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German Pages 304 [306] Year 2020
Weiman Yuan Medizin und Kolonialismus
Weiman Yuan
Medizin und Kolonialismus Deutsche Darstellung von chinesischer Medizin vom Opiumkrieg bis zum Ersten Weltkrieg
ISBN 978-3-11-066009-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-066429-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-066035-7 Library of Congress Control Number: 2020944289 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhalt Vorwort
VII
Einleitung
1 Forschungsgegenstand und Zielsetzung 5 Forschungsstand Quellenbereich 25 Theoretische Grundlagen 28 Fragestellung und Gliederung 31
I . . . . . . . . II
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Hintergründe deutscher Darstellung von chinesischer Medizin in der Kolonialzeit 34 Einstellungen zur chinesischen Medizin in Deutschland bis zum 34 Opiumkrieg Übersicht über die chinesische Medizin 34 38 Frühe Kenntnis von chinesischer Medizin in Deutschland Unterschiedliche Entwicklung in Deutschland und China 46 Vereinigung, Industrialisierung und koloniale Expansion 47 Deutschlands Verfall, Invasion fremder Mächte und Erwachen der chinesischen Gesellschaft 55 Das deutsche Medizinalwesen in China 62 63 Deutsche Chinapolitik von 1840 bis 1914 Deutsche ärztliche Mission in China 66 Deutsche staatliche medizinische Tätigkeiten in China 72 Die Deutsche Medizinschule für Chinesen in Shanghai 83 Zusammenfassung 87 Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der 89 Kolonialzeit Publikationen der Missionsärzte und Missionare 90 Publikationen der Militärärzte 106 Publikationen der medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler 127 Zusammenfassung 140
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III . . . . . . . Schluss
Inhalt
Chinesische Medizin in deutscher Darstellung in der 142 Kolonialzeit Zur chinesischen Medizin 143 Theorien der chinesischen Medizin 144 Praktische Behandlungsmethoden in der chinesischen 156 Medizin Der ärztliche Beruf in China 171 183 Zu den Krankheiten in China Wesentliche Krankheiten unter Chinesen und ihre Krankheitsursachen 183 202 Bekämpfungen von Krankheiten durch Chinesen Zur Hygiene in China 218 Das öffentliche Gesundheitswesen in China 219 236 Die individuelle Hygiene von Chinesen Zusammenfassung 253 256
Quellen- und Literaturverzeichnis 267 Quellen 267 Literatur in westlichen Sprachen Literatur in chinesischer Sprache Personenregister
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280 288
Vorwort Nach der für die Neuzeit gültigen Definition von „Kolonie“, in der exklusive Ansprüche auf die politisch-wirtschaftliche Eroberung der Kolonie von einem „Mutterland“ erhoben oder/und realisiert wurden, war China keine Kolonie Europas. Die „halbkoloniale“ und „halbfeudale“ Gesellschaft gibt die vorherrschende Idee von der Darstellung der Gesellschaftsformation Chinas in der Zeit des Kolonialismus wieder. Aber „Kolonialismus“ bezieht sich nicht nur auf den Souveränitätsverlust der Kolonie, sondern er ist auch ein Aufbauprozess der kulturellen Hegemonie, der so verlief, dass westliche Mächte mit mehr oder weniger Zwang die Bevölkerungen in den eroberten Gebieten dazu nötigten, die westlichen kulturellen Ideen und Modelle zu akzeptieren. Aus dieser Perspektive betrachtet erfuhr China ab dem Opiumkrieg 1840 – 1842 etwas strukturell Ähnliches wie die sogenannten typischen Kolonien und kann in die Forschung zur Geschichte des Kolonialismus mit einbezogen werden. Deshalb werden in der vorliegenden Studie die Wörter „halbfeudal“ und „halbkolonial“ nur bei der Beschreibung der Gesellschaftsformation Chinas angewandt und in anderen Fällen werden die betreffenden Begriffe des „Kolonialismus“ benutzt. In den über die ganze Welt verstreuten Kolonien wurde die Kolonialherrschaft häufig durch die Einrichtung des medizinisch-hygienischen Systems gefestigt und bekräftigt. Die Ausübung praktischer medizinischer Tätigkeiten war auch ein wesentlicher Bereich der deutschen Kolonialexpansion in China. Währenddessen befassten sich manche Deutsche mit chinesischen medizinischhygienischen Gegebenheiten, woraus eine große Anzahl deutscher Publikationen zur chinesischen Medizin entstand. Zusammen mit der medizinischen Praxis bildeten diese Arbeiten das deutsche Medizinalwesen in China. Wie wurde die chinesische Medizin in diesen Arbeiten beschrieben und beurteilt? Was genau beeinflusste die Meinungsbildung der deutschen Beschreiber hinsichtlich der chinesischen Medizin? Auf diese Fragen ist bisher noch nicht systematisch eingegangen worden. Obwohl die Tätigkeiten von Deutschen in China, vor allem deutscher Missionare und Kaufleute, vor den 1860er Jahren nicht durch staatliche Kräfte unterstützt wurden, erfolgten diese vor dem Hintergrund des europäischen Kolonialismus in China, der mit dem Opiumkrieg begann, und wiesen dieselbe Asymmetrie auf wie andere koloniale Beziehungen. Deshalb war ihr frühes Verhalten in China kolonialistisch gefärbt und sollte als Beginn der deutschen Kolonialexpansion in China angesehen werden. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs verlor Deutschland sämtliche koloniale Privilegien in China und ab Anfang der 1920er Jahren entwickelten sich vertraglich fixierte, gleichberechhttps://doi.org/10.1515/9783110664294-001
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Vorwort
tigte Beziehungen zwischen Deutschland und China, was einen neuen Beginn der deutsch-chinesischen Beziehungen symbolisierte. Auf Basis dieser Tatsachen kann der Zeitraum der deutschen Kolonialexpansion in China, nämlich der in der vorliegenden Studie als „Kolonialzeit“ bezeichnete, auf die Zeit zwischen dem Opiumkrieg und dem Ersten Weltkrieg begrenzt werden. In diesem Sinn werden Deutsche, die an der Gründung und Entwicklung des deutschen Kolonialunternehmens in China beteiligt waren, als „Kolonisatoren“ und Chinesen als „Kolonisierte“ betrachtet, aber nicht jeder „Kolonisator“, sondern nur ein Anhänger oder Vertreter des Kolonialismus wird als „Kolonialist“ bezeichnet. Die vorliegende Studie ist eine überarbeitete Fassung der Arbeit, die im Wintersemester 2018/2019 vom Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen und im Januar 2019 an die Hochschulschriftenstelle der FU abgegeben wurde. Wenn ich mich an das mehrjährige Studium an der Freien Universität Berlin erinnere, entsteht spontan ein Gefühl der Dankbarkeit. Zunächst geht mein Dank an meinen Betreuer, Herrn Prof. Dr. Klaus Mühlhahn. Man kann sagen, dass ohne seine kontinuierlichen, geduldigen Hinweise diese Dissertation nicht hätte fertiggestellt werden können. Obwohl Prof. Mühlhahn sehr beschäftigt ist, fand er immer die Zeit, mit mir über meine Arbeit zu diskutieren. Von der Bereitstellung des Themas, der Recherche und Sammlung der Materialien, der Überarbeitung des Inhalts bis zur Festlegung der endgültigen Version begleitete er hilfreich das Entstehen der Dissertation. Hierfür bedanke ich mich bei Prof. Mühlhahn herzlich. Gleichzeitig bedanke ich mich auch bei Prof. Dr. Sun Lixin, dem Betreuer meiner Masterarbeit an der Pädagogischen Universität Beijing in China.Während ich an meiner Dissertation schrieb, gewährte er mir freundliche Unterstützung und große Hilfe. Er prüfte meine Arbeit und gab mir viele Hinweise und Überarbeitungsvorschläge. Daneben geht mein Dank auch an Prof. Dr. Mechthild Leutner, Prof. Dr. Christian Meyer und Prof. Dr. Paul Ulrich Unschuld, denen ich viele wertvolle Vorschläge zu verdanken habe. Genauso großer Dank gebührt dem China Scholarship Council (CSC). Durch das Stipendienangebot des CSC wurde mir der mehrjährige Aufenthalt in Deutschland finanziell ermöglicht und die reibungslose Vollendung meines Studiums an der FU gewährleistet. Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Eltern und Freunden. Das Schreiben der Dissertation war ein langer Prozess und dauerte mehrere Semester. Während dieser Zeit sorgten sie sich immer um mich. Sie boten mir nicht nur materielle, sondern auch seelische Hilfen an, indem sie mich motivierten. Ihre Unterstützung war ein positiver Antrieb für das Vorankommen meiner Arbeit.
Vorwort
IX
Am Ende geht mein Dank an alle Leute, die mir im Laufe des Schreibprozesses in unterschiedlichen Graden mit Sorge, Hilfe und Unterstützung zur Seite standen. Weiman Yuan
Tianjin, April 2020
Titelsübersetzung chinesischer Literatur Für die Titel der chinesischen Literatur werden in dieser Arbeit deutsche Übersetzungen verwendet. Die englischen Übersetzungen der Titel stammen von den Literaturautoren selbst.
Einleitung 1 Forschungsgegenstand und Zielsetzung Mit der gewaltsamen Öffnung Chinas durch den chinesisch-englischen Opiumkrieg 1840 – 1842 begann die kolonialistische Ära in China. Der 1861 unterzeichnete Handelsvertrag zwischen den deutschen Staaten und China, der dem Muster anderer ungleicher Verträge folgte, stellte den Beginn der offiziellen deutschchinesischen diplomatischen Beziehungen dar und war bis zur Kriegserklärung Chinas gegenüber dem Deutschen Reich am 14. August 1917 die Grundlage der deutschen Chinapolitik. Im Verlauf der deutschen Kolonialexpansion in China erstreckte sich die deutsche Tätigkeit einerseits auf die militärische Eroberung – darunter die Inbesitznahme der Jiaozhou-Bucht 胶州湾 1897 und die Unterdrückung des Boxer-Aufstandes 1900 – 1901 –, auf die wirtschaftliche Ausbeutung – wie etwa die aktive Teilnahme am chinesischen Anleihe- und Eisenbahngeschäft und den Aufbau von Fabriken – sowie auf andere machtpolitische Handlungen. Andererseits wurden weichere Maßnahmen kulturimperialistischer Prägung angewandt. Diese waren unter anderem der Export von Wissenschaft und Technik und die Ausübung des kulturellen Einflusses, unter denen die Kolonialmedizin einen wichtigen Platz einnahm. „Kolonialmedizin“ bezeichnet gemeinhin, dass Kolonisatoren in Kolonien medizinische Hilfe leisteten, Krankenhäuser und Medizinschulen aufbauten, Krankheiten untersuchten, Sanitäts- und Quarantänesysteme einrichteten sowie lokale medizinisch-hygienische Verhältnisse festhielten und darüber Arbeiten publizierten. Obschon die Kolonialmedizin von einer gewissen humanitären Prägung war, diente sie doch in erster Linie der Förderung und Festigung der Kolonialherrschaft. Zugleich wurden damit auch Funktionen der wissenschaftlichen Forschung, der kulturellen Verbreitung sowie des kulturellen Austauschs ausgeübt. Dies gilt auch für das medizinische Engagement deutscher Kolonisatoren in China. Klaus Mühlhahn schreibt über die Tätigkeit und Erfahrungen deutscher Ärzte in der Kolonialzeit in Qingdao 青岛, dass die medizinische Disziplin nicht nur in den deutschen Schulen und wissenschaftlichen Tätigkeitsfeldern stark vertreten war, sondern dass die Medizin selbst auch in alltäglichen Interaktionen eine wichtige Rolle spielte, denn Ärzte gehörten zu derjenigen Gruppe, die wohl den meisten und auch engsten Kontakt zur chinesischen Bevölkerung hatte.¹ In Mühlhahn, Klaus: Herrschaft und Widerstand in der Musterkolonie. Interaktionen zwischen China und Deutschland, 1897 – 1914, München: R. Oldenbourg Verlag, 2000, S. 255. https://doi.org/10.1515/9783110664294-002
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Einleitung
der Zeit des Kolonialismus umfasste das deutsche Medizinalwesen in China auf der Ebene der medizinischen Praxis vor allem die ärztliche Mission, den medizinischen Aufbau im Pachtgebiet Kiautschou (Jiao’ao zujiedi 胶澳租借地), in Tianjin 天津 und Beijing 北京 sowie die Gründung der Medizinschule in Shanghai 上海. Die Ausübung der verschiedenen praktischen medizinischen Tätigkeiten bildete einen wesentlichen Bereich der deutschen Expansion in China. Gleichzeitig befassten sich manche Deutsche, insbesondere Praktizierende medizinischer Berufe, mit den medizinischen und hygienischen Gegebenheiten in China und veröffentlichten ihre Erkenntnisse über die chinesische Medizin², woraus eine große Anzahl deutscher Publikationen zur chinesischen Medizin entstand. Eine systematische Forschung dazu wurde jedoch nur unzulänglich durchgeführt. Die chinesische Medizin, die auf der traditionellen chinesischen Kultur basiert und tiefreichende ideelle Hintergründe besitzt, gilt als wertvoller Schatz der chinesischen Zivilisation und wird dem medizinischen Modell der Naturphilosophie zugerechnet. Die Darstellung der chinesischen Medizin, die von chinesischen und ausländischen Gelehrten und Medizinern zu unterschiedlichen historischen Zeitpunkten erfolgte, weist zahlreiche Übereinstimmungen, aber auch gegensätzliche Meinungen auf. Diese Ansichten betrafen häufig das Gesamturteil über die chinesische Medizin und reichten von der positiven Bewertung über eine teilweise Bejahung oder Verneinung bis hin zur völligen Ablehnung. Zu betonen ist, dass die Beschreiber grundsätzlich derselben Art Medizin, die aus altertümlicher Wissenschaft, Philosophie und kulturellen Elementen bestand, gegenüberstanden. Als Behandlungsmethode hat die chinesische Medizin sowohl positiven Wert als auch objektive Nachteile. Durch zahlreiche Daten ist belegt, dass sie Krankheiten erfolgreich heilen kann. Jedoch ist die Darstellung der chinesischen Medizin häufig keine rein medizinische, sondern sie steht darüber hinaus in Verbindung mit der genauen Kenntnis der Kultur. Die Vorkenntnisse und Einstellungen sowie der Standpunkt, den jeweilige Beschreiber zur chinesischen Kultur insgesamt einnimmt, können sein Verständnis von der chinesischen Medizin und auch sein Werturteil über sie beeinflussen, weshalb die von Deutschen erstellte Darstellung der chinesischen Medizin während der Kolonialzeit ein wichtiger Bestandteil des gleichzeitigen deutschen Erkenntnisgewinns über die chinesische Kultur war. Die Darstellung der chinesischen Medizin durch Deutsche hatte sich in der Geschichte der europäisch-chinesischen Beziehungen längst etabliert. In Europa Unter dem hier verwendeten Begriff „Chinesische Medizin“ ist in der vorliegenden Studie, sofern nicht anders angegeben, immer die traditionell in China praktizierte Art von Medizin gemeint, die im Deutschen auch als TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) bekannt ist und der westlichen Medizintradition als eigenständiges indigenes System gegenübersteht.
1 Forschungsgegenstand und Zielsetzung
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wurde die chinesische Medizin erstmals in der Mitte des 16. Jahrhunderts durch europäische Jesuiten und Ärzten umfangreich vorgestellt. Auch deutsche Missionare und Ärzte waren beteiligt. Mit dem Auftreten der Kolonisatoren nach dem Opiumkrieg fand die europäische Medizin auf schriftlichem Weg und in der medizinischen Praxis ihren Weg nach China. Zugleich erforschten die westlichen Ankömmlinge in diesem Zeitraum die chinesische Medizin in unterschiedlichem Grade und berichteten viel darüber. Hierbei erreichte die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin zwar nicht das quantitative Niveau der Darstellungen aus Großbritannien und den USA, was vor allem mit dem beschränkten Umfang des deutschen Medizinalwesens in China zu tun hatte. Aber das Deutsche Reich, in welchem die Medizin in theoretischer und praktischer Hinsicht eigene Traditionen und Herausstellungsmerkmale hatte, stand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zentrum der medizinischen Entwicklung in Europa, und die Erforschung der chinesischen Medizin durch Deutsche war zugleich aus kolonialer wie auch aus kultureller Perspektive von Bedeutung. Ausgehend von dieser Erkenntnis ist die zeitgenössische deutsche Darstellung der chinesischen Medizin einer näheren Betrachtung würdig. Die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit erfolgte vor allem durch Missionare und Missionsärzte, Militärärzte sowie medizinische Hochschullehrer und Wissenschaftler. Viele dieser Arbeiten wurden als Arbeitsberichte, Zeitungsartikel, wissenschaftliche Abhandlungen oder Ähnliches in den Zeitschriften der deutschen Missionsgesellschaften oder in den medizinischen Fachzeitungen und -zeitschriften oder eigenständig, etwa in Form von Broschüren, Monographien, Sammlungen von Tagebüchern und Forschungsberichten sowie als Teil von Büchern veröffentlicht. In diesen Publikationen wurden zahlreiche Informationen über die chinesische Medizin präsentiert, die sowohl das chinesische Medizinalwissen als auch Beschreibungen von Krankheiten und hygienischen Zuständen in China einbezogen, welche wiederum jeweils eng mit der tatsächlichen Praxis wie auch dem theoretischen Hintergrund der chinesischen Medizin zusammenhingen. Bei der konkreten Darstellung konnte es sich um bewusste Negation und Kritik, um objektive Beschreibung und Beurteilung oder um wissenschaftliche Analyse und Forschung handeln. Diese Publikationen protokollierten nicht nur Tatsachen, die die deutschen Beobachter in China sahen, erlebten oder durch das Lesen von Berichten und Forschungsergebnissen kennenlernten. Sie enthielten darüber hinaus ihre Wahrnehmung und Erkenntnis der chinesischen Medizin, und zwar des als Fremdkultur angesehenen „Anderen“, und hatten den Charakter des interkulturellen Verstehens. In der vorliegenden Studie wird versucht, die in der Kolonialzeit veröffentlichten deutschen Arbeiten über die chinesische Medizin zu erforschen. Die Schwerpunkte der Arbeit liegen einerseits auf der systematischen Einordnung
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Einleitung
und selektiven Vorstellung der in der Kolonialzeit veröffentlichten deutschen Publikationen über die chinesische Medizin, andererseits in der Zusammenfassung der in diesen Publikationen zum Ausdruck gebrachten Meinungen sowie der Analyse und Erläuterung von gleichen und divergierenden Meinungen und der Gründe für die Herausbildung derselben. Auf der Basis der ursächlichen Ergründung des in der deutschen Darstellung konstruierten Bildes von der chinesischen Medizin wird die Frage des deutschen interkulturellen Kontakts und Verstehens in der Kolonialzeit behandelt. Dabei werden durch diese Fallstudie einige allgemeine Probleme und Gesetzmäßigkeiten in Hinsicht auf kulturelle Unterschiede und Konflikte erörtert und beleuchtet. Gleichzeitig erfolgte die Darstellung der chinesischen Medizin auch aus der Feder anderer zeitgenössischer Europäer. Die Erforschung dieser Darstellung kann eine Basis für einen späteren Vergleich von Darstellungen aus unterschiedlichen Ländern schaffen. Dadurch können allgemeine Schlussfolgerungen oder gegebenenfalls existierende Unterschiedlichkeiten zusammengefasst werden. Diese Studie ist darüber hinaus unter dem Aspekt der Geschichte des deutschen Kolonialismus in China von akademischem Interesse. Die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit war ein Teil der deutschen Kolonialmedizin in China. Die Erforschung der deutschen Kolonialmedizin begann in den 1960er Jahren. Inhaltlich hat sie sich lange auf die medizinische Praxis konzentriert, wobei deren Durchführungsprozess, Besonderheiten, Einfluss sowie Effekte diskutiert wurden. Hier wurde die Kolonialmedizin vor allem als Instrument der deutschen Expansion und Herrschaft in Kolonien konstruiert und als einseitige Tätigkeit der deutschen Kolonisatoren aufgefasst.³ Unter Berücksichtigung der Globalgeschichte wurden die Kontakte und Beziehungen zwischen Kolonisatoren und Kolonisierten sowie die darauf basierenden wechselseitigen Begegnungen, Wahrnehmungen, Bekanntschaften und Eindrücke als Schwerpunkte behandelt. Die Forschung zur deutschen Kolonialmedizin wurde auch durch diesen Forschungswandel beeinflusst. Dabei wurden zum einen alte Forschungsgegenstände aus solcher neuen Perspektive erneut interpretiert,⁴ zum anderen sind auch neue Themen, wie der Transfer und Austausch von Medizinalwissen entstanden.⁵
Vgl. Eckart, Wolfgang Uwe: Medizin und Kolonialimperialismus: Deutschland 1884 – 1945, Paderborn [u. a.]: Schöningh, 1997, S. 13 – 23. Vgl. Isobe, Hiroyuki: Medizin und Kolonialgesellschaft. Die Bekämpfung der Schlafkrankheit in den deutschen „Schutzgebieten“ vor dem Ersten Weltkrieg, Berlin [u. a.]: Lit Verlag, 2009; Bauche, Manuela: Medizin und Herrschaft. Malariabekämpfung in Kamerun, Ostafrika und Ostfriesland (1890 – 1919), Frankfurt/New York: Campus Verlag, 2017; und andere.
2 Forschungsstand
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Diese Studie hat aus diesen Ansätzen viele Anregungen bezogen. Die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit wird sowohl als Information über die chinesische Medizin als auch als Demonstration des Umgangs der deutschen Beschreiber mit derselben angesehen. Deshalb bereichert die Bearbeitung dieser Darstellung die Forschung zur deutschen Kolonialmedizin in China und zugleich vertieft sie das Wissen über die deutsche Kolonialmedizin und, im weiteren Sinn, über die koloniale Wissenschaft in China sowie das Verständnis von Wirkungsweise und Wesen derselben. Weiterhin bietet diese Studie dem heutigen Wissensstand zur chinesischen Medizin eine sinnvolle Perspektive. Obwohl die moderne westliche Medizin mithilfe von naturwissenschaftlichen Errungenschaften in vielen Aspekten die klassische übertrifft, ist zu betonen, dass Medizin weiterhin häufig vielen Unwägbarkeiten, Zufälligkeiten und Möglichkeiten ausgesetzt ist und sich deshalb theoretisch und methodologisch nicht ausschließlich auf den Bereich der Naturwissenschaften beschränken kann. Aus diesem Grund ist die chinesische Medizin naturphilosophischer Prägung, die sich von der modernen westlichen Medizin in der Gattung unterscheidet und bei vielen medizinischen Leiden eine erwiesene praktische Wirksamkeit hat, sowohl historisch als auch in der Gegenwart von großer Wichtigkeit. Die vorliegende Studie kann dazu beitragen, das Wissen von der chinesischen Medizin, den historischen Beziehungen zwischen der europäischen und der chinesischen Medizin und den verschiedenen Beurteilungen der deutschen Beschreiber über die chinesische Medizin zu vertiefen. Hierdurch können historisch herausgebildete und weiterhin kursierende Vorurteile gegenüber der chinesischen Medizin entkräftet, die künftige Entwicklung der chinesischen Medizin begünstigt und dem west-östlichen kulturellen Austausch einige sinnvolle Erfahrungen angeboten werden.
2 Forschungsstand Obgleich bislang keine gesonderten Studien zur deutschen Darstellung der chinesischen Medizin während der Zeit der deutschen Expansion in China vorliegen, wurden bereits in einigen Forschungsarbeiten in verschiedenen Graden Inhalte
Vgl. Bauche, Manuela: „Trypanosomen und Tinbeef. Medizinisches Wissen um Schlafkrankheit zwischen Kamerun und Deutschland 1910 – 1914“, in: Marc Seifert u. a. (Hg.): Beiträge zur 1. Kölner Afrikawissenschaftlichen Nachwuchstagung (KANT I), Köln 2007, http://www.uni-koeln.de/philfak/afrikanistik/kant/data/BM1_kant1.pdf, zuletzt aufgerufen am 27.12. 2019; Ehlers, Sarah: Europa und die Schlafkrankheit. Koloniale Seuchenbekämpfung, europäische Identitäten und moderne Medizin 1890 – 1950, Göttingen: Vandenboeck & Ruprecht, 2019; und andere.
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Einleitung
behandelt, die mit diesem Thema im Zusammenhang stehen. Hier werden im Wesentlichen die Arbeiten vorgestellt, die den deutschen Kolonialismus in China untersuchen, insbesondere den Aspekt der deutschen medizinischen Tätigkeit, insofern sie zum einen die politischen Hintergründe und praktischen Grundlagen der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin betreffen; zum anderen insofern Letztere hierin zuweilen erwähnt oder eingeschlossen wird, wenn auch nur peripher und unsystematisch. Die Forschung zum deutschen Kolonialismus und zum kolonialen Medizinalwesen in China wurde von vielen Wissenschaftlern bearbeitet; die systematische Forschungsarbeit begann in der Nachkriegszeit. Im Folgenden werden die einschlägigen in der Nachkriegszeit publizierten deutschen (einschließlich weiterer westlicher) und chinesischen Arbeiten getrennt geschildert.
Forschungsarbeiten in deutscher Sprache Die erste deutschsprachige Arbeit zu diesem Thema stammt vom DDR-Historiker Helmuth Stöcker. Dessen Monographie mit dem Titel „Deutschland und China im 19. Jahrhundert. Das Eindringen des deutschen Kapitalismus“⁶ wurde im Jahr 1958 publiziert. Darin beschäftigt sich der Verfasser ausführlich mit der Geschichte der preußisch-deutschen wirtschaftlichen Expansion in China von den Anfängen bis zum chinesisch-japanischen Krieg 1894/1895. Westdeutsche Historiker begannen in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, als China in zunehmendem Maße an Einfluss in der internationalen Politik und Wirtschaft gewann, den Aspekt der deutschen Kolonialexpansion in China mit ihren Untersuchungen zu berühren. Sie forschten zum einen auf den Gebieten der Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen,⁷ der Geschichte der deutschen Außenpolitik⁸ und der
Stöcker, Helmuth: Deutschland und China im 19. Jahrhundert. Das Eindringen des deutschen Kapitalismus, Berlin: Rütten & Loening, 1958. Fabritzek, Uwe G.: Gelber Drache, Schwarzer Adler, Gütersloh: C. Bertelsmann Verlag, 1973; Kirby, William C.: Germany and Republican China, Stanford: Stanford University Press, 1984; Ratenhof, Udo: Die Chinapolitik des deutschen Reiches 1871 – 1945: Wirtschaft-Rüstung-Militär, Boppard am Rhein: Harald Boldt Verlag, 1987; und andere. Stingl, Werner: Der Ferne Osten in der deutschen Politik vor dem Ersten Weltkrieg (1902 – 1914), Frankfurt am Main: Haag und Herchen Verlag GmbH, 1978; Jung, Sang Su: Deutschland und das Gelbe Meer. Die deutsche Weltpolitik in Ostasien 1897 – 1902, Frankfurt am Main[u. a.]: Peter Lang, 1996; und andere.
2 Forschungsstand
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deutschen Kolonialgeschichte,⁹ bei denen das deutsche Vorgehen in China in der Zeit des Kolonialismus als wichtiger Bestandteil beziehungsweise als notwendiger historischer Hintergrund dargestellt und analysiert wurde. Zum anderen erschienen die Forschungsergebnisse in historischen Studien, die sich speziell mit dem deutschen Kolonialismus in China beschäftigten. Bis zum Ausgang des 20. Jahrhunderts lag der Schwerpunkt der Forschung zur deutschen Kolonialexpansion in China im Bereich der politisch-wirtschaftlichen Geschichte. Unter diesem Aspekt wurden vor allem die deutsche Expansion und Verwaltung in der Jiaozhou-Bucht und in der Provinz Shandong 山东 sowie die deutsche Kulturarbeit, insbesondere das Bildungswesen in China, bearbeitet. Zwar wurde die Tätigkeit auf der kulturellen Ebene in den Arbeiten speziell erforscht, aber sie beschränkten sich ausschließlich auf die Betonung der politischwirtschaftlichen Interessen der Kulturarbeit. Zudem fehlte ihnen die eingehende Reflexion der kulturellen Eigenheiten. Ähnlich wie Politik und Wirtschaft verfügt Kultur ebenfalls über die Funktionen von Macht und Herrschaft. In Hinsicht auf die Forschungstheorie spielten die Imperialismustheorie und die Modernisierungstheorie eine große Rolle.¹⁰ Ihre Deutungen konzentrierten sich auf Muster wie „Aggression-Antiaggression“ und „Auswirkung-Reaktion“. Obwohl die beiden Muster hinsichtlich der Ideologie und der politischen Meinung gegensätzlich sind, stimmen sie in der eurozentristischen Denkweise überein. Sie arbeiten einseitig an dem Willen und der Auswirkung der deutschen Seite und vernachlässigen die subjektive Position Chinas, die verschiedenen chinesischen Gruppen und die deutsch-chinesischen Interaktionen. Die medizinische Tätigkeit war ein wichtiger Bereich im Zuge der deutschen Kolonialexpansion in China und wurde in einigen der Arbeiten, die sich mit der deutschen Kolonialexpansion in China beschäftigten, mehr oder weniger bearbeitet.
Wehler, Hans-Ulrich: Bismarck und der Imperialismus, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984; Gründer, Horst: Geschichte der deutschen Kolonien, Paderborn [u. a.]: Schöningh, 2004; Graichen, Gisela/Gründer, Horst: Deutsche Kolonien. Traum und Trauma, Berlin: Ullstein, 2007; und andere. Über die Zusammenfassung der Forschungstheorien und Deutungsmuster vgl. Leutner, Mechthild (Hg.): „Musterkolonie Kiautschou“: Die Expansion des Deutschen Reiches in China. Deutsch-chinesische Beziehungen 1897 bis 1914. Eine Quellensammlung, Berlin: Akademie Verlag, 1997, S. 48 – 51; Leutner, Mechthild: „‚Dekolonisierung‘ einer Kolonie: Jiaozhou im deutschen Diskurs“, in: Hermann J. Hiery/Hans-Martin Hinz (Hg.): Alltagsleben und Kulturaustausch: Deutsche und Chinesen in Tsingtau 1897 – 1914,Wolfratshausen: Edition Minerva, 1999, S. 294– 305; Sun Lixin 孙立新/Cui Wenlong 崔文龙: „Kuawenhua xianghu zuoyong“ lilun yu jindai zhongde guanxishi yanjiu „跨文化相互作用“ 理论与近代中德关系史研究 (Theory of Intercultural Interactions and Research on the Modern History of Sino-Germany Relations), in: Lilun xuekan 1 (2011), S. 87– 95.
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Einleitung
So befasste sich etwa John E. Schrecker in seiner Monographie „Imperialism and Chinese Nationalism: Germany in Shantung“ mit dem deutschen Medizinalwesen in der Jiaozhou-Bucht.¹¹ Ausgehend vom schlechten Gesundheitszustand der Deutschen, insbesondere der deutschen Truppen, in der Anfangsphase im Pachtgebiet ging er auf die konkreten medizinisch-hygienischen Maßnahmen des Gouvernements ein und betonte die dadurch erzielten beträchtlichen Erfolge. In seiner Dissertation „Die Planung und Entwicklung der deutschen Stadtgründung Qingdao (Tsingtau) in China. Der Umgang mit Fremden“¹² behandelte Torsten Warner aus der Perspektive des Städtebaus die sanitären Einrichtungen in Qingdao, wobei der Aufbauprozess der Infrastrukturen zur Entsorgung von Unrat, Fäkalien und Abwässern sowie zur Versorgung mit Trinkwasser analysiert wurde. Ähnlich wie Schrecker, hob Warner hier auch den günstigen Einfluss dieser Infrastruktur-Einrichtungen auf den Gesundheitszustand und die Entwicklung der Stadt Qingdao hervor. Im Rahmen der Forschung zum deutschen Bildungswesen in China untersuchten die Arbeiten von Rotraut Bieg-Brentzel, Françoise Kreissler, Roswitha Reinbothe und Huang Yi die deutsche Medizinschule in Shanghai, wobei die politisch-wirtschaftliche Bedeutung der Medizinschule und die einseitige deutsche Beeinflussung hervorgehoben wurden, während die deutsch-chinesischen Wechselwirkungen keine ausreichende Beachtung fanden.¹³ Die Arbeit von Bieg-Brentzel, die die Geschichte der Tongji-Universität von ihrem Ursprung bis 1952 darstellte, schilderte die Entstehung und Entwicklung des Vorläufers der Tongji-Universität, der deutschen Medizinschule in Shanghai, und des für Chinesen errichteten Tongji-Hospitals (1909 umbenannt in Paulen-
Schrecker, John E.: Imperialism and Chinese Nationalism: Germany in Shantung, Cambridge, MA: Harvard University Press, 1971, S. 79 – 83, S. 214– 217. Warner, Torsten: Die Planung und Entwicklung der deutschen Stadtgründung Qingdao (Tsingtau) in China. Der Umgang mit Fremden, Dissertation, Technische Universität Hamburg-Harburg, 1996. Diese Arbeit wurde vom Qingdao Archiv ins Chinesische übersetzt und im Jahr 2011 beim Dongnan Daxue Verlag publiziert. Bieg-Brentzel, Rotraut: Die Tongji-Universität. Zur Geschichte deutscher Kulturarbeit in Shanghai, Frankfurt am Main: Haag und Herchen Verlag GmbH, 1984, S. 1– 12; Kreissler, Françoise: „Deutsch-Chinesische Kooperation im Hochschulwesen: Das Beispiel der Tongji-Universität“, in: Kuo Heng-yü/Mechthild Leutner (Hg.): Beiträge zu den deutsch-chinesischen Beziehungen, München: Minerva-Publikation, 1986, S. 10 – 32; Reinbothe, Roswitha: Kulturexport und Wirtschaftsmacht. Deutsche Schulen in China vor dem Ersten Weltkrieg, Frankfurt am Main: Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 1992, S. 170 – 178; Huang, Yi: Der deutsche Einfluss auf die Entwicklung des chinesischen Bildungswesens von 1871 bis 1918. Studien zu den kulturellen Aspekten der deutsch-chinesischen Beziehungen in der Ära des Deutschen Kaiserreichs, Frankfurt am Main [u. a.]: Peter Lang, 1995, S. 141– 168.
2 Forschungsstand
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Hospital), das seit der Gründung der Medizinschule auch für Unterrichtszwecke benutzt wurde. Jedoch beschränkte sie sich vor allem auf die Zusammenstellung von Fakten und enthielt sich weitgehend der Auswertung und Kommentierung. Kreisslers Abhandlung bot einen Überblick über die Geschichte der TongjiUniversität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Rahmen der deutschchinesischen Kooperation im Hochschulwesen. Sie war der Meinung, dass die Tongji-Universität „als ein vorbildliches Beispiel deutsch-chinesischer Zusammenarbeit im kulturellen Bereich“ angesehen werden konnte, weil sie einerseits „einer der Grundpfeiler der gesamten deutschen Kulturbetätigung in China“ vor dem Ersten Weltkrieg war, andererseits zwei Weltkriege überdauerte und bis in die Gegenwart erfolgreich geführt wurde.¹⁴ Einen ähnlichen Standpunkt vertrat auch die Arbeit von Huang Yi, die auf der Basis des Modernisierungsparadigmas in vier Aspekten¹⁵ den deutschen Einfluss auf die Entwicklung des chinesischen Bildungswesens von 1871 bis 1918 behandelte. Die Entstehung, Entwicklung und die Lehrinhalte der deutschen Medizinschule als Teil der offiziellen deutschen Kulturpolitik wurden hier in einem Abschnitt kurz geschildert, wobei das positive Wirken der Medizinschule betont wurde. Im Unterschied dazu beschäftigte sich Reinbothe in ihrer Arbeit aus kritischer Perspektive mit dem deutschen Schulwesen in China vor dem Ersten Weltkrieg. Nach ihrer Meinung versuchte die deutsche „auswärtige Kulturpolitik […] die Eroberung von Märkten und Kolonien nicht allein durch militärische Gewalt, sondern zugleich durch kulturelle Einflussnahme abzusichern“¹⁶, weshalb das Ziel der deutschen Kulturarbeit in China darin bestand, der politischen und wirtschaftlichen Expansion des Deutschen Reiches in China zu dienen. In Anbetracht „des ungleichen Verhältnisses zwischen kolonisierender und kolonisierter Macht, das hinter allen freundlichen Formeln auch der deutschen Schulpolitik in China zugrunde lag“, wendete Reinbothe sich gegen die Formulierung von einer gleichberechtigten „deutsch-chinesischen Partnerschaft“¹⁷ und gegen die Betonung der positiven Leistung der deutschen Kulturarbeit in China. Unter diesen Voraussetzungen konzentrierte sich ihre Arbeit auf die Untersuchung des Deutschunterrichts für Chinesen, der „vor dem Ersten Weltkrieg als wichtiges
Kreissler, Deutsch-Chinesische Kooperation, S. 12. Diese vier Aspekte sind: die Verbreitung der deutschen Sprache in China, die Tätigkeit der deutschen evangelischen Missionsgesellschaften im chinesischen Schulwesen, die offizielle deutsche Kulturpolitik in China und das Studium chinesischer Studenten in Deutschland. Reinbothe, Kulturexport und Wirtschaftsmacht, S. 7. Reinbothe, Kulturexport und Wirtschaftsmacht, S. 11.
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Betätigungsfeld deutscher Kulturarbeit in China“ galt.¹⁸ Hinsichtlich der deutschen Medizinschule in Shanghai wurden im Wesentlichen der propagandistische Zweck, die politischen und wirtschaftlichen Interessen, die Schwierigkeiten und Probleme beim Fachunterricht auf Deutsch sowie der Einfluss auf die Verbreitung der deutschen Sprache in China behandelt. Die Arbeit von Wolfgang Uwe Eckart „Deutsche Ärzte in China 1897– 1914“¹⁹ war die erste und bislang einzige Monographie, in der die medizinische Tätigkeit deutscher Ärzte in China vor dem Ersten Weltkrieg vollständig beschrieben wurde. Auf Grundlage der Auswertung der Archive des deutschen Reichsmarineamtes und der Missionsgesellschaften wurden hier das deutsche Marinemedizinalwesen in der Jiaozhou-Bucht, die medizinische Tätigkeit der deutschen Marineärzte in Shandong und die deutsche ärztliche Mission und medizinische Ausbildung in China ausführlich erforscht. Eckart vertrat die Ansicht, dass die deutschen Ärzte, die vor 1914 in China arbeiteten, als „Kulturträger im Ausland“, als „Hilfskräfte deutscher Weltpolitik“ und als „Hauptakteure deutscher Kulturmission“ verstanden werden konnten.²⁰ Ausgehend von diesem Verständnis unterstrich er die deutsche medizinische Arbeit als Instrument der deutschen Kolonialexpansion in China sowie den wichtigen Beitrag der medizinischen Arbeit zur kulturimperialistischen Instrumentalisierung der Medizin. Aus diesem Grund wurden die medizinischen Tätigkeiten in seiner Arbeit ausschließlich aus deutscher Perspektive dargestellt und die chinesischen Reaktionen sowie die gegenseitigen Interaktionen vernachlässigt. Zugleich wurden auch die Tatsachen in den Bereichen der wissenschaftlichen Forschung und des Kulturaustauschs ignoriert. Auch fand sich in Eckarts Monographie „Medizin und Kolonialimperialismus: Deutschland 1884– 1945“ ein Abschnitt, der sich speziell mit den Maßnahmen des deutschen Gouvernements und der Missionsgesellschaften beim Aufbau der medizinischen Einrichtungen in der Jiaozhou-Bucht beschäftigte, aber der Inhalt war identisch mit seiner oben erwähnten Arbeit.²¹ In seiner Abhandlung diskutierte Eckart den deutschen Sanitätsdienst beim Ostasiatischen Expeditionskorps während der Niederschlagung der Boxerbewegung in China.²² Darin bewertete er die medizinische Arbeit der deutschen Sa-
Reinbothe, Kulturexport und Wirtschaftsmacht, S. 14. Eckart, Wolfgang Uwe: Deutsche Ärzte in China 1897 – 1914. Medizin als Kulturmission im Zweiten Deutschen Kaiserreich, Stuttgart: Gustav Fischer Verlag, 1989. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 3. Eckart, Medizin und Kolonialimperialismus, S. 458 – 503. Eckart, Wolfgang Uwe: „Medizin und imperialistischer Krieg. Kaiserliche Sanitätstruppen bei der Niederschlagung der ‚Boxer‘-Erhebung (1900 – 1901)“, in: Michael Hubenstorf/Hans-Uwe
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nitätstruppen, die auf die Erhaltung der Gesundheit und Gefechtsbereitschaft der deutschen Truppen abzielte, und den ärztlichen Erfahrungswert der Arbeit als positiv. Zugleich war er der Meinung, dass die Niederschlagung der Boxerbewegung, die als „Disziplinierung Chinas“ galt, auch „von ärztlicher Seite als Instrument westlicher Kulturmission im Kontext imperialistischer Politik“²³ verstanden werden konnte, aber diese Arbeit beschränkte sich dabei ebenfalls einseitig auf die deutsche Tätigkeit. Ein bemerkenswerter Wandel setzte am Ende des 20. Jahrhunderts ein. Mit dem Aufkommen der Neuen Kulturgeschichte in den 1980er und 1990er Jahren wurde das wissenschaftliche Interesse am Kulturkonflikt und -austausch in der Kolonialgeschichte geweckt. Dies zeigte sich auch in der Forschung zum deutschen Kolonialismus in China. Anlässlich des einhundertsten Jahrestages der deutschen Inbesitznahme der Jiaozhou-Bucht richtete das Deutsche Historische Museum in Berlin im Jahr 1998 eine Ausstellung zum Thema „Tsingtau: Ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte in China 1897– 1914“ ein. In deren Rahmen organisierte es in Zusammenarbeit mit der Universität Bayreuth im Juni 1998 ein internationales Symposium, bei dem die Forschung zum deutsch-chinesischen kulturellen Austausch und Alltagsleben in Qingdao erstmalig konzentriert thematisiert wurde. Als Ergebnisse der Ausstellung und des Symposiums wurden zwei Sammelbände, „Tsingtau: Ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte in China 1897– 1914“²⁴ und „Alltagsleben und Kulturaustausch: Deutsche und Chinesen in Tsingtau 1897– 1914“,²⁵ herausgegeben. Beide beleuchteten den kulturellen Austauschprozess zwischen Deutschen und Chinesen aus der Perspektive „von unten“ durch einige konkrete Beispiele in Form von Abhandlungen. Obwohl der in diesem Symposium ausgedrückte Forschungsblickwinkel, und zwar die Diskussion über „Kulturbegegnung im Kolonialzeitalter“, nach Ansicht des chinesischen Historikers Jing Dexiang 景德祥 als Rechtfertigung und Beschönigung des deutschen Kolonialismus in China verstanden werden konnte,²⁶ wurde die Betrachtung des deutsch-chinesischen Verhältnisses im Bereich des
Lammel/Ragnhild Münch u. a. (Hg.): Medizingeschichte und Gesellschaftskritik. Festschrift für Gerhard Baader, Husum: Matthiesen Verlag, 1997, S. 135 – 155. Eckart, Medizin und imperialistischer Krieg, S. 155. Hinz, Hans-Martin/Lind, Christoph (Hg.): Tsingtau: Ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte in China 1897 – 1914, Berlin: Deutsches Historisches Museum, 1998. Hiery/Hinz (Hg.): Alltagsleben und Kulturaustausch. Vgl. Jing Dexiang 景德祥: Cong qingdao kan deguo zhimin tongzhi yu zhongde wenhua jiaoliu 从 青岛看德国殖民统治与中德文化交流 (Deutsche koloniale Herrschaft und deutsch-chinesischer kultureller Austausch von Qingdao aus betrachtet), in: Bijiaofa yanjiu 18, 1 (2004), S. 129 – 130.
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Kulturaustauschs auf der Mikroebene als Forschungsmethode von Historikern allgemein angenommen und war auch zuvor bereits angewandt geworden. So betonten etwa Mechthild Leutner und Mühlhahn „die Notwendigkeit der räumlichen, zeitlichen und sachlichen Differenzierung des Phänomens des Imperialismus und Kolonialismus“²⁷. In der von Leutner in Zusammenarbeit mit Mühlhahn 1997 herausgegebenen Quellensammlung „‚Musterkolonie Kiautschou‘: Die Expansion des Deutschen Reiches in China“ behandelten sie die Geschichte der deutschen Expansion in China „als ‚interkulturelles Geschehen‘, als eine wechselseitige Beziehung, in der beiden Seiten prinzipiell Gleichrangigkeit in der Darstellung zugesprochen wird“,²⁸ und zwar „nicht nur aus der Perspektive der Metropole oder der deutschen Akteure“, sondern vielmehr auch mit Rücksicht auf „die Handlungsfähigkeit und aktive Teilnahme verschiedener sozialer Gruppen in China“ und „die Wirkungen und Rückwirkungen der kolonialen Intervention sowohl auf China als auch auf Deutschland auf den verschiedenen Ebenen“.²⁹ Die Arbeit von Huang Fu-teh 黄福得³⁰ aus Taiwan galt als ein Beispiel dieser Forschungsperspektive. Dabei konzentrierte er sich, in erster Linie auf deutsche Quellen gestützt, darauf, das Alltagsleben der chinesischen Bevölkerung in Qingdao zu klassifizieren und ausführlich zu verdeutlichen. Dafür widmete er sich insbesondere der Analyse des praktischen Umgangs der Chinesen mit den deutschen Kolonisatoren. Im sechsten Kapitel behandelte er das deutsche Gesundheitswesen im Pachtgebiet.³¹ Ausgehend von den Unterschieden zwischen der chinesischen und der westlichen Medizin erforschte er die Medizinal- und Hygienemaßnahmen der deutschen Kolonialverwaltung im Pachtgebiet, das chinesische Krankenhaus in Jinanfu 济南府, in dem die deutschen Marineärzte gemeinsam mit chinesischen Ärzten arbeiteten, und die Abwehr der Lungenpest 1911, wobei sein Schwerpunkt auf der medizinischen Versorgung der chinesischen Bevölkerung und dem Verhalten der chinesischen Seite lag. Er war der Meinung, dass eine kulturelle Beeinflussung nur langfristig möglich war, deshalb standen „die Übernahme der deutschen bzw. westlichen Medizin und die entsprechende Änderung des Verhaltens seitens der Chinesen […] sehr eng mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Chinas“ in Zusammenhang.³²
Leutner (Hg.): „Musterkolonie Kiautschou“, S. 50. Leutner, „Dekolonisierung“ einer Kolonie, S. 297. Leutner (Hg.): „Musterkolonie Kiautschou“, S. 51. Huang, Fu-teh: Qingdao: Chinesen unter deutscher Herrschaft 1897 – 1914, Bochum: Projekt Verlag, 1999. Huang, Fu-teh, Qingdao, S. 193 – 245. Huang, Fu-teh, Qingdao, S.198.
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Ausgehend von einer unterschiedlichen Interpretationskonzeption von Huang versuchte Mühlhahn in seiner Monographie „Herrschaft und Widerstand in der Musterkolonie. Interaktionen zwischen China und Deutschland, 1897– 1914“³³ ein theoretisch neues Deutungsmuster für die deutsche Kolonialgeschichte in der Jiaozhou-Bucht zu etablieren. Mithilfe der Theorie der interkulturellen Interaktion, nach der die aufeinander bezogenen Deutungen und Handlungen von Kolonisatoren und Kolonisierten als gleichwertig erfasst werden sollten, erforschte er unter Anwendung „eines praxeologischen, kinetozentrischen (prozessorientierten) und mikrohistorischen Ansatzes“³⁴ deutsch-chinesische Kontakte im Pachtgebiet auf drei Gebieten, nämlich der politischen Ökonomie in Shandong, der kolonialen Gesellschaft in Qingdao und der Religion in den ländlichen Regionen. Bei der Analyse der interkulturellen Kontakte unterschied er zwei Bereiche, und zwar „die symbolische Interaktion in Form der Diskurse auf Seiten der Kolonisatoren und der Kolonisierten und den Bereich der sozialen Interaktion in Form bedeutungsvoller und zielgerichteter Handlungen“.³⁵ Anhand des Aspekts der deutschen medizinischen Tätigkeit im Pachtgebiet zeigte Mühlhahn in einem kleinen Abschnitt³⁶ an den Beispielen des Lazaretts und der Maßnahmen gegen Geschlechtskrankheiten die Gesundheitspolitik des deutschen Gouvernements im Pachtgebiet auf. Diese verstand er als Instrument der Manipulierung, mit dem die Integration der Chinesen ins deutsche koloniale System in der Jiaozhou-Bucht betrieben wurde. Durch die Analyse der deutschen medizinisch-sanitären Diskurse, die auf die Chinesen zielten, zeigte Mühlhahn, dass die medizinischen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der deutschen Kolonialmacht in wissenschaftlicher Hinsicht die Notwendigkeit der Durchführung der Gesundheitspolitik im Pachtgebiet, oder anders ausgedrückt, der Verwaltung und Erziehung der chinesischen Bevölkerung nach modernen medizinischen Maßstäben begründeten und verfestigten. Ebenfalls in dieser Forschungsorientierung behandelte Annette S. Biener in ihrer Arbeit „Das deutsche Pachtgebiet Tsingtau in Schantung 1897– 1914. Institutioneller Wandel durch Kolonialisierung“ die Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen in Shandong.³⁷ Darin wurden besonders die deutsch-chinesischen Begegnungen und Interaktionen in Form von konkreten Beispielen in den verschiedenen sozialen Schichten und der darin ausgedrückte strukturelle, in-
Mühlhahn, Musterkolonie. Mühlhahn, Musterkolonie, S. 31. Mühlhahn, Musterkolonie, S. 35. Mühlhahn, Musterkolonie, S. 255 – 262. Biener, Annette S.: Das deutsche Pachtgebiet Tsingtau in Schantung 1897 – 1914. Institutioneller Wandel durch Kolonialisierung, Bonn: Wilhelm Matzat, 2001.
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stitutionelle und kulturelle Wandel in der Jiaozhou-Bucht und Shandong hervorgehoben, der nach ihrer Auffassung hauptsächlich durch die Kolonialisierung des Gebietes an der Jiaozhou-Bucht erfolgte.³⁸ Auch zum medizinischen Aspekt leistete diese Arbeit einen aktiven Beitrag. In einem Abschnitt erörterte Biener die deutsche medizinische Tätigkeit im Pachtgebiet.³⁹ Zunächst wurde die Lage der Krankenhäuser vorgestellt und anschließend der Krankheitsstand analysiert. Sie konzentrierte sich besonders auf die Krankheiten und ihre Bekämpfung, wie Krankheitsursachen, unterschiedliche Behandlungsarten der Chinesen und Deutschen und gegenseitige Beeinflussungen, wobei die gesetzlichen Kontrollmittel und die Abwehrmaßnahmen gegen Pest und Geschlechtskrankheiten ausführlich dargestellt wurden. Im analytischen Prozess beachtete sie hinsichtlich der kolonialen Gesundheitspolitik die interkulturellen Begegnungen und Wahrnehmungen chinesischer und deutscher Vorstellungen und Handlungen. Biener war der Auffassung, dass die Wirksamkeit der deutschen medizinischen Maßnahmen bei der Krankheitsbekämpfung, insbesondere bei Epidemien wie der Pest, trotz der kolonialistischen Motive die Entstehung eines modernen medizinischen Verständnisses und Modells im Pachtgebiet und in Shandong mit sich brachte. Neben den Arbeiten, die die deutsche koloniale Tätigkeit in der JiaozhouBucht und Shandong auf der interkulturellen Ebene behandelten, tendierten manche Arbeiten auch dazu, aus dieser Perspektive andere Aspekte der deutschen Expansion in China zu beleuchten. Anzuführen sind hier unter anderem der von Leutner und Mühlhahn herausgegebene Sammelband „Deutsch-chinesische Beziehungen im 19. Jahrhundert. Mission und Wirtschaft in interkultureller Perspektive“,⁴⁰ der von Leutner, Andreas Steen und anderen herausgegebene Sammelband „Preußen, Deutschland und China. Entwicklungslinien und Akteure (1842– 1911)“⁴¹ sowie Thoralf Kleins Monographie „Die Basler Mission in Guangdong (Südchina) 1859 – 1931. Akkulturationsprozesse und kulturelle Grenzziehungen zwischen Missionaren, chinesischen Christen und lokaler Gesellschaft“.⁴²
Biener, Das deutsche Pachtgebiet, S. 28. Biener, Das deutsche Pachtgebiet, S. 257– 289. Leutner, Mechthild/Mühlhahn, Klaus (Hg.): Deutsch-chinesische Beziehungen im 19. Jahrhundert. Mission und Wirtschaft in interkultureller Perspektive, Münster: Lit Verlag, 2001. Leutner, Mechthild/Steen, Andreas u. a. (Hg.): Preußen, Deutschland und China. Entwicklungslinien und Akteure (1842 – 1911), Münster: Lit Verlag, 2014. Klein, Thoralf: Die Basler Mission in Guangdong (Südchina) 1859 – 1931. Akkulturationsprozesse und kulturelle Grenzziehungen zwischen Missionaren, chinesischen Christen und lokaler Gesellschaft, München: Iudicium Verlag, 2002.
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In der Diskussion um die interkulturellen deutsch-chinesischen Kontakte sind von Historikern zunehmend die Chinaberichte von Deutschen bearbeitet worden. Der Chinabericht, wie er von deutschen Chinabesuchern verfasst wurde, spiegelt die Begegnung der Deutschen mit China und ihre Wahrnehmung von und ihr Wissen über China wider und kann als Ergebnis deutsch-chinesischer interkultureller Kontakte gelten. Unter diesem Aspekt wurden einige methodologisch und thematisch ähnlich gelagerte Arbeiten publiziert, von denen sich einige mit den Eindrücken und Einsichten der Deutschen bezüglich der chinesischen Medizin befassten. So erforschte beispielsweise Sun Lixin 孙立新 in seiner Arbeit „Das Chinabild der deutschen protestantischen Missionare des 19. Jahrhunderts“ die Chinaberichte deutscher protestantischer Missionare im 19. Jahrhundert,⁴³ wobei im Wesentlichen „die Motive, aus denen heraus Missionare über China berichteten“, „die Form“ der Chinaberichte und „die von ihr gegebenenfalls erzielte Resonanz“ behandelt wurden.⁴⁴ In der Arbeit stand die interkulturelle Begegnung der Missionare mit China und ihre Wahrnehmung des Landes und seiner Bewohner im Vordergrund. Auf der Basis einer systematischen Analyse der Chinaberichte interpretierte Sun in zehn Themengebieten die in den Chinaberichten zum Ausdruck gebrachten Auffassungen von China. Darunter behandelte er in einem Abschnitt die Ansichten der deutschen protestantischen Missionare über die chinesische Medizin, die sich in den Chinaberichten zeigten.⁴⁵ Er fasste einerseits die negativen Äußerungen über die medizinischen Kenntnisse zusammen, die durch die Begriffe von „Stagnation“, „Aberglauben“, „Vermutung“ und „Imagination“ geprägt waren, andererseits die relativ positiven Ausdrücke, mit denen einige der chinesischen Heilmethoden, Heilmittel, Medikamente und die Kompetenz von chinesischen Ärzten anerkannt wurden, einschließlich einiger Äußerungen von Dr. Gottlieb Olpp (1872– 1950), der von 1898 bis 1907 als Missionsarzt der Rheinischen Missionsgesellschaft in China arbeitete. Bei der Analyse der Ursache dieser Darstellung war Sun der Meinung, dass alle derartigen Beschreibungen auf den Kriterien der westlichen Medizin basierten und die negative Beschreibung in erster Linie durch das Betonen der Rechtfertigung der ärztlichen Mission in China und der durch sie erzielten Erfolge bedingt war. Lydia Gerber analysierte in „Von Voskamps ‚heidnischem Treiben‘ und Wilhelms ‚höherem China‘. Die Berichterstattung deutscher protestantischer Mis Sun, Lixin: Das Chinabild der deutschen protestantischen Missionare des 19. Jahrhunderts. Eine Fallstudie zum Problem interkultureller Begegnung und Wahrnehmung, Marburg: Tectum Verlag, 2002. Sun, Lixin, Chinabild, S. 46. Sun, Lixin, Chinabild, S. 250 – 256.
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sionare aus dem deutschen Pachtgebiet Kiautschou 1898 – 1914“⁴⁶ die von den im betreffenden Zeitraum in der Jiaozhou-Bucht arbeitenden Missionaren der Berliner Missionsgesellschaft und des Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins verfassten und von den offiziellen Organen der beiden Missionsgesellschaften veröffentlichten Berichte. Sie verglich die sich in den Berichten der beiden Missionsgesellschaften widerspiegelnden Eindrücke von China, die ihrer Meinung nach vor allem durch die missionsideologischen und persönlichen Elemente der Missionare bedingt waren. Als Teil des Hintergrunds der Entstehung der Chinaberichte beschrieb Gerber die ärztliche Tätigkeit der beiden Missionsgesellschaften.⁴⁷ Hinsichtlich der Haltung gegenüber der chinesischen Medizin schilderte sie die negativen Äußerungen der Missionare der beiden Missionsgesellschaften über die lokalen hygienischen Bedingungen und die chinesische ärztliche Tätigkeit,⁴⁸ wobei die Darstellungen der Missionsärzte des Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins, Dr.Willy Wick (1879 – 1976) und Dr. Richard Wunsch (1869 – 1911), enthalten waren. Infolge der Beschränkung der für diese Arbeit ausgewerteten Quellen fand die Forschung zu den Äußerungen über die chinesische Medizin nur am Rande statt und die Faktoren, die diese Beschreibung beeinflussten und bestimmten, wurden nicht diskutiert. Die von Dietlind Wünsche vorgelegte Arbeit „Feldpostbriefe aus China. Wahrnehmungs- und Deutungsmuster deutscher Soldaten zur Zeit des Boxeraufstandes 1900/1901“⁴⁹ untersuchte die Feldpostbriefe deutscher Soldaten, die während der Boxerbewegung 1900 – 1901 dem deutschen Expeditionskorps in China angehörten, hinsichtlich ihrer Wahrnehmungskonzepte, Deutungsstrukturen und Chinabilder. Dabei wurden die hygienische Umwelt der chinesischen Städte und die chinesische Bevölkerung von den deutschen Soldaten im Gegensatz zu ihren positiven Äußerungen über die Naturlandschaft und Sehenswürdigkeiten in China deutlich negativ beurteilt.⁵⁰ Die Ursache dafür lag nach Wünsche darin, dass das Urteil der Soldaten einerseits durch ihre offene Neugierde auf die ferne Welt, andererseits durch ihre spezifische Mission und die militärisch-kolonialpolitische Indoktrination beeinflusst war.
Gerber, Lydia: Von Voskamps „heidnischem Treiben“ und Wilhelms „höherem China“. Die Berichterstattung deutscher protestantischer Missionare aus dem deutschen Pachtgebiet Kiautschou 1898 – 1914, Hamburg: Hamburger Sinologische Gesellschaft e.V., 2002. Gerber, Von Voskamps „heidnischem Treiben“, S. 62, S. 163, S. 206 – 211, S. 225 – 230. Gerber, Von Voskamps „heidnischem Treiben“, S. 278 – 280, S. 311, S. 348 – 350, S. 397– 398. Wünsche, Dietlind: Feldpostbriefe aus China. Wahrnehmungs- und Deutungsmuster deutscher Soldaten zur Zeit des Boxeraufstandes 1900/1901, Berlin: Ch. Links Verlag, 2008. Wünsche, Feldpostbriefe aus China, S. 338 – 346.
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Forschungsarbeiten in chinesischer Sprache Chinesische Historiker befassten sich ebenfalls mit dem deutschen Kolonialismus in China. Die erste Forschungsmonographie, die sich speziell mit diesem Aspekt beschäftigte, wurde unter dem Titel „Deguo qinlüe Shandong shi“ von dem Historiker Wang Shouzhong 王守中 vorgelegt,⁵¹ wobei die Geschichte der deutschen Expansion in Shandong auf Grundlage der umfangreichen chinesischen Archivalien ausführlich beschrieben wurde. Inhaltlich standen die deutsche kolonialistische Aggression und Herrschaft in Shandong, insbesondere im Pachtgebiet, und die daraus resultierenden heftigen Auseinandersetzungen mit den Chinesen im Vordergrund. Ebenfalls diesem Forschungsbereich zuzuordnen ist die Arbeit von Zhu Jianjun 朱建军.⁵² Ausgehend von der Annahme eines Zusammenhangs zwischen Nationalismus und Kolonialismus analysierte er auf der Basis der Auswertung von chinesischem Archivmaterial und der zeitgenössischen Zeitungen einschließlich weiterer von Zeitgenossen hinterlassener Schriften den Einfluss der deutschen Kolonialherrschaft in Qingdao auf die Herausbildung des Nationalismus unter der lokalen Bevölkerung. Weiterhin ist hier auch die in jüngerer Zeit veröffentlichte Monographie „Jindai zhongde guanxi shilun“ von Sun Lixin⁵³ zu erwähnen. In seiner Arbeit analysierte er zunächst kritisch die Imperialismustheorie und die Modernisierungstheorie und diskutierte dann ausführlich die Theorie der interkulturellen Interaktion. Dabei war er der Auffassung, dass die Einseitigkeit des Eurozentrismus bei der Geschichtsschreibung der chinesisch-deutschen Beziehungen überwunden werden muss und die Tätigkeiten beider Seiten aus der Perspektive interkultureller Interaktion verstanden werden müssen. Unter Berücksichtigung dieser theoretischen Überlegung wurden drei Beispiele der deutschen Kolonialexpansion in China erforscht, und zwar die deutschen protestantischen Missionare des 19. Jahrhunderts, Richard Wilhelm (1837– 1930) sowie die deutsche Inbesitznahme der Jiaozhou-Bucht. Im letzten Kapitel stellte der Autor die
Wang Shouzhong 王守中: Deguo qinlüe shandong shi 德国侵略山东史 (Geschichte der deutschen Aggression in Shandong), Beijing: Renmin chubanshe, 1988. Zhu Jianjun朱建军: Zhimindi jingli yu zhongguo jindai minzu zhuyi: dezhan Qingdao (1897 – 1914) 殖民地经历与中国近代民族主义:德占青岛(1897– 1914) (Koloniale Erfahrungen und moderner chinesischer Nationalismus: Qingdao unter deutscher Herrschaft [1897 – 1914]), Beijing: Renmin chubanshe, 2010. Sun Lixin 孙立新: Jindai zhongde guanxi shilun 近代中德关系史论 (Analyse der Geschichte der modernen chinesisch-deutschen Beziehungen), Beijing: Shangwu yishuguan, 2014.
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deutschen Materialien und Archivalien vor, die die Geschichte der modernen chinesisch-deutschen Beziehungen betreffen. Darüber hinaus lagen auch Abhandlungen vor, die konkrete inhaltliche Aspekte des deutschen Kolonialismus in China behandelten. Am intensivsten wurde dabei die Frage der Jiaozhou-Bucht diskutiert, wobei die deutschen kolonialen Aktivitäten in der Jiaozhou-Bucht und in Shandong in verschiedenen Bereichen in unterschiedlichem Maß bearbeitet wurden und darin verschiedene Standpunkte und Meinungen zum Ausdruck gebracht wurden. Insgesamt betrachtet können diese konkurrierenden Ansichten vor allem in zwei große Gruppen unterteilt werden. Unter dem Einfluss von Patriotismus und Ideologie neigten viele Arbeiten, besonders die vor den 1990er Jahren entstandenen, zur revolutionären Geschichtsauffassung, unter besonderer Betonung der deutschen Zerstörung, Brutalität und anderer negativer Tätigkeiten und Wirkungen.⁵⁴ Bezüglich der deutschen medizinischen Tätigkeit in der Jiaozhou-Bucht betonte etwa Cui Wenlong 崔文龙 – der sich auf die Erforschung der Rolle des Hygieneprinzips und der hygienischen Maßnahmen in der Planung und im Durchführungsprozess des Städtebaus sowie der Faktoren bei der Herausbildung solcher Maßnahmen konzentrierte – die bei der Umsetzung derselben gezeigte Zwangsausübung und Rassendiskriminierung sowie die tatsächlichen Interessen der deutschen Kolonialverwaltung.⁵⁵ Im Gegensatz dazu nahm die Modernisierungstheorie ab den 1990er Jahren allmählich eine führende Position in der chinesischen historischen Forschung ein. Aus dieser Perspektive betrachtet erkannten viele Historiker in ihren Arbeiten zur Frage der Jiaozhou-Bucht die konstruktiven Ergebnisse der deutschen kolonialen Tätigkeit an, wobei nicht nur die deutschen wirtschaftlichen Investitionen als „positiv“, sondern auch die Einflüsse der deutschen Besetzung auf viele andere Gebiete, etwa Gesetzgebung, Verwaltung, Bildung und andere, als „günstig“ für die Entwicklung, Prosperität und Modernisierung Qingdaos, Shandongs und
Dabei konzentrierte sich die Forschung auf die gewaltsame Inbesitznahme der JiaozhouBucht, die militärische Niederschlagung des Aufstandes der einheimischen Chinesen, die zwanghafte Durchführung der administrativen Maßnahmen, die Aggressivität der Missionsgesellschaften, die wirtschaftliche Ausbeutung, die kulturelle Durchdringung und anderes. Auf eine Aufstellung der einzelnen diesbezüglichen Werke wird an dieser Stelle verzichtet. Cui Wenlong崔文龙: Deguo zai Jiao’ao zujiedi jianshe guihua zhong de weisheng cuoshi ji dui zhongguoren de qishi 德国在胶澳租界地建设规划中的卫生措施及对中国人的歧视 (Hygienische Maßnahmen und Diskriminierung der Chinesen), in: Deguo yanjiu 23, 1 (2008), S. 63 – 67.
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auch Chinas insgesamt betrachtet wurden. Die Autoren Lü Mingzhou 吕明灼⁵⁶ und Ren Yinmu 任银睦⁵⁷ sind als Vertreter dieser Ansicht zu nennen. Auch die Forschung zur deutschen medizinischen Tätigkeit in der Jiaozhou-Bucht wurde von der Modernisierungstheorie beeinflusst. Beispielsweise trat Huang Fu-tehs Arbeit⁵⁸ – in der die sanitäre Politik und die medizinischen Maßnahmen des Gouvernements und die ärztliche Tätigkeit der Missionsgesellschaften in der Jiaozhou-Bucht erforscht wurden – gegen die Auffassung auf, nach welcher die deutsche Kolonialherrschaft in der Jiaozhou-Bucht ausschließlich unter dem Aspekt der Ausbeutung beurteilt wurde. Obwohl das Gouvernement beim Aufbau der hygienischen Anlagen vor allem auf Deutsche abzielte, die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Chinesen vernachlässigte und eine Reihe von Regelungen und Strafen gegen Chinesen erließ, um eine Gesundheitsschädigung der Deutschen durch die „schlechten Gewohnheiten“ der Lokalbevölkerung zu verhindern, war er der Ansicht, dass Chinesen verschiedener sozialer Schichten gegenüber der deutschen medizinischen Tätigkeit unterschiedliche Erlebnisse hatten. Während chinesische Arbeiter vermutlich über die umständlichen und strengen Maßregeln und Strafmittel klagten, erwiesen sich die medizinisch-sanitären Einrichtungen und die gesunden Lebensumstände in Qingdao für den wohlhabenderen Teil der Bevölkerung als durchaus günstig und vorteilhaft. Einen ähnlichen Standpunkt vertrat Yang Fayuan 杨发源 in seiner Arbeit,⁵⁹ in der die hygienischen Maßnahmen des Gouvernements in Qingdao aus der Sicht des Stadtmanagements behandelt und die Ursachen für die durch diese Maßnahmen erreichten Fortschritte der Hygiene in Qingdao in drei Aspekten, nämlich der finanziellen Gewährleistung, der technischen Unterstützung und des Verwaltungsrechts, analysiert wurden. Nach Yangs Meinung führten die deutschen hygienischen Maßnahmen in gewisser Hinsicht zur modernen Umformung des
Lü Mingzhuo 吕明灼: Dezhan Jiao’ao dui jindai zhongguo de shuangchong yingxiang 德占胶澳 对近代中国的双重影响 (Doppelter Einfluss der deutschen Inbesitznahme Kiautschous auf das moderne China), in: Wen shi zhe 1 (1999), S. 49 – 51. Ren Yinmu 任银睦: Qingdao zaoqi chengshi xiandaihua yanjiu 青岛早期城市现代化研究 (Forschung zur städtischen Modernisierung Qingdaos in der Anfangsphase), Beijing: Sanlian shudian, 2007. Huang Fu-teh 黃福得: 1897 zhi 1914 nian jian Deguo zai Qingdao de zhimin tizhi yu weisheng jianshe 1897至1914年間德國在青島的殖民體制與衛生建設 (The German Colonialism and hygienic facilities in Qingdao between 1897 and 1914), in: Guoli zhengzhi daxue lishi xuebao 29 (2008), S. 127– 159. Yang Fayuan 杨发源: 1898 – 1914 nian jian Qingdao de chengshi weisheng shiye 1898 – 1914年间 青岛的城市卫生事业 (Das städtische Gesundheitswesen in Qingdao zwischen 1898 und 1914), in: Jiangxi shehui kexue 5 (2009), S. 157– 160.
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Gesundheitswesens in Qingdao, obwohl sie für Chinesen in der Durchführung auch viele Nachteile, etwa Diskriminierung, Bestrafung oder Zwangsausübung mit sich brachten. Die Arbeit von Cai Qinyu 蔡勤禹 verstand die deutsche medizinische Tätigkeit der Kolonialzeit als einen wichtigen Teil der öffentlichen Wohlfahrt und des philanthropischen Wesens in Qingdao und sah in ihr die Triebkraft der Modernisierung des Medizinalwesens von Qingdao.⁶⁰ Li Chuanjun 李传军, der in seiner Arbeit den Fachbereich Medizin der deutsch-chinesischen Hochschule in Qingdao darstellte, betonte, dass die medizinische Fachausbildung an dieser Hochschule als Ursprung des höheren Bildungswesens von Qingdao auf dem Gebiet Medizin angesehen werden kann und die Grundlagen für die weitere Entwicklung der höheren medizinischen Bildung von Qingdao legte.⁶¹ Weiterhin ist zu erwähnen, dass einige jüngere chinesische Arbeiten unter dem Einfluss der von deutschen Forschern entwickelten Theorie der interkulturellen Interaktion versuchten, diese in der Forschung zur Frage der JiaozhouBucht anzuwenden. Zunächst übersetzte Sun Lixin die oben erwähnte repräsentative Arbeit dieser Forschungsrichtung, und zwar die Monographie von Mühlhahn „Herrschaft und Widerstand in der Musterkolonie“, ins Chinesische und veröffentlichte sie im Jahr 2005. Sun vertrat die Ansicht, dass die Theorie der interkulturellen Interaktion die führende Stellung des Eurozentrismus in der Forschung zur Geschichte der chinesisch-deutschen Beziehungen in der modernen Zeit umstürzte und als durchführbare Forschungsmethode verwendet werden kann, weshalb er nicht nur diese Theorie weiter vertiefte,⁶² sondern mit ihrer Hilfe die koloniale Tätigkeit Deutschlands in der Jiaozhou-Bucht erforschte.⁶³ Daneben
Cai Qinyu 蔡勤禹/Hou Detong 侯德彤: Qingdao kaibu yu cishan gongyi shiye xingqi 青岛开埠 与慈善公益事业兴起 (Qingdao’s Opening as a Trading Port and the Rise of Modern Public Welfare and Charitable Undertakings), in: Shilin 6 (2010), S. 14– 20. Li Chuanjun 李传军: Dehua daxue yu Qingdao yixue gaodeng jiaoyu de qiyuan 德华大学与青岛 医学高等教育的起源 (De Hua University and the Origin of Qingdao Medical Higher Education), in: Shandong gaodeng jiaoyu 1 (2013), S. 88 – 96. Sun Lixin/Cui Wenlong, „Kuawenhua xianghu zuoyong“, S. 87– 95; Sun Lixin: Jindai zhongde guanxi shilun 近代中德关系史论 (Analyse der Geschichte der modernen chinesisch-deutschen Beziehungen), Beijing: Shangwu yishuguan, 2014. Beispielsweise führte er Forschungen zur deutsch-chinesischen Hochschule in Qingdao, zu der chinesischen Bevölkerung in Qingdao unter der deutschen Kolonialherrschaft durch, wie in Sun Lixin 孙立新/Sun Hong 孙虹: Diguo zhuyi shidai de zhongde „hezuo“ 帝国主义时代的中德 „合 作“ (Chinesisch-deutsche „Zusammenarbeit“ in der Zeit des Imperialismus), in: Beida deguo yanjiu 1 (2005), S. 88 – 104; Sun Lixin 孙立新/Wang Baoning 王保宁: Deguo zhimin tongzhixia de qingdao zhongguoren shehui (1897 – 1914) 德国统治下的青岛中国人社会(1897– 1914) (The Chinese So-
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wurden auch in weiteren Studien die deutsch-chinesischen Interaktionen im Prozess der historischen Entwicklung in der Jiaozhou-Bucht und in Shandong untersucht.⁶⁴ Neben der Jiaozhou-Bucht wurden auch die deutschen kulturellen Aktivitäten in China intensiver erforscht, insbesondere die deutsche Kulturpolitik gegenüber China und der chinesisch-deutsche Kulturaustausch. Dabei stellten das deutsche Missions- und Bildungswesen in China zwei häufig bearbeitete Forschungsgegenstände dar. Zum Aspekt des deutschen Missionswesens in China stellte Li Lezeng 李乐曾 unter dem Einfluss der Modernisierungstheorie in seinen Studien⁶⁵ heraus, dass die kulturelle Tätigkeit der deutschen Missionsgesellschaften in China objektiv betrachtet das moderne westliche System einführte und positiv zur Modernisierung der chinesischen Gesellschaft beitrug, obwohl die eigentliche Absicht war, die Verbreitung des Christentums und die Umformung der traditionellen chinesischen Kultur zu fördern. Bezüglich der deutschen ärztlichen Mission lieferte er eine prägnante Schilderung der Gesamtlage der medizinischen Einrichtungen der deutschen Missionsgesellschaften in China und ihre positive Auswirkung auf die chinesische Bevölkerung.⁶⁶ In seiner Arbeit untersuchte Sun Lixin unter dem Blickwinkel der Beziehung zwischen chinesischer und westlicher Kultur die Missionsarbeit der protestantischen Missionare des 19. Jahrhunderts in China.⁶⁷ Darin wurde die ärztliche Tätigkeit als Teil der Missionsarbeit beschrieben. Im Unterschied zu Li Lezeng hob er den „Kulturimperialismus“ als Eigenschaft der Chinamission der deutschen protestantischen Missionare hervor. Sun war der Auffassung, dass der Schwer-
ciety in Qingdao under the Rule of German Colonists), in: Shandong daxue xuebao 2 (2007), S. 65 – 71; und andere. So etwa in Zhao Hongwei赵洪玮: Dezhan shiqi Qingdao chengshi fazhan yanjiu 德占时期青岛 城市发展研究 (A Study of Qingdao City Development during German Occupation), Dissertation, Shanxi Universität, 2008; und anderen. Li Lezeng 李乐曾: Jindai deguo jidujiao (xinjiao) chuanjiaotuan zai zhongguo huodong gailun 近代德国基督教(新教)传教团在中国活动概论 (Überblick über die Tätigkeit der modernen deutschen christlichen [protestantischen] Missionsgesellschaften in China), in: Tongji daxue xuebao (Renwen·shehui kexue ban) (1994), S. 69 – 73; ders.: Jindai zai zhongguo de deguo jidujiao chuanjiaotuan 近代在中国的德国基督教传教团 (Die deutsche christliche Mission im neuzeitlichen China), in: Deguo yanjiu 12, 3 (1997), S. 24– 31. Li Lezeng, deguo jidujiao, S. 28 – 29. Sun Lixin 孙立新: Cong zhongxi wenhua guanxi jiaodu kan 19 shiji deguo xinjiao de zhongguo chuanjiao 从中国文化关系角度看19世纪德国新教的中国传教 (Die deutsche protestantische Mission in China im 19. Jahrhundert aus der Perspektive der kulturellen Beziehungen zwischen China und dem Westen), in: Wen shi zhe 5 (2003), S. 40 – 47.
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Einleitung
punkt der Analyse bei der Bewertung der Funktion der christlichen Missionare in den kulturellen Beziehungen zwischen China und dem Westen in der Kolonialzeit eher auf die subjektiven Motive und Leitgedanken der Missionare als auf die äußerlichen Erscheinungen ihrer verschiedenen Tätigkeitsbereiche wie etwa Predigt, Schulgründung, Buchübersetzung und ärztliche Hilfe gelegt werden soll und die Tätigkeit der Missionare im 19. Jahrhundert nicht auf die Förderung des chinesisch-westlichen Kulturaustauschs, sondern auf die religiöse Durchdringung, ideologische Eroberung und Umformung von China nach christlichen und westlichen Wertmaßstäben abzielte. Daneben lagen auch Untersuchungen zu einzelnen Missionaren wie Ernst Faber (1839 – 1899)⁶⁸ und Richard Wilhelm⁶⁹ vor, in denen deren Missionsarbeit, ihr China-Forschung, ihr Chinabild, ihre Beiträge zur Entwicklung Chinas und zum chinesisch-deutschen Kulturaustausch sowie weitere Aspekte behandelt wurden. Bezüglich des deutschen Bildungswesens in China wurde neben der oben erwähnten „Deutsch-chinesischen Hochschule in Qingdao“ die Geschichte der deutschen Medizinschule in Shanghai intensiver untersucht. Li Lezeng stellte in seiner Monographie auf Basis der deutschen Forschungsergebnisse und der Auswertung der umfangreichen deutschen Archivalien die Geschichte der TongjiUniversität von 1907 bis 1941 ausführlich dar.⁷⁰ Dabei wurden die interaktiven Beziehungen zwischen der deutschen Chinapolitik, der deutschen Kulturpolitik gegenüber China und der Entwicklung der Tongji-Universität besonders hervorgehoben und intensiv bearbeitet. In diesem Rahmen wurden auch die Gründung und Entwicklung der deutschen Medizinschule in Shanghai eingehend behandelt. Nach Lis Auffassung war die Einrichtung dieser Medizinschule ein politisches Vorgehen unter Anleitung der Weltpolitik Wilhelms II. (1859 – 1941) und ein wichtiges Instrument zur Vertiefung deutscher Interessen in China. Einen ähnlichen Standpunkt vertritt das vom Verlag der Tongji-Universität herausgegebene Werk der Universitätsgeschichte, in dem über den Gründungs-
Beispielsweise Sun Lixin 孙立新: Ping deguo xinjiao chuanjiaoshi huazhian de zhongguo yanjiu 评德国新教传教士花之安的中国研究 (The German Protestant Missionary Ernst Faber’s Studies of China), in: Shixue yuekan 2 (2003), S. 45 – 54; und andere. Beispielsweise Jiang Rui 蒋锐: Weilixian de hanxue shengyan 卫礼贤的汉学生涯 (Der Werdegang von Richard Wilhelm in der Sinologie), in: Deguo yanjiu 19, 1 (2004), S. 52– 57; ders.: Weilixian lun zhongguo wenhua 卫礼贤论中国文化 (Richard Wilhelm über die chinesische Kultur), in: Deguo yanjiu 21, 4 (2006), S. 53 – 61; und andere. Li Lezeng 李乐曾: Deguo duihua zhengce zhong de tongji daxue (1907 – 1941) 德国对华政策中 的同济大学 (1907– 1914) (Die Tongji-Universität in der deutschen Chinapolitik [1907 – 1941]), Shanghai: Tongji daxue chubanshe, 2007.
2 Forschungsstand
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prozess der deutschen Medizinschule in Shanghai, die Schulverwaltung, den Lehrbetrieb sowie die Lehrkräfte und Studierenden berichtet wurde.⁷¹ Daneben wurde die Medizinschule auch in einigen weiteren Studien aus verschiedenen Blickwinkeln erforscht.⁷² Hierbei wurde eine – in Nuancen jeweils unterschiedliche – Sichtweise eingenommen, nach welcher die deutsche Medizinschule in Shanghai zwar als deutsche Propagandaschule in China eingerichtet worden war, sich aber in der Gründungsvorbereitung, dem Schulbetrieb und der Auflösungskrise 1917 der Beteiligung und Unterstützung aus verschiedenen Kreisen der chinesischen Gesellschaft erfreute, weshalb sie als Beispiel der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit angesehen werden kann. Gemäß dieser Auffassung ist zudem erkennbar, dass die Lehrtätigkeit und die -ergebnisse in der Medizinschule von Chinesen umfassend anerkannt wurden und zur Einführung und Annahme deutscher Technik und Wissenschaft in China beitrugen. Der deutschen wirtschaftlichen Expansion in China schenkte die Forschung weniger Aufmerksamkeit. Die vorhandenen Studien wurden vorwiegend aus Perspektive der chinesisch-deutschen Handelskontakte⁷³ und der deutschen kapitalistischen Aggression in China⁷⁴ vorgenommen. Eine neuere Dissertation von Xu Jiling 徐继玲⁷⁵ analysierte die deutschen Investitionen in China von 1861 bis Weng Zhiyuan 翁智远/Tu Tingquan 屠听泉:Tongji daxue shi (Di yi juan: 1907 – 1949) 同济大学 史 (第一卷:1907– 1949) (Geschichte der Tongji-Universität, 1. Bd.: 1907– 1949), Shanghai: Tongji daxue chubanshe, 2007, S. 1– 7. Beispielsweise Shan Fu 山夫: Tongji yigong xuetang choujian shimo 同济医工学堂筹建始末 (Die Vorbereitung der Gründung der deutschen Medizin- und Ingenieurschule), in: Deguo yanjiu 12, 2 (1997), S. 4– 8; Li Lezeng 李乐曾: Tongji daxue lishi shang de deji jiaoshi 同济大学历史上的德籍教 师 (German Teachers in the History of Tongji-University), in: Tongji daxue xuebao (Shehui kexue ban) 13, 2 (2002), S. 12– 17; ders.: Tongji daxue deguo tezheng de xingcheng yu yanxu 同济大学德国 特征的形成与延续 (Ursprung und Fortsetzung des Deutschlandbezugs der Tongji-Universität), in: Deguo yanjiu 22, 2 (2007), S. 4– 12; Cui Wenlong 崔文龙: Tongji yigong xuetang yu deguo duihua wenhua zhengce 同济医工学堂与对华文化政策 (The Tongji Medical – technical College and the German Cultural Diplomacy towards China), in: Shilin 3 (2014), S. 69 – 80; und andere. Z. B. Chen Jiyao 陈纪遥: Shijiu shiji zhongde maoyi wanglai 十九世纪中德贸易往来 (Die chinesisch-deutschen Handelskontakte im 19. Jahrhundert), in: Zhongguo shehui jingjishi yanjiu 2 (1985), S. 72, 85 – 89; Zhou Jianming 周建明: Diyici shijie dazhan qian de zhongde maoyi 第一次世 界大战前的中德贸易 (Der chinesisch-deutsche Handel vor dem Ersten Weltkrieg), in: Deguo yanjiu 22, 3 (2007), S. 43 – 47; und andere. Z. B. Chen Yueqing 陈月清: Deguo dui jindai zhongguo de jingji qinlüe 德国对近代中国的经济 侵略 (Deutsche Aggression in chinesischer Wirtschaft in der modernen Zeit), in: Zhao Zhenmei 赵振 玫 (Hg.): Zhongde guanxishi wencong 中德关系史文丛 (Beträge zur Geschichte der chinesischdeutschen Beziehungen), Beijing: Zhongguo jianshe chubanshe, 1987, S. 79 – 107; und andere. Xu Jiling 徐继玲: 1861 – 1914 nian deguo duihua touzi yanjiu 1861 – 1914年德国对华投资研究 (Study on Modern German inverstment in China [1861 – 1914]), Dissertation, Pädagogische Universität Ostchina, 2013.
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Einleitung
1914 ausführlich in vier Aspekten, nämlich kommerzielle und Finanzinvestitionen (Auslandsfirmen und Banken), indirekte Investitionen (Anleihen), industrielle Investitionen (Eisenbahn, Bergbau, Fabriken) sowie Investitionen in öffentliche Dienstleistungen (Bildung, Medizin). Diese umfangreiche Studie füllte nicht nur eine Lücke auf dem wirtschaftlichen Gebiet der deutschen Expansion in China, sondern versuchte auch, auf theoretisch-methodologischer Ebene die leitende Position des Deutschen Reiches in der Investitionstätigkeit in China zu verwerfen und diese Aktivitäten vielmehr unter dem Blickwinkel der interkulturellen Interaktion zu betrachten, um so die aktive Rolle Chinas in den Wirtschaftstätigkeiten aufzuzeigen. Ausgehend davon beschrieb die Studie die deutschen Investitionen im medizinischen Bereich, einschließlich der medizinischen Ausbildung und Hospitalgründung, wobei nicht nur die objektiven Leistungen, insbesondere die Beiträge zur Modernisierung des chinesischen Medizinalwesens, sondern auch die Subjektivität Chinas betont wurden.
Zusammenfassung Die Schwerpunkte der deutschen und chinesischen Forschung zur deutschen kolonialen Tätigkeit in China lagen bislang zum einen auf der Kolonialexpansion des Deutschen Reiches in der Jiaozhou-Bucht und in Shandong, zum anderen auf der deutschen kulturellen Tätigkeit in China, besonders der Missionsarbeit und dem Schulwesen staatlicher Prägung. In theoretischer Hinsicht erfolgte die Mehrzahl der bisherigen Arbeiten aus modernisierungstheoretischer Perspektive. Mit der Entwicklung der Theorie der interkulturellen Interaktion wurde von einigen Historikern der Versuch unternommen, diese Theorie in ihre Untersuchungen einzubinden und in vielen Forschungsbereichen anzuwenden; dadurch wurden wichtige Ergebnisse erzielt. Bezüglich des deutschen kolonialen Medizinalwesens in China erschienen die Forschungsergebnisse neben der oben erwähnten umfangreichen Monographie von Eckart, „Deutsche Ärzte in China 1897– 1914“, entweder als Bestandteil von Arbeiten zu anderen Themen oder in Form von Abhandlungen als eingehendere Fallstudien zu einer bestimmten Fragestellung. Inhaltlich konzentrierte sich die bisherige Forschung vornehmlich auf drei Gebiete, nämlich das deutsche Militärmedizinalwesen, die deutsche ärztliche Mission und die deutsche medizinische Ausbildung. Im Ganzen betrachtet erfuhr die Frage der deutschen medizinischen Praxis im China der Kolonialzeit bereits eine annähernd vollständige und ausführliche Erörterung. Neben der Tätigkeit auf praktischer Ebene wurden während der deutschen Expansion in China auch eine Reihe von deutschen Arbeiten, die sich mit der chinesischen Medizin befassten, verfasst. Sie bildeten
3 Quellenbereich
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ebenfalls einen wichtigen Teil des deutschen kolonialen Medizinalwesens in China, wurden aber in der Geschichtswissenschaft bislang noch nicht gezielt und systematisch erforscht.
3 Quellenbereich Die vorliegende Studie basiert auf einer analytischen Erforschung der von der chinesischen Medizin handelnden deutschen Arbeiten, die in der Kolonialzeit verfasst wurden. Aus diesen Arbeiten setzen sich die Quellen dieser Untersuchung zusammen. Als Hauptquellen werden hierbei die Arbeiten bearbeitet, die von den in der betreffenden Zeit in China tätigen deutschen Ärzten⁷⁶ verfasst wurden. Die Gründe dafür liegen darin, dass diese zum einen – bedingt durch die Natur ihrer ärztlichen Tätigkeit und Berufspflicht – persönlich aus eigener Erfahrung auf eine Vielzahl von Behandlungsfällen blicken konnten und somit auch viele Arbeiten zu diesem Aspekt verfassten und hinterließen, ihre Darlegungen und Diskussionen zum anderen infolge ihrer medizinischen Fachkenntnisse und Blickwinkel ausführlicher und vielfältiger waren als andere, weshalb ihre Ansichten umso mehr Glaubwürdigkeit und Repräsentation hatten. Gleichwohl werden aber auch Arbeiten anderer zeitgenössischer Deutscher mitberücksichtigt, da diese ebenfalls die in der damaligen deutschen Gesellschaft vorherrschenden Strömungen und kulturellen Stereotypen beeinflussten. Die Autoren hielten sich teils als Missionare, Beamte, Gelehrte, Journalisten etc. in China auf, teils hatten sie China nie besucht, sich aber dennoch für Fragen der chinesischen Medizin interessiert und auf Grundlage der vorhandenen, ihnen zugänglichen Materialien damit befasst. Was die Formen dieser Arbeiten betrifft, liegen unter anderem Tagebücher, Briefe, Arbeitsberichte, Reisebeschreibungen, Spezialartikel, Propagandabroschüren, Monographien und Erinnerungen vor. Sie warden je nach Repräsentativität und Überzeugungskraft für die vorliegende Forschung verwendet. Die wichtigsten darunter sind die auf Deutsch verfassten Publikationen. Unveröffentlichte Arbeiten⁷⁷ werden hier nur zweitrangig berücksichtigt, da sie erstens
Die vollständigen Namen weniger deutscher Ärzte wurden trotz umfangreicher Recherche nicht gefunden, weshalb nur ihre Nachnamen in dieser Studie erwähnt werden können. Der Großteil der diesbezüglichen unveröffentlichten Materialien liegt vor allem im Bundesarchiv (Berlin), im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts (Berlin), im Bundesarchiv-Militärarchiv (Freiburg), im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Berlin), im Archiv der
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nur wenig populären Einfluss geltend machen konnten und sie zweitens mengenmäßig kaum vollständig zu sammeln und zu bearbeiten sind. In den recht verstreuten Materialien finden sich rund 300 Publikationen, die im Zeitraum der deutschen Expansion in China entstanden sind. Diese Arbeiten erschienen vor allem in Form von Büchern sowie als Beiträge zu Büchern und Zeitschriften. In zahlreichen Zeitschriften wurden Artikel über die chinesische Medizin publiziert. Die wichtigsten davon sind zunächst drei führende medizinische Fachzeitschriften in Deutschland, nämlich die „Deutsche Medizinische Wochenschrift“, die „Münchener Medizinische Wochenschrift“ und die „Berliner Klinische Wochenschrift“. Diese Zeitschriften enthielten Publikationen verschiedener Spezialgebiete der Medizin und zielten darauf ab, deutschen Lesern einen breiten Überblick über den Zustand der gesamten medizinischen Entwicklung in Deutschland und im Ausland zu geben. Deshalb wurden Artikel über die medizinischen Arbeiten und Gegebenheiten im Ausland häufig in Rubriken wie „Auswärtige Briefe“, „Feuilleton“ und „Verschiedenes“ veröffentlicht. Aufgrund ihrer großen Autorität und weiten Verbreitung kommt den in diesen Zeitschriften publizierten Artikeln, die sich mit chinesischer Medizin befassen, eine wichtige Bedeutung in der vorliegenden Studie zu. Ebenfalls wichtig ist eine tropenmedizinische Fachzeitschrift, und zwar das „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene, unter besonderer Berücksichtigung der Pathologie und Therapie“. Diese Zeitschrift war die erste deutsche Fachzeitschrift auf dem Gebiet der Tropenmedizin. Sie wurde unter Mitwirkung des Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg und einer großen Zahl berühmter Tropenärzte publiziert und von der Deutschen Kolonial-Gesellschaft besonders unterstützt. Das erste Heft der Zeitschrift erschien im Jahr 1897 beim Verlag von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. Ihre Aufgabe lag darin, in tropenmedizinischer Hinsicht „fortlaufend Berichte aus warmen Ländern“ zu sammeln, „die Aussprache der verschiedenen Meinungen“ zu vermitteln, „Belehrung“ zu bieten und „zur Beobachtung“ anzuregen.⁷⁸ Sie enthielt sowohl Originalabhandlungen zu verschiedenen Aspekten der Tropenmedizin als auch Besprechungen und Literaturangaben über Abhandlungen, die in anderen zeitgenössischen Zeitschriften im tropenmedizinischen Bereich veröffentlicht wurden. Ab 1907 wurden einige Beihefte publiziert, die längere Originalabhandlungen enthielten. In dieser tropenmedizinischen Zeitschrift wurden viele Artikel veröffentlicht, in denen
Berliner Mission (Berlin), im Archiv der Vereinigten Evangelischen Mission (Wuppertal), im Archiv der Basler Mission (Basel) und im Archiv der Deutschen Ostasienmission (Speyer). Mense, Carl: „Zur Einführung“, in: Archiv für Schiffs und Tropen-Hygiene 1, 1 (1897), S. 3.
