs ist für das Recht unbrauchbar. Der juristische Begriff des ursächlichen Zusammenhangs beruht auf einer Beurteilung des Geschehens. Jedes Ereignis hat eine erfahrungsmäßige Tendenz, gewisse Erfolge hervorzubringen. Der Sachkundige, mit dem gesamten Wissen der Erfahrung Ausgestattete, ist i.d.R. schon beim Eintritt des Ereignisses in der Lage, zu übersehen, welche Folgen voraussichtlich daraus hervorgehen werden. Ein solcher Sachkundiger wird bei seiner Vorstellung über den Ablauf der Folgen eines Ereignisses mit mannigfachen Möglichkeiten rechnen. Aber er würde sich ins Uferlose verlieren, wenn er bei seiner Vorstellung auch eine Verquickung ganz besonders eigenartiger Umstände einbeziehen würde. E r wird den kausalen Ablauf des Ereignisses in 99 von 100 Fällen richtig beurteilen, wenn er ganz außergewöhnliche Komplikationen außer Betracht läßt und nur mit den Folgen rechnet, mit denen man nach dem gesamten Erfahrungswissen rechnen muß. Tritt dann infolge einer ganz außergewöhnlichen Komplikation doch eine andere Folge ein, als sie ein solcher Sachkundiger in seine Vorstellung einbezogen hat, dann war diese Folge für die menschliche Erkenntnis nicht vorhersehbar. Die in diesem Sinne objektiv aufgefaßte Vorhersehbarkeit durch den Sachkundigen, der das gesamte Erfahrungswissen beherrscht, ist unerläßliche Voraussetzung des ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn (adäquater Zusammenhang)4). Für die Frage des adäquaten Zusammenhangs ist aber keineswegs erforderlich, daß der V e r a n t w o r t l i c h e die Folgen voraussehen konnte6). Dieser Umstand ist für die Frage des Verschuldens von Bedeutung, nicht aber für die Frage (die objektiv; d. i. losgelöst vom Standpunkt des Verantwortlichen, zu beurteilen ist), ob ein Ereignis im adäquaten ursächlichen Zusammenhang zu einem andern steht. Dieser adäquate Zusammenhang ist gegeben, wenn eine für die Entstehung des Schadens ge4 ) Vgl. Staudinger-Werner Randb. 18, 26—37 Vorbem. vor § 249; B G H Z 3, 261; 7, 204; N J W 1952, 1010. Vgl. ferner B G H Z 25, 86; Larenz in N J W 1958, 627; B G H in N J W 1958, 1041; Lange in ArchZPr. 156, 1 1 4 ; R G Z 168, 88; 169, 91 (Die Möglichkeit, daß eine Tatsache oder Handlung für einen Schaden ursächlich gewesen ist, darf nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegen). RGKomm. 1, 327^ und 994. (Vorbem. 3 vor § 249 und Vorbem. 5 vor § 823). Vgl. auch Traeger, Den Kausalbegriff im Straf- u. Zivilrecht (1929); Larenz N J W 1955, 1 0 1 1 ; MDR 56, 724. 6 ) R G 66, 253; 69, 344; 81, 361.

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V . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

setzte Bedingung nach der gesamten Erfahrung und Wissenschaft auch ohne Einbeziehung fern abliegender Komplikationen als geeignet erscheinen mußte, den später eingetretenen Erfolg herbeizuführen oder zu fördern. Neuerdings haben Rechtslehre und Rechtsprechung die Adäquanztheorie durch die Rücksichtnahme auf Billigkeitserwägungen (§ 242 B G B ) eingeschränkt. Es wird nunmehr geprüft, ob ein Erfolg (ein Schaden) einem bestimmten Täter billigerweise zugerechnet werden kann. Die Zurechenbarkeit wird dann verneint, wenn ein Schaden durch das Dazwischentreten eines Dritten herbeigeführt wird. Als nicht adäquat werden solche Bedingungen erachtet, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung für den Eintritt eines schädigenden Erfolgs ohne Bedeutung sind und vernünftiger Weise im Hinblick auf Treu und Glauben im Verkehr nicht in Betracht gezogen werden können. In allen Fällen, in welchen Ersatz für einen Schaden begehrt wird, obliegt dem Kläger der Nachweis dieses ursächlichen Zusammenhangs. In vielen Fällen handelt es sich hier um Fragen, die ganz besonders schwierig sind, bei deren Beantwortung der Richter aber immerhin nicht zu ängstlich zu Werke gehen darf. Der Umstand allein, daß ein Verhalten feststeht, das den Schaden herbeigeführt haben kann, begründet noch keine Vermutung, daß es den Schaden wirklich herbeigeführt hat6). Andererseits darf sich der Richter mit dem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit begnügen, der dem Umfang der menschlichen Erkenntnis und Erfahrung entspricht, und Wahrheit ist für ihn das, was er nach dem Stande der Wissenschaft und auf Grund der bisherigen Erfahrungen für Wahrheit halten darf 7 ). So ist in der Rechtsprechung des R G mehrfach anerkannt, daß es, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zu einem schadenbringenden Erfolg und einer gefährlichen Handlung gegeben ist, einer Aufklärung des ursächlichen Zusammenhangs in allen seinen Gliedern bis auf das erste durch die gefährliche Handlung gesetzte Glied nicht bedarf, sondern daß der Richter zur Annahme des Kausalzusammenhangs einerseits durch die Beurteilung der Gefährlichkeit und andererseits durch die negative Feststellung gelangen kann, daß nach menschlicher Erfahrung mit Rücksicht auf die Sachlage eine Verursachung durch einen anderen Vorgang als ausgeschlossen erscheint8) (Prima facies-Beweis). In einem solchen 6 ) HansGZ 1905, Beiblatt 4 (Hamburg); J W 1902, Beilage 212 (RG); B G H Z 8, 239. ' ) O L G 2, 506 (Schädliche Raucheinwirkungen auf Waldungen). 8 ) R G 8, 167; 10, 1 4 1 ; ( Explosion einer Pulverfabrik als Folge der Nichtbeachtung polizeilicher Vorschriften); 2, 190; 15, 339; 29, 140 (Waldbrand); 95, 68 und 249. — J W 1903, 384; 1908, 197; O b L G 2, 1 7 1 ; J W 1915, 243; 1908, 196; SeuffA 63 Nr. 249; J W 1921, 748. Vgl. auch Weyreuther in DRiZt. 1957, 55 (Grundsatz des „ersten Anscheins"). B G H Z 6, 169; N J W 58, 1629; Staudinger-Werner Vorb. 67—72 vor § 249.

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§43

cI

II

Falle muß es dem zur Verantwortung Gezogenen überlassen bleiben, zu beweisen, daß ausnahmsweise dieser der Erfahrung entsprechende Zusammenhang nicht besteht9). C. Inhalt und Umfang des Schadenersatzes

I. Unter Schaden ist eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verstehen. Der Schaden besteht in dem Unterschied der Vermögenslage nach dem schädigenden Ereignis gegenüber der Vermögenslage, die ohne das schädigende Ereignis vorhanden wäre. Soll beurteilt werden, ob eine Einwirkung auf ein Grundstück einen Schaden herbeigeführt hat, so muß man sich zwei verschiedene Zustände vorstellen und diese miteinander vergleichen. Durch diesen Vergleich wird festgestellt,ob die Vermögenslage desjenigen, der durch die Einwirkung betroffen ist, nachteilig verändert wurde. Dabei handelt es sich also um zwei Kausalreihen: a) Durch die Einwirkung wird das Grundstück (oder seine Bestandteile) irgendwie körperlich verändert; b) durch diese Änderung wird eine Vermögensbeschädigung verursacht. Die erste Ursachenreihe besteht aus rein tatsächlichen und zwar physischen Elementen; sie arbeitet mit dem naturwissenschaftlichen Ursachenbegriff ; die zweite Ursachenreihe besteht auch aus gedanklichen Elementen, bei denen rechtliche Begriffe eine Rolle spielen; sie arbeitet mit dem Begriff der adäquaten Verursachung, der auf einer Beurteilung des Geschehens beruht 10 ). II. Anlangend die Art der Ersatzleistung, so bestimmt § 249 B G B : „Wer zum Schadensersatze verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen." Der durch § 249 Satz 2 begründete Anspruch auf den zur Herstellung des früheren Zustandes erforderlichen Geldbetrag stellt sich als die bei Beschädigung einer Sache dem Verletzten zustehende besondere Art des Wiederherstellungsanspruchs dar 11 ). Darnach hat der Geschädigte im Falle der Beschädigung einer Sache entgegen der Regel des Satzes 1 des § 249 das Recht, die Herstellung selbst vorzunehmen. E r kann die vom Ersatzpflichtigen angebotene Herstellung durch diesen ablehnen, selbst herstellen und Ersatz seines Aufwandes beanspruchen 12 ). Diese Wiederherstellung 9

) Recht 1909 Nr. 3769; 1914 Nr. 466 (RG); L Z 1915, 624 (RG); R G Z 159, 241. ) Jsay, preuß. BergG 2, 63; s. oben B. u ) RG 71, 214. 12 ) JW 192!, 234 (RG).

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Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

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kann nur durch Aufwendung derjenigen Kosten erfolgen, welche zu der Zeit, wo die Wiederherstellungsarbeiten vorgenommen werden müssen, dazu erforderlich sind. Wählt der Verletzte die ihm durch § 249 Satz 2 eingeräumte Art der Ersatzleistung, so geht eine seit Eintritt des Schadens eingetretene Preissteigerung zu Lasten des Ersatzpflichtigen, es müßte denn sein, daß sich der Verletzte in sachwidriger Weise untätig verhalten hat, m. a. W. den Schaden schuldhaft vergrößert hat (§ 254). Wenn Unklarheit darüber besteht, welche technischen Maßnahmen zur Wiederherstellung erforderlich sind, kann den Verletzten dieser Vorwurf nicht treffen 13 ). Das Wesen des § 249 besteht darin, daß der Verletzte die Wiederherstellungsarbeiten selbst vornimmt und von dem Ersatzpflichtigen den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangt. Der Verletzte kann diesen Geldbetrag schon vor der Ausführung der Arbeiten verlangen. Zahlt der Ersatzpflichtige auf Verlangen sofort und stellt sich nach ungesäumter Ausführung der Arbeiten heraus, daß der bezahlte Betrag nicht ausreicht, so muß der Ersatzpflichtige den Mehrbetrag nachzahlen. Hat der Verletzte den Geldbetrag verlangt, der Ersatzpflichtige aber Zahlung nicht geleistet, so haftet der Ersatzpflichtige für die durch Preissteigerung herbeigeführte Vergrößerung des Schadens a u c h auf Grund seines Zahlungsverzugs, wenn der Ersatzberechtigte die erforderlichen Mittel zur Ausführung der Arbeiten nicht hatte oder ihm billigerweise deren Vorlage nicht zugemutet werden konnte. § 249 erfordert nicht die Herstellung eines Zustandes, der mit dem früheren in jeder Hinsicht übereinstimmt; es genügt vielmehr die Herstellung eines im wesentlichen gleichen, d.h. eines wirtschaftlich gleichwertigen Zustandes 14 ). Die Vorschrift des § 249 stellt nicht schlechtweg auf die frühere Sachlage ab, sondern auf die Entwicklung der Dinge, die ohne das schädigende Ereignis nach Erfahrungsgrundsätzen aller Wahrscheinlichkeit nach stattgefunden hätte.142) 13 ) R G 98, 56. — Anders ist zu entscheiden für den Anspruch auf Schadloshaltung im Sinne des § 26 R G e w O ; Art. 80 A G . — In diesem Falle ist zu ersetzen der Minderwert für die Duldung künftiger Einwirkungen, die an sich unzulässig sind, aber auf Grund der sonderrechtlichen Vorschrift nicht abgewehrt werden können. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in welchem der Abwehranspruch entzogen und damit die Duldungspflicht begründet wurde. Da später eingetreten, liegt die durch den Krieg und seine Nachwirkungen herbeigeführte Preissteigerung nicht im Rahmen der adäquaten Verursachung (vgl. R G 98, 5 3). Über den Einfluß der Preissteigerung auf den Ersatz des Bergschadens vgl. Recht 1920 Nr. 2998 und 2999 (RG). Vgl. auch Staudinger-Werner Vorb. 73 u. 77 ff., sowie 84 vor § 249 B G B . 14 ) R G 96, 1 2 3 ; vgl. O L G 36, 157 und oben § 38 II 1. 14a ) Vgl. B G H in N J W 1959, 1078; R G 106, 86; 126, 404; 143, 267; J W 24, 8 1 1 ; 26, 1 5 4 1 ; 37, 1 7 1 5 ; BayObZ 3 1 , 1 9 3 ; Bremen in N J W 54, 1937; Staudiger-Werner 6 u. 9; Palandt-Danckelmann 1 je zu § 249.

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§ 4 3 c II

Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige nach § 2 5 1 Abs. 1 B G B den Gläubiger in Geld 1 5 ) zu entschädigen. Nach § 251 Abs. 2 B G B kann der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Für die Bemessung des Schadenersatzes für Beschädigung einer Sache ist der Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung maßgebend 16 ). Es kommt nur der Schaden in Betracht, welcher durch eine bereits vollzogene Eigentumsverletzung erwachsen ist oder noch erwachsen wird 17 ). Eine Klage auf Ersatz des Schadens, der durch k ü n f t i g e E i n g r i f f e in das Eigentum erwachsen wird, ist höchstens als Feststellungsklage und ohne ziffernmäßigen Schadensbetrag, nicht aber als Leistungsklage zulässig. Wenn z.B. infolge des unerträglichen Lärmes eines Fabrikbetriebes die Mieter des Nachbarhauses ausgezogen sind, so ist auch der durch den künftigen Mietausfall erwachsende Schaden durch die bereits eingetretenen Verletzungen des Eigentums verursacht 18 ). Insoweit aber der Mietwert der Wohnungen mit Rücksicht darauf herabgedrückt ist, daß die Immissionen fortdauern und auch für die Zukunft zu erwarten sind, kann dem Eigentümer nicht etwa eine dauernde Rente oder gar ein Kapitalsbetrag als Ausgleich für diesen künftigen Minderertrag zugebilligt werden 19 ). Denn mit Sicherheit steht weder fest, daß die Eigentumsverletzungen in Zukunft fortdauern, noch auch, daß der durch die Verletzungen zugefügte Schaden in Zukunft der gleiche bleiben wird 20 ). Es kann die Fabrik, welche den Lärm hervorruft, verlegt werden oder der Lärm durch technische Neuerungen auf ein erträgliches Maß herabgesetzt werden; es kann aber auch auf dem bisher beeinträchtigten Nachbargrundstücke eine Fabrik erbaut werden, deren Benützung durch den vom Nachbargrundstück kommenden Lärm gar nicht beeinträchtigt wird, oder es kann das ganze Viertel zu einem Industrieviertel werden, in welchem die bisher unzulässige Immission infolge dieser Änderung schlechtweg zulässig ist. Nur in jenen Fällen, in welchen 15 ) Durch Kapitalsabfindung, nicht durch Zusprechung einer Rente (LZ 1918, 459; RG). Staudiger-Werner Vorb. 79 vor § 249 u. Randb. 3—9 zu § 251. 16 ) Ein bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene Preissteigerung geht also regelmäßig zu Lasten des Ersatzpflichtigen. Der Einwand des Ersatzpflichtigen, daß der Verletzte durch sofortige Ersatzbeschaffung den Schaden vermindert hätte, ist unbehelflich (JW 1922, 220; RG). Vgl. Staudinger-Werner Randb. 13 u. 28 zu § 249. 17 ) Riehl bei Gmchot 51, 148. 18 ) Vgl. Riehl bei Gruchot 51, 150. R G . 80, 164; Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 1958, 228. 19 ) Riehl bei Gruchot 51, 147. Eine Kapitalabfindung würde im Fall der Veräußerung gar nicht demjenigen zukommen, der den Schaden hat. Vgl. SeuffA 54 Nr. 212 (Braunschweig). 20 ) Vgl. Riehl bei Gruchot 51, 147.

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der negatorische Anspruch schlechtweg entzogen und durch den Anspruch auf „Schadloshaltung" ersetzt ist (gegenüber gewerblich konzessionierten Anlagen und Verkehrunternehmungen), ist ein Ersatz des Minderwertes zu leisten, den das Nachbargrundstück dadurch erleidet, daß es die an sich unzulässigen k ü n f t i g e n Einwirkungen dulden muß (s. darüber oben

§ 39 in-

III. Das konkurrierende Verschulden des Beschädigten ist in Gemäßheit des § 254 B G B zu berücksichtigen. Dem durch die unzulässigen Einwirkungen beeinträchtigten Nachbar kann aber nicht angesonnen werden, daß er seinerseits auf seinem Grundstücke Einrichtungen treffen muß, welche die Schädlichkeit der Einwirkungen von vornherein abwenden oder mildern. So kann ihm nicht entgegengehalten werden, daß er durch einen sog. Schutzstreifen seinen Wald vor Inbrandsetzung durch Lokomotivfunken hätte sichern sollen 21 ) oder daß die an sich unzulässigen aber nach § 26 R G e w O zu duldenden Erschütterungen des benachbarten Stanzmaschinenbetriebs nur deshalb den Einsturz seines Hauses herbeiführten, weil dasselbe zu leicht gebaut war 22 ). Wenn freilich zur Zeit der Errichtung des Hauses dessen Eigentümer erkennen mußte, daß es den Einwirkungen des schon vorhandenen benachbarten Stanzbetriebes nicht standhalten könne, wird gemäß § 254 B G B anzuwenden sein. Der Eigentümer hätte in solchem Fall dem Haus eine festere Konstruktion geben müssen; den Mehraufwand hätte ihm der Immittent ersetzen müssen. Wer ungeachtet des übermäßigen Rußes der benachbarten Fabrik seine Wachse zum Trocknen aufhängt, wird sich die Anwendung des § 254 B G B gefallen lassen müssen; er hatte die Wäsche auf eine Bleiche verbringen und den hiermit verbundenen Aufwand beanspruchen sollen 23 ).

IV. Die an und für sich auch hier zulässige Vorteilsausgleichung (compensatio lucri cum damno) kann nicht dazu führen, daß gegenüber dem Schaden, der durch die unzulässige Einwirkung (z.B. Immissionen) entstanden ist, der Gewinn aufgerechnet wird, der dem Eigentümer durch die Anlage der einwirkenden Fabrik und die dadurch hervorgerufene Hebung der Industrie in der fraglichen Gegend erwachsen ist. Denn der Gewinn beruht in diesem Falle nicht auf demselben Ereignisse, das den Schaden 2 1 ) Recht 1902, 589 (Stettin). V g l . dagegen Keyßner, Recht 1904, 619. Dagegen wird man konkurrierendes Verschulden annehmen müssen, wenn ein Hausbesitzer sein Haus mit einem Strohdach gedeckt läßt, obwohl das Eisenbahngleis dicht an seinem Haus liegt 22 ) Vgl. O G H 17, 19; Bolze 10 Nr. 67. 23 ) Der negatorische Anspruch bleibt natürlich unberührt, vgl. oben § 14, I V 1. Vgl. auch B G H Z 4, 174 (Für die Frage des § 254 ist auch von Bedeutung, ob die Minderung des Schadens durch entsprechende Maßnahmen nach § 242 zumutbar war). StaudingerW e m e r Randb. 27 (Handeln auf eigene Gefahr), 44 (sozialadäquates Verhalten), 70 (überwiegende Verursachung) zu § 254. Über Sozialadäquanz im Zivilrecht vgl. Nipperdey N J W 1957, 1777; Baumann M D R 1957, 646; G B H Z 24, 21 = N J W 57, 785 = M D R 57, 666; Baumann AcPr. 155, 495.

