Milton in Deutschland: Seine Rezeption im latein- und deutschsprachigen Schrifttum zwischen 1651 und 1732 [Reprint 2018 ed.] 9783110836455, 9783110036855


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German Pages 273 [276] Year 1971

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VORWORT
INHALT
EINLEITUNG
I. TEIL: DIE ANFÄNGE
1. Die ersten dreißig Jahre – Auseinandersetzung mit dem Publizisten John Milton (1651–1681)
2. Milton in den beiden letzten Dezennien des siebzehnten Jahrhunderts – zum Publizisten tritt der Dichter (1682–1699)
II. TEIL: DIE PERIODE DES DURCHBRUCHS
3. Milton im ersten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts – das Ringen um Anerkennung bis zur Genese des dichterischen Ruhms (1700–1732)
4. Abkürzungen
5. Verzeichnis der benutzten Literatur
6. Register
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Milton in Deutschland: Seine Rezeption im latein- und deutschsprachigen Schrifttum zwischen 1651 und 1732 [Reprint 2018 ed.]
 9783110836455, 9783110036855

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Hans-Dieter Kreuder Milton in Deutschland

Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker

Begründet von

Bernhard Ten Brink und Wilhelm Scherer

Neue Folge Herausgegeben von

Hermann Kunisch Stefan Sonderegger und Thomas Finkenstaedt 43 (167)

w DE

G

"Walter de Gruyter Berlin · New York

Milton in Deutschland Seine Rezeption im latein- und deutschsprachigen Schrifttum zwischen 1651 und 1732

von

Hans-Dieter Kreuder

w DE

G

Walter de Gruyter Berlin · New York

Gedruckt mit Unterstützung des Marburger Universitätsbundes

ISBN 3 11 003685 1 © Copyright 1971 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp. — Printed in Germany. Alle Rechte des Nachdrucks der photomechanisdien Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen, audi auszugsweise, vorbehalten. Druck: Rotaprintdruck Hildebrand, Berlin

I i jyocmnu/ ΎνίΜυηι Qx Sp &LtaJC-6s · 36~XJ • Ο iriftfiiiitiiut jjliMtiMiUi ill/flffJIIIft fji. JtUUij Π JIJMllliJ J J Uli Kf IJ1ΪΙΠ JIJ · I i^illii/Iii Das erste in Deutschland publizierte Miltonporträt (Zerbst 1682)

Ita nulli dubitamus, quin grata futura sit Lectori qualiscunque vitae Miltonianae et imprimis librorum a Miltono editorum recensio. Acta Eruditorum, Aug. 1700

MEINEN

ELTERN

VORWORT

Die vorliegende Untersuchung wurde im Juni 1970 von der Philosophischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen und ist für die Druckfassung um ein Register erweitert worden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Kurt Otten, der diese Arbeit anregte, und Herrn Prof. Dr. Ludwig Erich Schmitt, der sie während ihrer Entstehung betreut hat. Rat und Unterstützung in Detailfragen fand ich darüber hinaus bei folgenden Damen und Herren, denen ich an dieser Stelle nochmals herzlich danken möchte: Dr. Richard Blaas (Wien), Prof. Dr. Anton Brück (Mainz), Prof. Harris F. Fletcher (Urbana/Illinois), Frau Margarete Hugk (Dessau), Prof. Dr. Joseph Prinz (Münster), Prof. Dr. Karl Puchner (München), Dr. Wulf Schadendorf (Nürnberg), Miss Ruth Spalding (London), Dame Cicely Veronica Wedgwood (London) und Prof. Austin Herbert Woolrych (University of Lancaster). Weiterhin gilt mein Dank den Mitarbeitern des „Auskunftsbüros der deutschen Bibliotheken" bei der Deutschen Staatsbibliothek Berlin und den Fachreferenten der Bibliotheken bzw. Staatsarchive in Augsburg, Berlin, Bonn, Breslau, Darmstadt, Dessau, Dresden, Düsseldorf, Erlangen, Frankfurt, Gießen, Göttingen, Gotha, Halle, Hamburg, Hannover, Helmstedt, Kassel, Köln, Leipzig, London, Marburg, München, Münster, New Haven, Nürnberg, Oldenburg, Oxford, Paris, Straßburg, Weimar, Wien, Wolfenbüttel und Zürich, deren bereitwillige Hilfe mir bei der überaus schwierigen Materialsuche sehr zustatten kam. Den Herausgebern der „Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker" danke ich für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe, Herrn Prof. Dr. Heinz Wenzel vom Verlag de Gruyter für seine Beratung und Unterstützung bei der Drucklegung. Nicht zuletzt bin ich dem Marburger Universitätsbund für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses zu Dank verpflichtet. Marburg/Lahn, im August 1971 Hans-Dieter Kreuder

INHALT Vorwort

XI 1

0. Einleitung 0.1. Zum Stand der Forschung 0.2. Zielsetzung, Materialien und Methode

1 6

I. TEIL: DIE ANFÄNGE 1. Die ersten dreißig J a h r e — Auseinandersetzung mit dem Publizisten J o h n Milton ( 1 6 5 1 — 1 6 8 1 ) 1.1. Vorbereitung 1.2. Miltons „Defensio pro populo Anglicano" und der deutsche Meßverkehr 1.3. Frühe Erwähnungen in Dissertationen und juristischen Publikationen ( I )

11 11 17 19

Bensen (1651) Ziegler (1652) Schaller (1652) Kieffer (1652) 1.4. Exkurs: Milton und der Reichstag zu Regensburg (1653/54)

32

1.5. Frühe Erwähnungen Miltons und der „Defensio" in Universitätsschriften ( I I )

36

Güntzer (1657) Gerhard (1660) 1.6. Exkurs: Milton im Kreis um den Helmstädter Professor Hermann Conring

45

1.7. Das älteste deutschsprachige Zeugnis zu Milton (1661/62)

51

1.8. Frühe Stimmen der Gelehrten

56

Arnold (1662) Boeder (1663 u. 1672) 1.9. Milton findet Eingang in Kompendien und lexikalische Werke Hornius (1668 u. 1677) Funccius (1673) Kempe (1677) König (1678)

63

XIV

Inhalt

1.10. Beginn der Diskussion um Mil tons Ehescheidungstraktat (1681) 1.11. Resümee

71 74

2. Milton in den beiden letzten Dezennien des siebzehnten Jahrhunderts — zum Publizisten tritt der Dichter (1682—1699) 2.1. Die ersten deutschen Übersetzungsversuche des „Paradise Lost"

78 78

2.1.1. „Das Verlustigte Paradeis" in der Druckausgabe von 1682 2.1.2. Exkurs: „Das verlustigte Paradeis" in frühen handschriftlichen Übersetzungsversuchen

82 108

Haak (vor 1682) Wegleiter (1686)

2.2. Auftakt der literaturwissenschaftlichen Diskussion

. . . .

119

Morhofs „Unterricht" (1682) Morhofs „Polyhistor" (1688)

2.3. Neuerliche Hinwendung zu Miltons publizistischer Tätigkeit

125

Thomasius' „Institutiones" (1688) Pritius' „Literae" (1690)

2.4. Der späte Milton aus der Sicht eines Englandreisenden (1694) 2.5. Dichter und Publizist im Spiegel der frühen gelehrten deutschen Zeitschriften

134 138

„Monatliche Unterredungen" (1688 u. 1694) „Monats-Gesprädie" (1688/89) „Acta Eruditorum" (1687 u. 1696)

2.6. Vorläufige Bilanz der Miltondiskussion (1696—1698) 2.7. Resümee

. . .

146 151

II. TEIL: DIE PERIODE DES DURCHBRUCHS

3. Milton im ersten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts — das Ringen um Anerkennung bis zur Genese des dichterischen Ruhms (1700—1732)

156

Inhalt

XV

3.1. Allmähliche Konsolidierung des Miltonbildes (1700—1731) 156 3.1.1. Ansätze einer umfassenden bio-bibliographischen Darstellung „Acta Eruditorum" (1700) Buddeus' „Lexicon" (1709) Menckes „Gelehrten-Lexicon" (1715) Klefekers Werkregister (1717) Jöchers „Gelehrten-Lexicon" (1726) Buddeus' „Lexicon" (1731) 3.1.2. Der Weg vom Publizisten zum Dichter im Spiegel des Gelehrtenschrifttums

157

191

Der Publizist: Pistorii „Dissertatio" (1700)

191

Der Dichter: Schultet! „Accessiones" (1702) Hudemanns „Poeticam Veterem" (1703)

192

Der Publizist: Meibomii „Programma publicis" (1702) Clarmundi „Vitae Virorum" (1703) Struvii „Bibliothcca" (1704) „Neue Bibliothec" (1710) Gryphii „Apparatus" (1710) Schwolls „Eruditorum Museum" (1710) Matthaei „Dissertatio" (1705) „Nova Literaria Germaniae" (1706) Hochstetten „Collegium" (1710) „Acta Eruditorum" (1710) „Neuer Bücher-Saal" (1712) Kaysers „Dissertatio" (1715) Ackeri „Commentatio" (1716) „Miscellanea Lipsiensia" (1720) „Acta Eruditorum" (1720)

193

Der Dichter: „Erste Nachlese" (1717) „Neue Bibliothec" (1717) „Acta Eruditorum" (1717) „Neue Zeitungen" (1718) „Der Spectateur" (1721 u. 1725) „Acta Eruditorum" (1722) „Neue Zeitungen" (1722) „Anleitung zur Poesie" (1725) Bodmers „Einbildungs-Krafft" (1727) Bodmers „Anklagung" (1728) Gottscheds „Reden" (1728) Gottscheds „Dichtkunst" (1729) „Neue Zeitungen" (1729/31)

200

XVI

Inhalt

3.1.3. Milton und die deutschen Dichter des frühen achtzehnten Jahrhunderts

215

Postel (1700) Wernicke (1704) Philander (1710) Triller (1725) Brodces (1731/32)

3.2. Bilanz und Ausblick: Milton in Deutschland unmittelbar vor dem Erscheinen von Bodmers Übertragung des „Paradise Lost" (1732)

222

4. Abkürzungen

233

5. Verzeichnis der benutzten Literatur

233

5.1. Quellen 5.1.1. Manuskripte 5.1.2. Druckausgaben 5.2. Miltoneditionen 5.3. Darstellungen 6. Register 6.1. Personenregister 6.2. Ortsregister

233 233 233 244 244 252 252 256

E I N L E I T U N G 0.1. Z u m

Stand

der

F o r s c h u n g

Die Miltonrezeption in Deutschland ist bis heute niemals in extenso dargestellt worden. Das muß überraschen, insbesondere zu einer Zeit, da die Forschung den geistigen Wechselbeziehungen zwischen den Völkern wiederum ein verstärktes Interesse entgegenbringt. Während Arbeiten über "Milton in Holland","Milton dans la litterature franfaise", "Giovanni Milton e 1'Italia", um nur einige der wichtigsten zu nennen, schon seit einer Reihe von Jahren

1)

vorliegen, ' gibt es für den deutschsprachigen Raum lediglich Spezialuntersuchungen älteren und jüngeren Datums, die sich zudem fast ausschließlich auf die Aufnahme des "Verlorenen Paradieses" im achtzehnten Jahrhundert beschränken. Zweifelsohne war diese Epoche, in der in Deutschland zeitweilig "kein fremder Dichter mehr Verehrung genoß und 2) häufiger genannt wurde als John Milton", ' der absolute Höhepunkt der Miltonbegeisterung, bewirkt vor allem durch Bodmers wiederholte Ubersetzungen des "Paradise Lost" sowie seine kritische Auseinandersetzung mit den poetischen Idealen des Engländers. Dennoch wäre es verfehlt, aus dieser Tätigkeit, wie Wolfgang Bender es tut, die Behauptung ableiten zu wollen, daß Miltons Verbreitung im deutschen Sprachgebiet "das Verdienst eines einzigen Mannes, Johann Jacob Bodmers", gewesen sei. Ein solcher Schluß verführt 1) Herman Scherpbier: Milton in Holland. Α study in the literary relations of England and Holland before 1730. Amsterdam: Paris 1933. John Martin Telleen: Milton dans la litterature franyaise.Paris, Phil.Diss. 1904. Ettore Allodoli: Giovanni Milton e 1'Italia. - Prato 1907. 2) Alexander Schmidt: Miltons dramatische Dichtungen. Eine Vorlesung. - Königsberg: Koch 1864, S.5. 3) Wolfgang Bender (Hrsg.): Johann Miltons Episches Gedicht von dem· Verlohrnen Paradiese. Faksimiledruck der

2

Einleitung

zu einer einseitigen Betrachtungsweise und läßt übersehen, daß Milton nicht nur poetische Werke verfaßt hat, sondern auch fast zwanzig Jahre lang als Publizist von Streitschriften an die damalige Öffentlichkeit getreten ist. Als Dichter des "Paradise Lost" aber dürfte er auf ganz andere Kreise gewirkt haben, als es ihm als Verfasser v o n politisch oder religiös radikalen Schriften möglich war. Solange der Dichter im Bewußtsein der Leserschaft den Publizisten nicht vergessen machte, solange ist es für eine Darstellung seiner Rezeptionsgeschichte unerläßlich, den

g a n z e n

Mil-

ton im Auge zu behalten, um Schritt für Schritt verfolgen zu können, wie Zeitgenossen und spätere Generationen auf ihn reagiert haben. Als die interessanteste, weil so erregend widerspruchsvolle Phase erweist sich in dieser Hinsicht die frühe Periode der Miltonrezeption bis hin zur P u blikation des Bodmerschen Ubersetzungsversuches von 1732, und gerade sie ist v o n der Forschung bisher am wenigsten beachtet worden. Diese Nichtachtung hat verschiedene Gründe. Zum einen hängt sie mit der Konzeption der einschlägigen Untersuchungen zusammen, die allzu stark literarhistorisch ausgerichtet waren und Uber der Suche nach den "Einflüssen" Miltons auf die deutsche Dichtung den umfassenderen geistesgeschichtlichen Aspekt vernachlässigt haben. Andererseits ist, selbst noch bei jüngeren Arbeiten, eine nicht zu verkennende Vorliebe für das Zeitalter der deutschen Klassik festzustellen, während das "chaotische und rätselhafte Jahrhundert"^

siebzehnte

allenfalls wegen der ihm angehörenden frü-

h e n Miltonübersetzungen erwähnt, ansonsten jedoch als eine mehr oder weniger unbedeutende Epoche abgetan wird. Das gilt bereits für die früheste Arbeit zur Miltonrezeption in Deutschland, eine 1890 erschienene Leipziger Bodmerschen Übersetzung von 1742. - Stuttgart: Metzler 1965. Nachwort S.3x. (=Deutsche Neudrucke. Reihe Texte des 18. Jahrhunderts.) 4) Richard Newald: Die deutsche Literatur vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit. 1570-1750. 5·Aufl. - München: Beck 1965. S.14. (=de Boor-Newald: Geschichte der deutschen Literatur v o n den A n f ä n g e n bis zur Gegenwart. B d 5.)

3

Zum Forschungsstand

Dissertation von Gustav Jenny Uber "Miltons Verlornes Paradies in der deutschen Literatur des achtzehnten Jahrhunderts", die im übrigen so dürftig geschrieben ist, daß, wie eine Rezension^ rügt, "ihre Mängel aufzählen einer eigenen Bearbeitung der noch ungelösten Aufgabe gleichkäme" . Auch die rund ein ViertelJahrhundert später erfolgte Neubearbeitung des Themas durch Enrico Pizzo in einer Zürcher Dissertation mit dem Titel: "Miltons Verlornes Para7)

dies im deutschen Urteile des achtzehnten Jahrhunderts" ' ist im wesentlichen Bodmer und seiner Zeit gewidmet. Lediglich in der Einleitung sind einige aufschlußreiche Einzelheiten über "Miltons Bekanntwerden in Deutschland" zusammengetragen, die bis in die siebziger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts zurückreichen, jedoch wiederum auf die damalige Kenntnis des "Paradise Lost" beschränkt sind und alle zeitgenössischen Anspielungen, die Milton /"η u r als Schriftsteller"®^ betreffen, sorgsam eliminieren. Pizzo konnte sich in seinen Ausführungen auf den Aufsatz "Milton's Fame on the Continent" stützen, den John George Robertson anläßlich der dreihundertsten Wiederkehr von Miltons Geburtstag im Dezember 1908 der British Academy in London vorgelegt h a t t e . ^ In dieser Arbeit ist zum ersten und bisher einzigen Male der Versuch unternommen worden, das Echo aufzuspüren, das Milton als Dichter u n d als Publizist von der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts an in Europa fand, sowie die Rolle zu beschreiben, die er bei der Aufgabe spielte "in moulding the thought and imagina5) Gustav Jenny: Miltons Verlornes Paradies in der deutschen Literatur des achtzehnten Jahrhunderts. - Leipzig, Phil. Diss. 1890. 6) Max Koch: Zur Geschichte der englischen Einwirkungen auf die deutsche Litteratur im achtzehnten Jahrhundert. In: Ztschr. für vgl. Litteraturgeschichte und RenaissanceLitteratur. NF Bd 4 (1891). S.122. 7) Enrico Pizzo: Miltons Verlornes Paradies im deutschen Urteile des achtzehnten Jahrhunderts. - Zürich, Phil.Diss. 1914. 8) Pizzo, S.5. (Anm.13). Herv. v. Verfasser. 9) John George Robertson: Milton's Fame on the Continent. - London: Oxford University Press 1909. ^ P r o c e e d ings of the British Academy. Bd 3.)

4

Einleitung

tion of the peoples of the Continent".

10)

' Bei der gebote-

nen Kürze durfte Robertson die meisten der von ihm entdeckten Zeugnisse nur streifen. Stellenweise kommt er über eine bloße Aneinanderreihung von Namen nicht hinaus, zumal er für die Darlegung der frühen Miltonrezeption in Deutschland bis h i n zu Bodmer nicht mehr als dreieinhalb Seiten benötigt. Trotz mancher Lücken und Ungenauigkeiten hat er jedoch wertvolle Vorarbeit geleistet, und auch unsere U n tersuchung fühlt sich seinen Ausführungen verpflichtet. Wenig ergiebig ist hingegen die knappe Darstellung "Milton in Germany", mit der Gilbert Waterhouse sein 1914 publiziertes Werk "The Literary Relations of England and 11) Germany in the seventeenth Century" ' beschloß. So vielversprechend der Titel auch ist, so geht doch das, was Waterhouse über die Rezeption des Dichters und Schriftstellers John Milton zu sagen weiß, kaum über Robertsons A u f satz hinaus, abgesehen davon, daß einige der ohnehin spärlichen Zitate mit größerer Ausführlichkeit wiedergegeben werden. M i t Robertson und Waterhouse ist zugleich die Zahl derjenigen Autoren benannt, die ihre Aufmerksamkeit der frühen Miltonrezeption in Deutschland zugewandt haben und in deren Arbeiten auch Ansätze einer Untersuchung über die Aufnahme der politischen Schriften Miltons enthalten sind. Nachfolger dieser Richtung haben sich nicht gefunden. Für die neuere Forschung steht daher in jedem Fall das "Verlorene Paradies" und, lassen wir die gelegentlichen E i n z e l studien zu den ersten deutschen Miltonübersetzern 12) wegen ihrer allzu speziellen Thematik unberücksichtigt, dessen 10) Robertson, Milton's Fame, S.1. 11) Gilbert Waterhouse: The Literary Relations of England and Germany in the seventeenth Century. - Cambridge: University Press 1914. 12) Hans Georg Schulze: Miltons verlornes Paradies im deutschen Gewand. - Bonn, Phil.Diss. 1928. Leopold Magon: Die drei ersten deutschen Versuche einer Ubersetzung von Miltons "Paradise Lost". Zur Geschichte der deutsch-englischen Beziehungen im siebzehnten Jahrhundert. - In: Gedenkschrift für Ferdinand Josef Schneider (1879-1954). Hrsg. v o n K a r l Bischoff. - Weimar: Böhlau 1956. S.39-82.

Zum Forschungsstand

5

Bedeutung für die deutsche Literatur des achtzehnten J a h r hunderts erneut im Mittelpunkt des Interesses. Nachdem schon im Dezember 1908 im "Hamburger Fremdenblatt" ein Artikel über "Milton in Deutschland"

erschie-

nen war, dessen Verfasser den Engländer als jenen Dichter gefeiert hatte, "dem w i r Deutschen recht eigentlich die Befreiung der Geister aus den Banden einer nüchternen, starren Ästhetik verdanken, der als frühester Helfer und Musaget aufgerufen wurde, um reich schlummernde poetische 1

Kräfte wiederzuerwecken",

' faßte 1932 Lawrence Marsden

Price die Hauptlinien des Einflusses, den Miltons Epos auf das literarische Schaffen zwischen Aufklärung und Geniezeit ausgeübt hat, auf wenigen Seiten einer aus Bibliographien erwachsenen Darstellung zusammen, die seit 1961 in erweiterter Form auch in deutscher Sprache vorliegt unter dem Titel "Die Aufnahme englischer Literatur in Deutschland 1500 - 1 9 6 0 " . E b e n f a l l s

aus der klassischen Perio-

de schöpft die in diesem Zusammenhang vorläufig letzte U n tersuchung, ein Aufsatz von Johann Hermann Tisch aus dem Jahre 1968 über "Milton and the German M i n d in the eight1 5) eenth Century". ' Trotz intensiver Heranziehung fast der gesamten einschlägigen Literatur gelingt es Tisch nicht, seinem Thema neue Gesichtspunkte abzugewinnen. Auch geht er an keiner Stelle auf die vor 1732 liegende Phase ein und beweist somit einmal mehr die Richtigkeit von William Pamela R.Barnett: Theodore Haak, F.R.S. (1605-1690). The first German Translator of 'Paradise Lost'. - s'Gravenhage: Mouton 1962. (=Anglica Germanica. British Studies in Germanic Languages and Literatures. 3). 13) [Anonym:] Milton in Deutschland. - In: Hamburger Fremdenblatt, 80.Jg., Nr.288 (8.12.1908). S.25. 14) Lawrence Marsden Price: Die Aufnahme englischer L i teratur in Deutschland 1500-1960. (ins Deutsche Ubertragen von Maxwell E.Knight). - Bern und München:Francke 1961. 15) Johann Hermann Tisch: Milton and the German M i n d in the Eighteenth Century. - In: Studies in the Eighteenth Century. Papers presented at the David Nichol Smith M e m o rial Seminar Canberra 1966. Edited by R.F.Brissenden. Canberra: Australian National University Press 1968. S.205-229. Die "Notes on Contributors" auf S.XIV verweisen zugleich darauf, daß Tisch "is presently working on a book on the reception of Milton in Germany".

6

Einleitung

Riley Parkers Urteil über die bisher erschienenen Arbeiten zur Miltonrezeption, dem w i r uns an dieser Stelle anschließen wollen: "There is scarcely one of all these books and articles, however, that really satisfies a scholary curiosity, and future students of comparative literature have challenging work to do."''^ 0.2. Z i e l s e t z u n g , u n d

M a t e r i a l i e n

M e t h o d e

D a das Unbefriedigende früherer A r b e i t e n fast immer daher rührt, daß sie den Gesamtkomplex der Miltonrezeption in eine Vielzahl monographischer Studien aufgespalten und, indem sie sich nur jeweils einem Aspekt zuwandten, die G e wichte allzu ungleich verteilt haben, w i r d sich die vorliegende Untersuchung bemühen, eine Zusammenschau der geistigen Beziehungen zu geben, die, ehe Bodmers Übersetzung von 1732 einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde, durch das Eindringen des Miltonschen Werkes in Deutschland geknüpft w o r d e n sind. Rezeptionsgeschichte ist in diesem Sinne für uns mehr als das Aufzeigen v o n Anregungen u n d Einflüssen, aus denen das Verhältnis verwandter Seelen zueinander erhellt. Es geht uns nicht allein u m die

W i r k u n g e n ,

die M i l -

ton in Deutschland hervorgerufen hat, sondern auch - u n d in der zeitlichen Abfolge steht das sogar an erster Stelle - um die

A u f n a h m e

und

B e u r t e i l u n g 17) des "als Dichter und Denker gleich bedeutenden Mannes" ' durch die Deutschen. Ausgehend vom Standpunkt des damaligen Lesepublikums sollen die verschlungenen Pfade aufgewiesen werden, auf denen sich die ersten Begegnungen m i t dem Engländer J o h n M i l t o n vollziehen; es soll gezeigt w e r den, welche Personenkreise für die Vermittlung verantwort16) William Riley Parker: Milton. A Biography. Part I. The Life. Part II. Commentary, Notes, Index and FindingList. - Oxford: University Press 1968. S.1200. 17) J o h n Milton: Politische Hauptschriften. Übersetzt und mit Anmerkungen versehen v o n Wilhelm Bernhardi. B d I.Berlin: Koschny 1874. S.1 (Vorwort).

7

Zur Methode lieh sind und wie sich aus den von ihnen bewirkten frühen Eindrücken Stück für Stück ein umfassendes Miltonbild in Deutschland formt; schließlich soll untersucht werden, welche Aspekte, positiver oder negativer Art, jeweils im Vordergrund stehen, auf welche Weise die Auseinanderset-

zung mit Milton und seinem Werk erfolgt und welche Wirkungen von ihm auf das geistige Leben der Nation ausgehen. Methodisch erfordert die Erfassung eines solch vielschichtigen Sachverhaltes mehr als ein Verfahren, um jene epochalen Voraussetzungen und Bedingungen aufdecken zu können, von denen die Rezeption eines Autors bestimmt wird. Sofern es sich, wie in unserem Fall, um die Rezeption eines bestimmten Autors oder aber um einen überschaubaren Zeitraum handelt, schlägt Anselm Schlösser als ideale Lösung die Synthese von "bibliographischer" und "literarischer" Methode vor, deren eine sämtliche Werkausgaben und deren andere das Echo in der Kritik sowie bei der interessierten Leserschaft zum Ausgangspunkt n i m m t . 1 8 ) W i r folgen Schlössers Vorschlag, erweitern jedoch den Bereich des (im engeren Sinne) Literarischen um die

geistesgeschichtli-

che Komponente, indem w i r auch jene Äußerungen über Milton zu Grunde legen, die sich in theologischen,

juristischen

und philosophischen Publikationen finden. Die sachliche Abgrenzung, eng verbunden mit der Frage, inwieweit die zu berücksichtigenden Werke für die damalige Öffentlichkeit in Deutschland bestimmt w a r e n oder ihr bekannt werden konnten, ist nach sprachlichen Gesichtspunkten vorgenommen worden: als Basis der vorliegenden Untersuchung dienen erstens alle in deutscher Sprache uns erreichbaren schriftlich fixierten Zeugnisse über Milton. D a jedoch bis zum Beginn des achtzehnten Jahrhunderts deutschsprachiges Schrifttum innerhalb der Buchproduktion 18) Anselm Schlösser: Die englische Literatur in Deutschland v o n 1895 bis 1934. M i t einer vollständigen Bibliographie der deutschen Ubersetzungen und der im deutschen Sprachgebiet erschienenen englischen Ausgaben. - Jena: Biedermann 1937. (= Forschungen zur engl. Philologie..Hrsg. v. H.M.Flasdieck. Bd.5)·

8

Einleitung

nur eine bescheidene Rolle spielte

19)

und die überwiegen-

de Mehrheit der A u t o r e n lateinisch schrieb, werden zweitens sämtliche uns erreichbaren lateinisch abgefaßten U r teile über M i l t o n einbezogen, sofern sie aus Veröffentlichungen stammen, die im Gebiet des deutschen Buchhandels erschienen sind. Darüber hinaus sind in der Form v o n E x kursen einige Zeugnisse m i t aufgenommen, die einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt w e r d e n konnten oder privaten Charakter tragen, für die zeitgenössische Einstellung M i l ton gegenüber gleichwohl v o n besonderem Interesse sind, da sie einen unmittelbaren Einblick in die Bewußtseinsschicht gewisser Leserkreise erlauben u n d zur Komplettierung des aus den gedruckten Quellen gewonnenen frühen Miltonbildes beitragen können. Gemäß diesen Prämissen besteht das Material unserer U n tersuchung in erster Linie aus Büchern jeder A r t und F a c h richtung, die als Werkeditionen, Kompendien o.a. vor 1733 publiziert w o r d e n sind und - m i t Ausnahme der M e d i z i n Vertreter aller klassischen Fakultäten zu W o r t kommen lassen; es reicht weiterhin über Zeitschriftenaufsätze, Rezensionen, Hochschulschriften bis h i n zu gedruckten Vorlesungsmaterialien, Briefwechseln oder Buchkatalogen aus jener Epoche und bezieht selbst Bibliotheksumfragen über den heutigen Bestand an Miltoneditionen ein, sofern sich daraus Rückschlüsse auf frühere Verhältnisse ziehen lassen. Über die Beschaffung des Materials braucht nicht viel gesagt zu werden: sie gestaltete sich äußerst schwierig, da die meisten der in Frage kommenden Werke w e g e n ihrer vergleichsweise geringen Auflagenhöhe sehr selten geworden sind und ihre Zahl infolge der Kriegsverluste noch weiter dezimiert w o r d e n ist. H i n z u kommt, daß die Materialien über ganz Deutschland verstreut w a r e n und vielfach erst nach langwierigem Suchen über den Fernleihverkehr gefunden w e r 19) Vgl. Johann Goldfriedrich: Geschichte des deutschen Buchhandels vom Westfälischen Frieden bis zum Beginn der klassischen Litteraturperiode. (1648-1740). - Leipzig: B ö r senverein 1908. S.23. X= Gesch. d. dt. Buchhandels. Hrsg. v. d. Hist. Kommission des Börsenvereins der dt. Buchhändler. Bd 2).

Zur Methode

9

den konnten, so daß ein Hinweis auf ihren jetzigen jeweiligen Standort wohl angebracht sein dürfte. In der M e h r zahl entstammen sie jedoch der Bibliothek des Britischen Museums, die, reicher ausgestattet als die für das siebzehnte Jahrhundert ebenfalls sehr ergiebigen Bibliotheken in München, Göttingen oder Wolfenbüttel, sich als der einzige Ort erwiesen hat, an dem die wichtigsten Literaturausgaben aus jener Zeit einschließlich der dazugehörigen Darstellungen nebeneinander eingesehen werden konnten. Soweit die neuere Sekundärliteratur Hinweise auf Stellungnahmen zu J o h n Milton aus der uns interessierenden P e riode enthält - genannt seien die auch den deutschen Raum 20) 21) streifenden Sammlungen v o n Parker ' und French ' - , sind sie in jedem Fall mit den Originalstellen verglichen w o r den, da fast alle der zitierenden Autoren sich stets auf ihre Vorgänger berufen u n d selbständige Lektüre der Quellenwerke vermissen lassen, so daß falsche Schlüsse gezogen und Fehler tradiert worden sind, während Neues auf solche Weise schwerlich beizubringen war. W i r erheben keineswegs den Anspruch, eine lückenlose Dokumentation der Aufnahme, Beurteilung und Wirkung J o h n Miltons geben zu können; dafür lassen die überlieferten Zeugnisse zu viele Fragen offen. Dennoch erlauben sie in der Vielfältigkeit ihrer A u s sageweisen eine detaillierte Darstellung des eigentümlich fluktuierenden Verlaufs, den die frühe Miltonrezeption in Deutschland genommen hat. U m den Prozeß von Miltons allmählichem Eindringen in den deutschen Sprachraum Phase für Phase nachzeichnen zu können, gehen w i r deshalb - anders als Herman Scherpbier, der die Anfänge der holländischen Miltonrezeption in drei großen, nach systematischen Gesichtspunkten geordneten 20) William Riley Parker: Milton's Contemporary Reputation. A n Essay together w i t h A Tentative List of Printed Allusions to Milton, 1641-1674, [...].- Columbus: Ohio State University Press 1940. (=Graduate School Studies. Contributions in Languages and Literature. No.7). 21) Joseph M i l t o n French (Hrsg.): The Life Records of J o h n Milton L···]· - N e w Brunswick, New Jersey: Rutgers University Press 1949-1958. 5 Bde. (= Rutgers Studies i n English. No.7).

10

Einleitung

Themenkreisen vorgestellt hat - in der Darbietung des M a terials

c h r o n o l o g i s c h

vor. Für den ersten

Teil unserer Untersuchung, der v o n den frühesten Zeugnissen aus dem Jahre 1651 bis zur Jahrhundertwende

reichen

wird, gilt diese Ordnung als das allein bestimmende Prinzip der Kapitelfolge, während die thematische Gruppierung auf der Beobachtung basiert, daß sich das Interesse an M i l ton während des siebzehnten Jahrhunderts jeweils auf bestimmte Schwerpunkte konzentriert, die einander ablösen und unterschiedliche Aspekte des Miltonbildes eröffnen. W e n i g e r eindeutig liegen die Verhältnisse im achtzehnten Jahrhundert, das nach der vorausgehenden vorbereitenden Phase dank des inzwischen erreichten Informationsstandes vielschichtiger Uber Miltons Schaffen Aufschluß geben kann und von daher mit einer Fülle divergierender Stimmen zu Person u n d W e r k des Engländers einsetzt. A u c h im zweiten Teil der Untersuchung, der mit dem literarhistorisch bedeutsamen J a h r 1732 abschließen wird, bleibt die Chronologie oberstes Prinzip; da nun jedoch die zeitliche Anordnung allein eine übersichtliche Darstellung nicht mehr garantiert, fassen wir die uns bekannt gewordenen Zeugnisse jener Jahre außerdem straffer nach systematischen Gesichtspunkten zusammen, ohne hingegen in der daraus resultierenden Kapitelfolge etwas anderes sehen zu w o l l e n als das N e beneinander spezieller Erscheinungsformen einer sich auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig vollziehenden allgemeinen Entwicklung. D e n Schlußpunkt der Arbeit bildet Bodmers Publikation von "Johann Miltons Verlust des Paradieses". M i t ihr beginnt ein neuer Abschnitt der Miltonrezeption, zumal sie den Anstoß zu jenem großen Literaturstreit abgab, der das deutsche Geistesleben im achtzehnten Jahrhundert so entscheidend beeinflussen sollte, so daß wir, auch um den Rahmen der vorliegenden Untersuchung in Grenzen zu halten, dieses W e r k nicht mehr diskutieren, sondern unsere Darstellung mit den ersten zeitgenössischen Ankündigungen auf sein bevorstehendes Erscheinen im Jahre 1732 enden lassen.

E r s t e r

T e i l :

D i e

A n f ä n g e

1.0. D I E ERSTEM DREISSIG JAHRE - AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM PUBLIZISTEN JOHN MILTON (1651 - 1681) 1.1.

V o r b e r e i t u n g

Bis zur Mitte des siebzehnten Jahrhunderts w a r J o h n Milton in Deutschland völlig unbekannt geblieben. Z u dieser Zeit w a r er bereits zweiundvierzig Jahre alt, hatte eine Reihe kleinerer Dichtungen in englischer und lateinischer Sprache verfaßt und eine ausgedehnte Bildungsreise durch Frankreich und die Schweiz nach Italien h i n u n ternommen, die ihn mit einer Vielzahl bedeutender Gelehrter in Berührung gebracht hatte. Nachdem er aufgrund der sich verschärfenden innenpolitischen Lage seines Landes vorzeitig nach England zurückgekehrt war, hatte er sich der Publizistik zugewandt und innerhalb weniger Jahre mehr als zehn Streitschriften verfaßt, in denen er mit leidenschaftlichem Ernst für eine fortschrittliche E r z i e hung, für die Pressefreiheit, für die Rückkehr des kirchlichen Lebens zu stärker urchristlichen Formen sowie für die Ehescheidung bei Unvereinbarkeit der Partner eingetreten war. N a c h der Hinrichtung König Karls I. hatte er in einem Traktat das Prinzip der Volkssouveränität dem Monarchen gegenüber verfochten und w a r von der neuen R e gierung mit dem A m t eines Sekretärs für fremde Sprachen betraut worden, der im Namen des Staatsrates einen Großteil der in lateinischer Sprache geführten politischen Korrespondenz zu besorgen hatte. Außerdem hatte er eine dem toten König zugeschriebene Schrift, die im englischen Volk ungemein populär geworden war, öffentlich widerlegt und darin der Hoffnung Ausdruck gegeben "to set free the minds of English m e n from longing to returne poorly under that Captivity of Kings, from which the strength and

1)

supreme Sword of Justice hath deliverd them". ' Keine 1) J o h n Milton: Complete Prose W o r k s . [General Editor:

12

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

dieser Schriften, die ausnahmslos in englischer Sprache publiziert worden waren, hatte in Deutschland vor 1651 irgendein Echo hervorgerufen, noch hatte auch nur der geringste Anlaß bestanden, sich mit der Person eines Sekretärs der englischen Regierung näher zu befassen. Solange der 30jährige Krieg andauerte, w a r ohnehin das Interesse der deutschen Öffentlichkeit auf die Geschehnisse im eigenen Lande konzentriert, während die Ereignisse in den Nachbarstaaten, insbesondere in dem weitab liegenden England, geringere Beachtung fanden, zumal unter den damaligen Verhältnissen die Informationsmöglichkeiten sehr beschränkt waren. Soweit Einzelzeitungen oder Flugschriften vorlagen, widmeten diese sich in der Hauptsache dem Kriegsgeschehen und suchten das Sensationsbedürfnis ihrer Leser zu befriedigen, indem sie ihnen "sonderliche W u n d e r zeichen" oder eine "erbärmliche vnnd gar trawrige GeSchicht" ' vor. Augen stellten. Reisen nach England w u r d e n durch den dortigen Bürgerkrieg zusätzlich erschwert, w e n n nicht ganz unmöglich gemacht; Bücher aus englischen Verlagen waren seit dem Jahre 1618 in immer geringerer Zahl nach Deutschland gekommen, bis sie schließlich auf vielen Buchmessen vollends ausgeblieben waren; ' und die gelegentlichen Berichte aus dem Inselreich, wie sie in den jeweils zur Frankfurter Buchmesse erschienenen "Mercurii GalloBelgici", den Meßrelationen oder dem "Theatrum Europaeum" zu finden waren, wählten ihren Stoff allzu willkürlich aus und waren so allgemein gehalten, daß sie nur ein vages Bild von der "verwirrenden Situation der englischen,schottischen und irischen Zustände" (rerum Anglicarum, Scoticarum et Hybernicarum intricata conditio)^' zu entwerfen vermochten. D o n M.Wolfe.] Bd 3 (1648-1649). - New Haven and London: Yale University Press 1962. S.585. 2) Beispiele dafür finden sich u.a. in dem Sammelband der Bayerischen Staatsbibliothek, Sign. Ded. 4/163. 3) Vgl. dazu Goldfriedrich, Geschichte des deutschen Buchhandels, S.80f. 4) Mercurii Gallo-Belgici [... ] Sive Rerum in Gallia et Belgio Potissimum, Hispania Quoque, Italia, Anglia, Germania, Ungaria, Silesia, vicinisq; locis, a nundinis

Vorbereitung

13

Erst im Jahre 1648, als der europäische Kontinent nach jahrzehntelangen Kämpfen befriedet wurde, während gleichzeitig sich "die Sachen im Königreich Engelland je länger je seltzamer / und fast zu einer gäntzlichen Veränderung des Reichs Form ansehen" ' ließen, erwuchs in Deutschland eine stärkere Anteilnahme an den dortigen Auseinandersetzungen zwischen König, Armee und Parlament, die gerade ihrem Höhepunkt entgegenstrebten. Die Gefangennahme, Verurteilung und schließliche Hinrichtung König Karls I. erregte die Gemüter aufs heftigste und weckte ein schier unstillbares Verlangen nach umfassender Information über den "schrecklichen, unsäglichen und von keiner Zeit gehörten Meuchelmord" (horrendum, infandum, et nullo seculo auditum 61 parricidium), ' wie ihn der Berichterstatter des im Herbst 1649 erschienenen "Mercurii Gallo-Belgici" nannte. V o n der Erschütterung, den diese Hinrichtung eines K ö nigs im siebzehnten Jahrhundert in ganz Europa verbreitete, vermögen wir Heutigen uns kaum noch eine Vorstellung zu machen. U n d doch kann die Fülle an zeitgenössischer L i teratur, die allein in deutscher Sprache aus jenen Tagen überliefert ist, als zuverlässiger Gradmesser dafür dienen, wie sehr dieses Ereignis auch in unserem Lande diskutiert worden ist. Flugblätter, entweder direkt aus dem Englischen oder über holländische Vermittlung "von wort zu wort vbersetzt", trugen "Königs Caroli Letzte Reden / So er auff dem Francofurtensibus vernalibus anni 1648. usq; ad autumnales anni eiusdem, potissimum gestarum, Historicae Narrationis continuatae, Tomi Vigesimi Septimi Liber Primus. Auetore Joanne Georgio Schledero, Ratisponensi. [...]. - Francofurti, Sumptibus et typis Haeredum Sigismundis Latomi, A n no 1648. S.84. (Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek, Sign. Eur.514). 5) Theatri Europaei oder Historischer Beschreibung der denckwürdigsten Geschichten vom Jahr 1647 biß 1651. exclusive. Sechster und letzter Theil: M i t Kupfferstücken gezieret und Verlegt, durch. Matth. Merians Seel: Erben. Franckfurt am M a y n / Gedruckt bey Daniel Fievet: Im Jahr nach Christi / unsers einigen Seligmachers Gnadenreichen Geburt: 1663. n S.375. (Exemplar der Staatsbibliothek M a r burg, Sign. 2 Qe 1008). 6) Mercurii Gallo-Belgici [...] a nundinis Francofurtensibus vernalibus anni 1649. usq; ad autumnales anni ejusdem, [...] Tomi Vigesimi Septimi Liber Tertius, [...] Anno 1649. S.79.

14

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

Blutgerüst / ' genem Pallast Witthai / kurtz vor seinem Todt durch ganz Deutschland; das "Engeländische Memorial, in sich haltend die Proceduren, Declarations, Aufflagen, Defensionales, Urtheil, letzte Reden und Executiones" des Königs sowie einiger anderer Persönlichkeiten, wurde schon auf der Leipziger Ostermesse von 1649 angeboten®^ und noch 1651 in Frankfurt nachgedruckt.^ Aus allen Schichten der Bevölkerung aber wurden Stimmen 10)

laut, die die Engländer als "Königs-Mörder" ' verurteilten. "Auß einer alten Frawen Handt / Die ungenandt / Gott ist bekanndt"erschien im Sommer 1649 im Druck "Ein Schreiben über Meer gesand / An die Gemein in Engellandt", das heftige Angriffe gegen die augenscheinlich vom Teufel be11) sessenen "Meyn-Eydige Gotts Ordnung Schänder" richtete. ' Andreas Gryphius, dessen Entsetzen, wie er selbst bekennt, so groß war, daß er binnen weniger Tage seinen "Carolus Stuardus" niederschrieb (quod paucos intra dies attonito atque vix condito in hypogaeum regis cadavere sceleris hor7) Königs Caroli Letzte Reden / So er auff dem Blutgerüst / vor seim eygenen Pallast Witthai / kurtz vor seinem Todt gehalten. Dienstags / den 30. JanuariJ / Styl. Vet. 1649. Mit fernerem Bericht [...J. - Augspurg / Bey MarxAntonj Hannas. 1649. (Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek, Sign. Ded. 4/163 (19).). 8) Vgl. Catalogue Universalis, Hoc est: Designatio omnium Librorum, qui hisce Nundinis Vernalibus Francofurtensibus et Lipsiensibus Anno 1649. vel novi, vel emendatiores et auctiores prodierunt, [...]. - Leipzig / In Verlegung Gottfried Grossens Buchhändl. sei. Witwe / Gedruckt bey Henning Kölern. Bl. F 1v. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XX Β 132 a). 9) Vgl. Catalogus Universalis, Ostermeß 1651, Ausgabe Leipzig, Bl. Ε 2v. 10) So Friedrich von Logau in seinem 2553· Sinngedicht, abgedruckt ins Salomons von Golaw Deutscher Sinn-Getichte Drey Tausend. [...]. - Breßlaw / In Verlegung Caspar Kloßmanns / Gedruckt in der Baumannischen Druckerey durch Gottfried Gründern. [1654]. Andres Tausend. S.109. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 1460. b. 18.(1-2).). 11) [Anonym:] Ein Schreiben über Meer gesand / An die Gemein in Engellandt / Auß einer alten Frawen Handt / Die ungenandt / Gott ist bekandt. Anno M. DC. XLIX [...]. Gedruckt im Jahr / ut supra. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 1347. a. 17. (12).).

Vorbereitung

15

12)

ror expressit), ' beklagte in einem Sonett, daß in E n g land mit König Karls Seele "auch ruh und zucht und 1 recht" verflogen seien. Gelegentlich schien man auch bereits zu ahnen, daß m i t Karl I. nicht allein ein englischer König abgesetzt und verurteilt worden w a r - dafür hatte die Geschichte schon mehrfach Beispiele geliefert - , sondern daß sich in jener Mordtat die Auseinandersetzung des Gottesgnadentums mit den Ideen einer neuen Zeit vollzog. "Man hat in zwey mahl Tausent Jahren / U n d weil die Christenheit besteht / Dergleichen Urtheil nicht erfahren / Als über König Carl ergeht", versicherte Georg Greilinger in dem einen seiner "Zwey Klage-Lieder / So kurtz Nach König Carolus v o n Engelland sei. Abscheid sein in Druck 1 Al gegeben", ' und Filip v o n Zesen faßte im gleichen J a h r die von Furcht und Schrecken gezeichnete Stimmung der Zeit in die seine Betroffenheit unmittelbar wiedergebenden W o r te zusammen: "Die weit erzittert / der himmel selbst böbet / die Fürsten ergrimmen / die Könige der erden flammen für zorne / dan der ruf dieser gantz-neuen / erschröklichen geschieht / ja der ruf des durch gotlose Verwegenheit und schein-gerechtigkeit vergossenen königlichen bluthes durchdringet die gantze weit / und seine rachschreiende

stimme

zihet / als ein magnet oder liebes-stein / der Gewaltigen geschärft und zorn-dreuendes stahl nach sich. [...] Engelland hat sich an der königlichen heiligkeit / ja götlichkeit verbrochen". 12) Vgl. Gryphius' lateinische Vorrede zum "Carolus Stuardus", abgedruckt in: Andreas Gryphius: Trauerspiele. Hrsg. v. Hermann Palm. - Tübingen: Litterar. Verein 1882. S.353. (= Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart. B d CLXII). 13) Sonett Nr. XLVII "An einen höchstberühmten feldherrn bey Überreichung des Carl Stuards", abgedruckt in: Andreas Gryphius: Lyrische Gedichte. Hrsg. v. Hermann Palm. - Tübingen: Litterar. Verein 1884. S.185. (= Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart. Bd CLXXI). 14) [Georg Greilinger:] Zwey Klage-Lieder / So kurtz Nach König Carolus von Engelland sei. Abscheid sein in Druck gegeben. [...]. - Gedruckt im Jahr / 1649. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 11522. bb. 4.). 15) [Filip von Zesen:] W a s Karl der erste / König in Engelland / bei dem über Ihn gefälltem todesuhrtheil hette für-bringen können. Zwei-fache Rede. - [Wittenberg

16

Auseinandersetzung mit dem Publizisten Keine dieser kontinentalen Reaktionen drohte jedoch für

die neue englische Regierung solch gefährliche Konsequenzen heraufzubeschwören wie die im Sommer 1649 in Amsterdam erschienene und auf Veranlassung des nach Frankreich geflüchteten Kronprinzen (Sumptibus Regiis) von dem berühmten Leydener Professor Claudius Salmasius

' verfaßte "De-

fensio Regia pro Carolo I". In lateinischer Sprache geschrieben, w a r sie für ein europäisches Publikum bestimmt und suchte angesichts jener "ruchlosen Verschwörung gottloser Männer" (sacrilegorum hominum nefaria conspiratio17) ne) ' die Könige aller Länder zum gemeinsamen Handeln gegen die englische Republik zu bewegen. W e n n auch Salmasius seinen N a m e n nicht auf das Titelblatt gesetzt hatte, so w a r seine Verfasserschaft doch bald bekannt geworden, und der weltweite Ruf, den er als Gelehrter genoß, zwang den Staatsrat, Anfang des Jahres 1650 eine offizielle Antwort auf die in der "Defensio Regia" erhobenen Beschuldigungen vorbereiten zu lassen. M i t der Abfassung dieser Verteidigungsschrift wurde J o h n Milton beauftragt. Rund zwölf Monate später, in der letzten Februarwoche des Jahres 1651, erschien in London "Joannis Miltonii Angli Pro Populo Anglicano Defensio contra Claudii Anonymi, alias Salmasii, Defensionem Regiam", die Salmasius W o r t für W o r t widerlegte, ihn als "ausländischen Schreihals" ris exotici) 1 8 ^

(declamato-

der Lächerlichkeit preisgab und in der H i n -

richtung des als Tyrannen verurteilten Königs die rechtmäßige Tat eines tapferen Volkes sah, das sich einzig "dem von Gott und der Natur geheiligten Gesetz" (lege quam Deus 1649]. Vorrede, Bl. A a 2. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 1326. e.2). 16) 1588 - 1653, vgl. Zedier. 17) Claudius Salmasius, Defensio Regia pro Carolo I., zit. nach: Milton, Complete Prose Works, B d 4 (1650-1655). Teil 1. - New Haven and London: Yale University Press 1966. S.102. 18) Die ff. deutschen Zitate nach: Bernhardi, Milton's Politische HauptSchriften, B d 1, S.165, S.172 und S.174; die lateinischen Zitate nach: John Milton. Works. [General Editor Frank A.Patterson.] Bd 7· - New York: Columbia U n i versity Press 1932. S.8, S.30 und S.38.

Der deutsche Meßverkehr

17

ipse et natura sanxit) des öffentlichen Wohls verpflichtet gefühlt habe. Indem Milton nicht in englischer, sondern in lateinischer Sprache antwortete, gelang es ihm, genau wie zuvor Salmasius, den Fall König Karls "vor der ganzen zuhörenden und gleichsam zu Gericht sitzenden Welt" (toto orbe audiente, et quasi ad judicandum sedente) zu erörtern, so daß er mit dieser Publikation zum ersten Mal weit über Englands Grenzen hinaus Aufmerksamkeit erregte und innerhalb kurzer Zeit auch in Deutschland bekannt war. 1.2. M i l t o n s " D e f e n s i o A n g l i c a n o " u n d d e r M e ß v e r k e h r

p r o P o p u l o d e u t s c h e

Bereits im Herbst des Jahres 1651 wird der interessierten Öffentlichkeit auf den deutschen Buchmessen Miltons Verteidigungsschrift angeboten. Dieser Buchhändler, Gelehrte und Agenten vereinigende Meßverkehr, der in Frankfurt seit 1485 in Gange war, während er sich in Leipzig erst mit dem Jahre 151^· nachweisen läßt, fand halbjährlich statt und ist als "der wirkliche Ausdruck des universalen und wahrhaft bedeutungsreichen literarischen Lebens in Deutsch1} land" ' bezeichnet worden. Sein eigentlicher Aufschwung begann mit der seit 1564 erfolgten Herausgabe eines Meßkataloges, der sich zu einer periodischen Allgemeinbibliographie entwickelte und als "Catalogue Universalis" bis in das achtzehnte Jahrhundert hinein jeweils in Frankfurt und in Leipzig gedruckt worden ist. Unter der Rubrik der "historischen, politischen und geographischen Bücher" (libri historici, politici et geographici) findet sich dort, im "Verzeichnüß aller Bücher / so zu Franckfurt in der HerbstMeß / auch Leipzigischen Michaelis-Marckte / des ietzigen 1) Gustav Schwetschke: Codex Nundinarius Germaniae Literatae Bisecularis. Meß-Jahrbücher des Deutschen Buchhandels von dem Erscheinen des ersten Meß-Kataloges im Jahre 1564 bis zu der Gründung des ersten Buchhändler-Vereins im Jahre 1765. - Halle: Schwetschke 1850. S.V.

18

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

1651. Jahrs / entweder gantz new / oder sonsten verbessert / oder auffs newe wieder auffgeleget und gedruckt worden sind", der für die Anfänge der Miltonrezeption bedeutungsvolle Eintrag: "Joannis Miltonii Defensio pro Populo Anglicano, contra Cl.Salmasii Defensionem Regiam. Londini, in 1 2

H .

2

)

Entgegen der im "Catalogus" sonst praktizierten Gewohnheit ist hier die Verlagsangabe unterlassen worden, vielleicht weil die Herausgeber um den fingierten Druckort der "Defensio" wußten, die in Holland noch im Erscheinungsjahre verschiedentlich nachgedruckt und von dort aus auf dem Kontinent vertrieben wurde. Dennoch läßt die Beobachtung, daß Miltons Schrift im Meßkatalog unmittelbar auf die von den holländischen Buchhändlern gemeldeten Editionen folgt, bereits unzweifelhaft erkennen, auf welchem Wege sie nach Deutschland gelangt ist. Einmal eingeführt, wird sie von den Holländern auch auf den Messen der folgenden Jahre immer wieder angeboten und scheint eines guten Absatzes sicher gewesen zu sein: Ostern 1652 trifft sie in Leipzig so spät ein, daß sie im "Catalogus Universalis" erst als vorletzter aller Titel genannt werden kann, nun allerdings unter der Amsterdamer Verlagsangabe "apud Joan. Ravensteinium"; im Herbst des gleichen Jahres wird sie zusammen mit der "Defensio Regia pro Carolo I." angeführt und ein letztes Mal erscheint sie im Ostermeßkatalog den Jahres 1653, ehe dann im Herbst 1654 die "Defensio secunda" an ihre Stelle tritt. Wieviele Exemplare der "Defensio pro Populo Anglicano" in jenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, läßt sich heute naturgemäß nicht mehr sagen; doch mögen die nahezu einhundert Besitznachweise aus deutschen Bibliotheken jedweder Art und Größe, die William R.Parker anläßlich einer 1962/63 durchgeführten Z ä h l u n g ^ ermittelt hat und denen 2) Catalogus Universalis, Herbstmeß 1651, Ausgabe Leipzig, Bl. Β 4. 3) Vgl. Parker, Milton, A. Biography, Bd 1, S.VIII. Wir haben seine Zählung an Hand von Bibliotheksbesuchen sowie durch briefliche Umfragen im Frühjahr und Sommer 1969 ergänzt .

Frühe Hochschulschriften

19

nicht ein einziger Nachweis für die vor 1649 veröffentlichten Streitschriften gegenübersteht,^ ein ungefährer Anhaltspunkt für das große Interesse an dem Engländer John Milton sein, das im Jahre 1651 in unserem Lande so unvermittelt einsetzte. 1.3.Frühe E r w ä h n u n g e n in D i s s e r t a t i o n e n u n d j u r i s t i s c h e n P u b l i k a t i o n e n (I) Zur gleichen Zeit, da die "Defensio" erstmals auf den deutschen Buchmessen erhältlich ist, erfolgt in Helmstedt die Herausgabe einer juristischen Publikation, in der die Frage der menschlichen Obrigkeit behandelt und in diesem Zusammenhang auch der Standpunkt Miltons dazu zur Sprache gebracht wird. Ein Vertreter der Rechtswissenschaft ist demnach der erste, der sich in Deutschland mit John Milton und den von ihm verfochtenen Thesen öffentlich auseinander4) Zwar findet sich in der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover unter der Signatur XXX LS ein Sammelband, der - abgesehen von "Eikonoklastes" - je ein Exemplar der von Milton vor Abfassung der "Defensio" publizierten Traktate enthält, doch müssen wir ihn hier außer acht lassen, da er aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Besitz der Schwester Karls I., der 1662 verstorbenen Prinzessin Elisabeth, stammt und Uber ihre Erben nach Hannover gelangt ist, so daß er nicht als Zeugnis für die frühe Miltonrezeption dienen kann. - Auch der in Hannover fehlende Traktat "Eikonoklastes" ist in Deutschland seinerzeit nicht bekannt geworden, obwohl er sich heute in deutschen Bibliotheken insgesamt viermal nachweisen läßt: je ein Exemplar der ersten (1649) und zweiten Auflage (1650) ist in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden vorhanden (Sign. H.Brit. 412 bzw. 413), in deren Besitz sie nach brieflicher Auskunft des Fachreferenten "schon im achtzehnten Jahrhundert" gewesen sein müssen; ein Exemplar, ebenfalls unbekannter Provenienz,gehört der Leipziger Universitätsbibliothek (Sign. Hist.Brit. 209), und ein weiteres (Sign. S 33/5771) der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, das von ihr jedoch erst 1962 bei einem schwedischen Antiquariat erworben wurde. Möglicherweise sind die 'sächsischen' Exemplare von Englandreisenden mitgebracht worden, sofern ihr Erwerb nicht überhaupt in eine spätere Zeit fällt. Auf der Frankfurter und der Leipziger Buchmesse wurde diese Schrift jedenfalls, wenn wir dem "Catalogus Universalis" glauben dürfen, nicht angeboten, wie auch jegliche zeitgenössische Anspielung auf sie in Deutschland ausgeblieben ist.

20

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

setzt. Das ist verständlich, bedenkt man,daß Miltons Verteidigungsschrift von ihrer Intention her eindeutig rechtspolitische Ziele verfolgt: wenn auch das darin propagierte Prinzip der Volkssouveränität nicht den Anspruch auf Originalität erheben kann, da andere schon in früheren Jahrhunderten das Gottesgnadentum der Majestäten in Zweifel zu stellen gesucht hatten, so schlägt Milton in der "Defensio" doch einen ungewöhnlich scharfen Ton an, der nicht unwidersprochen bleiben durfte, wollte man nicht einem gewaltsamen Aufstand unruhiger Untertanen wider ihre Regenten Vorschub leisten. Der Autor dieser Gegenschrift, die den Titel "Exercita1) tio Politica De Summae Potestatis Subiecto" ' trägt, ist p) der 1622 geborene Jurastudent Naaman Bensen , der von Nordfriesland an die Universität Helmstedt gekommen war, um bei dem damals weithin berühmten Polyhistor Hermann Conring Rechtswissenschaft zu hören. Ehe er 1652 zum Doktor der Rechte promovierte, verfaßte Bensen unter Conrings A n leitung die vorliegende "Exercitatio", in der gleich zu Beginn die "Verwirrungen" (turbae)-^ beklagt werden, denen sich die Zeitgenossen seit einer Reihe von Jahren durch die vielen, Gefahr und Schwierigkeiten evozierenden Untersuchungen "über die Majestät der Fürsten" (de Principum Majestate) ausgesetzt sehen und die durch den "jüngsten Meuchelmord der Briten" (recentissimum Britannorum parricidium) noch größer geworden seien. Schon zur Ostermesse 1651 hatte der "Catalogus Univerh)

salis"

Bensens Arbeit unter den demnächst erscheinenden

Büchern angeführt; doch die Kunde von der in London kurz 1) Naamanis Bensenii Exercitatio Politica De Summae P o testatis Subiecto Vindicata A Ioannis Figlovii aliorumque ineptiis et calumniis, quas parturit liber De imperio absolute et relate considerato, oppositus V. Cl. Hermanno Conringio. [...]. - Helmestadii / Cura Henningi Mulleri Acad. Typ. M. DC. LI. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 835. e.A.(1).). 2) 1622 - 1659, vgl. Jöcher. 3) Naamanis Bensenii Exercitatio, Bl. C; ff. Zitate ebd. 4) Catalogus Universalis, Ostermeß 1651, Ausgabe L e i p zig, Bl. Ε 3v.

Bensens

21

"Exercitatio"

zuvor erfolgten Veröffentlichung einer amtlichen Verteidigungsschrift des Königsmordes muß Bensen veranlaßt haben, sich vor Abschluß seiner

Untersuchung auf privatem Wege,

wohl mit Unterstützung der weitgespannten Beziehungen seines Lehrers Conring, erst noch ein Exemplar der "Defensio" zu besorgen und deren Argumentation einer genauen Prüfung zu unterziehen. Bensens Äußerungen über Milton sind durch und durch n e gativ. In verächtlichem Ton spricht er von dessen "sogenannter Verteidigung" (defensionis suae, uti vocat), ihn einen "Aufwiegler" ( t u r b a t o r ) e i n e n

nennt

"höchst unfläti-

gen Gauner" (spurcissimus nebulo), einen "ruchlosen M e u chelmörder" (impius P a r r i c i d e ) ^

und wirft ihm vor, Worte

der Heiligen Schrift über die Pflichten der Untertanen in ihr Gegenteil verkehrt zu haben. E r sucht darzulegen, wie Milton auch in Bezug auf die "Politeia" des Aristoteles "wiederum unverschämt lügt" (proterve iterum mentitur),®^ wie "dumm und nichtig" (stulta ac vana ) 9 > die von ihm daraus gezogenen Folgerungen sind u n d welche Gemeinsamkeiten er mit Junius Brutus sowie den übrigen verabscheuungswürdigen Monarchomachen aufweist. W ä h r e n d all das lobenswert 1Ω^ sei, das der "erhabene Salmasius" (summus Salmasius)

' zu-

sammen mit anderen für die Unterstützung des Königs v o n England unternommen habe, verdiene diese "schmutzige V e r teidigung eher Mitleid als eine Widerlegung" (defensionis impurae commiseratione potius quam refutatione dignus 11) sit), ' denn "was bisher von dem unreinen Milton für das englische Volk beigebracht wird, ist keineswegs so beschaffen, daß es die größtenteils sehr gelehrten Argumente des Salmasius oder anderer aus dem Felde schlagen kann" (quae enim hactenus ab impuro Miltonio pro populo Anglicano afferuntur, nequaquam talia sunt, ut vel Salmasii vel aliorum 5) Naamanis Bensenii Exercitatio, Bl. Κ 3v. 6) Ebda. Bl. Μ 1v; f. Zitat ebd. 7) Ebda. Bl. Κ 3v. 8) Ebda. Bl. 0 2. 9) Ebda. Bl. 0 2v. 10) Ebda. Bl. L 4. 11) Ebda. Bl. Μ 1v.

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Auseinandersetzung mit dem Publizisten

argumenta magnam partem doctissima elidere queant)."12^ Bensen, der im übrigen niemals vergißt, alle Zitate mit der genauen Seitenangabe der von ihm benutzten Ausgabe der "Defensio" zu versehen, weiß außerdem voller Genugtuung von jener "schrecklichen Miltonischen Verteidigung" (horribilis Miltonianae d e f e n s i o n i s ) z u berichten, daß sie "die Franzosen zum guten Beispiel verurteilten und durch den Scharfrichter verbrennen ließen" (quam bono exemplo Galli damnatam per carnificem exuri jusserunt), womit er auf Vorgänge anspielt, die sich erst wenige Wochen zuvor, im Juni oder Juli des Jahres 1651, in Paris und Toulouse ereignet hatten und in deren Zusammenhang dort jegliche Verbreitung der "Defensio" unter Strafe gestellt worden war. Sein abschließendes Urteil über Miltons Argumentation zum Prinzip der Volkssouveränität lautet: "fruchtlos und ΛS

töricht" (vana et insipida); ' denn dem stehe die allseits bekannte Erfahrung entgegen, "daß Regierungsgewalten zu allen Zeiten auf verschiedene Art und Weise übertragen worden sind, zu einem großen Teil aber durch Gewalt und Gewalttätigkeit, und das wiederholt sich bis zum heutigen Tag, so daß beim Zeus dumm und triefäugig ist, der es nicht merkt, und von eisernem Mund, der es verneint" (imperia ab omni usque aevo variis modis fuisse translate, magna vero ex parte per vim atque violentiam, idque in hunc usque diem frequentatur, ut mehercle bardus sit ac bliteus, qui non animadvertat, ferreique oris, qui neget). Je mehr Exemplare der "Defensio" nach Deutschland gelangten, um so härter wurde die Diskussion, die wegen ihrer allzu persönlichen Schärfe schon damals Befremden hervorrufen mußte. "Dieses Jahrhundert ist so abgeschmackt und schmutzig, daß in ihm kaum für gebildet gehalten wird, wer nicht die Gelehrten anbelfert" (seculum enim vero hoc tarn infivetum ac sordidum est, ut in eo vix eruditus habeatur, quo non eruditos allatret), klagte der Leipziger Jurist und spätere 12) Naamanis Bensenii Exercitatio, Bl. L 4. 13) Ebda. Bl. Ρ 2; f. Zitat ebd. 14) Ebda. Bl. Ρ 2v; f. Zitat ebd.

Zieglers "Exercitationes"

"

15) Professor der Rechte Caspar Ziegler im Vorwort seiner 1652 erschienenen Schrift "Circa Regicidium Anglorum E x ercitationes", 1 ^^ in der er von der Erblichkeit der englischen Königswürde, die göttlichen Ursprungs sei, sowie von den Rechten des Königs dem Parlament gegenüber handelt und den Anspruch vertritt, daß Karl I., selbst w e n n er ein Tyrann gewesen wäre, nicht von seinen Untertanen hätte im Stich gelassen oder gar getötet werden dürfen. D a diese "Übungen" bereits kurz nach der "ruchlosen Verschwörung gegen den König" (nefandae in Regem conspirati17) onis) ' geschrieben und unverändert geblieben waren, selbst als England "ein neues Ungeheuer gebar, nämlich das Buch des Johann Milton" (novum enitebatur portentum, librum videlicet Joannis M i l t o n i i ) , i s t

für uns allein

die erst bei der Drucklegung des Werkes hinzugekommene Vorrede "ad lectorem benivolum" von Bedeutung, in der Ziegler ausführlich zu Milton und dessen "Defensio" Stellung nimmt. Auf den ersten Blick scheint Zieglers Miltonbild völlig verschieden von dem Naaman Bensens zu sein, w e n n er berichtet, wie groß in Leipzig das Interesse war, den Inhalt der Miltonschen Schrift kennenzulernen, nachdem sich die Kunde v o n ihrer Veröffentlichung verbreitet hatte, u n d wie viele ein schließlich aus Holland übersandtes Privatexemplar zu lesen begehrten, so daß ihm selbst "dessen Benutzung kaum für ein volles Täglein zugestanden wurde" (ejus tum usus ad unam vix integram dieculam

concederetur).Angesichts

des Titels der "Pro Populi Anglicano Defensio" hatte er 15) 1621 - 1690, vgl. ADB. 16) Casparis Ziegleri Lipsiensis circa Regicidium Anglorum Exercitationes. - Lipsiae, apud Haered Henning. Grossi, Literis Lanckisianis Exscribebat Christoph. Cellarius, A n no 1652. S.3x. (Exemplar der UB Göttingen, Sign. H. Brit. un. VI, 2976). (im Original weist die Vorrede keine Seitenzählung auf; w i r numerieren die sechs Blätter daher fortlaufend von S.1x bis S.11x). 17) Casparis Ziegleri Exercitationes, A d lectorem benivolum. S.4x. 18) Ebda. S.1x. 19) Ebda. S.2x; ff. Zitate ebd.

24

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

sich die "vielen gewichtigen Argumente" (multa argumentorum pondera) vorgestellt, die in diesem Buch gebracht w ü r den; die Vorrede hatte in ihrer Offenheit noch seine E r wartungen gesteigert und so manches über "die Begabung des Autors" (de Autoris ingenuitate) versprochen, der gegenüber seine eigenen "Exercitationes" nur "überstürzt u n d unreif" (praeceps et immaturum) wirken konnten. Doch schon hier endet der kaum begonnene Ansatz einer positiven Würdigung J o h n Miltons, u n d die Angriffe auf den Verteidiger der englischen Republik mehren sich, w e n n gleich geschickter formuliert und stärker differenziert als etwa im Fall des unbedingt königstreuen Bensen, der einzig die Meinung des Salmasius gelten ließ. Für Ziegler ist Salmasius keinesfalls eine solche Autorität, daß er glaubt, "in blinder Zustimmung mit dessen Ansichten konform gehen zu müssen" (coeco assensu in ipsius dogmata eundum e s s e ) f ^ er kann jedoch nicht unbeteiligt zusehen, w e n n ein "gewerbsmäßiger Verleumder" (Sycophanta) diesen überaus gelehrten M a n n vor aller W e l t verhöhnt und seine Worte "in durchtriebener Weise" (veteratorie)

pervertiert.

Ziegler ist der Meinung, die Engländer hätten besser getan, w e n n sie ihre Sache nicht einem solch "sinnverwirrten und sinnlos schwätzenden Verteidiger" (phrenoblabös et 21) phlenaphos Defensor) ' anvertraut hätten, dessen Antwort, ließe man den vordergründigen Glanz der Worte beiseite, von einer Beschaffenheit sei, daß m a n kaum jemals etwas "Nichtnutzigeres oder Abgestandeneres" (futile magis aut ' eolon)^^

gelesen habe. D e n n der A u t o r der "Defensio"

kämpfe nicht mit Argumenten, sondern mit "Schatten, Trugbildern oder gewissen Skeletten von Argumenten"

(umbris,

simulacris aut sceletis quibusdam argumentorum)^-^und habe dadurch den Fall seiner Parteigänger vor der Öffentlichkeit verraten und lächerlich gemacht. Ihn widerlegen zu w o l l e n sei reine Zeitverschwendung, da seine "höchst traurigen" 20) Casparis Ziegleri Exercitationes, S.3x; ff. Zitate ebd. 21) Ebda. S.8x. (Im Original griechische Schriftzeichen). 22) Ebda. S.10x. (Im Original griechische Schriftzeichen) .

Zieglers "Exercitationes"

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(tritissima)2^ Thesen weder neu noch richtig seien. Ziegler muß es daher ablehnen, "gegen diesen Glaubenskämpfer vor den Richterstuhl zu gehen" (in hunc athletam progredi ad scamma). Zwar kann er nicht umhin, Milton zu konzedieren, daß die aus dem speziellen Recht der Engländer hergeleiteten Argumente in der "Defensio" zu den "besten und 25) einleuchtendsten" (optima et speciosissima) •}) zählen,aber er schränkt doch sofort wieder ein, auch sie seien nicht so geartet,"daß man mit ihnen im Dunkeln würfeln wollte" (quibuscum velis in tenebris micare). Noch schärfer werden Zieglers Worte, wenn er auf die Interpretation von Bibelzitaten durch Milton zu sprechen kommt, der sich dabei als ein ganz großer "Künstler" (artifex) ^ erweise, "betrügerischer als. die Jesuiten und frecher als der Teufel selbst" (ipsis Jesuitis falicior, ipso Diabolo audacior) sei und sich so sehr von der Schrift entferne, "daß es um seine Treue Gott und den Obrigkeiten gegenüber geschehen und geklagt zu sein scheint" (ut de ejus pietate, tam in Deum, quam in Magistratum, actum jam et conclamatum videatur). ' Milton habe den Glauben an das Sakrament abgeworfen und die Ehrfurcht vor der höchsten Gottheit mit Füßen getreten; er verlache nicht nur "die gemeinsamen Einrichtungen der Völker" (communia Gentium instituta),28^ sondern selbst das göttliche Gesetz. In Denken wie Tun übertreffe er alle "Unbesonnenheit der Ketzer" (haereticorum t e m e r i t a t e m ) , s o daß die "Schändlichkeit •50) und Gerissenheit" (turpitudinem et vafritiem) seines Wesens jedem klar vor Augen stehe und Milton aus der "Defensio" wie "der Hirsch an der eingetretenen Spur" (cervum ex impresso vestigio)-Z'1'\zu erkennen sei. Den Gipfel von Miltans "Albernheit" (blitomamnia) 23) 24) 25) 26) 27) 28) 29) 30) 31)

Casparis Ziegleri Exercitationes, S.9x. Ebda. S.6x; f. Zitat ebd. Ebda. S.7x; f. Zitat ebd. Ebda. S.4x; f. Zitat ebd. Ebda. S.5x. Ebda. S.7x. Ebda. S.5x. Ebda. S.6x. Ebda. S.3x.

26

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

sieht Ziegler schließlich darin, daß "diese Ausgeburt der Königsmörder" (hoc Regicidarum thremma) die Monarchie einschließlich der gesamten Aristokratie beseitigen und "überall in der Welt die Demokratie errichten lassen will"(ubique Gentium adstrui vult Democratiam). Gleichzeitig befehle er "dem Abschaum der Städte und der Hefe der Völker" (purgamenta Urbium et kathärmata Civitatum)^^ die Szepter zu ergreifen, da ihnen allein die Majestät zukomme."Warum also sollen wir nicht Handwerker und irgendwelche Menschen aus dem Volke, Erdensöhne, deren Leben sich in der Küche abspielt, wie Herren über die Dinge und Urheber unseres Glückes gutheißen und von ihnen auch als Monarchen phantasieren" (quidni ergo Opifices et quoscunque de plebe homines, Terrae Filios, quibus modulus est vitae culina, tanquam rerum Dominos et felicitatis nostrae auctores amplectamur et eosdem mundi quoque Monarchas phantasiäzomen), fügt Ziegler sarkastisch hinzu und empfiehlt seinen Zeitgenossen, Milton dorthin zu schicken, "wo er geheilt werden kann, damit ihm nicht etwas Schlechteres zustoße, als was einem am schlechtesten ist" (ubi curari possit, ne quid deterius ei sit, quam cui pessime est). Schon an früherer Stelle hatte es in den "Exercitationes" geheißen, daß Milton "in politischen Dingen von geschwätziger Tollheit, in den gesunden Menschenverstand betreffenden Fragen widersprüchlich und in der Theologie unsinnig" (in Politicis lerodös, in ratione commune parad0xos, in Theologia alogistos) ^ sei. Dieses Wort, das im übrigen lange nachwirken sollte, faßt am besten die Einstellung zusammen, die Ziegler Milton gegenüber einnahm und auch in seiner Leserschaft zu evozieren suchte. Es war nicht sein Ziel, dem Autor der "Defensio" in Deutschland zur Berühmtheit zu verhelfen. Vielmehr war er bemüht, ihn zu bagatellisieren, und muß gerade dadurch, da die "Exer32) Casparis Ziegleri Exercitationes. S.8x; ff. Zitate ebd. (Griechische Wörter transkribiert.) 33) Ebda. S.9x; ff. Zitate ebd. 34) Ebda. S.6x. (Griechische Wörter transkribiert.)

Zieglers "Exercitationes"

27

35) citationes" weithin bekannt wurden,

' die Aufmerksamkeit

auf jenen M a n n gelenkt haben, in dem er nichts anderes sehen wollte als einen "gewissen Winkelgelehrten" quodam U m b r a t i c o ) , ^ ^

(Doctore

einen "frechen,vielleicht eher w a h n -

sinnigen" (audaci, imo insano potius) Engländer, der in einer Schrift all das zusammengetragen hatte, "was rebellische Geister gegen die königliche Majestät dreist zusammenlügen" (quae tumultantia ingenia contra Regiam Majestatem petulanter comminiscuntur). ' Zieglers Werk, das noch im Jahre 1676 nachgedruckt w u r 38) de, erschien erstmals ' auf der Leipziger Buchmesse v o m Herbst 1652. Ostern 1653 wurde es auch in Frankfurt ange35) Vgl. Jöcher, B d 4, Sp.2199, s.v. 'Caspar Ziegler 1 . 36) Casparis Ziegleri Exercitationes, A d lectorem benivolum. S.3x; f. Zitat ebd. 37) Ebda. S.7x. 38) Vgl. "Catalogus Universalis", Herbstmeß 1652, A u s gabe Leipzig, Bl.D 1v. - Das Werk, dessen Widmung vom 4. Oktober 1652 stammt, wurde so spät ausgeliefert, daß es nicht mehr zur Buchmesse "nach Franckfurt am M a y n kommen" konnte, die stets vor der Leipziger Messe stattfand. French (Life Records, B d 3, S.302f) hat Schwierigkeiten, die Erstausgabe der "Exercitationes" zu datieren, w e n n er eine in Leyden hergestellte Edition v o n 1653 (s.Anm.40 u n ten) zum Ausgangspunkt seiner Berechnungen macht und den Beginn der darin befindlichen Vorrede Zieglers ("Es ist n u n Uber zwei Jahre her, seit ich diesen Kommentar [...] abschloß") mit einer in der Yale University Library aufgefundenen Ausgabe von 1651 in Verbindung bringt, zu der die aus dem Jahre 1652 stammende Widmung des holländischen Nachdrucks nicht passen will. French hat hierbei Ubersehen, daß die Leydener Ausgabe (einschließlich Vorwort und Widmung!) ein wörtlicher Abdruck der Ausgabe "Leipzig 1652" ist, die ihm völlig unbekannt geblieben zu sein scheint. Auch stammt das Exemplar der Yale University Library, wie Photokopien erkennen lassen, aus dem Jahr 1652; nur ist die letzte Ziffer der Jahreszahl zu stark ausgedruckt und w i r k t daher wie eine 1. Im übrigen gibt Ziegler im Text selbst einen Hinweis auf das Entstehungsjahr seiner Schrift, w e n n er sich (S.12) auf den "im J a h r zuvor" begangenen Königsmord (superiore anno parricidium) bezieht. - Geschrieben 1650, erschienen die "Exercitationes" somit "mehr als zwei Jahre später", d.h. im Herbst 1652, genau wie es das von French angezweifelte Widmungsdatum besagt und wie zudem aus den Ankündigungen des "Catalogus Universalis" hervorgeht. In gleicher Weise ist Parker (Milton, A Biography, insbes. S.985 u n d 1018) zu korrigieren, der sich eng an French anschließt und dessen Untersuchungsergebnisse ungeprüft übernimmt.