3 Quellenbereich
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Missionsärzte und Militärärzte, die in China medizinisch tätig waren, basierend auf ihren Untersuchungen über die in China auftretenden Krankheiten schrieben. Die „Deutsche militärärztliche Zeitschrift“ war ein bedeutendes Fachorgan auf dem Gebiet der Militärmedizin und wurde von der Militärmedizinalabteilung des preußischen Kriegsministeriums gefördert.⁷⁹ Sie wurde im Jahr 1872 gegründet und erschien monatlich im Berliner Verlag Ernst Siegfried Mittler und Sohn. In der Zeitschrift wurden „außer amtlichen Bekanntmachungen und Erlassen Originalien aus dem Gebiet der gesamten Heilkunde, der Organisation und Verwaltung des Militär-Medicinal-Wesens“⁸⁰ publiziert. Sie umfasste inhaltlich sowohl das inländische Militärmedizinwesen als auch die militärärztlichen Erfahrungen und Erkenntnisse im Ausland, weshalb viele Berichte von den Militärärzten publiziert wurden, die im Militärdienst dem deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps 1900 – 1902 und später den nach dessen Auflösung gebildeten Besatzungstruppen in China angehörten. Die Zeitschrift „Die ärztliche Mission. Blätter zur Förderung der deutschen missionsärztlichen Bestrebungen“ war ein offizielles Organ des Deutschen Instituts für ärztliche Mission in Tübingen und des Verbands der deutschen Vereine für ärztliche Mission.⁸¹ Sie wurde ab dem Jahr 1906 herausgegeben und erschien zweimal monatlich bei dem Verlag von C. Bertelsmann in Gütersloh. Sie wollte „die Kenntnis der ärztlichen Mission mehren, das Verständnis für die mannigfaltigen und wichtigen Fragen dieser Arbeit fördern und das Band zwischen den in der Hitze des Tages unter großen Opfern draußen arbeitenden Missionsärzten und der Missionsgemeine in der Heimat stärken und festigen“, und diente „allen ärztlichen Mission treibenden Missionsgesellschaften in gleicher Weise“.⁸² In der Zeitschrift wurden „wertvolle Artikel, Lebensbeschreibungen, Nachrichten aus den Vereinen und der Schwesternarbeit, wissenschaftliche Mitteilungen von Missionsärzten aus aller Welt u. a.“⁸³ publiziert, daher finden sich darin viele Berichte von Missionsärzten, die im Dienst der deutschen Missionsgesellschaften arbeiteten, über ihre medizinischen Eindrücke und Erlebnisse in China. Darüber hinaus werden noch einige weitere Zeitschriften für diese Studie herangezogen. Diese umfassen einerseits das medizinische Gebiet, wie etwa die
Kirsch, Frank-Peter: Berliner Militärärzte im Labor von 1870 – 1895, Dissertation, Charité – Universitätsmedizin Berlin, 2009, S. 139 – 140. Leuthold, Rudolf: „Prospect“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 1, 1/2 (1872), S. 2. Kammerer, J.: Die deutsche ärztliche Mission, Cassel: Ernst Röttger’s Buchdruckerei, 1912, S. 16. „Unser Programm“, in: Die Ärztliche Mission 1, 1 (1906). Olpp, Gottlieb: „200 Jahre deutscher ärztlicher Mission“, in: Verband der Vereine für ärztliche Mission (Hg.): Ruf und Dienst der ärztlichen Mission, Tübingen: Deutsches Institut für ärztliche Mission, 1935, S. 75.
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„Ärztliche Rundschau“, das „Deutsche Archiv für klinische Medizin“, das „Archiv für klinische Chirurgie“ und die „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“. Andererseits finden sie sich unter den von den deutschen Missionsgesellschaften herausgegebenen Zeitschriften, darunter die „Mitteilungen des Berliner Vereins für ärztliche Mission und seiner Zweigvereine“, der „Jahresbericht der Basler Mission“, die „Berichte der Rheinischen Missionsgesellschaft“, der „Jahresbericht des Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsvereins“ und die „Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft“. Neben diesen in Deutschland publizierten Zeitungen und Zeitschriften werden die Artikel der in China veröffentlichten deutschen Zeitungen auch in diese Studie einbezogen. Dabei werden vor allem die Zeitung „Deutsch-Asiatische Warte“ und ihre Beilage „Die Welt des Ostens“, die nach dem Ausfall der „Deutsch-Asiatischen Warte“ im Jahr 1905 von 1908 bis 1911 der Zeitung „Kiautschou-Post“ beigelegt war, verwendet, da sie sich verhältnismäßig stark auf die chinesische Geschichte und Kultur fokussierten und sich inhaltlich auch mit der chinesischen Medizin beschäftigten.
4 Theoretische Grundlagen Das Thema dieser Studie hängt eng mit der wissenschaftlichen Forschung zur Interkulturalität zusammen. Die Verfasser, die über einen deutschen kulturellen Hintergrund verfügten, schilderten auf Grundlage ihres Kontakts mit der chinesischen Medizin, der sowohl schriftlich als auch praktisch erfolgen konnte, in ihren Arbeiten die medizinisch-hygienischen Verhältnisse in China und äußerten dabei ihre Ansichten dazu. Diese Darstellungen, die sowohl subjektiv beeinflusste Erörterungen als auch reine Tatsachenschilderungen enthielten, können als ihr Verständnis von der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit angesehen werden. Sie trugen den Charakter interkultureller Wissensgewinnung, weshalb die Forschung dazu sinnvollerweise mithilfe von interkulturellen Theorien arbeitet. Im Zeitalter der Globalisierung sind Menschen zunehmend mit anderskulturellen Ideen und Handlungen konfrontiert. Bei solchen Kontakten werden anderskulturelle Erscheinungen gewöhnlich aus der eigenen kulturellen Perspektive heraus verstanden, was häufig zu interkulturellen Problemen, etwa in Form von Missverständnissen, Konfrontationen, Konflikten und Ähnlichem führt. Daher spielt das Fremdverstehen eine wichtige Rolle bei der Kommunikation und Kooperation zwischen Menschen aus kulturell unterschiedlichen Lebenswelten. Die Forschung im interkulturellen Bereich nahm ihren Anfang bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts und entwickelte sich ursprünglich als Zweig der Anthropologie und als eine anwendbare Forschungsperspektive in vielen anderen
4 Theoretische Grundlagen
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Disziplinen, etwa der Soziologie, der Psychologie und der Geschichte.⁸⁴ Ab den 1960er und 1970er Jahren erlebte die Forschung zur Interkulturalität eine Blüte, was sich in der Tatsache zeigte, dass in diesem Bereich zahlreiche Forschungsanstalten an Universitäten und internationale Forschungsgemeinschaften eingerichtet wurden und auch viele akademische Zeitschriften in Erscheinung traten.⁸⁵ Unter dem Einfluss der Forschung zur Interkulturalität wurde von deutschen Wissenschaftlern bezüglich der Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen die Theorie der interkulturellen Interaktion aufgestellt und durch eine Reihe von Studien in die Praxis umgesetzt. Die Theorie der interkulturellen Interaktion wurde von einer Forschungsgruppe am Ostasieninstitut der Freien Universität Berlin aufgestellt und zielt darauf ab, die Erscheinungen des „kulturellen Hegemonismus“, wie das Modernisierungsparadigma in der Forschung zur Geschichte der Beziehungen zwischen China und Deutschland, zu „entwerten“ und „aufzuheben“.⁸⁶ Nach ihrer Definition erstrecken sich interkulturelle Interaktionen auf die Handlungen, die „in einer interkulturellen Situation des Zusammentreffens verschiedener sozialer Systeme verlaufen“, und zwar die Handlungen, die „den Rahmen des eigenen kulturellen Rahmens einer Gesellschaft überschreiten und in Beziehungen stehen mit anderen fremdkulturellen sozialen Systemen“.⁸⁷ Hier umfasst interkulturelle Interaktion „sowohl soziale als auch symbolisch kulturelle Dimensionen“.⁸⁸ Die Theorie der interkulturellen Interaktion ist bestrebt, die Situation in der halbkolonialen Gesellschaft Chinas als interkulturelle Interaktion zu interpretieren. Sie legt den Schwerpunkt vor allem auf die Erforschung der Gründe für die Herausbildung verschiedener Handlungsweisen und -strategien der deutschen und chinesischen Seite, wobei es in analytischer Hinsicht hauptsächlich um den Perspektivwechsel hin zur Betonung der subjektiven Position und Handlungsfähigkeit Chinas, um die Diskursanalyse, durch die die kulturelle Dimension der deutsch-chinesischen Kontakte weitgehend aufgezeigt wird, um die Sozialschichtenanalyse, die sich auf die Erläuterung der Kompliziertheit der koloni-
He Ping 何平: Kuawenhua yanjiu de lilun he fangfa 跨文化研究的理论和方法 (New Trends in Recent Cross-cultural Studies), in: Shixue lilun yanjiu 4 (2014), S. 68. He Ping, Kuawenhua, S. 69. Leutner, Mechthild: „Hegemonie und Gleichrangigkeit in Darstellungen zu den deutschchinesischen Beziehungen“, in: Mechthild Leutner (Hg.): Politik, Wirtschaft, Kultur: Studien zu den deutsch-chinesischen Beziehungen, Münster: Lit Verlag, 1996, S. 454– 455. Leutner, Mechthild/Mühlhahn, Klaus: „Interkulturelle Handlungsmuster: Deutsche Wirtschaft und Mission in China in der Spätphase des Imperialismus“, in: Leutner/Mühlhahn (Hg.): Deutsch-chinesische Beziehungen im 19. Jahrhundert, S. 10 – 11. Mühlhahn, Musterkolonie, S. 16.
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sierten chinesischen Gesellschaft und des heterogenen Charakters des deutschen Imperialismus bezieht, und um den dynamikorientierten Blickwinkel beziehungsweise den Prozesscharakter geht, der dazu dient, die Modifikation der Handlungen der deutschen und der chinesischen Seite durch gegenseitige Interaktion und die dadurch verursachte Veränderung der Ausgangslage der chinesischen Gesellschaft hervorzuheben.⁸⁹ Eine solche theoretische Herangehensweise beschränkt sich nicht auf die Analyse der Herausbildung der Handlungen, sondern kann auch in der Ergründung der Ursachen von Gedanken angewandt werden. Die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin in der Zeit der deutschen Expansion in China kann als Teil des deutschen Verstehens der chinesischen Gesellschaft und Kultur angesehen werden. Damit wird hier versucht, die Darstellung im Rahmen der interkulturellen Interaktion zu analysieren. In der Theorie der interkulturellen Interaktion wird zum einen der interkulturelle Kontext, in dem die deutsch-chinesischen Kontakte stattfanden, – und zwar der Einfluss von „kulturellen Formen“ auf „die symbolisch (sprachlich) vermittelten Deutungen konkreter Situationen“ und die Eröffnung von „Handlungsperspektiven“⁹⁰ – unterstrichen, wonach die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin in hohem Maß durch den eigenen kulturellen Hintergrund der Verfasser beeinflusst wurde, etwa in Bezug auf die Annahme von traditionellen inländischen kulturellen Stereotypen und zu jener Zeit vorherrschenden Ansichten sowie auf individuelle Standpunkte, Motive, Wissensvorräte und Betrachtungsweisen. Zum anderen betont diese Theorie die durch Wechselwirkungen zwischen beiden Kulturen oder Kulturträgern herbeigeführte Veränderung der ursprünglichen Zustände. Im interaktiven Prozess können anfängliche Erkenntnisse einer anderen Kultur und anderskultureller Erscheinungen in unterschiedlichem Grad verändert werden, weshalb die konkreten Kontakte der deutschen Beschreiber mit der chinesischen Medizin eine ebenbürtige Rolle bei der Analyse ihrer Darstellungen spielten. Die kulturelle Tendenz des Individuums und der Interaktionsgrad – der aus dem Kontakt entsteht und vor allem durch die beidseitigen Beziehungen, die kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie die kognitiven Medien, Methoden und Fähigkeiten beeinflusst wird – bedingen die Formen beziehungs-
Vgl. Sun Lixin/Cui Wenlong, „Kuawenhua xianghu zuoyong“, S. 92– 95. Mühlhahn, Musterkolonie, S. 30.
5 Fragestellung und Gliederung
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weise die Stufen des interkulturellen Verstehens.⁹¹ Ausgehend davon lassen sich die ursächliche Analyse und die Erläuterung der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit, die das reflektierte, was die deutschen Beschreiber über die chinesische Medizin auf verschiedene Weise sahen, hörten und erlebten sowie dachten, vor allem von zwei Gesichtspunkten aus durchführen, nämlich dem des individuellen kulturellen Hintergrunds der deutschen Beschreiber und dem ihrer Kontakte mit der chinesischen Medizin.
5 Fragestellung und Gliederung Die vorliegende Studie ist eine historische Analyse der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin, die sich während der Kolonialzeit herausbildete. Im Wesentlichen soll sie das in der Darstellung konstruierte Bild von der chinesischen Medizin ergründen und mithilfe der Theorien der interkulturellen Interaktion die Ursachen für die Herausbildung dieses Bilds erläutern. Angesichts dieses Vorhabens orientiert sich die Studie an den folgenden konkreten Fragen: 1) In welchem Kontext beziehungsweise vor welchen historischen und zeitbedingten Hintergründen entstand die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit? 2) Welche Deutschen wandten ihre Aufmerksamkeit der chinesischen Medizin zu? In welcher Form schilderten und veröffentlichten sie ihre Wahrnehmungen
Dem interkulturellen Verstehen können drei Entwicklungsphasen zugeordnet werden, und zwar: 1) Die interkulturelle Wahrnehmung. Die interkulturelle Wahrnehmung, die die erste Phase des interkulturellen Verstehens bildet, umfasst die kulturellen Eindrücke von sichtbaren anderskulturellen Phänomenen, die durch Sinne erfahren werden, wobei einerseits durch die Wahrnehmung einer anderen Kultur die Eigenschaft der eigenen Kultur erkannt wird, andererseits aus eigener kultureller Sicht die andere Kultur wahrgenommen wird. 2) Die interkulturelle Erfahrung. Auf der Basis der interkulturellen Wahrnehmung stellt sich die zweite Phase ein, in der sich nicht nur auf visuelle, wahrnehmbare oder greifbare anderskulturelle Phänomenen konzentriert wird, sondern die Aufmerksamkeit auch auf kulturelle Hintergründe und tief verwurzelte kulturelle Elemente dieser Phänomene gerichtet wird. 3) Das interkulturelle Verständnis. Als dritte Phase beschreibt das interkulturelle Verständnis einen Prozess des Verstehens einer anderen Kultur, der den Normen dieser anderen Kultur entspricht. Dieser Prozess setzt reichhaltige Wahrnehmungen und Erfahrungen der anderen Kultur voraus und zugleich wird die Unterschiedlichkeit von Kulturen und die Gleichheit von Eigenkultur und Fremdkultur anerkannt, wodurch ein interpersonales Verständnis vor dem interkulturellen Hintergrund erreicht werden kann. Vgl. Wang Zhiqiang 王志强: Kuawenhua quanshixue shijiaoxia de kuawenhua jieshou: wenhua renyhi xingshi he renzhi jiashe 跨文化诠释学视角下的跨文化接受:文化认知形式和认知 假设 (Das Fremdaufnehmen aus Sicht interkultureller Hermeneutik: Epistemische Formen und epistemische Hypothesen), in: Deguo yanjiu 23, 1 (2008), S. 49.
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und Erkenntnisse? Welche Themen behandelten sie in ihren Publikationen und in welchen inhaltlichen Beziehungen standen diese Publikationen zueinander? Welche Unterschiede bestanden zwischen den Publikationen, die von Beschreibern aus verschiedenen Berufen verfasst wurden? 3) Unter welchen konkreten Aspekten wurde die chinesische Medizin in den Publikationen behandelt? Wie wurden diese Aspekte beschrieben? Welche Meinungen davon wurden geäußert? Welche Absichten, Mentalitäten, Standpunkte und Einstellungen der deutschen Beschreiber reflektierten diese Meinungen und welche impliziten Bedeutungen und praktischen Funktionen hatten sie? Welche konkreten Faktoren beeinflussten die Herausbildung dieser Meinungen? 4) Welches Bild von der chinesischen Medizin wurde im Prozess des Ausdrucks dieser Meinungen konstruiert? Welche zeitbedingten Besonderheiten hatte dieser Konstruktionsprozess? Diese Fragen haben jeweils einen unterschiedlichen Forschungsumfang und -schwerpunkt, sie stehen jedoch in progressiver Beziehung zueinander und sind in theoretisch-methodischer Hinsicht auf das Engste miteinander verbunden. Die historischen und zeitbedingten Hintergründe bilden den grundlegenden Kontext der Darstellung und waren zugleich auch der gedankliche Ausgangspunkt und die praktische Grundlage des deutschen Kenntnisgewinns von der chinesischen Medizin während der Kolonialzeit. Unterschiedliche individuelle kulturelle Neigungen und konkrete Kontakte mit der chinesischen Medizin führten allerdings häufig dazu, dass die deutschen Beschreiber von verschiedenen Aspekte der chinesischen Medizin erfuhren und in unterschiedlicher Weise darüber berichteten. Aus diesem Grund zielt die Erörterung der deutschen Beschreiber darauf ab, ausgehend vom grundlegenden Kontext die wichtigsten Gruppen, die die chinesische Medizin beschrieben, und ihre bedeutendsten Publikationen, die der Herausbildung der Darstellung eine materielle Basis anboten, hervorzuheben. Um die konkreten unterschiedlichen Inhalte und Sichtweisen, die sich in den Publikationen widerspiegeln, aufzuzeigen, geht es bei der Erforschung der Publikationen vor allem um die Erlebnisse des Verfassers, das Schreibmotiv, die Form, das Hauptthema, den inhaltlichen Aufbau und die Rezension, die die Arbeit gegebenenfalls erhielt. Daran anschließend wird die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin auf der inhaltlichen Ebene konkretisiert, indem die wesentlichen Inhalte tiefgreifend untersucht werden. Dabei werden die zum Ausdruck gebrachten Einstellungen durch die Analyse der Bedeutung bestimmter Wörter, sprachlicher Formulierungen und diskursiver Strategien und zugleich in Verbindung mit ihrem jeweiligen konkreten interkulturellen Kontext erschlossen und erläutert, der sowohl den allgemeinen Hintergrund als auch individuelle Aspekte der deutschen Beschreiber umfasste. Auf dieser Basis werden die wichtigsten Ansichten von der
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chinesischen Medizin zusammengefasst und die hauptsächlichen Ursachen ihrer Herausbildung aufgezeigt. Durch die organische Verbindung dieser Fragen soll versucht werden, die Genese der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit aufzuzeigen und zu analysieren und auf dieser Basis die grundlegenden Besonderheiten dieser interkulturell geprägten Darstellung im Schlussteil der Arbeit zu resümieren. Nach dieser Fragestellung wird der Hauptteil dieser Studie in drei Kapitel gegliedert: I. Hintergründe deutscher Darstellung von chinesischer Medizin in der Kolonialzeit, II. Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit, III. Chinesische Medizin im Spiegel deutscher Darstellung in der Kolonialzeit. Das erste Kapitel hat die Hintergründe der deutschen Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit zum Inhalt. Dabei geht es um die Einstellung der Deutschen zur chinesischen Medizin bis zum Opiumkrieg, die unterschiedlichen Entwicklungen in Deutschland und China im mittleren und späten 19. Jahrhundert und den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sowie die wichtigsten deutschen kolonialen medizinischen Aktivitäten in China. Im zweiten Kapitel werden die bedeutendsten deutschen Arbeiten über die chinesische Medizin, die während der Kolonialzeit verfasst und veröffentlicht wurden, eingeordnet und dargestellt. Nach unterschiedlichen sozialen Zugehörigkeiten und beruflichen Hintergründen der Verfasser werden die Publikationen in drei Gruppen klassifiziert, nämlich Publikationen der Missionsärzte und Missionare, Publikationen der Militärärzte sowie Publikationen der medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler. Das dritte Kapitel behandelt ausführlich die konkreten Inhalte zur chinesischen Medizin, die in diesen Publikationen enthalten waren. Durch die Analyse der Ansichten zur chinesischen Medizin, die bei der Darstellung der chinesischen Medizin, der Krankheiten und der Hygiene in China dargelegt und reflektiert wurden, werden die wesentlichen Meinungen zusammenfassend aufgezeigt und in ursächlicher Beziehung erläutert. Am Schlussteil werden die Eigenheiten dieser Darstellung in Hinsicht auf den Hauptakteur, das Schreibmotiv, die Wissensquelle und die inhaltsbezogene Tendenz zusammengefasst.
I Hintergründe deutscher Darstellung von chinesischer Medizin in der Kolonialzeit Die deutsche Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit entstand aus einer subjektiven Fantasie, vor allem aber aus dem deutsch-chinesischen Kontakt, der sowohl über schriftliche Medien als auch durch Direktkontakt auf praktischer Ebene stattfinden konnte. Die Darstellungen blieben weder einheitlich noch unveränderlich, verfügten jedoch über gewisse Ähnlichkeiten, insofern sie vor dem gleichen Hintergrund entstanden. Aus der interkulturellen Perspektive bildeten die historisch tradierten Kenntnisse über die chinesische Medizin in Deutschland, die unterschiedlichen Gesellschaftsentwicklungen in Deutschland und China sowie die deutsche medizinische Betätigung in China die hauptsächlichen Hintergründe der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin während der Kolonialzeit.
1 Einstellungen zur chinesischen Medizin in Deutschland bis zum Opiumkrieg Die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin blickt auf eine lange Geschichte zurück und umfasst verschiedenste Traditionen. Im Prozess der deutsch-chinesischen Kontakte setzten sich Deutsche mit der chinesischen Medizin auseinander und erforschten sie. Zum besseren Verständnis der deutschen Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit sollten im Folgenden zunächst die chinesische Medizin sowie die früheren diesbezüglichen Erkenntnisse erklärt werden. Beim Letzteren wird das Hauptaugenmerk auf die Meinungen gelegt, die der vorherrschenden Strömung der damaligen deutschen Gesellschaft entsprachen, da diese den Kern der deutschen Einstellungen zur chinesischen Medizin bildeten und als Basis der späteren Beschreibung dienten.
1.1 Übersicht über die chinesische Medizin Die chinesische Medizin, die auf eine lange Geschichte zurückblickt, wird dem medizinischen Modell der Naturphilosophie zugerechnet; die Yin-Yang-Lehre
https://doi.org/10.1515/9783110664294-003
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(Yinyang xueshuo 阴阳学说)¹ und die Fünf-Wandlungsphasen-Lehre (Wuxing xueshuo 五行学说)² sind ihre wesentlichen philosophischen Grundlagen. Das theoretische System der chinesischen Medizin bildete sich während der Zeit der Streitenden Reiche (475 – 221 v.Chr.) sowie der der Han-Dynastie (206 v.Chr.–220 n.Chr.) heraus.³ „Die chinesische Medizin wird von der Grundidee einer intimen Verbindung zwischen Mensch und Natur getragen.“⁴ Sie betrachtet im Allgemeinen den Menschen als eine in sich geschlossene Einheit, die auch in Einheit mit der Außenwelt besteht, und meint, dass die Gesundheit ein Gleichgewichtszustand innerhalb des menschlichen Körpers ist und die Krankheit aus einem durch gewisse Faktoren der Außenwelt verursachten Ungleichgewicht entsteht, weshalb der Schwerpunkt der medizinischen Behandlung in der Wiederherstellung des verlorenen Gleichgewichts im menschlichen Körper liegt.⁵ Im Laufe der jahrtausendelangen Entwicklung konzipierte sich die chinesische Medizin grundsätzlich innerhalb dieses theoretischen Grundgerüsts, wobei
„Die Yin-Yang-Lehre ist eine Theorie, mit der die Menschen im Altertum die einheitlichen und gegensätzlichen Beziehungen zwischen Dingen erklärten.“ Wang Zhenguo 王振国/Zhang Daqing 张大庆: Zhongwai yixueshi 中外医学史 (Geschichte chinesischer und ausländischer Medizin), 2. Aufl., Beijing: Zhongguo zhongyiyao chubanshe, 2013 [Erstveröff. 2005], S. 34. Diese Lehre basiert auf zwei grundlegenden Komponenten: Yin und Yang. „Yin bedeutet ursprünglich einfach die ‚Schattenseite eines Hügels‘, während Yang dessen ‚Sonnenseite‘ benennt. Dieses System ist erweiterbar auf viele dualistische Lebensphänomene. So symbolisiert Yin die Dunkelheit, das weibliche Prinzip, Kälte, Regen, Feuchtigkeit, Yang dagegen den Sonnenschein, das männliche Prinzip, den Sommer oder die Hitze.“ Eckart, Wolfgang Uwe: Geschichte der Medizin. Fakten, Konzepte, Haltungen, 6. Aufl., Berlin-Heidelberg: Springer Verlag, 2009 [Erstveröff. 1990], S. 4. Die Einheit und der Gegensatz zwischen Yin und Yang sind das allgemeine Gesetz der Entstehung, Entwicklung und Veränderung von Dingen und dazu gehören auch die Zusammenhänge im menschlichen Körper, weshalb die Yin-Yang-Lehre in der chinesischen Medizin eingesetzt wurde. Die Fünf-Wandlungsphasen-Lehre bemüht sich „in fünf unterschiedlichen Reihen um eine Zuordnung beziehungspotenter Naturphänomene […]. Konkrete Orientierungselemente dieses Ordnungssystems sind die Naturphänomene Wasser, Erde, Feuer, Holz und Metall. Auf dieser Basis werden insgesamt 16 Wandlungs- bzw. Überwindungsbeziehungen entwickelt (z. B.: Erde überwindet Wasser, Wasser überwindet Feuer, Metall überwindet Holz, aus Feuer entsteht Asche/ Erde, aus Holz Feuer)“. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 5. Diese Lehre untersucht innere Zusammenhänge zwischen Dingen und ihre Beziehungen. „Die Einführung dieser Lehre in die Medizin dient vor allem dem Erkennen und Aufzeigen der Beziehungen zwischen Menschen und Natur und der Erläuterung der wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Organen im menschlichen Körper.“ Wang Zhenguo/Zhang Daqing, Zhongwai yixueshi, S. 35. Vgl. Wang Zhenguo/Zhang Daqing, Zhongwai yixueshi, S. 26 – 27. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 3. Vgl. Sun, Lixin, Chinabild, S. 256.
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allerdings auch neue Elemente entwickelt und von außerhalb eingeführt wurden.⁶ Zugleich weist die chinesische Medizin regionale Unterschiede auf. Medizinische Strömungen im Norden und im Süden Chinas sind zu unterscheiden, die eng mit lokalen Klimata, Sitten sowie Gebräuchen und anderem zusammenhängen. Die diagnostische Methode in der chinesischen Medizin enthält normalerweise vier Schritte: Beobachten, Riechen, Fragen und Fühlen, bei denen das Fühlen, und zwar das Pulsfühlen eine wichtige Rolle spielt. Ein ausgezeichneter Arzt kann im diagnostischen Prozess diese vier Schritte gut verbinden und nach den durch diese vier Schritte gesammelten Symptomen der Patienten eine richtige Feststellung machen.⁷ Hinsichtlich der Behandlungsmethode wird vor allem die medikamentöse Therapie angewandt. Die chinesische Arzneikunde umfasst fast 2000 unterschiedliche Drogen und Arzneimittel,⁸ und ausgehend von der Eigenschaft des Medikaments unterscheidet sie fünf verschiedene Gruppen von Medikamenten, nämlich „kalt, heiß, warm, kühl und neutral“. Bei der medikamentösen Therapie werden der Ausgleich zwischen Yin und Yang sowie das Prinzip der wechselseitigen Förderung und Beschränkung unter Medikamenten berücksichtigt. Daneben werden unter anderem Akupunktur, Moxibustion, Massage, Diät sowie das Schröpfen als Behandlungsmethoden benutzt, während chirurgische Operationen gewöhnlich nur in dem Fall, dass keine andere wirksamere Therapiemethode existiert, durchgeführt werden. Die Betonung der Gesundheitsvorsorge ist eine Besonderheit der chinesischen Medizin. Auf Basis der Yin-Yang-Lehre und Fünf-Wandlungsphasen-Lehre ist man im Aspekt der Gesundheitspflege der Meinung, dass das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang gehalten und die Koordination zwischen Mensch und Natur verwirklicht werden kann, solange das Individuum bestimmte Verhaltensnormen und Lebensgewohnheiten einhält und sich stetig innerlich kritisch prüft. Auf diese Weise kann das Ziel der Kräftigung des Körpers und der Verlängerung des Alters erreicht werden.⁹
Vgl. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 7. Vgl. Xiong Yuezhi 熊月之: Xizhi dongjian – Jindai zhidu de shanbian 西制东渐 – 近代制度的嬗 变 (Verbreitung des westlichen Systems nach Osten – Wandel des modernen Systems), Changchun: Changchun chubanshe, 2005, S. 254. Vgl. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 5. Liu Yuanming 刘远明: Xiyi dongjian yu zhongguo jindai yiliao tizhihua 西医东渐与中国近代医 疗体制化 (Vordringen westlicher Medizin nach Osten und Institutionalisierung moderner chinesischer Medizin), Beijing: Zhongguo yiyao keji chubanshe, 2009, S. 150.
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Aber diese Vorsorge beschränkte sich ausschließlich auf die individuelle Ebene; dagegen bildete die Bereitstellung des öffentlichen Gesundheitswesens keinen Schwerpunkt der staatlichen Verwaltung.¹⁰ Im Bereich der medizinischen Kenntnisse vertraten „Das klassische Lehrwerk der inneren Medizin des gelben Kaisers“ (Huangdi Neijing 黄帝内经), „Heilkräuterklassiker nach Shennong“ (Shennong benzaojing 神农本草经), „Abhandlung über die Behandlungsverfahren von epidemischem Fieber“ (Shanghan Lun 伤寒论), „Unbezahlbar wertvolle Rezepturen“ (Qianjin Fang 千金方), „Geordnete Drogenkunde“ (Bencao Gangmu 本草纲目) sowie andere chinesische medizinische Werke die damals fortschrittlichen medizinischen Forschungsergebnisse in der Welt. In der Geschichte der chinesischen Medizin gab es viele berühmte Ärzte, wie Hua Tuo 华佗 (ca. 145 – 208), Zhang Zhongjing 张仲景 (ca. 150 – 219), Sun Simiao 孙思邈 (ca. 581– 682) sowie Li Shizhen 李时珍 (1518 – 1593) und andere. Sie lieferten aktive Beiträge zur medizinischen Entwicklung in China. Die chinesische medizinische Anschauung und Behandlungsmethode beeinflussten die Heilkunde in den banachbarten Ländern und verbreiteten sich ab der Tang-Dynastie (618 – 907) auch in Zentralasien, im Perserreich sowie einigen westlichen Länder und förderten die Fortschritte der lokalen Medizin.¹¹ Aber einige Nachteile existierten auch in der chinesischen Medizin. Beispielsweise fehlten ihr die präzisen Kenntnisse in Anatomie und das Niveau der Chirurgie war rückständig. Bei großen Seuchen und akuten Krankheiten waren chinesische Ärzte häufig hilflos. In pharmazeutischer Hinsicht waren die Methoden und Prozesse ziemlich primitiv. Trotzdem überdauerte dieses medizinische Modell mehrere Tausend Jahre in China. Obwohl die dominante Position der chinesischen Medizin nach dem Einzug der europäischen modernen Medizin ins chinesische Gesundheitssystem allmählich schwand, bedeutete dies nicht den Untergang der chinesischen Medizin. Sie entwickelte sich vor dem neuen Hintergrund unaufhörlich, erlebte in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht Veränderungen und wird bisher noch allgemein in China benutzt. Behandlung und Pflege bildeten den Schwerpunkt des traditionellen chinesischen Gesundheitssystems und erfolgten üblicherweise im Haus des Patienten.¹² Der Arzt wurde normalerweise zum zum Haus der Patienten gerufen, stellte an Ort und Stelle eine Diagnose und stellte ein Rezept aus. Die Seite des Patienten
Vgl. Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 150 – 151. Vgl. Xiong Yuezhi, Xinzhi dongjian, S. 253. Ebd.
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kaufte nach dem Rezept die Medikamente in einer Apotheke, machte das Dekokt und pflegte den Patienten zu Hause. In der Arzt-Patient-Beziehung hatte der Patient, der bei günstigen wirtschaftlichen Bedingungen häufig mehrere Ärzte zur Behandlung einlud, die aktive Kompetenz, während der Arzt passiv die medizinische Dienstleistung anbot.¹³ Zudem war das Aufsuchen des Arztes nur eine der Methoden des Patienten und er holte manchmal noch den Zauberer. Zugleich fehlte der ärztlichen Ausbildung und Praxis eine staatliche Aufsicht. Das Meister-Lehrling-Modell war die wesentliche Methode der medizinischen Ausbildung in China.¹⁴ Im Vergleich mit der den Mitgliedern des Kaiserhauses dienenden ärztlichen Praxis am Hof, bei der die Auswahl und Prüfung des Arztes, die Verwaltung und Herstellung des Medikaments und anderes streng geregelt waren, war die ärztliche Tätigkeit unter dem Volk grundsätzlich frei und aufsichtslos. Aber wenn ein ärztlicher Kunstfehler vorkam, wurde der Arzt strafrechtlich verfolgt. Mit dem systematischen Eintritt der modernen westlichen Medizin in China seit der Spätzeit der Qing-Dynastie (1636 – 1912) begann das chinesische Gesundheitssystem, sich allmählich zu verändern.¹⁵ Der Wandel betraf im Wesentlichen die Einrichtung des Hospitals und der Medizinschule sowie die Verwaltung der ärztlichen Ausbildung und Praxis durch die Behörden.
1.2 Frühe Kenntnis von chinesischer Medizin in Deutschland Die frühesten Kontakte zwischen Deutschen und Chinesen fanden nicht auf staatlicher Ebene statt, sondern waren in erster Linie das Resultat missionarischer und kommerzieller Aktivitäten. Auf der Basis der missionarischen und kommerziellen Kontakte entstand die deutsche Kenntnis von der chinesischen Medizin. Das früheste Kennenlernen der chinesischen Medizin in Europa lässt sich auf den direkten westlich-chinesischen Austausch in der Zeit der Yuan-Dynastie (1271– 1368) zurückführen. In diesem Zeitraum erreichte eine gewisse Zahl europäischer Missionare und Händler China und die ersten Berichte entstanden, in denen
Hao Xianzhong 郝先中: Xiyi dongjian yu zhongguo jindai yiliao weisheng shiye de zhaoshi 西医 东渐与中国近代医疗卫生事业的肇始 (The Spread of Western Medicine into the East and the Initiation of Medical and Health Untertakings in Modern China), in: Huadong shifan daxue xuebao (Zhexue shehui kexueban) 37, 1 (2005), S. 28. Hao Xianzhong, Xiyi dongjian, S. 30. Vgl. Xiong Yuezhi, Xinzhi dongjian, S. 253.
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Europäer eigene Anschauungen, Wahrnehmungen und Erfahrungen aus ihren Erlebnissen in China niederschrieben.¹⁶ „Zumindest seit Wilhelm von Rubruk seine ‚Reise ins Mongolenland‘ in den Jahren 1253 bis 1255 beschrieb, sind immer wieder Nachrichten über eine eigene Heilkunde der Chinesen nach Europa gelangt.“¹⁷ So beschrieb etwa der berühmte venezianische Handelsreisende Marco Polo (1254– 1324) seine Eindrücke von der Heilkunde in China in seinem Reisebericht aus dem Jahr 1299.¹⁸ Der Reisebericht, der sich bald nach seiner Publikation in Europa verbreitete, beeinflusste über mehrere Jahrhunderte das dortige Chinabild. Im Jahr 1477 wurde er ins Deutsche übersetzt. Jedoch hatte Marco Polo nur unzureichende Kenntnisse der Medizin und der allgemeinen Landeskunde, weshalb seine Darstellungen weder detailliert noch systematisch waren und nicht zur Entstehung einer speziellen Einstellung zur chinesischen Medizin beim damaligen deutschen Publikum führten. Die eigentliche Beobachtung und das Studium der konkreten Einzelheiten der chinesischen Medizin, wurden zunächst von den Jesuiten unternommen, die Mitte des 16. Jahrhunderts in Ostasien eintrafen. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts spielten die Berichte der europäischen Missionare, vor allem Jesuiten, und Ärzte, die hauptsächlich in China, Japan und in der Niederländischen Ostindien-Kompanie in Batavia arbeiteten, bei der systematischen Bekanntmachung der chinesischen Medizin in Europa eine wesentliche Rolle.¹⁹ Zu diesen zählten unter anderem die Missionare Matteo Ricci (1552– 1610), Michal Boym (1612– 1659), Hermann Buschoff (1620 – 1674), Dominique Parrenin (1665 – 1741) und Jean Baptiste Du Halde (1674– 1743) sowie die Ärzte Jakob de Bondt (1592– 1631), Andreas Cleyer (1634– 1697/1698), Willem ten Rhijne (1647– 1700) und Engelbert Kämpfer (1651– 1716). Ihre Berichte sowie Übersetzungen der klassischen Werke der chinesischen Medizin bildeten eine wichtige Grundlage und Erkenntnisquelle für die Rezeption der chinesischen Medizin in Europa. Inhaltlich konzentrierten sie sich vor allem auf die Arzneikunde, die Pulslehre, die Akupunktur und die Moxibustion.
Vgl. Sun, Lixin, Chinabild, S. 52. Unschuld, Paul Ulrich: Chinesische Medizin, München: Verlag C. H. Beck, 1997, S. 99 – 100. Vgl. Bürck, August: Die Reisen des Venezianers Marco Polo im dreizehnten Jahrhundert. Zum ersten Male vollständig nach den besten Ausgaben Deutsch mit einem Kommentar von August Bürck, Leipzig: B. G. Teubner, 1845, S. 229 – 230, 371, 382, 388, 459. Da die vormoderne Medizin in Japan grundlegend durch die chinesische Medizin beeinflusst war, ähnelten sich beide stark in theoretischer und methodischer Hinsicht. Insofern konnte die japanische Medizin als Variante der chinesischen Medizin gelten und im Verlauf der Vorstellung und Rezeption wurde zwischen ihnen nicht streng unterschieden.
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Zahlreiche Informationen der europäischen Missionare und Ärzte schafften die Möglichkeiten und Bedingungen für einen näheren Kontakt mit der chinesischen Medizin in Deutschland. Zeitgleich zur Mission der Jesuiten in China erlebte Deutschland bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts eine Welle der Sinophilie, die mit der sich im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts entfaltenden Aufklärungsbewegung in Verbindung stand. In dieser Atmosphäre wurden viele hervorragende Aufklärer zu China-Enthusiasten. Sie richteten ihre Aufmerksamkeit sowohl auf die Geisteswissenschaft in China als auch auf chinesische Wissenschaft und Technik und erforschten die chinesische Zivilisation mit der Absicht, aus deren Vorzügen zu schöpfen. In Deutschland verbreitete sich die Sinophilie insbesondere unter Gelehrten und Fürsten. Der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716), der auch ein wichtiger Vertreter der deutschen Aufklärungsbewegung war, kam durch seine aktive Korrespondenz mit Jesuiten am intensivsten mit China in Berührung und publizierte im Jahr 1697 das Werk „Novissima Sinica“. Laut Leibniz stellten China und Europa „zwei sich ergänzende Hälften einer Weltkultur“²⁰ dar. Er befürwortete ein intensives und systematisches Studium der chinesischen Medizin. Er meinte, dass die chinesische Medizin besser als die europäische sei, obwohl die chinesischen medizinischen Regeln „foolish and paradoxical“ erscheinen, und schlug vor, dass die Europäer die chinesische Medizin lernen sollten.²¹ Nicht nur Leibniz, sondern auch zeitgenössische Mediziner in Deutschland zeigten ein großes Interesse an der chinesischen Medizin. Im Gegensatz zu Leibniz’ aktivem Interesse fand die chinesische Medizin unter ihnen jedoch kein einheitliches Echo. Im Bereich der Arzneikunde waren unbekannte Arzneipflanzen aus China und Japan deutschen Ärzten zumeist sympathisch. Sie erforschten die Beschaffenheit und Wirksamkeit dieser Pflanzen, von denen sie durch stetige Korrespondenz mit überseeischen europäischen Missionaren und Ärzten erfuhren, und verfassten zahlreiche Arbeiten über ihre Forschungsergebnisse.²² Die chinesische Pulslehre übte im 17. und 18. Jahrhundert ebenfalls eine Attraktion auf deutsche Ärzte aus und fand durch die Veröffentlichung der Übersetzungen der chinesischen medizinischen Werke in Deutschland eine gewisse Verbreitung, aber bei der Diskussion über die Pulslehre wurden deren ursprüngliche philosophische Ideen vernachlässigt und die diesbezüglichen Er Hsia, Adrian (Hg.): Deutsche Denker über China, Frankfurt am Main: Insel-Verlag, 1985, S. 376. Vgl. Perkins, Franklin: Leibniz and China. A commerce of light, Cambridge: Cambridge University Press, 2004, S. 138. Vgl. Michel, Wolfgang: „Ein ‚Ostindianisches Sendschreiben‘. Andreas Cleyers Brief an Sebastian Scheffer vom 20. Dezember 1683“, in: Dokufutsu Bungaku Kenkyu 4 (1991), S. 25 – 67.
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klärungsmodelle und Forschungen basierten vor allem auf dem theoretischen System der europäischen Medizin.²³ Im Unterschied dazu beeinträchtigte die unzulängliche Beachtung der theoretischen Basis von Akupunktur und Moxibustion trotz des anfänglich großen Enthusiasmus ihre weitere Verbreitung in Deutschland. Akupunktur und Moxibustion wurden von Deutschen als zusammenhanglos betrachtet und getrennt erforscht, wobei die Moxibustion breitere Aufmerksamkeit als die Akupunktur erregte.²⁴ Auf Basis der Schrift Buschoffs sowie der Arbeiten ten Rhijnes und Kämpfers wurden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Deutschland zum einen einige Arbeiten zu Akupunktur und Moxibustion veröffentlicht, zum anderen wurden diese Praktiken in die Praxis umgesetzt. Aber im 18. Jahrhundert wurden Akupunktur und Moxibustion in der deutschen Darstellung „ihrer Kuriosität wegen lediglich erwähnt, oder aber in bissigen Kommentaren […] als für Europäer völlig untauglich verworfen“.²⁵ Vom späten 16. Jahrhundert bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts kamen das deutsche und das chinesische medizinische System durch die Berichte der europäischen Missionare und Ärzte in begrenztem Umfang miteinander in Berührung. Zwar ist festzuhalten, dass die deutsche Einstellung zur chinesischen Medizin zu jener Zeit geteilt war, jedoch wurde generell der Standpunkt vertreten, dass sich die chinesische und die europäische Medizin gut ergänzen könnten. Ausgehend von dieser Erkenntnis und Zielsetzung waren viele Deutsche dazu bereit, die chinesische Medizin zu studieren und zugleich die europäische Medizin nach China einzuführen. Mit der Auflösung des Jesuitenordens im Jahr 1773 endete die systematische Bekanntmachung der chinesischen Medizin in Europa. Zwar wurden auch in der Folgezeit einige neue Informationen über die chinesische Medizin übermittelt, jedoch bildeten die Berichte des 17. und 18. Jahrhunderts bis zum Jahr 1840 weiterhin die wichtigsten Quellen für das Wissen von der chinesischen Medizin in Europa. Ihre Inhalte wurden fortlaufend diskutiert; im Vergleich mit der früheren Vgl. Holler, Ursula: „Anfänge des Transfers heilkundlichen Wissens von China nach Europa bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts“, in: Angela Schattenhammer (Hg.): Trade and Transfer Across the East Asian „Mediterranean“, Wiesbaden: Harrassowitz, 2005, S. 299. Ausführliche Informationen über die Rezeption von Akupunktur und Moxibustion in Deutschland kann man den Arbeiten Gerhart Feuchts entnehmen, und zwar „Die Moxabehandlung in Europa“ und „Die Geschichte der Akupunktur in Europa“, sowie der Arbeit Wolfgang Michels, „Erste Abhandlung über die Moxibustion in Europa. Das genau untersuchte und auserfundene Podagra, Vermittelst selbst sicher=eigenen Genäsung und erlösenden Hülff=Mittels“, und anderen. Arnold, Hans-Jürgen: Die Geschichte der Akupunktur in Deutschland, Heidelberg: Karl F. Haug Verlag, 1976, S. 41.
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Darstellung vollzog sich in neueren Berichten aber ein Wandel in Hinsicht auf ihre Einstellung gegenüber der chinesischen Medizin. Bereits vor 1840 kamen in Deutschland negative Urteile über die chinesische Medizin vor. So lehnte etwa Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) die chinesische Medizin in ihrer Gesamtheit ab und vertrat die Ansicht, dass die medizinische Forschung der Chinesen rein auf Erfahrung beruhe und in Bezug auf die Heilung und Arzneimittelanwendung stark zum Aberglauben neige.²⁶ Eine ähnliche, völlig negative Auffassung von der chinesischen Medizin erschien in einer deutschen medizinischen Fachzeitschrift: Die Chinesen […] haben weder Schulen noch Hospitäler; dagegen finden sich unter ihnen eine Menge abergläubischer Schriften, und sie halten viel von dem Einfluß der Gestirne. Ihre Arzneimittel beschränken sich auf den innern und äußern Gebrauch einiger Kräuter. Sie wissen nichts von Anatomie und Chirurgie, und behaupten den Sitz der Krankheit aus dem Puls ersehen zu können.²⁷
Der Missionar Karl Gützlaff (1803 – 1851), der gelegentlich unter Einheimischen entlang der chinesischen Küste ärztliche Hilfe leistete, war der Meinung, dass die europäische Behandlungsmethode bessere Heilungserfolge erzielte als die chinesische und betont: „To stand against men of this description, who are so very wise in their own imagination, was not an easy task; but I always convinced them, by facts, that our theories, when reduced to practice, would have the most salutary effect.“²⁸ Zudem war er überzeugt, dass die Chinesen letztendlich die europäische Medizin akzeptieren werden.²⁹ Daneben verschob sich auch die Einstellung der deutschen Beschreiber zu vielen konkreten Aspekten der chinesischen Medizin ins Negative. Dabei wurden nicht nur zuvor schon bestehende negative Bewertungen der chinesischen Medizin wiederholt und bekräftigt, etwa ihr Mangel an wissenschaftlicher Theorien,³⁰ die Unwirksamkeit von Akupunktur und Moxibustion³¹ und andere. Auch
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Die orientalische Welt, Auf Grund der Handschriften herausgegeben von Geroy Lasson, Unveränderter Nachdruck der 2. Aufl. mit ergänzten Literaturhinweisen, Hamburg: Verlag von Felix Meiner, 1976 [Erstveröff. 1919] (Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, Bd. II), S. 137– 138. Notizen aus dem Gebiet der Natur- und Heilkunde 2, 12 (1822), S. 191. Gützlaff, Karl: Journal of three voyages along the coast of China, in 1831, 1832, & 1833, with notices of Siam, Corea, and the Loo-Choo Islands, London: Frederick Westley/A. H. Davis, 1834, S.129 – 130. Gützlaff, Karl: „The medical Art amongst the Chinese“, in: The Journal of Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 4, 1 (1837), S. 163. Gützlaff, Journal of three voyages, S. 4.
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neue Kritik wurde an weiteren Punkten geübt, die zuvor als positiv aufgefasst worden oder völlig unbeachtet geblieben waren. Dieser Meinungsumschwung lässt sich beispielsweise in der deutschen Darstellung der chinesischen Arzneikunde beobachten, die von den Europäern im 17. und 18. Jahrhundert stets hochgeschätzt worden war. Gützlaff äußerte sich dazu in den 1830er Jahren sehr abwertend: „They have some very excellent plants, but injure and weaken their effect, by mixing them up, as they do, often sixty or seventy in one dose.“³² Der Arzt Dr. Joseph Rehmann (1753 – 1831) bemängelte die Existenz einer Vielzahl von unwirksamen Arzneimitteln in der chinesischen Pharmazie und befand, dass die Ursache dafür in der Tradition der Ahnenverehrung liege.³³ Im Unterschied zur vormals positiven Rezeption der klassischen Werke der chinesischen Medizin entstanden in diesem Zeitraum auch hierzu kritische Neubewertungen. So erläuterte etwa Rehmann: Sie besitzen eine Menge botanischer, oft mit vieler Pracht, ungemeiner Sorgfalt und den schönsten Farben ausgeführter Werke; so wie auch pharmaceutische Schriften, in welchen, nach gewissen Ordnungen und Eintheilungen, die Pflanzen und andere Arzneikörper systematisch geordnet sind. Weitläuftig ist hiebei der Nutzen derselben auseinander gesetzt, wobei freilich manches Abergläubische, Vorurtheilsvolle und oft Abgeschmackte vorkömmt.³⁴
Infolge seiner Erfahrungen in China hob Gützlaff das mangelnde fachliche Niveau der chinesischen Ärzte hervor: Chinese doctors […] are ignorant of anatomy, helpless as surgeons, and in time of sudden danger next to useless. If any patient who has met with an accident dies under their hands, they are responsible to government, and may be punished for manslaughter. Hence their timidity of entering upon any difficult case, where all depends upon prompt exertion, or where life is nearly extinct.³⁵
Rehmann, Joseph: „Bemerkungen über den Zustand der Arzneikunde bei den Chinesen“, in: Magazin der ausländischen Literatur der gesamten Heilkunde und Arbeiten des Ärztlichen Vereins zu Hamburg 17 (1829), S. 23. Gützlaff, Journal of three voyages, S. 129. Rehmann, Bemerkungen, S. 18 – 19. Rehmann, Bemerkungen, S. 19. Vgl. Gützlaff, The medical Art amongst the Chinese, S. 155.
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Gleichzeitig warf er ihnen unter Bezug auf einige Beispiele vor, dass ihre Behandlungsmethoden mangelhaft und fehlerbehaftet seien und eine Todesgefahr darstellten.³⁶ Trotz des Aufkommens einer kritischen deutschen Darstellung der chinesischen Medizin ist zu betonen, dass diese von den deutschen Beschreibern vor 1840 nicht als völlig wertloses medizinisches System betrachtet wurde und auch positive Bewertungen weiter eine große Rolle in der deutschen Darstellung spielten, „da das einem westlichen Arzt jener Zeit verfügbare therapeutische Wissen noch nicht ausreichte, um ein Überlegenheitsgefühl aufkommen zu lassen“.³⁷ Zunächst fand die chinesische Medizin in einiger Hinsicht Zustimmung: Vorzüglich merkwürdig soll ihre Procedur seyn, an schon längst begrabenen Leichnamen, die zum Theil schon in Fäulniß übergegangen sind, durch eigene Räucherungen aus verschiedenen Ingredienzien, über welche mit gewissen Vorrichtungen der todte Körper gelegt oder gehangen wird, die schon verschwundenen und unkenntlich gewordenen Spuren früherer Verletzungen, Quetschungen u.s.w. zu entdecken, welche mittelst dieses Verfahrens wieder zum Vorscheine kommen sollen.³⁸ Muß man nicht gestehen, daß man kaum in einem europäischen Handbuche eine bessere Darstellung der verschiedenen Charaktere der Kranken und der moralischen Hindernisse, welche sich dem Arzt so oft entgegenstellen, und richtigere Bilder des Wesens und Treibens der Patienten und der Umgebenden aufgezeichnet findet?³⁹ Eins scheint mir hier noch vorzüglich bemerkenswerth, nämlich, daß nach meiner Beobachtung ihnen selbst die Anwendung des Galvanismus in gewissen Krankheiten, oder wenigstens der Einfluss der Metalle auf die Nerven, nicht ganz unbekannt zu seyn scheint.⁴⁰ Chinese doctors excel in the knowledge of the pulse, and are able to ascertain with considerable accuracy the state of the patient; they are well versed in the use of simples […].⁴¹ The pharmacy of the Chinese is richer than that of any other nation; a physician has a large choice, and to be always sure, he prescribes a variety of drugs, of which at least one may prove effectual. Though few substances in nature are found to be fit exhibition in medicine without a previous preparation, they take good care not to adulterate them by a chemical process. […] In no country are people in possession of so many nostrums as in China.⁴²
Vgl. Gützlaff, Journal of three voyages, S. 129; ders, The medical Art amongst the Chinese, S. 156. Unschuld, Paul Ulrich: Medizin in China. Eine Ideengeschichte, München: Verlag, C. H. Beck, 1980, S. 195. Rehmann, Bemerkungen, S. 5. Rehmann, Bemerkungen, S. 13. Rehmann, Bemerkungen, S. 24. Gützlaff, The medical Art amongst the Chinese, S. 155. Gützlaff, The medical Art amongst the Chinese, S. 164.
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Andererseits meinten die deutschen Beschreiber, dass bestimmte Aspekte der chinesischen Medizin für die gesamte Menschheit sinnvoll und schätzenswert seien. Dies brachte etwa der in Russland tätige Rehmann, seinem Lehrer folgend, in seiner an den Reichsmedizinalrat zu St. Petersburg gerichteten Denkschrift mit dem Titel „Über den Plan zu einer ärztlichen Reise nach China“ aus dem Jahr 1805 klar zum Ausdruck: Bey den unwissendsten und wildesten Nationen liegen Schätze, die wir[,] nur weil wir solche nicht kennen, zu verachten pflegen. Ein einziges thätiges, oder in gewissen Übeln vorzügliches Mittel, das wir, es sey auch in den Händen eines alten Weibes[,] entdecken, hat für die leydende Menschheit mehr Gewicht, als manches theoretische Raisonnement.⁴³
Aus Rehmanns Worten wird seine Ansicht deutlich, dass der chinesischen Medizin Achtung entgegenzubringen sei und sie über einen hohen Forschungswert verfüge, und darüber hinaus der zeitgenössischen Missachtung der chinesischen Medizin entgegengewirkt werden müsse. Auch festzuhalten ist jedoch, dass sich das Verhältnis der chinesischen zur europäischen Medizin ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts trotz der teils positiven Darstellung allmählich wandelte. Die deutschen Beschreiber begannen, die chinesische Medizin insgesamt nicht mehr mit der europäischen Medizin gleichzustellen, sondern sie in erster Linie als rückständiger und nur als ein mögliches Hilfsmittel der europäischen Medizin zu betrachten. Das Werturteil über die chinesische Medizin war eng mit den Maßstäben europäischer Wissenschaftlichkeit verbunden und erfolgte lediglich auf der Grundlage der effektiven Heilwirkung, ohne die theoretischen Grundlagen der chinesischen Medizin zu ergründen. Gerade von diesem Standpunkt ausgehend erfreute sich die Akupunktur in den 1820er bis 1840er Jahren mit dem aufkommenden Interesse an der Elektrobiologie in Europa großer Beliebtheit, wurde dabei allerdings nur als technisches Mittel verwendet und infolge ihrer Unwirksamkeit in Deutschland bald aufgegeben.⁴⁴ Insgesamt betrachtet vollzog sich im Zeitraum von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1840 eine Veränderung in der deutschen Einstellung zur chinesischen Medizin. Dies geschah zwischen den zwei hauptsächlichen Traditionslinien, einer positiven und einer negativen. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war trotz einiger kritischer Bemerkungen die positive Einstellung vorherrschend,
Walravens, Hartmut: „Zum Werk des Arztes und Ostasienforschers Joseph Rehmann“, in: Sudhoffs Archiv 67, 1 (1983), S. 96. Vgl. Unschuld, Chinesische Medizin, S. 106 – 110.
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während die negativen Darstellungen im späten 18. Jahrhundert ihren Anfang nahmen und sich allmählich vermehrten. Inhaltlich betraf die Ablehnung der chinesischen Medizin vor allem ihre als primitiv bewerteten Theorien, ihre unwirksamen Behandlungsmethoden, das unvollkommene Gesundheitssystem, die als wertlos aufgefassten medizinischen Werke und das mangelhafte Niveau der chinesischen Ärzte. Jedoch waren bis zum Opiumkrieg solche negativen Bewertungen in der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin noch nicht dominant. Positive Einschätzungen betrafen weiterhin nicht nur einige der kritisierten Aspekte, wie etwa die Behandlungsmethoden, die klassische medizinische Literatur und die fachlichen Fähigkeiten der chinesischen Ärzte, sondern nach Ansicht der deutschen Beschreiber sollte die chinesische Medizin insgesamt auch für Europäer keineswegs als nicht lernenswert oder unbedeutend eingestuft werden. Aus den Darstellungen dieser Meinungen entwickelten sich viele Topoi und Narrative über die chinesische Medizin, die zum einen die deutsche koloniale medizinische Tätigkeit in China rechtfertigten, zum anderen aber auch als Ausgangspunkt für Wahrnehmung und Wissen einen gewissen Einfluss auf die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin in der folgenden Kolonialzeit ausübten. Bis 1840 beschränkte sich die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin jedoch ausschließlich auf die Ebene der medizinischen Kenntnisse. Der Beschreibung von Krankheiten und Hygiene in China, woran sich die praktischen Fähigkeiten der chinesischen Medizin erkennen ließen, wurde wenig Beachtung geschenkt. Dies war vor allem darin begründet, dass Europäer, die vormals nicht legal und frei ins Land einreisen konnten, kaum Möglichkeiten hatten, die medizinischen Zustände in China eingehend kennenzulernen. Mit der Unterzeichnung der ungleichen Verträge zwischen China und den europäischen Mächten nach den Opiumkriegen wurde die Öffnung Chinas erzwungen und der Tätigkeitsbereich der Ausländer im Inneren Chinas allmählich vergrößert. Vor diesem Hintergrund erfuhr auch die deutsche medizinische Betätigung in China eine immer breitere Ausdehnung, womit eine neue Phase des Kontakts mit der chinesischen Medizin begann.
2 Unterschiedliche Entwicklung in Deutschland und China Nicht nur das frühere Wissen von der chinesischen Medizin, sondern auch soziale Entwicklungen in Deutschland und China nahmen Einfluss auf die deutsche Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit. Vom Jahr 1840 bis zum Ersten Weltkrieg erlebten Deutschland und China unterschiedliche Entwicklungen und Veränderungen in vielen Bereichen. Diese bildeten einen wich-
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tigen Hintergrund für die zeitgenössische deutsche Beschreibung der chinesischen Medizin.
2.1 Vereinigung, Industrialisierung und koloniale Expansion Deutschlands Während Großbritannien 1840 – 1842 im Opiumkrieg militärisch gegen China vorging, war Deutschland kleinstaatlich zersplittert und geriet mit seiner vornehmlich agrarisch geprägten Wirtschaft in Rückstand. Obwohl die industrielle Revolution in Deutschland bereits in den 1830er Jahren begann und ab den späten 1850er Jahren die industrielle Entwicklung rasch zunahm,⁴⁵ hatte die industrielle Produktion bis 1870 in der deutschen Wirtschaft keine vorherrschende Stellung inne.⁴⁶ Nach der Reichseinigung 1871 trat Deutschland bald in eine Phase rascher Entwicklung ein, die sich insbesondere auf die Wirtschaft bezog. Reichskanzler Otto von Bismarck (1815 – 1898) betrieb eine aktive Wirtschaftspolitik. Von den 1870er Jahren an entfaltete sich die deutsche Wirtschaft allmählich zu hoher Blüte und erreichte im Jahr 1913 im weltweiten Vergleich den zweiten Platz. In dieser Periode erlangte die Industrie gegenüber der Landwirtschaft eine führende Position,⁴⁷ wobei sich jedoch auch die deutsche Landwirtschaft in einer umwälzenden Entwicklung befand. Innerhalb der Industrie nahm die Schwerindustrie einen wichtigeren Platz ein als die Leichtindustrie. Die deutlichste Entwicklung vollzog sich auf den Gebieten der Kohleindustrie, der Stahlindustrie, der chemischen Industrie und der Elektrotechnik. Mit der industriellen Entwicklung stieg das Deutsche Reich in diesem Zeitraum zu einer wirtschaftlichen Großmacht auf und die Industrialisierung wurde zu einem besonderen Merkmal der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. Eng verbunden mit der Industrialisierung waren auch Fortschritte im Bereich der Naturwissenschaften. Die umfassende Implementierung der wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften in die Industrieproduktion leistete einen großen Beitrag zur industriellen Entwicklung Deutschlands. Zugleich bildete sich eine wissenschaftlich technisierte und effiziente Produktionsstruktur heraus, wodurch das Deutsche Reich zu einem Zentrum der zweiten Industriellen Revo Vgl. Wu Youfa 吴友法: Deguo xiandangdai shi 德国现当代史 (The Modern and Contemporary History of Germany), Wuhan: Wuhan daxue chubanshe, 2007, S. 13. Ding Jianhong 丁建宏: Deguo tongshi 德国通史 (The History of Germany), Shanghai: Shanghai shehui kexueyuan chubanshe (Shanghai Academy of Social Sciences Press), 2002, S. 235. Vgl. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 189.
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lution wurde und der Fortschritt der Wissenschaften auch die Entwicklung der deutschen Wirtschaft beförderte. Inzwischen entwickelten sich in der deutschen Gesellschaft in kulturell-ideeller Hinsicht zahlreiche Strömungen, worunter Nationalismus (Alldeutschtum), Rassismus, Sozialdarwinismus, Überlegenheitsgefühl und Kolonialismus am stärksten zum Vorschein kamen und eng miteinander zusammenhingen. Unter dem Druck der inländischen wirtschaftlichen Entwicklung und verschiedener Strömungen begann das Deutsche Reich, ähnlich wie andere europäische Mächte, mit der überseeischen kolonialen Expansion. 1884– 1885 erlangte die Bismarck-Regierung die Kolonialherrschaft in Kamerun, Togo, Ostafrika, Südwestafrika sowie einigen westpazifischen Schutzgebieten. Im Jahr 1897 eroberte die deutsche Marine unter Kaiser Wilhelm II. (1859 – 1941) die Jiaozhou-Bucht in China als Pachtgebiet. Bis zum Ersten Weltkrieg unterhielt und bewirtschaftete das Deutsche Reich diese Gebiete, die eine Ausdehnung von etwa 1,8 Millionen Quadratkilometern Fläche und eine Bevölkerung von 14 Millionen Menschen umfassten.⁴⁸ Die die deutsche Expansion fördernden Strömungen unterstützten nicht nur in ideologischer Hinsicht die Entwicklung des deutschen Kolonialwesens, sondern prägten auch auf der praktischen Ebene die Durchführung und Entfaltung der kolonialen Tätigkeiten. Folglich war auch der zeitgenössische deutsche Blick auf China in unterschiedlichem Grade von derartigen Gedanken durchzogen. Demnach wurde China „als eine ‚alte Kulturrasse‘ gesehen, die dem europäischen Wesen nicht als reines Objekt wie die schwarze Rasse, sondern als ‚selbstständig urteilendes, handelndes, aufnehmendes oder ablehnendes Subjekt‘ gegenüberstand“, aber diese „eigene, von den Chinesen selbst erzeugte Civilisation“, die der europäischen in nichts nachgestanden habe und die durch Jahrtausende hindurch lebensfähig gewesen sei, sei gegenüber dem moderneren, fortgeschritteneren Westen auf einen niedrigeren Status abgesunken, sei erstarrt, stagniere
und die „überlegenen Prinzipien der westländischen Kultur“ sollten durch die Expansion in China „dem Land zu neuer Blüte verhelfen“.⁴⁹ Gleichzeitig exis-
Eckart, Wolfgang Uwe: „Die Medizin und das ‚Größere Deutschland‘. Kolonialpolitik und Tropenmedizin in Deutschland, 1884– 1914“, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 13, 3 (1990), S. 129. Leutner, Mechthild: „Deutsche Vorstellungen über China und Chinesen und über die Rolle der Deutschen in China, 1890 – 1945“, in: Kuo (Hg.): Von der Kolonialpolitik zur Kooperation, S. 406 – 407.
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tierten jedoch auch einige skeptische Stimmen, die in bestimmten Punkten die Überlegenheit der westlichen Kultur infrage stellten und eine antikolonialistische Haltung einnahmen. Jedoch bildeten sie nicht die Hauptzüge der deutschen Vorstellungen von China und spielten nur eine untergeordnete Rolle in der deutschen Gesellschaft. Abgesehen von politischen, wirtschaftlichen und geistigen Umwälzungen beeinflusste auch die medizinische Entwicklung im Deutschen Reich als wichtiges Element die deutsche Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit und sollte daher hier dargestellt werden. Die deutsche Medizin entwickelte sich im Rahmen der europäischen Medizin. Unter Anwendung von experimentellen Methoden und naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen die körperliche Struktur zu erklären, nach Krankheitsursachen zu suchen und an den Maßnahmen zur Bekämpfung von Krankheiten zu arbeiten, war die Richtung, in die sich die europäische Medizin seit der Renaissance entwickelt hatte. Hieraus bildete sich das Modell der Biomedizin, das eine zwangsläufige Folge der Durchdringung der Medizin mit naturwissenschaftlichen Ideen und Methoden war. Die Entwicklung von Physik, Chemie und Biologie stürzte nicht nur die Theorien der traditionellen Medizin um, sondern stellte auch robuste theoretische Grundlagen für die Erläuterung von physiologischen und pathologischen Erscheinungen bereit. Insbesondere ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat die medizinische Forschung mit der Entstehung der Zellbiologie in eine mikroskopische Ebene ein. Bei der Herausbildung der Biomedizin spielte folgende Denkweise stets eine dominierende Rolle: „Der Mensch ist eine Maschine, sein Organismus lässt sich auf einige grundlegendste Komponenten reduzieren und man kann durch die Erforschung der Interaktionen aller Komponenten den ganzen Organismus kennen.“⁵⁰ Das Modell der Biomedizin, das sich auf der Basis dieser Denkweise entwickelte, war insofern von zwei Eigenschaften gekennzeichnet: Die erste ist die reduktive Analyse und die genaue Positionierung von Krankheiten. Die zweite ist die präzise Veranschaulichung von physiologischen und pathologischen Erscheinungen in physikalischer, chemischer und biologischer Sprache und unter Zuhilfenahme von durch experimentelle Instrumente gewonnenen Daten.⁵¹
Liu Yuanming 刘远明: Jiankang jiazhi, xingwei yu zeren 健康价值、行为与责任 (Gesundheitlicher Wert, Verhalten sowie Pflicht), Beijing: Zhongguo guangbo dianshi chubanshe, 2009, S. 20. Ebd.
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Zu beobachten ist, dass sich in der europäischen Medizin die Forschung nach Krankheitsursachen von der Ganzheit auf die Partie verschob und aus einem spekulativen Stadium in ein wissenschaftliches eintrat. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts festigte sich die Entwicklung der Biomedizin weiter. In theoretischer Hinsicht stellte der deutsche Pathologe Rudolf Virchow (1821– 1902) im Jahr 1856 die Theorie der Zellularpathologie auf. Mit dieser wurde ein Krankheitsherd mikroskopischer und präziser lokalisiert.⁵² Bald schon dominierten in den Krankheitstheorien die Mikrobiologie – für deren Entwicklung der französische Mikrobiologe und Chemiker Louis Pasteur (1822– 1895) und der deutsche Bakteriologe Robert Koch (1843 – 1910) entscheidende Beiträge leisteten – und die Parasitologie, die unter anderem durch den schottischen Mediziner Patrick Manson (1844– 1922) vorangetrieben wurde. Sie bestätigten die direkten kausalen Beziehungen zwischen Krankheiten und Erregern. Gleichzeitig machte die europäische Medizin mithilfe der Naturwissenschaften große Fortschritte auf den Gebieten der diagnostischen Technik und der therapeutischen Maßnahmen. Chemische und physikalische Analyse- und Prüfungsmethoden wurden für die Diagnose genutzt, wodurch diagnostische Daten präziser wurden.⁵³ Biologische und chemische Methoden wurden zur Erforschung von Medikamenten genutzt.⁵⁴ Die Chirurgie schritt mit der Anwendung von Betäubungsmitteln, dem Durchbruch in der Bluttransfusion sowie der Entdeckung von Desinfektionsmethoden deutlich voran. Trotz des theoretischen und klinischen Fortschritts konnte die Biomedizin bis zur Entwicklung von Antibiotika in den späten 1930er Jahren vor allem im Bereich der inneren Medizin noch keine deutlich wirksamen Heilungsmethoden anbieten. Zudem generierte sie aus heutiger Sicht auch einige falsche Erklärungen, fragwürdige und sogar schädliche Heilungsverfahren. Gleichwohl wurden die Theorien und Methoden der Biomedizin damals von den meisten Europäern akzeptiert. Unter dem Einfluss der europäischen Medizin entwickelte sich die deutsche Medizin und ihre medizinischen Forschungsergebnisse übertrafen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die britischen und französischen. Damit wurde Deutschland ein weltweites Zentrum der Medizin,⁵⁵ insbesondere auf dem Gebiet der Epidemien und Infektionskrankheiten, das ebenfalls den wesentlichen Bestandteil der europäischen medizinischen Forschung bildete. Im Koch-Laboratorium wurden die mikroorganischen Erreger vieler Infektionskrankheiten ent Eckart, Geschichte der Medizin, S. 206. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 190. Zhang Daqing 张大庆: Yixueshi shiwujiang 医学史十五讲 (Fünfzehn Vorlesungen über die Geschichte der Medizin), Beijing: Beijing daxue chubanshe, 2007, S. 186. Zhang Daqing, Yixueshi, S. 169.
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deckt, so etwa der Lepra (1873), der Malaria (1880), der Tuberkulose (1882), der Cholera (1883), der Diphtherie (1883/1884), des Tetanus (1884) und der Pest (1894).⁵⁶ In diesem Prozess hatte Koch zusammen mit Jakob Henle (1809 – 1885) gearbeitet und stellte im Jahr 1890 die „Henle-Koch-Postulate“, häufig auch „Koch-Postulate“, auf. Diese beschrieben die Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen einem Erreger und dem entsprechenden Wirt.⁵⁷ In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurde von deutschen Laboratorien im Abstand von wenigen Monaten die Entdeckung neuer krankheitserregender Mikroben bekannt gegeben und die infektiöse Beschaffenheit einer Krankheit bestätigt.⁵⁸ Mit dem Aufrücken Deutschlands in die Ränge der Kolonialmächte entwickelte sich auch die deutsche Tropenmedizin, die den kolonialen Interessen diente. Zunächst erfolgte die tropenmedizinische Forschung als fragebogengestützte „lokalistische Akklimatisationsforschung“, die bestrebt war, „die klimatischen und gesundheitlichen Probleme kolonialer Besiedlung in den tropischen und subtropischen Schutzgebieten des Reiches“ zu klären.⁵⁹ Ihre konkreten Arbeiten wurden vorrangig von deutschen Kolonialgesellschaften getragen.⁶⁰ Die auf der Bakteriologie und Parasitologie basierende Tropenmedizin in Deutschland entwickelte sich in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre. Jedoch fehlte ihr bis zum Ersten Weltkrieg, trotz ihrer Institutionalisierung im Jahr 1901, als das Hamburgische Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten gegründet wurde, eine direkte staatliche Unterstützung.⁶¹ Dennoch stand die deutsche Tropenmedizin in ideologischer Hinsicht unter dem stetigen Einfluss der staatlichen Kolonialpolitik.⁶² Als sich die Tropenmediziner auf die Mikroorganismen und Parasiten, durch die Tropenkrankheiten hervorgerufen wurden, konzentrierten, kam es zu einer Veränderung von „isolating the agents responsible in the laboratory“ hin zur
Grundmann, Christoffer H.: „Arzt oder Missionar?“, in: Gerd Propach (Hg.): „Geht hin und heilt!“ Zeichen der Freundlichkeit Gottes. Ärztliche Mission und christliche Gesundheitsdienste – Chance und Herausforderungen, Marburg: Verlag der Franke-Buchhandlung GmbH, 2002, S. 32. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 214– 215. Gao Xi高晞: Dezhen zhuan: yige yingguo chuanjiaoshi yu wanqing yixue xiandaihua 德贞传: 一个英国传教士与晚清医学现代化 (Biographie von John Dudgeon: Ein englischer Missionar und die Modernisierung der Medizin der späten Qing-Dynastie), Shanghai: Fudan daxue chubanshe, 2009, S. 23. Eckart, Die Medizin und das „Größere Deutschland“, S. 131. Ebd. Vgl. Eckart, Die Medizin und das „Größere Deutschland“, S. 132– 134. Vgl. Eckart, Die Medizin und das „Größere Deutschland“, S. 135.
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Erforschung von „insect vectors, ecology and hygiene in colonial regions“.⁶³ Viele deutsche Ärzte nahmen vor diesem Hintergrund durch Expeditionen, Studienreisen und langjährige medizinische Dienste in Übersee aktiv und bewusst an der tropenmedizinischen Forschung teil und ihre Bemühungen brachten die deutsche Tropenmedizin progressiv voran. Medizinische Forschung und klinische Praxis, die nach dem Modell der Biomedizin zur Entfaltung kamen, führten zur Differenzierung der Medizin als Fach in zahlreiche Fachbereiche, womit der Arztberuf durch eine zunehmende Spezialisierung charakterisiert war.⁶⁴ Parallel dazu wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Großbritannien, Frankreich und Deutschland eine Reihe von Gesetzen erlassen, die die erforderlichen Qualifikationen für das Praktizieren und den Unterricht an den Medizinschulen streng regelten und verwalteten. Mit der wissenschaftlichen Ausprägung der Medizin und der Normierung des Arztberufs stieg die Schicht der Ärzte in der sozialen Struktur auf und wurde vom Staat und den Patienten zunehmend höher geachtet.⁶⁵ Die Etablierung des Modells des Krankenhauses als maßgebende Institution und die Gründung eines wissenschaftsbasierten öffentlichen Gesundheitswesens waren ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Haupttendenzen in der Entwicklung des Gesundheitswesens in Europa. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstand in Deutschland allmählich das moderne Krankenhaus. Seit der Renaissance unterstand das Krankenhaus, das davor administrativ der Kirche angehörte, zunehmend weltlichen Behörden.⁶⁶ Infolge des geringen Niveaus der ärztlichen Behandlung war es zunächst jedoch ein Betreuungsort für die Armen, Herbergslosen, Alten und Kranken.⁶⁷ Mit dem Fortschritt auf klinischem Gebiet stieg die Qualität der medizinischen Behandlung im Krankenhaus, womit „eine radikale Funktionseinengung auf die ausschließliche Behandlung von kranken Menschen“ begann.⁶⁸ Der Arzt beaufsichtigte die Patienten und die tägliche Arbeit des Krankenhauses und erforschte dort neue Behandlungsmethoden; so entwickelte sich das Krankenhaus allmählich zu einer maßgebenden medizinischen Organisation.⁶⁹ Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die medizinische Ausbildung zunehmend normiert und
Waddington, Keir: An Introduction to the Social History of Medicine: Europe since 1500, Basingstoke [u. a.]: Palgrave Macmillan, 2011, S. 291. Vgl. Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 90. Vgl. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 192. Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 90. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 229. Ebd. Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 91.
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systematisiert.⁷⁰ In vielen Krankenhäusern wurde damit begonnen, eigene Medizinschulen zu gründen, in denen ein normiertes Unterrichtssystem etabliert wurde. Zugleich wurde das Krankenhaus zum Ort des klinischen Unterrichts.⁷¹ Später wurde die Medizinschule vom Krankenhaus getrennt, als das Laboratorium das Krankenhaus als Zentrum der medizinischen Forschung ersetzte.⁷² Zur Gewährleistung der Verbindung zwischen grundlegender Ausbildung und klinischer Praxis wurde sodann das der Medizinschule angegliederte Krankenhaus errichtet.⁷³ Dem Krankenhaus, das auf die Heilung des kranken Individuums abzielte, fehlten jedoch eine präventive Funktion und eine wirksame Kontrolle der umfangreichen Epidemien und Infektionskrankheiten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr die Urbanisierung in Deutschland mit dem Prozess der Industrialisierung eine rasche Entwicklung. Durch den doppelten Druck von Industrialisierung und Urbanisierung nahm der Ausbruch von Epidemien und Infektionskrankheiten an Umfang und Frequenz zu, weshalb Krankheiten zu einem ernsten sozialen Problem wurden. Aus der direkten Bedrohung heraus wurden in Deutschland Konzepte der öffentlichen Gesundheitspflege entworfen, in deren Mittelpunkt die Gesunderhaltung der Bevölkerung durch die effektive Beseitigung von gesellschaftlichen Missständen stand. Aber die Idee einer öffentlichen Gesundheitspflege existierte schon lange vor der durch Industrialisierung ausgelösten schlimmen hygienischen Situation. Auf Basis des aufgeklärt-absolutistischen Konzepts wurde die Aufgabe des Gesundheitsschutzes dem Staat zugeschrieben.⁷⁴ Der Pfälzer Johann Peter Frank (1745 – 1821) stellte in seinem sechsbändigen Werk „System einer vollständigen medicinischen Polizey“, das 1779 – 1819 entstand, als erster ein Modell eines „patriarchalischen“ medizinischen Verwaltungssystems auf, das die Regulierung des gesamten öffentlichen und privaten Lebens unter gesundheitlichen Gesichtspunkten vorsah. Obwohl das Modell zu jener Zeit aufgrund des staatlichen Mangels „an den notwendigen Instrumentarien und Mitteln“⁷⁵ nicht verwirklicht
Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 92. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 183. Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 92. Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 93. Vgl. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 180. Jütte, Robert: „‚Wer keine Nachricht erhält, darf sich als gesund betrachten‘. Zur Geschichte der zwangsweisen Prävention“, in: Susanne Roeßiger/Heidrun Merk (Hg.): Hauptsache gesund! Gesundheitsaufklärung zwischen Disziplinierung und Emanzipation. Eine Publikation des Deutschen Hygienemuseums, Dresden und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, Marburg: Jonas Verlag, 1998, S. 22.
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wurde, übte es einen großen Einfluss in Deutschland aus.⁷⁶ Über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg war die Idee einer medizinischen Aufsicht in der administrativen Verwaltung des öffentlichen Gesundheitswesens stets dominant.⁷⁷ Jedoch nahmen Regierungsbeamte in den deutschen Gesundheitsbehörden eine vorherrschende Stellung ein, während Ärzte dabei nur eine Nebenrolle spielten.⁷⁸ Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an begannen die Mediziner, durch die Verbindung mit Baumeistern und Verwaltungsbeamten Einfluss auf die öffentliche Gesundheitspolitik zu erlangen.⁷⁹ Einige wichtige Persönlichkeiten der damaligen Medizin, darunter Max von Pettenkofer (1818 – 1901), Rudolf Virchow und Robert Koch, waren zugleich Konstrukteure und Förderer eines öffentlichen Gesundheitsdienstes. Sie boten dem Aufbau des öffentlichen Gesundheitswesens nicht nur in theoretischer Hinsicht wissenschaftliche Begründungen, sondern beteiligten sich auch administrativ aktiv an diesem Unterfangen, obwohl sie unterschiedliche medizinische Anschauungen pflegten und unterschiedliche Methoden zur Verbesserung der Volksgesundheit bevorzugten. Diese Entwicklungen führten dazu, dass das Deutsche Reich bei der Errichtung des öffentlichen Gesundheitswesens die Verbindung zwischen politischer Macht und wissenschaftlich-medizinischen Kenntnissen effektiv verwirklichte und auch Erfolge erzielte. Das „Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“ wurde 1883 durch die deutsche Regierung verabschiedet. Im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts wurden die Sterblichkeitsziffern im Reichsgebiet reduziert.⁸⁰ Um die Wende des 20. Jahrhunderts zeichnete sich Berlin in Hinsicht auf das öffentliche Gesundheitssystem bereits durch „town planning“, „health care“ und „infrastructure“ aus.⁸¹ Zugleich wurden die städtischen hygienischen Verhältnisse aus Sicht von Wissenschaftlern und Beamten zu einem besonders wichtigen Maßstab europäischer Zivilisation. Koch war der Meinung, dass die Gewährleistung der städtischen Sanität und die behördliche Kontrolle von Epidemien den Unterschied zwischen der westlichen Stadt und der degenerierten, sündhaften östlichen Stadt ausmachten.⁸² Vgl. Waddington, An Introduction, S. 234. Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 112. Waddington, An Introduction, S. 241. Vgl. Münch, Peter: Stadthygiene im 19. und 20. Jahrhundert. Die Wasserversorgung, Abwasserund Abfallbeseitigung unter besonderer Berücksichtigung Münchens, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1993, S. 30. Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 31. Stürmer, Michael: The German Empire: A Short History, New York: Modern Library, 2002, S. 59. Rogaski, Ruth: Weisheng yu chengshi xiandaixing: 1900 – 1928 nian de Tianjin 卫生与城市现代 性:1900 – 1928年的天津 (Hygiene und städtische Modernität: Tianjin in der Zeit von 1900 – 1928), in: Tianjin shehui kexueyuan lishi yanjiusuo 天津社会科学院历史研究所/Tianjinshi chengshi
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Die gesellschaftliche, insbesondere medizinische Entwicklung und einige daraus entstandene Standpunkte und Meinungen bildeten den Ausgangspunkt für die zeitgenössische deutsche Wahrnehmung und Kenntnis von der chinesischen Medizin und waren schon vor der konkreten Berührung mit der chinesischen Medizin tief in den Gedanken der deutschen Beschreiber verwurzelt, obgleich der Grad der Zugehörigkeit einer Person zum Mainstream der Kultur von individuellen Elementen abhing. Zugleich beeinflussten nicht nur der eigene kulturelle Hintergrund, sondern auch die tatsächlichen Zustände in China, die diese Beschreiber persönlich erlebten oder auf anderem Weg kennenlernten, ihre Beschreibungen der chinesischen Medizin.
2.2 Verfall, Invasion fremder Mächte und Erwachen der chinesischen Gesellschaft Vor dem Opiumkrieg war China unter der Herrschaft der Qing-Dynastie ein selbstständiger, einheitlicher, zentralistischer und absolutistischer Staat, der von traditionellem Konfuzianismus und autarker Naturalwirtschaft, die vor allem aus Landwirtschaft und Hausindustrie bestand, dominiert war. Nachdem die chinesische Gesellschaft in der frühen Qing-Zeit eine stabile und positive Entwicklung erlebt hatte, begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allmählich eine deutlich negative Entwicklungstendenz.⁸³ Im Bereich des Außenhandels erzielte China aufgrund seiner isolationistischen Politik und seines autark-naturalwirtschaftlichen Systems, das den Import von Industrieprodukten verhinderte, gegenüber den westlichen Staaten einen deutlichen Exportüberschuss. Zwecks Umkehr der negativen Handelsbilanz begann Großbritannien Anfang des 19. Jahrhunderts sich in großem Umfang im Opiumhandel zu engagieren.⁸⁴ Dies verschlechterte die chinesisch-britischen Beziehungen und führte schließlich im Jahr 1839 zum Opiumkrieg. Mit dem durch die Niederlage Chinas erzwungenen Abschluss des Vertrags von Nanjing 南京 sowie einer Reihe von weiteren ungleichen Verträgen traten zahlreiche westliche Mächte in China auf. Das zuvor verschlossene China öffnete
kexue yanjiuhui 天津市城市科学研究所 (Hg.): Chengshishi yanjiu 城市史研究 (Forschung zur Geschichte der Stadt), Tianjin: Tianjin shehui kexue chubanshe, 1998, S. 151. Vgl. Li Kan 李侃/Li Shiyue 李时岳/Li Dezheng 李德征 u. a.: Zhongguo jindaishi 中国近代史 (Moderne Geschichte Chinas), 4. Aufl., Beijing: Zhonghua shuju, 1994 [Erstveröff. 1977], S. 2– 3. Vgl. Jiang Tingfu 蒋廷黻: Zhongguo jindaishi 中国近代史 (Moderne Geschichte Chinas), Wuhan: Wuhan chubanshe, 2012, S. 8.
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sich und damit einher ging ein Verlust an staatlicher Autonomie,⁸⁵ wodurch China allmählich zu einer Halbkolonie degradiert wurde.⁸⁶ Die Reparationen für den Opiumkrieg und die Expansion der westlichen Mächte nach dem Krieg vertieften die zuvor bereits vorhandenen sozialen Konflikte in der chinesischen Gesellschaft. Im Jahr 1851 brach der Taiping-Aufstand (Taiping tianguo qiyi 太平天国起 义) aus. Im Jahr 1856 begannen Großbritannien und Frankreich den zweiten Opiumkrieg. Die Qing-Regierung – zum einen vor dem Hintergrund der Angriffe der beiden Opiumkriege, zum anderen im Inneren bedroht durch den Taiping-Aufstand – beschloss ab den 1860er Jahren auf Veranlassung einiger aufgeklärter Beamter zur Festigung ihrer eigenen Herrschaft das Erlernen moderner westlicher Technik.⁸⁷ Ab 1861 setzte eine amtlich betriebene Selbststärkungsbewegung (Yangwu yundong 洋务运动) ein. Die Bewegung beinhaltete in erster Linie die Errichtung einer modernen militärischen und zivilen Industrie, die Gründung einer Marine, die Errichtung neuartiger Schulen sowie die Entsendung von Schülern ins Ausland.⁸⁸ Zwar gelang es ihr letztlich nicht, China zu Macht und Wohlstand zu führen, aber durch sie wurde der Modernisierungsprozess der chinesischen Gesellschaft maßgeblich initiiert. Ab den 1870er Jahren kämpften die westlichen Kolonialmächte vor dem Hintergrund der zweiten Industriellen Revolution verschärft um überseeische Standorte zur Rohstoffproduktion und um Absatzmärkte zum Kapitalexport. Die Gebiete im Fernen Osten, die zu jener Zeit noch nicht vollständig aufgeteilt worden waren, wurden zum Hauptziel der Expansionen. Der Japanisch-Chinesische Krieg 1895 und der nach der Niederlage Chinas erzwungene Vertrag von Shimonoseki brachten China nicht nur schwerwiegende politische und wirtschaftliche Verluste, sondern zeigten auch die militärische Schwäche Chinas auf. In der Folge beschleunigten die westlichen Mächte ihre Aggression in China.⁸⁹ Massive Konflikte führten zum Erwachen eines chinesischen Nationalismus und die Wahrnehmung einer akuten Notlage erstreckte sich auf breite Gesellschaftsschichten. Die in China aufkommenden Strategien zur Lösung des Pro-
Chen Xulu 陈旭麓: Jindai zhongguo shehui de xinchen daixie 近代中国社会的新陈代谢 (The Evolution of Modern Chinese Society), Beijing: Zhongguo renmin daxue chubanshe, 2012, S. 57– 63. Chen Xulu, Jindai zhongguo shehui, S. 204. Vgl. Jiang Tingfu, Zhongguo jindaishi, S. 54– 57. Zheng Shiqu 郑师渠: Zhongguo jindaishi 中国近代史 (Moderne Geschichte Chinas), 2. Aufl., Beijing: Beijing shifan daxue chubanshe, 2007 [Erstveröff. 1994], S. 86. Vgl. Jiang Tingfu, Zhongguo jindaishi, S. 93 – 95.
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blems unterschieden sich erheblich.⁹⁰ Die Ideen von Kang Youwei 康有为 (1858 – 1927) und Liang Qichao 梁启超 (1873 – 1929), nach denen China vom westlichen politischen System lernen sollte,⁹¹ führten im Juni 1898 zur „Hundert-Tage-Reform“ (Bairi weixin 百日维新 oder wuxu bianfa 戊戌变法). Diese scheiterte nach nur 103 Tagen, jedoch förderte sie die ideelle Emanzipation in China.⁹² Nach dem Scheitern der Reform übernahmen in China wieder konservative Kräfte die Macht. Der doppelte Druck der westlichen Expansion und der rückwärtsgewandten inländischen Herrschaftsform verschärfte die Armut der chinesischen Bevölkerung. Mit dem Ziel, dagegen anzugehen, entstand Ende des 19. Jahrhunderts im Norden Chinas die gegen Ausländer gerichtete Boxerbewegung (Yihetuan yundong 义和团运动),⁹³ die ihre Mitglieder in den untersten sozialen Schichten rekrutierte.⁹⁴ Die fremdenfeindlich gesinnten Konservativen unterstützten diese Bewegung und beabsichtigten, sie sich zur Bekämpfung der westlichen Mächte zunutze zu machen.⁹⁵ 1900 fiel die Bewegung in Beijing ein. Mit der Eskalation der Konflikte zwischen Boxern und Ausländern erklärte die Qing-Regierung den ausländischen Mächten den Krieg, was den gewaltsamen Eingriff der vereinigten achten Mächte in China bewirkte. In der Folge der Auseinandersetzung wurde die Qing-Regierung gezwungen, 1901 das „Boxerprotokoll“ zu unterzeichnen, womit die halbkolonialen Gesellschaftsstrukturen in China endgültig konkretisiert wurden.⁹⁶ Die Boxerbewegung und das in der Folge durch die ausländischen Mächte erzwungene „Boxerprotokoll“ erschütterten China gravierend. Die Qing-Regierung begann, Anspruch auf eine Reform zu erheben, und im Jahr 1901 wurde eine neue staatliche Reformbewegung, die „Neue Politik“ (Xinzheng 新政), vorantrieben. Inhaltlich ähnelte diese Reform der Hundert-Tage-Reform, sie war jedoch umfassender und tiefgehender.⁹⁷ Trotz der Reform gelang es der Qing- Regierung nicht, den Machterhalt zu sichern. 1911 brach der Wuchang-Aufstand (Wuchang qiyi 武昌起义) in der Provinz Hubei 湖北 aus, womit die Xinhai-Revolution (Xinhai geming 辛亥革命) ihren Anfang nahm. 1912 trat Sun Zhongshan 孙中山 (1866 – 1925) das Amt des vorläufigen Präsidenten an und gründete die Republik
Vgl. Li Kan 李侃: Zhongguo jindaishi luncong gao 中国近代史论丛稿 (Beiträge zur modernen Geschichte Chinas), Shenyang: Liaoning renmin chubanshe, 1999, S. 21. Zheng Shiqu, Zhongguo jindaishi, S. 163. Vgl. Li Kan/Li Shiyue/Li Dezheng, Zhongguo jindaishi, S. 263 – 264. Vgl. Chen Xulu, Jindai zhongguo shehui, S. 182. Zheng Shiqu, Zhongguo jindaishi, S. 193. Vgl. Jiang Tingfu, Zhongguo jindaishi, S. 101– 102. Chen Xulu, Jindai zhongguo shehui, S. 205. Chen Xulu, Jindai zhongguo shehui, S. 250.