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verursacht hat24). Zu beachten ist, daß die Vorteilsausgleichung nur gegenüber Schadensersatzansprüchen möglich ist. V. V e r j ä h r u n g . Der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung an (§ 852), auch wenn der Schaden erst nachträglich erkennbar geworden ist. Es genügt für den Beginn der dreijährigen Verjährung, daß der Schaden im allgemeinen erkennbar war. Auf die Kenntnis der Einzelheiten des schädigenden Ereignisses oder Zustandes kommt es nicht an. Es muß der gesamte, aus einer schädigenden Handlung entstehende Schaden als ein einheitlicher nicht als eine Summe von einzelnen selbständigen Schäden angesehen werden. So ist z.B. die Lockerung des Fundamentes der eigentliche Schaden; die einzelnen nach und nach auftretenden Risse im Gebäude sind nur für den Umfang des Schadens von Bedeutung 25 ). Fortgesetzte schädigende Einwirkungen jedoch, durch jeweils eine erneute Bedingung für einen Schaden gesetzt wird, gelten je als neuer Schadensfall. Für jeden neuen Eingriff beginnt die Frist zur Verjährung gesondert zu laufen263). D. Die Gründe der Haftung auf Schadenersatz

Ist durch die Beeinträchtigung des Eigentums ein Schaden entstanden, so kann Ersatz dieses Schadens nicht ohne weiteres gefordert werden, sondern nur dann, wenn diese Haftung durch einen besonderen Rechtsgrund bestimmt ist (s. oben § 43 A). In dieser Hinsicht kommen in Betracht: die Schadensersatzpflicht wegen Verzug, wegen Verschulden und auf Grund der Gefährdungshaftung. I. V e r z u g . Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug (§ 284). Der Schuldner hat dem Gläubiger den durch 24 ) Riehl bei Gruchot 51, 146. Anders ist zu entscheiden, wenn „Schadloshaltung" für den Minderwert des Hauses verlangt wird, der durch die an sich unzulässigen aber (nach § 26 RGewO, Art. 80 A G ) zu duldenden künftigen Einwirkungen herbeigeführt wird. Vgl. R G Z 146, 278; B G H Z io, 107; Werner in N J W 1953, 769. Esser M D R 57, 522 (zur Lehre von der Vorteilsausgleichung); Staudinger-Werner Vorb. 102 vor §249; Palandt-Danckelmann Vorb. 7 vor § 249 u. Bern. 2 b zu § 254. 26 ) Gruchot 54, 392 (RG); R G Z 142, 280 (Rechtsirrtum, der die Kenntniserlangung h indert, hemmt den Beginn der Verjährung). Vgl. auch B G H in N J W 1955, 706 (Kenntn is ist anzunehmen, wenn die Person des Schädigers ohne Aufwand von besonderer Mühe u nd Kosten feststellbar war). 25 >) Vgl. R G Z 134, 335; B G H in N J W 1954, 1033.

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den Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 286). Wird das Eigentum beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen; sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen (§ 1004). Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung ist auf eine Leistung gerichtet, ingleichen der Anspruch auf Unterlassung (§ 241). Wenn also der zur Beseitigung oder Unterlassung Verpflichtete auf Verlangen des Eigentümers nicht beseitigt oder unterläßt, so kommt er in Verzug und haftet vom Eintritt des Verzuges an auf Ersatz des Schadens, der durch die Fortdauer der Beeinträchtigung herbeigeführt wird 26 ). Da der Mahnung die Erhebung der Klage gleichsteht (§ 284 Satz 2), so haftet der Beklagte für jeden Schaden, der nach Rechtshängigkeit des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruches infolge der fortdauernden Beeinträchtigung des Eigentums eintritt. II. H a f t u n g aus V e r s c h u l d e n 1. S c h u l d h a f t e V e r l e t z u n g des E i g e n t u m s . Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum oder den Besitz27) eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§823 Abs. 1 BGB). Die Verletzung kann nicht nur durch positives Handeln, sondern auch durch Unterlassung28) begangen werden, was insbesondere für die Fälle der fahrlässigen Rechtsverletzungen von Bedeutung ist29). Die Vornahme von Handlungen, die nur der Eigentümer vornehmen darf, oder von Handlungen und rechtswidrigen Unterlassungen, durch die der Eigentümer in der Ausübung seines Eigentums gestört wird, ist Verletzung des Eigentums 30 ). Eine bloße G e f ä h r d u n g (z.B. durch feuergefährliche Anlagen auf dem Nachbargrundstück) ist noch keine Verletzung des Eigentums 31 ). Die 26

) Riehl bei Gruchot 51, 145. ) R G 59, 328; Recht 1905, 646 Nr. 2669 (Breslau). Nach R G 59, 328 ist auch § 823 Abs. 2 einschlägig. Dagegen sucht Eccius bei Gruchot 53, 8 nachzuweisen, daß die schuldhafte Verletzung des Besitzes nicht unter § 823 Abs. 2 falle. Palandt-Danckelmann 6 b zu §823. 2e ) Vgl. oben § 3 8 , 1 , a. Staudinger-Werner Vorb. 42 u. 47 vor § 249. 29 ) M. 2, 727 (Mugdan 2, 406). 30 ) Vgl. J W 1910, 330 (Rammen und Auspumpen des Bauunternehmers mit der Folge der Unbewohnbarkeit des Nachbarhauses); R G 60, 140 (Immission von Sand, der vom Wind, auf das Nachbargrundstück geweht wird); Recht 1912 Nr. 2939 (Lagerung feuer- und explosionsgefährlicher Gegenstände, durch die Waren anderer Einlagerer in Brand gesetzt werden, kann schuldhafte Eigentumsverletzung sein. Vgl. über die Gefährdungshaftung für Explosion unter § 43 III. 31 ) Siehe oben S. 188. 27

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Entziehung von Vorteilen, auf deren Belassung der Eigentümer keinen Rechtsanspruch hat (z.B Luft und Licht) ist keine Eigentumsverletzung 32 ). a) Die erste Voraussetzung des § 823 Abs. 1 B G B ist, daß die Verletzung widerrechtlich erfolgt ist 33 ). Demgemäß ist der Ersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 B G B wegen Verletzung des Eigentums insbesondere überall da versagt, wo dem Eigentümer durch die nachbarrechtlichen Gesetzesvorschriften das Recht, die fragliche Einwirkung zu verbieten, entzogen ist. In einem Fabrikviertel ist gemäß § 906 B G B eine starke Zuführung von Ruß zulässig. Wird durch den Ruß die Wäsche des Nachbars beschädigt, so fehlt es an der Widerrechtlichkeit dieser Einwirkung, auch wenn der Unternehmer die starke Zuführung von Ruß und selbst die Beschädigung der Wäsche vorausgesehen hat. Die Besitzer der Wohnhäuser dürfen in denselben Feuerherde unterhalten; dabei kann es vorkommen, daß Funken auf das Strohdach des Nachbarhauses fallen und in Brand setzen. Eine Eigentumsverletzung liegt vor, aber sie ist herbeigeführt durch eine Benützung des anderen Grundstücks, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist. Eine solche Einwirkung muß sich der Nachbar nach § 906 B G B gefallen lassen. Der Besitzer des Hauses haftet aus § 823 Abs. 1 B G B auch dann nicht 34 ), wenn bei Anwendung eines Funkenfängers der Funkenauswurf verhütet worden wäre, sofeme nicht bei Grundstücken jener Lage die Anwendung von Funkenfängern gewöhnlich ist 35 ). Der Eigentümer muß den Überbau unter gewissen Voraussetzungen dulden. Kraft dieser besonderen Bestimmung des § 912 B G B wird der Überbauende von einer neben der Entschädigungsrente hergehenden Vertretung einer weniger als groben Fahrlässigkeit entbunden, aber nur insoweit, als fahrlässig die G r e n z e ü b e r s c h r i t t e n worden ist. Im übrigen bleibt er den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen unterworfen, hat daher entbunden, aber nur insoweit, als fahrlässig die G r e n z e ü b e r s c h r i t t e n worden ist. nach diesen für schuldhafte Eingriffe in sonstige Rechte des Nachbars aufzukommen. E s kann daher ungeachtet des § 912 B G B beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 823 die Entfernung des Überbaues verlangt werden, wenn er auf den Fundamenten des Nachbarhauses aufgesetzt wird und dieses hierdurch Risse erhält oder gar einzustürzen droht 36 ).

Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ist zur Begründung der Schadenersatzpflicht nicht erforderlich. Über die Rechtswidrigkeit der Einwirkung, insbesondere darüber daß, die Rechtswidrigkeit auch durch ein obligatorisches Recht ausgeschlossen werden kann (vgl oben § 38 III). Niemand kann sich zu seinem Vorteil darauf berufen, daß er durch die Rechtsausübung eines anderen Schaden erleidet, wenn er sich durch seine 32

) Siehe oben S. 1 9 1 . ) R G 50, 60; vgl. R G K Bern. 10 zu § 823, Bern. 1 vor § 823. ) Dagegen kann unter Umständen die Haftung aus § 823 Abs. 2 B G B bestehen, wenn durch Polizeivorschrift die Anwendung von Funkenfängern geboten ist. Darüber daß zu den den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzen auch die Gesetze gehören, welche die G e s a m t h e i t schützen sollen, herrscht Übereinstimmung; a. M. nur Linckelmann, Schadenersatzpflicht 27. Vgl. unten S. 612 f. 35 ) Vgl. oben S. 185, unten 613. 3 °) R G 65, 74. 33

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v . Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

eigene willkürliche Handlung in die Lage versetzt hat, die zu seinem Schaden ausschlägt37). b) Die Verletzung des Eigentums muß durch ein V e r s c h u l d e n des Einwirkenden 38 ) herbeigeführt sein39). Wer den Ersatz eines Schadens fordert, muß grundsätzlich den Nachweis eines für diesen ursächlichen Verschuldens des Beklagten führen, es sei denn, daß aus dem feststehenden oder nicht bestrittenen Sachverhalt dieses Verschulden zweifelsfrei hervorgeht 40 ). Der Beweispflicht ist Genüge geleistet, wenn ein Sachverhalt dargetan wird, der nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge (dem typischen Geschehensablauf) die Folgerung rechtfertigt, daß der Beklagte den Schaden schuldhaft versucht hat (Prima Facies-Beweis vgl. hierzu oben C II). Demgegenüber ist es Sache des Beklagten, die etwaigen besonderen Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich seine Schuldlosigkeit ergibt 41 ). Verschulden nach § 823 Abs. 1 liegt, vor wenn die Eigentumsverletzung vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt ist. 37

) Vgl. O b L G 7, 237. ) Ersatzpflichtig ist derjenige, welche den Schaden herbeigeführt hat. Das ist der Störer in dem oben § 38, IV, 2 dargelegten Sinn. Der Beauftragte eines Dritten haftet n e b e n dem Auftraggeber. Unter Umständen kann angenommen werden, daß den Beauftragten, der den Weisungen eines Dritten Folge geleistet hat, kein Verschulden trifft. Das ist Tatfrage. Der Pächter kann sich von der Schadensersatzpflicht für den dem Nachbargrundstück zugefügten Schaden nicht durch den bloßen Hinweis darauf befreien, daß er den Anordnungen des Verpächters Folge geleistet habe. Recht 1903, 18 Nr. 33 (RG). Eine nominatio auctoris findet nicht statt, da sich die §§ 76, 77 Z P O nur auf den negatorischen Anspruch beziehen. R G 73, 333 (Wegnahme von Teilen eines Gebäudes); SeuffA 85, 299; B G H in N J W 55, 747 (Vergiftung von Bienen). Vgl. Esserin J Z 53, 129 (Grundsatz des Verschuldens vielfach durchbrochen). 39 ) Über Haftung o h n e Verschulden vgl. unten III. § 22 W G H v. 27. 7. 1957 (BGBl. I, 1 1 1 0 ) u. Art. 37 BayWG bestimmen eine Haftung ohne Verschulden bei Verunreinigung von Gewässern. 40 ) Recht 1921 Nr. 2559 (RG). Gruchot 46, 921; J W 2 6 , 2533; Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 1958, § 15 III 2. 41 ) J W 1912, 348; 1908, 543; 1920, 554; 1921, 748; WarnE 1920, 14. SeuffA 75, 169. R G 53, 276; R G 89, 136 (Haftung für ordtl. Straßenzustand (Verschulden ist prima facie aus einem länger dauernden verkehrswidrigen Zustand zu entnehmen); 97/116 (gegenüber einem prima facie-Beweis müssen Umstände dargetan werden, die es rechtfertigen, den Hergang anders als nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge zu erklären). B G H Z 2, 1 ; 6, 169; 7, 198; N J W 54, 7 1 8 ; 52, 217 (im Anschluß an R G 159, 239 braucht der Anscheinsbeweis nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen. Der Gegenbeweis ist nur in Richtung auf den ersten Anschein zu erbringen. Es genügt der Nachweis von Tatsachen, aus denen auf einen anderen Ursachenverlauf geschlossen werden kann, der mindestens den gleichen Grad von Wahrscheinlichkeit aufweist, ein Verschulden aber nicht ergibt). M D R 54, 349 (jede Möglichkeit, daß der Schaden vom Beklagten zu vertreten ist, muß ausgeschlossen werden). Vgl. auch N J W 1958, 1629 u. 1579. 38

632

Anspruch auf Schadenersatz

§ 4 3

D II 1

Unter V o r s a t z versteht man die Voraussicht der Eigentums- oder Besitzverletzung, unter Fahrlässigkeit ihre Voraussehbarkeit 42 ). Nur auf die Eigentumsverletzung, nicht auf den durch diese herbeigeführten Schaden muß sich demnach die Schuld beziehen43). Demnach genügt zum Vorsatz die V o r s t e l l u n g des Erfolges (Eigentums- oder Besitzverletzung); nicht erforderlich ist, daß die Schädigung beabsichtigt wird; es genügt, wenn als notwendige oder doch mögliche 44 ). Folge der Handlung die Verletzung des Eigentums oder Besitzes erkannt und gleichwohl die Handlung vorgenommen wird (Vorstellungstheorie). Vorsatz entfällt, wenn mit einem schädigenden Erfolg im Hinblick auf eine weit entfernte Möglichkeit seines Eintritts nicht ernsthaft gerechnet wird. F a h r l ä s s i g k e i t im Sinne der Vorhersehbarkeit des Erfolges ist gegeben, wenn der Handelnde (Unterlassende) bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Eigentumsverleztung voraussehen konnte 45 ). Dabei sind entfernte Möglichkeiten nicht in Betracht zu ziehen 46 ). Ob im gegebenen Falle die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angewendet wurde, ist nach objektivem Maßstab zu beurteilen. Die Frage aber, ob der schädigende Erfolg, der die Eigentumsverletzung darstellt, vom Handelnden wirklich vorausgesehen werden konnte, ist nach einem subjektiven Maßstab, nämlich unter Berücksichtigung der Individualität des Handelnden zu entscheiden. Das hat insbesondere Bedeutung, wenn es sich darum handelt, ob dem Handelnden zugemutet werden konnte, die zur Abwendung einer Schädigung erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, z.B. bei besonders drohender Gefahr, die rasches Handeln gebot. In solchen Fällen entfällt die Annahme fahrlässigen Verhaltens. Ebenso gehört hierher der Entschuldigungsgrund eines tatsächlichen oder rechtlichen I r r t u m s . Ein Irrtum als Entschuldigungsgrund darf in aller Regel nur unter Anlegung 42 ) Liszt, Deliktsobligationen 54. Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 1958, 66. Werner N J W 1 9 5 7 , i 8 5 7 ; B G H L M N r . 5 zu § 286: Nichtbeachtung von Unfallverhütungsvorschriften. 43 ) Liszt, Deliktsobligationen 28; vgl. RGKomm. Bern. 2 und 3 zu § 825. 44 ) Hiermit ist auch für das Zivilrecht der Begriff des dolus eventualis (Billigung des als möglich vorausgesehenen Erfolges) anerkannt. Liszt, Deliktsobligationen 55. R G Z 57, 239; 142, 1 2 2 ; 75, 5j. J W 1903 Beil. 3 1 3 ; J W 1910, 846; vgl. auch R G 1 4 3 , 5 1 (bedingter Vorsatz, d. i. die Vorstellung von der Möglichkeit einer Schädigung und deren Billigung für den Fall, daß sie eintritt). J W 1929, 3149. 46 ) Durch eine baupolizeiliche Genehmigung einer Anlage wird nicht schlechtweg der Pflicht der eigenen Prüfung überhoben. Die polizeiliche Duldung einer gefährlichen Anlage entschuldigt so wenig wie der Umstand, daß solche Anlagen in der Stadt üblich sind (Recht 1915 Nr. 1788, J W 1909, 432). R G Z 126, 331 (Es kommt nicht auf das, was üblich ist, an, sondern was notwendig ist; etwaige Verkehrsübung ist zu beachten, soweit diese nicht als Unsitte zu beanstanden ist). 46 ) J W 1904, 357; 1905, 16; 1907, 550; 1 9 1 1 , 95; 1914, 470; B G H in L M Nr. 1 zu § 276.

633

§ 4o DU 1

v , Abschnitt. Ansprüche wegen Beeinträchtigung von Eigentum usw.

eines strengen Maßstabes angenommen werden47). Hervorzuheben ist, daß sich das Verschulden nur auf die Verletzung des Eigentums oder Besitzes, nicht auf den durch diese herbeigeführten Schaden beziehen muß48). Die t a t s ä c h l i c h e n Voraussetzungen der Eigentumsverletzung müssen sämtlich voraussehbar gewesen sein, während das Bewußtsein, daß diese Voraussetzungen eine r e c h t l i c h e Verletzung des Eigentums erfüllen, nicht erforderlich ist. So kann sich z.B. ein Hauseigentümer i.d.R. nicht auf Unkenntnis von Vorschriften berufen, die seine Pflichten als Hauseigentümer betreffen (Vgl B G H in B B 1957, 240), oder etwa Unkenntnis einer Polizeianordnung über die Streupflicht (vgl. J W 1910, 1 0 1 2 ; 1931, 1689). Auch die Tatsache, daß ein Gewerbebetrieb unter bestimmten Auflagen behördlich genehmigt wurde, kann bei dem Unternehmer die subjektiv bedeutsame Vorstellung hervorrufen, es treffe ihn bei Erfüllung der Auflagen kein Verschulden (JW 1931, 1183).