28

Auseinandersetzving mit dem Publizisten

boten*^' u n d lag im gleichen J a h r in einer Neuauflage vor, die in Leyden hergestellt worden war und neben den "Exercitationes" einen weiteren Traktat gegen Miltons "Defensio" enthielt: die im Jahr zuvor in Straßburg publizierte 40) "Dissertatio A d Loca Quaedam Miltoni" ' von Jacob Schaller. Schaller 41)' w a r Doktor der Theologie sowie Professor Philosophiae moralis in Straßburg, das damals neben H e i 42) delberg eines der "kleinen Kulturzentren des Westens" ' w a r und dessen 1621 gegründete Universität sich bereits lebhaften Zuspruchs erfreute. 1604 geboren, hatte er in Straßburg, Tübingen, Marburg und J e n a studiert und nach seiner Promotion im Jahre 1633 eine rege literarische T ä tigkeit entfaltet, in deren Verlauf mehr als 140 Disputationen

entstanden.

Uber die Motive, die ihn zur A b -

fassung der "Dissertatio" bewegten, gibt er selbst in einer Vorbemerkung Auskunft, ehe er auf einzelne Stellen in Miltons "Defensio" näher eingeht. Wie aller Welt, so hatte auch ihm der Atem gestockt an-r gesichts "der Hinrichtung des durchlauchtigsten Königs Karl"

(Serenissimi Regis Caroli supplicium), ^ ^

da eine

solche Tat - womit er nur bedingt recht hat - niemals zuvor in der Geschichte vorgekommen sei, "seitdem auf dem 39) Catalogus Universalis, Ostermeß 1653, Ausgabe Frankfurt, Bl. B3. 40) Die Originalausgabe "Straßburg 1652", von der u.a. Struve (Bibliotheca Philosophica In Suas Classes Distributa. - Jenae / A p u d Ern. Claudium Baillar M.DCC.IV.) S.180 berichtet, war uns nicht zugänglich und ist vermutlich verlorengegangen. W i r zitieren daher nach dem holländischen Nachdruck: Jacobi Schalleri SS. Theol. Doct. et P h i los. Pract. Professoris Dissertatio ad quaedam loca M i l toni. - In: Caspari Ziegleri Lipsiensis Circa Regicidium Anglorum Exercitationes. - Lugd. Batavorum, A p u d Johannem ä Sambix. Μ DC LIII. S.158-262. (Exemplar der Landes- und Stadtbibliothek Düsseldorf, Sign. Gr. Brit. G. 58). In Straßburg erschien 1657 ein Wiederabdruck der Dissertation Jacob Schallers, nachdem einer seiner Schüler, der Kandidat Erhardus Kieffer, sie sich zum Disputationsthema gewählt hatte. (Vgl. darüber Anm.48 dieses Kapitels.) 41) 1604 - 1676, vgl. ADB. 42) Newald, Die deutsche Literatur, S.7. 43) Schalleri Dissertatio, S.159; ff. Zitate ebd.

Schallers "Dissertatio"

29

Erdkreis der Name des Königs zur Leitung der Völker geschaffen worden war" (ex quo regium in orbe nomen gubernandis Populis natum). Dennoch will er sich in die Kontroverse um das Für und Wider dieses Vorgehens der Engländer ihrem König gegenüber nicht einmischen, weil die Entfernung zum Ort des Geschehens zu groß und das Wissen um die Taten der dortigen Bewohner zu dürftig sei. Hingegen vertraut er auf das "verborgene, nicht ungerechte Urteil Gottes" (Judicia Dei oculta, sed non injusta) und ist auch nicht durch den augenblicklichen Ausgang der Dinge umzustimmen, da "Milton hervortritt und versucht, für die Untat eine Verteidigung zu verfassen" (Miltonus prodiit, et facinori Defensionem parare conatus est). Die zurückhaltende Art, mit der Schaller den Autor der "Defensio" hier einführt, darf nicht als Reaktion auf ein Desinteresse bei der Leserschaft oder als ein Herunterspielen der Bedeutung Miltons gewertet werden. Sie läßt vielmehr, zieht man den weiteren Text der "Defensio" in Betracht, allein den Schluß zu, daß Milton zu dieser Zeit in Deutschland nicht mehr völlig unbekannt gewesen sein kann. Anderenfalls hätte es kaum genügt, daß Schaller Miltons Namen fast beiläufig nennt und im übrigen es dem Leser anheimstellt, alle weiteren Assoziationen zu knüpfen, um sich das Bild jenes Mannes vor Augen zu stellen, der das gewaltsame Ende König Karls öffentlich gebilligt hat. Zur Person Miltons äußert sich Schaller nicht; auch greift er, im Gegensatz zu seinen Vorgängern Ziegler oder Bensen, den Sekretär des englischen Staatsrates an keiner Stelle persönlich an und vermeidet es überhaupt, Urteile aus der "Defensio" auf deren Verfasser zu übertragen. Stattdessen läßt er Milton selbst zu Wort kommen, dessen Verteidigungsschrift "einige Hauptprinzipien" (quaedam generalia principia)^^ aufweise, die, "weil sie die Verwaltung des Staates auflösen wollen" (quia Reipublicae administrationem dissolvunt), untersucht zu werden verdienen. Diese Untersuchung, die sich über einhundert Seiten 44) Schalleri Dissertatio, S.160; f. Zitat ebd.

30

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

erstreckt und betont sachlich gehalten ist, verrät deutlich den Standpunkt des Theologen. Schaller führt rund fünfunddreißig Zitate aus der "Defensio" an, die fast ausschließlich dem dritten Kapitel entnommen sind, in dem es um die Frage geht, "ob das Evangelium, diese göttliche Verkündigung der Freiheit, uns in die Knechtschaft der Könige und Tyrannen überliefert" (an Evangelium, divinum illud libertatis praeconium, nos in servitutem addicat regibus 45) et tyrannis). Unter Hinzuziehung antiker Autoren, der Bibel sowie der Kirchenlehrer diskutiert er weitschweifiggelehrt These für These von Miltons Rechtfertigung, betont stets von neuem, daß "jegliche Herrschaftsform, selbst die des Teufels, göttlichen Ursprungs" (omnis potestas, etiam Diaboli, est a D e o s e i und führt somit Miltons Argumentation ad absurdum. Schallers ruhige Überlegenheit strahlt in allem eine Uberzeugungskraft aus, der sich die Leser schwerlich entziehen konnten, zumal die mit wissenschaftlichem Ernst vorgetragene Erwiderung dazu führen mußte, mehr als es alle vordergründigen Anwürfe ähnlicher Schriften vermochten, im Bewußtsein der Leserschaft der negativen Tönung des gerade erst in der Entstehung begriffenen Miltonbildes starken Nachdruck zu verleihen. Schallers Bemühen um eine sachliche Auseinandersetzung mit Miltons Thesen blieb kein Einzelfall. Andere Universitätsschriften folgten, darunter einige, die unter seiner Anleitung von Schülern verfaßt wurden. Die erste dieser Arbeiten trägt den Namen des im April 1649 an die Universität Straßburg gekommenen Erhard Kieffer aus Grötzingen (Baden)^^ und ist heute nur noch dem Titel nach bekannt: 45) Deutsches Zitat nach Bernhardi, Milton's Politische Hauptschriften, Bd 1, S.206; lateinisches Zitat nach Milton, Works, Bd 7, S.144. 46) Schalleri Dissertatio, S.226. 47) Gustav C.Knod: Die alten Matrikeln der Universität Straßburg 1621 - 1793. Bd 1: Die allgemeinen Matrikeln und die Matrikeln der philosophischen und theologischen Facultät. - Straßburg: Trübner 1897. S.328. (=Urkunden und Akten der Stadt Straßburg. 3.Abt.: Die alten Matrikeln der Universität Straßburg). - Weitere Nachrichten über Kieffer waren nicht zu finden.

Kieffers "Dissertatio"

31

"Dissertationis ad Quaedam Loca Miltoni Pars Prior; Quam Annuente Deo, Praeside, Dn. Jacobo Schallero, SS. Theolog. Doct. et Philosoph. Pract. Professore. Solenniter defendere Conabitur Die Mensis Septembris Erhardus Kieffer. Durlaco-Marchicus. - Argentorati. Typis Friderici Spoor. 1652".^®^ Die wenigen überlieferten Zeugnisse deuten darauf hin, daß sie ähnlich wie Schallers "Dissertatio" angelegt war und "einzelne Sätze der Abhandlung eines 'gewis40) sen Milton'" auszog, obwohl sie stärker Partei ergriffen haben muß, wenn sie die von French angedeutete "frequently found combination of obsequious praise of royalty and horror at the regicide and at Milton and all others 50) connected with it"^ ' enthalten hat. Mehr läßt sich darüber nicht sagen, und wir können an dieser Stelle lediglich festhalten, daß sich in Straßburg ab 1652 ein besonders reges Interesse an Milton manifestierte: In mehr als einem Fall wurde die "Defensio" zum Disputationsthema, das der akademischen Zuhörerschaft wie den Lesern der anschließend im Druck vorgelegten Erörterung Miltons Anschauungen nahebrachte und die Unhaltbarkeit seiner Thesen zu erweisen suchte, ohne daß uns die daraus resultierenden Wirkungen schon vollends greifbar wären. 48) Zit. nach French, Life Records, Bd 3, S.276, der sich auf das 1944 verbrannte Exemplar der Hess. Landesund Hochschulbibliothek Darmstadt (Sign. Ν 1498 - 4 ) stützt. Die Nachrichten über Kleffers "Dissertatio" sind äußerst widersprüchlich, und man möchte in ihr fast die verschollene Erstausgabe von Schallers "Dissertatio" (vgl. Anm.40 dieses Kapitels) sehen. Für eine solche Annahme spricht nicht nur die Überlegung, daß Disputationen der damaligen Zeit zumeist das Werk des präsidierenden Professors waren, sondern auch die Tatsache, daß der Nachdruck von 1657 (vgl. Kap. 1.5.. Anm.3) zwar Kieffers Namen (zusammen mit dem Schallers) auf das Titelblatt setzt, dann jedoch Schallers Text wörtlich abdruckt als "Exercitatio ad quaedam loca Miltoni". Gegen diese Annahme spricht der Hinweis auf die ebenfalls unter Schallers Anleitung entstandene, jedoch selbständig abgefaßte "Dissertationis ad quaedam loca Miltoni" eines anderen Schülers sowie die Beobachtung, daß weder Stern (s. Anm.49 dieses Kap.) noch French, denen Kieffers und Schallers Arbeit vorlag, von textlichen Ubereinstimmungen sprechen. 49) Alfred Stern: Milton und seine Zeit. Zweiter Theil 1649 bis 1674. - Leipzig: Duncker und Humblot 1879. 3. Buch. S.82.

32

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

1.4.

E x k u r s : M i l t o n u n d d e r R e i c h s t a g zu R e g e n s b u r g (1653/54)

Wir halten einen Augenblick inne, um einen Exkurs einzuschieben, der das bisher aus Universitätsschriften oder Exercitationen gewonnene Miltonbild, wie es sich dem damaligen Leser darbot, zu ergänzen vermag und ein weiteres Indiz dafür bildet, daß Milton zu Anfang der fünfziger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts in Deutschland bekannter war als heute aus dem Vorhandensein jener Gegenschriften geschlossen werden kann. Dazu greifen wir auf ein Zeugnis zurück, das sich in den Akten des Regensburger Reichstages von 1653/54 findet und nur handschriftlich überliefert ist, so daß keine Aussage über seine tatsächliche Verbreitung möglich ist. Dennoch mag,der eine oder andere Zeitgenosse davon gehört haben, zumal wenn die in Zusammenhang mit diesem Zeugnis in Erwägung gezogenen öffentlichen Edikte wirklich erlassen worden sein sollten. Der Reichstag zu Regensburg, der erste nach dem Ende des 30jährigen Krieges, war vor allem dem Versuch gewidmet, die Frage der Reichssteuern sowie die Zusammensetzung und Geschäftsordnung der Reichsdeputationstage neu zu ordnen. Doch die Verhandlungen darüber zogen sich über Monate hin und wollten zu keiner Einigung führen. Auch auf außenpolitischem Gebiet erwies sich das Reich ohnmächtiger denn je, was sich insbesondere bei den Hilfeersuchen des polnischen und des englischen Königs zeigte, die, vertreten durch ihre Abgesandten, vor den in Regensburg versammelten drei Ständen um Unterstützung in ihrem Kampf um die Krone baten. Für uns ist die Sitzung des die Gesamtheit der nichtkurfürstlichen und nichtstädtischen Reichstagsstimmen vereinigenden Fürstenrates vom 6./16.Juli 1653 von Interesse, da an diesem Tag des "Königl. Engelländischen Gesandten 50) French, Life Records, Bd 3, S.276.

D e r Regensburger Reichstag

33

Anbringen" ' ausführlicher zur Sprache kam, ohne daß die tags zuvor erhobene Mahnung des österreichischen Vertre2)

ters, es "sey an deme, daß m a n n sich ietzo resolvire", ' Erfolg hatte. U b e r die Einschätzung der Lage des nach H o l land geflüchteten jungen Königs Karl II. w a r m a n sich einig: m a n empfand "christliches m i t l e i d e n " ^ mit ihm, verstand, daß es schwer sei für einen König, "sein Land mit den auckhen a n z u s e h e n " h a t t e

aber Bedenken, "bey

ietzigen durch den 30jährigen Krieg enervirten viribus 5) umb frembden Interesse willen" ' M i l i t ä r aufzubieten und w a r höchstens bereit, mit einer Geldsumme auszuhelfen, ansonsten jederzeit erbötig, "die bishero gepflogene gute Nachbarschafft u n d Correspondenz [...] zu continuiren, und w e n n sich Teutschland v o n den langwierigen K r i e g s Pressuren in etwas wieder/Γ würde erholet haben, [...] nach Vermögen beyzuspringen". ' W a r hier die Politik ganz auf Beschwichtigung ausgerichtet, so schlug andererseits der Vertreter BraunschweigWolfenbüttels eine neue Tonart an, als er auf die Gefahren aufmerksam machte, die dem R e i c h "wegen der Engelländischen A c t i o n u m " ^ vom Januar 1649 zu erwachsen drohten. Jene Tat sei an sich schon schrecklich genug, doch "die principia mit denen dießes factum tolorirt" werde, seien noch viel alarmierender, zumal sie im Druck vorlägen und "in des ge1) Johann Gottfried v o n M e i e r n (Hrsg.): A c t a Comitialia Ratisbonensia Publica Oder Regenspurgische ReichstagsHandlungen und Geschichte v o n den J a h r e n 1653 und 1654 beschrieben v o n Johann Gottfried v o n Meiern. - Leipzig, Verlegts Michael Türpe, Buchhändler daselbst. 1738. S.335. 2) Protokoll der Sitzung des Reichsfürstenrates vom 6./ 16.Juli 1653 in Regensburg, fol.19. D a s Protokoll ist u n gedruckt und in dem Band 'Kurbaiern Lit. 2636 fol. 19-23' enthalten, der zu den Beständen des Bayerischen Hauptstaatsarchives Abt. I Allgemeines Staatsarchiv gehört. Herrn Prof.Dr.Puchner, München, danken w i r für die frdl. Vermittlung der Ablichtungen. 3) Protokoll des Fürstenrates, fol. 19v. 4) Ebda. fol. 20v. 5) Ebda. fol. 20. 6) Meiern, Acta Comitialia, S.284. 7) Protokoll des Fürstenrates, fol. 21v; ff. Zitate ebd.

34

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

meinen Manns und deren Händ gebracht [würden], so sich zu demagogies gebrauchen lassen". M a n müsse sehr darauf achten, daß "die sache nicht auff eine vitiosam Democratiam oder gar Anarchiam hinaußlauffe", und er gebe zu bedenken, daß der Einfluß derartiger "Scripta" eher größer denn geringer werde, so daß letzten Endes alle deutschen Regierungen davon betroffen würden. Der Gesandte Braunschweig-Wolfenbüttels nennt im folgenden nur eine einzige Schrift, die wegen ihrer aufrührerischen Tendenzen zu verurteilen sei, und das ist Miltons "Defensio pro populo Anglicano", an die im übrigen auch die meisten anderen Mitglieder des Fürstenrates bereits gedacht haben dürften. Um das Reich vor weiterem Schaden zu bewahren, hält er es für "nit undienlich", dem Collegium vorzuschlagen, "solche principia, welche in Miltono geführet, abzuschaffen", und dessen Schriften in Deutschland überhaupt verbieten zu lassen. Auch gehe es unter keinen Umständen an, daß auf den Universitäten weiterhin "ins wilde darvon disputirt oder gar wohl defendiret werde". Diese letzte Bemerkung ist besonders aufschlußreich, denn sie beweist nicht nur, daß die Diskussion um Milton an den Hochschulen lebhafter w a r als die überlieferten Zeugnisse vermuten lassen, sondern sie vermittelt auch einen E i n druck von der Furcht, die man in damaligen Regierungskreisen vor möglichen Wirkungen der "Defensio" hatte, so daß man sie und ihren Autor am liebsten totgeschwiegen hätte. Es gab nämlich keineswegs nur Stimmen, die Miltons Thesen ablehnend gegenüberstanden. Vielmehr müssen gerade unter den "Professoribus" 8 ^

einige gewesen sein, die mit der eng-

lischen Republik sympathisierten, wie auch aus dem Schlußw o r t des Gesandten hervorgeht, das an alle diejenigen gerichtet ist, "so ein ansehen haben, alß wolten sie den Par8) Bernhard Erdmannsdörffer: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Politische Verhandlungen B d 3. - Berlin: Reimer 1872. S.258. (= Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedr. Wilh. v. Brandenburg. B d 6).

Der Regensburger Reichstag

35 q)

lament und dessen adhaerenten favorisiren", und sie zur Zurückhaltung ermahnt, damit sie sich nicht "bey allen Regnis et Imperijs in gefahr sezen". Ähnlich wie der Vertreter Wolfenbüttels verurteilte auch der Vertreter Münsters die "Scripta, so contra autho10) ritatem Regiam gehen", ' doch an diesem 6.Juli kam der Fürstenrat nicht mehr zur Beschlußfassung über ein eventuelles Verbot, und während der folgenden Sitzungen scheint die Angelegenheit von anderen Geschäften verdrängt worden zu sein. Erst am 10.Dezember des gleichen Jahres findet sich eine weitere Notiz darüber in den Akten: man habe erneut die in Zusammenhang 11) mit der "Engelländischen Verübung wider ihren König" ' im Heiligen Römischen Reich in Umlauf befindlichen "sehr nachtheilige Tractate und Schrifften" in Erinnerung gebracht und angeregt, "alle dergleichen Sachen durch öffentliche edicta bey hoher Straffe verbieten und wo die befunden würden, confisciren" zu lassen. Miltons Name wird nicht noch einmal explizit genannt, doch steht zweifelsohne fest, daß es vor allem die "Defensio" war, durch die "besorglich grosser Ungehorsam, Aufstand und Rebellion der Unterthanen wider ihre Obrigkeit nach und nach erwecket werden" mochte. Ob die oben erwähnten Edikte jemals erlassen wurden, ist nicht bekannt. Auch wäre ihre Wirksamkeit fraglich geblieben, da das Interesse an Milton noch immer anhalten sollte. Selbst zu der Zeit, da der Fürstenrat über ein Verbot der Miltonschen Schrift beriet, wurde in den Straßen Regensburgs die "Defensio" öffentlich zum Verkauf angeboten, wie aus dem Bücherverzeichnis des Augsburger Buchhändlers Johannes Weh hervorgeht, der eine 1 2Filiale am Tagungsort des ) Reichstages eingerichtet hatte. ' In dem nur wenige Seiten umfassenden, offenbar in aller Eile hergestellten Ka9) Protokoll des Fürstenrates, fol. 21v.; f. Zitat ebd. 10) Ebda. fol. 22. 11) Meiern, Acta Comitialia, S.730; ff. Zitate ebd. 12) Johannes Weh (Hrsg.): Dise Bücher seynd auß dem Augspurger Buechladen / vnd bey Johannes Weh Buchhändlern / der Zeit in Regenspurg / zufinden. Anno 1653. (Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek, Sign. Ded. 4/163(25).)

36

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

t a l o g i s t s i e d o r t unter den " L i b i i H i s t o r i c i e t P o l i t i c i "

13) als "Miltonij defensio pro populo Anglico. 12. "

ver-

zeichnet und steht nicht weit entfernt von der "Defensio Regia" des Salmasius, so daß auch den Besuchern des Reichstages die Möglichkeit geboten war, sich ein eigenes Bild von dem Für und Wider der von Milton verfochtenen Thesen zu machen.

1.5.

F r ü h e E r w ä h n u n g e n M i l t o n s und d e r " D e f e n s i o " in U n i v e r s i t ä t s s c h r i f t e n (II)

A n den Universitäten ging die Diskussion um Miltons "Defensio" unvermindert weiter, wenngleich die frühere Heftigkeit persönlicher Angriffe einem weitgehend sachlichen Ton zu weichen begann. Dennoch bleibt auch der Tenor der im folgenden zu betrachtenden Untersuchungen ablehnend; nirgends läßt sich gegenüber Miltons Grundprinzipien Sympathie oder gar Zustimmung feststellen, und keiner der Zeitgenossen, der eine von der offiziellen Version abweichende Meinung vertreten haben mochte, scheint diese der Öffentlichkeit anvertraut zu haben. E i n umfassenderes Miltonbild hätte sich ergeben können, w e n n die 1654 in London erschienene "Pro Populo Anglicano Defensio Secunda", in der Milton unter anderem einen Abriß seines bisherigen Lebens gab, in Deutschland damals näher bekannt geworden wäre. Schon im Oktober des gleichen J a h res wurde sie auf den Buchmessen in Frankfurt und in Leip1) zig von den Holländern angeboten; ' die Nachfrage scheint jedoch gering gewesen zu sein, denn weder reicht die Zahl der heute in den deutschen Bibliotheken vorhandenen Exemplare, die uns in dieser Frage zumindest als ein Anhaltspunkt dienen kann, 2 ^ auch nur in etwa an die vielen N a c h 13) Katalog des Johannes Weh, Bl. B. 1v. 1) Catalogus Universalis, Herbstmeß 1654, Ausgabe L e i p zig, Bl. Ε 3v. Angeboten wurde nicht die Originalausgabe, sondern der von Adriaan Vlacq im Haag besorgte Nachdruck. 2) Parker, Milton, A Biography, S.1034, hat rund 40 Exemplare ermittelt, die heute noch in Deutschland vorhanden sind.

GUntzers "Dissertatio"

37

weise der oft nachgedruckten "Defensio Prima" heran, noch haben sich zeitgenössische Kommentare finden lassen, in denen auf die "Defensio Secunda" verwiesen wird. Denn im Gegensatz zu ihrer berühmten Vorgängerin bot sie wenig Neues zu dem noch immer als Sensation empfundenen politischen Problem des Königsmordes, sondern erschöpfte sich stattdessen weitgehend in persönlichen Angriffen auf Salmasius. Die Aufmerksamkeit blieb somit auf Miltons erste Verteidigung beschränkt, und nur von ihr aus wurde er weiterhin beurteilt. Im Herbst des Jahres 1657 gelangte die nächste gegen Milton gerichtete Universitätsschrift auf die deutschen Buchmessen: "Jacobi Schalleri Dissertationem ad quaedam loca Miltoni pars prior et posterior. Argentorati apud Frid. Spoor".

Sie enthält in ihrem ersten Teil die nun

'Exercitatio' genannte und von dem bereits erwähnten Erhard Kieffer verteidigte alte Dissertation Jakob Schallers aus dem Jahr 1 6 5 2 , ^ während der zweite Teil, der auch se5) parat publiziert worden ist, den Namen des Jurastudenten und späteren Syndikus sowie Kanzlers der Stadt Straßburg Christopher G ü n t z e r ^

trägt.

Güntzer setzt sich weitaus eingehender mit Miltons T h e sen auseinander und verrät ein stärkeres Engagement als sein Vorgänger Schaller, w e n n er den Zitaten aus der "Defensio" nicht einfach Zitate anderer, meist antiker Autoren 3) Vgl. Catalogus Universalis, Herbstmeß 1657, Ausgabe Leipzig, Bl. Β 1v; der genaue Titel lautet: Dissertationis A d Quaedam Loca Miltoni Pars Prior Et Posterior. Quas A d spirante Deo Praeside Dn. Iacobo Schallero, [...]. Solenniter defenderunt Erhardus Kieffer / Durlaco-Marchicus, Christophorua Güntzer / Argentoratensis. - Argentorati, Typis Friderici Spoor. Μ DC LVII. (Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek, Sign. Diss. 3496 (13).) 4) Vgl. Kap. 1.3. dieser Arbeit. 5) Jacob Schaller (Praeses): Dissertationis A d Quaedam Loca Miltoni Pars Posterior, Quam Adspirante Deo Praeside Dn. Iacobo Schallero, [...] Solenniter defendet Die [17] Mens. Septemb. Christopherus Güntzer / Argentorat. - A r gentorati, Typis Friderici Spoor. Μ DC LVII. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 1326.e.11.(4).) Im folgenden abgekürzt Schaller-Güntzer. 6) 1633 - 1695, vgl. ADB.

38

Auseinandersetzving mit dem Publizisten

gegenüberstellt, sondern Miltons Argumente von allen Seiten her beleuchtet, um auf diese Weise ihre Unhaltbarkeit zu bezeugen. Auch betont er ausdrücklich, alles, was er zu Milton anführe, geschehe "allein aus Wahrheitsliebe und nicht um Bitten oder Belohnungen willen" (solius veritatis amore, nec prece nec pretio conducti)Natürlich kann er nicht sämtliche Punkte in der "Defensio" aufzählen, die in o) seinen Augen "Kritik verdienten" (censuram mererentur); in der Hauptsache konzentriert er sich daher auf das siebte Kapitel, das an Beispielen aus dem alten Rom die Macht des Volkes als über der Macht des Herrschers stehend illustriert hatte, sowie auf das zweite Kapitel, in dem das königliche Recht in seiner Beschaffenheit genauer untersucht worden war. Ohne Einleitung geht er sofort in medias res und beginnt mit Miltons Argumentation zugunsten des spartanischen Königtums, für das der englische Defensor nur deshalb eine so große Vorliebe empfinde, "weil, wie die Ephoren den König Agis erdrosselten, so auch die Engländer ihren König enthaupteten" (quod ut Ephori Agin Regem strangularunt, ita Angli Regem suum decollarint)Güntzer sieht in Milton einen Revolutionär, einen "Verteidiger der Volksherrschaft" (Democratias propugnatorem),dem er anhand von Stellen aus der Schrift entgegenhält, es sei nicht ohne Grund, "daß Gott die monarchische Form vorgezogen und die Demokratie, für die Milton kämpft, zurückgewiesen hat" (quod Deus Monarchicam formam praetulerit, repudiata illa, pro qua Miltonus pugnat, Democratia).11^ Zudem habe Milton Unrecht, wenn er aus dem Wort "Freiheit" sofort ein "oberstes Recht des 1 Volkes" (Jus Populi supremum) ' zu erschließen suche; gegen Salmasius wettere er vergebens, und überhaupt fehle seiner Beweisführung jeglicher Anstrich von "etwas Farbe" 7) Schaller-Güntzer, Dissertationis, S.92. 8) Ebda. S.91. 9) Ebda. S.48. 10) Ebda. S.69. 11) Ebda. S.78. 12) Ebda. S.64.

Güntzers "Dissertatio"

39

1 3) (aliquid coloris).

J>

Auch Güntzer verzichtet in der Regel auf Angriffe persönlicher Art. Dennoch muß er von M i l t o n das Bild eines irregeleiteten Mannes entwerfen, dessen Verteidigungsschrift ihn als einen "Kritiker" (Criticum)

' erscheinen

läßt, der so unbekümmert vorgeht, daß er "nicht nur Silben abwürgt, w e n n sie seinem Vorhaben nicht dienlich sind" (non tantum syllabas jugulat, quando instituto non inserviunt), sondern auch den Sinn ganzer Sätze verändert, um die Tat des englischen Volkes rechtfertigen zu können. D i e ses negative Fazit, das sich dem Leser der vorliegenden "Dissertatio" im Hinblick auf Milton anbietet, wird noch verstärkt, wenn m a n die vorangestellten Gedichte hinzunimmt, die von Kommilitonen der beiden Respondenten verfaßt wurden und als Gratulation zum erfolgreichen Abschluß ihrer Verteidigungen gedacht sind. Güntzer sind insgesamt elf Gedichte gewidmet, von denen drei uns besonders interessieren, da sie auch über Milton einiges zu sagen haben. In dem einen, das von Henricus Leuchter 15) stammt, wird die "Defensio" als "schmähliches ΛΟΛ

Schriftstück Miltons" (Miltonii ignobile scriptum)

' apo-

strophiert und die Notwendigkeit betont, ihrem Autor in aller Öffentlichkeit zu widersprechen, damit verhindert werde, daß er sein Ziel erreicht und "alles Untergebene gegen seine Herren aufwiegelt" (movet in Dominos subdita cuncta suos). Gedanken dieser A r t w a r e n bereits auf dem Reichstag zu Regensburg lautgeworden; sie scheinen einer damals weitverbreiteten Furcht vor den Wirkungen der M i l tonschen Schrift Ausdruck zu geben u n d müssen v o n daher als eine der charakteristischen Einstellungen der Zeit M i l t o n gegenüber gewertet werden. 171 D e r Autor des zweiten Gedichtes, J o h a n n Reussner, '' 13) Schaller-Güntzer, Dissertationis, S.63. 14) Ebda. S.66; f. Zitat ebd. 15) Zur Person w a r e n keine Einzelheiten auffindbar. 16) Schaller-Güntzer, Dissertationis, B1.3; f.Zitat ebd. 17) Knod, Die alten Matrikeln, S.320, berichtet, daß er aus Lichtenau stammte und im April 1645 an die Universität Straßburg kam.

40

Auseinandersetzung m i t dem Publizisten

verhehlt keineswegs seine Genugtuung darüber, daß Güntzer es unternommen hat, w i d e r M i l t o n zu streiten u n d dessen "frevlerische Thesen" (sacrilegasque t h e s e s ) m i t

soli-

der Begründung zurückzuweisen. D e n n während die "religiösere Welt" (relligiosior orbis) sich beglückwünsche, daß sie von ähnlichen Greueln verschont geblieben sei, billige M i l t o n "mit scheußlichem Munde" (diro ore) jene Untat, die in England zum Recht erklärt wurde. Seine "mit verbrecherischer Hand" (scelerato pollice) verfaßte Schrift könne daher nur Ablehnung erfahren, zumal er die Ansicht vertrete, "das niemals verletzliche Szepter des Königs sei verdientermaßen zerschmettert worden" (Regis nunquam violabile sceptrum concussum merito). Diese entschiedene

Stellungnah-

me gegen M i l t o n dürfte von den meisten Zeitgenossen geteilt worden sein, die v o n der Heiligkeit des Königtums überzeugt waren und wie Reussner auf "die gerechte Rache für die schuldigen Britannen" (sontes ultio justa Britannos) warteten. Ganz andere Perspektiven ergeben sich aufgrund des drit19) ten Gedichtes, das v o n Christian Keck ' verfaßt wurde, der unter anderem auch durch eine Elegie auf Nicolaus H e i n 20) sius bekannt geworden ist und dessen Abneigung gegen Salmasius geteilt haben muß. Keck setzt mit einem Hinweis auf "die Tat der von Königsblut triefenden 21) Britannen" guine regio madentum facinus Britanniarum)

(san-

ein, gegen

die Salmasius aufgestanden sei. W a s v o n diesem "Wunderzeichen einer gelehrten Welt" (eruditi orbis prodigium)

jedoch

vorgebracht wurde, habe M i l t o n "mit der Schreibfeder .unterdrückt" (calamo repressit). - Überrascht schon hier der gemäßigte Ton, der dem englischen Defensor gegenüber angeschlagen wird, so zeigt sich im folgenden, daß Keck zwar 18) Schaller-Güntzer, Dissertationis, B1.3v; ff. Z i t a te ebd. 19) Vgl. Knod, Die alten Matrikeln, S.321. Keck w a r Straßburger und begann sein Studium im September 1645. 20) Zu Heinsius s. Kap. 1.8., Anm.14 dieser Arbeit. 21) Schaller-Güntzer, Dissertationis, B1.2v; ff. Zitate ebd.

Güntzers "Dissertatio"

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stets v o n den "grauenhaften Britannen" (truces Britanni) spricht, Milton hingegen in einem weitaus positiveren Lichte sieht, als es je zuvor geschehen ist. Fast klingt es wie eine Entschuldigung der "Defensio", w e n n er deren Verfasser die Kompetenz abspricht, sich in dem von Salmasius verfochtenen Fall zu engagieren. Obwohl Keck nicht leugnen kann, daß Milton "scheußlichem Verbrechen das W o r t redet" (diro sceleri patrocinantes), hebt er ihn dessenungeachtet als einen M a n n hervor, der "außergewöhnliche B e gabung zeigt" (ingens monstrante ingenium) sowie "einen Sinn nicht unverständig für sorgsam ausgefeilte Kunst" (nec artis expertes animos laboriosae). Zum ersten M a l w i r d somit zwischen der Person und dem Werk J o h n Miltons deutlich unterschieden: wie aufrührerisch die in der "Defensio" vertretenen politischen Anschauungen auch wirken mußten, so werden sie v o n Keck doch nicht automatisch auf ihren Autor übertragen, so daß dessen Bild nicht v o n v o r n herein die sonst übliche Schwarzfärbung erfährt. Allerdings bleibt dieses Vorgehen eine Ausnahme und kehrt selbst nicht in einem jener fünf Gedichte wieder, die dem anderen Respondenten z u Ehren verfaßt w o r d e n sind. Eines davon, das den N a m e n des Straßburgers Balthasar B o e bei

22)

' trägt und in seinen Eingangszeilen starke Anklänge 23) an eine Stelle aus Shakespeares "Richard II." aufweist, spricht - ohne Milton ausdrücklich zu erwähnen - nur allgemein v o n dem durch Kieffer "aufgedeckten Betrug, der zum

Untergang und M o r d an den Regenten ausgeheckt wurde" (detectae fraudis ad exitium factae caedemque r e g e n t u m ) . ^ ^ Scharfe, w e n n nicht gar die schärfsten Worte Uber den englischen Defensor fallen hingegen bei Franciscus Reisseis22) 1632 - 1686, vgl. ADB. 23) Die Frage, ob Shakespeare zu dieser Zeit in Deutschland schon bekannt war, kann hier nicht weiter untersucht werden. Verblüffend ist jedoch die Parallelität der Gedanken, vergleicht m a n die Worte J o h n of Gaunts (2.Akt, 1. Szene) mit denen Boebels: "Est locus Oceani tepidis circumfluus undis, / temperie coeli terraeq; feracibus arvis / dignus ut exculti Paradisi nomen haberet, [...]". 24) Schaller-Güntzer, Dissertationis, S.44.

42

Auseinandersetzung mit dem Publizisten 25)

sen , der in seinen Versen dazu aufruft, sich mit ihm in dem Kampf gegen die "wahnwitzige Miltonsche Brut" (vecors Miltonia p r o l e s ) 2 ^ zu verbinden. Es gelte, diesen "Feind" (hostem), der allenthalben provoziere und keinen König fürchte, zu "vernichten" (rumpere), damit alle mit Kieffer Gleichgesinnten schließlich triumphieren könnten: "Nun geht es dem besiegten Milton schlecht" (nunc misere Milto, victus, habet). So schließt sich der Kreis gegen Milton erneut, nachdem durch Keck gerade erst die Möglichkeit einer positiveren Betrachtungsweise aufgezeigt worden war, und das dem Leser vermittelte Miltonbild ist wiederum ausschließlich von der Kritik an den Thesen der "Defensio" her bestimmt.. Die gleiche Beobachtung gilt für die letzte uns vorliegende Universitätsschrift aus dem ersten Jahrzehnt der Miltonrezeption in Deutschland, den "Discursus Publicus de 27)

Jure ac Potestate Parlament! Britannici". ' Autor dieser Schrift war ein Sohn des berühmten Theologen Johann Gerhard, der 1634 geborene Johann Andreas Gerhard, 2 8 ^ der ein Jahr nach ihrer Publikation an der Jenaer Universität zum Doktor der Rechte promovieren sollte. Obwohl der "Discursus" in dem Augenblick veröffentlicht wurde, als die englische Republik zu existieren aufgehört hatte und Karl II. in sein Reich zurückgekehrt war, enthält er keinerlei Hinweise auf die Konsequenzen, die sich für Milton aus der gewandelten Lage in England ergeben mußten. Stattdessen weist er, neben häufigen Anspielungen, ein ganzes Kapitel 25) 1631 - 1710, vgl. Rudolf Reuss (Hrsg.): Strassburgische Chronik von 1667 - 1710. Memorial des Ammeisters Franciscus Reisseissen. - Straßburg: Schmidt 1877. 26) Schaller-Güntzer, Dissertationis, S.43; ff. Zitate ebd. 27) Johannes Andreas Gerhard: Discursus Publicus De Jure ac Potestate Parlamenti Britannici, [...] in argumentum disputandi publice exponunt Joannes Andreas Gerhard / D. et Orthgies Schulte Nob. Bremens, ad d. Jul. horis consvetis in Auditorio Juridico. - Jenae Typis Georgii Sengenwaldi. Anno Μ DC LX. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. G. 3803. (11).) 28) 1634 - 1680, vgl. Zedier.

Gerhards "Discursus"

43

auf, in dem noch einmal "gegen Milton gestritten wird" (contra Miltonum d i s p u t a t u r ) u n d dessen Aussagen in der "Defensio" über die Einberufung des englischen Parlamentes einer genauen Prüfung unterzogen werden. Nachdem Gerhard die Position Miltons kurz umrissen hat, der als einziger zu leugnen "gewagt" ( a u s u s ) h a b e , daß die Entscheidung Uber die Einberufung des Parlamentes allein der Krone obliege, hält er es für erforderlich, seine Leser genauer mit dessen Person bekannt zu machen. Für alle, die (noch immer) nichts von Milton wissen oder ihn im Laufe der Zeit wiederum vergessen haben, erfolgt als erstes die Angabe, daß er "ein Engländer" (Anglus) .sei, und danach sofort der Hinweis, wie man ihn einzustufen habe, nämlich als den "hitzigsten Verteidiger seines Stammes oder vielmehr der von einigen Meuchelmördern begangenen Tyrannentat" (Gentis suae, vel potius tyrannidis a parricidis quibusdam commissae Defensor acerrimus). Diese Charakterisierung trennt deutlich zwischen der Masse des Volkes und den Anhängern des Königsmordes, jedoch so, daß Milton nicht - wie etwa bei Güntzer - als Verteidiger der Volksherrschaft gesehen wird, sondern als ein "den Königen Englands höchst feindselig" (Regibus Angliae infensissi-Ζ*ι \ mus)^ ; gesonnener Mann, der wegen seiner umstürzlerischen Ideen zu den "englischen neoterischen Schriftstellern" (Scriptores Anglici n e o t e r i c i ) g e r e c h n e t werden muß. Uber Miltons Argumentation in der Frage der Parlamentsrechte weiß Gerhard zu berichten, dieser gehe offensichtlich von falschen Voraussetzungen aus und gelange dadurch zwar oft zu hervorragenden Schlußfolgerungen, die jedoch des Beweises ermangelten. Gerhard zitiert ausführlich aus der "Defensio", jeweils mit genauer Seitenangabe nach der von ihm benutzten Ausgabe, und sucht den Leser davon zu überzeugen, daß es stets Miltons Art sei, "das, was ihm selbst am meisten hinderlich ist, gleichsam als gesichert29) 30) 31) 32)

Gerhard, Discursus, Bl. B3. Ebda. Bl. B; ff. Zitate ebd. Ebda. Bl. B2v. Ebda. Bl. C1v.

44

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

stes Hilfsmittel für seinen Fall" (quod sibi vel maxime adversatur, id veluti firmissimum causae suae subsidi\ 33)

um) ' anzuführen. Ein solches Vorgehen aber mache letztlich jede Entgegnung unnötig, weil Milton auf diese Art "sich immer selbst widerlegt" (semper sibiipsi adversetur). Andererseits muß Gerhard in Milton einen jener Engländer sehen, die über die Rechte des Parlamentes "noch größeren Unsinn reden" (magis ineptiunt)^^ als es je zuvor geschehen ist, und er kann deshalb nicht umhin, ihm eine längere Passage in dem "Discursus" zu widmen, um den "Zwischenrufer Milton" (Interlocutorem Miltonum)-mit dessen eigenen Argumenten zu schlagen. Das Bild, das Gerhard bei dieser Gelegenheit von Milton entwirft, ist von einer Eindringlichkeit, daß es leicht im Gedächtnis der Leser haften geblieben sein dürfte. Gleichzeitig faßt es das Urteil, das über Miltons Tätigkeit auch in all den anderen Gegenschriften gefällt worden war, gleichnishaft noch einmal zusammen und verleiht der Haltung Ausdruck, die man im damaligen Deutschland dem englischen Defensor gegenüber einnahm. Viel kann die Allgemeinheit nicht von ihm gewußt haben, dafür waren die Nachrichten zu dürftig und zu einseitig; doch wenn sein Name in Verbindung mit der "Defensio" fiel, mußte Milton in der Regel so eingeschätzt werden,wie Gerhard es hier formuliert hat: als ein Mensch, der eine der schrecklichsten Taten des Jahrhunderts ebenso vergeblich zu rechtfertigen sucht "wie Ocnus bei den Unterirdischen Taue zieht, die zu keinem Zwecke dienen, als daß sie von den Eseln gefressen werden" (quales Ocnus funes apud Inferos, quae nulli sunt usui, nisi ut comedantur ab asinis). 33) Gerhard, Discursus, Bl. B1v; f. Zitat ebd. 34) Ebda. Bl. B3; ff. Zitate ebd. 35) Anspielung auf das Sprichwort Ocnus funiculum torquet, "welches auf alle diejenigen gedeutet wird, die mit unabläßiger Arbeit sich abmartern, und dessen dennoch nicht gebessert sind"; vgl. Zedier, Bd XXV, S.396f.

Conrings Vorlesung 1.6.

E x k u r s : M i l t o n im K r e i s um d e n H e l m s t ä d t e r P r o f e s s o r H e r m a n n C o n r i n g

Damit beenden wir das Kapitel Universitätsschriften, bleiben jedoch noch eine Weile im Bereich der Universität und schließen einen Exkurs an, der uns Auskunft darüber geben soll, inwieweit jene Publikationen Abbild einer regen inneruniversitären Diskussion um Milton waren. Unser Material beschränkt sich auf die Universität Helmstedt, genauer: auf den Kreis um den oft als "mira1) culum saeculi" ' gerühmten Rechtslehrer Hermann Conring, und zeigt am Beispiel dieses Mannes, wie ein Gelehrter höchsten Ranges um 1660 auf Milton und dessen Schriften reagierte. 2) Hermann Conring ' war mit fünfundzwanzig Jahren von der Julius-Universität zum Professor für Naturphilosophie ernannt worden. Nachdem er 1636 zum Doktor der Medizin promoviert hatte, wechselte er auf den Lehrstuhl für Medizin über und übernahm später noch als zweite Professur die der Politik. Schon den Zeitgenossen galt dieser geniale Polyhistor, der juristische, medizinische und politische Vorlesungen hielt, als eine "Sonne der Gelehrten" und als ein "Abyssus eruditionis", ' während spätere Generationen in ihm vor allem den "Begründer der deutschen Rechtswissenschaft"^ sehen sollten. Conrings juristische Tätigkeit mußte ihn zwangsläufig 1) Konrad Burdach: Die nationale Aneignung der Bibel und die Anfänge der germanischen Philologie. - In: Festschrift. Eugen Mogk zum 70.Geburtstag 19.Juli 1924. Halle: Niemeyer 1924. S.306. 2) 1606 - 1681, vgl. ADB. 3) Adolph Clarmundus: Vitae Clarissimorum in re literaria Virorum. Das ist: Lebens-Beschreibung etlicher Hauptgelehrten Männer so von der Literatur profess gemacht. [...]. Allen curieusen Gemüthern zu sonderbahren Nutzen und Vergnügen entworffen / Von Adolpho Clarmundo. [i.e. Johann Christian Ruediger]. Fünffter Theil. - Wittenberg / Verlegts Christian Gottlieb Ludwig / 1706. S.85 (Exemplar der UB Marburg, Sign. VII η C 1283z). 4) ADB, Bd 4, S.448, s.v. 'Conring'.

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Auseinandersetzung mit dem Publizisten

mit Milton und dessen Verteidigungsschrift in Berührung bringen. Wie sehr er daran Anteil nahm, beweist nicht zuletzt die Tatsache, daß er selbst je ein Exemplar der "Defensio Prima" und der "Defensio Secunda" besessen h a t ^ Uber seine Einstellung zu dem englischen Defensor ist uns bereits einiges bekannt, gehen wir davon aus, daß die von Bensen*^ vorgelegte Arbeit implizit auch die Ansicht des Professors widerspiegelt, unter dessen Leitung sie entstanden ist. Conring hat jedoch im Hinblick auf Milton weitaus stärker meinungsbildend gewirkt, als jene eine Hochschulpublikation erkennen läßt, da er ab November 1660 täglich bei sich zu Hause "vor einer genügend zahlreichen Hörerversammlung" (in conventu auditorium sic satis numeroso)^ eine Vorlesung Uber die derzeit mächtigsten Staaten des ganzen Erdkreises hielt, in deren Verlauf er, nachdem er zuvor einen weiten Bogen von Südeuropa über Afrika und Asien hin nach Nordeuropa geschlagen hatte, auf die jüngst in England stattgefundenen Ereignisse zu sprechen kam. Zwar hat er kein eigenes Manuskript hinterlassen, weil er alle Fragen aufgrund seines guten Gedächtnisses ex tempore zu behandeln pflegte, doch haben sich Mitschriften einiger Hörer erhalten,®^ aus denen wir Conrings Stellungnahme zu Milton rekonstruieren können. 5) Vgl. [Hermann Conring:] Catalogus Bibliotheca Conringianae [...]. - Helmestadi, Typis et sumptibus Georgii Wolfg. Hammii, Acad.Typogr. 1694. Nr.137 und 1 5 0 . (Exemplar des Britischen Museums, Sign. S. C. 98). 6) Vgl. Abschnitt 1.3. dieser Arbeit. 7) Hermanni Conringii Admonitio de Thesauro Rerumpublicarum Totius Orbis Quadripartito Genevae Hoc Anno Publicato. - Helmestadii, Excudebat Henric. David M ü l l e m s . Academiae Typographus. Μ DC LXXV. Bl. A 2. (Exemplar der UB Marburg, Sign. VII Β VIII Ν 1). 8) Hermanni Conringii Examen Rerumpublicarum Potiorum Totius Orbis. - Die Vorlesung muß ungemein populär gewesen sein, denn noch zu Lebzeiten Conrings wurden Teile daraus von anderen publiziert: so u.a. von Pöpping (Ratzeburg 1668) und von Oldenburger (Genf 1675) sowie von Funccius (vgl. Abschnitt 1.9. dieser Arbeit). Wir zitieren nach dem aus fünf verschiedenen Manuskripten hervorgegangenen Text in der Gesamtausgabe der Werke Hermann Conrings: Viri Quondam Illustris Hermanni Conringii [...] Operum Γ...| Augente et Illustrante Johanne Wilhelmo Goebelio. [...' - Brunsvigae, Sumtibus Friderici Wilhelmi

Conrings Vorlesung

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Die uns interessierenden Bemerkungen fielen ganz am Ende des Uberblicks "de regno Angliae", im Anschluß an eine kurzgefaßte Historie der englischen Könige. Als er zu dem gewaltsamen Ende der Regierungszeit Karls I. kam, empfahl Conring seinen Hörern, wenn irgend möglich, sich jene Schriften zu besorgen, die "für die Seite des Königs und für die Seite des Volkes herausgegeben worden sind" (pro parte Regis, et pro parte populi editi sunt).^ Neben anderen königstreuen Traktaten führte er die "Defensio Regia" des Salmasius an, die jedoch in sie gesetzte Erwartungen nicht erfülle, zumal sie auf falschen Voraussetzungen beruhe. Viele Engländer hätten den Autor darum angegriffen, unter denen besonders aber Milton erwähnt werden müsse, der mit "einer bissigen Schrift" (mordaci scripto) gegen Salmasius vorgegangen sei. Ohne deren Titel zu nennen, fuhr Conring unmittelbar fort, eine knappe Zusammenfassung dessen zu geben, was er als "die Summe der Miltonschen Bücher" (Summa librorum Miltonii) bezeichnete, indem er darlegte, daß nach Meinung des englischen Defensors "die höchste Macht allein dem Volk gehört" (summa potestas debeatur soli populo), und alles, was andere dagegen einzuwenden wagten, für ihn daher rechtswidrig sei. Conring referierte jedoch nicht nur, sondern sparte auch nicht mit Kritik an Milton. Vor allem mißfiel ihm, daß dieser "die Ausgeglichenheit im Urteil und mehr politische Klugheit" (aequitatem judicii et majorem prudentiam politicam) vermissen lasse. Bemüht, Miltons Standort möglichst deutlich zu umreißen, fand Conring schließlich die einprägsame Wendung, "er glaubt, daß der demokratische Status im Staat der beste sei" (existimavit statum democraticum in republica esse optimum), fügte aber sofort, gleichsam als Warnung, das Fazit hinzu: "und so irren Salmasius vind Milton beide schwer" (itaque Salmasius et Miltonius graviter errarunt). Es wäre zuviel gesagt, wollte man behaupten, Milton Meyeri. MDCCXXX. Bd 4, S.47-520. 9) Conringii Examen in: Conringii Operum, Bd 4, S.221; ff. Zitate ebd.

48

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

sei zu dieser Zeit bereits zu einem Klassiker geworden, der in akademischen Vorlesungen behandelt wurde. Immerhin war er bekannt genug, daß ein damaliger Professor es für notwendig befand, sich in einem öffentlichen Kolleg mit den von ihm vertretenen Thesen auseinanderzusetzen, und das allein war in jenen Tagen, als Milton aufgrund der Restauration in England wiederholt um sein Leben bangen mußte, schon ein höchst beachtenswerter Vorgang. Uber diese Vorlesung hinaus hat sich Conring auch an anderen Stellen zu Milton geäußert. So in dem posthum veröffentlichten "Discursus ad Lampadium", in dessen zweitem Kapitel er das Verhältnis des Volkes zum Herrscher beleuchtete und in Zusammenhang damit Milton vorwarf, daß er bei dem Streit mit Salmasius "den Possenreißer spielte" (scurram egit). 1 ®^ Einen ebenfalls sehr interessanten Einblick in die interne Diskussion um Milton gewährt uns schließlich der Briefwechsel Hermann Conrings mit dem 1622 geborenen Baron von Boineburg der in den Diensten des Kurfürsten zu Mainz stand und mit den berühmtesten Männern seiner Zeit Nachrichten aus der gelehrten Welt austauschte. In jenen Jahren war die wissenschaftliche Zeitschrift noch unbekannt, so daß der persönliche oder briefliche Kontakt der Gelehrten untereinander die Aufgabe erfüllte, die später den Journalen zufallen sollte. Boineburg unternahm es, wie aus den vorliegenden Zeugnissen hervorgeht, Conring im Dezember 1660 auf eine in Frankreich erschienene, aus dem Nachlaß des Salmasius herausgegebene Schrift aufmerksam zu machen, von der er gehört hatte, daß sie ge12} gen den englischen Defensor gerichtet sei. ' Diese Notiz gab den Anlaß zu einem Gedankenaustausch der beiden Männer über Milton, der sich über einen Zeitraum von fast zwei Jahren hin verfolgen läßt. 10) Hermanni Conringii Discursus ad Lampadium, zit. nach: Conringii Operum, Bd 2, S.261. 11) 1622 - 1673, vgl. Jöcher. 12) Es war die 1660 von Chavance in Paris gedruckte "Responsio", deren Herausgabe der Sohn des Salmasius besorgt hatte.

Conring und Boineburg

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Im Juni 1661 hatte Conring den "posthumen Fötus gegen Milton" (postumo foeto contra Miltonium), ' wie Boineburg ihn nannte, noch immer nicht zu Gesicht bekommen. Auch versprach er sich wenig Neues davon, weil nach seiner Ansicht beide Verteidiger "mit gleicher Unwissenheit" 14) (aequae imperite) ' Uber die Königsherrschaft disputierten, ganz "gewiß" (nimirum) aber Milton, indem er dem Volk allein die höchste Macht im Staate zugestehen wollte. Was anders, fragte Conring, könne aus solchen Prämissen erwachsen als "grenzenlose Albernheiten" (absurda infinita)? Boineburg, der ebenfalls keiner Seite völlig Recht geben konnte, stimmte Conrings Meinung zu und spöttelte in einem späteren Brief vom Sommer 1662 über den "blinden Gegenspieler des naseweisen Salmasius" (nasuti Salmasii coecus a n t a g o n i s t a ) , v o n dem er zu berichten wußte,daß er allein "aufgrund der Güte des besten Königs" (indulgentia optimi Regis) am Leben habe bleiben dürfen. Die gleiche Nachricht über Milton, "der noch immer, wenn auch blind, in London lebt" (qui adhuc dum Londini coecus vivit) 1 ' wiederholte Boineburg im Oktober 1662 und vergaß nicht, unter Hinweis auf die gewandelten Zeitverhältnisse, hinzuzufügen, Milton gräme sich außerordentlich, "daß es ihm nicht länger erlaubt sei, Spottschriften zu verfassen" (sibi non amplius licere satyram scribere). Außerdem unterrichtete er Conring über einen (nicht näher bezeichneten) Mann, dem Milton aus England einige seiner übrigen Schriften übersandt habe, darunter "jenes schwerwiegende Buch für die Ehescheidung" (ille capitalis liber pro divortiis), von dem man leider sagen müsse, daß es 13) Boineburg an Conring, 6.6.1661, zit. bei: Johann Daniel Gruber: Commercii Epistolici Leibnitiani, [...] Recensuit Jo. Daniel Gruber. - Hanoverae et Gottingae, apud Fratres Schmidios. Μ D CC XLV. S.538. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 1084.k.27.) 14) Conring an Boineburg, 26.6.1661; vgl. Gruber, Epistolici, S.550; ff. Zitate ebd. 15) Boineburg an Conring, 6.8.1662; vgl. Gruber, Epistolici, S.883; f. Zitat ebd. 16) Boineburg an Conring, 16.10.1662; vgl. Gruber, Epistolici, S.948; ff. Zitate ebd.

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Auseinandersetzung mit dem Publizisten

"bis heute vielerorts Anerkennung genießt" (usque adeo hodie regnat locis non unis). Conrings Antwortschreiben, mit dem die Diskussion abbricht, macht deutlich, daß der Ehescheidungstraktat in Helmstedt noch völlig unbekannt war - es sollten Jahre vergehen, ehe die Allgemeinheit in Deutschland von "The Doctrine and Discipline of Divorce" Kenntnis erlangte -, doch glaubte Conring, bei Milton angesichts dessen "frivoler Schriften" (petulantia s c r i p t a ) g e g e n den König auf eine Geistesart schließen zu dürfen, die "sicher nicht stumpfsinnig"(non obtusum quidem) sei, obzwar die ihm bekannten Traktate "der gediegenen Fundierung" (solidae doctrinae) entbehrten. Conrings Urteil, zwar nicht gänzlich unfreundlich, wenn auch von sehr starken Vorbehalten geprägt, belegt noch einmal, wie ausschließlich das Miltonbild jener Zeit von der "Defensio" her bestimmt war. Modifikationen waren daher kaum möglich, rief doch die Erwähnung anderer Miltonia, selbst wenn deren Argumentation gar nicht näher bekannt war, den gleichen wenig günstigen Eindruck von ihrem Verfasser hervor, den man bereits aus dessen "höchst widerwärtiger" ( p e s t i l e n t i s s i m u s ) V e r t e i d i g u n g s s c h r i f t gewonnen hatte. Die Ursprünge dieses Miltonbildes aber führten zurück zu den Zentren des Geistes und - wie der vorhergehende Exkurs gezeigt hat - zu den Zentren der Macht. Dort aus internen Diskussionen erwachsen, sei es im vertraulichen Briefwechsel, im Kolleg, bei Hofe, im Fürstenrat oder im akademischen Vortrag, spiegelte es sich wider in den frühen, zumeist staatsrechtlichen Fragen gewidmeten Publikationen und konnte erst von hier aus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden.

17) Conring an Boineburg, 24.10.1662; vgl. Gruber, Epistolici, S.951; ff. Zitate ebd. 18) Undatierter und unadressierter Brief Hermann Conrings, zit. in: Conringii Operum, Bd 6, S.618.

Miltons Leserschaft 1.7.

D a s e r s t e Z e u g n i s zu

51

d e u t s c h s p r a c h i g e M i l t o n

Unsere bisherigen Ausführungen lassen es jetzt opportun erscheinen, der Frage nachzugehen, welche Bevölkerungskreise im damaligen Deutschland überhaupt Zugang hatten zu jenen Publikationen, in denen sich erste Spuren von dem Engländer John Milton finden. Bei früheren Gelegenheiten hatten wir diese Schicht allgemein als "interessierte Öffentlichkeit" charakterisiert, ohne damit etwas Uber ihre Zusammensetzung oder ihr bildungsmäßiges Niveau zu sagen. Die Feststellung, daß sämtliche uns erreichbaren Zeugnisse aus dem ersten Jahrzehnt der Miltonrezeption in lateinischer Sprache abgefaßt und gedruckt worden sind, muß jedoch zu der Folgerung führen, daß die frühe Bekanntschaft mit Milton allein eine Angelegenheit der gebildeten, wenn nicht gar der gelehrten Stände war, und die Masse des Volkes keinen Anteil daran hatte. Allerdings darf dieses Ergebnis nicht mit modernen Maßstäben gemessen werden. Im siebzehnten Jahrhundert war der Kreis der Lateinkundigen weitaus größer als heute, zumal die lateinische Sprache als internationales Verständigungsmittel diente und vielerorts den Gebrauch des Deutschen sogar verdrängte. Wer immer Uber die Elementarkenntnisse in "Lesen / Schreiben / Rechnen / Singen / und was etwa mehr in Teutscher Sprach einem vernünfftigen Menschen zu aller1) hand guter Nachricht in allen Ständen dienen kan", ' hinausgelangte, der lernte sich der lateinischen Sprache zu bedienen, sei es an den 'Statt-Schulen' und Gymnasia oder auf den Akademien und Universitäten. Allein schon "wegen stattlicher Bücher / die darin geschrieben",^ erwies sich die Beherrschung des Lateins als unentbehrlich, insbeson1) Veit Ludwig von Seckendorff: Teutscher Fürsten-Stat. [... ] Von newem übersehen und corrigirt. [...]. - Franckfurt / In Verlegung Thomae Matthiae Götzens / Anno M. DC. LX. S.233. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XVII C 219·) 2) Ebda. S.115.

52

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

dere für denjenigen Teil der Jugend, der zum Regieren erzogen werden sollte oder "einsten in Kirchen- und SchulAemptern / oder bey Gerichten und Rathstellen sich nutzlich gebrauchen"·^ lassen wollte. Dennoch wäre es verfehlt, aufgrund dieser günstigen Ausgangslage annehmen zu wollen, daß die Mehrzahl der damaligen Lateinkundigen auch um den Verfasser der "Defensio pro populo Anglicano" wußte. Denn die Publikationen, in denen Milton erwähnt und diskutiert wurde, waren - wie wir gesehen haben - so spezieller Art, daß ihre Kenntnis über den Kreis der unmittelbar an juristischen Fragen Anteil nehmenden Zeitgenossen kaum hinausgelangt sein dürfte. Lediglich Zieglers "Exercitationes" werden unter den gelehrten Lesern eine weitere Verbreitung gefunden haben, nicht zuletzt deshalb, weil sie schon im Titel auf jenen Königsmord Bezug nahmen, der damals noch immer die Gemüter aufs heftigste bewegte. Dessen ungeachtet gilt jedoch der Satz: solange Nachrichten über den englischen Defensor nicht in stärkerem Maße in Werke von allgemeinem Interesse aufgenommen oder in der Volkssprache abgefaßt waren, müssen wir mit einer äußerst schmalen Basis für die Miltonrezeption in Deutschland rechnen. Eine Uberprüfung des deutschsprachigen Schrifttums jener Zeit, insbesondere der Flugschriften, Relationen und Historien, die nach dem Tode König Karls I. in großer Zahl auf den deutschen Markt kamen und Uber die jüngsten Ereignisse in England berichteten, hat nur in einem einzigen Fall einen Hinweis auf John Milton ergeben. Das ist überraschend wenig und ändert kaum etwas an der oben skizzierten Situation; doch war zumindest ein Anfang gemacht, auch weniger gelehrte Bevölkerungskreise mit dem Autor der "Defensio" bekannt zu machen, obwohl wir in dem vorliegenden Fall eher von einer Zufallsbekanntschaft sprechen sollten, da das in Frage kommende Werk lediglich einige Zeilen Uber Milton enthält und im übrigen einem ganz anderen Thema gewidmet ist. 3) Seckendorff, Teutscher Fürsten-Stat, S.234.

Zesens "Wunder-geschichte"

53

Das Werk, das zuerst 1661 erschien und 1662, um einen Anhang über die jüngst zu London erfolgten Krönungsfeierlichkeiten erweitert, erneut aufgelegt wurde, w a r Filip von Z e s e n s ^ Buch: "Die verschmähete, doch wieder erhöhete Majestäht: das ist, Karls des Zweiten Königs von En5)

gelland, Schotland,

uam. Wunder-geschichte".

Dieses

"very readable, though uncritical book on the Restoration"^

zeugt, genau wie Zesens an früherer Stelle erwähn-

te Vorrede zu den von August Buchner verfaßten Redten des Königs Caroli, von einem unerschütterlichen Glauben an die Heiligkeit der Majestät,der in der glücklichen Heimkehr des jungen Königs seine Bestätigung gefunden hat. Aus aktuellem Anlaß geschrieben, beginnt es mit einer Rekapitulation der Geschichte Karls I. bis zu dessen unglückseligem Ende, verurteilt in ungewöhnlich scharfer Form jene "fleisch-hakker", die "mit 7) dem schlachten so vieler edelen Herren in Engelland" ' beschäftigt waren, u n d berichtet auch von des Salmasius erfolgreichem Bemü8Ί hen, eine "Königliche Vertähdigung" ' zu schreiben, gegen die selbst der "blitz vieler wiederbälferer" nichts auszurichten vermocht habe. Unmittelbar im Anschluß daran folgt jene Notiz, aus der die zeitgenössischen Leser Auskunft über Milton erlangen konnten. Sie enthält, trotz ihrer Knappheit, eine Fülle v o n Anspielungen, die Zesens intime Kenntnis des Streitfalles m i t Salmasius beweisen, wenngleich sie sich in ihrem Tenor v o n den Äußerungen Zieglers oder ReisseisU) 1619 - 1689, vgl. ADB. .- 5) Filip von Zesen: Die verschmähete, doch wieder erhöhete Majestäht: das ist, Karls des Zweiten Königs v o n Engelland, Schotland uam. Wundergeschichte, durch Filip von Zesen. - In Amsterdam gedrukt, u n d verlegt durch J o a chim Noschen, im 1661.Jahre. (Exemplar des Germanischen Nationalmuseums, Sign. Bg. 5479·) 6) Robert Priebsch: German Pamphlets in Prose and Verse on the Trial and Death of Charles I. - In: A Miscellany. Presented to J o h n Macdonald Mackay, LL.D. July, 1914. Liverpool: University Press 1914. S.184. Anm.1. 7) Zesen, Die verschmähete Majestäht, S.154. 8) Ebda. S.185; ff. Zitate ebd.

54

Auseinandersetzung m i t dem Publizisten

sens kaum unterscheidet, abgesehen davon, daß die Stärke des Angriffs inzwischen weiter zugenommen hat und Unwahrheiten in die Darstellung mit eingeflossen sind. Ehe er den N a m e n nennt, sucht Zesen zunächst in einem B i l d Miltons Tun gegenüber Salmasius als lächerliche V e r messenheit darzustellen, indem er davon spricht, daß "ein elender Zaunkönig" es gewagt habe, den königlichen "Adler" zu beschimpfen, dem allein er verdanke, "in die höhe getragen worden" zu sein. Unverkennbar ist dabei die A b sicht des Autors, Distanz zu M i l t o n schaffen zu wollen und in der Leserschaft Abscheu zu erwecken vor dem gewissenlosen englischen Defensor, dem im folgenden - ganz zu Unrecht - vorgeworfen wird, er habe sich aus niedrigen Motiven dazu verleiten lassen, "seiner fleisch-lüsternen Befehlgeber fleischliche / ja teuflische that / durch einen fleischlichen / ja teuflischen aberwitz / zu. rechtfärtigen". V o n Geldgier besessen und von einer fixen W a h n idee beherrscht ("durch eine vergälte miltze gestochen"), sei M i l t o n v o n der neuen Regierung gedungen ("umbgekauft") worden, seine "verwegene zaunkönigsfeder gegen die hoch fliegende adlers-feder" des Salmasius zu schwingen, habe aber dennoch w e d e r das Feld noch den Sieg behalten, wie Zesen schließlich im Hinblick auf das nach der Restauration erschienene Opus Posthumum des Leydener Professors voller Genugtuung zu berichten weiß. Neben dieser Passage, die in der einschlägigen Litera9) tur häufig zitiert w o r d e n ist, ' findet sich in Zesens Buch noch eine zweite Stelle, die ebenfalls u n d in der gleichen negativen Weise auf M i l t o n Bezug nimmt, ohne als solche bisher erkannt w o r d e n zu sein. D e r Grund dafür ist in der Tatsache zu suchen, daß Zesen eine Namensverwechslung unterlaufen ist, die ihn hier "Witlok" statt M i l t o n schreiben ließ. Das konnte um so leichter geschehen, als er mit den Namen der damals in England führenden Persönlichkeiten nicht allzu gut vertraut w a r und sich völlig 9) Vgl. Parker, Milton's Contemporary Reputation, S. 107 und French, Life Records, B d 4, S.358.

Zesens

"Wunder-geschichte"

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auf seine häufig unzuverlässigen Quellen verlassen mußte. Zwar kommt der Name Wit(e)lok in seiner "Wunder-geschichte" öfter vor und steht dann stets für den damaligen Großsiegelbewahrer (keeper of the great seal) Bulstrode

10)

Whitelock, ' doch ist es gänzlich ausgeschlossen, daß sich auch der uns interessierende Abschnitt auf ihn bezieht, da er niemals als Verfasser antimonarchischer Publikationen aufgetreten ist; weitere Personen dieses N a mens, die als Autoren in Betracht kommen könnten, sind ebenfalls nicht nachweisbar.

' Außerdem sprechen die

Wortwahl, die bis in Einzelheiten hinein mit dem anderen Zitat korrespondiert, das mehrmalige Anführen der "Vertädigung", die "an das Volk geschrieben" ist, sowie die Aufzählung der gegen Karl I. erhobenen Anklagen, die mit denen in der "Defensio" übereinstimmen, so eindeutig für Milton, daß nur noch sein Name eingesetzt zu werden braucht, um ihn als denjenigen Engländer identifizieren zu können, der an der Spitze der den neuen Staat lobpreisenden Publizisten steht. A b e r alle diese schmeichlereien schien [Miltons] ' umbgekaufte feder / weil sie am allerunverschähmtesten lügen konte / w e i t zu über treffen. D a n er hat seine V e r tädigung / vor die Mordrotte an das volk geschrieben / m i t solchen greulichen handgreiflichen lästerungen erfüllet / als die allerschnödeste boßheit / im abwesen des gewissens / kaum hette können / oder dürfen erdenken. E r rafte alle des Königes mishandlungen zusammen / die man nur bloß vermuhten konte von seiner wiegen ab / bis auf sein blühtgerüste / begangen zu sein. Unter andern verwiese er ihm (ich erschrecke / w a n ich daran denke) seines Bruders / u n d Vaters todt / die trennung der Reichsstände / das rükkenhalten u n d vertädigen halsstarriger buben / das erhöhen unrechtmäßiger auflagen / samt anderen neuerungen / wie auch den anf&ng des krieges wieder die Reichs-Stände / und dergleichen unerhörte misgriffe mehr / die Seine Majestät / indem sie m i t den frohn-diensten / und beschweerden / so ihre vorfahren eingesetzt / nicht vergnüget gewesen / solte begangen haben. 10) 1605 - 1675, vgl. DNB. 11) F ü r freundlichen R a t und Unterstützung in dieser Frage danken w i r Dame C.V. Wedgwood (London) sowie Miss R u t h Spalding (Association of Headmistresses, London) u n d Professor A.H. Woolrych (University of Lancaster). 12) Im Original: Witloks.

56

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

Also vermeinten sie / w a n sie dieser heiligen unschuld / durch eine geld-geitzige schand-feder nur einen schandflekken ankleben könten / sie hetten ihre mistaht gnugsam abgewaschen. U n d darum nennten sie diese lasterschrift eine Verantwortung / oder Vertädigung." 13) D e r falsche Hinweis auf "Witlok" bedeutet selbstverständlich, daß allein solche Leser den wahren Sinn dieser Stelle erfassen konnten, die mit M i l t o n und der "Defensio" bereits vertraut waren; für die übrigen mußte sie im H i n blick auf den englischen Defensor ohne W e r t bleiben. D e n noch haben w i r ihren Wortlaut hier vollständig wiedergegeben, weil sie jenes (Schreckens-) B i l d in so einmaliger Ausführlichkeit widerspiegelt, das sich die damalige L e serschaft v o n M i l t o n m a c h e n mußte, gleichgültig, ob sie nun ihre ersten Eindrücke aus lateinischen W e r k e n oder aus dieser einzigen deutschsprachigen Quelle gewann. 1.8.

F r ü h e

S t i m m e n

d e r

G e l e h r t e n

Etwa zur gleichen Zeit, als Zesens W e r k in den deutschen Buchläden verkauft wurde, erschien eine weitere, lateinisch geschriebene Publikation, die von einem Gelehrten herrührte und wiederum auf den M i l t o n des Jahres 1651 Bezug nahm, ihn jedoch in gänzlich anderer W e i s e beurteilte. Dieses Zeugnis findet sich in der umfänglichen Briefsammlung des 1651 verstorbenen Prokanzlers der Universität Altdorf, Georg Richter, 1 ^ die der Öffentlichkeit elf Jahre später unter dem Titel "Georgii R i c h t e r ! JC.Ejusque Familiarum Epistolae Selectiores" 2 ' vorgelegt wurde. Es stammt v o n dem Nürnberger Professor und M i t g l i e d des "Peg3) nesischen Blumenordens" Christoph Arnold, ' der nach A b 13) Zesen, Die verschmähete Majestäht, S.146 f. 1) 1592 - 1651, vgl. Jöcher. 2) Georgii Richteri JC. Ejusque Familiarum, Epistolae Selectiores, ad Viros Nobilissimos Clarissimosq; datae, ac redditae. [...]. - Norimbergae, Typis et Sumtibus M i chaelis Endteri, Anno M . DC. LXII. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 1454. d. 13.) 3) 1627 - 1685, vgl. ADB.

Arnolds "Epistolae"

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schluß seiner Studien eine große Bildungsreise nach Holland und England unternommen hatte, in deren Verlauf er mit vielen der berühmtesten Persönlichkeiten seiner Zeit bekanntgeworden war. Seitdem die Kriegswirren diesseits wie jenseits des Kanals beendet waren, hatte England als "land of learning and scholarship" ' wiederum begonnen, eine starke Anziehungskraft auf die Deutschen auszuüben, insbesondere wegen seiner ausgezeichneten Universitäten, Bibliotheken und Museen sowie der Vielzahl an hervorragenden Gelehrten auf allen Gebieten des Wissens. Die meisten jener Englandreisenden führten Tagebücher oder verfaßten Berichte, die sie nach ihrer Rückkehr veröffentlichten, um auf diese Weise Kunde zu geben vom Leben in dem Inselreich, während andere zugleich bemüht waren, die geistigen Beziehungen zwischen den beiden Völkern zu vertiefen und Interesse zu wecken für die Werke der englischen Literatur. Gerade die Miltonrezeption verdankt den Englandreisenden wesentliche Impulse. In einer langen Reihe von Besuchern, die uns noch begegnen werden, ist Christoph Arnold der erste; zudem ist er der einzige, der von einer Unterredung mit Milton zu berichten weiß und dessen Eindrücke von dem berühmt-berüchtigten Engländer dem deutschen Lesepublikum zugänglich gemacht wurden. Arnolds erste Nachricht, die in den letzten Märztagen des Jahres 1651 niedergeschrieben worden war und somit an den Anfang unserer Untersuchung zurückreicht, hatte ihre Aktualität zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bereits eingebüßt, obwohl sie seinerzeit eine echte Sensation bedeutete: damals war ihm in Leyden bekannt geworden, daß "ein Engländer, John Milton, unter eigenem Namen eine Defensio (wie sie es nennen) pro populo Anglicano gegen die Defensio Regia des Salmasius veröffentlicht hat" (Jo. Miltonus, Anglus, Defensionem (ceu vocant) pro populo Angli4) William Douglas Robson-Scott: German Travellers in England 1400 - 1800. - Oxford: Blackwell 1953. S.92. (= M o d e m Language Studies).

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Auseinandersetzung mit dem Publizisten

cano, contra Salmasii Defensionem Regiam, suo nomine divulgavit).^ Diese Tatsache fand er bemerkenswert genug, um sie an die Spitze eines langen Berichtes zu setzen, der Nachrichten aus der gelehrten Welt enthielt. Wenn auch seitdem fast zwölf Jahre vergangen waren, so konnten Arnolds Mitteiltingen selbst für die Leser des Briefbandes noch immer von Interesse sein, sei es, um deren Aufmerksamkeit überhaupt erst auf Milton zu lenken oder, was vor allem für den folgenden, vier Monate später aus London datierten Brief gilt, um ihr Miltonbild um einige aufschlußreiche Aspekte zu erweitern. Der zweite Brief, der nach einem Gespräch mit dem Defensor entstanden ist, rühmt Milton als den "tüchtigen Verteidiger" (strenuus Defensor)^ der neuen Republik und hebt an ihm hervor, daß er "gern ein gelehrtes Gespräch führt" (libenter se in sermonem dat); seine Sprache wird als "rein" (pura), seine Schreibart als "äußerst elegant" (tersissima) charakterisiert. Diese Informationen könnten im Leser zunächst den Verdacht erwecken, daß Arnold ein blinder Miltonverehrer war und von daher zu einseitig urteilte. Das ist jedoch keineswegs der Fall, denn sowie er von den Äußerlichkeiten der Rede auf das Inhaltliche zu sprechen kommt, scheut er sich nicht, auch Vorbehalte geltend zu machen. Dabei steht nicht die juristische Argumentation der "Defensio" zur Debatte, sondern es geht ihm allein um Miltons theologische Einstellung. Arnold selbst kannte sich in den Bibelkommentaren der alten englischen Theologen aus, und um so mehr fühlte er sich zu der Bemerkung berechtigt, Milton vertrete in jener Frage ein Urteil, das, gemessen an seinem eigenen, "auf jeden Fall härter, wenn nicht ungerechter" (durius saltern, si non iniquius) zu sein scheine. Trotz der vorsichtig formulierten Kritik wirkt das in diesen Zeilen entworfene Bild von dem englischen Defensor 5) Georgii Richteri Epistolae, S.481. Der Brief ist datiert: Lugd. Bat. a.d.IV.m.April A.S.MDCLI. 6) Ebda. S.483; ff. Zitate ebd. Der Brief ist datiert: Londini, a.d. 7.Aug. A.S. MDCLI.