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China. Im gleichen Jahr verkündete der letzte Kaiser der Qing-Dynastie seine Abdankung. Damit endete nach über 2000 Jahren das chinesische Kaisertum. Die Einführung der institutionalisierten Demokratie und der Aufbau der Republik im Nachgang der Xinhai-Revolution gelangen jedoch nicht nachhaltig, so dass China bald in eine Phase innerer Aufstände und militärischer Wirren eintrat. Die chinesische Gesellschaft stand in starkem Kontrast zur zeitgenössischen deutschen, die sich nach der Reichseinigung 1871 in vieler Hinsicht fortschrittlich entwickelte. Nicht nur die unterschiedliche Kultur und Entwicklung, sondern auch gesellschaftliche Auflösungserscheinungen in China wirkten auf die deutschen Vorstellungen von China ein. Die ursprünglichen Ansichten der Deutschen über China, die in Deutschland bereits eine breite Akzeptanz gefunden hatten, konnten durch persönliche Erfahrungen in China verändert werden. Bei der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin spielten deshalb auch die tatsächlichen medizinischen Verhältnisse in China eine wesentliche Rolle. Vor dem Hintergrund des großumfänglichen Eintritts der europäischen Medizin in China und des inneren Wandels der chinesischen Gesellschaft erlebte die chinesische Medizin in der Zeit der späten Qing-Dynastie zahlreiche Veränderungen. Die Einführung der europäischen Medizin in China begann in der ausgehenden Ming- und frühen Qing-Zeit und wurde vor allem von katholischen Missionaren betrieben. Sie nahm jedoch keinen nennenswerten Einfluss auf die chinesische Medizin, da sich die damalige europäische Medizin noch nicht zu großer Reife entfaltet hatte und die meisten Missionare keine Mediziner waren.⁹⁸ Nach dem Opiumkrieg wurde die Qing-Regierung gezwungen, den westlichen Mächten das Recht zu gewähren, Kirchen, Krankenhäuser und Schulen in den Hafenstädten zu gründen. So wurden die Voraussetzungen für die systematische Einführung der europäischen Medizin in China geschaffen. In diesem Kontext betraten protestantische Missionare als erste chinesischen Boden. Später wurden ausgebildete Mediziner, etwa Missionsärzte, Regierungsärzte und Medizinallehrer, nach China entsandt. Durch die Gründung von Medizinschulen und Krankenhäusern, die Publikation von übersetzten Werken über die europäische Medizin sowie den medizinischen Aufbau in westlichen Niederlassungen wurde die moderne europäische Medizin aufgezeigt und ihr Einfluss in China verstärkt.⁹⁹ Im Laufe der systematischen Einführung der europäischen Medizin in China wurden nicht nur die Behandlungsmethoden der europäischen Medizin von Chinesen allmählich akzeptiert, sondern auch ihre Theorien und ihr System er-
Vgl. Wang Zhenguo/Zhang Daqing, Zhongwai yixueshi, S.176. Vgl. Wang Zhenguo/Zhang Daqing, Zhongwai yixueshi, S. 177– 179.
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fuhren sukzessiv Wertschätzung. Diese Tendenz verbreitete sich grundsätzlich ausgehend von den Küstengebieten hin zum Landesinneren und von den unteren hin zu den oberen sozialen Schichten,¹⁰⁰ weshalb sich ein Nebeneinander von europäischer und chinesischer Medizin im China der späten Qing-Zeit herausbildete.¹⁰¹ Die chinesische Medizin entwickelte sich im Rahmen des eigenen theoretischen Modells weiter und zugleich nahm sie aber auch westliche Veränderungen und Neuerungen auf. Hinsichtlich der medizinischen Anschauungen traten nicht nur einige chinesische Ärzte auf, die die moderne europäische Medizin diskutierten,¹⁰² sondern es vertiefte sich auch die Erkenntnis der chinesischen Medizin durch das Überdenken und die Selbstbeobachtung unter chinesischen Ärzten. Ausgehend von der dominanten Position der chinesischen Medizin waren sie der Ansicht, dass sowohl die chinesische als auch die europäische Medizin ihre starken und schwachen Seiten hatte. So sprachen sie sich dafür aus, dass die chinesische Medizin durch Techniken und Arzneimittel der europäischen Medizin ergänzt werden sollte.¹⁰³ Dies entsprach der in der damaligen chinesischen Gesellschaft vorherrschenden Einstellung zum Lernen von der westlichen Kultur, getreu dem Grundsatz: „Chinesische Kultur als Grundlage und Westliche Kultur als konkrete Maßnahmen“ (Zhongxue weiti, xixue weiyong 中学为体,西学为用).¹⁰⁴ Auf dieser Basis entstand unter chinesischen Ärzten „Die Schule der Vereinigung der chinesischen und westlichen Medizin“ (Zhongxiyi huitong xuepai 中西医汇通学 派).¹⁰⁵ Ende des 19. Jahrhunderts nahm in China die Zahl der westlich ausgebildeten chinesischen Ärzte allmählich zu, was nicht nur den Einfluss der europäischen Medizin auf die chinesische Gesellschaft verstärkte, sondern auch eine Konkurrenzsituation mit der chinesischen Medizin herbeiführte, da die nach westlichen Standards ausgebildeten chinesischen Ärzte die chinesische Medizin grundsätz-
Vgl. Hao Xianzhong 郝先中/Zhu Depei 朱德佩: Qingmo minchu zhongguo minzhong xiyi guannian de yanbian yu fazhan 清末民初中国民众西医观念的演变与发展 (Evolution and Development of Western Medicine Concepts of Chinese Public during Late Qing Dynasty and the Early Period of Republic of China), in: Shixue Yuekan 8 (2010), S. 120. Vgl. Wang Zhenguo/Zhang Daqing, Zhongwai yixueshi, S. 179. Hao Xianzhong 郝先中: Wanqing zhongguo dui xiyang yixue de shehui rentong 晚清中国对西 洋医学的社会认同 (China’s Social Acknowledge of Western Medicine in Late Qing Dynasty), in: Xueshu yuekan 5 (2005), S. 77. Hao Xianzhong, Wanqing zhongguo, S. 77. Li Jingwei 李经纬/Yan Liang 鄢良: Xixue dongjian yu zhongguo jindai yixue sichao 西学东渐 与中国近代医学思潮 (Vordringen westlicher Kenntnisse nach Osten und moderne medizinische Strömungen in China), Wuhan: Hubei kexue jishu chubanshe, 1990, S. 90 – 91. Hao Xianzhong, Wanqing zhongguo, S. 77.
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I Hintergründe deutscher Darstellung von chinesischer Medizin in der Kolonialzeit
lich als rückständig und manchmal sogar nutzlos betrachteten. Daneben bestand die Tendenz des Lernens von westlichen Kenntnissen und Methoden, die besonders nach der Hundert-Tage-Reform einen Aufschwung erfuhr. Im Laufe dieser Reform wurde der Medizin für die Stärkung der chinesischen Nation große Wichtigkeit beigemessen und die chinesische Medizin wurde kritisiert.¹⁰⁶ Trotz des Misserfolgs der Reform entwickelte sich die europäische Medizin in China, die zuvor aus der Sicht der chinesischen Ärzte als Ergänzung der chinesischen Medizin angesehen worden war, zu einem selbstständiges System. Vom Beginn des 20. Jahrhunderts an verglichen immer mehr chinesische Ärzte die chinesische mit der europäischen Medizin und entdeckten viele Nachteile in der chinesischen Medizin.¹⁰⁷ Sie übten nun Kritik am Wissen, am System und am akademischen Umfeld der chinesischen Medizin¹⁰⁸ und initiierten, ausgehend vom Ziel, die chinesische Medizin zu erhalten, eine Reform derselben durch die europäische Medizin, die sowohl technisch als auch ideell erfolgen sollte. Im Ganzen gesehen nahmen chinesische Mediziner gegenüber der europäischen Medizin eine positive und aufnahmebereite Haltung ein. Einige chinesische Ärzte erforschten die europäische Medizin und konsultierten gelegentlich auch europäische Ärzte. Gleichzeitig überdachten sie mithilfe der Kenntnisse und Methoden der europäischen Medizin die chinesische Medizin, korrigierten sie und förderten ihren Fortschritt. Die Idee der Reform der chinesischen Medizin kam in der späten Qing-Zeit zunehmend allgemein zum Vorschein, wenngleich die Vorstellungen vom Ausmaß der Reform unterschiedlich waren. Zu beobachten ist, dass die Tradition der Ehrfurcht vor den Vorfahren und ihren Überlieferungen unter chinesischen Medizinern sowie die des Festhaltens an der alten medizinischen Literatur aufgrund des dauernden Antriebs durch die europäische Medizin geschwächt wurden. Die Veränderung der medizinischen Anschauungen beschränkte sich nicht auf die Ärzte. Daneben standen auch einige aufgeklärte Beamte und Intellektuelle, darunter Li Hongzhang 李鸿章 (1823 – 1901), Zheng Guanying 郑观应 (1842– 1922) und Xue Fucheng 薛福成 (1838 – 1894), auf dem Standpunkt, dass die chinesische Medizin durch die europäische Medizin ergänzt und reformiert werden sollte.¹⁰⁹ Einzelne, wie etwa Yu Yue 俞樾 (1821– 1907) und Liang Qichao, lehnten
Vgl. Liao Yuqun 廖育群: Qihuang yidao 岐黄医道 (Die traditionelle chinesische Medizin), Shenyang: Liaoning jiaoyu chubanshe, 1991, S. 265 – 266. Hao Xianzhong, Wanqing zhongguo, S. 77. Li Jingwei/Yan Liang, Xixue dongjian, S. 96. Vgl. Gao Xi 高晞: Wanqing zhengfu dui xiyixue de renzhi guocheng 晚晴政府对西医学的认知 过程 (The Process of Late Qing Government’s Understanding of Western Medicine), in: Ziran bianzhengfa tongxun 93, 5 (1994), S. 47– 48; Hao Xianzhong, Wanqing zhongguo, S. 74– 75.
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die chinesische Medizin vollständig ab und schlugen vor, diese durch die europäische Medizin zu ersetzen.¹¹⁰ Bis zur Gründung der Republik China beschränkte sich der Konflikt zwischen der chinesischen und der europäischen Medizin auf den akademischen Bereich.¹¹¹ Mit dem Wandel der medizinischen Anschauungen wurde das chinesische Gesundheitssystem auch in gewissem Maße verwestlicht. In Anlehnung an das westliche Vorbild gründeten die chinesische Regierung und private Persönlichkeiten in der späten Qing-Zeit neuartige Krankenhäuser in Shanghai und Beijing,¹¹² in denen chinesische Spezialärzte entweder allein oder gemeinsam mit westlich ausgebildeten Ärzten praktizierten. Gleichzeitig wandelte sich auch die chinesische medizinische Ausbildung aufgrund der Verbreitung des Ausbildungsmodells der europäischen Medizin in China. So wurden einige offizielle und private Medizinschulen eingerichtet,¹¹³ deren Schwerpunkt auf der Unterrichtung in der chinesischen Medizin, der europäischen Medizin oder auch beidem lag. Weiterhin wurde durch die Gründung von medizinischen Zeitschriften und Vereinen der europäische akademische Modus imitiert.¹¹⁴ Das öffentliche Gesundheitswesen, dessen Durchführung einer weitgehenden Teilnahme und Unterstützung durch die Bevölkerung und bestimmter administrativer Gewährleistungen bedurfte, entwickelte sich verhältnismäßig langsam im damaligen China.¹¹⁵ Wenngleich sich einige Regeln und Maßnahmen, darunter etwa Quarantäne und die Beseitigung von Abfällen und Fäkalien, bereits früh in einigen Städten der südöstlichen Küstenregion etabliert hatten, fand der institutionalisierte Wandel auf staatlicher Ebene erst in der Zeit der „Neuen Politik“ statt. Der Wandel führte zur Etablierung eines Polizeisystems und eines administrativen Sanitärsystems, wodurch Angelegenheiten des öffentlichen Gesundheitswesens in China in die Kompetenz der Regierung fielen. Einige Neuerungen waren jedoch nicht mehr als formale Konzepte, die nie umgesetzt wurden.¹¹⁶ Ein Gesundheitssystem im modernen Sinne wurde in größerem Umfang erst nach der Xinhai-Revolution gebildet und dann schrittweise erweitert, wobei
Vgl. Zu Shuxian 祖述宪: Zheren ping zhongyi: Zhongguo jinxiandai xuezhe lun zhongyi 哲人评 中医:中国近现代学者论中医 (Urteil der Philosophen über Chinesische Medizin: Chinesische Medizin in den Schriften der chinesischen modernen Gelehrten), Taibei: Sanmin shuju, 2012, S. 13 – 14, 57– 58. Vgl. Li Jingwei/Yan Liang, Xixue dongjian, S. 95. Xiong Yuezhi, Xinzhi dongjian, S. 258. Xiong Yuezhi, Xinzhi dongjian, S. 265. Hao Xianzhong, Wanqing zhongguo, S. 77. Vgl. Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 148. Liu Yuanming, Xiyi dongjian, S. 192.
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I Hintergründe deutscher Darstellung von chinesischer Medizin in der Kolonialzeit
die in der späten Qing-Zeit bewirkten Maßnahmen nur den Beginn dieses Prozesses bildeten.¹¹⁷ Die beschriebenen Verhältnisse waren grundlegende Tendenzen in der chinesischen Medizin und bildeten den Hintergrund für die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit. Hierbei ist jedoch zu betonen, dass damit nicht sämtliche Ausprägungen der medizinischen Verhältnisse in China beschrieben werden können, denn im gesamten Land bestanden in der Medizin zwangsläufig mehr oder weniger Unterschiede zwischen verschiedenen sozialen Schichten und geographischen Lagen. Ausgehend davon trafen die Deutschen in Hinsicht auf die chinesische Medizin „nicht auf ein homogenes System, sondern auf ein disparates Konglomerat unterschiedlichster Ideen und Praktiken“¹¹⁸ und daher konnten auch die Bevölkerungsgruppen, mit denen sie in Berührung kamen, sowie die jeweiligen Aufenthaltsorte ihre Wahrnehmung und Beschreibung der chinesischen Medizin beeinflussen.
3 Das deutsche Medizinalwesen in China Bei der deutschen Expansion in China spielte die medizinische Tätigkeit eine wichtige Rolle und mit dem stetigen Fortschreiten der Kolonisierung wurde das deutsche Medizinalwesen in China gefördert. Die deutschen Missionare begannen als erste, sich in China medizinisch zu betätigen. Mit dem Aufschwung der ärztlichen Mission in Europa wurden auch aus Deutschland fachlich ausgebildete Mediziner als Missionsärzte nach China entsandt, wodurch die deutsche missionsärztliche Tätigkeit in China systematisiert wurde und sich ihr Umfang graduell vergrößerte. Daneben erfolgte eine medizinische Betätigung in China auch von staatlicher Seite, wozu die deutschen Militärärzte als wichtige direkte Akteure beitrugen.Weiterhin zu erwähnen ist die deutsche Medizinschule in Shanghai, die auf private Initiative ins Leben gerufen wurde und inoffizielle finanzielle Unterstützung von der deutschen Regierung erhielt. Diese medizinischen Aktivitäten schufen die praktische Basis für die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit. Durch die medizinische Arbeit konnten umfangreiche Materialien und Erfahrungen gesammelt und dadurch die Perspektive der Deutschen in der Betrachtung der chinesischen Medizin beträchtlich erweitert werden.
Vgl. Gao Xi, Wanqing zhengfu, S. 52. Unschuld, Chinesische Medizin, S. 89.
3 Das deutsche Medizinalwesen in China
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3.1 Deutsche Chinapolitik von 1840 bis 1914 Nach dem Opiumkrieg 1840 – 1842 änderte sich mit der erzwungenen Öffnung Chinas durch den Vertrag von Nanjing die Form des Kontakts zwischen Deutschen und Chinesen. Dieser Vertrag brachte den Briten zahlreiche Privilegien.¹¹⁹ Die Expansionsbestrebungen der britischen Regierung in China weckten die Aufmerksamkeit des deutschen Handels und von den Verträgen profitierten auch die deutschen Kaufleute. Dem steigenden Handelsvolumen folgten jedoch von deutscher Seite keine offiziellen politischen Aktivitäten. Erst im Jahr 1859 entsandte die preußische Regierung eine Expedition nach Ostasien, um mit Japan, China und Siam Handelsverträge abzuschließen und „das Terrain in wissenschaftlicher und kommerzieller Beziehung zu erforschen“.¹²⁰ Nach langen Verhandlungen in Tianjin schloss Preußen stellvertretend für die im Deutschen Zollverein vertretenen Staaten am 2. September 1861 einen Handelsvertrag mit China ab. Mit dem Vertragsabschluss erwarben die deutschen Staaten die gleichen Vorrechte in China wie Großbritannien und die anderen europäischen Mächte. Bis zum Ersten Weltkrieg war dieser Handelsvertrag, dessen Abschluss den Beginn der offiziellen diplomatischen Beziehungen zwischen den deutschen Staaten und China darstellte, die Grundlage der deutschen Chinapolitik. Danach erweiterte sich die deutsche Expansion in China schrittweise. Bis zur Mitte der 1890er Jahre beschränkten sich die deutsch-chinesischen Kontakte hauptsächlich auf die Wirtschaft.¹²¹ Die wichtigsten Handelswaren, die Deutschland nach China exportierte, waren militärische Güter, da während der chinesischen Selbststärkungsbewegung seit den 1870er Jahren eine große Nachfrage nach Waffen und Rüstungsprodukten entstand.¹²² Mit der Entwicklung der Selbststärkungsbewegung machten auch die Produkte der Schwerindustrie einen weiteren wichtigen Teil des deutschen Exports aus.¹²³ Da sich Deutschland bis in die späten 1890er Jahre China gegenüber nicht offensichtlich aggressiv verhielt und die rasche Entwicklung seit seiner Reichseinheit die Chinesen ermutigte, war Deutschland den Chinesen sympathisch. Daher wurde Deutschland als lehrreiches Vorbild für schwächere Länder
Die wichtigen Punkte waren z. B. Exterritorialität, Meistbegüngstigung, Öffnung von Vertragshäfen und niedrige Importzölle. Leutner/Mühlhahn, Interkulturelle Handlungsmuster, S. 22. Vgl. Jung, Deutschland und das Gelbe Meer, S. 22. Vgl. Leutner/Mühlhahn, Interkulturelle Handlungsmuster, S. 23. Vgl. Leutner/Mühlhahn, Interkulturelle Handlungsmuster, S. 24.
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betrachtet.¹²⁴ Dieses Interesse konzentrierte sich vor allem auf den militärischen Bereich. Neben dem Massenimport deutscher Militärwaren stellten viele aufgeklärte chinesische Beamte deutsche Militärberater in die Dienste der chinesischen Regierung und einzelner Provinzregierungen. Die deutsche Chinapolitik, die sich hauptsächlich von wirtschaftlichen Interessen leiten ließ, veränderte sich in den 1890er Jahren allmählich und zeigte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend sich verschärfende machtpolitische und gewaltsame Eigenschaften. Um die Mitte der 1890er Jahre begann das Deutsche Reich, unter Wilhelm II. die sogenannte Weltpolitik zu betreiben, was sich auch in Ostasien widerspiegelte. Eine der offensichtlichsten darunter war die gewaltsame Inbesitznahme der Jiaozhou-Bucht. Am 14. November 1897 ergriff das deutsche Ostasiatische Geschwader auf Befehl Wilhelms II. aus Anlass des „JuyeVorfalls“¹²⁵ Besitz von der Jiaozhou-Bucht und am 6. März 1898 wurde mit China der Kiautschou-Pachtvertrag abgeschlossen, wodurch das Deutsche Reich nicht nur die Jiaozhou-Bucht und eine 50 km breite neutrale Zone um die Bucht für die Dauer von 99 Jahren pachtete, sondern in der Provinz Shandong auch viele Vorrechte, etwa in Hinsicht auf Eisenbahn und Bergbau, zugesprochen bekam. So wurde Shandong zum deutschen Einflussbereich. Die militärische Besetzung der Jiaozhou-Bucht war ein wichtiger Schritt im Rahmen der Weltpolitik Wilhelms II., aber die, unter starker Gewaltanwendung in China durchgeführte, Kolonialpolitik entsprach nicht den langfristigen deutschen Interessen. Als ein sich rasch entwickelnder, ehrgeiziger Industriestaat wollte das Deutsche Reich nach dem Erwerb der Jiaozhou-Bucht seine wirtschaftlichen Interessen nicht lediglich auf Shandong beschränken, sondern diese auch auf andere Gebiete erweitern, besonders auf die Provinzen am Fluss Changjiang 长江, die zum Einflussbereich Großbritanniens gehörten. Insofern unterstützte das Deutsche Reich hinsichtlich der gesamten Chinapolitik die von den USA 1899 proklamierte Politik der offenen Tür, nach der jede der Mächte über gleiche Handelsbedingungen in den Pachtgebieten und Einflussbereichen der anderen in China verfügen sollte. Trotz der Teilnahme an der gewaltsamen Unterdrückung des Boxer-Aufstands 1900 – 1901, der Forderung nach hohen Kriegsentschädigungen und der berüchtigten „Hunnenrede“ Wilhelms II., die dieser im Juli 1900 anlässlich des Aufbruchs des deutschen Expeditionskorps nach China hielt, hatte das Deutsche
Vgl. Kirby, Germany and Republican China, S. 9. Zwei deutsche Steyler-Missionare wurden von Chinesen am 1. November 1897 in Shandong ermordet.
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Reich nicht die Absicht, auf die Politik der offenen Tür zu verzichten,¹²⁶ da nicht nur die deutsche Wirtschaft kein Interesse an der territorialen Eroberung in China hatte, sondern auch das Auswärtige Amt und das Reichsmarineamt im Jahr 1900 Einwände gegen das deutsche militärische Vorgehen in China vorbrachten.¹²⁷ Nach der Unterzeichnung des „Boxerprotokolls“ verblasste die machtpolitische, gewaltsame Färbung der deutschen Chinapolitik allmählich und die Spannungen der deutsch-chinesischen Beziehungen ließen sukzessive nach. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die deutsche Chinapolitik durch eine friedliche Durchdringung Chinas in der Wirtschaft und der Kultur gekennzeichnet.¹²⁸ Das Deutsche Reich versuchte nicht nur, 1907 ein Bündnis mit den USA und China zu schließen, sondern gewährte der chinesischen Regierung auch Zugeständnisse etwa bei Darlehen und Eisenbahnrechten. Neben den politisch-wirtschaftlichen Maßnahmen betrieb das Deutsche Reich in dieser Zeit auch eine Kulturpolitik in China. Ihre Durchführung wurde seit Beginn des 20. Jahrhunderts von deutschen Beamten zunehmend vorangebracht und allmählich auch von der deutschen Regierung unterstützt, um den deutschen Einfluss in China zu verstärken, damit so die deutschen politischen und wirtschaftlichen Interessen sichergestellt und erweitert werden konnten. Dabei wurde die Gründung von Schulen für Chinesen als wichtigstes Mittel gefördert. Bis 1914 wurden insgesamt elf deutsche Schulen für Chinesen errichtet, darunter sowohl Grundschulen als auch Hochschulen.¹²⁹ Deutlich zu sehen ist, dass die kooperative und friedliche Chinapolitik keine Abkehr von kolonialistischen Motiven darstellte, sondern lediglich eine andere Form der deutschen Expansionspolitik in China war. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und der Kriegserklärung Chinas gegen das Deutsche Reich am 14. August 1917 wurden die seit dem Jahr 1861 bestehenden deutsch-chinesischen diplomatischen Beziehungen abgebrochen und das Deutsche Reich verlor sämtliche politischen und wirtschaftlichen Privilegien in China.
Vgl. Stingl, Der Ferne Osten, S. 333. Vgl. Stingl, Der Ferne Osten, S. 334– 335. Vgl. Leutner (Hg.): „Musterkolonie Kiautschou“, S. 48. Vgl. Leutner, Mechthild (Hg.): Deutsch-chinesische Beziehungen 1911 – 1927: Vom Kolonialismus zur „Gleichberechtigung“. Eine Quellensammlung, Berlin: Akademie Verlag, 2006, S. 411.
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I Hintergründe deutscher Darstellung von chinesischer Medizin in der Kolonialzeit
3.2 Deutsche ärztliche Mission in China Die ärztliche Mission nahm ihren Anfang mit der kolonialen Expansion Europas in der Neuzeit. Mit der territorialen Eroberung durch die europäischen Kolonisatoren ging gleichzeitig auch deren aktives Bemühen um die Verbreitung ihrer Religion einher. Dabei wurde die ärztliche Mission als eine Missionsmethode zusammen mit anderen Tätigkeiten zum Predigen genutzt. Zu ihren Mitteln gehörten die Aussendung von Ärzten, die Gründung von Polikliniken, Krankenhäusern und Ausbildungsstätten und andere. Der Hauptinhalt der ärztlichen Mission war das pflichtgemäße Angebot ärztlicher Dienstleistungen für Eingeborene durch Missionsärzte, das aber nicht die Bekehrung zum Christentum voraussetzte; außerdem waren Missionsärzte auch für die Gesundheit der Missionare und anderer Europäer verantwortlich.¹³⁰ Die offizielle deutsche Mission in China wurde zunächst von der Rheinischen Missionsgesellschaft und der Basler Missionsgesellschaft gesteuert. Nach Abschluss des deutsch-chinesischen Handelsvertrags 1861 vergrößerte sich das Ausmaß der deutschen Mission in China allmählich und zahlreiche deutsche Missionsgesellschaften begannen, sich in China zu engagieren. Im Rahmen ihrer Ausbildung erhielten die Missionare zur Vermittlung bestimmter ärztlicher und pflegerischer Fertigkeiten auch medizinische Unterweisung. Folglich konnten einige von ihnen auch bestimmte medizinische Dienste verrichten. Dr. H. Göcking war der erste deutsche Missionsarzt in China und wurde vom Berliner Hauptverein im Jahr 1855 entsandt.¹³¹ Im Laufe seines Dienstes widmete er sich unermüdlich „der leiblichen und geistlichen Not der Chinesen“ und zugleich auch der medizinischen Betreuung der Missionare, bis er krankheitsbedingt im Jahr 1864 nach Deutschland zurückkehren musste.¹³² Später nahm er seine missionarische Tätigkeit in China wieder auf.¹³³ Dabei wurde er finanziell
Vgl. Wu Yixiong 吴义雄: Zai zongjiao yu shisu zhijian – jidujiao xinjiao chuanjiaoshi zai huanan yanhai de zaoqi huodong yanjiu 在宗教与世俗之间–基督教新教传教士在华南沿海的早 期活动研究 (Zwischen Religion und Säkularität. Studien zur frühen Tätigkeit der protestantischen Missionare an den Küsten im Süden Chinas), Guangzhou: Guangdong jiaoyu chubanshe, 2000, S. 300 – 301. Vgl. Sun Lixin, deguo xinjiao, S. 44. Vgl. Richter, Julius: Geschichte der Berliner Missionsgesellschaft 1824 – 1924, Berlin: Verlag der Buchhandlung der Berliner ev. Missionsgesellschaft, 1924, S. 511– 514. Richter, Geschichte der Berliner Missionsgesellschaft, S. 518.
3 Das deutsche Medizinalwesen in China
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vornehmlich von einzelnen Missionsfreunden unterstützt, so dass seine Verbindung mit der Missionsgesellschaft eher lose war.¹³⁴ Mit dem Aufschwung des Gedankens der ärztlichen Mission in Deutschland in den letzten 20 Jahren des 19. Jahrhunderts wurden von deutschen Missionsgesellschaften immer mehr Missionsärzte nach China entsandt. Dr. Johannes Kühne (1862– 1946), der im Jahr 1888 entsandt wurde, war der erste Missionsarzt der Rheinischen Missionsgesellschaft in China. Die ärztliche Tätigkeit dieser Gesellschaft in China hatte jedoch früher begonnen. Im April 1888 wurden die ersten Gebäude des Hospitals in unmittelbarer Nähe ihrer Missionsstation, die in Dongguan 东莞 in der Provinz Guangdong lag, bereits errichtet und der ärztliche Betrieb aufgenommen. Das Hospital in Dongguan war das erste von einer deutschen Missionsgesellschaft in China errichtete Missionshospital.¹³⁵ Im April 1889 traf Kühne in Dongguan ein und im Mai 1890 übernahm er die Leitung des Hospitals. Mit der Eröffnung des Hospitals nahm nicht nur die Zahl der ambulanten Patienten zu, sondern auch die Anzahl der stationär im Hospital aufgenommenen Patienten stieg an. Diese Entwicklung erforderte eine Verstärkung des ärztlichen Personals und eine bauliche Erweiterung des Hospitals, woraufhin mit Dr. Gottlieb Olpp (1872– 1950) im Jahr 1898 ein zweiter Missionsarzt, mit Dr. Gottfried Eich im Jahr 1906 ein dritter und als letzter im Jahr 1914 Dr. Adam Zeiß (1887– 1914)¹³⁶ nach Dongguan entsandt wurden. Gleichzeitig wurde in einer Vorstadt von Dongguan eine neue Hospitalstation errichtet, die im März 1904 eingeweiht und eröffnet wurde,¹³⁷ wobei jedoch die letzten baulichen Maßnahmen erst im August 1908 abgeschlossen werden konnten.¹³⁸ Daneben war die Ausbildung der chinesischen Ärzte eine weitere wichtige Aufgabe der Missionsärzte. Kühne zufolge wurden zwischen 1889 und 1903 insgesamt 21 Medizinschüler aufgenommen.¹³⁹ Im Laufe der Ausbildung wurden diese Schüler nicht nur in den verschiedenen Fächern der modernen Medizin
Rheinische Missionsgesellschaft (Hg.): Rheinische Missionsarbeit 1828 – 1903: Gedenkbuch zum 75jährigen Jubiläum der Rheinischen Mission, Barmen: Verlag des Missionshauses, 1903, S. 152. Rheinische Missionsgesellschaft (Hg.): Rheinische Missionsarbeit, S. 157. Adam Zeiß ist beim Baden am 13. Juni 1914 ertrunken, vgl. „Dr. A. Zeiß“, in: Berichte der Rheinischen Missions-Gesellschaft 71, 8 (1914), S. 177. „Bilder aus der Missionsarbeit in China“, in: Berichte der Rheinischen Missions-Gesellschaft 61, 8 (1904), S. 285. „Aus unserer chinesischen Mission im Jahre 1907“, in: Berichte der Rheinischen MissionsGesellschaft 65, 4/5 (1908), S. 100. Kühne, John: „Bericht von Dr. Kühne“, in: Das Tungkuner Hospital der Rheinischen MissionsGesellschaft. Jahresbericht 1903 (1904), S. 16.
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unterrichtet, sondern auch als Gehilfen des Arztes in der Sprechstunde, bei Krankenbesuchen und bei Operationen im Hospital eingesetzt. Nach absolvierter Ausbildung traten sie den Dienst als Assistenzarzt im Hospital an oder machten sich mit einer privaten Praxis selbstständig. Die ärztliche Arbeit der Rheinischen Missionsgesellschaft beschränkte sich nicht nur auf das Hospital. So wurden etwa Krankenbesuche in der Stadt durchgeführt und öffentliche Sprechstunden auch an anderen Orten abgehalten.¹⁴⁰ Eine bemerkenswerte Tätigkeit war die Gründung eines Aussätzigenasyls auf einer Insel im Ostfluss, etwa fünf Kilometer von Dongguan entfernt, durch Kühne im Jahr 1904. Die Basler Missionsgesellschaft betrieb ab 1894 eine ärztliche Mission in China, als ihr erster Missionsarzt, Dr. Hermann Wittenberg (1869 – 1951), dort eintraf. Im Jahr 1896 errichtete die Gesellschaft in Jiayingzhou 嘉应州 (heute Meizhou 梅州) in der Provinz Guangdong ein Hospital, das unter der ärztlichen Leitung von Wittenberg stand und schrittweise erweitert wurde. Später waren hier auch andere Missionsärzte sowie Krankenschwestern stationiert. Diese übernahmen nicht nur die medizinische Pflege und Behandlung der Patienten in und außerhalb der Station, die Ausbildung der einheimischen Arzthelfer und die Aufsicht über die Zweighospitäler, sondern waren auch an einheimischen medizinischen Angelegenheiten beteiligt, etwa am Kampf gegen Opium und an der Prävention und Behandlung von Epidemien wie Pest und Pocken.¹⁴¹ Der Bau eines zweiten Hospitals der Basler Missionsgesellschaft wurde im Jahr 1909 in Heyuan 河源 fertiggestellt und in Betrieb genommen.¹⁴² Für die ärztliche Arbeit zeichnete Dr. Hermann Vortisch (1874– 1944) verantwortlich, der zweite von der Basler Missionsgesellschaft nach China entsandte Missionsarzt. Später kam die Schwester Valerie Ziegler (1886 – 1970), die die Aufsicht über die Frauenabteilung und die notwendige Reinlichkeit im Hospital übernahm.¹⁴³ Auch die Liebenzeller Mission, die ab 1900 ihre Tätigkeit in der Provinz Hunan 湖南 aufnahm,¹⁴⁴ betrieb eine ärztliche Mission. Sie entsandte 1911 ihren Missionsarzt Dr. Ernst Witt nach China¹⁴⁵ und gründete 1913 ein kleines Hospital
Unsere ärztliche Mission in China, S. 66. Vgl.Wittenberg, Hermann: „Ärztliche Erfahrungen aus Süd-China“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 4, 1 (1900), S. 28 – 29. Jahresbericht der Basler Mission 1909, S. 42. Jahresbericht der Basler Mission 1911, S. 20. Kühn, Eduard:Werden und Wachsen der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell: Buchhandlung der Liebenzeller Mission, 1951, S. 27. Verband der deutschen Vereine für ärztliche Mission (Hg.): Jahrbuch der ärztlichen Mission 1914, Gütersloh: C. Bertelsmann Verlag, 1914, S. 155.
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in Hongjiang 洪江, in dem Witt die ärztliche Arbeit übernahm.¹⁴⁶ Später wurde es durch ein Hilfskrankenhaus in Baoqing 宝庆 unter der Leitung eines in Tübingen ausgebildeten Missionars ergänzt.¹⁴⁷ Nach der Inbesitznahme der Jiaozhou-Bucht im Jahr 1897 setzte die deutsche ärztliche Mission auch dort ein, wobei der Allgemeine evangelisch-protestantische Missionsverein früher und umfänglicher als andere Missionsgesellschaften aktiv wurde. Die Missionstätigkeit des Vereins in China begann mit der Arbeit des Missionars Ernst Faber (1839 – 1899) im Jahr 1885 in Shanghai.¹⁴⁸ Im Jahr 1898 wurde der Schwerpunkt der Missionsarbeit des Vereins an die Jiaozhou-Bucht verlegt, wo Faber als erster Missionar eintraf. In der Folge wurden bald weitere Missionare wie auch Missionsärzte an die Jiaozhou-Bucht entsandt. Auf Basis der anfänglich beschränkten und weit verstreuten ärztlichen Tätigkeiten in der Jiaozhou-Bucht erfolgte bald die Gründung eines Hospitals, das aus dem Nachlass Fabers und von Vereinsmitteln finanziert und unter der Leitung des ersten Missionsarztes des Vereins, Dr. Edmund Dipper (1871– 1933), aufgebaut wurde. Die Einweihung unter dem Namen „Faberhospital“ erfolgte im September 1901 in Qingdao. Das Faberhospital war das erste Missionshospital in Qingdao und bis 1914 traten dort noch Dr. Willy Wick (1879 – 1976), Dr. Richard Wunsch (1869 – 1911) und Dr. Adolf Eyl (1872– 1916 oder später) den Dienst als Missionsärzte an. Nicht nur in Qingdao selbst, sondern auch im Dorf Taidongzhen 台东镇, drei Kilometer außerhalb von Qingdao, engagierte sich der Verein in der ärztlichen Betreuung der chinesischen Bevölkerung. Ab 1905 betrieb er dort eine kleine Poliklinik.¹⁴⁹ Die ärztliche Tätigkeit in der Poliklinik stand stets in enger Verbindung mit dem Faberhospital, in das die stationär zu behandelnden Kranken überführt wurden und wo die Überwachung durch deutsche Missionsärzte gewährleistet wurde. Außerhalb der Jiaozhou-Bucht, aber noch innerhalb der neutralen Zone, eröffnete der Verein im Jahr 1902 in Gaomi 高密 ein Hospital unter einem von amerikanischen Presbyterianern ausgebildeten chinesischen Arzt, Dr. Li Benjing (Umschrift), der 1900 – 1913 im Dienst des Vereins stand.¹⁵⁰ Das Hospital in Gaomi
Witt, Ernst: Ein Doktor für alles. Missionsärztliche Skizzen aus China. Liebenzell (Württb.): Buchhandlung der Liebenzeller Mission, 1925, S. 30. Verband der deutschen Vereine für ärztliche Mission (Hg.): Jahrbuch der ärztlichen Mission, S. 151. Witte, Johannes: Aus dem Missionsleben draußen für die Arbeit daheim, 2. Aufl., Berlin: Hutten Verlag, 1920, S. 45. 21. JAEPM, S. 59. 29. JAEPM, S. 44.
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unterstand in ärztlicher Hinsicht fast gänzlich der Leitung von Dr. Li und berücksichtigte daher stärker die „chinesischen Gepflogenheiten und Empfindlichkeiten“.¹⁵¹ Die drei medizinischen Einrichtungen des Vereins waren seit ihrer Eröffnung stets gut besucht. Die ärztliche Mission des Vereins beschränkte sich jedoch nicht nur auf den Hospitalbetrieb, sondern erstreckte sich auch auf die Zusammenarbeit mit lokalen chinesischen Behörden, etwa durch die Überwachung eines Hospitals der chinesischen Regierung,¹⁵² die Übernahme der Leitung einer Opiumentziehungsanstalt¹⁵³ sowie die Teilnahme an der Bergwerksschule durch Entsendung eines Schularztes.¹⁵⁴ Die Berliner Missionsgesellschaft begann ihre Missionsarbeit in China im Jahr 1882 und konzentrierte sich auf die Provinz Guangdong. Mit dem deutschen Eingriff in der Jiaozhou-Bucht begründete sie dort ein neues Missionsgebiet und begann 1898 mit der Arbeit. Neben der Evangelisierungs- und Erziehungsarbeit unter den Chinesen betrieb sie ihre ärztliche Missionstätigkeit in Jimo 即墨, einer Kleinstadt in der neutralen Zone. Dort wurde im Jahr 1906 eine Poliklinik eröffnet.¹⁵⁵ Die ärztliche Aufsicht der Poliklinik wurde von einem unter Dipper im Faberhospital ausgebildeten chinesischen Gehilfen verantwortet.¹⁵⁶ Als Aufgabe übernahm die Poliklinik auch die Beobachtung der aus dem Nordosten der Provinz eingeschleppten Seuchen und die Berichterstattung an das Gouvernement von Kiautschou.¹⁵⁷ Verglichen mit dem Engagement der protestantischen Missionsgesellschaften in China begann das der katholischen später und ihr Missionswesen erfolgte in geringerem Umfang. Die Steyler Mission, deren erste Missionare im Jahr 1879 in China eintrafen, war die erste und einzige deutsche katholische Missionsgesellschaft in China. Ihr Arbeitsschwerpunkt lag im Süden der Provinz Shandong, wenngleich sich ihre Missionstätigkeit nach der deutschen Besetzung der Jiaozhou-Bucht auch auf Qingdao und die neutrale Zone erstreckte. Ebenso wie die protestantischen Missionsgesellschaften setzte auch die Steyler Mission die Bereitstellung ärztlicher Hilfe als indirektes Missionierungsmittel ein. Im Jahr 1882 begann sie mit dem Krankendienst für die einheimische
Vgl. Gerber, Von Voskamps „heidnischem Treiben“, S. 229. 22. JAEPM, S. 52. 23. JAEPM, S. 51. 24. JAEPM, S. 40. Denkschrift 1905/1906, S. 38. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 136 – 137. Denkschrift 1907/1908, S. 47.
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Bevölkerung.¹⁵⁸ Anfangs war der Dienst von einfacher Ausgestaltung. Die Missionare und Missionsschwestern behandelten Patienten und verabreichten Medikamente teils in Missionsstationen und teils bei Außenbesuchen. Mit der Zeit wurden auch von der Steyler Mission medizinische Einrichtungen errichtet. Als erstes erfolgte im Juni 1905 die Gründung eines Hospitals in Qingdao. Bis zur Ankunft eines Steyler Missionsarztes sollten Marineärzte, die dem Gouvernement zur Verfügung standen, für die „ärztliche Leitung und Hilfe“ im Hospital verantwortlich sein.¹⁵⁹ Bis 1914 wurde von der Steyler Mission kein Missionsarzt nach Qingdao entsandt, weshalb das Hospital stets unter der Leitung von Marineärzten stand.¹⁶⁰ Ein weiteres Hospital der Steyler Mission, das im November 1906 eingeweiht wurde, befand sich in Yanzhoufu 兖州府. Die ärztliche Leitung dieses Hospitals übernahm ein Marinearzt. In Ermangelung eines eigenen Missionsarztes beschränkte sich die tägliche Praxis im Hospital, besonders nach dem Ausscheiden des Marinearztes, in erster Linie auf die Krankenpflege, wohingegen die Patientenbehandlung einen eher poliklinischen Charakter hatte. Daneben diente auch eine Apotheke mit angeschlossener Poliklinik auf der Insel Yindao 阴岛 (heute Hongdao 红岛) der Krankenpflege. Der Krankendienst in der Apotheke begann im Juli 1909, wofür ein von der Steyler Mission angestellter chinesischer Arzt zuständig war.¹⁶¹ Auch in Yizhoufu 沂州府 (heute Linyin 临沂) wurde 1915 ein kleines Hospital eröffnet und von den Steyler Missionsschwestern krankenpflegerisch bedient.¹⁶² Geographisch gesehen verteilte sich die deutsche ärztliche Mission in China bis zum Jahr 1914 vor allem auf die Provinzen Guangdong und Shandong. Insgesamt wurden 17 Missionsärzte nach China entsandt, die im Dienst der deutschen Missionsgesellschaften tätig waren.¹⁶³ Ihre ärztliche Arbeit trug dazu bei, die Fremdenfeindlichkeit der Chinesen und ihr Misstrauen den Missionaren gegenüber zu überwinden oder zumindest deutlich zu verringern, wie Professor Gottlieb Haußleiter (1857– 1934) im Jahr 1910 berichtete: „In China sind die ärzt-
Hartwich, Richard: Steyler Missionare in China I. Missionarische Erschließung Südschantungs, 1879 – 1903, Nettetal: Steyler Verlag, 1983, S. 36 – 37. Hartwich, Richard: Steyler Missionare in China II. Bischof A. Henninghaus ruft Steyler Missionsschwestern, 1904 – 1910, Nettetal: Steyler Verlag, 1985, S. 142, 375. Z. B. arbeiteten Dr. Curt Mac Lean (1872– 1932), Dr. Hans Podestà (1871– 1953) und andere im Hospital. Vgl. Hartwich, Bischof A. Henninghaus, S. 142, 491. Hartwich, Bischof A. Henninghaus, S. 458, 491. Hartwich, Richard: Steyler Missionare in China III. Beiträge zu einer Geschichte: Republik China und Erster Weltkrieg, 1911 – 1919, Nettetal: Steyler Verlag, 1987, S. 388. Vgl. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 114.
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lichen Stationen wichtige Stützpunkte für die Mission geworden. Während sonst die Missionare stets als ‚fremde Teufel‘ begrüßt wurden, hat sich jetzt vielfach durch das Eintreten des Arztes ein Stimmungswechsel vollzogen.“¹⁶⁴ Zugleich leistete die deutsche ärztliche Mission einen wichtigen Beitrag zum deutschchinesischen Austausch im medizinischen Bereich. Zum einen wurden mit der deutschen missionsärztlichen Arbeit das System, die Technik und die Kenntnisse der modernen westlichen Medizin nach China eingeführt, was das chinesische medizinische Wissen erweiterte und zur Transformation des chinesischen Gesundheitswesens beitrug. Zum anderen spielten die deutschen Missionsärzte bei der Bereicherung der deutschen medizinischen Forschung und der Verbreitung der chinesischen Medizin in Deutschland eine große Rolle, indem sie neben ihrer Arbeit auch die theoretischen und praktischen Zustände der Medizin in China beobachteten, erforschten und ihre Beobachtungs- und Forschungsergebnisse publizierten.
3.3 Deutsche staatliche medizinische Tätigkeiten in China Mit der deutschen Kolonialexpansion in China entwickelte sich auch die deutsche staatliche Betätigung im medizinischen Bereich Chinas. Das deutsche Medizinalwesen im Pachtgebiet erreichte einen beträchtlichen Umfang. Im Verlauf des Aufbaus des Pachtgebietes vollbrachte das Gouvernement in medizinischer Hinsicht bedeutende Leistungen. Weiterhin erstreckte sich das staatliche medizinische Engagement Deutschlands auch auf andere chinesische Regionen, dessen wichtigste und einflussreichste Elemente die medizinische Arbeit in Shandong, der Sanitätsdienst bei der Niederschlagung der Boxerbewegung sowie die durch das deutsche Konsulat in Chongqing 重庆 errichtete Poliklinik darstellten.¹⁶⁵
Haußleiter, D.: „Die Bedeutung der ärztlichen Mission in den deutschen Kolonien“, in: Die Ärztliche Mission 6, 1 (1911), S. 6. Noch zu erwähnen ist, dass einige deutsche Ärzte als militärärztliche Berater und Lehrer zur Neuen Armee in China entstandt wurden. Sie förderten die Reform und die Modernisierung des chinesischen Militärs sowie der Militärmedizin. Aufgrund des geringen Bezuges zwischen ihrer Arbeit und der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin wird auf diese Gruppe sowie ihre Tätigkeit in China nicht eingegangen.
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Das Deutsche Medizinalwesen im Pachtgebiet Kiautschou Das deutsche staatliche Medizinalwesen in China konzentrierte sich in erster Linie auf das Pachtgebiet. Im Unterschied zu den anderen deutschen Kolonien wurde das Pachtgebiet nicht vom Reichskolonialamt, sondern vom Reichsmarineamt verwaltet. Die Marineverwaltung bemühte sich um den Aufbau des Pachtgebietes zur „Musterkolonie“¹⁶⁶ und legte daher Wert auf die Einrichtung eines modernen Medizinalwesens, das nicht nur die Gesundheit der deutschen Besatzungstruppen und der einheimischen Bevölkerung garantieren, sondern auch die lokale öffentliche hygienische Umgebung verbessern sollte. Das gesamte Medizinalwesen im Pachtgebiet wurde von einem Gouvernementsarzt geleitet, der zugleich auch Garnisonsarzt war und militärisch dem Gouverneur von Kiautschou unterstand. Alle anderen Marineärzte waren wiederum ihm unterstellt. Ein spezielles Gesundheitsamt mit eigener Exekutive bestand im Pachtgebiet nicht und die sanitätspolizeiliche Arbeit wurde vom Polizeiamt verrichtet, dem ein als Polizeiarzt abkommandierter Marinearzt zugeteilt wurde.¹⁶⁷ Die konkreten medizinischen Tätigkeiten erstreckten sich zunächst auf hygienische Maßnahmen und medizinische Einrichtungen. Bald nach der Besetzung der Jiaozhou-Bucht erfolgte die Trennung der Europäer von den Chinesen durch den Aufbau einer Siedlung für Europäer. Das Gouvernement teilte das Pachtgebiet zunächst in zwei Bezirke, Qingdao und Licun 李村, wobei Qingdao streng in einen europäischen und einen chinesischen Bereich geteilt wurde. Diese örtliche Trennung wurde als hygienische Maßnahme begründet.¹⁶⁸ Tatsächlich spielte dabei jedoch eine rassistische Ideologie eine zentrale Rolle, die sich insbesondere in einer Rassendiskriminierung manifestierte. Nach diesem Verständnis wurden die Chinesen als gesundheitliches Risiko für die Deutschen betrachtet. Zur Prävention setzte das Gouvernement nicht nur eine strikte Rassentrennung durch, sondern ergriff auch in der Gesetzgebung konkrete hygienische Maßnahmen, die auf die Veränderung der Lebensgewohn-
„Die ‚Musterkolonie‘ sollte einen spezifisch deutschen Kolonialismus demonstrieren, in dem wissenschaftliche Planung, professionelle Ausführung und staatliche überwachung ein Beispiel für ‚moderne‘ und ‚effiziente‘ Kolonialpolitik abgeben sollten – im Unterschied zu dem hauptsächlich von privaten kommerziellen Interessen getragenen Kolonialismus angelsächsischer Prägung in Hongkong.“ Mühlhahn, Musterkolonie, S. 11. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 38. Vgl. Uthemann, Walter/Fürth, Ernst: „Tsingtau. Ein kolonialhygienischer Rückblick auf die Entwicklung des deutschen Kiautschougebietes“, in: Beihefte zum Archiv für Schiffs- und TropenHygiene 15, 4 (1911), S. 9 – 10.
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heiten der einheimischen Bevölkerung und die Integration der Chinesen ins deutsche hygienische System abzielten, und überwachte ihre Ausführung streng. Hierbei wurde die Versorgung mit sauberem Trinkwasser als Erfolg betrachtet. Im Anfangsstadium der Besatzung fehlte den Deutschen sauberes Trinkwasser. Zur Lösung dieses Problems brachte das Gouvernement, neben einem Trinkverbot für ungekochtes Wasser, hohe Aufwendungen für die Errichtung zweier Wasserwerke auf. Durch den direkten Anschluss an das Wasserleitungsnetz wurde der Zugang zu Leitungswasser in den Haushalten sichergestellt. Im Jahr 1909 war fast das gesamte europäische Viertel an das Netz angeschlossen, wogegen der Hausanschluss im chinesischen Viertel bis zum deutschen Rückzug aus Qingdao weder flächendeckend bereitgestellt noch zwangsweise durchgeführt werden konnte.¹⁶⁹ Zum Schutz der Gesundheit der deutschen Besatzung im Pachtgebiet wurde die Nahrungsmittelversorgung ab 1898 sorgfältig überwacht, wofür spezielle Einrichtungen aufgebaut wurden. Zwecks Entsorgung von Abwasser begann das Gouvernement ab 1903, eine Schmutzwasserkanalisation im europäischen Viertel anzulegen, die 1906 in Betrieb genommen werden konnte. Mit dem Auf- und Ausbau der Schmutzwasserkanalisation nahm die Zahl der Hausanschlüsse an die Kanalisation stetig zu und 1909 war der Großteil der Grundstücke im europäischen Viertel angeschlossen. Im Gegensatz dazu wurde im chinesischen Viertel zunächst lediglich ein gemischtes Entwässerungssystem der Regen- und Schmutzwasserkanalisation installiert und erst 1907 wurde der Bau einer gesonderten Schmutzwasserkanalisation vorbereitet. Auch die effektive Beseitigung von Abfallstoffen und Fäkalien war eine erforderliche hygienische Maßnahme. Zur Vermeidung der Umweltverschmutzung durch Abfälle verordnete das Gouvernement unter anderem die Reinigung der Straßen, das Verbot, Abfälle auf der Straße anzuhäufen, und entsprechende Strafen, welche in Fällen regelwidrigen Handelns verhängt werden konnten. Die Arbeit der Müllabfuhr wurde 1902 der deutschen Firma Bernick und Pötter übertragen.¹⁷⁰ Bezüglich der Beseitigung von Fäkalien konzentrierte sich das Gouvernement auf den Bau von Aborten, zu denen Ende 1900 eine ausführliche Vorschrift erlassen wurde. Für die Fäkalienabfuhr war eine deutsche Firma verantwortlich. In der Folge des Aufbaus des Schmutzwasserkanalisationssystems wurde im Pachtgebiet das Spülklosett eingeführt, das allmählich das System der mit Tonnen versehenen Aborte im europäischen Viertel vollständig ersetzte. Im chinesischen Viertel blieb das Tonnensystem weiter bestehen, aber mit dem
Huang, Fu-teh, Qingdao, S. 203. Huang, Fu-teh, Qingdao, S. 204.
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Aufbau der Schmutzwasserkanalisation wurden der Bevölkerung öffentliche Wasserklosetts bereitgestellt.¹⁷¹ Daraus wird ersichtlich, dass der Schwerpunkt der hygienischen Entwicklung in Qingdao zunächst auf dem europäischen Teil der Stadt lag. Diese Strategie resultierte nicht nur aus einem Mangel an ausreichenden finanziellen Ressourcen, sondern beinhaltete auch Elemente rassenideologischer Natur. Nach vorherrschender Ansicht unter den Deutschen waren die Chinesen eine große Gefahr für ihre Gesundheit und zugleich waren die modernen sanitären Einrichtungen im chinesischen Viertel weder unentbehrlich noch dringlich, solange die dadurch verbleibenden Missstände die Europäer nicht beeinträchtigten. Gleichzeitig bemühte sich das Gouvernement im Sinne der Krankheitsprävention um die Sanierung der Umgebung des Pachtgebiets. Zur landschaftlichen Verschönerung und zudem auch in Hinblick auf „die Verbesserung der Wasserverhältnisse, die Verhinderung der Versandung der Jiaozhou-Bucht, die forstwirtschaftliche Verwertung und nicht zuletzt die Verbesserung des Klimas“¹⁷² betrieb das Forstamt im Frühjahr 1898 energisch Aufforstungsarbeiten im Pachtgebiet, die schon bald Erfolge zeigten. Im Jahr 1913 waren die Aufforstungsarbeiten rund um Qingdao beinahe abgeschlossen und wurden auch auf ländliche Gebiete ausgeweitet. Der Ausbau des Straßennetzes und der Häuser leistete zudem Beiträge für die Lösung hygienischer Probleme. Die Straßen wurden in einer festgelegten Breite gebaut und allmählich größtenteils makadamisiert und „chaussiert, so daß sie mit wenigen Ausnahmen auch in der Regenzeit gut befahrbare Wege bilde[te] n“.¹⁷³ Die übermäßige Staubentwicklung wurde mit regelmäßiger Wasserbesprengung wirksam bekämpft. In Bezug auf den Häuserbau im europäischen und im chinesischen Viertel wurden bauliche Standards und Erfordernisse nach dem Prinzip der Hygiene ausführlich festgeschrieben und strikt durchgesetzt. Infolge des ständig steigenden Handelsverkehrs mit dem chinesischen Hinterland und des regen Schiffsverkehrs war Qingdao stets der Gefahr der Einschleppung von Seuchen ausgesetzt. Daher wurden zu Beginn der Besetzung des Pachtgebiets sowohl für den Landweg als auch für den Seeweg Schutzmaßnahmen getroffen. Zum einen wurde Kontakt mit den über die Provinz Shandong verteilten Missionsstationen aufgenommen. Von diesen wurden regelmäßig „Meldungen über ausgebrochene Krankheiten und Präparate zu mikroskopischen
Kronecker, Franz: Fünfzehn Jahre Kiautschou. Eine kolonialmedizinische Studie, Berlin: J. Goldschmidt, 1913, S. 15. Huang, Fu-teh, Qingdao, S. 206 – 207. Uthemann/Fürth, Tsingtau, S. 11.
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Untersuchungen geschickt“.¹⁷⁴ Zum anderen wurde das Gouvernement von den deutschen Konsulaten der benachbarten Hafenstädte über die dortige Gesundheitslage informiert und die Kontrolle von Schiffen, die aus von Seuchen befallenen Häfen einliefen, von einem eigens dafür abgestellten Quarantänearzt ausgeübt.¹⁷⁵ Zur Aufnahme von „Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen“ im Fall einer plötzlich ausbrechenden Epidemie wurde im Jahr 1908 zudem ein von einem Marinearzt geleitetes Seuchenlazarett eingerichtet.¹⁷⁶ Hinsichtlich der Gesundheitsversorgung der deutschen Besatzungstruppen und der Zivilbevölkerung ergriff das Gouvernement nicht nur hygienische Präventivmaßnahmen, sondern errichtete auch eine Reihe von medizinischen Einrichtungen zur Aufnahme von Kranken. Die wichtigsten waren das Gouvernementslazarett und das Genesungsheim „Mecklenburghaus“. Aber ebenso wie bei der Stadtplanung, die die Trennung der Stadt in ein chinesisches und ein europäisches Viertel erwirkte, verfolgte das Gouvernement auch im medizinischen Bereich Rassentrennung. Das Gouvernementslazarett, dessen Bau Ende 1898 begann und 1904 fertiggestellt wurde, war „die größte Krankenversorgungseinrichtung außerhalb des Kaiserreichs“.¹⁷⁷ Allerdings war die Behandlung im Lazarett ausschließlich den Europäern vorbehalten, während Chinesen von einer stationären Aufnahme im Lazarett und nach der Eröffnung des Faberhospitals auch von der ambulanten Behandlung ausgeschlossen waren. Eine Ausnahme bildeten chinesische Prostituierte, für die 1906 ein Prostituiertenkrankenhaus eingerichtet wurde, das dem Gouvernementslazarett angegliedert war. Das Genesungsheim „Mecklenburghaus“ war eine Ergänzung der Krankenpflege im Pachtgebiet und wurde im Jahr 1904 errichtet. Das Heim erfreute sich schon bald großer Beliebtheit und hatte von 1904 bis 1909 jährlich mehr als 1000 Besucher,¹⁷⁸ blieb jedoch, abgesehen von den chinesischen Bediensteten der europäischen Besucher, Chinesen stets verschlossen. Zur Prävention der Übertragung ansteckender Krankheiten aus dem chinesischen auf das europäische Viertel stellte das Gouvernement auch den Chinesen ärztliche Hilfe bereit, maß der medizinischen Versorgung der chinesischen Ein-
Denkschrift 1903/1904, S. 33. Uthemann/Fürth, Tsingtau, S. 29. Ebd. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 47. Vgl. Denkschrift 1904 bis 1909.
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wohner jedoch, ähnlich wie beim Ausbau der sanitären Anlagen, eine geringere Priorität bei.¹⁷⁹ Neben der hygienisch-medizinschen Praxis betrieb das Gouvernment auf medizinscher Ebene mit einer medizinischen Abteilung an der deutsch-chinesischen Hochschule noch eine Medizinerausbildung im Pachtgebiet. Die Hochschule, die am 15. Oktober 1909 als „Hochschule für Spezialwissenschaften mit besonderem Charakter“ in Qingdao eröffnet wurde, war ein wichtiges Symbol der deutschen Kulturpolitik in China. Die Hochschule war direkt dem deutschen Reichsmarineamt unterstellt und wurde zugleich auch von der chinesischen Regierung offiziell anerkannt und finanziell unterstützt. Der reguläre Unterricht an der Hochschule begann am 1. November 1909. Die Hochschule gliederte sich in eine Unterstufe, die als Vorbereitungsschule diente, und eine Oberstufe, welche die Hochschule im engeren Sinne bildete. Die Oberstufe war in vier Abteilungen unterteilt, darunter Staats- und Rechtswissenschaften, Natur- und Ingenieurwissenschaften, Medizin sowie Forst- und Landwirtschaft. Der Unterrichtsplan an der medizinischen Abteilung bildete sich Ende 1907 heraus.¹⁸⁰ Nach dem Konzept war eine Gesamtstudiendauer an der medizinischen Abteilung von fünf Jahren vorgesehen, von denen zwei auf das vorklinische und drei Jahre auf das klinische Studium entfallen sollten. Das Lehrpersonal der medizinischen Abteilung bildeten in Qingdao stationierte deutsche Marineärzte und Apotheker.¹⁸¹ Trotz der konkreten Planung verlief der Aufbau der medizinischen Abteilung an der Hochschule nicht erfolgreich. Erst im Herbst 1911 konnte die Oberstufe eröffnet werden, wobei geeignete und ausreichende Lehrkrankenhäuser, Lehrkräfte und Unterrichtsmittel sowie eigene Unterrichtsräume fehlten.¹⁸² Zudem hatten die mangelnden Sprachkenntnisse der Studenten, von denen die meisten weder die Unterstufe absolviert hatten noch die deutsche Sprache ausreichend
Bald nach der Inbesitznahme der Jiaozhou-Bucht übertrug das Gouvernement die Aufgabe, ärztliche Tätigkeiten unter der Lokalbevölkerung durchzuführen, den Missionsgesellschaften, während sich die Arbeit der Marineärzte in Bezug auf diese Zielgruppe auf die medizinische Unterstützung der Missionsgesellschaften bei schwierigen Fällen, die Durchführung von Sprechstunden in Taidongzhen, Shazikou 沙子口, Dengyao 邓窑 und im „Mecklenburghaus“ sowie die Einrichtung einer Poliklinik für Chinesen in Licun beschränkte. Vgl. Uthemann/Fürth, Tsingtau, S. 26 – 27; Huang, Fu-teh, Qingdao, S. 217– 222. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 168. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 169. Vgl. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 171– 173
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beherrschten, zur Folge, dass diese nicht imstande waren, die Lehrinhalte zu bewältigen.¹⁸³ Obwohl die vorklinische Phase im Sommer 1913 zu Ende gebracht wurde, scheiterte der Beginn des anschließenden klinischen Unterrichts vor allem am Fehlen eines Lehrkrankenhauses. Die von den Missionsgesellschaften und dem Gouvernement im Pachtgebiet betriebenen Krankenhäuser waren aus einigen Gründen für diesen Zweck ungeeignet. Die finanziellen Mittel für die Errichtung eines Lehrkrankenhauses wurden vom Reichsmarineamt zugebilligt mit dem Plan, den Bau im Jahr 1915 auszuführen, jedoch kam der Ausbau der medizinischen Abteilung nicht mehr zustande, nachdem die Hochschule nach der Eroberung Qingdaos durch Japan im Oktober 1914 permanent geschlossen wurde.¹⁸⁴ Die Forschungsarbeit zu Natur, Kultur und sozialen Verhältnissen im Pachtgebiet wurde vom Gouvernement von Anfang an gefördert,¹⁸⁵ weshalb eine Vielzahl von wissenschaftlichen Beobachtungen und Untersuchungen durchgeführt wurde. Dadurch wurden auch zahlreiche Forschungsergebnisse auf unterschiedlichen Gebieten erzielt. Die Forschungen auf dem Gebiet der Medizin wurden von den in Qingdao stationierten Marineärzten übernommen und erfolgten vor allem an einer bakteriologischen Untersuchungsstation, die dem Gouvernementslazarett angegliedert war. Trotz der insgesamt spärlichen medizinischen Versorgung, die das Gouvernement der einheimischen Bevölkerung im Pachtgebiet bereitstellte, richtete die deutsche Kolonialverwaltung große Aufmerksamkeit auf ansteckende Krankheiten unter den Chinesen. Das Hauptforschungsinteresse konzentrierte sich auf die Erforschung von Krankheitsursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Die grundlegende Motivation bestand hier zum einen in der Versorgung der Kolonialverwaltung mit exakten Informationen und Kenntnissen in Bezug auf die chinesischen medizinischen Gegebenheiten. Zum anderen diente die medizinische Forschungsarbeit der Marineärzte nicht zuletzt auch deren akademischem Interesse. Anhand umfangreicher praktischer Untersuchungen verfassten Marineärzte zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen über Krankheiten in China und ließen diese deutschen medizinischen Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen zukommen. So konnten sie ihre Forschungsergebnisse publizieren und das Wissen über die chinesische Medizin in Deutschland verbreiten.
Vgl. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 173. Vgl. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 174– 178. Mühlhahn, Musterkolonie, S. 251.
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Die medizinische Arbeit deutscher Marineärzte in Shandong (ohne Pachtgebiet Kiautschou) Um die Gesundheit im Pachtgebiet zu gewährleisten, errichtete das Gouvernement von Kiautschou dort nicht nur ein weitreichendes Sanitärsystem und Krankenhäuser, sondern ergriff auch Maßnahmen zur Prävention der Übertragung von Krankheiten aus dem Landesinneren in das Pachtgebiet. Zum einen wurde ein regelmäßiger Kontakt mit den deutschen Missionsstationen im Hinterland von Shandong sichergestellt. Zum anderen führte das Gouvernement darüber hinaus aber auch eigene Untersuchungen an Ort und Stelle durch, indem es deutsche Marineärzte in die Provinz Shandong entsandte, um Material „über Vorkommen und Ausbreitung“ von Krankheiten und über deren „Entstehungsursachen und Ansteckungsträger“ zu sammeln.¹⁸⁶ Darüber hinaus ist die medizinische Arbeit der deutschen Marineärzte im chinesischen Krankenhaus in Jinanfu zu erwähnen. Der Bau des Krankenhauses wurde 1903 auf Betreiben des Gouverneurs von Shandong, Zhou Fu 周馥 (1837– 1921), zur Verbesserung der medizinischen Versorgung der chinesischen Bevölkerung veranlasst und im August 1904 eröffnet, wofür er den deutschen Gouverneur Oskar von Truppel (1854– 1931) um die Abordnung eines deutschen Marinearztes für die ärztliche Arbeit ersuchte. Dies traf auf aktive Unterstützung beim deutschen Gouvernement und so waren dort 1904– 1914 insgesamt sieben Marineärzte tätig.¹⁸⁷ Gemäß den Instruktionen des Gouverneurs Truppel an den nach Jinanfu abkommandierten Marinearzt erstreckte sich dessen Arbeit nicht nur auf medizinische Arbeit im Krankenhaus, sondern umfasste auch informationsdienstliche Betätigungen bis hin zu Aufgaben im politischen Bereich, zudem war er zur regelmäßigen Berichterstattung gegenüber dem Gouvernement von Kiautschou über seine ärztliche Tätigkeit sowie alle das Pachtgebiet betreffenden Fragen angehalten.¹⁸⁸ Darin zeigt sich, dass das Krankenhaus in Jinanfu aus Sicht des deutschen Gouvernements als Vorposten des Pachtgebiets betrachtet wurde. Auch der Gouverneur Zhou Fu erließ eine Dienstanweisung an den berufenen Marinearzt.¹⁸⁹ Demnach galt der Marinearzt als ein dem Gouverneur von Shandong persönlich unterstellter Beamter. Im Krankenhaus unterstand er dem chinesischen Direktor und war zur Zusammenarbeit mit seinen chinesischen Kollegen verpflichtet. Er hatte keine Befugnis zur Anschaffung von Medikamenten und sonstigen Bedarfsartikeln. Zwar war er berechtigt, eigene Gehilfen ans Kranken
Denkschrift 1902/1903, S. 40. Vgl. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 79. Vgl. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 67. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 68.
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haus zu holen, musste diese allerdings selbst bezahlen und hatte keine disziplinarische Aufsicht über sie. Das Krankenhaus unterhielt sowohl eine Abteilung für chinesische Medizin als auch eine für westliche Medizin, in der der deutsche Marinearzt und europäisch ausgebildete chinesische Ärzte arbeiteten. Die Patienten konnten zwischen beiden Abteilungen wählen. In dem vollständig ins chinesische Verwaltungssystem eingegliederten Krankenhaus verlief die Arbeit der deutschen Ärzte nicht ohne Spannungen,¹⁹⁰ aber ihre ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus entwickelte sich insgesamt erfolgreich. Dies zeigte sich nicht nur in der ständig wachsenden Zahl der von ihnen behandelten Patienten, sondern auch darin, „dass Chinesen mit chronischen Leiden jetzt im Gegensatz zur chinesischen Gewohnheit zur längeren Behandlung regelmäßig wiedererscheinen“.¹⁹¹ Zudem bezeugten chinesische Patienten den deutschen Ärzten nach ihrer Genesung auf verschiedene Weise ihre Dankbarkeit.¹⁹² Gleichzeitig erweiterte sich der Arbeitsbereich der Marineärzte. So leistete etwa Dr. Kautzsch ärztliche Hilfe „bei schweren Fällen im Lager der Beiyang-Armee“.¹⁹³ Im Rahmen der Pestbekämpfung 1911 leistete er Präventivarbeit in Jinanfu. Auf Vorschlag von Kautzsch und seinem chinesischen Kollegen wurde ein Pestbekämpfungsbüro in Jinanfu eingerichtet. Zudem konnte Kautzsch den Gouverneur von Shandong Sun Baoqi 孙宝琦 (1867– 1931) zur Sperrung des Bahnverkehrs und zu Quarantänemaßnahmen bewegen. Zur Überwindung der drohenden Gefahr stellte Sun Baoqi über den Direktor des chinesischen Seezollamtes in Qingdao noch drei deutsche Zivilärzte aus Berlin ein, obwohl der Gouverneur Truppel vorgeschlagen hatte, ihm Marineärzte bereitzustellen. Nach Meinung des deutschen Konsuls in Jinanfu lag das Motiv Sun Baoqis vor allem in der Vermeidung „einer amtlichen deutschen Einmischung in die Pestbekämpfung“.¹⁹⁴ Insgesamt erfüllten die deutschen Marineärzte in Jinanfu Aufgaben der medizinischen Versorgung und der umfangreiche Kontakt mit chinesischen Patienten in Shandong bot ihnen zudem einen Einblick in die lokalen Krankheitsverhältnisse, aber die außermedizinischen Ziele ließen sich infolge der bewussten Einschränkungen durch die chinesischen Behörden nicht verwirklichen.¹⁹⁵
Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 74. Denkschrift 1907/1908, S. 52. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 71– 72. Huang, Fu-teh, Qingdao, S. 231. Huang, Fu-teh, Qingdao, S. 244. Für eine ausführlichere Darstellung und Behandlung des chinesischen Krankenhauses in Jinanfu vgl. Helm, Hans-Georg: Deutsche Marinärzte in Tsinanfu. Eine kommentierte Quellenedition
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Sanitätsdienst bei der Niederschlagung der Boxerbewegung Mit der Kriegserklärung an die ausländischen Mächten durch die Qing-Regierung am 19. Juni 1900 wurde das Gesandtschaftsviertel in Beijing durch Boxer und Regierungstruppen belagert und angegriffen. Um die Gesandtschaften zu befreien und die Boxerbewegung zu unterdrücken, wurde ein internationales Expeditionskorps organisiert, das sich aus Soldaten aus acht Staaten zusammensetzte und von einem deutschen Generalfeldmarschall, Alfred Graf von Waldersee (1832– 1904), militärisch geleitet wurde. Nach der Inbesitznahme von Beijing beendeten die ausländischen Mächte den Krieg in China jedoch nicht und so führte das deutsche Ostasiatische Expeditionskorps bis zum Juni 1901 militärische Übergriffe auf die Provinzen Zhili 直隶 und Shanxi 山西 aus. Im Laufe dieser Zeit dienten insgesamt 118 beziehungsweise 119 deutsche Militärärzte beim Ostasiatischen Expeditionskorps.¹⁹⁶ Sie arbeiteten zum einen auf den Kriegsschauplätzen, zum anderen erstreckten sich ihre ärztlichen Dienste auf die verschiedenen medizinischen Einrichtungen. Darunter befanden sich unter anderem sechs Feldlazarette, vier Lazarettschiffe, drei kleinere Lazarette, die hauptsächlich als Zwischenstationen zum Transport von Kranken benutzt wurden und zahlreiche Stationen zur Aufnahme von Verwundeten.¹⁹⁷ Aufgrund ihrer günstigen geographischen Lage war die Hafenstadt Tianjin in diesem Zeitraum ständiger Mittelpunkt der deutschen Krankenversorgung. Dort verfügte das deutsche Expeditionskorps über drei Hauptlazarette, 20 Döcker’sche Krankenbaracken, ein Genesungsheim und ein den Lazaretten angeschlossenes chemisch-bakteriologisches Laboratorium. Die Militärärzte behandelten nicht nur die deutschen Soldaten und bemühten sich aufgrund einer Reihe von Verordnungen und Maßnahmen um eine Verbesserung der hygienischen Verhältnisse im Lager, sondern sie überwachten auch die Gesundheit der lokalen chinesischen Bevölkerung, soweit sie für die Gesundheit der deutschen Truppen von Belang war.¹⁹⁸ Sie führten umfangreiche Untersuchungen im chemisch-bakteriologischen Laboratorium durch, um so Krankheiten zu erforschen, rechtzeitig zu diagnostizieren und, wenn möglich, präventiv tätig werden zu können.
zur Geschichte des deutschen Marinesanitätswesens im Marinepachtgebiet Kiautschou 1904 bis 1914, Dissertation, Medizinische Hochschule Hannover, 1994. Eckart, Medizin und imperialistischer Krieg, S. 146. Vgl. Eckart, Medizin und imperialistischer Krieg, S. 146 – 149. Vgl. Busch, Paul: „Im Fernen Osten. Erlebnisse und Erfahrungen während der Deutschen China-Expedition 1900/03“, in: Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Heeres-Sanitätswesens 96 (1935), S. 38 – 39.
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Nach der Einstellung der eigentlichen Kampfhandlungen und der Unterzeichnung des „Boxerprotokolls“ wurde die Stärke des deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps reduziert. Parallel zur Umformierung des deutschen Expeditionskorps verringerte sich die Anzahl der Militärärzte drastisch und auch die entsprechenden medizinischen Einrichtungen in China nahmen zahlenmäßig sukzessive ab, bis auch das letzte Lazarett 1909 aus China abgezogen wurde.¹⁹⁹ Von 1900 bis 1909 standen insgesamt 146 deutsche Militärärzte im Sanitätsdienst. Verglichen mit den entsprechenden Zahlen der anderen gleichzeitig in China vertretenen Mächte und denen des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg war diese Zahl im Verhältnis zur Truppengesamtstärke die höchste.²⁰⁰ Zugleich entsprach auch die Versorgung mit medizinischen Instrumenten und Materialien dem zeitgenössischen Stand in Europa. Infolge der guten medizinischen Ausrüstung und der strikten Durchführung hygienischer Maßnahmen war die deutsche Sanitätsversorgung in China während und nach der Niederschlagung der Boxerbewegung hervorragend und erfüllte ihre Aufgabe, die Gesundheit und Schlagkraft der deutschen Truppen zu gewährleisten. Daneben hatten diese Tätigkeiten auch einen gewissen Einfluss auf die chinesische Bevölkerung. Nicht nur die von den deutschen Militärärzten den Einheimischen angebotenen ärztlichen Dienste förderten eine Verbesserung der misstrauischen Einstellung gegenüber den Europäern, sondern auch einige ärztliche Einrichtungen, die von den deutschen Truppen nach ihrem Abzug aus China hinterlassen wurden, konnten weiter für die Behandlung von chinesischen Kranken genutzt werden.²⁰¹ Weiterhin ist zu erwähnen, dass in der Stadt Tianjin, die im Juli 1900 von den internationalen Truppen in Besitz genommen und bis zum August 1902 von der „Internationalen Provisorischen Regierung zu Tianjin“ regiert wurde, die vom „Service de Santé“ der Internationalen Regierung erlassenen sanitären Anordnungen und ihre zwangsmäßige Durchführung, woran auch die deutschen Militärärzte aktiv mitwirkten, die alltäglichen Lebensgewohnheiten und Vorstellungen der Bewohner von Tianjin stark veränderten und unmittelbaren Einfluss auf die späteren von den chinesischen Behörden in Tianjin angestrengten Reformen im Bereich der Hygiene hatten.²⁰²
Vgl. Eckart, Medizin und imperialistischer Krieg, S. 146. Ebd. Vgl. Schmitt-Englert, Barbara: Deutsche in China 1920 – 1950. Alltagsleben und Veränderungen, Grossenberg: Ostasien Verlag, 2012, S. 458. Vgl. Rogaski, Weisheng, S. 150 – 179.
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Die deutsche Poliklinik in Chongqing Im Jahr 1891 wurde gemäß dem im Jahr 1890 unterzeichneten Vertrag zwischen Großbritannien und China die Öffnung von Chongqing als erstem inländischen „Vertragshafen“ in China erzwungen. In der Folge trafen allmählich auch zahlreiche Deutsche in Chongqing ein und im Jahr 1904 wurde dort ein deutsches Konsulat errichtet, das für die Angelegenheiten in der Provinz Sichuan 四川 verantwortlich war. Um die deutsche Kultur in Sichuan zu verbreiten und die deutschen Interessen in diesem Gebiet zu fördern, wurde die Ansiedlung eines deutschen Konsulatsarztes und die Einrichtung einer deutschen Poliklinik für Chinesen angestrengt.²⁰³ Im Jahr 1905 beschloss das deutsche Auswärtige Amt, Dr. Paul Assmy (1869 – 1935) als Konsulatsarzt nach Chongqing zu entsenden und dort eine deutsche Poliklinik aufzubauen. Assmy traf im April 1906 in Chongqing ein und am 1. Juli 1906 wurde die Poliklinik unter seiner Leitung eröffnet. Abgesehen von vorübergehenden Kranken- und Urlaubsvertretungen durch andere Militärärzte hatte Assmy seit seiner Ankunft in Chongqing ununterbrochen die Leitung der Poliklinik inne. Ab ihrer Inbetriebnahme genoss die Poliklinik stets einen großen Zulauf, was zu baulichen Erweiterungen und im April 1911 zu ihrem Umzug führte. Mit dem Abbruch der deutsch-chinesischen diplomatischen Beziehungen 1917 wurde die Poliklinik in „Rotes-Kreuz-Hospital Chungking“ umbenannt, um so ihren Bestand zu sichern. Nach Kriegsende musste Assmy, wie viele weitere Deutsche, nach Deutschland zurückkehren. Assmy löste die Poliklinik auf und veräußerte ihre Materialbestände an das Chinesische Rote Kreuz. Zwar verblieb Assmy schließlich weiterhin in China, allerdings stellte das deutsche Auswärtige Amt ab April 1919 die finanzielle Unterstützung der Poliklinik ein.
3.4 Die Deutsche Medizinschule für Chinesen in Shanghai Auch wenn bereits zuvor in den Hospitälern der deutschen Missionsgesellschaften eine Ausbildung von chinesischen Ärzten in unterschiedlichem Grad erfolgte, war die „Deutsche Medizinschule für Chinesen in Shanghai“ die erste spezielle medizinische Unterrichtsanstalt, die nach den Standards der modernen westlichen Medizin von Deutschen in China betrieben wurde. Ihre Einrichtung, die zunächst auf eine private Initiative hin vorgeschlagen wurde, hing eng mit der deutschen Kulturpolitik in China zusammen und wurde inoffiziell durch die deutsche Regierung unterstützt.
Vgl. Reinbothe, Kulturexport und Wirtschaftsmacht, S. 142– 143.
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I Hintergründe deutscher Darstellung von chinesischer Medizin in der Kolonialzeit
Die Entstehung der deutschen Medizinschule in Shanghai kann in erster Linie auf die Gründung eines deutschen Hospitals für Chinesen zurückgeführt werden. Anfang 1902 wurde das Hospital unter dem Namen „Tung Chee-Hospital“ (TongjiHospital)²⁰⁴ eröffnet. Das Hospital fand regen Zuspruch unter chinesischen Kranken und erfreute sich eines guten Rufs in Shanghai. Die Gründung des TongjiHospitals erfolgte nicht nur aus humanitären Erwägungen, sondern zielte auch auf deutsche Propaganda auf ärztlichem Gebiet ab und diente somit deutschen kulturimperialistischen Zielen.²⁰⁵ Aufgrund dieser Ansicht und auf Grundlage des beachtlichen Erfolgs des Tongji-Hospitals traf die Idee, dem Hospital eine Medizinschule anzugliedern, auf breite Zustimmung und Unterstützung. Nach der Eröffnung der deutschen Medizinschule für Chinesen in Shanghai am 1. Oktober 1907 verlief die Lehrtätigkeit planmäßig. Das Tongji-Hospital diente mit all seinen Einrichtungen und seinem Krankenmaterial der Medizinschule zu Unterrichtszwecken. Die Vorschule zielte vor allem auf die Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse und einer umfassenden naturwissenschaftlichen Bildung, so dass die chinesischen Schüler das Fachstudium auf Deutsch absolvieren konnten sowie über ein breites Allgemeinwissen verfügten.²⁰⁶ Die Ausbildung an der Vorschule dauerte anfangs drei Jahre und wurde 1912 auf vier und 1917 auf fünf Jahre erweitert.²⁰⁷ Nach der Vorschule begann das medizinische Fachstudium, das fünf Jahre dauerte und in ein zweijähriges Vorklinikum und ein dreijähriges Klinikum unterteilt war. Im Vorklinikum lag der Schwerpunkt der Ausbildung auf der „Kenntnis des Baues und der Funktionen des menschlichen Körpers und der dazu nötigen Hilfswissenschaften“, folglich wurden Physiologie und Anatomie sowie Physik, Chemie, Botanik, Zoologie, Entwicklungsgeschichte und klinische Propädeutik unterrichtet.²⁰⁸ Die Lehrtätigkeit übernahmen von Deutschland nach Shanghai entsandte Dozenten. Das Vorklinikum endete mit einer Vorprüfung, dem Physikum. Nach dem Bestehen der Prüfung konnten die Studenten zum
„Tung Chee“ (Tongji 同济) entspricht im Shanghai-Topolekt dem Wort „Deutsche“ und ist gleichzeitig die bekannte Kurzform der chinesischen Redewendung: „Wer im selben Boot sitzt, muss sich gegenseitig helfen“ (Tongzhou gongji 同舟共济). Vgl. Reinbothe, Roswitha (Hg.): Tongji-Universität in Shanghai. Dokumente zur Gründungsgeschichte, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2009, S. 35. Vgl. Schab, Oskar von: „Entwicklung und Zukunft der Medizinschule in Shanghai“, in: Asien. Organ der Deutsch-Asiatischen Gesellschaft 13, 4 (1914), S. 49. Bieg-Brentzel, Die Tongji-Universität, S. 4– 5. Satzung und Hausordnung der Deutschen Medizinschule in Shanghai 1911. Zitat nach Reinbothe, Tongji-Universität, S. 213.
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klinischen Studium zugelassen werden. Im Klinikum wurde der Schwerpunkt darauf gelegt, den Studenten in theoretischer und praktischer Hinsicht „die Kenntnis der Krankheiten und deren Heilung“ zu vermitteln.²⁰⁹ In dieser Phase wurden zunächst grundlegende pathologische Kenntnisse vermittelt, die im Wesentlichen die Fächer Allgemeine Pathologie, Pathologische Anatomie und Spezielle Pathologische Anatomie umfassten, daneben beinhaltete der Lehrplan Unterricht in den Disziplinen Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Bakteriologie und Hygiene sowie Psychiatrie. Dazu gehörten auch deutsche Literatur und chinesische Klassiker der Medizin. Die Medizinschule in Shanghai setzte sich das Ziel, chinesische Schüler als praktische Ärzte nach deutschem medizinischem Standard auszubilden, weshalb der Lehrplan nach dem Muster der medizinischen Ausbildung an deutschen Universitäten gestaltet wurde.²¹⁰ Jedoch entwickelte sich die Lehrtätigkeit in der Praxis nicht vollständig entsprechend den deutschen Absichten, sondern wurde durch viele Faktoren beeinflusst, die auf chinesische Besonderheiten zurückzuführen waren. Neben den sprachlichen Schwierigkeiten, die sich insbesondere im Unverständnis der chinesischen Schüler für die lateinischen medizinischen Fachbegriffe darstellten,²¹¹ zeigte sich das Hauptproblem in der eigentlichen medizinischen Ausbildung. Zur Anpassung an die Verhältnisse in China wurde der Lehrplan immer wieder korrigiert²¹² und die praktischen Lehrinhalte und -methoden an der Medizinschule, die sich in einigen Punkten von denen der medizinischen Fakultäten in Deutschland unterschieden, reflektierten ebenso bestimmte chinesische Eigenarten.²¹³ Wenngleich das medizinische Fachstudium durch das gesellschaftliche Umfeld in China geprägt war, wich die Entwicklung der Lehrtätigkeit nicht von der europäischen Wissenschaft und ihren Unterrichtsmethoden ab und so konnten einige moderne chinesische Ärzte ausgebildet werden. Das fünfjährige Fachstudium wurde mit einer Approbationsprüfung abgeschlossen. Im Juni 1912 bestanden drei Studenten die Prüfung und wurden die ersten approbierten Ärzte, die die Medizinschule absolviert hatten. Neben der Ausbildung von chinesischen Medizinern leistete die Medizinschule auch wissenschaftliche Forschungsarbeit. Die Verbindung von Forschung
Ebd. Vgl. Li Lezeng, Deguo duihua zhengce, S. 52. Vgl. Li Lezeng, Deguo duihua zhengce, S. 53. Vgl. Li Lezeng, Deguo duihua zhengce, S. 52. Für eine ausführliche Darstellung der konkreten Lehrtätigkeit an der Medizinschule sowie der aufkommenden Schwierigkeiten und Probleme vgl. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 152– 159.
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I Hintergründe deutscher Darstellung von chinesischer Medizin in der Kolonialzeit
und Lehre war seit dem 19. Jahrhundert an deutschen Universitäten Tradition. Folglich hatte eine gewisse Zahl der Medizindozenten aus Deutschland, die an der Medizinschule in Shanghai unterrichteten, die Fortsetzung ihrer medizinischen Forschungsarbeiten in China zum Ziel. Zugleich förderten sie auf diese Weise bewusst die deutsche Kulturarbeit in China. Dazu dienten vor allem das Institut für Pathologie und das Institut für Bakteriologie und Hygiene, die 1913 im Anschluss an die Medizinschule im Tongji-Hospital eingerichtet wurden.²¹⁴ Das Institut für Pathologie wurde von Dr.Walther Fischer (1882– 1969) geleitet und enthielt „ein pathologisch-anatomisches Laboratorium, einen Sammlungsraum für die pathologisch-anatomischen Präparate, einen Saal für den histologischen Kurs, ferner einen kleinen Sektionsraum“, der gleichzeitig auch vom Institut für Bakteriologie und Hygiene benutzt wurde.²¹⁵ Die Arbeit am Institut für Bakteriologie und Hygiene übernahm Dr. Hermann Dold (1882– 1962). Es bestand unter anderem aus zwei bakteriologischen Laboratorien, einem hygienischen Laboratorium und einem Raum für die Abbildungen und Tabellen, die für den bakteriologischen und hygienischen Unterricht notwendig waren.²¹⁶ Daneben teilten sich beide Institute einen großzügig gestalteten Hörsaal, einen Raum für Mikroskopiekurse, ein kleines Zimmer für chemische Untersuchungen und eine Bibliothek.²¹⁷ Infolge der hohen Patientenzahl im Tongji-Hospital waren die Aufgaben und das Material zur medizinischen Forschung umfangreich. Obwohl der Unterricht an der Medizinschule und die laufenden Untersuchungen viel Zeit erforderten, wurden von den deutschen Medizindozenten bis zur Unterbrechung des Lehrbetriebs im Jahr 1917²¹⁸ bereits Forschungsergebnisse erzielt, von denen einige in medizinischen Zeitschriften in Deutschland veröffentlicht wurden. Inhaltlich bezog sich das Forschungsgebiet im Wesentlichen auf die in Shanghai auftretenden Krankheiten. Dadurch wurden dem deutschen medizinischen Publikum die Krankheiten in China teilweise vorgestellt und diese Tätigkeit bildete einen Bestandteil des medizinischen Forschungssystems in Deutschland. Bei der Forschungsarbeit an der Medizinschule kooperierten die deutschen Dozenten zum
Fischer, Walther: „Die Deutsche Medizinschule für Chinesen in Shanghai“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 62, 3 (1915), S. 81. Ebd. Ebd. Fischer, Walther: „Die Deutsche Medizinschule für Chinesen in Shanghai“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 41, 15 (1915), S. 444. Zwar konnte die Lehrtätigkeit am 16. April 1917 in Wusong 吴淞 bei Shanghai wiederaufgenommen werden, allerdings ging die Schulleitung nun in chinesische Verantwortung über.
4 Zusammenfassung
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Teil mit ihren chinesischen Medizinstudenten, was die Einführung wissenschaftlicher Forschungsmethoden unter Chinesen mit sich brachte. Insgesamt betrachtet dienten die vielseitigen deutschen medizinischen Tätigkeiten in China zum einen der ärztlichen Versorgung der in China lebenden Deutschen beziehungsweise Europäer, zum anderen als „Element und Instrument deutscher auswärtiger Politik“, aber auch der Vergrößerung des deutschen Einflusses in China.²¹⁹ Diesem Ziel gemäß und gelegentlich auch aus Rücksicht auf die Gesundheit der Deutschen erstreckte sich ihr Arbeitsbereich auch auf die chinesische Bevölkerung. So boten sie den Chinesen nicht nur durch die Gründung von Hospitälern und Polikliniken ärztliche Hilfe, sondern übernahmen auch Aufgaben der medizinischen Forschung und Ausbildung, wodurch sie in praktischen Kontakt mit vielen Einzelheiten der chinesischen Medizin traten.
4 Zusammenfassung Die geschilderten Entwicklungen bildeten den grundlegenden Hintergrund der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit. Im Verlauf der deutschen Geschichte bildeten sich verschiedenste Themen, Ansichten und Stereotype über die chinesische Medizin heraus. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann zwar bereits eine zunehmende Tendenz von Darstellungen negativer Prägung einzusetzen, jedoch nahmen noch bis zum Opiumkrieg positive Einschätzungen eine hervorgehobene Rolle bei der deutschen Darstellung ein. Das entsprechende Wissen und die bisherigen Betrachtungen wurden von den deutschen Beschreibern in der Kolonialzeit vor ihrem Kontakt mit der chinesischen Medizin in unterschiedlichem Maße akzeptiert. Gleichzeitig beeinflussten die unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklungen, insbesondere im medizinischen Bereich, in Deutschland und China von der Mitte des 19. bis zu den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die deutsche Wahrnehmung und das Verständnis von der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit. Dabei spielten aber nicht nur manche sich daraus ergebende Standpunkte und Einstellungen zu China und Chinesen, sondern auch die sich im medizinischen Bereich stets vergrößernde Divergenz und Distanz zwischen Deutschland und China eine große Rolle. Jedoch war der Grad der Zugehörigkeit zum kulturellen Mainstream und die Rezeption der dominanten Strömungen abhängig von jedem Individuum selbst.
Vgl. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 3.
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I Hintergründe deutscher Darstellung von chinesischer Medizin in der Kolonialzeit
Mit der Entwicklung der deutschen kolonialen Expansion erfolgten eine Reihe von medizinischen Tätigkeiten in China. Diese hatten verschiedene Ziele und erstreckten sich im Prozess der Durchführung häufig auf die chinesische Bevölkerung. Dadurch konnten umfangreiche Materialien und zahlreiche Erfahrungen über die chinesische Medizin gesammelt werden. Auf diese Weise wurde die chinesische Medizin von den deutschen Beschreibern in der Kolonialzeit sowohl in akademisch-theoretischer als auch in praktischer Form erfasst und behandelt. Mit den vorab tradierten Kenntnissen über die chinesische Medizin und bedingt durch eigene kulturelle Tendenzen kamen die deutschen Beschreiber persönlich oder auf anderem Weg mit der chinesischen Medizin in Berührung. So bildeten sich Ansichten und Einschätzungen zu ihren verschiedenen Aspekten heraus, die daraufhin in zahlreichen deutschen Arbeiten niedergeschrieben und publiziert wurden.