Zur Begründung eines Schadenersatzanspruchs wegen unzulässiger Immissionen (§ 906 BGB) 4 9 ) ist daher, insoweit er lediglich aus § 823 Abs. 1 B G B abgeleitet werden will, erforderlich, daß der Immittent bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnte, einmal, daß überhaupt eine Immission, d.h. eine Einwirkung auf das Nachbargrundstück eintreten könne, ferner, daß diese Einwirkung, sei es für sich allein oder durch ihre zu gewärtigende Wiederholung oder ihr Zusammenwirken mit anderen Immissionsquellen die Benützung des Nachbargrundstückes wesentlich beeinträchtigen können 50 ) und durch eine Benützung seines Grundstückes herbeigeführt wird, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage außergewöhnlich ist 51 ). Bei Immissionen, die sich im Rahmen des § 906 B G B i.d.F. des Ges. v. 2 2 . 1 2 . 1 9 5 9 (BGBl. I, 781) halten, und deshalb nicht rechtswidrig sind, entfällt das Verschulden. 47

) Liszt, Deliktsobligationen 55. Vgl. R G 130, 28. ) Liszt, Deliktsobligationen 28. R G 66, 253; Recht 1919 Nr 1431 (RG). ) Vgl. z.B. Schadenersatzanspruch wegen Schädigung eines Gartenwirtschaftsbetriebs durch vorübergehende üble Gerüche R G 47, 250. Uber den Ersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 B G B s. unten Ziff. 2. 60 ) In diesem besonderen Falle muß die Beeinträchtigung der Benützung als Folge der Eigentumseinwirkung erkennbar sein; denn ohne diese Beeinträchtigung liegt keine Eigentumsverletzung vor und die tatsächliche Verletzung des Eigentums muß voraussehbar gewesen sein. Wenn an die Fabrik ein Grundstück anstößt, auf welchem sich ein Wohngebäude mit einem Hausgarten befindet und von der Fabrik Dämpfe auf das Nachbargrundstück ausgeströmt werden, so ist es zur Begründung der Ersatzpflicht aus § 823 Abs. 1 B G B für die durch die Dämpfe herbeigeführte Beschädigung der Bäume erforderlich, daß der Fabrikunternehmer diese nachteilige Einwirkung der Dämpfe auf Pflanzen hätte erkennen können. Man wird aber dem Fabrikherrn, der weiß, daß die Dämpfe in den Garten eindringen, zur Pflicht machen müssen, sich sorgfältigst (bei Sachverständigen) zu erkundigen, ob die ihm bekannte Einwirkung den fremden Bäumen schädlich ist. 61 ) Vgl. Gruchot 50, 413 (RG); R G 16, 178; 38, 268. 48

46

634

Anspruch auf Schadenersatz

§ 43 D I U

Durch dieses Gesetz, das auch die Bestimmungen in §§ 16 und 25 GewO neu regelt, 813 ) wird gleichzeitig in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung über den A u f o p f e r u n g s a n s p r u c h (Einl. zu §§74,75 PrALR) die Frage der Schadloshaltung des Grundeigentümers, der Einwirkungen auf sein Grundstück gem. § 906 B G B dulden muß, ganz allgemein nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung gelöst. Der von Immissionen betroffene Eigentümer kann nunmehr von dem einwirkenden Unternehmer einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, allerdings nur dann, wenn die Einwirkungen die sonst übliche Grundstücksbenützung oder deren Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Damit soll dem Grundgedanken Rechnung getragen werden, daß der technisch-wirtschaftliche Fortschritt im Interesse des Allgemeinwohls nicht mehr als unbedingt notwendig gehemmt, die mit der Technisierung aber verbundenen Nachteile nach Möglichkeit ausgeglichen und verteilt werden sollen, soweit sie nicht ohnehin durch technisch und wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen eingedämmt oder verhindert werden können. c) Eine weitere Voraussetzung des Schuldmomentes ist, daß der Einwirkende in der L a g e g e w e s e n sein m u ß , den E i n g r i f f zu unterlassen. Ob dies der Fall ist, muß nach allgemeinen wirtschaftlichen Grundsätzen beurteilt werden. Bei einer Kollision der Interessen ist nach richterlichem Ermessen abzuwägen, ob das Interesse an der Handlung so groß ist, um sie trotz der Gefahr einer möglichen Verletzung der rechtlich geschützten Interessen Dritter zu rechtfertigen. Hierbei ist auch auf die Größe der bedrohten Interessen Dritter Gewicht zu legen. Die Rechtsprechung hat schon frühzeitig erkannt52), daß Unternehmern gewerblicher oder industrieller Betriebe, die ihrer Natur nach Gefahren für Dritte mit sich bringen, aber volkswirtschaftlich notwendig und daher im Allgemeininteresse förderungswürdig sind, kein Verschulden i.S. der §§ 823 ff B G B zur Last gelegt werden kann. Das Reichsgericht hat diesem Gedanken erstmals an dem Beispiel der Eisenbahn dahin Ausdruck gegeben, daß die bei einem solchen Betrieb möglicherweise eintretenden Schädigungen Dritter in Kauf genommen werden müßten, und dazu u. a. ausgeführt: es lasse sich keineswegs anerkennen, daß der Betrieb einer Eisenbahn schon an sich notwendig eine schuldhafte Handlung darstelle, weil der Unternehmer erkenne oder doch erkennen könne, daß die der Lokomotive entströmenden Funken einen Brand herbeizuführen vermögen; denn alle Verschuldung beruhe ihrem letzten Grund nach auf einem Willensfehler in der Richtung, daß der Täter f r e i w i l l i g eine schädigende Handlung vorgenommen habe, obwohl er bei Anwendung der gewöhnlichen Sorgfalt und Vorsicht den eingetretenen Erfolg als eine mögliche Folge seiner Handlung hätte vorhersehen können; der Täter müsse daher in der Lage gewesen sein, die schädigende Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. E s bedürfe aber keiner Ausführung, daß nach den Gründen, welche den Staat zur Genehmigung einer Eisenbahn bzw. zum eigenen Betriebe einer Eisenbahn veranlassen, der 61a ) Siehe darüber § 3 9 . Vgl. auch Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 1958, 922; Schack in B B 56, 409. 62 ) R G 17, 103.

635

9 45,

167, 1 9 0 , 1 9 1 , 2 1 7 , 2 1 8 ,

907

589, 607,

606

85, 858, 602, 607, 608, 609

51, 519, 5 3 ° 2 , 3, 4, 2 7 , 40, 5 1 9 ,

6

°4

2, 6 7 , 7 3 , 7 7 , 7 8 , 80, 8 1 , 84, 8 5 , 98, 578, 6 1 3 6 8 , 7 3 , 7 8 , 7 9 , 80, 8 1 , 8 5 , 409, 4 1 5 , 5 l 8 , 519

62, 519 518

432, 518 3, 4, 7, 9, 1 3 , 9 1 , 1 3 ° , 1 5 4 ,

3 1 7 , 3 9 7 , 539, 569, 6 0 6 , 6 4 0 4, 6, 7 , 8 , I i , 1 3 , 1 4 , 1 6 ,

247, 548, 592 1 7 1 , 1 7 4 , 5 5 ° , 59 6 > 651 86, 5 9 7 , 5 9 9 , 6 0 0 , 6 0 1 ,

2 3 2 , 240, 280, 5 7 3 , 597, 6oi, 602, 605, 608, 609, 620, 621

62

905 906

613fr. 601 428, 618 26, 5 4 , 5 5 , 8 5 , 6 0 4 , 6 0 5 , 608, 609, 6 2 1 428, 601, 620, 637 38, 85, 607, 609, 6 1 9 , 621

494

904

238, 2 5 7 , 539, 542, 561

2 0 4 , 548 1 7 3 , 246, 263, 264, 649 429, 629 196 600 187

599, 606 6 0 1 , 604 2, 4 4 , 50, 1 2 6 , 1 7 7 3 2 3 , 3 3 5 , 406, 4 0 9 , 4 9 2 , 4 9 3 , 494, 661 66, 6 1 3 320, 5 1 8 , 522 154, 320, 385, 518, 522, 529

161, 188, 218, 327, 538, 16,

541,

554fr., 560, 573, 596, 609, 630fr., 647 x

876

597

168, 170, 1 7 1 , 172, 189, 2 1 3 , 215, 216, 220, 227, 230, 317, 3 2 8 , 3 5 7 , 358, 399, 551, 660, 662 167, 168, 169, 170, 171, 172, 1 7 3 , 174, 1 7 5 , 176, 1 7 7 , 2 3 8 , 257, 266, 22, 51, 166, 197, 230, 327, 5 3 1 , 539, 569

16, 46, 1 1 3 , 1 5 9 , 1 6 1 , 165, 188, 1 8 9 , 1 9 0 , 1 9 1 , 1 9 2 , 195, 196, 1 9 7 , 198, 199, 200, 2 1 3 , 2 1 4 , 2 1 5 , 2 1 8 , 221, 229, 267, 299, 3 1 0 , 3 8 1 , 536, 5 3 9 , 565, 569, 5 7 9 , 583, 5 8 4 , 5 9 1 , 5 9 2 , 602, 604, 609, 6 3 1 , 6 3 4 , 635, 636, 637, 639, 647 160, 1 9 7 , 2 1 9 , 2 2 2 , 224, 225, 226, 2 2 7 , 2 3 1 , 2 3 4 , 229, 2 3 3 , 2 5 3 , 267, 2 3 8 , 299, 3 3 1 , 3 5 9 , 563, 565, 569, 5 8 7 , 588, 5 9 3 , 6 3 7 ,

908

641 160,197,236,238,239-242, 247, 266, 268, 258, 3 2 7

Gesetzesregister 909

55,252,253,254,255,256, 257, 258, 259, 260, 262, 263,

264,

265,

267,

542,

637 910

980

994 997

1004

27, 1 5 7 , 162, 228, 268, 269, 270,

271,

272,

273,

274,

911

2 7 7 , 278, 291 293, 294

912

7, 13, 40, 70, 91, 93, 98,

26

39» 54.55.70. 9°. " 8 , " 9 . 130,

149,

166,

167,

186,

199,

200,

230,

251,

254,

256,

257,

260,

269,

271,

272,

273.

279,

351.

374, 552, 571, 587,

381, 555, 572> 589,

310. 53 8 ,

432, 547, 557, 562, 570, 573, 582, 583, 590, 593, 596,

100,

124,

125,

126,

128,

129,

130,

137,

165,

295-

300,

305,

306,

308,

309,

311,

314,

317,

319,

321,

621,

622,

610,

612,

630,

323,

324,

325,

326,

375,

637,

643,

641,

660,

662,

376, 393, 408, 3i3> 3Ï5, 377

913 914

57°

26

312,

315,

665

569, 631 1008

321,

322,

375,

44, 46

1009

5 i , 405, 662

377 315, 316 305, 3°8, 313, 314, 377

IOIO IOII

4 7 , 48, 50, 1 1 6 ,

917

7, 2 5 1 , 255, 368-378

IOI2 IOI4

51, 53

918

359, 366,

IOI7

2 4 1 , 260

915 916

359,

362,

367, 371 56, 58, 59, 60, 6 1 , 64, 66,

919

9 1 , 98, 103,

IOI8

921

922

103, 127,

120,

124,

143.

x 45.

157, 304, 305,

323. 328, 330, 345 106, 1 1 0 , i n , 1 1 3 ,

115,

116,

117,

119,

120,

122,

124,

127,

129,

136,

139, 143, 328, 330, 156, 157, 158 59, 157, 3*7, 374

923 924

114, 129,

118,

138,

427,

IO23 1024 1026

IO29

947

25, 99,

I02&

99

104

951 953 954

40, 124, 136, 265

I031 1065 I090 IO93

293

II07 IIO9

293

Ilio

956

158, 293

III3

958

294

III6

959

294,

43

429

Meisnet-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

409,

410,

411,

391. 4 " ,

427,

432, 437.

411,

423,

432,

437,

4II,

427,

433,

436,

522

41 41 33, 3 6 , 37. 93.

948

4 1 3 , 502 39 1 , 4 " ,

391,

345

I04,

393,

I022

929

i°i,

391,

I02I

IO27

130,132

336,

427, 443,

293

946

320,

428,

925 932

52,

423. 425, 429, 430, 4 4 1 , 447, 465, 4 7 2 . 522 409. 508, 427, 522

70, 7 7 , 88, 9 1 , 92, 93, 94,

95, 97, 98, 102,

51

394, 397, 3 8 9. 407, 408, 1020

114

144

573, 662

67 70, 7 1 , 85, 87, 88, 89, 90,

920

142,

44, 58, 89, 268, 307, 369,

III7

J22 391, 522 39I,

437, 522 3 9 1 , 4 1 1 , 4 2 7 , 522 39 1 , 4 " , 4 2 7 , 522 55, 614, 6 1 5 , 6 1 9 , 620 662 90, 2 4 1 , 260, 573 90, 405, 473, 491 604, 662

351, 375, 377 313, 375 3T3, 375 313, 375 43 43, 5 5, 57, 90, 313

673

Gesetzesregister II20 1126 II27 II3I IIJ2 II92 II94 I200 1227 1416 1445 1922 2093 2IOO 2139

141 V i , 375 241 3» 4 i 659 3 3 313 573 73 41 73 573 57 57. 73

Grundbuchordnung

§§

Seitenzahl

2 3 4 5 6 7 8, 1 3 9 10 18 19 20 22 29 38 46, 48 90

75, 76, 77, 78 1 1 , 2, 27 2, 4, 27, 28, 40, 4 1 3, 4, 27, 28, 40, 519, 520 3, 4, 27, 28, 29, 4 3 1 3 319, 323, 408 77 319 5 ° , 495, 5 2 1 2, 44 521 3, 28, 40, 4 1 537 4 529

Einführungsgesetz z u m B G B Artikel

Seitenzahl

2 52 65 67, 109 i n "3 «5 120 122 124 127 128 157 164 173 177 181 182 184

123 140 7. 12, 36, 197 140. 5 3 1 288 4 4 i . 454 453 4, 518 8, 158, 3 1 6 8, 1 1 3 , 1 1 4 . 123. 3 8 4:, 516 1 492 657 456 91 498 2 7 . 4 1 . 4 4 . 9 1 , 96, i ° 5 . 516 42, 52 44, 52, 378, 3 9 ° , 4 ° 3 , 4 ° 4 , 408, 4 1 2 , 4 1 3 , 436, 454, 502, 522 619 42, 3 I 4 , 343, 352, 372, 4 ° 4 , 4 1 3 , 4 4 i , 489, 499, 502, 522 614, 619, 620 158 4 4 i , 522

187 189 191 197 218

674

Zivilprozeßordnung

§§

Seitenzahl

6 12 24 25 26 32 33 40 58 60

580 55° 369, 579, 580, 613 5 5 ° , 613 580 607

62

72 76 77 93 144 147 148 253, 264 256 26; 266 286 325 37 1 » 4 i 5 452 767

579 316 370 89 578 572, 578 572 150 67 608 468, 608 558 555, 565, 610 3H 68, 314, 574 67 314, 373 67 162 14, 286, 3 1 7

Gesetzesregister 787 810 828 857,864 887 888 890 894

935» 938 940, 945

516 26

79

80

45 45 567, 568, 589

83 84 125 156

568, 589 568 432, 3 1 6 582 581

177

140, 1 4 1

37 44 45 52

74 433

90

9i

92

9

10

11 12

389 3 1 2 , 3 1 6 , 389, 521

73, 389 3 8 9, 433, 5 2 1

13 14 15 16

389

17

42

A u s f ü h r u n g s g e s e t z z u m Bürgerlichen Gesetzbuch Seitenzahl Artikel 1 288, 5 1 6 62 8, 228, 235, 290, 325, 336, 337, 343, 346 60-66

63

64

65 66

67 68

233

325, 33°-33 6 , 337

3 2 8 - 3 3 4 , 337 3 2 8 - 3 3 4 , 337 2

33> 337 343 i n , 113, 114,

69

72

73 75 76 77

43 44 45 49

441, 491

155

122 278, 280, 283, 284 8, 284, 285, 286 282, 283, 286 284, 2 9 1 , 292 378, 379, 381, 385, 51 6

153, 154, 279, 282, 334, 335, 33 6 , 385

74-78

278

78

343, 346, 382, 3 8 6

274, 275, 277 404, 522, 619 441, 522, 53° 53° 475, 529, 53°, 6 1 5 , 6 1 7 53° 530

53° 53° 43, 45-49, 52, 53, 55, 567 8, 96, 97 517 619

499

Coburger Ausführungsgesetz z u m Bürgerlichen Gesetzbuch Artikel Seitenzahl 24 28 24-28 88

115, 121,

122, 149-155

7° 7i

589,

59°, 595 1 475, 492, 529, 53° 597 56 3*4, 343, 352, 372, 4°4,

Übergangsgesetz z u m Bürgerlichen Gesetzbuch Artikel Seitenzahl

Zwangsversteigerungsgesetz Seitenzahl §§ 10 316, 433 20, 23

385

220, 2 3 3 , 569, 583,

343, 379 328, 353, 442 437 345

Coburger Ausf.VO zur G r u n d b u c h ordnung Seitenzahl § 4

491, 517

Bayer. Weidegesetz Artikel Seitenzahl 1 469, 470, 472 2

360, 469, 470

Gesetzesregister 3 5 6 7 8, IO, I I , 22 23-26, 29, 32 34 39 47 48

65

371 471, 472, 474, 474 475 45 2 > 474 468, 460, 452

Seite 573 474 475

Bayer. Trümmergesetz Bayer. Gemeinde-O Art. 23 Bayer. A G G V G Art. 15

453

Bayer. Notariatsgesetz von 1861 Artikel Seitenzahl

472, 474 461, 467, 468, 474

132

Bayer. Gesetz über Feuerlöschwesen Artikel Seitenzahl 1 , 2, 3, 6, 8, 9 176 Bayer. Landes-Straf- und Verordnungsgesetz Seitenzahl Artikel 638 7-15 223, 638 13 638 39 2 2 1 , 638 40 76 234 78 175 Bayer. Fischereigesetz Artikel 9, 10, 16

Seitenzahl 392

Bayer. Bauordnung Artikel Seitenzahl 16 35 40 112 234 47 92, HO, I I I 49 52 223, 234 Bayer. Zwangsabtretungsgesetz Artikel IB I 13

676

14

Seitenzahl 175 177

248-250 440 492

3 H , 347, 372, 420, 4 9 2 , 498, 499, 501 499

Bayer. Ausführungsgesetz zur Grundbuchordnung Artikel

Seitenzahl

6 10 17. 18» 37 38 72

5°, 320 53 1 73 44

Bayer. Wassergesetz von 1907 Artikel

Seitenzahl

1 17 21 26

179 197 6

Dienstanweisung für Vermessungsämter

§§

Seitenzahl

20 58 60 62

75 2 75 28

Dienstanweisung für Grundbuchämter §§

Seitenzahl

159, 163, 164 168, 170, 219 294 327ff.