Arnolds "Epistolae"

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verhältnismäßig freundlich und ist komplexer denn je, zumal Arnold außerdem auf eine Schrift des Engländers aufmerksam macht, die bisher in Deutschland unbekannt geblieben war, da Milton sie nicht in gelehrtem Latein geschrieben hatte. Der Hinweis erfolgt gegen Ende des gleichen Briefes, als Arnold eine Liste derjenigen Bücher zusammenstellt, die in England "selten sind" (rara sunt), und betrifft die "einst" (olim)^ von Milton verfaßte "Areopagitica", das ist "A Speech for the liberty of unlicenc'd printing, to the Parlament of Engeland". Aus dieser Stelle konnten die zeitgenössischen Leser somit zum ersten Mal erfahren, daß Milton nicht nur der Autor der "Defensio" ist, sondern schon früher - das Erscheinungsjahr der "Areopagitica" (1644) wird später ausdrücklich genannt - und zwar auf einem ganz anderen Gebiet, publizistisch tätig war. Wenn ihnen auch nichts gesagt wurde über Erfolg oder Mißerfolg jenes mutigen Appells an die Obrigkeit, die Freiheit der Rede, der Schrift und des Druckes zu bewahren, so war Arnold abschließend doch sehr bemüht, Milton als einen "sehr sorgfältigen Schriftsteller" (percuriosus scriptor) erscheinen zu lassen, der mit Recht - die Ansicht vertreten hatte, daß die Freiheit seiner Tage "schon lange vorher bei den Areopagiten" (jam pridem in Areopagiticis) bestanden hat. Zeichnet sich mit der Veröffentlichung dieser Briefe bereits ein neues, von Verzerrungen bereinigtes Miltonbild ab? Die Möglichkeit dazu wäre gegeben, wenn Arnold nicht in seiner Art einen Sonderfall darstellte, zumal seine Äußerungen ursprünglich privaten Charakter tragen und außerdem im unmittelbaren Umkreis John Miltons entstanden sind. Denn die Masse der entfernter stehenden Betrachter, die Milton allein aufgrund der "Defensio" beurteilen konnte, neigte zu einem weitaus schärferen Urteil, und da sie, wie schon zuvor, in der Uberzahl war, sollte sie auch zukünftig die Führung der "öffentlichen Meinung" behalten. 7) Richteri Epistolae, S.491; ff. Zitate ebd.

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Auseinandersetzung m i t dem Publizisten E i n solcher ferner Beobachter w a r Johann Heinrich Boec-

l e r , P r o f e s s o r für Historie an der Universität Straßbürg, der 1663 sein "Museum ad Amicum"^' publizierte, das 1672 eine unveränderte Neuauflage erfuhr und eine der fundiertesten Auseinandersetzungen mit dem Autor der "Defensio pro populo Anglicano" enthält. I n Gesprächsform geschrieben u n d in das Jahr 1651 verlegt, gibt es die A n sichten eines fiktiven Freundeskreises wieder, der über aktuelle Fragen verschiedenster A r t disputiert und dabei 10) auch die "tags zuvor aus Holland" (pridie ex Belgis) überbrachte Schrift "zugunsten des scheußlichsten Verbrechens aller Zeiten" (pro scelere omnis memoriae immanissimo) einer kritischen Prüfung unterzieht. Uber den Verfasser jener Schrift w a r noch immer nicht mehr bekannt, als daß er "ein gewisser Engländer Milton" (quidam Miltonus Britannus) war, und dieser spärliche Wissensstand zur Person des Defensors herrschte 1663 ebenso vor wie er schon für 1651 gegolten hatte. Im übrigen wurde das nicht einmal als Manko empfunden, da die M e i nung bestand, Milton habe sich durch sein W e r k zur Genüge selbst charakterisiert, indem er "die untragbare Rohheit der englischen Meuchelmörder" (intoleranda parriciA Λ \ darum Anglicorum barbarie)

' unterstützte. Sein Vorgehen

müßte noch schlimmer gewertet w e r d e n als die Greueltat dem König gegenüber, die er nicht nur entschuldigen w o l l te, sondern gar als "schönste Tat, auf W i n k und mit bestem Recht des unsterblichen Gottes ausgeführt"

(pulcer-

rimum facinus, Deique immortalis nutu et optimo jure p a tratum)' 12 ^ zu preisen suchte. Für B o e d e r ist es daher auch absolut unverständlich, wie "ein gebildeter Mann" (vir eruditus) sich hatte unterfangen können, in aller Öffentlichkeit zu behaupten, "Milton habe in dem Maße 8) 1611 - 1672, vgl. Jöcher. 9; Jo. Henrici Boecleri Museum A d Amicum. - Argentorati A p u d Simonem Paulli Bibliop. Μ DC LXIII. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 1030. d. 7.(1).) 10) Ebda. S.27; ff. Zitate ebd. 11) Ebda. S.34. 12) Ebda. S.27; f. Zitat ebd.

Boeclers "Museum" den schlechten Fall gut betrieben, wie Salmasius den besten schlecht betrieb" (Miltonum sic pessimam caussam 1 3) egisse bene, ut Salmasius optimam male egerit). Der hier ungenannt bleibende Zeitgenosse war der holländische Gelehrte Nicolaus H e i n s i u s , d e s s e n einprägsame Formel sich rasch zu einem geflügelten Wort entwikkelt hatte und immer dann zitiert wurde, wenn es darum ging, ein knappes Urteil über die Polemik der beiden Defensoren zu fällen. Da Heinsius ein entschiedener Feind des Salmasius war, nimmt es nicht wunder, daß sein Aus Spruch bei aller Mißbilligung der Sache, ein deutliches Lob für Milton enthält, das die Gegner der "Defensio pro populo Anglicano" wiederum nicht unwidersprochen hinnehmen konnten. Selbst in Boeclers Äußerungen klingt Jedoch gelegentlich eine zwiespältige Einstellung zu Milton an: einesteils ist er bemüht, ihn als Hauptvertreter jener "Art des Wahnsinns" (insanientis sapientiae g e n u s ) d a r z u stellen, die für die Rebellion eintritt, und anderenteils muß er, wenn auch widerstrebend, zugeben, daß Milton dabei nicht ungeschickt verfahren ist. So hebt er in einem Atemzug die "Flüssigkeit" ( f l u e n t i a ) d e s Miltonschen Stils hervor, moniert aber zugleich, es sei das Hervorströmen "eines verfälschten und nicht genügend lateinischen Stils"(fucati, nec satis Latini stili), der unmög13) Boecleri Museum, S.28. 14) 1620 - 1681, vgl. ADB. 15) In einem Brief vom 4.7.1651 schreibt Heinsius über den Verfasser der "Defensio Regia": "Ich habe aber gesagt und werde weiter sagen, ein schlechter Fall sei von Milton so gut betrieben, wie Scribonius [= Salmasius] den Fall des unglücklichen Königs sehr schlecht betrieben hat Wenn er diese meine Freiheit nicht ertragen kann, soll er platzen" (Ego vero et dixi et dicam porro, malam a Miltono causam tarn bene actam, quam Regis infelicissimi causam pessime egit Scribonius. Hanc meam libertatem si ferre non potest, rumpatur); vgl. Sylloges Epistolarum A Viris Illustribus Scriptarum Tomi Quinque, Collecti et Digest! per Petrum Burmannum. [...]. - Leidae, Apud Samuelem Luchtmans, 1727. Bd 3, S.270. 16) Boecleri Museum, S.34. 17) Ebda. S.28; f. Zitat ebd.

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Auseinandersetzung mit dem Publizisten

lieh so blenden könne, daß man die Schrift des Autors gutheißen müsse. Zweifelsohne habe die "Defensio" die "Aufmerksamkeit aller" (animos omnium) ' auf sich gezogen, doch sei das allein "aufgrund der Neuigkeit und der Scheußlichkeit der Sache" (novitate rei et atrocitate) geschehen, und es bleibe nichtsdestoweniger die Hoffnung bestehen, daß ein geschickterer Verteidiger als Salmasius zur gegebenen Zeit "Miltons ruchlose Angriffe widerlegen und niederschlagen werde" (Miltoni conatus impios refutaret ac retunderet). Was B o e d e r dem Verfasser der "Defensio" vor allem vorwirft, ist, daß er versucht habe, "den Unterschied zwischen göttlichem und menschlichem Recht zu beseitigen" (juris divini humanique discrimen p e r v e r t e r e ) . M i l t o n ist für ihn nichts anderes als ein "Marktschreier" (cir21) culator), ' der "die Sitten eines unreinen Ränkeschmiedes angenommen hat" (mores impuri sycophantae mutuatus) 2 2 ^ und von daher "dem Uberaus frechen Stamm der Sophisten" (importunissimo sophistarum genere) zugeordnet werden muß. Irgendwelche Kenntnis von Philosophie oder Geschichte gehe ihm ab, stattdessen pflege er "in wütender Manier gegen jede Art der angesehenen Wissenschaften vorzugehen" (in omne honestarum literarum genus furiose grassari), verspotte schamlos die Autoren des bürgerlichen Rechts, indem er deren Aussagen manipuliere, und bringe mit seinen Thesen "alle Vernunft sowohl in der Verwaltung des Staates als auch in der Diskussionsführving völlig durcheinander" (perturbata omni ut administrandae reipublicae ita disputationis suseipiendae ratione). 2 ^ Die Tatsache, daß ein solcher Mann vom englischen Staatsrat zum Verteidiger bestellt worden ist, muß B o e d e r daher als gewichtigstes Argument für den "gewiß verzweifelten Fall" (certe desperatae causae) der Königsmörder erscheinen, und er be18) Boecleri Museum, S.27; f. Zitat ebd. 19) Ebda. S.41. 20) Ebda. S.28. 21) Ebda. S.29. 22) Ebda. S.28; ff. Zitate ebd. 23) Ebda. S.29; f. Zitat ebd.

Boeclers "Museum"

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schließt seine Äußerungen mit der Versicherung an den Leser, daß keiner aus dem Freundeskreis des "Museum" der Ansicht war, "man müsse über Milton anders denken als wir es demonstriert haben" (de Miltono aliter ac ante demonstravimus, sentiendum)· In der Heftigkeit der Angriffe ist B o e d e r dem früher genannten Caspar Ziegler vergleichbar, obwohl er dessen "Exercitationes" nicht erwähnt, sondern sich stattdessen an einer Stelle auf den "Discursus" von Johann Andreas Gerhard bezieht. Dennoch dürfte B o e d e r auch die Schrift des Leipziger Juristen gekannt haben, zumal sie zusammen mit der "Dissertatio" Jakob Schallers gedruckt wurde, der an der gleichen Universität lehrte, an der B o e d e r tätig war. Wie eng der Kontakt jener führenden Gelehrten untereinander war, die für die Anfänge der Miltonrezeption in Deutschland verantwortlich zeichneten, beweist letztlich auch die Tatsache, daß B o e d e r mit dem Helmstedter Professor Hermann Conring in persönlicher wie brieflicher Verbindung stand, unter dessen Leitung Bensens "Exercitatio" entstanden war. Lediglich Christoph Arnold läßt sich in diesen Kreis von intimen 'Miltonkennern* nicht einordnen, wie er auch dem Sekretär des englischen Staatsrates gegenüber eine völlig andere Einstellung vertrat als Jene, die mehr oder weniger heftig bestrebt waren, in der deutschen Öffentlichkeit einen Horror vor dem die Tat der Königsmörder verteidigenden Milton zu erwecken. Noch war der Zeitpunkt nicht gekommen, daß sich mehr Stimmen ihrem Einfluß gegenüber hätten durchsetzen können. 1.9.

M i l t o n f i n d e t E i n g a n g in K o m p e n d i e n u n d l e x i k a l i s c h e W e r k e

Je mehr Bücher erschienen, in denen sich Hinweise auf Person und Werk des englischen Defensors fanden, um so eher war die Möglichkeit gegeben, Milton in Deutschland 24) Boecleri Museum, S.37.

64

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

bekannt werden zu lassen, vor allem, wenn diese Werke von ihrer Thematik her nicht ausschließlich für Fachspezialisten bestimmt waren, sondern auch breitere Leserschichten anzusprechen vermochten. Im Idealfall hätten sie freilich in deutscher Sprache vorgelegt werden müssen, doch ehe Christian Thomasius seinen Vorstoß gegen die Ubermacht des Lateins wagte, gab es kaum einen Gelehrten, der seine Bücher in der Volkssprache verfaßte - und Gelehrte stellten nun einmal den weitaus größten Teil der damaligen Autoren. Im Rahmen der Miltonrezeption tritt nach den Staatswissenschaftlern jetzt eine neue Gruppe von Autoren stärker in den Vordergrund, die "scriptorici historic! et politici", die sich damit beschäftigten, Bibliographien der verschiedensten Gebiete anzufertigen, Kompendien und Nachschlagewerke herauszugeben oder Beschreibungen des gesamten Erdkreises zu liefern, indem sie in "noticiam rempublicarum" einführten. Dieses Streben nach universaler Wissensvermittlung war ein charakteristischer Zug des siebzehnten Jahrhunderts, das uns von daher heute als ein "Zeitalter der BUchergelehrsamkeit" ' gelten will. Wissenschaft, um ihrer selbst willen betrieben, ließ dem Sammeln und Ordnen des Stoffes eine fast kultische Bedeutung zukommen, und allenthalben entstanden Werke enzyklopädischer Art, wurden Abrisse oder "Systema" erstellt, deren Umfang meist schon im Titel angezeigt wurde mittels der Formel "a prima mundi origine ad annum usque hodiernum". Bleiben wir zunächst bei den Welthistorien, denn sofern sie Ereignisse aus der jüngsten Zeit nicht allzu kursorisch behandelten, ergab sich in der Regel die Gelegenheit, im Kapitel "de Regno Britannico" auf John Milton einzugehen und die Rolle zu verdeutlichen, die er seit der Hinrichtung des Königs in England spielte. Noch keinerlei Hinweise auf den englischen Defensor enthält der 1668 1) Goldfriedrich, Geschichte des deutschen Buchhandels, Bd 2, S.14.

Hornii "Orbis Imperans" 2)

65 3)

publizierte "Orbis Imperans" ' v o n Georg Hornius, dessen Darstellung zudem m i t den Ereignissen des Jahres 1649 abbricht. Erst in die zweite, v o n Joachim Feller besorgte Ausgabe (Frankfurt und Leipzig 1 6 7 7 ) ^ ist eine dürftige Anmerkung über M i l t o n eingeschoben worden, v o n dem es heißt, daß er die Rechtmäßigkeit des englischen Königsmordes "vergeblich u n d fälschlich"(frustra et perperam)^^ zu verteidigen gesucht habe. Dieses Urteil erinnert stark an Äußerungen aus der U m gebung v o n Hermann Conring, wie überhaupt die Beobachtung zu machen ist, daß mehrere jener Welthistorien auf dessen unveröffentlichte Vorlesungen zurückgehen, die er zwischen 1660 u n d 1662 gehalten hatte. D e r Einfluß des Helmstädter Professors w a r demnach bedeutend größer als anfangs vermutet w e r d e n konnte. Uber d e n unmittelbaren Kreis seiner H ö rer, Kollegen und Freunde hinaus erlangte n u n auch das L e sepublikum Kenntnis von seiner Stellungnahme zu Milton, die es angesichts der übrigen spärlichen Nachrichten schlechtweg als die Meinung ü b e r den englischen Defensor ansehen mußte. W i r haben den Tenor seiner Äußerungen bereits in einem früheren Exkurs skizziert; u m die Einheitlichkeit der Perspektive zu wahren, ist es jedoch unumgänglich, hier erneut darauf zu sprechen zu kommen, selbst auf die Gefahr hin, uns (zumindest teilweise) wiederholen zu müssen. Das erste, auf Conring fußende W e r k , der 1668 v o n J o hann Friedrich P ö p p i n g ^ veröffentlichte "Orbis Illustrat u s " , ^ überging, obwohl der Berichtsraum über 1649 hinaus2) Georgii Hornii Orbis Imperans. - Lipsiae. A p u d F r i dericum Arnstium Bibliop-Budiss. Ao. 1668. (Exemplar der UB Marburg, Sign. Vila C 70 ba). 3) 1620 - 1670, vgl. Zedier. 4) Georgii Hornii Orbis Imperans, Seu Tractatus De XIII Orbis Imperiis Historico-politicus, [...] illustratus a L. Joachimo Fellero, Professore Lipsiensi. - Francof. et L i p siae. Sumptibus Christiani Weidmanni, Typis Viduae W i t t i gavianae. 1677. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 8005. de. 10. (1).) 5) Ebda. S.337. 6) 1638 - 1684, vgl. Zedier. 7) Joh.Fried.Popping: Orbis Illustratus S e u N o v a Histo-

66

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

reichte, ebenfalls noch die Bemerkungen zu Milton - vielleicht weil der Autor zu jener Zeit ein nachlassendes Interesse daran beim Publikum zu beobachten glaubte oder weil er sie einfach nicht für wichtig hielt - , doch das fünf Jahre später vorgelegte "Quadripartitum HistoricoΟ\ Politicum Orbis Hodie-Imperantis Breviarium" des Görlitzer Rektors und Mitglieds des "Palmenordens"

Christian

F u n c c i u s ^ , das innerhalb kurzer Zeit drei Auflagen erfuhr und selbst von den Gelehrten Italiens "mit Applaus und Zu10) Stimmung" (cum applausu et assentiente) bedacht wurde, gab sie dann in voller Ausführlichkeit wieder. Milton wird dort als der Engländer hervorgehoben, der Sich im Streit um den Tyrannenmord besonders für die Seite des Volkes engagiert habe, indem er in einer "sehr bisSigen Schrift" (mordacissimo Scripto)

' gegen Salmasius

vorgegangen sei, deren Titel bibliographisch genau als "Defensio pro Populo Anglicano, contra Claudii Anonymi, alias Salmasii, Defensionem Regiam" angeführt ist.Gleichzeitig fügt Funccius eine Mitteilung hinzu, die schon der Messekatalog des Jahres 1654 vermerkt hatte, wenngleich sie dort weitaus nüchterner und weniger informativ gewesen war, daß nämlich "derselbe Milton eine zweite Verteidigung für das englische Volk schrieb gegen das infame, wie er es nennt, anonyme Büchlein mit dem Titel 'Schrei des königlirico-Politico-Geographica, Imperiorum Rerumque publicarum p e r totum terrarum orbem, descriptio. [...] A Joh.Frid. Pöpping, J.U.L. [...] Imp. Johannis Naumanni, Bibliopolae Hamburgensis. - Razeburgi, Typis Nicolai Nissen. M . DC. LXVIII. (Exemplar der Landesbibliothek Fulda, Sign. Gesch. A. 12/50). 8) Chr.Funcci Quadripartitum Historico-Politicum Orbis Hodie-Imperantis Breviarium, [...] Tomus I. Imperia et Regna. [...]. - Gorlicii Impensis Joh.Ad.Kaestneri, Bibliop. Typis Christophori Zipperi. An. 1673. (Exemplar der U B Göttingen, Sign. Statist. 1224). 9) 1626 - 1695, vgl. Jöcher. 10) Vgl. Godofredi Ludovici, S.Theol.D. [...] Historia Gymnasiorum Scholarumque Celebriorum, s. Schul-Historie. Pars IV. - Lipsiae, Sumptu Haered. Lanckisii, Α. Μ DCC XIIII. S.14. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 174. c. 22.). 11)Funccii Quadripartitum Breviarium, S.552; ff. Zitate ebd.

Funccii "Breviarium"

67

chen Blutes zum Himmel gegen die englischen Meuchelmörder'" (idem Miltonus pro Populo Anglicano Defensionem secundam contra infamem, ut vocat, Libellum anonymum, cui Titulus Regii Sanguinis clamor ad coelum adversus parricidas Anglicanos, scripserit). Fast zwanzig Jahre nach ihrem Erscheinen wird somit die "Defensio Secunda" erstmals in einem in Deutschland publizierten Werk der Sekundärliteratur genannt. Auch Funccius sympathisiert nicht mit Milton und stellt ihn daher als einen Menschen "von dreister Begabung" (petulanti ingenio) vor, bei dem man jedenfalls mit Recht und hier zitiert er, ohne seine Abhängigkeit zu verraten, wörtlich aus der Conringschen Vorlesung - "die Gerechtigkeit im Urteil sowie eine größere Klugheit vermißt" (aequitatem judicii desideres majoremque prudentiam). Zwar könne man nicht leugnen, daß sein Stil "elegant" (elegans) sei; dennoch müsse Milton als "ein Künstler in tausend Sarkasmen" (in Sarcasmis mille artifex) angesehen werden und sei weder des Disputierens Ubermäßig kundig noch "in politischer Klugheit besonders erfahren" (prudentiae politicae admodum peritus). Das Fazit aus den beiden ihm bekannten Schriften des englischen Defensors umschreibt Funccius schließlich mit den Worten Conrings dahingehend, daß Milton im Blick auf das Naturrecht den für ihn unerschütterlichen Standpunkt einnehme, die höchste Macht gebühre "allein dem Volk" (so1

Ii Populo) ' \ind er daher, um es mit einem Wort zu sagen, glaube, "der demokratische Zustand sei im Staate der beste" (Statum Democraticum in Republ. esse optimum). Funccius ist ein Beispiel dafür, wie sich in der Zwischenzeit bestimmte Urteile Uber Milton so verfestigt hatten, daß sie fast stereotyp wiederholt werden konnten,ohne daß wesentlich neue Aspekte hinzukamen. Das gilt ebenfalls, wenngleich in unterschiedlichem Maße, für die folgenden Publikationen, die jeweils von den bio-bibliographischen Bestrebungen der Zeit Zeugnis ablegen. 12)Funccii Quadripartitum Breviarium, S.553; f. Zitat ebd.

68

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

Das in den "Exercitationes" des Leipziger Juristen Caspar Ziegler entworfene Miltonbild kehrt wieder in den "Charismatum Sacrorum Trias, Sive Bibliotheca Anglorum T h e o l o g i c a " , e i n e r "painstaking bibliography of English theological l i t e r a t u r e " , d i e der deutschen Öffentlichkeit zur Ostermesse 1677 vorgelegt wurde. Ihr Autor, 15) der Königsberger Historiograph Martin Kempe, war zugleich Mitglied des Nürnberger "Pegnitzordens" und hatte sich 1671/72 studienhalber in England aufgehalten, so daß uns in ihm ein weiterer Englandreisender entgegentritt, der für die Miltonrezeption von Interesse ist, obwohl er keinerlei persönliche Beziehungen zu dem damals in London noch lebenden ehemaligen Defensor angeknüpft zu haben scheint. Wie schon fünfundzwanzig Jahre zuvor, so erfährt auch jetzt die Leserschaft, daß Milton sich in der Interpolation und Abschwächung von Bibelstellen als ein wahrer "Künstler" (artifex) 1 ^ erwiesen habe und dabei "kühner als die Jesuiten, frecher als der Teufel selbst" (Jesuitis felicior, ipso diabolo audacior) vorgegangen sei. Seine Ausführungen zu politischen, religiösen oder allgemein menschlichen Fragen werden als "läppisch" (lerodös), "widersprüchlich" (par&doxos) und "sinnlos" (alogistos) charakterisiert und außerdem mit der ernsten Warnung versehen, daß man seine Schriften nur "mit Vorsicht und kritischem Verstände (caute et cum judicio) lesen dürfe. All das führt Kempe unter dem Stichwort "De Polygamia" auf, obwohl es sich bei Ziegler ursprünglich allein auf die "Defensio" bezogen hatte; andererseits fehlt in der "Bibliotheca" jeglicher Hinweis, der geeignet wäre, einen klaren Bezug 13) Martin von Kempen: Charismatum Sacrorum Trias, Sive Bibliotheca Anglorum Theologica, [...] Collecta atque tribus Libris digesta, cum Appendice De Regia Societate Londinensi Indicibusque necessariis. Labore et Studio M.Martini Kempii, [...]. - Regiomonti Borussorum. Impensis Martini Hallervordii Bibliopolae, Ex Officina Reichiana. Μ DC LXXVII. (Exemplar des Britischen Museums, Sign.125.i.10.). 14) Robson-Scott, German Travellers in England, S.102. 15) 1637 - 1682, vgl. Zedier. 16) Kempe, Bibliotheca Anglorum, S.484; ff.Zitate ebd.

Kempes "Bibliotheca"

69

zwischen Milton und der 'Polygamia' herzustellen, so daß Kempes Nachricht die Leser entweder verwirren oder zu falschen Schlußfolgerungen veranlassen mußte. Dennoch ist nicht alles, was er in dieser Hinsicht zu berichten weiß, ausschließlich bereits bekannten Quellen entnommen, denn zumindest die Anführung Miltons unter denjenigen Schriftstellern, die "De Divortio" geschrieben haben, w a r für die deutsche Öffentlichkeit etwas völlig Neues, obzwar ihr die Anspielung auf "Miltons neuen Bund" 1 ν^ (novum vinculum Miltoni)

' rätselhaft bleiben mochte, so-

lange ihr nicht erklärt wurde, worin das Revolutionäre des von Milton postulierten Ehebundes bestand. Das aber hat Kempe unterlassen. Stattdessen kommt er im Schlußkapitel auf Miltons Tätigkeit als Defensor zu sprechen, nachdem er ihn zuvor der Partei der Independenten zugeordnet hatte, deren Anhänger "die politische wie die kirchliche Obrigkeit ablehnen" (magistratum tam politicum quam eccle1 8) siasticum repudiant).

' Hierin liege der Grund zu jenem

"unsäglichen Meuchelmord" (immane parricidium),

' der an

Karl I. begangen wurde. Milton habe zwar versucht, die Rechtmäßigkeit dieser Tat darzulegen, indem er gegen Salmasius vorging, doch sei das mit einer "ungünstigen Schrift" (importuno scripto) geschehen und sein Bemühen habe sich letztlich als "vergeblich" (frustra) erwiesen. Gegenüber Funccius stellen Kempes Angaben zweifelsohne einen Rückschritt dar. Obwohl die "Bibliotheca Anglorum" den Anspruch v e r t r i t t , ^ ^

"Scripta [...] Theologiae adap-

ta recensentur et pro valore merito commendantur", wird nicht ein einziges Mal der Titel einer v o n M i l t o n verfaßten Schrift genannt; auch sind viele der Äußerungen allzu vage gehalten und tragen auf diese Weise dazu bei, daß die Tendenz, Milton pauschal zu beurteilen (verurteilen!), im Laufe der Zeit eher zu- als abnehmen kann. 17) 18) 19) 20)

Kempe, Bibliotheca Anglorum, S.461. Ebda. S.434. Ebda. S.607; ff. Zitate ebd. So bereits in dem ausführlichen Titel des Werkes.

70

Auseinandersetzung mit dem Publizisten Im folgenden Jahr, 1678, legt Georg Matthias König,

21 Ί '

Professor der Historie und Bibliothekar der Universität Altdorf, seine "Bibliotheca Vetus et N o v a " v o r ,

die

Autoren jeglicher Provenienz, sofern deren Publikationen in einer der antiken Sprachen abgefaßt waren, in alphabetischer Reihenfolge u n d unter Hinzufügung der Hauptschriften sowie der entsprechenden Sekundärliteratur anführte. Dieses Schriftsteller- und Gelehrtenlexikon, wenngleich nicht das erste seiner Art, w a r ein äußerst progressives Unternehmen u n d bot sich ausdrücklich allen denen als Hilfsmittel an, die sich rasch "eine Kenntnis über die Autoren verschaffen" (autorum notitiam comparare) wollten, deren Werke ihnen bei der "täglichen Lektüre"

(quotidiana

l e c t i o ) b e g e g n e t e n . Unter den rund 22000 Eintragungen, die König auf den 888 Seiten seiner "Bibliotheca" unterbringen konnte, hat er fast alle der im R a h m e n der M i l t o n rezeption bisher genannten Persönlichkeiten aufgeführt und M i l t o n selbst einen dreizehnzeiligen Artikel gewidmet, dem als weiterführende Literaturangabe der Hinweis auf Funccius' "Orbis imperantis" beigegeben ist. Funccius ist auch die Quelle, aus der allein König sein W i s s e n geschöpft hat, w e n n er genau die gleichen Worte über den Hauptinhalt der Miltonschen Bücher b r i n g t , 2 ^

die

bereits im "Orbis imperantis" abgedruckt w o r d e n waren. U n ter den Schriften Miltons w e r d e n somit wiederum einzig die beiden "defensiones pro populo anglicano" erwähnt; die Haltung des Autors zu der Frage, w e m die höchste M a c h t im Staate zukomme, w i r d m i t wenigen W o r t e n skizziert, ohne daß dazu Stellung genommen würde, und endlich auf die Kurzformel gebracht, M i l t o n halte den "statum democraticum" für den besten. 21) 1616 - 1699, vgl. Zedier. 22) Georg Matthias König: Bibliotheca Vetus et Nova, [...]. - Altdorfi Impensis Wolffgangi Mauritii et Haeredum Johannis Andreae Endterorum, Bibliopol. Norimb. Tvpis H e n rici Meyeri, Typography Acad. Anno Μ DC LXXVIII. (Exemplar der Staatsbibliothek Marburg, Sign. A m 5825a). 23) König, Bibliotheca, Praefatio ad Lectorem. 24) König, Bibliotheca, S.541.

D e r Ehescheidungstraktat

71

Bedenkt man, daß neben der "Bibliotheca" kein anderes Nachschlagewerk jener Jahre, weder Hofmanns oft aufgelegtes "Lexicon Universale" (zuerst 1677) noch Beyerlincks achtbändiges "Magnum Theatrum" (1678), einen derartigen Hinweis enthält, so w i r d offenkundig, welche Bedeutung König zukommt. E r steht am Beginn eines Weges, den alle späteren Lexikographen gehen sollten, um je nach dem W i s sensstand ihrer Zeit den Artikel Uber John Milton mehr und mehr zu vervollständigen. Für diese frühe Periode kann jedoch nach der Überprüfung der bisher dargelegten Zeugnisse kein Zweifel darüber bestehen, daß das damalige Lesepublikum kaum Chancen hatte, eine andere Seite von Milton kennenzulernen als die des Defensors der englischen Republik. Denn die Urteile, die einmal über ihn gefällt worden waren, wurden noch über Jahre hinaus als weiterhin gültig tradiert und wirkten in einem Maße meinungsbildend, daß der Blick auf seine übrigen Werke so gut wie völlig verstellt war. 1.10.

B e g i n n M i l t o n s t r a k t a t

d e r

D i s k u s s i o n

um

E h e s c h e i d u n g s (1681)

Erst am Ende unseres Zeitraumes w i r d das Lesepublikum über eine weitere Schrift J o h n Miltons eingehend unterrichtet, deren Thesen sich in England schon als ebenso brisant erwiesen hatten wie die der "Defensio". Zur Ostermesse des Jahres 1681 erschien bei Christian Hermsdorff in Frankfurt die für Deutschland bestimmte Ausgabe von 1} Samuel v o n Pufendorfs ' epochemachendem W e r k "De Jure N a turae et Gentium Libri O c t o " d a s zuerst 1672 in Lund 1) 1632 - 1694, vgl. ADB. 2) Vgl. Catalogus Universalis, Ostermeß 1681, Ausgabe Leipzig, Bl. Β 3v. Die Erstausgabe w a r uns nicht zugänglich; w i r zitieren daher nach der Editio secunda v o n 1684: Samuelis Pufendorff De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo. Editio secunda, Auctior Multo, Et Emendatior. - Francofurti ad Moenum, Sumptibus Friderici Knochii, Charactere.Joannis Philippi Andreae. Anno Μ DC LXXXIV. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 1482. c. 22.).

72

Auseinandersetzung m i t dem Publizisten

publiziert w o r d e n w a r u n d alsbald einen solchen Erfolg errang, daß es jahrzehntelang "an deutschen Hochschulen dem 3) Rechtsunterricht zugrunde gelegt" ' wurde. Dieses Werk, das wesentlich dazu beitrug, die Wissenschaft aus der Dienstbarkeit der Theologie zu befreien, unterzog die V e r hältnisse des Staates wie der Gesellschaft einer rückhaltlosen Kritik u n d wandte sich im ersten Kapitel des sechsten Buches,das von der Ehe handelt, auch Miltons "merkwürdigem B u c h von der Ehescheidung" (peculiar! libro de divortiis)^

zu.

Gerüchte, daß M i l t o n "pro divortiis" geschrieben habe - die schwankende Titelangabe zeugt v o n der w e n i g gesicherten Information - , w a r e n bereits um 1660 nach Deutschland gedrungen u n d h i e r einer kleinen Zahl von Eingeweihten bekannt geworden, wie der Briefwechsel zwischen Boineburg und Conring gezeigt hat. D e r Grund für die geringe Resonanz lag nicht zuletzt darin, daß M i l t o n in erster L i nie seine Landsleute hatte ansprechen w o l l e n und die "Doctrine and Discipline of Divorce" daher in englischer Sprache verfaßt hatte. Ehe Pufendorf sie der Öffentlichkeit vorstellte, w a r lediglich jene Andeutung in der "Bibliotheca Anglorum" erfolgt, v o n der w i r soeben gesprochen haben, und die so knapp gehalten war, daß kaum ein Leser sie verstanden haben dürfte. Pufendorf hingegen legte die Absichten des Autors ausführlich dar, faßte dessen Hauptargumente zusammen u n d untersuchte sie auf ihre Stichhaltigkeit hin. Miltons Ziel sieht er in dem Versuch, mittels des v o r 3) Ulrich Scheuner: Samuel Freiherr v o n Pufendorf. 1632 - 1694. - In: Die großen Deutschen. Deutsche Biographie. Hrsg. von Hermann Heimpel, Theodor Heuss u n d Benno Reifenberg. B d 5. - Berlin: Propyläen 1957. S.130. 4) Pufendorfii De Jure Naturae, S.875; ff. Zitate ebd. Die deutschen Zitate sind der ersten deutschsprachigen Ausgabe entnommen: Herrn Samuels Freyherrn von Pufendorff / Acht Bücher / Vom Natur- und VöIcker-Rechte / [...]. Franckfurt am M a y n / I n Verlag von Friedrich Knochen B u c h händlern. Druckts J o h a n n Balthasar W ä c h t e r / MDCCXI. S.321 ff. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XVIIIa Β 7880).

Pufendorfs "Natur- und Völkerrecht"

73

liegenden Traktates anhand der Prinzipien der christlichen Religion beweisen zu wollen, daß "unerträgliche Sitten und die Ungleichheit und Widerstrebung derer Gemüther unter Ehe-Leuten eine gnugsame Ursache zur Ehe Scheidung" seien (mores intolerabiles, ac disparitatem et renitentiam animorum inter conjuges sufficientem esse divortii causam) und sogar die Verpflichtung dazu in sich enthielten. Zur Rechtfertigung dieses Anspruches habe Milton zweifelsohne große Anstrengungen unternommen, doch könne man andererseits sich des Verdachtes nicht erwehren, daß sein Verhalten "durch eigenes Hauß-Creutz" (domestica calamitäte) bewirkt und aus rein persönlichen Gründen erwachsen sei. Den vornehmsten Zweck der Ehe sehe er einzig und allein im "gemächlichen und freundlichen Umgang des Mannes mit dem Weibe zu Versüssung der Mühseeligkeiten des Lebens" (commodam et amicabilem conversationem viri cum muliere, medendis vitae molestiis).^ Bei einer solchen Einstellung aber müsse man fragen, "was vor Süssigkeiten des Umganges sich Milton träumen lasset und was er sich für eine Frau eingebildet hat" (quas delicias conversationis somniat Miltonus, sibique ipse defonnat ideam mulieris), wenn er die hohe Forderung an sie stellt, daß sie dem Partner an Weisheit ebenbürtig und zudem in der Lage sein solle, ihm bei seinen Studien Gesellschaft leisten zu können. Weitere Ausführungen zur Person des Autors werden nicht gemacht. Stattdessen läßt ihn Pufendorf im folgenden selbst ausgiebig zu Wort kommen, da er der Ansicht ist, es werde den Lesern "nicht unangenehm" (non dividiae) sein, Näheres über Miltons Beweisführung zu erfahren. Dennoch macht er keinen Hehl daraus, was von den Thesen des Engländers zu halten sei und mahnt ausdrücklich, "nicht so hoch mit denen Philosophischen Grillen zu steigen" (minus alte, philosophari),^ zumal die von Milton gezogenen Schlüsse überhaupt "keine Krafft und Würkung" (nihil efficere) aufwiesen und man zu seinen Gunsten lediglich anführen könnte, daß, wenn die von ihm zitierten Schriftstellen eine andere 5) Pufendorfii De Jure Naturae, S.876; ff. Zitate ebd. 6) Ebda. S.877; f. Zitat ebd.

74

Auseinandersetzung m i t dem Publizisten

Auslegung zuließen, es der Milde der evangelischen Lehre gemäßer wäre, etwas weniger hart zu urteilen, als es bisher in Fragen der Ehescheidung geschehen sei. Pufendorf vertraut indessen ganz darauf, daß der Leser genug Vernunft besitzt, um selbst entscheiden zu können, "was dißfals dem W i l l e n Gottes am gemäßesten und dem G e 7)

wissen am sichersten seye".

E r hat Milton eher der K u -

riosität halber in seine Darstellung mit aufgenommen als daß er besorgt wäre, die Ideen des Engländers möchten eine Gefahr für die damalige Ordnung der Gesellschaft darstellen. Unausgesprochen vermittelt er dennoch das gleiche Miltonbild, das w i r bereits aus den Diskussionen· um die "Defensio" kennen: So entschieden jene Verteidigung des Königsmordes abgelehnt worden war, so wenig Zustimmung fand auch Miltons Plädoyer für eine Änderung der Scheidungsgesetze, und in beiden Fällen mußte die Leserschaft ihn als Verfasser von Traktaten radikalen Inhalts betrachten, dessen Anschauungen auf politischem wie theologischem Gebiet so ketzerisch wirkten, daß sie schwerlich ernst genommen werden konnten. 1.11.

R e s ü m e e

Blicken w i r von hier aus zurück auf die ersten dreißig Jahre der Miltonrezeption in Deutschland, so w i r d deutlich, in welcher Ausschließlichkeit die damalige Aufmerksamkeit auf den Publizisten J o h n Milton gerichtet war, während M i l tons poetisches Schaffen an keiner Stelle Erwähnung fand. Nicht einmal Hofmannswaldau führte ihn in dem berühmten A b riß der englischen Literaturgeschichte an, den er in der Vorrede zu der 1679 erfolgten Ausgabe seiner "Deutschen 1^ Übersetzungen und Gedichte" ' gibt, u n d das zu einer Zeit, als der Dichter des "Paradise Lost" schon fünf Jahre tot 7) Herrn Samuels von Pufendorff Acht Bücher, Anderer Theil, S.327. 1) C.H.V.H. [= Christian Hofmann v o n Hofmannswaldau:] Deutsche Übersetzungen U n d Gedichte. M i t bewilligung deß Autoris. - In Breßlau / Verlegts Esaias Fellgibel Buchhändl. daselbst / 1679. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XVIC 434 h d ±f) ·

Resümee

75

war. Aus der Vielfalt von Miltons schriftstellerischer Tätigkeit war es im Grunde jedoch nur eine einzige Schrift, die seinen Namen nach Deutschland getragen hat, nämlich die 1651 veröffentlichte "Defensio pro populo Anglicano", lind sie zugleich sollte alle Wertmaßstäbe für die persönliche Beurteilung des Autors abgeben, was zweifelsohne zu einem verzerrten Bild führen mußte. Die Anteilnahme an der Ermordung des englischen Königs sicherte der "Defensio", zumal sie in dem international verständlichen Gelehrtenlatein abgefaßt war, von Anfang an ein starkes Interesse. Durch Vermittlung der Holländer war sie noch im Jahre 1651 auf die Buchmessen in Frankfurt und Leipzig gelangt und dort zur selben Zeit angeboten worden, als bereits die ersten Kommentare zu den staatspolitischen Thesen des Engländers erschienen und man darin sofort heftig gegen ihn zu polemisieren begann. Der feste Glaube an das Gottesgnadentum der Herrschenden und die Sorge vor möglicher Rebellion der Untertanen bewirkten, daß von Milton das Schreckensbild eines Mannes entworfen wurde, das von Haß und Abscheu geprägt war, ihn der Leserschaft als einen 'Aufwiegler', einen 'Ketzer', einen 'sinnlos schwätzenden Verteidiger' vor Augen stellte, als 'gewerbsmäßigen Verleumder' entlarvte und ihn zu 'vernichten' suchte. Sein Eintreten für die Machthaber der neuen englischen Republik hatte ihm den Ruf eines 'ruchlosen Meuchelmörders' eingetragen, demgegenüber sich die sporadisch anklingenden positiven Züge, wie der Hinweis auf die 'außergewöhnliche Begabung' des Autors, die 'Reinheit der Sprache' und die 'Eleganz' des Stils, nicht behaupten konnten. Zur Person war ohnehin wenig bekannt, was nicht einmal als Mangel empfunden wurde, da allgemein die Ansicht vorherrschte, er habe sich durch die Abfassung seiner "Defensio" zur Genüge selbst charakterisiert. Auch jene Autoren, die - fern aller vordergründigen Anwürfe - um eine betont sachliche Auseinandersetzung mit Milton bemüht waren, kamen daher nicht umhin zu konstatieren, er habe 'scheußlicher Verbrechen das Wort geredet', und zeichneten letzten Endes ein gleichfalls negatives Bild von ihm,indem

76

Auseinandersetzung mit dem Publizisten

sie seine 'frevlerischen Thesen1 durch ihre Sachlichkeit in noch überzeugenderer Weise ad absurdum führten. Während des Bestehens der neuen englischen Republik hielt die Diskussion um den englischen Defensor mit unvermittelter Intensität an und verlief erst nach der Restauration in gemäßigteren Bahnen. Sie nahm ihren Anfang in Universitäts- und Gelehrtenkreisen, fand aber bald auch den Weg zu den Höfen, so daß die Zentren des Geistes wie die Zentren der Macht als die eigentlichen Ursprungsorte des frühen Miltonbildes anzusehen sind. Als Schwerpunkte kristallisierten sich Straßburg im Süden und der (nieder-) sächsische Raum im Norden heraus, doch ließen sich Verbindungslinien zwischen den meisten damaligen 'Miltonkennern' ziehen, die häufig auf kollegialer Basis miteinander verkehrten oder im Lehrer-Schüler Verhältnis zueinander standen. Manche jener Autoren wirkten in besonderem Maße meinungsbildend. Pinmal von ihnen gefällte Urteile wurden noch über Jahrzehnte hinaus als gültig angesehen und der Leserschaft stereotyp präsentiert, so daß zwar eine größere Breitenwirkung, aber keine Akzentverlagerung in der Haltung der Öffentlichkeit Milton gegenüber möglich war. Die Situation blieb somit unverändert: Milton war nicht berühmt, wohl aber berüchtigt und mit dem Makel behaftet, zu den 'monarchomachischen' und 'neoterischen' Schriftstellern zu gehören. Von einer Ausnahme abgesehen erfolgten sämtliche Nachrichten über ihn in lateinischer Sprache. Diese Beobachtung ließ den Schluß zu, daß die Miltonrezeption der frühen Jahre eine Angelegenheit der gebildeten, wenn nicht gar der gelehrten Schichten war und die breite Masse des Volkes keinen Anteil daran hatte. Dafür sprach auch der Charakter jener Schriften, die sich mit dem englischen Defensor auseinandersetzten und in der überwiegenden Mehrzahl juristische Publikationen waren, gelegentlich mit theologisch-philosophischem Einschlag, wobei als zusätzlich erschwerend der Umstand hinzukam, daß sie nur selten schon im Titel auf Milton Bezug nahmen. Es mußte daher

Resümee

77

fraglich bleiben, inwieweit selbst die einzige in der Volkssprache gehaltene Anspielung bekannt werden konnte, ganz zu schweigen von den vereinzelten Hinweisen auf andere Schriften Miltons, die "Defensio Secunda", die "Areopagitica" und die "Doctrine and Discipline of Divorce" , die nur an sehr versteckter Stelle erwähnt wurden. Unter ihnen mochte allenfalls der "Defensio Secunda" eine gewisse Sonderstellung zugekommen sein, wie aus den knappen Notizen der Nachschlagewerke und Kompendien hervorgeht, obwohl sie keinesfalls die Resonanz erreichte, die ihre berühmte Vorgängerin gefunden hatte. Die Rezeption des übrigen Werkes scheiterte jedoch daran, daß es in einer den damaligen Deutschen weithin unverständlichen Sprache geschrieben war und deshalb auf Verbreitung außerhalb Englands nicht hoffen durfte. Zwar wurden gele2) gentlich Stimmen laut, ' die sich dagegen wandten, Englisch als eine "gar geringschätzige und schlechte" Sprache zu betrachten, doch ihre Anregung, es sei "dannenhero hertzlich zu wünschen / daß wir Teutsche ein mehrern Fleiß an solcher Sprache legten / als leyder nicht geschiehet", blieb noch lange unbeachtet. Um so stärkeres Gewicht sollte daher der vermittelnden Funktion der Englandreisenden zukommen,denen wir zu Beginn des nächsten Zeitabschnittes auch die erste Bekanntschaft mit dem dichterischen Werk John Miltons zu verdanken haben. 2) [Georg Neumark:] Der Neu-Sprossende Teutsche Palmbaum. Oder Ausführlicher Bericht / Von der Hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft [... ] hervorgegeben Von dem Sprossenden. - Zufinden bey Joh. Hoffman Kunsth. in Nürnb. Drukkts / Joachim Heinrich Schmid in Weimar / F.S. HofBuchdr. [1668]. S.132. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XXC 120 u). Dgl. zwanzig Jahre früher: [Karl Gustav von Hille:] Der Teutsche Palmenbaum. [...] Allen Liebhabern der Teutschen Sprache zu dienlicher Nachrichtigung / verfasset / durch den Unverdrossenen. [...]. - Mit vielen Kunstzierlichen Kupfern gedrukkt / und verlegt durch Wolffgang Endtern. Nürnberg 1647. S.123. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XXC 120 ε .

2.0. MILTON IN DEN BEIDEN LETZTEN DEZENNIEN DES 17. JAHRHUNDERTS - ZUM PUBLIZISTEN TRITT DER DICHTER (1682 - 1699) 2.1. D i e e r s t e n d e u t s c h e n s e t z u n g s v e r s u c h e d e s " P a r a d i s e Lost"

U b e r -

Miltons Ruhm als Dichter gründet vor allem auf seinem Hauptwerk "The Paradise Lost", jenem christlichen Epos, das über den biblischen Gehalt hinaus "the great paradox 1) of the human condition" ' zu veranschaulichen wußte und 2)

die Nachwelt ' dazu veranlaßte, den Autor mit Homer und Vergil gleichzusetzen. Aus zehn Büchern bestehend, war es seit dem Frühsommer des Jahres 1667 von sechs Londoner Buchhändlern angeboten und nach anfänglich zögerndem Absatz rasch verkauft worden, so daß 167^, kurz vor dem Tode des Dichters, erneut 1500 Exemplare des inzwischen nach dem Vorbild klassischer Epen in zwölf Bücher unterteilten Werkes aufgelegt werden konnten, denen bereits vier Jahre später eine dritte Auflage folgte. Innerhalb eines Dezenniums hatten rund 3000 Exemplare den Weg zum englischen Lesepublikum gefunden, das sie "treasured and preserved" ' haben muß, da laut Parkers Zählung bis zum heutigen Tage fast jedes sechste Exemplar davon erhalten geblieben ist. Ergibt sich für England im Hinblick auf Miltons frühe Aufnahme als Dichter somit ein relativ günstiges Bild, so hätte andererseits die Bilanz für Deutschland kaum negativer ausfallen können, dessen Bibliotheken von den vor 1680 erschienenen Auflagen des "Paradise Lost" ganze drei Exemplare aufweisen, die sich zudem in keinem einzigen Fall 1) David Daiches: Milton. - London: Hutchinson 1966. S.215. 2) Vgl. John Drydens "Epigram on Milton" (1688), abgedruckt bei James Thorpe (Hrsg.): Milton Criticism. Selections from four Centuries. - London: Routledge.1965, S.337. 3) Parker, Milton, A Biography, S.1110.

Frühe Ubersetzungen des "Paradise Lost"

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mit Sicherheit auf einen deutschen Erstbesitzer zurückverh)

folgen lassen ' und deshalb ein eher zusätzliches Zeugnis für die absolute Unkenntnis der damaligen Zeitgenossen in unserem Lande Milton gegenüber darstellen. Diese Beobachtung überrascht nicht, bedenkt man die allseits fehlende Vertrautheit mit dem Englischen, die es mit sich brachte, daß weder das "Paradise Lost" noch irgendein anderes englischsprachiges Werk in den Meßkatalogen jener Zeit aufgeführt und auf den Buchmessen in Frankfurt oder Leipzig gehandelt wurde. Hilfsmittel zur Erlernung der englischen Sprache wurden erst gegen Ende des Jahrhunderts bereitgestellt: 1678 kündigte der "Catalogus 5) Universalis" ein "Englisch und Hochteutsch Dictionarium" ' an, zehn Jahre später erschien bei Bielcke in Jena die erste Sprachlehre "of this gentle language",^ und was immer an englischer Literatur von Interesse war - in der Hauptsache handelte es sich um religiöse Traktate, denen gelegentlich historische»politische sowie Werke allgemeininteressierenden Inhalts zur Seite traten wurde daher ausschließlich in Ubersetzungen dargeboten, anfangs oft durch holländische und französische Vermittlung, mitunter gar auf dem Umweg Uber das Latein, ehe die Zahl der unmitk) Die in der UB Bonn befindliche editio princeps (Sign. Fb 410 Rara) wurde der Bibliothek 1853 aus dem Nachlaß des Domherrn Augustin Scholz (1794-1852, vgl. ADB) übereignet, der sie aller Wahrscheinlichkeit nach von seiner Reise nach London im Jahre 1818 mitgebracht hatte. - Die in der UB Göttingen vorhandene Erstausgabe (Sign. 8° Poet. Angl. 5555) stammt hingegen aus der 1851-1853 erworbenen Bibliothek des ehemaligen St.Michaelisklosters in Lüneburg und reicht somit, ebenso wie das der UB Hamburg gehörende Exemplar der 3.Auflage (Sign. A 8495), in unmittelbare Nähe zu der im 17.Jahrhundert in Hamburg florierenden englischen Kolonie, die zwar keinerlei nachweisbare Impulse auf die frühe Miltonrezeption in Deutschland auszuüben vermochte, deren Angehörige aber doch aus England das eine oder andere Exemplar des "Paradise Lost" für den eigenen Gebrauch mitgebracht haben mochten, falls diese beiden Ausgaben nicht überhaupt erst im 18.Jahrhundert nach Deutschland gelangt sind. 5) Catalogus Universalis, Herbstmeß 1678, Ausgabe Frankfurt, Bl. C. 6) Catalogus Universalis, Herbstmeß 1688, Ausgabe Leipzig, Bl. Ε 1v.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

telbar aus dem Englischen übertragenen Werke zunahm, zu denen schließlich auch Miltons Epos zählen sollte. Arthur Hübscher hat in Zusammenhang mit dem siebzehnten Jahrhundert von der "schrankenlosen Aneignung des Fremden"®^ gesprochen, und in der Tat gibt es kaum eine andere Literaturepoche, die eine ähnliche Fülle an Verdeutschungen in sich birgt. In der Mehrzahl waren sie freilich um der Schulung und Verbesserung der deutschen Sprache willen angefertigt worden, aber sie dienten doch ebenso zur Verbreitung ursprünglich fremdsprachigen Gedankengutes, wobei sich zwei Wege anboten, von denen der erste im Barockzeitalter besonders gern eingeschlagen wurde: entweder beschränkte sich der Übersetzer auf die paraphrasierende Wiedergabe des Inhalts, dann konnte er der Form nicht immer genügend Beachtung schenken, oder er suchte möglichst wortgetreu zu übersetzen und lief Gefahr, den Geist des Originals zu verfehlen. Zwischen diesen beiden, ihn wie Scylla und Charybdis anmutenden Möglichkeiten hat sich ein Übersetzer von jeher bewegen müssen, und noch heute gilt, daß eine Übersetzung, vor allem wenn sie Dichtkunst überträgt, selten mehr als einen Abglanz vom Original vermittelt, da ihr eigentlicher Gegenstand niemals das Werk selbst ist, sondern vielmehr das Bild, das sich der Übersetzer davon macht. ' Was die damalige Zeit als Kriterien für eine gute Übersetzung aus dem Englischen wertete, ist zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts in einer Rezension einmal folgendermaßen formuliert worden: "Man hat den Sinn des Urhebers auf das getreuste ausgedrückt. Man hat kein Wort gebraucht,welches teutschen Ohren verdrießlich fallen könnte. Man hat 7) Noch Bodmer übersetzte 1724 Miltons Epos "mittelst der einen Hülfe eines lateinisch-englischen Wörterbuches"; vgl. Bodmer's persönliche Anekdoten, hrsg. v. Theodor Vetter. - o.O. [1891]. S.36. 8) Arthur Hübscher: Barock als Gestaltung antithetischen Lebensgefühls. Grundlegung einer Phraseologie der Geistesgeschichte. - In: Euphorion. Bd 24 (1922). S.536. 9) Vgl. Fritz Güttinger: Zielsprache. Theorie und Technik des Ubersetzens. - Zürich: Manesse 1963. S.56f.

Frühe Ubersetzungen des "Paradise Lost"

81

die Englische Schreib-Art, die ordentlich weitläufftig ist, ohne den geringsten Verlust der Sachen oder Worte in eine gantz andere Schreib-Art gebracht, die der Beschaffenheit unserer Sprache mehr gemäß und weit angenehmer 10} ist". ' Diese Passage bezieht sich zwar in erster Linie auf einen Prosatext und läßt daher Form, Klang oder Rhythmus außer acht, doch ist sie in gleicher Weise auf andere Gattungen anwendbar und macht als solche bereits die Problematik deutlich, die gerade der letzte Punkt im Hinblick auch auf Milton aufwirft, dessen poetischer Stil im "Paradise Lost" so eigenwillig ist, daß er aufgrund der ihn auszeichnenden Erhabenheit nicht anders als mit dem Begriff 'miltonisch' umschrieben werden kann. Ihn, der von "nervous energy, subtle involutions, tentacular imagery and linguis11) tic daring" ' geprägt ist, in eine adäquate deutsche Form zu gießen, sollte sich als fast unlösbare Aufgabe erweisen, und dennoch sind schon im siebzehnten Jahrhundert mehrfach Versuche unternommen worden, Miltons Epos ins Deutsche zu übertragen, von denen das Lesepublikum zuerst aus dem Katalog der Frankfurter Ostermesse von 1682 Kenntnis erlangte, als ihm dort, wie auch in dem fünf Wochen später gedruckten Katalog der Leipziger Messe, unter der Rubrik der "Libri Futuris Nundinis Prodituri" jenes Werk angekündigt wurde, dessen Erscheinen schließlich einen neuen 12) Abschnitt "Das verder Miltonrezeption in Deutschland eröffnete: lustigte Paradieß / auß Johann Miltons in seiner Blindheit unvergleichlich außgefertigten Englischen Gedichte in Hochteutsch übersetzet / durch D.Haake und E.G. von Bergen / Zerbst bey dem Aut. in 8". 10) Nieder-Sächsische Nachrichten Von Gelehrten neuen Sachen auf das Jahr MDCCXXXII. Mit einer Vorrede und einem vollständigen Register. - Hamburg, bey Theodor Christoph Felginers Wittwe. [1732]. S.665f. (Exemplar der UB Göttingen, Sign. Eph.Lit. 156/5). 11) Christopher Ricks: Milton's Grand Style. - Oxford: University Press 1963. S.75. 12) Catalogus Universalis, Ostermeß 1682, Ausgabe Frankfurt, Bl. E3; Ausgabe Leipzig, Bl. E2v.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

2.1.1.

"Das Verlustigte Paradeis" in der Druckausgabe von 1682

Die Drucklegung des "Catalogus Universalis" zur Leipziger Ostermesse w a r fast abgeschlossen, als den Herausgebern die Fertigstellung des von ihnen soeben erst angekündigten "Verlustigten Paradeises" gemeldet wurde. So konnten sie Miltons "Gedichte in zwölf Büchern fürgestellet durch D.Haacke / Palat. und E.G. von Bergen, Anhaltin.

noch in die Liste der verspätet ausgelieferten

Werke aufnehmen, ordneten es allerdings nicht den poetischen Ausgaben zu, sondern reihten es unter die "Libri Theologici", was den Schluß nahelegt, daß sie es weniger als literarisches denn als religiöses Denkmal ansahen. Zugleich erweckte ihre Ankündigung den Anschein, als handele es sich bei der vorliegenden Edition um ein Gemeinschaftsunternehmen zweier Autoren, doch sollte diese A n nahme nur bedingt zutreffen, da die beiden Übersetzer sich zwar kennengelernt, aber nicht Hand in H a n d gearbeitet hatten. D e r eine Übersetzer w a r der seit 1638 ständig in L o n don lebende Theodor (Dietrich) Haak, 2 ^ ein Pfälzer von Geburt, den die W i r r e n des Dreißigjährigen Krieges nach England verschlagen hatten, wo er m i t vielen bedeutenden Männern Kontakte pflegte und überhaupt in dem Ruf stand, "von regem Eifer für wissenschaftliche und gemeinnützige Bestrebungen e r f ü l l t " ^

zu sein. Eher ein rezeptiver als

ein produktiver Geist, hatte er im Laufe seines langen Lebens bereits mehrfach Werke aus dem Holländischen ins Englische sowie aus dem Englischen ins Deutsche übertragen und, da er M i l t o n nahestand, schon um 1668 damit begonnen, dessen "Paradise Lost" zu verdeutschen, ohne Jedoch den Versuch jemals vollenden zu können, so daß seine Bemühungen der Masse der Zeitgenossen verborgen bleiben 1) Catalogus Universalis, Ostermeß 1682, Ausgabe L e i p zig, Bl. G1. 2) 1605 - 1690, vgl. ADB. 3) ADB, B d 10, S.257, s.v. 'Haak'.

"Das Verlustigte Paradeis"

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mußten, zumal sie nur in handschriftlicher Form vorlagen. Der andere Übersetzer, fast ein halbes Jahrhundert jünger als Haak, war der 1649 in Bernburg (Anhalt) geborene Ernst Gottlieb von B e r g e , ^ ein Mann, von dem man zu rühmen wußte, daß er "wenigstens sieben Sprachen vollkommen besaß". ' Nach einem achtjährigen Aufenthalt in Rußland war er 1678 zusammen mit dem englischen Gesandten nach London gereist und hatte dort Zugang zu den gelehrten Kreisen gefunden, denen neben Haak noch weitere Miltonfreunde angehörten. Offenbar war er in der Absicht nach England gekommen, "to make practical use of the knowledge he had acquired in Russia", ^ doch war ihm hierin kein Erfolg beschieden, und so kehrte er zwei Jahre später nach Deutschland zurück, um in die Dienste des Kurfürsten von Brandenburg zu treten. Mit sich führte er nicht nur ein Exemplar der zweiten Auflage von Miltons Epos, sondern auch eine Abschrift des Haakschen Ubersetzungsentwurfes, 7) der zu jener Zeit, dem Bericht eines Augenzeugen zufolge, etwa die Hälfte ("hälfe") des "Paradise Lost" umfaßte und der Berge als Grundlage für seine eigene Übertragung diente, die er auf seine Kosten 1682 in Zerbst drucken ließ. Als das Werk erschien, war der Name Haaks vom Titelblatt verschwunden, und Berge allein zeichnete dafür verantwortlich, Miltons Epos "in Unser gemein Teutsch übergetragen und verleget" 8 ^'zu haben. Lediglich in der Vor4) 1649 - 1722, vgl. Leo Loewenson: E.G. von Berge, Translator of Milton and Russian Interpreter (1649-1722).In: The Slavonic and East European Review. Bd 34, Nr.83 (1956). S.281-291. 5) Johann Ulrich König: Untersuchung Von der Beschaffenheit Der einsylbigen Wörter in der Teutschen DichtKunst, Nach den Grund-Sätzen des Poetischen Zahlmasses Und der daraus entspringenden Übereinstimmung, ausgefertigt von Johann Ulrich König. - In: J.U.K.: Des Herrn von Besser Schrifften, [...] Zweiter Theil. [...]. - Leipzig, bey Johann Friedrich Gleditschens sei. Sohn, 1732. S.891 (Anm.). (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 244.1.2.). 6) Loewenson, E.G. von Berge, S.286. 7) John Aubrey: Minutes of Mr. John Milton, abgedruckt in: Helen Darbishire (Hrsg.): The Early Lives of Milton.London: Constable 1932. S.5. 8) [Ernst Gottlieb von Berge:] Das Verlustigte Paradeis / Auß Johann Miltons Zeit seiner Blindheit In Eng-

8U

Zum Publizisten tritt der Dichter

rede "an den wohlgeneygten Leser" gedachte er, ganz im Vorübergehen, seines Vorgängers, indem er darlegte, daß es sein Trachten gewesen sei, "auf gleichmässige Art [...] vollends überzutragen und durch den Druck ans Licht zubrinq) gen", was jener zu übersetzen "allbereyt angefangen" ' hatte. Ansonsten suchte er allen Ruhm für sich in Anspruch zu nehmen, was ihm um so leichter fiel, als kaum jemand in Deutschland etwas von Haaks Entwurf wissen konnte, der überdies zwei Jahrhunderte lang als verschollen gelten sollte. Als handschriftliches Zeugnis wird uns die ältere Version, von der die ersten drei Bücher sowie fünfzig Verse des vierten Buches erhalten geblieben sind, im folgenden Exkurs wiederbegegnen; deshalb wollen wir hier von einer weiteren Diskussion absehen und unsere Aufmerksamkeit zunächst der von Berge besorgten Edition zuwenden, die allein dem damaligen Lesepublikum zur Verfügung stand und ihm einen Eindruck von dem "unvergleichlichen Gedicht" des "Stockblinden / doch tiefsinnigen Autori" 1 1 ^ John Milton zu vermitteln suchte. In kräftiger Fraktur gedruckt, umfaßt "Das Verlustigte Paradeis" 384 Seiten im Kleinoktav, von denen die Ubersetzung 367 Seiten in Anspruch nimmt. Ihr vorangestellt ist als erstes eine dreiseitige Zueignung an die Kurfürstin

12)

Dorothea von Brandenburg, ' die zweite Gemahlin des Großen Kurfürsten, die "in politischen Angelegenheiten nicht ohne Einfluß" ' war und deren Fürsprache Berge es vermutlich verdankte, daß er schließlich im Herbst 1682 zum kurfürstlichen Dolmetscher und Privatsekretär bestallt wurde. Von politischen Ambitionen ist in seiner Widmung jedoch nicht die Rede; stattdessen klingt ein eher religiöses lischer Sprache abgefaßten unvergleichlichen Gedicht In Unser gemein Teutsch übergetragen und verleget durch E.G. V.B. - In Zerbst Bey Johann Ernst Bezeln. Anno Μ DC LXXXII. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 11626. b. 31.). 9) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede. 10) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Titelblatt. 11) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede. 12) 1636 - 1689, vgl. ADB. 13) ADB, Bd 5, S.355, s.v. 'Dorothea v. Brandenburg*.

Motive des Ubersetzers

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Moment an, das sich auch in der anschließenden Vorrede an den Leser wiederholt. Hier wie dort erscheint Miltons Epos als "ein kurtzer Entwurf des Kerns aller je gewese1 4) nen und hinkünftigen Dinge", ' den zu lesen sicher "nicht unangenehm seyn" werde, versenke man sich in die "Betrachtung der Heiligen Regierung Gottes", wie solche schon seit dem Anbeginn aller Dinge "zur allgemeinen Wohlfahrt des Menschlichen Geschlechts wunderbarlich ausgeführet" worden sei. Fast möchten w i r aufgrund dieser Stelle Berge eine N e i gung zu pietistischem Gedankengut zuschreiben, das damals im östlichen und mittleren Deutschland stark im Vordringen war. D o c h ist zu wenig über seine Person bekannt, um letztlich die Motive zu bestimmen, die ihn zur Ubersetzung des "Paradise Lost" bewogen haben, und w i r können daher nur feststellen, daß religiöse Momente auf jeden Fall mit im Spiel waren. 15)' D e n eigentlichen Anstoß gab zweifelsohne seine Reise nach England. Als "Heimat der großen Theologen 1 6) und Prediger" ' durchlebte das Inselreich gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts gerade eine Blütezeit religiösen Schrifttums, und Berge, wenngleich selbst kein Theologe, mag diese Entwicklung wohl im Auge gehabt haben, als er rühmend davon sprach, England sei in den "letzteren Zeiten gleichsam eine Schatzkammer vieler unvergleichlichen 17) Schriften worden". ' Z u ihnen zählte das "Paradise Lost", und der Umstand, daß Berge sowohl mit Haak als auch mit anderen Miltonfreunden in Berührung kam, mußte seine A u f merksamkeit zwangsläufig auf das Epos des Puritaners len14) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede; ff. Z i tate ebd. 15) Vgl. hierzu auch Magon, Die drei ersten deutschen Versuche, S.50 ff., sowie Horst Oppel: Der Einfluß der englischen Literatur auf die deutsche. - In: Deutsche P h i lologie im Aufriß. Hrsg. v. Wolfgang Stammler, 2.Überarb. Aufl. B d 3. - Berlin: Schmidt 1962. Sp.233. 16) Marce Blassneck: Frankreich als Vermittler englischdeutscher Einflüsse im 17. u n d 18.Jahrhundert. - Leipzig: Tauchnitz 1934. S.2f. (= Kölner Anglist.Arbeiten. Hrsg. von Herbert Schöffler. B d 20). 17) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede; ff. Zitate ebd.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

ken, während die Diskussion der Freunde ein übriges tat, in ihm den W u n s c h zu wecken, das "Werckchen" möchte auch dem deutschen Vaterlande "anjetzo für A u g e n gestellet" werden. Schwieriger noch ist die Frage zu beantworten, ob Berge m i t seiner Übertragung die Absicht verfolgte, Miltons Epos als literarisches Kunstwerk z u würdigen. A u c h darüber schweigt er sich aus, obwohl w i r annehmen dürfen, daß ihm die seit 1677 in Londoner Kreisen kursierende Meinung, es sei "undoubtedly one of the greatest, most noble, and most sublime poems w h i c h either this age or nation has p r o duced" , nicht unbekannt gewesen ist. Zwar hat er seiner Edition zwei Lobgedichte auf M i l t o n beigegeben, deren eines, v o n Dr. Samuel Barrow im elegischen Versmaß geschrieben, das "Paradise Lost" h o c h Uber die großen E p e n der Antike stellt u n d sich gar zu der Behauptung erkühnt, "wer immer es liest, w i r d glauben, der Maeonide habe nur v o n den Fröschen, Vergil nur v o n den M ü c k e n gesungen"

(le-

git, tantum cecinisse putabit Maeonidem Ranas, Virgilium Culices),während

das andere, aus der Feder Andrew M a r -

vells stammend, sich nicht genug tun kann, Form u n d Inhalt des Epos zu preisen, das "Entsatz zugleich u n d Lust gebiert; 20) W e i t über aller Prahl-Poeten macht"; ' doch bedeutet ihr Abdruck noch nicht, daß Berge in gleicher Weise dachte, sondern zeugt lediglich von seiner Treue als Herausgeber, der all das in seine E d i t i o n m i t aufnahm, was er in dem ihm als Vorlage dienenden Exemplar des "Paradise Lost" vorgefunden hatte. Andererseits w a r Berge ein M a n n von literarischer Aktivität, wie nicht zuletzt seine übrigen Werke so21) wie seine Editionspläne beweisen - selbst w e n n w i r Königs ' rätselhafte Anspielung auf die "vielen anderen Englischen Bücher", die er übersetzt haben soll, außer acht lassen u n d er w a r ein M a n n v o n Objektivität, "aloof from any 18) Zit. nach: Parker, Milton, A Biography, S.662. 19) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Bl. VI. 20) Ebda. Bl. VII. 21) König, Untersuchung v o n der Beschaffenheit, S.89'i (Anm.).

Berges Leserschaft

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22) attempt to exaggerate his own role",

' der wohl darum

wußte, daß die Beurteilung von literarischen Kunstwerken, die erst seit kurzer Zeit im Lichte der Öffentlichkeit stehen, allzu leicht dazu neigt, in Extreme zu verfallen. Gerade deshalb berief er sich auf die ihm eigene Position des vermittelnden Übersetzers, was für ihn - wie noch zu zeigen sein wird - keinesfalls gleichbedeutend w a r in.it einem Verzicht auf jeglichen "Anspruch auf literarische G e l t u n g " , u n d machte dem lesenden Interpreten (oder dem interpretierenden Leser) vielmehr durch die A r t seiner Übertragung deutlich, daß er das "Paradise Lost" eben doch auch als Dichtung verstanden 24) wissen wollte und nicht nur als "religiöses Denkmal". 25) Angetan v o n dem Reiz "dieses Dicht-Wercks" des englischen Poeten und durchdrungen von der Hoffnung, daß es auch in der von ihm besorgten Übertragung "von dem günstigen Liebhaber freundlich a u f g e n o m m e n " ^ ^ werden möge, scheint Berge sich zudem genaue Vorstellungen über die soziale Zusammensetzung seiner potentiellen Leserschaft gemacht zu haben. D a er um den hohen Anspruch wußte, den Miltons Epos an das Publikum stellt, hob er die Notwendigkeit v o n "darzu gehörigen Erklärungen" angesichts der schwierigen Materie ausdrücklich hervor, die zumindest für den " g e m e i n e m Leser" als Hilfestellung zu einem besseren Verständnis unerläßlich seien, wie auch die Beigabe von "sinnreichen Kupfern" in eben der Richtung wirken könnte. Abgesehen von einer einzigen, gemessen an William Faithornes Original dilettantisch anmutenden Kopie des in der englischen Ausgabe enthaltenen Miltonporträts, die Miltons Züge nur stark vergröbernd u n d ins Matronenhafte 27) verzeichnet wiedergibt, '' fehlt im "Verlustigten Paradeis" 22) Loewenson, E.G. v o n Berge, S.288. 23) Wolfgang Bender: Johann Jacob Bodmer u n d Johann Miltons "Verlohrnes Paradies". - In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft. B d 11 (1967). S.228. 24) Magon, Die drei ersten deutschen Versuche, S.81. 25) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Bl. VI v. 26) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede; ff. Zitate ebd. 27) Dieses Porträt fehlt heute in fast allen noch vor-

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Zum Publizisten tritt der Dichter

jedoch beides, und die Vermutung ist daher nicht von der Hand zu weisen, daß Berge vorerst einen hochgebildeten Personenkreis im Auge hatte, etwa Freunde der englischen Sprache u n d Poesie, die sich bei Hofe u n d a n den H o h e n Schulen des Landes befanden oder selbst gar als Dichter tätig w a r e n u n d v o n denen er hoffen durfte, daß sie sich mit Miltons Gedicht "zuvergnUgen belieben"

^ würden.Doch

obwohl er sein W e r k als eine "geringfügige

Ubersetzung"^^

bezeichnet hatte, was hingegen eher Konvention als Selbsteinschätzung gewesen war, w a r ihm durchaus bekannt, daß sein "Verlustigtes Paradeis" selbst für jenen Kreis noch Schwierigkeiten aufwies, die er nicht zu meistern gewußt hatte u n d auf die er daher in der Vorrede, um aller Kritik vorzubeugen, eigens zu sprechen kam. Das gewichtigste Problem, das dem Übersetzer am meisten zu schaffen machte, stellte das v o n M i l t o n gewählte V e r s maß dar. W ä h r e n d die zeitgenössischen Ependichtungen gereimten Strophen den V o r z u g gaben, w a r das "Paradise Lost" in reimlosen, fünfhebigen J a m b e n verfaßt, u n d der Dichter hatte sich daher bald genötigt gesehen, dem W e r k eine Rechtfertigung seines Vorgehens beizugeben, obgleich sei30} ne "revolt against rhyme" ' im England jener Tage keineswegs isoliert dastand, sondern schon auf eine gewisse T r a dition - vor allem im Bereich des Dramas - zurückblicken konnte. Diese Apologie Uber "des 31) Poeten Grund die A r t und ' hatte Berge in das "Ver-

Maaß Seiner Versen betreffend"

lustigte Paradeis" übernommen, um auch dem hiesigen Leser die Möglichkeit zu geben, Miltons Argumentation kennenzuhandenen Exemplaren des "Verlustigten Paradeises" u n d ist deshalb, ehe es gänzlich verloren geht, unserer Arbeit beigegeben worden. F r a u Margarete Hugk v o n der Stadtbibliothek Dessau danken w i r für die bereitwillige Ubersendung einer Kopie; F r a u Irmgard Lange für die frdl. Genehmigung zum Abdruck. 28) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede. 29) Berge, Das Verlustigte'Paradeis, Zueignung. 30) Arthur Melville Clark: M i l t o n and the Renaissance Revolt against Rhyme. - In: A.M.C.: Studies in Literary Modes. - Edinburgh and London: Oliver and Boyd 1958.S.105. 31) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Bl. IV; ff. Zitate ebd.

Miltons Versmaß

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lernen, die sich auf das Vorbild Homers und Vergils berief sowie auf andere in- und ausländische Dichter, deren Beispiel gezeigt habe, daß der Reim "weder zur Noht noch Zierde guter Gedichte dienlich" sei, zumal er den Vers einenge u n d mit seinem "unvernünftigen Wiederhall" Jeden wirklichen Höhenflug vereitele. Deutschen Lesern mußten solche Worte ungewöhnlich klingen, hatte doch Opitz erst ein halbes Jahrhundert zuvor im "Buch v o n der Deutschen Poeterey" dem Reim seine althergebrachte Rolle erneut bestätigt, so daß ungebundene Verse in der Dichtung selten waren, ganz zu schweigen v o n dem bis dahin in Deutschland überhaupt noch nicht bekannten Blankvers.

' Selbst in der Literaturkritik herrschte die

Meinung vor, "wann einer die ungereimte Verse höher als die andern halten wolte / were es eben / als w a n n einer einer Strohfidel vor einer wollgestimten Geige den Vorzug gebe",

' und dennoch unternahm Berge das v o n späteren

Übersetzern ob seiner Schwierigkeit immer wieder gescheute Wagnis, Miltons Versform exakt nachzubilden, was nicht mit dem Hinweis auf Ubersetzertreue abgetan w e r d e n kann, sondern v o n dem ehrgeizigen Bestreben Zeugnis ablegt, auch in der Übertragung den in seiner Kompliziertheit vielfach bewegten, von würdevoller Feierlichkeit getragenen Sprachstrom des Originals zu wahren, zu dessen unverwechselbarer Eigenart insbesondere die freie Behandlung der Zäsur wie des Enjambements beigetragen hatte. Nicht einmal Opitz hatte verlangt, "das der periodus oder sententz allzeit mit dem verse oder der strophe sich 341 ende", ' doch Miltons Schreibart entsagte mit ihren großen 32) V o n den seinerzeit unveröffentlichten Versuchen des Kasseler Arztes Rhenanus können wir hier absehen; vgl. J o hannes Bolte: Die beiden ältesten Verdeutschungen v o n M i l tons Verlorenem Paradies. - In: Zeitschrift für vgl. L i teraturgeschichte u. Renaissance-Litteratur. N F B d 1 (1887/ 88). S.432. 33) Daniel Georg Morhofen Unterricht V o n D e r Teutschen Sprache und Poesie [...]. - Kiel 1682, S.569; vgl. Kap. 2.2., Anm.2 dieser Arbeit. 34) Martin Opitz: Buch v o n der Deutschen Poeterey (1624) N a c h der Edition von Wilhelm Braune n e u herausgegeben v o n Richard Alewyn. - Tübingen: Niemeyer 1963. S.39·

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Zum Publizisten tritt der Dichter

Spannungsbögen so sehr aller gewohnten Gesetzmäßigkeit, daß Berge die Leser vorsorglich darauf aufmerksam machen mußte, wie wenig gebräuchlich "oder doch ungemein"^^^ solche Verse .bisher in Deutschland gewesen seien. Wollte er (stellvertretend für den Dichter) nicht Gefahr laufen, sein Publikum zu verwirren, wenn nicht gar abzuschrecken, schien eine Leseanleitung daher unumgänglich, und Berge entledigte sich dieser Aufgabe, indem er in aller Kürze auf die der Miltonschen Sprechweise innewohnende Dynamik verwies, "worauß der Sinn mehrern theils von einem in den andern Vers geleitet / keine pausen an den Enden derselben dulden / sondern biß zur distinction, als ein ungebundener Spruch / fortgelesen sein will". Doch war das leichter gesagt als getan, zumal Berges Verdeutschung die Geschmeidigkeit des englischen Originals vermissen ließ und der Übersetzer den neuen Blankvers oft mit größter Mühe nur hatte durchhalten können. Mitunter verzichtete er sogar gänzlich auf den Fünfheber, um stattdessen Verse mit vier oder sechs Hebungen einzuschieben. Aber das blieben dennoch Ausnahmen, und ihre Zahl war entsprechend gering, nicht allein gemessen an der Gesamtzahl der Verse, sondern auch absolut, wenngleich sie von Buch zu Buch wechselte.Wesentlich nachteiliger als ein fehlender oder zusätzlicher Takt sollte sich für die Lektüre des "Verlustigten Paradeises" hingegen eine andere Tatsache auswirken, die Art nämlich, wie Berge den Fünfheber im 35) Berge, Das verlustigte Paradeis, Vorrede; ff. Zitate ebd. 36) Den höchsten Anteil weist Buch V mit sechs Vierund sieben Sechszeilern, den geringsten Buch XI mit zwei Sechszeilern auf, während der Anteil der übrigen Bücher sich dazwischen bewegt und davon Zeugnis ablegt, wie Berge mit dem Beginn von Buch VI an Sicherheit gewinnt, so daß ihm von dort ab kaum noch Abweichungen gegenüber der Silbenzahl des Miltonschen Verses unterlaufen. Da Haaks Ubersetzungsversuch fast doppelt so viele Verstöße gegen das Versmaß enthält wie die Übertragung Berges in den entsprechenden Büchern und Haak demzufolge auf rhythmischem Gebiet sehr unsicher gewesen sein muß, wäre hier ein Indiz dafür gegeben, Haaks Fragment in seinem ursprünglichen Umfang nur bis zum Ende von Buch V anzusetzen.