II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit Im Verlauf der deutschen kolonialen Expansion in China entstand eine große Anzahl deutscher medizinischer Arbeiten, die sich mit der chinesischen Medizin befassten und in verschiedenen Formen publiziert wurden. Diese Publikationen stammten zu weiten Teilen aus der Feder der Missionsärzte und Missionare, der Militärärzte sowie der medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler. Sie entstanden mehrheitlich, indem Deutsche, die während dieser Zeit in China medizinisch tätig waren, die chinesische Medizin vorstellten, ihre persönlichen Erlebnisse in China aufzeichneten und über ihre Arbeit berichteten. Weiterhin wurden aber auch Forschungsarbeiten zur chinesischen Medizin von Deutschen veröffentlicht, die sich in nicht-medizinischer Funktion in China aufhielten oder China nie besucht hatten, sich dennoch für die chinesische Medizin interessierten und sich mithilfe von ihnen zugänglichen Materialien mit diesbezüglichen Fragen beschäftigten. Alle diese Publikationen können als eine Form von interkultureller Tätigkeit angesehen werden; allerdings unterschieden sich die konkreten Beschreibungen und Beurteilungen der verschiedenen Verfasser infolge ihrer Unterschiede in der sozialen Zugehörigkeit, beruflichen Funktion, gedanklichen Anschauung sowie dem konkreten Ort und der Dauer ihres Aufenthalts in China. Die Veröffentlichungen erfolgten zum einen in Form von Arbeitsberichten, Zeitungsartikeln und wissenschaftlichen Abhandlungen und wurden vor allem in den von den deutschen Missionsgesellschaften herausgegebenen Zeitschriften sowie in medizinischen Fachzeitungen und -zeitschriften publiziert. Sie bildeten in quantitativer Hinsicht den Hauptteil der Publikationen zur chinesischen Medizin im betreffenden Zeitraum. Ihre Leserschaft konzentrierte sich in erster Linie auf missionarische und medizinische Kreise und deren Umfeld. Zum anderen wurden auch einige davon als Propagandabroschüren, Monographien, Tagebuchsammlungen und Forschungsberichte eigenständig oder als Teil eines Buchs veröffentlicht und fanden ihre Leserschaft in der Regel in der breiteren Öffentlichkeit, wenngleich derartige Publikationen nicht die Mehrzahl darstellten. Ausgehend von den Unterschieden in der Schreibart lassen sich diese Publikationen im Allgemeinen in zwei Kategorien einteilen. Zum einen ist ein Teil davon den deskriptiven oder forscherischen Arbeiten zuzurechnen, deren Verfasser auf eine „objektive“ Darstellung der chinesischen Medizin und der diesbezüglichen Verhältnisse von Krankheiten und Hygiene in China abzielten und sich einer eigenen Beurteilung weitgehend enthielten. Zum anderen waren manche Beschreiber bestrebt, mit ihrer Darstellung die eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen, weshalb diese Arbeiten häufig den Charakter einer subhttps://doi.org/10.1515/9783110664294-004
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
jektiven Betrachtung hatten und die Verfasser dabei auch eigene positive und negative Werturteile ausdrückten. Im Sinne einer besseren Übersicht werden die Publikationen nachfolgend nach ihren Verfassern in drei Gruppen klassifiziert, nämlich in die Publikationen der Missionsärzte und Missionare, die Publikationen der Militärärzte, und die Publikationen der medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler.
1 Publikationen der Missionsärzte und Missionare Bereits vor der Ankunft spezialisierter Missionsärzte in China betätigten sich die deutschen Missionare ärztlich. Folglich begannen sie früher als die Missionsärzte, ihre medizinischen Erlebnisse in China niederzuschreiben. Jedoch bildeten die Arbeiten der Missionsärzte in quantitativer und inhaltlicher Beziehung den wichtigeren Teil der entsprechenden Publikationen. In der Zeit des deutschen Kolonialismus entsandten nur die protestantischen Missionsgesellschaften ihre eigenen Missionsärzte nach China. Als ihre herausragenden Vertreter in der Beschreibung der chinesischen Medizin sind hierbei insbesondere die Missionsärzte Dr. Gottlieb Olpp, Dr. Hermann Wittenberg und Dr. Hermann Vortisch zu nennen. Dr. Gottlieb Olpp (1872– 1950) stammte aus einer Missionarsfamilie und war ein Missionsarzt der Rheinischen Missionsgesellschaft. Er erreichte China im Jahr 1898 nach einer speziellen Ausbildung in Tropen- und Infektionskrankheiten und war in Dongguan in der Provinz Guangdong tätig. Bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland 1907 übernahm Olpp vor allem die ärztliche Arbeit im lokalen Missionshospital der Rheinischen Missionsgesellschaft. Zur besseren Kommunikation mit einheimischen Kranken lernte Olpp vor der Aufnahme der eigentlichen ärztlichen Arbeit anderthalb Jahre lang die chinesische Sprache in Dongguan. So konnte er sich durch das Studium von chinesischen medizinischen Werken Kenntnisse in der chinesischen Medizin aneignen. Im Laufe seiner Tätigkeit in Dongguan sammelte er zum einen umfangreiche tropenmedizinische Erfahrungen, zum anderen erarbeitete er sich durch seine intensive Forschungsarbeit ein weitreichendes Wissen über die chinesische Medizin. Auf dieser Basis veröffentlichte Olpp eine Reihe von Arbeiten, wodurch er einen großen Beitrag zur Vorstellung der chinesischen Medizin beim deutschen Publikum leistete. Inhaltlich lassen sich die von Olpp bis 1918 fertiggestellten Publikationen in Bezug auf die chinesische Medizin in zwei Gruppen einteilen. Zum einen schilderten seine Publikationen die konkreten Aktivitäten Olpps in Dongguan. Teilweise wurden seine Arbeitsberichte im alljährlich in deutscher, englischer und chinesischer Sprache erscheinenden Jahresbericht des Dongguan-Hospitals, „Das
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Tungkuner Hospital der Rheinischen Missions-Gesellschaft“, veröffentlicht.¹ Der Jahresbericht wurde in erster Linie den durch regelmäßige Jahresbeiträge das Hospital unterstützenden deutschen, englischen und chinesischen Kaufleuten etc. (den Subskribenten) in Hongkong, Kanton und Schanghai überreicht, sowie den für die Arbeit in Tungkun speziell sich interessierenden Freunde[n] in Deutschland […] übersandt […],²
um ihr Interesse zu binden und zu fördern. Olpp schilderte in seinen Arbeitsberichten ausführlich unter anderem die Baugeschichte des Hospitals, die tägliche Verwaltungs- und Missionsarbeit im Hospital und die vielfältigen ärztlichen Tätigkeiten. Er betonte auch die durch die ärztliche Arbeit erzielten Erfolge in Dongguan, wobei er auf die endemischen Krankheiten und einige medizinische Bräuche und Anschauungen der lokalen Chinesen einging. Gleichzeitig erschienen auch weitere Berichte Olpps über seine persönlichen Erlebnisse mit der ärztlichen Missionsarbeit in China in verschiedenen missionarischen Zeitungen und Zeitschriften, darunter „Mein erstes Jahr in Tungkun“,³ „Bilder aus der ärztlichen Mission in Tungkun“,⁴ „Mitteilungen aus Tungkun“.⁵ Inhaltlich wiederholten sich darin die Schilderungen aus den Arbeitsberichten in einigen Punkten, jedoch wurden sie nun durch ergänzende Bemerkungen vertieft. Zum anderen befassten sich einige Publikationen Olpps speziell mit der chinesischen Medizin. Ein Teil davon wurde von 1902 bis 1905 unter dem Titel „Briefe aus China“ in der „Münchener Medizinischen Wochenschrift“ veröffentlicht.⁶ Diese galt als eine der führenden medizinischen Fachzeitschriften in
Beispielsweise Olpp, Gottlieb: „Bericht des Dr. Olpp über das neue Hospital“, in: Das Tungkuner Hospital der Rheinischen Missions-Gesellschaft. Jahresbericht 1903 (1904), S. 4– 12; ders.: „Bericht von Dr. Olpp“, in: Das Tungkuner Hospital der Rheinischen Missions-Gesellschaft. Jahresbericht 1904 (1905), S. 7– 16; ders.: „Bericht von Dr. Olpp“, in: Das Tungkuner Hospital der Rheinischen Missions-Gesellschaft. Jahresbericht 1905 (1906), S. 6 – 32; ders.: „Bericht von Dr. Olpp“, in: Das Tungkuner Hospital der Rheinischen Missions-Gesellschaft. Jahresbericht 1906 (1907), S. 6 – 16; und andere. Olpp, Bilder aus der ärztlichen Mission, S. 251, Anmerkung. Olpp, Gottlieb: „Mein erstes Jahr in Tungkun“, in: Das Missionsblatt 74 (1899), S. 62– 64. Olpp, Gottlieb: „Bilder aus der ärztlichen Mission in Tungkun“, in: Berichte der Rheinischen Missions-Gesellschaft 62, 11 (1905), S. 241– 259. Olpp, Gottlieb: „Mitteilungen aus Tungkun“, in: Die Ärztliche Mission 1, 4/5 (1906), S. 54– 57, 74– 77. Olpp, Gottlieb: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 50 (1902), S. 2106 – 2107; ders.: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 50, 23 (1903), S. 588 – 589; ders.: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 50, 25 (1903), S. 1086; ders.: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 50, 36 (1903),
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
Deutschland, weshalb die in ihr veröffentlichten Artikel auch einen gewissen Einfluss in medizinischen Kreisen ausübten. Inhaltlich basierten sie auf der chinesischen medizinischen Literatur, wobei das Hauptaugenmerk insbesondere auf der Darstellung der Geschichte der chinesischen Medizin, der medizinischen Literatur in China, des chinesischen Gesundheitssystems sowie der Krankheiten und ihrer Bekämpfung in China lag. Der akademische Wert dieser Arbeiten wurde von dem Medizinhistoriker Dr. Franz Hübotter (1881– 1967) in den 1920er Jahren hervorgehoben, auch indem er sie in seinem bedeutendsten Werk, „Die Chinesische Medizin zu Beginn des XX. Jahrhunderts und ihr historischer Entwicklungsgang“, als wichtige Abhandlungen anführte.⁷ Ferner verfasste Olpp auf Basis des Kontakts mit Patienten mit chronischer Opiumvergiftung und diesbezüglichen Forschungsberichten anderer Kollegen einen ausführlichen Bericht mit dem Titel „Die chronische Opiumvergiftung der Chinesen“,⁸ der 1906 in der „Münchener Medizinischen Wochenschrift“ erschien. Darin wurden verschiedene Aspekte des Opiums in China erläutert, darunter Geschichte und Herstellung von Opium, Opiumhandel, Methoden des Opiumrauchens, die Ätiologie, Symptomatologie und Diagnostik der Opiumvergiftung sowie ihre therapeutischen Methoden und Wirkungen. Neben Artikeln verfasste Olpp nach seiner Rückkehr nach Deutschland eine Monographie über die chinesische Medizin mit dem Titel „Beiträge zur Medizin in China mit besonderer Berücksichtigung der Tropenpathologie“,⁹ die gleichzeitig seine Habilitationsschrift war.¹⁰ Die Veröffentlichung dieser Arbeit wurde durch die wiederholt an ihn gerichteten „Fragen von Marine-, Schiffs- und Missionsärzten über medizinische und speziell tropenpathologische Verhältnisse in Chi-
S. 1569 – 1570; ders.: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 50, 38 (1903), S. 1653 – 1654; ders.: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 51, 29 (1904), S. 1318 – 1319; ders.: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 51, 30 (1904), S. 1364– 1365; ders.: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 52, 13 (1905), S. 620 – 621. Hübotter, Franz: Die Chinesische Medizin zu Beginn des XX. Jahrhunderts und ihr historischer Entwicklungsgang, Leipzig: Verlag der Asia Major, 1929, S. 7. Olpp, Gottlieb: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 53, 9 (1906), S. 428 – 432; ders.: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 53, 10 (1906), S. 474– 477; ders.: „Briefe aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 53, 11 (1906), S. 524– 526. Olpp, Gottlieb: „Beiträge zur Medizin in China mit besonderer Berücksichtigung der Tropenpathologie“, in: Beihefte zum Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 14, 5 (1910). Riedl, Günther: Tungkun. Das erste deutsche Missionshospital in China, Witten: Verlag am Steinberg Gerd May, 1985, S. 34.
1 Publikationen der Missionsärzte und Missionare
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na“¹¹ veranlasst, wie er in der Einleitung schrieb. Die Monographie, die auf einem intensiven vielsprachigen Quellenstudium sowie seinen neunjährigen Beobachtungen und ärztlichen Erfahrungen in Dongguan beruhte, beleuchtete die medizinischen und hygienischen Verhältnisse des Alltagslebens in China und war in neun Kapitel gegliedert. Die ersten zwei Kapitel beschäftigten sich unter Verwendung zahlreicher originaler Abbildungen und zeitgenössischer Forschungsarbeiten mit den chinesischen Medizinkenntnissen und hygienischen Gebräuchen; der Schwerpunkt der Arbeit lag jedoch auf der Darstellung der durch verschiedenartige Erreger verursachten Krankheiten, die in den übrigen sieben Kapiteln „Blutsaugende Insekten und Arachniden in China“, „Giftschlagen in China“, „Zur Helminthologie in China“, „Durch Protozoen verursachte Krankheiten“, „Durch Bazillen hervorgerufene Krankheiten“, „Krankheiten noch nicht genügend geklärter Ätiologie“ und „Über kosmopolitisch auftretende Krankheiten“ behandelt wurden. Ans Ende der Monographie fügte Olpp ein nach Kapitelüberschriften geordnetes Literaturverzeichnis, in dem zahlreiches Forschungsmaterial über die besprochenen Gebiete der chinesischen Medizin aufgeführt wurde. Diese Monographie nahm in Hinsicht auf den zeitgenössischen deutschen Kenntnisstand von Medizin, Hygiene und Krankheiten in China einen herausragenden Platz ein. Bekannter noch war sie allerdings für ihre detaillierte Bibliographie, wie die Rezension in der medizinischen Fachzeitschrift „Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten“ festhielt: „Jeder nach China hinausgehende Arzt sollte sich das vorliegende Buch als Nachschlagewerk mitnehmen, das ein ausführliches Literaturverzeichnis enthält.“¹² Weiterhin wurden auch zahlreiche Arbeiten Olpps zur ärztlichen Mission und der Tropenmedizin veröffentlicht. In diesen wurde die chinesische Medizin allerdings nur wenig diskutiert. Dr. Hermann Wittenberg (1869 – 1951) war der erste Missionsarzt der Basler Missionsgesellschaft in China und war von 1893 bis 1909 vor allem am Missionshospital in der Stadt Jiayingzhou in der Provinz Guangdong tätig. Er stammte aus einer unvermögenden Lehrerfamilie und trat zum Studium der Medizin in die Basler Missionsgesellschaft ein, von welcher er finanzielle Unterstützung erhalten konnte.Von 1888 bis 1893 studierte er Medizin in Bonn, Basel und Tübingen, wo er im Jahr 1893 promovierte und anschließend zur Vorbereitung auf die bevorstehende überseeische Arbeit für ein halbes Jahr nach London entsandt wurde. Dort konnte er nicht nur seine Englischkenntnisse verbessern, sondern auch weitrei-
Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 7. Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten 48, 2 (1911), S. 52.
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
chende Kenntnisse über Tropenkrankheiten erlangen und die Technik der StarOperation erlernen.¹³ Über die Entsendung nach China war Wittenberg hocherfreut. China war für ihn keineswegs ein barbarisches, unzivilisiertes Land, sondern eine alte Kulturnation. Diese, der vorherrschenden Meinung entgegenstehende, Einstellung zu China, die in der damaligen deutschen Gesellschaft wenig geteilt wurde, bildete seine Grundhaltung im Kontakt mit den Chinesen und beeinflusste insofern auch seine Darstellung der chinesischen Medizin. Zu Beginn seiner Arbeit in China widmete sich Wittenberg zum einen dem Erwerb von Chinesischkenntnissen, zum anderen besuchte er die von britischen und amerikanischen Missionsgesellschaften im Umfeld seines Einsatzortes errichteten Hospitäler, um einen besseren Einblick in die lokalen Verhältnisse und in den Betrieb des ärztlichen Missionswesens zu gewinnen. In diesem Prozess verbesserte Wittenberg seine Sprachfähigkeit so weit, dass er imstande war, sich mithilfe der chinesischen medizinischen Literatur Kenntnisse über das chinesische Medizinalwissen anzugeignen. Gleichzeitig gewann er auch Erfahrung hinsichtlich der Behandlung von chinesischen Patienten. In Bezug auf die chinesische Medizin veröffentlichte Wittenberg während seines Aufenthalts in China einige Artikel in deutschen Zeitschriften. Hervorzuheben sind hierbei zwei im „Jahresbericht der Evangelischen Missionsgesellschaft zu Basel“ publizierte Arbeiten, „Anfang unserer ärztlichen Mission in China“¹⁴ und „Ein Krankenbesuch“.¹⁵ Dabei handelte es sich um Auszüge seiner frühen Arbeitsberichte. Der erste beschäftigte sich vor allem mit den von ihm am häufigsten behandelten Krankheiten und einigen besonderen Gewohnheiten der einheimischen Patienten. Der zweite Artikel schilderte den konkreten Verlauf eines Krankenbesuchs, der damals eine übliche Form der ärztlichen Behandlung in China darstellte. „Ärztliche Erfahrungen aus Süd-China“¹⁶ war eine wissenschaftliche Abhandlung, die Wittenberg im Jahr 1899 auf Grundlage seiner mehrjährigen medizinischen Praxis in Jiayingzhou verfasste und 1900 in der autoritativen deut Vgl. Jüttemann, Veronika: Im Glauben vereint. Männer und Frauen im protestantischen Milieu Ostwestfalens 1845 – 1918, Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag, 2008, S. 435; Fabricius, Eva-Maria: „Die Arbeit der Missionsärzte der Basler Mission in Kayintschu (Südchina)“, in: Christian Ammer (Hg.): Überleben. Gabe und Aufgabe. Festgabe der Evangelischen Forschungsakademie Andreas Lindemann zum 70. Geburtstag mit Beiträgen der 131. Tagung und Gastbeiträgen, Hannover: Evangelische Forschungsakademie, 2013, S. 195. Wittenberg, Hermann: „Der Anfang der ärztlichen Mission in China“, in: Jahresbericht der Evangelischen Missionsgesellschaft zu Basel 79, (1894), S. 39 – 41. Wittenberg, Hermann: „Ein Krankenbesuch“, in: Jahresbericht der Evangelischen Missionsgesellschaft zu Basel 81, (1896), S. 47– 48. Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen.
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schen tropenmedizinischen Zeitschrift „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene“ veröffentlicht wurde. Zunächst beschrieb er die lokalen klimatischen Bedingungen und hygienischen Verhältnisse, darunter Geographie, Temperatur, Niederschlag, Wohnen, Essen, Trinken und die persönliche Reinlichkeit. Daran schloss er eine übersichtliche Schilderung der verschiedenen in seinem Einsatzgebiet häufig beobachteten Krankheiten an. Im Hauptteil der Arbeit analysierte er die Ursachen für das Auftreten einiger dieser Krankheiten. Während seines Aufenthalts erregte eine innovative Bewegung, die sich inmitten einer raschen Entwicklung in China befand, Wittenbergs Aufmerksamkeit. Auf dem Gebiet der Medizin entdeckte er die 1830 veröffentlichte berühmte medizinische Monographie des chinesischen Arztes Wang Qingren 王清任 (1768 – 1831) „Korrektur von Irrtümern im Wald der Heilkunde“ (Yilin gaicuo 医林改错). Mit dieser Arbeit war Wang bestrebt, einige Irrtümer in der chinesischen Medizin richtigzustellen. Die früheste englische Übersetzung des anatomischen und physiologischen Teils der Arbeit wurde von dem schottischen Missionsarzt Dr. John Dudgeon (1837– 1901) angefertigt und im Jahr 1893 unter dem Titel „A Modern Chinese Anatomist“ in der Zeitschrift „The China Medical Missionary Journal“ publiziert. Mit seinem Artikel „Ein moderner chinesischer Anatom“,¹⁷ der im Jahr 1908 in der missionsärztlichen Fachzeitschrift „Die Ärztliche Mission“ erschien, legte Wittenberg eine Übersetzung der Arbeit Dudgeons ins Deutsche vor. Dabei wurden die Hauptargumente in fünf Abschnitten beschrieben, nämlich „Kritik der anatomischen Ansichten der Alten“, „Die Luftgänge“, „Vom Blutumlauf“, „Das Nervensystem“ und „Der Puls“. Wittenberg betonte den fortschrittlichen Geist der Arbeit Wangs, wies aber zugleich auf einige darin enthaltene Fehler hin. Er vertrat die Ansicht, dass das Übersetzen von europäischen medizinischen, insbesondere anatomischen Werken ins Chinesische einen aktiven Beitrag zum Fortschritt der chinesischen Medizin leisten konnte. Ausgehend von einem ähnlichen, aber deutlicher kulturpolitischen Standpunkt hielt Wittenberg nach seiner Rückkehr nach Deutschland am 16. November 1909 einen Vortrag im Hallischen Verein für ärztliche Mission. Der Redetext mit dem Titel „Das neue China und die ärztliche Mission“¹⁸ wurde 1910 in der Zeitschrift „Die Ärztliche Mission“ publiziert. Zur Erläuterung und Betonung der Notwendigkeit sowie der positiven Bedeutung der ärztlichen Mission schilderte Wittenberg zunächst die sich in China in vielen Bereichen vollziehenden Reformen sowie die aus seiner Sicht negativen Zustände der chinesischen Medizin, die Wittenberg, Hermann: „Ein moderner chinesischer Anatom“, in: Die Ärztliche Mission 3, 3 (1908), S. 37– 44. Wittenberg, Hermann: „Das neue China und die ärztliche Mission“. in: Die Ärztliche Mission 5, 2 (1910), S. 25 – 31.
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vor dem Hintergrund der Reform grundsätzlich unverändert blieben. Auf dieser Basis beschrieb er ausführlich die Aufgaben und die konkrete Arbeit der Missionsärzte in China, darunter die ärztliche Tätigkeit unter Einheimischen und Mitgliedern der Missionsgesellschaften, die Mitwirkung an der Bekämpfung von Epidemien und des Opiumkonsums sowie die Verbreitung von Kenntnissen der europäischen Heilkunde unter der chinesischen Bevölkerung. Dr. Hermann Vortisch (1874– 1944) traf Ende 1906 als zweiter Missionsarzt der Basler Missionsgesellschaft in China ein. Er absolvierte von 1895 bis 1901 seine medizinische Ausbildung in Deutschland und legte im Jahr 1901 sein Staatsexamen und Doktorexamen in Tübingen ab.¹⁹ Vor der Entsendung nach China war Vortisch zwei Jahre als Missionsarzt an der Goldküste tätig gewesen, hatte aus gesundheitlichen Gründen Afrika aber verlassen müssen. In China praktizierte Vortisch vor allem in Heyuan in der Provinz Guangdong. Dort errichtete und leitete er von 1909 bis 1913 ein Missionshospital. Daneben leistete er auch medizinische Forschungsarbeit im Laboratorium des Hospitals. Vortisch hatte vor seiner Ankunft in China fast keine Kenntnisse von der chinesischen Medizin, aber infolge der früheren ärztlichen Auslandserfahrungen in Afrika lenkte er sein Interesse auch auf die medizinischen Probleme in China. Er war dem Schreiben sehr zugeneigt und machte sich durch das Büchlein „Hin und her auf der Goldküste. Aus dem Tagebuch eines Missionsarztes“²⁰ einen schriftstellerischen Namen. Auch über das Leben und die Arbeit in China verfasste Vortisch zahlreiche Berichte und Schriften und zugleich zielte sein Schreiben auch darauf ab, mit den Einkünften daraus etwaige Sonderausgaben des Hospitals zu decken, die prekären medizinischen Zustände in China einem deutschen Publikum vorzustellen und somit mehr Unterstützung aus seinem Heimatland zu gewinnen. Zum einen widmete sich Vortisch in seinen Arbeiten der konkreten medizinischen Betätigung in seinem Arbeitsbereich in China und veröffentlichte diese in Form von Aufsätzen und Büchern. In diesen Publikationen wurden die medizinischen Gebräuche und Anschauungen der lokalen Bevölkerung mehr oder weniger reflektiert. Eines seiner bekanntesten Werke war „Chinesische Patienten und ihre Ärzte. Erlebnisse eines deutschen Arztes“,²¹ das auch zu den wichtigsten Publikationen im Bereich der chinesischen Medizin in Deutschland zählte. Es war sein Anliegen,
Olpp, Gottlieb: Hervorragende Tropenärzte in Wort und Bild, München: Gmelin, 1932, S. 406. Vortisch, Hermann: Hin und her auf der Goldküste. Aus dem Tagebuch eines Missionsarztes, 2. Aufl., Basel: Basler Missionsbuchhandlung, 1907. Vortisch, Hermann: Chinesische Patienten und ihre Ärzte. Erlebnisse eines deutschen Arztes, Gütersloh: C. Bertelsmann Verlag, 1914.
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daß der Arzt und Ethnograph manches ihn Interessierende darin findet, daß aber auch der Missionsfreund sich über die einschlagenden chinesischen Verhältnisse leicht orientieren kann; gerade der Letztere wird darin mancherlei Stoff zur Belebung von Vorträgen finden.²²
Das Buch war insofern kein rein medizinisches Werk, sondern beschäftigte sich auf der Grundlage seiner eigenen Beobachtungen mit der Darstellung „von chinesischen Ärzten“, „von gesunden Patienten“, „von kranken Patienten“ und „vom Missionsarzt“, und beschrieb so die medizinischen Verhältnisse im Alltagsleben des chinesischen Volkes zur damaligen Zeit. Dennoch galt das Werk auch in der zeitgenössischen deutschen Tropenmedizin als einflussreich und wurde in der tropenmedizinischen Fachzeitschrift „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene“ als „interessantes, für Ärzte und Laien gleich lesenswertes Buch“²³ gepriesen. Ebenso war die Schrift „Der Missionsarzt in China“²⁴ eine von Vortischs wichtigeren Veröffentlichungen. Darin schilderte er am Beispiel eines Arbeitstages ausführlich seine tägliche Tätigkeit. Der Schwerpunkt seiner Darstellung lag auf konkreten Fällen, die er vom Morgen bis in die Nacht im Hospital und in der Außenpraxis antraf und behandelte. Zugleich zeigte Vortisch so die lokalen medizinischen Verhältnisse. Diese Schrift zog die Aufmerksamkeit der Basler Missionsgesellschaft auf sich und wurde vom Verlag der Basler Missionsbuchhandlung in den Jahren 1913 und 1917 in zwei Auflagen publiziert. An ähnlichen Arbeiten sind unter anderem zu nennen: „Aus einer ärztlichen Praxis in China“,²⁵ „Auf der Außenpraxis eines Missionsarztes in China“,²⁶ „Aus dem Tagebuch eines Missions-Arztes in China“,²⁷ „Missionsärztliche Arbeit in China“,²⁸ „Erfahrungen und Erlebnisse eines deutschen Arztes im Innern Chinas“,²⁹ „Der deutsche Arzt im Reich der Mitte“³⁰ und „Aus dem Tagebuch eines
Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, Vorwort. Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 19, 1 (1915), S. 27. Vortisch, Hermann: Der Missionsarzt in China, Basel: Basler Missionsbuchhandlung, 1914/ 1917. Vortisch, Hermann: „Aus einer ärztlichen Praxis in China“, in: Ärztliche Rundschau 18, 37 (1908), S. 441– 443. Vortisch, Hermann: „Auf der Außenpraxis eines Missionsarztes in China“, in: Die Grenzboten: Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst 68, 4 (1909), S. 443 – 450. Vortisch, Hermann: „Aus dem Tagebuch eines Missions-Arztes in China“, in: Die Ärztliche Mission 9, 4 (1914), S. 80 – 83. Vortisch, Hermann: „Missionsärztliche Arbeit in China“, in: Verband der deutschen Vereine für ärztliche Mission (Hg.): Jahrbuch der ärztlichen Mission, S. 89 – 101. Vortisch, Hermann: „Erfahrungen und Erlebnisse eines deutschen Arztes im Innern Chinas“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 41, 1/2 (1915), S. 20 – 21, S. 47– 49. Vortisch, Hermann: „Der deutsche Arzt im Reich der Mitte“, in: Die Umschau 19, 31 (1915), S. 605 – 608.
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deutschen Arztes während der Revolution in China 1911/1912“.³¹ Diese waren kleine Aufsätze, die in Zeitschriften und Zeitungen publiziert wurden und inhaltliche Ähnlichkeiten mit den vorgenannten Arbeiten aufwiesen. Zum anderen interessierte sich der in Tübingen promovierte Arzt für die Erforschung von Krankheiten und schrieb einige wissenschaftliche Abhandlungen, die von den in China vorkommenden Krankheiten handelten und in medizinischen Fachzeitschriften wie dem „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene“ veröffentlicht wurden. Basierend auf seinen Erlebnissen als Arzt in Afrika und China stellte Vortisch einen Vergleich in medizinischer Hinsicht zwischen den beiden Regionen an und daraus resultierte die Arbeit „Vergleiche ärztlicher Erfahrungen in Westafrika und China“.³² Darin schilderte und verglich er in erster Linie Infektionskrankheiten und öffentliche Hygiene. Auf der Basis seiner vierjährigen Tätigkeit am Hospital in Heyuan von 1909 bis 1912 verfasste Vortisch den Bericht „Statistik einer chinesischen Poliklinik“.³³ Neben der detaillierten Aufzählung von Krankheiten, die in seinem Hospital behandelt wurden, lieferte er eine ausführliche Beschreibung bestimmter Krankheiten, wobei er das Hauptgewicht der Darstellung auf die Krankheitsursachen legte. „Land und Volk des Inneren der Kantonprovinz in hygienischer Beziehung“³⁴ war eine wichtige Abhandlung über die hygienischen Verhältnisse in den Gebieten des Volkes der Hakka in der Provinz Guangdong, wo er tätig war. In dieser Arbeit schilderte Vortisch in zwei Teilen – „Geographische Lage und Klima“ und „Bevölkerung“ – die lokalen hygienischen Bräuche. Im ausführlicheren zweiten Teil behandelte er „Nahrung“, „Körperpflege und Kleidung“, „Wohnungen“, „Landbau und Forstwirtschaft“ und „Soziale Sitten und Unsitten“ als Schwerpunkte. Abgesehen von den zusammenfassenden medizinischen Berichten beschäftigten sich einige von Vortischs Abhandlungen speziell mit bestimmten Krankheiten. Eine im Süden Chinas weit verbreitete Krankheit war der Aussatz. Vortisch erforschte diese chronische Infektionskrankheit und veröffentlichte seine Forschungsergebnisse in den Aufsätzen „Pest und Aussatz in China“³⁵ und „Die
Vortisch, Hermann: „Aus dem Tagebuch eines deutschen Arztes während der Revolution in China 1911/1912“, in: Ärztliche Rundschau 25, 10 (1915), S. 73 – 74. Vortisch, Hermann: „Vergleiche ärztlicher Erfahrungen in Westafrika und China“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 13, 5 (1909), S.153 – 157. Vortisch, Hermann: „Statistik einer chinesischen Poliklinik“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 17, 8 (1913), S. 253 – 262. Vortisch, Hermann: „Land und Volk des Inneren der Kantonprovinz in hygienischer Beziehung“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 19, 24 (1915), S. 641– 654. Vortisch, Hermann: „Pest und Aussatz in China“, in: Die Ärztliche Mission 7, 1 (1912), S. 3 – 12.
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Aussätzigen in China“³⁶ sowie zum Teil in einer kleinen Schrift mit dem Titel „Der Aussätzigen Not in alter und neuer Zeit“,³⁷ die vom Verlag der Basler Missionsbuchhandlung in den Jahren 1913 und 1920 veröffentlicht wurde. In diesen Arbeiten bearbeitete Vortisch den Aussatz in China unter verschiedenen Gesichtspunkten. So beschrieb er unter anderem die Anzahl und die Lebensbedingungen von Aussätzigen, die Einstellung und das Verhalten der Bevölkerung und der Regierung gegenüber den Erkrankten sowie die Arten, die Besonderheiten und Behandlungsmethoden von Aussatz. Weitere seiner wichtigeren, rein medizinischen Arbeiten waren unter anderem „Idiosynkrasie gegen Chinin“,³⁸ „Die Möller-Barlowsche Krankheit“,³⁹ „Über Säuglingsernährung in den Tropen“⁴⁰ und „Chinesische Splenomegalie“.⁴¹ Darüber hinaus stammte ein weiterer Artikel, „Aus der ärztlichen Wissenschaft der Chinesen“,⁴² aus der Feder Vortischs. Von einem befreundeten Missionar hatte er ein Holzmodell für Akupunktur sowie zahlreiche Zeichnungen und Erläuterungen zur chinesischen Pulslehre erhalten. Mithilfe dieser Instrumente erforschte Vortisch die chinesische Pulslehre. Das aus seinen Ergebnissen resultierende Werk war die einzige seiner Arbeiten, die sich unmittelbar und speziell mit der chinesischen Medizin befasste. Der Artikel handelte in erster Linie von den konkreten Inhalten der Pulslehre und ihren theoretischen Grundlagen. Trotz seiner Kürze „verdient der kleine Aufsatz als Beitrag zur Geschichte der Medizin durchaus unsere Beachtung“,⁴³ lautete das Urteil einer Rezension in der Zeitschrift „Hygienische Rundschau“. An der ärztlichen Mission des Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins in China waren insgesamt vier Missionsärzte beteiligt. Im Gegensatz zu den Missionsärzten der Rheinischen Missionsgesellschaft und der
Vortisch, Hermann: „Die Aussätzigen in China“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 20, 6 (1916), S. 141– 147. Vortisch, Hermann: Der Aussätzigen Not in alter und neuer Zeit, Basel: Basler Missionsbuchhandlung, 1913/1920. Vortisch, Hermann: „Idiosynkrasie gegen Chinin“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 13, 12 (1909), S. 373 – 378. Vortisch, Hermann: „Die Möller-Barlowsche Krankheit“, in: Archiv für Schiffs- und TropenHygiene 15, 12 (1911), S. 380 – 394. Vortisch, Hermann: „Über Säuglingsernährung in den Tropen“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 16, 3 (1912), S. 69 – 77. Vortisch, Hermann: „Chinesische Splenomegalie“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 17, 7 (1913), S. 242– 246. Vortisch, Hermann: „Aus der ärztlichen Wissenschaft der Chinesen“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 19, 4 (1915), S.113 – 117. Hygienische Rundschau 25, 12 (1916), S. 410.
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Basler Missionsgesellschaft hinterließen sie nur wenige publizierte Arbeiten zur chinesischen Medizin. Dr. Edmund Dipper (1871– 1933) kam als erster Missionsarzt dieses Vereins nach China. Er weilte ab Ende 1900 in Qingdao, trat im Jahr 1905 aus dem Dienst des Vereins aus und verließ im Jahr 1908 China.⁴⁴ In seinen publizierten Werken berichtete Dipper vor allem von seiner missionsärztlichen Arbeit in Qingdao, kaum jedoch über die chinesische Medizin. Der zweite Missionsarzt des Vereins, Dr. Willy Wick (1879 – 1976), der Medizin an den Universitäten in Greifswald und Kiel studierte und im Januar 1903 promoviert wurde, war von 1903 bis 1906 im Faberhospital in Qingdao tätig.⁴⁵ Von seinen Publikationen, die sich mit der chinesischen Medizin befassten, sind vor allem zwei zu erwähnen. Die erste war eine kurze Notiz über das Verhalten der Chinesen im Faberhospital,⁴⁶ die Wick im Anschluss an seinen Monatsbericht an die Heimatleitung des Vereins sandte. Darin schilderte er anhand konkreter Beispiele die Unsauberkeit der chinesischen Patienten aus seiner Sicht und dass ihr Verhalten häufig von den Verordnungen des Arztes abwich. Er beschrieb auch seine Hilflosigkeit gegenüber dieser Haltung. In seinem anderen Bericht, „Ein Besuch in einer chinesischen Stadt. Ärztliche Plauderei“,⁴⁷ der sein einziger in den Missionspublikationen des Vereins abgedruckter Beitrag war, beschrieb er seine persönlichen Erlebnisse einer Reise in eine chinesische Stadt. Zunächst wurden das Stadtbild, die Not der Kranken sowie ein „Kurpfuscher“ auf der Straße dargestellt. Sodann schilderte Wick seinen Besuch bei einem chinesischen Berufsarzt. Die Beschreibung dieses Besuchs bildete den Schwerpunkt des Artikels. Im Gespräch mit dem Arzt lernte Wick den Ausbildungsprozess chinesischer Berufsärzte und die verschiedenen Arten praktizierender Ärzte kennen. Bei dieser Gelegenheit wurde er auch Zeuge der Behandlung eines Kranken durch den Arzt, deren Wirksamkeit er jedoch anzweifelte. Wick empfand Mitleid für die kranken Chinesen und drückte seine Hoffnung aus, dass der aus den europäischen Ländern gebrachte medizinische Fortschritt das Elend in China lindern möge.
Im Jahr 1913 kehrte Dr. Dipper nach China zurück und arbeitete dort bis 1933, als er in Beijing starb. Balde, Joachim Heinrich: „Sechs biographische Skizzen von Ärzten“, in: Betriebsleitung der Städtischen Kliniken Kassel (Hg.): 200 Jahre Charité – Städtische Kliniken Kassel. Beträge zur Entwicklungsgeschichte des Krankenhauswesens von 1785 bis 1985, Kassel: Georg Wenderoth Verlag, 1985, S. 117. Wick, Willy: „Aus China“, in: Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft 20, 7 (1905), S. 223 – 224. Wick, Willy: „Ein Besuch in einer chinesischen Stadt. Ärztliche Plauderei“, in: Missionsblatt 23, 5/6 (1907), S. 35 – 37, 43 – 47.
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Der dritte Missionsarzt des Vereins war Dr. Richard Wunsch (1869 – 1911). Er traf im Juni 1908 in Qingdao ein, nachdem er 1901– 1905 als Hofarzt im Dienst des koreanischen Kaisers gestanden hatte und 1905 – 1908 als Gesandtschaftsarzt in Japan tätig gewesen war. Ausgerüstet mit einer systematischen medizinischen Ausbildung an der Universität Greifswald und einem reichen ärztlichen Erfahrungsschatz aus seiner Zeit in Ostasien, bot Wunsch den Kranken ausgezeichnete Dienstleistungen an und erlangte eine gute Reputation unter der einheimischen Bevölkerung. Er war allerdings nicht lang in Qingdao tätig, denn Wunsch verstarb bereits im März 1911 an den Folgen des Flecktyphus. Neben seiner vorzüglichen Arbeit für die Kranken galten „seine Jahresberichte und die Notizen aus seiner Arbeit im Hospital“, die von ihm an die Heimatleitung des Vereins gesandt wurden, als „hervorragend für die heimatliche Werbearbeit geeignet“.⁴⁸ Ein Bericht über das Faberhospital wurde im „Jahresbericht des Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins“ veröffentlicht.⁴⁹ Wunsch stellte in diesem Bericht eine statistische Tabelle über die Krankheiten zusammen, die im Jahr 1909 im Faberhospital behandelt beziehungsweise beobachtet wurden. Er schilderte einzelne Krankheiten, die häufiger als andere vorkamen und schwerwiegender verliefen, sowie die bemerkenswerten Fälle, von denen er Krankheitssymptome und die therapeutischen Maßnahmen als Schwerpunkte beschrieb. Aus seiner Darstellung ist klar erkennbar, bei welchen Krankheiten die lokale chinesische Bevölkerung bevorzugt europäische Ärzte konsultierte. Dr. Adolf Eyl (1872– 1916 oder später), der sein Medizinstudium in München absolvierte und Ende 1907 promoviert wurde, war der letzte Missionsarzt des Vereins in China. Im April 1911 traf er als Nachfolger Wunschs in Qingdao ein. Eyl hatte von Juni 1911 bis zur Schließung bei Kriegsbeginn die Leitung des Faberhospitals inne und verließ Qingdao im Dezember 1915. Im Laufe seiner Dienstzeit erstellte Eyl für die Heimatleitung des Vereins nur einen Jahresbericht,⁵⁰ der im „Jahresbericht des Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins“ erschien.⁵¹ Der Bericht handelte von der Arbeit im Faberhospital während des Jahres 1912. Eyl berichtete zunächst in einer kurzen Darstellung über die Fortschritte der Hospitalarbeit im Berichtsjahr und ging dann ausführlich auf die am häufigsten behandelten Krankheiten ein. In diesem Teil stellte er chinesische Behandlungsmethoden bei inneren und chirurgischen Krankheiten vor und beschrieb mehrere konkrete Krankheitsfälle, wobei er nicht nur die Symptome und
Gerber, Von Voskamps „heidnischem Treiben“, S. 210. Wunsch, Richard: „Das Faberhospital“, in: 26. JAEPM (1909), S. 58 – 67. Gerber, Von Voskamps „heidnischem Treiben“, S. 211. Eyl, Adolf: „Jahresbericht des Faberhospitals in Tsingtau“, in: 29. JAEPM (1912), S. 56 – 64.
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die Therapien der Krankheiten schilderte, sondern auch ihre möglichen Ursachen analysierte. Neben den Arbeiten der Missionsärzte wurde die chinesische Medizin gelegentlich auch in den Publikationen der Missionare behandelt. Obgleich diese zumeist keine medizinische Fachausbildung absolviert hatten, verfügten sie in der Regel über grundlegende ärztliche und pflegerische Kenntnisse. Auch sie waren im Zuge ihrer Tätigkeit in China häufig mit medizinischen Problemen konfrontiert, weshalb ihre Arbeiten über die chinesische Medizin ebenfalls erwähnenswert sind. Der 1884 in der Zeitschrift „Evangelisches Missions-Magazin“ veröffentlichte Artikel „Die ärztliche Mission in China“⁵² des Basler Missionars Otto Schultze (1857– 1930) war eine der wichtigeren Arbeiten, die von deutschen protestantischen Missionaren verfasst worden waren. Das „Evangelische Missions-Magazin“ diente in erster Linie „der Verbreitung theologischer und missionstheoretischer Beiträge, […] und richtete sich an einen engeren Kreis theologisch gebildeter Leser“.⁵³ Schultze war von Hause aus Gärtner, trat im Jahr 1865 ins Missionshaus der Basler Mission ein und war von 1881 bis 1920 in China in der Provinz Guangdong tätig.⁵⁴ In seinem Artikel appellierte er an die deutschen Missionsgesellschaften, deutsche Missionsärzte nach China zu entsenden. Der Artikel beschäftigte sich mit der Entstehung und Entwicklung der protestantischen ärztlichen Mission in China, die vor allem durch die britischen und amerikanischen Missionsgesellschaften betrieben wurde. Obwohl sein Hauptaugenmerk auf der missionsärztlichen Tätigkeit lag, stellte Schultze im Rahmen der Notwendigkeit der ärztlichen Mission in China auch die allgemeinen Verhältnisse der chinesischen Medizin hinlänglich vor. Hier ging er vor allem auf den Arztberuf, die Ausbildung von Ärzten und das praktische medizinische Niveau ein. Martin Maier (1866 – 1954) hielt sich von 1894 bis 1912 als Missionar der Basler Missionsgesellschaft in China auf. Er berichtete viel über die chinesische Gesellschaft und beschrieb dabei auch die chinesische Medizin. In seiner Arbeit „Doktor ‚Kraftwurzel‘“⁵⁵ berichtete er über ein persönliches ärztliches Erlebnis während einer Reise in der Provinz Guangdong, wobei der Verlauf der Behandlung seines Begleiters durch zwei chinesische Ärzte geschildert und die Wirkungslosigkeit der
Schultze, Otto: „Die ärztliche Mission in China“, in: Evangelisches Missions-Magazin 28 (1884), S. 28 – 40, 61– 71, 97– 106. Sun, Lixin, Chinabild, S. 41. Vgl. Sun, Lixin, Chinabild, S. 137. Maier, Martin: „Doktor ‚Kraftwurzel‘“, in: J. Kammerer (Hg.): Doktor Kraftwurzel. Samariterdienst. Beispiele heidnischer Ohnmacht und christlicher Hilfe in Krankheits-Not, Basel: Basler Missionsbuchhandlung, 1912, S. 3 – 17.
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von ihnen verschriebenen Rezepte hervorgehoben wurde. Dieses Erlebnis bekräftigte seine negative Einstellung zu den Fähigkeiten der chinesischen Ärzte⁵⁶ und er resümierte: Während meines Aufenthalts in Europa traf ich in einer kleinen Stadt, die allerdings einigen Fremdenverkehr hat, nicht weniger als 15 Aertze. Hier leben auf einem Gebiet von der Größe der Schweiz zwei Missionsärzte, die einzigen Aerzte mit wissenschaftlicher Bildung. Die Zahl der Scharlatane vom Schlage Dr. Kraftwurzels ist Legion. Wer ist bereit, jenen zwei Pionieren unter die Arme zu greifen und sich in den Dienst der Nächstenliebe und der Liebe zu Jesus zu stellen?⁵⁷
Dieses Erlebnis fand unter dem Titel „Chinesische Quacksalber“ auch Eingang in seine 1913 publizierte Schrift „Schi tshing. Bilder aus dem chinesischen Volksund Missionsleben“.⁵⁸ Ferner stellte Maier die chinesische Medizin in seiner Schrift „Die Aufgaben eines Missionars in China“ dar.⁵⁹ Johannes Witte (1877– 1945) war ein evangelischer Theologe, der ab 1909 das Amt des Inspektors des Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins bekleidete und 1915 dessen Direktor wurde. Er begab sich von 1910 bis 1911 auf eine Studienreise nach China und Japan, von der er in mehreren Arbeiten berichtete. Im Winter 1910/11 besuchte er eines der Arbeitsfelder des Vereins in China, das Pachtgebiet. Hier übte der Verein bereits seit zehn Jahren die ärztliche Tätigkeit aus, so dass sie zu einem unentbehrlichen Zweig der Missionsarbeit geworden war. Bei seiner Visitation wurde Witte folglich auf die ärztliche Mission aufmerksam. Er billigte diese Missionsmethode und kam zu dem Schluss, ihre Durchführung sei in China geeignet und empfehlenswert. Ausgehend von diesem Standpunkt verfasste Witte, basierend auf seinen persönlichen Beobachtungen im Pachtgebiet, das Heft „Hilfe für die Not der Kranken in China“.⁶⁰ Das Pamphlet, das Werbung für das ärztliche Missionswesen in China und weitere Unterstützung aus Deutschland zum Ziel hatte, bestand in der Hauptsache aus einer Darstellung der konkreten missionsärztlichen Arbeit des Vereins in der Jiaozhou-Bucht von Beginn an bis zur Zeit seines Besuchs. Bei der Diskussion der Notwendigkeit der ärztlichen Mission in China und der Schilderung der bereits
Maier, Doktor „Kraftwurzel“, S. 16. Maier, Doktor „Kraftwurzel“, S. 17. Maier, Martin: Schi tshing. Bilder aus dem chinesischen Volks- und Missionsleben, Stuttgart: J. F. Steinkopf, 1913, S. 88 – 98. Maier, Martin: Die Aufgaben eines Missionars in China, Basel: Missionsbuchhandlung, 1905, S. 17– 18. Witte, Johannes: Hilfe für die Not der Kranken in China. Die Arbeit der ärztlichen Mission des Allg. Ev.-Prot. Missionsvereins, Berlin: Protestantischer Schriftenvertrieb G. m. b. H., 1911.
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erzielten Erfolge schloss Witte ausführliche Beschreibungen der medizinischen Verhältnisse in China ein, insbesondere des gravierenden Leids und der prekären Lebensumstände der chinesischen Patienten. Diese Arbeit wurde im Organ des Vereins, der „Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft“, lobend erwähnt: Alles in allem eine der besten, volkstümlichen Propagandaschriften für die ärztliche Mission im engern und weitern Sinne. Sie verdient die weiteste Verbreitung, und wird sie finden unter Freunden der ärztlichen Mission sowohl wie unter einem weitern Leserkreis.⁶¹
Auch der Missionar Ernst Faber (1839 – 1899), der 1865 – 1880 für die Rheinische Missionsgesellschaft und 1885 – 1899 für den Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsverein in China tätig war, lieferte in seinem Aufsatz „Die Pflicht der Kirche bezüglich der ärztlichen Mission und das Prinzip, auf welchem solche Missionen errichtet werden sollten“ eine kurze Beschreibung der Lage der chinesischen Medizin.⁶² Ferner sind die Arbeiten des Missionars Wilhelm Leuschner (1862– 1922) zu nennen. Leuschner, der sich nach seiner Ausbildung an einer Dorfschule zunächst als Krankenpfleger betätigte, war ab 1882 Missionar der Berliner Missionsgesellschaft und arbeitete von 1888 bis zu seinem Tod 1922 im Norden der Provinz Guangdong.⁶³ Die langjährige Arbeit und das Leben in China boten Leuschner Gelegenheit, direkt mit der chinesischen Bevölkerung in Kontakt zu treten. Aus dieser Erfahrung heraus war Leuschner in der Lage, in seinen Arbeiten über das Alltagsleben und die Sitten und Gebräuche des chinesischen Volkes zu schreiben. Hinsichtlich der Beschreibung der chinesischen Medizin ist seine Schrift „Aus dem Leben und der Arbeit eines China-Missionars“⁶⁴ erwähnenswert, die nach dem Boxeraufstand verfasst wurde. Darin schilderte Leuschner die verschiedenen Aspekte der protestantischen Missionsarbeit in China und zielte durch das Aufzeigen eines „wirklichen“ Bildes darauf ab, Propaganda für das Missionswesen zu betreiben.⁶⁵ Mit der Absicht, einen fachlich ausgebildeten deutschen Missionsarzt für sein Tätigkeitsgebiet anzuwerben, beschrieb er im Kapitel „Der Missionar und Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft 26, 12 (1911), S. 382. Faber, Ernst: „Die Pflicht der Kirche bezüglich der ärztlichen Mission und das Prinzip, auf welchem solche Missionen errichtet werden sollten“, in: Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft 7, 2 (1892), S. 108 – 109. Vgl. Sun, Lixin, Chinabild, S. 163, Anmerkung. Leuschner, Wilhelm: Aus dem Leben und der Arbeit eines China-Missionars, Berlin: Buchhandlung der Berliner evangelischen Missionsgesellschaft, 1902. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 3
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seine ärztliche Thätigkeit“⁶⁶ ausführlich die medizinischen Verhältnisse und die ärztliche Missionstätigkeit in China. Er ging dabei unter anderem auf die Lehren der chinesischen Medizin, die verschiedenen Behandlungsmethoden in China sowie einige Krankenfälle ein, die er vor Ort beobachtet und selbst behandelt hatte. Nicht nur die protestantischen, sondern auch die katholischen Missionare beschäftigten sich in ihren Publikationen mit der chinesischen Medizin. Unter diesen tat sich Georg Maria Stenz (1869 – 1928) durch ein vergleichsweise umfangreiches Schaffen hervor. Stenz war Missionar der Steyler Mission und von 1893 bis 1900 sowie während der Jahre 1904 bis 1927 in China tätig. Nach dem ersten, siebenjährigen Aufenthalt im Süden der Provinz Shandong verfasste Stenz das Werk „In der Heimat des Konfuzius. Skizzen, Bilder und Erlebnisse aus Shantung“.⁶⁷ Sein Anliegen war es, dem deutschen Publikum „authentischere Informationen“ über China und die Chinesen, insbesondere deren Sitten, zu liefern. Davon erhoffte er sich, die chinesischen Verhältnisse in Deutschland besser bekannt zu machen und einige deutsche Vorurteile gegenüber den Chinesen zu entkräften. Die Arbeit war in acht Kapitel gegliedert und behandelte vorwiegend die Missionstätigkeit der Steyler Mission im Gebiet Shandong. Im ersten Kapitel „Shantung“ schilderte und analysierte Stenz das Klima und die Krankheiten in Shandong, wobei er in Unterkapiteln auf die „Ursachen der Krankheiten in Tsing-tau“, das „Verhältnismäßig gute Klima“, die „Hauptsächlichste[n] Krankheiten: Typhus, Ruhr, Wechselfieber, Masern und Pocken, Geschwüre“, den „Aussatz“ und die „Chinesische Medizin“ einging.⁶⁸ In einem jeweils 1904 und 1909 in der Zeitschrift „Die Welt des Ostens“ publizierten kurzen Artikel, „Arzt und Apotheker in China“, schilderte Stenz das Berufswesen und die konkrete Praxis der chinesischen Ärzte.⁶⁹ Darüber hinaus stellte er in der Arbeit „Beiträge zur Volkskunde Süd-Schantungs“ Beobachtungen zur Geburtshilfe in der chinesischen Medizin vor.⁷⁰ Auch der Missionar der Steyler Mission Rudolf Pieper (1860 – 1909), der von 1886 bis 1909 in Shandong arbeitete, schenkte der chinesischen Medizin Auf-
Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 77– 97. Stenz, Georg Maria: In der Heimat des Konfuzius. Skizzen, Bilder und Erlebnisse aus Shantung, Steyl: Missionsdruckerei, 1902. Stenz, In der Heimat des Konfuzius, S. 43 – 47. Stenz, Georg Maria: „Arzt und Apotheker in China“, in: Die Welt des Ostens. Altes und Neues aus Asiens drei Kaiserreichen (1904), S. 175 – 176; ders.: „Arzt und Apotheker in China“, in: Die Welt des Ostens. Beiträge zur Länder- und Völkerkunde Ostasiens 2, 9 (1909), S. 35 – 36. Stenz, Georg Maria: Beiträge zur Volkskunde Süd-Schantungs, Leipzig: R. Voigtländers Verlag, 1907, S. 67– 75.
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merksamkeit und verfasste einige Arbeiten über sie, beispielsweise „Wie die Chinesen Krankheiten heilen“⁷¹ und „Lebensverlängerungs- und Stärkungsmittel der Chinesen“.⁷² Festzustellen ist, dass die in der Kolonialzeit entstandenen Publikationen der deutschen Missionsärzte und Missionare über die chinesische Medizin vorwiegend auf ihren persönlichen ärztlichen Erfahrungen und Erlebnissen in China beruhten. Die Autoren hatten in Deutschland eine mehr oder weniger intensive medizinische Ausbildung genossen und kamen ohne ausreichende Kenntnis der chinesischen Medizin nach China, um dort das deutsche Missionswesen voranzutreiben. Durch ihre Beschreibung der chinesischen Medizin waren sie im Wesentlichen bestrebt, die Bedeutung der ärztlichen Mission darzustellen, das Interesse an der missionsärztlichen Arbeit in Deutschland zu wecken und dadurch weitere Unterstützung einzuwerben. Derart eindeutige Schreibmotive beeinflussten die Inhalte und Standpunkte dieser Publikationen in unterschiedlichem Maße. In China konzentrierten sich ihre Einsatzgebiete vor allem auf die ländlichen Gegenden, weshalb die deutschen Missionsärzte und Missionare häufiger mit der chinesischen Landbevölkerung in unmittelbare Berührung kamen. Dies beschränkte in gewisser Weise den Umfang ihrer Beobachtungen und beeinflusste auch ihre Kenntnisse und Beschreibungen über die chinesische Medizin. Da die alltägliche ärztliche und missionarische Arbeit viel Zeit beanspruchte, blieb ihnen wenig Gelegenheit, Forschungen zur chinesischen Medizin zu betreiben. Auch wenn die Mehrzahl der Publikationen offensichtlich subjektiv geprägt war, veröffentlichten Missionsärzte wie Olpp, Wittenberg und Vortisch doch auch wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der chinesischen Medizin, den in China verbreiteten Krankheiten und den hygienischen Bedingungen in China beschäftigten.
2 Publikationen der Militärärzte Auch die Publikationen der deutschen Militärärzte waren ein wichtiger Bestandteil der in der Kolonialzeit veröffentlichten deutschen Arbeiten über die chinesische Medizin. Die Militärärzte trafen vor allem mit den deutschen Kriegsschiffen in China ein und waren die Hauptstütze des deutschen staatlichen Medizinalwesens in China. Im Laufe ihres Dienstes waren sie hauptsächlich für Pieper, Rudolf: Unkraut, Knospen und Blüten aus dem „blumigen Reiche der Mitte“, Steyl: Druck und Verlag der Missionsdruckerei, 1900, S. 3 – 4, 265 – 275. Pieper, Rudolf: „Lebensverlängerungs- und Stärkungsmittel der Chinesen“, in: Die Welt des Ostens. Altes und Neues aus Asiens drei Kaiserreichen (1904), S. 179 – 180.
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die ärztliche Betreuung der deutschen Besatzungstruppen zuständig. Sie führten zudem zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen in Bezug auf die medizinischen und hygienischen Verhältnisse in China durch, die entweder direkt mit der Gesundheit der Besatzungstruppen in Verbindung standen oder sich auf lokale umweltliche und kulturelle Besonderheiten bezogen, denen sie ein lebhaftes Interesse entgegenbrachten. Damit beabsichtigten sie, einerseits die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Deutschen in China, insbesondere der deutschen Truppen, sicherzustellen und andererseits ihre eigenen medizinischen Forschungen zu bereichern. Akademisch geprägte Forschungsarbeiten, die zugleich aber häufig auch eindeutige kolonialistische Ziele verfolgten, bildeten die Hauptquelle der Beschreibungen durch die deutschen Militärärzte. Infolge der geringen deutschen militärischen Präsenz in Ostasien war auch die Anzahl der in China stationierten deutschen Militärärzte klein und ihre Publikationen über die chinesische Medizin von geringer Quantität, bis der Japanisch-Chinesische Krieg 1894– 1895 das Interesse der deutschen Regierung für Ostasien weckte. Gleichwohl liegen einige Arbeiten über die chinesische Medizin aus den Reihen der Militärärzte dieser Zeit vor. Besonders hervorzuheben sind die des Marinearztes Dr. Carl Friedel (1833 – 1885). Friedel stammte aus einer Familie der Oberschicht in Berlin und erhielt neben einer Gymnasialbildung eine zusätzliche sprachliche und gesellschaftliche Erziehung.⁷³ Im Jahr 1853 trat er am medizinisch-chirurgischen Friedrich-WilhelmsInstitut in Berlin ein Medizinstudium an, um Militärarzt zu werden. Im April 1856 wurde er promoviert und im Jahr 1857 legte er das Staatsexamen ab. Im selben Jahr trat er als Assistenzarzt in die Marine ein und machte 1858 – 1859 als Marinearzt seine erste große Überseereise in die Karibik. 1859 – 1862 war Friedel als Marinearzt auf dem königlichen Transportschiff Elbe an der von der preußischen Regierung entsandten Ostasienexpedition beteiligt. Dabei entstanden zwei Arbeiten über die chinesische Medizin, die „Berichte des Dr. Friedel, preussischen Marinearztes, über den Aussatz in China, Japan und den canarischen Inseln“⁷⁴ und seine „Beiträge zur Kenntniss des Klimas und der Krankheiten Ost-Asiens“.⁷⁵
Brassel, Günther: Carl Friedel. Leben und wissenschaftliches Werk eines preußischen Marine-, Militär- und Hofarztes, unter besonderer Berücksichtigung seines Buches „Die Krankheiten in der Marine“, Düsseldorf: Triltsch Druck und Verlag, 1990, S. 4. Carl Friedel: „Berichte des Dr. Friedel, preussischen Marinearztes, über den Aussatz in China, Japan und den canarischen Inseln“, in: Archiv für pathologische Anatomie, Physiologie und klinische Medizin 22, 3/4 (1861), S. 321– 340. Carl Friedel: Beiträge zur Kenntniss des Klimas und der Krankheiten Ost-Asiens, Berlin: Georg Reimer, 1863.
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Die erste Arbeit entstand auf Veranlassung des deutschen Pathologen Prof. Rudolf Virchow und erschien 1861 in der Zeitschrift „Archiv für pathologische Anatomie, Physiologie und klinische Medizin“, genannt „Virchows Archiv“. Um den Aussatz weiter zu erforschen, hatte Virchow die Ärzte der deutschen Ostasienexpedition 1859/1860 dazu aufgefordert,Wissen über die Lepra, wie etwa zur Verbreitung, zu den Formen, Ursachen und Heilmethoden, in Ostasien zu sammeln und einen Fragenkatalog dazu zu beantworten. Friedel übernahm diese Forschungsarbeit und verfasste seinen Bericht. Im Abschnitt „Die Lepra in China“ beschrieb Friedel nach einem Aufsatz des englischen Missionsarztes Dr. Benjamin Hobson (1816 – 1873) die Grundzüge der Lepra in China, was die generelle Einstellung der Bevölkerung, Erscheinungsformen, Arten, Verteilung, Ansteckungswege sowie Diagnose und Therapie umfasste. Der Bericht war eine der frühen deutschen Darstellungen der Lepra in China und legte die Grundlage für weitere Forschungsarbeiten.⁷⁶ „Friedels hervorragende Ausdruckmöglichkeiten, sein lebendiger Stil und seine exakten Krankheits- und Fallbeschreibungen machen diese Berichte auch heute noch lesenswert“⁷⁷, urteilte Günther Brassel in seiner Monographie über Carl Friedel. Die zweite Arbeit erschien nach seiner Reise im Jahr 1863 und war inhaltlich umfangreicher als die erste. Ihre Entstehung stand ebenfalls in Beziehung mit der oben genannten Aufforderung von Virchow. Während er Material über die Lepra sammelte, fand Friedel zahlreiche wertvolle Quellen über andere ostasiatische Krankheiten „in Hospital-Rapporten, Flugschriften, ethnographischen Journalen und sonst schwer zugänglicher Litteratur gelehrter Gesellschaften“ und sah sich veranlasst, dieses Material zusammenzutragen und zusammen mit seinen eigenen Beobachtungen und Erkenntnissen zu veröffentlichen, um künftigen Forschern und Beobachtern die Mühe zu ersparen,⁷⁸ wie er in seiner Vorbemerkung schrieb. Bezüglich des Klimas und der Krankheiten in China ging Friedel ausführlich auf die Hafenstädte Tianjin, Shanghai, Guangzhou und Hongkong ein, während er über die anderen Stationen seiner Reise, Yantai 烟台, Ningbo 宁波, Fuzhou 福州, Xiamen 厦门 und Macao, nur kurz berichtete. Die Struktur der Darstellung war grundsätzlich gleich, wobei er zunächst die geographischen, geologischen und klimatologischen Verhältnisse, dann die hygienischen Bedingungen und die Lebensweise und schließlich die in der Lokalbevölkerung auftretenden Krankheiten beschrieb. Daneben waren auch einige tabellarische Statistiken zum Klima und zu
Vgl. Brassel, Carl Friedel, S. 74. Brassel, Carl Friedel, S. 61. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, Vorbemerkung.
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den Krankheiten enthalten. Zu bemerken ist, dass der Schwerpunkt dieser Arbeit darauf lag, „die Beziehung zwischen Klima und Umwelt einerseits und dem Auftreten bestimmter Krankheiten andererseits aufzuzeigen“,⁷⁹ wohingegen Friedel auf die chinesische Medizin nicht gesondert und nur wenig ausführlich einging. Gleichwohl beschrieb und beurteilte er einige medizinische und hygienische Erscheinungen in China. Diese Arbeit leistete als Zusammenstellung der verschiedenen Quellen einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Geschichte und Geographie und repräsentierte das Niveau des zeitgenössischen medizinischen Wissens. In der späteren Forschung zur chinesischen Medizin wurde sie häufig als Nachschlagewerk herangezogen.⁸⁰ Als Teilnehmer der selben Reise publizierte auch der Kommandant des Transportschiffs Elbe, Reinhold Werner (1825 – 1909), mit „Die Preussische Expedition nach China, Japan und Siam in den Jahren 1860, 1861 und 1862“ einen wichtigen Beitrag und widmete sich dabei auf einigen Seiten der chinesischen Medizin.⁸¹ Mit der Erweiterung der deutschen militärischen Expansion in China wurde immer mehr Personal nach China entsandt. Zwischen 1897 und 1914 waren insgesamt 249 deutsche Militärärzte in China tätig.⁸² Ihr Einsatzgebiet lag vor allem im Pachtgebiet, in der Provinz Shandong sowie in und um Beijing. Auch sie bildeten einen wichtigen Teil der deutschen Ärzte, die in der Kolonialzeit zur chinesischen Medizin forschten und darüber berichteten. In dieser Beziehung zeichneten sich zum einen die Marineärzte aus, deren Tätigkeitsbereich sich vor allem auf das Pachtgebiet konzentrierte. Zu diesem zählten unter anderem Dr. Erich Martini, Dr. Walther Uthemann, Dr. Ernst Fürth. Zum anderen wurden die Arbeiten der Militärärzte, die an der deutschen Expedition nach China 1900 – 1901 teilnahmen, in hoher Quantität publiziert.Von diesen sind insbesondere Dr. Georg Perthes, Dr. Karl Herhold, Dr. Paul Busch, Dr. Georg Mayer, Dr. Friedrich Morgenroth, Dr. Hans Eckert, Dr. Paul Assmy und Dr. Bruno Kaether erwähnenswert. Der Marinearzt Dr. Erich Martini (1867– 1953) wirkte von 1907 bis 1911 am Gouvernementslazarett in Qingdao als Chefarzt und war zugleich Vorstand der bakteriologischen Untersuchungsabteilung und Wutschutzstation des Gouvernements.Vor seiner Abkommandierung nach Qingdao hatte er eine systematische medizinische Ausbildung durchlaufen. Von 1885 bis 1890 absolvierte er eine
Brassel, Carl Friedel, S. 63. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 124. Werner, Reinhold: Die Preussische Expedition nach China, Japan und Siam in den Jahren 1860, 1861 und 1862. Reisebriefe, 2. Aufl., Leipzig: F. M. Brockhaus, 1873 [Erstveröff. 1863], S. 258 – 261. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 2.
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ärztliche Ausbildung an der Kaiser-Wilhelms-Akademie, wurde 1889 promoviert und 1904 habilitiert.⁸³ Die Kaiser-Wilhelms-Akademie war eine militärärztliche Bildungsanstalt und wurde im Jahr 1895 mit der 1795 gegründeten Pépinière, die sich im Jahr 1818 in Medicinisch-chirurgisches Friedrich-Wilhelms-Institut umbenannt, und mit der 1811 gegründeten Medizinisch-Chirurgischen Akademie für das Militär zusammengelegt. An dieser Akademie wurden die Studenten sowohl militärisch als auch medizinisch ausgebildet. Der Eintritt in die Anstalt setzte gesicherte finanzielle Verhältnisse der Familie voraus, denn die Studenten bedurften „für den Lebensunterhalt in Berlin, für Beschaffung medizinischer Bücher, Geräthe (Instrumente) u.s.w. für die Ausrüstung als Einjährig-Freiwilliger, als Unterarzt und als Assistenzarzt seitens ihrer Eltern recht bedeutende(r) Mittel, welche schon bei der Aufnahme sicher gestellt werden“ mußten,
folglich repräsentierten ihre Absolventen „die soziale Elite unter den Militärärzten des Kaiserreichs“.⁸⁴ Ein Teil der Militärärzte, die nach China entsandt wurden, stammten aus dieser Bildungsanstalt und nahmen infolge ihres Bildungsgrads wichtigere Positionen im militärischen Sanitätsdienst ein. Während dieser Zeit wurde Martini 1891 zum Marineassistenzarzt befördert, danach war er von 1897 bis 1899 als Marinearzt an der Bord der SMS Falke in Samoa im Einsatz und zwischen 1900 und 1905 zunächst am Hygienischen Institut und anschließend am Institut für Infektionskrankheiten in Berlin beschäftigt.⁸⁵ Martini hatte großes Interesse an der Erforschung der Hygiene und der Bakteriologie und verfasste zahlreiche Arbeiten. Seine Publikationen über die chinesische Medizin betrafen daher vor allem die Krankheiten in China, insbesondere die Infektionskrankheiten in der Provinz Shandong. Inhaltlich lag der Schwerpunkt auf der Darstellung seiner mikrobiologischen Forschungsarbeiten und -ergebnisse. Seine Publikationen behandelten zum einen tierische Parasiten, beispielsweise Rinderpiroplasma,⁸⁶ Rinderzecken,⁸⁷ Nematoden⁸⁸ und Filaria,⁸⁹ zum an-
Vgl. Wätzold, Paul: Stammliste der Kaiser-Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen, Berlin: Verlag von August Hirschwald, 1910, S. 325. Eckart, Deutsche Ärzte in China, S. 42. Heinrich, Schnee (Hg.): Deutsches Kolonial-Lexikon, Bd. II, Leipzig: Quelle & Meyer, 1920, S. 518. Martini, Erich: „Über ein Rinderpiroplasma der Provinz Schantung (China)“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 11, 16 (1907), S. 507– 511; ders.: „Über das Vorkommen eines Rinderpiroplasmas in der Provinz Petschili (China)“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 11, 22 (1907), S. 718 – 719; usw.
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deren berichtete Martini von experimentellen Untersuchungen zu Krankheiten bei Menschen in Shandong, wie Malleus,⁹⁰ Leishmaniose (Kala-azar)⁹¹ und Darmerkrankungen,⁹² wobei er vergleichsweise ausführlich auf die Erforschung der Erreger der einheimischen epidemischen Darmkrankheiten einging. Bezüglich der Heilmittel bei Darmkatarrhen erforschte Martini die chinesische Praxis des Essens von Erde in Shandong. Zusammen mit dem Marineoberstabsapotheker Dr. Walter Grothe verfasste er einen kurzen Artikel mit dem Titel „Über essbare Erden und ihre Verwendung als Heilmittel“,⁹³ der 1910 in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ erschien. Dabei behandelten die Verfasser den Anwendungsbereich dieser Heilmethode in Shandong und erforschten seine Wirkungsweise durch einen Vergleich der chemischen Zusammensetzung der lokalen Erde mit der Bolus alba, die als neues natürliches Heilmittel auf dem deutschen Markt bei Darmkatarrh, Bazillenruhr und Amöbenruhr Heilerfolge erzielte. Weiterhin war Martini 1910/1911 an der Bekämpfung der Lungenpest in Shandong beteiligt und veröffentlichte 1911 und 1912 die Berichte „Über die Bereitung von Impfstoff der ‚Deutschen Pestkommission 1889‘ zu Massenimpfung
Martini, Erich: „Über die Rinderzecken Schantungs und ihre Beziehungen zu den dortigen Piroplasmosen“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 11, 23 (1907), S. 740 – 743. Martini, Erich: „Über das Vorkommen von abgekapselten und verkalkten Nematoden (Trichotracheliden?) in den Muskelfaszien eines chinesischen Haushuhnes“, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 65, 3 (1910), S. 349 – 352. Martini, Erich: „Über Filariaembryonen im Blute einer Kornweihe (Cricus cyaneus)“, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 67, 1 (1910), S. 111– 113. Martini, Erich/Besenbruch: „Über eine chronische rotzartige Erkrankung beim Menschen und ihren Erreger“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 15, 7 (1911), S. 205 – 219; ders.: „Über ein dem heimischen Rotzbakterium ähnliches Stäbchen bei einem unter den Zeichen chronischen Rotzes erkrankten Menschen“, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 68, 1 (1911), S. 85 – 88. Martini, Erich: „Kala-azar (fieberhafte tropische Splenomegalie) bei einem Schantung-Chinesen“, in: Berliner Klinische Wochenschrift 44, 33 (1907), S. 1042– 1044. Martini, Erich: „Amöbenträger“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 12, 18 (1908), S. 588 – 591; ders.: „Über die Erreger der epidemischen Darmerkrankungen Tsingtaus im Sommer 1908“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 14, 11 (1910), S. 333 – 343; ders.: „Über Prowazekia cruzi und ihre Beziehungen zur Ätiologie von ansteckenden Darmkrankheiten in Tsingtau“, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 67, 2 (1910), S. 275 – 278; ders.: „Über einen bei amöbenruhrähnlichen Dysenterien vorkommenden Ciliaten“, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 67, 3 (1910), S. 387– 390; ders.: „Mikrobiologische Erfahrungen bei den epidemischen Darmerkrankungen des Schutzgebiets Kiautschou und der Provinz Schantung in den Jahren 1907– 1911“, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 69, 2 (1911), S. 376 – 396; und andere. Martini, Erich/Grothe, Walter: „Über essbare Erden und ihre Verwendung als Heilmittel“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 36, 19 (1910), S. 900.
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bei Gefahr der Annährung einer Lungenpestepidemie im Jahre 1911“⁹⁴ und „Über die Bedeutung der Internationalen Pestkonferenz zu Mukden (Mandschurei) 1911“⁹⁵ in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“. In Letzterem beschrieb Martini seine Erfahrungen bei der Abwehr der Lungenpest in Shandong und betonte die medizinisch-aufklärerische Bedeutung des Kongresses für China. Ebenfalls ein an der Kaiser-Wilhelms-Akademie ausgebildeter und promovierter Arzt, Dr. Walther Uthemann (1863 – 1944), wurde 1888 zum Marineassistenzarzt befördert und 1909 nach China entsandt.⁹⁶ Vor seinem Dienstantritt im Pachtgebiet beteiligte er sich 1898 – 1902 als Schiffsarzt an einer Reise nach Palästina und Amerika und war 1903 – 1907 als Dezernent bei der Medizinal-Abteilung des Reichsmarineamts tätig.⁹⁷ Bis 1912 war Uthemann als oberster Sanitätsoffizier des Pachtgebiets Gouvernementsarzt. Eine seiner Publikationen ist die zusammen mit Dr. Ernst Fürth verfasste Schrift „Tsingtau. Ein kolonialhygienischer Rückblick auf die Entwicklung des Deutschen Kiautschougebietes“, die 1911 im „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene“ erschien.⁹⁸ Eine Rezension dieser Arbeit in der Zeitschrift „Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften“ befand: Die ausführliche, mit großer Sorgfalt und Liebe zur Sache abgefaßte Schrift führt uns vor Augen, welch ein gewaltiges Stück deutscher Arbeit dort im fernen Osten in den letzten 15 Jahren seit der Besetzung des Kiautschougebietes am 14. November 1897 geleistet worden ist.⁹⁹
In diesem Werk schilderten die Verfasser die deutschen medizinischen Tätigkeiten im Pachtgebiet, wobei auch die lokalen Verhältnisse der chinesischen Medizin einbezogen wurden, etwa die chinesischen hygienischen Zustände und medizinischen Gewohnheiten. Als Quellen wurden unter anderem die offiziellen Denkschriften, Sanitätsberichte und der veröffentlichte Medizinalbericht des Marinearztes Dr. Hans Podestà (1871– 1953) herangezogen. Die Verfasser bewerteten die durch die deutschen Anstrengungen erzielten Fortschritte auf dem Gebiet der Hygiene und der medizinischen Behandlung im Pachtgebiet positiv, bemängelten
Martini, Erich: „Über die Bereitung von Impfstoff der ‚Deutschen Pestkommission 1889‘ zu Massenimpfung bei Gefahr der Annährung einer Lungenpestepidemie im Jahre 1911“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 37, 15 (1911), S. 691– 692. Martini, Erich: „Über die Bedeutung der Internationalen Pestkonferenz zu Mukden (Mandschurei) 1911“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 38, 30 (1912), 1420 – 1421. Vgl. Wätzold, Stammliste, S. 296. Vgl. Wätzold, Stammliste, S. 296 – 297. Uthemann/Fürth, Tsingtau. Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 12, 1 (1913), S. 107.
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jedoch auch gleichzeitig einige Schwachpunkte im deutschen Medizinalwesen und wiesen in dieser Beziehung auf alternative Methoden als Verbesserungsmöglichkeiten hin. Sie betonten, dass die deutsche Kolonialverwaltung – auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse bezüglich der Entstehung und Verbreitung von Krankheiten – im Zuge der Einrichtung und Förderung einer sanitären Ordnung die lokale Bevölkerung über die modernen hygienischen Prinzipien und Gewohnheiten belehren und ihr Verständnis dafür stärken sollte, so dass ein anhaltender und universaler Erfolg bei der Gewährleistung der Gesundheit der deutschen Bevölkerung im gesamten Pachtgebiet erzielt werden könnte. Während seiner Dienstzeit leistete Uthemann im Pachtgebiet einen aktiven Beitrag zur erfolgreichen Abwehr der Lungenpest 1911. Dieser Erfolg wurde seinerzeit in der Geschichte der Seuchenbekämpfung in den deutschen Kolonien als vorbildlich betrachtet¹⁰⁰ und die Ärzteschaft in Deutschland zeigte ein großes Interesse an dieser „Pestzeit“ im Pachtgebiet. Uthemann veröffentlichte 1912 im „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene“ einen am 1. Mai 1911 fertiggestellten Bericht über den Ausbruch der Lungenpest unter dem Titel „Wie begegnete das Schutzgebiet Kiautschou der andringenden Pestgefahr? Eine Schlußbetrachtung“,¹⁰¹ worin er die Entstehung und Verbreitung der Pest, die chinesischen Methoden zur Bekämpfung der Pest und die Abwehrmaßnahmen des Gouvernements gegen die Einschleppung der Lungenpest vom Norden her beschrieb sowie eine Beurteilung dieser Maßnahmen vornahm. Dr. Ernst Fürth, der im Jahr 1904 in Bonn promoviert wurde, war 1909 – 1912 als Marinearzt am Gouvernementslazarett in Qingdao tätig und leitete im Jahr 1912 die bakteriologische Untersuchungsabteilung und Wutschutzstation des Gouvernements. Neben der bereits erwähnten Schrift „Tsingtau“ beschrieb Fürth in den Berichten auch seine eigenen Forschungen zu Krankheiten in Shandong sowie die Probleme der chinesischen Medizin. Hier ist der Beitrag „Eine Scharlachepidemie in Shantung“¹⁰² zu nennen, den Fürth, der während der Scharlachepidemie in Jimo im April 1909 auf Anordnung des Gouvernements die Stadt noch im selben Monat zur Erkundung der Lage bereiste, 1910 im „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene“ veröffentlichte. Darin berichtete er mittels Vorstellung von Übersetzungen der chinesischen Berichte –
Münchener Medizinische Wochenschrift 60, 24 (1913), S. 1345. Uthemann, Walther: „Wie begegnete das Schutzgebiet Kiautschou der andringenden Pestgefahr? Eine Schlußbetrachtung“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 16, 23 (1912), S. 789 – 807. Fürth, Ernst: „Eine Scharlachepidemie in Schantung. Ein Beitrag zur Kenntnis des chinesischen Arznei- und Seuchenwesens“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 14, 1 (1910), S. 12– 20.
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„Abhandlung über die Entstehung der Epidemie“ und „Rezepte und Methoden zur Heilung gefährlicher Epidemien“ – über das chinesische Arzneiwesen und den Umgang der Chinesen mit der Scharlachepidemie. Außerdem ist seine Abhandlung „Neuere Untersuchungen über Fleckfieber“¹⁰³ zu erwähnen, bei der es sich um einen Vortrag handelte, den Fürth im Januar 1912 auf dem 2. Kongress der Ostasiatischen tropenmedizinischen Gesellschaft in Hongkong hielt, und die im selben Jahr im „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene“ veröffentlicht wurde. Mit der Verbesserung der hygienischen und sozialen Verhältnisse kam es in Deutschland im 20. Jahrhundert seltener als in früheren Jahrhunderten zu epidemischen Fleckfiebererkrankungen, während die Krankheit in anderen Ländern noch immer mit unveränderter Heftigkeit wütete und infolge der zunehmenden Ausdehnung globaler Netzwerke eine ständige Gefahr für die Weltbevölkerung darstellte. Insofern hatte die Forschung zum Fleckfieber eine große Bedeutung und so widmete sich auch Fürth dieser Forschungsaufgabe mit der Frage: „Ist die Gefahr der Entstehung von Fleckfieberepidemien in Ostasien groß, und wodurch wird sie vornehmlich bedingt? Ferner: welche Schutzmaßregeln können wir dagegen treffen?“¹⁰⁴ Aus Anlass des im Frühjahr 1911 in Qingdao gehäuften Auftretens von Fleckfieberfällen begann Fürth seine Forschungen zum Fleckfieber in China. Dabei analysierte er zunächst die Ursachen für die Entstehung und die Verbreitung der Krankheit und konzentrierte sich zur Klärung der Frage nach dem Erreger sowie zur Prophylaxe und Bekämpfung der Epidemie mit zahlreichen mikroskopischen Untersuchungen auf den ätiologischen Aspekt des Fleckfiebers. Auf der Basis der eigenen Forschungsarbeit und in Anlehnung an die Forschungsergebnisse anderer europäischer Kollegen beschrieb Fürth in dieser Arbeit seinen Forschungsprozess und die erzielten Ergebnisse zum Fleckfiebererreger. Zudem analysierte er die Übertragung der Krankheit und schlug einige prophylaktische Maßnahmen vor. Ähnliches enthielt auch seine in der „Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten“ veröffentlichte Arbeit „Die Fleckfiebererkrankungen des Frühjahrs 1911 in Tsingtau und Untersuchungen über den Erreger des Fleckfiebers“.¹⁰⁵ Unter den Publikationen, die sich inhaltlich auf das Pachtgebiet und die Provinz Shandong konzentrierten, ist auch die wissenschaftliche Abhandlung des
Fürth, Ernst: „Neuere Untersuchungen über Fleckfieber“, in: Archiv für Schiffs- und TropenHygiene 16, 8 (1912), S. 241– 255. Fürth, Neuere Untersuchungen über Fleckfieber, S. 242. Fürth, Ernst: „Die Fleckfiebererkrankungen des Frühjahrs 1911 in Tsingtau und Untersuchungen über den Erreger des Fleckfiebers“, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 70, 3 (1912), S. 333 – 370.
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Sanitätsrats Dr. Franz Kronecker (1856 – 1919), „Fünfzehn Jahre Kiautschou“,¹⁰⁶ zu erwähnen. Diese erschien als Sonderdruck in der „Deutschen Medizinischen Presse“. Hierin behandelte Kronecker ausgehend von den lokalen klimatischen und hygienischen Gegebenheiten die medizinischen Maßnahmen der deutschen Kolonialverwaltung nach der Besetzung der Jiaozhou-Bucht, wobei er unter anderem die lokalen hygienischen Verhältnisse, die sanitären Maßnahmen und die medizinischen Einrichtungen der Kolonialverwaltung sowie die im Pachtgebiet auftretenden Krankheiten und die Forschung dazu beschrieb. Als Quellen bediente er sich neben den amtlichen Denkschriften 1898 – 1906 vor allem der oben genannten Veröffentlichungen der Marineärzte. Kronecker pries die Errungenschaften der deutschen medizinischen Tätigkeiten in der Jiaozhou-Bucht und teilte den Standpunkt von Uthemann und Fürth, wonach eine wichtige und notwendige Aufgabe der deutschen Kolonialverwaltung darin bestand, die einheimische Bevölkerung in das deutsche Medizinalwesen zu integrieren. Diese Studie erlangte einen gewissen Einfluss in den damaligen deutschen akademischen Kreisen. Sowohl medizinische Fachzeitschriften wie das „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene“ als auch die koloniale Presse, so etwa die „Koloniale Rundschau“, befanden die Studie für lesenswert und empfahlen sie ihren Lesern.¹⁰⁷ Unter den Publikationen der Militärärzte des deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps sind zunächst die Arbeiten von Dr. Georg Perthes (1869 – 1927) vorzustellen. Perthes war ein Mediziner, der „nicht nur in zahlreichen Disziplinen der Chirurgie wichtige Grundlagen erarbeitete, sondern auch wertwolle Beiträge zur Entwicklung der Radiologie und der Zahn- und Kieferheilkunde leistete“.¹⁰⁸ Er war als Militärarzt an der deutschen Chinaexpedition 1900 – 1901 beteiligt. Vor seiner Entsendung nach China war Perthes, der 1887– 1891 in Freiburg im Breisgau und später in Berlin und Bonn, wo er 1891 promoviert wurde, studiert hatte und sich 1898 in Leipzig habilitierte, als Privatdozent an der Universität Leipzig tätig. Während seines knapp neunmonatigen Aufenthalts in China war Perthes im VI. Ostasiatischen Feldlazarett in Beijing beschäftigt und stand zugleich im Dienst einer Poliklinik für Chinesen der Londoner Mission (London Missionary Society). Seine umfangreichen ärztlichen Tätigkeiten in China, besonders unter der chinesischen Bevölkerung, veränderten viele seiner Anschauungen über China und die Chinesen, mit denen er nach China gekommen war, wie er im „Vorwort“ seines Kronecker, Fünfzehn Jahre Kiautschou. Vgl. Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 18, 21 (1914), S. 734; Koloniale Rundschau 7 (1914), S. 448. Leinberger, Elias: Georg Clemens Perthes (1869 – 1927): Leben, Werk und Bedeutung für die Medizin, Dissertation, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität zu Frankfurt am Main, 2005, S. 2.
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Buchs „Briefe aus China“¹⁰⁹ erklärte. Das Werk bestand hauptsächlich aus Tagebucheinträgen, die er während der Zeit seines Militärdienstes in China als Briefe in die Heimat sandte und im Jahr 1903 veröffentlichte. Das Buch war in fünf Kapitel geteilt, darunter „Ausreise“, „Tientsin“, „Peking, Lazaretteinrichtung“, „Peking, Chinesenpraxis“ und „Heimreise“. Zum Ziel seiner Arbeit schrieb Perthes: Ich glaube daher, diese Briefe aus China, nebst kurzen Berichten von Ausreise und Heimreise, nicht nur, wie beabsichtigt war, als Manuskript für Freunde und Verwandte drucken lassen zu sollen, sondern sie der Öffentlichkeit übergeben zu dürfen – ein Entschluß, in dem mich besonders auch der Umstand bestärkt, daß mir eine ausgedehnte ärztliche Tätigkeit in Peking zu Beobachtungen chinesischen Volkstums eine günstigere Gelegenheit geboten hat, als sie den meisten andern Mitgliedern der Expedition zuteil geworden ist.¹¹⁰
Daher beschrieb er darin nicht nur die medizinischen Verhältnisse, sondern auch manche anderen Aspekte des Landes und des Alltagslebens der Chinesen. Perthes, der in seinem Werk um eine wahrheitsgemäße Wiedergabe seiner Erlebnisse in China bemüht war, schuf damit zwar ein Produkt der Kolonialzeit, das aber dennoch vorwiegend auf „objektiven“ Beobachtungen und Urteilen beruhte. Daneben verfasste Perthes, der sich besonders für die Chirurgie interessierte, einige wissenschaftliche Abhandlungen¹¹¹ über die chirurgischen Krankheiten, die er im Lazarett und in der Poliklinik in Beijing vorfand. Diese wurden im Jahr 1902 in der „Deutschen Zeitschrift für Chirurgie“, im „Archiv für klinische Chirurgie“ und anderen Fachzeitschriften veröffentlicht. Darüber hinaus schrieb Perthes im selben Jahr eine Arbeit¹¹² über seine allgemeinen medizinischen Erfahrungen in der Poliklinik für Chinesen. Aus seinen Schilderungen geht hervor, bei welchen Krankheiten die Chinesen den fremden Arzt aufzusuchen pflegten, wodurch mittelbar auch ein Bild von der chinesischen Medizin erkennbar wird.
Perthes, Georg Clemens: Briefe aus China, Gotha: Justus Perthes, 1903. Perthes, Briefe aus China, Vorwort, S. IV. Perthes, Georg Clemens: „Über einige Schussverletzungen“, in: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 63 (1902), S. 75 – 102; ders.: „Ein Fall von Fibroma molluscum, vorwiegend der linken Hand mit Steigerung des Knochenwachsthums“, in: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 63 (1902), S. 102– 109; ders.: „Über Leberabszess bei Typhus abdominalis“, in: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 63 (1902), S. 111– 118; ders.: „Über tropische Leberabszesse“, in: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 63 (1902), S. 119 – 131; ders.: „Über Spalthand“, in: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 63 (1902), S. 132– 148; ders.: „Über den künstlich missgestalteten Fuß der Chinesin im Hinblick auf die Entstehung der Belastungsdeformitäten“, in: Archiv für klinische Chirurgie 67, 3 (1902), S. 620 – 651; und andere. Perthes, Georg Clemens: „Erfahrungen in der ärztlichen Praxis bei Chinesen“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 47 (1902), S. 1968 – 1970.
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Dr. Karl Herhold (1861–?), der von 1880 bis 1884 eine Ausbildung an der Kaiser-Wilhelms-Akademie absolvierte, im August 1884 promoviert und im September 1885 zum Assistenzarzt befördert wurde, war ebenfalls am deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps 1900 – 1901 beteiligt und dabei als Chefarzt des Feldlazaretts IV in Baodingfu tätig.¹¹³ Er beschäftigte sich insbesondere mit der Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Chirurgie¹¹⁴ und des Militärsanitätswesens.¹¹⁵ Trotzdem umfassten seine Darstellungen auch die hygienischen Zustände in China, einschließlich des Klimas, des Bodens, lokaler Gewohnheiten und anderer Elemente, da er diese bei der Analyse von Ursache und Verbreitung bestimmter Krankheiten als maßgebliche Einflussfaktoren betrachtete. Ein typisches Beispiel dafür war die Arbeit „Über die bei der II. Brigade des Ostasiatischen Expeditionskorps vorzugsweise vorgekommenen Krankheiten mit Bezug auf Klima und Boden der Provinz Petchili in China“,¹¹⁶ die Herhold 1901 auf der 73. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Hamburg im Bereich Militärsanitätswesen als Vortrag einbrachte und in der „Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift“ veröffentlichte. Darin beschrieb er zunächst das Klima und den Boden im nördlichen China, wo das deutsche Ostasiatische Expeditionskorps stationiert war. Er betonte die negativen Einflüsse, etwa die großen Temperaturunterschiede im Frühjahr und im Herbst, gelegentliche Sandstürme, die durch Chinesen, mangels hygienischer Gewohnheiten, verursachte Bodenverunreinigung und die dadurch herbeigeführte Wasserverschmutzung, und, daran anknüpfend, die bei der II. Brigade des Ostasiatischen Expeditionskorps am häufigsten auftretenden und in seinem Lazarett zu Baodingfu behandelten Krankheiten. Dabei ging er unter anderem auf Krankenzahl, Krankheitsursachen, Symptome, Behandlungsdauer, Heilerfolg und die Obduktion von Verstorbenen ein und zog, soweit möglich, Vergleiche mit den betreffenden Daten aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71.
Vgl. Wätzold, Stammliste, S. 255. Herhold, Karl: „Vier Fälle von Tetanus“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 27, 9 (1901), S. 479 – 480; ders.: „Eine Pulverexplosion und deren Erfolgen“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 30, 4 (1901), S. 225 – 228; ders.: „Über die während der ostasiatischen Expedition im Feldlazareth IV (Paotingfu) beobachteten Schussverletzungen“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 30, 10/11 (1901), S. 603 – 621; und andere. Herhold, Karl: „Über die Theilnahme eines Zuges des Feldlazareths IV an der Expedition zum Ku-kuan-Pass“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 30, 10/11 (1901), S. 635 – 639; ders.: Die Hygiene bei überseeischen Expeditionen nach den während der Expedition nach Ostasien gemachten Erfahrungen, Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn, 1903; und andere. Herhold, Karl: „Über die bei der II. Brigade des Ostasiatischen Expeditionskorps vorzugsweise vorgekommenen Krankheiten mit Bezug auf Klima und Boden der Provinz Petchili in China“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 30, 12 (1901), S. 641– 655.
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
Auch Dr. Paul Busch nahm im Sommer 1900 an der deutschen Ostasiatischen Expedition teil. Zuvor war er als Assistenzarzt in der westpreußischen Garnison Thorn bereits Militärarzt. Busch war von der zeitgenössischen kolonialistischen Strömung stark beeinflusst nahm eine sehr aktive Haltung zur Chinaexpedition ein.¹¹⁷ Da er neben der deutschen Sprache auch des Englischen und Französischen mächtig war, wurde er im Februar 1902 zum „Service de Santé“ der „Internationalen Provisorischen Regierung zu Tianjin“ abkommandiert.¹¹⁸ Nach der Auflösung der Internationalen Regierung am 15. August wurde er zunächst nach Qingdao entsandt und war anschließend wieder in Tianjin tätig, bis er im September 1903 nach Deutschland zurückkehrte.¹¹⁹ Während seiner dreijährigen Dienstzeit in China leistete Busch umfangreiche medizinische Arbeit zur Gewährleistung der Gesundheit der deutschen Truppen, wozu er auch gelegentlich mit chinesischen ärztlichen Dienststellen kooperierte. Seine Beteiligung an der Bekämpfung der unter der chinesischen Bevölkerung in Tianjin im Juni 1902 ausgebrochenen Cholera beschrieb er in seinem „Bericht über das Choleralazarett Shin-fang-tse der provisorischen Regierung zu Tientsin von seiner Etablierung am 13. Juni bis zur Übergabe an die chinesische Regierung am 15. August 1902“,¹²⁰ den er 1903 in der „Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift“ publizierte. Darin besprach er zum einen die Entwicklung der Epidemie in Tianjin und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung, wobei er insbesondere das von ihm errichtete Choleralazarett heraushob und auf dessen Aufbau, das Personal sowie seine eigenen Erfahrungen bei der Behandlung von Patienten einging. Zum anderen analysierte er chinesische Ansichten über die Cholera, lokale Behandlungsmethoden und die damit im Lazarett erzielten Ergebnisse, worüber er sich zuvor in Gesprächen mit einem im Lazarett tätigen chinesischen Arzt und aus dessen Krankenblättern informiert hatte. Neben den Behandlungen in den Lazaretten führten einige Militärärzte auch Untersuchungen im Laboratorium der deutschen Garnison durch. Dr. Georg Mayer (1871– 1936), der „über eine lückenlose Vorbildung auf dem Gebiet der Hygiene, grosse Belesenheit in der Fachliteratur und über eine die übliche ärztliche Ausbildung überragende Kenntnis der naturwissenschaftlichen Disziplinen“ verfügte,¹²¹ beteiligte sich im Jahr 1900 als Oberarzt an der deutschen Expedition nach
Vgl. Busch, Im Fernen Osten, S. 7– 8. Vgl. Busch, Im Fernen Osten, S. 48 – 49. Vgl. Busch, Im Fernen Osten, S. 58 – 67. Busch, Paul: „Bericht über das Choleralazarett Shin-fang-tse der provisorischen Regierung zu Tientsin von seiner Etablierung am 13. Juni bis zur Übergabe an die chinesische Regierung am 15. August 1902“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 32, 3 (1903), S. 129 – 141. Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 33, 5 (1904), S. 287.