75 75 75 76

Gesetzesregister

Kontrollratsges. Nr. 45 Bayer. DVO Nr. 127 Fideikommißgesetz § 30 Bayer. Feldschadengesetz

Seite 2 u. 85 2 u. 85 8; 656

Bayer. Berggesetz Artikel Seitenzahl 1 2 3 5 6 7 9 10 11-13 16-19 20, 25, 26 24 28 36 41 44 45 46 47 49 52 56 83 138 178 179 180 181 182 183 191 195 206 207 208 209 210 211 240 249 253

5 } i , 532> 582 533 533 535 535» 536 535 535. 536 535, 536 536 536 537 537, 582 538 537 537 538, 573, 582 539 538, 539 , 54°, 543 5 539 540 54°, 541 531 531 54°, 541, 546 541 541 542 542 542 541 541 16, 543, 545, 546 547 543, 548, 549, 55° 55° 16, 537, 543 548, 549 532 535 531

Bayer. Abmarkungsgesetz Seitenzahl Artikel 2 64 58, 64 3 64 9 io, 16 64 17, 18 65, 66 57, 65, 66 19 20 61 62 21 22, 25 63 28 66 58, 6o, 61 30 Bayer. Forstgesetz Seitenzahl Artikel 23 33 34 43 44 45 47 49-107 56, 65, 71 69 80, 85, 90, 91 88, 89 92 96 97

477 479. 473, 441, 441 221 483 441, 656 473 487 473, 441 221 482

480 483 475

483

6

56

Bayer. Forstrechtegesetz Seitenzahl Artikel 1 477, 478, 482 2 479, 48° 3 479 441, 484 4 482, 483 5 374, 476, 489 9 10 482 12-14 483 13. 25 473 483, 485 15 16 486 19, 24 473, 49° 27 473, 476, 483

Gesetzesregister 27a 37 41 46

441, 484, 486, 487, 490 476 441, 473, 482 441, 476, 485

Bayer. Aufforstungsgesetz Allgemein 287 Wohnungseigentumsgesetz §§ Seitenzahl 1 260, 268, 405 26, 54, 260, 268, 305, 308, 3 403 10 6 12 7 13 5° 31 58, 305, 308 iff. 657*. Erbbaurechts-Verordnung §§ Seitenzahl 1 51. 55» M i , 260. 369 ir 54. 55. 3°5. 3° 8 12 53, 54, 505 27. 33 54 Luftverkehrsgesetz §§ Seitenzahl 12 17 19 27, 28 Allgemein

15, 170 14, 648 14, 15, 648 14 648

Flurbereinigungsgesetz SS Seitenzahl 10 45 49 68,73 79 81

678

521 5*1 49 2 >497 521 76 1

Bayer. Ausführungsgesetz zum Flurbereinigungsgesetz Artikel Seitenzahl 3 u. 521 52

Gewerbeordnung Seitenzahl §§ 16 55°, 584, 585, 587, 635, 638, 218, 220 223, 230, 233 17 24 585 25 539, 5 5°, 5 26 16, 201, 220, 224, 397, 539, 584,

147

585,

59°, 593, 628 638

Postverwaltungsgesetz Seitenzahl § 178 32 Bundesfernstraßengesetz Seitenzahl §§ 289 1-5 2 439, 44° 180, 289 5 180, 181 8 10 289, 378 291, 289 11 18 180 22 180 23 181 Allgemein 9

Bayer. Straßen- u. Wegegesetz Artikel Seitenzahl 179 179, 360 289, 360, 438, 440, 441

Gesetzesregister Artikel

Seitenzahl

4 5 6

441 180

9 11 14 16 17 18 22 23 28 29 3° 35 40 41 42 5° 53 56

67 69 80

Seite Atomgesetz

43». 439. 440 263 263 289fr., 440 447 226, 263, 440 263, 298, 440 405 223 289 23, 268, 289 268 290 290, 298 180, 360 180 298, 440 360, 438, 440, 441 440 438. 439. 441 208 ff., 1 8 1 , 4 4 0 439

648

Allgemein Bundesbaugesetz

649

Haftpflichtgesetz

646

Sachhaftpflichtgesetz

647

Straßenverkehrsgesetz

647

Wasserhaushaltsgesetz

§§

Seitenzahl

1 2 3

193, 586 13, 228, 256, 421 198, 228, 256, 267,

7.8 16 19 20 22 23 24 26 28 33 34

421,

573 586 500 197 586 197 6 421 197, 198 197 226, 256 197, 198

Telegrafen-Wegegesetz

§§

Seitenzahl

Grundgesetz

1-11 2

178 180 179, 181 182, 182, 185 186 180,

Artikel

3 4 5 6 7.8 12 13

180 183, 186 183, 186

182

3 14 31 125

141

§ 23

Seitenzahl 177,

182

583 io, 557, 644 299 542

Bayer. Verfassung

Artikel

Fernmeldeanlagen-Gesetz

Seitenzahl

Seitenzahl 438

Energiewirtschaftsgesetz

§ 11

Seitenzahl 549

679

Gesetzesregister Naturschutzgesetz

Bundesverwaltungsgerichtsordnung

§ x8

40

Seitenzahl 216

Bayer. Verordnung über Schädlingsbekämpfung Seitenzahl 638

680

52 53 7° 74 107 123 124 153 167

Seitenzahl 181, 186, 223, 224, 263, 439. 441. 487. 535 60 61 224 224 63 535 63 63 63

Sachregister (Die Zahlen bedeuten die Seiten) Accessio Possessionis 509 Actio negatoria 273 Abänderungen 6, 28 (Zweck) 93 (Anbau) •—• 1 1 5 , 131 ff. (Kommunmauer) — 145 (Grenzeinrichtung) — 177 (elektr. Leitung) •— 180 (öff. Weg, Fernmeldelinie) — 414 (Bedürfnisse bei Dienstbarkeit) — 417 (Gewerbeart, Kulturart) — 2 1 1 (der Verhältnisse), 212 (Technik) — 228 (Straße, Wasserlauf), 266, 285 — 253 (Grundwasserverhältnisse) — 374 (Richtung des Notwegs) — 376 (Notwegrente) Abbau — Gebiet 4 — Bodenbestandteilen 252, 257 Abbrennen des herrschenden Gebäudes (Fabrik) 399 Abbrechen Grenzmauer 1 1 9 •— Haus bei Feuersbrunst 50, 168, 176 — Bauwerk 242, 244, 266 — bei Uberbau 298 — bei Notweg (Brücke) 366 Abfälle von Fabr. 575 Abdeckerei 192 Abfalldach für Regenwasser 357 Abfallwasser 405 Abgabe für Benützung des Luftraums 11 Abgraben 55 (neben Keller), 251, 256 Abgrenzung 2, 17 Abhilfe (bei Klageerhebung) 221 Abholzung 393 Ableitung von Wasser 197, 198, 368, 392 Ablösen von Teilen eines Bauwerks 236, 238, 240, 247 — eines Felsblocks 238, 552 Ablösung — Forstrechte 479, 485, 490 — Weiderecht 463

Ablösung d. Entschädigung bei Kommunmaueranbau 146, 148, 122 ff., 130fr., 139, 140fr Abmarkung 56fr. — Wiederaufnahme des Streits 63 — Wirkung 63 fr. — Messungsergebnis 68 — Widerspruch 68 Abnützung bei Kommunmauer 137 Abort ( = Abtritt) — Anlage 223 — Belästigung des Nachbars 192 Abraumhalde 557 Abreißen = Abbrechen Abrutschen v. Teilen 268 Abschneiden von Zweigen 281 Abstand von — Anlagen oder Gebäuden 92, 251 — Fenstern 223, 233, 235, 251 —• Bäumen oder Sträuchern 278 fr. — Vertiefungen 251fr. — der Grenze 357 — Straßen 378 Abstellbahnhof 233 Absturz eines Felsblocks 160, 238 Abschlußmauer 132, 92 (Wand) Abtretung — des Kommunmauer-Ablösungsanspruchs 139, 147fr. — der Überbaurente 313 — der Notwegrente 375 Abwässer 1 1 0 , m , 197,198, 368, 392, 574, 576 Abwehr (-Anspruch), -Klage 12, 16 — bei Immissionen 165, 167, 224 (Vorbeugend) 236, 412 Abwesenheit bei der Abmarkung 65 Abweichung zwischen Grundbuch u. Kataster 78 Abzugsrohr 1 1 0 Änderungen — Abänderungen

681

Sachregister Aesthetische Interessen 6, 554 Allee (Grenzeinrichtung) 97, 1 1 7 , 252 Alleineigentum 134, 138 (Kommunmauer) Almen, Gefährdung durch Tunnelbau 16 Almende 448, 454 Almenweide 476 Alpenvorland 13 Amtliches Verzeichnis 78 Anbau (-recht) 93, 94, 1 1 2 , 122fr., 129, 134fr. 141 ff., 152, 405, 408 Anbauverbot 223 (Straßen) Anerkennung 67 (Abmarkung), 63 (Grenze), 68, 71 (Katasterplan) Anfechtung — 82ff. (Irrtum über Grenz verlauf) — 186 (Plan über Fernmeldelinien) Angaben — 77 tatsächliche — rechtliche im Grundbuch) Angreifende Notstandsbandlung 168 Angst 8 (Blitzgefahr) — 6, 191 (wegen Schießens, psychisches Interesse) Anlagen — 5, 6 (unterirdische) — 6 (vorübergehender Zweck) — 8 (Grenzabstand) — 9, 10 (bauliche) — 152 (besondere) — 178 (Verkehr, Telefon, Telegrafen, Rundfunk, Fernsehen) —• 184, 221, 222 (verbotene, 224, 225 (Begriff), 226 ff. (gewerblich), 231, 408 (Unterhaltung) 409, 427, 559 Anlegung des Grundbuchs 491, 513 Anliegergrundstück 7 — nutzung 9, 10 — gebrauch 298 — recht 646 Anpflanzungen — 1 1 7 (Grenzeinrichtungen) — 223, 289 (an Straßen) Anteilsrecht an Grenzbaum 157, 158 Anschwemmung 26, 37 Anspruch auf — Abwehr 224, 236 — Aufopferung 216, 226, 641fr. — Beseitigung 220, 231, 262 (Wiederherstellung), 272 (Grenzbaum), 560, 569 (Eigentumsfreiheit)

682

Anspruch auf — Unterlassung 220, 303 (Überbau) 562 (Beeinträchtigung) — Schadensersatz 621 ff. — Schadloshaltung 627fr. Anzeige bei Überbau 303 Asche (Immission) 195 Anwendrecht — 378, 382 (Bestellung) — 382 (Beweislast) — 381 (Ersitzung) — 385 (Erlöschen) — 385 (Flurbereinigung) — 381 (Verjährung) — 385 (Verzicht) Arsenhaltige Gase 218 Asche (Immission) 195 Aufbau — 94 (auf Giebelmauer) — 141 ff. (auf Kommunmauer) — 405, 408 (gegenseitiges Aufbaurecht) Aufforsten 287, 400 Aufgabe des Eigentums 27, 38 Aufgebot (bei Dienstbarkeiten) 530 Aufgrabung 14 Aufhebung der Gemeinschaft 49 (Stockwerkseigentum) 1 1 9 (Grenzeinrichtung) Auflagerung von Steinhalden 40 Auflassung — 81 (teilweise nichtig), 84 — 57 (Vormerkung, Abmarkungsanspruch Auflesen von Früchten 295 Aufopferungsanspruch 216, 226, (Straßenanlieger) 641fr. Aufschüttung 225, 227 (Anlage), 252, 267. 557 _ Aufsetzen eines Stockwerks 49 Auftraggeber 577 (Eigentumsfreiheitsklage) Aufwendungen — 183 (Anlagen) — 48 (Stockwerkseigentum) — 1 1 7 (Grenzeinrichtung) — 151 (Kommunmauererhöhung) Ausasten (Obstbäume) 269 Ausbauchung einer Mauer 166, 300, 326, 5°6. 574 Ausblick 16, 332

Sachregister Ausdehnung — 44, 45 (Stockwerksrechte) — 212, 495 (Gewerbebetrieb) Ausgleichspflicht i o Ausgleichsanspruch 189, 214 Ausfahrt 7, 9 Aushöhlung von Rechten 417 Auslegung — 170 (Anspruch aus § 904) — 495 (Grunddienstbarkeit) Ausschachtung 14, 257, 263 (Straßenbau) Ausschliessung von Einwirkungen 11 Ausschnitt der Erdoberfläche 4, 33, 77 Außenwerbung 50 Aussicht 191, 398 (verbaut), 225, 227, 228 Aussichtsfenster 342 — gerechtigkeit 416 Ausübung öffentl. Gewalt 187 Ausübungshandlungen 504 (Dienstbarkeit) Auszug aus amtlichem Verzeichnis 78 Autobahn 289 Automatengesetz 14 Auto-Reparaturwerkstätte 205 Rennen 556, 558 B Bäckerei 196 (Immissionsquelle) Backofen 96 (Grenzeinrichtung), (Anlage) 225, 227, 297 (Uberbau) Backstein-Brandmauer 234 Bach 56 (Eigentum) Badestrand 9 Badeanstalt -Freibad 191 Badeort 204, 205 Baiast-Abwurf 170 (Luftfahrt) Balken (Tramrecht) 393 Balkon 10, 14, 240, 298, 299, 301 (Überbau), 330 (Abstand) 333, 337 Bahntunnel 15 Bahnunternehmen 84 Barbarossahöhle 16 Bauabstand 222 (Anlagen), 324 (Überbau), 354 (Traufrecht), 401 (Grunddienstbarkeit) Baudenkmal -Änderung 399 Bauen 398 (an der Grenze), — 399 (bestimmter Stil) Baufällig 236, 240 Baugelände -Erhöhung 252

Baugerüst 30, 237, 243, 246 Baugrund 239, 240, 259 Bauherr 577 Bauholzbezugsrecht 404, 483 Baulandbeschaffung 497 Bauliche Anlage 10 Baulinie 295, 331, 392, 395 Baum — 8, 279, 397 (Grenzabstand) — 27 (Eigentum an Wurzeln u. Zweigen), 268 — 238 (morsch, Einsturzgefahr) — 271 (über die Grenze gewachsen) — 292 (Früchte-Überfall) — 268 (Überhang) — 75 (Baumgarten) — 97 (Baumreihe), 282, 291, 157 — 26 (Baumschule) — 156, 157 (Beseitigung) — 181, 291 (an öffentl. Straßen) Baumeister 247, 264, 307 (Überbau) Bauplan — 129 (Grenzmauer) — 303 (Unterzeichnung bei Überbau) — 334 (Unterzeichnung-Fensterrecht) — 496 (Unterzeichnung-Grunddienstbarkeit) — 555. 5 56 (Einreichen-Beeinträchtigung des Eigentums) Bauplatz 203 Baukosten 141 (Kommunmauer) Baurechtlicher Grenzabstand 290, 400 Baustil 399 Bauverbot 400 Bauwerk — 6 (Errichten und Halten) — 115 (Kommunmauer) — 295 (Überbau) — 236 (Einsturz) — 244 (Abbruch) — 392 (Halten auf fremden Grund) Bauwich 223, 401 Bauzaun 9 (Gemeingebrauch) Bauzustand 247 Bazillen 194 (Immission) Beauftragter — 174 (bei Instandsetzung) — 577 (Eigentumsfreiheitsklage) Bebauungsplan 331, 344 (Lichtrecht), 649 Bedingung 406, 411, 521 Bedürfnisanstalt 192,207,210,225,233,559

683

Sachregister B e d ü r f n i s s e des herrschenden G r u n d stücks 406, 415, 414, 446, 495 (Erweiterung) B e d ü r f n i s vorübergehend 364 (Notweg) Beeinträchtigung — 70,76, 118 (Grenzeinrichtung) — 167 (Rechtsmißbrauch) — 5 51 ff. (Eigentumsfreiheit) — 597 (Besitz) — 219. 5 54, 56*. 564, 567» 573 (Besorgnis weiterer —) — 260 (Vertiefung) — 186 (Fernmeldelinien) — 225 (Aussicht) — 241, 243 (durch Einsturz) — 271fr. Überhängen v o n Zweigen) Befahren gesperrter Straßen 171 B e f e s t i g u n g (258, 259, 260 (genügende bei Vertiefung) Befristung 406, 441 B e f r e i u n g v o m Tropfenfall 398 B e f u g n i s s e der Postverwaltung 186 (Fernmeldelinien) Begräbnisstätte 392 B e g r e n z u n g des G r u n d s t ü c k s 1, 20, 56 fr. B e h a u p t e n eines Rechts 552 (Beeinträchtigung) B e h e l f s h e i m 30 B e l a s t u n g v o n Miteigentumsanteilen 50 — Beleuchtungsanlagen 186 Benützen — 7, 11 (Luftraum) — 114 ( K o m m u n m a u e r ) — 177 (Verkehrswege f. Fernmeldeanlagen) — 198, 653 (Wasserhaushaltgesetz) Benützungsart — 97 (Grenzeinrichtung) — 6,8 (künftige Ä n d e r u n g ) — 12 (übliche) — 362 (ordnungsgemäße) — 364 landwirtschaftliche - N o t w e g ) B e n ü t z u n g s - D i e n s t b a r k e i t 391, 393 Benützungsrecht •— 44 (Stockwerkseigentum) — 117 (Grenzeinrichtung) — 141, 144, 109fr. ( K o m m u n m a u e r ) — 106 (Gemeinschaft) Benzintankstelle 234 Berberitzenstrauch 159, 220 Berechtigtes Interesse 167

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Bereicherungsanspruch — 80 (Katasterraub) — 124, 136fr. ( K o m m u n m a u e r ) — 140 (Zwangsversteigerung) — 171 (Notstandshandlung) —• 22, 40 (Rechtsverlust -Bestandteil) Bergbau 4, 15, 35 Bergbaufreiheit 532 B e r g g e s e t z 5, 9, 12, 35, 531fr. — 539 (Ablagerung) — 547 (Angrenzer) — 532 (Alaun, A n t i m o n , Arsenik, Asphalt) — 540 Aufbereitungs-Anlagen) — 532 (Bergbaufreiheit, Bergregal) •— 546 (Bausicher) — 532 (Bergwachs, Bitumen, Blei, Braunkohle) — 397, 543 (Bergschaden) — 544 (Besitzwechsel) — 546 (Bodensenkung) — 540 (Eigentumsbeschränkung) — 539, 54° (Einwirkungen) — 532 (Eisen, E r d ö l , Erdgas, Erze) — 54°, 543 (Enteignung) — 539, 542, 544 (Entschädigung) — 541 (Eigentumserwerb) — 547 (Eigentumsfreiheitsklage) — 545 (Entganger Gewinn) — 544 (Ersatzberechtigter) — 536 (Fundpunkt) — 548 (Fernsprech-, Femseh-Anlagen, Immissionen) — 539 (Gewinnungsrecht) — 532 (Gold, Graphit) — 548 (Gefährdungshaftung) — 546 (Grubenwasser) — 547 (Grundwasser-Entziehung) — 539 ( H a f t u n g des Schürfers) — 546 (Halden-Schaden) — 545 (Kapitelabfindung, Kausalzusammenhang) — 532 (Kali, Kobalt, Kupfer) — 542 (Kaution) •— 532 (Mineralien -herrenlos, Mangan, Molybdän, Magnesia) — 544 (Miete, Pacht) — 547 (Mehrere Bergwerke als Schadensursache) — 548 (Mitverursachung) — 546 (Quellwasser-Entziehung)