Berges "dunkler" Stil

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Deutschen zu verwirklichen trachtete, denn in der Verfolgung dieses Ziels bediente er sich solch ungewöhnlicher Mittel, daß darin zugleich ein entscheidender Grund für die Ablehnung seines Werkes durch die Zeitgenossen und alle späteren Generationen liegen dürfte. I n vielen Fällen widersetzte sich die Wortwahl dem jambischen Versmaß, und Berge mußte mitten in der Zeile zum Trochäus überwechseln oder zum Hiatus seine Zuflucht n e h men, was die Leser leicht zum Stolpern brachte, wie folgende Probe aus dem II. Buch verdeutlichen mag: und trachten all ohn unterlaß dem Sieger all Unlust anzuthun / Sein Wohlgefallen zu mindern; Seit mitten auch im Leiden w i r nicht zumahl entmittelt: [...] (Berge II., S.42). Fast immer ergab sich auch die Notwendigkeit, die Worte um des Metrums w i l l e n mittels Synkope u n d Apokope zu kür37) zen, ein Brauch, der, wie Sauer ' bemerkt, "an die Zeit vor Opitz" erinnert und der Übertragung jene eigentümliche Härte u n d Schwerfälligkeit verleiht, die sie so unattraktiv machte. Beispiele dafür finden sich auf jeder Seite, so daß w i r hier nur einige wenige anzuführen brauchen (Seitenangabe in Klammer): Fewr (25), Nebl (26), Meistr (27), g'blas (61), Gleyt (133), Thäln (136), P h 1 l i ster (273), übr'ohrn (37), wiedr (61), übre (219), gheym e n (288), gnaur (309), z'ersüssen (217), schreckign (178) 'rwacht (273), ghubstu (3^1). Aus dem Zusammenhang gerissen w i r k e n sie vielfach noch befremdlicher als im Kontext, doch selbst dort bilden sie einen steten Stein des Anstoßes und sind keinesfalls Ausdruck eines künstlerischen "Strebens nach einem altertümelnden, dunklen Stil", wie Schulze^®^ sie u.a. interpretieren wollte. Schließlich das Enjambement, das Berge so kühn nachzuahmen bereit war. W ä h r e n d es sich in der englischen V e r 37) August Sauer: Uber den fünffüßigen Jambus v o r L e s sing's Nathan. - In: Sitzungsberichte der Phil.-hist. Classe der Kaiserl.Akademie der Wissenschaften. B d 90. Wien: Georold 1878. S.629. 38) Schulze, Miltons verlornes Paradies, S.75.

92

Zum Publizisten tritt der Dichter

sion gleichsam von selbst eingestellt hatte,

39)

Though like a coverd field, where Champions bold W o n t ride in armd, and at the Soldans chair Defi'd the best of Panim chivalry To mortal combat or carreer w i t h Lance. (PL I, 763-66), muß'te der Ubersetzer die Erfahrung machen, daß die Sinnschritte im Deutschen, dessen Spracheinheiten in der Regel komplizierter gebaut sind, sehr viel schwieriger mit dem Zeilenende in Einklang zu bringen waren und daher oft an recht unglücklicher Stelle erfolgten, d.h. entweder kurz vor dem Ende oder unmittelbar nach dem Beginn einer Zeile: Gleich dem Gewühl bey Uns / in jenem /'da ein Ritter / wohlgerüst / zu Pferd / sich frey erbeut / für Krohn u n d Thron zuKämpfen / mit dem Kühnsten in der W e l t / biß auf den Tod. (Berge, S.28) Von der Geschlossenheit der englischen Verse, die den Sinn in einem weitgespannten Gefüge, ohne den Rhythmus jemals zu unterbrechen, v o n der ersten('Champions bold') zur letzten Zeile ('to mortal combat or carreer') führten, ist hier kaum etwas übriggeblieben, zumal die häufige Untergliederung der Zeilen den unbeholfenen Charakter des Ganzen noch unterstreicht. Dennoch wäre es ungerecht, wollte man nicht anerkennen, daß es andererseits Passagen gibt, in denen Berge eine weitaus glücklichere Hand bewies und wo es ihm gelang, seine Sprache mit so viel Schwung auszustatten, daß die Leser das Enjambement mühelos bewältigen konnten. Die folgenden, in ihrer Prägnanz an Sentenzen gemahnenden Verse mögen als Beweis dafür stehen: E i n jeder strebe nur / das Seine hier in Ruh zusuchen / frey zu leben / thun und lassen / wie es jeden selbst gefällig / ohn jemand Rechenschafft darvon zugeben. (Berge, S.39) Nur finden sich solche Stellen allzu selten, und insofern behielt Berge durchaus recht, als er den Lesern im Hinblick 39) "Paradise Lost" w i r d zitiert nach der Ausgabe: J o h n Milton: The Poetical Works. Hrsg. von Helen Darbishire. Oxford: University Press 1958.

Miltons Sprache

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auf Metrum, Rhythmus und Enjambement "manche rauche Beschwärlichkeit"^^ verhieß, die sie bei der Lektüre des "Verlustigten Paradeises" erwarte. Wohl wußte er darum, daß die Dichtung seiner Zeit strenge Gebundenheit bevor411 zugte, ' so daß sein Versuch, dem Publikum Miltons "unge42) bundene Freyheit der Poesie" ' nahezubringen, ein Wagnis darstellte, dessen Gelingen keineswegs gesichert war. Dennoch hielt er an seinem ehrgeizigen Plan fest, nicht allein den Inhalt des "Paradise Lost" vermitteln zu wollen, sondern Gehalt und Gestalt dieses literarischen Kunstwerks in gleicher Weise zu berücksichtigen. Die Nachahmung der Versform war daher lediglich e i n Schritt in Richtung auf jenes Ziel, ein Schritt, der - trotz aller Hindernisse,die sich dem Übersetzer entgegengestellt hatten - noch immer leichter zu bewältigen war als die aus der "tiefgegründeten Kürtze Englischer Redensarten" resultierenden sprachlichen Probleme, die ebenfalls auf Berge zukamen und einer Lösung harrten. Wie jeder Leser des "Paradise Lost", so hatte auch Berge die Erfahrung machen müssen, daß Miltons Sprache so gedrängt ist, daß sie, wie ein späterer Ubersetzer einmal klagte, "fast unter der Wucht der Gedanken erliegt und in Folge dessen oft dunkel wird oder doch schwer zu enträthsein ist". Auf kleinstem Raum hatte der Dichter ein Höchstmaß an Sinnbezügen hervorzubringen gewußt: ungewöhnliche Wortverbindungen eröffneten neue, umfassendere Bedeutungen und trugen, ebenso wie die zahlreichen Partizipialkonstruktionen, dazu bei, die gebotene Kürze im Ausdruck zu wahren, während aus dem gleichen Grunde Wörter, die für das Verständnis des dargelegten Zusammenhangs nicht unbedingt erforderlich waren, ausgelassen und Verben an die Stelle von Substantiven oder Adjektive an die Stelle von 40) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede. 41) Vgl. August Closs: Die neuere deutsche Lyrik vom Barock bis zur Gegenwart. - In: Deutsche Philologie im Aufriß. 2., Uberarb.Aufläge. Bd 2. Sp.138ff. 42) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede; f. Zitat ebd. 43) Bernhardi in:Milton, Politische Hauptschriften, Bd 1, S.1.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

Adverbien gesetzt wurden. Freilich war eine derartig kühne Schreibart, die neben diesen Zügen noch häufigen Gebrauch der Inversion sowie schwer überschaubare Satzkonstruktionen aufwies, schon im damaligen England nicht unbestritten 441 und brachte Milton bald den Ruf eines "irregular genius" ' ein. Für den Geist des Originals war sie hingegen von ausschlaggebender Bedeutung, und um ihn zu wahren, entschloß sich Berge daher, sie möglichst ebenso nachzubilden, wie er es zuvor mit dem Versmaß versucht hatte, nicht zuletzt auch deshalb, damit "einem Phil-Anglo beydes45) mit einander zuvergleichen desto leichter fallen möchte". ' Seine Absicht wurde von der Kritik indessen oft mißverstanden, die ihm gerade das zum Vorwurf machte, was er mit seiner Ubertragung hatte erreichen wollen, indem sie die ihm eigene Neigung zum Experimentieren mit der Sprache nicht als Zeugnis seines Ringens um adäquate Wiedergabe von Miltons Diktion verstand, sondern als Anmaßung verurteilte und mit der Bemerkung abtat, er habe "sich auf eine lächerliche Art beflissen, alle die Rauhigkeit in Ausdrücken, und Ungeschliffenheit in der Schreibart beyzubehalten, die er in dem Englischen fand".^^ Dennoch kann Uber die Redlichkeit seines Bemühens kein Zweifel bestehen, obwohl es ihm nicht immer gelang, jene zwischen Wunsch und Wirklichkeit seines Übersetzens sich auftuende Kluft zu schließen, die sich ihm aufgrund des andersartigen Charakters der deutschen Sprache zwangsläufig ergeben mußte, zumal er nicht das Sprachvermögen eines Dichters besaß. Weder vermag die von ihm gewählte Sprachfonn somit in allen Fällen Schottels Mahnung an die Übersetzer nachzukommen, sich der "guten teutschen Worten 441 Thorpe, Milton Criticism, S.6. 45) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede. 46) Johann Christoph Gottsched (Hrsg.): Herrn Peter Baylens, weiland Professor der Philosophie und Historie zu Rotterdam, Historisches und Critisches Wörterbuch, nach der neuesten Auflage von 1740 ins Deutsche übersetzt; Mit [...] Anmerkungen, sonderlich bey anstößigen Stellen, versehen von Johann Christoph Gottscheden. Dritter Teil. Κ bis P. - Leipzig, 1743. Verlegts Bernhard Christoph Breitkopf. S.402. s.v. 'Milton'. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 734. k. 3-6.).

Berges Sprache

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47)

und phrasibus" ' zu befleissigen, noch ist sie allzeit imstande, Miltons Sprache "sonder Verdrießlichkeit gleicher gestalt"^ 8 ^ nachzuahmen. Während ersteres jedoch den Zeitgenossen bereits einsichtig war, konnten sie von letzterem nichts ahnen, da ihnen im damaligen Deutschland niemals Gelegenheit zu einem Vergleich mit dem "Paradise Lost" gegeben wurde und sie folglich ausschließlich auf Berges Vermittlerdienste angewiesen waren, wollten sie sich ein Bild von Miltons Epos machen. Selbst ihnen kann allerdings nicht verborgen geblieben sein, daß Berges Ubersetzung auf den ersten Blick schon eine eigentümliche Mischung verschiedenster Sprach- und Stilelemente aufweist, aufgrund derer in der Sprachgebung konservativ-zeitgebundene neben experimentell-fortschrittliche Züge zu stehen kommen und einheimisches mit fremdartigem Gut verwoben wird. Für den Bereich des Wortschatzes etwa zeigt sich das einerseits am Festhalten an altertümelnden Formen wie "sich erbrechen" (71) - für 'sich kundtun 1 -, "bekörbt" (251), "wackern" (131), "Inham" (41) und an der unbekümmerten Übernahme von im Deutschen auch damals völlig ungebräuchlichen Fremdwörtern (Gravedad, Fury, Warfahrt, R a n t z i o n ) a n d e r e r s e i t s an dem Versuch, "sehnäuglend" (111), "abend-wärtig" (247), "Arm-gefalten" (112) oder "fels-über" (104) - in Analogie zu 'bergab' als neue Prägungen einzuführen und weniger bekannte technische Ausdrücke wie 'optic glass' oder 'compass' durch "Fern-Lug" (13) bzw. "Weiser" (114) zu verdeutschen. Stärker noch gilt diese Beobachtung für Wortstellung und Syntax des "Verlustigten Paradeises". Nicht, daß Berge sich ständig eng an den Satzbau des englischen Originals angelehnt hätte; das trifft nicht einmal für jene Partien zu, für die ihm Haaks nahezu zeilengetreue Uber— 47) Zit. nach: August Langen: Deutsche Sprachgeschichte vom Barock bis zur Gegenwart. - In: Deutsche Philologie im Aufriß. 2. überarb.Aufl. Bd 1. Sp.960. 48) Berge, Das Verlustigte Paradeis, Vorrede. 49) Berge, Das Verlustigte Paradeis, S.41, S.178, S.188 und S.360.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

Setzung zur Seite stand. Wohl aber weisen seine syntaktischen Konstruktionen gewisse Freiheiten auf, die mit dem Hinweis auf den durch das Versmaß vorgegebenen Zwang zur Kürze zwar erklärt, doch nicht entschuldigt werden können, und trotz der Versicherung, aus der Nachahmung des Englischen zu resultieren, von der Leserschaft der Zeit eher als "Mängel" angesehen denn als Ausdruck eines bewußten Stilwillens interpretiert werden mußten. In erster Linie zählen dazu die häufigen Inversionen nach dem Muster von "Dieß ungeheure wilde Meer nun muß es Säten wagen ein" (61), "darumb Vater Man und Mutter soll verlassen" (231), "der gütge Richter beyds und Vorsprach Sich / Gericht zu hegen / nahet" (283); dann die dem Substantiv nachgestellten Präpositionen (Kriegs-Recht nach, Allmacht ohn, den Taw und Bluhmen durch) die Aussparung des Artikels vor Substantiven (dadurch Er und Geschlecht verfällt; Gespräch das Maal begann / ohn Sorg der S p e i ß - e r k a l t e n ) ; d e r Verzicht auf das Verbum (Dan wir seind dazu verdamt / von solcher Macht Gewalt / darwieder nichts v e r m a g ) d i e Aufspaltung zusammengesetzter Pränominaladverbien wie 'darauf 1 , 'hieran' in ihre Einzelglieder: "da allermeyst der Donnerer auf zielt und trift" (32), "Zwar hier mag wohl was mehr an seyn" (86); sowie das Einschieben neuer Glieder zwischen die beiden Bestandteile eines zusammengesetzten Verbs: "ermüdet einIch-schlief" (366), »und durch-ihn-ließ" (138), "jeden schönen Stein vom Bach zum ewgen Denckmahl auff-da-richten" (327), - alles Züge, die so ungewöhnlich wie ungelenk sind und dem Werk zwar einen gestelzten, doch kaum einen erhabenen Ton zu verleihen vermögen, der ihm als Epos eigen sein sollte. Hinzu tritt zweitens als eines der auffälligsten Kriterien überhaupt die Neigung Berges zu Satzverkürzungen, die er weniger mittels Attributen oder adverbialen Bestimmungen 50) Bolte, Die beiden ältesten Verdeutschungen, S.433. 51) Berge, Das Verlustigte Paradeis, S.8, S.12 und S.137. 52) Ebda. S.71 und S.143. 53) Ebda. S.38.

Wortstellung und Syntax

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zu verwirklichen trachtet - obwohl auch sie sich gelegentlich finden -, als vielmehr durch Rückgriff auf das präsentische Partizip: die Sonn bey ihrem Aufgang ob dem Meer noch hangend / deren Strahl / sich ebnend mit der Perl-besprengten Erd / [ ... ] (Berge V, S.134f.). Während jenes im Englischen zur Verkürzung ein völlig legitimes Mittel ist, fügt es sich in dieser Funktion in den deutschen Text hingegen sehr schlecht ein und hinterläßt dort stets den Eindruck von äußerster Fremdheit und Härte, vor allem in so unglücklichen Wendungen wie "mit schwärem Schildt / von Himmel-Ertz geschmiedt / sein Schulter-blatt abhangend" (12f) oder: Dann solche wieder aufgesetzt / ergriffen sie fertig ihre Harffen / zierlich ihnen bey hangend / Köchergleich; [..·] (Berge III, S.80) Andererseits findet es sich selbst in den vom Versmaß unabhängigen Inhaltsangaben (Satan nun das schöne Eden im Gesicht habend / und so nah dem Ort sich befindend / da Er ...), ' bei denen die Knappheit des Ausdrucks von geringerer Bedeutung ist und in der Tat vom Übersetzer oft genug außer acht gelassen wird, so daß der Schluß naheliegt, Berge habe durch die fortwährende Benutzung des Partizips bewußt Distanz schaffen wollen zu der seinen Zeitgenossen gewohnten Sprache. Allerdings ist mit diesem Verfremdungseffekt wiederum lediglich e i n Aspekt der Sprachgebung im "Verlustigten Paradeis" bezeichnet, da das Werk außerdem ganz den Eigentümlichkeiten des Barockstils verpflichtet ist und darin letztlich den Anschein erweckt, als sei Milton in der deutschen Version "durchaus in die Nähe des zweiten schlesischen Schule"-^ zu rücken. Auch das bedeutete Gewinn und Verlust zugleich, denn die von Berge verwendeten Formen waren jener Zeit nicht nur vertraut, sondern galten zum Teil schon als verbraucht, 54) Berge, Das Verlustigte Paradeis, S.93. 55) Bender, Bodmer und Miltons "Verlohrnes Paradies", S.228.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

zumal sie einer literarischen Geschmacksrichtung anzugehören schienen, der seit dem Tode Hofmannswaldaus im wachsenden Maße Kritik entgegengebracht wurde wegen ihrer

56)

"schwülstigen, auffgeblasenen ahrt zu schreiben".

Was

die nächste Generation bereits verwerfen sollte, die unermüdliche Reihung und Häufung der Wörter, die Vorliebe für gewagte Zusammensetzungen sowie "wortspielerische Künsteleien",

die Sucht nach Steigerung und nach Knappheit

im Ausdruck, oft verbunden mit einer Verdunklung des Sinns, all das w a r in Berges Übertragung noch gang und gäbe und wurde von ihm eher in überspannter als abgeschwächter Form dargeboten. Daher die vielen zum Oxymoron zugespitzten Antithesen (an Gestalt gantz Ungestalt; da w u r d Er stracks ein lauter leises Ohr)^®^ sowie das Übermaß an Wortspielen, die im "Verlustigten Paradeis" auf fast jeder Seite begegnen und mit den Mitteln der Paronomasie (unleidlichs Leiden leiden; sein schön Eden ihm eröden m ü ß t e ) ^ ) E r b - und S t e r b - S ü n d ) ^

0der

des Reims (der

Uberraschende Effekte hervorzubrin-

gen bemüht sind, obwohl sie nicht selten gesucht wirken und mitunter einer gewissen Komik nicht entbehren, beispielsweise im folgenden Fall, wo die Bezugnahme auf 'Betten' zudem durch nichts in der Vorlage gerechtfertigt ist: doch seind in Höll nicht Betten / Lande / Reiche Sondra Ketten / Bande / Streiche dir zu dienst; (Berge VI, S.168). Daher weiterhin die zahllosen Wortungetüme, die, häufig ganze Zeilen füllend, in noch stärkerem Maße dazu beitragen, dem W e r k einen so barocken Anstrich zu verleihen, den das Original nicht aufgewiesen hatte: Plag-liebs-grillen (234), Geheymnus-forschungs-weys

(196), Sorg-Weh-Jammer-

56) Morhof, Unterricht, S.217. 57) J a n Hendrik Schölte: Quirinus Kuhlmann als Dichter des Hochbarock. - In: V o m Geiste neuer Literaturforschung. Festschrift für Oskar Walzel. Hrsg. v. Julius Wahle und Victor Klemperer. - Wildpark-Potsdam: Akad. Verlagsgesellschaft Athenaion 1924. S.40. 58) Berge, Das Verlustigte Paradeis, S.53 und S.109. 59) Ebda. S.333 und S.44. 60) Ebda. S.271.

Eigentümlichkeiten des Barockstils

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Welt (226), Staats-Amts-Reichs-Geschäft-Verwalter (223), Aug-Mund-Hertz-geniigens voll (80), Mord-List-Lust- und Lügen-Geyster (15), ins wild-wuht-wüst-verwirrte tunckle Reich (289), ein Ewig währ- und gleichverzehr-ender PechSchwebl-Hitz-Dampfs-Brand (6), von Höll-Pech-Schwartz-Eyßkalt-Leblos-en Schlacken (201). Kaum jemals handelt es sich hierbei um bloße Aneinanderreihung von Synonymen; vielmehr ist überall das Bestreben Berges deutlich, die auf kleinstem Raum im Deutschen ansonsten schwer darzustellende Komplexität der im Original vorgegebenen oder dem Ubersetzer vorschwebenden Sachverhalte dadurch hervortreten zu lassen, daß er eine möglichst große Zahl von Einzelaspekten schlaglichtartig beleuchtet, im übrigen aber es der Leserschaft Uberläßt, die von ihm in Stichworten aufgezeigten Ausschnitte zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Das gilt auch für die unverbundene Häufung der Wörter, der Substantive, Verben, Adjektive oder Präpositionen gar, die für die Sprachführung des "Verlustigten Paradeises" ebensfalls sehr charakteristisch ist und in gleicher Weise die Vielschichtigkeit eines Vorganges oder Zustandes in Worte zu fassen sucht, wie die nachstehende Beschreibung des Chaos belegen mag, deren Verse eine Fülle von Assoziationen bewirken, aus denen sich, insbesondere in den beiden letzten Zeilen, ein Bild von äußerster Bewegtheit ergibt: [Ihr Herrn! Wer ist bequäm / die Kundschaft einzu hohln / und diese Abendtheur zu wagen,-] die grausam Kluft / da weder Liecht noch Ruh / noch Gleyt / noch Hülf / Raht / Schutz / Trost / anzutreffen / Großmühtig durch-zuwallen? Wer bezeugt sich nun so kühn / so starck / so klug / behertzt / all die Gefahr hinein / durchhin / zutringen / biß in das Paradeiß? [...] (Berge II, S.44). Zweifellos gewinnt dadurch die Jeweilige Szene an Intensität und Farbigkeit, wiewohl das Werk als Ganzes durch die ständige Wiederholung dieser Stilzüge leicht "eintönig und s c h a b l o n e n h a f t " ^ wird. Zudem bedingen Wortballungen 61) Schulze, Miltons verlornes Paradies, S.33.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

und Worthäufungen für die Lektüre des an sich schon anspruchsvollen Epos eine zusätzliche Erschwernis, da der Leser nun immer wieder einhalten muß,um die ganze Breite der Bedeutung erfassen zu können, die sich hinter der gedrängten Ausdrucksweise derartiger Konstruktionen verbirgt. Anders als im "Paradise Lost" sind deshalb manche Passagen des "Verlustigten Paradeises" geradezu unverständlich, und selbst ein unproblematisch wirkender Satz wie: "Darumb nu Got / der alles klar erkant und wohl erwogen / was allerseyts / dabey / daher / darauß entstehen würd / Dem Sohn sich so erbrach" (S.71), bedarf längeren Nachdenkens, ehe der Betrachter erkennt, daß der eigentliche Sinn der Kausalkette 'dabey, daher, darauß' eben nicht auf eine Zeitstufe Bezug nimmt, sondern Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges gleichermaßen umgreift. Allein um den Preis der Mystifizierung des Textes kann Berge folglich seine Absicht verwirklichen, es Milton von der Form her gleichtun und möglichst viel in möglichst wenigen Worten sagen zu wollen, während er überdies in Kauf nehmen muß, daß auch der von ihm vermittelte Inhalt des Kunstwerkes dem Original gegenüber beträchtliche Diskrepanzen aufweist, die in unseren bisherigen, auf Leseimpressionen beruhenden Beobachtungen gelegentlich bereits angeklungen sind, vollends deutlich jedoch erst aufgrund einer vergleichenden Betrachtung des "Verlustigten Paradeises" mit dem "Paradise Lost" werden, da sie letztlich auf Berges eigenwillige Art zu übersetzen zurückzuführen sind. Sehen wir das "Verlustigte Paradeis" unter diesem Aspekt, so zeigt sich bald, daß es eher das Produkt eines Umbildungs- als eines Ubertragungsprozesses ist, um so mehr als Berge seine Vorlage äußerst frei behandelt, Miltons Verse umstellt, kürzt oder zusammenfaßt, mitunter ganze Zeilen ausläßt, andere selbständig einfügt, Wiederholungen anbringt, Andeutungen breit ausführt, einzelne Wörter zu ganzen Sätzen umformt, ständig paraphrasiert, kommentiert oder interpretiert und somit "nur dem allgemeinen Gang des

gp\ Originals"

"Konkretisierungstendenzen"

101

folgt. Das erlaubt ihm einerseits, Milton

überall dort zu 'verbessern', wo er meint, daß er den Zeitgenossen in Deutschland nicht genügend barock erscheinen könnte, und führt, wie wir gesehen haben, zu einer W o r t - und Bilderwahl, gegenüber deren übertriebener Steigerungssucht das Original eine fast nüchterne Klarheit ausstrahlt, da der Ubersetzer immer zumindest einen Schritt weitergeht als der Dichter gegangen ist: spricht jener im "Paradise Lost" (I, 371) vom "Image of a Brute", so setzt dieser (S.15) "ein Bild bald Mensch- bald Thier-gleich", und sind dort (IV, 537) einmal vier Substantive aneinandergereiht ("[...] and began / Through wood, through waste, ore hill, ore dale his roam"), so müssen es hier (S.113) gleich zehn sein: durchstriech Er (stets umbschawend) manch Feld / Heid / W a l d / Hayn / Teich / Fluß / Bach / Hügel / Berg u n d Thal. Andererseits läßt die souveräne

Handhabung der Vorlage

Berge auch die Möglichkeit, das "Paradise Lost" denjenigen Bedingungen anzupassen, die dem hiesigen Lesepublikum vertraut sind. Dabei zögert er beispielsweise nicht, so weit zu gehen, Miltons Erinnerungen an Italien (PL I, 302ff: "Thick as Autumnal Leaves that strow the Brooks / In Vallombrosa, where th' Etrurian shades / High overarcht imbowr") gar in ein Bild aus dem Rheingau umzumünzen (S.13) wie W e i n Laub nach dem Herbst im Rheingaw / odr / unweit davon / in Bachus Reichen Thälern / da man des Rebensafts so viel Ihm fewert, wie er sich überhaupt um eine leichtere Lesbarkeit von Miltons Epos bemüht, indem er es seines allzu gelehrten Charakters entkleidet, die große Zahl von aus der antiken Mythologie schöpfenden Anspielungen um die weniger geläufigen verringert bzw. sie durch knappe Zusätze wenigstens einsichtiger zu machen sucht, an Stelle v o n bildhaften U m schreibungen die Namen der in Betracht kommenden Personen oder Dinge bevorzugt und Begriffe, die ob ihrer Fremda.r62) Schulze, Miltons verlornes Paradies, S.25·

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Zum Publizisten tritt der Dichter

tigkeit dem Verständnis des Textes hinderlich sein könnten, mit den ihm zur Verfügung stehenden M i t t e l n der deutschen Sprache wiederzugeben trachtet. Typisch für diese 'Konkretisierungstendenz' des Ubersetzers ist jene Szene im X.Buch (PL X, 695ff), die das Aufkommen der W i n d e nach dem Sündenfall beschreibt und in der M i l t o n nacheinander 'Boreas', 'Caecias',

'Argestes', 'Thrascias',

'Afer', 'Eurus', 'Zephir', 'Sirocco' sowie

'Notus',

'Libecchio'

anführt, während Berge auf all diese Termini verzichtet, um sie, im T o n weitaus nüchterner, durch die selbst einem Laien einsichtige Angabe der jeweiligen Himmelsrichtung zu ersetzen: D a n nunmehr hatten sich von Mitternacht / der ährnen Höhl entbrochen / N o r d / Nord-ost / u n d pfeiffender Nordwest / der W a l d u n d See das undre oben kehrend schien; dem stieß v o n M i t t a g / schwartzer Donner-Wolcken voll / der S u d und Sud-Sud-West / auß Serraiion, entgegen; D e n e n tobten in die quär / mit gleicher W u h t / die H e b - u n d Lege-Winde; der Ost und W e s t mit ihrem Seyt-geräusch / Sud-Ost / Sud-West; [...] (Berge X, S.302) Gleiches gilt etwa für die Darstellung der um den Thron des Chaos versammelten Hofgesellschaft (S.62), wobei diese Passage, stärker noch als die vorhergehende, zudem die Schwächen verdeutlicht, die ein von solcher Entschiedenheit geprägtes Vorgehen des Ubersetzers nach sich zieht: [...] bedient und aufgepaßt von Unruh / Unraht / Unlust / umb da tappend / samt Mann-Weib-Sorg-frey / Fürwitz u n d Laß-dünckel / dem hör-sagn / u n d gleich-leichtem Hofgesind; mit hundert tausend Einfäll / Zufäll / Grillen / Träum / Irthum / Mißtraw / Zwytracht / Aufruhr. [...] Für sich genommen eine in barocker Manier aufbereitete Stelle, wirkt sie, deren Übermaß an Einzelheiten der L e ser kaum mehr aufzunehmen vermag, so daß sie ihm schon von daher eher farblos erscheinen muß, im Blick auf das Original (PL II, 9ß3ff) indes vollends verwässert u n d u n gleich abstrakter als es jemals in Berges, h i e r geradezu in ihr Gegenteil verkehrter Absicht gelegen haben kann:

"Konkretisierungstendenzen"

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[... ] and by them stood Orcus and Ades. and the dreaded name of Demogorgon; Rumor next and Chance. A n d Tumult and Confusion all imbroild, A n d Discord with a thousand various mouths. Dieser Gefahr der Verwässerung seiner Vorlage ist der Ü b e r setzer immer wieder erlegen: ursprünglich eindrucksvolle Verse geraten monoton, teils aufgrund seiner geringeren Sprachkompetenz, die ihn dieselben Begriffe ständig w i e derholen läßt, teils infolge seines Dranges, immerfort Gegensatzpaare nebeneinanderstellen zu wollen; das W e r k büßt an Dimensionen ein; die dem Leser von Milton zugedachte Weite des Gesichtskreises verengt sich, da viele der voraus· bzw. zurückweisenden Anspielungen verlorengehen, Gleichnisse gekürzt und Bilder verändert werden, etwa in der Weise, daß eine vom Dichter geschaute "Fleet farr off at Sea" (PL II, 636) in der deutschen Version auf ein einziges "grosses Schiff" (S.52) reduziert w i r d oder daß die im "Paradise Lost" (II, 628) heraufbeschworenen "Gorgons and Hydra's, and Chimera's dire", deren Schrecklichkeit dort für das Greulich-Unnennbare steht, im "Verlustigten Paradeis" (S.52) durch die wenig eindrucksvollen Pleonasm e n "als Fewr mit Färb / mit röhtel Blüht" ersetzt werden. A u c h schwindet die dem Original eigentümliche Atmosphäre; selbst Stil- u n d Tonlage wandeln sich, denn Berge vermag weder die erhabene Ausdrucksweise seiner Vorlage auf die Dauer zu bewahren, noch weiß er die v o n M i l t o n eingenommene Perspektive in allen Fällen zu treffen, vor allem dann nicht, wenn der Dichter in seinen V e r s e n eine Fülle subtiler Bedeutungen mitschwingen läßt und statt greller Farben eher Schattierungen unterschiedlichen Grades bevorzugt. Dort, wo M i l t o n allein auf seine Vorstellungskraft oder auf theologische Spekulationen angewiesen w a r u n d er deshalb zu vorsichtigen Umschreibungen, oft in Fragesätze gekleidet, seine Zuflucht nahm, greift Berge unbekümmert zur positiven Form, um sie als Tatsache schlechthin zu setzen. So w i r d die in unbestimmtes Zwielicht verlegte Schilderung des Todes ("what seemd his head / The likeness of a Kingly

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Zum Publizisten tritt der Dichter

Crown h a d o n " ) ^ ^ v o n Berge (S.53) in gleißende Helle getaucht ("am Haupt er trug ein Königliche Krohn"), u n d R a phaels absichtsvoll alle Möglichkeiten offenhaltende Ä u ß e rung über das Verhältnis der irdischen zu den himmlischen Einrichtungen (PL V, 575) in die simple, keinen W i d e r spruch duldende Behauptung verkehrt: Weil Himml u n d E r d ohndeß einander sich weit mehr erspieglen / als w o h l jemand wähnet. (Berge V, S.150) Sogar in den Inhaltsangaben zu den einzelnen Büchern des Epos unterscheidet sich die Ubersetzung merklich v o m O r i ginal: sie nimmt vieles vorweg, w a s der Dichter erst an späterer Stelle zu bringen gedenkt, wendet sachliche M i t teilungen v o n der A r t "The infernal Peers there sit in Councel" (Argument, Book I) in umständlich-lehrhafte E r ö r terungen ("Dahin und darinnen sich auch fertig einfinden alle des Satans hohe Seraphim u n d Cherubim, und in den innern Raht-Sahl versamlet / jeder seine Stell und behörenden Raht-Sitz e i n n i m t " ) ^ ^ u n d führt, indem sie Miltons neutrale Berichterstattung aufgibt, durch den Zusatz v o n Adverbien oder Adjektiven Wertungsmaßstäbe ein, die das Geschehen nun aus der Sicht des u m den Ausgang wissenden Beobachters beurteilen. Eben dieser Positionswechsel bedingt, daß Satan, der v o n romantischen Literaturkritikern gern als der eigentliche H e l d bezeichnet w o r d e n ist, in Berges Übertragung von Anfang an unter negativem Aspekt gesehen wird, da die deutsche V e r s i o n nicht mehr aus der jeweiligen Situation heraus beschreibt, wie der Fürst der abgefallenen Engel "his proud imaginations"

(PL II, 10) zur Ausführung zu

bringen sucht, sondern gleichsam rückschauend darstellt, wie er sich "hochtrabend" (S.32) anschickt, seinen P l a n zu verwirklichen und das Menschengeschlecht zu verderben. Damit aber gewinnt das Epos eine völlig andere Sinnrichtung, zumal der Satan des "Verlustigten Paradeises" sich 65) auch sonst von jener "tragischen Figur" sehr unter63) PL II, 672f. 64) Berge, Das Verlustigte Paradeis, S.3. 65) W i l h e l m Dilthey: Satan in der christlichen Poesie.

Berges Positionswechsel

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scheidet, als die er im "Paradise Lost" begegnet: er hat viel an Größe und innerer Sicherheit eingebüßt; aus dem einstigen "Traitor Angel" (PL II, 689) ist ein "braver Holl Rebell" (S.54) geworden, der im Unglück kläglich lamentiert ("armer Teufel / Ich"; "Nim / Ach / gesellt Uns 661 Elend"), ' sich einer beinahe umgangssprachlichen Tonart befleißigt und in seinem "Schnarchen" und "Traben" (S.12) bisweilen gar an den der mittelalterlichen Vorstellungswelt entstammenden Teufel mit dem Pferdefuß denken läßt. In ähnlicher Weise verzeichnet sind die übrigen Gestalten der Hölle, allen voran Moloch, dessen Rachgelüste so sehr in den Vordergrund gestellt werden, daß sie sich bereits zu verselbständigen beginnen und ihn für einen Augenblick in einen feuerspeienden Drachen zu verwandeln scheinen ("der mund ihm nichts / als fewr und dampf / außhau671 chend"). '' A n derartigen Stellen, da Berge das Werk nach seinem eigenen Willen formt, sich von seiner Lust am Interpretieren und Interpolieren fortreißen läßt, wird der Abstand zwischen Übersetzung und Original besonders deutlich. Demgegenüber fallen die wenigen Passagen kaum ins Gewicht, in denen die eigentümliche Atmosphäre des "Paradise Lost" ebenbürtig nachempfunden ist, beispielsweise das lyrische Bild aus der Mitte des II.Buches (S.47), wenn vom Neblichten Gebürg / bey stillem Wind / die Wolcken oft empor sich heben / daß des Himmels lautre Luft betrübt / bald drauf mit Regen oder Schnee das Land durchhin entlustigt / [...] oder die in ihrer Geschlossenheit und Dramatik eindrucksvoll gefaßte Beschreibung des Sündenfalls im IX.Buch (S.264) So sagend bloß auß Fürwitz ihre Hand, zur Unzeit sie erstreckt / und grief und pflückt / und aaß die Frucht; die Erde fühlt die Wunde; es s-eufzet die Natur / und ließ sichs mercken auß allem Thun / daß alles nun dahin. - In: W.D.: Die große Phantasiedichtung und andere Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte. - Göttingen: Vandenhoek und Ruprecht 1954. S.124. 66) Berge, Das verlustigte Paradeis, S.98 u. S.7. 67) Ebda. S.35.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

Zurück zur Hecken schlüpft 1 die schuldge Schlang / und wohl sie mocht; dan Εν dacht nirgends hin / als an die SUssigkeit / dergleichen sie nach ihrem DUncken nie zuvor gekost / wahr oder eingebildt; [ ·.. ] so dafl letzten Endes Milton im "Verlustigten Paradeis" doch "gantz verfinstert" dargestellt wird und er "darinnen von seinem ursprünglichen Glantze nicht so vieles behalten [hat], als die Engel bey dem Poeten nach ihrem tiefen Falle von den Zinnen des Himmels". Da eine Begegnung mit dem Dichter überdies allein auf dem Umweg über jene "unreine, höckrigte, und zum Theil unverständliche, und wider die Sylben-Maß anstossende Poe69) sie" ' möglich war, nimmt es nicht wunder, daß das hiesige Lesepublikum keine Bereitschaft zeigen wollte, von ihm in dieser Gestalt Notiz zu nehmen. Auch war die Verbreitung der Ubersetzung, die Berge aus Kostengründen in einer sehr geringen Auflage hatte drucken lassen, mehr als mangelhaft, zumal sie lediglich auf der Leipziger Messe,nicht 70) aber in Frankfurt' ' zum Verkauf angeboten wurde, eine Tatsache, die sich noch in den heutigen Besitznachweisen der deutschen Bibliotheken widerspiegelt, wenn von den 71) sechs hier erhaltenen Exemplaren ' drei in unmittelbarer Nähe der Messestadt verblieben (in Weimar, Halle und Dessau), während dieBodmer: drei anderen nur knapp überdie dieDeutGrenze 68)^ ^Johann Jacob Ob es wahr sey, daß schen an Miltons verlohrnem Paradiese keinen Geschmack finden. - In: [J.J.B.:] Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften, [...]. Sechstes Stück.Zürich, bey Conrad Orell und Comp. 1742. S.55. 69) Hamburgische Berichte von neuen Gelehrten Sachen, Auf das Jahr 1732. [...]. - Hamburg, 1733. Im Verlage des Verfassers. S.649. (Exemplar der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Sign. A/80 270). 70) Vgl. Catalogue Universalis, Herbstmeß 1682 sowie Ostermeß 1683, jeweils Ausgabe Frankfurt. 71) Parker (Milton, A Biography, S.1186) hat bei seiner Zählung in aller Welt insgesamt nicht mehr als zwölf Exemplare ermitteln können, davon vier in Amerika, zwei in England, eins in Rußland und fünf in Deutschland. Das sechste deutsche Exemplar,das ihm noch nicht bekannt war, fanden wir im März 1969 während eines Besuches der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel; ein siebtes (Staatsbibliothek Berlin) und achtes(Landesbibliothek Dresden) sind während des letzten Weltkrieges verlorengegangen. 72) Zentralbibliothek der deutschen Klassik, Sign. Dd.

Verbreitung der Ubersetzung

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des sächsischen Raumes hinausgelangt sind (nach Göttingen, Wolfenbüttel und H a m b u r g ) . U n t e r solchen Bedingungen war es für Milton schlechterdings unmöglich, als Dichter in Deutschland bekannt zu werden: kaum daß die deutsche Version des "Paradise Lost" erschien, geriet sie schon wieder in Vergessenheit, und Berge mußte daraufhin den Plan aufgeben, eine um Anmerkungen, Illustrationen sowie um "des Autoris auf gleichmässige art verfaßtes Wiedererworbenes Paradeis" erweiterte Neuauflage zu besorgen, "so bald die angewandte Mühe von dem günstigen Liebhaber 74) freundlich aufgenommen verspühret wird". ' Denn selbst dort, wo das "im höchsten Grade seltene Buch" (liber summe rarus)"^ vorhanden war, hat kaum einer der Zeitgenossen es eines Blickes gewürdigt, was schließlich nicht besser dokumentiert werden könnte als mit dem Hinweis auf das von uns in Wolfenbüttel aufgefundene Exemplar des "Verlustigten Paradeises", das aus der ehemaligen Helmstedter Universitätsbibliothek stammt und dort zwar gestempelt und katalogisiert, jedoch weder aufgeschnitten noch eingebunden worden ist, so daß es sich noch heute in 5:29; Universitäts- und Landesbibliothek Halle, Sign. LB 122835; Stadtbibliothek Dessau, Sign. 11913 BB. Das erstund das letztgenannte Exemplar sind überdies die einzigen, die heute noch ein Miltonporträt als Frontispiez aufweisen. Frühere Besitzer sind bei ihnen nicht nachweisbar; lediglich das Exemplar in Halle trägt auf dem Titelblatt den Prägestempel "Bibliothek des Dom.Gymnasiums zu Merseburg" . 73) Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Sign. 8 Poet. Angl. 5587; Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. P. 875. 1644; Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Sign. A/25 394. Von diesen drei Exemplaren ist das Göttinger, das keinerlei Herkunftsvermerk aufweist, am besten erhalten. Das Hamburger Exemplar gehörte ursprünglich dem Juristen Nicolaus Vegesack (1646-1723, vgl. Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, Hamburg 1875-79, Bd 7, S.491), der von 1678 bis 1686 als Legations-Sekretär am Hof zu Celle tätig war. Das in eine alte Pergamenthandschrift verpackte Exemplar in Wolfenbüttel ist hingegen mit dem Eigentumsvermerk versehen: "Ex Bibliotheca Academiae Juliae Carolinae Helmstadi". 74) Berge, Das verlustigte Paradeis, Vorrede. 75) Johannis Vogt [...] Catalogue Historico-Criticus Librorum Rariorum. [...] Editio Nova [...]. - Hamburgi, Sumptibus Christian! Heroldi, Μ DCC XXXVIII. S.399.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

jenem ungelesenen Zustand präsentiert, in dem es vor fast dreihundert Jahren auf der Buchmesse in Leipzig verkauft worden war. 2.1.2. Exkurs: "Das verlustigte Paradeis" in frühen handschriftlichen Übersetzungsversuchen Als Berge den so unglücklich verlaufenen Versuch in die Wege leitete, Miltons Epos in Deutschland einzuführen, war er durchaus nicht der einzige, der ein derartiges Unternehmen zu verwirklichen trachtete, obgleich es in jenen Jahren ausschließlich ihm gelang, seine Übersetzving abzuschließen und der Öffentlichkeit vorzulegen. Bekanntlich hatte er selbst in der Vorrede auf einen Vorgänger aufmerksam gemacht, dessen nicht zu Ende geführte Arbeit ihm im Manuskript zur Verfügung gestanden hatte; doch war sein Hinweis auf Theodor Haaks Bemühungen, um den hohen Grad seiner Abhängigkeit von ihm nicht preisgeben zu müssen, in solcher Flüchtigkeit erfolgt, daß die Zeitgenossen über dessen ungedruckte Fassung keine weitere Auskunft erlangten. Vielmehr sollte sie ihnen ebenso verborgen bleiben wie das handschriftliche Bruchstück einer wenige Jahre später entstandenen dritten Verdeutschung, die der Nürnberger Christoph Wegleiter während eines Englandaufenthaltes, gleichfalls auf Haaks Anregung hin, wiewohl unabhängig von dessen Version, anzufertigen und in sein Reisetagebuch niederzuschreiben begonnen hatte. Da diese Fragmente mithin allenfalls dem Freundeskreis des jeweiligen Übersetzers näher bekannt geworden sind, sie nichtsdestoweniger jedoch ein bezeichnendes Licht auf die frühe Aufnahme von Miltons poetischem Schaffen durch die Deutschen werfen, indem sie - stärker als Berges Edition noch - sowohl die Möglichkeiten aufzeigen, die für eine damalige Übertragung des "Paradise Lost" gegeben waren, als auch die Grenzen erkennen lassen, an denen sie nicht selten scheitern sollten, schieben wir ihre Diskussion als Exkurs ein, der, wie schon bei anderen Gelegenheiten, unsere bisherige Blickrichtung zu erweitern und ergänzen vermag.

"Das Ver-Lustigte Paradeiss"

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Uber Theodor Haak können wir uns indessen sehr kurz fassen, da ihm in jüngster Zeit eine ausführliche Darstel-

1)

lung gewidmet worden ist, ' die erstmals zudem einen vollständigen Abdruck seines Ubersetzungsfragmentes bringt. Seit die teilweise 2)Abschrift des ursprünglichen Manuskriptes 1887 von Bolte ' in der Kasseler Landesbibliothek entdeckt wurde, hat sie immer wieder den Maßstab für Berges Verdeutschung abgegeben, die rund ein Drittel ihrer Verse daraus entlehnt und Haaks Leistung gegenüber als "VerX\

schlimmbesserung" ' bezeichnet worden ist. Ohne beide Werke hier erneut miteinander vergleichen zu wollen, läßt sich über den Charakter der älteren Version dennoch sagen, daß auf sie hinsichtlich der barocken Sprachform mit ihrer Mischung verschiedenartigster Elemente sowie der aus dem Zwang zur Kürze resultierenden syntaktischen und lexikalischen Freiheiten vieles ebenfalls zutrifft, was bereits an Berges "Verlustigtem Paradeis" beobachtet worden ist, wiewohl der entscheidende Unterschied darin besteht, daß Haak sich in der Regel gemäßigter gibt, zumal er im Gegensatz zu Berge alles daran setzt, seinen Landsleuten Miltons Epos so getreu wie nur eben möglich zu vermitteln und er darin auch, wie Pamela Barnett ihre Untersuchungsergebnisse zusammenfaßt, "certainly achieved some degree of success".4^ Ausgangspunkt war für ihn die Erstausgabe des "Paradise Lost" von 1667, deren Verszahl er so genau beibehielt, daß die Übertragung der ersten drei Bücher insgesamt nur vier Zeilen kürzer geriet als das Original - eine Leistung, die angesichts der damals vorherrschenden frei paraphrasierenden Ubersetzungspraxis Beachtung und Anerkennung verdient. Als erster Deutscher, der in seiner Sprache den Blankvers handhabte, hatte er naturgemäß ein weitaus größeres Maß an Problemen zu bewältigen als alle, die ihm später darin nachfolgen sollten. In der Mehrzahl sind seine Verse daher 1) 2) 3) 4)

Barnett, Theodore Haak. Bolte, Die beiden ältesten Verdeutschungen. Pizzo, Miltons Verlornes Paradies, S.2. Barnett, Theodore Haak, S.186.

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Zum Publizisten tritt der Dichter 5)

"kunstlos und schwerfällig", ' weisen viele Härten in der Wortbetonung (Den Tddt u. äll Unh^yl hat äuf die W£lt) 6 ^ sowie Fehler im Rhythmus (u. wächsamen Hdchmuhts Rächgier u. g r i m m ) ^ auf und füllen die Zeilen zu einem Großteil nur mit vier oder aber mit sechs Hebungen. Uberhaupt ist festzustellen, daß Regelwidrigkeiten dieser Art in Haaks "Ver-Lustigtem Paradeiss" 8 ^ von Buch zu Buch häufiger auftreten, was sicher nicht für eine zunehmende Sorglosigkeit des Ubersetzers spricht - ein solcher Vorwurf wäre bei Haak vollends unangebracht sondern Ausdruck der wachsenden Schwierigkeiten ist, mit denen er zu kämpfen hatte und die ihn letzten Endes daran hinderten, sein Werk jemals zu vollenden. Denn das Ziel, das er sich gesetzt hatte - möglichst keinen Gedanken, der sich im "Paradise Lost" findet, auszulassen - war zu hoch, um auf die Dauer hin von ihm verwirklicht werden zu können, obwohl er überraschende Ansätze dazu 2eigt.Das strenge Festhalten an der äußeren Form ließ ihm daher zwangsläufig keine andere Wahl als den Inhalt von Miltons Epos zusammenzufassen, und so konnte er den Wort- und Bilderreichtum des Englischen ins Deutsche nicht Ubertragen, ohne abstrahieren und den Sinn stark komprimieren zu müssen, mitunter bis an die Grenze der. Verständlichkeit hin (gestallt die Under droben q) Obre thun). ' Sogar die Wortstellung des Originals hat er gelegentlich nachgeahmt, was der Übersetzung freilich nicht zum besten dient, da es sie in ein merkwürdiges Zwielicht taucht. Ebenso auffällig ist die Neigung des Ubersetzers, alles in das Schema einer simplen Schwarz5) Emil Flindt: Uber den Einfluß der englischen Litteratur auf die deutsche des 18.Jahrhunderts. Eine Beigabe zum deutschen Unterricht. - Charlottenburg: Programm 1897. S.17. (= Wissenschaftl. Beilage zum Jahresbericht des Städt. Realgymnasiums zu Charlottenburg. No.100. Ostern 1897). 6) Buch I, Vers 3, zit. nach Barnett, Theodore Haak, S.189. 7) Buch I, Vers 602, ebd. S.205. 8) So der von Haak gewählte Titel auf der Vorderseite des heute in der Murhardschen Bibliothek in Kassel aufbewahrten Manuskriptes (Sign. Ms. poet. 4° 2). 9) Buch III, Vers 737, zit. nach Barnett, Theodore Haak, S.258.

"Das Ver-Lustigte Paradeiss"

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Weiß-Malerei pressen und Gegensätze, selbst dort, wo sie in der englischen Version nur angedeutet waren, scharf herausarbeiten zu wollen. Diese Tendenz, die ihn als typischen Vertreter seiner Zeit erweist, ist, im Verein mit den vielen anderen "slight changes of tempo, emphasis and 10) characterisation", ' letztlich der Grund dafür, daß Haaks "Ver-Lustigtes Paradeiss"sich bis in die Tonlage hinein von Miltons "Paradise Lost" weit entfernt, was im übrigen auch dadurch bewirkt wird, daß Haak als Theologe es nicht vermochte, das Geschehen von jenem vor-urteilslosen Standpunkt aus zu sehen, den der Dichter eingenommen hatte, als er sich anschickte, die Rebellion wider den Himmel zu besingen sowie Des Ersten Menschen Abfall u. die Frucht Ihm hochverbottnen Baums, dass ihr Versuch Den Todt u. all Unheyl hat auf die Welt Gebracht, u. uns auss Eden biss Gott-Mensch Uns voll erlös' und alles wiederbring. (Haak, Buch I, 1-5) Kommt dem Werk somit keine große Bedeutung zu, so verdient die Person des Ubersetzers um so mehr Aufmerksamkeit, da er es war, der überhaupt den Anstoß zu den ersten Verdeutschungen von Miltons Epos gegeben hat. Und während es müßig ist, der Frage nachzugehen, ob seine Übertragung bei der Leserschaft mehr Anklang gefunden hätte als die Berges, wäre sie ihr jemals bekanntgeworden, lohnt es sich wohl, nach den Motiven zu fragen, die ihn dazu veranlaßt haben, sich unermüdlich dem "Paradise Lost" zuzuwenden und das 11) Interesse selbst seiner Besucher darauf hinzulenken. ' Magon sieht den Beweggrund in Haaks persönlicher Beziehung zu Milton lind spricht von einem "Akt der Verehrung, der Freundschaft und der Ubereinstimmung in allen wesentlichen 12) Fragen"; ' doch war das, wie Pamela Barnett zu Recht bemerkt, noch nicht alles, da es Haak überdies darum ging, "to give Milton to a wider audience - to a German audience which, without the mediation of a translator, would not be 10) Barnett, Theodore Haak, S.186. 11) Vgl. Kapitel 2.4. dieser Arbeit. 12) Magon, Die drei ersten deutschen Versuche, S.66.

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Zum Publizisten tritt der Dichter 1 able to benefit from this work of genius". ' Gerade dieser Wunsch hat ihn bewogen, immer wieder andere zu dem gleichen Unternehmen zu ermuntern, das er selbst nicht vollenden konnte, weil seine Kräfte zu schwach dafür waren, und in ihm müssen wir deshalb auch die eigentlich "treibende Kraft" 14)' sehen, die schließlich den dritten 15) Miltonübersetzer, Christoph Wegleiter, zu dem Versuch anregte, eine Übertragung des "Paradise Lost" zu beginnen. Wegleiter, der nach Abschluß seiner theologischen Studien im Verlauf einer großen Bildungsreise Ende Mai des Jahres 1686 in England eintraf, schien für eine solche Aufgabe besonders geeignet zu sein, da er von frühester Jugend an ein starkes Interesse für die Dichtkunst bewiesen hatte. 1659 in Nürnberg geboren, war er aufgrund seiner Verse, die ihm so wohl gerieten, "daß ihm wenige zu seiner Zeit hierin gleich gewesen", ^ mit zwanzig Jahren bereits in den von Harsdörffer begründeten "Löblichen Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz" aufgenommen worden, jene Vereinigung deutscher Barockdichter, deren Hauptanliegen neben der Reinerhaltung der Sprache die Pflege geistlicher Poesie war. Zwei Mitglieder des 17) Ordens sind uns als Englandfahrer schon zuvor begegnet: " beide waren religiös stark engagiert, gehörten dem geistlichen Stande an und hielten engen Kontakt mit Vertretern der Royal Society in London. Es liegt somit nahe, in den durch sie wie durch Reisen anderer Pegnitzschäfer angeknüpften Verbindungen zu Londoner Kreisen einen wesentlichen Grund auch für Wegleiters Zusammentreffen mit Haak zu sehen, was indessen nicht ausschließt, daß die damals beinahe sprichwörtlich gewordene Hilfsbereitschaft des Pfälzers deutschen Besuchern gegenüber ein übriges tat, den Neuankömmling bei dem 13) Barnett, Theodore Haak, S.168. 14) Magon, Die drei ersten deutschen Versuche, S.64. 15) 1659 - 1706, vgl. ADB. 16) [Johann Herdegen:] Historische Nachricht von deß löblichen Hirten- und Blumen-Ordens an der Pegnitz Anfang und Fortgang [ ... ] verfasset von dem Mitglied dieser Gesellschafft Amarantes. - Nürnberg, bey Christoph Riegel, Buch- und Kunsthändler unter der Vesten. 1744. S.472 f. 17) Vgl. Kapitel 1.8. und 1.9. dieser Arbeit.

Wegleiters Ubersetzungstechnik

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erfahreneren Landsmann anklopfen zu lassen. Zwar bleiben die Einzelheiten ihrer Beziehungen zueinander im Dunkel, doch legt das Gratulationsgedicht, das Wegleiter wenige Wochen nach seiner Ankunft zu Haaks 82. Geburtstag verfaßte, in den folgenden, ihren konventionellen Ton mehr und mehr abstreifenden Versen zumindest die Gefühle deutlich dar, die der Jüngere dem Älteren gegenüber hegte: Wie sich ein Schiffer freut, der auf den finstern Wellen an Faros hohen T h u m das Feuer sieht erhellen, durch dessen milden Schein er blinde Klippen flieht, und in den sichern Port durch sanfte Wogen zieht: So freut ein Fremder, der an dieße Insel landet, sich eurer hohen Gunst, die jeden reich verpfändet; er schüttet seine Sorg beherzt in eure Schos und tröstet sich der Hülf, die ich zudanck genos. Haak seinerseits nutzte die Gelegenheit, den jungen Pegnitzschäfer zu Milton hinzuführen, was vermutlich in der gleichen Weise geschah, wie es im Falle des zu jener Zeit ebenfalls in London weilenden Hannoverschen Pastors Hein19) rieh Ludolf Benthem belegt ist, und sein Werben blieb nicht ohne Erfolg: Noch unter dem ersten Eindruck stehend von der Größe des Epos, das ihn von seiner religiös-theologischen Einstellung her zudem als "dichterisches Erbauungsbuch im Sinne des Puritanismus" 2 0 ^ ansprechen mußte, unterzog Wegleiter sich der Aufgabe einer Verdeutschung, wobei für ihn auch der Gedanke eine Rolle gespielt haben mochte, damit einen Teil seiner Dankesschuld Haak gegenüber abtragen zu können. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist das in sein poetisches Tagebuch eingetragene, 190 Zeilen umfassende Fragment, von dem der Nürnberger Dichter18) Zit. nach dem im Besitz des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg befindlichen, bisher unveröffentlichten Reisetagebuch (Sign. Cod. m. germ. 40660). Die Zeilen gehören an das Ende des dort auf den Seiten 194 - 197 von Wegleiter eingetragenen Gedichtes: "An den Woledlen,Hochgelehrten und Weltberühmten Hn. Theodor Haak, Rittern, der Königlichen Gesellschafft langverdientes Mitglied alß derselbe an dem Jacobi Tag dieses 1686.Jahrs sein 82stes Geburtsfest in Londen frisch und gesund feyerte". 19) Vgl. Kapitel 2.4. dieser Arbeit. 20) Magon, Die drei ersten deutschen Versuche, S.53.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

kreis schon 1687 in einem Neujahrsgruß des Übersetzers erfuhr, als Wegleiter die Arbeit bereits wieder eingestellt hatte, während es der Öffentlichkeit bis zum Jahre 1956 völlig verborgen blieb und seitdem ihr lediglich in Magons Teilabdruck zugänglich gemacht worden ist, obwohl es, ungeachtet seiner Kürze, unter allen frühen deutschen Ubersetzungsversuchen des "Paradise Lost" zweifelsohne die interessanteste Version darstellt. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern behielt Wegleiter nicht die äußere Form des Originals bei, sondern ersetzte den Blankvers durch paarig gereimte Alexandriner mit abwechselnd männlichem und weiblichem Ausgang. Dieser Entschluß erleichterte ihm einerseits das Übersetzen, da aufgrund der längeren Zeile nun ein zusätzlicher Takt zur Verfügung stand, andererseits gab er ihm die Möglichkeit, zugleich auf den Zeitgeschmack Rücksicht nehmen und Miltons Werk insofern 'verbessern' zu können, als er den im damaligen Epos ungewöhnlichen Fünfheber auf jenes traditionelle Maß brachte, dem seit Opitz die Stelle des antiken Hexameters im Heldengesang zugewiesen worden war. Sein Vorgehen hatte freilich auch zur Folge, daß das "Verlustigte 21} Paradies" ' in der von ihm vermittelten Gestalt letztlich mit dem "Paradise Lost" nichts gemein hat, denn die festliegende Zäsur wie der Zwang zum Reim schaffen im Hinblick auf Klang und Rhythmus Bedingungen, denen jede weiträumige Bewegung in Miltons Art fremd ist, so daß die Verse,allein dem ständigen Wechselspiel von Gegensatz und Vergleich unterworfen, in Monotonie abzusinken drohen. Dessen ungeachtet sind sie glatt zu lesen, zumal sie auf den ersten Blick gar nicht den Eindruck erwecken, einer Übersetzung zu entstammen, und bleiben, dank der Reime, sehr leicht im Gedächtnis haften. In der Tat vermag sie der Leser so mühelos aufzunehmen, daß er mitunter in Gefahr steht, über der wohlklingenden Form wesentliche Aspekte der Bedeutung zu übersehen. Hinzu kommt, daß Wegleiter selbst, nicht zuletzt durch seinen 21) So der von Wegleiter gewählte Titel, wie er ihn in sein Reisetagebuch eintrug.

Wegleiters Ubersetzungstechnik

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Verzicht auf jegliche Gedrängtheit in Sprache und Stil, Dimensionen aufgibt, die gerade den Reichtum der Miltonschen Verse ausmachten, und daß sein Werk deshalb, so gefällig es sich gibt, dem Original gegenüber bereits stark verwässert ist. Folgende Probe aus der Invokation, der wir die entsprechenden Verse aus dem "Paradise Lost" voranstellen wollen, mag das verdeutlichen: Say first, for Heav'n hides nothing from thy view Nor the deep Tract of Hell, say first what cause Mov'd our Grand Parents in that happy State, Favourd of Heav'n so highly, to fall off From thir Creator, and transgress his Will For one restraint, Lords of the World besides? Who first seduc'd them to that foul revolt? (PL I, 27-33) Miltons Worte offenbaren hier eine Weite des Blickfeldes, die den ganzen Bereich der Schöpfung (Heav'n, Hell, World) umgreift, das erste Menschenpaar in den Umständen des Glücks (Favourd of Heav'n so highly; Lords of the World besides) wie auch der Schuld (to fall off from thir Creator, and transgress his Will for one restraint) erfaßt und noch einmal den Schmerz Uber die Niedertracht der Verführung (that foul revolt) anklingen läßt. Demgegenüber bleibt 22) die gleiche Passage in Wegleiters Version ' ganz dem Vordergründigen verhaftet: Sag erstlich (denn dir ist doch alles wol bewust) wer hieß das erste Paar in ihrer höhsten Lust dem einigen Verbot deß Schöpfers wiederstreben, und ihre herrlichkeit für eine Frucht vergeben? Wer hat die alteren zu diesem Fall verführt? Mit dem Rückzug auf ein Indefinitpronomen (alles) nimmt der Ubersetzer der ursprünglichen Weite des Gesichtskreises alle Plastizität, den Zustand der Gnade faßt er, generalisierend nur, in äußerst farblosen Wendungen (in ihrer höhsten Lust; ihre herrlichkeit), während er den Sündenfall ganz vergegenständlicht (für eine Frucht) und überhaupt wenig Anteilnahme an dem von ihm berichteten Geschehen (diesem Fall) zu nehmen scheint. Allerdings dürfen wir bei der Beurteilung des "Verlu22) Zeile 29 ff der Miltonübersetzung.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

stigten Paradieses" nicht die Prinzipien außer acht lassen, die Wegleiter bei der Anfertigung seines Werkes leiteten, ging es ihm doch keineswegs darum, eine wörtliche und dichterische Nachbildung zugleich zu versuchen. Vielmehr hatte für ihn, der, wie schon Magon sah, nicht ohne 23) "literarischen Ehrgeiz" ' war, das Poetische offenkundig den Vorrang. Eine nochmalige Prüfung der soeben angeführten Partie enthüllt denn auch, daß seine Übertragungstechnik eher - um einen Begriff aus der Musik zu gebrauchen als Variation eines vorgegebenen Themas angesehen werden muß: Wohl folgt er dem Original Zeile für Zeile, doch übersetzt er nur selten wörtlich, sondern greift meist die sinntragenden Wörter heraus, um sie, paraphrasierend, gleichsam mit einem Band von Assoziationen zu umgeben, die sich stellenweise von Miltons Text völlig freimachen, dennoch fortwährend zu ihm zurückkehren und trotz aller Eigenständigkeit im Grunde den Zusammenhalt mit dem "Paradise Lost" niemals ernstlich in Frage

stellen.

Diese überlegene Handhabung der

Vorlage, im Verein mit

Wegleiters dichterischen Ambitionen, führt dazu, daß seine Version alle jene Kriterien eines 'schülerhaften' Ubersetzens vermissen läßt, die Haaks und Berges Werk so schwer lesbar gemacht hatten. Nirgends finden sich gewagte W o r t bildungen oder den Sinn verdunkelnde Häufungen, wie sie dort gang und gäbe waren, und das abgewandelte Versmaß verschafft ihm den Vorteil, die gewaltsamen Syn- wie Apokopierungen seiner beiden Vorgänger vermeiden zu können. Selbst dem für sie typischen Streben nach einem Höchstmaß an poetischem Zierrat, das bei Berge noch stärker ausgeprägt war als bei Haak, trägt Wegleiter, w e n n wir von dem andersgearteten und durch den Alexandriner zwangsläufig vorgegebenen Endreim einmal absehen, keine Rechnung, denn die vereinzelt v o n ihm eingefügten Binnen- bzw. Stabreime

(Noth

u n d Tod; die W a f f e n und die Witz; mit tausend tapfern Geistern)

^ fallen hierbei nicht ins Gewicht, und die eigenen

23) Magon, Die drei ersten deutschen Versuche, S.81. 24) Zeile 3, Zeile 118 und Zeile 100 der Miltonübersetzung.

Gestaltung des Satans

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Wortspiele, um die er seinen Text bereichert (alß Satan über Hauffen mit seinen Hauffen lag; nur zu dem trüben 25)

End der endelosen Pein),

sind in ihrer Zahl so gering,

daß sie eher Zufallsprodukte zu sein als einer bestimmten künstlerischen Absicht zu entstammen scheinen. Bar jedes übersteigerten Gebrauchs barocker Stilelemente ist sein "Verlustigtes Paradies" somit weder im Ausdruck noch von der Form oder der Sprache her den anderen frühen Verdeutschungen des "Paradise Lost" vergleichbar, zumal sie Übersetzungen waren, es hingegen augenscheinlich den Anspruch erhebt, eine Nachdichtung zu sein, und doch steht es mit ihnen insofern auf einer Ebene, als es ebensowenig wie sie den v o n Milton beabsichtigten Sinn getreu wiedergibt. Das zeigt sich wiederum nirgends deutlicher als an der Gestaltung des Satans, den auch Wegleiter völlig verzeichnet, indem er von seiner theologischen Warte aus v o n A n fang an gegen ihn Partei ergreift. Ohne aus seiner Abscheu dem "Erzfeind" gegenüber einen Hehl zu machen, läßt er ihn in konkret-realistischerer Weise als Milton "versängt doch nicht verbrennt" (Z.50) in der feurigen Glut treiben, "gewunden, gleich wie sich gequetschte W ü r m e r krümmen"

(Z.79),

während er ihn samt seiner Heerschar mit immer neuen pejorativen Wendungen belegt (die schnöde Rott, das Schelmenheer, der H u n d (!), der freche S p i e s g e s e l l ) , f ü r

die

sich im "Paradise Lost" kein Äquivalent findet. Zudem setzt er alles daran, Satans Vermessenheit bis zum Ä u ß e r sten zu steigern, und nimmt ihm von daher jede Einsicht in die Grenzen seiner Macht, die ihm v o n Milton zu aller Zeit belassen worden war, so daß der Abgefallene nun in seinem Zorn Gott nicht allein 'widerstreben' ("Consult how we may henceforth most offend Our Enemy"),

' sondern ihn gar

'überwinden' will: u n d dichten, wie der Feind am besten w i r d besiegt, w i r w i r den alten:weg zum Himmel können finden, 25) Zeile 48 f u n d Zeile 150 der Miltonübersetzung. 26) Zeile 72, Zeile 37, Zeile 44 und Zeile 125 der M i l tonübersetzung. 27) PL I, 187 f.

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Zum Publizisten tritt der Dichter und diese Niederlag großmütig überwinden, ob eine Hoffnung uns zu trösten überbleib, wo nicht, zu welchem Schluß uns die Verzweiflung treib. (Zeile 182 ff). W e l c h e r Rang letztlich jedoch dem v o n ihm begonnenen

W e r k zukommt, das kurz nach den soeben zitierten Versen unvermittelt abbricht, hat Wegleiter indessen selbst erkannt und in jenem Neujahrsgruß an die Pegnitzschäfer formuliert, OQ \ d e n w i r schon an früherer Stelle arwähnt haben: Hier ' spricht er klar aus, was eingangs v o n uns bereits angedeutet w o r d e n war, daß er nämlich v o n sich aus niemals eine solche Verdeutschung angefangen hätte, wäre er nicht von dritter Seite - u n d w i r dürfen ergänzen: v o n Haak dazu aufgefordert worden. Denn obwohl seine hervorragenden Englischkenntnisse bezeugt s i n d , ^ ^ w a r e n die sprachlichen Schwierigkeiten für ihn noch immer zu groß ("doch was uns hindert ist die ungeschickte Sprach"), wie auch seine Dichtkunst nicht v o n solcher Genialität' war, daß sie an die Miltons hätte heranreichen können. Rückschauend konnte er, sich u n d sein fehlgeschlagenes Unternehmen ironisierend, Uber das "Verlustigte Paradies" daher nicht anders urteilen als: Zwar neulich ließ ich mich, ich alberer, bereden, und schlüge meine H a n d an Miltons schönes Eden; doch w u r d mein Paradies gar bald w a s seines heisst: * diß grosse Werck erheischt mehr Zeit, m e h r Kunst, mehr Geist. * E i n Verlorenes Paradies. Dieses Fazit aber gilt für alle frühen Verdeutschungen v o n Miltons Epos, sogar für die v o n Berge zu Ende geführte und in den Druck gegebene, die ebenfalls "mehr Kunst, m e h r Geist" hätte aufweisen müssen, um der Vorlage gerecht w e r den oder bei dem Lesepublikum des siebzehnten Jahrhunderts Anklang finden zu können, zu dessen Standpunkt w i r n u n w i e der zurückkehren wollen. 28) "Engeländischer Gruß an die hochlöbl. Gesellschafft bey Eintritt deß 1687. Jahres", eingetragen im Reisetagebuch, S.204 ff. 29) Vgl. Herdegen, Historische Nachricht, S.476.

Morhofs 2.2. A u f t a k t

d e r

"Unterricht"

119

l i t e r a t u r w i s -

s e n s c h a f t l i c h e n

D i s k u s s i o n

Gleichzeitig mit dem Erscheinen von Berges "Verlustigtem Paradeis", wiewohl unabhängig davon, erfuhr das M i l tonbild der Zeit noch von anderer Seite eine entscheidende Bereicherung, als nämlich auch das gelehrte Deutschland begann, auf das poetische Werk John Miltons aufmerksam zu werden und den bisher als Tagesschriftsteller verschrieenen Engländer nun als Dichter zu würdigen lernte. Den Anfang in dieser Richtung machte der Kieler Professor für Poesie 1) und Eloquenz Daniel Georg Morhof, dem zudem das Verdienst zukommt, als erster in Deutschland ein vollständiges planvolles Studium der Literaturgeschichte angeregt und in seinem 1682 erschienenen "Unterricht von der Teutschen Spra2)

che und Poesie"

dargelegt zu haben.

Der "Unterricht", von Erich Schmidt als "Zwitterding von Poetik und Literaturgeschichte"·^

charakterisiert,

enthält in seinem mittleren Teil einen Uberblick über die Entwicklung der Dichtkunst fremder Völker, der auch von den Engländern handelt und hierbei mehrfach auf Milton B e zug nimmt. Noch dem Publizisten gilt Morhofs erster H i n weis, ^

w e n n er als eine weitere, den Deutschen bis dahin

unbekannt gebliebene Schrift die 1644 entstandene kurze Abhandlung "Of Education" zitiert und sie, allerdings irrtümlich, als "Dissertation" bezeichnet. Ohne auf die der Zeit w e i t vorauseilenden erzieherischen Ideen des Autors näher einzugehen, teilt er daraus lediglich die Bemerkung 1) 1639 - 1691, vgl. ADB. 2) Daniel Georg Morhofen Unterricht V o n D e r Teutschen Sprache und Poesie / deren Uhrsprung / Fortgang und Lehrsätzen. W o b e y auch von der reimenden Poeterey der Außländer m i t mehren gehandelt wird. - Kiel / Gedruckt u n d verlegt durch Joachim Neumann / Acad. Buchdr. im J a h r 1682. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 628.a.10.-1). N e u auflagen 1702 und 1718. 3) Zit. nach: Robert F. Arnold: Allgemeine Bücherkunde zur neueren deutschen Literaturgeschichte. Vierte Auflage. N e u bearbeitet von Herbert Jacob. - Berlin: de Gruyter 1966. S.112. 4) Morhof, Unterricht, S.232.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

Miltons mit, daß die Engländer "mehr mit verschlossenen Munde sprechen als andere Völcker", und führt dies als B e weis seiner These an, die Sprache jenes Volkes sei ebenso "verkrochen und tunckel" wie vieles an seiner Poesie. Über den Dichter M i l t o n hatte Morhof in den ihm zur V e r fügung stehenden englischen Quellen nichts gefunden. D e n 5) noch empfand er es nicht mehr als "billig", ' ihn denjenigen Autoren zuzuordnen, "die woll verdienet haben / daß ihrer gedacht werde", und als einzigen davon sogar ausdrücklich anzuführen. Als erstes seiner Werke nennt er die in lateinischer Sprache geschriebenen "Poemata", von denen er zu berichten weiß, daß aus ihnen, obwohl sie in Miltons frühester J u g e n d entstanden seien, schon "der gute Geist" hervorblicke, und sie "den besten gleich geschätzt" würden. Die "Poemata" w a r e n 1645 in London publiziert, aber nicht auf den kontinentalen Buchmessen vertrieben w o r d e n . ^ Morhofs Urteil über die Aufnahme des Dichters, der v o n ihm 7)

w e n i g später ' als der "bekante Johannes Milton" gerühmt wird, ist daher, zumindest im Hinblick auf die deutschen Verhältnisse, mit Skepsis zu betrachten u n d darf nur auf dem Hintergrund des englischen Geisteslebens gesehen werden. Denn weder w a r e n im damaligen Deutschland die sprachlichen Voraussetzungen gegeben, um den Engländer im Original lesen zu können, zumal hier kaum Exemplare seiner Werke in Umlauf waren, noch w a r sein Ruhm als Dichter bereits so weit v o r gedrungen, daß er den in Verruf stehenden Publizisten hätte vergessen machen können. Einzig in England konnte Morhof jene von ihm gepriesenen Dichtungen kennengelernt haben, und in der Tat hat er zwei große Reisen nach dem Inselreich unternommen, zuerst in den J a h r e n 1660/61, dann erneut im Sommer 1670, auf denen er, vermutlich durch Vermittlung 5) Morhof, Unterricht, S.252; ff. Zitate ebd. 6) Vgl. die Ausgaben des "Catalogus Universalis" aus jener Zeit, die keinerlei Hinweise auf Miltons "Poemata" enthalten. Überhaupt findet sich in deutschen Bibliotheken lediglich ein Exemplar dieses Gedichtbandes, das die Sächsische Landesbibliothek Dresden unter der Sign. Lit. Lat. rec. A 1135 aufbewahrt. 7) Morhof, Unterricht, S.568.

Morhofs "Unterricht"

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seiner dortigen gelehrten Freunde, mit Miltons Poesie in Berührung gekommen ist, die an dieser Stelle dem deutschen Lesepublikum erstmalig vorgestellt wird. In unmittelbarem Zusammenhang mit den Gedichten fällt im "Unterricht" die früheste Anspielung 8 ^ auf "The Paradise Lost". Zunächst wird es nur beiläufig erwähnt, und der Leser erfährt nicht mehr, als daß es ein "Poemate 9) Heroico" sei, ehe Morhof an anderer Stelle ' hinzufügt, daß es "ohne Reimen geschrieben" sei. Uber den Inhalt dieses Epos macht er jedoch keine Aussagen. Ihn interessiert allein die formale Seite, und so faßt er lediglich zusammen,was Milton in der "Vorrede" zur Verteidigung seiner Schreibart vorgebracht hatte, als er dort bemerkt hatte, "daß des Reims wegen man offtmahlen wider willen Wörter ja gantze Reden setzen muß / die man viel eigentlicher und besser ohne diesen Zwang hätte geben können". Die damalige Diskussion zur Frage des Reims haben wir bereits in Abschnitt 2.1. behandelt. Infolgedessen können wir uns hier mit der Feststellung begnügen, daß auch Morhof es für "eine unnöthige Arbeit" hält, reimlose Verse zu schreiben, und er, da ihm Berges Ubersetzungsversuch nicht bekannt geworden ist, behaupten kann, "in Teutscher Sprach hat noch niemand es zu versuchen begehret". Er geht somit rasch über Miltons großes "Poema" hinweg und kommt erst

10)

gegen Ende ' seiner "Poetik" auf den "berühmten" Dichter zurück, um ihn dort von einer wiederum ganz anderen Seite zu zeigen. Das geschieht im Verlauf einer Betrachtung, die "den Schauspielen / Hirten- und Straff-Gedichten" gewidmet ist und darauf aufmerksam macht, daß Milton auch auf dem Gebiet der "Balletten und Masqueraden" brillierte, indem er einige Maskenspiele schrieb, die "sehr woll gemacht" und in der Ausgabe der "Englischen Poematibus11 zu finden seien. Zwar werden keine Einzelheiten genannt, wie überhaupt dieser Hinweis dafür, daß er einen wichtigen Aspekt des Milton 8) Morhof, Unterricht, S.252. 9) Ebda. S.568; ff. Zitate ebd. 10) Ebda. S.740ff.