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China und diente zunächst beim Expeditionskorps und später bei der Besatzungsbrigade in China. In der Zwischenzeit leitete er selbstständig eine hygienische Untersuchungsstation in den Garnisonen in Beijing und dann in Shanghai. Da für die deutschen Militärärzte in China die Versorgung der deutschen Truppen mit sauberem Trinkwasser eine wichtige und dringende Aufgabe zur Gewährleistung der Gesundheit bildete, führte Mayer mit Unterstützung der deutschen, der internationalen und der chinesischen Behörden zahlreiche chemische und bakteriologische Untersuchungen über die hygienischen Zustände durch, insbesondere beim Wasser. 1900 – 1902 veröffentlichte er in der „Münchener Medizinischen Wochenschrift“ eine Reihe von Aufsätzen über seine Beobachtungen, Erfahrungen und Forschungsergebnisse, darunter „Briefe aus Ostasien“¹²² und „Bilder aus China“¹²³ und im „Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten“ die wissenschaftliche Abhandlung „Untersuchungen von Wasserläufen in China“.¹²⁴ Im Jahr 1904 erschien Mayers umfangreiches Werk „Hygienische Studien in China“.¹²⁵ Dieses beruhte auf eigenen Studien und Untersuchungen und war eine Zusammenstellung seiner eigenen Berichte. Neben den bereits genannten Arbeiten Mayers waren darin auch weitere Forschungsberichte enthalten. Hinsichtlich der Quellen seiner Inhalte und Bewertungen erläuterte Mayer: Es liegt mir ferne, mich als Kenner jenes merkwürdigen Landes aufzuspielen, in welchem der fremde Barbar täglich Neues und Unerklärliches sieht. Nur das mir beachtenswert Er-
Mayer, Georg: „Reisebriefe aus Ostasien“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 47, 51 (1900), S. 1793 – 1795; ders.: „Briefe aus Ostasien“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 48, 21 (1901), S. 861; ders.: „Briefe aus Ostasien“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 48, 22 (1901), S. 914– 915; ders.: „Briefe aus Ostasien“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 48, 31 (1901), S. 1264– 1266; ders.: „Briefe aus Ostasien“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 48, 44 (1901), S. 1775 – 1776; ders.: „Briefe aus Ostasien“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 48, 45 (1901), S. 1819 – 1820; ders.: „Briefe aus Ostasien“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 13 (1902), S. 556 – 557; ders.: „Briefe aus Ostasien“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 15 (1902), S. 644– 646; ders.: „Briefe aus Ostasien“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 19 (1902), S. 820 – 823. Mayer, Georg: „Bilder aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 41 (1902), S. 1734– 1736; ders.: „Bilder aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 42 (1902), S. 1782– 1783; ders.: „Bilder aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 43 (1902), S. 1822– 1823; ders.: „Bilder aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 44 (1902), S. 1869 – 1870; ders.: „Bilder aus China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 49, 47 (1902), S. 1900. Mayer, Georg: „Untersuchungen von Wasserläufen in China“, in: Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten 33, 6 (1902), S. 412– 422. Mayer, Georg: Hygienische Studien in China, Leipzig: Johann Ambrosius Barth, 1904.
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
scheinende dessen, was die Übersetzung chinesischer Schriften durch die Dolmetscher mich lehrte, was ich in den Städten, im Verkehr mit der Bevölkerung sah und hörte, was ich durch objektive Untersuchung fand, das habe ich im November 1902 lose in den folgenden Blättern vereinigt.¹²⁶
Deutlich wird, dass Mayer bestrebt war, eine „objektive“ Darstellung der hygienischen Verhältnisse in China zu bieten. Zum einen waren in den ersten neun Kapiteln – nämlich „Peking vom hygienischen Standpunkt“, „Die Ergebnisse der Wasseruntersuchung in Peking an 132 Stellen“, „Die Ergebnisse der Wasseruntersuchung in der nordwestlichen Provinz Tshili an 46 Stellen“, „Thermalquellen in Tshili“, „Neu angelegte Brunnen in Peking“, „Die Wasserzentrale der Seebataillone“, „Spezielle Beobachtungen und Untersuchungen“, „Schlußbetrachtung der Wasseruntersuchungen“, „Im Gebiet des Yang-tse-Kiang“ – Beschreibungen und Ergebnisse seiner Wasseruntersuchungen in Beijing, in der Provinz Zhili und im Gebiet des Changjiang-Flusses enthalten. Zum anderen beschrieb er kulturelle Probleme hinsichtlich der Medizin in China, darunter „Öffentliche Gesundheitspflege und Wohlfahrtseinrichtungen“, „Kulturelle Auswüchse“, „Prostitution“, „Heilkunde“ und „Abergläubische Gebräuche bei Krankheiten“. Mit seiner Vielzahl an Daten und seinen umfangreichen Inhalten entging das Werk nicht der Aufmerksamkeit des zeitgenössischen medizinischen Fachpublikums in Deutschland und es wurde in vielen medizinischen Fachzeitschriften vorgestellt. So befand etwa ein Rezensent in der „Zeitschrift für Erkrankungen der Atmungsorgane“: „Die veröffentlichten Aufzeichnungen sind jedem, der sich für Kultur und Leben der Chinesen interessiert, zu empfehlen.“¹²⁷ Auch in der „Hygienischen Rundschau“ fiel die Bewertung insgesamt positiv aus: Die wertvollen Angaben über die bisher fast oder ganz unbekannt gebliebenen Wasserverhältnisse eines chinesischen Landesteils würden durch Beschränkung auf diesen Stoff, der sich dafür übersichtlicher anordnen und besser durcharbeiten liess, gewonnen haben.¹²⁸
Weniger beeindruckt zeigte sich der Rezensent der „Hygienischen Rundschau“ indes von der Beschreibung der chinesischen medizinischen Kultur, die von der „Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift“ als „geistreich“ und „hochinteressant“¹²⁹ gelobt wurde: „Die volkskundlichen und geographischen Abschnitte
Mayer, Hygienische Studien, Vorwort. Zeitschrift für Erkrankungen der Atmungsorgane 6, 6 (1906), S. 577. Hygienische Rundschau 14, 20 (1904), S. 983. Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 33, 5 (1904), S. 288.
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können bei dem Reichtume des bereits vorliegenden, einschlägigen Schrifttums kaum Neues bieten.“¹³⁰ Dr. Friedrich Morgenroth (1868–?), der 1890 – 1893 eine Ausbildung an der Kaiser-Wilhelms-Akademie erhielt, 1892 promoviert und 1894 zum Assistenzarzt befördert wurde, nahm im August 1900 als Stabsarzt am deutschen Expeditionskorps nach China teil¹³¹ und war bis zum August 1902 im chemisch-bakteriologischen Laboratorium des Feldlazaretts in Tianjin tätig. Vor seiner Dienstzeit in China war Morgenroth von 1896 bis 1900 an den hygienischen Instituten der Universität in Berlin beschäftigt.¹³² In den von ihm allein und gemeinsam mit anderen Kollegen verfassten Berichten wurden die Ergebnisse der im Laboratorium durchgeführten Untersuchungen vorgelegt. Bei der Darstellung der Wasseruntersuchungen wurde der hygienische Zustand der lokalen Gewässer beschrieben, darunter das Wasser des Bai-Flusses (Baihe 白河) und das Grundwasser in und um Tianjin. Die wichtigsten davon waren unter anderem der „Bericht über die Wasserversorgung in und um Tientsin“¹³³ und der „Bericht aus dem bakteriologisch-chemischen Laboratorium des Ostasiatischen Expeditionskorps und der Besatzung-Brigade“.¹³⁴ Nach der Heimkehr Morgenroths übernahm der an der Kaiser-WilhelmsAkademie ausgebildete und promovierte Militärarzt Dr. Hans Eckert (1873–?), der 1900 an der deutschen Expedition nach China teilnahm, bis zum Juli 1905 die Leitung des chemisch-bakteriologischen Laboratoriums.¹³⁵ Während seines Dienstes in China berichtete Eckert sowohl über die Untersuchungsergebnisse im Laboratorium als auch über die medizinischen Tätigkeiten, die er beobachtete und selbst durchführte. Dabei verfasste er unter anderem Berichte über die im Laboratorium erfolgten Untersuchungen,¹³⁶ über die Gründung und den Betrieb
Hygienische Rundschau 14, 20 (1904), S. 983. Vgl. Wätzold, Stammliste, S. 395. Vgl. Wätzold, Stammliste, S. 395. Morgenroth, Friedrich/Weigt: „Bericht über die Wasserversorgung in und um Tientsin“, in: Hygienische Rundschau 11, 16 (1901), S. 773 – 783. Morgenroth, Friedrich/Eckert, Hans: „II. Bericht aus dem bakteriologisch-chemischen Laboratorium des Ostasiatischen Expeditionskorps und der Besatzungs-Brigade“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 31, 2 (1902), S. 49 – 58. Vgl. Wätzold, Stammliste, S. 428. Eckert, Hans: „Bericht aus dem bakteriologischen Laboratorium des Lazaretts Shanghai. Untersuchungen vom September 1902 bis zur Auflösung der Garnison im Dezember 1902“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 32, 10 (1903), S. 674– 682; ders.: „Bakteriologische Erfahrungen über die Ruhr in Nordchina“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 35, 7 (1906), S. 385 – 397.
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
der Wutschutzstation des Ostasiatischen Feldlazaretts¹³⁷ sowie über seine persönlichen Beobachtungen zum Ausbruch der Pest in Nordchina im Herbst 1903.¹³⁸ Die Mehrzahl von Eckerts Berichten beschränkte sich auf die Schilderung der chemischen und bakteriologischen Experimente und die sich daraus ergebenden Folgerungen, während die Arbeit „Die Pest in Nord-China im Herbst 1903“, die im Jahr 1905 in der Rubrik „Öffentliches Sanitätswesen“ der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ erschien, weitergehende Informationen über die sanitären Zustände in China bot. Ende August 1903 brach die Pest in der Stadt Beitang 北塘 aus und verbreitete sich trotz der systematischen Bekämpfung rasch in die unmittelbare Umgebung von Tanggu 塘沽 und Tianjin, wo sich die Garnisonen der internationalen Besatzungstruppen befanden. Eckert wurde deshalb am 16. Oktober 1903 in die betroffenen Orte entsandt, um sich detailliert über die lokalen Umstände zu informieren. Auf Grundlage seiner Beobachtungen der Entwicklung dieser Pestepidemie entstand die genannte Arbeit, in der Eckert unter anderem den Ursprung der Pest, ihre Ausbreitung, die zur Verhinderung ihrer Weiterverbreitung getroffenen hygienischen Maßnahmen und die Schwierigkeiten in der Durchführung derselben darstellte, wobei er die Einstellungen und Aktionen der chinesischen Ärzte und Bevölkerung gegenüber der Pest und den westlichen Bekämpfungsmaßnahmen beschrieb, analysierte und beurteilte. Dr. Paul Assmy (1869 – 1935), der 1889 – 1891 Medizin an der Königlichen Christian-Albrechts-Universität zu Kiel studierte, danach das Medizinstudium in München, Berlin und Heidelberg fortsetzte und zugleich Praktika in den dortigen Kliniken absolvierte, stand ab 1897 im Dienst der deutschen Armee und wurde 1898 in Heidelberg promoviert.¹³⁹ Er nahm 1900 an der deutschen Expedition nach China teil und beendete im September 1903 seinen Militärdienst. Vor Antritt seines Dienstes in China war Assmy als Demonstrator/Volontärassistent im Pathologischen Institut an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin im Laboratorium und Sektionssaal tätig. Während seines Chinaaufenthalts wurde er im ärztlichen Dienst zunächst in Beijing und später in Langfang 廊坊 und Yangcun 杨村 eingesetzt. Im April 1906 traf Assmy als Konsulatsarzt in Chongqing ein und begann seine Tätigkeit als Leiter der dortigen deutschen Poliklinik. Er hatte die
Eckert, Hans: „Zur Eröffnung der Wutschutzstation des Ostasiatischen Feldlazaretts“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 33, 3 (1904), S. 199 – 202; ders.: „Die Tätigkeit der Wutschutzstation des Ostasiatischen Feldlazaretts in Tientsin von September 1903 bis zum Juli 1905“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 35, 2 (1906), S. 135– 144. Eckert, Hans: „Die Pest in Nord-China im Herbst 1903“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 31, 11 (1905), S. 427– 429. Vgl. Assmy, Christine: „Dr. Paul Assmy – Rückblick auf sein Leben in China“, http://www. assmy.net/, zuletzt aufgerufen am 20. 5. 2018.
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Leitung der Poliklinik bis zum Jahr 1919 inne, als er anlässlich seiner Ausweisung aus China zur Auflösung der Klinik gezwungen war.¹⁴⁰ Seine Publikationen über die chinesische Medizin entstanden vor allem während seiner Tätigkeit in Chongqing. In diesem Zeitraum verfasste Assmy einige Berichte über die Arbeit in der deutschen Poliklinik. Zwei dieser Arbeitsberichte wurden in den Jahren 1909 und 1911 in der Zeitschrift „Klinisches Jahrbuch“ veröffentlicht. Ein Bericht¹⁴¹ bot den Lesern zunächst einen kurzen Überblick über die tägliche Arbeit in der Poliklinik für die Zeit vom 1. Juli 1906 bis zum 30. Juli 1907. Dieser beeinhaltete Informationen zur Aufnahme und Verpflegung von Patienten, zur Erweiterung des Personals, zur Einrichtung von Krankenräumen und zum Betrieb der Poliklinik. Daran schloss Assmy eine ausführliche Beschreibung der behandelten Krankheiten an. Dabei beschrieb er zum einen die Typen, Symptome und Behandlungsmethoden der Krankheiten, zum anderen erfolgte eine Analyse der Ursachen für ihr Auftreten und ihre Verbreitung aus der Perspektive der klimatischen, hygienischen und kulturellen Verhältnisse Chongqings. Auf diese Weise versuchte Assmy, die Notwendigkeit der medizinischen Praxis unter den lokalen Chinesen aufzuzeigen und zu begründen. Weiterhin schilderte er am Ende des Berichts einige besondere medizinische Einzelfälle. Im zweiten Bericht,¹⁴² der in Struktur und Schreibstil dem anderen ähnelte, stellte Assmy seine Arbeit in der Poliklinik vom 1. Juli 1908 bis 30. Juni 1910 vor. Er beschrieb die medizinischen Anschauungen und die medizinische Praxis in China, insbesondere im Südwesten des Landes. Die beiden Berichte konnten einen weiteren Einfluss auf das deutsche Publikum nehmen, wie die Beurteilung des Rezensenten des „Archivs für Schiffsund Tropen-Hygiene“ bei der Vorstellung des ersten Berichts erkennen lässt: Der vorliegende Bericht gibt außer medizinisch interessanten Darstellungen ein Kulturbild des heutigen Chinas. Wenn man von der tiefstehenden hygienischen Kultur, von der Unsauberkeit, der Indolenz und dem Mangel jeder Selbsterkenntnis des Chinesen liest, be-
Obwohl er letztlich weiterhin in China verbleiben durfte, arbeitete er nicht mehr für das deutsche Auswärtige Amt und schied auch aus dem Militärdienst aus. Im Jahr 1920 übernahm er die Leitung eines Hospitals des Chinesischen Roten Kreuzes in Chongqing und betrieb dort später eine private Praxis. Am 9. März 1935 verstarb Assmy an den Folgen einer langjährigen Erkrankung in Chongqing. Assmy, Paul: „Deutsche Poliklinik in Chungking für das Jahr vom 1. Juli 1906 bis 30. Juni 1907“, in: Klinisches Jahrbuch 20, 4 (1909), S. 403 – 432. Assmy, Paul: „Bericht über den Betrieb der Poliklinik Chungking“, in: Klinisches Jahrbuch 25, 1 (1911), S. 72– 120.
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
kommt man einen ungefähren Begriff von der Arbeit, die hier noch Jahrhundertelang zu leisten sein wird.¹⁴³
Auch deutsche Fachkollegen, die sich für Fragen der chinesischen Medizin interessierten, zogen die Berichte gelegentlich zu Rate. Abgesehen von der ärztlichen Arbeit zeigte Assmy auch eine Vorliebe für die medizinische Forschung und verfasste, ausgehend von den eigenen Arbeitserfahrungen, zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten.¹⁴⁴ Weiterhin wurden einige Artikel speziell zur chinesischen Medizin von Militärärzten publiziert, die entweder ein besonderes Interesse daran fanden oder anlässlich ihres Aufenthalts in China mit dem chinesischen Medizinalwissen in intensive Berührung kamen. Hier ist zunächst Dr. Bruno Kaether (1861–?) zu erwähnen, der an der deutschen Ostasiatischen Expedition 1900 – 1901 teilnahm und von 1903 bis 1906 als Brigadearzt bei der deutschen Ostasiatischen Besatzungsbrigade in China tätig war. Vor seinem Dienstantritt in China hatte Kaether eine systematisch-moderne medizinische Ausbildung absolviert. 1882– 1886 studierte er an der Kaiser-Wilhelms-Akademie, wo er 1886 promoviert wurde und 1888 zum Assistenzarzt avancierte.¹⁴⁵ Kaether schrieb vor allem zur chinesischen Medizin und verfasste den ausführlichen Artikel „Die Medizin in China“.¹⁴⁶ Diese Arbeit basierte auf seinem Vortrag in der Militärärztlichen Vereinigung zu Hannover und wurde 1907 in der „Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift“ veröffentlicht. In Anlehnung an die eigenen Beobachtungen und einige Medizinalberichte und Forschungsarbeiten zeitgenössischer Kollegen behandelte Kaether darin zahlreiche Einzelheiten der chinesischen Medizin und bezog sich dabei unter anderem auf die chinesischen Auffassungen vom menschlichen Körper, Krankheiten und Behandlungsmethoden sowie die medizinischen Reformbestrebungen in China. Die Abhandlung
Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 13, 13 (1909), S. 422. Assmy, Paul: „Über Behandlung mit Hyperämie nach Bier“, in: Archiv für klinische Chirurgie 88, 4 (1909), S. 985 – 1007; ders.: „Über Mikroorganismenbefunde bei phagedänischen Geschwüren in Chungking“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 13, 21 (1909), S. 657– 660; ders.: „Zur Frage der Emetinbehandlung der Lambienruhr“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 61, 25 (1914), S. 1393; und andere. Vgl. Wätzold, Stammliste, S. 288. Kaether, Bruno: „Die Medizin in China“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 36, 18 – 21 (1907), S. 769 – 785, 833 – 855, 883 – 898, 928 – 938.
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wurde als „sehr lesenswerte Arbeit“¹⁴⁷ in der „Münchener Medizinischen Wochenschrift“ gepriesen. Weiterhin ist der in der „Berliner Klinischen Wochenschrift“ erschienene Artikel „Der Stand der Heilkunde und die Ausübung der Heilkunst in China“¹⁴⁸ von Dr. Krause zu nennen, der aus einem Vortrag in der Berliner militärärztlichen Gesellschaft am 21. Oktober 1902 hervorging. Krause war im Rahmen der deutschen Ostasiatischen Expedition 1900 – 1901 in China tätig und sein Artikel basierte neben persönlichen Beobachtungen in China auf damaligen Forschungsarbeiten zur chinesischen Medizin. Krause setzte sich ausführlich mit Fragen der chinesischen Medizin auseinander und beurteilte diese, wobei er unter anderem auf die Entwicklung der chinesischen Medizin, die chinesischen Ärzte, die chinesischen medizinischen Lehren und ihre Behandlungsmethoden im Bereich der inneren Medizin und der Chirurgie einging und den putativen Zusammenhang zwischen der chinesischen Medizin und dem Aberglauben betonte und erläuterte. Auch der Militärarzt Dr. Gruenhagen verfasste mit „Aus der chinesischen Medizin“¹⁴⁹ und „Die Grundlagen der chinesischen Medizin“¹⁵⁰ zwei Artikel zur chinesischen Medizin. Er war bemüht, durch diese Schriften „eine bessere Meinung von der chinesischen Medizin“ im deutschen Publikum zu erwirken und einen aktiven Beitrag zur modernen Darstellung der Geschichte der Medizin zu leisten.¹⁵¹ Die beiden Arbeiten lehnten sich hauptsächlich an das im Jahr 1742 veröffentlichte chinesische medizinische Werk „Auf allerhöchsten Befehl veröffentlichte Zusammenstellung der medizinischen Wahrheiten“ (Yuzuan yizong jinjian 御纂医宗金鉴) an und umfassten grundsätzlich ähnliche Inhalte, wobei die zweite Darstellung ausführlicher ausfiel. Abgesehen von der prägnanten Beschreibung des Militärsanitäts- und Zivilsanitätswesens in China beschäftigten sie sich vor allem mit der selektiven Vorstellung von konkreten charakteristischen Inhalten des chinesischen Werks, mit Bezug unter anderem auf die philosophischen Grundlagen der medizinischen Theorien, auf Malaria, Exantheme, Augenkrankheiten, Kinderkrankheiten, Impfungen und Ernährung. Der methodische Ansatz Gruenhagens, wonach die chinesische Medizin auf der Basis der
Münchener Medizinische Wochenschrift 54, 51 (1907), S. 2544. Krause: „Der Stand der Heilkunde und die Ausübung der Heilkunst in China“, in: Berliner Klinische Wochenschrift 40, 1– 3 (1903), S. 18 – 20, 39 – 41, 68 – 70. Gruenhagen: „Aus der chinesischen Medizin“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 34, 1 (1905), S. 1– 16. Gruenhagen: „Die Grundlagen der chinesischen Medizin“, in: Janus, Archives Internationales pour l’Histoire de la Médecine et la Géographie Medicale 13 (1908), S. 1– 14, 121– 137, 191– 205, 268 – 278, 328 – 337. Gruenhagen, Die Grundlagen der chinesischen Medizin, S. 1.
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
chinesischen medizinischen Literatur erforscht wurde, stand in starkem Kontrast zu denen anderer Militärärzte, die die chinesische Medizin nur anhand eigener Erfahrungen und anderer Forschungen beschrieben. Wenngleich die Artikel nach akademischen Maßstäben inhaltlich lückenhaft und wenig detailliert und systematisch waren, zeigten sie im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Publikationen der deutschen Militärärzte, die generell keine hohe Meinung von der chinesischen Medizin hatten, bereits Fortschritte in Hinsicht auf ihre Einstellung und Methodik. So wurden sie auch von der zeitgenössischen deutschen Medizin positiv aufgenommen. Das wesentliche Verdienst Gruenhagens erblicke ich darin, daß er in einer gründlichen, von Vorurteilen freien objektiven Darstellung die chinesische Wissenschaft in ihrer medizinischen Seite unserer Kenntnis zugänglich und uns zu begreifen möglich gemacht hat,¹⁵²
urteilte die „Deutsche Militärärztliche Zeitschrift“ über den Artikel „Die Grundlagen der chinesischen Medizin“. Auch Dr. Hübotter betrachtete diesen Artikel als wichtige Abhandlung in der europäischen Literatur über die chinesische Medizin.¹⁵³ Außerdem beschäftigte sich Gruenhagen speziell mit der Frage der Impfung in China im Artikel „Über das Impfen bei den Chinesen“,¹⁵⁴ wobei die traditionelle chinesische Impfmethode, die in „Yuzuan yizong jinjian“ geschildert wurde, wiedergegeben und die Anwendung der westlichen Kuhpockenimpfung unter Chinesen vorgestellt wurde. Neben den Publikationen der beiden genannten Hauptgruppen von deutschen Militärärzten – der Marineärzte im Pachtgebiet und der Militärärzte des deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps – erschienen in der Kolonialzeit noch einige weitere Arbeiten über die chinesische Medizin von deutschen Militärärzten, die in anderen Gegenden Chinas tätig waren, darunter Dr. Carl Velde,¹⁵⁵ Dr. Adolf Treutlein¹⁵⁶ und Dr. Hans Gaupp,¹⁵⁷ die jedoch hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden.
Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 38, 4 (1909), S. 170. Vgl. Hübotter, Die Chinesische Medizin, S. 7. Gruenhagen: „Über das Impfen bei den Chinesen“, in: Die Welt des Ostens. Altes und Neues aus Asiens drei Kaiserreichen (1904), S. 122 – 124, 127– 128. Velde, Carl: „Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse der Provinz Shantung“, in: Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte 17 (1900), S. 487– 500; ders.: „Bericht über die Verbreitung der Lepra in China“, in: Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte 17 (1900), S. 501– 507; und andere. Treutlein, Adolf: „Chinesisch-japanischer Reisebrief“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 53, 15/16 (1906), S. 726 – 728, 772– 773.
3 Publikationen der medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler
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Aus den vorstehenden Schilderungen wird deutlich, dass die deutschen Militärärzte in China fachlich ausgebildete Mediziner waren, von denen nicht wenige ihre Ausbildung an der Kaiser-Wilhelms-Akademie absolviert hatten und dort promoviert worden waren. Vor dem Hintergrund der westlichen medizinischen Wissenschaft interessierten sie sich für die medizinische Forschungsarbeit in China, insbesondere die Sammlung und Veröffentlichung der chinesischen medizinischen Daten, und förderten die Entwicklung der Disziplin der deutschen Tropenmedizin. Sie fungierten jedoch nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Offiziere der Kolonialzeit, weshalb ihre Arbeit in China unvermeidlich den Interessen des deutschen Kolonialismus diente. Sie unterstützten das deutsche Kolonialwesen auf unterschiedliche Weise, wobei ihre medizinische Forschungsarbeit, einschließlich der Beschreibung der chinesischen Medizin, einen aktiven Beitrag zur deutschen kolonialen Expansion in China leistete. Die Mehrzahl der Publikationen der deutschen Militärärzte über die chinesische Medizin waren wissenschaftliche Abhandlungen und wurden in den medizinischen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Inhaltlich standen die Publikationen grundsätzlich in direkter Verbindung mit den praktischen medizinischen Tätigkeiten der deutschen Militärärzte in China und beschäftigten sich deshalb vor allem mit den Krankheiten und der Hygiene an ihren Einsatzorten, die weitgehend den Charakter und den tatsächlichen Stand der chinesischen Medizin repräsentierten. Obwohl viele der Publikationen keine speziellen Forschungen zur chinesischen Medizin enthielten und diese häufig geradezu zur Kulisse werden ließen, vor welcher in der Hauptsache die deutschen Militärärzte agierten, fehlten ihnen Inhalte zur chinesischen Medizin nicht völlig. Chinesische medizinische Anschauungen und Praxis wurden in diesen Arbeiten aus unterschiedlichen Motiven erwähnt und erörtert.
3 Publikationen der medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler Die Publikationen der deutschen medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler können nach ihren Verfassern vor allem in zwei Gruppen klassifiziert werden. Zum einen stammten sie von den Medizindozenten, die während der Kolonialzeit an der Deutschen Medizinschule für Chinesen in Shanghai unterrichteten. Dabei zeichneten sich neben anderen Dr. Eduard Birt, Dr. Walther Fi-
Gaupp, Hans: „Über die Geburtshilfe der Chinesen“, in: Zeitschrift für Ethnologie 39, 4/5 (1907), S. 729 – 745.
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scher und Dr. Hermann Dold hinsichtlich der Beschreibung der chinesischen Medizin aus. Zum anderen wurden sie von medizinischen Lehrern und wissenschaftlichen Forschern in Deutschland verfasst, darunter etwa Dr. Karl Friedrich von Heusinger, Dr. Heinrich Haeser, Dr. Wilhelm Stricker, Dr. Julius Pagel und Dr. Heinrich Botho Scheube. Dr. Eduard Birt (1880 – 1957) studierte 1899 – 1902 in Tübingen, Marburg, München und Berlin Medizin und bestand 1904 das Staatsexamen.¹⁵⁸ Anschließend war er bis 1909 als Assistenzarzt im Krankenhaus in Hamburg tätig und erlangte im Jahr 1907 den Doktorgrad. Zur weiteren beruflichen und fachlichen Entwicklung begann Birt 1909 seine Arbeit als Dozent der Deutschen Medizinschule in Shanghai und verblieb bis 1946 in China. Er unterrichtete nicht nur am Klinikum der Medizinschule Gynäkologie, Geburtshilfe, Chirurgie und andere Fächer, sondern war auch aktives Mitglied der Deutschen Ärztevereinigung in Shanghai und als Allgemeinarzt am Tongji-Hospital tätig. Diese doppelte Tätigkeit bot dem interessierten Birt reichlich Gelegenheit, sich mit den in Shanghai und sogar in Mittelchina auftretenden Krankheiten zu befassen. Medizinische Forschung außerhalb des Unterrichts war damals bereits übliche Praxis an den deutschen Universitäten, weshalb einige der deutschen Dozenten der Medizinschule ihre medizinische Forschungsarbeit fortsetzten. So publizierte Birt in dieser Phase, ausgehend von eigenen Beobachtungen, Erfahrungen und Forschungen, zahlreiche Berichte über Krankheiten in China. Die Arbeiten, die bis zur Unterbrechung seiner Lehrtätigkeit an der Medizinschule 1917 fertiggestellt wurden, befassten sich hauptsächlich mit Appendizitis,¹⁵⁹ Sprue¹⁶⁰ und Darmstriktur¹⁶¹ in Shanghai, wobei zahlreiche konkrete Fälle, Symptome, ätiologische Befunde und therapeutische Methoden ausführlich dargestellt und analysiert wurden. Mit diesen Beschreibungen, die auf klinischen Beobachtungen und mikroskopischen Untersuchungen basierten, war Birt darum bemüht, einige Unklarheiten aus der früheren Forschung zu beleuchten und mit neuen Erkenntnissen zu ergänzen. Insofern leistete er damit einen Beitrag zur klinischen Arbeit und Forschung zu Appendizitis, Sprue und Darmstriktur. Dr. Walther Fischer (1882– 1969) studierte von 1900 bis 1906 Medizin in Tübingen, Leipzig und Kiel, wurde 1907 promoviert und habilitierte sich 1911 im
Vgl. Li Lezeng, Deguo duihua zhengce, S. 281. Birt, Eduard: „Über Appendicitis in Ostasien, speziell Shanghai und Umgebung“, in: Beiträge zur klinischen Chirurgie 92, 4 (1914), S. 437– 456. Birt, Eduard: „Beitrag zur Klinik des Sprue“, in: Deutsches Archiv für klinische Medizin 120, 5 – 6 (1916), S. 460 – 480. Birt, Eduard/Fischer, Walther: „Seltene Darmstrikturen in Mittelchina“, in: Beiträge zur klinischen Chirurgie 104, 1 (1916), S. 167– 195.
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Bereich Pathologie in Göttingen.¹⁶² Vor seinem Dienstantritt in China war Fischer 1907 bis 1913 Assistent an den pathologisch-anatomischen Instituten in Königsberg, Tübingen, Freiburg und Göttingen.¹⁶³ Während der Jahre 1913 bis 1919 wurde er zur fachlichen Weiterentwicklung und auch zur Förderung der deutschen Kulturarbeit in China an die Medizinschule nach Shanghai berufen. Während dieser Zeit unterrichtete er zum einen als Dozent am Klinikum in den Fächern Pathologie, Biologie und Deutsch und zum anderen leitete er das Institut für Pathologie der Medizinschule, wobei er umfangreiche medizinische Forschungen durchführte. Zum Ziel und Interesse seiner Forschungsarbeit in China erläuterte Fischer: Nach meiner Übersiedlung nach Shanghai hatte ich mich dort vorzugsweise mit Fragen der Parasitologie und Protozologie zu beschäftigen, insbesondere mit der Untersuchung auf Amöben. Aber auch sonst bot das reichhaltige Krankengut in China reichlich Gelegenheit zur Beschäftigung mit tropenmedizinischen Problemen und meine Tätigkeit in China hat dann die Neigung zur Beschäftigung mit Fragen der geographischen Pathologie noch verstärkt, die sich durch meine Tätigkeit in den verschiedensten Gegenden Deutschlands bemerkbar gemacht hatte.¹⁶⁴
Er betätigte sich gleichzeitig publizistisch auf dem Gebiet der Medizin und veröffentlichte in diesem Zeitraum zahlreiche Arbeiten. Diese hatten vor allem die deutsche Medizinschule in Shanghai und die Ergebnisse seiner medizinischen Forschungen in China zum Thema. Bezüglich der Medizinschule erschienen drei Aufsätze in deutschen medizinischen Fachzeitschriften. Zwei davon handelten von den Anlagen und der Lehrtätigkeit an der Schule vor dem Ersten Weltkrieg und waren inhaltlich im Wesentlichen identisch,¹⁶⁵ während die dritte Arbeit schwerpunktmäßig die Entwicklung der Schule während des Ersten Weltkriegs darstellte.¹⁶⁶ Alle drei Aufsätze wurden von Fischer nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs verfasst. In jenem Zeitraum nahm die Medizinschule in Shanghai viele Studenten der deutsch-chi-
Vgl. Olpp, Hervorragende Tropenärzte, S. 134. Vgl. Hartwig, Angela/Schmidt, Tilmann (Hg.): Die Rektoren der Universität Rostock: 1419 – 2000, Rostock: Univ., 2000, S. 206. Universitätsarchiv Rostock, Personalakte Walther Fischer, Fischers Tätigkeit im Ausland, S. 12. Fischer, Walther: „Die Deutsche Medizinschule für Chinesen in Shanghai“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 62, 3/4 (1915), S. 80 – 82, 114– 116; ders.: „Die Deutsche Medizinschule für Chinesen in Shanghai“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 41, 15/16 (1915), S. 443 – 445, 474– 475. Fischer, Walther: „Das Schicksal der Deutschen Medizinschule für Chinesen in Shanghai“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 45, 51 (1919), S.1421– 1423.
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nesischen Hochschule in Qingdao auf, folglich waren die Mittel zum Betrieb der Institution beschränkt und die finanzielle Unterstützung von Deutschland stand infolge des Krieges vor dem Ende. Durch die ausführliche Schilderung der erzielten Leistungen in Unterricht und Forschung sowie der Schwierigkeiten, denen die Schule gegenüberstand, zielte Fischer darauf ab, das deutsche Publikum mit Informationen über die deutsche Kulturarbeit in China zu versorgen und hoffte so auf weitere Unterstützung für die Medizinschule aus Deutschland. Bezüglich der chinesischen Medizin wurden vor allem Themen behandelt, die konkreten Einfluss auf die Unterrichtstätigkeit an der Medizinschule hatten. Die Publikationen über seine medizinische Forschung waren wissenschaftliche Abhandlungen und bezogen sich zum Teil auf die Erforschung der Krankheiten, die in Shanghai auftraten, wie etwa Dysenterie,¹⁶⁷ Amöbenzystitis,¹⁶⁸ das Shanghaier Heuasthma,¹⁶⁹ Mundamöben,¹⁷⁰ Leberzirrhose¹⁷¹ und den Mongolenfleck.¹⁷² Fischer hatte bereits in Deutschland ein Interesse für die geographische Pathologie entwickelt, so dass er, teilweise gemeinsam mit seinen Assistenten, zur pathologischen Analyse von Krankheiten eine Reihe systematischer mikroskopischer Untersuchungen durchführte und darüber berichtete. Dabei wurden unter anderem Krankheitserscheinung, frühere Forschungsergebnisse, Untersuchungsmethoden sowie Experimentalprozess und Ergebnisse der Untersuchungen eingehend geschildert. Zur Erforschung der Beziehung von Krankheit, Darmparasiten und Blutbild erfolgten spezielle mikroskopische Untersuchungen von Stuhl und Blut bei Europäern und Chinesen. Aus den Ergebnissen entstand eine Reihe von Forschungsberichten. Diese Arbeiten behandelten unter anderem
Fischer, Walther: „Über die Amöbendysenterie in Schanghai“, in: Deutsches Archiv für klinische Medizin 118, 2 (1915), S. 129 – 147; Fischer, Walther/Dold, Hermann: „Gleichzeitige Infektion mit Dysenteriebazillen und Dysenterieamöben“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 43, 40 (1917), S. 1258 – 1260. Fischer, Walther: „Über Amöbenzystitis“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 61, 9 (1914), S. 473 – 474. Fischer, Walther: „Über das Schanghaier ,Heuasthma‘, den sogenannten ‚privet-cough‘“, in: Deutsches Archiv für klinische Medizin 118, 3 (1915), S. 267– 282. Fischer, Walther: „Über Mundamöben und ihre pathologische Bedeutung“, in: Zentralblatt für Allgemeine Pathologie 28, 12 (1917), S. 281– 293; Fischer, Walther/Yü, Shen Chen: „Mundamöben und Zahnbelag“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 22, 20 (1918), S. 372– 376. Fischer, Walther: „Zur Kenntnis der Leberzirrhose in China“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 23, 19 (1919), S. 435 – 442. Fischer, Walther/Yü, Shen Chen: „Kurzer Beitrag zur Kenntnis des Mongolenflecks“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 23, 19 (1919), S. 447– 450; Fischer, Walther: „Einiges über den Mongolenfleck“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 23, 19 (1919), S. 450 – 459.
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die Beziehung zwischen Darmparasiten und Darmerkrankungen,¹⁷³ das Blutbild bei Pocken,¹⁷⁴ das Verhalten des Bluts bei Lues im Sekundärstadium,¹⁷⁵ die Beziehung zwischen Blutbild und Darmparasiten bei Chinesen,¹⁷⁶ das Leukozytenblutbild bei Chinesen¹⁷⁷ und das Blutbild bei Amöbendysenterie.¹⁷⁸ Dr. Hermann Dold (1882– 1962), der Medizin in Tübingen und Berlin studierte, wurde 1906 in Tübingen promoviert, war 1907– 1908 Assistent am Pathologischen Institut zu Tübingen, 1908 – 1910 „Harben“-Demonstrator für Bakteriologie und vergleichende Pathologie am Royal Institute of Public Health in London, 1910 – 1911 wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Reichsgesundheitsamt in Berlin und habilitierte sich 1912 in Straßburg im Fach der Hygiene.¹⁷⁹ Sein Interesse für die Tropenmedizin und die Hoffnung auf bessere berufliche Perspektiven führten zu seiner Entscheidung, in China zu arbeiten.Während der Jahre 1914 bis 1919 erteilte Dold Unterricht in Hygiene und Bakteriologie am Klinikum der Deutschen Medizinschule in Shanghai und leitete zugleich deren Institut für Hygiene und Bakteriologie. Im Jahr 1917 erhielt er den Professorentitel an der Straßburger Universität. Neben den Aufgaben in der Lehre führte Dold während dieses Zeitraums auch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen durch und publizierte eine Vielzahl von Abhandlungen in medizinischen Zeitschriften. Seine Publikationen behandelten die Themengebiete Bakteriologie,¹⁸⁰ Serologie¹⁸¹ und Krankheiten in Shanghai, wie etwa Tuberkulose,¹⁸² Pocken,¹⁸³
Fischer,Walther: „Über Stuhluntersuchungen bei Europäern und Chinesen in Shanghai“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 18, 18 (1914), S. 615 – 634; ders.: „Über Darmparasiten bei Gesunden und Kranken in Shanghai“, in: Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten 84, 2 (1920), S. 135– 142. Fischer,Walther: „Zur Kenntnis des Blutbildes bei Pocken“, in: Archiv für Schiffs- und TropenHygiene 19, 11 (1915), S. 297– 301. Walther, Fischer/Nien, Chen Pan: „Das Verhalten des Blutes bei Lues im Sekundärstadium“, in: Berliner Klinische Wochenschrift 56, 38 (1919), S. 891– 893. Fischer, Walther: „Blutbild und Darmparasiten bei Chinesen in Schanghai“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 42, 28 (1916), S. 850 – 852. Fischer, Walther/Tsung, Dsiao Hsiang: „Das Leukozytenblutbild bei Chinesen“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 23, 19 (1919), S. 443 – 447. Fischer, Walther: „Das Blutbild bei Amöbendysenterie“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 45, 36 (1919), S. 991– 992. Vgl. Olpp, Hervorragende Tropenärzte, S. 101– 102. Dold, Hermann: „Erfahrungen mit dem Büchsenagar von Uhlenhuth und Messerschmidt in China“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 42, 1 (1916), S. 12– 13; ders.: „Vier weitere Fälle von natürlich erworbener bazillärer Dysenterie beim Hund, nebst Beobachtungen über Bazillenträgertum“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 42, 27 (1916), S. 811– 813; Dold, Hermann/ Li, Meiling: „Bakteriologische Untersuchungen über die faulen Eier der Chinesen“, in: Archiv für Hygiene 85, 7 (1916), S. 300 – 308; und andere.
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Schnupfen,¹⁸⁴ Spru,¹⁸⁵ Pyozyaneusinfektion des Darmes¹⁸⁶ und den sogenannten Hongkongfuß.¹⁸⁷ Im Artikel über die Tuberkulose wurde diese unter der chinesischen und nicht-chinesischen Bevölkerung in der internationalen Niederlassung von Shanghai in der Zeit von 1900 bis 1914 beschrieben, wobei die wichtigsten Daten aus dem Gesundheitsamt der Niederlassung (Health Office) dargestellt, verglichen und erläutert wurden. In seiner Arbeit über die Pocken behandelte Dold ebenfalls mithilfe statistischer Daten des Health Office die Pocken unter der lokalen chinesischen und der ausländischen Bevölkerung während der Zeit von 1900 bis 1913 und analysierte die Ursachen für die periodischen Schwankungen der Pocken in Shanghai im Jahresverlauf. Dolds übrige Arbeiten thematisierten vor allem bakteriologische und serologische Untersuchungen sowie die mikroskopische ätiologische Erforschung von Krankheiten, wobei das Hauptgewicht auf der Beschreibung der diesbezüglichen Experimente und der Analyse der daraus gewonnenen Beweise und Folgerungen lag. Diese Abhandlungen von Birt, Fischer und Dold, die wertvolles Material für die diesbezüglichen Forschungen in Deutschland lieferten, zeigten eine akade-
Dold, Hermann: „Die Leukozyten anlockende Wirkung von art- und körpereigenen Sekreten und Gewebssäften“, in: Deutsches Archiv für klinische Medizin 117, 3 (1915), S. 206 – 223; ders.: „Über Komplementbindung bei Varizellen“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 42, 46 (1916), S. 1411– 1412; ders.: „Lokale und allgemeine Leukozytose nach inneren Blutungen“, in: Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie 29, 1 (1916), S. 68 – 78; ders.: „Die Leukozytenreaktion nach inneren Blutungen“, in: Berliner klinische Wochenschrift 53, 48 (1916), S. 1290 – 1293; ders.: „Die Kachexie nach parenteraler Einverleibung von arteigenem Organeiweiß“, in: Zeitschrift für Immunitätsforschung und experimentelle Therapie 24, 4 (1916), S. 355 – 360; ders.: „Weitere experimentelle Beweise für das Auftreten einer Leukocytenreaktion nach sterilen inneren Blutungen“, in: Berliner klinische Wochenschrift 54, 40 (1917), S. 961– 962; und andere. Dold, Hermann: „Die Tuberkulose unter der chinesischen und nicht-chinesischen Bevölkerung Schanghais“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 41, 35 (1915), S. 1038 – 1040. Dold, Hermann: „Periodisches Auftreten der Pocken in Schanghai“, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 80, 3 (1915), S. 467– 480. Dold, Hermann: „Beiträge zur Ätiologie des Schnupfens“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 64, 5 (1917), S. 143 – 144. Dold, Hermann: „Über die Ätiologie der Spru“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 21, 1 (1917), S. 1– 16; ders.: „Weitere Studien über die Ätiologie der Sprue“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 23, 19 (1919), S. 461– 468; und andere. Dold, Hermann: „Über Pyozyaneus-Sepsis und Pyozyaneus-Darminfektionen in Schanghai“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 22, 20 (1918), S. 365 – 371; ders.: „Weitere Mitteilungen über Pyozyaneusenteritis“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 23, 19 (1919), S. 472– 473. Dold, Hermann: „Über die Ursache des sogenannten Hongkongfußes (,foot tetter‘; ,Dermatitis rimosa of the toes‘; ‚Dermatitis bullosa plantaris‘)“, in: Archiv für Schiffs- und TropenHygiene 23, 19 (1919), S. 469 – 471.
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misch-forscherische Einstellung und dienten zugleich auch der Gewährleistung der Gesundheit der europäischen Bevölkerung in Shanghai. Wenngleich diese Publikationen zunächst kaum eine direkte Beziehung zur chinesischen Medizin aufwiesen, wurden bei der Analyse und Darstellung der Ursachen und Therapien bestimmter Krankheiten doch einige übereinstimmende Aspekte, wie etwa chinesische therapeutische Methoden und Medikamente, medizinische Anschauungen und Gewohnheiten der Chinesen gegenüber Krankheiten, gelegentlich als Einflussfaktoren erwähnt und beurteilt. Auf der anderen Seite veröffentlichten einige in Deutschland wirkende Mediziner und Wissenschaftler, die sich für die chinesische Medizin interessierten oder mit der Geschichte der Medizin beschäftigten, ihre Erkenntnisse zur chinesischen Medizin in deutschen medizinischen Zeitschriften und medizinhistorischen Werken. Dr. Karl Friedrich von Heusinger (1792– 1883), der nach dem Abitur Medizin an den Universitäten Jena und Marburg studierte, unterrichtete ab 1821 in Anatomie, Pathologie und praktischer Medizin an deutschen Universitäten.¹⁸⁸ Er interessierte sich für die Geschichte der Medizin und begründete im Jahr 1848 als führender deutscher Medizinhistoriker die erste medizinhistorisch-wissenschaftliche Fachzeitschrift „Janus“. Bezüglich der chinesischen Medizin beschrieb von Heusinger knapp das Medizinalwissen in China in seinem Werk „Grundriss der Encyclopädie und Methodologie der Natur- und Heilkunde“.¹⁸⁹ Erwähnenswert ist die in der Zeitschrift „Janus“ erschienene Abhandlung „Die Chinesische Medizin“,¹⁹⁰ die er nach John Wilsons (1788 – 1870) „Medical Notes on China“ aus dem Englischen ins Deutsche übersetzte. Diese Arbeit beschäftigte sich unter anderem mit den philosophischen Grundlagen der chinesischen Medizin, den chinesischen Ansichten von der Struktur des menschlichen Körpers, den konkreten Tätigkeiten der chinesischen Ärzte und der chinesischen Pharmakologie und stellte dabei Vergleiche mit den medizinischen Verhältnissen in Europa auf.
Vgl. Pagel, Julius: „Heusinger, Karl Friedrich von“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 50 (1905), S. 293, https://www.deutsche-biographie.de/sfz35022.html#adbcontent, zuletzt aufgerufen am 20. 5. 2018. Heusinger, Karl Friedrich von: Grundriss der Encyclopädie und Methodologie der Natur- und Heilkunde nebst einer Übersicht der Geschichte der Medizin, 2. Aufl., Wien: Wilhelm Braumüller, 1868 [Erstveröff. 1839], S. 384– 391. Heusinger, Karl Friedrich von: „Die Chinesische Medizin“, in: Janus. Zeitschrift für Geschichte und Literatur der Medicin in Verbindung mit mehreren Gelehrten des In- und Auslandes 3, 2 (1848), S. 193 – 216.
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Dr. Heinrich Haeser (1811– 1885) studierte Medizin an der Universität Jena, wo er 1834 promoviert wurde und sich 1836 als Privatdozent habilitierte. Er war dann als Professor der Medizin an verschiedenen deutschen Universitäten tätig.¹⁹¹ Haeser unterrichtete hauptsächlich in Pathologie, Enzyklopädie, Arzneimittellehre und Geschichte der Medizin und erzielte seine größten Leistungen in seinen medizinhistorischen Arbeiten. Diese umfassten vor allem die allgemeine Medizingeschichte, die Seuchengeschichte und die Geschichte der Krankenpflege.¹⁹² In seinem berühmten dreibändigen Werk „Lehrbuch der Geschichte der Medicin und der epidemischen Krankheiten“,¹⁹³ das als Standardwerk der Medizingeschichte breite Verwendung fand und in mehreren Auflagen erschien, behandelte Haeser im ersten Band „Geschichte der Medicin im Altertum und Mittelalter“ das chinesische Medizinalwissen in einem kurzen Abschnitt unter dem Titel „Die Heilkunde der Chinesen“,¹⁹⁴ wobei die betreffenden Forschungsarbeiten aufgeführt und Einzelheiten zur chinesischen Medizin, wie etwa zur Geschichte, Physiologie, Arzneimittellehre, Chirurgie und zum Arztberuf kurz dargestellt und beurteilt wurden. Bei der Darstellung der epidemischen Krankheiten erwähnte er zudem die Seuchen in China. Einen Auszug aus diesem umfangreichen medizinhistorischen Werk veröffentlichte Haeser im Jahr 1884 unter dem Titel „Grundriss der Geschichte der Medicin“.¹⁹⁵ In diesem wurde die chinesische Medizin in wenigen Worten behandelt.¹⁹⁶ Dr. Wilhelm Stricker (1815 – 1891), der 1835 – 1839 Medizin in Dresden, Göttingen und Berlin studierte, war sowohl Arzt für Augenheilkunde als auch Schriftsteller und wirkte vor allem in Frankfurt am Main.¹⁹⁷ Sein umfangreiches literarisches Schaffen, das er seiner langjährigen Arbeit in der Senckenbergischen Bibliothek verdankte, erstreckte sich über die Gebiete der Medizin, der Natur-
Vgl. Buchheim, Liselotte: „Haeser, Heinrich“, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 453, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116368896.html#ndbcontent, zuletzt aufgerufen am 20. 5. 2018. Ebd. Haeser, Heinrich: Lehrbuch der Geschichte der Medicin und der epidemischen Krankheiten, Jena: Hermann Dufft, 1875 [Erstveröff. 1845]. Haeser, Heinrich: Geschichte der Medicin im Altertum und Mittelalter, 3. Aufl., Jena: Hermann Dufft, 1875 [Erstveröff. 1845] (Lehrbuch der Geschichte der Medicin und der epidemischen Krankheiten, Bd. 1), S. 40 – 43. Haeser, Heinrich: Grundriss der Geschichte der Medicin, Jena: Gustav Fischer, 1884. Haeser, Grundriss der Geschichte der Medicin, S. 11– 12. Vgl. Jung, Rudolf: „Stricker, Wilhelm“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893), S. 587– 588, https://www.deutsche-biographie.de/pnd101441592.html#adbcontent, zuletzt aufgerufen am 20. 5. 2018.
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wissenschaften, der Geographie und der Lokalgeschichte¹⁹⁸ und enthielt auch Arbeiten über die chinesische Medizin. Beispielsweise behandelte Stricker in dem Artikel „Die chinesische Medizin“,¹⁹⁹ der aus einem Vortrag Strickers vom 19. Juli 1858 im ärztlichen Verein zu Frankfurt am Main hervorging, in Anlehnung an den Aufsatz des in Beijing tätigen russischen Arztes Dr. Alexander Tatarinoff (1817– 1886) die chinesischen medizinischen Verhältnisse. Der Artikel erschien im Jahr 1865 in dem von ihm selbst herausgegebenen Werk „Beiträge zur ärztlichen Culturgeschichte“ und beinhaltete eine Darstellung des Arztberufs in China, wobei er insbesondere auf Ausbildung, Arbeitsort, Beziehungen mit Kranken und Honorare einging. Weiterhin ist der Artikel „Die Prostitution und die daraus entspringenden Krankheiten“²⁰⁰ zu erwähnen, in dem Stricker auf Grundlage der Arbeiten des französischen Militärarztes Dr. Georges Morache (1837– 1906) und des niederländischen Sinologen Dr. Gustav Schlegel (1840 – 1903) die Prostitution in China und die dadurch verursachten und häufig auftretenden Krankheiten Syphilis, Lepra und Elephantiasis behandelte. Bei der Darstellung dieser Krankheiten wurden die chinesischen Diagnose- und Behandlungsmethoden erläutert. Daneben verfasste Stricker aus medizinischer Perspektive den Aufsatz „Der Fuss der Chinesinnen“²⁰¹ über das Phänomen der Verkrüppelung des Frauenfußes in China. Dr. Julius Pagel (1851– 1912) studierte ab dem Jahr 1871 Medizin an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, ließ sich dort 1876 nach der Promotion als praktischer Arzt nieder und habilitierte sich 1891 in der Geschichte der Medizin.²⁰² Er wurde ab 1898 an die Friedrich-Wilhelms-Universität berufen und war bekannt für seine Beiträge zur medizinhistorischen Forschung. In diesem Bereich brachte Pagel, zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen Medizinhistorikern, zahlreiche Publikationen hervor. In seinem Werk „Einführung in die Geschichte der Medizin“ stellte er die wichtigsten zeitgenössischen Forschungsinhalte zur chinesischen Medizin vor und gab eine kurze Übersicht über die Geschichte der
Ebd. Stricker, Wilhelm: „Die chinesische Medizin“, in: Wilhelm F. C. Stricker (Hg.): Beiträge zur ärztlichen Culturgeschichte. Fremdes und Eigenes, Frankfurt a. M.: Franz Benjamin Auffarth, 1865, S. 44– 50. Stricker, Wilhelm: „Die Prostitution und die daraus entspringenden Krankheiten“, in: Virchows Archiv 51, 3 (1870), S. 430 – 436. Stricker, Wilhelm: „Der Fuss der Chinesinnen“, in: Archiv für Anthropologie 4, 3 (1870), S. 241– 243. Vgl. Goerke, Heinz: „Pagel, Julius“, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 759, https:// www.deutsche-biographie.de/pnd119347040.html#ndbcontent, zuletzt aufgerufen am 20. 5. 2018.
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chinesischen Heilkunde.²⁰³ Im Jahr 1915 erschien die korrigierte und erweiterte zweite Auflage dieses Werks.²⁰⁴ Dr. Heinrich Botho Scheube (1853 – 1923), der ab 1871 zunächst Naturwissenschaft, dann Medizin in Leipzig studierte und 1876 promoviert wurde, war sowohl Arzt als auch Universitätsdozent.²⁰⁵ Er unterrichtete 1877– 1881 an der Medizinschule Kyōto in Japan und unternahm 1882 Forschungsreisen nach China und in andere asiatische Länder. Er erfreute sich eines guten Rufes, vor allem aufgrund seiner Forschungsarbeit zu Tropenkrankheiten, die nicht zuletzt auf seinen Erfahrungen in Asien beruhte. Zunächst schilderte Scheube in seinem 1896 publizierten Werk „Die Krankheiten in warmen Ländern“,²⁰⁶ das in der Kolonialzeit mehrere Neuauflagen erlebte, die in China auftretenden Krankheiten, wie Infektionskrankheiten, Intoxikationskrankheiten, durch tierische Parasiten verursachte Krankheiten, Organkrankheiten, äußere Krankheiten sowie die kosmopolitischen Krankheiten in den Tropen. In seiner Arbeit „Die Steinkrankheit in Canton und Bangkok“²⁰⁷ ergründete Scheube vor allem die möglichen Ursachen für die Häufigkeit der Steinkrankheit in der Provinz Guangdong. Weiterhin ist seine Abhandlung „Die venerischen Krankheiten in den warmen Ländern“²⁰⁸ zu erwähnen, die in der Zeitschrift „Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene“ veröffentlicht wurde und später als Sonderdruck erschien. Darin behandelte Scheube auf Basis der Berichte europäischer Ärzte, die in verschiedenen Regionen Chinas tätig waren, die venerischen Krankheiten in China. Über das chinesische Medizinalwissen verfasste Scheube die Arbeit „Die Geschichte der Medizin bei den ostasiatischen Völkern“,²⁰⁹ die im durch Dr. Max Neuburger (1868 – 1955) und Pagel herausgegebenen Werk „Handbuch der Geschichte der Medizin“ erschien. In dieser Arbeit
Pagel, Julius: Einführung in die Geschichte der Medicin, Berlin: Verlag von S. Karger, 1898, S. 28 – 30. Sudhoff, Karl: J. L. Pagels Einführung in die Geschichte der Medizin, Berlin: Verlag von S. Karger, 1915. Vgl. Heinrich, Schnee (Hg.): Deutsches Kolonial-Lexikon, Bd. III, Leipzig: Quelle & Meyer, 1920, S. 268. Scheube, Heinrich Botho: Die Krankheiten der warmen Länder. Ein Handbuch für Ärzte, Jena: Fischer, 1896, 2. Aufl. 1900, 3. Aufl. 1903, 4. Aufl. 1910. Scheube, Heinrich Botho: „Die Steinkrankheit in Canton und Bangkok“, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene 1, 3 (1897), S. 176 – 178. Scheube, Heinrich Botho: Die venerischen Krankheiten in den warmen Ländern, Leipzig: Johann Ambrosius Barth, 1902. Scheube, Heinrich Botho: „Die Geschichte der Medizin bei den ostasiatischen Völkern“, in: Max Neuburger/Pagel, Julius (Hg.): Handbuch der Geschichte der Medizin, Jena 1902: Gustav Fischer, Bd. 1, S. 21– 51.
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wurde die Medizin der Chinesen, Japaner und Koreaner separat dargestellt. In Bezug auf die chinesische Medizin wurden hauptsächlich die theoretischen Grundlagen, die Behandlungsmethoden und der ärztliche Beruf behandelt. Daneben wandten sich einige deutsche medizinische Wissenschaftler bestimmten Aspekten der chinesischen Medizin zu. So verfasste etwa Dr. Francis T. B. Fest (1860–?) die Abhandlung „Die Ärzte China’s“²¹⁰ über den Arztberuf in China. Darin wurden vor allem die ärztliche Ausbildung, die Praxis und die Einstellung der Kranken zum Ärztestand behandelt und bewertet. Dr. E. Hagemann, der einige Arbeiten über die Hygiene der alten Nationen der Welt schrieb und in der Zeitschrift „Janus“ veröffentlichte, verfasste die Abhandlung „Zur Hygiene der alten Chinesen“.²¹¹ In Anlehnung an vorliegende Forschungsergebnisse und durch das eigene Studium der Schriften der bedeutendsten Philosophen des alten Chinas stellte Hagemann die hygienischen Vorstellungen und Handlungen der Chinesen im Altertum dar und analysierte die Gründe für den Mangel an medizinischen Elementen bezüglich der chinesischen Hygiene. Darüber hinaus bezogen sich die Forschungen zur chinesischen Medizin noch auf Anatomie,²¹² Heilgymnastik und Massage,²¹³ Heil- und Arzneimittel,²¹⁴ gerichtliche Medizin²¹⁵ und anderes. In diesen Publikationen wurde das chinesische Medizinalwissen ausführlich behandelt. Sie repräsentierten den grundlegenden Kenntnisstand zur chinesischen Medizin in der zeitgenössischen deutschen Wissenschaft und beeinflussten die Hauptströmung der Meinungen von der chinesischen Medizin in Deutschland. Jedoch lässt sich feststellen, dass diese medizinischen Wissenschaftler – im Unterschied zu den Missionaren, Missionsärzten, Militärärzten und Medizindozenten der deutschen Medizinschule in Shanghai, deren Publikationen aus ihren eigenen Erfahrungen in China hervorgingen – im Vorfeld ihrer Beschreibungen
Fest, Francis T. B.: „Die Ärzte China’s“, in: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Naturund Völkerkunde Ostasiens 7 (1898), S. 94– 109. Hagemann, E.: „Zur Hygiene der alten Chinesen“, in: Janus, Archives Internationales pour l’Histoire de la Médecine et la Géographie Medicale 13 (1908), S. 468 – 485. Choulant, Ludwig: „Über chinesische Anatomie“, in: Illustrierte medizinische Zeitung 3 (1855), S. 211– 216; Cohn, W.: „Anatomie in China“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 25, 30 (1899), S. 496 – 497. Nebel, Hermann: „Heilgymnastik und Massage im grauen Alterthum speciell bei den Chinesen“, in: Archiv für klinische Chirurgie 44, 1 (1892), S. 58 – 94; Ferenczy, Max: „Zur Heilgymnastik der Chinesen“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 24, 21 (1898), S. 337– 338. Marcuse, Julian: „Heil- und Arzneimittel in China“, in: Wiener Medizinische Wochenschrift 49, 50 (1899), S. 2347– 2352. Breitenstein, Heinrich: Gerichtliche Medizin der Chinesen von Wang-in-Hoai, Leipzig: Th. Grieben’s Verlag (L. Fernau), 1908.
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
der chinesischen Medizin das Land nicht besucht hatten, weshalb ihre Arbeiten grundsätzlich auf schriftlichem Material basierten. Die ihnen so zugänglichen Informationen über die chinesische Medizin stammten jedoch nicht aus chinesischen medizinischen Primärquellen, sondern aus Arbeiten, die von früheren Gelehrten und zeitgenössischen Kollegen verfasst worden waren. Eine derartige Herangehensweise, die typisch war für die Forschung zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit, beschränkte unvermeidlich die Kenntnis und Beschreibung der chinesischen Medizin. So urteilte Hübotter später, die großen deutschen medizinhistorischen Werke böten zur chinesischen Medizin „durchweg recht wenig und darunter viel Unrichtiges“.²¹⁶ Die systematische Erforschung der chinesischen Medizin auf Basis der chinesischen medizinischen Primärquellen wurde von Hübotter Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen²¹⁷ und entwickelte sich nach der Kolonialzeit allmählich zur vorherrschenden Methode in den deutschen akademischen Kreisen. Insofern sind die Publikationen Hübotters im Vergleich zu den übrigen in der Kolonialzeit verfassten Arbeiten eher als Teil einer anderen Generation zu sehen. Zudem erschienen die meisten seiner Arbeiten zur chinesischen Medizin erst nach dem Ersten Weltkrieg, weshalb sie hier ausgeklammert bleiben. Abgesehen davon wurde die chinesische Medizin auch in den Publikationen von Gelehrten anderer Fachbereiche behandelt. So war etwa Gustav Klemm (1802– 1876) ein Kulturhistoriker, der in den Jahren 1843 bis 1852 sein Hauptwerk, die zehnbändige „Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit“ veröffentlichte. Im sechsten Band „China und Japan“ stellte Klemm die Krankheiten, Ärzte und Apotheken sowie weitere Aspekte der damaligen chinesischen Gesellschaft knapp vor.²¹⁸ Klemm hatte China nie besucht und seine Kenntnisse über die chinesische Medizin stammten ausschließlich aus seiner Materialsammlung. Gleichzeitig sprach sich Klemm für „eine Theorie von der Ungleichheit der menschlichen Rassen [aus], die er als wesentlichen Motor der Weltgeschichte ansah“ und war insofern „ein Vertreter der strengen Evolutionslehre“.²¹⁹ Diese gedanklichen
Hübotter, Die Chinesische Medizin, S. 8. Unschuld, Paul Ulrich: „Die deutschsprachige Forschung im Bereich der Natur- und Humankunde Chinas“, in: Helmut Martin/Christiane Hammer (Hg.): Chinawissenschaften. Deutschsprachige Entwicklungen – Geschichte, Personen, Perspektiven, Hamburg: Institut für Asienkunde, 1999, S. 384. Klemm, Gustav: China und Japan, Leipzig: B. G. Teubner, 1847 (Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit, Bd. 6), S. 127– 129. Eigenwill, Reinhardt: „Klemm, Gustav Friedrich“, in: Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V. (Hg.): Sächsische Biographie, http://saebi.isgv.de/biografie/Gustav_Friedrich_ Klemm_(1802– 1867), zuletzt aufgerufen am 20. 5. 2018.
3 Publikationen der medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler
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Elemente bedingten entsprechend auch seine Beschreibung und Beurteilung der chinesischen Medizin. Im Gegensatz dazu erfolgte eine ausführlichere Darstellung der chinesischen Medizin durch Bruno Navarra (1850 – 1911), der sich über die Dauer von 20 Jahren in China aufhielt. Navarra war ein Mitbegründer und bis zum Jahr 1899 der Herausgeber und Chefredakteur des „Ostasiatischen Lloyd“, einer ab 1889 in Shanghai publizierten deutschen Zeitung, die zugleich auch die älteste deutsche Zeitung in China war. Navarra interessierte sich für die chinesische Geschichte und Kultur und beschäftigte sich langfristig mit dem Thema China und die Chinesen. 1901 wurde dazu seine Monographie in Deutschland veröffentlicht, die Navarra auf der Basis der eigenen Beobachtungen und Erfahrungen und unter Heranziehung von zahlreichen englischsprachigen Materialien verfasste.²²⁰ Ziel dieser Arbeit war, die im zeitgenössischen Europa verbreiteten Vorstellungen von der Kultur und Bevölkerung Chinas zu korrigieren, die von Oberflächlichkeit, Irrtümern und Vorurteilen durchdrungen waren. Stattdessen sollte das Werk in Deutschland für Interesse und ein besseres Chinaverständnis werben. Das Buch war in 24 Kapitel eingeteilt und inhaltlich umfangreich. Bezüglich der chinesischen Medizin wurden „Ärzte und Apotheker“, „Heilwissenschaft“, „Arzneien“ und „die Krankheiten der Chinesen“ in den Kapiteln „Das soziale Leben“ und „Erfindungen und Wissenschaften“ behandelt.²²¹ Infolge seiner reichen Zusammenstellung von Einzelheiten war das Werk in Deutschland einflussreich und erregte auch die Aufmerksamkeit der deutschen Akademikerkreise. Die „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin“ stellte das Werk ausführlich vor. Auch wenn die Arbeit keine „ernsten Wissenschaften“ bot und der Zusammenhang zwischen den Abschnitten fehlte, war sie dem gebildeten Publikum „zu belehrender Unterhaltung und zu angenehmer Belehrung warm zu empfehlen“, lautete das Urteil der Rezension.²²² Daneben wurden die Inhalte dieses Werks zur chinesischen Medizin auch von zeitgenössischen Interessierten und Forschern, wie etwa dem Militärarzt Krause, bei deren Beschreibung der chinesischen Medizin zu Rate gezogen.
Navarra, Bruno: China und die Chinesen. Auf Grund eines 20jährigen Aufenthaltes im Lande der Mitte, Bremen: Max Nössler, 1901. Navarra, China und die Chinesen, S. 289 – 295, S. 921– 930. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin 27 (1902), S. 566 – 569.
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II Deutsche Publikationen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit
4 Zusammenfassung Aus der Darstellung der in der Kolonialzeit verfassten deutschen Publikationen zur chinesischen Medizin wird ersichtlich, dass deren Entstehung in erster Linie durch den Kolonialismus beeinflusst war. Die Mehrzahl der Missionsärzte und Missionare, der Militärärzte sowie der medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler, die sich der Beschreibung der chinesischen Medizin zuwandten, beteiligten sich an der deutschen Expansion in China. Aber infolge der Unterschiede in der sozialen Zugehörigkeit, beruflichen Besonderheit und konkreten Berührung mit der chinesischen Medizin unterschieden sich die Schwerpunkte ihrer Publikationen inhaltlich häufig voneinander und bezogen sich auf verschiedene Aspekte der chinesischen Medizin. Die Missionsärzte und Missionare, deren Schreibmotiv in der Förderung der deutschen ärztlichen Mission in China lag, berichteten dank ihrer zahlreichen Kontakte zur chinesischen Gesellschaft nicht nur über das chinesische Medizinalwissen, sondern stellten ihrem Publikum mit der Beschreibung von Krankheiten und Hygiene auch die Praxis der chinesischen Medizin vor. Zwar veröffentlichten Missionsärzte, wie etwa Dr. Olpp, Dr. Wittenberg und Dr. Vortisch, wissenschaftliche Arbeiten zum Thema, aber angesichts des umfangreichen Leserkreises ihrer Publikationen, des mangelnden medizinischem Fachwissens der Missionare und der zeitaufwändigen ärztlichen und missionarischen Arbeiten, die ihre wissenschaftliche Forschungsarbeit behinderten, wurde eine beträchtliche Anzahl von Arbeiten in einem populären Stil verfasst und waren nur von begrenztem wissenschaftlichem Wert. Dies betraf vor allem durch nicht-medizinische Verlage publizierte Arbeiten. Die Militärärzte dienten in erster Linie der ärztlichen Versorgung der deutschen Besatzungstruppen in China. Im Gegensatz zu den Missionsärzten und Missionaren, die mit der chinesischen Bevölkerung in engem Kontakt standen, beschränkte sich der Arbeitsbereich der Militärärzte vorrangig auf die Europäer in China. Daher blieb ihnen weniger Zeit und Gelegenheit, sich systematisch mit der chinesischen Medizin zu beschäftigen. Dennoch bildete neben der praktischen ärztlichen Arbeit auch die Forschung zu medizinischen und hygienischen Zuständen in China, insoweit sich diese auf die Gesundheit der deutschen Besatzungstruppen auswirkten, einen wichtigen Teil im Rahmen ihrer Tätigkeit. Demzufolge erschienen die Darstellungen der chinesischen Medizin durch die Militärärzte, abgesehen von einer Anzahl von Arbeiten, die sich speziell mit dem chinesischen Medizinalwissen befassten, vor allem in ihren Publikationen zu gesundheitlichen Problemen der Deutschen in China und zu den lokalen hygienischen Zuständen. Ein Großteil davon lehnte sich an wissenschaftliche Forschungsergebnisse an und war daher von gewissem akademischem Wert.
4 Zusammenfassung
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Die Missionsärzte, Missionare und Militärärzte beschäftigten sich mit der chinesischen Medizin häufig im Zuge der Durchführung ihrer offiziellen Aufgaben in China. Die Publikationen, die von in China und Deutschland tätigen medizinischen Hochschullehrern und Wissenschaftlern stammten, waren geprägt vor allem durch eigenes Forschungsinteresse und akademische Zielsetzungen. Insbesondere von Medizinhistorikern wurde das chinesische Medizinalwissen intensiv akademisch erforscht und behandelt, obgleich ihre Herangehensweise, sich der chinesischen Medizin über frühere bis zeitgenössische westliche Berichte und Forschungsarbeiten zu nähern, bestimmte zeitbedingte Beschränktheit mit sich brachte. Zugleich enthielten auch ihre Publikationen über Krankheiten und Hygiene in China manches, das mit der chinesischen Medizin zusammenhing. Die Publikationen der medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler entstanden vor dem kolonialistischen Hintergrund und standen zumeist unter entsprechendem Einfluss. Jedoch waren sie grundsätzlich von offensichtlich wissenschaftlicher Beschaffenheit und einige Autoren waren durch rein akademisches Interesse motiviert. Durch diese Publikationen hielten zahlreiche konkrete Informationen über die chinesische Medizin in nennenswertem Maße Einzug in Deutschland, folglich übten sie damit in der damaligen deutschen Gesellschaft einen gewissen Einfluss aus. Dennoch lassen sich in ihnen sowohl Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Hintergründe und Standpunkte der deutschen Beschreiber als auch deren Differenzen in Ton, Sichtweise und Mentalität erkennen. Ihre Inhalte und Ansichten repräsentieren das deutsche Verständnis von der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit und bilden ein wichtiges Zwischenstück in der Entwicklung der deutschen Erforschung der chinesischen Medizin. Deshalb können und sollten diese Publikationen als historische Quellen herangezogen werden. Daneben hatten jedoch einige Veröffentlichungen auch den Charakter einer wissenschaftlichen Untersuchung. So zeigt sich das Phänomen, dass wissenschaftliche Forschungsarbeit auch während der deutschen Kolonialexpansion in China existierte und sie entweder dem Kolonialwesen diente oder durch ein rein akademisches Interesse an der chinesischen Medizin bedingt war.
III Chinesische Medizin in deutscher Darstellung in der Kolonialzeit Die deutschen Publikationen, die sich mit der chinesischen Medizin beschäftigten, erlebten in der Kolonialzeit nicht nur in quantitativer Hinsicht einen Anstieg, sondern wurden auch inhaltlich enorm bereichert. Abgesehen von dem chinesischen Medizinalwissen, das in manchen Aspekten bereits in der früheren deutschen Darstellung ausführlich erörtert worden war, wurden in diesen Publikationen nun auch Krankheiten und hygienische Zustände in China, die das Niveau und die Eigenarten der chinesischen Heilkunde in gewisser Weise repräsentierten, geschildert und diskutiert. Die deutsche Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit, die von vielen zeitgenössischen Elementen beeinflusst war, bedeutete nicht nur die Fortsetzung der früheren Darstellung, sondern auch ihre Erneuerung und Ergänzung. Bei der konkreten Darstellung nahm die individuelle Neigung des Beschreibers einen wichtigen Platz ein. Die verschiedenen Neigungen hatten die unterschiedliche Auswahl hinsichtlich der Beobachtungen und Entscheidungen zur Folge, und führte zwangsläufig zu Unterschieden zwischen den Beschreibungen der chinesischen Medizin. Vor dem interkulturellen Kontext wurde die individuelle Neigung bei der Beschreibung der chinesischen Medizin einerseits durch den eigenen kulturellen Hintergrund beeinflusst. Dabei spielten zunächst die damaligen deutschen sozialen Gegebenheiten eine wichtige Rolle. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg war die deutsche Gesellschaft von Industrialisierung, kolonialer Expansionspolitik, dem Fortschrittsgedanken und einem Überlegenheitsgefühl der westlichen Kultur und Religion geprägt. Diese Entwicklung verfestigte das ab dem späten 18. Jahrhundert in Europa allmählich auftretende negative Chinabild und bildete in großem Maße den Ausgangspunkt für die Wahrnehmung und Darstellung der chinesischen Medizin. Zweitens schafften die zeitgenössischen medizinischen Anschauungen – auf die nicht nur verschiedene historisch entwickelte Meinungen und Stereotype über die chinesische Medizin, sondern auch das damalige medizinische Entwicklungsniveau in Europa einwirkten – die kulturellen Voraussetzungen für die Erforschung der chinesischen Medizin. Weiterhin bedingten individuelle Elemente des Beschreibers wie Interesse, Bildungsgrad, Berufsbewusstsein und Schichtenidentität den Grad seiner Zugehörigkeit zum Mainstream der Gesellschaft sowie seine persönliche kulturelle Orientierung und Perspektive. Davon ausgehend hatten die Beschreiber bereits vor ihrer ersten Berührung mit der chinesischen Medizin mehr oder weniger feststehende Standpunkte und Kenntnisse. https://doi.org/10.1515/9783110664294-005
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Andererseits übten die konkreten Kontakte des jeweiligen Beschreibers mit der chinesischen Medizin Einfluss auf seine Darstellung und Beurteilung derselben aus. In dieser Hinsicht wurden insbesondere die Quelle der Kenntnisse von der chinesischen Medizin, der Arbeitsbereich und -ort, die Erfahrungen und Aufenthaltsdauer in China als Schwerpunkte in dieser Arbeit berücksichtigt. Im Zuge des Kontakts, der sowohl schriftlich als auch praktisch erfolgen konnte, stellten die Beschreiber häufig bewusst oder unbewusst Vergleiche zwischen den von ihnen beobachteten Verhältnissen oder gelesenen Texten und ihren bereits vorhandenen Kenntnissen an, wodurch eine Veränderung oder eine Bekräftigung der ursprünglichen Ansichten erfolgen konnte. Auf Basis der oben genannten Bestimmungsfaktoren wird im Folgenden versucht, die Inhalte der deutschen Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit aufzuzeigen und die darin zum Ausdruck gebrachten Ansichten zu analysieren und zu erläutern.
1 Zur chinesischen Medizin Die chinesische Medizin wurde von den europäischen Missionaren und Ärzten bereits vor 1840 ausführlich behandelt und auch in Deutschland existierten darüber Standpunkte und Kenntnisse. Die koloniale Expansion Deutschlands in China brachte deutsche Missionare und Ärzte verstärkt mit der chinesischen Medizin in Berührung, wodurch sie sich umfangreichere Kenntnisse aneigneten und auch zunehmend Publikationen dazu verfassten. Der in den Publikationen der Kolonialzeit ausgedrückte Gesamteindruck von der chinesischen Medizin setzte die negative Beurteilung fort, die in Deutschland bereits in der Spätphase des 18. Jahrhunderts entstanden war und sich trotz der anfangs untergeordneten Stellung allmählich verbreitet hatte. Der Missionar Leuschner meinte, dass die chinesische Medizin „ein Agglomerat von Aberglauben, Vermutung und Richtigem“ sei.¹ Der Militärarzt Dr. Krause schrieb: „Die chinesische Medicin verfügt wohl über eine sehr grosse Summe richtiger, ja vortrefflicher Einzelbeobachtungen, aber eine wissenschaftliche Forschung, die auf dem Boden der Thatsachen arbeitete, konnte sich nicht entwickeln.“² Auch der Missionsarzt Dr. Olpp betrachtete die chinesische Medizin
Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 77. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 19.
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III Chinesische Medizin in deutscher Darstellung in der Kolonialzeit
als „ein hohes Gebäude zahlreicher Irrtümer neben einigen Goldkörnern von Wahrheit“³. Einige der deutschen Beschreiber verneinten die chinesische Medizin von Grund auf. „Die Heilkunde steht daher natürlich noch auf einer sehr niedrigen Stufe, sie entbehrt jeder wissenschaftlichen Begründung und ist nichts weiter als Quacksalberei“⁴, so der Offizier Werner. Auch der Redakteur Navarra befand: „Die ganze Heilwissenschaft der Chinesen ruht auf einer völlig falschen Grundlage, weshalb sie ohne allen Wert ist.“⁵ Der Missionsarzt Dr. Vortisch bewertete die chinesische Medizin sehr niedrig und veranschaulichte durch einen Vergleich mit der Medizin in Afrika die Rückständigkeit der chinesischen Medizin: Man könnte denken, dass in dem alten Kulturland China die ärztliche Wissenschaft doch etwas höher stände als bei den Negerstämmen Afrikas. Aber wahrhaftig, es ist kein Unterschied! Derselbe Hokuspokus, derselbe Aberglaube, dieselbe Unkenntnis aller grundlegenden Tatsachen, dieselbe äusserlich-sinnliche Behandlungsweise, dieselbe Tortur bei gewissen Krankheiten.⁶
Den eindeutig negativ behafteten Begriffen, wie „Aberglaube“, „Vermutung“, „Irrtümer“, „Quacksalberei“, „ohne allen Wert“, „Unkenntnis“, die die Einstellungen zur chinesischen Medizin repräsentierten, ist klar zu entnehmen, dass die deutschen Beschreiber trotz der wenigen Anerkennung der Existenz von richtigen medizinischen Inhalten in China wenig oder sogar nichts von der chinesischen Medizin hielten. Dieser Standpunkt durchdrang die deutsche Erforschung und Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit, aber unter dieser Oberfläche sind in einigen Punkten auch Unterschiede festzustellen.
1.1 Theorien der chinesischen Medizin In der deutschen Beschreibung der chinesischen Medizin wurden häufig deren theoretische Erkenntnisse angeführt und erörtert. Ebenso wie in dem seit dem späten 18. Jahrhundert aufkommenden Urteil über die Theorien der chinesischen Medizin, dessen Kern die Kritik an deren Mangel an anatomischen und diagnostischen Kenntnissen bildete, war auch in der Kolonialzeit die Beurteilung der chinesischen medizinischen Theorien abwertend und setzte sich aus einer Reihe von negativen Beschreibungen zusammen. Die Theorien wurden häufig etwa als
Olpp, Briefe aus China, 1903, S. 1569. Werner, Die Preussische Expedition, S. 258. Navarra, China und die Chinesen, S. 924. Vortisch, Aus einer ärztlichen Praxis in China, S. 441.
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„Produkte leerer Grübeleien und ungezügelter Einbildungskraft“,⁷ als „falsche Voraussetzungen“,⁸ „krasseste[r] Aberglaube“⁹ und „krasseste[s] Quacksalbertum“¹⁰ bezeichnet. Derartige Formulierungen repräsentierten eine dominante Grundeinstellung. Neben der Gesamtbeurteilung wurden aber auch Theorien auf den Gebieten etwa der Physiologie, Pathologie, Therapeutik und Diagnostik in unterschiedlichem Maße beschrieben und beurteilt.
Konkrete Theorien der chinesischen Medizin In Bezug auf die chinesische physiologische Theorie, die unter anderem die Eingeweidelehre und die Gefäßlehre umfasste, lag der Schwerpunkt der Beschreibung zunächst auf der Unzulänglichkeit und Rückständigkeit der Anatomie in China. Der Redakteur Navarra, der die chinesische Medizin für völlig wertlos hielt, stellte fest: Die Anatomie ist […] seit Jahrhunderten ein ‚unentdecktes Landʻ in China. […] Es sind ihnen allerdings einige anatomische Diagramme bekannt, aber sie machen auf uns den Eindruck, als ob jemand eine unvollendete Secierung eines Leichnams mit angesehen und dann aus dem Gedächtnis eine Skizze von den Organen entworfen hätte, wobei er die ihm unbekannten Teile durch Phantasiezeichnungen ersetzt hätte.¹¹
Auch der Militärarzt Dr. Krause, der den Mangel der chinesischen Medizin an Wissenschaftlichkeit betonte, befand: „Die anatomischen Anschauungen beruhen weitmehr auf Phantasie, als auf dem Studium der thatsächlichen Verhältnisse.“¹² Der Militärarzt Dr. Gaupp verglich die Lage mit Deutschland: „Vorläufig ist die Grundlage alles medizinischen Wissens, d. h. anatomische Kenntnisse, äusserst dürftig. Über Grösse, Lage der menschlichen Organe weiss der chinesische Arzt weniger, wie bei uns in jeder Volksschule gelehrt wird.“¹³ Mit diesem Vergleich, der deutlich das kulturelle Überlegenheitsgefühl Gaupps reflektierte, wurde die Rückständigkeit der chinesischen Anatomie betont. Auf dieser Basis wurde der Mangel der chinesischen Physiologie an anatomischen Kenntnissen diskutiert, wenn etwa der Missionsarzt Dr. Vortisch, der die
Navarra, China und die Chinesen, S. 922. Olpp, Briefe aus China, 1903, S. 1569. Kaether, Die Medizin in China, S. 769. Ebd. Navarra, China und die Chinesen, S. 922– 923. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 20. Gaupp, Über die Geburtshilfe der Chinesen, S. 731.
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chinesische Medizin in ihrer Ganzheit negierte, spottete, es sei „nun leicht erklärlich, dass die chinesischen Ärzte gar wunderbare Ansichten über die Organe des menschlichen Körpers haben, da Lage, Größe und Bestimmung derselben ihnen so gut wie unbekannt“ sei.¹⁴ Der Missionsarzt Dr. Olpp, der sich um eine „objektive“ Beschreibung der chinesischen Medizin bemühte, verglich die chinesische Medizinlehre auf der Basis der Erforschung ihrer anatomischen und physiologischen Tafeln mit der Theorie Galens. Er befand: Wir finden in dieser uralten chinesischen Lehre ein Analogon zu dem phantasievollen, aus willkürlichen Voraussetzungen entwickelten System eines Galen, welcher behauptet, dass die Arterien Luft führen, eine Theorie, welche noch im 17. Jahrhundert von europäischen Aerzten zu der Lehre von dem Pneuma modifiziert wird, bis endlich 1628 Harvey das Rätsel löst und den Blutkreislauf entdeckt‚ die grösste Leistung, die in der Kenntnis des Menschen jemals einem einzelnen gelungen ist.¹⁵
Durch eine solche Analogie wurde versucht, den deutschen Lesern die konkreten Zustände der chinesischen Physiologie zu veranschaulichen. Die Theorie Galens war in Europa ab dem 17. Jahrhundert hinterfragt worden und galt in der Kolonialzeit bereits allgemein als überholt. Vor diesem Kontext verlieh Olpp der chinesischen Physiologie einen rückständigen Charakter. Gleichzeitig wurden auch die Ursachen für die unterentwickelte Anatomie in China von deutschen Beschreibern diskutiert, die um eine ausführliche Erörterung der chinesischen Medizin bestrebt waren, wie etwa von dem Medizindozenten Dr. Scheube und dem Militärarzt Dr. Kaether. Sie führten die lückenhafte Anatomie auf das Verbot der Sektion in China zurück und analysierten dieses Verbot aus der Perspektive der religiösen Anschauungen der Chinesen.¹⁶ Jedoch existierten in dieser Beziehung auch abweichende Meinungen. So war beispielsweise der Offizier Werner, der die chinesische Medizin als Quacksalberei darstellte, nach seiner Beobachtung in China der Ansicht, dass die Chinesen trotz des Mangels an anatomischen Begriffen gewisse Kenntnisse im Knochenbau hatten: „Nur in Bezug auf den Knochenbau des Menschen verrathen nicht nur die Aerzte, sondern auch die gemeinen Chinesen eine gewisse Kenntniß. Sie wissen die Zahl der Knochen, ihre Stellung u. s. w. und belegen sie auch mit Namen.“¹⁷ Hier wird deutlich, dass der praktische Kontakt Werners mit der chinesischen Medizin seine Beurteilung beeinflusste, aber das Wort „nur“ zeigt, dass Werner
Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 5. Olpp, Briefe aus China, 1905, S. 620. Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 23; Kaether, Die Medizin in China, S. 770. Werner, Die Preussische Expedition, S. 259.
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das Wissen der Chinesen über den Knochenbau als eine Ausnahme betrachtete und diese seine Einstellung zur chinesischen Medizin insgesamt nicht veränderte. Der Missionsarzt Dr. Wittenberg, der vor der chinesischen Kultur Respekt hatte, bestätigte bei der Vorstellung des berühmten medizinischen Werks des chinesischen Arztes Wang Qingren die fortschrittliche Entwicklung der chinesischen Anatomie: Wie schon eingangs bemerkt, besteht sein Fundamental-Irrtum darin, dass er die Arterien für mit Luft gefüllte Gänge hält. […] Immerhin kann man dem Manne die Anerkennung nicht versagen, dass er es überhaupt zu unternehmen wagte, in China seit Jahrtausenden eingewurzelte Ansichten einer Kritik zu unterziehen.¹⁸
Aber hier zeigt sich, dass Wittenberg die chinesische Anatomie weiterhin für unzulänglich hielt und durch die Korrektur der anatomischen Irrtümer Wang Qingrens diese Ansicht bekräftigte. Damit wurde die Bedeutung der Einführung der europäischen Medizin in China betont, etwa durch die Übersetzung von europäischen anatomischen Werken ins Chinesische, die er im Anschluss daran hervorhob: Wäre er mit einem europäischen Missionsarzt in Berührung gekommen, so hätte er wohl einen eifrigen Schüler abgegeben. Die ersten Übersetzungen von europäischen anatomischen Werken ins Chinesische wurden auch erst später veröffentlicht. Je mehr der Inhalt dieser und ähnlicher Werke in China bekannt wird, desto besser, und mehr der Natur entsprechender, naturgemäßer werden auch die Vorstellungen der chinesischen Ärzte über den menschlichen Körper und seine Funktionen zum Heil der Leidenden sein, und Bücher wie das hier besprochene, werden hoffentlich in einer nicht zu fernen Zukunft zum veralteten Hausrat gehören.¹⁹
Diese Einschätzung reflektiert deutlich den in der deutschen Gesellschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert dominanten Diskurs über die Zivilisierungsmission gegenüber China, in dem die Idee vorherrschte, „daß China unzivilisiert und es Aufgabe des Westens sei, das Land und die Menschen zu zivilisieren, und zwar nach westlichem Modell“²⁰. Diese unterschiedlichen Einstellungen, Standpunkte und Ausdrucksweisen, die sich in der Darstellung der Theorie der chinesischen Physiologie widerspiegelten, entstanden aus den unterschiedlichen Schreibmotiven der deutschen Beschreiber und ihren verschiedenen Berührungspunkten mit der chinesischen Wittenberg, Ein moderner chinesischer Anatom, S. 44. Ebd. Leutner, Mechthild: „Weltanschauung – Wissenschaft – Gesellschaft. Überlegungen zu einer kritischen Sinologie“, in: Martin/Hammer (Hg.): Chinawissenschaften, S. 28.
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Medizin. Dabei war aber die Perspektive ihrer Erforschung der chinesischen Physiologie identisch und basierte vollständig auf den Anschauungen der modernen europäischen Medizin. In dieser gilt die Anatomie als Basis der medizinischen Entwicklung, während sie in der chinesischen Medizin nur die Stellung einer erläuternden Einführung hat und nicht die Grundlage bildet, auf der die anderen Fachbereiche, einschließlich der Physiologie, beruhen. In der chinesischen Physiologie wurden etwa die Theorien von Eingeweiden, Leitbahnennetz, Qi und Blut trotz des Mangels einer präzisen wissenschaftlichen Anatomie systematisch entwickelt und erfolgreich in der Praxis eingesetzt. Solche Unterschiede wurden bereits von früheren europäischen Missionaren und Ärzten behandelt, etwa dem polnischen Jesuiten Dr. Boym, der, basierend auf den klassischen Werken der chinesischen Medizin, deren medizinische Theorien intensiv erforschte und dessen Arbeiten größtenteils ins Deutsche übersetzt wurden. Sie können gewissermaßen als Ausgangspunkt der deutschen Erforschung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit angesehen werden. Jedoch wurden die chinesischen physiologischen Begriffe und Erklärungen, die wenig Verbindung mit der Anatomie hatten, von den deutschen Beschreibern in der Kolonialzeit ausschließlich von der modernen europäischen Medizinlehre ausgehend, also aus anatomischer Perspektive, bewertet. Daneben hatten die mehrjährigen ärztlichen Erfahrungen einiger deutscher Beschreiber in China, etwa von Vortisch, Wittenberg und Olpp, kaum Einfluss auf ihre kognitiven Blickwinkel und Fähigkeiten in Bezug auf die chinesische Physiologie. Durch die Betonung und Aufzählung der zahlreichen Unzulänglichkeiten der chinesischen Physiologie, oder anders gesagt, ihrer Unterschiede zur modernen Physiologie wurde sie grundsätzlich als veraltetes, absurdes und manchmal gar vollends sinnloses medizinisches Wissenssystem beschrieben. Auch bei der Darstellung der pathologischen und therapeutischen Lehren der chinesischen Medizin waren die meisten Urteile negativ. Der Medizinhistoriker Dr. von Heusinger hielt die chinesische Pathologie für mittelalterlich.²¹ Der Missionar Schultze, der für die Unterstützung der ärztlichen Mission in China appellierte, vertrat eine ähnliche Ansicht, dass das Wesen und die Ursache der meisten Krankheiten den Chinesen völlig verborgen sei.²² Der Missionsarzt Dr. Vortisch spottete nicht nur über die chinesische Physiologie, sondern beschrieb mithilfe einiger konkreter Beispiele mit der gleichen Haltung auch die Theorien der chinesischen Pathologie und Therapeutik:
Heusinger, Grundriss, S. 389. Schultze, Die ärztliche Mission in China, S. 32.