Sachregister Berggesetz 5, 9, 12, 35, 351 ff. — 532 (Quecksilber) — 534, 541 (öffentliche Interessen) — 548 (öffentlicher Verkehr — Vorrecht, Fernseh- und Fernmeldeanlagen) — 538> 533 (Okkupationsrecht) — 535 (Oberbergamt) — 532 (Nickel) — 536 (Mutung) — 532 (Silber, Steinkohle, Steinsalz, Solquellen, Schwefel) — 541 (Soleleitung) — 538, 540, 545, 548 (Schadensersatz) 533 (Staatsvorbehalt, Schürfrecht) — 534 (Schürffreiheit) — 535 (Sicherheitsleistung) — 532 (Titan, Torf) — 532 (Uran, Vitriol, Wismut, Wolfram) — 537. 538, 542 (Verleihung) — 549 (Verjährung) — 537, 548 (Vorrecht) — 546 (Zechenbahn) — 545 (Zubehörungen, Wiederherstellung des früheren Zustandes) Bergfluß 258 Bergrutsch 407 Berliner Garten 16 Beurkundung 66 (Abmarkung) Berichtigung der Bestandsangaben 78 Beschädigung y. Fernmeldelinien 187 Beschlagnahme 140 (Kommunmauergrundstück) Beschränkung — 7, 8 (Eigentum) — 179, 180 Gemeingebrauch) — 233 (Nachbarrecht) —-399 (Gewerbebetrieb) — 411 (Grunddienstbarkeit) Beseitigung —• 119 (Grenzmauer) — 125 (Überbau) — 145 (Grenzeinrichtung) — 154 (Kommunmauer-Erhöhung) — 156 (Grenzbaum) — 180 (Fernmeldelinien) — 223 (Anpflanzungen an Straßen) — 269 (Zweige) — 303, 310 (Überbau) — 393 (Bauwerk) — 560 fr. (Beeinträchtigungen) -— 60} ff. (Besitzstörung)

Besitzer 86 Besitzdiener 601 Besitzhandlungen 86, 506, 597 fr. Besitzschutz — 113 (Grenzmauer) —• 54, 55 (Kellerrecht) — 597ff. (Besitzstörungsklage) Besitznachfolger 375 (Notweg) Besitzstand 85, 506 Besorgnis weiterer Beeinträchtigung 167 — 167 (Schikane) — 219 (Immissionen) — 554, 562fr, 567, 573 ( E i g e n t u m )

Bestandteil — 4, 7, 16, 18, 21 ff., 51fr. (Erbbaurecht) — 75 (Wege) —• 99fr., 93 (Grenzeinrichtung) — 125 (Grenzüberbau) — 132 fr., 114, 131 (Kommunmauer) — 156 (Grenzbaum) Bestandteils-Zuschreibung 3 Bestands-Verzeichnis 439 (öffentl. Straßen) Bestandsangaben 77, 78, 79, 85 Bestandsnachweis 78 Bestimmbar 392 (objektiv) Bestimmte Maßnahmen 564, 581 Bewässerungsanlage 285 Beweisbehelf 71 (Kataster) Beweiskraft — 66 (Abmarkung) — 71 (Flurplan) — 108 (Grenzeinrichtung) Beweislast — 13 (Einwirkungen) — 153 Kommunmauer) — 157 (Grenzeinrichtung) — 162 (Schikaneverbot) — 220 (Immissionen) — 263, 261 (Vertiefen) — 285 (Grenzabstand von Bäumen) — 307, 303 (Überbau) — 270 (Selbsthilferecht) — 578, 596 (Eigentumsfreiheitsklage) — 604 (Besitzstörungsklage) — 613 (Grunddienstbarkeit) — 632, 624 (Schadensersatz) Beweismittel 66 (Eigentumsgrenze) Bewilligung 534 (bergamtliche) 653 (Wasserrecht) 685

Sachregister Bienen — i86ff., 205 fr. (Eindringen, Haftung, Raubbienen) — 214 Bienenkorb (Anlage) — 225 Bienenstock (fahrbar) Bierlieferungsrecht 396 Blindfenster 108 Blendender Anstrich 194 Bleichen 202 Blitzgefahr 6 Boden 263 (-Beschaffenheit) — 5, 22 (-Bestandteile) — 266, 267 (-Erhöhung) — 35, 40, 251fr. (Vertiefen) — 252, 59 (Senkung) Böschung 237, 252 (-Winkel), 256, 291 Bordell 191, 228 Brandgefährl. Anlagen 221 Brandmauer 112, 92, 247 Brandversicherungsanstalt 177 Brauerei 225 Brennerei 192 Brennholzbezugsrecht 486 Bretterwand 227 (Anlage) Brücke 366 (Abbruch -Notweg) Brückenwage 206 (Immissionsquelle) Brunnen 91, 95, 96 (Werk, Gebäude) — 223, 225 (Anlage) — 234 (Abstand) — 237 (Gebäude) — 405 (Recht daran) Bucheigentümer 301 Buchglaube 84 Buchungsfreie Grundstücke 1, 2, 84, 85, 492, 529 Buchungszwang 1, 84, 529 Buchstaben Plannummer 75 Bundesfernstraßen 11, 438 Bürgersteig ( = Gehsteig) 448 C Causa perpetua 401, 425 Cautio damni infecti 265 Chemische Fabrik (Immissionsquelle) 192 Civiliter uti 421, 425 D Dach 5, 6, 7 (in den Luftraum hineinragend)

686

Dach 240 (Dachziegel -Ablösung von Teilen) — 245 (Riß im Zinkdach) — 299 ff. (Überbau) Dachgiebel 300 (Überbau) Dachrinne 97, 108, 112 (Grenzeinrichtung), 357 (Traufrecht) Dachvorsprung 94, 310, 392 (Überbau) Dachtraufe 197 (Immission) — 354> 357 (Traufrecht) — 397 (Grunddienstbarkeit) Damm 237 (Gebäude -Einsturz) 168 (Notstand -Durchstoßen) Dämpfe 192, 198 (Immissionen) Dampfhammer 209 (Immission) Dampfmaschine 209 Dampfschiffahrt 232 Dauernder Zweck 28, 29 Dauernde Verbindung 34 Dauernutzungsrecht 4, 52 (Keller), 58 (Abmarkung), 658ff., 651 Dauernutzungsberechtigter 308, 313 (Überbau) — 573 (Eigentumsfreiheitsklage) Dauerwohnrecht 4, 241 (bei Einsturzgefahr), 651, 658, 573 Dereliktion 27, 522 Dichte Einfriedung 290 Dienstbarkeit 4, 30, 52, 55 (Kellerrecht) — 89, 98 (Grenzeinrichtung) — 127, 300, 313 (Überbau) — 336 (Fensterrecht) — 261 (Vertiefen) — 375 (Notweg) Differenziert-objektiver Maßstab bei Immissionen 204 Dingliches Recht — 4, 6 (Halten einer Anlage) — 57 (Abmarkungsanspruch) — 89 (Grenzeinrichtung) — 387 (Grunddienstbarkeit) Dinglicher Vertrag — 141 (Kommunmauer) — 145 (Grenzeinrichtung) — 152 (Vertiefen oder Erhöhen der Kommunmauer) Dingliche Wirkung 127 (Grenzeinrichtung) Dispens (baurechtliche) 401 Dissens 82, 83 Drahtgeflecht 290

Sachregister Drahtgitter 341 Drahtleitung 8, 1 1 , 20, 248 (herabhängend) Drahtseilbahn — 9, 12, 14 (über Grundstück) — 368 (Notweg) — 392 (Grunddienstbarkeit) Drahtzaun 237 Dreifelderwirtschaft 383, 445, 515 Doppelbuchung 73 Drohende Gefahr 169, 170 Drohungen 556 Duldungspflicht — 7, 8 , 1 2 , 16, 189,190,215 (Immissionen) — 93, 126 (Grenzeinrichtung) — 168 (Notstand) — 177 (Telefonanlage) — 274 (eindringende Wurzeln) — 276, 302 (Überbau) — 309, 370 (Notweg) — 391 (Eigentumsbeschränkung) Druck durch Aufschüttung oder Höherbauen 267 Durchgang 1 1 0 Durchgangsrecht 4 1 1 Durchschnittsbetrieb 214 Durchschnittsmensch (normal) 204 Dungstätte, Dunggrube 213, 392, 393 E Eibenzweige 273 Eigenbesitzer 234, 247 (Haftung) Eigenmacht verbotene 85 Eigentum 4, 18, 21, (Übergang), 24, 47 (Stockwerkseigentum) — 93 (Grenzeinrichtung), 189, 249 — 293, 268, 270 (Früchte, Zweige, Wurzeln, Bäume) — 265 (Bestandteile), 354, 356 (Traufrecht) — 308 (Überbau), 428 (Anlage) — 16 (am Wasser) Beschränkungen 46 (Stockwerkseigentum) — 94 (Grenzeinrichtung) — 1 1 4 (Kommunmauer) — 159, 168 (Notstand) 215 (Immissionen) — 309 (Überbau), 368 (Notweg), 540 (Bergrecht) — 551 (nachbarrechtliche Beschränkungen)

Eigentum-Freiheitsklage 89, 1 1 9 , 218, 220, 232, 351 ff. — Gefährdung 222 — Grenze 65, 69 — Veränderungen 79 (Kenntnis davon) — Verhältnisse (Kommunmauer-Anbau) 124, 133 ff., 141 — 157 (Grenzbaum) — Verlust 74 (Zuschlag), 129 (Kommunmauer) Eigengrenzüberbau 322 Eigentümer-Grunddienstbarkeit 403,406 Eigentümerweg 360, 438 Einbringen von Stoffen in Wasser 197, 653 Eindringen von Wurzeln 268, 273, 274 Einfahrt 9, 96 (Grenzeinrichtung) Eingefügt 26, 34, 35, 18, 24 Einhalten der Baulinie 392 Einheit wirtschaftliche 23, 1 3 1 , 132 (Kommunmauer) Einigkeit 84 Einigung 493 (Grunddienstbarkeit) Einreißen 150 (Kommunmauer) Einpflocken (Grenzzeichen 86 Einschränkung 180 (Sondernutzung an Straße-Fernmeldelinie) •— 188 (Immissionsfreiheit) Einstweilige Verfügung 232 (Einstellung des Baues), — 581 (Eigentumsfreiheitsstreit) Einstellung 232 (eines Baues), 399 (Gewerbebetrieb) Einsturzgefahr 2$6ff., 241 (Fabrikschornstein), 242 (Klagantrag) — 244 (Kellergewölbe), 246 (Verursachung) — 250 (trümmergrundstück), 255, 263 (bei Vertiefen) Eintragung 2, 3, 76, 1 1 6 Eintragungsgegenstand (Flurkarte, Grundbuch) 77 Eintragungsbewilligung (Grunddienstbarkeit) 494 ff. Einwendungen 569 (gegen Eigentumsfreiheitsklage), 649 (Kernenergieanlage) — 653 (Wasserrecht) Einwirkungen 3, 5 ff. (auf fremdes Eigentum oder Luftraum) — 12 (in die Tiefe) — 46 (Stockwerkseigentum) — 187 fr. (Immissionen)

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Sachregister Einwirkungen 190 (sinnlich wahrnehmbar, ideelle) — 191 (negative) — 200 (durch besondere Leitung) — 206 (ortsüblich, auf Landwirtschaft) — 227 (auf Gefühlsleben), 241 (mechaEinzäunen (Grenzzeichen) 86 [nische) Eisenbahn — 192, 232, 253 (Erschütterungen) — 19, 257 (Einschnitt — Vertiefung) — 26 (Anschlußgeleise keine feste Verbindung) — 334 (Anlage), 370 (Notweg), 595, 642 ff. (Betrieb -Schadloshaltung) Elektrische Leitungen — 7, Ii, 14, 16 (durch Luftraum) — 184 (Schutznetz), 177 (Störung untereinander) — 199 (Starkstromanlage), 240 (herabhängend-Ablösung von Teilen) — 225 (Anlage) 368 (Notweg) Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen 204 Empfindlicher Betrieb 20; Enge Reihe 345 Enteignung 249 (von Trümmern), 73 (kein Gutglaubenschutz) — 178 (durch Postverwaltung) — 540, 543 (Bergrecht) — 652 (nach Bundesbaugesetz) Entfernung von Zweigen 277 Entlastungsbeweis 245 ff. Entlüftungsanlage 34, 3; Entschädigung 10, 226 (Straßenanlieger) -— 80 (Katasterraub) — 135, 131 (Kommunmauer) — 190 (Immissionen) — 249 (für Trümmerenteigung) •—• 290 (Grenzabstand) — 539. 542ff- (Bergbauschäden) —• 5 90 ff. (Schadloshaltung) — 609 (Besitzschutz) — 621 ff. (Schadensersatz) — 54 (Erlöschen dringlicher Rechte) — 182 (Verlegung von Anlagen) — 311 (Überbau) — 397 (Verzicht auf künftige) Entwicklung 7, 189 (technische) — 211 (wirtschaftliche) Entziehung 54 (Kellerrecht), 226 (Licht und Luft), 345 (Lichtrecht) 688

Entziehung 172 (Verbietungsrecht), 180 (Sondernutzung an Straßen) Erbbaurecht 6, 42, 51 ff., 241, 243, 261, 300, 307 (Überbau), 313, 322, 391, 402, 375 (Anspruchsberechtigt), 658, 665. Erdaufschüttung 30, 39 Erdhaufen 237 Erdbeben 12, 13, 35, 175, 239, 246 Erdkeilausschnitt 20 Erdkörper 4, 5 ff., 17 Erdoberfläche 4ff., 17 Erdölbohrungen 388 Erdrutsch 12, 59, 71 Erkenntnisquellen 79 (guter Glaube) Erker 5, 7, 14 (in fremden Luftraum), —• 240 (Ablösung von Teilen) — 298 (Überbau, 331 ff. (Fensterrecht) Erlaubnis 13, 653 (Gewässerbenützung) Erleichterung bei Notweg 374 Erlöschen 49, 54 (Stockwerksrecht), — 153 (Kommunmauerrecht) — 179 (Sondernutzung für Fernmeldeanlagen) — 310 (Duldungspflicht bei Überbau) — 374 (Notweganspruch) — 406 (Grunddienstbarkeit) — 475 (Weiderecht) — 490 (Forstrechte) Errichtung 61 (Grenzzeichen) — 301 (Gebäude) Ertragsfähigkeit des Waldes (277) Ersatz — 152 (Kommunmauer-Kosten) — 173 (Notstand -Aufwendungen -Schäden) •— 180 (Unterhaltung von Anlagen) Ersatzgebäude (Stockwerkseigentum) 56 Erschütterungen 17, 19 (Standfestigkeit des Bodens) — 210, 188 (Immissionen) — 245, 239 (Eisenbahnverkehr) — 253 (Fabrikbetrieb) Erschwerung 374 (Notwegrecht) Ersitzung — 72 (Grenze), 94, 110 (Grenzeinrichtung) — 343. 359 (Notweg) — 381 (Anwenderecht) — 405, 413, 422, 429fr. 498, 502ff. (Grunddienstbarkeiten) — 437 ff. (Weggerechtigkeiten)

Sachregister Ersitzung 479 (Forstrechte)

— 448 (Weiderechte)

Ersteher bei Zwangsversteigerung

(Kommunmauer-Grundstück)

Feldwege 440

140

Ersuchen um Eintragung (76 Flur-

bereinigungsbehörde)

Erweiterung

— — — —

210 (Fabrikbetrieb) 309 (Überbau) 224 (Tankstelle) 497, 409, 415, 420 (Grunddienstbarkeiten) —• 444 (Weggerechtigkeiten)

Erwerbswille 74 (des Ansteigerers)

Existenzgefährdung 213 Explosionsgefahr 190, 229, 239, 555, 557 F Fabrik-Abwässer=Abwässer Fabrikgrundstück 19,207 (Fabrikgegend),

210 (Erweiterung)

Fenster 19, 227 (Anlage), 233, 397 (-Öff-

nungen), 114 (Grenzmauer)

Fensterrecht 3 27 ff. 397 (Duldungspflicht)

— 392 (Grunddienstbarkeit) — 337 (bei Neubau und Umbau) — 335 (Erlöschen — Verzicht), 344, 349, (Ersitzung) — 345 (Verbauen) Fernmeldeanlagen 177ff, 182 (Zusam-

mentreffen mit anderen), 183 (Kreuzungen) —-184 (unterirdische), 186 (Anfechtung der Planfestsetzung) Feste Körper 198

Festgefügt 299 (Gebäudeteil)

Feststellungsklage 555, 556

Feuer an gefährlichen Stellen 221 Feuchtigkeit 193, 250, 113, 170

Schwammbildung)

Feuergasse 97, 330 (Anbringung von

Fenstern)

Fabriklärm 205 Färberei 225

Feuerfeste Türen 234 Feuerlöschwesen 176

128 (Grenzüberschreitung) — 172 (bei Notstandshandlung), 557 (Eigentumsfreiheitsklage)

Fahrweg 365 (Notweg)

Feuerschutz 176 Feuerwehr 176fr., 179 Feuerungsanlage 225 Feuerwerkskörper 221, 558 Fideikommiß 85 Firmenschild 237 Fischereirecht 388, 391, 392, 404, 413,

Farben 194 (Belästigung)

Fischteich 252 Fleischbankgerechtigkeit 387 Flüssige Körper 195

Fahnenstange 240 (Einsturz) Fahrlässigkeit 80, 81 (öffentl. Glaube),

Fahrstuhl 237, 240 (Einsturz) Fahrtrecht (-Wegerecht 437ff.); Anwend-

recht 386 (Unterschied)

Fallholz 486 Falsa demonstration 81, 83, 84 Familien-Grunddienstbarkeit 400 Faßpicherei 221 Federvieh 656

Fehlerhaft 505 (Besitz), 245 (Gebäudeer-

richtung), 71 (Katasterfehler)

Feuersbrunst 168, 176, 240, Feuersgefahr

110, 168 (Notstandshandlung)

. 42i> 435, 492> 5°4. 561

Flugplatz 371 (Notweg), 16

Flurbereinigung 1, 3, 73, 76, 374 (Not-

weg), 492, 497, 521 (Grunddienstbarkeiten)

Fehmelwaldbetrieb 473 Feldgeschworene 62, 64, 66 Feldbahngeleise 392 Feldziegelöfen 225 Feldschaden 656, 196

Flurkarte 2, 72, 76fr., 84fr. Flurnummer 2, 96 Flurplan 71, 72, 76 Flurordnung 383

zeichen), 355 (Besitzhandlung) — 160, 238, 552 (Absturz)

Flurschaden 10, 14 (Luftfahrzeug), 656

Felsblock 227 (Anlage, 157, 323 (GrenzFelsenkeller 43

(Stockwerkseigentum),

401 (Dienstbarkeit) 44

Meisner-Ring, Nachbarrecht, 5. Aufl.