122

Zum Publizisten tritt der Dichter

sehen Frtihwerkes eröffnet, allzu knapp gehalten ist. Für den Charakter der Mitteilungen jener Zeit über Milton ist er jedoch symptomatisch, denn sie sind fast alle eher kleinsten Mosaiksteinchen vergleichbar, die sich erst nach und nach zu einem vollständigen Bild fügen lassen, und in ihrer Gesamtheit vermitteln Morhofs Äußerungen dem Leser bereits eine intensivere und umfassendere Kenntnis von Miltons poetischem Schaffen, als es je zuvor ein in Deutschland publiziertes Werk vermocht hatte, zumal sie in deutscher Sprache abgefaßt waren und von daher nicht nur die Fachgelehrten erreichten. Auch in dem 1688 erschienenen "Polyhistor sive de Noti11) tia Auctorum et Rerum Commentarii" ' ist Morhof um eine Würdigung John Miltons bemüht, obwohl er dieses Mal wegen der Verwendung des Lateins im wesentlichen nur akademische Kreise angesprochen haben dürfte. Als typische Literaturund Gelehrtengeschichte der Zeit enthält das vielgerühmte Werk, das aus Vorlesungen entstanden ist und über ein halbes Jahrhundert lang, um Zusätze vermehrt, stets von neuem 12) 13) aufgelegt wurde, ' gleich zu Beginn des ersten Teils ' einen Abriß "de Epistolarum Scriptoribus", in dessen Rahmen der Hinweis auf eine weitere Miltonedition erfolgt: die 1674 in einem "kleinen Buch" (libello exiguo) vorgelegten "Epistulae Famiiiares". Uber die Briefe selbst, deren Publikation aufgrund eines Druckfehlers fälschlicherweise in das Jahr 1647 (vor-)verlegt wird, verliert Morhof nur wenige, allerdings lobende, Worte. Er hebt die vielen darin enthaltenen Urteile über Autoren älterer wie jüngerer Zeit, einheimischer wie fremder Herkunft hervor und empfiehlt das in London gedruckte Oktavbändchen überhaupt als ein Werk, das "zu lesen und zu 11) Danielis Georgi Morhofi Polyhistor sive de Notitia Auctorum et Rerum Commentarii. Quibus praeterea varia ad omnes diseiplinas consilia et subsidia proponuntur. - Lubecae. Sumptibus Petri Böckmanni Anno M.DC.LXXXIIX. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 800.g.22.). 12) Neuauflagen 1695, 1707, 1714, 1732, 1747. 13) Morhof, Polyhistor, S.304f.

Morhofs "Polyhistor"

123

kennen wohl der Mühe wert ist" (legere et nosse operae pretium est)."^ Aufschlußreich ist, daß er diese Bemerkungen mit einer 15) längeren Betrachtung über den Autor verknüpft, ' der, wie aus seinen gegen Salmasius gerichteten Kampfschriften hervorgehe, "nicht unberühmt" (non ignobilis) gewesen sei und seinen Standpunkt "mit Scharfsinn und Witz" (argutiis et salibus) zu verteidigen gewußt habe. Nicht immer sei es ihm zwar gelungen, jene sprachlichen Verstöße selbst zu vermeiden, die er seinem Gegner so heftig angekreidet habe, so daß auch sein Stil "oftmals ungrammatisch und barbarisch" (soloikos saepe et barbarus) wirke, was an Hand einiger Zitate aus dem Vorwort der "Defensio" bewiesen wird; im Gegensatz zu älteren Kommentatoren sieht Morhof darin jedoch keinen Grund, Milton deswegen anzugreifen, sondern fügt vielmehr entschuldigend hinzu, solche Irrtümer würden "den Gelehrten entgegen ihren Absichten zuweilen unterlaufen" (viris doctis interdum praeter intentionem excidunt). Obgleich der "Polyhistor" den Publizisten stärker in den Vordergrund rückt als es im "Unterricht" geschehen war, wird darob der Dichter nicht vergessen, zumal die betont einseitige Sichtweise der frühen Jahre, wie sie uns im ersten Teil unserer Untersuchungen begegnet ist, bei dem inzwischen erreichten Informationsstand nun nicht länger mehr zu rechtfertigen war. In der Beurteilung des poetischen Werkes geht der "Polyhistor" mit dem "Unterricht" konform. Wiederum gilt das Hauptaugenmerk der frühen Periode, und Morhof bemüht sich, seine Leserschaft davon zu überzeugen, wie sehr "Miltons Werke ihn schon in seiner Jugend als Mann" (Miltoni scripta virum vel in ipsa juventute) erwiesen haben. Nicht das "Paradise Lost" wird als dessen große Schöpfung gepriesen, sondern die lateinischen Gedichte, die er als Jüngling verfaßt und zusammen mit den damals entstandenen englischen Gedichten veröffentlicht hatte. Hingegen wird bei der Er14) Morhof, Polyhistor, S.305. 15) Ebda. S.304; ff. Zitate ebd.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

wähnung des "Verlorenen Paradieses", von dem es irrtümlicherweise heißt, es sei in "dreizehn" Bücher unterteilt, und der übrigen in englischer Sprache vorgelegten Altersdichtungen, deren Titel nicht genannt werden, wiederum K r i tik daran geübt, daß sie "reimlos" (sine rhythmis) sind. Morhof will dem Lesepublikum Miltons Stellungnahme nicht vorenthalten, die dahin gegangen sei, Endreime als "Geißel der volkssprachlichen Dichtung" (pestes carminum vernaculorum) anzusehen; doch vertritt er, genau wie schon zuvor im "Unterricht", die Meinung, daß sie bei einer derartigen poetischen Gattung nicht fehlen dürften. V o n daher ist auch sein abschließendes Urteil über Miltons spätere englische Dichtungen (einschließlich des "Paradise Lost") zu verstehen, w e n n sie ihm allein aus diesem Grunde "nicht angenehm" (insuavia) erscheinen wollen, obgleich er ihnen andererseits die Anerkennung nicht versagt, daß sie "reich an Geist und Scharfsinn." (plena ingenii et acuminis)

seien.

Im Grunde bestand für Morhof keine Notwendigkeit, in Z u sammenhang mit den "Epistolae Famiiiares" so ausführlich auf Miltons Gesamtwerk, soweit es damals bekannt war, zu sprechen zu kommen. Daß er es dennoch tat, ist nicht zuletzt ein Beweis dafür, wie sehr es ihm als "homo litera16) tus" ' darum ging, das W i s s e n der Zeit als Einheit zu seh e n und in diesem Sinne nutzbringend zu lehren. Sein Eintreten für den Dichter wie den Menschen J o h n Milton erinnert in vielem an die späteren Bemühungen Bodmers und verdient u m so mehr unsere Beachtung, als es den frühesten Versuch darstellt, eine Umorientierung des Miltonbildes in Richtung auf jene Wertschätzung h i n herbeizuführen, die Morhof auf seinen Reisen in England festgestellt hatte, wo sie sich bereits durchzusetzen begann, als in Deutschland noch der negative Eindruck von dem die Königsmörder verteidigenden Publizisten vorherrschte. 16) Vgl. Conrad Wiedemann: Polyhistors Glück und Ende. V o n Daniel Morhof zum Jungen Lessing. - In: Festschrift Gottfried W e b e r . Hrsg. v o n Heinz Otto Burger und Klaus v o n See. - B a d Homburg v.d.H.: Gehlen 1967. S.225. (= Frankfurter Beiträge zur Germanistik. B d 1).

Rückwendung zum Publizisten 2.3. N e u e r l i c h e M i l t o n s

125

H i n w e n d u n g

zu

p u b l i z i s t i s c h e r

T ä t i g k e i t Die Sonderstellung Morhofs w i r d noch deutlicher, w e n n w i r die übrige Literatur jener Jahre daraufhin befragen, inwieweit sie Äußerungen zu J o h n Milton enthält. Dann zeigt sich nämlich, in welchem Maße für die damalige gelehrte W e l t doch der Publizist im Mittelpunkt des Interesses stand, so daß Nachrichten über den Dichter weiterhin ausschließlich das Verdienst von Englandreisenden bleiben sollten. Denn nur sie hatten die Möglichkeit, direkten Zugang zu seinem poetischen W e r k zu erlangen, und ohne ihr beständiges W e r b e n wäre Milton als Dichter noch lange in Deutschland völlig unbekannt geblieben, während die Tätigkeit des Publizisten, auch unabhängig von ihrem Wirken, stets von neuem Anlaß zur Diskussion bot. Nach dem Literarhistoriker meldete sich als nächster der Naturrechtler zu Wort, um noch einmal zu Miltons schriftstellerischem Werk Stellung zu nehmen, wie es zuvor schon Pufendorf getan hatte. Denn kaum w a r der "Polyhistor" erschienen und "so rasch abgegangen", daß viele Interessen1) ten leer ausgehen mußten, ' da veröffentlichte der Leipzi2)

ger Jurist und Philosoph Christian Thomasius ' seine "In3) stitutiones Jurisprudentiae Divinae", die als Lehrbuch des Naturrechts aufgrund der kühnen Gedankenführung sofort zum "Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit und lebhafter S t r e i t i g k e i t e n " ^ wurden, zumal sie w e i t über die Auffas1) Bericht des Herrn Antoni über Morhofs 'Polyhistore Literario* in Tentzels Zeitschrift "Monatliche Unterredungen Einiger Guten Freunde ..." vom Januar 1689, S.4; vgl. Kap. 2.5· dieser Arbeit, Anm. 1. 2) 1655 - 1728, vgl. ADB. 3) Christiani Thomasii Liber Tertius Institutionum J u risprudentiae Divinae, In Positiones succincte contractae.Francofurti et Lipsiae, Sumptib. Mauritii Georgii Weidmanni, M.DC.LXXXVIII. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XVIII a C 7970). 4) Karl Biedermann: Deutschlands geistige, sittliche und gesellige Zustände im achtzehnten Jahrhundert. Erster Theil: Bis zur Thronbesteigung Friedrichs des Großen (1740). - Leipzig: W e b e r 1858. S.355 (= K.6.: Deutschland

126

Zum Publizisten tritt der Dichter

sungen Pufendorfs hinausgingen, die Thomasius keineswegs 5) nur "erläutert und verbreitet" ' hat, wie sein Biograph Luden glauben machen wollte. Ebenfalls aus Vorlesungen erwachsen, suchten sie "das Recht der Natur aus des M e n schen Neigung zu einer Friedliebenden allgemeinen Gesellschafft" herzuleiten und gegenüber anderen Lehren abzugrenzen sowie "das bisher auff Universitäten unerörterte allgemeine Göttliche geoffenbahrte G e s e t z " ^

gründlich zu er-

läutern, wobei - ähnlich wie in Pufendorfs Hauptwerk - anläßlich des Kapitels 7) "De Legibus Positivis officia conjugalia concernentibus" 'die Rede auf J o h n M i l t o n kam. Betrachten w i r die auffallende Verschiedenartigkeit der Situationen, in deren Zusammenhang damals auf die eine oder andere Weise Milton allein als Publizist genannt w u r de, so erhellt daraus nicht nur, welche Schwierigkeiten sich für das Lesepublikum ergaben,alle diese Eindrücke, solange ihm keine Gesamtdarstellung vorlag, zu einem Bild zusammenzufügen, sondern es w i r d auch offenkundig, wie die einzelnen Werke im Anfang von jeweils ganz bestimmten K r e i sen rezipiert wurden. Die Juristen, Historiker, Theologen und Moralphilosophen befaßten sich vorwiegend mit dem für die Idee der Volksherrschaft streitenden Autor der "Defensio pro populo Anglicano"; hingegen w a r e n die Naturrechtler vor allem, sowie in gewissem Maße auch die Theologen wiederum, an der die Auflösbarkeit der Ehe fordernden "Doctrine and Discipline of Divorce" interessiert, u n d es nimmt folglich nicht wunder, daß Thomasius ebenfalls nicht daran vorbeigehen wollte, ohne die darin aufgestellten Thesen diskutiert zu haben. im achtzehnten Jahrnundert. B d 2,1). 5) Heinrich Luden: Christian Thomasius nach seinen Schicksalen und Schriften dargestellt. - Berlin: Unger 1805. S.29. 6) Christian Thomas [···] Eröffnet Der Studierenden J u gend in Halle / ein Collegium Privatum Uber seine Institutiones Jurisprudentiae Divinae. - In: Christian! Thomasii '...] Institutionum Jurisprudentiae Divinae Libri Tres. '...] Editio secunda priori multo auctior. [...]. - Halae, sumtibus Christophori Salfeldii, Regiminis Elect. Brandenb. Typogr. 1694. S.73. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XVIII bB 325 blau). 7) Thomasius, Liber Tertius, S.110.

Thomasii "Institutionum"

127

Ein Exemplar des Ehescheidungstraktates, dessen Titel er im übrigen an keiner Stelle nennt, hat Thomasius nicht zur Verfügung gestanden; vielmehr stützt er sich in seinen Aussagen ganz auf das Zeugnis Pufendorfs. Dennoch wiederholt er nicht einfach, was er im "Jus Naturae et Gentium" fand, sondern bemüht sich, bei aller Kürze seiner Darstellung, um eine kritische Wertung dessen, was Milton über "unerträgliche Sitten, Ungleichheit und gegenseitige Abneigung der Gemüter" (mores intolerabiles ac disparitatem et o\ renitentiam animorum) ' als Grund zur Ehescheidung vorgebracht hatte, so daß der Leser, auf diese Weise mit den Absichten des Autors vertraut gemacht, leichter zu einer differenzierenden Stellungnahme gelangen kann. Mit der Wiedergabe jener Hauptthese verbindet Thomasius zugleich die Mahnung an die Leserschaft, Miltons Meinung zum Problem der Ehescheidung "keineswegs als leicht und nicht beurteilenswert" (nec adeo levis et de nihilo judicanda) zu erachten. Ihm geht es vor allem darum, daß der Engländer, selbst wenn man nicht alle seine Behauptungen akzeptieren kann, ernst genommen wird, und er sucht ihn daher möglichst objektiv zu sehen. Kritik übt er daran, daß Milton seine Thesen "nicht immer mit gerechten Gründen" (rationibus non omnino justis)^ verteidigte, wie überhaupt jene Partien des Traktates abzulehnen seien, die sich mit der Ungleichheit der Ehepartner befassen. Sie scheinen Thomasius "keine lange Diskussion zu verdienen" (non magnam discussionem mereri), ' da dort das "Bild einer Gattin" (ideam mulieris) entworfen wurde, das sich von den Gegebenheiten der Wirklichkeit allzu weit entferne, so daß es kaum eine Ehe geben dürfte, die, legte man es zugrunde, darob nicht geschieden werden müßte. Positiv äußert er sich hingegen zu der von Milton aufgeworfenen Frage der unerträglichen Sitten. Entgegen der landläufigen Meinung sei sie noch längst nicht endgültig entschieden, und es 8) Thomasius, Liber Tertius, § 67, S.134; f.Zitat ebd. 9) Ebda. § 69, S.135. 10) Ebda. § 68, S.134.

128

Zum Publizisten tritt der Dichter Α Λ

\

gebe sehr wohl Argumente, die "für ihn" (pro ipso) ' und seinen Fall sprächen, wie Thomasius sogleich an einem Beispiel demonstriert. Uberhaupt ist Thomasius eine gewisse Sympathie für Miltons Thesen nicht abzusprechen, was vor allem auf den Umstand zurückzuführen ist, daß er, der 1684 mit einer Dissertation über die Bigamie hervorgetreten war, in dem Verfasser des Traktates von der Ehescheidung einen Geistesverwandten erblicken konnte. Wenn seinen Aussagen über dessen Schrift innerhalb der Miltonrezeption auch eine nur geringe Relevanz zukommt, so verdienen sie dennoch, nicht unerwähnt zu bleiben, da sich ihnen bis zur Jahrhundertwende - und weit darüber hinaus - keine weitere Anspielung auf Miltons "Doctrine and Discipline of Divorce" zur Seite stellen sollte, so daß dieser Aspekt von Miltons publizistischem Schaffen in Deutschland weitaus unbekannter blieb als die Tätigkeit des gegen Salmasius angetretenen Schriftstellers und Verteidigers der englischen Republik. Obwohl die Publikation der beiden "Defensiones" nur ein Teil von Miltons Aufgabengebiet gewesen war, hatte sie doch seine eigentliche Funktion als Sekretär des englischen Staatsrates völlig überschattet. Es sollten daher Jahrzehnte vergehen, ehe die deutsche Öffentlichkeit darüber unterrichtet wurde, daß Milton während seiner Amtszeit auch eine Vielzahl lateinischer Briefe an ausländische Fürsten und Staaten geschrieben hatte, die 1676 in England gesammelt und herausgegeben worden waren. Die Vermittlung dieser Kenntnis verdankt sie dem Leipziger Theologen Johann Georg Pritius, ' der im Jahre 1690 eine für Deutschland bestimmte Ausgabe jener Staatsbriefe unter dem Titel "Literae no13) mine Senatus Anglicani" ' besorgte und mit einem Vorwort versah, das mit dem Autor näher bekannt machte. 11) Thomasius, Liber Tertius, § 70, S.135. 12) 1662 - 1732, vgl. ADB. 13) Johann Georg Pritius (Hrsg.): Literae nomine Senatus Anglicani, Cromwellii Richardique A d diversos in Europa Principes et Respublicas exaratae a Joanne Miltono, quas nunc primum in Germania recudi fecit Μ. Jo. Georg. Pritius.Lipsiae et Francofurti, Sumptibus Jo. Caspari Mayeri. Typis

Miltons "Literae"

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Abgesehen von Berges "Verlustigtem Paradeis" sind die "Literae" die einzige Miltonedition, die im siebzehnten Jahrhundert in Deutschland erschienen ist. Das verleiht ihnen ein besonderes Gewicht und hebt sie aus der übrigen Fülle zeitgenössischer Literatur heraus, in der lediglich indirekt auf Milton Bezug genommen wird. Allerdings läßt der Inhalt wegen der ihm eigenen, von den außenpolitischen Vorstellungen der damaligen englischen Regierung vorgegebenen Thematik keine Rückschlüsse auf die Geistesart des Verfassers zu. ' Um so mehr gilt es zu prüfen, welche Intentionen der Herausgeber mit diesem Unternehmen verfolgte, in welchem Lichte er den Autor sieht und wie er ihn der Leserschaft zu präsentieren sucht. Pritius vermittelt einen ungemein positiven Eindruck von dem Engländer, ohne daß letztlich jedoch entschieden werden könnte, inwieweit seine Worte von persönlicher Überzeugung getragen sind und wo bereits das Bemühen um einen buchhändlerischen Erfolg einsetzt: Milt.on ist in seinen Augen ein Mann, "von dessen Begabung niemand etwas Billiges oder Abgestandenes oder Einfältiges erwartete" (nemo vile quippiam aut protritum vel insubidum ab ipsius expectaverit i n g e n i o ) , d a er "bei den Gebildeten" (apud eruditos) - die damit zum ersten Mal ausdrücklich als die eigentlichen Träger der Rezeption genannt werden - in hoher "Wertschätzung" (pretio) stehe. Unter den Schriften findet als erste die "Defensio pro populo Anglicano" Erwähnung, von der geurteilt worden sei, daß der Autor sich darin "sehr scharfsinnig und gelehrt" (acute et doctissime) gegeben habe; doch scheint die eigentliche Verteidigung des Königsmordes auch für Pritius ein problematischer Fall zu sein, denn er geht rasch darüber hinweg mit der Bemerkung, daß "davon etwas zu vermelden nicht Christiani Banckmanni. Anno M.DC.XC. (Exemplar der UB Mainz. Sign. 690/3). 14) Aus diesem Grunde gehen wir auf den Inhalt nicht näher ein, obwohl die Sammlung auch mehrere Briefe an deutsche Staaten enthält. Vgl. darüber Parker, Milton, A Biography, S.956ff. 15; Pritius, Literae, Vorrede Bl. 6v; ff. Zitate ebd.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

unsere Sache ist" (de qua pronuntiare nostrum non est). Stattdessen hebt er hervor, wie Milton stets auf "eine reinere Ausdrucksweise" (purioris dicendi generis) bedacht war lind in diesem Bemühen "sehr sorgfältig" (diligentissime) verfuhr, während er seinem Gegner Salmasius zugleich nachwies, mehrfach gegen die Reinheit der lateinischen Sprache verstoßen zu haben. In ähnlichem Sinne hatte sich Morhof über den Stil des Engländers geäußert, wiewohl er eine kritischere Haltung dazu eingenommen hatte als Pritius, der dem Urteil des Kieler Professors zwar gern folgt, jedoch nur, wenn es für Milton günstig ausfällt. Aus eben dem Grunde unterläßt er in seiner Vorrede jeglichen Hinweis auf das "Paradise Lost", das er zumindest dem Namen nach gekannt hat, und erwähnt von Miltons poetischem Schaffen lediglich die aus dessen Frühzeit stammenden Gedichte in englischer und lateinischer Sprache, die er mit dem Kommentar des "Polyhistor" versieht, daß sie "jenes Lebensalter weit überragten" (aetatem illam longe s u p e r e n t ) , 1 d a sie "reich an Begabung und Geistesschärfe" (plena ingenii atque acuminis)18·* seien und den Dichter "schon in der Jugend als iq\ Mann" (jam in juventute virum) erwiesen hatten. Nach einer Notiz, die erstmals an Miltons Bildungsreise durch Italien "sowie andere Gegenden" 20 ^ (aliique regionibus) erinnert und vermutlich dem in der "Defensio secunda" enthaltenen Lebensbild des Autors entnommen ist, kommt der Herausgeber auf jene Zeit zu sprechen, als sich für Milton "der Zustand seines Staates geändert" (mutato reipublicae suae statu) und er begonnen hatte, sein Amt als Sekretär für fremde Sprachen anzutreten. Auch hier urteilt Pritius voller Enthusiasmus und sucht keinen Zweifel darüber auf16) Pritius, Literae, Vorrede Bl. 8; ff. Zitate ebd. 17) Ebda. Bl. 6v. 18) Ebda. Bl. 7. Dieses Zitat beweist zugleich Pritius' Wissen um das "Paradise Lost", denn im "Polyhistor" hatte es sich auf Miltons Altersdichtungen bezogen, nicht aber auf die frühen Gedichte. 19) Ebda. Bl. 6v. 20) Ebda. Bl. 7; ff. Zitate ebd.

Miltons "Literae"

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kommen zu lassen, daß Milton dieses Amt "weder nachlässig noch ohne Auszeichnung" (nec negligenter nec indecore) ausgeübt hat, wie die Leser aus den vorgelegten Briefen ersehen könnten, die "mit erstaunlicher Eleganz und Lieblichkeit" (mira tum elegantia tum amoenitate) ausgearbeitet worden seien. Desgleichen geht er auf die Hindernisse bei der Drucklegung der Erstausgabe ein, die "erst nach dem Tode des ?1

\

Autors" (usque dum post fata Auctoris claustra) ' erfolgen konnte, und prangert die Behandlung Miltons durch die neuen Machthaber in England an, die ihm "unwürdigerweise" (indigne) Beschränkungen auferlegt hätten, so daß er im Jahre 1674 lediglich sein "Epistolarum familiarum liber unus" habe herausgeben dürfen. Letzteres Werk werde im "Polyhistor" diskutiert; hingegen habe Morhof von der Existenz der Staatsbriefe offenbar nichts gewußt, denn er schweige dort, "wo es an der Stelle war, ihrer Erwähnung zu tun" (ut earum faceret mentionem locus erat). Allerdings verrät Pritius nicht, auf welche Weise er selbst in den Besitz eines Exemplares der Erstausgabe gekommen ist; doch dürfte ihm, wie schon anderen zuvor, die Vermittlung gelehrter Freunde zustatten gekommen sein, und vielleicht verdankt er es seinem akademischen Lehrer Otto Mencke.der als Herausgeber der berühmten Leipziger gelehrten Zeitschrift "Acta Eruditorum" 22 ^ zu den Kreisen gehörte, die in jenen Tagen am leichtesten Zugang zu ausländischen Büchern erlangten. Obwohl die Erstausgabe der "Literae"23)seinerzeit sogar auf dem Kontinent gedruckt worden war, hatte sie in den vierzehn Jahren, die seither vergangen waren, trotzdem keine Verbreitung in Deutschland gefunden, und Pritius mußte daher mit Bedauern feststellen, "daß nichts von die21) Pritius, Literae, Vorrede Bl. 7v; ff. Zitate ebd. 22) Vgl. Kap. 2.5. dieser Arbeit. 23) Parker, Milton, A Biography, S.1180, vermutet, daß sie in Brüssel und Amsterdam gedruckt wurde. Das Titelblatt dieser "Literae Pseudo-Senatus Anglicani, Cromwellii, Reliquorumque Perduellium nomine ac jussu conscriptae Α Joanne Miltono" enthält keinerlei Hinweise auf den Druckort oder den Drucker.

132

Zum Publizisten tritt der Dichter

sen Köstlichkeiten bei unseren Buchhändlern käuflich ausliegt" (nihil harum deliciarum in nostris bibliopoliis per% 241 mercale exponi), ' so daß er den Entschluß faßte, alle Mühe darauf zu verwenden, "damit sie mehreren bekannt w ü r den und häufiger bei uns erschienen" (ut cum pluribus communicarentur et

spissiores paululum apud nos apparerent).

Was ihn veranlaßte, das hiesige Lesepublikum auf Milton aufmerksam zu machen, w a r jedoch nicht in erster Linie das Bestreben, den persönlichen Ruhm des Engländers zu vermehren, sondern gründete vielmehr auf der "süßesten Anmut dieser Briefe" (dulcissimam harum literarum

venustatem),^^

auf der Geschliffenheit des Stils, der Reinheit des A u s drucks und der Eleganz der Redewendungen, die Milton an den Tag legt und die von Pritius als vorbildlich erkannt werden. Mit der Einführung der "Literae" in Deutschland verfolgt der Herausgeber somit eine eindeutig erzieherische Absicht, die sich mit dem für sein Jahrhundert so wichtigen Moment des prodesse et delectare verbindet: er will an H a n d von Miltons Staatsbriefen das sprach- und stilkritische Vermögen seiner lateinkundigen Zeitgenossen auf möglichst unterhaltsame A r t schulen, verbessern oder gar vervollkommnen. "Deshalb bieten w i r Dir reine Briefe, leichte, angenehme und überall freundlichsten Liebreiz ausströmende, von denen w i r glauben, daß die Musen selbst kaum eine reinere Ausdrucksweise gebrauchten und anderswo besser polierte Redewendungen [ ... ] in gleicher Weise oder leichter erlernt werden können" (itaque puras Tibi exhibemus epistolas, faciles, jucundas, et amoenissimas veneres ubique spirantes, ut Musas ipsas vix castiori dicendi genere usuras, nec alibi politiores orationis formulas [ ... ] perinde addisci posse aut facilius opinemur). V o n daher die fortwährenden Lobpreisungen des Autors, die keinem anderen Zweck dienen, als den Leser auf den in Verbindung mit der Lektüre beabsichtigten Lernprozeß vorzubereiten und einzustimmen. Dieser formale Aspekt ist es auch, um dessentwillen 24) Pritius, Literae, Vorrede Bl. 7; f. Zitat ebd. 25) Ebda. Bl. 8; f. Zitat ebd.

Milton als Stilist

133

vor allem Pritius immer wieder den Reiz der Briefe betont sowie die in ihnen ausgebreitete "gewaltige Vielfalt der of.) Dinge" (ingens rerum varietas) rühmt, die vom Leser "mit Nutzen" (cum fructu) aufgenommen werden könne und ihn in ihren Bann ziehe, w e n n er miterlebe, wie die englische Republik ihre

Geschäfte mit anderen Staaten abwik-

kele. Die Person des Autors bleibt demgegenüber im Hintergrund, muß dort zwangsläufig bleiben, da er als Sekretär nur ausführendes Organ war und auf die Substanz der Brie27) fe selbstverständlich keinen Einfluß nehmen konnte. Die bewußte Hervorhebung J o h n Miltons als eines gewandten lateinschreibenden Stilisten stellte zu jener Zeit jedoch, angesichts der ständig zunehmenden Bedeutung der Volkssprache, bereits einen Anachronismus dar, und das W e r ben um erhöhte Aufmerksamkeit für den Publizisten mußte daher mißlingen, zumal die Staatsbriefe für ein derartiges Vorhaben denkbar ungeeignet waren. Gemessen an der Vielzahl und der Verbreitung der überlieferten E x e m p l a r e " ^ scheinen die "Literae nomine Senatus Anglicani" zwar mehr Erfolg gehabt zu haben als das "Verlustigte Paradeis"; dennoch ist die Resonanz des Publikums für Pritius enttäuschend gewesen, da er ebensowenig wie Berge seine Ankündigung wahrgemacht hat, weitere Schriften Miltons herauszugeben, "wenn unser gegenwärtiges Unternehmen den Lesern nicht mißfallen haben wird" (si praesens nostrum institu29) tum Lectoribus n o n displicuisse). ' Offenbar entsprachen die mit so viel Überredungskunst vorgetragenen "Köstlichkeiten" des Engländers doch nicht dem Geschmack der Leserschaft, so daß Pritius auf die vorgesehene Edition der 26) Pritius, Literae, Vorrede Bl. 8v; f. Zitat ebd. 27) Diese Entwicklung verschärft sich noch: 1712 erscheint abermals eine Ausgabe der Briefe, besorgt v o n J o hann Christian Lünig, unter dem Titel "Literae Proceram Europae ...", nun jedoch ohne jeglichen Hinweis auf den Namen des Verfassers bzw. Übersetzers. 28) Parkers und unsere eigene Zählung ergaben insgesamt 22 Exemplare, die v o n Bibliotheken aus allen Teilen Deutschlands gemeldet w o r d e n sind, während Berges "Verlustigtes Paradeis" beispielsweise über den sächsischen,Raum kaum hinausgekommen ist. 29) Pritius, Literae, Vorrede Bl. 8.

134

Zum Publizisten tritt der Dichter

"Epistolae Famiiiares" einschließlich der aus Miltons Studienzeit stammenden "Prolusionibus Oratoriis" verzichten mußte. Damit w a r zugleich auch der Versuch gescheitert, der Miltonrezeption zumindest durch Verbreitung des publizistischen Werkes eine breitere Basis in Deutschland zu verschaffen, u n d für die folgenden vierzig Jahre sollte die Diskussion wiederum allein auf gelehrte Anmerkungen in der Sekundärliteratur beschränkt bleiben, da die Öffentlichkeit noch immer nicht genügend vorbereitet war, um von sich aus ein Interesse an dem Autor entwickeln zu können. 2.4.

D e r

s p ä t e

S i c h t

M i l t o n

e i n e s

a u s

d e r

E n g l a n d r e i s e n d e n

Ebensowenig befriedigend w a r bis zu diesem Zeitpunkt die Unterrichtung der damaligen Öffentlichkeit über Miltons dichterisches Werk verlaufen. Das Interesse des gelehrten Deutschland hatte sich so sehr auf den Publizisten konzentriert, daß lediglich die Englandreisenden vermocht hatten, etwas Licht auf das poetische Schaffen des Engländers zu werfen, wobei dem "Paradise Lost" auffallenderweise die geringste Beachtung zuteil geworden war. W e d e r die Tatsache, 1) daß es sich in England bereits zu einem "Bucherfolg" ' entwickelt hatte, noch der v o n Berge unternommene Versuch einer Eindeutschung trugen dazu bei, die Unkenntnis Uber dieses Epos zu beseitigen, so daß die wenigen Autoren, die um seine Existenz wußten, es mit nichtssagenden W o r t e n abtun oder überhaupt nicht einer Erwähnung für würdig befinden konnten. Pritius' Schweigen w a r um so beredter gewesen, als er aufgrund der Lektüre des "Polyhistor" den Eindruck gewonnen hatte, über das "Paradise Lost" im negativen Sinne u r teilen zu müssen, und er deshalb lieber gar k e i n Urteil abgab. Selbst ihm, dein Theologen, scheint nicht bekannt geworden zu sein, daß Milton einen religiösen Stoff zum Vorwurf seines großen Epos gewählt hatte, wie auch Morhof, trotz 1) Magon, Die drei ersten deutschen Versuche, S.48.

Benthems

135

"Schulen-Staat"

seiner mehrfachen Englandreisen, die Leser darüber im u n klaren beläßt. Ausführlichere Informationen über das Hauptwerk des späten Milton sollten daher erst durch einen an2)

deren Theologen, den Pastor Heinrich Ludolf Benthem

, er-

folgen, der in den Jahren 1686/87 nach dem Abschluß seiner Studien ebenfalls eine Reise nach England unternommen hatte und dort von Theodor Haak, dem ersten deutschen Miltonübersetzer, auf jenes Epos aufmerksam gemacht worden war. Benthem veröffentlichte 1694 in Lüneburg seinen umfängliehen

"Engeländischen Kirch- und Schulen-Staat". ' eine

Art "Baedecker für deutsche Theologiestudenten", 'wiewohl er auch von Angehörigen anderer Fakultäten "viel benützt 5) und geschätzt" ' wurde. Dieses heute völlig vergessene Werk gibt nichtsdestoweniger "a full and systematic account of important aspects of English intellectual

life"^

und enthält nicht nur eine detaillierte Darstellung der anglikanischen Kirche, sondern berichtet auch v o n den w ä h rend der Reise gemachten Erfahrungen des Autors sowie den Begegnungen, die ihn mit Gelehrten, Naturwissenschaftlern und Theologen des Inselreiches zusammengeführt hatten. Darunter kommt der Bekanntschaft mit Theodor Haak besondere Bedeutung zu, der ihm in London "bey vielen vorneh7) men und gelehrten Leuten addresse verschaffet" ' u n d ihn in die Geschichte der kurz zuvor begründeten "Royal Society" eingeführt hatte. Benthem gedenkt seiner mit einem ausführlichen Lebensbild, das er in das fünfte Kapitel des vorliegenden Buches ("Von Collegiis, der Königlichen Societet, Schulen, Buchladen oder Kunstkammer und Bibliothecken in London") einfügt, wobei er dessen "große Lust"®^ 2) 1661 - 1723, vgl. ADB. 3) Henrich Ludolff Benthems P.C. und S. Engeländischer Kirch- und Schulen-Staat. - Lüneburg / Verlegts Johann Georg Lipper. Anno M. DC. XCIV. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 4106.a.15). 4) Peter F.Ganz: D e r Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz 1640 bis 1815. - Berlin: Schmidt 1957. S. 14. 5) ADB, B d 2, S.342, s.v. 'Benthem 1 . 6) Robson-Scott: German Travellers in England, S.93. 7) Benthem, Schulen-Staat, S.56. 8) Ebda. S.57; ff. Zitate ebd.

136

Zum Publizisten tritt der Dichter

am Ubersetzen rühmt u n d in Zusammenhang damit "Einen v o n ihm in das hochteutsche vertirten Tractat deß Miltons" anführt. A u s dieser Ubersetzung hatte Haak ihm vorgelesen, u n d Benthem hatte die Gelegenheit zum Anlaß genommen, u m über den Dichter, der Haaks "guter F r e u n d gewesen", nähere Einzelheiten zu erfragen, die er dann getreulich a n das Lesepublikum des "Kirch- und Schulen-Staates" weiterzugeben sucht: Gleich seine ersten W o r t e gelten der damaligen Situation der Miltonrezeption in Deutschland u n d bestätigen ganz unseren bisher aus der Lektüre zeitgenössischer L i t e ratur gewonnenen Eindruck: M i l t o n w a r in jenen J a h r e n allein "den Gelehrten" bekannt, konnte nur ihnen bekannt sein, da v o n ihm lediglich zwei in lateinischer Sprache abgefaßte Publikationen auf den Buchmessen in Umlauf gebracht w o r d e n w a r e n - die "nomine Senatus Anglicani" geschriebenen Briefe u n d die "gute Verthädigung Populi A n g l i cani in einer bösen Sache".

Beide hatten zwar einigen

Aufschluß über seine Tätigkeit für den englischen Staatsrat gegeben, doch w a r w e n i g oder nichts darüber verlautet, wie er sich nach dem Scheitern der englischen Republik verhalten hatte, so daß Benthem hier einsetzen kann, um die wichtigsten Fakten nachzutragen. Zunächst erinnert er an Miltons Blindheit u n d beschreibt, wie der Autor sich "nach Cromwells Tode auf das Land begeben" hatte, um dort "in der Stille sein Leben hinzubringen". In solcher Einsamkeit habe er jenes "Buch" geschrieben, dessen Titel auf deutsch "der verlohrne Paradeis"

[sie!]

laute und das bei seinen Freunden, als es ihnen "gleich nach deß Caroli II. wider Einberuffung" zu Gesicht kam, nichts als Furcht u n d Schrecken hervorgerufen habe, da sie besorgt gewesen seien, "Milton möchte darinn betrauret und beklaget haben / daß mit Endigung der von Cromwell eingeführten Regierungs-Art Engelandes Glück verlohren sey".Der Inhalt - nun erstmals dem deutschen Lesepublikum, wiewohl äußerst knapp, als "von dem Fall Adams / u n d dem daraus 9) Benthem, Schulen-Staat, S.58; ff. Zitate ebd.

Benthems "Schulen-Staat"

137

entstandenen Elende" handelnd spezifiziert - habe sie hingegen von der Grundlosigkeit ihrer Sorge überzeugt, und daraufhin hätten sie "solches Buch in anderer Leute Hände auch kommen lassen". Das sind überraschende Ausführungen über die frühe Aufnahme von Miltons Epos, die nicht nur für seine unmittelbare Umgebung Gültigkeit besessen haben können. Heute wird die Möglichkeit einer am politischen Geschehen seiner Zeit orientierten Interpretation des "Paradise Lost" kaum noch gesehen; damals war sie jedoch aktuell und hat zweifelsohne wesentlich dazu beigetragen, daß dieses Epos von Seiten der literarischen Kritik so wenig Beachtung fand: Denn selbst als Verfasser des "Paradise Lost" wurde Milton weiterhin als politisch engagierter Schriftsteller angesehen, wie schon aus Benthems Unsicherheit in der Bezeichnung des Epos erhellt, die ständig zwischen "Tractat" und "Buch" schwankt, dann aber vor allem aus seiner eigenen Stellungnahme deutlich wird, die ebenfalls den aktuellen Bezug knüpft und Milton attestiert, ein "sehr schlauer Politicus" gewesen zu sein, da er die Darstellung des Sündenfalls in der Tat zum Vorwand nehme, aber nichtsdestoweniger "hinter solcher Decke das jenige beklage / was seine Freunde anfangs vermuthen gewesen". Bei dieser dem Publizisten eingeräumten Vormachtstellung ist es nur folgerichtig, wenn Benthem den Engländer an keiner Stelle ausdrücklich als Dichter bezeichnet, sondern ihn vielmehr "denen fürnehmsten Gelehrten Leuten" des 10) Landes zuordnet, die sich unter der "Regierung Caroli I." ' hervorgetan hatten, was sich wiederum einzig auf Miltons Tätigkeit als Verfasser von politischen Schriften beziehen kann. Aus dem gleichen Grunde fehlt auch jeder Versuch einer über die politische Motivation hinausreioihenden literarischen Wertung des "Paradise Lost". Stattdessen schließt die Diskussion mit einem Verriß des zwölf Jahre zuvor von Berge herausgegebenen und bis dahin von der Kritik unbeachtet gebliebenen "Verlustigten Paradeises", "dessen Ver10) Benthem, Schulen-Staat, S.613.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

stand so schwer" ist, "so unangenehm die A r t einem vorkommt / ob schon der Editor solcher Anklage durch eine 11) Vorrede hat gesuchet vorzukommen", ' daß auf dieses vernichtende Urteil h i n kaum ein Leser noch Neigung zu selbständiger Lektüre des Werkes verspürt haben dürfte. Die Chance, eine breitere Öffentlichkeit zu Miltons A l tersdichtung hinzuführen, war damit vertan und lag vielleicht nicht einmal in Benthems Absicht. Dessen ungeachtet fällt ihm ein bedeutender Anteil an der Formung des zeitgenössischen Miltonbildes zu, da er als erster die Aufmerksamkeit der Leser bewußt auf das Spätwerk des Autors gerichtet und zugleich sämtliche Editionen angeführt hat, die im damaligen Deutschland v o n Milton in Umlauf waren, zumal er auch zwei der Übersetzer zu nennen weiß, die sich um eine Übertragung des "Paradise Lost" bemüht hatten. Sein Hauptverdienst besteht jedoch darin, alle diese Nachrichten in der Volkssprache abgefaßt und sie somit nicht nur akademischen Kreisen zugänglich gemacht zu haben, zumal zu einer Zeit, als ein derartiges Unterfangen noch Verwunderung erregte und es der Verteidigung bedurfte, w e n n einmal ein "Buch in Teutscher und nicht Lateinischer Sprache geschrieben" 12)' wurde. 2.5.

D i c h t e r S p i e g e l t e n

u n d d e r

P u b l i z i s t im f r ü h e n g e l e h r -

d e u t s c h e n

Z e i t s c h r i f t e n

Benthems Werk ist noch im Jahre seines Erscheinens ausführlich in einer Rezension besprochen worden, die jene Partien über Milton fast wörtlich wiedergibt und lediglich die Akzente hie und da etwas anders setzt. Wiederum w i r d 1) Milton als "ein sehr schlauer Politicus" ' dargestellt, 11) Benthem, Schulen-Staat, S.58. 12) Ebda. Vorbericht an den geneigten Leser, § 30. 1) [Wilhelm Ernst Tentzel (Hrsg.)s] Monatliche Unterredungen Einiger Guten Freunde V o n Allerhand Büchern und andern annehmlichen Geschichten; Allen Liebhabern der Curiositäten / Zur Ergetzlichkeit und Nachsinnen heraus gegeben [...], Sechster Jahrgang, Monat Januar. - Leipzig / bey

139

Deutsche Zeitschriften

doch fehlt nun der Hinweis auf die "Gelehrten", denen damals in erster Linie sein Name ein Begriff sein konnte, und stattdessen macht sich ein zweideutiger, wenn nicht gar leicht pejorativer Ton in der Behandlung des wegen 2)

seiner Verteidigung "gnugsam bekannten" ' Engländers bemerkbar, so als wollte man nicht viele Worte über ihn verlieren. Die frühe Aufnahme des "Paradise Lost" in England wird kurz gestreift, wie ebenfalls die beiden frühen deutschen Ubersetzungsversuche angeführt werden, die unvollständige Übertragung Theodor Haaks und die von Berge "in 3) den Druck" ' gegebene, deren eine als "sonderlich notab e l " ^ gerühmt, während die 5) andere ob ihres schweren Verstandes als "unangenehm" ' zurückgewiesen wird. Auch fällt auf, daß die Berichterstattung über das "Verlustigte Paradeis" ausschließlich in indirekter Form erfolgt, und die Vermutung ist daher nicht von der Hand zu weisen, daß der Rezensent Berges Edition weder aus eigener Anschauung kannte noch jemals zuvor von ihr gehört hatte, sondern allein auf die Nachrichten angewiesen war, die er bei Benthem darüber gefunden hatte. Dieser Auszug aus dem "Kirch- und Schulen-Staat", der sehr zu seiner Popularisierung beigetragen hat, erfolgte im Oktoberheft des sechsten Jahrganges der von dem Numismatiker Ernst Wilhelm T e n t z e l ^ herausgegebenen "Monatlichen Unterredungen Einiger Guten Freunde", die seit 1689 in Leipzig erschienen und eine der ersten Zeitschriften in Deutschland waren. In ihrer 7) "Mischung von volkstümlichen und gelehrten Elementen" ' wußten die in jenen Jahren aufkommenden, in der Volkssprache gehaltenen periodischen Journale sofort das mittelständische, nicht-studierte Publikum anzusprechen und erfreuten sich steigender BeliebtThomas-Fritschen [1694]. S.832. (Exemplar der Staatsbibliothek Marburg, Sign. Ac. 5512 b). 2) Monatliche Unterredungen. S.831. Herv. v. Verf. 3) Ebda. S.832. 4) Ebda. S.831. 5) Ebda. S.832. 6) 1659 - 1707, vgl. ADB u. Zedier. 7) Eric A.Blackall: Die Entwicklung des Deutschen zur Literatursprache 1700 - 1775. Mit einem Bericht über neue Forschungsergebnisse 1955 - 1964 von Dieter Kimpel.- Stutt-

140

Zum Publizisten tritt der Dichter

heit, wie die rasch zunehmende Zahl an zeitgenössischen "Ephemeridibus, Monatlichen Extracten, oder wie sie sonsten Nahmen haben m ö g e n " , b e w e i s t . Ihr aller Vorbild, dessen Geist sie dennoch niemals erreichen konnten, waren die 1688 v o n Christian Thomasius begründeten "Monats-Ge-

q·)

spräche", ' die erste Zeitschrift in deutscher Sprache überhaupt, die zudem für sich den Ruhm in Anspruch nehmen durfte, die Wissenschaft "zu einer10)Angelegenheit des Volkes und der öffentlichen Meinung"

' erhoben zu haben. D a -

mit w a r zugleich ein W e g eröffnet, um den weniger gelehrten Schichten das ausschließlich von Gelehrten geformte Miltonbild zu vermitteln, der Weg, an dessen Anfang die eben zitierte.Passage steht. Die Fortsetzung sollte freilich während des siebzehnten Jahrhunderts nicht mehr erfolgen, da es (noch) an Anwälten fehlte, die für Milton hätten eintreten können, obwohl der Name des Engländers schon in den ersten Heften der deutschsprachigen Zeitschriften gelegentlich aufgetaucht war. Ungeachtet der Spärlichkeit der dort über ihn verbreiteten Nachrichten wollen w i r auch auf sie einen kurzen Blick werfen und uns ihrer als Anhaltspunkt bedienen, um den damaligen Stand der Diskussion zumindest in Umrissen in Erfahrung bringen zu können: gart: Metzler 1966. S.39. 8) Vgl. [Heinrich Ludwig Götte (Hrsg.):] Gründliche Nachricht V o n den Frantzöischen [sie!], Lateinischen und Deutschen Journalen, Ephemeridibus, Monatlichen Extracten, oder wie sie sonsten Nahmen haben mögen / N a c h ihrem A n fang und Fortgang biß auf gegenwärtige Zeit / Allen L i e b habern der Journale zum besten / mit einem bescheidenen Judicio mitgetheilet von H.P.L.M. - Leipzig und Gardeleben / In Verlegung Ernst Heinrich Campen. 1718. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 6 1 6 . d. 3. (5)·). 9) Christian Thomasius (Hrsg.): Freymüthige Lustige und Ernsthaffte iedoch Vernunfft- und Gesetz-Mässige Gedancken oder Monats-Gespräche / über allerhand / fürnehmlich aber Neue Bücher Durch alle zwölff Monate des 1688. und 1689. Jahrs [Januarius - Aprilis des 1690. Jahrs] durchgeführet v o n Christian Thomas. - Halle/ Gedruckt u n d verlegt v o n Christoph Salfelden. 1690. (Exemplar des Britischen M u seums. Sign. PP. 4603.). 10) Robert E.Prutz: Geschichte des deutschen Journalismus. Erster Theil. - Hannover: Klus 1845. S.296.

Deutsche Zeitschriften Frühe Anspielungen finden sich sowohl in den beiden ersten Jahrgängen der "Monats-Gespräche" (1688/89) als auch im ersten Jahrgang der "Monatlichen Unterredungen"

(1689),

doch sind sie ausschließlich auf den Publizisten bezogen und lassen den Dichter vollkommen unerwähnt. I n keinem Fall ist Milton der eigentliche Gegenstand des Interesses, sondern wird nur beiläufig genannt, wenngleich mit einer Unbefangenheit, die darauf schließen läßt, daß seine Rolle als Verteidiger der englischen Republik inzwischen als allseits bekannt vorausgesetzt wird und daher keiner näheren Erläuterung bedarf, wie sie noch in früheren Jahren notwendig gewesen wäre. Thomasius kommt in insgesamt drei, den verschiedensten Fachgebieten zugehörigen Rezensionen auf den Engländer zu sprechen, stets in Verbindung mit dem berühmten Wort, das den Disput der beiden Defensoren so gut auf eine Formel zu bringen wußte, obwohl es viel zu geistreich w a r als daß es über eine allgemein gehaltene Charakteristik hätte hinausreichen können: "Miltonus malam causam bene, Salmasius b o 11) nam causam male defendit". ' Während es in den "Monats12) Gesprächen" zumeist dann "gar füglich" ' angewendet wird, wenn zwei Gelehrte zu einer Frage unterschiedliche Standpunkte mit wechselndem Glück vertreten haben, führen es die "Monatlichen Unterredungen" im Verlauf einer Diskussion über eine Schrift des jungen Salmasius an, dessen Name bei den von Tentzel porträtierten Gesprächsteilnehmern sofort Assoziationen an den späteren "Streit mit Miltono wegen 1 3) des Königs von England" ·" hervorruft und sie veranlaßt, auf den Vergleich hinzuweisen, der hier - wie übrigens schon bei Thomasius - fälschlicherweise dem Straßburger Professor Johann Heinrich B o e d e r zugeschrieben wird. Immer erfolgt die Handhabung jenes Wortes mit solcher Selbstverständlichkeit, daß sein 'geflügelter' Charakter außer Frage steht. Zweifellos w a r es weit verbreitet, in 11) Monats-Gespräche, Juni 1688, S.737; Dezember 1688, S.760: November 1689, S.945. 12) Monats-Gespräche, November 1689, S.945. 13) Tentzel, Monatliche Unterredungen, April 1689,S.423.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

seiner abstrahierenden Art jedoch schwerlich geeignet, den neu hinzukommenden Lesern Aufschlufl Uber das Hintergrundgeschehen zu geben. Für die Miltonrezeption bedeutet sein Gebrauch zum damaligen Zeitpunkt daher nicht mehr als eine Gedächtnisstütze, ohne daß ihr dadurch in irgendeiner Weise Vorschub geleistet werden konnte. Wohl haben die frühesten deutschsprachigen Zeitschriften somit ihr Publikum an den Verfasser der "Defensio pro populo Anglicano" erinnert, doch vermochten sie nicht, den Kreis der eigentlichen Miltonkenner zu erweitern, geschweige denn neue Beiträge zu Person und Werk des Engländers zu liefern. Ein erster Ansatz gelang allein den "Monatlichen Unterredungen" vom Oktober 1694 durch die Wiedergabe des in Benthems Werk enthaltenen Berichtes; danach schwiegen auch sie wieder, und das lateinsprachige Zeitschriftenwesen übernahm vorerst diese Aufgabe, mit allen .Konsequenzen, die sich daraus für die Zusammensetzung der Leserschaft ergaben. 14) Bereits in den sechziger Jahren von Morhof geplant, ' war das lateinische Journal in Deutschland verwirklicht 15) worden, als der Leipziger Professor Otto Mencke J > 1682 begonnen hatte, die "Acta Eruditorum" herauszugeben. "Mit ungemeinem Success und Applausu der Welt continuiret" informierten sie ein internationales Gelehrtenpublikum über den Stand der Wissenschaften in ganz Europa und rezensierten Neuerscheinungen aus allen Disziplinen, darunter gelegentlich auch aus dem Bereich der englischen Literatur. Obwohl die Besprechung gerade von Büchern in dieser Sprache mit großen Schwierigkeiten verbunden 17) war,da englischkundige Rezensenten noch immer rar waren, ' machten die "Acta" im Verlauf des siebzehnten Jahrhunderts ihre Leser gleich zweimal auf John Milton aufmerksam, zuerst im Oktober 1687, dann erneut im Mai 1696, wobei sie ihn stets als Dichter 14) Morhof, Polyhistor, Lib. I, Kap. XIV. 15) 1644 - 1707, vgl. ADB. 16) Götte, Gründliche Nachricht von den Journalen, S.33. 17) Vgl. Menckes Brief vom 15.10.1684 an Leibniz, zit. bei: Joachim Kirchner: Zur Entstehungs- und Redaktionsgeschichte der Acta Eruditorum. - In: Archiv für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik. Bd 65 (1928). Heft 4 (Pressa-Sonderheft). S.86.

Deutsche Zeitschriften

143

präsentierten und den Publizisten völlig außer acht ließen. Der erste Hinweis war in Zusammenhang mit einer sehr positiven Besprechung von Winstanleys aus dem gleichen Jah18) re stammenden "Lives of the most famous English Poets" erfolgt, hingegen auf die nüchterne Bemerkung beschränkt geblieben, Milton werde dort diskutiert und wie Donne oder Shakespeare "unter die denkwürdigen Toten unseres Jahrhunderts" (ex mortuis nostro seculo commemorandos) gerechnet, was indessen lediglich die halbe Wahrheit darstellte, da Winstanley überdies ein äußerst ungünstiges Bild von dem Engländer entworfen hatte. Um so größerer Ausführlichkeit befleißigte sich die zweite, in enthusiastischem Ton 20) gehaltene Rezension, ' in der die 1695 in London erschienene Ausgabe der "Poetical Works of Mr. John Milton" dem gelehrten Deutschland vorgestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen wurde, wie sie in dieser Form niemals zuvor versucht worden war. Angesprochen sind wiederum "die Gebildeten zumindest unseres Kreises" (nostri saltem orbis eruditos), denen gegenüber sich der Rezensent um eine Rechtfertigung seiner Hinwendung zu dem "etwas älteren englischen Dichter" (vetustiorem paulo Poetam Anglicanum) bemüht, da es sonst "nicht unsere Art ist, Bücher, die sich schon so lange unter der Sonne aufhalten, auch mit unserem Licht zu beleuchten" (moris nostri non sit, libros tamdiu sub Sole versatos nostra quoque luce collustrare). Im vorliegenden Fall spreche für ein solches Unterfangen jedoch nicht nur Miltons "göttliche Begabung" (divinum ingenium) in der Abfassimg heroischer Gedichte, die den Zeitgenossen "vielleicht bis jetzt nicht bekannt geworden" (haud forte hactenus innotuit), sondern auch das Urteil seiner Landsleute über ihn, 18) Acta Eruditorum Anno Μ DC LXXXVII. publicata, [...]. - Lipsiae. Prostant apud J. Grossium et J.F. Gleditschium. Typis Christophori Guntheri. Anno MDCLXXXVII. S.577. (Exemplar der ÜB Marburg, Sign. XX Β 134). 19) Ebda. S.578. 20) Acta Eruditorum Anno Μ DC XCVI. publicata, S.226f.

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Zum Publizisten tritt der Dichter

demzufolge er in jener Gattung mit ungeschmälertem Ruhm leicht alle Ependichter Uberrage, so daß sein Ruf und die ihm zuteil gewordene Bewunderung "ein Verzeichnis seiner vornehmsten Gedichte" (praecipuorum ejus poematum catalogue) schlechthin unumgänglich machten. Mit anderen Worten: seitdem die Leipziger Gelehrten um die Milton in England 21Τ entgegengebrachte steigende Wertschätzung wußten, 'waren sie bereit, sein Genietum anzuerkennen, konnten selbst aber an der Tatsache nicht vorbeisehen, daß sein poetisches Werk in Deutschland noch immer unbekannt war und sie in dieser Hinsicht daher als Wegbereiter des Ruhms auftreten mußten. In eben dem Sinne versteht der Rezensent seine Aufgabe, wenn er keinen Zweifel an der Einzigartigkeit des "Paradise Lost" aufkommen läßt, das nun schon in der sechsten Auflage vorgelegt und in ; der gegenwärtigen Sammlung "verdientermaßen" (uti meretur) an erster Stelle abgedruckt worden sei. Vieles gebe es noch "über die Erhabenheit und die übrigen Tugenden" (de sublimitate caeterisque virtutibus) von Miltons Epos zu sagen, das "den Fall des Menschengeschlechtes" (generis humani lapsu) zum Vorwurf nehme, stünden dem nicht die oben dargelegten Prinzipia der "Acta" entgegen, so daß die Rezension auf wenige Worte beschränkt bleiben muß, denen dadurch ein um so höherer Stellenwert zukommt. Am auffälligsten ist, wie das Gewicht auch hier auf den uns bereits früher begegneten aktuellen Bezug des "Paradise Lost" zu den politischen Ereignissen seiner Zeit gelegt wird. Derartige Überlegungen, die auf eine 22)

"political mystification" ' hinauslaufen, scheinen damals von besonderer Wichtigkeit gewesen zu sein, denn der Rezensent glaubt ebenfalls, sie unter keinen Umständen übergehen zu dürfen, sondern hebt ausdrücklich hervor, daß jene Zeitverhältnisse von Milton "zwar poetisch, aber doch 21) Zeugnis dafür ist u.a. die reiche Subskribentenliste, die der Londoner Ausgabe des "Paradise Lost" von 1688 vorangestellt ist. Vgl. Parker, Milton, A Biography, S.662. 22) Scherpbier, Milton in Holland, S.120.

Deutsche Zeitschriften

1Z

*5

lebensnah" (poetice quidem, vivide tarnen) geschildert worden seien. Andererseits kann er nicht umhin, Verständnisschwierigkeiten bei der Lektüre des "Paradise Lost" zuzugeben, die daher rührten, daß der Dichter häufig "aus dem Vorrat einer etwas mehr entlegenen Bildung" (ex eruditionis paulo magis reconditae penu) geschöpft habe, und er begrüßt deshalb den in der neuen Ausgabe erstmals enthaltenen Anmerkungsapparat, ehe er sich den übrigen Gedichten zuwendet, deren Inhalt er gleichfalls mit wenigen Worten zu umreißen sucht. Manches fällt dabei allzu knapp aus, so daß den Lesern lediglich ein vager Eindruck vermittelt wird. Dennoch sind die Hinweise des Rezensenten schon insofern bemerkenswert, als das Publikum in Deutschland erst durch sie von der Existenz der anderen großen Altersdichtungen des Engländers erfahren konnte, dem "Paradise Regain'd", das als Gegenstück zum "Paradise Lost" die "Erneuerung des menschlichen Geschlechts" (restaurationem humani generis) beschreibt, und dem "Simson agonistes", in dem "das Schicksal dieses Helden, der dem Spott der Palästinenser ausgesetzt war" (Herois hujus, Palaestinorum ludibriis expositi, fata), dargestellt ist. Allerdings scheint die Beschäftigung des Rezensenten mit dem letzten Werk besonders flüchtig gewesen zu sein, denn er nennt es, genau wie dessen beide Vorläufer, ein "episches Gedicht" (heroica poema), obwohl es vielmehr ein dramatisches ist. Zugleich erinnert er daran, daß alle drei Werke in jener Dichtungsart geschrieben worden seien, die, indem sie den Reim aufgibt, "allein durch das Versmaß erfreut" (metro solum gaudet), und verbindet diese Bemerkung mit der (offenkundig falschen) Behauptung, Milton habe den Blankvers in England eingeführt, während vor ihm lediglich einige Spanier und Italiener sich darin versucht hätten. Die Verquickung von Dichtung und Wahrheit ist überhaupt ein immer wieder zu beobachtendes Phänomen der frühen Miltonrezeption und sollte hier nicht ausschließlich dem Rezensenten angelastet werden, da sie letztlich aus der Spärlichkeit der Nachrichten über Leben und Werk des Eng-

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Zum Publizisten tritt der Dichter

länders resultiert. Auch die ersten deutschen Zeitschriften hatten den Mangel an Informationen nicht zu beheben gewußt, da sie weniger explizite Erörterungen als vielmehr gelegentliche Andeutungen enthielten, deren eigentlicher Sinn sich nur dem Wissenden erschloß. Erst mit dem Abdruck von Benthems Bericht über den Dichter des "Paradise Lost" in den "Monatlichen Unterredungen" hatte sich eine Besserung in dieser Hinsicht abzuzeichnen begonnen, die ihren vorläufigen Höhepunkt in dem vorliegenden Uberblick der "Acta Eruditorum" Uber das poetische Werk John Miltons fand, der allerdings aufgrund seiner sprachlichen Form allein den Gelehrten zugänglich war. Um den Preis der Breitenwirkung hat somit das lateinische Journal, stärker als es das damalige deutschsprachige Zeitschriftenwesen vermochte, die Aufmerksamkeit der Leserschaft betont auf den Dichter zu lenken gesucht und darin zugleich jenem Zug der Zeit Ausdruck gegeben, der das Interesse an dem Publizisten in eben dem Maße allmählich in den Hintergrund treten lassen wollte. 2.6.

V o r l ä u f i g e B i l a n z M i l t o n d i s k u s s i o n

d e r

Trotz der gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts in dem in Deutschland publizierten Schrifttum häufiger zu beobachtenden Hinwendung zum poetischen Werk John Miltons war seine Anerkennung als Dichter durch solche Schritte noch keineswegs endgültig in die Wege geleitet. Dazu hätte es mehrerer Anstöße bedurft als der einen wohlwollenden Rezension in den"Acta Eruditorum", die jedoch vorerst ausblieben, so daß die Diskussion in dem Zeitraum bis zur Jahrhundertwende, kaum daß sie begonnen hatte, schon wieder stagnierte und eher altbekannte Fakten wiederholte, als daß sie dem Miltonbild neue Aspekte abzugewinnen wußte. Wann immer die Autoren jener Jahre auf den Engländer zu sprechen kamen, was stets in flüchtiger Form geschah, führten sie ihn auch niemals an hervorragender Stelle an, sondern nur mitten im Text, passim; desgleichen waren ihre

Kortholts "Disquisitio" Hinweise zumeist in einem Ton gehalten, der in seiner Distanziertheit den Schluß nahelegt, daß sie bei ihrem Publikum im Hinblick auf Milton wenig an Vorwissen zu erwarten wagten. Dennoch machte die von Gelehrtenkreisen initiierte Diskussion nun die Stellungnahme zu einem Mann unumgänglich, der sich aufgrund eigener wie dem Zeugnis fremder Schriften zufolge einen gewissen Namen erworben hatte, sei es im guten, sei es im schlechten Sinne, und obwohl die folgenden Autoren in der Mehrzahl lediglich das wiedergaben, was sie in der Sekundärliteratur Uber ihn gelesen hatten, repräsentieren ihre Aussagen in der Zufälligkeit ihres Zusammentreffens insgesamt doch gleichsam die Essenz der frühen Miltonrezeption, indem sie deren wichtigste Züge, wenngleich in zeitlich umgekehrter Reihenfolge und jeweils streng voneinander getrennt, noch einmal in Erinnerung bringen: die Berührung mit dem Dichter, die Begegnung mit dem Übersetzer der Staatsbriefe und die Auseinandersetzung mit dem Verfasser der "Defensio pro populo Anglicano". Wie nicht anders zu erwarten, fand der Dichter schon allein qualitativ die geringste Anteilnahme, da seine Werke im Grunde unbekannt und nicht einmal die lateinischen Gedichte nach Deutschland gelangt waren. Gerade deshalb kommt der Tatsache Bedeutung zu, daß Uberhaupt immer wieder der Versuch unternommen wurde, die Leserschaft auf diese Seite seines Schaffens hinzuweisen, dessen Aufnahme auf weite Sicht hin allein durch derartige Beharrlichkeit entscheidend gefördert werden sollte, wiewohl es im vorliegenden Fall nur wenige Worte waren, mittels derer ein Urteil Uber Milton abgegeben wurde. 1} Autor war der Kieler Student Sebastian Kortholt ', der im Juli 1696 der akademischen Öffentlichkeit seine "Disquisitio de Enthusiasmo Poetico" 2 ^ vorlegte, einen sechsund1) 1675 - 1760, vgl. Jöcher. 2) Sebastian Kortholt: Disquisitio De Enthusiasmo Poetico, Quam in Academia Holsatorum inclyta Christian-Albertina, Praeside [...] Dn: Henrico Muhlio, Professore Theologo atque Philologo Ordinario, [...] die XIIX. Julii A.C. Μ DC XCVI. publice tuebitur Sebastianus Kortholt, Auetor.-

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Zum Publizisten tritt der Dichter

neunzig Seiten starken Traktat über die Poesie göttlichen Ursprungs, der in seinem achten Kapitel in jener gelehrtkumulativen Art, wie sie damals üblich war, Milton unter eine Vielzahl von Dichtern reihte, die sich "vor dem dreißigsten Lebensjahr mit Gedichten hervorgetan haben" (ante decimum tertium aetatis annum in carminibus excelluerunt).^ Als Begründung hatte Kortholt angegeben, daß die von ihm benutzte Quelle, das umfängliche Werk des Franzosen Adrien Baillet über "Des enfans devenus celebres par leurs etudes ou par leur ecrits" (Paris 1688), entscheidende Lücken aufweise, so daß er die Namen der seiner Meinung zufolge wichtigsten, dort fehlenden "jugendlichen Gelehrten" (adolescentes eruditi),^ mit einem kurzen Kommentar versehen, nachtragen wollte, wobei er unmittelbar auf den an die erste Stelle gesetzten Donne "Johannes Miltonus Anglus" folgen ließ. Schon der erklärende Zusatz "Engländer" ist bezeichnend, denn Kortholt hält ihn nur bei Milton für erforderlich, damit die Leser diesen Dichter ohne Schwierigkeiten einzuordnen wissen. Uber die Alterswerke verliert er, getreu seiner Themenstellung,kein Wort. Ihm geht es ausschließlich um die Jugendgedichte, auf die er vermutlich durch die Lektüre des von ihm mehrfach zitierten "Polyhistor" aufmerksam geworden war, und sie allein hebt er daher auch als "ziemlich geistreiche" (ingeniosa pariter) Schöpfungen hervor. Ein Jahr, nachdem Kortholts knappe Notiz über den Dichter erschienen war, ergriff ein Rezensent der "Monatlichen Unterredungen"^ die Gelegenheit, um anläßlich der Besprechung einer aus dem Vatikan stammenden BriefSammlung den "Engländer Miltonus" zu loben, der "bey erhaltener Reinligkeit der Lateinischen Sprache [...] die Staats-Sachen unserer Zeit fein und geschicklich gnug expliciret" habe. Kilonii, Imprimebat Joach. Reumann, Acad.Typogr. (Exemplar der Fürstl. Bibl. Donaueschingen, Sign. I Kd 5). 3) Kortholt, Disquisitio, S.17. 4) Ebda. S.18; ff. Zitate ebd. 5) Tentzel, Monatliche Unterredungen, August 1697, S.676.

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Pufendorfs "Sieben Bücher"

Diese Bemerkung galt dem hervorragenden lateinischen Stilisten, als der sich Milton bei der Abfassung von Briefen für den englischen Staatsrat erwiesen und den schon Pritius zu propagieren gesucht hatte. E b e n jene Tätigkeit des Engländers wurde gleichfalls 1697 in dem unter dem Titel "Sieben Bücher V o n denen Thaten Carl Gustavs Königs in S c h w e d e n " ^ Pufendorfs^

ins Deutsche übertragenen W e r k Samuel

von

gestreift, das erst im Jahr zuvor in Nürn-

berg in lateinischer Sprache posthum publiziert worden war. W a s Pufendorf in anekdotenhafter Kürze berichtet, führt zurück in das Jahr 1 6 5 6 ,

als zwischen Schweden und England

ein Handelsvertrag abgeschlossen werden sollte. Damals habe es sich als notwendig erwiesen, eine den schwedischen Gesandten zufriedenstellende lateinische Fassung der einzelnen Artikel anzufertigen, nachdem er eine frühere V e r sion wegen ihrer Mangelhaftigkeit verworfen hatte. Unter Q\ den Londoner "Kantzelley-Bedienten" ' sei jedoch keiner dazu in der Lage gewesen, so daß die englische Regierung 9) schließlich die "Dienste Johann Miltons" in Anspruch habe nehmen müssen, "dergleichen Schrifften aus der M u t ter-Sprache in die Lateinische zu übersetzen". Welche P r o bleme das mit sich brachte, w i r d v o n Pufendorf nicht eigens ausgeführt; doch konnte sie das Publikum zumindest erahnen, wenn es die Bemerkung las, Milton sei zu jener Zeit "allbereit blind" gewesen, wobei außerdem der eine oder andere Leser sich - ebenso wie der Gesandte - gewundert haben mag, "that there should be only one man in England, and that m a n blind, capable of putting a few articles into Latin". 6) Samuel'Freiherr v o n Pufendorf: Sieben Bücher V o n den e n Thaten Carl Gustavs Königs in Schweden / M i t Vortrefflichen Kupffern ausgezieret und mit nöthigen Registern versehen aus dem Lateinischen ins Hoch-Teutsche übersetzet von S.R. - Nürnberg / In Verlegung Christoph Riegels. G e druckt mit Knorzischen Schrifften. An. M . DC. XCVII. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 150. h. 1.). 7) Vgl. Kap. 1.10. dieser Arbeit. 8) Pufendorf. Sieben Bücher, S.245. S) Ebda. S.246; f. Zitat ebd. 10) W . Douglas Hamilton: Original Papers illustrative of the Life and Writings of J o h n Milton, including sixteen

150

Zum Publizisten tritt der Dichter

Während diese Schilderung ein bezeichnendes Licht auf Miltons Wirken in offiziellem Auftrag warf wie auf seine Fähigkeit, Texte so zu übersetzen, daß nicht "ein abgeΛ Λ ^

schmacke / und gar übel-lautender Aufsatz" ' daraus wurde, zeigt ihn das letzte uns aus dem siebzehnten Jahrhundert bekannt gewordene Zeugnis noch einmal in jener Rolle des Verteidigers der englischen Republik, die vor allem sein Bild im damaligen Deutschland geprägt hatte und selbst fernerhin prägen sollte. Abgedruckt ist es im "Andren Theil" 12) der "Kurtzen Fragen aus der Politischen Historia", ' einem auf Verbreitung historischer Kenntnisse13) abzielenden Werk, das von dem Schulmann Johann HUbner ' verfaßt worden war und seinerzeit in weitesten Kreisen beachtet wurde, wie nicht zuletzt aus der Vielzahl seiner Neuauflagen hervorgeht. Neben anderen chronikartigen Abrissen enthält das zur Ostermesse 1698 fertiggestellte Kompendium einen Uberblick "Vom Britannischen Reiche", der bis zu Wilhelm III. reicht und somit die Geschichte Carls I. einschließt, 14j über dessen gewaltsamen Tod "hernach viel disputiret" ' worden sei,als "der gelehrte Salmasius" die Partei des Königs und "ein Engeländer Miltonus" die des Parlaments zu verteidigen unternommen hatte. Schwerlich ist es ein Zufall, daß die beiden Kontrahenten hier in so unterschiedlicher Weise vom Autor eingeführt werden, denn der wechselnde Gebrauch des Artikels deutet nicht nur einander entgegengesetzte Bekanntheitsqualitäten an, sondern vermittelt im letzteren Fall zudem den Eindruck von äußerster Reserviertheit, die nur aus einer Abneigung Milton gegenüber resultieren kann oder aus Letters of State written by him. - [London:] Printed for the Camden Society. M.DCCC.L.IX. S.24. 11) Pufendorf, Sieben Bücher, S.245. 12) Johann Hübners [...] Kurtze Fragen Aus der Politischen Historia Biß auff den Friedens-Schluß zu Ryswyck continuiret / und Mit einer nützlichen Einleitung vor Die Anfänger / und Vollständigem Register versehen. Andrer Theil. - [Leipzig] Im Jahr 1698. Verlegts Joh. Friedrich Gleditsch. (Exemplar der UB Marburg, Sign. VII a C 70x). 13) 1668 - 1731, vgl. ADB. 14) Hübner, Kurtze Fragen, S.982; ebd. alle weit.Zitate.

Resümee

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der Annahme, der Engländer sei dem hiesigen Publikum persönlich nicht näher bekannt geworden. Das eine trifft hingegen für die frühe Phase der Miltonrezeption so zu wie das andere, so daß Hübner im Grunde nicht mehr tut, als erneut der kritisch-distanzierten Haltung Ausdruck zu verleihen, die uns von Anfang an in allen dem Verfasser der "Defensio" gewidmeten Untersuchungen begegnet ist. Gleichwohl bemüht Hübner sich ansonsten sehr um eine unparteiische Berichterstattung, indem er seine Aussagen im folgenden auf die Wiedergabe des Faktums konzentriert,Milton habe, statt wie Salmasius "aus Politischen Principiis" zu fechten, seine Verteidigung "auf die Engelländischen Fundamental-Gesetze" gegründet, und jede eigene Stellungnahme dadurch umgeht, daß er die Leserschaft schließlich auf Jenen Urteilsspruch verweist, der, seit Boeder ihn zuerst im "Museum ad Amicum" publiziert hatte, allenthalben in der zeitgenössischen Literatur zitiert worden war. Die Tatsache, daß er nun sogar in ein vielbenutztes Schulbuch Eingang findet, unterstreicht einmal mehr, welche Bedeutung diesem Ausspruch beizumessen ist, der, obgleich er nur einen vagen Eindruck von dem Engländer vermittelte, zumindest dessen Namen weithin durch Deutschland trug und die Erinnerung an den Defensor wachhielt, selbst als bereits andere Aspekte des Miltonschen Schaffens in den Vordergrund zu drängen begannen. 2.7.

R e s ü m e e

Am Ende des siebzehnten Jahrhunderts ist das Miltonbild komplexer denn je: Wohl wird dem Publizisten noch immer deutlich eine Vormachtstellung eingeräumt, so daß diese Funktion des Engländers allein mit Sicherheit der Mehrzahl der damaligen Zeitgenossen Uberhaupt geläufig war, doch zeichnen sich daneben erstmals auch die Konturen des Dichters ab, von dessen Werk nun ebenfalls Kunde nach Deutschland dringt und die Aufmerksamkeit der Leser in Anspruch zu nehmen sucht.