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Eine grosse Rolle bei den Krankheiten, wie im ganzen Leben des Chinesen, spielt das sog. fung schui, die Wind- und Wasserlehre, die Geomantie. Ferner der Umstand, ob die Krankheit kalt oder warm sei, demgemäss muss die Diät und die Arznei sein. Ente ist kalt, weil sie im kalten Wasser schwimmt! Einer kann im untern Teil kalt veranlagt sein, im obern erhitzend und braucht demgemäss zwei „Spezial“ärzte, einen, der sich aufs Hitzige, und einen, der sich aufs Kalte versteht! Es gibt Leute, die ihr ganzes Vermögen verbauen, weil ihnen ihr Arzt sagt, dass infolge falscher Stellung des Hoftores oder des Giebels oder der Fenster immer wieder Krankheit eintreten werde; ein anderer lässt die nach Landessitte abgeschabten Gebeine seines Vaters ausgraben und versetzt sie, weil die Knochen falsch lagen und deshalb bei ihm, dem Sohn, ein Geschwür hervorbrach!²³
Aus der Ausdrucksweise ist klar erkennbar, dass Vortisch eine sehr negative Attitüde hatte und die chinesische pathologische und therapeutische Lehre als absurd betrachtete. Die Auswahl der Beispiele zeigt zudem, dass seine Meinung ganz auf den eigenen Wahrnehmungen in China basierte, ohne dabei die medizinischen Theorien zu ergründen, was sich aus der völlig ablehnenden Einstellung Vortischs gegenüber der chinesischen Medizin erklärt. Im Gegensatz dazu bildete sich bei seinem Zeitgenossen, dem Militärarzt Dr. Gruenhagen, der eine positive Einstellung zur „objektiven“ Erforschung der chinesischen Medizin hatte, eine differenziertere Beurteilung heraus. Gruenhagen hielt die Stringenz des theoretischen Systems der chinesischen Pathologie und Therapeutik für „das Bewundernswerte des chinesischen Gedankenwerks“.²⁴ Er bezog sich auf das chinesische medizinische Werk und schrieb: Hier will ich nur darauf hinweisen, dass diese Erklärung der Krankheiten und ihrer Therapie keine willkürliche oder einem einzigen Gehirn entsprungene Theorie ist, sondern dass sie aufgebaut als Teil eines Systems, dessen Anfang die Entstehung der Welt erklärt, dessen endliche Ausläufer nicht nur das Wesen der lebenden Welt mit ihren Ursachen und Krankheiten und deren Heilung enthalten, sondern auch das grosse Gebiet der Chemie, Astronomie und Astrologie und die Philosophie umfasst, durch die Zeit gebildet und noch heute von fast jederman gekannt und geglaubt wird. Wahrlich ein wunderbarer Bau, wie ihn in dieser Einheitlichkeit kein europäischer Staat je erdacht hatte.²⁵
Diese Unterschiede in der Einschätzung lassen sich einerseits auf die unterschiedlichen Quellen der Kenntnisse der deutschen Beschreiber zurückführen. In der Kolonialzeit lernten die meisten von ihnen die chinesische Medizin durch vorhandenes Sekundärmaterial sowie ihre persönlichen Beobachtungen in China kennen. Folglich konnten sich ihnen die komplexen Lehren der chinesischen
Vortisch, Aus einer ärztlichen Praxis in China, S. 442. Gruenhagen, Die Grundlagen der chinesischen Medizin, S. 2. Gruenhagen, Aus der chinesischen Medizin, S. 8.
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Medizin nicht vollständig und systematisch erschließen. Dies galt für die oben zitierten Beschreiber wie von Heusinger, Schultze und Vortisch, wohingegen die Hauptquelle der Arbeit Gruenhagens in der medizinischen Literatur Chinas lag, in der die Lehren der chinesischen Medizin ausführlich behandelt wurden. Eine weitere Ursache ist in den unterschiedlichen Schreibmotiven zu sehen. Beispielsweise waren Schultze und Vortisch Mitglieder der Missionsgesellschaft und trugen sich mit der Absicht, durch die theoretische Negation der chinesischen Medizin die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der deutschen ärztlichen Mission in China zu begründen, während Gruenhagen versuchte, eine objektive Beschreibung der chinesischen Medizinlehre vorzulegen. Insofern ist anzuerkennen, dass „vorurteilsfreie“ Haltungen und Forschungen zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit in Deutschland durchaus vorhanden waren. Im diagnostischen Bereich der chinesischen Medizinlehre wurde die Pulslehre am ausführlichsten behandelt. Dabei wurden nicht nur ihre konkreten Inhalte ausführlich geschildert, sondern auch Einschätzungen und Werturteile darüber zum Ausdruck gebracht. Im Vergleich zur früheren positiven Beurteilung, die von den europäischen Jesuiten und auch vom deutschen protestantischen Missionar Gützlaff vorgelegt worden war, war die Pulslehre in der deutschen Beschreibung in der Kolonialzeit vor allem durch eine Charakterisierung als „Phantasie“, „Komödie“, „Unvernunft“ und ähnliches geprägt. Nach seiner Schilderung der chinesischen Pulslehre befand der Medizindozent Dr. Scheube: „Indem alle diese verschiedenen Pulse sich mit einander kombinieren können, entsteht ein unentwirrbares Chaos, und es ist ganz unmöglich, aus diesem Wust von Absurditäten auch nur eine exakte Thatsache herauszufinden.“²⁶ Hier wird deutlich, dass Scheube nicht an die Durchführbarkeit und Wirksamkeit der chinesischen Pulslehre glaubte, obwohl er mit ihren konkreten Inhalten vertraut war. Ebenso wie schon über die Anatomie äußerte sich der Redakteur Navarra auch über die Pulslehre abfällig.²⁷ Im Unterschied zur deutlichen Geringschätzung Scheubes und Navarras verurteilte der Militärarzt Dr. Kaether die Pulslehre mit einer relativ „objektiven Analyse“. Er meinte, dass die Entwicklung der Pulslehre als wichtigste diagnostische Theorie sich auf die Unkenntnis der Chinesen über den Blutkreislauf zurückführen lasse, und bestätigte, ausgehend von der modernen Medizintheorie, gewissermaßen den rationalen Teil der chinesischen Pulslehre.²⁸ Er betonte aber umso mehr ihre Beschränktheit und kritisierte ihre spekulative Beschaffenheit,
Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 27. Navarra, China und die Chinesen, S. 290. Kaether, Die Medizin in China, S. 772.
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indem er weiterhin anmerkte: „Als Kuriosum sei noch erwähnt, daß die chinesischen Ärzte behaupten, aus dem Pulse der Mutter unter anderem das Geschlecht des Kindes im Mutterleibe erkennen zu können.“²⁹ Trotzdem kamen einige abweichende Meinungen, in denen die praktische Wirksamkeit des Pulsfühlens anerkannt wurde, noch manchmal vor. So befand etwa der Missionar Schultze: Wir sehen schon hieraus, welch wichtige Rolle das Pulsfühlen bei der Diagnose spielt. Es beschränkt sich nicht auf eine Körperstelle, sondern an beiden Seiten und in verschiedenen Gegenden des Körpers werden vergleichende Untersuchungen über den Pulsschlag angestellt und daraus nicht selten überraschende, sichere und richtige Schlüsse gezogen. So litt einer unserer älteren Missionare an Blasenkatarrh; ein chinesischer Arzt sah ihm das Kranksein an, fühlte ihm, ohne Näheres darüber gehört zu haben, den Puls und konnte mit Bestimmtheit sagen; – es sei Blasenkatarrh!³⁰
Es hat den Anschein, als hätte Schultze, der sich negativ über andere chinesische medizinische Theorien äußerte, durch die persönliche Beobachtung in China der chinesischen Pulslehre gegenüber eine positive Haltung eingenommen. Dabei ist allerdings zu betonen, dass seine positive Haltung gegenüber der Praxis des Pulsfühlens nicht etwa bedeutete, dass die Pulslehre von ihm als annehmbare Theorie bestätigt wurde, war er doch mit ihren Inhalten nicht vertraut, wie aus seiner Beschreibung deutlich hervorgeht. Deutlich wird, dass die deutschen Beschreiber der Kolonialzeit die chinesische Pulslehre als unglaubwürdig bezeichneten, ohne dabei auf ihre Theorie näher einzugehen. Im Gegensatz dazu wird die chinesische Pulslehre heute durch die Übersetzung der chinesischen medizinischen Werke systematisch in Europa verbreitet und ihr medizinischer Nutzen von einigen deutschen Wissenschaftlern aktiv erforscht, wobei sie noch „als derzeit nicht bewiesen eingestuft“³¹ wird. Aus diesen Beschreibungen einiger konkreter Theorien der chinesischen Medizin ist zu ersehen, dass die chinesischen medizinischen Theorien von den deutschen Beschreibern nicht systematisch und gründlich erforscht wurden. Zudem waren die Schwerpunkte der Beschreibung und die Kriterien der Beurteilung vor allem durch die europäischen medizinischen Hintergründe geprägt. Deshalb beschränkten sich die meisten Darstellungen auf das Aufzeigen des unwissenschaftlichen Charakters der Theorien der chinesischen Medizin und zeigten sich in Hinsicht auf die Einstellung zu diesen kritisch und manchmal Kaether, Die Medizin in China, S. 773. Schultze, Die ärztliche Mission in China, S. 33. Ernst, Edzard: „Komplementärmedizinische Diagnoseverfahren“, in: Deutsches Ärzteblatt 102, 44 (2005), S. A3036.
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völlig negativ. Obwohl die Meinung und die Arbeit des Militärarztes Dr. Gruenhagen bedeuteten, dass eine wissenschaftliche Haltung sowie Forschung zu den Theorien der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit existierten, nahmen diese vor dem damaligen historischen Kontext kaum Einfluss auf die Grundeinstellung der deutschen Beschreiber. Die meisten von ihnen teilten einen solchen Standpunkt zum Urteil über die Theorien der chinesischen Medizin: Die Rationalität der chinesischen medizinischen Theorien war nicht in der chinesischen Medizin, sondern nur in der westlichen zu suchen. Dieser Standpunkt reflektierte das allgemeine kulturelle Überlegenheitsgefühl unter den deutschen Beschreibern und implizierte zugleich die Negation des theoretischen Werts der chinesischen Medizin.
Entwicklung der chinesischen Medizin Bei der Darstellung der chinesischen medizinischen Lehren wurde die Entwicklung der chinesischen Medizin wiederholt diskutiert, wobei das Hauptaugenmerk auf den medizinischen Entwicklungsstillstand in China gerichtet war. Der Diskurs der „Stagnation“ wurde mit Bezug auf die Entwicklung der chinesischen Gesellschaft von deutschen Historikern und Philosophen bereits im 19. Jahrhundert entwickelt. Sie brachten eine derartige Vorstellung verschiedentlich zum Ausdruck: „Herder charakterisierte das Land als eine ‚balsamierte Mumie‘, Hegel und Marx führten Gründe für die Stagnation Chinas an, und Ranke sprach vom ‚ewigen Stillstand‘.“³² Auf Basis dieses Diskurses wurde die koloniale Expansion Deutschlands in China begründet, die nach dem Selbstverständnis der Kolonisatoren der chinesischen Entwicklung neuen Antrieb bringen sollte. Diese „seit Herder und Hegel verbreiteten Stereotypen von China als stagnierendes und ‚zurückgebliebenes‘ Land“³³ beeinflussten die deutsche Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit und wurden von den deutschen Beschreibern in medizinischer Hinsicht noch vertieft und verfestigt. Letztere standen allgemein auf dem Standpunkt, dass die Entwicklung der chinesischen Medizin, die sich nicht vom Modell der Naturphilosophie loszulösen vermocht hatte, zum Stillstand gekommen war. Die medizinische Literatur der Chinesen werde fortwährend durch neue Werke vermehrt; aber der Inhalt derselben sei, wie das ganze Leben der Nation, vielleicht seit Jahrtausenden unver Leutner, Mechthild/Yü-Dembski, Dagmar: „‚Kraftäußerung und Ausbreitung im Raum‘. Die ‚Öffnung‘ Chinas im 19. Jahrhundert“, in: Mechthild Leutner/Dagmar Yü-Dembski (Hg.): Exotik und Wirklichkeit. China in Reisebeschreibungen vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München: Minerva-Publikation, 1990, S. 28. Leutner/Yü-Dembski, „Kraftäußerung und Ausbreitung im Raum“, S. 32.
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ändert geblieben,³⁴ schrieb etwa der Medizinhistoriker Dr. Haeser. Ähnlich äußerte sich der Medizindozent Dr. Scheube: Nichts zeugt mehr von der geistigen Stagnation, welche in der chinesischen Medizin Platz gegriffen hatte, als das Faktum, dass im Laufe der Jahrhunderte nicht ein klarer Kopf sich gefunden hat, der es unternommen hätte, an dieser phantastischen, jeder realen Unterlage entbehrenden Pulstheorie, dem Fundamente der chinesischen Pathologie, zu rütteln.³⁵
Weitere Darstellungen befassten sich mit den Ursachen für den befundenen Stillstand. Der Missionsarzt Dr. Wittenberg, der die fortschrittliche Bedeutung des anatomischen Werks von Wang Qingren erkannte, war der Meinung, dass die naturphilosophische theoretische Grundlage und das Festhalten am Glauben daran Fortschritte der Medizin in China verhinderten.³⁶ Aus der Perspektive des Festhaltens an den alten medizinischen Lehren, auf das Dr. Rehmann 1829 bei der Erläuterung der Existenz von zahlreichen unwirksamen Arzneimitteln in der chinesischen Pharmazie bereits hinwies, erklärte Dr. Scheube: Die Ehrfurcht vor den Vorfahren und dem von ihnen Ueberlieferten, welche den Grundzug ihres Charakters bildet, hat jede Neuerung und jeden Fortschritt unterdrückt, so dass man mit Recht sagen kann: die Tradition hat die Chinesen versteinert. In gleicher Weise wie für die anderen Künste und Wissenschaften gilt dies auch für die Medizin.³⁷
Eingehend befasste sich der medizinische Autor Dr. Stricker mit dem Ursprung dieses Autoritätsglaubens. Er befand: Den Mangel anatomischer Begründung hat die chinesische Medizin mit Anfängen derselben bei anderen Völkern gemein, dagegen unterscheidet sie sich von derselben durch den vollständigen Mangel an Systematik, welcher allen chinesischen Disziplinen gemein ist, ein neues Zeichen der Unfähigkeit geistiger Entwicklung bei diesem Volke. An die Stelle der Systeme, welche, indem sie die in der Erkenntniss bestehenden Lücken aufweisen, zum Fortschritt drängen, tritt der Autoritätsglaube, das Ab- und Nachschreiben berühmter Werke, welche, selbst wenn sie nicht von Aerzten seyn sollten, Jahrhunderte lang in Ansehen bleiben.³⁸
Haeser, Geschichte der Medicin, S. 41. Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 27. Wittenberg, Das neue China, S. 27. Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 21. Stricker, Die chinesische Medizin, S. 45.
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Der Medizinhistoriker Dr. von Heusinger hob auch den Mangel der Chinesen an der Fähigkeit zur Entwicklung und Vervollkommnung des eigenen Wissens hervor und stellte ihn als direkte Ursache für den Stillstand der chinesischen medizinischen Entwicklung dar.³⁹ Eine andere Auffassung von der Ursache für den Stillstand der medizinischen Entwicklung bildete sich bei Navarra heraus. Er führte diesen auf den utilitaristischen Charakter der Chinesen und ihre „Nichtachtung der Wahrheit“ zurück: Die Zopfträger sind eine prosaische und praktische Nation, reine Utilitarier, stets bereit, alles dem augenblicklichen Vorteil zu opfern. Sie sind auch zweifellos mit Beobachtungstalent begabt, obschon ihre Beobachtungen häufig höchst oberflächlich und ihre Folgerungen lächerlich sind. Dasselbe gilt von ihren wissenschaftlichen Forschungen, denen sie sich sicherlich nicht mit Leidenschaft widmen. Da man aus dem Studium der Naturwissenschaften keinen unmittelbaren Nutzen ziehen kann, so werden sie von ihnen vernachlässigt. Wie uns aber bereits bekannt ist, gehört die Nichtachtung der Wahrheit zu den bedauerlichen Charakterzügen der Chinesen. Wie kann aber eine Wissenschaft, und namentlich die Heilkunde, unter einem Volke Fortschritte machen, das von Kindesbeinen an daran gewöhnt worden ist, die Unwahrheit, wo dies nur irgend angeht, zu sagen?⁴⁰
Darüber hinaus wurde das Strafgesetz in Bezug auf Ärzte als weitere Ursache für die Beschränkung der Progression der chinesischen Medizin angesehen. Diesen Standpunkt teilten unter anderem der Kulturhistoriker Klemm,⁴¹ der Medizinhistoriker Dr. Haeser,⁴² der Missionsarzt Dr. Olpp⁴³ sowie der Medizindozent Dr. Scheube.⁴⁴ Aus den vorstehend beschriebenen analytischen Ausführungen zur Entwicklung der chinesischen Medizin, in denen ihre Stagnation mit chinesischen Anschauungen, dem Volkscharakter und herrschenden Gesetzen in Verbindung gebracht wurde, bildete sich eine einstimmige Erklärung über die chinesische Medizin heraus, die besagte, dass die chinesische Medizin in der heimischen kulturellen Atmosphäre keine Fortschritte zu erzielen in der Lage wäre. Damit wurde der Kultur Chinas jegliche schöpferische Kraft abgesprochen, die Idee vom Entwicklungsstillstand des Landes bekräftigt und die europäische Zivilisierungsmission gegenüber China gerechtfertigt.
Heusinger, Grundriss, S. 390. Navarra, China und die Chinesen, S. 922. Klemm, China und Japan, S. 128. Haeser, Geschichte der Medicin, S. 41. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 27– 28. Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 36 – 37.
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Zusammenfassung Anhand der angeführten Äußerungen lässt sich feststellen, dass die Kritik an einer unwissenschaftlichen Besonderheit und einem Zustand der Stagnation den inhaltlichen Hauptteil der deutschen Darstellung der chinesischen medizinischen Theorien bildete. Obwohl die Beschreibungen aus unterschiedlichen analytischen Perspektiven erfolgten, wurden die Theorien der chinesischen Medizin nicht intensiv erforscht. Die meisten Beschreibungen behandelten die konkreten und praktischen Erscheinungsformen chinesischer medizinischer Theorien, die sich von jenen der modernen westlichen Medizin unterschieden, wie etwa den Mangel an Kenntnis im Bereich der Anatomie, die als unwissenschaftlich und rückständig betrachteten pathologischen, therapeutischen und diagnostischen Erkenntnisse und den Stillstand der medizinischen Entwicklung. Dabei nahm die negative Bewertung einen wesentlichen Platz ein. Hinsichtlich der Überlegung und Erläuterung konkreter Probleme existierten neben den tendenziös gefärbten Darstellungen noch einige Forschungen und sich aus wissenschaftlichen Analysen ergebende Formulierungen, die von den deutschen Beschreibern, beispielsweise Gruenhagen, Kaether, Scheube, Wittenberg und anderen bei unterschiedlichen Umständen gemacht wurden. Hier wurde ein Standpunkt über die Theorien der chinesischen Medizin vertreten, demzufolge das medizinische Modell, in dem Theorien naturphilosophischer Prägung allgemein vorherrschten, rückständig war und sich ohne Hilfe von außen nicht zu einem wissenschaftlichen medizinischen System entwickeln konnte. Dieser Standpunkt war ein typischer Ausdruck des Kolonialismus: Der Wert der chinesischen Medizin wurde theoretisch verneint und die Einführung der modernen europäischen Medizin in China so gerechtfertigt. Die negative Konstruktion der chinesischen medizinischen Theorien muss zunächst in enger Verbindung mit dem kulturellen Hintergrund der deutschen Beschreiber gesehen werden. Einerseits wurde die Einstellung zur chinesischen Medizin, die sowohl medizinisch-heilkundliche als auch kulturelle Elemente aufweist, durch das zeitgenössische Verständnis von der chinesischen Kultur beeinflusst. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts und insbesondere in der Zeit des Kolonialismus wurde das Chinabild in Deutschland unter Verwendung einer Reihe von negativen Begriffen formuliert, unter denen „Stagnation“, „Verfall“, „Autokratie“ und „Rohheit“ eine zentrale Rolle spielten. Vor diesem Hintergrund wurde die chinesische Medizin als Bestandteil der chinesischen Kultur ebenfalls als rückständig betrachtet und ihre Theorien wurden gering bewertet. Gleichzeitig beeinträchtigte das kulturelle Überlegenheitsgefühl auf der subjektiven Ebene das Interesse an der Erforschung der chinesischen medizinischen Theorien. Andererseits wirkten auch moderne biologisch-medizinische Erkenntnisse und Sichtweisen, die sich seit der Renaissance in Europa herausgebildet und
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durch über dreihundertjährige Akkumulation stetig vertieft und verfestigt hatten, auf die deutschen Einstellungen gegenüber den chinesischen medizinischen Theorien ein. Obwohl die deutschen Beschreiber unterschiedliche Schreibmotive und individuell verschiedene Hintergründe hatten, zogen sie generell stets die moderne europäische Medizin als Maßstab für die Beurteilung der chinesischen medizinischen Theorien heran. Nach diesem Kriterium wurde die chinesische Medizin, die sich theoretisch und praktisch stark von der europäischen unterschied, zwangsläufig negativ bewertet. Darüber hinaus hatten auch die Kontakte der deutschen Beschreiber mit den Theorien der chinesischen Medizin Einfluss auf die Herausbildung ihrer Einstellungen. Hierbei verhinderten die ungenügenden Sprachkenntnisse ein tiefgreifendes Verständnis der chinesischen medizinischen Theorien. Abgesehen von den in China arbeitenden Missionaren und Missionsärzten verfügten die meisten deutschen Mediziner über keinerlei Chinesischkenntnisse, weshalb der Großteil ihrer Ausführungen nicht auf eigener Erforschung der chinesischen Medizinliteratur basierte, sondern zumeist auf Beobachtungen in China beruhte oder sich direkt an die Arbeiten anderer Kollegen anlehnte. Doch auch Missionaren und Missionsärzten, die mehr oder weniger gute Sprachkenntnisse vorweisen konnten, blieb neben der missionarischen und ärztlichen Arbeit wenig Zeit, sich der Lektüre der chinesischen medizinischen Literatur zu widmen.
1.2 Praktische Behandlungsmethoden in der chinesischen Medizin Nach dem britischen Historiker Keir Waddington war der Pluralismus in der westlichen Kolonialmedizin im 19. Jahrhundert unter den meisten Umständen von Bedeutung: „Pluralism – or what might be seen as cross-fertilization – was important and the further away Western doctors or nurses were from centres of institutionalized Western medicine the clearer this pluralism.“⁴⁵ Dies spiegelte sich auf der Seite des Kolonisators in erster Linie in der Anwendung von einheimischen Medikamenten wider. Das erklärt sich einerseits aus der Tatsache, dass die westliche moderne Medizin, trotz der theoretischen Vervollkommnung bezüglich der Behandlung im Bereich der inneren Medizin, vor allem den Infektionskrankheiten noch keine überlegenen Verfahren entgegensetzen konnte. Andererseits stand in überseeischen Kolonien selten ein ausreichender Vorrat an westlichen Medikamenten zur Verfügung.
Waddington, An Introduction, S. 290.
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Vor diesem Kontext waren die deutschen Einstellungen zu den praktischen Behandlungsmethoden in der chinesischen Medizin im Unterschied zur Ablehnung ihrer theoretischen Lehren nicht völlig negativ. Zwar kam es zu Darstellungen, in denen die chinesischen Heilmethoden als „wunderlichste Kuren“⁴⁶ und „durchaus primitiv und oft sehr grausam“⁴⁷ beschrieben wurden, aber es wurde durchaus auch die Wirksamkeit mancher Heilmittel bestätigt. So erklärte etwa der Offizier Werner, der nach eigener Beobachtung in China die chinesische Anatomie anerkannte: „Uebrigens läßt sich nicht leugnen, dass sie neben allen Quacksalbereien in gewissen Krankheiten überraschend glückliche Curen machen, und sie werden deshalb in solchen Fällen selbst von Europäern vielfach zu Rathe gezogen.“⁴⁸ Die Erprobung der chinesischen Behandlungsmethoden zwecks Bewertung wurde zudem vorgeschlagen. Der Militärarzt Dr. Krause übte Kritik an der Unwissenschaftlichkeit der Lehren der chinesischen Medizin, betrachtete aber die chinesische Medizin dennoch nicht als wertlos: Schon aus diesem flüchtigen Ueberblick wird man den Eindruck gewinnen, dass es Behandlungsmethoden in der internen Medicin der Chinesen giebt, die durchaus nicht der Zweckmässigkeit entbehren und, den unsrigen nahestehend, offenbar auf empirischen Wege[n] gefunden sind. In auffallendem Gegensatz hierzu stehen andere Mittel, die uns als absoluter Nonsens erscheinen, und bei denen wir uns eine andere als eine suggestive Wirkung nicht vorzustellen vermögen. […] Immerhin ist es wohl nicht richtig über alle Mittel, die uns fremdartig oder sogar lächerlich erscheinen, ohne weiteres den Stab zu brechen. Das wäre bei einer grossen Zahl doch erst berechtigt, wenn man ihre Wirkung geprüft hätte.⁴⁹
Daraus geht klar hervor, dass diese Auffassungen von den chinesischen Behandlungsmethoden auf ihrer Heilkraft basierten und der Gedanke, sie nach der praktischen Prüfung zu beurteilen, eine wissenschaftliche und experimentelle Attitüde und Logik reflektierte. Jedoch machen Begriffe wie „überraschend“, „glückliche Curen“ und „empirisch“, mit welchen die wirksamen Methoden der chinesischen Medizin von Werner und Krause beschrieben wurden, deutlich, dass ihre positive Wertung einiger dieser medizinischen Mittel nicht mit den Lehren der chinesischen Medizin in Verbindung stand und auch keineswegs deren Befürwortung insgesamt bedeutete. Diese Wortwahl verstärkte das negative Bild von der chinesischen Medizin, wenngleich die Existenz wirksamer Behandlungsmethoden anerkannt wurde.
Witte, Hilfe für die Not, S. 12. Olpp, Erlebnisse und Erfahrungen, S. 103. Werner, Die Preussische Expedition, S. 260. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 41.
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Von den Behandlungsmethoden wurden die Arzneimittelanwendung sowie die Akupunktur und die Moxibustion häufig in den deutschen Publikationen beschrieben.
Medikamentöse Therapie Die Arzneimittelanwendung, die in der chinesischen Medizin als wesentliche Heilmethode angesehen wurde, wurde von europäischen Missionaren und Ärzten wie Dr. Rehmann und Gützlaff bereits ab dem Ende des 18. Jahrhunderts immer stärker negativ beurteilt und in der Kolonialzeit von der Mehrzahl der deutschen Beschreiber weiterhin gering geschätzt. Die Darstellung der chinesischen Arzneimittelanwendung betraf einerseits ihre Prinzipien. Dr. Trennög bezeichnete dieses Prinzip als „Analogie“, die man „anno dazumal in Europa tat“.⁵⁰ Der Missionar Schultze, der eine negative Einstellung zur chinesischen Therapeutik hatte, betrachtete die chinesische Verwendung von Arzneien als „geheimnisvoll“ und „imaginär“.⁵¹ Der Missionsarzt Dr. Olpp lehnte die chinesische Medizin zwar nicht völlig ab, vertrat bezüglich der chinesischen Arzneimittelanwendung aber die Ansicht, dass die Verordnung der Heilmittel durch die chinesischen Ärzte von „abergläubische[n] Vorstellungen“ geprägt war.⁵² Der Missionsarzt Dr. Vortisch bestätigte die Wirksamkeit einiger chinesischer Arzneien, jedoch zeigte er eine skeptische Einstellung zur Arzneimittellehre: Natürlich gibt es auch einen reichen Schatz von wirksamen Heilmitteln in chinesischen Apotheken und es gibt auch chinesische Ärzte, die durch Erfahrung allerlei gute Kenntnis und gute Heilerfolge haben. Aber immer wieder und vor allem wird danach gefragt und dem Umstand Rechnung getragen, ob die Krankheit hitzig oder kalt sei; auch die Heilmittel sind eben erhitzend oder kältend. Wie dürfte man bei einer „kalten“ Krankheit eine „kältende“ Medizin verabreichen?⁵³
Trotz des deutlichen Durchscheinens einer negativen Grundeinstellung zeigte diese 1914 getroffene Äußerung eine gewisse Veränderung der Haltung Vortischs gegenüber der chinesischen Medizin, wohingegen er noch 1908, während seiner Tätigkeit in China, eine völlig ablehnende Position eingenommen hatte.⁵⁴ Ein
Trennög, J.: „Chinesische Aerzte und Arzneien“, in: Die Welt des Ostens. Beiträge zur Länderund Völkerkunde Ostasiens 2, 50 (1909), S. 198. Schultze, Die ärztliche Mission in China, S. 34. Olpp, Erlebnisse und Erfahrungen, S. 103. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 20. Vortisch, Aus einer ärztlichen Praxis in China, S. 441.
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solcher Haltungswandel dürfte vor allem mit seinen persönlichen Beobachtungen in China in Zusammenhang stehen. Der Medizindozent Dr. Scheube teilte einen ähnlichen Standpunkt. Er erkannte die Existenz von korrekten Beobachtungen in der chinesischen Pharmazie, äußerte aber zugleich seine ablehnende Haltung zu den Anwendungsprinzipien der Arzneimittel: Die herrschende Idee in der chinesischen Arzneimittellehre ist die von den spezifischen Eigenschaften der Mittel: jedem wird eine bestimmte Wirkung zugeschrieben, und sie werden nach dieser, welche allerdings vielfach eingebildet und manchmal recht phantastisch ist, indem u. a. die durch ihre Farbe und ihren Geschmack gegebenen Beziehungen zu den verschiedenen Organen (s. oben) eine Rolle spielen, klassifiziert. Dabei fehlt es aber nicht an richtigen Beobachtungen. So ist den Chinesen die Unverträglichkeit und der Antagonismus gewisser Substanzen, also auch die Existenz von Gegengiften bekannt. Interessant sind die Anklänge an unsere moderne Organtherapie.⁵⁵
Begriffe wie „immer wieder“ und „vielfach“, die von Vortisch und Scheube bei der Beschreibung der chinesischen Arzneimittellehre verwendet wurden, implizieren, dass die von ihnen dargestellten Sachverhalte als Normalzustand der Arzneimittelanwendung in der chinesischen Medizin betrachtet werden konnten. Mittels dieser diskursiven Strategie wurde das allgemeine Bild einer unvernünftigen und unwissenschaftlichen chinesischen Arzneikunde konstruiert. Daneben wurden auch die chinesischen Arzneien selbst beschrieben und bewertet. Vortisch brachte eine positive Meinung zur Wirksamkeit von Renshen zum Ausdruck: Sehr viel angewandt, als Stärkungsmittel auch manchmal von uns europäischen Ärzten verordnet, ist die sem li yok = Koreawurzel (Panax repens Ginseng, eine Araliacee), die den Appetit anregt und zugleich allgemeine Schwäche zu heben vermag; sie wird hauptsächlich aus der Mandschurei eingeführt, ferner aus Korea und Japan; es gibt sehr teure Arten, bis 5000 M. wert das Pfund.⁵⁶
Zwar wurden die Wirksamkeit sowie Reichhaltigkeit der chinesischen Arzneien von den deutschen Beschreibern häufig hervorgehoben, jedoch nahmen die negativen Einschätzungen mehr Raum ein. Ein Teil davon erfolgte aus pharmazeutischer Perspektive. Die chinesische Zubereitungsart der Arzneien sei mittelalterlich und ermangle gänzlich chemischer Kenntnisse,⁵⁷ urteilte der Medizinhistoriker Dr. von Heusinger. Der Militärarzt Dr. Kaether betonte zudem
Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 29. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 21. Heusinger, Grundriss, S. 388 – 389.
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die Rückständigkeit der Chemie in China⁵⁸ und mutmaßte sodann: „Das Daniederliegen der Chemie – die als besondere Wissenschaft in China überhaupt nicht existiert – ist auch wohl der Grund, weshalb mineralische Arzneimittel verhältnismäßig wenig im Gebrauch sind.“⁵⁹ Der Missionar Leuschner wies auf den Mangel an moderner Pharmazeutik in der chinesischen Arzneikunde hin.⁶⁰ Durch die Betonung des Mangels an der chemischen Zubereitungsart wurde das Bild von der chinesischen Pharmazie negativ konstruiert. Diese kritischen Auffassungen sind einfach nachvollziehbar, wenn die Entwicklung der Pharmazie in Europa als Kontext beachtet wird. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Heilpflanzen als direkte Behandlungsmittel in Europa nach und nach aufgegeben und stattdessen erfolgte zunehmend die Extraktion effektiver Wirkstoffe aus Heilpflanzen mittels chemischer Methoden,⁶¹ wodurch die chemische Zusammensetzung von Arzneien erforscht und die so gewonnenen Extrakte sukzessive als hauptsächliche Heilmittel angewandt wurden. Angesichts dieser Entwicklung wurde das traditionale Modell der chinesischen Arzneimittelzubereitung und -anwendung von den deutschen Beschreibern, die die chinesische Medizin nach modernen medizinischen Kriterien beurteilten, als primitiv und rückständig erachtet. Einige der zum Ausdruck gebrachten Ansichten basierten jedoch vor allem auf kulturellen Vorurteilen und eigenem Überlegenheitsgefühl, wie sich der Missionar Stenz über die chinesische Pharmazie äußerte. Er bezeichnete das auf die chinesische Zubereitungsweise hergestellte Arzneimittel als „Gebräu, das meist sehr bitter und ekelerregend schmeckt, und von dessen Geruch der Europäer schon zurückschreckt“.⁶² Insbesondere bezüglich der Anwendung von tierischen Arzneien in China herrschte eine unsachliche Negativeinstellung vor. Der Redakteur Navarra befand: „Die dem Tierreiche entnommene materia medica enthält meist die ekelhaftesten Substanzen, die wir Ausländer uns nur vorstellen können.“⁶³ Der Missionar Stenz bezeichnete viele tierische Arzneien als „abergläubische Mittel“.⁶⁴ Der Missionsarzt Dr. Vortisch höhnte gar:
Kaether, Die Medizin in China, S. 776. Ebd. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 87– 88. Vgl. Zhang Daqing, Yixueshi, S. 118. Stenz, Arzt und Apotheker, S. 176. Navarra, China und die Chinesen, S. 926. Stenz, Arzt und Apotheker, S. 176.
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Vielleicht hat er neben einigen flüssigen Medizinen und neben Pillen und Pulvern noch einen halben toten Bären im Haus, dessen Fett, Leber, Milz, Krallen etc. besonders wirksam sind, oder Knochen eines Tigers als Stärkungsmittel innerlich, oder das Geweih eines jungen Rehs, das, in feine Scheiben geschnitten, Wasser treiben soll. Eventuell verkauft er sogar kleine Stücke eines menschlichen Herzens, das einmal einem Räuber gehörte, der enthauptet wurde und nun tot den Lebenden mehr nützt als da er noch atmete! Difficile est non scribere satiram!⁶⁵
Deutlich wird, dass das negative Urteil in der deutschen Beschreibung der medikamentösen Therapie dominierte, aber einige chinesische Medikamente wurden positiv bestätigt und bei der Äußerung der Meinungen existierten sowohl subjektive Behauptungen als auch Analysen wissenschaftlicher Prägung.
Akupunktur und Moxibustion Neben der medikamentösen Therapie wurden in der Kolonialzeit in den deutschen Publikationen auch die Akupunktur und die Moxibustion als häufig in China zum Einsatz kommende Behandlungsmethoden thematisiert. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts kamen Berichte über Akupunktur und Moxibustion nach Europa, jedoch fiel dort ihre Bewertung aufgrund der mangelnden Berücksichtigung ihrer theoretischen Grundlagen meist wenig positiv aus und auch ihr innerer Zusammenhang wurde vernachlässigt. Nach dem Opiumkrieg stieg die Anzahl der Beschreibungen von Akupunktur und Moxibustion durch deutsche Beobachter. Das Verfahren der Akupunktur stellte der medizinische Dozent Dr. Scheube in seinem medizinhistorischen Werk vor: Die Akupunktur (Chin-kien) wird bei Störungen in der Cirkulation der Luft und des Blutes angewandt, indem dieselbe dazu dient, schädliche Flüssigkeit oder Luft herauszulassen oder auch der äusseren Luft Eintritt zu gewähren. Sie ist daher bei den verschiedensten Krankheiten in Gebrauch. Sie wird mit feinen Nadeln aus Gold, Silber oder gehärtetem Stahl, die 5 – 22 cm lang sind und verschiedene Formen haben, ausgeführt. Mittels eines kurzen Schlages mit dem Finger oder einem kleinen Hammer auf den spiralig ausgekehlten Kopf der Nadel wird, während der Kranke hustet, die Spitze durch die gespannte Haut eingetrieben und dann die Nadel mittels leichter Dreh- und Druckbewegungen weiter eingeführt. Die Prozedur ist nicht schmerzhaft, der Kranke empfindet kaum das Eindringen der Nadel. Nach Entfernung der letzteren wird auf die Einstichstelle eine Moxe gesetzt. Bezüglich der Applikationsstellen und Applikationsweise bestehen minutiöse Vorschriften, indem je nach der Krankheit Ort des Einstichs, Tiefe der Einführung, Dauer des Liegenlassens, Zahl und An-
Vortisch, Aus einer ärztlichen Praxis in China, S. 441.
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ordnung der Nadeln verschieden sind. Es giebt nicht weniger als 388 Einstichspunkte, die alle besondere, oft sehr wichtig klingende Namen haben.⁶⁶
Obwohl auch Scheube nicht die theoretischen Grundlagen der Akupunktur erörterte, war seine Beschreibung bereits eine objektive und ausführliche Erläuterung in der damaligen Zeit. Zahlreiche zeitgenössische Beschreibungen der Akupunktur konzentrierten sich vorwiegend auf die Anwendungsbereiche der Akupunktur und ihre Heilwirkung. Die Missionare Stenz und Pieper bezeichneten die Akupunktur als viel angewandte und häufig zuverlässige Behandlungsmethode.⁶⁷ Der Missionsarzt Dr. Olpp, der über mehrere Jahre in China ärztlich tätig war, erkannte die Heilkraft der Akupunktur bei gewissen Krankheiten: So sehr die Akupunktur in der Hand des mit den anatomischen Verhältnissen des menschlichen Körpers nicht vertrauten und unter höchst anfechtbaren Kautelen arbeitenden chinesischen Heilkünstlers zu schaden vermag, so ist doch zuzugestehen, dass mit ihr in einigen Fällen in der Tat überraschende Erfolge erzielt werden.⁶⁸
Auch der Medizinhistoriker Dr. Haeser stellte fest: „Bei Neuralgieen hat sie nicht selten überraschende Erfolge.“⁶⁹ Dennoch reflektiert das sowohl von Olpp als auch von Haeser zur Beschreibung der Heilwirkung der Akupunktur verwendete Wort „überraschend“ deutlich, dass mit einem positiven Heilerfolg der Akupunktur nach ihrer Ansicht nicht zwangsläufig zu rechnen war. Insofern können diese Äußerungen nicht als Bejahung der Akupunktur verstanden werden, denn andererseits äußerte sich Olpp sehr kritisch, dass das Punktieren mit Nadeln, das häufig den Tod des Patienten herbeiführt, bei chinesischen Heilmethoden eine große Rolle spiele.⁷⁰ Die Mehrzahl der deutschen Beschreiber, die eine kritische Haltung gegenüber der Akupunktur vertraten, zeigte sich in ihren Darstellungen direkter und deutlicher. Der Missionsarzt Dr. Wick war persönlich Zeuge einer Akupunkturbehandlung durch einen chinesischen Berufsarzt. Über die Behandlungsmethode äußerte er sich sehr ablehnend, ohne das endgültige Resultat des Patienten zu kennen:
Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 33. Stenz, Arzt und Apotheker, S. 176; Pieper, Unkraut, Knospen und Blüten, S. 269. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 11. Haeser, Geschichte der Medicin, S. 43. Olpp, Erlebnisse und Erfahrungen, S. 103.
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Wieder auf der Straße angekommen, wußten wir zunächst nicht, ob wir geträumt hatten oder ob dies wirklich ein Stück ärztlicher Kunst im ‚himmlischen Reiche‘ gewesen sei. Doch bald wußten wir, daß es Wirklichkeit gewesen war, was wir gesehen hatten, und mit doppeltem Mitleid sahen wir nun die armen Unglücklichen auf der Straße an. Wir wußten, ihnen wird nicht geholfen werden.⁷¹
Deutlich wird, dass Wick nach der Akupunkturbehandlung die chinesische Medizin in ihrer Ganzheit ablehnte und zu der Auffassung gelangte, dass die chinesische Medizin für chinesische Kranke nutzlos sei. Solch eine ablehnende Haltung muss jedoch auch in Zusammenhang mit der Begründung einer Notwendigkeit der ärztlichen Mission in China gesehen werden, um die Wick als Missionsarzt stets bestrebt war. Die Missionsärzte Dr. Vortisch und Dr. Eyl beschrieben die Anwendung der Akupunktur und ihre gravierenden Nachwirkungen. Vortisch befand: Bei der Akupunktur nun sticht der Arzt dem Patienten, entsprechend dem auf der Puppe angegebenen Orte, da oder dort eine kalte oder rotglühende Nadel ins Fleisch und in die Organe; und gar oft scheuen sich die Ärzte nicht, in ihrer barbarischen Unkenntnis die Nadel in die Ohren, Augen und Eingeweide zu senken! Die Folgen kann man sich denken! […] Hin und wieder wird die Nadel tagelang im Fleische stecken gelassen, was jedenfalls nicht ohne Wirkung bleibt; ob aber von guter wage ich nicht zu sagen! Es ist wohl von ähnlichem Erfolg begleitet, wie wenn eine dieser Nadeln abbricht, was nicht selten geschieht, und da der chinesische Arzt selbst sie nicht mehr herausziehen kann, so kommen die Armen zum Missionsarzt, wenn einer zu erreichen ist.⁷²
Die Worte Vortischs spiegelten nicht nur seinen offensichtlichen Mangel an Kenntnissen von der Akupunktur, sondern auch eine deutliche Haltung von Überlegenheit und Geringschätzigkeit gegenüber der chinesischen Medizin wider. Mit seiner Wortwahl wurde die Akupunktur regelrecht als üble, katastrophale Heilmethode konstruiert. Ganz aus moderner chirurgischer Perspektive äußerte sich Eyl zur Akupunktur und meinte, dass diese leicht schwere Infektionen verursachen könne.⁷³ Der Militärarzt Dr. Perthes, der sich um eine auf eigener Beobachtung basierende „objektive“ Beschreibung von China bemühte, nahm der Akupunktur gegenüber eine völlig ablehnende Haltung ein. Infolge praktischer Erfahrung in Beijing bemerkte er:
Wick, Ein Besuch in einer chinesischen Stadt, S. 46. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 14– 15. Eyl, Jahresbericht des Faberhospitals, S. 58 – 59.
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Das Instrumentarium des chinesischen Arztes besteht fast ausschließlich aus langen Punktionsnadeln, welche an genau bestimmten Stellen des Körpers eingestossen werden, z. B. bei Geburtshindernissen genau drei Zoll oberhalb der Malleolen. Die Punkte, an denen ich bei meinen Patienten derartige ganz zwecklose Punktionen ausgeführt fand, waren dieselben, wie sie in den rohen Abbildungen eines im kaiserlichen Palaste vorgefundenen 30bändigen Medizinbuches aus dem 17. Jahrhundert verzeichnet waren.⁷⁴
Durch das Abstreiten der therapeutischen Wirkung der Punktion an den im chinesischen Medizinbuch beschriebenen Applikationsstellen bestritt Perthes den medizinischen Wert der Akupunktur. Aber sein praktischer Versuch zeigte doch eine wissenschaftliche Haltung und relativ unvoreingenommene Einstellung zur chinesischen Medizin. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Lehre der chinesischen Akupunktur vom französischen Diplomaten und Schriftsteller Soulié de Morant (1878 – 1955) zunächst in Frankreich eingeführt und 1950 begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Akupunktur in Deutschland.⁷⁵ Spezielle Forschungsgesellschaften wurden gegründet und Fachzeitschriften herausgegeben. Die Akupunktur wurde von einigen deutschen Ärzten sowohl theoretisch als auch klinisch erforscht und praktiziert. Obwohl sie in der heutigen Medizin zwar als erfolgreiche Heilmethode, aber noch nicht als wissenschaftlich gilt,⁷⁶ wird sie weder als völlig abwegig betrachtet noch abfällig beurteilt, sondern weiterhin ergründet und angewendet, wie der Medizinhistoriker Unschuld schreibt: Dies sind Entwicklungen, die es in der Geschichte der Medizin immer wieder gegeben hat. Pluralität bedeutet in der Regel Bereicherung, und der Fortschritt der Medizin ist selten einem geradlinigen Gleis in eine zielstrebig angestrebte Zukunft gefolgt und hat oftmals aus anfänglich mit Mißtrauen und Feindschaft begegneten Richtungen Anstöße empfangen.⁷⁷
Daraus ist zu ersehen, dass der medizinische Nutzen der Akupunktur nicht einfach verneint werden kann. Die Darstellung der Moxibustion ähnelte der der Akupunktur. Der Medizindozent Dr. Scheube lieferte in seinem medizinhistorischen Werk ebenfalls eine konkrete Beschreibung der Anwendungsweise der Moxibustion und betonte ihre Wichtigkeit in der chinesischen Medizin, wenngleich auch hier keine theoretische
Perthes, Erfahrungen in der ärztlichen Praxis, S. 1970. Arnold, Akupunktur, S. 84. Unschuld, Paul Ulrich: „Chinesische und abendländische Medizin – Begegnung zweier Heilkulturen“, in: Der Internist 29 (1988), S. 508. Unschuld, Chinesische und abendländische Medizin, S. 508.
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Erörterung erfolgte.⁷⁸ Der Offizier Werner betonte die häufige Anwendung der Moxibustion in China.⁷⁹ Der Missionsarzt Dr. Olpp bemerkte zudem, dass die Moxibustion häufig „die einzigste Heilmethode der Kinderärzte“ sei.⁸⁰ Mehr Beschreibungen widmeten sich dem Urteil über die Moxibustion. Einerseits wurden die durch die Moxibustion hervorgerufenen schädlichen Folgen für den Körper behandelt. Der Missionsarzt Dr. Olpp, der die Akupunktur für eine tödliche Methode hielt, beobachtete häufig das Brennen mit Moxen und als Folge dieses Verfahrens schwere Vereiterungen.⁸¹ Daneben wurde auch die Heilkraft der Moxibustion beurteilt. Der Missionar Schultze war der Ansicht, dass die Moxibustion, die Nervenreiz hervorrufen konnte, „ein probates Ableitungsmittel“ sei.⁸² Der Missionar Leuschner charakterisierte die chinesische Medizin als „Agglomerat von Aberglauben, Vermutung und Richtigem“. Diese Einschätzung zeigte sich auch in seiner Beschreibung der Moxibustion: Kauterisieren sowohl durchs Eisen als durch Zündschwamm, besonders aber durch Benutzung des Amaranthus hypochondiacus kommt seit uralten Zeiten zur Anwendung. Leider wieder meist ohne Sinn und Verstand. Wie oft wurden Erwachsene und Kinder zu mir gebracht, die an Wassersucht litten. Der Leib oder die Füße wiesen oft fünfzig und mehr Brandflecke auf. Die Wassersucht ist häufig eine Folge des Malariafiebers.Vergrößerte Leber, Bleichsucht, Nierenleiden ging voraus. […] In Fällen von Ohnmacht, Scheintod, Delirium, Herzschwäche etc. sah ich dagegen oft recht gute Wirkungen der Kauterisation.⁸³
Der Militärarzt Dr. Gruenhagen, der einer akademischen Erforschung der chinesischen Medizin zugeneigt war und die chinesische Pathologie und Therapeutik positiv bewertete, bescheinigte der Moxibustion ebenfalls eine medizinische Funktion und befand: „Das Aufdrücken brennender Blätter bei Rückenbuckel ist zwar roh, verfolgt aber als Massage zur Kräftigung der Muskeln und zur aktiven Streckung in leichten Fällen die richtige Tendenz.“⁸⁴ Obgleich die Heilkraft der Moxibustion von allen genannten Beschreibern mehr oder weniger anerkannt wurde, hatten ihre Meinungen infolge der kontextuellen Unterschiede verschiedene Bedeutung. Schultze und Leuschner beobachteten und erlebten als Missionare in China viele Fälle, die mit Moxibustion
Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 32– 33. Werner, Die Preussische Expedition, S. 259. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 23. Ebd. Schultze, Die ärztliche Mission in China, S. 34. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 88. Gruenhagen, Die Grundlagen der chinesischen Medizin, S. 335.
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verbunden waren. Ihre Schlussfolgerungen in Bezug auf die therapeutische Wirkung der Moxibustion beruhten auf den beobachteten praktischen Erfolgen. Im Gegensatz dazu gründete die Einschätzung Gruenhagens auf dem Studium der chinesischen medizinischen Literatur, folglich bedeutete seine Anerkennung der Moxibustion eine theoretische Bestätigung. An der deutschen Beschreibung der Akupunktur und Moxibustion zeigt sich, dass auch in der Kolonialzeit eine systematische Darstellung und Erörterung der Theorien der Akupunktur und der Moxibustion fehlten und sich die deutschen Ansichten vor allem aus empirischen Erkenntnissen und persönlichen Beobachtungen sowie Erfahrungen in China bildeten. Dabei wurden die praktische Heilwirkung und die Lehren der modernen westlichen Medizin häufig als wichtige Bewertungsmaßstäbe herangezogen. Daraus entstanden einige wissenschaftliche und sachliche Beschreibungen und Erläuterungen, wenngleich auch Darstellungen subjektiver Prägung zahlreich vorhanden waren. Insgesamt betrachtet wurden die Akupunktur und die Moxibustion von den deutschen Beschreibern vor allem als unter Chinesen vorherrschende, populäre, aber unwirksame Behandlungsmethoden konstruiert. Dadurch wurde das negative Bild von der chinesischen Medizin verfestigt. Zwar wurde die Wirksamkeit der Akupunktur und Moxibustion bei gewissen Krankheiten anerkannt, aber die tendenziell positiven Bewertungen bildeten zum einen nicht den Hauptteil der damaligen deutschen Darstellung dieser Behandlungsmethoden, zum anderen stellten auch sie keine uneingeschränkte Bestätigung der Akupunktur und Moxibustion als akzeptable Behandlungsmethoden dar, da viele Beschreiber, die der Heilkraft der Akupunktur und Moxibustion eine gewisse Anerkennung zollten, wie etwa Olpp und Leuschner, zugleich auch harsche Kritik daran übten.
Geheimmittel und theurgische Methoden Auch weitere chinesische Behandlungsmethoden, etwa Schröpfen, Heilgymnastik, Diät, Massage und Skarifizieren, wurden in der Kolonialzeit in den deutschen Publikationen beschrieben und bewertet. Auf diese soll hier nicht eingegangen werden. Darüber hinaus umfasste die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin auch Behandlungsmethoden, die in den zeitgenössischen chinesischen medizinischen Kreisen als unmedizinisch verstanden wurden, darunter Geheimmittel und theurgische Methoden. Dabei wurden nicht nur zahlreiche Methoden und konkrete Beispiele dargestellt, sondern auch ihre Entstehungsgründe erläutert. Im Allgemeinen betrachtet, stellten die deutschen Beschreiber eine Vielzahl dieser Behandlungsmethoden in China fest und machten den unter den Chinesen herrschenden Aberglauben als Hauptursache verantwortlich. Dennoch existier-
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ten unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Rolle der chinesischen Ärzte bei der Anwendung dieser unmedizinischen Methoden. Der medizinische Autor Dr. Stricker erläuterte, dass „die niedrigste Stufe“ der chinesischen Ärzte „Verkäufer von Geheimmitteln ein[nehmen], welche in den Tempeln, auf den Jahrmärkten und Strassen sich umhertreiben“.⁸⁵ Der Medizindozent Dr. Scheube berichtete, dass aufgrund des allgemein verbreiteten Aberglaubens unter Chinesen auch die chinesischen Ärzte Geheimmittel und theurgische Methoden anwendeten.⁸⁶ Der Missionar Leuschner war der Ansicht, dass der Aberglaube einen Bestandteil der chinesischen Medizin bildete, und stellte den Einfluss der chinesischen Ärzte auf die Verstärkung abergläubischer medizinischer Anschauungen unter den Chinesen fest.⁸⁷ Der Militärarzt Dr. Krause, der die fehlenden wissenschaftlichen Grundlagen der chinesischen Medizin betonte, teilte den Standpunkt Leuschners und hob noch die allgemeine Verbreitung des Aberglaubens unter den chinesischen Ärzten hervor: Dass die Aerzte, wie alle Chinesen, in ihrem therapeutischen Handeln vom Aberglauben mächtig beeinflusst werden, liegt nach alledem auf der Hand. Hier nur ein Beispiel einer berühmten Cur bei Knochenfracturen. Man nimmt einen lebenden Hahn, den man in zwei Stücke zerschneidet, und legt ihn auf das gebrochene Glied. Die Lebenskraft des Hahnes soll die Consolidirung der Fractur herbeiführen.⁸⁸
Die Betonung der wichtigen Rolle der chinesischen Ärzte bei der Anwendung von Geheimmitteln und theurgischen Methoden reflektierte in gewissem Maße die tatsächlichen Umstände in China und dürfte zugleich mit der allgemein negativen Einschätzung der chinesischen Behandlungsmethoden verbunden sein. Durch diese Deutungsweise wurde Aberglaube als ein integraler Bestandteil der chinesischen Medizin konstruiert und das Bild von der rückständigen, unfachlichen chinesischen Medizin wurde damit gestaltet. Krause bemerkte allerdings auch, dass der Aberglaube auch in Deutschland noch keineswegs überwunden sei, dass er nur in anderer Form und Gestalt selbst bei deutschen Gebildeten noch unendlich häufig in Erscheinung trete, und dass es ein in dem ganzen Menschengeschlechte gemeinsamer Zug sei, da, wo das logische Denken zum Stillstand gelange, das Unfassbare, Unbegreifliche beginne, zum Übernatürlichen, zum Mystischen seine Zuflucht zu nehmen.⁸⁹ Diese Haltung, die sich aus der Analyse
Stricker, Die chinesische Medizin, S. 47. Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 30. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 87. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 69. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 70.
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der Entstehung des medizinischen Aberglaubens ergab, zeugt von einer wissenschaftlichen Herangehensweise. Dagegen vertrat der Militärarzt Dr. Kaether eine andere Ansicht. Er war der Meinung, dass die unmedizinischen Behandlungsmethoden von den Chinesen nur im Fall der Wirkungslosigkeit der medizinischen Therapien verwendet wurden: Ist die Krankheit hoffnungslos, oder zieht sie sich zu sehr in die Länge, können Menschen nicht mehr helfen, so wendet man sich an die Götter. Auch wir kennen ja Wallfahrtsorte und wundertätige Gnadenbilder, aber bei dem großen Reichtum an derartigen Anstalten, über den China verfügt, und bei der großen Bedeutung, die sie im Leben des Chinesen spielen, kann man sie nicht übergehen, wenn man von chinesischer Medizin spricht.⁹⁰
Es wird aber auch deutlich, dass Kaether zwar nicht von einer Vermischung des Aberglaubens mit der chinesischen Medizin ausging, gleichzeitig aber die allgemeine Verbreitung und Wichtigkeit dieser unmedizinischen Methoden in China hervorhob, wodurch das niedrige Niveau der medizinischen Behandlungsmethoden im Land implizit aufgezeigt wurde. Diese verschiedenen Einschätzungen dürften sich aus der unterschiedlichen Art des Kontakts der deutschen Beschreiber mit der chinesischen Medizin ergeben haben. So basierte die Ansicht Strickers auf den Berichten anderer Kollegen. Scheube, Leuschner, Krause und Kaether hingegen verfügten in unterschiedlichem Maße über persönliche Erlebnisse in China. Dabei spielten die chinesischen Ärzte, mit denen sie in Berührung kamen, bei der Herausbildung ihrer Einstellung eine zentrale Rolle, wie der Militärarzt Dr. Gruenhagen schrieb: Hier wird die Heilkunde gepflegt von Söhnen praktischer Ärzte, von Schülern, die berühmten Ärzten zuhören und von Schriftgelehrten, die medizinische Werke studiert haben. Ausser diesen eben genannten drei Kategorien, von denen man mit Recht sagen kann, dass sie ihre Wissenschaft studiert haben, gibt es, wie überall auf der Welt, Quacksalber und Masseure, die als Strassenheilkundige gegen geringes Entgelt ihr Handwerk betreiben; sie und die Apotheker, die in China auch ärztlich praktizieren, sind im allgemeinen das, was der Europäer zu sehen bekommt, und wonach er die chinesischen Ärzte beurteilt.⁹¹
Dennoch betrachteten die meisten deutschen Beschreiber die unmedizinischen Behandlungsmethoden als wichtigen Bestandteil der chinesischen Medizin und führten ihre Anwendung auf den Aberglauben der Chinesen zurück.
Kaether, Die Medizin in China, S. 782. Gruenhagen, Aus der chinesischen Medizin, S. 2.
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Der chinesische Historiker Yu Xinzhong 余新忠 hielt fest, dass die abergläubisch geprägten Behandlungsmethoden zur Zeit der Qing-Dynastie grundsätzlich durch die vorherrschende medizinische Lehre kritisiert und von der Regierung verboten wurden. Diese Kritik und das Verbot waren aber von geringer Wirkung, da medizinische Techniken und Materialien die medizinischen Bedürfnisse des Volkes nicht befriedigen konnten.⁹² Zudem hatten derartige Behandlungsmethoden gewisse soziale und ärztliche Funktionen, so dass sie unaufhörlich weiterentwickelt wurden.⁹³ Yu betonte, dass diejenigen, die derlei abergläubische Behandlungsmethoden anwendeten, unter den meisten Umständen gleichzeitig auch einen Arzt konsultierten.⁹⁴ Ausgehend von dieser Erkenntnis lassen sich viele der von deutschen Beschreibern geschilderten unmedizinischen Behandlungsmethoden auf einen jeweils spezifischen historischen und sozialen Hintergrund sowie eine kulturelle Bedeutung zurückführen. Somit dürfen sie weder als Bestandteil der chinesischen Medizin verstanden noch vereinfachend abgewertet oder als sich ursächlich vom Aberglauben herleitendes Produkt gedeutet werden. Stattdessen sollte versucht werden, ein objektives Verständnis dieser Phänomene herbeizuführen. Aus der obigen Darstellung ist jedoch zu erkennen, dass den meisten deutschen Beschreibern aus unterschiedlichen Gründen eine entsprechende Einstellung fehlte und dass es am Willen dazu mangelte. Sie neigten dazu, die chinesischen Geheimmittel und theurgischen Methoden aus ihrer eigenen kulturellen Perspektive zu beschreiben und sie als ein abergläubisches (so etwa Scheube, Leuschner und Krause) Symbol der chinesischen Medizin zu konstruieren, wodurch der Aberglaube mit der chinesischen Medizin verbunden wurde. Diese Tendenz dürfte zunächst mit dem ab dem 19. Jahrhundert in der deutschen Gesellschaft vorhandenen Konflikt zwischen „informal and formal medicine“⁹⁵ in Beziehung stehen, den die stetige Existenz und Entwicklung der alternativen Medizin trotz des Aufstiegs der naturwissenschaftlichen Medizin zum Mainstream hervorrief. Vor diesem sozialen Kontext wurden „popular and folk medicine“ von fachlichen Ärzten immer mehr mit „superstition and ignorance“ gleichgestellt.⁹⁶ Gleichzeitig reflektierte die Tendenz auch deutlich die Vorurteile
Yu Xinzhong 余新忠: Qingdai jiangnan yiliao zhong de „mixin“ xingwei kaocha 清代江南医疗 中的„迷信“行为考察 (Erörterung der medizinischen „abergläubischen Tätigkeit“ Jiangnans in der Qing-Dynastie), in: „Guojia, difang, minzhong de hudong yu banqian“ guoji xueshu yantaohui ji zhongguo shehuishi nianhui, 2002, S. 625. Ebd. Ebd. Waddington, An Introduction, S. 84. Ebd.
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der deutschen Beschreiber gegenüber der chinesischen Gesellschaft, wenn etwa die Historikerin Ruth Rogaski betonte, dass China nach der Boxerbewegung „in Western […] discourse as a land boiling over with dangerous superstitions, a place in need of forceful redemption from a backward past“ markiert wurde.⁹⁷ In diesem Sinne rechtfertigte und verstärkte die Konstruktion der chinesischen Geheimmittel und theurgischen Methoden die Notwendigkeit der Reform der chinesischen Medizin und der Einführung der modernen westlichen Medizin in China.
Zusammenfassung Insgesamt fiel die Bewertung der chinesischen Behandlungsmethoden durch die deutschen Beschreiber in der Kolonialzeit sehr geringschätzig aus. Meist wurden sie als unwissenschaftlich, wirkungslos, abergläubisch und manchmal sogar als barbarisch bezeichnet. Klar erkennbar ist, dass diese negative Konstruktion der chinesischen Behandlungsmethoden mit dem vorherrschenden deutschen Urteil über die Theorien der chinesischen Therapeutik in Einklang stand und zugleich die Wirksamkeit und den therapeutischen Nutzen der chinesischen Medizin auf praktischer Ebene bestritt. Die negative Wertung spiegelte neben den Vorurteilen gegenüber der chinesischen Kultur, die in der Kolonialzeit in Deutschland dominierten, und eigenen subjektiven Schreibmotiven zum einen die Haltung der deutschen Beschreiber wider. Sie sahen die Anschauungen und Kriterien der europäischen modernen Medizin als den normalen und richtigen Maßstab. Aus dieser Perspektive analysierten sie die chinesischen Behandlungsmethoden. Sie eigneten sich keine Kenntnisse über die theoretischen Hintergründe dieser Behandlungsmethoden an und erforschten sie angesichts ihrer Geringschätzung der chinesischen Medizinlehre auch nicht. Häufig wurden die Behandlungsmethoden durch wissenschaftliche Erläuterungen, die auf der modernen westlichen Medizin basierten, kritisiert. Zum anderen stand die Einstellung der deutschen Beschreiber in unmittelbarer Verbindung mit ihren Erlebnissen in China. Im Vergleich mit den medizinischen Theorien verfügen die Behandlungsmethoden über praktische Resultate, weshalb es durch den persönlichen Kontakt der deutschen Beschreiber mit der chinesischen Medizin durchaus auch gelegentlich zu positiven und faktisch richtigen Urteilen kam, die sich aber auf Heilmittel gegen bestimmte Krankheiten beschränkten und bis zu einem gewissen Grad zwar die ursprüngliche Haltung der deutschen Beschreiber korrigieren, nicht aber ihre Grundeinstellung ändern
Rogaski, Hygienic Modernity, S. 165.
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konnten. Zudem sahen sie sich in Letzterer häufig bestätigt durch Beobachtung abergläubischer Methoden und ungünstiger Behandlungsverläufe.
1.3 Der ärztliche Beruf in China Ebenso wie die frühen europäischen Missionare und Ärzte richteten auch die deutschen Beschreiber in der Kolonialzeit ihre Aufmerksamkeit auf den ärztlichen Beruf in China und berichteten darüber. Diese Darstellungen beinhalteten zahlreiche Aspekte des chinesischen Arztberufs, wie etwa die medizinische Ausbildung, die ärztliche Praxis, das Können und Ansehen sowie das Honorar und die Berufsmoral des Arztes. Nicht nur zahlreiche Details, sondern auch manche persönliche Einschätzung wurden dabei präsentiert. Im Allgemeinen wurde der chinesische Arztberuf von den deutschen Beschreibern aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt, aber gering geschätzt.
Struktur und Aufsicht des Arztberufs Das Berufswesen des chinesischen Arztes wurde generell als locker, aufsichtslos und ungeordnet bezeichnet. „Der Staat thut so viel wie nichts zur Heranbildung von Medicinern […]“⁹⁸ und die Ausbildung des chinesischen Arztes werde fast ganz auf der privaten Ebene durchgeführt.⁹⁹ Diese Einschätzung, die bereits von früheren Europäern vorgebracht worden war, wurde in der Kolonialzeit wiederholt aufgegriffen. Eine ausführlichere Beschreibung gab der Medizindozent Dr. Scheube: In der Regel gehen die Aerzte in China einige Jahre bei älteren Kollegen in die Lehre. Sie spielen die Handlanger ihrer Meister, lesen fleissig deren Rezepte, hören andächtig auf jedes Wörtchen Weisheit, das ihren Lippen entfällt, und studieren nebenbei die kanonischen Werke. Meist erbt sich der ärztliche Beruf vom Vater auf den Sohn fort. So giebt es Aerztefamilien, deren männliche Mitglieder seit Jahrhunderten sämtlich in gleicher Weise Praxis ausüben, indem die vorhandenen Rezepte und medizinischen Bücher stets sich mit vererben und den gemeinsamen Quell ihres Wissens bilden. Im allgemeinen hat man das meiste Vertrauen zu solchen Aerzten, die eine lange Reihe von Berufsahnen aufzuweisen haben. Doch giebt es auch viele Aerzte, welche Autodidakten sind, indem sie irgend ein medizinisches Buch auswendig gelernt oder auch nur einige Rezeptformeln sich angeeignet haben.¹⁰⁰
Schultze, Die ärztliche Mission in China, S. 32. Lechler, Acht Vorträge über China, S. 121. Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 36.
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Diesen Bildungsweg hielt Fest für „äusserst einseitig“, denn jeder befasst sich nur mit dem Lehr- oder Lesematerial seines Präzeptors; folglich sind alle chinesischen Ärzte Spezialisten, und es sind ihnen in der That sehr enge Grenzen gezogen. Für jeden Teil des Körpers haben die Chinesen ihre Spezialisten. […] Als unhöflich gilt es, sein Fach zu überschreiten.¹⁰¹
Zum Spezialistentum, das durch diese Ausbildungsart verursacht wurde, befand der Missionsarzt Dr. Olpp: „Wir haben hier die interessante Tatsache, dass das chinesische Spezialistentum sich nicht auf allgemeiner ärztlicher Grundlage aufbaute, sondern nur eine Vorstufe der Vollkommenheit bildete.“¹⁰² „Viele dieser Aesculapssöhne studiren nur einzelne Krankheiten“,¹⁰³ schrieb der Missionar Stenz. Daraus geht deutlich hervor, dass sie die, nach ihrer Ansicht unzureichende, medizinische Ausbildung in China bemängelten, die häufig Ärzte hervorbrachte, die über nur unvollständige Kenntnisse der Medizin verfügten. Gelegentlich wurde auch das Ausbildungsmodell privater Prägung als Zeichen der Rückständigkeit der chinesischen Medizin angesehen und entsprechend negativ dargestellt. Der Missionar Witte erklärte: Es gibt in China bis heute kein wissenschaftliches Studium der Medizin. Die ärztliche Heilkunst wird wie ein Handwerk ausgeübt, das man bei einem alten „Arzt“ lernt. Diese Ärzte schöpfen ihre Kenntnisse aus uralten Büchern, die voll sind von Aberglauben, und denen jede Kenntnis vom Bau des menschlichen Körpers fehlt.¹⁰⁴
Witte bezeichnete die Ausbildung chinesischer Ärzte als unwissenschaftlich und stellte sie mit der handwerklichen Ausbildung gleich. Zudem befand er die schriftlichen Quellen der chinesischen Ärzte für abergläubisch. Auf diese Deutungsweise wurde sowohl die Fachlichkeit der chinesischen Ärzte als auch das Bild von der chinesischen Medizin insgesamt herabgesetzt. Ein Besuch bei einem chinesischen Berufsarzt, der aus einer Arztfamilie stammte, gewährte dem Missionsarzt Dr. Wick Einblick in die Umstände des ärztlichen Berufs in China. Die Schilderungen des chinesischen Arztes informierten Wick über die ärztliche Ausbildung in China. Er erfuhr, dass viele, die sich als Ärzte bezeichneten und praktizierten, von Berufsärzten nicht als eigentliche Ärzte anerkannt wurden. Dazu gab er die Darstellung des chinesischen Arztes wieder:
Fest, Die Ärzte China’s, S. 97. Olpp, Briefe aus China, S. 1318. Stenz, Arzt und Apotheker, S. 175. Witte, Hilfe für die Not, S. 12.
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Der chinesische Arzt fuhr nun in seiner Erzählung fort: „[…] Da sind zunächst solche, die eine regelrechte ärztliche Ausbildung wohl begonnen, sie aber nicht zu Ende geführt haben, aber trotzdem praktizieren. Dann gibt es noch Leute, die nur das Stechen mit Nadeln gelernt haben. Sie haben meist ein wenig Schulbildung, so dass sie notdürftig das darüber geschriebene Buch lesen können. Oft sind sie aber auch ohne irgend welche Bildung und haben dann ihre Kunst von einem Anderen nur praktisch erlernt.“ […] „Weiter gibt es viele Leute, die auf irgend eine Weise von der Wirkung einiger Arzneien gehört haben, sich diese kaufen und dann einen fliegenden Laden eröffnen.“ […] „Auf derselben Stufe stehen diejenigen, die sich nur mit der Bereitung und Anwendung von Pflastern bei allen möglichen Erkrankungen befassen.“¹⁰⁵
Mittels des regen Gebrauchs der direkten Rede übernahm Wick den Ton des chinesischen Arztes in seinen Bericht. So vergrößerte er den Umfang der Informationsquelle, wodurch seiner Wiederholung ein objektiver und authentischer Sinn verliehen wurde. Wick versuchte mit dieser Beschreibung zu verdeutlichen, dass nicht nur der medizinischen Ausbildung, sondern auch der Ausübung der ärztlichen Praxis in China die staatliche Aufsicht fehle. Der Missionsarzt Dr. Vortisch berichtete noch von der freien Ausübung der westlich-ärztlichen Tätigkeit durch Chinesen: Aber gar oft sind es nur minderwertige Elemente, die sich den Zug nach modernen Dingen zunutze machen, und gewisse Herren, die sich „westliche Ärzte“ nennen, waren oft nur etliche Monate in einem europäischen Spital in Hongkong oder Shanghai als „Student“ oder gar nur als „Diener“; den Titel geben sie sich selbst und setzen ihn ungestraft auf ihre Visitenkarten, die nun auch europäischem Muster nachgeahmt werden.¹⁰⁶
Ähnliches bemerkte auch der Missionsarzt Dr. Olpp: „Haben wir es doch erlebt, dass fortgelaufene Krankenwärter europäischer Hospitäler sich in ihrem Heimatsort unter der Firma: ‚westlicher Arzt‘ niedergelassen haben und dabei zu Wohlstand und Ehren gekommen sind.“¹⁰⁷ Die Betonung der lückenhaften Aufsicht der westlich-ärztlichen Praxis in China durch Vortisch und Olpp reflektierte ihre missbilligende Haltung zur Gruppe der westlich ausgebildeten chinesischen Ärzte und gestaltete auch das negative Bild vom ärztlichen Beruf in China. Ihre Einschätzung hing vermutlich damit zusammen, dass diese Gruppe allmählich mit ihnen in Konkurrenz trat. So dürfte ihnen mit den von dieser Haltung ausgehenden Darstellungen nicht zuletzt auch daran gelegen gewesen sein, die Notwendigkeit ihrer ärztlichen Missions-
Wick, Ein Besuch in einer chinesischen Stadt, S. 43 – 44. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 22. Olpp, Briefe aus China, S. 1319.
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arbeit und der Einführung moderner westlicher Methoden der Aufsicht der ärztlichen Tätigkeit in China aufzuzeigen. Neben der Qualifikation für die ärztliche Tätigkeit in China wurde auch die Art und Weise der Berufsausübung der chinesischen Ärzte vielfach beschrieben. „Die Praxis üben die chinesischen Ärzte entweder in ihren Häusern oder in denen der Kranken, da Krankenhäuser in China niemals existirt haben“,¹⁰⁸ erläuterte der medizinische Autor Dr. Stricker. Der Kulturhistoriker Klemm hielt das Fehlen von Krankenhäusern in China für unverständlich und befand: In einem Land, wo die Regierung so eifrig um das Wohl des Volks bemüht ist, wie in China, würde es auffallend seyn, keine Krankenhäuser zu finden, zumal da das Gesetz den Civilbeamten, so wie den Offizieren Sorgfalt für Arme, Nothleidende und Kranke zur strengsten Pflicht macht.¹⁰⁹
Zugleich wurde aber auch von Ausübungsstätten berichtet, in denen die chinesischen Ärzten ihre Dienste anboten. Der Militärarzt Dr. Krause berichtete: In Shanghai und Canton sah ich eine Art Polikliniken, in denen ich von chinesischen Aerzten sehr liebenswürdig aufgenommen wurde. Es sind, wie mir berichtet wurde, Wohlthätigkeitsanstalten, in denen Kranke ohne Entgelt untersucht und behandelt werden und welche mit einer Apotheke und einem Sargmagazin verbunden sind. Arzneien und Särge werden gratis abgegeben.¹¹⁰
Die Hervorhebung des Mangels an Krankenhäusern durch die deutschen Beschreiber zeigt deutlich ihre Perspektive aus dem westlichen Gesundheitswesen heraus und muss infolge der Unterschiede bezüglich des Zeitpunkts der Beschreibung mit Rücksicht auf den jeweils eigenen zeitlichen Kontext analysiert werden. Die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland verzeichnete bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen raschen Zuwachs.¹¹¹ In Europa spielten „social reasons rather than medical arguments“ eine zentrale Rolle bei der Einrichtung des Hospitals¹¹² und „the majority of medical practitioners [in Deutschland] continued to emphasize the importance of home not hospital treatment“.¹¹³ Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das deutsche Hospital vor allem „Aufbewahrung und Versorgungsinstitution für (kranke) Arme, Alte, Sieche Stricker, Die chinesische Medizin, S. 48. Klemm, China und Japan, S. 129. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 19 – 20. Spree, Reinhard: „Anspruch und Wirklichkeit der Krankenhausbehandlung im 19. Jahrhundert“, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 19 (2000), S. 144. Waddington, An Introduction, S. 158. Ebd.
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und Geisteskranke“.¹¹⁴ Kranke wurden typischerweise „in der Familie versorgt, meist ohne Hinzuziehung eines approbierten Arztes“.¹¹⁵ Gegen Ende des 19. Jahrhunderts veränderte sich der Versorgungscharakter des Hospitals mit der durch die Entwicklung der Medizin herbeigeführten Verbesserung des Behandlungsumfelds und der Steigerung des Behandlungsniveaus. Das Hospital wurde zu einer Anstalt, in der in erster Linie die ärztliche Behandlung erfolgte und die immer mehr Patienten aufsuchten. Vor diesem historischen Kontext darf die Betonung des Fehlens der Institution des Hospitals, die bei Stricker 1865 und bei Klemm 1847 in ihren Darstellungen erfolgte, nicht als Kritik am chinesischen Gesundheitssystem angesehen werden. Vielmehr zielte sie darauf ab, den Mangel an sozialer Fürsorge für die Unterschicht in China aufzuzeigen. Im Gegensatz dazu implizierte die von Krause zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Ausdruck gebrachte Einstellung – trotz der positiven Darstellung der philanthropischen Tätigkeit und seiner Meinungsänderung hinsichtlich der nicht existenten sozialen Fürsorge in China – eine Kritik am Mangel eines modernen Gesundheitssystems, da er der Ansicht war, dass diese Anstalten von wohltätiger Beschaffenheit und keine Einrichtungen im Sinne des modernen Hospitals seien und so auch nicht zum gewöhnlichen Arbeitsbereich der chinesischen Ärzte gehörten. Während sich das Hospital zum vorwiegenden Arbeitsbereich der Ärzte in Deutschland wandelte, wurde die traditionelle Ausübung der medizinischen Praxis in China, die in der Vergangenheit in Europa in ähnlicher Weise existiert hatte, zunehmend negativ beurteilt. Zur allgemeinen Arbeitsweise der chinesischen Ärzte lieferte der Militärarzt Dr. Kaether eine ausführliche Darstellung, in der die ärztlichen Tätigkeiten klassifiziert vorgestellt wurden: Zunächst solche, die ihrer Praxis in ähnlicher Weise wie ihre europäischen Kollegen nachgehen, und welche ohne Frage die sozial höher stehende Kategorie darstellen. Sie halten morgens ihre Sprechstunden in der Wohnung ab, dann machen sie ihre Krankenbesuche, häufig in einer Sänfte. […] Der Empfang des Arztes ist mit all dem umständlichen Zeremoniell verbunden, das die chinesische Etikette beim Besuch Gebildeter untereinander vorschreibt. Nach den üblichen tiefen Verbeugungen wird ihm eine Tasse Thee und ein Pfeifchen Tabak angeboten, und erst nach deren Genuß wird er in das Krankenzimmer geleitet, wo dann die vorher beschriebene Komödie des Pulsfühlens vor sich geht. Die Diagnose ist rasch gestellt und das alsdann geschriebene, lange Rezept wandert in die nächste Apotheke. Die zweite, minderwertigere Sorte von Ärzten sind diejenigen, welche ihre Arzneien selbst verkaufen und nach Art der kleinen Händler einen Laden besitzen, oder sogar nur einen Tisch auf der
Spree, Reinhard: „Krankenhausentwicklung und Sozialpolitik in Deutschland während des 19. Jahrhunderts“, in: Historische Zeitschrift 260 (1995), S. 78. Spree, Anspruch und Wirklichkeit, S. 144.
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Straße halten, auf dem sie ihre Medikamente feilbieten. Sie suchen ihre Patienten nicht auf, sondern der Kranke oder dessen Angehörige kommen zu ihnen. […] Neben diesen beiden Kategorien von Ärzten, wenn man sie so nennen darf, fehlen, wenigstens in den größeren Städten, die Quacksalber schlimmster Sorte nicht. Mitten auf der Straße hockend, preisen sie ein Pulver, eine Flüssigkeit, Pillen oder dgl., die sie auf einem auf der Erde ausgebreiteten Tuche ausgelegt haben, mit lauter, kreischender Stimme als ein Universalmittel gegen alle möglichen Krankheiten an, und daraus, daß diese Leute ein gutes Geschäft machen, kann man den Schluß ziehen, daß das Sprichwort von den nie alle werdenden Dummen auch für China gilt. […] Übrigens pfuschen alle Apotheker mehr oder weniger den Ärzten in ihr Handwerk, wie überhaupt eine scharfe Grenze zwischen Arzt und Apotheker nicht zu ziehen ist. Man kann sagen, daß jeder chinesische Arzt nicht zugleich Apotheker zu sein braucht, daß jedoch jeder chinesische Apotheker zugleich Arzt ist.¹¹⁶
Diese Darstellung spiegelte nicht nur die ungeregelten, aus deutscher Sicht chaotischen Zustände des ärztlichen Berufs in China wider, sondern es wurde auch die ärztliche Praxis der chinesischen Berufsärzte, die Kaether hier als die erste Kategorie anführte, durch eine Reihe von Formulierungen wie „das umständliche Zeremoniell“, die „Komödie des Pulsfühlens“ und die „rasche Diagnose“, die deutlich seine Einstellung repräsentierten, negativ dargestellt. Daraus wird deutlich, dass Kaether eine ablehnende Haltung zur Arbeitsweise der chinesischen Ärzte einnahm. Mit der Kritik am Prozess der Behandlung durch die chinesischen Berufsärzte wurde die gesamte ärztliche Praxis in China negiert. Zu ersehen ist, dass ein negatives Bild von dem Berufswesen des chinesischen Arztes von den deutschen Beschreibern konstruiert wurde, indem vor allem die staatlich aufsichtslosen Verhältnisse der chinesischen medizinischen Ausbildung und Praxis abwertend dargestellt und diese häufig als Ursachen für die Heterogenität der Gruppe der chinesischen Ärzte, ihr ungenügendes und rückständiges medizinisches Niveau, ihren Mangel an Fachlichkeit und anderes hingestellt wurden.
Das Bild vom chinesischen Arzt Auf Basis der negativen Konstruktion der Struktur und der Aufsicht des Arztberufs in China wurde das Subjekt des ärztlichen Berufs, der chinesische Arzt, in der deutschen Beschreibung ebenfalls abwertend behandelt. Im Allgemeinen wurde der chinesische Arzt unter anderem als Scharlatan, Quacksalber und Schwindler tituliert. Einige der deutschen Beschreiber urteilten äußerst negativ über die chinesischen Ärzte. Der Redakteur Navarra bemerkte, der chinesische Arzt sei „aus Kaether, Die Medizin in China, S. 779 – 781.
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nahmslos ein würdiges Gegenstück zu unserem deutschen Doktor Eisenbart: er ist der Quacksalber comme il faut“.¹¹⁷ Mit einem deutlichen Überlegenheitsgefühl äußerte der Militärarzt Dr. Eugen Wolffhügel, dass es „bekanntlich keine Aerzte im europäischen Sinne des Wortes“ in China gebe,¹¹⁸ und der Missionar Stenz, dass die chinesischen Ärzte „in Europa durchgehends als Quacksalber verschrien“ seien.¹¹⁹ Im Vergleich dazu sprach sich der Militärarzt Dr. Krause dafür aus, dass die Beurteilung der chinesischen Ärzte nicht in Unkenntnis der chinesischen Medizin durchgeführt werden sollte und betonte, die Existenz der „Quacksalber“ sei eine allgemeine Erscheinung in jeder Gesellschaft.¹²⁰ Obwohl Krause gleichfalls die Erscheinung der Quacksalber unter der Gruppe der chinesischen Ärzte verortete, war seine Haltung ungewöhnlich in Hinsicht auf die Beurteilung von chinesischen Ärzten in der Kolonialzeit. Sie zeugte von einer objektiven und wissenschaftlichen Einstellung, die auch bei seiner Beurteilung der chinesischen Behandlungsmethoden eine dominierende Rolle spielte. Neben der Gesamtbeurteilung, in der der Begriff des „Quacksalbers“ häufig als Synonym für die chinesischen Ärzte benutzt wurde, wurden auch verschiedene Einzelaspekte bezüglich der chinesischen Ärzte dargestellt. Dabei wurden das ärztliche Können, das soziale Ansehen, das Honorar, die Beziehung zu Patienten sowie die Berufsmoral diskutiert und beurteilt. Manche dieser Aspekte waren in früheren europäischen beziehungsweise deutschen Darstellungen nur sehr selten behandelt worden. Bezüglich der ärztlichen Fähigkeiten der chinesischen Ärzte bildeten sich nicht gänzlich identische Meinungen heraus. Der Missionar Schultze bestätigte zwar die Existenz von eigentlichen Ärzten in China,¹²¹ schränkte aber ein: „In schwierigeren Krankheitsfällen ist die Rathlosigkeit der Aerzte oft groß, und der arme Kranke wird meistens das Objekt der widersprechendsten Experimente.“¹²² Dr. Trennög betonte, dass der chinesische Arzt nach europäischen Begriffen völlig unzureichende Kenntnisse besitze.¹²³ Extremer äußerte sich der Missionsarzt Dr. Wick, der den chinesischen Arztberuf völlig abwertete: „Ist ihre Natur nicht stark
Navarra, China und die Chinesen, S. 289. Wolffhügel, Eugen: „Truppenhygienische Erfahrungen in China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 50, 49 (1903), S. 2150. Stenz, Arzt und Apotheker, S. 175. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 19. Schultze, Die ärztliche Mission in China, S. 29. Schultze, Die ärztliche Mission in China, S. 34– 35. Trennög, Chinesische Aerzte, S. 197.
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genug, selbst das Übel zu überwinden, so werden sie elend zu Grunde gehen. Von ihren Ärzten haben sie keine Hilfe zu erwarten.“¹²⁴ Dennoch kam es gelegentlich auch zu positiven Beurteilungen. Der Missionar Faber berichtete: „Tausende von Patienten werden durch eingeborene Ärzte täglich kuriert. Manche Patienten sogar, die unter der fremden Behandlung ohne Besserung blieben, sind von einem eingeborenen Quacksalber kuriert worden.“¹²⁵ Der Missionar Stenz bezeichnete die chinesischen Ärzte nach europäischen Kriterien zwar als „Quacksalber“, aber er betonte anschließend: Und doch ist nicht zu verkennen, dass die Aerzte in China oft grosse Erfolge erzielen. Durch das Studium ihrer tausendjährigen Traditionen, durch natürliche Anlage und Uebung bringen sie es fertig, viele Krankheiten richtig zu behandeln und zu kurieren.¹²⁶
Obgleich der Militärarzt Dr. Kaether die Arbeitsweise der chinesischen Ärzte insgesamt grundsätzlich ablehnte, bescheinigte er ihnen zumindest bezüglich der Zahnbehandlung eine gewisse technische Fertigkeit.¹²⁷ Die Unterschiede in der Haltung dürften einerseits durch den praktischen Kontext bedingt gewesen sein, und zwar durch die Beobachtung der und die Berührung mit den chinesischen Ärzten, die verschiedene medizinische Ausbildungen durchliefen und daher ungleiche ärztliche Fähigkeiten hatten. Zum anderen erklären sie sich aus den verschiedenen individuellen Neigungen und Schreibmotiven. Beispielsweise waren Schultze und Wick mittels Negierung der ärztlichen Fähigkeit des chinesischen Arztes bestrebt, den rückständigen Zustand der Medizin in China zu beschreiben und mehr Unterstützung aus dem Heimatland einzufordern, während die positiven Äußerungen Fabers nicht nur das Ergebnis seiner Beobachtung waren, sondern auch auf eine Kurskorrektur in der Durchführung der ärztlichen Mission in China abzielte. Er bemerkte: Es besteht noch unter heidnischen und christlichen Chinesen ein tiefer Glaube an die Behandlungsweise der eingeborenen Ärzte. In dieser Hinsicht ist mehr volkstümliche Belehrung erforderlich. Es ist nutzlos, die eingeborene Praxis als Quacksalberei zu denunzieren.¹²⁸
Obgleich nicht wenige Beispiele positiver Darstellungen des Könnens der chinesischen Ärzte vorlagen, stellten diese die deutschen Beschreiber nur als Ausnahmeerscheinung unter den chinesischen Ärzten dar, und sie wurden nur auf
Wick, Ein Besuch in einer chinesischen Stadt, S. 46. Faber, Die Pflicht der Kirche, S. 109. Stenz, Arzt und Apotheker, S. 175. Kaether, Die Medizin in China, S. 782. Faber, Die Pflicht der Kirche, S. 109.
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bestimmte Aspekte beschränkt und nahmen keinen Einfluss auf die Gesamteinstellung zu den Fähigkeiten der Ärzte in China. Mit dem Einzug der europäischen Medizin in China absolvierte eine Anzahl chinesischer Ärzte die westliche Medizinerausbildung. Auch über diese und ihre ärztlichen Fähigkeiten berichteten die deutschen Beschreiber. Der Militärarzt Dr. Friedel, der sich um eine akademische Erforschung des Klimas und der Krankheiten in China bemühte, erläuterte: Talentvolle Schüler wurden auf Kosten der Gesellschaften nach Europa geschickt und dort nach einer sorgfältigen Vorbereitung auf englischen Universitäten in die höheren Geheimisse der Medicin eingeweiht. So lebt z. B. jetzt in Canton als Director des Hospitals in Kumlifau ein in Edinburg erzogener und promovierter Dr. Wangfun, der sich durch seine Kenntnisse und seine operativen Fertigkeiten einen so bedeutenden Ruf und ein so grosses Vertrauen erworben hat, dass selbst die europäischen Aerzte ihn bei den schwierigsten Fällen ihrer Praxis sehr gern zu Rathe ziehen.¹²⁹
Auch der Militärarzt Dr. Perthes strebte nach einer objektive Beschreibung der chinesischen Verhältnisse und bemerkte: Während man also auf der einen Seite zu der Ueberzeugung gelangt, dass die ärztliche Kunst der Chinesen auf einer unglaublich niedrigen Stufe steht, so hatte ich doch auf der anderen Seite Gelegenheit, mich über das Geschick und das Verständnis für ärztliche Dinge bei 3 schon früher bei der Londoner Mission als „dispensars“ tätigen Chinesen zu wundern. Das Ausführen einfacher Rezepte, Verbände und selbst kleiner Operationen konnte ihnen wohl überlassen werden. Nach derartigen Erfahrungen, die auch an den deutschen und englischen Missionsspitälern, z. B. in Hongkong, gemacht sind, würde es – wenn man allein die Anlagen in Betracht zieht – nicht wesentlich schwerer sein, Chinesen zu wirklichen Aerzten herauzubilden, als es bei den Japanern der Fall gewesen ist.¹³⁰
Die aktive Würdigung der westlich ausgebildeten Ärzte, die der tatsächlichen Situation weitgehend gerecht wurde, stand in deutlichem Kontrast zur negativen Beurteilung der traditionellen chinesischen Ärzte, wobei allerdings festzuhalten ist, dass diese Anerkennung in erster Linie eine Bestätigung der westlichen medizinischen Ausbildung bedeutete. Insofern beurteilten Friedel und Perthes diesen Teil der chinesischen Ärzteschaft, wie die meisten deutschen Beschreiber, ganz vom Standpunkt der europäischen Medizin. Zudem bezeichnete Perthes die europäisch ausgebildeten Ärzte als „wirkliche Ärzte“. Diese Formulierung spiegelte implizit seine abwertende Einstellung gegenüber den traditionellen chinesischen Ärzten wider. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 46 – 47. Perthes, Erfahrungen in der ärztlichen Praxis, S. 1970.
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In Verbindung mit der negativen Darstellung der ärztlichen Fähigkeit der chinesischen Ärzte wurde auch ihre Berufsmoral bei der deutschen Beschreibung der ärztlichen Praxis in China berücksichtigt, wobei das Urteil hierüber grundsätzlich auch negativ ausfiel. „Das Honorar spielt bei jedem Arzte eine wichtige Rolle und man kann wohl sagen, daß ein chinesischer Doktor nie etwas aus Liebe und Erbarmen tut, sondern nur aus Geschäft“,¹³¹ beschrieb es der Missionsarzt Dr. Vortisch. Der Missionsarzt Dr. Olpp stellte ausführlich die ärztlichen Gebote nach dem chinesischen medizinischen Werk, „Eine Zusammenstellung der Heilmethoden berühmter Ärzte“ (Mingyi leian 名医类案) vor, fügte aber nach eigener Beobachtung an: Leider weicht die Praxis der jetzigen Ärztegeneration in China erheblich von diesem Standpunkt ab. Heutzutage wird erst mit jedem Patienten um den Preis gefeilscht und gehandelt, um welchen ihm dann Heilung versprochen wird. Tritt dieselbe nicht ein, nun dann ist das Geld eben hin und man geht zu einem andern berühmten Licht.¹³²
Feststellen lässt sich, dass die Darstellung der Berufsmoral der chinesischen Ärzte, in der finanzieller Gewinn als ihr Hauptarbeitsmotiv bezeichnet wurde, vor allem von Missionsärzten erfolgte, auch wenn diese sich in der Sicht auf China und die chinesische Medizin durchaus voneinander unterschieden. Dies dürfte vornehmlich durch ihre Profession bedingt sein. Durch diese Konstruktion versuchten sie, die mangelnde ärztliche Ethik der chinesischen Ärzte aufzuzeigen und damit die Bedeutung der Arbeit der ärztlichen Mission, die christlich-zivilisierende Absichten hatte, zu begründen. Vermutlich mit dieser Intention wurde die Berufsmoral der europäisch ausgebildeten chinesischen Ärzte, über deren ärztliche Fähigkeit sich die Militärärzte Dr. Friedel und Dr. Perthes anerkennend aussprachen, von Olpp kritisiert. Zum Beweis führte er Beispiele aus eigener Erfahrung an: Ein Mediziner, der kurz vor vollendetem Studium seinen Namen durch groben Instrumentenund Medikamentendiebstahl befleckt hatte, liess sich bald darauf als westlicher Arzt nieder. In seiner Nähe starb ein Pestkranker, welcher sich am Todestage den Unterkiefer verrenkt hatte. Am folgenden Tage luxierte sich ein anderer Mann den Unterkiefer und hielt den Zustand für ein Pestsymptom. In seiner Angst geht er zu dem westlichen Arzt, welcher ihm nach Hinterlegung von 100 M. verspricht, sein Leben zu retten. Das Geld wird ausgezahlt und nun reponiert der Arzt nach dem im Hospital erlernten Handgriff die Luxation, wobei es ihm am meisten freut, dass er ohne Pun-ts’in, d. h. ohne Kapitalsanlage für etwaige Instrumente, diese Radikalkur mit etwas List und Verschlagenheit durchgeführt hat. Wenn man bedenkt,
Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 17. Olpp, Briefe aus China, 1903, S. 1570.