Flurstück 2, 68 (Katasterplan), 77 (Flur-

stückslisten)

(durch Vieh)

Flutgraben 97, 1 1 1 , 118

Fluß 56 (Eigentum), 360

689

Sachregister Flüssigkeiten 197 (Immission) Flußbett 6, 23, 27 (Eigentum daran) Formnichtigkeit 164 (Rechtsmißbrauch) Forstrechte — 485 Abänderung — 490 Ablösung — 486 Abraum — 482 Anerkennung alter Rechte — 481, 484 Anweisung — 478 Altenteilsrechte — 482 Bauholz — 483 Baurechtsholz — 489 Baummast — 479 Begründung (Entstehung) — 486 Brennholzrecht — 483,485 Einschränkung der Forstrechte — 489 Erdmast — 479 Ersitzung, Erweiterung — 488 Faselmast — 483 Fixierte Forstrechte — 490 Forstrechtsstelle — 481 Forsttaxe — 481 Gegenseitige Forstrechte, Holzfronen, gemessene — 488 Gemeinde-Eigentum, 481 487 Gemessene Forstrechte — 477 Heimweide —-488 Herkommen — 487 Holztage — 484 Höhere Gewalt — 486 jus ligandi, 484 Insektenschaden — 478 Körperschaftswaldungen — 486 Leseholzrecht, Lagerholzrecht — 488 Mastungsrecht, Laufmast — 478 Miteigentum, 481 Mitwirkung bei der Ausübimg — 481 Naturalfronen — 478 Nebenrechte, Nießbrauchrecht, Notfütterung — 488 Obermast — 486 Stockholzrecht, Raffholzrecht — 480 Reallast — 481 Rechtholz — 484 Rodung, Stockholzrecht — 480,482 Schadensersatz bei Forstrechten — 488 Schneefluchtrecht — 483, 489 Schonende Ausübung, Schonzeit — 488 Steinbezugsrecht, Sprengmast — 482, 487 Streurecht — 478 Tränkrecht, Triebrecht

690

Forstrechte 485 Umwandlung der Forstrechte — 481 Ungemessene Rechte — 488 Untermast, 482 Verjährung (Unvordenkliche) — 481 Waldfronen, 479 Verlegung — 488 Waldweide — 478 Wasserleitungsrecht, Wegerecht — 484 Windbruchsrecht — 479 Übertragung (Verlegung) — 490 Transferierung, Zustimmung der Pfandgläubiger zur Ablösung Fortschritte der Technik 189, 212, 425 Freie Beweiswürdigung 513, 624, 632 (prima facie -Beweis) Freiheit persönliche 396, 400, gewerbliche 399 (Beschränkung — Grunddienstbarkeit) Froschquaken 192, 226,554 Früchte 270, 294 (Eigentum) Fundament 239, 252, 254, 264, 273 Futterhütte 95 (Grenzeinrichtung) Funkenfänger 631 Fußangel 216 G Gallerie 333 ( = Erker) Gangsteig 97 Garage 210 (lästige Anlage) Garten 196, 286 (Begriff), 341 Gärtnerei 206, 210 Gartenanlagen 285, 292 (Grenzabstand) Gartenbau 286 Gartenmauer 396 Gartenbesitzer 216 Gas 182,192,197,201,209,218 (Immission) Gasanstalt 233 (Anlage) Gasbehälter 29 (Bestandteil) Gasheizung 24, 34 Gasleitung 368 (Notweg) Gasrohr 199 Gasrohrleitung 237, 368 Gaswerk 30, (Bestandteil) Gastwirtschaft 399 (Gewerbebetrieb geschützt durch Grunddienstbarkeit) Gebäude 236, 240, 265 (unterhalten -wegreißen) — 168, 418 (Abbruch) — 31, 25 (Bestandteil), 296, 328 (Begriff) — 236, 256 (Einsturzgefahr), 32, 295 (Überbau)

Sachregister Geheimzeichen 65 Gefahr 259, 241, 243, 248 (drohend) — 236fr. (Einsturzgefahr) Gefährdungshaftung 640 ff. ,10,11,12,14, 17 Gefahrenbeseitigung 169, 226 Gegenleistung 141 (Kommunmauer), 369 (Notweg), 402, 405, 408, 410, 448 (Grunddienstbarkeiten), 456 (Weiderechte) Gemeingebrauch 6, 9, io, 14, 179, 197, 198,199, 298, 405, 440 Gemeingefahr 171 Gemeinde 510 (Ersitzung gegenüber—) Gemeindemarkung 56 (Grenzen), 407 (Einheit) Gemeinderecht 454 Gemeindeservituten 404, 455, 480, 505 — 403, 413, 491 (irreguläre Personalservituten) Gemeinschaft 97, 142, 143 (Kommunmauer) 156 (Grenzbaum) Gemeinschaftliche Brunnen 96 — Dungstätten 109 Gemeinschaftsverhältnis nachbarliches 16, 189, 206, 213, 214, 241, 250, 253, 254, 258, 261, 264, 280, 640 Gemeinüblich 208 Geologischer Aufbau 17 Geographische Unveränderlichkeit 23 Geometer 60, 72 (Vermessung) Geräusche 192, i88ff., 199, 202, 203 (Gesamtwirkung 207, 210, 212 Gerüche 192, 188, 208, 209, 221, 235, 576 Gesamtschaden 174 (Notstand) Gesamtwirkung 203, 205 (GeräuschImmission) Geschäftsführung ohne Auftrag 173 (Notstand) Geschlossene Zeit 383, 454, 461 Geschosse 194 Gewalt höhere 200, 243, 262, 561, 654 Gewaltsam 508 Gewerbebetriebe 212, 218, 395, 399 (einstellen), 404 Gewerbliche Anlagen 230, 587 Gewerberechtliche Genehmigung 45, 87 Gerüst 9 (Anliegernutzung), 110 (Grenzeinrichtung), Gesamthandseigentum 105 Gewässer 5, 7, 9, 12, 653 Gewohnheitsrecht 379, 380, 515

44*

Giebel 107, 166, 300, 305 (schief), 354 Giebelmauer 92, 93, 120, 354, 355, 356 (Eigentumsvermutung), ( = Kommunmauer) Gift 216 Giftpflanzen 217 Gipsöfen 384 Glasbaustein 345 Gleis 19, 392 Glocken 192 Graben 75, 97, 107 (Grenzeinrichung), 227, 391 (Grunddienstbarkeit), 508 Grenzabstand 5, 8, (Pflanzen), 9, 251, 278fr., 290 (Straßen) 331, 395 Grenzbaum 156fr. Grenze 21 (unverrückbar), 56 (Fluß), 59 (Abmarkung), 68 (Anerkennung), 74, 79, 83, 88 (Feststellung) Grenzeinrichtung 30, 35, 9 1 f r . , 1 0 0 (Miteigentum), 1 0 4 f r . , 107fr., 119 (Be-, einträchtigung), 116 (Unterhaltung 115 (Verwaltung, Früchte) Grenzmauer 10, 70, 104,111,355 (Trauf-) recht), ( = Kommunmauer) Grenzlinie 19, 56 (Abmarkung), 70 (Gegenbeweis) Grenzfeststellungsklage 60, 69, 71 (-Vertrag), 69, 88, 89 Grenzstreitigkeit 69, 72, 8 4 Grenzstein 36 Grenzüberbau 24 Grenzverlauf 65, 69 Grenzverwirrung 57, 7 0 f r . , 8 4 f r . Grenzzeichen 14, 25, 36 (verschoben) 56, 57» 64, 67. 86 Grobfahrlässig 128 (Grenzüberschreitving), 302 (Überbau), vgl. 630fr. Großbetrieb 207, 208 Grundabnahme 129 (Überbau), 130 Grundbuch 491 (Anlegung Grundbuchblatt 1 (gemeinschaftliches), 73 (guter Glaube) Grunddienstbarkeit 387 fr. — 416 (Änderung der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks) (altrechtliche) — 427. 429 (Anlage) — 495 (Auslegung des Inhalts) — 420 (Ausübung (schonende) — 430 (Ausübung an Teilfläche) — 564 (Ausübungshandlung)

691

Sachregister Grunddienstbarkeit 422 (Aussichtsgerechtigkeit) — 411 (Bedingung, Befristung, Beschränkung des Umfangs) — 413 (Begriff), 391, 397 (Benützung) — 421 (Beweislast für Inhalt und Umfang) — 392 (Bestimmbarkeit) — 421 (civiliter uti) — 39 I s 397 (Duldung der Eigentumsbeschränkung) — 403, 406 (Eigentümer-) — 517fr. (eingetragene), 414 (Eintragungsvermerk -Bezugnahme) — 427 (Einschränkung der Ausübung) — 410 (Einwirkungen Dritter) — 400 (f. Familien-Mitglied), 405, 408, 410, 448 (Gegenleistung, gegenseitige) — 401, 406, 434, 519, 521, 530 (Erlöschen) — 4°5, 41?, 4M. 422, 429» 430.437. 443 ff-. 497fr., 502, 509 (Ersitzung) — 409, 415, 420, 444 (Erweiterung) — 413 (Erwerb) — 403 (an ideellem Grundstücksteil) — 412 (Inhalt) — 396 (Konkurrenzverbot, Kontrahierungszwang) — 416 (Mehrung der Belastung) — 389 (Mietvertrag, Leihe) — 422 (Mitbenützung durch den Grundeigentümer) — 410 (Mitwirkung bei der Ausübung) — 407 (Nebenverpflichtungen) — 432 (Nutzungsrechte sonstige) — 427, 423 (ordnungsgemäße Bewirtschaftung) — 412 (Rang) 500 (Per alienationem ipso facto) — 403 (an u. zugunsten realer Teile) — 424 (Rücksichtnahme auf Grundeigentümer u. Pächter) — 420, 430 (schonende Ausübung) — 496, 500 (stillschweigende Bestellung) — 424,436 (Teilung des belasteten Grundstücks, der Nutzung) — 43 3 (Teilung des herrschenden Gr.) — 419 (Umgestaltung des herrschenden Grundstücks) — 391 (Unteilbar), 399 (Unmöglichkeit ihrer Ausübung) — 427 (Unterhaltung von Anlagen) — 39 1 . 394 (Unterlassungsdienstbarkeit) 692

Grunddienstbarkeit 387, 436 (unübertragbar) — 426 (Veränderung der Ausübung), 423 (Verengung des Rechts) — 429,432 (Verlegung der Ausübung) — 522, 529 (Verzicht) — 329 (Viehtränken) 401 (Vizinität) — 430 (Vorrecht des GrundeigentümersAusnahme) — 418 (an zugeschriebenen Flächen) — 496, 389 (Zwangsversteigerung, Zuschlag) Grundstück 1, 2, 4, (Begriff) 14, 15 (im Rechtssinn), 16 (Untergang), 19 (einheitliches), 20, 24, 28, 36, 359 (Notweg) Grundsteuerkataster 3, 4, 71, 75, 96 Grundwasserverhältnisse (-ström) 9, 12, 25,35,197,198,226,240 (Veränderung), 251, 256 (entziehen), 554, 653 Grundwasserstauer 12, 18 Grundwasserträger 13, 18 Guter Glaube 73 H Haftung — 54 (Erlöschen dinglicher Rechte), 174, 176 (Notstand) — 187 (Schäden durch Fernmeldeanlagen) — 197 (Wasserverunreinigung) — 236, 245 (Einsturz) — 247, 250 (Ruineneigentümer) — 264 (Vertiefung) — 376 (Notweg) — 629 fr. (bei Schadenserastz aus Verschulden) — 640 (ohne Verschulden — Gefährdungshaftung) Häusereihe 92, 97, 107, 110, 115 Häutelager 225 Halbscheidige Giebelmauer ( = Kommunmauer) 120, 128 Halbstrauch 179, 283 Hammerschlagsrecht 170, 359, 393,515 Handelsgärtnerei 416 Hausgarten 75, 286, 287, 328, 330 Hausverwalter 244 Haselnußstrauch 294 Hebebühne 233 Hecken 97, 99, 109 (Grenzeinrichtung) — 279, 283, 291, 292 (Grenzabstand)

Sachregister Heilquellen 198, 399 Heimfallanspruch 666 Heizungsanlagen 225 Herbergsrecht 42 Herkommen 56 (Grenze), 94 (Grenzeinrichtung) — 378 (Anwendrecht), 448 (Weiderechte) — 498, 515 (Grunddienstbarkeiten) Herstellungskosten 127 (Grenzeinrichtung), 136, 137, 142, 147 (Kommunmauer) Hochwasser 168 (Dammdurchstoßen), 239 (Einsturzgefahr) Höherbauen 267, 398 Höherlegen einer Straße 226, 228 Höhere Gewalt 22, 37, 200, 243, 262, 561, 654 Höherwertiges Recht 172 Höhlen 5, 15, 16 (Zugang von fremdem Grundstück), 22 (Zusammenbruch) Hofeinfahrt 97 Hofraum 196, 286, 328 Hofreithe 402 Hoheitlicher Akt 187 (Postverwaltung), 569 (Hoheitsrecht) Hohe Lichter 339 Hohlräume 19 (unterirdische) Holzrechte 404 Holzzerkleinerungsmaschine 209 Honigraub 217 Hopfenstöcke 26, 279, 283, 291, 292 (Grenzabstand) Hordenschlagsrecht 459 Hotelküche 192 (Gerüche) Hühner 196, 656 Humusschicht 27, 38 (Bestandteil) Hütte 237, 328 (Begriff -Unterschied von Gebäude bei Fensterrecht) Hüttenwerk 218 Hütungsgerechtigkeit 387 Hungerschwarm 217 Hunde 196 (Gebell, -Zucht, Immission) Hypothekenbuch 517 (Grunddienstbarkeiten) Hypothekengläubiger 307, 313 (beim Überbau)

Jagd 600 (Besitzhandlung) Jagdberechtigung 394,396 (Dienstbarkeit)

Jalousie 299 (Überbau) Jauche 213, 234 (Immission), 392 (Grunddienstbarkeit) Idiosynkrasie 400 (bei Immissionen) Ideelle Einwirkungen 190, 228 Ideeller Grundstücksanteil 403 (Dienstbarkeit daran) Immaterielle = ideelle Einwirkungen Immissionen 5, 12, 113 (Feuchtigkeit), 188 (mechanisch, chemisch, physikalisch), 228, 397 (Duldung als Dienstbarkeit) — 5 59. 565 (Eigentumsfreiheitsklage) 576 (mehrere Immissionsquellen) Imker 216 (Schädlingsbekämpfung durch Gift) Individuelle Eigentümlichkeit 204 Indivision forcé 97 (notwendige Gemeinschaft) Industrie-Entwicklung 212, 214 Viertel 209, 364 (Vergleichsgebiet) — -Gewerbe Inhalt des Grundbuchs 74, 83 Innenmauer (bei Stockwerkseigentum) 48 Insel 36 Instandhaltung 5 8 (Grenzsteine) 64 (Grenzzeichen) Insektenplage 191, 584 Integrität (körperliche) 170 (als Rechtsgut bei Notstandshandlung) Intensivere Betriebsgestaltung 417 Interesse — 6, 8, 9 (schutzwürdig: vermögensrechtlich, wissenschaftlich, volkswirtschaftlich) — 11, 12, 13, 16, 18 (an Wegfall von Immissionen) — 57 (an Abmarkung), 78 (rechtliches), 161 (Rechtsmißbrauch) — 162,164 (zukünftiges), 183,184 (öffentliches an Anlagen) — 209 (Gemeinwohl), 210 (lebenswichtig) — 325 (Ausgleich bei Überbau), 399 (ästhetisches als Vorteil bei Grunddienstbarkeiten) Interdictum de arboribus caedendis 273 Interessenwiderstreit 46 (bei Stockwerkseigentum) Irreguläre Personalservituten 403, 413, 491 Irrtum 41 (Bestandsteilseigenschaft)

693

Sachregister Irrtum 69, 281 (Grenze) — (80, 82 (Dissens), 83, 128, 129 (Überbau), 1 7 1 , 1 7 2 (bei Notstand) Juristisches Grundstück 54 Jus lignandi 486 (Leseholzgerechtigkeit) K Kabel 10, 184, 368 (Verlegung) Kahlschlag 276, Kälte 194 (Immission), Kalkstaub 200 Kamin 1 1 2 (in der Grenzmauer) Kanal 10, 14, 226 (Anlage) 227, 235, 237 Kandelaber 227 (Anlage) Kaninchen 196 Kanone (Böller) 199 Kapitalabfindung 316 (Überbaurente), 378 (Notwegrente) Karte 76 (der Siedlungsbehörde) Kartenschwund 73 Kastanien 199 (-Rösterei), 294 (Überfall von Früchten) Kataster Grenze 2, 68, 72, 80, 81, 85 — Eintragung 77 —• Grundstück 4 — Karte 73, 76, 79 — mäßiger Umfang 74, 87 — Parzelle 2, 3, 27 — Plan 4, 61, 68, 74, 75, 77, 78, 79, 81, 82, 85 — raub 80, 83 —• Unrichtigkeit 81 Katzen 196 Kegelbahn 24, 401 Keilquerschnitt 21 (Erdausschnitt) Keller 5, 7 , 1 4 , 19, 22, 51, 52 (Stockwerks-, Erbbaurecht), 58 149 (Kommunmauer) — Recht 244, 329, 396, 428 (Brauerei), 436 — Einsturz 247 •—• Mauer 249 — Anlage 257, 297, 429 Kernobstbäume 286 Kinderspielplatz 192, 204 Kirchenglocken 192 Kirchweg 360, 438 Klagantrag 242 (nach § 908 BGB), 61 (bei Abmarkung), 88 (Grenzfeststellung), 260 (§ 909 BGB) 280 (Art 71 ff. A G BGB) — 433 (bei Verlegung einer Grunddienstbarkeit)