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Wiederum erinnert eine Vielzahl von Zeugnissen an den erfolgreichen Verteidiger des Königsmordes, wiewohl der nach wie vor eher oberflächliche Wissensstand daraus erhellt, daß kein Wort häufiger zitiert wird als der zwar geistreiche, aber dennoch ganz dem Vordergründigen verhaftete Ausspruch des holländischen Gelehrten Heinsius, der den Disput zwischen Milton und Salmasius auf eine einprägsame Formel zu bringen gewußt hatte. Von der einst mit so viel Heftigkeit um den Engländer geführten Polemik ist in der Literatur dieser Periode hingegen nichts mehr zu verspüren, da die Problematik des Falles ihre Aktualität inzwischen eingebüßt hat. Die der "Defensio" zugrundeliegenden Argumente verlieren deshalb an Bedeutung; der Inhalt der Schrift, mehr oder weniger als bekannt vorausgesetzt, wird mit Schweigen Ubergangen, und stattdessen wenden sich die Autoren ausschließlich formalen Aspekten zu. Nicht der Defensor an sich, sondern der hervorragende Stilist rückt somit in das Blickfeld der Kritik, die ihm ob seines 'gewitzten' , 'scharfsinnigen' und 'geistreichen' Umgangs mit der Sprache, der Reinheit des Ausdrucks sowie der Eleganz der Redewendungen in einem Maße Lob zuteilwerden läßt, daß sein Bild, bar jeder abfälligen Äußerung, wie sie früher gang und gäbe war, fast vollends ins Positive umgekehrt erscheint. Als vorbildlicher Sprachkünstler mochte Milton indessen allein für das lateinkundige Deutschland von Belang sein, während er in das Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit in dieser Gestalt nicht eindringen konnte, zumal die ihm geltenden Bemerkungen in dem deutschsprachigen Gelehrtenschrifttum allzu sporadisch waren und in den das nichtstudierte, mittelständische Publikum eher ansprechenden periodischen Journalen gänzlich fehlten. Aber selbst die Gebildeten (eruditi), deren Kreis im übrigen mehrmals ausdrücklich als der eigentliche'Träger der Miltonrezeption bezeichnet wird, zeigten wenig Bereitschaft, sich für die stilistischen 'Köstlichkeiten' des Engländers zu engagieren, als sie mit einer für sie bestimmten Ausgabe von Mil-

Resümee

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tons Staatsbriefen konfrontiert wurden, und der solcherart in die Wege geleitete Versuch, dem publizistischen Werk mittels Editionen in unserem Lande eine breitere Basis zu verschaffen, mußte aus Mangel an Resonanz wieder eingestellt werden, so daß die Diskussion um den Schriftsteller John Milton letztlich erneut auf gelehrte Anmerkungen in der Sekundärliteratur beschränkt blieb, mit allen Konsequenzen, die sich aus der dort zumeist wenig günstigen Plazierung dieser Hinweise für eine mögliche Unterrichtung des Lesepublikums ergaben. Von größerer Tragweite noch als die das Bild des Publizisten vervollständigenden Aspekte sollte für den Fortgang der Miltonrezeption eine andere Tatsache sein: die 'Entdeckung' des Dichters. Der Anstoß dazu konnte freilich nur von außen erfolgen, denn die aus Miltons Frühperiode stammenden "Poemata" waren nicht nach Deutschland gelangt, und Ausgaben des "Paradise Lost" wurden vom hiesigen Buchhandel ebenfalls nicht angeboten, was jedoch eher auf sprachliche als auf ideologische Gründe zurückzuführen war. Somit hatten allein die Englandreisenden die Möglichkeit, direkten Zugang zu dem poetischen Werk zu erlangen, das sich im englischsprachigen Raum bereits steigender Wertschätzung erfreute, und in der Tat kam ausschließlich ihnen das Verdienst zu, erste Nachrichten über den Dichter verbreitet zu haben, während ein in London ansässiger Deutscher überdies zum Initiator aller frühen Verdeutschungen des "Paradise Lost" wurde, von denen eine bald vollendet und der Öffentlichkeit im Druck vorgelegt worden war. Wegen seiner schwerfälligen, 'unangenehmen' Art sowie des Umstandes, daß es in kleiner Auflage im Selbstverlag des Übersetzers erschien, war dieses Werk jedoch nicht geeignet, Miltons Epos in Deutschland bekannt werden zu lassen: das Publikum konnte (bzw. wollte) keinerlei Notiz davon nehmen, und der Übersetzer mußte daraufhin von dem Plan Abstand nehmen, weitere Miltonausgaben folgen zu lassen, so daß nach diesem Mißerfolg, zu dem das Scheitern der den Publizisten betreffenden Editionsvorhaben in genauer Parallelität steht, die Aufnahme des poetischen Werkes

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fortan ebenfalls einzig auf gelegentlichen Kommentaren in 1) dem einschlägigen Schrifttum der Zeit gründete. Anfangs war das Hauptaugenmerk der Kritik ganz auf Miltons lateinische "Poemata" gerichtet. Ihnen, und nicht dem wegen seiner reimlosen Verse vielfach getadelten Epos,wurde der meiste Beifall zuteil, während die Alterswerke nur am Rande Erwähnung fanden. Zwar wurde keine Gelegenheit ausgelassen, den aktuellen Bezug zu betonen, der das "Paradise Lost" zu einer politischen Parabel zu machen schien; doch dauerte es lange, ehe andererseits ein Hinweis auf seine religiöse Themenstellung erfolgte, und das, obwohl viele der Autoren, die sich mit dem Engländer befaßten, Theologen waren. Erst gegen Ende der vorliegenden Periode wurde den Altersdichtungen eine - geradezu enthusiastische - Würdigung zuteil, die hingegen, wie noch immer die Mehrzahl der Zeugnisse, in lateinischer Sprache gehalten war und somit einmal mehr bewies, welch geringe Chance damals das weniger gelehrte Publikum hatte, das von den Gelehrten geformte Miltonbild in Erfahrung zu bringen. Trotz aller neuen Aspekte, die durch die aufkommenden Bemühungen um den Dichter und die Reminiszenzen an den lateinischen Stilisten eröffnet wurden, blieb das Bild des Engländers weiterhin unbefriedigend. Vieles daran war all1) Auch die von William Hog besorgte Übersetzung der Altersdichtungen ins Lateinische ("Paraphrasis Poetica in Tria Johannis Miltoni ... Poemata") hat, entgegen Magons Annahme (Die drei ersten deutschen Versuche, S.48) keinen Einfluß auf die damalige Miltonrezeption in Deutschland auszuüben vermocht, da die 1690 in London erschienene Ausgabe wiederum nicht auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig gehandelt wurde und selbst heute lediglich zweimal in deutschen Bibliotheken nachweisbar ist: Das eine Exemplar, aus der Sammlung des letzten Rektors der mittelalterlichen Universität Köln, Ferdinand Franz Wallraf (17481824), besitzt die dortige Universitäts- und Stadtbibliothek (Sign. WA VI 506); das andere, dessen Herkunft, wiewohl sie ebenfalls jüngeren Datums ist, nicht mehr festgestellt werden kann, die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (Sign. A/6584). 2) Vgl. hierzu: Herbert Schöffler: Protestantismus und Literatur. Neue Wege zur englischen Literatur des achtzehnten Jahrhunderts. - Leipzig: Tauchnitz 1922. S.72 ff. (= Engl. Bibliothek, hrsg. v. Max Förster. Bd 2).

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zu flüchtig gezeichnet; Ungenauigkeiten stellten sich ein, bedingt durch den wenig gesicherten Informationsstand,und die Einzelheiten wurden dem Leser auch meist so verstreut dargeboten, daß sie kleinsten Mosaiksteinchen glichen,die sich nur zögernd zu einem vollständigen Ganzen fügen lassen wollten. Eine umfassende, Leben und Werk des Engländers gleichermaßen umgreifende Gesamtdarstellung, wie sie dem englischsprachigen Publikum zu jener Zeit bereits von drei verschiedenen Biographen vorgelegt worden w a r , ^ hätte zweifelsohne klärend wirken können. Vor der Jahrhundertwende wurde jedoch keine dieser Lebensbeschreibungen in Deutschland bekannt: alles, was wir an Anspieltingen darauf im zeitgenössischen Schrifttum zu finden vermochten, ist ein im September 1699 in der Hamburger Zeitschrift "Histo4·) rische Remarques Der Neuesten Sachen In Europa" abgedruckter Hinweis, der - ganz im Vorübergehen nur - auf das von dem Engländer "Mr. T." geschriebene "Leben Miltons" Bezug nimmt und seiner Beiläufigkeit halber kaum Erwähnung verdiente, gäbe er nicht zugleich ein interessantes Bindeglied zu den bio-bibliographischen Ansätzen des achtzehnten Jahrhunderts ab, die uns im folgenden Kapitel beschäftigen sollen.

3) Vgl. Darbishire, The early Lives of Milton. 4) Historische Remarques Der Neuesten Sachen In Europa Des M.D.C.IC. Jahres. Wie solche nicht allein mit allen Fleiß zusammen getragen / sondern auch aus der Geographie, Genealogie, Historie etc. erläutert / und dabey jederzeit / die so wohl in Franckreich / Engelland / Italien / Holland als Deutschland / in Druck gekommene Bücher angeführet worden. - Hamburg / in Verlegung Joachim Reumanns. S.288. (Exemplar der Staatsbibliothek Marburg, Sign. Qe

1786).

Z w e i t e r

T e i l : D i e P e r i o d e D u r c h b r u c h s

d e s

3.0. MILTON IM ERSTEN DRITTEL DES ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS - DAS RINGEN UM ANERKENNUNG BIS ZUR GENESE DES DICHTERISCHEN RUHMS (1700 - 1732) 3 . 1 . A l l m ä h l i c h e K o n s o l i d i e r u n g d e s M i l t o n b i l d e s (1700 - 1731) Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts setzt in Deutschland ein neuer Abschnitt der Miltonrezeption ein, der Jene Entwicklung anbahnt, die schließlich eine entschiedene Hinwendung zu dem poetischen Schaffen des Engländers herbeiführen sollte. Gleichzeitig nimmt die Zahl der sich mit Milton auseinandersetzenden Autoren in beträchtlichem Maße zu, was nicht zuletzt auf die Tatsache zurückzuführen ist, daß ein Großteil der Werke, die uns im ersten Teil unserer Untersuchung begegnet sind, inzwischen den Charakter vielbenutzter Handbücher angenommen hat. Während der Blick in die Sekundärliteratur auf der einen Seite somit eine größere Breitenwirkung aller auf den Publizisten wie den Dichter bezüglichen Nachrichten erkennen läßt, von der selbst solche Mitteilungen erfaßt werden, die in ihrer Beiläufigkeit fast unscheinbar, ja bedeutungslos gewirkt hatten, tritt auf der anderen Seite zudem das Bemühen hervor, an Stelle der bisher vermittelten schemenhaften Eindrücke ein vertieftes und um alle wesentlichen Aspekte ergänztes Miltonbild zu präsentieren, indem die Lebensumstände wie die Gesamtheit der Werke in die Darstellung mit einbezogen werden. Waren es zuvor in der Hauptsache allein Universitätsgelehrte, Juristen, Theologen und Philosophen, die sich mit John Milton befaßten, so treten als neuer Personenkreis nun auch die Dichter in den Vordergrund, um auf ihre Weise Stellung zu nehmen einem Mann gegenüber, der zwar ihrem Stand angehörte, weitaus bekannter jedoch als

Bio-bibliographische Ansätze

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politischer Tagesschriftsteller geworden war. Der Versuch, ihre Äußerungen zu sichten, offenbart indessen das gleiche Dilemma, das für die Miltonrezeption jener Jahre überhaupt von entscheidender Bedeutung ist: die Tatsache nämlich,daß es angesichts der noch immer andauernden Vormachtstellung des Publizisten schwerfallen will, die poetischen Schöpfungen des Engländers vorbehaltlos anzuerkennen, und es von daher einen langen Kampf auszufechten gilt, ehe dem Dichter die ihm gebührende Beachtung allerseits zuteil werden kann. Ausdruck dieses wechselseitigen Ringens um den Vorrang, das seit der Jahrhundertwende deutlich in Gang kommt und erst Anfang der dreißiger Jahre seinen endgültigen Abschluß findet, ist die verworrene Situation, wie sie aus dem Neben- und Durcheinander der uns vorliegenden Zeugnisse erhellt. Um dennoch ein gewisses Maß an Übersichtlichkeit zu wahren, greifen wir einzelne Komplexe der damaligen Entwicklung gesondert heraus, die jeder für sich wie auch insgesamt zu einer Konsolidierung des Miltonbildes beigetragen haben, und beginnen als erstes mit den biobibliographischen Ansätzen der Zeit. 3.1.1.

Ansätze einer umfassenden bio-bibliographischen Darstellung

Die erste Lebensbeschreibung des Engländers, die im August des Jahres 1700 publiziert wird, wendet sich, wie nicht anders zu erwarten, wiederum allein an den Kreis der Gelehrten, der uns im Rahmen der frühen Miltonrezeption schon so oft begegnet ist. In lateinischer Sprache geschrieben und in den "Acta Eruditorum" abgedruckt, liegt sie in Form einer ausführlichen, acht Quartseiten einnehmenden Rezension vor, die auf dem 1699 bei John Darby in London erschienenen "Life of John Milton" basiert, das 1) von John Toland ' verfaßt worden war. Um ein Haar wäre diese Biographie von den Leipzigern jedoch mit Schweigen übergangen worden, da Toland im Urteil der Zeitgenossen 1) 1670 - 1722, vgl. Zedier.

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Der Kampf um Anerkennung

"ein wegen seiner Atheistischen Meynungen sehr beruffener o) Scribent" ' war, der sich 1695 bereits in das Kreuzfeuer der Kritik begeben hatte, als er seine Schrift "Christianity not mysterious"veröffentlichte, die später zum Grundwerk des Deismus werden sollte. Überdies galt er als ein Mann, der "den Socinianern nicht weniger zugetan war als den Monarchomachen" (Socinianis non minus, quam Monarchomachis addictum), und die Herausgeber der Zeitschrift standen deshalb lange vor der Frage,ob sie seinen Ausführungen in allen Punkten überhaupt Glauben schenken dürften. Gleichwohl kamen sie letzten Endes zu der Einsicht, daß es vorab ihre Aufgabe war, Bücher zu rezensieren,nicht aber über den Charakter eines Autors zu befinden, und so entschlossen sie sich, das Werk dennoch in ihrem Journal anzuzeigen, zumal alles dafür sprach, daß der Biograph sich streng an die überlieferten Tatsachen gehalten hatte, ohne den Versuch zu machen, seinen Gegenstand glorifizieren zu wollen. Einer einführenden Bemerkung zu Milton bedurfte es inzwischen nicht mehr: spätestens seit der vier Jahre zuvor erfolgten Besprechung seiner Altersdichtungen, an die jetzt ausdrücklich erinnert wird, konnten sich die Leser der "Acta" ein Bild von ihm machen, so daß Tolands Biographie, die schon in die 1698 edierte dreibändige "Complete Collection of the Historical, Political and Miscellaneous Works of John Milton" Eingang gefunden hatte, Anlaß genug bot, die Aufmerksamkeit erneut auf ihn zu lenken. Allerdings waren bis dahin weder Exemplare jener Ausgabe "zu uns gelangt" (ad nos advecta), noch hatte der Rezensent selbst eines zu Gesicht bekommen, denn sonst hätte er schwerlich behauptet, daß "sämtliche Werke" (cuncta opera) des Engländers darin enthalten seien. Gerade wegen dieser mangelnden Gelegenheit, sich mit Miltons Publikationen vertraut zu machen, lag es im Interesse der Sache, endlich einmal nähere Einzelheiten über sein 2) Zedier, Bd 44, Sp.1089, s.v. 'Toland'. 3) Acta Eruditorum Anno MDCC publicata, S.372; ff. Zitate ebd.

Miltons Biographie

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Werk wie über sein Leben zu verbreiten, und dementsprechend weitläufig war die Rezension aüch angelegt. Gingen wir bei ihrer Beurteilung allein vom heutigen Wissensstand aus, dann böte sie uns freilich nichts, was nicht schon anderweitig in Biographien vermerkt worden ist; aus der Sicht des damaligen Publikums hingegen stellte das in ihr zusammengetragene Material unbestreitbar ein Novum dar und war geeignet, jene entscheidende Informationslücke zu schließen, die bis dahin jedem Versuch einer ganzheitlichen Betrachtungsweise John Miltons entgegengestanden hatte, so daß wir es hier, als zusammenhängenden Bericht formuliert und auf das Wesentlichste reduziert, so wiedergeben wollen, wie es von den zeitgenössischen Lesern der "Acta" in Erfahrung gebracht werden konnte: John Milton, ein Mann "von vornehmer Abkunft" (stirpe nobili), wurde 1 6 0 6 ^ in London geboren. Sein gleichnamiger Vater, ein "hervorragender Musiker" (musico excellente), übte den Beruf eines Notariats-Schreibers (scriba) aus, da die Eltern ihn enterbt hatten, nachdem er zum Protestantismus konvertiert war. Seine Mutter war eine geborene Caston.^ Er hatte zwei Geschwister: eine Schwester, Anne, die den Edward Phillips heiratete, sowie einen Bruder, Christoph, der Jurist wurde, aber nur geringe Fähigkeiten besaß und ihm überhaupt "sehr unähnlich" (dissimillimum) war. Von Kindheit an erwies er sich als so "überaus lernbegierig" (dicendi cupidissimus), daß er nach seinem zwölften Lebensjahr "selten vor Mitternacht schlafen ging" (ante mediam noctem raro cubitum iverit). Dadurch beeinträch4) Dieses falsche Geburtsdatum, das im übrigen noch lange in der Sekundärliteratur weiterleben sollte, konnte der Rezensent als solches natürlich nicht erkennen, da es sich bereits bei Toland fand, der es wiederum aus dem 1694 von Edward Phillips publizierten "Life of Mr. John Milton" übernommen hatte; vgl. Darbishire, The Early Lives, S.50 und S.85. 5) So jedenfalls hatte Toland behauptet, während in Wahrheit ihr Mädchenname Jeffrey lautete, was jedoch erst 1868 endgültig bewiesen werden konnte; vgl. Parker, Milton, A Biography, S.693ff.

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Der Kampf um Anerkennung

tigte er jedoch seine Gesundheit und wurde deshalb später, je mehr er heranwuchs, häufig von Kopfschmerzen geplagt, wie er zuletzt auch seine "Sehkraft" (oculorum aciem) gänzlich einbüßen sollte. Als er fünfzehn war, erbrachte er "die ersten Beweise seiner dichterischen Begabung" (prima poetici genii d o c u m e n t a ) , ^

indem er, zunächst v o n

den Psalmen ausgehend, einige davon "zu Gedichten umformte" (carmine transposuit). Im gleichen Jahr wurde er nach Cambridge geschickt, dessen Universität ihm nach einem siebenjährigen Studium die Magisterwürde zuerkannte. D a nach verbrachte er eine längere Zeit "auf dem Lande"

(ru-

ri), las "bei Tag und Nacht" (diurna nocturnaque) die antiken Schriftsteller, nur gelegentlich v o n Ausflügen nach London unterbrochen, die er zum Bücherkauf, mehr aber noch zur Fortbildung in der Musik und in der Mathematik nutzte, zumal er an beiden Wissenschaften "in außerordentlicher Weise" (mira) interessiert war, und trat endlich eine große Bildungsreise an, die ihn über Frankreich nach Italien führte. Auf dem W e g dorthin lernte er in Paris den "hochberühmten" (celeberrimo) Grotius kennen, der zu jener Zeit G e sandter der schwedischen Königin war. Desgleichen wurde ihm in Florenz, das ihn vor allem durch die "Eleganz der Sprache" (linguae elegantia) einnahm, die Freundschaft vieler Gelehrter zuteil, so daß sie ihn oft in ihre G e sellschaften einluden, "die sie Akademien nennen"

(quas

Academias vocant). In Rom fand er Gelegenheit, mit dem Kardinal Barberini bekannt zu werden; doch am meisten befreundet w a r er mit den beiden Dichtern Salsilli und Selvaggi, von denen ihm der eine die folgenden Verse widmete: Cede, Meies, cedat depressa Mincius urna, Sebetus Tassum desinat usque loqui: A t Thamesis victor cunctis ferat altior undas, Nam p e r te, Milto, par tribus unus erit; 7) 6) Acta Eruditorum, August 1700, S.373; ff.Zitate ebd. 7) Weiche, Meies, es weiche der Mincio mit gesenktem Krug, Sebetus lasse davon ab, immer von Tasso zu reden: Aber die Themse als Siegerin trage die W o g e n höher als alle,

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Miltons Biographie während der andere, nicht weniger ehrend, dichtete: Graecia Maeonidem, jactet sibi R o m a Maronem: Anglia Miltonum jactat utrique parem. 8)

In Neapel schließlich gewann er die Zuneigung "des erhabensten Mäzenaten" (summi Maecenatis) Giovanni Battista M a n so, v o n dem er dieses Distichon erhielt: U t mens, forma, decor, facies, mos; si pietas sie, N o n Anglus, verum hercle Angelus ipse fores; 9) und für das zum Dank er "eine sehr feine Elegie"

(tersis-

simam elegiam) schrieb, der er die Überschrift "Mansus" gab. Darauf trat er die Rückreise an, nicht ohne jedoch einen Abstecher nach Genf zu machen, wo er ein "sehr familiäres Verhältnis" (intimam familiaritatem) m i t Giovanni Diodati, Professor für Theologie, anbahnte, dessen "allzu frühen Tod" (immaturum fatum) er in der Ekloge 10) "Damon" beklagte, ' die, dem Urteil des Biographen zufolge, der Ekloge "Daphnis" 11} des Vergil "am wenigsten nachsteht" (minime cedit). ' In London wieder angekommen, widmete er sich der E r ziehung seiner Neffen u n d vermittelte ihnen, nachdem auch denn durch dich, Milton, w i r d sie den dreien als einzige gleich sein. 8) Griechenland rühme sich des Maeoniden,Rom des Maro: England rühmt sich des Milton, beiden gleich. 9) Wie Gesinnung, so Schönheit, Anmut, Gestalt, Gesittung; w e n n die Frömmigkeit so, w ä r s t du nicht Engländer, sondern fürwahr ein Engel selbst. 10) Hier ist dem Rezensenten ein Irrtum unterlaufen, der nicht gerade für seine gründliche Lektüre der Biographie spricht, da er, bedingt durch die Ähnlichkeit zweier Namen, die dazugehörigen Nachrichten völlig miteinander vermischt. Toland (vgl. Darbishire, The Early Lives, S. 95f.) hatte aber nicht allein über den Genfer Theologieprofessor Giovanni Diodati gehandelt, der von 1576 bis 1649 lebte, sondern auch die Rede auf dessen Neffen Carolo Diodati (1609 bis 1638) gebracht, den M i l t o n von den Cambridger Studienjahren her gut kannte. Ihm, dem Freund, gilt folglich das "Epitaphium Damonis", nicht aber dem O n kel, den Milton hauptsächlich deshalb aufgesucht haben dürfte, u m Näheres über den Tod des Freundes in Erfahrung bringen zu können, der ihm in Italien gemeldet worden war. 11) Acta Eruditorum, August 1700, S.374; ff. Zitate ebd.

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die Söhne von Freunden hinzugezogen worden waren, eine umfassende Bildung, die über das, was "die Engländer in den Schulen zu erläutern pflegen" (in scholis explicare consueverunt Angli), weit hinausging. Gleichzeitig mischte er sich "aus eigenem Antrieb" (sponte) in die Streitigkeiten um die Bischöfe ein, die damals "die Gemüter vieler auf sich gezogen hatten" (multorum in se animos concitaverant), bekannte sich als "Vorkämpfer der englischen Freiheit" (libertatis Anglicae propugnatorem) und gab im Jahre 1641 auf englisch die ersten Bücher "de Reformatione" heraus. Als später Ussher, der Erzbischof von Armagh, einige Geistliche angriff, weil sie in einem Buch die Bischofswürde in Frage gestellt hatten, antwortete Milton ihm in einem in der Volkssprache abgefaßten Traktat "de Praesulatu Episcoporum". Kurz darauf ließ er eine weitere Schrift gegen Ussher folgen, "fast des gleichen Inhalts" (ejusdem ferme argumenti). Außerdem widerlegte er ein Werk des Bischofs Joseph Hall, zu dem er englischsprachige "Animadversiones" schrieb, die von jenem aber als "possenreißerisch" (scurriles) zurückgewiesen wurden. Da Hall überdies seine Zuflucht zu persönlichen Verunglimpfungen nahm, gab Milton in einer "Apologia" nicht allein seinem "Haß" (odium) auf die Bischöfe, Diakone und Kaplane offen Ausdruck, sondern wusch sich auch von allen gegen ihn "vorgebrachten Beschuldigungen" (objecta crimina) rein, indem er bewies, "daß die Liebe, für die in seinen Gedichten verstreut Beweise vorlägen, ehrenhaft und nicht schlüpfrig gewesen sei" (amorem, cujus in poematibus suis passim testimonia exstent, honestum, non lascivum fuisse). 1643 heiratete er Maria, Tochter des Friedensrichters Richard Powell, die bald nach der Hochzeit mit seiner Billigving wegging, ohne jedoch zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzukehren, entweder weil ihr das "philosophische Leben" (philosophica vita) ihres Mannes nicht gefiel, da sie lebhaften Verkehr um sich zu haben gewohnt war, oder weil sie in Anbetracht der königstreuen Gesinnung ihrer ganzen Verwandtschaft seine "Neigung zur Demokratie" (ad democratiam

Miltons Biographie

1Cl 5

·

propensionem) nicht ertragen konnte. Uber dieses Verhalten "erbittert" (exacerbatus), 12 ^ beschloß Milton, "sie nicht mehr in das eheliche Gemach aufzunehmen" (nunquam illam in thorum recipere), und bot daher dem gerade Uber Reformen beratenden Parlament ein im Jahre 1644 in englischer Sprache geschriebenes Buch "doctrinam et disciplinam divortii" an, in dem er zu erweisen suchte, daß "eine eigensinnige und entgegengesetzte Gemütsart ein weit prägnanterer Scheidungsgrund sei als Ehebruch oder Unfruchtbarkeit" (ingenium difficile et contrarium praegnantiorem longe divortii causam esse adulterio vel impotentia natural!) . Um aber nicht in den Verdacht zu kommen, eine "neue Lehre" (novam doctrinam) verkündet zu haben, stellte er in seiner nächsten Publikation ausdrücklich fest, daß "die Ansicht des Martin Bucer über die Scheidung mit der seinen übereinstimme" (Martini Buceri sententiam de divortio cum sua consentire). Dennoch ließen die Angriffe der Theologen nicht nach, so daß sich die Herausgabe von zwei weiteren Streitschriften als notwendig erwies: "Tetrachordon" , der Versuch einer Interpretation der vier wichtigsten Bibelworte zum Problem der Ehescheidung, sowie "Colasterion", ein Traktat, in dem Milton noch einmal seine Meinung "gegen einen allzu wenig besonnenen Gegner in heftigster Weise verteidigte" (contra adversarium parum moderatum acerrime defendit). Außerdem schrieb er damals ein englisches Büchlein "de educatione", da er überzeugt war, nur mit Hilfe der Erziehung könne "für die Freiheit und Lenkung der Republik" (libertati et gubernationi Reipublicae) Vorsorge getroffen werden, während er in einer anderen Schrift, "Areopagitica, seu Oratio ad Parlamentum pro licentia imprimendi libros sine censura", gleichzeitig den Beweis zu erbringen suchte, daß die Aufhebung der Zensur in keiner Weise "mit der Ordnung im Staate" (cum ordine in Republica) widerstreitet. Schon stand er im Begriff, eine neue Ehe eingehen zu wollen, da kehrte seine Gattin plötzlich zurück, und um 12) Acta Eruditorum, August 1700, S.375; ff.Zitate ebd.

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ihrer "tränenreichen Bitten" (lacrymis roganti) willen nahm er nicht nur sie, die ihm binnen eines Jahres eine Tochter gebar, wieder in sein Haus auf, sondern auch ihre ganze Familie, deren Stern mit dem des Königs zu sinken begonnen hatte. Als aber nach der Enthauptung Carls I. allenthalben Stimmen laut wurden, die für die Unverletzlichkeit des Königs eintraten, verteidigte Milton in der 1649 publizierten Abhandlung "Tenure of Kings and Magistrats" die Auffassung, daß Tyrannen jederzeit zur Rechenschaft gefordert oder gar zum Tode verurteilt werden könnten, wenn sie eines Verbrechens überführt worden seien. Auf dieses Werk hin, mit dem er sich "um das Parlament am meisten verdient machte" (de Parlamento optime meri1 tus), ' wurde er zum Sekretär für auswärtige Angelegenheiten ernannt, dessen vornehmste Aufgabe darin bestand, die lateinische Korrespondenz des Staatsrates zu führen. Die Briefe, die er im Namen des englischen Senats schrieb, Sind "wahrlich elegant und scharfsinnig" (elegantes profecto et acutae), so daß sie nach seinem Tode gesammelt herausgegeben wurden, darunter auch in einer für die deutsche Leserschaft bestimmten Ausgabe, die in Leipzig verlegt worden ist. Mit "Eiconoclastes", einer in englischer Sprache abgefaßten Schrift, kam er überdies der Aufforderung nach, ein dem toten König zugeschriebenes Buch, "Eicon Basilike" genannt, von Amts wegen zu prüfen, "damit nicht das Volk in alle anderen Richtungen gezogen würde" (ne populus in alia omnia traheretur), und es gelang ihm rasch, das 'Königliche Bild 1 als einen "Foetus" (foetus) zu entlarven, der dem verblichenen Monarchen "untergeschoben" (suppositus) worden war. Unmittelbar im Anschluß daran begann die Zeit, da er eine Reihe von Schriften gegen Salmasius publizierte, "zwar für eine schlechte Sache, doch sehr elegant" (pro mala quidem causa, sed elegantissima) . Salmasius hatte 1649, von dem verbannten Carl II. "für Geld gedungen" (aere conductus), eine "Defensio Re13) Acta Eruditorum, Aug.1700, S.376; ff.Zitate ebd. 14) Ebda. S.377; ff. Zitate ebd.

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gia" veröffentlicht. Daraufhin erhielt Milton vom Parlament den Auftrag, eine Erwiderung "mit so viel Fleiß als möglich" (quanto posset studio) zu verfassen, und gab wenig später die "Defensio pro Populo Anglicano" heraus, in gepflegtem Stil geschrieben, "aber in einem etwas heftigeren als es recht war" (sed acerbiori paulo, quam fas erat). Die Engländer nahmen sie gleichwohl mit viel Beifall auf; sie zahlten dem Autor "eine Belohnung" (praemium) von 1000 Pfund Sterling, und das Werk wurde so oft nachgedruckt, daß Zitate "bei den so wenig übereinstimmenden Seitenzahlen der Ausgaben" (paginis editionum adeo discrepantibus) für den Leser kaum bequem angegeben werden können. Während Salmasius allmählich der Verachtung anheimfiel und starb, ehe er eine begonnene "Apologia" abzuschließen vermochte, wurde dem Sekretär des englischen Staatsrates von Seiten der "Gesandten" (legatorum), besonders "der deutschen und der französischen" (Germanorum et Gallorum), hohes Lob zuteil, obwohl die "Defensio" in Paris und Toulouse dem Feuer übergeben worden war, allerdings "nicht so sehr auf Befehl des Parlamentes als vielmehr auf Betreiben des Klerus" (non tarn Parlament! jussu, quam instigatlone Cleri). Wie erhofft, fand Milton in der Folgezeit einige Muße und heiratete 1652 seine zweite Frau, die aber "kurz nach der Hochzeit" (paulo post nuptias) verstarb. Im gleichen Jahr begann er die Arbeit an der "Defensio secunda", die seine Antwort auf das im Ausland erschienene Buch "Clamor Regii Sanguinis ad Coelum" darstellte, als dessen Autor er statt Petrus Molinaeus irrtümlicherweise den französischen Prediger Alexander Morus ansah. Mehr als einmal ließ 15") er ihn seinen "satirischen Witz" (sale satyrico) •}> spüren und begegnete dem "Vorwurf der Blindheit" (objectum coecitatis) mit dem Argument, er habe "durch Schreiben für die Freiheit nicht gefehlt" (haud peccasse se pro libertate scribendo), sondern sich die Augenkrankheit schon vorher durch "beständige Nachtarbeit" (continua lucubratione) zu15) Acta Eruditorum, August 1700, S.378; ff. Zitate ebd.

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D e r K a m p f um Anerkennung

gezogen. Als Morus daraufhin ein neues Buch verfaßte, das den Titel "Fidei Publicae" trug, übergab M i l t o n dem D r u k ker eine "Defensio pro se", die den Gegner endlich zum Schweigen brachte. Anschließend kehrte er "für ein Weilchen"

(paulisper)

zu früher begonnenen Arbeiten zurück: zur "Historia Magnae Britanniae", zum "Thesaurus linguae Latinae" und zu dem "heroischen Gedicht" (poema heroicum) "Paradisum Amissum", welches als einziges v o n diesen vollendet ans Licht kam. Daneben publizierte er zwei Abhandlungen in englischer Sprache, "de potestate civili in rebus ecclesiasticis" u n d "de modo submovendi conductitios ex ecclesia", ohne im übrigen jemals davon abzulassen, mit den W a f f e n des P u blizisten "gegen die Monarchie zu kämpfen und die Vorzüge der Demokratie zu verteidigen" (contra Monarchiam pugnare, et defendere Democratiae commoda). N a c h der Wiedereinsetzung der Stuarts w a r er deshalb gezwungen, sich "in Sicher heit" (in tutiora) zurückzuziehen, bis infolge einer allge meinen Amnestie auch er begnadigt wurde, wiewohl er v o n nun an keine "öffentlichen Ämter" (publicis officiis) mehr bekleiden durfte. Hierauf heiratete er zum dritten Mal,

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doch blieb die Ehe kinderlos. Zwei Töchter aus erster Ehe hatte er inzwischen so weit herangebildet, daß sie in frem den Sprachen zwar nur "sehr geringe" (minime) Kenntnisse besaßen, aber nichtsdestoweniger Texte daraus vorlesen konnten, was ihm bei seiner nachlassenden Sehkraft großen Nutzen brachte. W e n n er auch nicht zu jeder beliebigen Jahreszeit in der Lage w a r zu dichten, denn keine Zeit w a r ihm dafür "zuträglicher" (convenientius) als die zwischen der winterlichen und der sommerlichen Sonnenwende liegende so arbeitete er allen Schwierigkeiten zum Trotz dennoch das "Paradisum Amissum" aus, das erstmals 1666 '' erschien 16) Die dritte Tochter, die Toland wenigstens erwähnt hatte, w i r d hier gänzlich übergangen. Ebenso fehlt jeglicher Hinweis auf den Sohn aus erster Ehe, der noch im Säug lingsalter starb; vgl. Darbishire, The Early Lives, S.178. 17) Schon Toland (vgl. Darbishire, The Early Lives, S.180) hatte die Erstausgabe irrtümlicherweise in dieses J a h r vorverlegt.

1

Miltons Biographie

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und "mit Recht" (ex merito) sehr gelobt wurde. Vier Jahre später gab er das "Paradisum Reparatum" heraus, das gegenüber dem "Verlorenen Paradies" viel "minderwertiger" (inferiorem)

' ist, so daß m a n von daher

häufig das W o r t zitiert, "Milton werde im Wiedererlangten Paradies vergeblich gesucht" (Miltonum frustra quaeri in Paradiso Reparato). Zusammen mit diesem Epos legte er eine "Tragödie" (tragoediam) vor, "Samson Agonistes"

genannt,

und publizierte im gleichen J a h r außerdem die "Historia Magnae Britanniae", auf englisch, wie die meisten seiner Werke, jedoch nicht "über die Zeit der Normannen"

(ultra

Normannorum tempora) hinausreichend. E i n Sammelband der "Epistolarum familiarium", ergänzt um "Prolusiones quaedam Oratoriae", sowie seine letzte Schrift, der Traktat "de vera religione, haeresi, schismate, tolerantia et m o dis optimis, quibus praeveniri Papismo possit", wurden schließlich 1674 gedruckt,

' in jenem Jahr, da er an der

"Gicht" (podagra) starb, die ihn schon seit längerer Zeit heftig geplagt hatte. Kurz vor seinem Tod verkaufte er "den größten Teil" (partem maximam) seiner Bibliothek, allerdings nicht aus "Armut" (paupertatis), wie die 1500 Pfund Sterling beweisen, die er hinterlassen hat. Demnächst soll ihm noch ein "Denkmal" (monumentum) errichtet werden, damit jedermann erkennen möge, daß sein Andenken "auch unter dem mächtigsten König Wilhelm bei den Gebildeten in England in E h r e n gehalten wird"(etiam sub Potentissimo R e ge Wilhelmo eruditis in A n g l i a honorem haberi). Soweit der Bericht über Miltons Lebensgang, wie er als Auszug aus Tolands "Life" in den "Acta Eruditorum" vom August des.Jahres 1700 nachgezeichnet worden war. Aufgrund der ausführlichen Wiedergabe des Materials blieb dem ebd.

18) Acta Eruditorum, August 1700, S.379; ff. Zitate

19) "Of True Religion" erschien nicht 1674, sondern 1673. Toland hatte das auch angedeutet, ohne hingegen das genaue Publikationsdatum zu nennen, so daß der mit der M a terie nicht so vertraute Rezensent leicht in die Irre gehen konnte; vgl. Darbishire, The Early Lives, S.188. .

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Der Kampf um Anerkennung

Rezensenten freilich wenig Raum für kritische Anmerkungen. Doch lagen sie in Anbetracht des völligen Mangels an sonstigen Informationsquellen offenbar weder in seiner A b sicht noch in seinem Vermögen, da die meisten der in der Biographie zusammengetragenen Details auch ihm gänzlich n e u waren, so daß es sich zunächst nur darum handeln konnte, die wichtigsten Fakten Uber Leben und W e r k des Engländers unmittelbar in die Besprechung zu übernehmen. Gleichwohl folgte er der Vorlage nicht in jeder Hinsicht, sondern setzte vielmehr dort, wo es u m die Einschätzung v o n Miltons Person ging, bewußt eigene Akzente, die auf eine weitaus nüchternere Haltung schließen lassen als die u r sprünglichen Äußerungen des Biographen, der in dem ehemaligen Defensor einen Geistesverwandten gesehen hatte. W a r es somit in erster Linie Vorsicht gegenüber Tolands U r teil, die den Rezensenten einen distanzierten Standpunkt einnehmen ließ, so darf jedoch daneben auch keinesfalls der Einfluß jener Ressentiments übersehen werden, die das gelehrte Deutschland in bezug auf M i l t o n seit 1651

entwik-

kelt und bis zur Jahrhundertwende noch längst nicht abgebaut hatte. In welchem Maße zeitgenössische Urteile Uber den Engländer von seiner Verteidigung des Königsmordes abhängig gemacht wurden, haben w i r im Verlauf unserer Untersuchung bereits dargelegt; desgleichen, wie punktuell das W i s s e n um ihn in damaligen Gelehrtenkreisen war. Selbst der für die "Acta" schreibende Rezensent ist davon nicht ausgenommen, ^ ^

um so mehr als er sich ebenfalls diese v o n V o r -

behalten begleitete Sichtweise zu eigen macht, so daß w i r ihm den Vorwurf der Parteilichkeit nicht ersparen können: 21) V o n den "Lobpreisungen" (laudibus), " die in Tolands Biographie so häufig begegneten, hat er nicht eine übernommen. 20) W a s er an Vorwissen mitbrachte, läßt ein Vergleich mit Tolands Biographie sehr schnell erkennen: abgesehen von einigen Kenntnissen Uber Miltons Streit m i t Salmasius umfaßt es lediglich das, was ihm die Leipziger Ausgabe der Staatsbriefe sowie die Besprechung der Altersdichtung in den "Acta Eruditorum" vermittelt hatten. 21) Acta Eruditorum, August 1700, S.379; f.Zitat ebd.

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In gleicher Weise verfährt er mit der dort versuchten Charakteranalyse, deren positiven Gehalt er als Faktum zwar durchblicken läßt, um dann jedoch sofort kategorisch zu erklären, derartige Urteile "hier zu Uberliefern ist nicht unsere Sache" (hue transferre nostrum non est). Andererseits richtet er sein ganzes Augenmerk auf die "Fehler" (vitia)^"^ Miltons, notiert gewissenhaft, wo immer in der Biographie Einschränkungen erfolgt waren, und verweist vor allem auf "deutliche Zeichen von Unbeständigkeit" (inconstantiae signa luculenta),^^ die der Lebenslauf erkennen lasse. Am bedenklichsten aber erscheint ihm Miltons religiöse Haltung, auf die er abschließend noch ausführlich eingeht, da sie infolge des mehrmaligen Wechsels von einer Sekte zur anderen "wahrlich schwankend" (nempe varius) gewesen und bis zuletzt "unsicher" (incertum) geblieben sei, zumal Milton "im Alter gar keiner Kirche angehörte und nicht einmal mehr zum Gottesdienst ging" (senex vero nulli Ecclesiae nomen subscripsit, neque templa amplius frequentavit). Diese skeptischen Bemerkungen des Rezensenten runden das in den "Acta Eruditorum" entworfene Lebensbild ab. Obwohl es in vielen Fällen Unklarheiten aufwies und manchen Fehler enthielt, steht seine Bedeutung für die Miltonrezeption dennoch außer Frage. Auf Jahre hinaus trat ihm in Deutschland nichts Vergleichbares zur Seite, und als endlich weitere biographische Abrisse erschienen, war keiner darunter, dem es nicht als Quelle diente. Während der ersten Miltonbiographie somit durchaus Beachtung zuteil wurde, war ihr publizistische Breitenwirkung schon deshalb versagt, weil sie sich in einem Referatenorgan fand, dessen Lektüre allein den Gelehrten vorbehalten war. Den Namen des Engländers in immer weitere Kreise zu tragen, sollte daher erst den folgenden Kurzbiographien obliegen, und sie waren es auch, die Kenntnisse 22) Acta Eruditorum, August 1700, S.372. 23) Ebda. S.379; ff. Zitate ebd.

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Der Kampf um Anerkennung

Uber Milton zu einem Teil der Allgemeinbildung werden lassen konnten, da sie alle in Form von Lexikonartikeln vorgelegt wurden, die - v o n einer Ausnahme abgesehen - zudem in deutscher Sprache abgefaßt waren. Zweifelsohne trug der Bericht in den "Acta Eruditorum" dazu bei, Miltons Biographie in die Lexika des beginnenden achtzehnten Jahrhunderts aufzunehmen, wiewohl ebensowenig zweifelhaft ist, daß die in der Sekundärliteratur ständig fortschreitende Diskussion um den Engländer gleichfalls eine Rolle dabei spielte. Den eigentlichen Ausschlag gab jedoch ein drittes Moment, dessen Ursprünge in Holland lagen. Dort w a r kurz vor der Jahrhundertwende die erste A u f lage des von dem französischen Philosophen Pierre Bayle besorgten "Dictionaire Historique et Critique" gedruckt worden. In der Auseinandersetzung mit den zahlreichen Irrtümern des v o n Louis Moreri kompilierten "Grand Dictionaire Historique" (Lyon 1674) entstanden, hatte das aufklärerische Werk, das alle Phänomene des geistigen Lebens einer leidenschaftlichen Kritik unterzog, in seinem zweiten Band 2k) dem "fameux Apologiste" ' John Milton einen Eintrag gewidmet, der v o n der zweiten Auflage ab in Anlehnung an Tolands "Life" wesentlich erweitert w o r d e n war. D a Bayles "Dictionaire" sich als ungewöhnlich erfolgreich erwies, wurde in Deutschland bald eine Nachahmung in die Wege geleitet, die, nachdem die Franzosen zuerst vom Latein abgegangen waren, sich nun ebenfalls der Volkssprache bediente und in zwei starken Foliobänden 1709 von Thomas Fritsch in Leipzig un25) ' ver-

ter dem Titel "Allgemeines Historisches Lexicon"

legt wurde. Als Herausgeber zeichnete der Jenaer Professor für Theologie Johann Franz B u d d e u s . 2 ^ E r w a r von dem ehrgeizigen Bestreben erfüllt, ein Nachschlagewerk zu schaf24) Pierre Bayle (Hrsg.): Dictionaire Historique et Critique. Tome Second Premiere Partie. Η - 0. - Α Rotterdam Chez Reiner Leers, Μ DCXC VII. S.587. 25) Johann Franz Buddeus (Hrsg.): Allgemeines Historisches Lexicon, [...]. - Leipzig / verlegts Thomas Fritsch / 1709. (Exemplar der U B Marburg, Sign. Vila A 7). 26) 1667 - 1729, vgl. ADB.

Miltons Biographie

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fen, das die Stichwörte

"ener "andern biß anhero gedruck-

ten Lexicis historicis"

vereinigte, u n d in Verfolgung

dieses Zieles verfaßte er auch einen Artikel Uber J o h n M i l ton, dem neben Bayle und Toland die "Acta Eruditorum" als "allegata" beigegeben waren. W e l c h e r Rang dem Engländer damals zugemessen wurde, ist bereits aus dem Umfang der vorliegenden Kurzbiographie ersichtlich, die sich über zwei Spalten mit insgesamt 190 Zeilen erstreckt. Verglichen m i t der Länge der meisten anderen Artikel in Buddeus' enzyklopädischem Lexikon ist das viel, u n d doch ergäbe diese Tatsache für sich allein genommen noch ein schiefes Bild, käme nicht die Definition des Lexikographen hinzu, der zufolge M i l t o n "ein gelehrter mann in Engeland" war, "der insonderheit sich bekannt ge281 machet durch die vertheidigung des könig-mordes". Mith i n gilt selbst hier die eigentliche Aufmerksamkeit dem Defensor, und zwar in einem solchen Maße, daß die folgende Vita, obwohl sie sich in ihren Grundzllgen eng an die Leipziger Rezension anschließt, nichts anderes ist als eine Biographie des Publizisten, zumal für die Darstellung des Dichters ganze sieben (!) Zeilen erübrigt werden. Uber den ersten Teil des Lebensberichtes, der bis zur Veröffentlichung der kirchlichen Kampfschriften Anfang der vierziger Jahre reicht, können wir rasch hinweggehen. E r ist lediglich eine Kurzfassung der entsprechenden Partien in den "Acta Eruditorum", weist die gleichen Fehler auf, die w i r dort schon anzumerken hatten - so z.B. das falsche Geburtsdatum'^

- , und ist einzig insofern bemerkenswert,

als er Miltons anfänglichen Erfahrungen in der Ehe einschließlich des daraus resultierenden Buches "von der ehescheidung" einen verhältnismäßig breiten Raum gewährt, was indessen nicht allein der persönlichen Neigung des Biogra27) Buddeus, Allg. Hist. Lexicon, Vorrede Bl. 3v. 28) Buddeus, Allg. Hist. Lexicon, S.531, s.v. 'Milton 1 . 29) Bei etwas weniger Nachlässigkeit von Seiten des Lexikographen hätte es ohne weiteres richtiggestellt w e r den können, zumal er am Schluß der Biographie ausdrücklich sagt, Milton sei 1674 gestorben, "da er sein leben auf 66 jähr gebracht hatte".

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Der Kampf um Anerkennung

phen entspringt, sondern zugleich Indiz dafür ist, daß die "Doctrine and Discipline of Divorce", deren Argumentation erst zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts in Deutschland richtig bekannt wurde, sich den Zeitgenossen von daher noch einmal als besonders brisant erwies, wie auch der Blick in die übrige Sekundärliteratur erkennen läßt.30> Wenn es eine Funktion gab, die Milton in jenen Jahren zugeschrieben wurde, dann war es die des "vertheidigers 31) der freyheit". ' Ihr gelten die nächsten Ausführungen des Lexikographen, die unmittelbar an die Diskussion der Ehescheidungstraktate anschließen und Miltons diesbezügliche Bestrebungen in dreifacher Weise untergliedern: Erstens habe er die "kirchen-freyheit" proklamiert und gefordert, "daß man sich von dem joch derer bischöffe und geistlichen solte frey machen"; zweitens sei er für die "bürgerliche freyheit" eingetreten, wie sie seiner Meinung nach auch die Mitglieder des Parlamentes behaupteten, indem sie sich "dem Carolo I widersetzeten"; drittens habe er für die "hauß-freyheit" gekämpft, als deren Säulen er "die ehe / die aufferziehung derer kinder / und die freyheit ohne furcht zu philosophiren" angesehen habe. In bezug auf die Ehe habe er dabei den Standpunkt verfochten, "es möchte den Engeländern wenig helffen / daß sie ihre bürgerliche freyheit wider die könige behaupteten / wenn dabey ein ieder mann zu hause der sclave seines weibes seyn müste"; hinsichtlich der Kindererziehung sei es sein Ziel gewesen, mit deren Hilfe "die freyheit der kirche und des staats" zu fördern, während er schließlich die "freyheit zu philosophiren" davon abhängig gemacht habe, daß jegliche Bestimmung aufgehoben würde, die es einem Schriftsteller verwehrte, "ohne censur etwas drucken zu lassen". So gesucht diese den Defensor gleichsam in essentia vorstellende Passage in ihrer Schematisierung wirkt, so 30) Vgl. Kapitel 3.1.2. dieser Arbeit. 31) Buddeus, Allg. Hist. Lexicon, S.531; ff. Zitate ebd.

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geschlossen ist sie doch, was letztlich daher rührt, daß sie gänzlich aus Bayles "Dictionaire" übernommen und in die Zusammenfassung der Leipziger Rezension einfach eingeschoben worden ist. Nur hat sich der Lexikograph wenig M ü he gemacht, die übrige Darstellung des Lebenslaufes daraufhin abzustimmen, und deshalb konnte es geschehen, daß die meisten der hier angeführten Argumente bereits zuvor einmal von ihm genannt worden w a r e n oder später erneut dargelegt w e r d e n sollten, was zwar nicht der Art eines präzisen Lexikonartikels entspricht, aber dafür die Möglichkeit offen läßt, der Leserrchaft einen um so nachhaltigeren E i n druck von den extrem-liberalen Ideen des Engländers zu vermitteln. M i t der Tätigkeit des "staats-secretarii in den auswär32) tigen Verrichtungen", ' die als wirkungsvollste Phase im Schaffen des Publizisten besonders ausführlich geschildert wird, setzt der zweite Abschnitt der Lebensbeschreibung ein, der ebenso ausschließlich auf dem Bericht der "Acta Eruditorum" fußt wie der letzte, Miltons Altersperiode umfassende Teil, so daß wir uns die Einzelheiten wiederum ersparen können, um stattdessen auf eine zweite von Bayle herrührende Ergänzung aufmerksam zu machen. Sie knüpft an die Tatsache an, daß Milton infolge der von dem nach England zurückgekehrten Karl II. verkündeten Generalamnestie "gleichfals pardon erhielte", und stellt, ohne für die eine oder andere Möglichkeit Partei zu ergreifen, zwei Gründe für jene "moderation des Königes gegen den Milton" nebeneinander: entweder sei sie "mehr aus Vergessenheit als aus gnade hergeflossen" oder Milton habe

"unterschie-

dene gute freunde gehabt", die sich im Parlament oder im Staatsrat für ihn einsetzen konnten. W a s der Lexikograph ansonsten Uber die letzten Jahre des Engländers berichtet, ist sowohl qualitativ als auch quantitativ überaus wenig. Offensichtlich vermag er dieser Periode, eben weil in ihr der Publizist in den Hintergrund tritt, ein nur mäßiges Interesse entgegenzubringen. 32) Buddeus, Allg.Hist.Lexicon, S.532; ff.Zitate ebd.

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Zudem weiß er über die Altersdichtungen, von denen er "das verlohrne paradieß" und "das wieder erlangete paradieß" namentlich erwähnt, so gut wie nichts, so daß er sich damit begnügen muß, die substanzlosen Äußerungen des Leipziger Rezensenten zu wiederholen; "Samson Agonistes" Ubergeht er völlig, und "berühmt" ist für ihn auch kein Attribut, das er etwa dem poetischen Werk zuordnete, sondern damit zeichnet er vielmehr Miltons letzte Publikationen aus, das Buch der "Epistolarum familiarum" und den Traktat "von der wahren religion", ehe er mit dem Hinweis auf die 1698 in London verlegte dreibändige Gesamtausgabe der "schrifften" den Schlußpunkt seines biographischen Abrisses setzt. Eines verdient indessen noch gesondert erwähnt zu werden, und das ist die nüchterne, leidenschaftslose Art des Lexikographen, mit der er seinen Gegenstand behandelt. W e der verurteilt er Milton in irgendeiner Weise noch verherrlicht er ihn, sondern überläßt es in jedem Fall der Leserschaft, die Schlußfolgerungen zu ziehen, nachdem er ihr zuvor die Tatsachen und Meinungen dargeboten hat. Wenn er trotzdem eine deutliche Vorliebe für den Schriftsteller an den Tag legt, so ist das weniger in seiner Person begründet als vielmehr Ausdruck der zeitgenössischen Einschätzung John Miltons, die angesichts der damaligen Quellenlage kaum anders sein konnte, um so mehr, als selbst die späteren Lexikographen Milton in der Rolle des "Gelehrten" zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeschreibungen machen sollten. Fragen wir nach der Ursache jener einseitigen Gewichtverteilving in der Wertung des Engländers, so lassen sich dafür unterschiedliche Momente anführen. Einmal stellte die publizistische Tätigkeit unbestritten den größten Teil von Miltons Schaffen dar, wie auch seine überragende Gelehrsamkeit nicht länger eines Beweises bedurfte. Außerdem waren manche der in seinen Schriften enthaltenen Thesen so aufsehenerregend gewesen, daß sie über Jahrzehnte hinaus in der Sekundärliteratur diskutiert wurden und auf diese

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Weise seinen Ruf als gelehrter Schriftsteller noch zu festigen halfen, den Tolands und Bayles einflußreiche Darstellungen gleichfalls favorisiert hatten. Demgegenüber mußte der Dichter notwendigerweise Randfigur bleiben. Die poetischen Werke konnten, abgesehen von ihrer mangelnden Verfügbarkeit, schon um ihrer sprachlichen Form willen in Deutschland nicht beurteilt werden, und da andererseits Nachrichten über sie nur sehr spärlich aus England herüberdrangen, konzentrierte sich vorerst alle Aufmerksamkeit auf das ungleich bedeutender erscheinende Werk des Gelehrten, der gelegentlich sogar absolut gesetzt wurde, wie es bei der folgenden Kurzbiographie der Fall war, die sich in dem erstmals 1715 aufgelegten "Compendiösen Ge•5-5) lehrten-Lexicon" ' findet. Herausgeber jenes Lexikons, das "von allen Gelehrten, die sich nur einiger maßen durch Schrifften oder sonst be kant gemacht, [...] eine wiewohl kurtze doch zulängliche Nachricht zu geben"J ' suchte, war Johann Burchard M e n c k e ^ , Professor für Geschichte an der Universität Leipzig und Redakteur der von seinem Vater begründeten "Acta Eruditorum". Eine 1698 nach England unternommene Reise hatte in ihm eine bleibende Begeisterung für dieses Land erweckt, so daß er es sich nicht nehmen ließ, trotz anderweitiger Verpflichtungen zumindest die Kurzbiographien der Engländer in der Regel selbst zu schreiben. Sei ne vorzügliche Bibliothek, die einige tausend Bände enthielt, darunter mehrere Miltoneditionen,^^^ setzte ihn 33) Johann Burchard Mencke (Hrsg.): Compendiöses Gelehrten-Lexicon, [...], Denen Liebhabern der Historie der Gelehrten, und andern curieusen Personen zu nützlichen Gebrauch zum Druck befördert. Nebst einer Vorrede Hn. D. Joh. Burchard Menckens, [...]. - Bey Johann Friedrich Gle ditsch und Sohn, Buchhändl. in Leipzig, im Jahr 1715. (Exemplar der Staatsbibliothek Marburg, Sign. Am 311). 34) Mencke, Gelehrten-Lexicon, Vorrede, Bl. 3v. 35) 1674 - 1732, vgl. ADB. 36) Johann Burchard Mencke: Bibliotheca Menckeniana, Quae Autores [...] Ab Ottone et Jo. Burchardo Menckeniis, Patre et Filio, Multorum Annorum Spatio Studiose Collecta Nunc Justo Ordine Disposita, Et in Publicos Usus Aperta A Jo. Burchardo Menckenio. [...]. - Lipsiae, Apud Jo. Frid.

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und seine Helfer dabei in die Lage, für den Miltonartikel neben den einschlägigen, mehr oder minder ausführlichen Darstellungen aus Königs "Bibliotheca vetus et nova", Buddeus 1 "Lexicon" und den "Acta Eruditorum" auch das M a t e rial der ersten jemals gedruckten Miltonbiographie verwenden zu können, die der Oxforder Antiquar Anthony ä W o o d in dem 1692 in London erschienenen Sammelband "Athenae Oxonienses" vorgelegt hatte. Dennoch wirkt der dem Engländer gewidmete Eintrag im "Gelehrten-Lexicon" seltsam u n ausgeglichen, was letztlich daher rührt, daß es dem V e r fasser nicht gelungen ist, die mit der Vielzahl der benutzten Quellen einhergehende Vielfalt an Informationen aufeinander abzustimmen; überdies vermischt er Tatsachen, Halbwahrheiten und Gerüchte völlig miteinander und legt somit einmal mehr dar, wie ungesichert das Wissen um M i l ton zur damaligen Zeit iip Grunde noch immer war. Richtig wiedergegeben, und zwar auf den Tag genau, ist nun zum ersten Mal das Geburtsdatum: "geb. zu Londen 1608. 37) 9. Decemb.". ' Nähere Angaben zu Beruf oder Stand, wie sie ansonsten einleitend in den Artikeln des "GelehrtenLexicons" üblich sind, erfolgen hingegen nicht. Stattdessen wird sogleich an Miltons "ungemeine Begierde, etwas zu lernen" erinnert, die ihn von frühester Jugend an "meist bis in die späte Nacht" hinein studieren ließ; doch fehlt andererseits jegliche Bezugnahme auf das siebenjährige Universitätsstudium sowie auf den Erwerb des Magistergrades, die eben diese Gelehrsamkeit noch zu u n terstreichen vermocht hätte. Uberhaupt w i r d der Bildungsgang in einem falschen Lichte dargestellt, das teils durch das Fehlen weiterer Daten, teils durch den Zwang zur Kürze bedingt ist und den Eindruck vermittelt, als habe der Gleditschii B. Fil. Μ DCC XXIII. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 620. b. 7). Darin sind aufgeführt: die "Complete Collection" von 1698 (S.451f), die "Defensio pro populo Anglicano" von 1651 (S.465), die "Literae Senatus Anglicani" v o n 1690 (S.466) und die 1707 in London verlegte zweibändige Ausgabe der "Poetical Works" (S.561). 37) Mencke, Gelehrten-Lexicon, Sp.1355; ff. Zitate ebd.

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Fünfzehnjährige, nachdem er in Cambridge "eine Probe der Poesie" abgelegt hatte, sich anschließend sofort "auf dem Lande aufgehalten" bzw. in London "in der Music und Mathesi exerciret". Mit dem sehr vage gehaltenen Hinweis auf jene "Probe" ist zugleich alles gesagt, was Mencke über die dichterischen Bemühungen des Engländers zu berichten weiß. Gleichsam als das Zufallsprodukt eines Heranwachsenden präsentiert, erscheinen sie aus der Sicht des Lexikographen gänzlich unbedeutend, zumal selbst an späterer Stelle keines der poetischen Werke, nicht einmal das "Verlorene Paradies", erwähnt wird, und wenn sie nicht schon von Miltons Beschäftigung mit der "Music und Mathesi" in den Hintergrund gedrängt werden, so doch schließlich von seinem Wirken als "grosser Vertheidiger der Freiheit und der EheScheidung" , das der Schreiber dieses Artikels als Miltons eigentliche Funktion begreift. Ehe er darauf insonderheit zu sprechen kommt, geht er noch in einem Satz auf die "wegen der Streitigkeiten zwischen den Bischöflichen und den Presbyterianern" entstandenen kirchlichen Kampfschriften ein, die Milton nach seiner Rückkehr aus Italien verfaßte. Namentlich aufgeführt werden jedoch lediglich die beiden Traktate "de Reformatione" sowie "de praesulatu Episcoporum", wobei letzterer überdies mit der den tatsächlichen Sachverhalt geradezu umkehrenden Erläuterung versehen ist, er sei "zu Vertheidigung des Ertz-Bischoffs von Armagh" geschrieben worden. Trotz des Interesses, das dem "Secretarius bey dem Parlament, und hernach bey Cromwellen" auf Grund seiner Billigung des "Königs-Mordes" entgegengebracht wird, muß sich der Lexikograph auch hierbei aus Platzgründen sehr kurz fassen, so daß er, gestützt auf Buddeus und die "Acta Eruditorum", die "doppelte 'defensionem pro populo Anglicano 1 " sowie "unterschiedene andere Schrifften", die in Zusammenhang damit entstanden, nur beiläufig erwähnt, um anschließend der aus Woods Lebensbericht übernommenen Mutmaßung Raum zu geben, daß Milton seiner "Defensiones" we-

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gen "von GOtt mit Blindheit soll seyn gestraffet worden, wie er denn bey der ersten 'Defension' das eine, und bey der andern das andere Auge soll verlohren haben". Da Mencke Miltons Erblindung jedoch kurz vorher schon einmal rational als Folge der nächtlichen Studien begründet hatte, muß diese in genauem Widerspruch dazu stehende Notiz um so befremdlicher wirken, auch wenn sie die vorsichtige Formulierung als ein Gerücht ausweist, dem selbst der Lexikograph reserviert gegenübersteht. Nicht als Zweckmeldung auf den ersten Blick erkennbar ist hingegen die einzige auf den Verteidiger der Ehescheidung bezugnehmende Nachricht, der zufolge er sich "von 6. Weibern hintereinander scheiden" ließ. Obgleich sie in keiner der von Mencke angegebenen Quellen enthalten war, sondern direkt der zeitgenössischen, vor persönlichen Diffamierungen nicht zurückschreckenden Diskussion um die "Doctrine and Discipline of Divorce" zu entstammen scheint, wird sie von Mencke schlechtweg als Tatsache hingestellt. Darüber hinaus führt er weder die Ehescheidungstraktate an noch gibt er die ihnen 2ugrundeliegende Argumentation wieder und läßt somit Miltons diesbezügliche Bestrebungen in ein merkwürdiges Zwielicht geraten, das stärker als jedes Gegenargument in den Augen der Leserschaft dazu beitragen mochte, die Thesen des Engländers, ohne daß sie ihr überhaupt zur Debatte gestellt wurden, von vornherein ad absurdum zu führen. Sogar die Miltons Altersperiode geltenden knappen Bemerkungen im "Gelehrten-Lexicon" treffen nur insoweit zu, als sie die uns bereits bekannten Ausführungen früherer Biographen wiederholen, während die neu hinzugekommene Behauptung, "An. 1666. verlohr er in dem grossen Brande zu Londen seine Bibliothec, welche in 2000. Büchern bestund", ^ falsch ist. Desgleichen erweckt ein abschließend gegebenes Schriftenverzeichnis den Anschein, als habe er neben den wenigen zuvor genannten Werken weiter nichts geschrieben als "eine Historie von Groß-Britannien", den 38) Mencke, Gelehrten-Lexicon, Sp.1356; ff. Zitate ebd.

Die erste Bibliographie

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Traktat "de potestate civili in Ecclesiasticis", die "epistolas familiares" und die "prolusiones oratorias", so daß bis zuletzt ein überaus schiefes Bild von ihm entworfen wird, das, obschon durchweg auf die Biographie des gelehrten Publizisten reduziert, nicht einmal diesem gerecht zu werden vermag. Dennoch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß gerade der vorliegende Artikel die öffentliche Meinungsbildung in bezug auf Milton in entscheidender Weise beeinflußte, da er neben dem von Buddeus verfaßten Eintrag die damals am leichtesten zugängliche Informationsquelle Uber Leben und Werk des Engländers darstellte, zumal das "Compendiöse Gelehrten-Lexicon" bald ähnlich weit verbreitet war wie das noch heute "praktisch in jeder Bibliothek" stehende "Allgemeine Historische Lexicon" und zum meistbenutzten biographischen Nachschlagewerk des achtzehnten Jahrhunderts aufsteigen sollte. Eines hatten beide Lexikographen trotz ihres unterschiedlichen Vorgehens schon aus Platzgründen nicht zu liefern gewußt, nämlich ein vollständiges Werkverzeichnis. In Miltons Lebenslauf eingebettet, war es zuvor zwar von dem Rezensenten der "Acta Eruditorum" einmal versucht worden, doch hatte selbst er keineswegs alle Schriften nennen können, noch hatte er sich in der Lage gesehen, jeweils den Inhalt kurz zu umreißen. Diese Lücke zu schließen, blieb dem Hamburger Studenten Johann Klefeker^"^ vorbehalten, der 1717 eine "Bibliotheca Eruditorum Praeco4 1) cium" ' veröffentlichte und darin dem "durch vielfältige Gelehrsamkeit und Bildung hochberühmten Engländer"(Anglus varia doctrina et eruditione clarissimus)^ 2 ^ allein elf 39) Gert A.Zischka: Index Lexicorum. Bibliographie der lexikalischen Nachschlagewerke. - Wien: Hollinek 1959. S.XXXVII. 40) 1698 - 1775, vgl. ADB. 41) Io. Klefekeri Bibliotheca Eruditorum Praecocium sive ad Scripta huius Argumenti Spicilegium et Accessiones. - Hamburgi, apud Christianum Liebezeit. Μ DCC XVII. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 271. b. 16.). 42) Klefekeri Bibliotheca, S.233; ff. Zitate ebd.

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Der Kampf um Anerkennung

Seiten widmete, auf denen er sowohl dessen sämtliche Publikationen anführte als auch den Lebensweg bis hin zur Reise nach Italien aufzeigte. Klefeker sieht in Milton den frühreifen Gelehrten par excellence und hält ihm von daher geradezu eine Laudatio. Schon als Knabe habe er "mit Fleiß, Begabung und Erfolgen" (industria, ingenio, profectibus) die Bewunderung vieler errungen, wie er denn auch "mit verschiedenartigen und anmutigen Gedichten die Fülle und Fruchtbarkeit seines Geistes" (variis iisque venustissimis poematis ubertatem fertilitatemque ingenii) unwiderlegbar bewiesen habe. Anders als frühere Autoren beläßt Klefeker es jedoch nicht bei einem summarischen Lob der Jugendgedichte, sondern stellt sie außerdem einzeln der Reihe nach vor, ohne indessen deutlich zu machen, daß es sich nur um eine Auswahl handelt. Neben der Paraphrase der "Psalmen Davids" (Psalmis Davidicis), die Milton, fünfzehnjährig, "in seiner Sprache elegant zum Ausdruck brachte" (vernacula sua eleganter expressit), nennt er das zwei Jahre später entstandene "Trauergedicht auf das an Husten verschiedene Töchterchen der Schwester" (lugubri carmine in extinctum tussi sororis filiolum) und die lateinischen Elegien "auf den Tod der Bischöfe von Winchester und Ely" (Episcoporum Wincestriensis et Eliensis obitum), erwähnt dann das "hervorragende Gedicht" (exlmio poemate) "Die Pulververschwörung" (conspirationem pulverariam), um schließlich die beiden Elegien "An Carolus Deodatus" ebensowenig zu Ubergehen wie jenes Gedicht, in dem Milton "seine Liebe zu einer vornehmen Jungfrau"(amorem suum virgine nobili) beschrieb. Demgegenüber fallen die Angaben über den eigentlichen Lebenslauf spärlich aus. Wiederum ist die Geburt fälschlicherweise in das Jahr 1606 verlegt; der Eintritt in die Universität wird nur eben gestreift, und die nächste Nachricht bezieht sich bereits auf die Reise nach Italien,die Klefeker zum Anlaß nimmt, um das Elogium des florentinischen Patriziers Carolo Dati vollständig abzudrucken, in

Die erste Bibliographie

181

dem Milton als ein "moderner Odysseus" (novus U l y s s e s ) ^ ^ gepriesen worden war, dessen Werke zum Beifall aufforderten, "aber durch ihre Lieblichkeit den Zuhörern die Stimme nehmen" (sed venustate vocem auditoribus adimunt), so daß ihm allein das "Staunen der Menschen" (hominum stupor) zuteil werden könne sowie Ehrerbietung und Liebe "als Tribut für seine Verdienste" (ejus meritis debitum). Eben jene tiefe Bewunderung scheint auch Klefeker für M i l ton empfunden zu haben, zumal er nicht ein kritisches W o r t Uber ihn verliert, sondern fortwährend den "Ruhm seiner Bildung" (fama eruditionis suae)

' betont, der bis

"zu den Ausländern" (ad exteros) gedrungen sei. M i t dem Hinweis auf die nach der Rückkehr aus Italien unternommenen vielfältigen Versuche, die Freiheit zu verteidigen, leitet Klefeker über zu dem Schriftenverzeichnis, das er für um so wünschenswerter erachtet, als die 45) 1702 erschienene Dissertation "De Doctis Praecocibus" ' Milton "mit drei Worten" (tribus v e r b i s ) ^ ^

abgetan hatte.

In den bibliographischen Angaben stützt er sich dabei sowohl auf W o o d als auch auf Toland, aus dessen "Life" schon der Leipziger Rezensent längere Auszüge mitgeteilt hatte, so daß w i r hier nicht alle Details zu wiederholen brauchen, sondern uns auf jene Eintragungen konzentrieren können, die vornehmlich zur Komplettierung und Weiterentwicklung des damaligen Miltonbildes beigetragen haben. Aus 39 Titeln bestehend, die nach dem Erscheinungsdatum angeordnet und großenteils mit erklärenden Zusätzen versehen sind, gibt der in der "Bibliotheca Eruditorum Praecocium" enthaltene Katalog das publizistische wie das dichterische Schaffen des Engländers in erschöpfender W e i se wieder. Damit kommt Klefeker das Verdienst zu, dem hiesigen Lesepublikum als erster eine Miltonbibliographie vorgelegt zu haben, deren Vollständigkeit selbst heute schwerlich zu übertreffen ist. Allein in bezug auf den 43) 44) 45) 46)

Klefekeri Bibliotheca, S.234; ff. Zitate ebd. Ebda. S.235; f. Zitat ebd. Vgl. Kapitel 3.1.2. dieser Arbeit. Klefekeri Bibliotheca, S.235.

182

D e r Kampf um Anerkennung

Publizisten führt er e l f ^

Traktate an, die bislang in

der einschlägigen Sekundärliteratur noch nicht begegnet waren, nämlich: die kirchenpolitische Streitschrift "The Reason of Church Government", das in englischer Sprache abgefaßte W e r k "Observationes XLVIII", die erstmals in Tolands "Collection" abgedruckte "Epistola ad amicum de motibus reipublicae" sowie "Brevis delineatio status reipublicae", die 1660 i n London erschienenen "Notae in sermonem Doctoris Griffithi", den kurz zuvor publizierten Traktat "The ready and easy w a y to establish a Free C o m monwealth", die aus dem Lateinischen ins Englische übersetzte "Declaratio Polonorüm de electione Joh. III. R e gis", die "Artis Logicae plenior Institutio" von 1672, die 1681 verlegte Abhandlung "Character of the long P a r liament", "A brief history of Moscovy" (1682) und schließ lieh die damals noch unveröffentlichte "Idea Theologiae". Angefangen v o n der "Epistola ad amicum" bis h i n zur "Idea Theologiae" gehören diese Publikationen allerdings ausnahmslos Miltons letzter Schaffensphase an u n d stehen v o n daher im Schatten der übrigen seinerzeit entstandenen Werke, was nicht zuletzt auch dadurch dokumentiert wird, daß der Bibliograph keine inhaltlichen Erläuterungen gibt sondern nur den jeweiligen Titel nennt. Zusätzlich mit einem Kommentar versehen sind hingegen die beiden erstgenannten Traktate u n d sie rühren bezeichnenderweise aus je n e n J a h r e n her, da M i l t o n auf der Höhe seines schriftstel lerischen Ruhmes stand. So w e r d e n die zeitlich zwischen "Eiconoclastes" u n d der "Defensio" eingeordneten "Observa tiones" als ein W e r k charakterisiert, in dem der A u t o r "über die Todesstrafe Karls I. handelt sowie die Friedens artikel untersucht, die den Iren von Ormond vorgelegt w o r den sind" (de Regis Caroli I. supplicio disserit, exami47) Klefekeri Bibliotheca, Nr.3, 15, 21, 22, 23, 24, 29, 30, 35, 36 und 39 der Bibliographie. Hinzu kommt ein zwölfter, aus den "Fasti Oxonienses" über nommener Traktat, "The right of the People over Tyranns", der sich inzwischen jedoch als "bibliographical ghost" er wiesen hat. (Vgl. P a r k e r , Milton, A Biography, S.860).

Die erste Bibliographie

183

natque etiam articulos pacis ab Ormondo propositos Hibernis),^®^ und in ähnlicher Weise verfährt Klefeker auch mit der unmittelbar auf "Of Prelatical Episcopacy" folgenden Abhandlung "The Reason of Church Government", wenn er sie als eine gegen Erzbischof Ussher gerichtete Schrift vorstellt, die dessen Buch "de Episcoporum origine" zu widerlegen trachte. Damit nicht genug, lenkt er den Blick des Lesers außerdem auf eine im zweiten Teil der Abhandlung enthaltene Passage, in der Milton "ein episches Gedicht erwähnt, das er schreiben will, und Regeln überliefert, die dabei zu beachten sind" (mentionem facit Poematis Epici a se condendi et praecepta circa illud observanda tradit),^·^ so daß aufgrund dieses Hinweises zugleich die enge Verknüpfung des publizistischen mit dem dichterischen Werk in Erinnerung gebracht wird, die damals nicht weniger häufig außer acht gelassen wurde als es noch heute in der Miltonliteratur vorzugsweise zu geschehen pflegt Gleichwohl müssen die poetischen Werke in Klefekers Bibliographie schon von ihrer Zahl her eine untergeordnete Rolle spielen. Angeführt werden dort^ 0 ^ die 1645 erschienenen "Poemata", die bereits eingangs gerühmt worden waren, die Erstausgabe des "Paradise Lost", als deren Pu51) blikationsdatum 1669 angegeben wird, ' "Paradise Regain'd" mit "Samson Agonistes" (1670) und die zweite, erweiterte Ausgabe der "Poemata" von 1673, während die zweite Auflage des "Paradise Lost" (1674) ebenso unerwähnt bleibt wie die Tatsache, daß das Epos in seiner endgültigen Form in zwölf statt "in zehn Bücher unterteilt" (decern libris di visum) ^ ^ ist. Obendrein sind die Urteile über die Altersdichtungen so konventionell gehalten, daß sie keinerlei Aussagen über den eigentlichen Charakter der 48) Klefekeri Bibliotheca, S.239. 49) Ebda. S.236. 50) Ebda. Nr.12, 25, 26 und 32 der Bibliographie. 51) Das späte, wenngleich nicht falsche Publikationsdatum hat Klefeker von Wood übernommen, der seinerseits allerdings übersehen hatte, daß die editio princeps zwischen l6b7 und 1669 in verschiedenen Titelauflagen er-r schienen war. 52) Klefekeri Bibliotheca, S.241; ff. Zitate ebd.

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D e r Kampf um Anerkennung

Werke ermöglichen. Das gilt sowohl für die

"hervorragende

Tragödie" (Tragoedia eximia) "Samson Agonistes", Uber die ansonsten nichts verlautet, als auch für das "sehr elegante epische Gedicht" (poema elegantissimum Epicum)

"Para-

dise Lost" u n d das nicht minder "elegant" (eleganter) verfaßte "Paradise Regain'd", zumal Klefeker mangels anderer Informationen v o n jeglicher Inhaltsangabe absehen und stattdessen jene schemenhaften Vorstellungen vom W e s e n u n d W e r t der beiden E p e n übernehmen muß, die, seit Toland sie auf die Formel gebracht hatte, "daß M i l t o n das verlorene, nicht aber das wiedergefundene Paradies gesehen habe" (vidisse Miltonum Paradisum amissum, haud vero recuperatum), stets v o n neuem in der Sekundärliteratur zitiert w o r d e n waren, ohne jemals durch präzisere Aussagen ergänzt oder gar ersetzt zu werden. D e r Tatsache, daß hinsichtlich des poetischen Spätwerkes somit nur eine einzige, noch dazu gerade in diesem Punkt wenig substantielle Quelle zur Verfügung stand, ist es folglich zuzuschreiben, w e n n damals das B i l d des reifen Dichters über Jahrzehnte hinaus in Deutschland unverändert blieb und sogar dann nicht um neue Aspekte bereichert w e r den konnte, als nicht nur die übrigen Seiten v o n Miltons Schaffen bereits detaillierter dargestellt wurden,sondern auch das Gesamtwerk des Engländers in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken begonnen hatte, wie es seit dem E r scheinen der ersten Lebensabrisse bis h i n zu Klefekers B i bliographie vom Jahre 1717 in immer stärkerem Maße der Fall gewesen war. Der Rückgriff auf das Latein hatte es freilich mit sich gebracht, daß die "Bibliotheca Eruditorum Praecocium" schon von der Form h e r wiederum allein den Gelehrten zugänglich war, die dem W e r k überdies w e n i g Beachtung geschenkt zu h a b e n scheinen, da'es trotz geringer Auflagenhöhe noch fünfundzwanzig Jahre nach seiner Drucklegung in 53) den Buchhandlungen zum Verkauf angeboten wurde. ' Obwohl 53) Vgl. Theophil Georgi (Hrsg.): Allgemeines Europä-

Miltons Biographie

185

Klefekers Leistung im Rahmen der frühen Miltonrezeption einer Pionierarbeit gleichkam, blieb sie vorerst somit weithin unbekannt und fand selbst neun Jahre später keine Erwähnung, als mit der sich an breitere Kreise wendenden zweiten Auflage des "Compendiösen Gelehrten-Lexicons""^

die nächste Kurzbiographie zur Verfügung stand.

Menckes "Gelehrten-Lexicon" war v o n Anfang an "so wohl aufgenommen worden, daß m a n schon seit einiger Zeit kein Exemplar mehr davon übrig gehabt"

und infolgedes-

sen eine Neuauflage planen mußte, deren Bearbeitung Chri56) stian Gottlieb Jöcher·^ ' übernahm. Seine Hauptaufgabe sah der neue Herausgeber darin, die vielen Fehler zu korrigieren, die dem Werk verschiedentlich heftige Kritik eingetragen hatten; doch w a r er, vom Verleger zur Eile gemahnt, keineswegs in der Lage, "alle Articul der alten Auflage so sorgfältig untersuchen und verbessern [zu] können, als es wohl mit denen wichtigsten und vornehmsten 57) geschehen". ' A u c h der M i l t o n gewidmete Eintrag, der sicher nicht zu den letzteren zählte, wurde deshalb nur geringfügig geändert: was ihn v o n der früheren Fassung u n terscheidet, sind ausschließlich Nuancen, die kaum der Erwähnung bedürften, gäben nicht gerade sie Aufschluß über den in der Zwischenzeit erreichten Stand der Miltonrezeption. Bekanntlich w a r der Abriß im "Gelehrten-Lexicon" von allen bisherigen Lebensbeschreibungen der einzige gewesen, der das J a h r 1'608 als Miltons Geburtsjahr angegeben hatte. Jöcher w a r das bei der Sichtung der ihm vorliegenisches Bücher-Lexicon, [...] in Vier Theile abgetheilet.Leipzig, in Verlegung Gotthilfft Theoph. Georgii. 1742. Anderer Theil, S.348. 54) Christian Gottlieb Jöcher (Hrsg.): Compendiöses Gelehrten-Lexicon, [...]. Die Andere Auflage, in zwey Theile getheilet, sorgfältig übersehen, u n d mit etlichen 1000. Articuln vermehret, durch M.Christian Gottlieb Jöcher. B e y Johann Friedrich Gleditschens seel. Sohn, Buchhändl. in Leipzig, im Jahr 1726. (Exemplar der Staatsbibliothek Marburg, Sign. A m 312). 55T Jöcher, Gelehrten-Lexicon, Vorrede Bl. 4v. 56) 1694 - 1758, vgl. ADB. 57) Jöcher, Gelehrten-Lexicon, Vorrede Bl. 8v.