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dass ein chinesischer Lehrer im Inlande mit 240 M. pro Jahr gut leben und eine Familie ernähren kann, so begreift man den Zug der Jugend zum Studium westlicher Medizin.¹³³
Olpps Beschreibung des modernen chinesischen Arztes unterstrich die negativen Bemerkungen zur Berufsmoral der chinesischen Ärzteschaft insgesamt.
Zusammenfassung Die deutsche Beschreibung des chinesischen Arztberufs, die unterschiedliche Blickwinkel und Schreibmotive reflektierte, setzte sich nicht nur aus subjektiven, gezielten und voreingenommenen Erzählungen und Behauptungen, sondern auch aus wissenschaftlichen Aussagen und Analysen zusammen, wie sie etwa von Scheube und Krause bei der Erläuterung bestimmter Probleme gelegentlich vorgelegt wurden. Insgesamt betrachtet war die Haltung der deutschen Beschreiber gegenüber dem Arztberuf negativ geprägt. Dabei wurde der ärztliche Beruf in China als strukturell locker aufgefasst und die Ansicht vertreten, unter den Praktizierenden existierten in Ermangelung einer strengen Aufsicht über den Arztberuf nicht nur zahlreiche Kurpfuscher und Scharlatane, die sich trotz eines nur oberflächlichen Medizinalwissens als Ärzte niederließen, sondern auch die chinesischen Berufsärzte wurden trotz erfolgreicher Behandlungen infolge ihrer Unkenntnis des modernen westlichen Medizinalwissens nicht als eigentliche Ärzte angesehen. Zudem wurden ihre ärztlichen Fähigkeiten und die Berufsmoral beanstandet. Hier wird deutlich, dass das Urteil der deutschen Beschreiber über den ärztlichen Beruf in China einerseits auf der Systemebene den Zustand der chinesischen Medizin ablehnte, andererseits die niedrige Bewertung derselben verstärkte und damit auch die Einführung des modernen europäischen Gesundheitssystems in China rechtfertigte. Obwohl sich viele Ansichten aus praktischen Wahrnehmungen und Beobachtungen in China speisten, waren sie doch vor allem durch den jeweiligen Hintergrund der deutschen Beschreiber beeinflusst. Abgesehen von einem allgemeinen kulturellen Überlegenheitsgefühl und der sich daraus ergebenden Zivilisierungsmission dürfte sich vor allem dieser individuelle Hintergrund auf die Bewertungskriterien ausgewirkt haben, wobei der Maßstab des europäischen Arztberufs herangezogen wurde. Die freie medizinische Ausbildung, ebenso wie die aufsichtslose Ausübung der ärztlichen Praxis waren auch in der Geschichte des ärztlichen Berufs in Deutschland vorzufinden. Ab der zweiten Hälfte des
Olpp, Briefe aus China, S. 1319.
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18. Jahrhunderts erfolgte die medizinische Ausbildung in Deutschland allmählich an der Universität, wo sich ein normatives System des Medizinunterrichts etablierte. Ebenso wie die Normierung der medizinischen Ausbildung unterlag nun auch die Ausübung der ärztlichen Praxis in Deutschland strengen gesetzlichen Regelungen und staatlicher Verwaltung. Mit der Einrichtung des modernen Gesundheitssystems wurde der ärztliche Beruf in Deutschland effektiv beaufsichtigt. Im Vergleich dazu entwickelten sich die medizinische Ausbildung und die ärztliche Praxis in China im gleichen Zeitraum noch im Rahmen eines lockeren Modells. Diese als rückständig aufgefasste, differierende Situation in China bildete einen wesentlichen Kontext, in dem das Urteil der deutschen Beschreiber über den chinesischen Arztberuf erfolgte. Obwohl auch in Deutschland aufgrund der geringen Zahl an akademisch ausgebildeten Ärzten bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts weiterhin Praktiker ohne formale Berechtigung tätig waren,¹³⁴ wurden diese aus den Reihen der lizenzierten Ärzte ab dem späten 18. Jahrhundert immer mehr angegriffen und verdrängt.¹³⁵ Die feindselige Einstellung gegenüber solchen Unqualifizierten spielte bei der Beurteilung der lockeren Struktur des Arztberufs in China durch deutsche Beschreiber eine Rolle, insbesondere wenn diese selbst lizenzierte Ärzte waren. Persönliche Erlebnisse in China, durch die manche deutsche Beschreiber mit dem Arztberuf in China in Berührung kamen, veränderten ihre ursprüngliche Grundhaltung nicht. Weder ergründeten sie die Ursachen des Phänomens der lockeren und ungeordneten Struktur im chinesischen Arztberuf, noch berücksichtigten sie die westlich geprägten Veränderungen, denen sich der Arztberuf in der späten Qing-Zeit unterzog. Vielmehr verfestigte sich ihre ablehnende Einstellung. So brachten die deutschen Beschreiber, die sich in China aufhielten und dort tätig waren, darunter etwa Witte, Wick, Vortisch, Olpp und Navarra, oft negativer gefärbte Meinungen zum Ausdruck als solche, die China nie besucht hatten, wie Fest und Klemm. Weiterhin war die abwertende Beurteilung des chinesischen Arztberufs in gewisser Weise mit der negativen Darstellung der chinesischen Regierungsform verbunden. Diese Einstellung, die in der deutschen Beschreibung Chinas in der Kolonialzeit vorherrschte, war durch die Betonung der Nachteile des dortigen politischen Systems geprägt – etwa der Pflichtversäumnis von Regierung und Beamten, der ungenügenden Aufsicht über die Gesellschaft und der fehlenden Achtung von Menschenrechten – und versuchte, den Rückstand Chinas offen-
Waddington, An Introduction, S. 179. Waddington, An Introduction, S. 177.
2 Zu den Krankheiten in China
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zulegen; zugleich bekräftigte die abwertende Beurteilung des Arztberufs dieses Urteil in gewissem Maß.
2 Zu den Krankheiten in China Seit dem Entstehen und der Entwicklung des negativen Chinabilds in Europa wurde China von vielen westlichen Beschreibern als rückständig betrachtet. In ihrer Darstellung galt es oft als das Land der zahllosen Krankheiten und die chinesische Medizin als wirkungslos. Vor ihrer Ankunft in China waren die deutschen Beschreiber von dieser Denkweise beeinflusst. Nicht wenige von ihnen hegten Vorurteile gegenüber den Krankheitszuständen in China und der Fähigkeit der chinesischen Medizin zur Bekämpfung konkreter Krankheiten, während andere unter ihnen eine „objektive“ Einstellung einnahmen. Durch eigene Erfahrungen in China konnten sie einerseits ihr anfängliches Wissen vor Ort überprüfen und bestätigen. Ihre praktischen Beobachtungen und Forschungen in China konkretisierten ihren ursprünglichen Eindruck und gleichzeitig machten sie infolge der Unterschiede hinsichtlich Arbeitsort, der Aufenthaltsdauer und der Bevölkerungsgruppe, mit der sie in Berührung kamen, häufig verschiedene Beobachtungen zu den Krankheitszuständen in China. Entsprechend unterschiedlich fielen die Berichte darüber aus. So konnten die Beschreiber andererseits die vorher bereits vorhandenen Einflüsse und das Vorwissen korrigieren und sich völlig davon abkehren. Damit war die Beschreibung der Krankheiten in China zum einen mit verschiedenen Ausgangsideen und Anschauungen der deutschen Beschreiber verbunden, zum anderen war sie durch die persönlichen Erlebnisse der deutschen Beschreiber in China bedingt.
2.1 Wesentliche Krankheiten unter Chinesen und ihre Krankheitsursachen In der Kolonialzeit erschienen die Kolonialgebiete aus der Sicht der Europäer „ungesund“. Im Diskurs der Europäer war nicht nur Afrika das „white man’s grave“, sondern auch in Asien und Südamerika drohten ihnen verschiedenste Krankheiten.¹³⁶ In der europäischen Beschreibung wurde das Bild von China als eines Landes, das ständig von Krankheit beherrscht war, seit langem tradiert und China wurde so als Verbreitungsraum vieler Infektionskrankheiten wahrgenommen. Unter dem Einfluss solcher Einschätzungen erreichten die deutschen Be-
Waddington, An Introduction, S. 286.
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schreiber China und konnten diese durch eigene Beobachtungen und Erfahrungen bestätigen, aber auch revidieren.
Die wesentlichen Krankheiten Der als Teilnehmer der preußischen Ostasienexpedition 1859 – 1862 nach China reisende Marinearzt Dr. Friedel hielt in seiner Beobachtung fest: Die Bevölkerung Tientsin’s ist wahrhaft abscheulich. In keinem Teil der Welt habe ich eine schmutzigere, elendere und von Krankheiten und Gebrechen aller Art mehr befallene Race von Menschen gesehen als hier. Man könnte sie eher eine Landplage als wie eine bürgerliche Gesellschaft nennen. […] Die wunderbarsten Verstümmlungen, die bösartigsten Geschwüre waren tägliche Vorkommnisse, und ein früher Morgenspaziergang führte uns manchesmal an im Elend verkommenen Leichen vorbei.¹³⁷
Hier schilderte Friedel die unter den Einheimischen in Tianjin stark verbreiteten Krankheiten und betrachtete die dortigen Zustände als die schlimmsten der Welt. Aus seinen Formulierungen geht klar hervor, dass Friedel von einer rassischen Grundeinstellung geprägt war und der chinesischen Gesellschaft gegenüber eine äußerst negative Haltung einnahm, auch wenn er sich um die akademische Erforschung und das objektive Aufzeigen der medizinischen Situation in China bemühte. Mit der zunehmenden kolonialen Expansion Deutschlands in China wurden die Krankheiten in China von immer mehr deutschen Beschreibern behandelt. Manche von ihnen beschrieben die weite Verbreitung verschiedener Krankheiten in China. Der Missionsinspektor Witte stellte auf seiner Reise in Shandong fest, dass China „dauernd mit Pocken, Cholera, Typhus und Ruhr“ bedroht werde.¹³⁸ Der im Süden Chinas tätige Missionsarzt Dr. Wittenberg berichtete, die „Epidemien von Cholera, Pest, Pocken, Dysenterie“ durchzögen alljährlich das chinesische Land und „Tuberkulose, rheumatische Erkrankungen, ansteckende Augen- und Hautkrankheiten wüten unter reich und arm“.¹³⁹ Der Missionsarzt Dr. Wick beschrieb die Allgegenwart von an Krankheiten leidenden Chinesen auf der Straße: Wir sehen uns die Menschen an mit ärztlichem Blick, wir suchen gerade das Elend, das uns auch nicht lange suchen lässt. Hier trägt eine Mutter ein halbverhungertes, mit Geschwüren
Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 49 – 50. Witte, Hilfe für die Not, S. 8. Wittenberg, Das neue China, S. 27.
2 Zu den Krankheiten in China
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bedecktes Kind, dort erkennt unser ärztlicher Blick einen Aussätzigen, Blinde, alt und jung, begegnen uns; Kinder sehen wir auf den Straßen, die deutliche Zeichen von Krankheit, oft schwerer, mit anderen Gefährten zusammenspielen.¹⁴⁰
Die Betonung des „ärztlichen“ Blicks zeigt, dass Wick versuchte, seiner Beschreibung eine objektive Note hinzuzufügen. Zugleich zeigt sich aber auch, dass ihm in dieser Beziehung die Sachlichkeit fehlte, wenn er anschließend pauschalisierend mutmaßte: „Denn wie es in dieser einen Stadt aussieht, so wird es wohl in allen anderen aussehen!“¹⁴¹ Durch diese Behauptung versuchte Wick die von ihm in Shandong beobachteten Erscheinungen auf ganz China zu verallgemeinern. Die Herausbildung einer solchen Ansicht basierte offensichtlich nicht auf empirischer Beobachtung, sondern sie lässt sich auf seine stark subjektive Geringschätzung der chinesischen Gesellschaft zurückführen. Deutlich wird, dass die deutschen Beschreiber vor allem die Ansicht ausdrückten, dass China ein Land mit verschiedenartigsten Krankheiten und zahlreichen Kranken war, obwohl hierzu eine geographische Untersuchung des gesamten Landes fehlte. Auch das Auftreten und die Verbreitung einzelner Krankheiten unter Chinesen wurden von den deutschen Beschreibern geschildert. Jedoch waren die Inhalte dieser Beschreibungen aufgrund unterschiedlicher Arbeitsorte, Schreibmotive und anderer persönlicher Elemente nicht völlig identisch. Die Beschreibung reichte von wissenschaftlichen Formulierungen bis hin zu beliebigen Behauptungen. Zur Verbreitung der Cholera unter der chinesischen Bevölkerung bemerkte der Redakteur Navarra schlicht: „Die Cholera tritt in China periodisch auf, die Sterblichkeit ist dann gewöhnlich sehr groß.“¹⁴² Der Missionsarzt Dr. Olpp, der mithilfe von vielen zeitgenössischen Medizinalberichten die Krankheiten in China erforschte, betrachtete die Cholera als epidemisch im ganzen Land und führte aus, sie sei in manchen großen Städten des Reiches, wie Kanton, Hankow, Inchang, Pakhoi, Fuhning endemisch und erscheine jedes Jahr dort in den heißen Monaten wieder.¹⁴³ Im Vergleich dazu waren die von den Militärärzten vorgelegten Beschreibungen nicht nur detaillierter, sondern basierten auch stärker auf wissenschaftlichen Beobachtungen und Analysen. Da die Militärärzte in erster Linie der deutschen Besatzung in China dienten, beschäftigten sie sich neben ihrer ei-
Wick, Ein Besuch in einer chinesischen Stadt, S. 36. Ebd. Navarra, China und die Chinesen, S. 928. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 109.
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gentlichen ärztlichen Tätigkeit auch mit verschiedenen in China vorkommenden Krankheiten und zogen nach ihrer Forschungsarbeit häufig Schlussfolgerungen, die sie sodann publizierten. So wies etwa der Militärarzt Dr. Kaether auf der Basis von Berichten der europäischen Zollärzte in verschiedenen chinesischen Hafenstädten darauf hin, dass die Cholera im nördlichen China nicht dieselbe Rolle wie im südlichen spiele: Bei dem regen Verkehr, der zwischen Nord- und Südchina sowohl zu Lande wie zu Wasser herrscht, ist es zwar nur zu erklärlich, wenn alle Augenblicke die Seuche aus den südlichen Städten und Häfen in nördliche eingeschleppt wird und manchmal dort zu erheblichen Epidemien Veranlassung gibt, doch verhindern die klimatischen Verhältnisse – in erster Linie wohl die strenge Winterkälte – ein längeres Verweilen oder gar Endemischwerden der Krankheit.¹⁴⁴
Die Marineärzte Dr. Uthemann und Dr. Fürth bemerkten dazu, im Pachtgebiet habe die Cholera nur vorübergehend und nur einmal – 1902, und da vorwiegend unter Chinesen – epidemischen Charakter angenommen und habe sich in den Jahren 1903, 1904 und 1907 nur in einzelnen, Chinesen betreffenden Fällen bemerkbar gemacht.¹⁴⁵ Nach dieser Beschreibung brach die Cholera im Pachtgebiet unter Chinesen weder periodisch noch epidemisch aus, was den Standpunkt Kaethers zu einem gewissen Grad bestätigte. Festzustellen ist, dass sich die von den Militärärzten zum Ausdruck gebrachten Einschätzungen von den Ansichten Navarras und Olpps unterschieden und als Korrektur des Bilds von der allgemeinen Häufung der Cholera in China angesehen werden können. Diese divergierenden Meinungen lassen sich vermutlich einerseits auf ihre unterschiedlichen Beobachtungsorte in China zurückführen. Navarra und Olpp waren im südlichen China tätig, während sich die von Kaether, Uthemann und Fürth beschriebenen Beobachtungen auf die Lage der Cholera in den nördlichen Gebieten konzentrierten, wenngleich sie alle die Berichte aus verschiedenen Gebieten Chinas und die diesbezügliche Literatur einbezogen. Andererseits dürften sie sich auch aus ihren verschiedenen Berufen und Schreibmotiven erklären. Die Beschreibungen von Olpp, Kaether, Uthemann und Fürth, die in akademischen medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden, trafen auf einen Leserkreis, der vor allem aus Medizinern bestand. Auch hatten ihre Beschreibungen einen gewissen politischen Nachschlagewert. Aus diesem Grund waren ihre Aussagen konkret, detailliert und hatten einen sachli-
Kaether, Die Medizin in China, S. 848. Uthemann/Fürth, Tsingtau, S. 34.
2 Zu den Krankheiten in China
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chen Charakter. Im Gegensatz dazu war Navarra kein Arzt und er wandte sich mit seinem inhaltsreichen Buch, in dem die Lage der Krankheiten in China nur einen kleinen Teil einnahm, an ein breites Publikum in Deutschland, weshalb seine Ausführungen weniger ausführlich waren und ihnen die fachliche Prägung fehlte. Bei der deutschen Beschreibung der Pockenerkrankung unter der chinesischen Bevölkerung spielte das geographische Element ebenfalls eine wichtige Rolle. Nach eigener Beobachtung in Guangzhou bemerkte der Marinearzt Dr. Friedel im Jahr 1863: „Variola ist noch immer hier und dort vorhanden, aber doch gegen früher sehr eingeschränkt.“¹⁴⁶ Im Gegensatz zu der relativ positiven Sicht Friedels wurde in deutschen Darstellungen, die sich gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts mit den Pocken befassten, die gravierende Situation in China hervorgehoben. Die Unterschiede in der Einschätzung dürften vor allem mit den unterschiedlichen betrachteten Bevölkerungsteilen und Orten zusammenhängen. Historisch gesehen wurde die Vakzination, die eine sicherere und bessere Wirkung als die chinesische Variolation hatte, Anfang des 19. Jahrhunderts zunächst in Guangzhou eingeführt, popularisiert und erst Ende des 19. Jahrhunderts allmählich in anderen Gebieten Chinas eingesetzt. Vor diesem Hintergrund wurden die Pocken in der deutschen Beschreibung zumeist als überall endemisch und periodisch auftretend bezeichnet. „Diese Krankheit ist endemisch, obgleich sie in gewissen Jahren und zu gewissen Jahreszeiten besonders stark wütet; sie herrscht namentlich während des Winters“,¹⁴⁷ erläuterte der Redakteur Navarra. Der Militärarzt Dr. Kaether merkte an: „Epidemisch kommt sie jetzt nur selten vor, aber endemisch ist sie überall.“¹⁴⁸ Nach einer statistischen Untersuchung zur Pockenerkrankung in Shanghai teilte auch der Dozent an der deutschen Medizinschule in Shanghai, Dr. Dold, die Ansicht, dass die Pocken in fast allen Teilen des chinesischen Reichs geherrscht hätten,¹⁴⁹ und erläuterte: Die Pocken sind in Shanghai endemisch und zeigen eine periodische Jahresbewegung. Die höchste Morbiditäts- und Mortalitätsziffer findet sich in den Wintermonaten (Dezember, Januar, Februar); die Ziffer zeigt dann ein fortlaufendes Sinken mit einzelnen kleinen Remissionen bis zum Spätsommer (August bis September), wo die niederste Morbiditäts- und Mortalitätsziffer erreicht wird; vom Spätherbst ab steigt die Zahl wieder rasch zu ihrem winterlichen Gipfel an.¹⁵⁰
Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 122. Navarra, China und die Chinesen, S. 928. Kaether, Die Medizin in China, S. 843. Dold, Periodisches Auftreten der Pocken, S. 467. Dold, Periodisches Auftreten der Pocken, S. 479 – 480.
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Die von ihnen vorgelegten Darstellungen beruhten auf Beobachtungen und Untersuchungen in China. Durch die Beschreibung des verbreiteten Auftretens und der periodischen Anhäufung der Pockenerkrankung in China wurden die Rückständigkeit und die Unwirksamkeit der chinesischen Variolation aufgezeigt und die unpopuläre Anwendung der Vakzination unter Chinesen wurde hervorgehoben. Damit wurde die Notwendigkeit einer stärkeren Popularisierung der Vakzination in China gerechtfertigt. Großes Interesse fiel ferner auf die Hautkrankheiten, die nach Meinung der deutschen Beschreiber zu den am weitesten verbreiteten Krankheiten in China gehörten. Ihre Erörterung nahm somit auch einen wichtigen Platz in der deutschen Beschreibung ein. Auf der Basis der wissenschaftlichen Erforschung von Hautkranken in Beijing, die durch die große Häufigkeit der Hautkrankheiten unter Chinesen veranlasst wurde, berichtete der Militärarzt Dr. Perthes: Es fanden sich neben den sehr häufigen Fällen von Skabies, von Schmutzekzemen, von Ulcera cruris und syphilitischen Hautaffektionen auch andere bei uns bekannte Formen: Prurigo, Impetigo, Contagiosa, Erythema exsudativum multiforme, Lichen ruber, Pityriasis rosea, Lupus erythematodes; es fand sich aber nichts, was als spezifisch chinesische Hautaffektion anzusprechen gewesen wäre.¹⁵¹
Den Einfluss regionaler Unterschiede auf das Auftreten von Hautkrankheiten berücksichtigte der Marinearzt Dr. Friedel, der von Norden nach Süden eine Reihe chinesischer Hafenstädte bereiste. Im Vergleich zur Lage in Guangdong, schrieb er, seien Hautkrankheiten im kälteren Shanghai häufiger und hartnäckiger.¹⁵² Vermutlich bedingt durch unterschiedliche Arbeitsorte und Wissensquellen nahm der Kulturhistoriker Klemm einen gegensätzlichen Standpunkt ein, der die Seltenheit von Hautübeln in den südlichen chinesischen Provinzen vermerkte.¹⁵³ Nicht nur die regionalen Unterschiede wurden von deutschen Beschreibern berücksichtigt, sondern auch der Distribution der Krankheiten unter den Chinesen schenkten sie ihre Aufmerksamkeit. Nach Ansicht der deutschen Beschreiber traten einige Krankheiten vorwiegend innerhalb der unteren sozialen Schichten auf. Dies behaupteten einige der Beschreibungen etwa bezüglich der Cholera. Der Marinearzt Dr. Friedel schrieb in Bezug auf den Bericht des britischen Missionars William C. Milne (1815 – 1863) „Notices of Asiatic Cholera in China, Ningpo 1843“: „Die Beobachtungen lehrten,
Perthes, Erfahrungen in der ärztlichen Praxis, S. 1969. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 126. Klemm, China und Japan, S. 127– 128.
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dass meistens nur arme Leute, und zwar mehr Männer befallen wurden.“¹⁵⁴ Der Militärarzt Dr. Busch stellte nach seiner Beobachtung der 1902 unter der chinesischen Bevölkerung in Tianjin aufgetretenen Choleraepidemie fest: „Die meisten Kranken stellten natürlich die schwer arbeitenden und schlecht situierten Kulis, Erdarbeiter, Rikschakulis, Schiffsknechte und obdachlosen Bettler.“¹⁵⁵ Auch weitere Krankheiten, darunter Syphilis, Rheumatismus und Wurmkrankheit, wurden von deutschen Beschreibern als verbreitete Erkrankungen der unteren Gesellschaftsklassen bezeichnet.¹⁵⁶ Dies stand mit ihren praktischen Beobachtungen und Erfahrungen in China im Zusammenhang, bedeutete aber nicht, dass sie das Auftreten der Krankheiten ausschließlich auf Zugehörige der unteren sozialen Schichten beschränkten. So berichtete etwa Busch über die Cholera in China: Wenn es auch ganz natürlich ist, dass mit den besseren Lebensbedingungen die Infektionsmöglichkeit sinkt, so sind doch sicherlich auch in den vornehmen Kreisen der Bevölkerung, namentlich bei den Frauen, Choleraerkankungen vorgekommen, aber verheimlicht worden.¹⁵⁷
Hier betonte Busch mit dem Hinweis auf die Verheimlichung der Cholerakranken unter den oberen sozialen Schichten die Allgegenwart der Choleraerkrankungen unter der chinesischen Bevölkerung. Diese Einschätzung erklärt sich zum einen aus seinen Beobachtungen, gleichzeitig stand sie jedoch auch in Einklang mit der populären Meinung der deutschen Beschreiber bezüglich der weiten Verbreitung von Krankheiten in China. Aus der obigen Diskussion geht deutlich hervor, dass viele Beschreibungen der chinesischen Krankheiten auf wissenschaftlichen Beobachtungen und statistischen Forschungen basierten, wodurch die Krankheitsverhältnisse in China als verlässliche Tatsachen präsentiert wurden. Durch wissenschaftliche Darstellung wurde einerseits zwar die Wahrnehmung von der enormen Verbreitung zahlreicher Krankheiten in China verstärkt, wenngleich andererseits auch konkrete Einzelheiten zu vielen Krankheiten ausgeführt und somit das Bild einer allgemeinen Krankheitshäufung durch die tatsachengetreue Beschreibung der Entstehung und Verbreitung bestimmter Krankheiten im Land wie Cholera, Pocken, Hautkrankheiten und anderer korrigiert wurde. Derartige Berichtigungen
Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 111. Busch, Choleralazarett Shin-fang-tse, S. 137. Vgl. Eyl, Jahresbericht des Faberhospitals, S. 59; Vortisch, Statistik einer chinesischen Poliklinik, S. 255; Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 87. Busch, Choleralazarett Shin-fang-tse, S. 137.
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und von der herrschenden Meinung abweichende Ansichten waren von den vor Ort in China tatsächlich erlebten Umständen geprägt. Sie bedeuteten aber nicht die völlige Verneinung der umfangreichen und häufigen Existenz der Krankheiten unter der chinesischen Bevölkerung. Mit dem wissenschaftlichen Diskurs über die unter Chinesen vorkommenden Krankheiten wurde zum einen die Durchführung medizinischer Maßnahmen in China gerechtfertigt, insbesondere die zwangsmäßige Internierung von Chinesen beim Ausbruch von Epidemien, zum anderen wurden den deutschen Behörden sachliche Vorschläge unterbreitet, um die Gesundheit der deutschen Militärbesatzung wie auch der Bevölkerung im Pachtgebiet zu gewährleisten. Erwähnenswert ist zudem, dass Infektionskrankheiten den Hauptgegenstand dieses medizinischen Diskurses bildeten. Diese Tendenz implizierte ein kolonialistisches Motiv, insofern Infektionskrankheiten die größte Gefahr für die Gesundheit der Europäer in China darstellten.
Ursachen für die Krankheiten Im Zuge der deutschen Beschreibung der Krankheiten wurden die Krankheitsursachen häufig erwähnt und erörtert. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die medizinischen Theorien, nach denen die Krankheiten durch die anatomischen Veränderungen der menschlichen Organe, Gewebe und Zellen erklärt werden, Hauptideen der westlichen modernen Medizin. Die Entwicklung der medizinischen Mikrobiologie und Parasitologie, die ursächlich viele Infektionskrankheiten und parasitäre Krankheiten bestätigten und erläuterten, führten zu deutlichen Fortschritten in der Lehre der Krankheitsursachen. Aber Krankheit wurde auch mit kulturellen Bedeutungen aufgeladen.¹⁵⁸ Zusammenhänge zwischen sozialer Unordnung und biologischen Erkrankungen verliehen bestimmten Krankheiten häufig Bedeutungen jenseits ihrer biologischen Manifestationen.¹⁵⁹ Dies spiegelte sich auch in der Erklärung der Krankheitsursachen der Chinesen durch die deutschen Beschreiber wider. In ihrer Beschreibung erstreckte sich die Ergründung der Krankheitsursachen neben rein medizinisch-wissenschaftlichen Analysen auch auf den sozialen Bereich, darunter auf wirtschaftliche, politische, nationalcharakteristische, traditionsbedingte und chinesisch-medizinische Faktoren. Einige deutsche Beschreiber waren der Ansicht, dass wirtschaftliche Elemente eine Ursache für die Beeinträchtigung der Gesundheit und die Entstehung vieler Krankheiten in China bildeten. Der Missionsarzt Dr. Vortisch behauptete:
Waddington, An Introduction, S. 33. Waddington, An Introduction, S. 33 – 34.
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„Die soziale Not der Bevölkerung ist groß und drückt selbstverständlich die Gesundheit der Menschen herab.“¹⁶⁰ Der Missionsinspektor Witte erklärte, dass die schlechte Ernährung viele Krankheiten hervorbringe.¹⁶¹ Es wird deutlich, dass in der deutschen Beschreibung die soziale Not und die mangelhafte Ernährung als Krankheitsursachen angesehen wurden. Diese Einschätzung, die bezüglich der medizinischen Ursachen der Krankheiten von der damals dominanten biomedizinischen Perspektive abwich, stand vorrangig mit dem Überlegenheitsgefühl der deutschen Beschreiber gegenüber der chinesischen Gesellschaft in Verbindung, da die Erscheinung, dass soziale Armut zum Ausbruch der Krankheiten führte und ihre Verbreitung förderte, aus der europäischen Geschichte bekannt war und im Zuge der sozialen Fortschritte immer mehr als Symbol des Rückstands einer Gesellschaft angesehen wurde. Ausgehend von diesem historischen Kontext wurde das Bild von der Rückständigkeit der chinesischen Gesellschaft reproduziert und verstärkt. Damit wurde auch die Bedeutung der westlichen Zivilisationsmission gegenüber China begründet, die vor dem Hintergrund der deutschen Kolonialexpansion durch verschiedene Tätigkeiten verwirklicht wurde. Auch politische Ursachen wurden in der deutschen Beschreibung der Krankheiten in China diskutiert. Dabei ging es zunächst um den Mangel an gesetzlichen Regularien zur Gewährleistung der Durchführung von medizinischen Maßnahmen. Diese Ansicht wurde in der Analyse der Gründe für Infektionskrankheiten wie Pocken,¹⁶² Tollwut¹⁶³ und andere häufig vertreten. Weiterhin führte der Missionsarzt Dr. Vortisch die große Zahl von Rheumatismuskranken unter der Lokalbevölkerung auf „die oft sehr feuchten Wohnungen“ zurück, die aus den häufigen Überschwemmungen des unteren Teils der Stadt resultierten, aufgrund des Mangels an „Flußregulierung und -baggerung“.¹⁶⁴ Bei der Erläuterung des wiederkehrenden Auftretens des Fleckfiebers in China wies der Marinearzt Dr. Fürth auf den Einfluss von „Mißernten und Überschwemmungen in den verschiedenen Teilen des Riesenreiches“ hin. Er erläuterte, sie brächten „es mit sich, daß Hungersnot ausbricht, Unterkunfts- und Ernährungsverhältnisse schlecht werden und sich Brutstätten der gefährlichsten Erkrankungen bilden“, und die „strömende Wanderung des vagabundierenden, obdachlosen Volkes“ verursache die „Ausbreitung der Seuche in verschonte[n] Gegenden“.¹⁶⁵ Hierbei
Vortisch, Land und Volk, S. 654. Witte, Hilfe für die Not, S. 22. Wolffhügel, Truppenhygienische Erfahrungen, S. 2150. Kaether, Die Medizin in China, S. 892. Vortisch, Statistik einer chinesischen Poliklinik, S. 255 – 256. Fürth, Neuere Untersuchungen über Fleckfieber, S. 242.
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erklärte Fürth die Hilflosigkeit und Unordnung des chinesischen Volkes gegenüber der Naturkatastrophe zur Ursache für die Entstehung und Verbreitung des Fleckfiebers. Deutlich wird, dass die Unvollständigkeit des chinesischen Gesundheitssystems und die Pflichtversäumnis der Regierung als Krankheitsursachen hervorgehoben wurden. Diese Deutung ist vermutlich damit zu erklären, dass politische Macht beim Schutz der Gesundheit des Volkes in Europa eine immer wichtigere Rolle spielte. Das deutsche öffentliche Gesundheitswesen hatte sich seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts unter Aufsicht der Regierung allmählich entwickelt. Neben dem Aufbau öffentlicher sanitärer Einrichtungen wurde auch eine Reihe von Gesetzen, wie etwa das Impfgesetz, erlassen und in Deutschland weitgehend implementiert. „National and municipal policies of health quickly became a core aspect of a newly emerging European discourse on progess and civilization.“¹⁶⁶ Vor diesem Hintergrund ist die bemängelte unzureichende Aufsicht der gesundheitlichen Probleme des Volkes durch die chinesische Regierung auch im Sinne einer Betonung der rückständigen Entwicklung des chinesischen Regierungssystems bis hin zu einem generellen Defizit an Zivilisation in China zu verstehen. Manche Analysen betrafen außerdem die Einwirkung einiger Charakterzüge, die den Chinesen zugeschrieben wurden, auf die Entstehung und Verbreitung von Krankheiten. Dabei wurden vor allem Konservativismus, Exklusivität, Gleichgültigkeit, Aberglaube, Sorglosigkeit, Rachsucht und Erbarmungslosigkeit als Krankheitsursachen sowie Geiz und Gewinnsucht als Grund der Krankheitsausbreitung angeführt. Durch die Zuschreibung derartiger Eigenschaften sollte die Minderwertigkeit der chinesischen Kultur und die moralische Verderbtheit im Land vorgeführt werden. Dadurch wiederum wurde die Notwendigkeit der christlichen Predigt und der europäischen Zivilisierungsmission hervorgehoben. Daneben hatten diese Beschreibungen noch weitere Hintergründe und reflektierten auch unterschiedliche konkrete Ziele. Bei der Schilderung der Umweltverschmutzung, die durch den gelegentlich aus den Kanälen entfernten Moder verursacht wurde, stellte der Marinearzt Dr. Friedel fest, dass der Ausbruch des Fleckfiebers im Sommer in Shanghai mit „dem hartnäckigen Festhalten der Chinesen an altem Herkommen und Scheu vor jeder noch so vernünftigen Neuerung begründet“¹⁶⁷ werden konnte. Deutlich wird, dass Friedel die chinesische Methode zur Reinigung der Kanäle für veraltet, unbrauchbar und krankheitsfördernd befand. Seine Einschätzung dürfte vor allem auf der vor dem Aufkommen der Mikrobiologie und Parasitologie in der europä-
Rogaski, Hygienic Modernity, S. 75. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 87– 88.
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ischen Medizin dominierenden Krankheitstheorie basieren, nach welcher das aus dem Moder ausströmende Gift Fieberkrankheiten verursachte. Ausgehend von dieser Erkenntnis vertrat Friedel die Ansicht, dass die Kanalreinigung in China reformiert werden müsse. Der Marinearzt Dr. Fürth bezeichnete darüber hinaus die feindselige Einstellung der Chinesen gegenüber der europäischen Hygiene als Ursache der Erkrankung an Fleckfieber.¹⁶⁸ Der Militärarzt Dr. Eckert fasste die Häufung von Tollwut unter Chinesen als Folge ihrer „Abneigung gegen die Behandlung durch fremde Ärzte“¹⁶⁹ auf. Hier wurde die Ablehnung der europäischen Medizin durch Chinesen von Fürth und Eckert gleichsam als Krankheitsursache gewertet. In dieser diskursiven Konstruktion der Krankheitsursache wurde die Fremdenfeindlichkeit der Chinesen nicht als Reaktion auf die unerwünschten Eindringlinge betrachtet, sondern als eine Art Irrationalität auf der medizinischen Ebene interpretiert. Im Gegensatz zu den von den Militärärzten Dr. Friedel, Dr. Fürth und Dr. Eckert angegebenen konservativen und fremdenfeindlichen Tendenzen der Chinesen richteten die Missionsärzte ihre Aufmerksamkeit auf andere, davon abweichende Aspekte. Der Missionsarzt Dr. Vortisch meinte, dass Gleichgültigkeit und Aberglaube die Chinesen daran hinderten, die Maßregeln zum Fernhalten der Krankheiten zu befolgen, und stellte erstaunt fest: „So scheint unter der ganzen Bevölkerung wohl bekannt zu sein, daß man sich durch Impfung vor den Pocken schützen kann, aber wie wenige begehren dies Heilmittel?“¹⁷⁰ Der Missionsarzt Dr. Kühne behauptete mit Blick auf die ärztliche Praxis in China zudem, dass manche Leiden „auch mit dem chinesischen Aberglauben zusammenhängen“,¹⁷¹ und über die Rolle des Aberglaubens bei der Erregung der Krankheit führte er ein praktisches Beispiel an: So kam z. B. ein junger Mann mit einer Verletzung an seiner Brust, welche er sich bei einem Götzenfeste zugezogen hatte bei dem vergeblichen Bemühen, den Bambusring zu erhaschen, welcher bei dieser Gelegenheit in die Luft geschossen wird und der nach dem Aberglauben der Leute denjenigen, welcher ihn erhascht, Reichtum bringen soll.¹⁷²
Fürth, Neuere Untersuchungen über Fleckfieber, S. 242. Eckert, Die Tätigkeit der Wutschutzstation, S. 142. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 94. Kühne, John: „Unser Missionshospital in Tungkun, China“, in: Das Missionsblatt 67 (1892), S. 36. Ebd.
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Bei der Analyse der Ursache der weit verbreiteten Blindheit in China wies Vortisch auf „die Sorglosigkeit der Leute“¹⁷³ und „die Rachsucht oder die strafende Tat erbarmungsloser Erzieher“¹⁷⁴ hin. Ebenso drückte er die Auffassung aus, dass Geiz und Gewinnsucht die leichte Ausbreitung der Krankheiten veranlassten, denn wenn jemand an einer sei’s auch noch so schweren Krankheit stirbt, so können sich die Verwandten doch nie dazu verstehen, sein Bettzeug oder seine Kleider zu verbrennen, sondern gebrauchen sie gleich wieder, oft ohne sie auch nur gewaschen und gesonnt zu haben.¹⁷⁵
Daraus ist zu ersehen, dass sich Vortischs negative Einstellung nicht nur auf der Beurteilung der chinesischen Medizin beschränkte, sondern sich auch auf die chinesische Bevölkerung erstreckte. Festzustellen ist, dass die von den Missionsärzten den Chinesen zugeschriebenen Charaktereigenschaften negativer gefärbt waren als die von Militärärzten genannten und sie die dunkle Seite der Chinesen stärker hervorzuheben versuchten, wenngleich sie alle mehr oder weniger ein Überlegenheitsgefühl gegenüber den Chinesen zeigten. Dieser Unterschied dürfte eng mit den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Verbindung stehen, mit denen sie in Berührung kamen. Die Militärärzte beobachteten vorwiegend die städtischen Chinesen, während die Missionsärzte auf dem Land praktizierten und langfristig mit den unteren sozialen Schichten in Kontakt standen. Gleichzeitig sind die Unterschiede in der Charakterbewertung auch auf der Ebene des Schreibmotivs nachvollziehbar. Die Missionsärzte waren bestrebt, durch das Aufzeigen charakteristischer Negativmerkmale der Chinesen die Bedeutung des Ausbaus des deutschen Missionswesens in China zu begründen. Die Lebensumstände der Chinesen wurden in der deutschen Beschreibung auch häufig als Krankheitsursache aufgeführt, wobei vorwiegend der Mangel an Hygiene betont wurde. Der Missionar Stenz behauptete: „Die Chinesen verdanken ihre meisten Krankheiten ihrer schmutzigen Lebensweise.“¹⁷⁶ Die deutsche Darstellung konkreter chinesischer Lebensgewohnheiten und ihrer Zusammenhänge mit den Krankheiten der Chinesen wird im nächsten Abschnitt „Zur Hygiene in China“ ausführlich behandelt. Auch die chinesische Medizin selbst wurde von den deutschen Beschreibern bei der Analyse der Krankheitsursachen diskutiert. In ihrer Beschreibung wurden
Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 105. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 106. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 93 – 94. Stenz, In der Heimat des Konfuzius, S. 46.
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zahlreiche Aspekte der chinesischen Medizin als nicht zu vernachlässigende Faktoren für die Entstehung, Entwicklung und Ausbreitung der Krankheiten bezeichnet. Dabei wurden vor allem die negativen Folgen chinesischer Behandlungsmethoden, die mangelhaften medizinischen Kenntnisse der Chinesen und die Unfähigkeit der chinesischen Ärzte aufgeführt. Der Militärarzt Dr. Assmy, der mehrere Jahre unter Chinesen in Chongqing praktizierte, wies darauf hin, die häufig auftretenden Zellgewebsentzündungen, Phlegmonen, Panaritien, Abszesse sowie Furunkel würden ursprünglich durch bestimmte chinesische chirurgische Behandlungsmethoden verursacht, und führte aus: Die chinesische Medizin feiert hier Orgien. Da hat ein Mann z. B. eine Entzündung der Scheide der Achillessehne nach einem langen Marsch: der „behandelnde Arzt“ nimmt seine schmutzigste Punktionsnadel und sticht den Mann in die Wade und beiderseits der Achillessehne in das lockere Bindegewebe. Der Erfolg ist eine riesige Phlegmone der Wade, die breite Spaltung und mehrere Wochen zur Heilung beansprucht. Oder ein Mann stößt sich an das Schienbein, es entsteht eine Anschwellung der Knochenhaut. Der chinesische Kollege legt ein Pflaster auf, das, glaube ich (nach Untersuchungen, die ich früher einmal angestellt habe) Ätzkalk enthält: der Erfolg ist ein rundes, scharfrandiges Geschwür, das einem luetischen täuschend ähnlich sieht. Dies wird dann womöglich mit luftdicht abschließenden Klebepflastern oder, wenn der Kranke kein Arzthonorar mehr erschwingen kann, mit Gemüseblättern oder Ölpapier fest beklebt und erreicht bald ungeahnte Ausdehnung.¹⁷⁷
Diese Beschreibung schilderte den gefährlichen beziehungsweise krankheitsfördernden Einfluss der chinesischen Behandlung und an Formulierungen wie „Orgien“, „schmutzigste Punktionsnadel“, „luetischen“ lässt sich die Abneigung Assmys gegenüber der chinesischen Medizin ablesen. Auch der Missionsarzt Dr. Olpp, der eine „sachliche“ Haltung gegenüber der chinesischen Medizin einnahm, vertrat einen ähnlichen Standpunkt und führte das Auftreten einer gynäkologischen Krankheit, des Prolapsus uteri, teilweise auf „die rohen Manipulationen der unwissenden eingeborenen Hebammen“¹⁷⁸ zurück. Obwohl sich Assmy und Olpp in der eigenen Haltung gegenüber der chinesischen Medizin voneinander unterschieden, betonten sie beide gleichermaßen anhand unterschiedlicher Beispiele die direkte Gesundheitsgefährdung durch die chinesischen Behandlungsmethoden. Dies dürfte insbesondere mit den von ihnen behandelten Patientengruppen in Verbindung stehen. Beide Ärzte behandelten Chinesen. Ihre Patienten gehörten vor allem zu den unteren sozialen Schichten. Diese hatten zu dem chinesischen Medizinalwissen grundsätzlich fast gar keine
Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 424. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 116.
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Beziehung, da sie infolge des knappen medizinischen Materials und ihrer eigenen schwierigen finanziellen Umstände üblicherweise nicht von chinesischen Berufsärzten behandelt wurden. Daher wandten sie sich vorwiegend chinesischen Kurpfuschern und europäischen Hospitälern und Ärzten zu, bei denen günstigere oder unentgeltliche Behandlungen angeboten wurden. Die oberen Schichten der Gesellschaft hingegen suchten im Krankheitsfall im Allgemeinen den traditionellen chinesischen Arzt auf. Vor diesem Hintergrund erlebten Assmy und Olpp häufig kaum den eigentlichen Bereich der chinesischen Medizin, aber sie übertrugen diese Phänomene auf die chinesische Medizin, woraus sich ihr Urteil über die chinesische Medizin herausbildete. Auch der Kenntnismangel der chinesischen Medizin hinsichtlich einiger Krankheiten wurde in der deutschen Darstellung als Krankheitsursache gedeutet. „Die Unwissenheit über den Charakter der Krankheiten ist meist schuld daran, dass ansteckende Leiden sich so leicht weiter verbreiten“,¹⁷⁹ behauptete der Missionsarzt Dr. Vortisch. Der Missionsarzt Dr. Olpp bezeichnete die ungeheure Verbreitung der Tuberkulose unter Chinesen als eine Folge der Unkenntnis der Chinesen über ihre Ansteckungsgefahr.¹⁸⁰ Der Militärarzt Dr. Velde mutmaßte, dass die Ursache für das anhaltende Auftreten der Krätze darin lag, dass „die Chinesen mit den bei uns üblichen rasch wirkenden Mitteln (Perubalsam, Kreolin u. s. w. ) nicht bekannt sind“.¹⁸¹ Der Vergleich mit den europäischen Heilmitteln zeugt von Veldes Ansicht einer deutlichen Überlegenheit der europäischen Medizin. Ein ähnliches Überlegenheitsgefühl ist auch erkennbar in der Beschreibung der Fähigkeiten der chinesischen Ärzte durch den Missionsarzt Dr. Vortisch, der den chinesischen Arztberuf geringschätzig beurteilte. Er war der Ansicht, es gebe „keinen gebildeten ärztlichen Stand“ wie in Europa, „der die leiblichen Schäden ausbessern könnte“.¹⁸² Andere deutsche Beschreiber schilderten die Unfähigkeit der chinesischen Ärzte zur Heilung einiger Krankheiten und deren dadurch verursachte Ausbreitung. Die Militärärzte Dr. Friedel und Dr. Kaether sowie der Missionsarzt Dr.Vortisch führten das häufige Auftreten von Augenkrankheiten und Erblindungen unter Chinesen zum Teil auf das mangelnde Können der chinesischen Ärzte zurück und bemängelten etwa die geringe Zahl der Heilungen „bei Behandlung der chinesischen Aertzte“,¹⁸³ „das Versagen der Kunst des chinesischen Arztes“¹⁸⁴ und „die
Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 93. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 113. Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 500. Vortisch, Land und Volk, S. 654. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 62.
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Nachlässigkeit und völlige Unwissenheit chinesischer Ärzte bei kleinen Verletzungen der Kernen“.¹⁸⁵ Kaether, der die Arbeit der chinesischen Ärzte häufig verunglimpfte, führte ein praktisches Beispiel für die Unwissenheit der chinesischen Ärzte auf dem Gebiet der Augenheilkunde an.¹⁸⁶ Durch das Absprechen der Fachkompetenz selbst solcher chinesischer Ärzte, die von ihrer gehobenen Klientel als „tüchtig und zuverlässig“¹⁸⁷ erachtet wurden, wurde sowohl die Unfähigkeit chinesischer Ärzte bei der Heilung der Augenkrankheiten als auch die Rückständigkeit der chinesischen Augenheilkunde insgesamt demonstriert. Demgegenüber wurde die Bewertung der chinesischen Augenheilkunde in der jüngeren Forschung modifiziert. Der Medizinhistoriker Unschuld schreibt in seiner Beschreibung der Kataraktoperationen im alten China den Entwicklungsrückstand der chinesischen Ärzte bezüglich des operativen Eingriffs am Auge der chinesischen ätiologischen Anschauung von Augenkrankheiten zu.¹⁸⁸ Auf der Basis der Erforschung von „Das Feinste über das Silbermeer [i. e. das Auge]“ (Yinhai jingwei 银海精微), dem bedeutenden chinesischen Werk zur Augenheilkunde, das vermutlich im 15. Jahrhundert publiziert wurde, stellt Unschuld fest, dass ein nicht geringer Teil der traditionellen chinesischen Augenheilkunde „aus heutiger ophthalmologischer Sicht interpretierbar“¹⁸⁹ ist und „pharmazeutische Rezepturen“ sowie „kleinchirurgische Eingriffe“ als Therapien „in nicht wenigen Fällen“ angewandt wurden.¹⁹⁰ Die chinesischen Medizinhistoriker Zhang Daqing 张大庆 und Yan Yiwei 颜宜葳 vertreten die Ansicht, dass chinesische Patienten – der Beschreibung der chinesischen Augenheilkunde in der chinesischen medizinischen Literatur zufolge – durchaus wirksame Heilungen hätten erlangen können und schlussfolgern, dass das gehäufte Auftreten von Augenerkrankungen in der chinesischen Bevölkerung in der späten Qing-Zeit nicht am medizinischen Niveau der chinesischen Ärzte, sondern am Mangel an ärztlichen Ressourcen gelegen haben dürfte.¹⁹¹ Ausgehend davon dürfte das negative Urteil über die Fähigkeiten der chinesischen Ärzte bei der Behandlung von Augenkrankheiten durch die deutschen Kaether, Die Medizin in China, S. 891. Vortisch, Statistik einer chinesischen Poliklinik, S. 260. Kaether, Die Medizin in China, S. 891. Ebd. Unschuld, Paul Ulrich: „Kataraktoperationen im alten China“, in: Jahrbuch des Deutschen Medizinhistorischen Museums 5 (1985), S. 62. Unschuld, Chinesische Medizin, S. 73. Unschuld, Chinesische Medizin, S. 73 – 74. Yan Yiwei 颜宜葳/Zhang Daqing 张大庆: Zhongguo zaoqi jiaohui yiyuan zhong de yanbing yu zhiliao 中国早期教会医院中的眼病与治疗 (Eye Cases and Their Therapies at Early Missionary Hospitals in China, 1835 – 1876), in: Ziran kexueshi yanjiu 27, 2 (2008), S. 196.
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Beschreiber einerseits mit kulturellen Vorurteilen und der überlegenen westlichen Technik bei der Augenoperation zusammenhängen, andererseits zeigte sich darin aber vor allem ihre Unkenntnis in der chinesischen Augenheilkunde. Aus der vorstehenden Analyse deutscher Beschreibungen, in denen die chinesische Medizin als Krankheitsursache dargestellt wurde, wird deutlich, dass die chinesische Medizin aus Sicht der deutschen Beschreiber keine effektive Gewährleistung der Gesundheit bieten konnte, sondern im Gegenteil in einigen Fällen sogar zur Verschlimmerung, Verursachung und Übertragung von Krankheiten in China beitrug. Mittels dieser diskursiven Konstruktion wurde der chinesischen Medizin ihr ärztlicher Nutzen abgesprochen, das Bild einer rückständigen chinesischen Medizin verstärkt, die Überlegenheit der modernen europäischen Medizin demonstriert und die deutsche medizinische Tätigkeit in China somit gerechtfertigt. Weiterhin führten deutsche Beschreiber Analysen zur Entstehung und Verbreitung von Krankheiten unter Chinesen aus wissenschaftlicher Perspektive durch. Ihre Forschungsarbeiten waren zum einen mit politischen beziehungsweise kolonialistischen Absichten verbunden. Im Jahr 1902 brach unter der chinesischen Bevölkerung in Tianjin die Cholera aus und der Militärarzt Dr. Busch war während seines Dienstes in der „Internationalen Provisorischen Regierung zu Tianjin“ an der Bekämpfung der Epidemie beteiligt, um zu verhindern, dass diese auch auf die in Tianjin ansässigen Ausländer, insbesondere die ausländischen Truppenkontingente übergriff. Ausgehend von der eigenen praktischen Beobachtung bestätigte er für Tianjin die von Pettenkofer hergestellte Verbindung zwischen dem Ausbrechen der Cholera und dem Tiefstand des Grundwassers, denn „die Cholera brach Anfang Juni aus, zur Zeit des tiefsten Wasserstandes. Der Juni ist zugleich der Monat, wo infolge der starken Hitze das Bedürfnis nach kaltem Wasser, Eis und Früchten sehr gross ist.“¹⁹² Busch war gleichzeitig Leiter des von der provisorischen Regierung bewilligten Cholerahospitals im Dorf Shin-fang-tse. Anlässlich dieser Gelegenheit untersuchte er die Ursachen der Choleraerkrankung unter der chinesischen Bevölkerung und berichtete: In Shin-fang-tse wurde, soweit es anging, jeder Zugang gefragt, worauf er seine Erkrankung zurückführte. Kaltes Wasser oder Eis wurde in 30 %, schlechtes Essen in 30 %, Erkältung in 35 % angeschuldigt, die Ursache des Leidens zu sein. Im Juli kam mit dem Aufblühen des Handels mit zerkleinerten Wassermelonen auf den Strassen auch diese Ursache hinzu.¹⁹³
Busch, Choleralazarett Shin-fang-tse, S. 137. Busch, Choleralazarett Shin-fang-tse, S. 138.
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Klar ist, dass diese Folgerung aus der wissenschaftlichen Untersuchung gezogen wurde, aber diese Forschungsarbeit wurde vor allem zur Gewährleistung der Gesundheit der europäischen Besatzung in Tianjin durchgeführt. Dagegen zeigten andere deutsche Beschreiber ein stärker medizinisch motiviertes Interesse an der Erforschung der Krankheiten. Für das gehäufte Auftreten des Blasensteins in Guangdong fand der Marinearzt Dr. Friedel, der um eine wissenschaftliche Forschung zu den Krankheiten in China bemüht war, in den 1860er Jahren keine besondere Ursache „in der Lebensweise, der Nahrung, dem Getränk etc.“¹⁹⁴. Jedoch bezüglich Opiumrauchern mutmaßte er: „doch wäre es denkbar, dass die ausgedehnten und häufigen Betäubungen eine seltenere Blasenentleerung und somit Urinstagnation veranlassen könnten.“¹⁹⁵ Ende des 19. Jahrhunderts erklärte der Medizindozent Dr. Scheube, der ebenfalls zu Tropenkrankheiten forschte, das häufige Auftreten der Steinkrankheit in Guangdong aus parasitologischer Perspektive: Es liegt daher nahe, an einen Parasiten zu denken, der in seinem Jugendzustande im Flusse lebt, nachdem vielleicht seine Eier mit den Excreten von Kranken in denselben abgesetzt worden sind, und von hier, sei es, wenn sein Wasser getrunken wird, sei es, wenn in ihm gebadet wird, in den menschlichen Körper hineingelangend die Veranlassung zur Steinbildung giebt.¹⁹⁶
Diese Deutung steht offensichtlich mit der Verbreitung der medizinischen Parasitologie in Europa ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Verbindung. Auch die Einflüsse klimatischer und umweltlicher Faktoren auf die Krankheiten der Chinesen wurden von den deutschen Beschreibern behandelt. Der Kulturhistoriker Klemm erklärte 1847, Augenübel „werden der großen Hitze, dem Blenden der Sonnenstrahlen und der außerordentlichen Trockenheit der Luft zugeschrieben“.¹⁹⁷ Das Klima und die Umwelt trugen wohl zum Auftreten und zur Verbreitung von Krankheiten bei. Nach der vorherrschenden Meinung in der Biomedizin, in der in ätiologischer Hinsicht ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die medizinische Mikrobiologie und Parasitologie dominierten, waren diese jedoch in erster Linie den indirekten Einflüssen zuzurechnen. Daher konnten Krankheiten nicht unmittelbar durch das Klima oder die Umwelt hervorgerufen werden. Zugleich bestanden auch einige Deutsche immer darauf, dass klimatische und umweltliche Bedingungen eine entscheidende Rolle bei der
Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 125. Ebd. Scheube, Die Steinkrankheit, S. 177. Klemm, China und Japan, S. 128.
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Entstehung und Verbreitung von Krankheiten spielten. Vor diesem Hintergrund wiesen die meisten deutschen Beschreiber Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts darauf hin, dass das Klima und die Umwelt das Auftreten und die Verbreitung von Krankheiten unter Chinesen beeinflussen konnten. Der Missionsarzt Dr. Wittenberg bemerkte den Einfluss des Klimas auf die Zahl der an Malaria erkrankten Chinesen und den Grad ihrer Symptome.¹⁹⁸ Der Missionsarzt Dr. Eyl schrieb die geringe Verbreitung der Lungentuberkulose unter der chinesischen Bevölkerung in Shandong dem lokalen Klima zu, das als gesundheitsfördernd für Lungenkranke galt.¹⁹⁹ Im Vergleich zu den Missionsärzten richteten die Militärärzte ein stärkeres Augenmerk auf die ungünstige Wirkung klimatischer und umweltlicher Faktoren auf die Gesundheit der Chinesen. Dies erklärt sich zum einen aus den unterschiedlichen Arbeitsorten und entsprechend den verschiedenen betrachteten Krankheiten. Dr. Velde etwa erläuterte, dass das häufige Auftreten des akuten Gelenkrheumatismus in Shandong durch die „grossen Schwankungen in der Wärme und dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft“ begünstigt werde,²⁰⁰ und Dr. Kaether fasste „die entsetzlichen Staubstürme, die das sonst so schöne Winterhalbjahr so häufig in unliebsamer Weise heimsuchen“, als eine der Ursachen für die Verbreitung der Hautkrankheiten auf.²⁰¹ Im Kontrast zur Beschreibung von Eyl in Shandong führten Dr. Kaether und Dr. Assmy die starke Verbreitung der Lungentuberkulose unter Chinesen in den südlichen Provinzen teilweise auf die lokalen klimatischen Verhältnisse zurück, die günstig für die Verbreitung der Krankheitskeime der Tuberkulose seien.²⁰² Durch diese Darstellungen wurde das negative Bild des chinesischen Klimas und der Umwelt begründet. Insofern hing diese Betonung wahrscheinlich zum anderen auch mit der Ansicht der Militärärzte zusammen, nach welcher China ein Land war, in dem zahlreiche Krankheiten in klimatischer und umweltlicher Hinsicht ein sicheres Heim fanden. Dies wurde von ihnen mehr noch bei der Analyse der Krankheiten der Europäer in China zum Ausdruck gebracht.²⁰³ Im Allgemeinen war die Analyse der Ursachen der unter Chinesen auftretenden Krankheiten durch die deutschen Beschreiber in der Kolonialzeit inhalt-
Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen, S. 5. Eyl, Jahresbericht des Faberhospitals, S. 63 – 64. Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 496. Kaether, Die Medizin in China, S. 888. Kaether, Die Medizin in China, S. 839; Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 419. Aufgrund des geringen Bezuges zwischen den Krankheiten der Europäer (der Deutschen) in China und der deutschen Darstellung der chinesischen Medizin wird hier auf dieses Thema nicht eingegangen.
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lich umfangreich und enthielt nicht nur fachliche medizinische Forschungen, sondern erstreckte sich auch auf die soziokulturelle Ebene. Die so entstehende Erklärung der Krankheitsursachen bei der chinesischen Bevölkerung verknüpfte verschiedene Elemente: Die Krankheiten der Chinesen, wirtschaftliche Faktoren, das politische System, Charakterzüge, Lebensgewohnheiten, medizinische Verhältnisse sowie klimatische und umweltliche Besonderheiten vermischten sich und bildeten ein Amalgam, das ein gemeinsames Kennzeichen aufwies: Die chinesische Gesellschaft wurde aus medizinischer Perspektive betrachtet, und dabei wurden viele gesundheitsschädliche Aspekte festgestellt. Obgleich das Auftreten und die Verbreitung von Krankheiten eng mit vielen verschiedenen Faktoren zusammenhängen, betonte diese Erklärung vor allem die rückständige Seite der chinesischen Gesellschaft und viele Darstellungen reflektierten eher die subjektiven negativen Denkweisen und Einstellungen der deutschen Beschreiber zur chinesischen Medizin, die von Herabwürdigung, Kritik und Spott, aber auch von Nachsicht und Anteilnahme gekennzeichnet waren, als eine rein wissenschaftliche Herangehensweise und Analyse. Auf Basis dieser Darstellungen wurde ein Bild gezeichnet, demzufolge die Chinesen ohne Hilfe der Europäer beziehungsweise der modernen Medizin weder die Gesundheit fördern noch Krankheiten wirksam bekämpfen konnten, und der positive Sinn der europäischen Expansion in China auf der medizinischen Ebene wurde konstruiert.
Zusammenfassung Im Allgemeinen handelte es sich bei der deutschen Beschreibung der Krankheiten unter Chinesen und ihrer Ursachen neben völlig subjektiven Beurteilungen sowohl um praktische Beobachtungen als auch um medizinische Untersuchungen. Zahlreiche Forschungsergebnisse wurden in den medizinischen Zeitschriften veröffentlicht und bereicherten die tropenmedizinische Forschung in Deutschland. Zugleich spiegelte diese Beschreibung aber auch die Meinungen der deutschen Beschreiber von den Zuständen der Krankheiten in China wider. Nach ihrer Auffassung traten in China zahlreiche Krankheiten auf, deren Verteilung von unterschiedlichen geographischen und saisonalen Faktoren beeinflusst war. Auch die Rückständigkeit verschiedener Aspekte der chinesischen Gesellschaft spiele beim Auftreten zahlreicher Krankheiten unter Chinesen eine wichtige Rolle. Diese Einschätzungen beruhten einerseits auf der damals in Europa dominanten Krankheitstheorie – der medizinischen Mikrobiologie und Parasitologie – und reflektierten eine von rassistischem und kolonialistischem Gedankengut geprägte Einstellung. Das Aufzeigen und die Betonung einer großen Zahl von Krankheiten in China erklären sich zudem durch die negative Haltung der deutschen Beschreiber zum praktischen Niveau der chinesischen Medizin. Anderer-
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seits ergaben sie sich aus den persönlichen Erfahrungen der deutschen Beschreiber mit den Krankheiten in China. In diesem Prozess wurden zahlreiche unterschiedliche Einzelheiten beobachtet und erlebt, die ihre jeweiligen Vorkenntnisse bekräftigten, relativierten oder korrigierten, wodurch umfangreiche und differente Urteile und Schlussfolgerungen gezogen wurden.
2.2 Bekämpfungen von Krankheiten durch Chinesen Im Zuge ihrer Beobachtung und Analyse der Krankheiten in China befassten sich die deutschen Beschreiber auch mit der chinesischen Bekämpfung von konkreten Krankheiten.
Bekämpfung von chirurgischen Krankheiten Ausführlich wurde zunächst die Heilung von chirurgischen Krankheiten durch Chinesen behandelt. Zum einen wurde die chinesische Chirurgie insgesamt abgelehnt, worin sich ihre frühere Beurteilung in Europa fortsetzte. Der deutschen Darstellung in der Kolonialzeit zufolge wurde die Chirurgie in China nicht nur von Chinesen missachtet, sondern ihr Niveau befand sich auch auf einem niedrigen Stand. Die chinesischen Ärzte betrachteten die Chirurgie als eine würdelose Praxis, wie der Missionsarzt Dr. Olpp, der die ausgezeichnete Fähigkeit des berühmten chinesischen Chirurgen Hua Tuo lobte, befand: „Heutzutage hält es der chinesische Arzt unter seiner Würde, auch nur einen Abszess zu öffnen.“²⁰⁴ Der Militärarzt Dr. Krause war stets bemüht, bei der Beurteilung der chinesischen Medizin subjektive Elemente zu beseitigen, und erklärte die ablehnende Einstellung der Chinesen zur chirurgischen Behandlungsmethode aus der Perspektive ihrer moralischen Anschauungen: Man kommt dem Verständniss dieser auffallenden Thatsache näher, wenn man weiss, dass die sittlichen Vorstellungen der Chinesen der Ausführung von Operationen widerstreben. Ihr grösster Philosoph, Konfucius, gebietet ihnen, nicht nur aus Liebe zu den Eltern jegliche Gefährdung ihres Lebens zu vermeiden, sondern auch ihren Körper unverstümmelt zu erhalten. Des Weisen Lehren sind auch jetzt noch der Inbegriff der höchsten Moral, und die Liebe zu den Eltern, die Konfucius als die heiligste der Pflichten bezeichnet, ist das Fundament der sittlichen Anschauungen der gesamten Nation.²⁰⁵
Olpp, Briefe aus China, 1903, S. 1654. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 68.
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Ausgehend von dieser Erläuterung beschrieb Krause die Handlung der chinesischen Patienten, die bei äußeren Krankheiten europäische Ärzte besuchten und die Amputation akzeptierten: Aber man hatte doch häufig Widerstand gegen operative Eingriffe zu überwinden. Fast regelmäßig reflectirt der Chinese auf ein amputiertes Glied, um es aufzubewahren und nach seinem Tode es sich in den Sarg legen zu lassen, damit er in der besseren Welt würdig vor seinen Ahnen erscheinen kann.²⁰⁶
Krause befürwortete diese traditionellen chinesischen Vorstellungen allerdings nicht und befand, dass das Aufsuchen eines europäischen Arztes durch die Chinesen bei chirurgischen Krankheiten, was durch die zunehmenden Kontakte der Chinesen mit Europäern immer häufiger vorkam, „das gute Zeugnis eines nüchternen klaren Denkens“ war.²⁰⁷ Hierbei schätzte Krause den Einfluss der Europäer auf die Anschauungen der Chinesen als hoch ein und betrachtete ihn als positive Tendenz, wobei deutlich wird, dass Krause trotz der Schilderung der chinesischen Medizin mit bewusster Sachlichkeit noch stark vom Überlegenheitsund Missionsgefühl der Europäer geprägt war. Diese passive Einstellung der Chinesen zu chirurgischen Behandlungsmethoden beschränkte die Entwicklung der chinesischen Chirurgie. Ausführlich wurde dies vom Medizindozenten Dr. Scheube beschrieben.²⁰⁸ Dabei betonte Scheube vor allem die unterentwickelten Behandlungsmethoden, bemerkte aber zumindest die Existenz einiger einfacher Techniken in der chinesischen Chirurgie. Im Gegensatz dazu beschrieben die Medizinhistoriker Dr. von Heusinger und Dr. Haeser vor allem die negative Seite der chinesischen Chirurgie. Von Heusinger erklärte, Chirurgie, im strengen Sinne des Wortes, existiere nicht unter den Chinesen und alles, was eine genauere Kenntnis des Baues [der Anatomie] oder eine feinere Anwendung mechanischer Kraft fordere, gehe über ihre Kräfte.²⁰⁹ Ähnlich äußerte sich auch Haeser: „Am traurigsten ist es um die Chirurgie bestellt, denn sogar der Aderlass ist unbekannt.“²¹⁰ Eigentlich repräsentiert der Aderlass gerade die Spreu der alten westlichen Chirurgie und wurde bereits im 19. Jahrhundert immer mehr in Europa kritisiert. Daraus ist zu erkennen, dass Haeser die chinesische Chirurgie ganz nach westlichen Kriterien beurteilte und eine Haltung der Überlegenheit gegenüber der chinesischen Medizin einnahm.
Ebd. Ebd. Vgl. Scheube, Die Geschichte der Medizin, S. 30. Heusinger, Die chinesische Medizin, S. 206. Haeser, Geschichte der Medicin, S. 42.
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Ausgehend von der negativen Gesamteinstellung wurden zum anderen einige konkrete Aspekte der chinesischen Chirurgie in den deutschen Darstellungen erwähnt und beurteilt. Bezüglich der Wundbehandlung durch chinesische Ärzte erstreckte sich das Urteil der deutschen Beschreiber häufig darauf, dass die Chinesen über die Wundbehandlung in Unkenntnis waren und die chinesische Methode zur Behandlung von Wunden nicht nur unwirksam, sondern auch unhygienisch und sogar infektionserregend war. Der Missionsarzt Dr. Vortisch beschrieb eine erfolgreiche Behandlung eines chinesischen Patienten mit Schussverletzung, der zunächst einen chinesischen Arzt besucht hatte und dann infolge der Verschlechterung des Krankheitszustandes in seiner Klinik operiert worden war.²¹¹ Auf diese Weise wurde die Rückständigkeit beziehungsweise die Unwirksamkeit der chinesischen Wundbehandlung hervorgehoben. Zugleich betonte Vortisch auch die möglicherweise krankheitserregende Wirkung der chinesischen Behandlungsmethode: Die Wundbehandlung in der Hand des Volkes wie der chinesischen Ärzte besteht in der Regel darin, irgend etwas auf die blutende Stelle zu schmieren. Am ehesten mag man schließlich Spinnenwebe oder Tabak oder Asche gelten lassen, weil diese Sachen blutstillend wirken. Schlimmer ist schon schmutziges Papier oder schmutzige Lappen. Am beliebtesten ist ein Brei zerkauter Blätter oder nasse Erde. Letztere ist besonders gefährlich, da im Boden oft Starrkrampf-Bazillen vorkommen, die dann in die Wunde und ins Blut gelangen und bald den Tod herbeiführen.²¹²
Der Militärarzt Dr. Krause bemerkte auch: „Antisepsis in unserm Sinne kennt man“ in China nicht.²¹³ Obwohl einige Formulierungen wie „irgend etwas“, „schmutziges Papier oder schmutzige Lappen“, „gefährlich“, „in unserm Sinne“ die deutlich geringschätzige Einstellung Vortischs und Krauses zur chinesischen Wundbehandlung widerspiegeln, lässt sich ihre Herausbildung auf theoretischer Ebene in gewisser Weise vor dem Hintergrund der medizinischen Bakteriologie erklären. Im Gegensatz dazu waren negative Beschreibungen der chinesischen Wundbehandlung überwiegend tendenziös gefärbt. So beklagten sich beispielsweise die Missionsärzte Dr. Wittenberg und Dr. Eich sowie der Militärarzt Dr. Assmy, die unter Chinesen praktizierten, über die durch die chinesische Behandlungsmethode verursachten Umstände. Sie bemängelten, dass diese Um-
Vortisch, Aus dem Tagebuch eines deutschen Arztes, S. 74. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 125. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 68.
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stände oft eine sofortige Diagnose verhinderten,²¹⁴ und bezeichneten das Reinigen der von Chinesen behandelten Wunden als zeitaufwändig²¹⁵ und „große und schwierige Arbeit“.²¹⁶ Eich äußerte sich zudem sehr abschätzig zur chinesischen Wundbehandlung: Die Wunden sind manchmal in unglaublicher Verfassung, so daß man oft versucht ist zu glauben, oberster Grundsatz der alten chinesischen Wundbehandlung wäre: „Je besser die Wunde mit unglaublichem Schmutz und Dreck verschmiert ist, desto schneller die Heilung!“ oder kürzer gesagt: Je dreckiger je besser!²¹⁷
Auch die Operation in China war ein Thema, dem die deutschen Beschreiber ihr Interesse schenkten. Ihr Niveau wurde in der deutschen Beschreibung häufig als mangelhaft bezeichnet. „Chirurgische Eingriffe werden mit gewöhnlichen Messern ohne jegliche Vorbereitung vorgenommen!“²¹⁸ So schrieb es der Missionsarzt Dr. Vortisch. Der Militärarzt Dr. Krause berichtete: „Die ganze operative Chirurgie beschränkt sich auf Zahnziehen, die Eröffnung oberflächlicher Abscesse und Furunkel, und auf die Akupunktur. Die chirurgischen Instrumente sind primitiv.“²¹⁹ Jedoch bemerkte er auch, dass „die allgemeine Anästhesie“ den Chinesen bekannt sei und „durch Eingeben eines Absudes von Aconit“ erzeugt werde.²²⁰ Gleichzeitig äußerten sich einige deutsche Beschreiber noch extremer zum Niveau der chinesischen Operation und stellten den operativen Eingriff in China als völlig ergebnislos und hilflos dar. Der Missionar Schultze, der wenig vom chinesischen Arzt hielt, behauptete: Am schlimmsten sind solche berathen, deren Leiden eine Operation erfordert, da chirurgische Manipulationen nicht nur sehr gescheut, sondern meist so ausgeführt werden, dass von Erfolg keine Rede sein kann. War doch vor Ankunft der christlichen Aerzte aus dem Abendland kein Mediciner im ganzen Reich, der einen Absceß mit dem Messer öffnen oder die einfachste Geschwulst zurückdrängen konnte.²²¹
Formulierungen wie „von Erfolg keine Rede“, „kein Mediciner im ganzen Reich“ und andere, die den chinesischen operativen Eingriff insgesamt negierten, stan-
Assmy, Bericht über den Betrieb der Poliklinik Chungking, S. 87. Wittenberg, Der Anfang der ärztlichen Mission, S. 40. Eich, Mitteilungen aus der Arbeit, 1912, S. 6. Eich, Mitteilungen aus der Arbeit, 1911, S. 3. Vortisch, Der deutsche Arzt im Reich der Mitte, S. 605. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 68. Ebd. Schultze, Die ärztliche Mission in China, S. 35.
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den im Kontrast zur Ansicht Krauses, nach der sich die chinesischen Ärzte bei der Öffnung von Abszessen als nicht unfähig erwiesen. Die Ansicht, wonach die operative Fähigkeit der chinesischen Ärzte für bestimmte chirurgische Krankheiten bestritten wurde, wurde auch von anderen deutschen Beschreibern wie den Missionaren Leuschner und Witte sowie dem Militärarzt Dr. Kaether zum Ausdruck gebracht.²²² Laut der Studie von Li Jianmin 李建民 aus Taiwan hörte die Entwicklung der operativen Chirurgie in der Geschichte der chinesischen Medizin zwar nie auf, jedoch herrschte insbesondere in der Ming- und Qing-Zeit die Anschauung vor, dass chirurgische Krankheiten durch innere therapeutische Methoden zu behandeln seien.²²³ Hier wird deutlich, dass die chinesische Medizin in Hinsicht auf die Heilung von chirurgischen Krankheiten nicht hilflos war. Dazu schilderte der Militärarzt Dr. Perthes ein Beispiel: Der interessanteste Fall betrifft einen Kuli, der auf dem chinesischen Schubkarren von seiner Mutter gebracht wurde, weil ihm ein Knochen im Hals stecken geblieben war und er seitdem durchaus nichts mehr genießen konnte. Es mußte die operative Eröffnung der Speiseröhre gemacht werden, und heraus kam die ganze Knieschiebe eines Schweins – immerhin ein ungewöhnlich großer und nicht recht verdaulicher Bissen. Dem Mann geht es sehr gut, und er wie seine Mutter sind vergnügt. Wenige Tage nach der Operation konsultierte mich ein chinesischer Arzt selbst wegen einer Kleinigkeit. […] Ich zeigte ihm meinen Schweineknochen und ließ ihn fragen, ob er wohl auch operiert haben würde. Antwort: „Nein, das ist unmöglich!“ Er würde einen Hund an den Beinen aufhängen und den aus dem Mund fließenden Saft dem Patienten als Medizin zu trinken geben. So erstaunlich das Verfahren, ist es doch vielleicht nicht ganz irrationell, denn man könnte sich vorstellen, daß die verdauende Wirkung des Magensafts, zumal von den knochenfressenden Hunden, einen Knochen auflöst oder so verkleinert, daß er in den Magen herabgleiten kann.²²⁴
Auch wenn sich Perthes skeptisch zeigte, dass der Magensaft des Hundes tatsächlich zur Lösung des Knochens im Hals des Patienten führen würde,²²⁵ erkannte er doch den rationalen Aspekt der Behandlungsmethode an. Insgesamt betrachtet nahmen die deutschen Beschreiber der chinesischen Behandlung von chirurgischen Krankheiten gegenüber eine ablehnende Haltung ein, die auf medizinischer Analyse oder subjektiver Beurteilung gründete.
Vgl. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 89; Witte, Hilfe für die Not, S. 52; Kaether, Die Medizin in China, S. 897. Li Jianmin李建民: Bei hushi de zhongyi shoushu shi 被忽视的中医手术史 (The Ignored History of Surgery in Traditional Chinese Medicine), in: Nanjing zhongyiyao daxue xuebao (Shehui kexue ban) 17, 1 (2016), S. 9. Perthes, Briefe aus China, S. 88 – 89. Perthes, Erfahrungen in der ärztlichen Praxis, S. 1969.
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Wenngleich infolge der persönlichen Erfahrung der deutschen Beschreiber mit der chinesischen Medizin die Existenz einiger weniger wirksamer chirurgischer Methoden anerkannt wurde, hatte dies keinen Einfluss auf die Gesamtbeurteilung. Hierbei ist zu betonen, dass die Rückständigkeit der chirurgischen Technik in China keine völlige Unfähigkeit zur Heilung chirurgischer Krankheiten bedeutete, da zu diesem Zweck viele medikamentöse Therapien der inneren Medizin umfangreich zum Einsatz kamen. Dieser Sachverhalt wurde aber von den deutschen Beschreibern weder häufig erwähnt noch trug er zu einer Verbesserung der insgesamt negativen Ansicht bei. Die Betonung der Rückständigkeit der Methoden der Chinesen in Bezug auf die Chirurgie gegenüber denen der Europäer und das Aufzeigen der Unfähigkeit der chinesischen Medizin zur erfolgreichen Behandlung chirurgischer Krankheiten gestaltete das negative Bild von der chinesischen Chirurgie und verband sich zugleich mit dem vorherrschenden deutschen Urteil über die chinesische Therapeutik.
Bekämpfung von inneren Krankheiten Nicht nur die chinesische Chirurgie, sondern auch die chinesische Bekämpfung von inneren Krankheiten wurde von den deutschen Beschreibern behandelt. Insgesamt betrachtet war das Niveau der chinesischen inneren Medizin in der deutschen Darstellung der europäischen unterlegen. Bei der Deutung der Ursache für die beim Unterricht in der inneren Medizin an der deutschen Medizinschule in Shanghai auftretenden Schwierigkeiten erläuterte der Dozent Dr. Fischer: Das kommt zum Teil daher, dass der chinesische Arzt für jede Krankheit ein spezifisches Mittel haben muß. Sogar der ganz moderne Chinese hält eben seine heimische Medizinkunst der europäischen inneren Medizin für weit überlegen – gibt es doch sogar intelligente Europäer, die sich bei schweren chronischen inneren Krankheiten vom Chinesendoktor behandeln lassen.²²⁶
Fischer selbst befürwortete den Einsatz der chinesischen Mittel gegen innere Krankheiten dagegen nicht. Die Missionsärzte erklärten die Überlegenheit der Fähigkeit der europäischen Ärzte häufig durch die Beschreibung der Sequenz der Arztbesuche durch chinesische Patienten bei inneren Krankheiten. Einerseits verdeutlichten sie, wie Vortisch²²⁷ und Olpp,²²⁸ die Rückständigkeit der chinesischen inneren Medizin durch
Fischer, Die Deutsche Medizinschule, S. 474. Vortisch, Missionsärztliche Arbeit, S. 90 – 91.
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praktische Beispiele, in denen der Patient nach der erfolglosen Behandlung durch chinesische Ärzte von den europäischen Ärzten schließlich geheilt wurde. Andererseits versuchten sie, durch diese Erzählung den Misserfolg von europäischen inneren Behandlungsmethoden zu begründen. Olpp bemerkte: Die Chinesen lieben es, bei inneren Erkrankungen zunächst eingeborene Ärzte zu konsultieren und den europäischen Arzt häufig erst aufzusuchen, wenn sie von ersteren aufgegeben sind. Ich erlebte es sogar wiederholt, daß man mir im Boot oder in der Sänfte angebliche Patienten zur Behandlung zuführte, bei denen ich nur noch den durch Pest erfolgten Tod konstatieren konnte. Nur 10 % der behandelten Fälle genasen.²²⁹
Ähnlich äußerte sich Eyl: Bei inneren Krankheiten hält der Chinese die chinesischen Medikamente für wirksamer, auch den chinesischen Arzt für besser, […] leichte Fälle kommen deshalb selten zu Gesicht und die schwereren häufig zu spät, dass auch europäische Hilfe nichts mehr ausrichten kann.²³⁰
Abgesehen von Gesamteinstellungen erstreckte sich die deutsche Beschreibung auch auf die chinesische Heilung von konkreten inneren Krankheiten und inhaltlich auf Tätigkeiten der chinesischen Ärzte, Bevölkerung und Regierung. Bei der deutschen Darstellung der medizinischen Bekämpfung von konkreten Krankheiten durch die Chinesen handelte es sich sowohl um positive Urteile als auch um negative Kritik. Dabei basierten diese nicht nur auf den Kriterien der modernen westlichen Medizin, sondern auch auf der Heilkraft der Behandlungsmethoden, weil sich die eigentliche überlegene Position der modernen Heilungsmethoden im Bereich der inneren Medizin erst mit dem Aufkommen von in den späten 1930er Jahren entwickelten Antibiotika herausbildete. Exemplarisch dafür war zunächst die deutsche Beschreibung der chinesischen Technik zur Pockenimpfung, der Variolation. Die Variolation wurde im 17. und 18. Jahrhundert in Europa vorgestellt, dort aber seit der umfangreichen Anwendung der Vakzination (Kuhpocken-Impfung) ab dem 19. Jahrhundert immer häufiger als unzuverlässig bezeichnet. Dies bildete einen wichtigen Hintergrund der deutschen Darstellungen in der Kolonialzeit. In der Beurteilung der Variolation setzten einige deutsche Beschreiber die historisch bereits existierende negative Erkenntnis fort, wobei diese abwertenden Einschätzungen aus verschiedenen Perspektiven formuliert wurden. Beispielsweise
Olpp, Bericht von Dr. Olpp, 1906, S. 8 – 9. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 106. Eyl, Jahresbericht des Faberhospitals, S. 58.
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bezeichnete der Medizinhistoriker Dr. von Heusinger die Variolation als „nicht allein mühsamer, sondern auch weniger sicher als das europäische [Verfahren]“.²³¹ Der Missionsarzt Dr. Wittenberg und der Missionar Leuschner betonten die gravierenden Folgen der Variolation wie Blindheit und Taubheit, und charakterisierten sie so als gefährlich²³² und „entsetzlich“.²³³ Gleichwohl erschienen auch einige Beschreibungen, in denen die traditionelle chinesische Pockenschutzimpfung anerkennt wurde. Mit Bezug auf Inhalte der chinesischen medizinischen Literatur hob der Militärarzt Dr. Gruenhagen hervor: Die Impfmethoden oder besser die Krankheitsschutzmethoden beruhen auf ausgezeichneter Erfahrung und Beobachtung. Jene minutiösen Vorschriften über Wirkung, Diät und Hygiene nach der Impfung würden auch nach unseren Vorstellungen notwendig sein, sofern wir dieselben Zwecke beim Impfen verfolgten; der Chinese fasst alle Ausschlag-krankheiten zusammen, wie Pocken, Masern, Scharlach u. s. w. und versucht durch Ueberimpfung dieselbe Krankheit in abgeschwächter Kraft auf das gesunde Kind zu übertragen, was eine aktive Immunisierung mit abgeschwächter Virulenz ist wie wir sie gegen Typhus, Cholera, u. s. w. jetzt ähnlich kennen.²³⁴
Hieraus ist erkennbar, dass Gruenhagen die chinesischen Impfmethoden, einschließlich der Variolation, aus der Perspektive der modernen westlichen Immunologie für richtig befand. Daneben wurde auch die tatsächliche Wirkung der Variolation positiv beurteilt. Dr. Hagemann sah mit der historischen Verbreitung der chinesischen Variolation in den „an China grenzenden [Gebieten der] Jaturenstämme, die häufig unter der Last verheerender Pockseuchen seufzten“,²³⁵ ihre Wirksamkeit als erwiesen an. Die Militärärzte Dr. Besenbruch und Dr. Velde äußerten die Ansicht, dass die tatsächlichen medizinischen Vorteile der chinesischen Variolation offensichtlich und bedeutend waren.²³⁶ Deutlich wird, dass die völlig ablehnende Haltung gegenüber der chinesischen Variolation zu einem gewissen Grad korrigiert wurde. Die Unterschiede in der Beurteilung der chinesischen Pockenimpfung lagen wahrscheinlich zum einen an den unterschiedlichen Schreibmotiven. In der damaligen europäischen Gesellschaft spielten Impfgegner eine unabweisliche Rolle.²³⁷ Besenbruch war Heusinger, Die chinesische Medizin, S. 208. Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen, S. 5. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 88. Gruenhagen, Die Grundlagen der chinesischen Medizin, S. 335 – 336. Hagemann, Hygiene der alten Chinesen, S. 482. Vgl. Besenbruch, Epidemiologie der Pocken, S. 50; Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 496. Vgl. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 182.
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gegen diese Strömung, wie er deutlich äußerte: „Seien wir Ärzte uns dessen stets bewußt und wachen wir ängstlich über unser vortreffliches Impfgesetz, damit es nicht durch die Agitation unwissender oder kritikloser Impfgegner durchlöchert wird.“²³⁸ Deshalb dürfte die Bestätigung der chinesischen Variolation durch Besenbruch mit diesem Standpunkt im Zusammenhang stehen. Zum anderen werden ihre verschiedenen Wissensquellen und Arbeitsbereiche, in denen häufig unterschiedliche Verhältnisse anzutreffen waren, wohl ihre Meinungen beeinflusst haben. Wittenberg und Leuschner betätigten sich als Mitglieder der deutschen Missionsgesellschaften ärztlich und missionarisch auf dem Land im Süden Chinas, während Besenbruch und Velde als Militärärzte vorrangig über das Variolationswesen in nordchinesischen Städten berichteten, wo eine größere Zahl spezialisierter Impfärzte ansässig war, und sich Gruenhagen und Hagemann vor allem an die schriftlichen Informationen anlehnten. Die tatsächliche Heilwirkung der chinesischen Krankheitsbekämpfung hatte auch einen großen Einfluss auf die Bewertung anderer chinesischer Behandlungsmethoden durch die deutschen Beschreiber. Aufgrund ihrer praktischen Erfahrung mit der chinesischen Medizin bestätigten beispielsweise die Missionare Stenz und Leuschner, die sich darum bemühten, „authentische“ Informationen über China in Deutschland zu präsentieren, die Heilwirkung der chinesischen Behandlungsmethoden bei Typhus²³⁹ und Malaria,²⁴⁰ während der Missionar Pieper eine negative Einstellung zur chinesischen Behandlung von Zahnschmerzen hatte.²⁴¹ Eine geringe Anzahl deutscher Beschreiber versuchte zudem, durch praktische Forschungsarbeit zu Schlussfolgerungen zu gelangen. Der Militärarzt Dr. Krause, der eine experimentelle wissenschaftliche Herangehensweise zeigte, betonte, dass die Bewertung der chinesischen Therapien auf der praktischen Prüfung ihrer Wirkung basieren sollte.²⁴² In diesem Sinn beschrieb er in seiner Arbeit zahlreiche Rezepte aus der chinesischen Medizin. Der Marinearzt Dr. Martini und der Marineapotheker Dr. Grothe führten eine Untersuchung der chemischen Zusammensetzung der in der Provinz Shandong als Heilmittel angewendeten essbaren Erde durch, die „als hungerstillendes Mittel“ und bei chronischen Opiumvergiftungen zur Beseitigung der „hierbei häufig vorkommenden, stark schwächenden Darmkatarrhe“ gebraucht wurde.²⁴³ Ihr Interesse resultierte je-
Besenbruch, Epidemiologie der Pocken, S. 53. Stenz, In der Heimat des Konfuzius, S. 45. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 88. Pieper, Unkraut, Knospen und Blüten, S. 272. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 41. Martini/Grothe, Über essbare Erden, S. 900.
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doch insbesondere aus der Entwicklung von Bolus alba, einem ähnlichen Tonpräparat aus Deutschland.²⁴⁴ Nicht nur die medizinischen Methoden, sondern auch die Maßnahmen der chinesischen Bevölkerung und Regierung gegenüber Krankheiten, insbesondere Infektionskrankheiten, deren Verbreitung die Gesundheit der Europäer bedrohte, wurden von den deutschen Beschreibern beachtet und behandelt, insofern diese einen Teil des chinesischen Gesundheitssystems bildeten und häufig in einer theoretischen Verbindung mit der chinesischen Medizin standen. Zum einen wurden von der chinesischen Bevölkerung und Regierung am häufigsten angewandte traditionelle Methoden der Krankheitsbekämpfung negativ bewertet und durch eine Reihe von abwertenden Formulierungen wie „Aberglaube“, „Angst“, „Gleichgültigkeit“, „Brutalität“, „Ratlosigkeit“ und „Machtlosigkeit“ charakterisiert. Diese Charakterisierungen reflektierten in unterschiedlichem Maße die deutsche Beschreibung dieser Maßnahmen gegen die Infektionskrankheiten, also etwa Pest, Pocken, Cholera und Lepra. Dabei stand die Einstellung der deutschen Beschreiber hinsichtlich des Bewertungsmaßstabs im Wesentlichen in enger Verbindung mit dem wissenschaftsbasierten öffentlichen Gesundheitswesen, einschließlich Prävention und Bekämpfung von Seuchen, das sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland entwickelte und allmählich allgemein vorherrschte. In dieser Beziehung verband sich die wissenschaftliche Erkenntnis mit politischer Macht und die individuelle Gesundheit wurde durch das staatliche System gewährleistet. Eine Reihe von Gesetzen, etwa das Reichsimpfgesetz, das Reichsgesetz zur Bekämpfung sechs gemeingefährlicher Krankheiten, nämlich Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken, die Anzeigepflicht sowie vielfältige Landesgesetze zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten wurden in Deutschland ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach und nach erlassen.²⁴⁵ Vor diesem Hintergrund betrachteten und beurteilten die deutschen Beschreiber die chinesischen Methoden. Ein Beispiel ist die Beschreibung der Bekämpfung der Lepra. Lepra, die in Europa im Mittelalter sehr verbreitet war, trat in Europa ab dem 16. Jahrhundert sehr selten auf. Mit der Einrichtung der Kolonialherrschaft in Afrika und Asien rückte die Lepra wieder in den Aufmerksamkeitsbereich der Europäer und galt nun als „in den von minderwertigen Rassen bewohnten Länderstrichen“²⁴⁶ auftretende Krankheit. Infolge der Ansteckungsgefahr wurde die Lepra von europäischen Ärzten intensiv erforscht. Vor diesem Hintergrund interessierten
Ebd. Eckart, Die Vision vom „gesunden Volkskörper“, S. 35. Kaether, Die Medizin in China, S. 883.
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sich auch viele deutsche Ärzte für die Verbreitung und Heilung der Lepra in China und berichteten über die Ergebnisse ihrer Beobachtungen und Untersuchungen vor Ort. Hinsichtlich des Schreibmotivs war ihre Beschreibung der Lepra vor dem Hintergrund des Kolonialismus nicht nur von akademischem Interesse geprägt, sondern auch bedingt durch die Vorstellung der westlichen Überlegenheit. Mit der Anerkennung der Erkenntnis, dass Lepra eine starke Ansteckungsgefahr barg, wurde in Europa die Isolierung von Leprösen als notwendige Maßnahme zur Verhütung der Verbreitung der Lepra angesehen. Folglich beschäftigten sich viele deutsche Beschreiber mit der Durchführung derartiger Maßnahmen in China. Der Marinearzt Dr. Friedel, der im Auftrag von Virchow zwischen 1859 und 1861 eine objektive Untersuchung der Zustände der Lepra in Ostasien durchführte, bemerkte zunächst, dass die Lebensumstände der isolierten Leprösen aus wohlhabenden Familien in China verhältnismäßig gut waren,²⁴⁷ obwohl sich Lepröse in China generell in einer sehr schwierigen Lage befanden. Die späteren deutschen Beschreiber beobachteten und beschrieben vornehmlich die gleichgültige Haltung und die erschreckenden Methoden, mit denen die chinesische Bevölkerung die Opfer der Lepra behandelte, wie etwa der Missionsarzt Dr. Wittenberg: Solange noch keine tiefgehenden Zerstörungen vorhanden sind, bleiben die Kranken in der Familie. Hat die Krankheit einen höheren Grad erreicht, so werden sie entweder von der Familie getrennt, welche ihnen eine Hütte allein zum Wohnen anweist, oder sie ziehen mit ihresgleichen bettelnd, oft sehr unverschämt bettelnd, durch das Land. Es kommt auch vor, dass eine Familie sich eines aussätzigen Mitgliedes durch lebendiges Begraben desselben entledigt, wozu die Einwilligung des Betreffenden unschwer erhalten wird. Der Mann erhält eine gute Mahlzeit, geht vielleicht als Leidtragender hinter seinem eignen Sarge her, schluckt eine tüchtige Dosis Opium und legt sich dann ohne Murren in sein eigenes Grab.²⁴⁸
Ähnliches berichteten auch der Militärarzt Dr. Kaether sowie die Missionsärzte Dr. Olpp und Dr. Vortisch.²⁴⁹ Die Darstellung der Rücksichtslosigkeit der chinesischen Bevölkerung gegenüber den Leprösen basierte gewissermaßen auf eigenem Erleben der in China lebenden und arbeitenden deutschen Beschreiber. Die Missionsärzte dürften darüber hinaus auch bemüht gewesen sein, die unbarmherzige Attitüde der
Friedel, Aussatz, S. 329. Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen, S. 10. Kaether, Die Medizin in China, S. 884; Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 103; Vortisch, Erfahrungen und Erlebnisse, S. 49.