694

Klagantrag 373 (Notweg) — 219, 231, 71 (Unterlassungsklage) Klavierspielen 192 Kleingarten 330 (Fensterrecht) Kleingärtnerverein 30 (Vereinsheim als Bestandteil) Knochenlager 225 (Immissionsquelle) Körper (feste, flüssige) 195 Körperliche Integrität 170 Körperschaftswaldung 447, 478 Kohlenstaub 195 (Immission) Komposthaufen 30 Kommunmauer 92, 94 (-Zwang), 97, 121 122 (Erhöhung, Mitbenützung) — 132 (Miteigentum), 139fr. (Ablösung), 149. 153» J55> 156 (Erhöhung), 170 (-Grundstück), 265, 304 (Uberbau), 405 (Anbau), 413 (Baukosten) Konfusion 406, $19,524 Konsolidation 406, 524, 330 Konkurrierendes Verschulden 263 (vgl. auch Mitverschulden) Konkurrenz 1 1 (Avisschaltung), -Verbot 396,528 Kontrahierungszwang 396 Kosten 48 (Stockwerskeigentum), 63, 66 (Abmarkung), 116 (Grenzeinrichtung), 122, 1 5 1 , 152, 153, (Kommunmauer), 158 (Grenzbaum), 180, 181 (Wegunterhaltung) 183, 185 (Fernmeldeanlagen) Kostschafe 464 (Weiderecht) Krankes Vieh 465 (Weiderecht) Kreisstraßen 438 Kreuzung von Fernmeldeanlagen 183 Kulturveränderung bei Dienstbarkeiten 438 Künftige Beeinträchtigung 554 Kunstgärtnerische Anlagen als Einheit (Baumreihe) 282 L Laboratorium 16 Laden (Aufschlagen in fremden Luftraum) 401, 299 Ladenrecht 347, 392 Lärm 205 (Werkstätte), 206 (Straßenbahn), 192 (Belästigung) Lästiger Betrieb 395 Lagerkeller 5 5 (Entwertung durchwärme) Landestriangulierung 13

Sachregister Landwirtschaftsrecht 2 Landwirtschaftliche Grundstücke, 206, 214, 284 (Grenzabstand) Land Verbindung 361 (Notweg) Lastwagenverkehr 253 (Erschütterungen) Lattenzaun 290 Laub 292, 294 (Überfall) Lebenswichtige Interessen 210 (bei Immissionen) Lehm-Entnahme als Grunddienstbarkeit 39i, 415 Leichenhaus 1 9 1 , 228, 554 Leicht entzündliches Material 234, 244 Leinpfad 360 (notweg) Leiterrecht 170, 359, 393, 515 Leitungsdrähte 5, 6, 8, 10, 1 1 , 19 (Leitungsmast, 22, 177 (Starkstrom) 184 (Fernmeldelinien), 208 (eigene, besondere bei Immissionen,) 237 (festverbunden mit Gebäude) Leitungsmast 26 (Bestandteil) Leseholzrecht 486 Licht und Luft 7, 1 9 1 , 226, 227 (Straßenanlieger), 349 Licht-Beeinträchtigung 225, 228 — entziehung 163, 164 — hof 96 (Grenzeinrichtung) — Öffnungen 233, 330, 335, 337, 339, 392 — recht 345, 346, 3 5 1 , 352, 347, 392 (Verbauen), 352 (Verjährung) — reize 202, 194 (Reflexe) — reklame 10 — Schacht 97 (als Grenzeinrichtung) — zeichen 9 (Anliegernutzung) — wellen 188, 199 (Immission) — Zuführung 1 1 0 Liegenschafts-Kataster 1, 4, 72, 75, 76 Lithosphäre 12 Lokomotivqualm 192, 208, 624 (Funkenflug) Luftfahrzeughalter to, 1 1 , 648 Luftraum 4, 5, 7, 8, 9 (über Straßen) 14 (Benützung) Luftreinhaltung 192, 214 Luftlöcher, Lucken 349 M Machtbefugnis ( = Machtbereich) 5, 8 (des Eigentümers), 5 8 (bei Abmarkung) Malven 279 (Stauden)

Markgenossenschaft 56 Mäuseplage 195, 196,555 Marksteine ( = Markzeichen) 58, 66, 70 (Beweiskraft) Masseforderung 140 (Kommunmauergrundstück) Massive Mauer 234 Mast 237 (als Werk), 389, 570 (Aufstellung als Leihe oder Miete) Mastungsrecht 488 Mauer 25 (Bestandteil), 97 (Grenzeinrichtung), 107, 120 (halbscheidig) — ausbauchung 166, 300, 326, 506, 574 — erhöhung 122 — rest 120 (Kommunmauerzerstörung) — überbau 326 — Senkung 264 Mechanische Verbindung 238 — Einwirkung 241 Mehrere Betriebe 204 (bei Immission) Mehrere Immissionsquellen 376 Mehrere Überbauende 307 Mehrere Widerspruchsberechtigte 36; (beim Überbau) Mehrheitsbeschluß 47 (Stockwerkseigentum 7, 663 ( = Gemeinschaftsbeschlüsse der Wohnungseigentümer) Mengekontrakt 464 (Weiderecht) Menge- und Setzvieh 464 Messungsbehörde 63, 64, 76 Messungsergebnis 68, 69 (bindend) Meteorwasser 13 Miasmen 192, 200 (Immission) Mieter 29 (Bestandsteilseigenschaft) — 244, 261, 300, 369 (Notweg), 433 (Grunddienstbarkeit) — 576 (Eigentumsfreiheitsklage), 601 (Besitzstörung) Mietvertrag 389 (Unterschied von Dienstbarkeit) Miozänschicht 17 Milchkann-Rampe 207 (Immissionsquelle) Mißverständnis 82 (Dissens) Mineralwasserbereitung 225 Mitbenützung 93, 94, 95, 98, 1 1 2 , 1 1 4 (Grenzeinrichtung) — 1 2 1 , 1 3 1 (Kommunmauer), 368 (Notweg) — 391, 405, 408, 420, 422, 428 (bei Grunddienstbarkeit) Mitbesitz 1 1 3 (Grenzmauer)

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Sachregister Miteigentum 89 (Grenzstreit, 93 (Überbau) 96, 99, iooff. (Grenzeinrichtung), 132fr. (Kommunmauer) — 157 (an Steinblock auf der Grenze) — 27 (Bestandteil), 42 fr. (Stockwerkseigentum) — 50fr. (Kellerrecht) — 219 (bei Immissionen), 241 (bei Einsturzgefahr) — 249 (an Trümmern), 307,313 (Überbau), 369, 370 (Notweg) —• 530 (bei altrechtlichen Dienstbarkeiten) — 572 (bei Eigentumsfreiheitsklage), 6 5 7 ff. (Wohnungseigentum) Mitverschulden 169 (Notstand) — 215 (bei Immissionen) — 258 (bei Vertiefen) — 302 (bei Überbau), 548 (bei Bergschäden) — 571 (Einwendung gegen Eigentumsfreiheitsklage) — 628 (bei Schadensersatz) Mitverursachung 175 (Notstand), 571 (vgl. auch 623 über adäquaten Zusammenhang) Molkerei 192 Mutung 536 N Nachbargrundstück 224 Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis 5, 7, 10, 13, 16, 163, 170 (Notstand) 189, 206, 213, 214 (Immissionen), 241, 250 (beiRuinen), 253, 254, 258, 261, 264 (Vertiefen), 280 (Grenzabstand von Pflanzen), 640 (bei Schadensersatz) Naturereignis 3 5 (Verschiebung des Bodens), 246 (Einsturz), 401, 407 (bei Grunddienstbarkeiten), 553 (Eigentumsfreiheitsklage) Naturkräfte (Naturgewalt) 19, 200, 237, 553

Nachsturzgefahr 264 Nachtarbeit 210 Nachträgliches Einverständnis 92 — Bestreiten der Grenze 63 Nebenverpflichtungen 407 Negative Einwirkungen 191 Neidbau 165 Nemini res sua servit 405

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Neubau einer Grenzeinrichtung 93 Neubegründung von Stockwerkseigentum 44 Neuvermessung 76, 77 Nichtausübung 529 Nichtgebrauch 524 Nichtigkeit 82 (Dissens), 164 (Rechtsmißbrauch), 305 (Überbauvertrag), 317, 327 (Grundstückskauf) Niederschläge 253 Niederreißen 156 (Kommunmauererhöhung) — 176 (Feuerschutz) Nießbrauch 4, 36, 158 (Grenzbaum), 243, 244 (Einsturz) —• 261 (Vertiefen), 300, 307 (Überbau), — 369 (Notweg), 391 (bei Grunddienstbarkeiten) Non usus 524 Nothilfe 169, 1 7 1 , 173 Notlandung 11, 16, 170, 648 Notservituten 359 Notstand 11, 1 6 , 1 6 7 , 1 7 1 , 173, 258 — 358ff. (vgl. auch 5 u. 7) Notwendige Gemeinschaft 97 Notwendige Streitgenossenschaft 89 Notwendige Stütze 258 (vertiefen) Notweg 358fr., 362, 366 (Beweispflicht, Zugangsnot) — 366 (objektiv notwendig) —• 369 (Aktivlegiti mation) — 374 (Richtung) Notwegrentenpflicht 368, 374 (Erleichterung, Erschwerung, Flurbereinigung,Verjährung), 375 (Entschädigung, Abtretung, Verzicht) O Oberfläche eines Grundstücks 4, 27 Obstbaum 269, 286, 158 (Grenzbaum), 274 (Obstbaumanlagen) Obligatorische Verpflichtung 492, 517 Ödung 285 (Vertiefen) Öffentliche Gewalt 187 (PostVerwaltung) öffentlicher Glaube 78, 80, 84 Öffentliches Interesse 182 (an besonderen Anlagen), 570 (behördliche Anordnungen) Öffentlicher Notstand 175 Öffentliches Recht 221, 223

Sachregister Öffentliche Straßen (Wege), i, 7, 8,10, 58 (Abmarkung), 66, 70, 84 — 178, 183 (Benützung für Fernmeldeanlagen) — 268 (Bäume an öff. Straßen), 223 (Anbauverbot) — 359» 360, 365 (Notweg) — 405, 425 (Grunddienstbarkeiten) — 437, 438 (Weggerechtigkeiten) — 557 (Eigentumsfreiheitsklage) Ölheizung 24, 34 Offene Zeit 383, 445 Ordnungsgemäße Benützung 362 (Notweg) Ortsdurchfahrt 289 Ortsüblich 9, 206, 208, 210 Opinio juris 405, 506 Opinio necessitatis

Pflanzen 8, 19, 26 (Grenzabstand) Plan einreichen 224 Planierung 257 Plannummer 75 (Stern) Plenterwald 276, 292 Positive Vertragsverletzung 429, Positives Tun 199, 553 Prävention 209, 212 Prima facie-Beweis 624, 632 Pulvermagazin 228 Putativ-Notstand 170, 171

Quartärschicht 17 Quasipossessio 615 Quellengrundstück 96 R

Pächter 7, 29 (Bestandteil), 58 (Abmarkung), 158 (Grenzbaum) — 244 (Einsturz), 261 (Vertiefen) — 300 (Überbau), 369 (Notweg) Parkanlagen 274, 287 Parken 14 (Gemeingebrauch) Parzellenbesitz 80 Parzellenverwechslung 78 Parzellierung 434 (Grunddienstbarkeit) Passivlegitimation 57, 58 (Abmarkung) 89 (Grenzscheidung) — 220 (Immissionen) •— 242, 244 (Einsturz), 262 (Vertiefen) — 28c (GrenzabstÄnd), 562 (Eigentumsfreiheitsklage) Per alienationem ipso facto 5 00 (Grunddienstbarkeit) Personalservituten irreguläre 413 Persönlichdienstbarkeit 388, 396, 402 Persönliche Freiheit (Beschränkung) 396, 400 Persönlichkeitsrechte bei Notstand 169 Pfahlrost 255 Pfändung 313 (Überbaurente) Pfeifen 208 (Lokomotive), 375 (Notweganspruch), 319 (Kommunmaueranlösung) Pfeiler 108 Pflichtgebundenheit des Eigentums 189, ( = Sozialbindung)

Raffholz 486 Rain 95, 96, 97, 99,109, i n , 252 Rangierbahnhof 233 Ratten 195,196, 200, 249 Räumung eines Trümmergrundstücks 248 Raubbienen 217, 218 Rauch 192, 199, 201, 208, 209, 210, 212, 221 (Immissionen) Rauchfang 225, 227 (Anlage) Raumeigentum 26, 657 Realberechtigte 56 (bei Abmarkung) Reale Teile 3, 28, 99, 100 Reallast 49 (Stockwerkseigentum, Wiederaufbau) — 313 (Überbau), 320 388, 407 (Dienstbarkeit -Unterschied), 409, 433 Real geteiltes Eigentum 105, 126, 130 (Kommunmauer) — Reblausplage 555 Recht dingliches 4 Rechtliche Einheit 132 (Komminmauer) Rechtlich öffentliche Wege 439 Rechtliches Interesse 57 (Abmarkung), 78 (Unrichtigkeit des Grundbuchs) Rechtsausübung 161, 164 Rechtsempfinden 81 Rechtsgeschäftliche Beendigung eines Kellerrechts 54 Rechtsgeschäftlicher Erwerb 73 (Gutglaubensschutz) 697

Sachregister Rechtsgeschäftliche Willensfähigkeit 86 (Gegensatz natürlicher Wille beim Besitz) Rechtsirrtum 80 (Grundstücksgrenzen) Rechtskraft 63 (Abmarkung) Rechtsmißbrauch 159, 1 6 1 , 164 Rechtsnachfolger 55 (Kellerrecht), 59 (Abmarkung), 571, 572, 574, 575 (Eigentumswechsel) Rechtsschutzbedürfnis 273, 552 (Eigentumsfreiheitsklage) Rechtsüberzeugung 379 (Anwartschaft) Rechtsverhältnis 4, 133, 134 (Kommunmauer) Rechtsverlust durch Kommunmauer-Anbau 134, 135 Rechtsvermutung 513 Rechts wirksame Auflassung 83 (falsa demonstratio) Regengüsse 259 Reihe 92, 111 Rei vindicatio 551 Reklame 7, 8, 9 , 1 0 , 1 1 (Anliegernutzung), 112 Rentenanspruch (Überbau) 3 1 1 Reparaturwerkstätte 213 Rittersporn (Staudengewächs) 279 Rohbau 93 (Grenzmauer), 133 Rohrleitung 26, 30 Rohrbruch 560 Rohrpostanlage 569 Ruinengrundstück 246, 247 Rundfunkanlage 178 Ruß 192, 200, 207, 209 S Sachregister 1 0 , 1 1 , 1 6 , 7 5 , 7 6 Sachwehr 168 Sachschaden 622, 625 Schaden 625 (Begriff), 170, 183 (unverhältnismäßig groß) — 542 (Bergschäden) Schadensersatz 621 ff. — 245 (Einsturz) — 621 (Vergleich mit Eigentumsfreiheitsanspruch) — 634, 627 (bei Eingriffen in das Eigentum, auch drohenden) — 629 (bei Verzug) — 630 (Verschulden) — 637 (Verstoß gegen Schutzgesetze)

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Schadensersatz 640 (Schadloshaltung ohne Verschulden -Gefährdungshaftung) Schadloshaltung 220, 233, 379 Schädlingsbekämpfung 216 Schäfereigerechtigkeit 359 Schalldämpfend, schalldurchlässig, schallsicher 215 Schallwellen 201, 20; Schallwirkung 199, 201 Scham verletzend 228 Schaubudenbesitzer 198 Schaufelschlagrecht 515 Schaukasten 5, 7, 10, 14 (in fremden Luftraum) Scheibenschießen 565 Scheidemauer 108, 128 Scheidewand 103, 104 Scheinbestandteil 30 Schienenbahn 182 Schießstand 202, 219 Schikane 6, 8, 159, 162, 163 (schikanöse Rechtsausübung), 271 Schilder 9 (Anliegernutzung) Schlachthaus 192 Schlächterei 225 Schlammgraben 225 Schmiede 206, 225 Schmutzkanäle 22; Schneefänger 238, 552 Schokoladefabrik 216 Schonpflicht 420, 430, 441 Schornstein-Einsturz 241 Schrecken 199 Schreinerei 203 Schuldübernahme 148, (Kommunmauerablösung) Schulweg 438 Schwammherd 159, 170, 250 Schwefelwasserstoff 210 Schürfarbeiten 12 Schürfrecht 533fr. Schutzgesetze 172, 184, 218, 245, 238, 263, 552, 555, 637 Schutz gegen Feuersgefahr 1 1 0 Schutzwald 276, 289 Salutschießen 199 See 16 (als Grundstück) Senkgrube 22, 30, 237, 252 Senkung des Grundwasserspiegels 12 — des Bodens 246, 252, 255, 267

Sachregister Selbsthilfe 172, 216, 244, 268, 269, 273, 277 Selbstaufopferung 175 Servitus altius non tollendi 348 — aquae haustus 392 — apparentes, non apparetnes 510 — cloacae 392 — continua diskontinua 510 — fluminis utilis immittendi 392 — in faciendo consistere nequit 394, 406, 410, 446 — latrinae 392 — ne luminibus officiatur 346, 348 — prospectui officiatur 348 — ne ventus excludatur 528 — oneris ferendi 266, 393, 409, 427, 436 — pecoris ad aquam appulsus 392 — protigendi 392 — rustica vel urbana 390 — stillicidii 392 — tigni immittendi 393 — fundus utilis esse debet 398, 434 Sickerwasser 226 Sicherheitsmaßnahmen 25 8, 234, 244, 177 (Starkstromleitungen) Siedlungsbehörde, Siedlungsverfahren 73, 76 Siebener Geheimnis 64, 66 (Abmarkung) Signalmast 237 Singvögel 216 Sittenwidrige Rechtsausübung 161 Sonderbenützungsrecht 32, 44, 46, 52 (Keller) Sondereigentum 29, 31, 41, 47, 51 (Keller) 106, 107 (Grenzeinrichtung), — 149 (Kommunmauer) — 47, 51, 59 (Stockwerkseigentum) — 657 (Wohnungseigentum) Sondernutzung 180, 440 (an Straßen), 298 (Vordach, Erker) Sondernachfolger 47, 51 (Stockwerkseigentum), 98, 116 (Grenzeinrichtung) — 129 (Überbau), 143 (Kommunmauer) Sozialbindung 7,10,189, 65 5 (im Wasserrecht) Sprengung 563, 638 (Schutzgesetze) Sprengstoffabrik 229, 555 Springbrunnen 197 Stabrecht 458 (Weiderecht) Staatshaftung 174 (Notstand) Staatsgewässer 7

Staatsstraßen 58 (Abmarkungspflicht) — 66, 70, 84, 178, 183 (Benützung für Fernmeldeanlagen) — 287, 223 (Anbauverbot), 268 (Bäume an-), — 359. 365 (Notweg), 405, 438 (Grunddienstbarkeiten) Stamm 271 (über die Grenze gewachsen) Standsicherheit 14, 19, 239, 256, 561 Standort 22, 25, 36 Stauanlage 226, 227, 399 Starkstromleitung 183 (Fernmeldelinien) Staub 195, 209 Staudengewächse 279, 283 Steinbruch 213, 252, 364 (Notweg) Steine 29 (Bestandteil einer gepflasterten Straße) Steinhalden 28, 253 Steinschlag 200 Steinobstbäume 286 Sternplannummer 75 Sternwarte 16 Stillschweigen 128, 129 (bei Überbau), 119, 145 (bei Grenzeinrichtung), 496, 500 (Bestellung von Grunddienstbarkeiten) Störung 187 (Fernmeldeanlagen), 552 Störer 220, 410 (Grunddienstbarkeit) Sträucher 228, 279, 268, 292, 293 (Früchte, 397) Straßen (siehe öffentliche —) — Anpflanzungen 223, 225 — Aufschütten 228, 439 Strauß'sches Gründungsverfahren 258 Stütze 254, 255, 258 (Vertiefung) Subkutane Bodenbewegung 257 Superficies 43, 99 T Tabularersitzung 491 Tanken 10 (an Straßen), Tankstelle 213, 224 (Erweiterung) 235 Tannenzapfen 294 (Aneignungsrecht) Tantum praescriptum quantum possessum 430, 433, 444, 465, 507 Tatsächliche Gewalt 86 Tatsächlich öffentlicher Weg 438 Tauben 196, 226 (Taubenschlag) Technische Entwicklung 7, 189 (Fortschritt)