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Der Kampf um Anerkennung

den biographischen Materialien natürlich nicht entgangen, wenngleich die unzureichende Quellenlage keine Möglichkeit bot Zu erkennen, daß jenes auf Wood zurückgehende Datum das allein richtige war. Menckes Abweichen von der ansonsten geübten Praxis der Miltonbiographen mußte ihm deshalb zwangsläufig als Irrtum erscheinen, und so zögerte er nicht, den Text dahingehend abzuändern, daß er nun gleichfalls von dem Engländer vermeldete: "gebohren zu Londen 1606".^®^ Abgesehen von diesem einen Fehler, der zusätzlich in die Darstellung hineingelangt, ist das von Jöcher entworfene Miltonbild jedoch nicht ganz so wirklichkeitsfremd wie das seines Vorgängers, da er sowohl einige zur Vervollständigung unbedingt notwendige Ergänzungen einfügt als auch einen Teil jener Unklarheiten zu beseitigen vermag, die das Wirken des Publizisten zuvor in einem falschen Lichte gezeigt hatten. Neu ist einmal der Versuch, Miltons Position in den "Streitigkeiten wegen des Kirchen-Regiments" eindeutiger zu umreißen. Während Menckes Bericht den Anschein erweckt hatte, als habe sich der Autor von "de reformatione" die Forderungen der Bischöfe zu eigen gemacht, erfolgt durch Jöcher die Richtigstellung, daß er seinen Traktat vielmehr für "der Presbyterianer Parthey" schrieb und sich ihrer auch "gegen den Ertz-Bischoff von Armagh" annahm, so daß damit zugleich die frühere Behauptung widerlegt ist, in der von einer 'Verteidigung'Usshers durch Milton die Rede gewesen war. In der gleichen Weise gelingt es Jöcher, der auf den Verfasser der Ehescheidung bezugnehmenden Passage etwas von ihrem nebulosen Charakter zu nehmen, indem er auf "einige Tractate" aufmerksam macht, die Milton dieser Thematik widmete, wiewohl die Titel der betreffenden Werke noch immer ungenannt bleiben und die Argumentation des Autors weiterhin ganz auf persönliche Motive zurückgeführt wird. Am meisten überrascht hatte in der Erstauflage die Nachricht von der sechsfachen Ehescheidung. Selbst zehn 58) Jöcher, Gelehrten-Lexicon, Anderer Theil, Sp.165/ 66; ff. Zitate ebd.

Miltons Biographie

187

Jahre nach der Veröffentlichung jener Meldung, die Milton implizit der Laszivität beschuldigt, sieht Jöcher keinen Anlaß, sie prinzipiell in Frage zu stellen. Stattdessen gibt er sie erneut wieder, schwächt sie jedoch im Ton etwas ab und spricht nunmehr davon, daß Milton sich von "einigen Weibern" scheiden ließ, was den negativen Gesamteindruck freilich wenig zu ändern vermag, den die Leser des "Gelehrten-Lexicons" aufgrund der schiefen Optik von den Freiheitsbestrebungen des Engländers im privaten wie im öffentlichen Bereich nun einmal gewinnen mußten. An einem konnte Jöcher hingegen nicht länger vorbeigehen, und das waren die Altersdichtungen, die Mencke, vermutlich mehr aus Nachlässigkeit als aus Absicht, als einziger der frühen Biographen gänzlich unberücksichtigt gelassen hatte. Auch in der seitdem verstrichenen Zeitspanne waren sie zwar noch nicht nach Deutschland gelangt; aber allmählich war doch, nicht zuletzt dank einer Vielzahl von 59) Anspielungen in der übrigen Literatur, ' das Wissen um ihre Existenz zu einem Teil des Miltonbildes geworden, wenngleich sich die Auseinandersetzung mit ihnen, eben weil sie allenfalls vom Hörensagen bekannt waren, vorerst en passant und ganz im Abstrakten vollziehen mußte. Genau diesem Dilemma gibt Jöcher Ausdruck, wenn er das von Mencke aufgestellte Schriftenverzeichnis um die Notiz erweitert, Milton habe "ingleichen in Englischer Sprache schöne Gedichte von dem verlohrnen und wiedergefundenen Paradies g e s c h r i e b e n " d e n n verschwommener hätte eine derartige Nachricht kaum ausfallen können, zumal sie weder die Anzahl noch die Art der "Gedichte" spezifiziert, ganz zu schweigen von der Form und dem Inhalt. In ihrer Beiläufigkeit ist sie deshalb auch eher ein weiteres Indiz dafür, wie das poetische Werk nach wie vor als Nebenprodukt des Publizisten angesehen wurde, als daß sie den Eigenwert des Dichters zu unterstreichen vermöchte, bis zu dessen eigentlicher Anerkennung es folglich noch immer ein sehr weiter Weg sein sollte. 59) Vgl. Kapitel 3.1.2. dieser Arbeit.

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Der Kampf um Anerkennung E i n erster Schritt auf jenes Ziel hin wurde nach all

diesen Präliminarien im Jahr 1731 getan, als die Herausgeber des nunmehr in dritter Auflage erscheinenden "AllgeAt ^ meinen Historischen Lexicons"

' ihren Miltonartikel von

1709 in einer revidierten Fassung vorlegten und dabei die bisher allzu ungleiche Gewichtsverteilung ein wenig stärker zugunsten des Dichters verlagerten. Durch intensives Studium der Quellen, zu denen neben Bayles

"Dictionaire",

Klefekers "Bibliotheca" und den "Acta Eruditorum" auch die ebenfalls auf Toland basierende Vita in Nicerons "Memoires p o u r servir k l'histoire des hommes illustres"

(Paris

1729) zählte, hatten sie außerdem verschiedene Ergänzungen zum Leben und Werk des Engländers beibringen können, so daß der biographische Abriß in seiner neuen Form p r a k tisch alles enthielt, was damals an Fakten über John M i l ton überhaupt erreichbar war. Offenbar nicht völlig aus dem Wege zu räumen war die Unsicherheit über das Geburtsdatum, das, zunächst mit 1608 angegeben, kurz darauf durch die Bemerkung korrigiert wird, M i l t o n habe, als er 1674 starb, "sein Leben auf 68 jähr gebracht"Diese

Unstimmigkeit, so geringfügig sie auf

den ersten Blick scheinen mag, ist deshalb mehr als lediglich ein Rechenfehler, weil sie letztlich einer mangelhaften Koordinierung der im einzelnen meist beträchtlich voneinander abweichenden Quellen entspringt, deren Angaben oft nur zu gedankenlos übernommen werden, allein um dem (an sich durchaus legitimen) Bestreben Genüge zu tun,nach Möglichkeit selbst den kleinsten Hinweis nicht unerwähnt zu lassen. Hervorzuheben ist vor allem der Versuch des Lexikographen, ein klareres Bild v o n Miltons Person zu entwerfen, 60) Jöcher, Gelehrten-Lexicon, Anderer Theil, Sp.166. 61) [Johann C. Iselin (Hrsg.):] Allgemeines Historisches Lexicon, [...]. Dritte um vieles vermehrte und verbesserte Auflage. [...]. - Leipzig, bey Thomas Fritschens sei. Erben, 1731. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 118.i.3.). 62) Allgemeines Historisches Lexicon, Dritter Theil, S.569/70; ff. Zitate ebd.

Miltons Biographie

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das sogar Ansätze einer Charakteranalyse erkennen läßt, obwohl auch hier wiederum aus dem eben genannten Grund nicht alles zueinander passen will. Einerseits wirft er Milton vor, von "zänckischem humeur" gewesen zu sein, andererseits rühmt er ihn als im Umgang "sehr angenehm" und kennzeichnet ihn darüber hinaus als einen Menschen, der "sehr mäßig" war. Die Universität habe er nicht, wie einige behaupteten, "seiner üblen aufführung wegen verlassen müssen", sondern sei "mit eignem guten willen" auf das Land gezogen, und wenn er sich nach mehrmaligem Wechsel der Religionsgemeinschaft im Alter auch "von allen Christlichen gemeinen absonderte", so stehe dennoch fest, daß er ansonsten vielmehr "in allen seinen handlungen eine grosse gottesfurcht bezeugte". Während diese letzten Äußerungen bereits einer Rechtfertigung von Miltons sittlich-religiöser Haltung gleichkommen und die Integrität seiner Person zu unterstreichen suchen, was angesichts der von den Zeitgenossen in höchstem Grade als revolutionär empfundenen Schriften des Engländers nur zu geboten schien, sind die Bemerkungen des Lexikographen zum poetischen Werk nicht minder aufschlußreich, zumal sie letzten Endes die Möglichkeit eröffnen, einen Blick auf die damalige Einschätzung des "Paradise Lost" zu werfen. Dreimal wird im Verlauf der vorliegenden Lebensbeschreibung auf den Dichter Bezug genommen: der erste Hinweis knüpft an den noch in die Cambridger Zeit zurückreichenden "anfang von einigen psalmen" an, mit denen Milton seine erste "probe in der poesie" abgelegt hatte; der zweite erinnert an die während der Reise nach Italien entstandenen "gedichte" in italienischer Sprache; der dritte und gewichtigste schließlich gilt den beiden großen Altersdichtungen, dem "Paradise Lost" und dem "Paradise Regain'd", die unter Zuhilfenahme des schon mehrfach begegneten Ausspruches, "man würde den Milton in dem wieder erlangten paradiese nicht antreffen", zunächst in konventioneller Weise als "vortrefflich" bzw. "bey weitem so vortrefflich nicht" charakterisiert werden, ehe sich die Aufmerksamkeit

190

Der Kampf um Anerkennung

auf das "Paradise Lost" konzentriert, das "nach einiger meynung" von dem Autor deshalb verfaßt worden sei, um "unter dem Sinnbild des verlohrnen paradieses den für die Engelländer verlohrnen glückseligen zustand, seit dem sie sich von neuem der Königlichen herrschafft unterworfen, vorzustellen". Die gleiche Tendenz, einer am politischen Geschehen der Zeit orientierten Interpretation des "Paradise Lost" den Vorzug zu geben, war bekanntlich schon 1694· von dem Englandreisenden Benthem^·^ berichtet worden, so daß wir den erneuten Hinweis als Bestätigung dafür werten können, daß sie selbst im Jahre 1731 nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hatte. Vor der Jahrhundertwende war sie freilich so sehr in den Vordergrund gerückt worden, daß die literarischen Qualitäten des Epos darüber kaum Beachtung gefunden hatten und erst in dqr Zwischenzeit war Jenseits des Kanals, hauptsächlich dank Addisons beharrlichem Eintreten für den Dichter, jener Wandel in der Einschätzung erfolgt, den der Lexikograph mit den Worten umschreibt, die Engländer würden Miltons Epos "als das vollkommenste heroische fΆ) gedichte zu rühmen" ' pflegen. Aus der gestelzt-distanzierten Formulierung dieser Nachricht geht Jedoch bereits hervor, daß eine ähnliche Würdigung in Deutschland noch längst nicht zu erwarten war, wie überhaupt die hiesige Diskussion sich überaus zögernd dem poetischen Werk zuzuwenden begann. Allerdings dürfen wir, um den jeweiligen Stand der Rezeption zwischen 1700 und 1731 in Erfahrung zu bringen, die biographischen Abrisse nicht zum alleinigen Maßstab erheben. Denn ungeachtet der Tatsache, daß sie ihrer Leserschaft erstmals ein komplexes Miltonbild vermitteln, repräsentieren sie doch nur einen Aspekt der damaligen Entwicklung und machen von daher eine Betrachtung des zur selben Zeit wie sie erschienenen übrigen Gelehrtenschrifttums unumgänglich, zumal das, was sie über die allmähliche Akzentver63) Vgl. Kapitel 2.4. dieser Arbeit. 64) Allgemeines Historisches Lexicon, Dritter Theil, S.570.

Pistors "Dissertatio"

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lagerung vom Publizisten zum Dichter hin eher beiläufig durchblicken lassen, sich in eben jenen Literaturwerken ungleich deutlicher abzeichnen sollte. 3.1.2. Der Weg vom Publizisten zum Dichter im Spiegel des Gelehrtenschrifttums Abgesehen von den Bemühungen einzelner Lexikographen um eine Erhellung von Miltons Gesamtwerk ist die Aufmerksamkeit des gelehrten Deutschland auch zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts noch ebenso stark auf den Publizisten gerichtet, wie es schon im siebzehnten Jahrhundert der Fall gewesen war. Obwohl die Zahl der Zeugnisse jetzt beträchtlich zunimmt, so daß es überraschend ist zu sehen, an welcher Vielfalt von Orten der Name des Engländers überhaupt begegnet, wird dem Dichter allenfalls gelegentlich eine Erwähnung zuteil, während der Verfasser der "Defensio" oder der Autor der Ehescheidungstraktate stets von neuem Anlaß zur Diskussion gibt, und das Wissen um ihn somit in immer breitere Kreise dringt. Nicht in allen Fällen ist jedoch die Polemik früherer Jahre bereits einer betont sachlichen Auseinandersetzung gewichen. Das zeigt gleich das erste uns vorliegende Zeugnis, eine im Jahre 1700 gedruckte Dissertation "An summa 1) rerum semper sit penes populum?", ' die der gebürtige Niddaer Philipp Christian Pistor 2 ^ verfaßt hat. In der Heftigkeit ihrer Angriffe auf Milton wirkt diese Schrift wie ein Relikt aus dem siebzehnten Jahrhundert, und in der Tat war sie bereits 1687 vor dem juristischen Auditorium der Gießener Universität verteidigt worden. Miltons Vorgehen in der Frage, ob "nach der Einrichtung der Natur die höch1) Philippus Christianus Pistorius: Dissertatio. An summa rerum semper sit penes populum? - In: Joannis Nicolai Hertii, [...] Commentationum atque Opusculorum de selectis et rarioribus ex Jurisprudent!a Universali, [...] Argumentis, Tomi Tres. - Francofurti ad Moenum, Sumptibus Joannis Davidis Zunneri, Anno Μ DCC. S.439-460. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XVIIIa Β 3425). 2) Zur Person waren keine näheren Angaben auffindbar.

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Der Kampf um Anerkennung

ste Macht beim Volke liege" (penes populum ex natura institute) summam potestatem e s s e ) , ^ wird darin als "frevlerisch" (impie)^ sowie "pervers" (perverse) angeprangert, und insbesondere empört sich der Autor darüber, daß der Engländer "sich nicht schämte, den Meuchelmord am König von England zu entschuldigen" (parricidium Regis Angliae non excusare erubuit), sondern ihn gar noch "als schönste Tat" (puleerrimum facinus) verherrlichte. Ein solch "dreister" (effrons) Mensch aber, der "mit dem Leben der Könige wie mit Scherben spielt" (de vita Regum quasi tesseris ludit), müsse sich letztlich selbst entlarven, beweise er doch damit, daß ihm nichts anderes eigen sei als "eine im Ubermaß mit scheußlichen Affekten besudelte Begabung" (ingenium foedis affectibus abunde inquinatum). Zwei Jahre nach den soeben zitierten Anwürfen erfolgt ein erster zaghafter Hinweis auf den Dichter, als der Ham5) burger Student David Schultetus ' seine Dissertation "De Doctis Praecpcibus" vorlegt und dem Engländer darin bescheinigt, "als Jüngling ziemlich begabte Gedichte" (ingeniosa juvenis admodum carmina)^ verfaßt zu haben, die "im Duodezformat veröffentlicht existieren" (publice extant forma 12ma). Gleichwohl stellt diese vage Äußerung keinen neuen Beitrag zur Diskussion dar, zumal Schultetus sie ohne jeden Zusatz aus Kortholts Dissertation vom Jah7) re 1696 ' übernommen hat und solcherart letzten Endes zu erkennen gibt, daß Milton ihm im Grunde völlig fremd geblieben ist. 3) Pistorius, Dissertatio, S.439. 4) Ebda.S.442; ff. Zitate ebd. 5) 1679 - 1709, vgl. Jöcher. 6) David Schultetus: Accessiones, ad Adriani Bailleti Librum: Des Enfans devenus celebres par leurs etudes, ou par leurs ecrits, sive De Doctis Praecocibus, [...1. Respondens Auetor M.David Schultetus, Hamb. A.O.R. Μ DCC II d. XXIII Dec. - Vitembergae, Typis Gerdesianis. (Exemplar der Landesbibliothek Gotha, Sign. Diss. hist. XXXIV). S.32: f. Zitat ebd. 7) Vgl. Kapitel 2.6. dieser Arbeit.

Hudemanns "Poetica"

193

Mehr Beachtung findet das poetische Werk in der unter Kortholts Leitung entstandenen Kieler Dissertation "Poeticam Veterem Romanam aeque ac Graecam" 8 ^ aus dem Jahre , ς·) 1703, deren Autor Wilhelmus Ludovicus Hudemann^' Milton, weil er seine Dichtkunst nach griechischen und römischen Vorbildern ausrichtete, sogar als den "unstreitig ersten der Dichter Englands" (poetarum Angliae extra controversiam Principe) 1 ®^ rühmt. Mit seinen beiden Epen "Paradise Lost" und "Paradise Regain 1 d" sowie dem "dramatischen Gedicht" (poema dramaticum) "Samson Agonistes" habe er den Beweis erbracht, "daß man in jedem Falle Reime, die wir in Versen der eigenen Sprache verwenden, aus dem hervorragenden Gedicht verbannen kann" (posse utique rhythmos quibus in vernaculis versibus utimur, a praecellentissimo poemate exulare), und somit den Weg gewiesen, auf dem "unseren Zeiten der epische Poet, wie der die Alten überragende" (nostra tempora poeta epicus, ceu veteres excellens), endlich wiedergegeben werden könne. Mit Hudemanns Lob, das trotz seiner gewiß Uberspitzten Formulierung vielversprechend klingt, bricht zugleich die zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Dichter, noch ehe sie recht begonnen hat, wieder ab, und fast anderthalb Dezennien lang wird seiner von den Autoren nicht mehr gedacht, während andererseits kaum ein Jahr vergeht, in dem nicht zumindest an einer Stelle auf den Publizisten Bezug genommen wird. Schon 1702 hatte ein von dem Helmstedter Professor für Geschichte und Poesie Hermann Dieterich Meibomius ' verfaßtes "Programme publicis In notitiam Regnorum et Rerum8) Wilhelmus Ludovicus Hudemann: Poeticam Veterem Romanam aeque ac Graecam [...] Praeside Sebastiano Kortholto, Poes. Profess. Ordin. A Contemptu Scriptoris Parrhasianorum die Sept. Anni Μ DCC III. publice vindicabit Wilhelmus Ludovicus Hudemann. - Kilonii, Typis Bartholdi Reutheri, Acad. Typogr. (Exemplar der Landesbibliothek Kiel, Sign. L 793, 607 - 1936). 9) Zur Person waren keine näheren Angaben auffindbar. 10) Hudemann, Poeticam veterem, S.35; ff. Zitate ebd. 11) 1671 - 1745, vgl. Jöcher.

194

Der K a m p f um Anerkennung

publicarum Europae" an M i l t o n s "destruktive Verteidigung" 12) (defensionem destructivam) ' erinnert. Im J a h r darauf nannte der V e r f a s s e r der "Lebens-Beschreibung

etlicher

H a u p t g e l e h r t e n Männer", als 1 3) er die Vita des Salmasius w i e dergab, den "von Milton" ' einen "Ertz Scopticus", der dem Salmasius "viel zu schaffen" gemacht u n d ihn "nur im Schimpff" gebracht habe, wiewohl andererseits n i c h t geleugnet w e r d e n könne, daß er "ein guter Jurist"

gewesen

sei u n d die E n g l ä n d e r so erfolgreich verteidigte,

"daß

ihre p r o c e d u r e n m i t ihrem K ö n i g nach ihren fundamental Gesetzen allerdings k ö n t e n gebilliget werden". D e s g l e i 14) chen ging der J e n a e r Professor B u r k a r d Gotthelf Struve in seiner erstmals 1704 und später oft neu aufgelegten "Bibliotheca Philosophica" ausführlich 15) auf Miltons "eicentiimlichen Traktat" (peculari tractatu) ein, als er im siebten K a p i t e l dieses bibliographischen W e r k e s auf jene A u t o r e n zu sprechen kam, die als M o n a r c h o m a c h e n "die M a j e stät der h ö c h s t e n F ü r s t e n bekämpfen" (Principum maiestatem impugant). A n "Bildung"

summorum

(eruditione) sei M i l t o n

seinem h o l l ä n d i s c h e n G e g n e r zwar u n t e r l e g e n gewesen, doch n i c h t an pragmatischem Urteilsvermögen"

"je-

(non aeque

iudicio pragmatico), zumal seine Argumente sehr "ansehnlich" (speciosa) seien. D e n n o c h habe er große S c h u l d auf sich geladen, "weil er sagt, die H e r r s c h a f t K a r l s I. sei tyrannisch"

(quod Caroli I. Imperium dicat esse tyranni-

cum), w e n n ihm u n g e a c h t e t der p o l i t i s c h e n Begründung auch zugestanden w e r d e n m ü s s e , daß er seine Sache "sehr gut" (optime) gemacht habe. 12) H e r m a n n i D i e t e r i c i M e i b o m i i Programma publicis I n notitiam Regnorum et Rerumpublicarum Europae p r a e l e c t i o n i bus praemissum in q u a simul De Anglicanae Historiae p e r i odis et p r a e c i p u i s Scriptoribus disseritur. - Helmestadi. Typis Georg-Wolffgangi H a m m i i A c a d . Typogr. Anno 1702. (Exemplar des B r i t i s c h e n M u s e u m s , Sign. G.3903(2.).).S. 19. 13) A d o l p h Clarmundus: Vitae Clarissimorum in re l i t e raria V i r o r u m . D a s ist: L e b e n s - B e s c h r e i b u n g etlicher H a u p t g e l e h r t e n M ä n n e r / so v o n der L i t e r a t u r p r o f e s s g e macht. [...]. - W i t t e n b e r g / Verlegts C h r i s t i a n Gottlieb L u d w i g / 1703. (Exemplar der U B M a r b u r g , Sign. V l l n C 1283z). S.1l6f.; ff. Zitate ebd. 14) 1671 - 1738, vgl. ADB. 15) B u r c a r d i Gotthelffi Struvii B i b l i o t h e c a Philosophica

Gryphii "Apparatus"

195

Sechs Jahre später häufen sich erneut die Zeugnisse, die auf das W i r k e n des Defensors verweisen: Fast zur selben Zeit, als in der Leipziger "Neuen Bibliothec" die M e i nung vertreten wird, "daß des Miltoni defensio pro populo Anglicano von dem Autore n u r in Englischer Sprache geschrieben / von Pierre du M o u l i n aber ins Lateinische 16) 17) übersetzet worden" ' sei, rezensiert Christian Gryphius, ' Sohn des Andreas Gryphius, in seinem über die Geschichtsschreiber des siebzehnten Jahrhunderts handelnden "Apparatus" die Schriften, die im Zusammenhang m i t der Hinrichtung Karls I. geschrieben wurden, und lobt Milton, weil er "als einziger in diesem Jahrhundert unter den Engländern sehr gut lateinisch schrieb" (unus omnium optime hoc Λ Ω

seculo inter Anglos latine scripsit).

\

' In der Sache kann

er ihm allerdings nicht zustimmen, sondern bemerkt vielmehr, daß der Defensor "gewissermaßen v o n Gott seine Strafe erhalten habe" (divinitus quasi punitum f u i s s e ) , ^ )

da

er nicht nur seine Sehkraft einbüßte, sondern im Großen Brand von 1666 auch alle "Häuser" (aedes) sowie 2000 B ü cher verlor. - Ähnlich differenziert ist das ebenfalls aus dem Jahre 1710 überlieferte Urteil des Hamburger Theologiestudenten Caspar Petrus v o n

S c h w o l l , ^ ^ w e n n er in

seiner Disputation "Carcerem Eruditorum Museum" die Rede auf die angeblich während der Gefangenschaft des englischen Königs entstandene Schrift "Eicon Basilicon" bringt und darauf verweist, daß Milton, "ausgerüstet mit οgeeig* \ neten Argumenten" (idoneis argumentis instructus), ' zuin suas Classes distributa. - Ienae Apud Ern. Claudium Bailliar Μ DCC IV (Exemplar der Bayer. Staatsbibliothek, Sign. H.Lit.U.276 C). S.178f.; ff. Zitate ebd. 16) Neue Bibliothec Oder Nachricht und Urtheile von neuen Büchern U n d allerhand zur Gelehrsamkeit dienenden Sachen. Sechstes Stück. - Franckf. u n d Leipzig. An. 1710. Zu finden in der Rengerischen Buchhandl. (Exemplar der Landesbibliothek Darmstadt, Sign. Zs 2521). S.472. 17) 1649 - 1706, vgl. ADB. 18) Christiani Gryphii Apparatus sive Dissertatio Isagogica De Scriptoribus Historiam Seculi XVII Illustrantibus. - Lipsiae, Apud Thomam Fritsch, Μ DCC X. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 274. a. 1.). S.333. 19) Gryphii Apparatus, S.335; f. Zitat ebd. 20) 1692 - 1727, vgl. Zedier.

196

Der Kampf um Anerkennung

erst in "Eiconoclastes" und dann in der "Defensio Secunda" dessen Autorschaft in Zweifel gezogen habe. ; Obendrein anerkennt er Miltons "Sorgfalt" (diligentia) und zeichnet von ihm das Bild eines "sehr scharfsinnigen Mannes" (acutissimi Viri), nicht ohne jedoch einschränkend hinzuzufügen, daß er "seine Begabung und seinen Fleiß öfter mißbrauchte" (ingenio et industria saepius abusi). Uber dem Verteidiger des Königsmordes wird indessen der Autor der Ehescheidungstraktate keineswegs vergessen. So rühmt ihn der Verfasser einer 1705 in Leipzig erschienenen Dissertation, die "Von den bösen Weibern der Gelehrten" handelt, er sei "seit langem die Zierde Englands" (Angliae olim decus), 2 2 ^ weil er, nachdem seine Gattin ihn verlassen hatte, "das Urbild der am ehesten mit der Begabung des weisen Mannes und des Literaten übereinstimmenden Ehefrau" (ideam mulieris viri sapientis et literati genio potissimum congruentis) formte, und eben diese Bemerkung von der "Zierde Englands" wird auch in eine Rezension des genannten Werkes übernommen, die sich im Jahr darauf in der Ham23) burger Zeitschrift "Nova Literaria Qermaniae" ' abgedruckt findet. Gleichwohl kann kein Zweifel darüber bestehen, daß es allein Universitätskreise sind, die sich mit Miltons Ehescheidungstraktaten auseinandersetzen. Das beweist nicht zuletzt das auf Vorlesungsmanuskripten beruhende "Collegium 21) Caspar Petrus v. Schwoll (Resp.): Carcerem Eruditorum Museum [...], Praeside Io. Christophoro Wolfio [...] Ipsis Nonis Aprilis A.R.S. Μ DCC X. Aperiet et Eruditis Contemplandum Sistet Respondens Auetor Caspar Petrus von Schwoll Hamb. - Vittembergae, Literis Christiani Gerdesii. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 731.f.5.(16).). S.22; ff. Zitate ebd. 22) Gottlob Matthaei: Dissertatio Historico-Moralis de Malis Eruditorum Uxoribus / Von den bösen Weibern der Gelehrten / Quam [...] in Academia Lipsiensi Praeside M. Gottfr. Boettnero, Frid. Lusat. A d Diem XIX. Decembr. A. Μ DCC V. Publicae Eruditorum Ventilationi exponit Auetor Gottlob Matthaei, Laub. Lus. - Lipsiae, Literis Brandenburgerianis. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 8415. ccc. 44.). Bl. Β 2; f. Zitat ebd. 23) Nova Literaria Germaniae. Collecta Hamburgi, Anni Μ DCC VI. - Hamburgi, Lipsiae et Frankofurti 170b. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 896.h.10-14.). S.72.

Hochstetters "Collegium"

197

24) Pufendorfianum", ' das der Tübinger Professor für Theo25) logie Andreas Adam Hochstetter ' im Jahre 1710 herausgab und in dem er anläßlich des Kapitels "de matrimonio" auf 26) Miltons "großen Versuch" (magno conatu) ' eingeht, die Scheidungsfreiheit zu verfechten. In der Verwirklichung jener Forderung sieht Hochstetter freilich, wie schon vor ihm Pufendorf, ein "Merkmal für den verderbten Staat" (corruptae Reipublicae character), und er kann deshalb nicht umhin, Milton als "unglücklichen Anwalt der Scheidung" (infelix divortii Patronus) zu apostrophieren, der überdies dadurch "berüchtigt" (famosus) geworden sei, daß er, wie Hochstetter "bei den Engländern" (in Anglis) gehört haben will, "seine sechste Gattin" (sexta Conjuge) verstieß. Leicht abgewandelt findet sich diese Behauptung in den "Acta Eruditorum" vom April des gleichen Jahres wieder, als dort Hochstetters "Collegium" besprochen wird. Allerdings heißt es nun, Milton sei "nach Zurückweisung der sechsten Gattin bei den Engländern berühmt geworden auf Grund seiner literarischen Ausstrahlung" (repudiata sexta uxore in Anglis famosum esse ex litteraria peregrinatione ) ,27) ' " und zwei Jahre später spricht ein Rezensent im "Neuen Bücher-Saal der Gelehrten Welt" bereits von dem "bekannten Milton, der sich von sechs Weibern scheiden 28) lassen", ' so daß wir spätestens hier den Ursprung jener sensationellen Meldung sehen müssen, die, seit sie in Menckes "Gelehrten-Lexicon" Eingang gefunden hatte, für lange Zeit durch die Miltonliteratur geistern sollte. 24) Andreae Adami Hochstetteri Collegium Pufendorfianum, Super Libris Duobus de Officio Hominis et Civis,Anno Μ DCC. In Academia Tubingensi XII. Exercitationibus Institution. - Tubingae, Sumtibus Gottofredi Stollii, Bibliopolae, Anno Μ DCC X. (Exemplar der UB Tübingen, Sign.Ag 6) 25) 1668 - 1717, vgl. ADB. 26) Hochstetteri Collegium, S.410; ff. Zitate ebd. 27) Acta Eruditorum Anno Μ DCC X publicata, S.175. 28) Neuer Bücher-Saal der Gelehrten Welt, oder Ausführliche Nachrichten von allerhand Neuen Büchern und Andern Sachen so zur neuesten Historie der Gelehrsamkeit gehören. Die XVII. Öffnung. - Leipzig / Bey Joh.Ludwig GleditsCh und Moritz Georg Weidmann / 1712. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. PP. 4639.). S.343.

198

D e r K a m p f um Anerkennung

Eine weitere ausführliche Abhandlung, die sich mit M i l tons "Doctrine and Discipline of Divorce" beschäftigt, erschien 1715. In diesem J a h r publizierte J o h a n n Friedrich 29) Kayser aus Gießen seine Dissertation "De Jure Principis Evangelici circa D i v o r t l a " , ^ ^ die, ihrer Uberliefe31) rung-^ ' nach zu urteilen, eine gewisse Bedeutung erlangt haben muß. Gleich zu Anfang, nachdem eine Definition der Ehescheidung gegeben w o r d e n ist, w i r d M i l t o n erwähnt, u n d zwar ohne jede Einführung, w a s dafür spricht, daß sein Name in diesem Zusammenhang als völlig bekannt vorausgesetzt werden darf, zumal er ebenso selbstverständlich gesetzt w i r d wie etwa der Name Luthers, Grotius' oder Calixtus'. Natürlich w e i ß Kayser, daß "die Meinung Miltons allgemein verrissen wird" (Miltoni sententia communiter vapulet);·^^ aber er wendet dennoch ein , der Fall sei "keineswegs leicht oder nichtig zu beurteilen" (non omnino levem aut de nihilo prosus iudicandam esse), u n d m a n könne sehr wohl Argumente finden, die "für Milton" (pro Miltono)

sprächen.

U m aber den Lesern dessen Meinung besser begreiflich zu machen, referiert er im folgenden über mehrere Seiten hinw e g die Argumente aus der "Doctrine", so, wie er sie bei Pufendorf fand - denn ein eigenes Exemplar stand auch ihm nicht zur Verfügung - , ehe er daran die Forderung nach einem Gesetz anknüpft, "daß die Erlaubnis zur Scheidung w e g e n irgendeiner Ungleichheit der Sitten uneingeschränkt zu gewähren sei" (de divortiorum licentia indefinire concedenda, ob morum quamcunque d i s s i m i l i t u d i n e m ) , ^ ^

u n d auf

solche Weise Miltons Ideen gleichsam in die Gegenwart fortzuführen trachtet. 29) 1685 - 1751, vgl. ADB. 30) Ioannes Fridericus Kayser: Dissertatio Inauguralis Juridica De Jure Principis Evangelici circa Divortia,Quam [...] In Auditorio Maiori, A d d. XXI. Septembr. Μ DCC XV. Publico Eruditorum Examini Sübmittlt Auetor Joannes Fridericus Kayser / Giessa-Hassus.. - Halae Magdeb. Typis Io. Gruneri, Acad. Typogr. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XVIIIa Β 2325). 31) Allein die UB Marburg besitzt sechs Exemplare davon, während zwei weitere als vermißt gelten. 32) Kayser, De Jure Principis, S.62; ff. Zitate ebd. 33) Ebda. S.65.

Urteile aus Gelehrtenzeitschriften

199

Dennoch sollte die Diskussion um den Verfasser der Ehescheidungstraktate mit Kaysers Publikation ihr Ende finden, wie auch das Interesse an dem Defensor seit 1710 in der zeitgenössischen Literatur stark zurückgegangen war, 34) so daß die 1716 in Johann Heinrich Ackers "Commentatio de Monarchomachis et Antimonarchomachis" gegen Milton gerichteten Angriffe, der "Hauptverteidiger der meuchelmörderischen Lehre" (praecipuus parricidalis doctrinae assertor)^^

gewesen und mit "verpesteten" (pestiveris) Schrif-

ten an die Öffentlichkeit getreten zu sein, in diesem Zusammenhang bereits eines der letzten Zeugnisse aus dem ersten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts darstellen. Vier Jahre später stand der Defensor den Zeitgenossen schon so fern, daß sein Fall in aller Breite abgehandelt werden mußte, um der Leserschaft überhaupt ein ausreichendes Maß an Information zu gewährleisten: 1720 druckten die "Miscellanea Lipsiensia"

eine Betrachtung "Inter Defen-

sorem bonae causae malum, et malae causae371bonum" ab, deren Verfasser, der Schulrektor Martin Adelt, ' neben einer Vielzahl anderer Beispiele Miltons Streit mit Salmasius anführt und dem Engländer konzediert, seine Meinung mit großem "Aufwand an Gelehrsamkeit" (Eruditionis Apparatu)^®^ verteidigt zu haben, obschon er ein Mann "von viel geringerem Ruhm" (multo minoris Famae) als Salmasius gewesen sei. Trotzdem habe er für eine "ungerechte Sache" (Rem injustam) gekämpft und unter umgekehrtem Vorzeichen somit den gleichen Effekt erzielt wie der weniger gute Verteidiger Salmasius, so daß im Grunde beide Männer "die beste 34) 1680 - 1759, vgl. ADB. 35) Io.Henrici Ackeri Commentatio De Monarchomachis et Antimonarchomachis. - Rudolstadii In Officina Gollneriana. Μ DCC XVI. (Exemplar der Landesbibliothek Halle, Sign. Fe 2637). S.19; f. Zitat ebd. 36) Miscellanea Lipsiensia, A d Incrementum Rei Litterariae Edita. Tomus IX. - Lipsiae, Sumpt. Heraedum Lanckisianorum, Μ DCC XX. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. PP. 4885). 37) 1686 - 1772, vgl. Jöcher. 38) Miscellanea Lipsiensia, S.120; ff. Zitate ebd..

200

D e r K a m p f um Anerkennung

Sache Karls dem Volke verhaßt machten" (Optimam Caroli Causam exosam redderent Populo). - Voller Ressentiments gegenüber dem Defensor ist schließlich ein Rezensent der "Acta Eruditorum", der im November desselben Jahres im Verlauf einer Besprechung der v o n dem englischen T h e o l o gen Laurence Echart vorgelegten "History of England"

(Lon-

don 1707 resp. 1718) M i l t o n seiner umstrittenen Schriften w e g e n einer Erwähnung überhaupt nicht für würdig hält und dieser Verachtung noch eigens dadurch Ausdruck verleiht, daß er sie i n die endgültig den Schlußpunkt unter die A u s einandersetzung u m den Verteidiger des Königsmordes setzenden Worte faßt: "Wir verschweigen J o h n Milton, v o n dem einige Bücher auf öffentlichen Beschluß nach der W i e d e r einsetzung Karls II. dem Feuer übergeben wurden"

(tacemus

Jo. Miltonum, cujus libri aliqui publicato decreto, post restitutum Carolum II, igne cremati sunt).·^^ Unterdessen hatten 1717, dem Anschein nach ganz unvermittelt, im deutschsprachigen Zeitschriftenwesen mehrere Stimmen eingesetzt, die v o n neuem auf das poetische W e r k des Engländers aufmerksam machten. Damals erlebten die Journale ihre erste Blütezeit; ihre Zahl w a r im In- u n d Ausland bereits so stark angewachsen, daß, wie der H e r a u s geber der "Ersten Nachlese der neuen Bibliothec" in seiner Vorrede darlegt, es sich als notwendig erwies, Extrakte aus "fremden u n d einheimischen Journals in einem eigenen hierzu gewidmeten W e r c k e / v o n Zeit zu Zeit / in teutscher Sprache [...] m i t z u t h e i l e n " u n d

so entstand die

vorliegende "Nachlese", die schon in ihrem ersten Band, im Verlauf eines Auszuges aus dem im H a a g erscheinenden "Journale Literaire", mehrmals auf J o h n M i l t o n zurückkommt. Der Anlaß, sich stärker mit dem Dichter zu befassen, geht 39) Acta Eruditorum Anno Μ DCC XX publicata, S.487. 40) Erste Nachlese der neuen Bibliothec Oder Auszüge Aller / sowohl ausländischen als einheimischen [ ... ] G e lehrten Journals und Neuigkeiten von Gelehrten Sachen. Franckfurt und Leipzig A. 1717. Vorrede. S.5. (Exemplar der Stadtbibliothek Augsburg, Sign. 37.).

201

Urteile aus Gelehrtenzeitschriften

folglich von Holland aus, das, seiner Nähe zu England w e gen, schon immer eine BrUckenfunktion ausübte u n d selbst bei der Vermittlung der "Defensio" das Bindeglied gewesen war. G e n a u gesehen erfolgt die Hinwendung zu Milton deshalb keineswegs so unvermittelt, wie es der deutsche L e ser auf den ersten Blick annehmen mußte, da vielmehr die Rezeption des poetischen Werkes in holländischen und französischen Publikationen schon seit längerer Zeit im Gange gewesen war, ehe sie jetzt über das deutschsprachige Zeitschriftenwesen auch in unser Land hinein zu wirken beginn e n konnte. Eine Rezension von Popes Ubersetzung der "Iliade" gibt der "Nachlese" erstmals Gelegenheit, M i l t o n als Dichter anzuführen, als der Rezensent seiner Verwunderung darüber Ausdruck gibt, daß Pope "sich nicht der Freyheit des M i l ton bedienet, Verse ohne Reimen zu machen".

^Gleichzeitig

zitiert er aus der Vorrede des Übersetzers, in Homer brenne ein Feuer "ebenso natürlich und lebendig, als wenig m a n ihm widerstehen kan", während es in M i l t o n "durch die Kunst, als in einem Ofen unterhalten" werde und in Shakei±2)

speare "unvermuthet als ein Donner"

' schlage. Freilich

bedurfte es zur Person der beiden letztgenannten Dichter einer erklärenden Anmerkung - der einzigen übrigens in der ganzen Rezension - , da vorauszusehen war, daß deren Namen kaum einem Leser geläufig waren, und so fährt der Rezensent fort: "Milton und Shakespear sind zwey Englische Poeten davon der eine in Helden- und der andere in Theatralischen Gedichten excelliret hat". - Wenige Seiten weiter

J

' kehrt

Miltons Name in einer aus der ebenfalls in Amsterdam erscheinenden "Bibliotheque Angloise" übernommenen Rezension v o n Richard Blackmores "Essays upon several subjects" w i e der, als der darin enthaltene "Versuch von dem Helden G e dichte" kurz angezeigt und in Zusammenhang damit "die V o r trefflichkeit v o n des Miltons verlohrnem Paradieß" hervor41) Erste Nachlese der neuen Bibliothec, S.135. Ebda. S.136; f. Zitat ebd. Ebda. S.246; ff. Zitate ebd.

202

D e r Kampf um Anerkennung

gehoben wird, während zudem über dessen Aufnahme verlautet, daß die Engländer den Rang jenes Epos "lange Zeit nicht erkant" hätten, bis sie endlich "durch daßelbe und des P. Le Bossu tractat sich aufmuntern laßen / die Regeln dieser Art v o n Poesie zu studieren". - Wieder aus dem "Journale Literaire" stammt der Auszug einer "Dissertation von der englischen Poesie", den die "Neue Bibliothec" vom Jahre 1717 zum Abdruck bringt. In jener "Dissertation" hatte ein ungenannt gebliebener Autor die Qualitäten der Engländer und Franzosen gegeneinander abzuwägen gesucht, wobei er "den Engeländern in ernsthafften und nützlichen / den Frantzosen aber in lustigen und sinnreichen Dingen den 44) Vorzug" gab und unter den "berühmtesten Englischen Poe45) ten" ' J o h n Milton mit seinem heroischen Gedicht anführte. Während im Original jedoch die Darstellung des "Paradise Lost", "le chef d 1 o e u v r e des Anglois en matidre d'Ep o p e e " , ^ ^ mehr als zehn Seiten in Anspruch genommen hatte, schrumpft sie in der deutschen Version zu der unscheinba-47) ren Aussage zusammen, daß die Engländer "in Genere Epico" ' besser seien als die Franzosen, zumal "des Miltons verlohrnes Paradis gantz unvergleichlich schön ist". Einem solchen Paus'chalurteil konnten die zeitgenössischen Leser natürlich nicht viel entnehmen, aber es mochte doch zumindest ihr Interesse wecken, wie denn überhaupt durch derartige Aussagen die Aufnahme des poetischen Werkes vorbereitet werden sollte. Ähnlich lobend äußern sich die "Acta Eruditorum", als sie 1717 Henry Feitons "Dissertation on Readitig the Classics" rezensieren, die bereits 1712 in London verlegt worden war. Getreu ihrer Tradition als altehrwürdiges Referatenorgan sind sie in ihrer Wertung allerdings viel zurück44) Neue Bibliothec, Vier und sechtzigstes Stück, A. 1717, S.579. 45) Ebda. S.585. 46) Vgl. Journal Literaire De L'Annee Μ DCC XVII. Tome Neuviäme. Premiere Partie. - Α La Haye, Chez Τ. Johnson. Μ DCC XVII. S.178. 47) Neue Bibliothec, Vier und sechtzigstes Stück, S. 588; f. Zitat ebd.

203

Urteile aus Gelehrtenzeitschriften

haltender als andere Journale. Eine eigene Stellungnahme gibt der Rezensent deshalb nicht ab, sondern referiert lediglich, was

er in Feitons W e r k über den Dichter des

"Paradise Lost" gelesen hatte, der "an Majestät im Denken und Glanz der Diktion höher als Homer und Vergil gehalten werde" (Homero et Virgilio majestate cogitationis et nito48} re dictionis superior habeatur). ' Milton berichte nichts, "als was der Heiligen Schrift genehm ist" (non nisi sacris literis acceptum referre) und erfülle somit aufs beste die Forderung, daß m a n in allen "edleren und ernsthafteren A n liegen,besonders in heiligen und göttlichen, im Verhältnis zur Würde und Majestät der Dinge gerecht denken und schreiben solle" (in nobilioribus et gravioribus argumentis, sacris praesertim atque divinis, pro dignitate et majestate rerum cogitandum aeque ac scribendum esse). Gleichzeitig erbringe er den Beweis, daß die Schriftsteller der Antike viel leichter in einer lebenden als in einer toten Sprache übertroffen werden könnten, und von daher seien seine englischen Gedichte auch "den lateinischen, obgleich diese ebenso hervorragend sind, bei weitem vorzuziehen"

(Latinis,

licet pariter praestantibus, multum sint praeferenda) Die Frage w a r nur, w a n n die hiesige Leserschaft Miltons englische Gedichte jemals zu Gesicht bekommen sollte. H i e r für aber standen die Chancen noch immer sehr schlecht, zumal die "Neuen Zeitungen" vom 12.März 1718 aus Amsterdam berichteten, daß die dortigen "Nouvelles de la Republique des Lettres" zwar siebzig Diskurse aus Addisons "Spectator" übernommen, aber doch viele andere aus dem englischen O r i ginal weggelassen hätten, darunter in erster Linie "unterschiedene wieder das Gedicht des Englischen Poeten Miltons, das verlohrne Paradies genannt, weil solches wohl schwehrlich iemahls dörffte übersetzt werden". 48) Actorum Eruditorum, Quae Lipsiae publicantur,Supplementa. Tomus V I . [...]. Α. Μ DCC XVII. S.469; ff.Zitate ebd. 49) Ebda. S.470. 50) Neue Zeitungen v o n Gelehrten Sachen auf das Jahr Μ DCCXVIII. Erster Theil. [...]. - Leipzig, Bey Joh. Christian Martini. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XX C 345). S.167.

204

Der Kampf um Anerkennung

Eine Begründung für diese überraschende Behauptung w i r d nicht gegeben, und fast möchte es scheinen, als solle dem "Paradise Lost" jedweder Rang abgesprochen werden, stünden dem nicht die anderwärts ständig zunehmenden Lobpreisungen des Epos entgegen. Welcher A r t die Schwierigkeiten in W i r k lichkeit waren, macht denn auch die deutsche Ausgabe von Addisons moralischer Wochenschrift deutlich, deren erste Bände seit 1721 auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig unter dem französische Vermittlung nicht verleugnenden Titel "Der Spectateur Oder Vernünftige Betrachtungen Uber die verderbten Sitten der heutigen Welt" angeboten wurden, während der dritte und letzte Band mit vierjähriger V e r spätung 1725 nachfolgte, ohne daß er allerdings, wie es an sich zu erwarten gewesen wäre, die auf Milton bezüglichen Diskurse enthielt. Zwar w i r d im Vorwort die "scharffsinnige u n d wohl ausgeführte Critic über das berühmte G e dichte des Miltons, so den Titul führet: Das verlohrne P a 51) radieß",

' erwähnt; ihr Fehlen hingegen mit dem faden-

scheinigen Argument gerechtfertigt, es dürfe die Leser w e nig interessieren, der Länge nach mit einer Sache konfrontiert zu werden, "die ihnen unbekannt ist". Ebensowenig sei einzusehen, welchen praktischen Nutzen sie daraus zieh e n könnten, um so mehr als "besagtes Poetische Werck niemahls in unsere Sprache übersetzet worden" sei und nicht einmal die Aussicht bestünde, daß es in Kürze "wird übersetzet werden". Die Existenz des "Verlustigten Paradeises" ist dem Herausgeber folglich fremd geblieben. Doch selbst w e n n Berges Ubersetzung ihm zu Gesicht gekommen wäre, hätte er kaum Anlaß gehabt, seine Ansicht zu ändern, daß es "sehr schwer, ich will nicht sagen, gantz und gar unmöglich" sei, auch nur einige Verse aus dem "Paradise Lost" adäquat w i e derzugeben. Sprachliche Gründe sind demnach letzten Endes dafür verantwortlich zu machen, w e n n die Leserschaft der 51) D e r Spectateur Oder Vernünftige Betrachtungen über die verderbten Sitten der heutigen Welt. Dritter Theil. Franckfurt und Leipzig Bey Christoph Riegeln. Anno 1725. (Exemplar der UB Erlangen, Sign. R.L. 65b). Bl. 2f; ff. Zitate ebd.

Urteile aus Gelehrtenzeitschriften

205

Zeit noch immer keine genaueren Nachrichten Uber Miltons Epos erlangen konnte, sondern sich stattdessen wiederum mit der in einer Anmerkung versteckten Erklärung begnügen 52) mußte, daß "das verlohrne Paradieß" ' von "Verständigen" höher geachtet werde als das im Anschluß an es entstandene "wiedergefundene Paradieß" und man deswegen sage, "Milton seye gut im erstem Gedicht / nicht aber im letztern". In der einen oder anderen Form ist uns dieses Urteil über das wechselseitige Verhältnis der großen Altersdichtungen schon mehrfach begegnet. Häufig zitiert, scheint es sich damals in ähnlicher Weise zum geflügelten Wort entwikkelt zu haben wie einige Jahrzehnte zuvor jener von Heinsius geprägte Vergleich, der das Wirken des Defensors betraf. Aber auch sonst haben beide Aussprüche vieles gemeinsam, nicht nur, weil sie ganz im Vordergründigen verharren und von daher statt fundierter Kritik vielmehr Gemeinplätze verkünden, sondern auch, Weil jeder von ihnen die für seinen Bereich jeweils am ehesten verfügbare Charakteristik darstellt, deren Informationswert freilich hier so gering ist wie dort. Was im siebzehnten Jahrhundert somit anfangs für das Bild des Publizisten galt, trifft demzufolge entsprechend zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts für das Bild des Dichters zu, daß es sich vorerst nämlich in der Wiedergabe allgemeiner Züge erschöpft und in seiner Abstraktheit nicht vermag, den Lesern, die gezwungenermaßen auf den Text verzichten mußten, eine eindeutige Vorstellung von Wesen und Wert des Miltonschen Werkes zu vermitteln. Nicht viel anders verhält es sich mit dem Versuch einer Wertung des Engländers, der im März des Jahres 1722 gleichzeitig von den "Acta Eruditorum" und den Leipziger "Neuen Zeitungen" abgedruckt wird. Im Verlauf einer Rezension der aus akademischen Übungen hervorgegangenen "Praelectiones Poeticae" des Oxforder Professors Joseph Trapp heißt es 52) Der Spectateur Oder Vernünftige Betrachtungen über die verderbten Sitten der heutigen Welt. [Erster Theil]. Franckfurt und Leipzig, Bey Christoph Riegel. 1721. S.183; ff. Zitate ebd. 53) Acta Eruditorum Anno Μ DCC XXII publicata, S.129.

206

Der Kampf um Anerkennung

dort, unter den Verfassern von Heldengedichten sei Milton "allen vorzuziehen und weder Homero noch Virgilio nachzu54) setzen". ' Chaucer, Tasso und Spenser hätten sämtlich ihre "Fehler"; Milton allein aber verdiene den Namen des Ependichters, denn "er folgt nicht bloß den Alten, sondern hat immer etwas neues". Konkretere Aussagen als diese finden sich hingegen in einer 1725 erschienenen "Anleitung zur Poesie", deren Ausführungen auch insofern interessant sind, als sie Publizist und Dichter nicht voneinander trennen, sondern als Einheit zu sehen trachten, indem sie darauf verweisen,daß Milton, der "zu Cromwels Zeiten gelebet, und dessen geheimder Secretarius g e w e s e n " , s i c h

dadurch ebenso bekannt

machte wie "durch sein verlustigtes Paradieß". Allerdings stelle sein "Carmen e p i c u m " , " ^

genau betrachtet,

"eigent-

lich kein Helden-Gedichte" dar, "weil Adam und Eva fallen, und nicht in der Heroischen Action zu Ende beharren". A b gesehen davon müsse man ihm jedoch zubilligen, daß sein Werk "von ziemlicher Erfindung" sei, obwohl er es "sehr hoch und tieffsinnig" abgefaßt habe und darin so recht "nach der Englischen Art" vorgegangen sei. Zwei Jahre später macht erstmals jener Kann auf den Dichter aufmerksam, der zum eigentlichen Wortführer der Miltonrezeption in Deutschland werden sollte: Johann Jacob Bod571 mer. ' Seit 1720 hatte er, unbemerkt von der Öffentlichkeit, sich mit dem "Paradise Lost" beschäftigt und zwischen dem 15.September 1723 und dem 7.Mai 1 7 2 5 " ^ eine Übersetzung 54) Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen auf das Jahr MDCCXXII, S.188; ff. Zitate ebd. 55) Anleitung zur Poesie / Darinnen ihr Ursprung / W a c h s thum / Beschaffenheit und rechter Gebrauch untersuchet und gezeiget wird. - Breßlau, Bey Michael Hubert, 1725. (Exemplar der UB Göttingen, Sign. Aesthet. 5097). S.70; f. Zitat ebd. 56) Ebda. S.153; ff. Zitate ebd. 57) 1698 - 1783, vgl. ADB. 58) Diese Daten gehen aus Bodmers Eintragungen in sein Handexemplar von "Johann Miltons Verlust des Paradieses" hervor, das die Zentralbibliothek Zürich unter der Signatur III 304 aufbewahrt. D e r dortigen Bibliotheksleitung danken wir für die frdl. Übersendung der Ablichtungen.

Nilton und Bodmer

207

angefertigt. Noch w a r der "Verlust des Paradieses" nicht gedruckt; aber die Begeisterung, die Bodmer dem Engländer gegenüber hegte, schlug sich auch in allen seinen übrigen Publikationen aus jener Zeit nieder und begann somit erste Spuren in unserem Lande zu ziehen: Zusammen mit Breitinger"^

legte er 1727 die Schrift "Von dem Einfluß und Ge-

brauche Der Einbildungs-Krafft" vor, in der er gleich auf den ersten Seiten des Vorwortes an den "Poeten M i l t o n " ^ ^ erinnert, "der leiden müssen / daß sein verlohrnes Paradies eine lange Zeit unerkant und ungelesen bliebe", bis endlich "ein vornehmer Kenner" die Engländer gelehrt habe, "dieses Meister-Stück ihrer Poeten" hochzuschätzen, und es seitdem "die allgemeine Lust der Nation" geworden sei. Das gleiche erhoffte Bodmer auch für Deutschland, und deshalb hätte er es sehr begrüßt, wie er im folgenden Jahr in seiner anonym veröffentlichten "Anklagung Des verderbten Geschmackes" schreibt, w e n n der "Spectateur" die "Critick über das verlohrne Paradiß"^''^ enthalten hätte, konnte doch durch eben diese Kritik "die Trefflichkeit des Werckes kund gemachet und ein Ubersetzer angefrischet werden". Aber dafür war die Zeit noch nicht gekommen, obwohl sich gegen Ende der zwanziger Jahre die Anzeichen mehren, daß der Name des Dichters nun in breitere Kreise zu dringen begann. Nach einer jahrzehntelangen vorbereitenden Phase näherte sich die Diskussion um sein Werk jenem Punkt, von dem aus der Durchbruch gelingen sollte, der das "Paradise Lost" in Deutschland "zum literarischen Erlebnis"^ 2 ^ werden ließ. Als G o t t s c h e d ^

1728 in der deutschen Gesellschaft zu Leip-

59) 1701 - 1776, vgl. ADB. 60) [Johann Jacob Bodmer und Johann Jacob Breitinger:] Von dem Einfluß und Gebrauche Der Einbildungs-Krafft; Zur Ausbesserung des Geschmackes: Oder Genaue Untersuchung A l ler Arten Beschreibungen [...]. - Franckfurt und Leipzig 1727. (Exemplar der UB Göttingen, Sign. Aesthet. 2017). Bl. A 4: ff. Zitate ebd. 61) [Johann Jacob Bodmer:] Anklagung Des verderbten Geschmackes. - Franckfurt und Leipzig 1728. (Exemplar der UB Göttingen, Sign. 8 Scr.var.arg. II, 4105). S.11. f. Zitat ebd. 62) Pizzo, Miltons Verlornes Paradies, S.1. 63) 1700 - 1766, vgl. ADB.

208

Der Kampf um Anerkennung

zig fragte, "wem ist es unbekannt, daß Miltons verlohrnes Paradies, eines der besten Heldengedichte, so in neuern Zeiten geschrieben worden, durchgehends aus ungereimten 64) Versen besteht?", ' sprach er noch für eine Minderheit. Dennoch trug er selbst dazu bei, die Aufmerksamkeit der Leserschaft auf den Engländer zu lenken, als 65) er sich 1729 nämlich in seinem sofort "in alle Schichten" dringenden

66)

"Versuch einer Critischen Dichtkunst" ' an mehreren Stellen zugleich mit dem Autor des "Paradise Lost" auseinandersetzte, dem gegenüber er allerdings damals schon eine zwiespältige Haltung einnahm. Einerseits rühmt er ihn als einen Dichter, dem "wir noch nichts entgegen setzen können, so Stich h i e l t e " a n d e rerseits zählt er ihn bezeichnenderweise nicht zu den "Poeten von gutem Geschmacke"^®^, die den "jungen Leuten zur Nachfolge" zu empfehlen §eien. Der Grund dafür wird spätestens bei der Lektüre des sechsten Kapitels deutlich, das "Von der Wahrscheinlichkeit in der Poesie" handelt und in dem Gottsched dem Engländer eingangs vorwirft, sich "nicht 69) aller Fehler in diesem Stücke enthalten" ·" zu haben, "so große Fähigkeit er auch sonst" an den Tag gelegt habe.Dann erst geht er auf Detailfragen ein, wobei sich die Situation ergibt, daß die Leser zwar keine Inhaltsangabe des "Paradise Lost" vorfinden, sie aber dennoch mit einzelnen Aspek64) Johann Christoph Gottsched: Der Deutschen Gesellschaft in Leipzig Gesammelte Reden und Gedichte, Welche bey dem Eintritte und Abschiede ihrer Mitglieder pflegen abgelesen zu werden. [...]. - Leipzig, verlegts Bernhard Christoph Breitkopf, 1732. (Exemplar der Stadtbibliothek Braunschweig, Sign. I, 20/80). S.57f. 65) Vgl. Gustav Waniek: Gottsched und die deutsche Litteratur seiner Zeit. - Leipzig: Breitkopf und Härtel 1897. S.179. 66) Johann Christoph Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen; Darinnen erstlich die allgemeinen Regeln der Poesie, hernach alle besondere Gattungen der Gedichte, abgehandelt und mit Exempeln erläutert werden: [...]. - Leipzig 1730 [recte: 1729] Verlegts Bernhard Christoph Breitkopf. (Exemplar der TH Braunschweig, Sign. Za-82). 67) Gottsched, Critische Dichtkunst,S.73. 68) Ebda. S.109; f. Zitat ebd. 69) Ebda. S.177; f. Zitat ebd.

Milton und Gottsched

209

ten des Epos konfrontiert werden, die allesamt indessen eine negative Auslese darstellen. Am meisten angegriffen wird das Pandämonium, "das ist 70) der Ort, wo die Teufel mit einander zu Rathe gegangen". ' Nachdem die Heerscharen des Satans zuvor auf freiem Felde zusammengekommen waren, sei es unnütz, ein solches Gebäude zu errichten, und insbesondere die vielen Verzierungen daran, "als Karnießen und goldnen Blumen", schickten sich schon gar nicht "vor einen ernsthafften Milton". Noch toller aber sei, daß "sich alle seine Teufel in Zwerge verwandeln müssen, damit sie nur in dem gar zu engen Gebäude Platz finden mögen", während Luzifer selbst und die Fürsten der Hölle ihre natürliche Größe behielten. "Wenn das nicht das Lächerliche aufs höchste getrieben heist: so weiß ich nicht mehr, was wahrscheinliche oder unwahrscheinliche Erdichtungen seyn sollen". Die zweite Szene, die Gottsched aus seiner rationalistischen Einstellung heraus in einer Anmerkung verurteilt, ist Satans blutschänderischer Umgang mit der Sünde,dem der Tod entspringt, sowie dessen neue Blutschande mit seiner Mutter, die daraufhin "ein gantzes Schlangennest" gebiert. Der Leser möge selbst entscheiden, "ob eine so schmutzige und wahrhafftig abscheuliche Allegorie Wahrscheinlichkeit genug habe"; Jedenfalls sei nicht einzusehen, "warum die Sünde mit dem Tode noch einmahl verbotener Weise zuhalten 71) müssen". ' In der Sache selbst habe das keinen Grund und scheine von dem Poeten "nur zu Vergrößerung der Abscheulichkeiten ersonnen zu seyn", womit eben diese seine Fabel jedwede Ubereinstimmung mit der Wirklichkeit verliere. Alle "Thorheiten" auf inhaltlichem Gebiet, zu denen er außerdem das "Paradies der Narren" zählt, "wo die Mönche, Capuciner, Indulgentzien, Bullen und Reliquien auf den Flügeln des Windes herumspazieren", halten Gottsched allerdings nicht davon ab, immer wieder lobend auf die äußere Form des Heldengedichtes zu verweisen, das "ohn alle 70) Gottsched, Critische Dichtkunst,S.178; ff. Zitate ebd. 71) Ebda- S.179; ff. Zitate ebd.

210

Der Kampf um Anerkennung

Reime"^ 2 ^

geschrieben sei. In England habe Milton dafür

inzwischen "die Hochachtung seiner gantzen Nation erlanget".

Desgleichen beginne man ihm in Frankreich Beach-

tung zu schenken, zumal sein Epos dort erst "neulich ins frantzösische übersetzt heraus gekommen" sei. Aber auch in Deutschland sei es nicht unbekannt geblieben, wie w i r es denn "längst in unsrer S p r a c h e " ^

besäßen, "ob wohl

sich die Edition schon was rar gemacht". Gottscheds Hinweis auf Berges "Verlustigtes Paradeis", der auf die Zeitgenossen um so überraschender wirken mußte, als das Werk seit über fünfunddreißig Jahren in völlige Vergessenheit geraten war, fällt in eine Zeit, da das Interesse an Milton in den Nachbarländern Deutschlands ständig zunahm. Bei der engen Verflechtung der Kulturen konnte es natürlich nicht ausbleiben, daß die Journale über diese Entwicklung ausführlich berichteten, und so findet sich in den Gelehrtenzeitungen kurz vor der Publikation der Bodmerschen Ubersetzung eine solche Fülle von auf M i l t o n bezüglichen Nachrichten, daß dem hiesigen Lesepublikum der Name des Dichters dadurch nun endgültig v e r traut werden mußte. Bereits am 23.August 1728 hatten die "Neuen Zeitungen" aus London berichtet, daß der Italiener Paolo Rolli Subskriptionen zum Druck seiner Ubersetzung des "Paradise Lost" sammele, "welches Englische Gedicht bev den Engelländern in der grösten Hochachtung steht".

- Im folgen-

den J a h r gab der Amsterdamer Korrespondent anläßlich der Besprechung von Richardsons "Traite de la Peinture" der Erwartung Ausdruck, daß die in dem Traktat enthaltenen Z i tate aus dem "Paradise Lost" der "Übersetzung des gantzen Gedichts, die man nechstens zu hoffen hat, gewiß nicht nachtheilig s e y n " ^

werde, u n d rund ein Vierteljahr spä-

ter kann er dann aus Paris die Fertigstellung einer drei72) 73) 74) 75)

Gottsched, Critische Dichtkunst, S.312. Ebda. S.547; f. Zitat ebd. Ebda. S.548; f. Zitat ebd. Neue Zeitungen, 23.August 1728, S.655.

Urteile aus Gelehrtenzeitungen

211

bändigen Ausgabe des "Paradis perdu" melden, in der sich 77)

neben Miltons Biographie ein "weitläufftiger Extract" ' aus dessen Gedicht findet. Das Werk wird in den höchsten Tönen gelobt; es stelle einen "wunderbahren Schatz von Gelehrsamkeit" dar, weise einen "unvergleichlichen Reichthum der Einbildungskrafft" auf und enthalte eine "Krafft in den Ausdrücken, wie sonst nirgend anzutreffen", so daß man mit einem Wort sagen könne: "so vortheilhaffte Meynung man auch von dem berühmten Milton habe, so sey er doch überall Milton". Ende März des Jahres 1730 zeigt der Haager Korrespondent schon eine verbesserte und vermehrte Neuauflage dieser Edition an, "massen man leicht vermuhtet, daß der Bücher-Censor zu Paris vieles werde weggestrichen haben". Als Anlage sei von dem Übersetzer zudem "Herrn Constantin de Magnys Critick über dieses Miltonische Gedicht" beigefügt worden, deren Publikation eine Woche später^^ von dem Pariser Korrespondenten der "Neuen Zeitungen" nochmals bestätigt wird. Zur gleichen Zeit kündigt der Amsterdamer Korrespondent zwei holländische Übersetzungen an: die eine, "in ungebundenen Reimen durch Herrn van Zanten"®^ herausgegeben, stamme noch aus dem Jahr 1728, während die zweite, "in richtige Holländische Reime gebracht", soeben von einem anonymen Ubersetzer unter den Initialen L.P. vorgelegt worden sei, dessen Englischkenntnisse allerdings nicht so weit gereicht hätten, als daß er auf 'van Zantens Verse hätte verzichten können. - Mitte August erfolgt aus S1) London ' die Nachricht von einer verbesserten Neuauflage des "Paradise Lost", und im Oktober 1730 können die "Neuen Zeitungen" aus Verona mitteilen, daß der dortige Verleger Tussermani Rollis Übertragung "in Italiänische Verse" 8 2 ^ habe drucken lassen. - Zwei weitere Meldungen aus Paris 76} Neue Zeitungen, 24.November 1729, S.853. 77) Neue Zeitungen, 13.Mertz 1730, S.187; ff.Zitate ebd. 78) Neue Zeitungen, 27.Mertz 1730, S.220; f.Zitat ebd. 79) Neue Zeitungen, 3.April 1730, S.238. 80) Neue Zeitungen, 27.Mertz 1730, S.223; f.Zitat ebd. 81) Neue Zeitungen, 14.August 1730, S.561. 82) Neue Zeitungen, 30.Oktober 1730, S.764.

212

Der Kampf um Anerkennung

schließen sich an, die von einer französischen Ausgabe des "Paradise Regain'd" Kunde geben: am 30.November 1730 charakterisieren die "Neuen Zeitungen" die von dem Pater de Courbeville besorgte Edition als "nicht gar aufgewekket geschrieben" 8 ^, um dann hinzuzufügen, der Übersetzer habe "gemeynet, dieses Gedicht würde auch Liebhaber finden, da sich das verlohrne Paradies so beliebt gemacht", und am 11.Dezember tragen sie außerdem nach, daß der Band 84) neben dem "Paradise Regain'd" noch andere "Schrifften" ' des Engländers enthalte, nämlich "Lycidias, Allegro, Pensiero und eine Ode von der Geburth des Heylandes". Auch 1731 stehen die "Neuen Zeitungen" ganz im Zeichen der Miltoneditionen, wobei mehrfach8"'' auf Rollis "Paradiso perduto" Bezug genommen wird, ehe Ende Oktober überdies eine ausführliche Besprechung des "Paradis perdu" erfolgt, in der es allerdings weniger darum geht, die Ubersetzung kritisch zu betrachten, als vielmehr Miltons Epos selbst zu würdigen. Der Rezensent beginnt mit der Bemerkung, daß, wer immer gern "die Ursachen des Aufnehmens gewisser B ü c h e r " 8 ^ untersuche, seinen Scharfsinn an dem vorliegenden Werk erproben könne, das in England lange Zeit "verachtet und fast unbekannt" war, bis Addison in seinem "Spectator" auf die "verborgenen Schönheiten" aufmerksam machte, obwohl man sich des Verdachtes nicht erwehren könne, daß er "dieses Helden-Gedicht allzu sehr bewundert" hat. Wie es von der zeitgenössischen Kritik in Wahrheit beurteilt wurde, machen denn auch die folgenden Ausführungen deutlich, die an die seinerzeit heftige Diskussion der Frage erinnern, ob das "Paradise Lost" ein Heldengedicht sei oder nicht. Addison hatte dem Dilemma dadurch zu entgehen gesucht, daß er Miltons Epos als "Göttliches G e d i c h t " 8 ^ bezeichnete, während 83) 84) 85) 3.437. 86) 87)

Neue Zeitungen, 30.November 1730, S.844; f.Zitat ebd. Neue Zeitungen, 11.December 1730, S.877; f.Zitat ebd. Neue Zeitungen, 29.Mertz 1731, S.225; 21.Juni 1731, Neue Zeitungen, 29.Oktober 1731, S.762; ff.Zitate ebd. Neue Zeitungen, 29.Oktober 1731, S.763; ff.Zitate ebd.

Urteile aus Gelehrtenzeitungen

213

andere es vielmehr "ein teuflisches Gedicht beniehmen" wollten, weil Satan der wahre Held sei und im Mittelpunkt des Geschehens "seine listige Aufführung" stehe, "die ersten Eltern zu verführen". Nach Meinung des Rezensenten sind jedoch beide Seiten in ihren Forderungen "zu weit" gegangen, und da er keiner Partei vorbehaltlos

zuzustimmen

vermag, wendet er sich stattdessen der Person des Dichters zu, von dem er ein solch positives Bild entwirft, daß w i r es hier unverkürzt wiedergeben wollen: M a n kan dem Milton nicht absprechen, daß er eine fruchtbare Einbildungs-Krafft besessen, die alles, so sie unternommen, ausgezieret. Die anmuthigen und die ernsthafften Schönheiten sind mit gutem Urtheil vertheilet. Sein geschickter Kopf schildert die verschiedenen Dinge mit denen dazu gehörigen Farben ab; und seine Urtheile sind allezeit glücklich angebracht. E r besitzt die Erfindungs-Krafft im höchsten Grad, und wenn er den Homerum nachahmet, sieht m a n wohl, daß er die demselben abgeborgten fictionen selber w ü r de erfunden haben, so vollkommen hat er die Kunst inne, sich dieselben eigen zu machen. Bei dieser Sichtweise nimmt es nicht wunder, w e n n der Rezensent an M i l t o n kaum etwas zu bemängeln findet. Manche Stellen, wie etwa "der unsichtbahre Krieg der Engel im H i m mel" , seien zwar "von geringer Wichtigkeit", aber das liege nicht an dem Dichter, sondern an der v o n ihm beschriebenen Sache. Ankreiden müsse m a n ihm lediglich, daß er "die Heydnische Mythologie so verkehrt einmischt und seine V e r gleichungen zu weit treibet". Auch sei er bisweilen "trokken"; doch entstehe "aus dieser A r t der Dunckelheit" keineswegs ein"eitler Rauch", sondern ein "reines Licht", und nichtsdestoweniger führe er den Leser "stracks auf einmahl in die Wunder-Wercke und Abentheuer" seines Epos hinein. Unmittelbar-in der nächsten Nummer der "Neuen Zeitungen" schließt sich eine Besprechung des "Paradise Regain'd" an, die im Grunde freilich nur dazu dient, den Ruhm des "Paradise Lost" weiterhin zu festigen. Trotz der Tatsache, daß das Werk die v o n Aristoteles geforderte Einheit des Ortes und der Zeit wahrt und "sonderlich in den beyden letzten Gesängen schöne Stellen"®®^

enthält, sei es nicht mehr als

88) Neue Zeitungen, I.November 1731, S.771.

214

Der Kampf u m Anerkennung

eine "blosse ziemlich einförmige Paraphrasis eines Stiikkes aus dem E v a n g e l i o " b e i

der die Einbildungskraft

des Dichters "fast nichts gethan" habe. M a n könnte es vielmehr eine "Disputation zwischen Christo u n d dem Satan nennen oder eine "Predigt von der Eitelkeit des R e i c h thums, der W o l l u s t und der Ehre", denn wo immer m a n auch suche, m a n treffe doch "den grossen Geist, das edle Feuer und die n e u e n abwechselnden u n d so wohl unterhaltenen Cha racter nicht an, welche das verlohrne Paradies so beliebt machen". Dergestalt kehrt die Diskussion immer wieder zum "Paradise Lost" zurück, v o n dem sie fast magisch angezogen zu sein scheint. Jetzt,da französische, holländische u n d italienische Ubersetzungen vorliegen und die Hinweise in der Sekundärliteratur auf Miltons Epos nicht abreißen wol len, ist die Zeit gekommen, daß auch Bodmers "Verlust des Paradieses" endlich publiziert w e r d e n kann, nachdem die Ubersetzung fast sieben Jahre lang ungedruckt blieb, w e i l sich kein Verleger hatte finden lassen, der bereit gewesen wäre, das von der Zürcher Zensur seinerzeit als "all90) zu romantische Schrifft"^ ' abgelehnte W e r k anzunehmen. 91) Selbst Brockes ' in Hamburg und der Dresdener Hofpoet 92) Johann Ulrich König ' hatten sich vergeblich bemüht, B o d mer in dieser Angelegenheit behilflich zu sein. Gleichwohl wollen w i r ihr Eingreifen zum Anlaß nehmen, um in einem dritten Durchgang noch die Spuren aufzuzeigen, die Milton in den W e r k e n der damaligen deutschen Dichter h i n terließ, mußte doch gerade die Haltung jenes Personenkrei ses dem Engländer gegenüber für die Rezeption seines p o e tischen Werkes von besonderer Bedeutung sein. 89) Neue Zeitungen, 1.Nov. 1731, S.772; ff.Zitate ebd. 90) Theodor Vetter: J.J.Bodmer u n d die englische Literatur. - In: Johann Jakob Bodmer. Denkschrift zum CC.Geburtstag. Hrsg. v.d.Stiftung von Schnyder v o n Wartensee. Zürich: Müller in Komm. 1900. S.349. 91) Vgl. Kapitel 3.1.3. dieser Arbeit. 92) 1688 - 1744, vgl. ADB.

Milton und die deutschen Dichter

215

3.1-3. Milton und die deutschen Dichter des frühen achtzehnten Jahrhunderts Wenn Milton im zweiten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts einen "tiefgreifenden Einfluß auf die Entwicklung des Epos, der Naturdichtung und des Metrums in Deutsch1) land" ' auszuüben vermochte, so gilt das jedoch keineswegs auch für das erste Drittel, in dem seine Stellung als Dichter anfangs noch völlig ungesichert war und erst allmählich in das Bewußtsein der Zeitgenossen drang. Die Hinwendung der damaligen deutschen Dichter zu ihrem englischen Kollegen erfolgte vielmehr ebenso sporadisch, wie die Meldungen über dessen poetisches Werk in den Gelehrtenschriften einsetzten, und trotz der vielfältigen literarischen Szenerie jener Jahre haben sich nur mehr fünf Namen finden lassen, deren Träger zu erkennen geben, daß sie überhaupt um John Milton wissen. Von Einwirkungen können wir zu dieser Zeit schon deshalb nicht sprechen, weil zwischen 1700 und 1731 kein Werk publiziert worden ist, das irgendwelche Anklänge an das "Paradise Lost" verriete. Stattdessen sind lediglich einige Anspielungen auf den Engländer zu verzeichnen, von denen aus auf eine erste Beschäftigung mit seinem Schaffen geschlossen werden kann Vorstufen also, die der eigentlichen Aufnahme den Weg bereiten und sich dem bisher aufgezeigten Gang der Entwicklung folglich genau einpassen. Nehmen wir noch einmal die bereits zitierte "Anleitung zur Poesie" zur Hand, so können wir daraus zugleich in Erfahrung bringen, welche Dichter zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts-besonders geschätzt wurden. "Unter die Zahl aber der besten Poeten von Teutschland gehören wohl ohnstreitig Neukirch, Mencke, Neumeister, Menantes, Brockes, 2)

Amthor, Canitz, Besser, Pitschen und Richey", ' schreibt der Verfasser im Jahre 1725, und daß der von ihm erstellte 1) Alois Brandl: Zur ersten Verdeutschung von Miltons 'Verlorenem Paradies*. - In: Anglia Bd 1 (1877/78). S.460. 2) Anleitung zur Poesie, S.85f.

216

Der Kampf um Anerkennung

Katalog, so sehr er auch uns H e u t i g e n die Relativität ästhetischer Normen und Ideale v o r A u g e n führt, durchaus keiner subjektiven Auswahl entspringt, beweist ein vom 28.März 1724 datierter Brief J o h a n n Ulrich Königs an Bodmer, in dem genau die gleichen N a m e n wiederkehren, lediglich ergänzt um Postel u n d Wernicke, die ebenfalls als zwei "von unsern besten deutschen P o e t e n " ^

bezeichnet

werden. Bis auf Triller, den K ö n i g als " S c h u l f u c h s " ^

ab-

tut, enthält die vorliegende Aufstellung mit Postel, W e r nicke, Mencke und Brockes zudem alle diejenigen Dichter, die auf die eine oder andere Weise m i t M i l t o n in Berührung gekommen sind und v o n dieser Begegnung in ihren W e r ken auch Zeugnis ablegen. D e n Anfang machte der den Zeitgenossen vorab als V e r fasser v o n Singspielen bekannt gewordene Christian Henrich P o s t e l ^ , als er im Jahre 1700 unter dem Titel "Die Listige Juno" die Probe einer Homerübersetzung veröffentlichte, die dem Ziel diente, den "Lands-Leuten zu w e i s e n / daß u n sere edele Teutsche Sprache eben dazu geschickt / w o z u die andern Europäischen Sprachen gebrauchet w e r d e n " . ^

Zur I l -

lustration dieses Zweckes hatte er in einem umfänglichen Anmerkungsapparat mit großer Belesenheit Beispiele aus den verschiedensprachigsten Ubersetzungen und Nachdichtungen zusammengetragen u n d dabei mehrfach auf den Dichter des "Paradise Lost" Bezug genommen, dessen Epos er während einer 1683 nach England unternommenen Bildungsreise kennengelernt hatte. 7)

Milton ist ihm "der grosse Engländische Poet"

, der

neben Tasso als einer der "grösten Nachfolger des Homers"®^ 3) Brief Joh.Ulrich Königs an Bodmern. - In: [Johann Jacob Bodmer:] Litterarische Pamphlete. Aus der Schweiz. Nebst Briefen an Bodmern. - Zürich: Birgkli 1781. S.31. 4) Ebda. S.44. 5) 1658 - 1705, vgl. ADB. 6) Christian Henrich Postel: Die Listige Juno. W i e solche von dem Grossen Homer / Im vierzehnden Buche D e r Ilias Abgebildet / [ ... ] Numehr in Teutschen V e r s e n vorbestellet und mit Anmärckungen erklähret. [...]. - Hamburg / G e druckt und verlegt durch Nicolaus Spieringk / 1700. Bl. A 6v. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 11335.e.12). 7) Ebda. S.200. 8) Ebda. Bl. A 5; ff.Zitate ebd.

Milton und Postel

217

zu betrachten sei, weil er dessen "Iliade" als "eine Schatzgrube aller Köstligkeiten" benutzte, um sein "unschätzbares Gedicht" danach einzurichten. Während andere hingegen von dem "unvergleichlichen schönen verlohrnen q\ Paradieß" ' allenfalls redeten, war Postel als erster Deutscher in der Lage, der hiesigen Leserschaft ausführliche Zitate daraus mitteilen zu können, wozu er sich um so eher 101 berufen fühlte,als er wußte,daß "dieses herrliche Buch", ' von dem er ein Exemplar aus England mitgebracht hatte, "nicht in eines jedweden Händen" war. Um den Ruhm des Epos weiterzutragen, stellte er dem Publikum deshalb neben einzelnen, Homer nachgeahmten Ausdrücken ( D e w y Sleep; Hya111 cinthine Locks) ' und Bildern (Like Maja's son he stood, And shook his Plumes, that Heav'nly fragrance fill'd the circuit wide)''^ auch längere Passagen vor, darunter ins15) besondere den "angenähmen Ohrt", an dem das erste Menschenpaar sich begegnet (PL IX, 1037ff), sowie die im vierten Buch beschriebene "wunder-schöne Laube / darin Adam und Eva sich ergetzet": 14)' [... ] The Roof Of thickest covert was inwoven shade Laurel and Mirtle, and what higher grew Of firm and fragrant Leaf; on either side Acanthus, and each odorous bushy shrub Fenc'd up the verdant Wall; each beauteous flower, Rear'd high their flowrisht head between and wrought Mosaick; under foot the Violet, Crocus, and Hyacint with rich inlay Broider'd the ground, more colour'd than with stone of costliest Emblem [...] Trotz des eifrigen Werbens um Miltons "köstliches Gedicht" blieben Posteis Bemühungen jedoch ohne große Wirkung, da sie sich an zu versteckter Stelle befanden und infolgedessen die Mehrzahl der ausdrücklich angesprochenen "Liebhaber der Englischen Sprache" nicht zu erreichen 8) Postel, Die Listige Juno, Bl. A 5; ff. Zitate ebd. 9) Ebda. S.200. 10) Ebda. S.485; f. Zitat ebd. 11) Ebda. S.177 bzw. S.500. 12) Ebda. S.201. 13) Ebda. S.485. 14) Ebda. S.484; ff. Zitate ebd.

218

Der Kampf um Anerkennving

vermochten. Gleichwohl w i r d dadurch Posteis Verdienst nicht geschmälert, erstmals in Deutschland Auszüge aus dem "Paradise Lost" wiedergegeben zu haben, zumal er mit sicherem Urteil einige der schönsten Partien auszuwählen wußte, von denen gerade die letztgenannte Passage in den vierziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts eine V i e l zahl von Dichtern zur Nachschöpfung anregen sollte. Posteis großer Gegenspieler, der Epigrammatiker Chri15) stian Wernicke, ' der sich als entschiedener Feind des Hofmannswaldauischen Schwulstes bekannte, lenkte gleichfalls die Aufmerksamkeit seiner Leser auf Milton, als er im Jahre 1704, nachdem er von einem längeren Englandaufenthalt zurückgekehrt war, die dritte, um vieles vermehrte Ausgabe seiner "Uberschrifften"'' ' vorlegte. V o n Morhof in die Literatur eingeführt, hatte er in England feststellen müssen, daß Hofmannswaldau in der 1679 publizierten Vorrede zu seiner Ausgabe der "Deutschen Uberset17) zungen u n d Gedichte" ' die englischen Dichter völlig falsch bewertet hatte, "indem er nicht allein die gute mit den schlechten über einen Kamm geschoren;

sondern

auch der schlimmen gedacht / und der guten vergessen h a t " . 1 8 ^ Deshalb versah er nun ein bereits früher auf den "Schlesischen Poeten" verfaßtes Gedicht mit einer Anmerkung, in der er ihn heftig angriff, weil er "rühmlich des Donns und Quarles gedencket, welche von keinem Engelländer gelesen; u n d nicht einmahl Milton, Couley, Denham und W a l l e r nennet, welche v o n ihnen m i t recht vor ihre beste Poeten gehalten werden". Darüber hinaus dichtete Wernicke selbst ein Epigramm auf Milton, das allerdings weniger dem großen "Poeten" 15) 1661 - 1725, vgl. ADB. 16) [Christian Wernicke:] Poetischer Versuch / I n einem Helden-Gedicht U n d etlichen Schäffer-Gedichten / Mehrentheils aber in Uberschrifften bestehend [...]. M i t durchgehenden Anmerckungen und Erklärungen. - Hamburg / In V e r legung Zacharias Hertel / 1704. (Exemplar der UB Hamburg, Sign. SCa. IX. 67.). 17) Vgl. Kapitel 1.11.dieser Arbeit. 18) Wernicke, Uberschrifften, S.172; ff. Zitate ebd.

Milton und Wernicke

219

galt als vielmehr dem berühmten Publizisten, dem er sich als "freister deutscher Schriftsteller auf der Scheide 19) des 17. und des 18. Jahrhunderts" ' besonders verbunden fühlen mußte: Milton mit Blindheit gestrafft. Der blinde Milton ward von wenigen beklagt: Und als hierauf ein Freund von seinem König sagt1 / Daß diese Straff' ihm sey vom Himmel zugeschickt / Weil seinen frechen Kiel' er wieder Carl gezückt: Daß wiedern König ich geschrieben viele Jahr 1 / Und daß ich nunmehr blind geworden 1bin / ist wahr / Sprach Milton der es hört; doch hab ich keine Noht: Denn die sind / die vor ihn geschrieben haben / todt. 20)

Auch hier ' hält er wiederum Anmerkungen für notwendig, wobei es ihm vor allem darauf ankommt, die Personalunion von Publizist und Dichter deutlich hervorzuheben, die den Zeitgenossen angesichts der so extrem voneinander entfernten Wirkungsbereiche des Engländers keineswegs selbstverständlich schien, solange sie nicht in umfassender Weise über Miltons Leben und Werk unterrichtet waren. Aus diesem Grunde erinnert Wernicke zunächst daran, daß Milton derjenige ist, "der / nachdem er blind geworden / das berühmte Helden-Gedicht: das verlorne Paradieß genant / in Versen ohne Reime geschrieben hat", um dann in einer zweiten Anmerkung den Streitfall mit Salmasius noch einmal aufzurollen und dem Autor der "Defensio pro populo Anglicano" zu bescheinigen, er habe Salmasius "so vieler groben Fehler und Irrthümer" überführt, "daß der arme Mann sich bald hernach zu Tode grämete". Vollends konventionell gehalten ist die Stellungnahme zweier weiterer Dichter, deren Urteil über Milton ausschließlich von dem spärlichen Wissen der Zeit her geprägt ist und den damaligen Stand der Diskussion, der lange auf dem gleichen Punkt verharrte, somit genau widerspiegelt: 1710 publizierte der uns schon vorher begegnete Johann Burchard Mencke unter dem Dichternamen Philander von 19) ADB, Bd 42, S.90, s.v. 'Wernicke·. 20) Wernicke, Uberschrifften, S.352; ff.Zitate ebd.

220

Der Kampf um Anerkennung

der Linde einen Band "Vermischte Gedichte",

21)' dem als

Anhang eine "Unterredung von der Deutschen Poesie" beigefügt war, in der er die deutsche Dichtung der Gegenwart nach den v o n Boileau aufgestellten Regeln einer kritischen Musterung unterzog. Dabei bedauerte er vor allem das Fehlen eines großen Epos und beklagte, "daß sich bißher kein einziger Deutscher Poete an dergleichen Gedichte ge22) macht", ' zumal es in fast jeder anderen Nation vorhanden sei, wie denn selbst die Engländer jetzt "viel Aufhebens von des Miltons verlohrnen Paradieße" machten. Die spöttelnde Art, in der diese Bemerkung erfolgt, m a c h t indessen deutlich, wie wenig Verständnis man im damaligen Deutschland den Bemühungen um eine gerechtere W ü r digung des "Paradise Lost" entgegenzubringen vermochte, einfach deshalb, weil m a n über das Werk als solches allzu ungenügend unterrichtet war. Nicht einmal das Gros der Dichter bildet.hierin eine Ausnahme, und Philander kann daher auch lediglich das wiederholen, was andere bereits früher festgestellt hatten, daß nämlich "Milton mit dem hernach edirten wiedererlangten Paradieße allen Ruhm w i e der verlohren [habe], den er durch das verlohrne Paradieß erworben hatte". 2 3) ' Fünfzehn Jahre später kam ein Schüler Menckes, der 2h) Philologe, Mediziner und Dichter Daniel Wilhelm Triller, ' erneut auf jenes Urteil zurück, als er den ersten Band 25) seiner "Poetischen Betrachtungen" ' herausgab und in der 21) Philanders v o n der Linde Vermischte Gedichte [...] nebst einer ausführlichen Unterredung V o n der Deutschen Poesie und ihren unterschiedenen Arten. - Leipzig, bey Joh. Friedrich Gleditsch und Sohn, Im Jahr 1710. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 11525. ccc. 5/4.). 22) Ebda. S.144; f. Zitat ebd. 23) Ebda. S.145. 24) 1695 - 1782, vgl. ADB. 25) Daniel Wilhelm Trillers Poetische Betrachtungen, über verschiedene, aus der Natur- und Sitten-Lehre hergenommene Materien, zur Bewährung der Wahrheit Christlicher Religion, [...] mit Genehmhaltung des Hrn. Verfassers samt einer Vorrede heraus gegeben von H.C.Hecker. - H a m burg, bey Johann Christoph Kißner. 1725. (Exemplar der Staatsbibliothek Marburg, Sign. Yk 3591).

Milton und Brookes

221

Brookes gewidmeten Zueignung gleichfalls eine Musterung der alten und neuen Poeten vornahm. Bei dieser Gelegenheit faßte er alles, was einem breiteren Lesepublikum derzeit über den als Defensor wie als Dichter gleichermaßen hervorgetretenen Engländer allenfalls bekannt sein konnte, in dem folgenden Quatrain zusammen, dessen zweite Zeile er für die weniger Kundigen überdies mit dem präzisierenden Hinweis versah: "Joh. Milton, The Paradise Lost, h.e. 26) Paradisus amissus": ' Der Königs-Mörder Freund hat durch sein Paradies Das er verlohren nennt, den grösten Ruhm gefunden, Doch als er selbiges sich wieder finden ließ, Ist mit dem Paradies zugleich sein Ruhm verschwunden. Damit sind die Äußerungen der Dichter des frühen achtzehnten Jahrhunderts zu Milton bereits erschöpft. Abgesehen von Posteis hoffnungsvollem Ansatz haben sie nicht viel zu seiner Aufnahme beigetragen, sondern kaum mehr getan als die Erinnerung an ihn wachgehalten. Von einem stärkeren Engagement ist bei ihnen hingegen nichts zu verspüren. Daß ein solches in Einzelfällen aber dennoch vorhanden war, sollte sich zu Beginn der dreißiger Jahre erweisen, in denen die Diskussion um das "Paradise Lost" überhaupt erst richtig einsetzte. Wenige Wochen vor der Publikation von Bodmers Ubersetzung erschien in den "Nieder-Sächsischen Nachrichten Von Gelehrten neuen Sachen" ein aus dem Londoner Journal "The Present State of the Republick of Letters" übernommener und vom Vorjahr datierter "wörtlich verteutschter Be27) rieht", ' dessen Verfasser den Dichter des "Irdischen Vergnügens in Gott", Barthold Hinrich Brockes, 2 8 ^ als den "Teutschen A d d i s o n " 2 ^ feierten, weil er in allen seinen Ubersetzungen "dargethan, was die teutsche Sprache für schöne Sachen hervorbringen könne".^^ "Uberflüßig be26) Triller, Poetische Betrachtungen, ZueignungsSchrifft, Bl. Β 5; f. Zitat ebd. 27) Nieder-Sächsische Nachrichten Von Gelehrten neuen Sachen Auf das Jahr MDCCXXXII, No. XXVII, (3.4.1732),S.247. 28) 1680 - 1747, vgl. ADB. 29) Nieder-Sächsische Nachrichten, S.247. 30) Ebda. S.248; ff. Zitate ebd.

222

Der Kampf um Anerkennung

kräfftigt" würde dieses Lob noch, wenn Brockes sein angekündigtes Vorhaben verwirklichte und "unsern Milton verdolmetschete". Denn mit einem solchen Unternehmen würde er sich nicht allein "um Teutschland" hoch verdient machen, sondern "auch um England, zum Ruhm seines allerbesten Poeten". In der Tat hat Brockes damals begonnen, verschiedene Stellen aus dem "Paradise Lost" zu übersetzen, die allerdings erst 1740 im Anhang zu seiner Ausgabe von Popes "Versuch vom Menschen" sowie 1746 im achten Buch des "Irdischen Vergnügens" erschienen sind. Er ist somit der einzige zeitgenössische Dichter, der sich an einer Übertragung von Miltons Epos versuchte, wiewohl er zu spät damit an die Öffentlichkeit trat und den verheißenen Ruhm nicht ernten konnte, weil Bodmer ihm vorweggekommen war, dessen "Verlust des Paradieses" ,zu Beginn des Jahres 1732 endlich ausgedruckt vorlag und daraufhin sofort zum Versand 31) auf die Buchmessen in Frankfurt und Leipzig-^ ' vorbereitet wurde. 3.2.

B i v m d

i n o e i

l a n D e r d r s s e

z u t e m Ü b L o

u n d A u s b l i c k : M i l t o n s c h l a n d u n m i t t e l b a r E r s c h e i n e n v o n B o d e r t r a g u n g d e s " P a r a s t " (1732)

Wie ein Fluchtpunkt vereinigt das Jahr 1732 die einzelnen Linien der Miltonre2eption, die sich in Deutschland vor der Publikation von Bodmers Übersetzung heraus31) Zu diesem Zweck wurde eigens eine Titelauflage hergestellt, die statt Zürich "Franckfurt und Leipzig" als Druckort angab; doch muß die Auflagenhöhe sehr gering gewesen sein, da unter den sechs uns bekanntgewordenen Exemplaren in deutschen Bibliotheken (Landesbibliothek Dresden, Sign. D.O. 203,4; Landesbibliothek Gotha, Sign. Poes. 1656; Staatsbibliothek München, Sign. P.o.angl.244; Landesbibliothek Oldenburg, Sign. Spr. XIV, 3/216; Landesbibliothek Weimar, Sign. Dd 5:29b; Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. Lq) nur das in Oldenburg mit jenem Impressum versehen ist.

Benthems "Schulen-Staat"

223

gebildet haben. W ä h r e n d einerseits nun Lebensabrisse des Engländers in reicherer Zahl veröffentlicht werden und die gelehrte Diskussion sich ausschließlich auf den Dichter des "Paradise Lost" konzentriert, findet andererseits die jahrzehntelang vergessene Ausgabe des "Verlustigten Paradeises" erneut Beachtung und dient sogar als Grundlage für eine ausführliche Inhaltsangabe des Epos. M i t seinen Bemühungen, Milton in Deutschland einzuführen, sollte der Zürcher Kunstrichter somit keineswegs alleine dastehen; vielmehr erweist er sich als Protagonist einer Bewegung, die lange vorher eingesetzt hatte, bis sie in dem literaturgeschichtlich bedeutsamen Jahr 1732, das neben dem "Verlust des Paradieses" auch Hallers "Versuch schweizerischer Gedichte" und Gottscheds "Sterbenden Cato" brachte, ihren ersten Höhepunkt fand. Zudem erschien Anfang 1732, "mit vielen nützlichen und angenehmen Nachrichten, insonderheit von denen berühmtesten Gelehrten dieser Nation, vermehrt", die seit Ostern

1) 1731 angekündigte ' 2weite Auflage des "Engeländischen Kirch- und Schulen-Staates". 2 ^ Abgesehen von den fast u n verändert wiedergegebenen früheren Aussagen über Milton, dem Verriß der Bergeschen Edition und dem Lob der Haakschen Übersetzung enthält das Werk gemäß dem fortgeschrittenen Stand der Diskussion jetzt auch ein Lebensbild, das in seiner Ausführlichkeit zugleich Zeugnis ablegt von der Bedeutung, die Benthem (in genauem Einklang mit den A n schauungen seiner Zeit) dem Engländer zumißt, widmet er ihm allein doch fünf volle Seiten, während er Shakespeare in dem gleichen Zusammenhang beispielsweise m i t sieben nichtssagenden Zeilen (!) abtun k a n n . ^ 1) Vgl. Catalogue Universalis, Ostermeß 1731, Ausgabe Leipzig, Bl. Η 3v. 2) Herrn Henrich Ludolff Benthems Neu-eröffneter Engeländischer Kirch- und Schulen-Staat, [...] V o n dem nunmehro sei. Herrn Verfasser selbst von neuen ausgefertigt, [...]. - Leipzig, In Verlag Philipp Gottfried Saurmanns sei. Erben, Buchhändlern in Bremen, 1732. (Exemplar des Britischen Museums, Sign. 796. h. 3.). 3) Benthem, Schulen-Staat, S.976 f.

224

Der Kampf um Anerkennung

Nicht der biographische Abriß an sich, der obendrein ganz auf der Darstellung in Buddeus' "Lexicon" gründet, ist jedoch das Interessante, sondern der abschließende Versuch des Autors, eine Charakteristik Miltons zu entwerfen, zumal dabei die Vorbehalte offen zutage treten, die Benthem als Theologe jenem gegenüber hegen mußte. Unter Hinweis auf die 1698 von Toland verlegten "Schrifften"^ sieht er in Milton einen Mann, der sich zwar oft einer "beissenden Schreib-Art" bediente, aber doch "sehr belesen" war und einen "scharffen Verstand" hatte. Desgleichen rühmt er ihn als "fürtrefflichen Poeten" und "schönen Latinisten", der in den übrigen Sprachen der Antike ebensolche Fähigkeiten besessen habe wie in der Historie, der Musik, der Philosophie und der "Mathesi". Bedenklich erscheint ihm hingegen seine religiöse Haltung, die "sich in.keine Schrancken wolte bringen lassen", da sie mit seiner zur Freiheit strebenden "Gemühts-Neigung" konform ging, so daß er ständig von einer Sekte zur anderen überwechselte, bis er sich schließlich "keiner bekannten Parthey" mehr zugehörig fühlte und statt dessen "seine eigene, GOtt weiß, welcherley Religion insgeheim vor sich" hatte. Ein solches Vorgehen kann Benthem natürlich nicht billigen; vielmehr sieht er darin eine ernsthafte Gefahr und fügt deshalb, deutlich moralisierend, die Mahnung hinzu, Milton sei ein abschrekkendes Beispiel dafür, wie es "zu gehen pfleget, wann man sich einmal dem Gehorsam der Kirche Christi entziehet, und seinen eigenen Einfallen überlassen ist". Darüber hinaus bedauert er, "daß dieser fürtreffliche Kopff nicht gleich Anfangs mit gesunden Principiis angefüllet worden, alsdann er würde herrliche Früchte herfür gebracht haben", und gibt, unmittelbar an der Schwelle einer neuen Phase der Rezeption stehend, somit jenem Paradoxon beredten Ausdruck, das sich seit den ersten zeitgenössischen Anspielungen auf Milton als das eigentlich konstitutive Element für seine Einschätzung erwiesen hat: 4) Benthem, Schulen-Staat, S.1126; ff. Zitate ebd.

Gottscheds "Beyträge"

225

aufgrund der scheinbaren Widersprüchlichkeit seiner Person ist dem Engländer, dessen Schaffen so extreme Bereiche umspannt, immer wieder Bewunderung und Ablehnung zugleich zuteil geworden, und das gilt für den Autor der "Defensio" oder den Verfasser der Ehescheidungstraktate ebenso wie für den Dichter des "Paradise Lost", der in eben jenem Moment, als Bodmers Ubersetzung bereits auf dem Wege nach Deutschland ist, auch von Gottsched noch in einem Artikel der gerade begründeten "Beyträge Zur Critischen Historie Der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit" eingehend besprochen wird. Zu diesem Zeitpunkt treten die beiden Männer, die sich kurz darauf der gleichen Sache wegen heftig befehden sollten, fast in einen Wettstreit um die Vermittlung von Miltons Epos. Spätestens seit Mitte Februar des Jahres 1732 besitzt Gottsched ein Exemplar von Bodmers "Verlust des Paradieses", das ihm der Zürcher selbst übersandt h a t t e . ^ Nicht zuletzt deshalb beeilt er sich, die Leserschaft vorerst mit dem fünfzig Jahre früher in Ζ erbst erschienenen "Verlustigten Paradeis" vertraut zu machen, und setzt seine Anstrengungen, die "sehr seltene Ubersetzung aus der Vergessenheit [zu] retten, darinne sie sonst vielleicht umkommen möchte",^ gar mit den Bemühungen Addisons gleich, der mittels des "Spectator" den zu seiner Zeit verkannten Milton ebenfalls "wieder aus dem Staube hervorgesucht" hatte. Was Gottsched einleitend über die Rezeption des "Paradise Lost" sagt, bestätigt ganz unsere bisherigen Beobachtungen Uber die sich zunehmend positiv gestaltende Wertung des Engländers: So wie der Dichter unter seinen Landsleuten "nicht das Glück gehabt, bey seinem Leben vor einen 5) Vgl. Bodmers Begleitschreiben an Gottsched v. 5.2. 1732, abgedruckt in: Eugen Wolff: Gottscheds Stellung im deutschen Bildungsleben. Bd 2. - Kiel lind Leipzig: Lipsius u. Tischler 1897. S.211. 6) [Johann Christoph Gottsched:] Beyträge zur Critischen Historie Der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit, [...] Erstes Stück. - Leipzig, Bey Bernhard Christoph Breitkopf, 1732. (Exemplar der UB Marburg, Sign. XVI C 149m). S.85; ff. Zitate ebd.

226

Der Kampf um Anerkennung

andern Homer angesehen zu werden: Also hat es ihm auch in Deutschland nicht gelingen wollen, in seiner [durch Berge] veränderten Gestalt viel Beyfall zu finden". Seit zwanzig Jahren sei jedoch in England und seit kurzem "auch diesseit des Meeres so viel von Miltons verlohrnem Paradiese gemacht, geredet und geschrieben worden", daß es sich durchaus lohne, mehr über das "berühmte Gedicht" in Erfahrung zu bringen, das die Ehre verdiene, "einer Ilias und Aeneis an die Seite gesetzt zu werden". Für den Augenblick scheinen somit alle früher geäußerten Vorbehalte dem Epos gegenüber vergessen zu sein,zumal Gottsched es vorderhand bei diesem Lob beläßt und sich erst einmal dem Leben des Engländers zuwendet, das er nach dem von Elijah F e n t o n ^ verfaßten Bericht wiedergibt, der ihm in "der neuen Englischen Auflage [des "Paradise Lost"] von 1730"®^ zugänglich gewesen war. Da seine Lebensbeschreibung folglich auf keiner der seither benutzten oder bekannten Quellen fußt, enthält sie einige aufschlußreiche Details, die zur Abrundung des damaligen Miltonbildes beitragen konnten, und die wir deshalb hier ergänzend anführen wollen. Entscheidend ist vor allem die Tatsache, daß die zuvor stets im Mittelpunkt des Interesses stehende Biographie des Publizisten jetzt gegenüber der Biographie des Dichters an Bedeutung verliert. Damit ist nicht etwa eine Abwertung von Miltons schriftstellerischem Tun verbunden; vielmehr wird der Ruhm, "den er sich durch seine StreitQ\ Schriften in Religions- und Regiments-Sachen erworben", ' ausdrücklich hervorgehoben. Aber bis auf den Einwurf, daß er "in Politischen Sachen [...] gar zu sehr vor die Freyheit des Volkes" stritt, bleiben die vielen Einzelheiten doch unerwähnt, und an ihre Stelle treten ausführlichere Nachrichten über das poetische Werk, von dem allein die lateinischen Gedichte "ihn schon bey seiner Nation unsterblich hätten machen können". 7) 1683 - 1730, vgl. DNB. 8) Gottsched, Beyträge, S.86. 9) Ebda. S.88; ff. Zitate ebd.

Gottscheds "Beyträge"

227

Die Idee, darüber hinaus eine Epopee zu verfertigen, sei Milton vermutlich zuerst in Italien gekommen, als er sich bei dem Marchese Manso von Villa aufhielt, der "ein

10)

grosser Patron des Tasso" ' war. Auch gehe aus einigen lateinischen Versen hervor, daß er sich "den alten Brittischen König Arthur zu seinem Helden ausersehen gehabt, der aber gleichwohl dieser Ehre nachmahls nicht Werth ge11) achtet worden". ' Dennoch habe er in der Folgezeit niemals mehr von dem Plan abgelassen, ein derartiges Werk zu schaffen, und nachdem die Streitigkeiten mit Salmasius und Morus zu Ende gekommen waren, habe ihn "weder 12) das Unglück, noch sein Alter nebst den Schwachheiten" ' daran hindern können, mit der Arbeit zu beginnen. Da er früher einmal die Absicht gehabt habe, den Fall Adams in einem "Trauerspiele" darzustellen, welches er "nach den Mustern des Alterthums" abfassen wollte, übernahm er nun diesen Vorwurf und schuf daraus ein so gelungenes Heldenepos, "daß alle nach ihm kommende englische Poeten dasselbe bewundert, und seine geistreiche Schreibart zwar nachzuahmen gesucht, doch selbst gestanden haben, daß sie selbige nicht erreichen könnten". Trotzdem habe sich bei der Drucklegung die "Wirkung der Vorurtheile" bemerkbar gemacht, "die man wieder seine Person gehabt", denn der Verleger sei nicht bereit gewesen, ihm für das fertige Manuskript "mehr als 15 Pfund Sterlings, das ist etwa 70 bis 80 Thlr. unsers Geldes", zu geben. Dergestalt vorbereitet, kann die Leserschaft einem chronologischen Auszug, der sich an Berges Ubersetzung orientiert und das Geschehen der beiden ersten Bücher umfaßt, endlich Näheres Uber den Inhalt des "Paradise Lost" entnehmen, nachdem zuvor in Deutschland nur wenige Hinweise darüber erfolgt waren, die überdies völlig unverbunden nebeneinander gestanden hatten: Das Hauptanliegen Miltons sieht Gottsched d a r i n , u n t e r 10) Gottsched, Beyträge, S.86. 11) Ebda. S.87. 12) Ebda. S.89; ff. Zitate ebd.

228

Der Kampf um Anerkennung

Berufung auf biblische Quellen "den Fall des menschlichen 13) Geschlechts in Adam poetisch zu beschreiben". Seine Erzählung setze mit Satans Sturz vom Himmel ein und schei ne "also nicht Uber eine Geschichte von sechs oder sieben Tagen" hinauszugehen. Viele Kritiker hätten indessen bemängelt, daß er "eine so abscheuliche That, als die Verführung des Menschen ist, zur Haupthandlung seines Gedieh tes erwehlet" habe. Auch Gottsched hätte es lieber gesehen, wenn statt dessen der "Fall des Satans" dargestellt worden wäre, zumal er überzeugt ist, daß Milton seiner "reichen Einbildungs-Kraft" wegen dieses Geschehen ebenso gut hätte darstellen können. So aber sei Säten sein "Held dessen heroische Aktion einzig in dem alle Widerstände überwindenden Versuch bestehe, sich an Gott zu rächen,was in der Tat "eine schreckliche Vorstellung" sei: Zu Beginn des ersten seiner zwölf Bücher erbitte der Dichter den Beistand der himmlischen Muse, da er "den Par naß weit übersteigen und ganz unerhörte Dinge sagen wolle" Sodann rufe er den Geist Gottes an, ihm "die Ursa chen von der Übertretung Adams" zu entdecken, und bezeich ne den vom Himmel abgefallenen Satan als den Anstifter, der seine vom Sturz "gleichsam halbtodte Gesellen zur Rachgier wieder den Allmächtigen angespornet habe". Die Hölle stelle Milton als einen "ausser dieser sichtbaren Welt" gelegenen Ort dar. Dort lasse er den Satan mit seinem Anhang beratschlagen, was zu tun sei, wobei der Abgefallene an die alte Prophezeiung erinnere, "daß GOtt eine neue Welt voll vernünftiger Creaturen schaffen" wollte. 1

Weil aber "eine so wichtige Sache" '·" in den großen Rat gehört, werde gleich von den "Teufeln" ein prächtiger Palast errichtet, der "Pandämonium" heiße und in dem sich alle einfänden, doch so, daß nur die Ranghöchsten ihre "natürliche Riesen-Gestalt" behielten, während die übrigen "sich in lauter Zwerge verwandeln" müßten, weil sonst nicht genügend Raum für sie gewesen wäre. 13) Gottsched, Beyträge, S.90; ff. Zitate ebd. 14) Ebda. S.91; ff. Zitate ebd. 15) Ebda. S.92; ff. Zitate ebd.

Gottscheds "Beyträge"

229

Das zweite Buch bringe die Rede des Satans an seine "Reichsgenossen", die in der Frage gipfele, ob man "den alten Sitz wieder zu erobern suchen solle; oder ob m a n vielmehr durch Hinterlist darnach streben müsse". Moloch, "ein grimmiger Geist", spreche sich für offenen Krieg aus, während Belial eher zur Geduld rate und Mammon demgegenüber empfehle, "sich die Hölle durch die Kunst so erträglich machen als es möglich wäre". Schließlich greift Beelzebub, der nächst dem Satan Ranghöchste, dessen vordem erwähnten Plan auf, einen Anschlag gegen die möglicherweise bereits geschaffene "neue Menschenwelt"

' zu unter-

nehmen, und finde damit bei den übrigen Beifall. Gleichwohl scheue jeder davor zurück, sich als Kundschafter brauchen zu lassen, so daß Satan sich in heuchlerischer Tugendhaftigkeit bereit erklären könne, "sein eigen Wohl für das gemeine Beste in die Schanze" schlagen zu wollen und den gefahrvollen "Weg bis in das lichte Weltgebäude" auch sofort antrete. A n den Toren der Hölle begegne er der Sünde, welche der Dichter so schrecklich beschreibe, "als keine Scylla, 17) keine lappländische Hexe" ' je gewesen sei. Nächst ihr werde ein zweites Ungeheuer angeführt, "schrecklich wie zehen Furien", mit dem Satan, von dessen trotzigen W o r t e n gereizt, unzweifelhaft zu kämpfen begonnen hätte, "wenn nicht das andre Scheusal darzwischen gesprungen, und ihn als eine Tochter gebeten, er möchte doch seines Sohnes schonen". Damit gelinge es der Sünde, den Widersacher zu besänftigen, der n u n um freien Durchgang bitte u n d seinerseits das Versprechen abgebe, ihr nach erfolgter Mission "in der Welt,unter den Menschen einen besseren Aufenthalt"''®^ zu verschaffen, seinem Sohn, dem Tod, aber "eine grosse Menge fetter Opfer". Darauf fliege er durch die geöffneten Tore, die seitdem nie wieder geschlossen worden 19) seien, durchquere "nicht ohne grosse Mühe" ' einen "wüsten, 16) 17) 18) 19)

Gottsched, Beyträse, S.93; ff. Zitate ebd. Ebda. S.94; ff. Zitate ebd. Ebda. S.95; ff. Zitate ebd. Ebda. S.96; ff. Zitate ebd.

230

D e r Kampf um Anerkennung

finstern Raum, darinn die alte Nacht und Chaos" noch regiere, und gelange endlich "an die Gränzen dieser Welt", von wo aus er auch "unsrer Menschen-Welt" gewahr werde, "die an einer güldnen Kette vom Himmel herab hing, u n d wie ein Stern v o n der mindern Grösse nicht w e i t vom M o n den ihren Platz hatte". Bis hierher reicht, auf das Wesentlichste

reduziert,

die Inhaltsangabe aus dem "Paradise Lost", die w i r ihrer Originalität halber so wiederzugeben gesucht haben, wie sie sich dem damaligen Lesepublikum darbieten mußte, das auf diesem Wege erstmals in Miltons Epos eingeführt w u r de. M i t ihr schließt sich der Kreis, der die vorbereitenden Phasen der Miltonrezeption in Deutschland umgreift, u n d die Diskussion setzt, nachdem sie alle Stufen durchlaufen hat, auf einer höheren Ebene dort w i e d e r ein, wo sie ein halbes Jahrhundert zuvor ihren Anfang genommen hatte. Nachdem Gottsched einige Worte aus Berges Vorrede zitiert und Haaks Beteiligung an der Ubersetzung notiert hat, kommt auch er auf die Verse zu sprechen, die keinen Ruhepunkt an ihrem Ende dulden, sondern "immer den V e r stand aus einer Zeile in die a n d r e " ^ ^

ziehen. Ob das

eine besondere "Schönheit" sei, erscheint ihm, genau wie den Literarhistorikern des siebzehnten Jahrhunderts,freilich mehr als zweifelhaft, da "richtige Abschnitte in den Versen und geschickte Schlußpuncte am Ende der Zeilen", selbst bei fehlenden Reimen, nun einmal mehr Harmonie und Wohlklang erzeugten. Daran ändere selbst Miltons "Vorerinnerung" nichts, die er gleichfalls referiert, um die Leser auf die zu erwartenden Proben aus dem "Verlustigten Paradeis" vorzubereiten. Allerdings will er ihnen nicht versprechen, daß ihnen die "so angepriesene reimlose P o e 21) sie nicht auch ungereimt vorkommen werde", ' denn "der ehrliche Ubersetzer [habe] w o h l eine gute Meinung gehabt, aber nicht Kräfte genug besessen, seine Erfindung im Deutschen angenehm zu machen". 20) Gottsched, Beyträge, S.97; ff. Zitate ebd. 21) Ebda. S.99; ff. Zitate ebd.

Milton und Bodmer

231

Wie es besser getan werden könnte, zeigt Gottsched an einigen Beispielen aus seiner eigenen Version des "Englischen Cato", ehe er zu Berges Schreibart zurückkehrt und an Hand der mitgeteilten Auszüge zu dem Schluß kommt, 2?) "daß hier ausser den Reimen noch ein vieles fehle". ' Nicht nur die Wörter seien "oft gewaltig verstümmelt"; auch das Silbenmaß bleibe "rauh und unrein", die Wortfügung "verworfen" und die Zusammensetzung der Wörter "sehr ungeschickt, verwegen und unmäßig". Uberhaupt gebe sich die Sprache "so gezwungen und altvaterisch", daß man das Werk "unmöglich mit Vergnügen lesen" könne, und er wolle deshalb in Kürze von "einer neuen Ubersetzung des Miltons" Nachricht geben, die "Herr Prof.Bodmer in Zürich in ungebundener Rede verfertiget" habe. Während Gottsched hier zum ersten Mal auf Bodmers "Verlust des Paradieses" Bezug nahm und die Existenz des Werkes ausdrücklich bestätigte, herrschte darüber in den übrigen Kreisen der Gelehrtenwelt allerdings noch weithin Unklarheit, die sich in den zeitgenössischen Journalen denn auch getreulich widerspiegelt. Noch am 2.April 1732 schrieb ein Korrespondent der "Hamburgischen Berichte", als er die französische und italienische Ubersetzung des "Paradise Lost" rezensierte: "Wie einige wollen, ist auch eine deutsche poetische Ubersetzung des Miltonischen Pa23) radieses heraus", ' und kommentierte die Meldung mit den seiner Skepsis deutlich Ausdruck verleihen Worten: "Die Sache ist aber annoch, (ohnerachtet einige diese Ubersetzung im Druck gesehen zu haben versichern), zweifelhaft. Wenigstens hat .man sich von derselben wohl wenig gutes vorzustellen". Statt dessen äußerte er die Hoffnung, daß "einer unser ietz-lebende grossen Dichter geschickte Hand anlegte", um unter Hinzuziehung der vorzüglichen italienischen Ubersetzung "eine in unserer Helden-Sprache abgefasste rühmlichst" zu versuchen. - Allen Spekulationen, 22) Gottsched, Beyträge S.104; ff. Zitate ebd. 23) Hamburgische Berichte von neuen gelehrten Sachen Auf das Jahr 1732, S.222; ff. Zitate ebd.

232

Der Kampf um Anerkennung

Zweifeln u n d Gerüchten dieser A r t bereitete indessen der zur Ostermesse 1732 herausgegebene "Catalogus Universalis" ein Ende, denn darin fand sich, bezeichnenderweise noch immer in die Gruppe der "Libri Theologici Theologorum Reformatorum" eingereiht, der Eintrag, daß Michael Blochberger, Buchhändler in Leipzig, "Joh.Miltons Verlust 24) des Paradieses, aus dem Engl, übersetzt", ' vorrätig habe. Bodmers Ubersetzung w a r somit in Deutschland angekommen, wo sie unverzüglich von den Journalen angezeigt w u r de. Schon am 14.April besprachen sie die Leipziger "Neuen Zeitungen";die

"Hamburgischen B e r i c h t e " 2 ^

folgten am

19.September, und kurz darauf schlossen sich die "Beyträge" an, in denen Gottsched sich gar zu dem Lob verstieg, "daß M i l t o n durch diese Verdollmetschung noch mehr Kraft und Nachdruck 27") gewonnen habe, als er in seiner Muttersprache besitzt".

' Freilich mahnte er bereits dort den Ü b e r -

setzer, den "versprochenen Tractat v o n dem wahrscheinlichen" 2 ®^ bald zu liefern. In ähnlichem Sinne fügte er einem vom 7.Oktober datierten Brief an Bodmer den vielsagenden Satz hinzu, er sei begierig, "die Regeln zu wissen, nach welchen eine so regellose Einbildungskraft, PQ ) als des ' Damit

Miltons seine war, entschuldiget w e r d e n kan".

aber rührte er genau an jenes Problem, an dem sich die über ein Jahrzehnt dauernde Auseinandersetzung zwischen Leipzig und Zürich entzünden sollte, die schließlich mit dem Sieg der v o n M i l t o n begeisterten jungen Schriftstellergeneration über die traditionelle Schule des Rationalismus endete und dazu führte, daß im zweiten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts kein Engländer in Deutschland mehr Popularität besaß als der lange Zeit als Defensor nur bekannt gewesene Dichter des "Paradise Lost". 24) Catalogus Universalis, Ostermaß 1732, Ausgabe Leipzig, Bl. D 1. 25) Neue Zeitungen, 14.April 1732, S.269f. 26) Hamburgische Berichte, 19.September 1732, S.647 ff. 27) Gottsched, Beyträge, S.294. 28) Ebda. S.305. 29) Wolff, Gottscheds Stellung, B d 2, S.212.

4.0. ABKÜRZUNGEN ADB

Allgemeine Deutsche Biographie (Leipzig 1785 - 1912)

DNB

Dictionary of National Biography (London 1885 - 1912)

Jöcher

Allgemeines Gelehrten-Lexicon (Leipzig 1750 - 1797)

UB

Universitätsbibliothek

Zedier

Grosses vollständiges Universal-Lexicon (Halle und Leipzig 1732 - 1754)

5.0. VERZEICHNIS DER BENUTZTEN LITERATUR 5.1.

Q u e l l e n

5.1.1. Manuskripte Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Sign. Kurbaiern Lit. 2636 - A k t e n des Reichstages zu Regensburg (1653/54). Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Sign. Cod. germ. 40 660 - Christoph Wegleiters Reisetagebuch (1682/86). Murhardsche Bibliothek Kassel, Sign. M s . poet. 4° 2 "Das Ver-Lustigte Paradeiss" v o n Theodor Haak (vor 1682). 5.1.2. Druckausgaben A c k e r , J o h a n n Heinrich: Commentatio de Monarchomachis et Antimonarchomachis. - Rudolstadii I n Officina Gollneriana. Μ DCC XVI. A c t a E r u d i t o r u m Anno 1682 [ - 1731] publicata, [...]. - Lipsiae. Prostant apud J.Grossium et J.F.Gleditschium. Typis Christophori Güntheri. [ A n o n y m :] Anleitung zur Poesie / Darinnen ihr U r sprung / Wachsthum / Beschaffenheit und rechter Gebrauch untersuchet und gezeiget wird. - Breßlau, Bey Michael Hubert, 1725. [ A n o n y m :] E i n Schreiben über M e e r gesand / A n die Gemein in Engellandt / Auß einer alten Frawen Handt /

234

Literaturverzeichnis Die ungenandt / Gott ist bekandt. Anno M. DC. XLIX. [...]. Gedruckt im Jahr / ut supra.

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Literaturverzeichnis

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er

H a m b u r g i s c h e B e r i c h t e von neuen Gelehrten Sachen, Auf das Jahr 1732. [...]. - Hairburg, 1733. Im Verlage des Verfassers. [H e r d e g e n, Johann:] Historische Nachricht von deß löblichen Hirten- und Blumen-Ordens an der Pegnitz A n fang und Fortgang [...] verfasset von dem Mitglied dieser Gesellschafft Amarantes. - Nürnberg, bey Christoph Riegel, Buch- und Kunsthändler unter der Vesten. 1744. [ H i l l e , Karl Gustav von:] Der Teutsche Palmenbaum.[...] Allen Liebhabern der Teutschen Sprache zu dienlicher Nachrichtung verfasset / durch den Unverdrossenen.[...]. - M i t vielen Kunstzierlichen Kupfern gedrukkt und verlegt durch Wolffgang Endtern. Nürnberg 1647. H i s t o r i s c h e R e m a r q u e s Der Neuesten S a chen In Europa Des M.D.C.IC. Jahres. Wie solche nicht allein mit allen Fleiß zusammen getragen / sondern auch aus der Geographie, Genealogie, Historie etc. erläutert / und dabey jederzeit / die so wohl in Franckreich / Engelland / Italien / Holland als Deutschland / in Druck gekommene Bücher angeführet worden. - Hamburg / in Verlegung Joachim Reumanns. H o c h s t e t t e r , Andreas Adam: Collegium Pufendorfianum, Super Libris Duobus de Officio Hominis et Civis, Anno Μ DCC. In Academia Tubingensi XII. Exercitationibus Institutum. - Tubingae, Sumtibus Gottofredi Stollii, Bibliopolae. Anno Μ DCC X. [ H o f m a n n s w a l d a u , Christian Hofmann von:] Deutsche Ubersetzungen U n d Gedichte. M i t bewilligung deß Autoris. - In Breßlau / Verlegts Esaias Fellgibel Buchhändl. daselbst / 1679. H o r n , Georg: Orbis Imperans. - Lipsiae. Apud Fridericum Arnstium Bibliop-Budiss. Ao. 1668. H o r n , Georg: Orbis Imperans, Seu Tractatus De XIII Orbis Imperiis Historicopoliticus, [...] illustratus a. L. Joachimo Fellero, Professore Lipsiensi. - Francof. et Lipsiae. Sumptibus Christian! Weidmanni, Typis V i duae Wittigavianae. 1677.

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Literaturverzeichnis

H u d e m a n n , Wilhelmus Ludovicus: Poeticam Veterem Romanam aeque ac Graecam [... ] Praeside Sebastiano Kortholto, poes. Profess. Ordin. A Contemptu Scriptoris Parrhasianorum die Sept. Anni Μ DCC III. publice vindicabit Wilhelmus Lüdovicus Hudemann. - Kilonii, Typis Bartholdi Reutheri, Acad. Typogr. Η ü b η e r, Johann: Kurtze Fragen Aus der Politischen Historie Biß auff den Friedens-Schluß zu Ryswyck continuiret / und Mit einer nützlichen Einleitung vor Die Anfänger / und Vollständigem Register versehen. Andrer Theil. - [Leipzig] Im Jahr 1698. Verlegts Joh. Friedrich Gleditsch. J ö c h e r, Christian Gottlieb (Hrsg.): Compendiöses Gelehrten-Lexicon, [...]. Die Andere Auflage, in zwey Theile getheilet, sorgfältig übersehen, und mit etlichen 1000. Articuln vermehret, durch M. Christian Gottlieb Jöcher. - Bey Johann Friedrich Gleditschens seel. Sohn, Buchhändl. in Leipzig, im Jahr 1726. J o u r n a l e L i t e r a i r e De L'Annfee Μ DCC XVII. Tome Neuvi^me. Premiere Partie. - Α La Haye, Chez Τ. Johnson, Μ DCC XVII. Κ a y s e r, Ioannes Fridericus: Dissertatio Inauguralis Juridica De Jure Principis Evangelici circa Divortia, Quam [...] In Auditorio Maiori, Ad d. XXI. Septembr. Μ DCC XV. Publico Eruditorum Examini Submittit Auetor Joannes Fridericus Kayser / Giessa-Hassus. - Halae Magedb. Typis Io. Gruneri, Acad. Typogr. K e m p e n , Martin von: Charismatum Sacrorum Trias, Sive Bibliotheca Anglorum Theologica, [...] Collecta atque tribus Libris digesta, cum Appendice De Regia Societate Londinensi Indicibusque necessariis. Labore et Studio M. Martini Kempii, [...]. - Regiomonti Borussorum. Impensis Martini Hallervordii Bibliopolae, Ex Officina Reichiana. Μ DC LXXVII. Κ 1 e f e k er, Johann: Bibliotheca Eruditorum Praecocium sive ad Scripta huius Argumenti Spicilegium et Accessiones. - Hamburgi, apud Christianum Liebezeit. Μ DCC XVII. K ö n i g , Georg Matthias: Bibliotheca Vetus et Nova, [...]. - Altdorfi Impensis Wolffgangi Mauritii et Haeredum Johannis Andreae Endterorum, Bibliopol. Norimb. Typis Henrici Meyeri, Typographi Acad. Anno Μ DC LXXVIII. K ö n i g , Johann Ulrich: Untersuchung Von der Beschaffenheit Der einsylbigen Wörter in der Teutschen DichtKunst, Nach den Grund-Sätzen des Poetischen Zahlmasses Und der daraus entspringenden Ubereinstimmung, ausgefertigt von Johann Ulrich König. - In: J.U.K.: Des Herrn von Besser Schrifften, [...] Zweiter Theil.[...]. - Leipzig, bey Johann Friedrich Gleditschen sei. Sohn, 1732. S.833 - 901. K o r t h o l t , Sebastian: Disquisitio de Enthusiasmo

Lite raturve rz e i chni s

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Poetico, Quam In Academia Holsatorum inclyta Christian-Albertina, Praeside [·..] Dn: Henrico Muhlio, Professore Theologo atque Philologo Ordinario, [...] die XIIX. Julii A.C. Μ DC XCVI. publice tuebitur Sebastianus Kortholt, Auctor. - Kilonii, Imprimebat Joach. Reumann, Acad. Typogr. [L Ο g a u] Golaw, Salomon von: Deutscher Sinn-Getichte Drey Tausend. [...]. - Breßlaw / In Verlegung Caspar Kloßmanns / Gedruckt in der Baumannischen Druckerey durch Gottfried Gründern. [1654]. L u d o v i c u s, Godofredus: Historia Gymnasiorum Scholarumque Celebriorum, s. Schul-Historie. Pars IV. Lipsiae, Sumptu Haered. Lanckisii, Α. Μ DCC XIIII. M a t t h a e i , Gottlob: Dissertatio Historico-Moralis de Malis Eruditorum Uxoribus / Von den bösen Weibern der Gelehrten / Quam [...] in Academia Lipsiensi Praeside M. Gottfr. Boettnero, Frid. Lusat. Ad Diem XIX. Decembr. Α. Μ DCC V. Publicae Eruditorum Ventilationi exponit Auctor Gottlob Matthaei, Laub. Lus. - Lipsiae, Literis Brandenburgerianis. M e i b o m i u s , Hermannus Dietericus: Programma publicis In notitiam Regnorum et Rerumpublicarum Europae praelectionibus praemissum in qua simul De Anglicanae Historiae periodis et praecipuis Scriptoribus disseritur. - Helmestadi. Typis Georg-Wolffgangi Hammii Acad. Typogr. Anno 1702. M e i e r n , Johann Gottfried von (Hrsg.): Acta Comitialia Ratisbonensis Publica Oder Regenspurgische ReichstagsHandlungen und Geschichte von den Jahren 1653 und 1654 beschrieben von Johann Gottfried von Meiern. - Leipzig, Verlegts Michael Türpe, Buchhändler daselbst. 1738. Μ e η c k e, Johann Burchard (Hrsg.): Compendiöses Gelehrten-Lexicon, [...], Denen Liebhabern der Historie der Gelehrten, und andern curieusen Personen zu nützlichen Gebrauch zum Druck befördert. Nebst einer Vorrede Hn. D. Joh. Burchard Menckens, [...]. - Bey Johann Friedrich Gleditsch und Sohn, Buchhändl. in Leipzig, im Jahr 1715. Μ e η c k e, Johann Burchard: Bibliotheca Menckeniana, Quae Autores [...] Ab Ottone et Jo. Burchardo Menckeniis, Patre et Filio, Multorum Annorum Spatio Studiose Collecta, Nunc Justo Ordine Disposita, Et in Publicos Usus Aperta. [...]. - Lipsiae, Apud Jo. Frid. Gleditschii B. Fil. Μ DCC XXIII. [M e η c k e, Johann Burchard:] Philanders von der Linde Vermischte Gedichte [···] nebst einer ausführlichen Unterredung Von der Deutschen Poesie und ihren unterschiedenen Arten. - Leipzig, bey Joh. Friedrich Gleditsch und Sohn, Im Jahr 1710. M e r c u r i i G a l l o - B e l g i c i , [...] Sive Rerum in Gallia et Belgio Potissimum, Hispania Quoque,

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Literaturverzeichnis Italia, Anglia, Germania, Ungaria, Silesia, vicinisq; locis, a nundinis Francofurtensibus vernalibus anni 1648. usq; ad autumnales anni eiusdem, potissimum gestarum, Historicae Narrationis continuatae, Tomi V i gesimi Septimi. Auetore Joanne Georgio Schledero, R a tisponensi. [...]. - Francofurti, Sumptibus et typis Haeredum Sigismundis Latomi, Anno 1648.

M i s c e l l a n e a L i p s i e n s i a , A d Incrementum Rei Litterariae Edita. Tomus IX. - Lipsiae, Sumpt. H e raedum Lanckisianorum, Μ DCC XX. Μ ο r h ο f, Daniel Georg: Unterricht V o n Der Teutschen Sprache und Poesie / deren Uhrsprung / Fortgang und Lehrsätzen. W o b e y auch von der reimenden Poeterey der Außländer mit mehren gehandelt wird. - Kiel / Gedruckt und verlegt durch Joachim Neumann / Acad. Buchdr. im Jahr 1682. Μ ο r h ο f, Daniel Georg: Polyhistor sive de Notitia A u c torum et Rerum Commentarii. Quibus praeterea varia ad omnes diseiplinas consilia et subsidia proponuntur. Lubecae. Sumptibus Petri Böckmanni Anno M. DC. LXXXIIX. N a c h l e s e d e r n e u e n B i b l i o t h e c Oder Auszüge Aller /' sowohl ausländischen als einheimischen [...] Gelehrten Journals und Neuigkeiten v o n Gelehrten Sachen. - Franckfurt und Leipzig A. 1717. N e u e B i b l i o t h e c Oder Nachricht und Urtheile von neuen Büchern Und allerhand zur Gelehrsamkeit dienenden Sachen. Erstes [bis vierundsechzigstes] Stück. Franckf. und Leipzig. An. 1710 [ - 1717]. Z u finden in der Rengerischen Buchhandl. N e u e Z e i t u n g e n von Gelehrten Sachen auf das Jahr Μ DCC XVIII [bis Μ DCC XXXII]. - Leipzig, bey Joh. Christian Martini. N e u e r B ü c h e r - S a a l der Gelehrten Welt, oder Ausführliche Nachrichten v o n allerhand Neuen Büchern und Andern Sachen so zur neuesten Historie der Gelehrsamkeit gehören. Die XVII. Öffnung. - Leipzig / Bey Joh. Ludwig Gleditsch und Moritz Georg Weidmann / 1712. [N e u m a r k, Georg:] D e r Neu-Sprossende Teutsche P a l m baum. Oder Ausführlicher Bericht / V o n der Hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft [... ] hervorgegeben V o n dem Sprossenden. - Zufinden bey Joh. Hoffmann Kunsth. in Nürnb. Drukkts / Joachim Heinrich Schmid in Weimar F.S. Hof-Buchdr. [1668]. N i e d e r - S ä c h s i s c h e N a c h r i c h t e n V o n Gelehrten neuen Sachen auf das Jahr Μ DCC XXXII. M i t einer Vorrede u n d einem vollständigen Register. Hamburg, bey Theodor Christoph Felginers Wittwe.[1732]. N o v a L i t e r a r i a G e r m a n i a e , Collecta Hamburg!, Anni Μ DCC VI. - Hamburg!, Lipsiae et F r a n kofurti 1706.

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S c h a l l e r , Jacob (Praeses): Dissertationis A d Quaedam Loca Miltoni Pars Prior E t Posterior. Quas Adspirante Deo Praeside Dn. Iacobo Schallero, [...·]. Solenniter defenderunt Erhardus Kieffer / Durlaco-Marchicus, Christopherus Güntzer / Argentoratensis. - Argentorati, Typis Friderici Spoor. Μ DC LVII. S c h a l l e r , Jacob (Praeses): Dissertationis A d Quaedam Loca Miltoni Pars Posterior, Quam Adspirante Deo Praeside Dn. Iacobo Schallero, [...] Solenniter defendet Die [17] Mens. Septemb. Christopherus Güntzer / Argentorat. - Argentorati, Typis Friderici Spoor. Μ DC LVII. S c h u l t e t u s , David: Accessiones, ad Adrianl Bailleti Librum: Des Enfans devenus celebres par leus etudes, ou par leurs ecrits, sive De Doctis Praecocibus,[...]. Respondens Auetor M. David Schultetus, Hamb. A.O.R. Μ DCC II d. XXIII. Dec. - Vitembergae, Typis Gerdesianis. S c h w o l l , Caspar Petrus von (Resp.): Carcerem Eruditorum Museum [...], Praeside Io. Christophoro Y.'olfio [...] Ipsis Nonis Aprilis A.R.S. Μ DCC X. Aperiet et Eruditis Contemplandum Sistet Respondens Auetor Caspar Petrus von Schwoll Hamb. - Vittembergae, Literis Christiani Gerdesii. S e c k e n d o r f f , Veit Ludwig von: Teutscher FürstenStat. [...]. V o n newem Ubersehen und corrigirt. [...]. - Franckfurt / In Verlegung Thomae Matthiae Götzens / Anno Μ DC LX. D e r S p e c t a t e u Uber die verderbten bis Dritter Theil]. stoph Riegeln. 1721

r Oder Vernünftige Betrachtungen Sitten der heutigen Welt. [Erster - Franckfurt und Leip2ig, bey Chri[ - 1725].

S t r u ν e, Burkard Gotthelf: Bibliotheca Philosophica in suas Classes distribute. - Ienae Apud Ern. Claudium Bailliar Μ DCC IV. [ T e n t z e l , Wilhelm Ernst (Hrsg.):] Monatliche Unterredungen Einiger Guten Freunde V o n Allerhand Büchern und andern annehmlichen Geschichten; Allen Liebhabern Der Curiositäten / Zur Ergetzligkeit und Nachsinnen heraus gegeben [...]. Erster [bis zehnter] Jahrgang. Leipzig / bey Thomas Fritschen [1689 - 1698]. T h e a t r i E u r o p a e i oder Historischer Beschreibung der denckwürdigsten Geschichten vom Jahr 1647 biß 1651. exclusive. Sechster und letzter Theil: M i t K u p fferstücken gezieret und Verlegt, durch. Matth. M e rlans Seel: Erben. - Franckfurt am M a y n / Gedruckt bey Daniel Fievet: Im J a h r nach Christi / unsers einigen Seligmachers Gnadenreichen Geburt: 1663. T h o m a s i u s , Christian: Liber Tertius Institutionum Jurisprudentiae Divinae, In Positiones succincte contractae. - Francofurti et Lipsiae, Sumptib. Mauritii Georgia Weidmanni, Μ DC LXXXVIII.

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[ T h o m a s i u s , Christian:] Christian Thomas [...] Eröffnet Der Studierenden Jugend in Halle / Ein Collegium Privatum Uber seine Institutiones Jurisprudentiae Divinae. - In: Christiani Thomasii [...] Institutionum Jurisprudentiae Divinae [...]. Editio secunda priori multo auctior. [...]. - Halae, Sumtibus Christophori Salfeldii, Regiminis Elect. Brandenb. Typogr. 1694. S.73 bis 84. T h o m a s i u s , Christian: Freymüthige Lustige und Ernsthaffte iedoch Vernunfft- und Gesetz=Mässige Gedancken oder Monats-Gespräche / Uber allerhand / fürnemlich aber Neue Bücher Durch alle zwölff Monate des 1688. und 1689. Jahrs [Januarius bis Aprilis des 1690.Jahrs] durchgeführet von Christian Thomas. - Halle / Gedruckt und verlegt von Christoph Salfelden / Chur-Fürstl. Brandenb. Hoff- und Regierungs-Buchdrucker. 1690. T r i l l e r , Daniel Wilhelm: Poetische Betrachtungen, Uber verschiedene,. aus der Natur- und Sitten-Lehre hergenommene Materien, zur Bewährung der Wahrheit Christlicher Religion, [...] mit Genehmhaltung des Hrn. Verfassers samt einer Vorrede heraus gegeben von H.C. Hecker. - Hamburg, bey Johann Christoph Kißner. 1725. V o g t , Johannis: Catalogue Historico-Criticus Librorum Rariorum [...]. Editio Nova [...]. - Hamburgi, Sumptibus Christiani Heroldi, Μ DCC XXXVIII. W e h , Johannes (Hrsg.): Dise BUcher seynd auß dem Augspurger Buechladen / vnd bey Johannes Weh Buchhändlern / der Zeit in Regenspurg / zufinden. Anno 1653. [ W e r n i c k e , Christian:] Poetischer Versuch / In einem Helden-Gedicht Und etlichen Schäffer-Gedichten / Mehrentheils aber in Ü b e r s c h r i f t e n bestehend [...]. Mit durchgehenden Anmerckungen und Erklärungen. - Hamburg / In Verlegung Zacharias Hertel / 1704. [Z e s e n, Filip von:] Was Karl der erste / König in Engelland / bei dem über Ihn gefälltem todesuhrtheil hette fürbringen können. Zwei-fache Rede. - [Wittenberg 1649]. Ζ e s e n, Filip von: Die verschmähete, doch wieder erhöhete Majestäht: das ist, Karls des Zweiten Königs von Engelland, Schotland, uam. Wunder-geschichte, durch Filip von Zesen. - In Amsterdam gedrukt, und verlegt durch Joachim Noschen, im 1661. Jahre. Ζ i e g 1 e r, Caspar: Circa Regicidium Anglorum Exercitationes. - Lipsiae, apud Haered Henning. Grossi, Literis Lanckisianis Exscribebat Christoph. Cellarius, Anno 1652.

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6.0. REGISTER (Ein (Α) hinter der Seitenzahl bezieht sich auf die Anmerkung der betreffenden Seite.) 6.1.

P e r s o n e n r e g i s t e r

Acker, Johann Heinrich 199 Addison, Joseph 190, 203f., 212, 221, 225 Adelt, Martin 199 Agis 38 Amthor, Christoph Heinrich 215 Aristoteles 21, 213 Arthur 227 Baillet, Adrien 148 Barberini, Antonio 160 Barnett, Pamela 109, 111 Barrow, Samuel 86 Bayle, Pierre 170f., 173, 175, 188 Bender, Wolfgang 1 Bensen, Naaman 20ff., 23f., 29, 46, 63 Benthem, Henrich Ludolff 113, 135ff., 142, 146, 190, 223f. Berge, Ernst Gottlieb v. 81ff., 111, 116, 118f., 121, 129, 133f., 137, 139, 204, 210, 223, 226f., 230f. Besser, Johann v. 215 Beyerlinck, Laurentius 71 Bielcke, J. 79 Blackmore, Richard 201 Blochberger, Michael 232 Bodmer, Johann Jacob 1, 3f., 6, 10, 80 (Α), 124, 206f., 210, 214, 216, 221f., 225, 231f. Boebel, Balthasar 41 B o e d e r , Johann Heinrich 60ff., 141, 151 Boileau, Nicolas 220 Boineburg, Johannes Christian v. 48f., 72 Bolte, Johannes 109 Breitinger, Johann Jacob 207 Brockes, Barthold Hinrich 214f., 221f. Brutus, Junius 21 Bucer, Martin 163 Buchner, August 53 Buddeus, Johann Franz 170f., 176f., 179, 224 Calixtus, Georg 198 Canitz, Friedrich Rudolf v. 215 Caston, Sara 159 Chaucer, Geoffrey 206 Clarmundus, Adolph 194 Conring, Hermann 20f., 45ff., 63, 65, 67, 72 Courbeville, Joseph de 212 Cowley, Abraham 218 Cromwell, Oliver 136, 177, 206

253 Darby, John 157 Denham, John 218 Diodati, Carolo 161 (A), 180 Diodati, Giovanni 161 Donne, John 143, 148, 218 Dorothea v. Brandenburg 84 Dryden, John 78 (A) Echart, Laurence 200 Elizabeth Stuart 19 (A) Faithorne, William 87 Feller, Joachim 65 Felton, Henry 202f. Fenton, Elijah 226 French, Joseph Milton 9, 27 (A), 31 Fritsch, Thomas 170 Funccius, Christian 66f., 69f. Gerhard, Andreas 42ff., 63 Gerhard, Johannes 42 Gottsched, Johann Christoph 207ff., 223, 225ff., 230ff. Greilinger, Georg 15 Grotius, Hugo 160, 198 Gryphius, Andreas l4f., 195 Gryphius, Christian 195 Güntzer, Christopher 37ff·, 43 Haak, Dietrich 81ff., 95, 108ff., 116, 118, 135f., 139, 223, 230 Hall, Joseph 162 Haller, Albrecht v. 223 Heinsius, Nicolaus 40, 61, 152, 205 Hermsdorff, Christian 71 Hochstetter, Andreas Adam 197 Hofmann, Johann Jacob 71 Hofmannswaldau, Christian Hofmann v. 74, 98, 218 Hog, William 154 (A) Homer 78, 86, 89, 201, 203, 206, 213, 2l6f., 226 Hornius, Georg 65 Hudemann, Wilhelmus Ludovicus 193 HUbner, Johann 150f. Hübscher, Arthur 80 Jeffrey, Sara 159 (A) Jenny, Gustav 3 Jöcher, Christian Gottlieb 185ff. Karl I. 11, 13f., 19. 23, 28f., 42, 47, 52f., 55, 69, 137, 150, 164, 172, 182, 194f., 200, 219 Karl II. 33, 136, 164, 173, 200 Kayser, Joannes Fridericus 198f. Keck, Christian 40ff. Kempe, Martin v. 68f. Kieffer, Erhardus 28 (A), 30f., 37, 4lf.

254 Klefeker, Johann 179ff., 188 König, Georg Matthias 70f., 176 König, Johann Ulrich 86, 214, 216 Kortholt, Sebastian l47f., 192f. Leibniz, Gottfried Wilhelm 142 (A) Leuchter, Henricus 39 Logau, Friedrich v. 14 (A) Luden, Heinrich 126 Lünig, Johann Christian 133 (A) Luther, Martin 198 Magon, Leopold 114, 116, 154 (A) Magny, Constantin de 211 Manso, Giovanni Battista 161, 227 Marvell, Andrew 86 Matthaei, Gottlob 196 Meibomius, Hermann Dietericus 193 Menantes 215 Mencke, Johann Burchard 175ff., 185ff., 197, 215, 219t. Mencke, Otto 131, 142 Milton, Anne 159 Milton, Christoph 159 Morferi, Louis 170 Morhof, Daniel Georg 119ff-, 130f., 134, 142, 218 Moulin, Pierre du 165, 195 Morus, Alexander 165, 227 Neukirch, Benjamin 215 Neumeister, Erdmann 215 Niceron, Jean Pierre 188 Ocnus 44 Oldenburger, Phillipus Andreas 46 Opitz, Martin 89, 91, 114 Ormond, Earl of 182 Parker, William Riley 6, 9, 18, 27 (Α), 78 Philander von der Linde 219f. Phillips, Edward 159 Pietsch, Johann Valentin 215 Pistorius, Philippus Christianus 191 f. Pizzo, Enrico 3 Poepping, Johann Friedrich 46, 65 Pope, Alexander 201, 222 Postel, Christian Heinrich 2l6ff., 221 Powell, Mary 162 Powell, Richard 162 Price, Lawrence Marsden 5 Pritius, Georg 128ff., 149 Pufendorf, Samuel v. 71ff., 125ff., 149, 197f. Quarles, Francis 218 Ravenstein, Joan 18 Rhenanus, Johannes 89 (A)

255 Reisseissen, Franciscus 4lf., 83f. Reussner, Johann 39f· Richardson, Jonathan 210 Richey, Michael 215 Richter, Georg -56 Robertson, John George 3f. Rolli, Paolo 210ff. Salmasius, Claudius l6ff., 21, 24, 36f., 38, 40f., 47ff., 53f·, 57, 6lf., 66, 69, 123, 128, 130, 141, 150ff., 164, 168 (Α), 194, 199, 219, 227 Salsilli, Giovanni 160 Sauer, August 91 Schaller, Jacob 28ff., 37, 63 Scherpbier, Hermann 9 Schlösser, Anselm 7 Schmidt, Erich 119 Scholz, Augustin 79 (A) Schottel, Justus 94 Schultetus, David 192 Schulze, Hans Georg 91 Schwoll, Caspar Petrus v. 195 Selvaggi, 160 Shakespeare, William 41, 143, 201, 223 Spenser, Edmund 206 Spoor, Fridericus 31, 37 Struve, Burkard Gotthelf 194 Tasso, Torquato 160, 206, 216, 227 Tentzel, Wilhelm Ernst 139, 141 Thomasius, Christian 64, 125ff·, l40f. Tisch, Johann Hermann 5 Toland, John 157f., 159 (Α), 161 (Α), 166 (Α), l67f., 170f., 175, 181f., 184, 188, 224 Trapp, Joseph 205 Triller, Daniel Wilhelm 216, 220 Tussermani 211 Ussher, James 162, 183, 186 Vergil 78, 86, 89, 161, 203, 206 Waller, Edmund 218 Wallraf, Ferdinand Franz 154 (A) Waterhouse, Gilbert 4 Wegleiter, Christoph 108, 112ff. Weh, Johannes 35 Wernicke, Christian 216, 218f. Whitelock, Bulstrode 55 Wilhelm III. 150, 167 Winstanley, William 143 Wood, Anthony a 176f., 181, 183 (Α), 186 Zanten, Jacob van 211 Zesen, Filip v. 15, 53ff. Ziegler, Caspar 23ff., 29, 52, 63, 68

256 6.2.

O r t s r e g i s t e r

A l t d o r f 56, 70 Amsterdam 16, 18, 131 (A), 201, 203, 2 1 0 f . Argentoratum s . Straßburg Armagh 162, 177, 186 Bernburg 83 Bonn 79 (Α), 202 B r ü s s e l 131 (A) Cambridge 160, 177, 189 Darmstadt 31 Dessau 88, 106 Dresden 19 (A) D ü s s e l d o r f 28 F l o r e n z 160 F r a n k f u r t 12, 14, 17, 19, 27, 36, 71, 75, 79, 81, 154 (A), 204, 222

106,

Genf 161 Gießen 191, 198 Göttingen 9 , 30, 79 (Α), 107 G ö r l i t z 66 Den Haag 200, 211 H a l l e 106 Hamburg 79 (Α), 107, 155, 179, 192, 1 9 5 f . , Hannover 19 H e i d e l b e r g 28 Helmstedt 1 9 f . , 45, 50, 107, 193

231f.

J e n a 28, 42, 79, 170, 194 K a s s e l 109 K i e l 119, 147, 193 Köln 19 U ) , 154 (A) Königsberg 68 L e i p z i g 14, 1 7 f . , 19 (Α), 23, 27, 36, 75, 79, 8 1 f . , 1 0 6 f . , 125, 128, 131, 139, 142, 154 (A), 164, 170, 175, 1 9 5 f . , 204, 207, 222, 232 Leyden 17 (Α), 28, 57 London 16, 18, 20, 36, 49, 53, 58, 68, 79 (Α), 8 2 f . , 1 1 2 f . , 120, 122, 135, 143, 1 5 3 f . , 157, 1 5 9 f . , 161, 174, 1 7 6 f . , 186, 200, 202, 2 1 O f . , 221 Lüneburg 79 (Α), 135 Lund 71 Lyon 170 Marburg 28 München 9

257 Neapel 161 Nidda 191 Nürnberg 56, 68, 108, 112f., 149 Oxford 176, 205 Paris 22, 148, 160, 165, 188, 210f. Regensburg 32ff·, 39 Rom 160 Straßburg 28, 30f., 37, 60, 76 Toulouse 22, 165 Tübingen 28, 197 Verona 211 Weimar 106 Wolfenbüttel 9, 107 Yale 27 (A) Zerbst 81ff., 225 Zürich 206 (Α), 231f.

Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der Germanischen Völker Neue Folge · Groß-Oktav · Ganzleinen

URS

HERZOG

Jakob Gretsers „Udo von Magdeburg" 1598 Edition und Monographie XIV, 283 Seiten. 1 Frontispiz. 1970. DM 54,— (Band 33) ROLF

HACHMANN

Die Goten und Skandinavien XIV, 584 Seiten. 82 Abbildungen und 1 Tafel. 1970. D M 86,— (Band 34) GEORG

WACKERL

Goethes Tag- und Jahreshefte VIII, 176 Seiten. 1970. DM 34,— (Band 35) HANS-WOLFGANG

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Mimesis als Problem

Studien zu einem ästhetischen Begriff der Dichtung aus Anlaß Robert Musils X, 297 Seiten. 1971. DM 42,— (Band 36) IRENE

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Transparenz der Wirklichkeit Edzard Schaper und die innere Spannung in der diristlidien Literatur des 20. Jahrhunderts XII, 308 Seiten. 1971. DM 48,— (Band 37) JAKOB

KNAUS

Hoffmannsthals Weg zur Oper „Die Frau ohne Schatten" Rücksichten und Einflüsse auf die Musik VIII, 151 Seiten. Mit zahlreichen Musikbeispielen. 1971. D M 38,— (Band 38)

Albert von Augsburg Das Leben des Heiligen Ulrich H e r a u s g e g e b e n v o n KARL-ERNST GEITH

X, 97 Seiten. Mit 2 Abbildungen. 1971. DM 32,— (Band 39)

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Walter de Gruyter · Berlin · New York

Studia Linguistica Germanica H e r a u s g e g e b e n v o n LUDWIG ERICH SCHMITT u n d STEFAN SONDEREGGER

Bereits erschienen: ILPO TAPANI PIIRAINEN

Graphematisdie Untersuchungen zum Frühneuhochdeutschen Groß-Oktav. XIV, 271 Seiten. 1968. Ganzleinen DM 64,— (Band 1) PETER WIESINGER

Phonetisch-phonologische Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten Groß-Oktav. 1970. Ganzleinen. Zusammen DM 120,— (Band 2) Band I: Die Langvokale im Hochdeutschen. 420 Seiten. Mit 11 Karten in eigener Mappe. Band II: Die Diphthonge im Hodideutsdien. 360 Seiten. Mit 7 Karten in eigener Mappe. GLENN G . GILBERT

Texas Studies in Bilingualism Spanish, French, German, Czech, Polish, Sorbian, and Norwegian in the Southwest. With a concluding chapter on code-switdiing and modes of speaking in American Swedish Groß-Oktav. X, 223 Seiten und 4 Tafeln. 1970. Ganzleinen DM 98,— (Band 3) In

Vorbereitung:

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Slavoteutonica Lexikalische Untersuchungen zum slawisch-deutschen Kontakt Groß-Oktav. Etwa 370 Seiten. Mit 50 Karten. Ganzleinen etwa DM 84,— (Band 4) HARALD BURGER

Zeit und Ewigkeit Studien zum Wortschatz der geistlichen Texte des Alt- und Friihmittelhochdeutsdien Groß-Oktav. Etwa 368 Seiten. 1971. Ganzleinen etwa DM 72,— (Band 5) HELMUT H E N N E

Semantik und Lexikographie Untersuchungen zur lexikalischen Kodifikation der deutschen Sprache Groß-Oktav. Etwa 240 Seiten. Mit 61 Textabbildungen. 1971. Ganzleinen etwa DM 38,— (Band 6)

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Walter de Gruyter · Berlin · New York

Zur Theorie der Vergleichenden Literaturwissenschaft Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von H O R S T RÜDIGER Oktav. VIII, 87 Seiten. 1971. Kartoniert DM 12,— (Komparatistische Studien. Band 1. Beiheft zu Arcadia. Zeitschrift für Vergleichende Literaturwissenschaft. Herausgegeben von H O R S T R Ü D I G E R ) Inhalt: G. BAUER, Theorie der Literatur in der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft. — E. KOPPEN, H a t die Vergleichende Literaturwissenschaft eine eigene Theorie? — M. GSTEIGER, Zum Begriff und über das Studium der Literatur in vergleichender Sicht. Die Beiträge sind ausgearbeitete Referate, vorgetragen auf der ersten Tagung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft 1970 in Mainz. ARMAND

NIVELLE

Kunst- und Dichtungstheorien zwischen Aufklärung und Klassik (Neubearbeitete Ausgabe von »Les theories esthetiques en Allemagne de Baumgarten ä Kant«, Paris 1955) 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. Groß-Oktav. VI, 266 Seiten. 1971. Ganzleinen DM 48,— Der erste Teil des Buches behandelt die „philosophische" Strömung mit Baumgarten als Ausgangspunkt, Meier, Sulzer und Mendelssohn als typischen und in verschiedene Richtungen weisenden Momenten; der zweite legt die „kritischen" Bemühungen Winckelmanns, Lessings und Herders dar; der dritte zeigt das Ineinanderflicßen der beiden Strömungen im Werk des „genialen Vollenders" Kant. Sowohl in den theoretischen Grundbegriffen seiner Ästhetik als auch in seinen konkreten Kunstanschauungen ist Kant der von den „philosophischen" und „kritischen" Vorgängern geleisteten Vorbereitung in hohem Grade verpflichtet. ARMAND

NIVELLE

Frühromantische Dichtungstheorie Groß-Oktav. VIII, 225 Seiten. 1970. Ganzleinen DM 48,— Fortsetzung des 1960 erschienenen Werkes desselben Autors: „Kunst- und Dichtungstheorien zwischen Aufklärung und Klassik." Anhand der frühromantischen Dichtungsanschauung wird eine in ihrem Wesen zeitlose Art der menschlichen Einstellung zur Kunst aufgezeigt, und — ohne die Unterschiede und Widersprüche der einzelnen Ansichten zu übersehen — die Frühromantik in ihrer Ganzheit als typische Welthaltung synthetisch dargestellt. Nach einem Einführungskapitel — „Der neue Geist" — befaßt sich der Autor mit den „Philosophischen Grundlagen" und der romantischen Naturauffassung. Dann wendet er sich der Auslegung der Begriffe „Kunst" und „Dichtung" zu. Ein weiteres Kapitel behandelt die Poetik des Romans. Der letzte Abschnitt „Romantik und romantisch" unternimmt eine Zusammenschau und eine mit modernen Kategorien arbeitende Rekonstruktion der frühromantischen Dichtungstheoric. Literaturverzeichnis, Namen- und Sachregister

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