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Sachregister Teileigentum 658, 219 Teilerbbaurecht 52, 658 Teilfläche 371 (Notweg) Teilgrundstück 3 Teilhaber 43, 44, 45, 46, 49 (Stockwerkseigen tum), 97 (Grenzeinrichtung), 116 Teilung (Grundstück) 3, 28, 87, 96 (Grenzeinrichtung), 99, 1 1 7 313 (Uberbau), 394 (Verbot), 376, 433, 520, 424 (bei Grunddienstbarkeiten) Teilungslinie 87 — maßstab 87, 88 (bei Grenzstreit) Teich 86, 226 (Anlage) Teerdämpfe 192 Tektonischer Aufbau 12, 17, 24 Telefon, Telegraphen -Anlagen 10, 14 (Ständer), 12 (Drähte), 177 ff. Tieferlegen 149 (Kommunmauer), 225 (Straße) Tiere 196 Tierfelle 195 (Immissionsquelle) Tor 425 (verschließbar) Torflügel 364 (Notweg) Torfstich 388 (Grunddienstbarkeit oder Pacht), 425 Tragfähigkeit 239, 256 Tragseil 240 Tramrecht 393, 528 Trieb ( = Trift-)recht 360, 442 Traufe 86, 108 Traufrecht 3 3 8 f r . , 3 j 6 f f . , 345, 348, 419 (Tropfrecht), 355 (Eigentumsvermutung) Tropfrecht ( = Trüpfrecht) = Traufrecht Trüpfraum 356 Trümmergrundstück 248 Truppenübungsplatz 370 (kein Notweg) Tunnel 5, 7, 10, n , 14 Turngerüst 237 U Überbau 5, 7 (Dach), 22, 30, 35, 76, 78, 92, 98, 99, 103, 135 (entschuldigt), 126 (vereinbart), 129, 130, 243, 295, 300, 305 (Beseitigung), 393, 408 Überbaurente 3 1 2 f r . — 315 (Abtretung) •—-313 (Erbbauberechtigter) — 315 (Erlöschen) — 320 (Erhöhung)

700

Überbaurente 313 (Pfändung, Teilung des Grundstücks) — 315 (Verfallzeit, Verjährung, Zwangsversteigerung) — 317, 327 (Nichtigkeit des Grundstückskaufs) — 318 (nicht eintragungsfähig) —-320 Höhe, Erhöhung, Verzicht) Übereinstimmung von Grundbuch und Sachregister 75 Überfall von Früchten 292 Übergangsrecht 41 Überhängen 268, 276 (Zweige) Überleitung von Stockwerkseigentum 52 Übernahme des Rechtsstreits bei Abmarkung 61 Übernahme der Schuld 148 (Kommunmauer-Ablösung) Überragen 299 (Laden) Überschreiten 203 (behördlicher Auflagen) — 270 (des Selbsthilferechts) Überschwemmung 23, 175, 246 Übertragung der Katastergrenze 72 Uferabriß 36 Uferschutz 291 Umfang 74 (katastermäßig), 79 (Eigentumsrecht) Umfassungsmauer 48 (Stockwerkseigentum) — 120 (Kommunmauer) Umfriedung 286 (Hofraum, Hausgarten) Unerlaubte Handlung 263, 631fr. Ungewisse Grenze 69 Ungültig 63 (Abmarkung) Unmöglichkeit der Ausübung von Dienstbarkeiten 399, 520, 561, 562 Unrichtigkeit 68 (Katasterplan), 73 (Grundbuch), 80 (Grenze), 81 (Auflassung) Unteilbarkeit 525 (Grunddienstbarkeit) Untergang ( = Erlöschen) — 520 (eines Gebäudes = Zerstörung), 528 (bei altrechtlichen Grunddienstbarkeiten Untergrundbahn 10 Untergrundsenkung 266 Unterhaltung 230 (Anlage), 240, 242 (Gebäude bei Einsturzgefahr), —• 255, 259 (bei Vertiefen, Standsicherheit) — 408, 409, 427 (bei Grunddienstbarkeiten), 446 (Straßen)

Sachregister Unterzeichnung (Unterschrift) 65, (Abmarkungs-Protokoll), — 68 (Messungsergebnis), 123, 129 (Bauplan bei Kommunmauer) — 146 (bei Kommunmauer-Ablösung), — 303 (bei Überbau) Unterlassungs-Anspruch 153 (Benützung), 167 (Beeinträchtigung), — 260 (Vertiefung), 5 5 3 ff. (Eigentumsfreiheit) — 562 (weitere Beeinträchtigung), — 565 (von Immissionen) — Dienstbarkeit 394 Unvordenkliche Verjährung 448, 513 Unveränderlich 23, 24 (Erdoberfläche) Unverhältnismäßig großer Schaden 168 (Notstand), 170, 183, 265 (Aufwendungen), 561 (Kosten) Unverschuldeter Irrtum 171 Unwesentlicher Bestandteil 29 Ursächlicher Zusammenhang 175 (Notstand), 545 (Bergschäden), 623 (Schadensersatz) Urteil 85 (Zeitpunkt bei Grenzverwirrung), — 231 (verbotene Anlagen) — 562 (Beeinträchtigung des Eigentums) — 219, 565 (unzulässige Immissionen) Utilitäts-Prinzip 413 Usucapió libertatis 525 V Veränderungen 12, 13, 36, 40 (rechtsgeschäftliche),49 (Stockwerkseigentum) — 182, 184 (besondere Anlagen, Fernmeldelinien), 226 (an Straßen), 228, 197, 198, 251, 267 (Wasserlauf), 309, 314 (Uberbau), 364 (Kulturart bei Notweg), 253 (Vertiefen) — 376 (Notwegrente), 417 (Dienstbarkeit), 666 (Raumnutzungsrecht) Veränderungslisten 76 Veränderungsnachweise 76, 77 Veräußerung 51, 52 (Stockwerksrecht), 574 (während des Rechtsstreits), 371 (Teilfläche bei Notweg), 496 (unter Einräumung einer Grunddienstbarkeit), 538 (Bergwerkseigentum), 544 (des berggeschädigten Grundstücks), 658, 665, 660, (Wohnungseigentum, Dauerwohn- oder nutzungsrecht)

Verbauen des Lichts 398 Verbietungsrecht 7, 9 (gegen Einwirkungen), 47 (Stockwerkseigentümer), 149fr. Kommunmauer 172fr. (Notstand), 189 (Immission) Verbindung 2, 3 (von Grundstücken), 29 (zu Bestandteilen), 34, 37 289 (mechanisch), 365 (Notweg) Verbot 392 (Schanklokale, Tanzmusik), 394 (bestimmte Handlungen) Verbotene Anlagen 222 ff. Verbotenes Auflesen von Früchten 295 Verbotene Eigenmacht 85, 280 Verdinglichung eines Schadensersatzanspruchs 397 Vereinheitlichung der Messungsverzeichnisse 77 Vereinigung 33 (Bestandteile) 40 (rechtsgeschäftlich), 51 (Stockwerksteile), 519 (der Grundstücke bei Grunddienstbarkeiten) Vereinbarung 98, 129 (Grenzeinrichtung) 374 (Notweg), 308 (Überbau), 398 (Grün dstücksnutzung), 115 ff., 142 ff. (Kommunmauer) 30 (Bestandteilseigenschaft), 49 (Sondernutzung) Vererblichkeit 52 (Kellerrecht), 658, 662 (Wohnungseigentum) Verfallzeit der Notwegrente 376 Verfügungsbefugnis 45 (Stockwerkseigentum), 439 (Wegerecht) Vergiftetes Wasser 198 Vergiftung 217, 218 Vergitterung der Fenster 341 Vergleichsgebiet (-objekt) 211, 207 (Ortsüblichkeit bei Immissionen) Vergrößerung der Grenzeinrichtung 115 Verjährung 174 (Notstand), 182 (Entschädigung bei Fernmeldeanlagen), 281 (Grenzabstand) •— 212 (bei Immissionen), 213 (Unterlassung von Immissionen) — 265 (Unterlassung einer Vertiefung) 356 (Fensterrecht) — 374 (Notweg), 376 (Rentenanspruch), 422 (Grunddienstbarkeit) — 437 (Wegerechte), 448 (öffentlich rechtliche Ansprüche) — 513, 524 (altrechtlicher Dienstbarkeiten) — 518 (eingetragene Dienstbarkeiten) 701

Sachregister Verjährung 550 (Bergschäden), 572 Eigentumsfreiheitsanspruch) — 609 (Besitzstörungsanspruch- gesetzl. Aus schlußfrist) — 629 (Schadensersatzanspruch) Verjüngung des Waldes 274, 284 Verkehrsauffassung 86 (Besitz), 132 (Bestandteil), Verkauf = Veräußerung, 145 (Kommunmauer)

Verkehrsentwicklung 189, 212

Verkehrswege 178 ff. (Benützung für Fernmeldeanlagen) Verkehrslage 226 (Anlagen)

Verkehrs wert 652 (bei Enteignung) Verlagerungen 12 Verlandungen 12, 36, 38

Verleihung des Bergrechts 556, 538, 542 Verlegung 182, 184 (Fernmeldeanlagen), 118, (Grenzeinrichtung, 429fr. (Grunddienstbarkeit) — Verlust 135 (Kommunmauer), 517 (Grunddienstbarkeit)

Vermessung 60 ff.

Vermischung 29 (Bestandteile) Vermutung 2 (Katastergrenze), 22, 63, 68, 75» 77> 78 (Abmarkung), 93, 106, 107 (Grenzeinrichtung), 354 (Eigentum) Vernichtung wirtschaftlicher Werte 26 (Bestandteile), 33, 646 (Eingriff in das Anliegerrecht) Verschiebung 12, 19, 22, 27, 35, 38 (der

Erdoberfläche), 36, 59 (Grenzzeichen), 70, 257 (Gesteinsmassen)

Verschulden 14, 16 (Luftverkehr), 28,186

(Notstand), 173, 243 (Einsturz), 245 (Baumeister), 648 (Luftverkehr), 649 (Atomgesetz, Verrichtungsgehilfe)

Versitzgruben 223, 227, 254fr., 267, 561 Versorgungsleitungen 440

Verstärkung iij, 150 (Kommunmauer)

Verunreinigung 197, (Wasser), 426, 446 (Wege), 654 (WHG)

Verwalter 664 ( W E G ) Verwaltungsregelung 50 (§ 1010 BGB),

115, 116 (Grenzeinrichtung), (Grenzbaum)

157

Verwaltungsbeirat 664 ( W E G )

Verwechslung 327 (Flurnummern)

Verwirrung 5 7,70, 84,87, 89 (der Grenze),

2 (Grundbuch) Verwirkung 164 (Rechtsmißbrauch), 572 (Eigentumsfreiheitsklage) Verzeichnis amtliches 1, 3, 7, 76, 78 Verzicht 59 (Abmarkung), 140, 153 (Kommunmauerablösung), 213 (Immissionen) — 265 (Rechte aus § 909 BGB), 279 (Grenzabstand), 282, 306, 321 (Uberbau) — 353 (Fensterrecht), 372 (Notweg) — 397> 398 (Bergbauschäden), 522, 529 (Grunddienstbarkeit) Verzug 629 (Schadensersatz)

Viadukt 14

Vicinität 401, 563 (Grunddienstbarkeit) Viehstall 227 (Anlage)

Viehtränke 392 Viehweide 286 Villenstil 395 Villenviertel 209, 395 Volksgesundheit 233

Vollstreckungsgegenklage 14 (Duldungspflicht), 286 Voraussehbar 257, 264 (Gefahr) Vorbehalt 406 (bei Eigentümergrunddienstbarkeit) — 533 (des Staates für bestimmte Mineralien) Vordach 298, 357

Vorhaben 651 (BBauGes.) Vorkaufsrecht 45 (Stockwerksrecht), 307 Verstoß gegen Gemeinschaftspflichten (Überbau), 650 (BBauGes), 664 (WEG) Vormerkung 57 (Abmarkung), 406 (für 660 (WEG) Dienstbarkeit) Versunkenes Grundstück 23 Vertiefung 108 (in der Grenzmauer), 25 x ff. Vorläufige Karte der Siedlungsbehörde 76 Vorrecht 430 (des Grundeigentümers bei Vertragsstrafen 663 ( W E G ) Dienstbarkeiten), 537, 548 (Bergrecht) Vertreter bei Uberbau 302 Verursachung 246, 248 (Einsturz), 250 Vorteil 398 (künftiger), 400, 520 (Grunddienstbarkeit) (bei Feuchtigkeit aus Ruinen) — 229, 623 ff. (ursächlicher Zusammen- Vorteilsausgleichung 628 (Schadensersatz) hang), 654 (WHG), 545 (Bergschäden) Versteckter

702

Dissens

82

Sachregister Vues = Aussichtsfenster 342 Vorübergehender Zweck 6, 28, 29, 30 (Bestandteil), 244 (gefahrdrohendes Werk), 255 (Vertiefung), 401 (bei Grunddienstbarkeit) W Wald 201, 269, 274, 276, 292, 288 (Auslichtung), 472 (-weide) — Grundstück 292 — Streifen 407 — Parzelle 278 — Wege 440 über Rechte an Waldgrundstücken vgl. Forstrechte Wanderweg 438 Wandschrank 1 1 2 Warenautomaten 9 (Anliegernutzung) Warmwasserheizung 34, 35 Wärmezutritt für Keller 55 Warnungstafel 86, 242 Wäscherei 392 Waschplatz 235 Wasserlauf 1, 4, 7, 12 (versickern), 16, 84, 251 Wasserleitung 30,368 (Notweg), 197,237, 407 (-recht) Wassernutzungsrecht 500, 392, 655 Wasserschutzgebiet 197, 654 Wassersport 561 Wasserstaub 197 Wasserstrahl 197 Wasserversorgung 12 Weg öffentlich 1, 7, 8, 97, 75, 96 (Bestandteil) Wegerecht 416,426,43 6,43 8 ff., 497 Wegreißen eines Gebäudes 265, 266 Weiderecht 58, 434, 447fr., 387 — Almende 448, 454 — Ablösung 453, 464, 475 — Einfriedung 472 — Ersitzung 468 — Gegenleistungen 460 — Herkommen 458 — Koppelhut 454 — Kostschafe 464 — Verjährung 450, 452, 468 — Durchwinterungfuß 451, 457, 465 — Verzicht 467 Weinberge 94 (Grenzeinrichtung)

Weinstöcke 279, 282, 284, 291 Weinkeller 300 Wettbewerbsverbot 396, 398, 400 Wichtiger Grund 49 (Aufhebung der Gemeinschaft) Widmung 298, 360, 349 (Wegerecht), 8, 9, 10 Widerlegbare Vermutung 80, 98 (Grenzeinrichtung) Widerklage373 (Notweg), 89 (Grenzstreit) Widerspruch 68 (Katasterplan), 73, 78 Grundbuch), 92 (Grenzeinrichtung) — 129 (Uberbau), 149, 154 (Kommunmauer-Erhöhung) — 303 ff. (Überbau), 548 (öffentl. Verkehrsanstalten) Widerstand 172 (Notstand) Wiederaufbau 300 (Uberbau), 50 (Stockwerkseigentum) Wiedereinräumung des Besitzes 85 Willkürliche Handlung 366 (Notweg) Wind 7 (Einwirkung) Windmühle 395 Windschutz 395 (für Wald) Winkel 92, 95 ff. , 1 0 7 , 1 1 0 , 356 (Traurecht) Wirbelwind 239 (Einsturz) Wirtschaftliches Eigentum 57 (Abmarkung) Wirtschaftliche Entwicklung 2 1 1 — Bedürfnisse 406 — zumutbare Maßnahmen 189, 214 — Einheit 657 (Feldschadenges.) Wirtschaftlicher Wert 26 (Bestandteil), 33, 646 (Anliegerrecht) — Zweck 25, 408 Wirtschaftsgrundstück 2 Wirtschaftsweg 3 Wohl der Allgemeinhei t65o (BBauGes.), 656 (WHG) Wohnungseigentum 6, 26, 58 (Abmarkung), 261, 300, 403, 657fr. Wohnviertel 212 (Immissionen), 234 (Anlagen) Wohnungsrecht 244 Wurzeln 268, 274, 278, 291 Z Zaun 30, 99, 223 (an öffentl. Straßen), 237, 407, 575 (über die Grenze) Zeichenordnung 383 (Weiderecht)

703

Zeit geschlossene, offene 383 (bei Weiderechten) Zerstörung 175 (bei Notstand) Ziegelei 413, 416, 435 Zubehör 29, 30 Zufall 465 (bei Weiderechten) Zuflurstück 3, 28 Zugang 226 (Straßenanlieger), 362 (Notweg) Zuführung 199, 200 Zumutbare Maßnahmen 189, 214, 362 (Anstrengungen bei Notweg) Zusammenhang 33 natürlicher, Bestandteil) — 229 (Gefahr von Anlagen) — 255 (gelockert), 654 (adäquat bei Haftung) Zusammenleben nachbarliches 7 (Eigentumsbeschränkungen), 189 (Immissionen) — 206, 213, 255 (Vertiefen) •— 214 (Industrie u. Landwirtschaft) Zuschlag 74, 140 (Kommunmauer) Zuschreibung 3, 4, 27, 40 (Grenzzeichen) 519 Zustand' 254 (bausicher), 262 (gesetzmäßig)

704

Zustimmung 3 (Teilung), 47 (Stockwerkseigentum), 67 (Grenznachbarn), 69 (Messungsergebnis), 92 (Nachbarn), 115 (Verwaltung der Grenzeinrichtung), 117 (Teilung), 118 (Änderung der Grenzeinrichtung), 126 (Überbau), 128 (Beseitigung der Kommunmauer), 144 (Vereinbarung über Benützung), 150 (Kommunmauer-Erhöhung), 3 20 (Uberbaurente), 439 (Widmung öffentlicher Straßen) 541 (Ministerium zum Bergbau), 662, 665 (Wohnungseigentum) Zwang 94 (Grenzeinrichtung), 122 (Kommunmauer) Zwangsenteignung 176 (Notstand), 521 (Grunddienstbarkeit), 440 (Nutzungsrechte an öffentlichen Straßen), 652 (BBauGes.) Zwangsversteigerung 74 (Grenzstreit), 140 (Kommunmauer-Ablösung), 311, 323, 361, 389 (Grunddienstbarkeit), 496, 521 Zwangsvollstreckung 63 (Abmarkung), 140 (Kommunmauer), 564, 568 (Eigentumsfreiheitsklage)

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