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Chinesen mit der christlichen Menschenliebe zu kontrastieren, wodurch die positive Bedeutung der Mission in China aufgezeigt wurde. Ebenso wie über die Maßnahmen der Bevölkerung wurde von den deutschen Beschreibern auch über die Attitüden und Methoden der chinesischen Regierung gegenüber Leprösen hart geurteilt. „Von seiten der Behörden“ geschehe „nichts, um ihrer Ausbreitung einen Riegel vorzuschieben“,²⁵⁰ bemerkte der Militärarzt Dr. Kaether. Auch Olpp kritisierte: „Eine strenge Isolierung derartiger Individuen kennt die chinesische Regierung nicht.“²⁵¹ Neben der Untätigkeit der chinesischen Regierung warf Vortisch den chinesischen Beamten in Hinsicht auf die Behandlung von Leprösen zudem Habgier und Unbarmherzigkeit vor.²⁵² Obwohl viele deutsche Beschreiber die Institution des Lepradorfs, in dem Lepröse isoliert und stationiert wurden, berücksichtigten, fiel ihr Urteil negativ aus. Vortisch wies auf die ungenügende Zahl der Lepraasyle in China hin.²⁵³ Der Militärarzt Dr. Velde beschrieb die Absonderung von Leprösen in Guangzhou und betonte, dass die durch die Einrichtung der Lepraasyle ergriffene offizielle Isolierungsmaßnahme aus Mangel an unzulänglicher Finanzierung das Problem der Leprösen in China nicht wirksam löste und die Leprösen „zu einer gefährlichen und gefürchteten Landplage“²⁵⁴ wurden. Ähnliche Beschreibungen wurden auch von Mayer, Kaether, Olpp und Vortisch vorgelegt.²⁵⁵ Bei ihrem Aufzeigen der Verhältnisse der Leprösen in unterschiedlichen Bereichen in China wurde die Korruption der chinesischen Beamten häufig als Ursache für die schwierige finanzielle Lage im Lepradorf hervorgehoben. Erkennbar ist, dass das offizielle System zur Bekämpfung der Lepra in China, vor allem die Isolierung von Leprösen, von deutschen Beschreibern als wenig erfolgreich wahrgenommen wurde. Nicht nur die Verantwortungslosigkeit der Regierung, sondern auch die unbarmherzige und habgierige Haltung der Beamten verursachten laut der deutschen Beschreibung die Notlage der Leprösen. Diese Darstellung verstärkte das negative Bild vom chinesischen Gesundheitssystem und implizierte vor dem Hintergrund des Kolonialismus ein Schreibmotiv: Der Aufbau von Lepradörfern durch die Europäer in China wurde so als notwendig und sinnvoll aufgezeigt.
Kaether, Die Medizin in China, S. 884. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 103. Vortisch, Erfahrungen und Erlebnisse, S. 49. Vortisch, Die Aussätzigen, S. 142– 143. Velde, Verbreitung der Lepra, S. 505 – 506. Vgl. Mayer, Hygienische Studien, S. 101; Kaether, Die Medizin in China, S. 884; Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 103; Vortisch, Die Aussätzigen, S. 146.
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Die kritische Einstellung zum Verhalten von Bevölkerung und Regierung gegenüber der Lepra war typisch für die deutsche Darstellung der chinesischen Krankheitsbekämpfung im öffentlichen Bereich. Zwar konnten sich die Beschreibungen der unterschiedlichen Krankheiten diversen Aspekten zuwenden, jedoch wurde eine allgemeine diskursive Grundlage für die Intervention in die Krankheitsbekämpfung in China, insbesondere bei Seuchen, durch europäische Mächte sowie für den Ersatz des traditionellen chinesischen Systems zur Krankheitsbekämpfung durch systematische westlich hygienische Maßregeln geschaffen. Der chinesische Historiker Yu Xinzhong schildert, dass in Zeiten des Ausbruchs von Seuchen in der Bevölkerung einige vorläufige Rettungsorganisationen und medizinische Maßnahmen von der chinesischen Regierung durchgeführt wurden, etwa die Gründung von Häusern für Patienten, das Angebot von kostenlosen Behandlungen und Medikamenten und die Veröffentlichung von diesbezüglichen medizinischen Büchern.²⁵⁶ Allerdings waren diese Tätigkeiten im Großen und Ganzen nicht vom wohltätigen Bereich zu trennen und stärker als die Zentralregierung traten als Initiatoren, Sponsoren und Vollstrecker in der Zeit der Ming- und Qing-Dynastie laut dem Forschungsergebnis von Leung Ki-Che 梁其姿 immer Individuen und lokale, nicht-behördliche Akteure hervor.²⁵⁷ Die deutschen Beschreiber betonten diese Maßregeln und Organisationen allerdings nicht, sondern hoben vor allem die schlimmen und nicht erfolgreichen Aspekte hervor und folgerten daraus, dass die Maßnahmen der chinesischen Bevölkerung und Regierung zur Bekämpfung der Krankheiten völlig unwirksam, unsystematisch und rückständig seien. Der aus dem Betrachtungswinkel der westlichen Krankheitsbekämpfung resultierende Standpunkt, nach dem die vom westlichen Modell abweichenden Maßnahmen als inadäquat galten, hing zudem auch mit den grundsätzlichen Vorurteilen der deutschen Beschreiber gegenüber China und den Chinesen zusammen, ebenso mit ihren tatsächlichen Einsatzgebieten und Beobachtungsorten in China, wo wahrscheinlich wohltätige Maßnahmen zur Krankheitsbekämpfung oftmals fehlten.
Yu Xinzhong 余新忠: Cong biyi dao fangyi: wanqing yinying yibing guannian de gaibian 从避 疫到防疫:晚清因应疫病观念的改变 (Vom Fernhalten bis zur Prävention einer Epidemie: Evolution von Anschauungen über Reaktionen auf eine Epidemie in der späten Qing-Dynastie), in: Huazhong shifan daxue xuebao (Renwen shehui kexue Ban) 47, 2 (2008), S. 51– 54. Leung Ki-Che 梁其姿: Miandui jibing – chuantong zhongguo shehui de yiliao guannian yu zuzhi 面对疾病––传统中国社会的医疗观念与组织 (Gegenüber Krankheiten – Medizinische Anschauungen und Organisationen traditioneller chinesischer Gesellschaft), Beijing: Zhongguo renmin daxue chubanshe, 2012, S. 155 – 156.
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Auf Basis des kolonialistischen Motivs berichteten die deutschen Beschreiber andererseits auch über die Einstellung der chinesischen Bevölkerung und Regierung zum modernen westlichen Gesundheitswesen. Unter dem Zwang des westlichen Einflusses, der sich nach dem Opiumkrieg 1840 – 1842 immer stärker in China zeigte, wurden moderne medizinische Maßregeln von den chinesischen und westlichen Behörden in China ergriffen. Vor allem die Militärärzte richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Akzeptanz bzw. die Ablehnung dieser Maßnahmen durch die chinesische Bevölkerung, was sich vorrangig durch ihre Hauptaufgabe, nämlich die Gewährleistung der Gesundheit der deutschen Besatzungen in China erklären dürfte. Zwecks abwehr der Ausbreitung der Seuchen auf die Stationsorte der deutschen Besatzung betraf die Arbeit der deutschen Militärärzte häufig zu einem Teil auch die chinesische Bevölkerung, etwa die Untersuchung von Seuchen unter derselben, das Angebot ärztlicher Hilfe und die Aufsicht über die Umsetzung der westlichen hygienischen Maßnahmen. Bei dieser Gelegenheit beobachteten sie die Einstellungen der Chinesen zu diesen Maßnahmen und ihren Durchführungen und beschrieben ausgehend vom Überlegenheitsgefühl häufig die verwestlichten medizinischen Erscheinungen in China. So schrieb etwa der Militärarzt Dr. Kaether: „Wo in China Quarantänestationen eingerichtet sind, um gewisse Häfen vor der Ansteckung zu schützen, handelt es sich immer nur um Vertragshäfen, in denen europäische Sanitätspersonen ihren Einfluß geltend machen können.“²⁵⁸ Die Formulierung „immer nur“ zeigte deutlich, dass Kaether mit dem Grad der Durchführung der Quarantänestation als europäische hygienische Maßnahme in China nicht zufrieden war. Im Gegensatz dazu äußerte sich der Missionsarzt Dr. Vortisch positiv zu denen, die europäische medizinische Maßnahmen, hier die Impfung gegen die Beulenpest, akzeptierten, und bemerkte: Wie ist die Beulenpest, die soviele Opfer fordert, zu vertreiben? Die Verständigen – wenige genug – kamen z. B. in Kayintschu zum Missionsarzt und übergaben ihm ca. 100 M., damit er Pestserum kommen lasse und Impfungen vernehme, was auch vielen zur Rettung geschah.²⁵⁹
Obwohl Kaether und Vortisch unterschiedliche Ansichten zeigten, teilten sie einen gleichen Standpunkt kolonialistischer Einstellung: Die Akzeptanz des westlichen medizinisch-hygienischen Modells war eine allgemeine Tendenz und rationales Verhalten.
Kaether, Die Medizin in China, S. 854. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 97.
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Weitere deutsche Beschreibungen handelten von der abwehrenden Haltung und dem Widerstand der Chinesen gegenüber den modernen westlichen medizinischen Maßnahmen, was in großem Maße eine Verbindung mit den Umständen der Durchführung dieser Maßnahmen in China haben dürfte. Der Militärarzt Dr. Assmy beobachtete die Ablehnung der „von den fremden Ärzten vorgeschlagenen Maßnahmen (Quarantänestation unterhalb der Stadt, Isolierhospital in einem Tempel, Anschlag von Verhaltungsmaßregeln für die Bevölkerung)“ durch die chinesischen Behörden, die „sich auf die Empfehlung des Tragens von Amuletten und die Anwendung chinesischer Arzneien beschränkten“, und betonte, dass dies einen ursächlichen Zusammenhang mit der schnellen Verbreitung der Cholera hatte.²⁶⁰ Hier schilderte Assmy die Verweigerungshaltung der Chinesen gegenüber den westlichen Maßnahmen und bestritt den Nutzen der chinesischen Methode zur Cholerabekämpfung. Die Ablehnung Assmys stand neben den von ihm beobachteten Umständen auch mit seiner stets ablehnenden Haltung gegenüber der chinesischen Medizin in Beziehung. Viele deutsche Beschreiber, vor allem die Militärärzte wie Dr. Mayer, Dr. Uthemann und Dr. Kaether, schilderten zudem sowohl in Hinsicht auf die Einstellung als auch auf der Ebene des Verhaltens den Widerstand der Chinesen gegen die westlichen hygienischen Maßnahmen, der sich vor allem in der Verheimlichung von Kranken und Toten ausdrückte.²⁶¹ Der Militärarzt Dr. Eckert analysierte auf der Basis seiner direkten Beobachtung während des Pestausbruchs in der Stadt Beitang die Ursachen für den Widerstand beziehungsweise die Schwierigkeiten, auf die die Umsetzung der modernen europäischen Hygienemaßnahmen gegen die Pest in China stieß. Er schrieb den Widerstand und die Antipathie der Chinesen gegen die wissenschaftlichen Mittel im Wesentlichen „der Eigentümlichkeit des chinesischen Volkscharakters“, „der Indolenz und Ignoranz des niederen Teils der Bevölkerung“ und dem Konservativismus sowie der Unzulänglichkeit „der pekuniären Unterstützung seitens der Regierung“ zu.²⁶² Ursächlich erklärten die Militärärzte Dr. Mayer und Dr. Busch das oppositionelle Verhalten der Chinesen zudem mit dem medizinischen Aberglauben der Chinesen.²⁶³ Ausgehend davon, dass „Gleichgültigkeit“ und „Mißvertrauen“ die passive Haltung der Chinesen gegenüber den westlichen hygienischen Maßnahmen zur Folge hatten,²⁶⁴ wurde dar-
Assmy, Bericht über den Betrieb der Poliklinik Chungking, S. 80. Mayer, Hygienische Studien, S. 24; Uthemann, Schutzgebiet Kiautschou, S. 792; Kaether, Die Medizin in China, S. 854. Eckert, Die Pest, S. 428. Mayer, Hygienische Studien, S. 24; Busch, Choleralazarett Shin-fang-tse, S. 130. Martini, Pestkonferenz zu Mukden, S. 1420.
2 Zu den Krankheiten in China
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über hinaus durch den Marinearzt Dr. Martini nach seinen persönlichen Erfahrungen mit der erfolgreichen Bekämpfung der Lungenpest 1910/1911 in der Provinz Shandong aus einem Überlegenheitsgefühl heraus betont, dass die Belehrung der chinesischen Bevölkerung eine wichtigere Rolle als Zwangsmaßnahme bei der Durchführung dieser Maßnahmen spiele.²⁶⁵ Obwohl diese Analysen aus unterschiedlichen Perspektiven erfolgten, ist erkennbar, dass die deutschen Beschreiber häufig einen Standpunkt vertraten, laut dem die ablehnende Einstellung der Chinesen den westlichen Hygienemaßnahmen gegenüber und die chinesischen medizinischen Anschauungen sowie Gewohnheiten in einem ursächlichen Zusammenhang standen. Eine solche Darstellung bestärkte und befestigte die Ansicht von der Rückständigkeit der chinesischen Medizin und der Notwendigkeit einer modernen medizinischen Aufklärung der Chinesen.
Zusammenfassung Aus der obigen Darstellung und Analyse wird deutlich, dass sich die deutschen Beschreiber vorwiegend mit den Problemen befassten, für die die chinesische Medizin aus ihrer Sicht keine gute beziehungsweise wirksame Lösung anbieten konnte. Mithilfe dieses Fokus wurde ein Bild von der Unwirksamkeit der chinesischen Medizin auf der praktischen Ebene gezeichnet und ein Kontrast zwischen der fortschrittlichen westlichen und der rückständigen chinesischen Medizin gebildet. Diese Konstruktion spiegelte nicht nur ihr Schreibmotiv kolonialistischer Prägung wider, mit dem die umfangreiche Einführung der europäischen Medizin in China rationalisiert wurde, sondern hing auch mit ihrem medizinischen Hintergrund zusammen. Mit der Aufstellung und Anwendung der Theorie der Zellularpathologie und der medizinischen Mikrobiologie, dem Fortschritt der klinischen Chirurgie und inneren Medizin und der Einrichtung des vom Staat verwalteten wissenschaftlichen Systems zur Prävention und Bekämpfung von Epidemien unterschieden sich Erkenntnis und Bekämpfung von vielen konkreten Krankheiten in Deutschland sowohl theoretisch als auch klinisch und praktisch stark von der chinesischen Medizin. Ausgehend von der europäischen medizinischen Perspektive konnten die deutschen Beschreiber diese unterschiedlichen Ansichten und Methoden der Chinesen normalerweise unbewusst negieren. Gleichzeitig behinderten das kulturelle Überlegenheitsgefühl und die sich daraus ergebenden Vorurteile gegenüber der chinesischen Kultur auch ihr Interesse an
Ebd.
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III Chinesische Medizin in deutscher Darstellung in der Kolonialzeit
einer eingehenden und sachlichen Auseinandersetzung. Zahlreiche Unterschiede wurden dabei häufig schlicht als Irrationalität, Rückständigkeit und Aberglaube bezeichnet. Dennoch stützten sich einige Beschreibungen auch auf praktische Beobachtungen, Forschungen und Untersuchungen, und eine Reihe von chinesischen medizinischen Methoden wurde daher objektiv geschildert und sorgfältig analysiert, weshalb anzuerkennen ist, dass eine wissenschaftliche Einstellung und Forschung in der Kolonialzeit durchaus existierten.
3 Zur Hygiene in China Über Hygiene in China berichteten die deutschen Beschreiber in ihren früheren Arbeiten über die chinesische Medizin sehr wenig. Bis zum 18. Jahrhundert hatten Europäer und Chinesen in Hinsicht auf Hygiene eine ähnliche Einstellung, wonach die Hygiene als Tätigkeit der individuellen gesundheitlichen Betreuung galt und Bewegung, Ausruhen, Diät und Anderes umfasste. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Hygiene als Wissenschaft in Europa begründet und der Einfluss von Biomedizin und politischer Macht auf die Hygiene sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich wurde immer größer. Vor diesem Hintergrund wurde die Hygiene als wichtiges Teilgebiet der vorbeugenden Medizin erachtet.²⁶⁶ Im 20. Jahrhundert enthielt die Definition von „Hygiene“ in Europa allmählich „modern biomedicine, public health, and personal decorum“.²⁶⁷ Die Hygiene wurde zu one of the most significant ways of naming the modern condition: a hierarchical principle that determined who would be included or excluded from the realm of civilization, a discourse that defined the difference between a sovereign nation and a subjected tribe.²⁶⁸
Ausgehend von diesem Kontext behandelten die deutschen Beschreiber bei der Darstellung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit häufig die hygienischen Zustände in China. Mit der Entstehung und Entwicklung des negativen Chinabilds in Europa und der immer stärker negativ konnotierten Beurteilung der chinesischen Medizin war die Gesamtbeurteilung der chinesischen Hygiene in der Kolonialzeit grundsätzlich negativ. So wurde „Hygiene“ von den deutschen Be-
Zhang Daqing, Yixueshi, S. 130. Rogaski, Hygienic Modernity, S. 5. Rogaski, Hygienic Modernity, S. 23.
3 Zur Hygiene in China
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schreibern nicht nur als ein den Chinesen unbekannter Begriff bezeichnet,²⁶⁹ sondern auch die hygienischen Verhältnisse in China, besonders im öffentlichen Bereich, wurden negativ bewertet.²⁷⁰ Zwar entstanden die deutschen Darstellungen vor einem gemeinsamen zeitgenössischen Hintergrund; sie unterschieden sich aber durch den konkreten Kontext, wie individuelle Elemente und praktische lokale Kontakte der Beschreiber. So entstand eine Vielzahl an Darstellungen, die sich mit verschiedenen Aspekten der Hygiene in China befassten.
3.1 Das öffentliche Gesundheitswesen in China Das öffentliche Gesundheitssystem ist ein organisiertes, systematisches und den Bedarf der Bevölkerung an der Aufrechterhaltung der Gesundheit deckendes Gesellschaftswesen und hat in unterschiedlichen historischen Perioden unterschiedliche Inhalte.Von der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts wandelte sich die medizinische Theorie des öffentlichen Gesundheitssystems in Europa von der Miasmatheorie zur Theorie der medizinischen Bakteriologie. Aber im Aspekt des konkreren Verhaltens, obwohl sich die Bakteriologie auf Menschen konzentrierte sowie Meldung, Isolation und Desinfektion betonte,²⁷¹ wurden die prophylaktischen Maßnahmen, die seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Verbesserung der sanitären Lebenssituation durchgeführt worden waren, wie etwa „Straßenhygiene, Kanalisation, water closets, Frischwasser“,²⁷² nicht ausgesetzt, sondern ihnen wurden neue Interpretationen verliehen.²⁷³ Damit bildete sich ein gemischtes Modell heraus. Diese Entwicklung bekräftigte sowohl theoretisch als auch praktisch die Überzeugung der Deutschen von der Wirksamkeit des deutschen öffentlichen Gesundheitssystems, daher wurde es als Symbol der westlichen Zivilisation betrachtet. Die deutschen Beschreiber untersuchten und bewerteten in der Regel auf Basis dieser Maßstäbe das chinesische öffentliche Gesundheitswesen. Dabei wurde die Hygiene der chinesischen Umwelt und Lebensmittel relativ ausführlich beschrieben und beurteilt.
Navarra, China und die Chinesen, S. 929; Herhold, Krankheiten mit Bezug auf Klima und Boden, S. 643. Vortisch, Vergleiche ärztlicher Erfahrungen, S. 156. Vgl. Waddington, An Introduction, S. 245. Eckart, Geschichte der Medizin, S. 208. Vgl. Waddington, An Introduction, S. 245 – 246.
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Umwelthygiene in China Bezüglich des Gesamteindrucks von der Umwelt in China herrschten in den deutschen Darstellungen, die sich auf verschiedene Gebiete in China bezogen, negative Urteile allgemein vor. Im Ganzen betrachtet erstreckte sich die Beschreibung der chinesischen Umwelthygiene auf die hygienischen Zustände von Straße und Luft. Die Hygiene der chinesischen Straßen wurde durch eine Reihe von abwertenden Formulierungen wie „staubig“,²⁷⁴ „schmutzig“,²⁷⁵ „scheußlich“²⁷⁶ und „widerlich“²⁷⁷ charakterisiert. Die Darstellungen der Straßen in unterschiedlichen Regionen Chinas zeigten die einheitlich negative Einstellung der deutschen Beschreiber. „Die engen, ungepflasterten, holperigen und winkeligen Strassen starren von Schmutz und Unrath“,²⁷⁸ wie der im Pachtgebiet tätige Marinearzt Dr. Gustav Arimond berichtete. Ähnlich äußerte sich der ebenfalls kurzzeitig im Norden Chinas tätige Militärarzt Dr. Krause: „Enge, kothige Strassen, angefüllt mit Haufen von Unrath aller Art, jauchige Pfützen und Tümpel überall.“²⁷⁹ Über die Wegverhältnisse in der Altstadt von Shanghai berichtete der Militärarzt Dr. Mayer, der sich um eine wissenschaftliche Erfassung der hygienischen Zustände in China bemühte, ausführlicher: Die Stadt ist von einer großen Zahl offener Gräben, einige mit teichartiger Erweiterung, durchzogen, stellenweise ist die einstige Steinmauerung erhalten, größtenteils aber eingestürzt, das abgeflachte Ufer mit Unrat bedeckt, die seichte Flüssigkeit der Gräben dunkelbraun bis grüngelb, das Niveau so erhöht, daß die Flut nur in größeren genügend eindringt. Das von den Kulis beim Hereintragen verschüttete Wasser bildet zusammen mit dem aus den Häusern geworfenen Unrat auf allen Wegen eine schmierige Flüssigkeit, man muß auf Stelzen gehen oder sich in Sänften tragen lassen.²⁸⁰
Ähnlich der Meinung Arimonds und Krauses bewertete Mayer ebenfalls die Hygiene der Straßen in China negativ und bezeichnete diese direkt als unbegehbar. Seine besonders negative Schilderung, deren Aussagekraft durch die Angabe von Details verstärkt wurde, lässt sich vermutlich vor allem auf die konkreten hygienischen Verhältnisse in Shanghai zurückführen, insofern er betonte, dass von
Perthes, Briefe aus China, S. 57. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 39. Wolffhügel, Truppenhygienische Erfahrungen, S. 2149. Mayer, Hygienische Studien, S. 22. Arimond, Brief aus Kiautschou, S. 238. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 69. Mayer, Hygienische Studien, S. 92.
3 Zur Hygiene in China
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allen Städten, die er „in Tschili, Schantung, am Yang-tse und in Tsche-kiang gesehen“ habe, es „in der Altstadt Shanghai wohl am ärgsten“ sei.²⁸¹ Auch angesichts der historischen Entwicklung von Shanghai, wo die durch ihre Öffnung 1843 herbeigeführte rasche Zunahme der chinesischen und ausländischen Bevölkerung und die damit einhergehende Expansion der Stadt die traditionelle gesellschaftliche und ökologische Ordnung zerstörte, ist die Einschätzung Mayers nachvollziehbar. Der dichte Staub und entsetzliche Geruch in der Luft in China wurden häufig als allgemeines Problem angesehen. Arimond bezeichnete den „Gestank“ stellenweise als „athmungbehinderd“.²⁸² Er schilderte den dichten Staub sowie seine gravierenden Folgen im Pachtgebiet und führte diese Erscheinung auf „die Jahrhunderte lange, empörende chinesische Misswirtschaft“ zurück, „die keinen Wald, keinen Grashalm aufkommen lässt“.²⁸³ Diese Meinung dürfte durchaus die Tatsachen widerspiegeln und war vor dem Kontext der kolonialen Hygienepolitik vermutlich auch mit einer Rechtfertigung der umfangreichen Bewaldungstätigkeit durch die deutschen Behörden im Pachtgebiet verbunden. Mayer berichtete ferner, dass in Beijing schon ein schwacher Wind mächtige Staubwolken von dem lehmigen Boden in die Höhe treibe.²⁸⁴ Über die Methoden zur Bekämpfung des Staubs durch die Chinesen äußerte er sich in seiner detaillierten Schilderung negativ: Die Wege sollen bei Sonnenuntergang gespritzt werden, die Polizei hat die Mitteldämmer, der Hausbesitzer den vor seiner Wohnung gelegenen Straßenteil; da aber das Wasser 2 Mǒ pro Tonne kostet, so werden die Ab- und Spülwasser, die Kübeln auf die Straße gebracht und die Flüssigkeit mit großen Löffeln ausgesprengt; natürlich wird das Wasser der unratüberladenen Sumpfseen benutzt; der Staub wird so allerdings gelöscht, und die Hausbesitzer stehen befriedigt vor der Türe in der mit entsetzlichen Düften geschwängerten Abendluft.²⁸⁵
Daraus ist erkennbar, dass Mayer der Ansicht war, diese Methode verschlimmere trotz der Löschung des Staubs die Luftqualität und die Chinesen zeigten keine starke Abneigung gegen derart üble Gerüche. Aus rassistisch geprägter Perspektive erläuterte er darüber hinaus die Gewöhnung der Chinesen an die übelriechende Luft:
Ebd. Arimond, Brief aus Kiautschou, S. 238. Arimond, Brief aus Kiautschou, S. 240. Mayer, Hygienische Studien, S. 5. Mayer, Hygienische Studien, S. 23.
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Gegen üble Gerüche besteht eine absolute Indifferenz, die allverbreitete, undefinierbare, für den Europäer kaum zu atmende Mischung von ekelhaften Düften, schon bei der Annäherung an eine Stadt bemerkbar, in den Gassen und Höfen hochgesteigert, wird nicht im mindesten empfunden.²⁸⁶
In der Betonung der Unerträglichkeit der Gerüche in China für Europäer zeigte sich dabei das Überlegenheitsgefühl Mayers. Aus einem ähnlichen Blickwinkel beobachteten und erläuterten der Redakteur Navarra und der Sanitätsrat Kronecker die allgemeine Existenz des üblen Geruchs in China.²⁸⁷ In ihren Beschreibungen wurden die Gerüche in China, die unterschiedlichen Ursprungs waren, nicht nur als unangenehm und ekelerregend, sondern auch als chinesische rassische Eigentümlichkeit porträtiert. Erkennbar ist, dass die chinesische Umwelt in der deutschen Darstellung als ein negatives Bild konstruiert wurde, in dem chinesische Straße, Luft und rassische Besonderheit miteinander verbunden waren. In dem so entstehenden Bild von der chinesischen Umwelthygiene wurde die chinesische Rasse als anpassungsfähig an eine widrige Lebensumwelt und sie selbst gar als umweltschädlich deutet. Die negative Grundeinstellung zur chinesischen Umwelthygiene dürfte zum einen unter dem Einfluss des in der damaligen deutschen Gesellschaft dominanten Chinabilds gestanden haben, in dem viele Aspekte des Landes als rückständig und unvollkommen angesehen wurden. Gleichzeitig stand sie auch in Zusammenhang mit den über lange Zeit in der eigenen Gesellschaft herausgebildeten sinnlichen Gewohnheiten.²⁸⁸ In der Kolonialzeit wurden in Europa eine ordentliche Straße und gemäßigte und desinfektiöse Gerüche als reinlich und hygienisch betrachtet, was medizinisch begründet wurde.Vor diesem Hintergrund befanden die deutschen Beschreiber die ungewohnten Erscheinungen und Gerüche in der chinesischen Umgebung allgemein für unerträglich und sogar unzivilisiert. Bei der rassistisch geprägten Analyse spielte das kulturelle und nationale Überlegenheitsgefühl der deutschen Beschreiber eine große Rolle. Diese kulturellen Hintergründe bildeten die wichtigsten Voraussetzungen für die deutsche Beschreibung der chinesischen Umwelthygiene.
Mayer, Hygienische Studien, S. 22. Navarra, China und die Chinesen, S. 929; Kronecker, Fünfzehn Jahre Kiautschou, S. 1. Vgj. Li Shang-Jen 李尚仁: Fuwu yu angzanggan: shijiu shiji xifangren dui zhongguo huanjing de tixian 腐物與骯髒感:十九世紀西方人對中國環境的體驗 (Fäule und Unsauberkeitsgefühl: Wahrnehmung der chinesischen Umwelt durch Europäer im 19. Jahrhundert), in: Yu Shude 余舜德 (Hg.): Tiwu ruwei – wu yu shentigan de yanjiu 體物入微 – 物與身體感的研究 (Forschung zu Objekten und Körperlichen Erfahrungen), Xinzhu: Guoli Qinghua daxue chubanshe, 2010, S. 45 – 82.
3 Zur Hygiene in China
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Zum anderen standen die negativen Urteile, die sich unter anderem in der Einstellung, dem Inhalt und der Formulierungsweise voneinander unterschieden, auch in Verbindung mit praktischen Erfahrungen mit der chinesischen Lebensumwelt. In verschiedenen Regionen Chinas und auf verschiedene Weise erlebten und berichteten die deutschen Beschreiber über unterschiedliche Verhältnisse. Daher beobachteten einige deutsche Beschreiber auch positive Seiten der chinesischen Umwelt. So stellte etwa der Missionsarzt Dr. Vortisch, der zu Beginn seines Aufenthalts in China die chinesische Hygiene völlig negativ beurteilte, nach etlichen Besuchen in Städten und Häusern fest, „daß es in China doch auch Orte gibt, wo nicht alles eng und schmutzig ist, sondern wo auch beschauliche Schönheit Platz gegriffen hat“.²⁸⁹ Jedoch wurde der negative Gesamteindruck von der chinesischen Umwelthygiene weder grundsätzlich überdacht noch auch nur teilweise modifiziert. Ausgehend von ihrem Gesamteindruck von der chinesischen Umwelthygiene beschäftigten sich die deutschen Beschreiber auch speziell mit dem Problem der Entsorgung von Abfallstoffen wie Abwasser, Unrat und Fäkalien, deren konkrete Ausgestaltung die hygienischen Zustände der Umwelt in China maßgeblich bedingte. Hinsichtlich der konkreten Methoden zur Beseitigung von Abwasser berichtete der Militärarzt Dr. Velde vom freien Ausguss auf die Straße und der unbenutzbaren Kanalisation in Shandong.²⁹⁰ Der Marinearzt Dr. Arimond beschrieb den endgültigen Verbleib der Abwässer in Shandong: „Von hier gelangen die flüssigen Theile, soweit sie nicht an der Luft verdunsten oder vom Erdboden aufgesogen werden, direct oder auf allerlei Umwegen schliesslich in einen der oben gedachten Wasserläufe oder Teiche innerhalb der Stadt.“²⁹¹ Obwohl der Schwerpunkt ihrer Beschreibungen unterschiedlich gesetzt war, beschrieben sowohl Velde als auch Arimond die ungeregelten Zustände der Abwasserentsorgung. Demgegenüber berichtete der Militärarzt Dr. Mayer, der die chinesischen Hygienezustände stets detailliert beobachtete, über die unterschiedlichen Arten der Abwasserentsorgung in Beijing: „Das Wasch- und Spülwasser wird in größeren Häusern teilweise in Tontöpfe gegossen, aus denen es wiederum abgefahren wird. Kleinere Haushaltungen gießen es einfach auf die Straße.“²⁹² Gleich dem Abwasserproblem wurde in der deutschen Beschreibung ebenfalls die ungeregelte Entsorgung von Abfall hervorgehoben. Der Kehricht werde
Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 40. Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 494. Arimond, Brief aus Kiautschou, S. 238. Mayer, Hygienische Studien, S. 16.
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wie alle Küchenabfälle „meist einfach auf die Straße geworfen“,²⁹³ berichtete der Missionsarzt Dr. Vortisch aus der Provinz Guangdong. Weiterhin wurde auch die allgegenwärtige und ungeregelte Häufung von Unrat in der Öffentlichkeit beschrieben. Mayer schilderte: Außerhalb der Stadttore, wo die verschiedenen Kamel- und Wagentransporte u. s. w. halten, haben sich längs der Straßen ganze Berge von Unrat gesammelt. Durch die oben genannten Abfuhrunternehmer wird der Unrat teilweise direkt der Feld- und Gartenbau treibenden Bevölkerung in und außer der Stadt gebracht; teilweise erst nach einer Vorbehandlung, welche man namentlich längs der Außenseite der Ost- und Nordmauer der Tatarenstadt beobachten kann. Der Unrat wird hier ausgebreitet und an der Sonne getrocknet, erst dann weiter verkauft […]. Außerdem werden die Abfälle auch noch in die Reste der Kanäle geschüttet, soweit dieselben noch Öffnungen besitzen, der flüssige Teil versickert im Boden. Für die Vorstädte und die den Toren nahe gelegenen Stadtviertel ist die große Unratsammelstelle der Stadtgraben, gleichgiltig ob er trocken ist oder Wasser führt.²⁹⁴
Im Gegensatz zu der neutralen Beschreibung durch Mayer wählte der Militärarzt Dr. Wolffhügel eine abwertendere Formulierung, wobei beide grundsätzlich die gleichen Umstände beobachteten: In den von Europäern nicht bewohnten Stadtteilen sieht man den Unrat in hohen Haufen angesammelt liegen, bis er vielleicht einmal in der Regenperiode die Strasse entlang fortgeschwemmt wird oder bis ihn die in zahlloser Menge herrenlos herumlaufenden Hunde aufgezehrt haben. Ein öffentliches Abfuhrwesen gibt es nicht. Befällt den Chinesen einmal eine besondere Reinlichkeitsanwandlung, dann trägt er seine Abfälle in einen der nächsten Gräben oder Wassertümpel. In Paotingfu durchzog ein offener, mit stinkender Jauche gefüllter Graben unseren Belegungsbezirk; er war offenbar als Abzugskanal gedacht, denn er war unter der Stadtmauer durchgeleitet und mündete in den Stadtgraben. Da ihm aber jedes Gefälle fehlte, stagnierte der Inhalt und war in Fäulnis übergegangen.²⁹⁵
Durch das Anführen und die Beschreibung derartiger Einzelheiten hinsichtlich der Abfallentsorgung wurde die Unreinlichkeit und Unordnung der Chinesen verdeutlicht. Durch den Hinweis auf die von Chinesen bewohnten Stadtteile markierte Wolffhügel diese Art der Abfallentsorgung als chinesisches Charakteristikum, das sich deutlich vom europäischen unterschied, wodurch sich sein rassisches Bewusstsein zeigte. Bezüglich der Fäkalienentsorgung in China wurde vor allem die chinesische Art der Beseitigung und Bearbeitung von Fäkalien ausführlich behandelt. Der
Vortisch, Land und Volk, S. 648. Mayer, Hygienische Studien, S. 16 – 17. Wolffhügel, Truppenhygienische Erfahrungen, S. 2149.
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Marinearzt Dr. Podestà stellte fest, dass die Exkremente „bei dem vorläufig noch fehlenden Anschluss an das Kanalisationsnetz nach wie vor ihren Weg als wertvolles Dungmaterial auf die benachbarten Gärten und Felder finden“.²⁹⁶ In dem Hinweis auf den vorläufigen Mangel an einem modernen Kanalisationsnetz in China ist der westliche Standpunkt Podestàs zu erkennen, von welchem ausgehend die Einrichtung der Kanalisation in China notwendig und möglichst bald zu verwirklichen sei. Zugleich wird seine Sicht auf die Rückständigkeit der traditionellen chinesischen Methode deutlich. Aus bakteriologischer Sicht wurde die chinesische Art der Fäkalienentsorgung von den deutschen Beschreibern zudem als krankheitserregend aufgefasst. Der Militärarzt Dr. Herhold berichtete von ihren schädlichen Folgen: So sammelt sich denn im Laufe der Jahre auf der Oberfläche Schicht an Schicht eine aus Schutt, Abfallstoffen aller Art und Koth zusammengesetzte, immer stärker werdende Kruste an, in welcher natürlich die Bakterien der mannigfachsten Art ihre Vegetationen ausbreiten. […] Diese verseuchte Erdschicht kann einmal dadurch schädlich wirken, dass sie, aufgewirbelt, an den Menschen direkt oder durch den Genuss bestaubter Esswaren gelangt. Namentlich wird ein Aufwühlen des Bodens bei Erdarbeiten die schwersten Folgen haben können.²⁹⁷
Auf medizinisch-theoretischer Ebene bemerkte Herhold zudem: „Daher tritt auch wohl der Tetanus hier häufiger auf als in europäischen Gegenden.“²⁹⁸ Ebenso aus medizinischer Perspektive führte der Militärarzt Dr. Assmy im Zuge der Analyse des häufigen Auftretens der Ankylostoma-Krankheit unter lokalen Gärtnern und Reisbauern die Verbreitung dieser Krankheit darauf zurück, dass „fast ausschließlich mit menschlichen Exkrementen“ gedüngt werde.²⁹⁹ Der Missionsarzt Dr. Wittenberg sah in der Gemüsedüngung mit menschlichen Exkrementen eine Teilursache der Übertragung der Dysenterie.³⁰⁰ Im Vergleich dazu fielen einige Darstellungen der chinesischen Verarbeitungsweise menschlicher Fäkalien tendenziell positiv aus. Diese Sichtweise stellte die Fortsetzung einer zeitgenössischen Einstellung dar. „In mid-nineteenth-century Europe, a few voices expressed admiration for an ‚Oriental‘ approach to the Podestà, Hans: „Entwicklung und Gestaltung der gesundheitlichen Verhältnisse bei den Besatzungstruppen des Kiautschou-Gebietes. Im Vergleich mit der Marine und unter besonderer Berücksichtigung von Örtlichkeit und Klima im Tsingtau“, in: Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 38, 14 (1909), S. 597. Herhold, Krankheiten mit Bezug auf Klima und Boden, S. 644. Herhold, Krankheiten mit Bezug auf Klima und Boden, S. 480. Assmy, Bericht über den Betrieb der Poliklinik Chungking, S. 84– 85. Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen, S. 9.
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circulation and recycling of human waste.“³⁰¹ So bewunderte etwa der bekannte deutsche Chemiker Justus von Liebig (1803 – 1873) „the civilizations of China and Japan for sustaining high agricultural production for thousands of years through the application of human waste to the soil“.³⁰² Auch wenn derartige Ansichten weder den Diskurs dominierten noch von langer Dauer waren, konnten sie dennoch einen gewissen Einfluss geltend machen. Der Marinearzt Dr. Arimond erklärte, dass „kein europäischer Bauer den Chinesen in der Werthschätzung und rationellen Verwendung des Düngers übertreffen dürfte“.³⁰³ Der Missionsarzt Dr. Olpp, der den Konsum von mit Fäkalien gedüngten oder gegossenen Gartenprodukten als Salat strikt ablehnte,³⁰⁴ räumte auch Vorteile dieser Verarbeitungsweise ein: Die in manchen Gegenden Chinas geübte Methode, menschliche Exkremente monatelang in großen, zementierten, wasserdichten Gruben aufzubewahren, ist insofern gut, als die Embryos der Ankylostomen nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei einen bestimmten Grad von Luft und Erde brauchen, im anderen Falle aber absterben.³⁰⁵
Klar ist, dass die Ansicht Olpps ebenfalls auf wissenschaftlicher Analyse basierte, die sich vermutlich aber entsprechend seinem Einsatzort auf die Provinz Guangdong beschränkte. Die unterschiedlichen Gebräuche in der Verarbeitung von menschlichen Exkrementen im Norden und Süden Chinas dürften einer der Gründe dafür gewesen sein, dass Olpp bezüglich der Bewertung der Verarbeitungsmethoden anderer Meinung war als Herhold, der vor allem die Zustände im nördlichen China beobachtete. Deutlich wird, dass die deutschen Beschreiber den konkreten chinesischen Methoden zur Entsorgung von Abfallstoffen grundsätzlich ablehnend gegenüberstanden und sie durch eine Reihe von negativen Formulierungen wie „Unordnung“, „Schmutz“, „Verpestung“ und „Krankheitsübertragung“ charakterisierten. Auf dieser Basis wurde ein Bild gestaltet, in dem die chinesischen Methoden der Abfallentsorgung die Umwelthygiene verschlechterten, den Ausbruch und die Verbreitung von Krankheiten verursachten und die Rückständigkeit Chinas symbolierten. In dieser Konstruktion spiegelten sich einige typische Konzeptionen der modernen westlichen Hygiene. Zunächst ist zu bemerken, dass die hygienische
Rogaski, Hygienic Modernity, S. 222. Ebd. Arimond, Brief aus Kiautschou, S. 238. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 51. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 87.
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Tätigkeit einer offiziellen gesetzlichen Aufsicht unterliegen und auf Basis medizinischer Erkenntnisse durchgeführt werden sollte. Zweitens konnte die systematisch und wissenschaftlich begründete Hygiene als Kriterium der Modernität angesehen werden. Die deutschen Beschreiber, deren Standpunkte sich zum Teil aus diesen Konzeptionen ableiteten, zum Teil auch aus der Praxis in China weiterentwickelt wurden, beurteilten die chinesischen Methoden der Abfallentsorgung. Insofern handelte es sich dabei nicht nur um subjektiv geprägte Urteile, sondern auch um eine Vielzahl von medizinischen Analysen, die auf objektiven Beobachtungen und wissenschaftlichen Theorien basierten. Dies zeigt sich ebenso deutlich bei der Darstellung der Lebensmittelhygiene in China, für die sich die deutschen Beschreiber ebenfalls interessierten.
Lebensmittelhygiene in China Auch die Lebensmittelhygiene in China bildete einen wichtigen Bestandteil der deutschen Beschreibung des chinesischen öffentlichen Gesundheitssystems während der Kolonialzeit. Laut der deutschen Beschreibung der Trinkwasserhygiene stammte das Trinkwasser in China zum einen direkt aus dem Oberflächenwasser. Obwohl einige positive Meinungen über die Hygiene des chinesischen Oberflächenwassers existierten,³⁰⁶ äußerte sich die Mehrzahl der deutschen Beschreiber dazu durchweg negativ.³⁰⁷ Dabei kann die Beschreibung des Bai-Flusses als Beispiel angeführt werden. Der Bai-Fluss ist eine wesentliche Wasserquelle in der Region Tianjin-Beijing und viele deutsche Beschreiber, vor allem die in dieser Region tätigen Militärärzte, schilderten gelegentlich ihrer Arbeit seinen Zustand. „Der Peiho ist die einzige Wasserquelle hier und allerdings nicht die allersauberste und gesundeste“, bemerkte der Marinearzt Dr. Friedel im Jahr 1863 und schrieb: Anders ist es aber mit dem Peiho-Wasser; dieses ist schon der Nase und dem Auge verdächtig, und lässt durch den Geschmack auch vermuthen, was die chemische Untersuchung bestätigt. Das Wasser ist zur Fluthzeit trübe, gelb, nach fauligen animalischen Substanzen schmeckend, enthält, wie die Prüfung mit Silbersalpeter nachweist, eine bedeutende Menge Kochsalz und eine Menge mikroskopischer, theils todter, theils lebender Organismen, namentlich Colpoden, Eughonen und Larvenformen von allerhand Schnaken und Mücken; auch viele farblose schleimige Algenfäden. Da sämmtliche Cloaken und Rinnsteine in den
Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 68, 135; Morgenroth/Eckert, II. Bericht, S. 57. Arimond, Brief aus Kiautschou, S. 239; Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 494; Navarra, China und die Chinesen, S. 929; Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 415; Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 29.
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Fluss münden, so ist eine Beimengung von Koth- und Schmutzmassen nicht verwunderlich. Zur Ebbezeit ist das Wasser etwas klarer, weniger brakisch und stinkend, aber doch unpräparirt ganz ungeniessbar.³⁰⁸
Friedel kritisierte die Wasserqualität des Bai-Flusses, aber er bestätigte gewissermaßen den Zustand des Bai-Flusses zur Ebbezeit. Durch die genaue Darstellung der Quelle seiner Schlussfolgerungen, hier auf der Grundlage praktischer Beobachtungen und chemischer Analysen, gestaltete sich die Beschreibung Friedels als objektiv und glaubwürdig. Im Vergleich dazu beruhten die von den Militärärzten Dr. Krause und Dr. Perthes gegebenen Beschreibungen vollständig auf eigenen praktischen Beobachtungen und zeigten einen stärker negativen Standpunkt. Krause meinte, dass das Wasser des Bai-Flusses sehr schädlich für die Gesundheit sei und berichtete: Wenn man in Tientsin am Ufer des Peiho sah, was an faulender, verwesender Materie, Thierleichen, Excrementen, Speiseresten etc. dem Flusse anvertraut wurde, musste man sich wundern, dass nicht der grösste Theil der Bevölkerung der Ruhr und anderen Infectionskrankheiten zum Opfer fällt.³⁰⁹
Auch Perthes schilderte den Unrat und die zahlreichen Leichen im Bai-Fluss und stellte fest, dass dessen Wasser daher ungenießbar sei.³¹⁰ Diese negativeren Darstellungen dürften eng mit dem Zeitpunkt in Zusammenhang stehen, zu dem Krause und Perthes in China eintrafen. Sie trafen während der Boxerbewegung 1900/01 ein und die damalige Lage des Bai-Flusses, in dessen Gebiet viele Gefechte ausgebrochen waren, hatte sich deutlich verschlimmert. Durch systematisch durchgeführte Wasseruntersuchungen stellten die Militärärzte Dr. Morgenroth und Dr. Eckert, die zur gleichen Zeit wie Krause und Perthes in China eintrafen, den Verschmutzungsgrad des Wassers des Bai-Flusses fest: Das Wasser des Peihos selbst wies einen dauernd annährend gleichen Keimgehalt auf von durchschnittlich 3000 Keimen im ccm. Weder die grosse Hitze noch starke Regengüsse führten hierin eine wesentliche Aenderung herbei, ebenso wenig das Einsetzen der Dschunkenschifffahrt. Es zeigt sich auch, dass der Peiho bereits oberhalb Tientsins derartig stark verunreinigt ist, dass durch die Zuführung der Abwasser der Stadt eine auffällige Erhöhung des Keimgehalts nicht eintritt.³¹¹
Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 59 – 60. Krause, Der Stand der Heilkunde, S. 69. Perthes, Briefe aus China, S. 33. Morgenroth/Eckert, II. Bericht, S. 58.
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Festzustellen ist, dass die Darstellungen, die auf praktischen Beobachtungen gründeten, vornehmlich durch die Betonung der physikalischen und biologischen Beschaffenheit des Wassers wie Trübheit, Schmutzigkeit und Gestank dessen gesundheitsgefährdende Qualität erläuterten, während die auf chemischen Untersuchungen basierenden Beurteilungen vor allem aus bakteriologischer Perspektive erfolgten, also etwa mit Blick auf den Keimgehalt. Auch wenn nicht alle Wahrnehmungen und Beschreibungen auf Grundlage wissenschaftlicher Beweise erfolgten, wurde das Oberflächenwasser in China grundsätzlich als verunreinigt und daher kaum genießbar bezeichnet. Der chinesische Historiker Liang Zhiping 梁志平 weist in seinen Forschungen darauf hin, dass bei der Bewertung der Wasserqualität zahlreiche Kriterien und Normen zur Anwendung kommen. Folglich konnte die tatsächliche Qualität des Trinkwassers im vorindustriellen China unter Heranziehung nur eines einzelnen Maßstabs, insbesondere der sinnlichen Beobachtung, kaum vollständig und wissenschaftlich beurteilt werden.³¹² Nach dieser Erkenntnis dürfte die deutsche vornehmlich visuelle Beobachtung der Qualität des Oberflächenwassers in China, das als Trinkwasser galt, kaum dessen tatsächlichen Zustand repräsentieren, sondern zu einem großen Maß mit dem eigenen kulturellen Hintergrund der deutschen Beschreiber, einschließlich der modernen medizinischen und hygienischen Erkenntnisse, ihrer Lebensgewohnheiten und ihrem allgemeinen Überlegenheitsgefühl, zusammenhängen. Daneben behandelten sie mit Blick auf die Wasserversorgung in China auch die Hygiene des Grundwassers. Brunnenwasser war in China eine wichtige Quelle zur Wasserversorgung. Insgesamt fiel die Beurteilung der hygienischen Zustände des Brunnenwassers unterschiedlich aus. Einerseits wurde das chinesische Brunnenwasser als geeignetes und gutes Trinkwasser bezeichnet. Dies berichteten deutsche Beschreiber aus vielen verschiedenen Regionen des Landes. Der Marinearzt Dr. Friedel berichtete im Jahr 1863 über die Wasserqualität der Brunnen in Yantai in der Provinz Shandong: Das Trinkwasser, welches die in den Niederlassungen der Fremden (und besonders in der französischen Occupations-Enceinte) angelegten Brunnen liefern, ist gut und nur bei Springfluthen etwas brakisch; schon nach 24 Stunden aber ist dies wieder verschwunden.³¹³
Liang Zhiping 梁志平: Xiren dui 1842 nian zhi 1870 nian shanghai diqu yinyongshui shuizhi de renzhi yu yingdui 西人对1842年至1870年上海地区饮用水水质的认知与应对 (Westliche Analyse und Verbesserung der Trinkwasserqualität in Shanghai zwischen 1842 und 1870), in: Nongye kaogu 1 (2013), S. 196. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 68.
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Zu den Verhältnissen in Guangzhou bemerkte Friedel: „Die festen Stadttheile haben grösstentheils Brunnen, die ein gutes und reichliches Trinkwasser liefern.“³¹⁴ Der ebenfalls in der Provinz Guangdong tätige Missionsarzt Dr. Vortisch teilte im Jahr 1914 diesen Standpunkt: „Das Wasser für den Haushalt wird zum Teil aus Ziehbrunnen geschöpft, die meist schönes, klares Grundwasser liefern.“³¹⁵ Erkennbar ist, dass die positiven Urteile, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Orten gefällt wurden, vor allem auf praktischen Beobachtungen in China beruhten.Vortisch, der eine insgesamt negative Haltung zur chinesischen Hygiene einnahm, räumte infolge seiner zunehmenden praktischen Erfahrung mit den hygienischen Umständen in China zwar einige positive Aspekte ein, was aber nicht zu einer völligen Revision seines Gesamteindrucks von der chinesischen Hygiene führte. Demgegenüber wurde das Brunnenwasser in China auch häufig negativ bewertet und als verunreinigt,³¹⁶ nicht den Anforderungen der Trinkbarkeit entsprechend,³¹⁷ in rohem Zustand gesundheitsgefährlich³¹⁸ und als sogar „in abgekochtem Zustande unbrauchbar“³¹⁹ beschrieben. Diese negativen Bewertungen erfolgten vor allem durch die während der Kolonialzeit in China tätigen deutschen Militärärzte. Folglich dürfte die Ursache für die differierenden Einschätzungen in den unterschiedlichen Arbeits- und Beobachtungsorten und -zeitpunkten in China zu finden sein. Da die von ihnen vorgelegten Beschreibungen insbesondere auf eine bessere Gewährleistung der Gesundheit der deutschen Besatzungstruppen in China abzielten, basierte die Mehrzahl der negativen Bewertungen auf wissenschaftlichen Beobachtungen und Analysen. Einige davon waren direkt verbunden mit chemischen Untersuchungen. Der Militärarzt Dr. Perthes berichtete über das Ergebnis der Untersuchung des Brunnenwassers in Beijing: Kollege M. hat eine hygienische Untersuchungsstation eingerichtet; er ermittelte, daß das den hiesigen Ziehbrunnen entnommene Wasser nicht nur eine unglaubliche Menge von
Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 115. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 29. Herhold, Krankheiten mit Bezug auf Klima und Boden, S. 644; Kaether, Die Medizin in China, S. 893. Morgenroth/Weigt, Wasserversorgung, S. 782; Uthemann/Fürth, Tsingtau, S. 17. Wolffhügel, Eugen: „Truppenhygienische Erfahrungen in China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 50, 47 (1903), S. 2055; Herhold, Die Hygiene bei überseeischen Expeditionen, S. 16. Morgenroth/Eckert, II. Bericht, S. 57– 58; Mayer, Hygienische Studien, S. 87.
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Bakterien, sondern auch eine mannigfaltige Fauna von Infusorien und niedern Krebsen enthielt, daneben viel Salz und salpetrige Säure, daß es also schlechter kaum denkbar ist.³²⁰
Auch die Militärärzte Dr. Morgenroth und Dr. Eckert berichteten: Unsere systematisch durchgeführten Wasseruntersuchungen haben ergeben, dass in der Peiho-Ebene – in Tientsin, Tongku, Jang-tsun, Langfang, Peking – kein Grundwasser selbst durch tiefer gehende Bohrungen auffindbar ist, das als einwandfrei und zu menschlichem Genusse geeignet ohne Weiteres bezeichnet werden konnte. Es war stets ein derartig hoher Keimgehalt vorhanden – 5000 Keime und darüber im ccm –, dass wir uns genöthigt sahen, alles Wasser zum Gebrauch abkochen zu lassen.³²¹
Infolge des experimentell bewiesenen hohen Keimgehaltes wurde die Qualität des Brunnenwassers als Trinkwasser heftig bestritten, wobei sich die wissenschaftliche Herangehensweise der deutschen Beschreiber in der Kolonialzeit zeigte. Weiterhin spiegelten sich auch in der deutschen Beschreibung des Brunnenwassers subjektive Ansichten. So befand etwa der Militärarzt Dr. Mayer, der bei der Beschreibung der chinesischen Umwelthygiene rassistisch geprägte Vorstellungen durchscheinen ließ, es könne „als ausgeschlossen bezeichnet werden“, „innerhalb der Mauern Pekings einwandloses Trinkwasser zu erhalten“, und warnte, „bei der Durchlässigkeit des Bodens“ sei jederzeit eine Bakterieninvasion möglich, „welche Gefahr nur verringert würde, wenn es gelänge, Chinesen auf weite Strecken von der Entnahmestelle absolut fern zu halten“.³²² Hier wurden die Chinesen von Mayer offensichtlich als Ansteckungsquelle betrachtet. Deutlich wird, dass nicht nur sinnliche Eindrücke, sondern auch wissenschaftliche Daten und subjektive Mentalitäten eine Rolle bei der deutschen Beurteilung der chinesischen Trinkwasserhygiene spielten. Dieses Urteil wurde vor allem von den Militärärzten konstruiert, die infolge ihrer Arbeit dem chinesischen Trinkwasser mehr Aufmerksamkeit schenkten. Es verstärkte das ungeordnete Bild vom chinesischen öffentlichen Gesundheitswesen und implizierte die Schwierigkeit der direkten Beschaffung des einwandfreien und harmlosen Trinkwassers in China, wodurch auch die Wichtigkeit sowie Notwendigkeit der Arbeit der Militärärzte in China in gewissem Sinne hervorgehoben wurde. Neben dem Trinkwasser wurde auch die Qualität von chinesischen Nahrungsmitteln wie Obst, Gemüse, Fleisch und Reis von vielen deutschen Beschreibern diskutiert. Dabei wurden nicht nur die Nahrungsmittel selbst als ge-
Perthes, Briefe aus China, S. 60 – 61. Morgenroth/Eckert, II. Bericht, S. 57– 58. Mayer, Hygienische Studien, S. 86.
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sundheitsschädlich bezeichnet, sondern beispielsweise auch die Methoden ihrer Produktion und der Aufbewahrung kritisiert und vielfach als Ursache für ihre Verschmutzung befunden. Nicht selten wurden Nahrungsmittel für die deutschen Truppen und andere in China arbeitende Deutsche direkt von Chinesen bezogen, weshalb sich einige deutsche Militärärzte mit der Qualität ihrer Hygiene beschäftigten. Insgesamt befanden sie das chinesische Obst, Gemüse, Fleisch sowie den Reis aus hygienischer Perspektive für unreinlich und sogar ungeeignet für den menschlichen Konsum. „Das Essen von chinesischem Obst, Birnen, Pfirsiche[n], Aprikosen, Trauben, die häufig von Kulis zum Kaufe angeboten wurden, war streng verboten“, erläuterte der Militärarzt Dr. Wolffhügel, der in hohem Maße von rassischen Ideen geprägt war, und führte aus: „Die Gesundheitsgefährlichkeit lag nicht nur an der Frucht an und für sich, sondern vielmehr noch an zufälligen Beschmutzungen derselben durch die Händler.“³²³ Als überzeugenden Beweis der Gefährlichkeit des Genusses von chinesischem Obst führte Wolffhügel ein praktisches Beispiel an.³²⁴ Hierbei führte er die Ruhrerkrankung der deutschen Soldaten direkt auf den Genuss der chinesischen Birnen zurück, wodurch die mangelnde Hygiene des chinesischen Obstes und die dadurch herbeigeführte Gesundheitsgefahr kritisiert wurden. Dass die Ruhr eine in der Kolonialzeit unter den europäischen Besatzungstruppen in China sehr häufig auftretende Krankheit war und durch viele Faktoren verursacht werden konnte, war bereits bekannt. Ausgehend davon spiegelte seine Meinung gewissermaßen einen unsachlichen und diskriminierenden Standpunkt wider. Auch dadurch, dass Wolffhügel das pandemische Auftreten von Unterleibstyphus und Ruhr unter Chinesen ihrer Düngung mit menschlichen Fäkalien und dem Konsum von halbgarem oder ganz rohem Gemüse zuschrieb,³²⁵ bekräftigte er seine Behauptung, dass der direkte Konsum von chinesischem Obst und Gemüse ungesund sei. Festzustellen ist, dass die negative Auffassung Wolffhügels von der Qualität des chinesischen Obstes und Gemüses auf Grundlage seiner praktischen Beobachtungen und medizinischen Theorien erfolgt sein dürfte und zudem mit eigenen subjektiven Wahrnehmungen in Zusammenhang stand. Bei der deutschen Beschreibung von chinesischem Fleisch wurden vor allem die schmutzige Tierzucht³²⁶ und das von zahlreichen Schmarotzern und Keimen
Wolffhügel, Truppenhygienische Erfahrungen, S. 2057. Ebd. Ebd. Ebd.
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erfüllte Fleisch³²⁷ betont. Mit solchen Formulierungen wurde die Hygiene von fleischlichen Lebensmitteln in China negativ dargestellt und diese als unappetitlich, unzuträglich und gefährlich porträtiert.Wie bei der Beschreibung von Obst und Gemüse, bildeten sich derartige Einschätzungen nicht nur auf der Basis von Parasitologie, Mikrobiologie und anderen medizinischen Theorien, sondern dürften auch oder sogar noch mehr durch einige Elemente subjektiver Natur beeinflusst worden sein. Beispielsweise kritisierte der Missionsarzt Dr. Vortisch „das in manchen Gegenden der Kantonprovinz angewandte Verfahren, alles Fleisch zum Verkauf mit Wasser einzuspritzen“³²⁸ und äußerte sich dazu ablehnend mit Blick auf die bakterielle und parasitische Infektionsgefahr.³²⁹ Aber im Vergleich dazu hoben mehr deutsche Beschreiber die mangelnde Eignung des chinesischen Fleisches für Europäer hervor. Das chinesische Schweinefleisch sei für die meisten Europäern nicht als Nahrung nutzbar, behauptete der Militärarzt Dr. Velde.³³⁰ Der Militärarzt Dr. Wolffhügel stellte fest: „Fleischwürste sind auch dem Chinesen bekannt, ihre Zubereitung aber weder dem Geschmacke, noch der Gesundheit der Europäer zuträglich.“³³¹ Auch Velde und Wolffhügel waren Vertreter der stark von Überlegenheitsgefühl beeinflussten Gruppe deutscher Beschreiber, was bereits in ihren anderen Beschreibungen deutlich wurde. Ihre Ansicht war zugleich auch durch ihre berufliche Tätigkeit bedingt. Als Militärärzte richteten sie ihre Aufmerksamkeit vorrangig auf die Gesundheit der deutschen Truppen und sprachen sich strikt gegen lokal bezogene Nahrungsmittel aus. Da Reis das Hauptnahrungsmittel im Süden Chinas darstellte, stammten die diesbezüglichen Beschreibungen vor allem aus der Feder der in den südlichen Gebieten tätigen deutschen Beschreiber. In ihren Darstellungen wurde vor allem die lokale Art der Aufbewahrung von Reis als unhygienisch und krankheitserregend bewertet. Der Missionsarzt Dr. Olpp berichtete aus Guangdong: Dieser wird nach dem Schneiden auf dem Acker büschelweise in einen Holzzuber ausgeschleudert (gedroschen), das Korn an der Sonne getrocknet und verstaut, bis es zum Gebrauch enthülst wird. Die Art der Aufbewahrung (in feuchten, dumpfen Räumen) gibt Veranlassung zu Schimmelbildung und chemischen Veränderungen, die mit der Entstehung der
Wolffhügel, Truppenhygienische Erfahrungen, S. 2057; Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 47; Vortisch, Land und Volk, S. 644. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 27. Ebd. Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 500. Wolffhügel, Truppenhygienische Erfahrungen, S. 2057.
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Beriberi in Zusammenhang gebracht werden und bei dem cured rice, d. h. kurz überbrühten Reiskorn, der Indier, nicht auftreten.³³²
Aus Hongkong berichtete der Missionsarzt Dr. Vortisch: Ebenso gesundheitsschädlich ist es, wenn die Leute in der Stadt ihren Reis auf die offene Straße streuen, um ihn zu sonnen; in Hongkong sah ich auf dem gleichen Platze, wo pestverdächtiger Hausrat verbrannt zu werden pflegt, zeitweise Mehl oder Reis oder ähnliches auf Matten, oder neben dem Platz auf dem bloßen Weg ausgebreitet, um es zu lüften und zu sonnen! Wieviel böse Keime werden da beim Einsammeln in die Säcke oder Körbe hineingewischt. Die Sanitätspolizei in Hongkong geht zum Teil sehr rigoros vor zur Vernichtung ansteckender Krankheiten und läßt oft ganze Haushaltungen verbrennen! Aber andererseits läßt sie vielfach das Volk machen, was es will; so schlukt man Kamele und seigt Mücken!³³³
Ihre Beschreibungen hatten unterschiedliche Schwerpunkte, jedoch waren ihre Ansichten in theoretischer Hinsicht an medizinischen Erkenntnissen orientiert, insofern sie warnten, dass die beschriebene Art der Aufbewahrung nicht nur den Reis an sich beeinträchtigen, sondern auch zum Ausbruch und zur Übertragung von Krankheiten führen konnte. Vortisch stellte auch fest, dass die mangelnde Unterbindung derartiger Methoden zum Lüften und Sonnen des Reises eine erfolgreiche Bekämpfung von Infektionskrankheiten verhinderte, worin sich seine Überzeugung von der Notwendigkeit einer modernen hygienischen Erziehung und Regulierung der chinesischen Bevölkerung ausdrückte. Zu ersehen ist, dass die Meinungen der deutschen Beschreiber von der Hygiene der Nahrungsmittel in China stark negativ waren. Die Missionsärzte und Militärärzte bezeichneten aus unterschiedlichen Perspektiven die Nahrungsmittel der Chinesen als unhygienisch und wiesen auf die Unaufmerksamkeit und Unkenntnis der Chinesen hinsichtlich der Nahrungsmittelhygiene hin, wobei die Militärärzte auf dieser Basis mehrmals noch die Ungeeignetheit der chinesischen Nahrungsmittel für die Europäer in China betonten und demgemäß das stärkere rassische Überlegenheitsgefühl zeigten.
Zusammenfassung In der Gesamtbetrachtung nahmen die negativen Einschätzungen in der deutschen Beschreibung des öffentlichen Gesundheitssystems in China in der Kolonialzeit einen wichtigen Platz ein. Die systematische Gewährleistung der Hygiene im öffentlichen Bereich sei in China nicht gegeben. Theoretisch fehle es ihr an Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 47. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 27.
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medizinischer Grundlage und Unterstützung. Diese Meinung bildete die Hauptüberzeugung der deutschen Beschreibung des öffentlichen Gesundheitssystems in China. Darüber hinaus wurde diese negative Meinung noch durch wissenschaftliche Formulierungen, in denen die hygienischen Zustände der chinesischen Umwelt und Nahrungsmittelversorgung nach westlichen medizinischen Theorien oder als experimentelle Ergebnisse erläutert wurden, glaubwürdig dargestellt. Ursächlich betrachtet spiegelte diese negative Betrachtungsweise einerseits das kulturelle und nationale Überlegenheitsgefühl der deutschen Beschreiber und ihren modernen medizinischen und hygienischen Hintergrund wider, insbesondere die seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland aufkommende Beachtung der Hygiene im öffentlichen Bereich und die durch die Implementierung einer Reihe von offiziellen Maßnahmen herbeigeführte Verbesserung der hygienischen Zustände im öffentlichen Raum sowie bei den Nahrungsmitteln. Vor diesem Hintergrund wurde das unregulierte Modell im Bereich der öffentlichen Hygiene in China häufig als rückständig und schädlich für Umwelt und Nahrungsmittel betrachtet. Gemäß den Forschungsergebnissen von Yu Xinzhong waren die traditionellen chinesischen Denk- und Handlungsweisen in Bezug auf die öffentliche Hygiene unter den damaligen historischen Bedingungen trotz der schwachen Aufsicht durch die Regierung in der Lage, das ökologische und soziale Gleichgewicht wirksam zu halten.³³⁴ In der Zeit der späten Qing-Dynastie hingegen bildeten sich unter westlichem Einfluss in den urbanen Zentren der südöstlichen Küstenregion allmählich einige Veränderungen hinsichtlich der öffentlichen Hygiene heraus, wie die Regulierung von Straßen und die Aufsicht über die Abfallbeseitigung. Daraufhin setzte im Jahr 1905, in der Zeit der „Neuen Politik“, ein institutionalisierter Wandel auf staatlicher Ebene ein. Diese „positiven“ Aspekte der hygienischen Verhältnisse fanden sich jedoch nur sehr selten in der deutschen Beschreibung und beeinflussten nur zu einem geringen Teil die Meinungen der deutschen Beschreiber. So räumte etwa Olpp den Nutzen mancher Erscheinungen und Verhaltensweisen in der chinesischen Hygiene ein, obgleich er zahlreiche Aspekte der öffentlichen Hygiene in China kritisierte. Die Mehrzahl der deutschen Beschreiber, darunter Mayer und Kaether, waren jedoch der Ansicht, dass die Eigenheiten der chinesischen Gesellschaft,
Yu Xinzhong 余新忠: Qingdai jiangnan de weisheng guannian yu xingwei jiqi jidai bianqian chutan – yi huanjing he yongshui weisheng wei zhongxin 清代江南的卫生观念与行为及其近代变迁 初探–以环境和用水卫生为中心 (An Initial Study of Sanitation Concepts and Behavior in Jiangnan during the Qing Dynasty and Their Vicissitudes in Modern Times), in: Qingshi yanjiu 2 (2006), S. 18.
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wie etwa traditionelle Vorstellungen, Gebräuche und Gesetze, besonders solche abergläubischer Prägung, und die hohe Bevölkerungszahl den Aufbau eines modernen öffentlichen Gesundheitswesens in China und somit auch eine erhebliche Verbesserung der Hygiene im öffentlichen Bereich verhinderten.³³⁵ In diesem Sinne war dieses negative Urteil andererseits auch damit verbunden, eine Begründung der Notwendigkeit der Einführung der europäischen Medizin und des Aufbaus sanitärer Einrichtungen in China durch die Europäer selbst zu liefern, was oft ein unübersehbares Schreibmotiv der deutschen Beschreiber darstellte. Zu betonen ist aber, dass diese negativen Meinungen vielfältig waren und auch einige positive Urteile existierten, weshalb die Meinungen der deutschen Beschreiber zu einem gewissen Teil auch mit ihren praktischen Erfahrungen mit der öffentlichen Hygiene in China zusammenhingen. Nicht nur der unterschiedliche Zeitpunkt und Einsatzort ihres Aufenthalts in China, sondern auch die Art und Weise, wie sich ihre jeweiligen Schlussfolgerungen herausbildeten, also etwa in Form von subjektiver Wahrnehmung, praktischer Beobachtung oder wissenschaftlicher Untersuchung, konnten ihre Erkenntnisse, Einstellungen und Ausdrucksweisen beeinflussen.
3.2 Die individuelle Hygiene von Chinesen Im Gegensatz zur allgemeinen Kritik an der öffentlichen Hygiene in China waren die deutschen Einstellungen gegenüber der chinesischen Individualhygiene weniger einheitlich. Dennoch dominierte auch hier grundsätzlich ein negativer Gesamteindruck. Es gebe in der traditionellen chinesischen Literatur weder in medizinischer noch in gesetzgeberischer Hinsicht Inhalte zur individuellen Hygiene, erläuterte Dr. Hagemann: „Der bekannte Weise und Gesetzgeber Kong-fu-tse (Confusius) [sic] giebt nur Lehren der Moral, die nach seiner Ansicht das leibliche Wohlbefinden des Menschen mitbedingt.“³³⁶ Der Missionsinspektor Witte behauptete, die Chinesen hätten keine Ahnung von gesundheitsgemäßer Körperpflege.³³⁷ Er zeichnete ein schmutziges Bild von den chinesischen Patienten und bezeichnete den Schmutz der Chinesen als wichtige Ursache für ihre Erkrankungen.³³⁸
Vgl. Mayer, Hygienische Studien, S. 24; Kaether, Die Medizin in China, S. 839 – 840. Hagemann, Hygiene der alten Chinesen, S. 468. Witte, Hilfe für die Not, S. 12. Witte, Hilfe für die Not, S. 36.
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Einige deutsche Beschreiber, so etwa Navarra und Vortisch, bemerkten die längere Lebensdauer der Chinesen im Vergleich mit der der Europäer,³³⁹ obwohl diese nach Ansicht der deutschen Beschreiber über die wissenschaftliche Hygiene in Unkenntnis und den Einflüssen harter Lebensumstände ausgesetzt waren. Daher analysierten sie aus unterschiedlicher Perspektive die Ursachen dafür. Allerdings führte diese Analyse infolge des eigenen Überlegenheitsgefühls weder dazu, dass die Theorien der modernen Medizin, an der sie stets festhielten, angezweifelt wurden, noch hatte dies Einfluss auf ihre negative Gesamteinstellung zur individuellen Hygiene der Chinesen. Mehr deutsche Beschreiber beschäftigten sich in der Kolonialzeit mit Teilbereichen der Individualhygiene von Chinesen, wobei die hygienischen Verhältnisse in der Wohnung, die hygienischen Regeln und Gewohnheiten beim Essen und Trinken sowie die persönliche Reinigung relativ viel behandelt wurden.
Hygienische Verhältnisse in der Wohnung Im Ganzen genommen wurden die Wohnverhältnisse der Chinesen von den deutschen Beschreibern als ungünstig³⁴⁰ und hygienisch schlecht³⁴¹ beurteilt. Der Militärarzt Dr. Kaether bezeichnete „die Wohnstätten des chinesischen Volks“ gar „als vorzügliche Brutstätten aller möglichen Infektionskeime“.³⁴² Inhaltlich handelte die Beschreibung der hygienischen Zustände des chinesischen Wohnraums in erster Linie von der Wohnungsstruktur und der Hygiene im Innenraum. Die Wohnverhältnisse wurden häufig als in struktureller Hinsicht unhygienisch dargestellt. Der Militärarzt Dr. Velde berichtete: Während des Winters ist der Kang geheizt; der unter ihm befindliche Feuerheerd hat indessen in der Regel kein Abzugsrohr und lässt also Verbrennungsgase in den Schlafraum entweichen. Die Folge davon ist, dass Vergiftungen durch Kohlenoxydgas von den leichtesten bis zu solchen mit tödtlichem Ausgang, ungemein häufig sind.³⁴³
Daraus geht klar hervor, dass Velde die lokale Art von Heizanlagen ablehnte und die Ansicht äußerte, dass ein solches Heizsystem gesundheitsgefährlich sei. Zudem sah Velde „den mangelhaften Schutz der Wohnungen gegen Winterkälte“ als
Navarra, China und die Chinesen, S. 930; Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 25. Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 498. Dold, Tuberkulose, S. 1039. Kaether, Die Medizin in China, S. 839. Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 490.
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Ursache für das häufige Auftreten des akuten Gelenkrheumatismus in Shandong.³⁴⁴ Auch andere Aspekte der Wohnungsstruktur und ihre hygienischen Auswirkungen wurden berücksichtigt. Die Einrichtung der Häuser spreche jeder Hygiene Hohn, befand der Militärarzt Dr. Assmy, der scharfe Kritik an der chinesischen Hygiene übte, in Chongqing: Licht und Luft werden systematisch ausgeschlossen, und nicht nur in armen Häusern, nein, je reicher ein richtiger Chinese ist, desto dunkler ist sein Haus. Enge, gewundene Straßen, winklig und verzwickt angelegte Gänge und Höfe, hohe Mauern, niedrige Dächer, kleine Türen und nie geöffnete Fenster, alles das ist geeignet, jeden frischen Luftzug und jeden Sonnenstrahl abzuhalten.³⁴⁵
Hierbei hob Assmy hervor, dass der Mangel an Licht und Luft in den Wohnungen ein chinesisches Charakteristikum sei und den Normalzustand darstelle. Licht und Luft wurden ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich zu „wichtigen Schlagworten“ in Bezug auf gesunde Wohnungen in Europa.³⁴⁶ Vor diesem Hintergrund zeigt sich anhand des Schwerpunkts in der Beschreibung Assmys, dass er die Bauart der chinesischen Wohnungen als gesundheitsschädlich ansah. Die Missionsärzte Dr. Olpp und Dr. Vortisch, die ähnliche Erscheinungen in Guangdong beobachteten, teilten den Standpunkt Assmys und bewerteten die Gebäudestruktur des lokalen Wohnraums unter hygienischen Gesichtspunkten ebenfalls negativ.³⁴⁷ Vortisch bemerkte zudem, dass der luftundurchlässige Bau, gepaart mit den fast jedes Jahr ein- bis zweimal auftretenden großen Überschwemmungen, dazu führte, dass lokale Wohnungen nicht trocken bleiben konnten. Er stellte „die oft sehr feuchten Wohnungen“ zum Teil als Ursache für die große Zahl der Rheumatismuskranken unter lokalen Chinesen dar.³⁴⁸ Auch der Missionsarzt Dr. Wittenberg behauptete, dass die weite Verbreitung des chronischen Gelenkrheumatismus eine Folge der „niedrigen, feuchten Wohnungen“ war.³⁴⁹ Dennoch erfolgten auch einige positive Bewertungen, in denen der hygienische Sinn in der Baustruktur chinesischer Wohnhäuser eingeräumt wurde. Der
Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 496. Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 420. Hardy, Anne I.: Ärzte, Ingenieure und städtische Gesundheit. Medizinische Theorien in der Hygienebewegung des 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2005, S. 244. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 48; Vortisch, Land und Volk, S. 647. Vortisch, Statistik einer chinesischen Poliklinik, S. 255 – 256. Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen, S. 11.
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Militärarzt Dr.Wolffhügel stand bei der Beurteilung der Hygiene in China meist auf dem Standpunkt westlicher Überlegenheit, äußerte sich jedoch positiv zu den Lüftungsanlagen der chinesischen Wohnungen: Die Ventilation im Chinesenhaus ist bei der leichten Bauart meist schon eine natürliche. Eine chinesische Vorrichtung, die wir in manchen Quartieren vorfanden, wurde dort, wo sie fehlte, nachgeahmt: Aus dem mit Papier beklebten Holzgitterwerk, welches die vordere Wand des Chinesenhauses darstellt, wurden mehrere große Quadrate ausgeschnitten und mit feinmaschigem Gazestoff beklebt, der durch aufrollbare Papierstreifen wieder bedeckt werden konnte.³⁵⁰
Auch der Militärarzt Dr. Perthes, der sich um eine „objektive“ Einstellung zu den unterschiedlichsten Erscheinungen in China bemühte, befand: „Peking ist, wenigstens in unserm Stadtviertel, der Mandschustadt, zehnmal luftiger gebaut, als die ältern Teile von Leipzig oder Berlin […].“³⁵¹ In ihrer Beschreibung wurden die Lüftungsanlagen in den Wohnräumen, deren Fehlen die oben genannten Beschreiber Assmy, Olpp und Vortisch bemängelten, positiv hervorgehoben. Diese unterschiedlichen Beobachtungen dürften sich vor allem durch die Unterschiede in der Bauart in Nord- und Südchina erklären. Wolffhügel und Perthes waren in der Region Tianjin-Beijing tätig, während sich der Beschreibungsgegenstand von Assmy, Olpp und Vortisch geographisch auf den Süden Chinas beschränkte. In der deutschen Beschreibung der Innenraumhygiene in China herrschte ein negatives Urteil vor. Dabei wurden viele Erscheinungen und Gegenstände des Innenraums, etwa die engen, dunklen und chaotischen Räume, rauchige, staubige und feuchte Luft, ununterbrochene Unratansammlung sowie schmutzige Möbel und Betten dargestellt. Einige dieser Aspekte wurden als krankheitserregend und -übertragend bezeichnet. So wurde etwa der schlechte Zustand von Räumen und Luft bemängelt: Beispielsweise wurden „das enge Zusammenleben“,³⁵² „enges Zusammenleben in schmutzigen, überfüllten Wohnräumen“,³⁵³ „die rauchigen und staubigen Wohnungen“,³⁵⁴ „das enge Zusammenwohnen in schlecht gelüfteten, meistens räucherigen Wohnungen“,³⁵⁵ der Rauch, „in dem sich der Chinese lange aufhält“,³⁵⁶
Wolffhügel, Eugen: „Truppenhygienische Erfahrungen in China“, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 50, 48 (1903), S. 2107. Perthes, Briefe aus China, S. 108. Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 425 – 426. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 61– 62. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 88 – 89. Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 499.
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und das enge gemeinsame und völlig ungeordnete Wohnen³⁵⁷ als Ursachen für das Auftreten und die Verbreitung von Augenkrankheiten unter Chinesen betrachtet. Der Missionsarzt Dr. Wittenberg sah auch das Auftreten der Krätze in allen Schichten der lokalen Bevölkerung als „Folge des engen Zusammenlebens“.³⁵⁸ Der Missionsarzt Dr. Vortisch schrieb die Verbreitung der Tuberkulose unter Chinesen in Teilen „dem großen Schmutz der Chinesen in ihren Häusern“ und „der Übervölkerung in den engen und dunkeln Wohnungen“³⁵⁹ zu. Diese Ansichten beruhten in gewissem Maße auf wissenschaftlichen Theorien und wurden zumeist in medizinischen Zeitschriften veröffentlicht, wodurch die hygienischen Zustände im chinesischen Wohnraum zuverlässig negiert wurden und die Notwendigkeit ihrer Veränderung demonstriert wurde. Neben der medizinischen Perspektive wurde auch die Innenraumhygiene in China durch eine Reihe von subjektiv abwertenden Charakterisierungen scharf kritisiert. So äußerte sich etwa der Missionsarzt Dr. Vortisch negativ über die chinesische Bettwäsche, wie er sie bei der Gelegenheit einer Übernachtung auf einem chinesischen Bauernhof vorfand, wo er im Bett des Gastgebers nächtigte: Ich war naß und fror, aber ich konnte mich nicht überwinden, die von Schmutz klebrige Bettdecke über mich zu ziehen; im Gegenteil, ich schob sie weit weg, und weil mich Ungeziefer am Schlafe hinderte, band ich mir schließlich die Hosen und Ärmel zu. […] Um mich summten und sangen die Moskitos und schnurrige, surrende Wanzen. So war ich froh, „als die Morgenglocken klangen“ und die Hähne krähten, denn damit fand ich Erlösung von dem ebenso harten als schmutzigen Nachtlager.³⁶⁰
Ähnliches hatte auch der Redakteur Navarra zu berichten: „Der Schmutz, den man meist in den chinesischen Häusern antrifft, spottet aller Beschreibung. […] Die Chinesen können in Häusern leben und gedeihen, in denen wir nicht wagen würden, unsere Schweine unterzubringen.“³⁶¹ Dagegen fand die Hygiene in den Wohnräumen der oberen Gesellschaftsschichten in Shanghai in der Beobachtung durch den Militärarzt Dr. Mayer lobende Erwähnung: Anders die Gebäude der besseren Klassen. Hier äußert sich entschieden etwas westlicher Einfluß. Viele reiche Chinesen haben neben ihrem Geschäftslokal im Settlement ihr Wohn-
Pieper, Unkraut, Knospen und Blüten, S. 265. Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen, S. 8. Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen, S. 10. Vortisch, Statistik einer chinesischen Poliklinik, S. 256. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 70 – 71. Navarra, China und die Chinesen, S. 929.
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haus in der City und ihrer Vorstadt. In diesen umfangreichen Gebäuden, nach dem Stil der Pekinger Yamen gebaut, sind nur der oder die vorderen Höfe, in denen sich der Verkehr mit der niederen Außenwelt abspielt, unreinlich. Die eigentlichen Wohnhöfe sind tadellos gefegt, überall nach außen abfallende Spülrohre, überall Topfblumen oder auch kleine Bäumchen, die Zimmer sauber und gemütlich, der Empfangsraum, wie unser ‚Salon‘, mit Luxusgegeständen vollgepfropft, es duftet nach scharfem Parfüm, im inneren Haus sah ich keine schmutzigen Hände, kein schmutziges Geschirr: der begüterte Chinese schafft sich hier ein gemütliches Heim; was außerhalb ist, sieht er nicht in seiner hochgeschlossenen Sänfte.³⁶²
Trotz des Lobs ist allerdings zu beachten, dass Mayer sich hier nicht etwa auf die Hygiene in der traditionellen chinesischen Wohnung bezog, sondern den westlichen Einfluss auf die chinesische Oberschicht positiv hervorhob. Sein Bewertungsmaßstab basierte daher auch vollständig auf westlichen hygienischen Anschauungen. Diese Ansicht reflektierte das westliche Überlegenheitsgefühl Mayers und war zugleich verbunden mit einem zivilisierungsmissionarischen Bewusstsein, von dem ausgehend die deutsche koloniale Expansion in China vorteilhaft und begründet war. Die Ursachen für die mangelhaften hygienischen Zustände im Innenraum wurden von den deutschen Beschreibern aus unterschiedlichen Blickwinkeln analysiert. Der Militärarzt Dr. Mayer führte die Schmutzigkeit des Innenraums auf „die Indifferenz des Chinesen gegen Sauberkeit“³⁶³ zurück. Weitere Analysen der deutschen Beschreiber von Faktoren, die auf die zu bemängelnde chinesische Innenraumhygiene einwirkten, bezogen sich vor allem auf die Gewohnheiten der Chinesen im Innenraum. Dabei wurden etwa die Papierverkleidung von Wand und Decke,³⁶⁴ die ungeordnete Möbelausstattung,³⁶⁵ die qualmenden Räucherkerzen und das Rauchen im Wohnraum,³⁶⁶ das gemeinsame Schlafen vieler Personen im selben Raum,³⁶⁷ die seltene Reinigung der Wohnräume,³⁶⁸ die Unratansammlung innerhalb der Wohnräume,³⁶⁹ das Spucken auf den Boden³⁷⁰ sowie das Abstreichen des Nasenschleims an Tischen und Mayer, Hygienische Studien, S. 92– 93. Mayer, Briefe aus Ostasien, S. 914. Mayer, Hygienische Studien, S. 23. Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 420; Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 35. Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 420. Ebd. Mayer, Hygienische Studien, S. 23; Kaether, Die Medizin in China, S. 839; Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 35 – 36. Mayer, Hygienische Studien, S. 88. Kaether, Die Medizin in China, S. 839.
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Stühlen³⁷¹ und anderes behandelt. Nach Ansicht der deutschen Beschreiber verengten die üblichen Raumausstattungen und Gewohnheiten der Chinesen im Zimmer den inneren Raum der Wohnung und verschlechterten die Luft, den Fußboden und die Möbel. Gleichzeitig wurde der Einfluss dieser Faktoren auch in medizinischer Hinsicht analysiert, wobei einigen Handlungen eine Mitschuld an der Verbreitung von Tuberkulose³⁷² und Ungeziefer³⁷³ gegeben wurde. Diesen Meinungen dürften bestimmte wissenschaftliche Beweise zugrunde liegen, aber sie ergaben sich wahrscheinlich auch aus Gewohnheiten der deutschen Beschreiber heraus, die eigenen kulturellen Hintergründen entsprachen, und ihrem Überlegenheitsgefühl, das sie zur negativen Beurteilung der ihnen ungewöhnlichen Aspekte und zur bevorzugten Berücksichtigung der negativen Seite der chinesischen Lebensgewohnheiten veranlasste. Im Gegensatz dazu schrieb der Missionar Richard Wilhelm die mangelnde Reinlichkeit des chinesischen Landvolks nicht einer ihm inhärenten Einstellung oder Gewohnheit, also etwa „einer chinesischen Passion“ zu, sondern vermutete, dass sie mit chinesischen sozialen Elementen, und zwar der unter ihm vorherrschenden „großen Armut und Dürftigkeit“ zusammenhänge.³⁷⁴ Daraus ist zu ersehen, dass sowohl wissenschaftliche Analysen als auch subjektive Attitüden in der deutschen Beschreibung der hygienischen Verhältnisse der chinesischen Wohnung enthalten waren. Dabei benannten die deutschen Beschreiber die Wohnverhältnisse der Chinesen als eine Ursache für die Gefährdung der Gesundheit; und durch die ursächliche Erläuterung der aus ihrer Sicht „unhygienischen“ Zustände im Innenraum aus der Perspektive der chinesischen Gesellschaft, Einstellungen und Angewohnheiten implizierten sie, dass diese Gefährdung nicht vermeidbar war. Damit stand das Urteil der deutschen Beschreiber über die hygienischen Wohnverhältnisse der Chinesen mit der Darstellung der Rückständigkeit und Unvollkommenheit der chinesischen Medizin oder des Mangels der Chinesen an den Kenntnissen im Bereich der Medizin in Einklang und rechtfertigte auf der medizinischen Ebene die Notwendigkeit der Zivilisierungsmission.
Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 36. Vgl. Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 498; Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 420; Vortisch, Statistik einer chinesischen Poliklinik, S. 256. Kaether, Die Medizin in China, S. 895. Zitat nach Gerber, Von Voskamps „heidnischem Treiben“, S. 349.
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Regeln und Gewohnheiten beim Essen und Trinken Im Vergleich zur Beurteilung der Hygiene hinsichtlich der Wohnverhältnisse der chinesischen Bevölkerung kamen in der Beschreibung der Hygiene im Rahmen der Regeln und Gewohnheiten beim Essen und Trinken heterogenere Ansichten zum Ausdruck. Zunächst wurden die diätetischen Regeln behandelt. Der Militärarzt Dr. Gruenhagen, der eine positive Einstellung zur Erforschung der chinesischen Medizin vertrat, erläuterte: Wenn auch die Begründung uns als eine kindliche oder oberflächliche, äusserliche erscheint, so muss man doch nicht vergessen, dass in diesen vielen Detailregeln manche Wahrheit steckt, die der praktische Sinn des Chinesen längst erkannt hat. Und nach meinen persönlichen Erfahrungen haften jene Regeln viel fester im Volk in der Stadt und auf dem Lande und werden durchgeführt, als es bei den Westländern geschieht. Nur so mag trotz der denkbar ungünstigsten hygienischen Zustände im Lande der relativ hohe Gesundheitszustand erklärt werden.³⁷⁵
Gruenhagen bestätigte die Existenz zahlreicher sinnvoller Regeln und ihren positiven Einfluss auf die Gesundheit der Chinesen, wenngleich er die ihnen zugrunde liegenden Theorien weitgehend ablehnte. Der Missionsinspektor Witte berichtete, die Chinesen hätten in Bezug auf den Nutzen und die Schädlichkeit von Speisen und Getränken sehr genaue, zum großen Teil sehr praktische Regeln, die für das Klima ihres Landes auch von Europäern als durchaus heilsam anerkannt seien,³⁷⁶ schränkte aber zugleich ein: „Diese Regeln, deren Befolgung den armen Leuten aber kaum möglich ist, mindern nicht die entsetzliche Not, die auf allen Kranken in China lastet, und gegen die die Chinesen keine Hilfe haben.“³⁷⁷ Im deutlichen Kontrast dazu standen die Beschreibungen durch den Missionar Leuschner und den Missionsarzt Dr. Vortisch. Das Einhalten strikter Essregeln durch die Chinesen wurde von Leuschner als „oft lächerlich“³⁷⁸ und die Einteilung von Nahrungsmitteln in kältende, erhitzende und gemischte von Vortisch einfach als „kindlich-dumm“³⁷⁹ bezeichnet. Diese unterschiedliche Bewertung der diätetischen Regeln dürfte vor allem von der Einstellung der deutschen Beschreiber zur chinesischen Medizin im Allgemeinen herrühren, insofern die Regeln des Nahrungsmittelkonsums einen in
Gruenhagen, Aus der chinesischen Medizin, S. 6. Witte, Hilfe für die Not, S. 13. Ebd. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 86. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 25.
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tegralen Bestandteil der chinesischen Medizin bildeten. Gruenhagen betrachtete die chinesische Medizin als sinnvoll und erforschenswert, während Leuschner und Vortisch sie nicht hoch schätzten. Unter den konkreten Gewohnheiten der Chinesen beim Essen und Trinken wurde der Genuss von abgekochten Nahrungsmitteln allgemein befürwortet. Andere Ess- und Trinkgewohnheiten wurden dagegen negativ beurteilt und als krankheitserregend bezeichnet. „Die Chinesen trinken daher das Wasser […] nie anders als in Theeaufguss, von dem stets in jedem noch so armen Hause ein Kessel voll am Feuer steht und von dem jedem Besucher sofort ein Schälchen voll angeboten wird“,³⁸⁰ erläuterte der Marinearzt Dr. Friedel in den frühen 1860er Jahren. Etwa 40 Jahre später wurde Ähnliches auch vom Marinearzt Dr. Arimond geschildert: „Es ist aber eine bemerkenswerthe und interessante Thatsache, dass die Eingeborenen – in der Stadt Kiautschou wenigstens – das Wasser, ausser im Nothfall, nur warm (abgekocht?) zu trinken pflegen.“³⁸¹ Die Beurteilung dieser chinesischen Trinkgewohnheiten fiel generell positiv aus, wobei ihre medizinische Bedeutung bei der Verhinderung der Ausbreitung von durch Trinkwasser übertragbaren Krankheiten unterstrichen wurde. „Man wundert sich, daß die Bevölkerung nicht fortgesetzt von schweren Epidemien heimgesucht wird, doch muß man bedenken, daß auch der Ärmste fast nur Tee trinkt und somit auch das Wasser nur in abgekochtem Zustand genießt“,³⁸² stellte der Militärarzt Dr. Perthes fest. Jedoch beobachtete der Militärarzt Dr. Wolffhügel in einigen Fällen auch den Konsum von ungekochtem Wasser: Wir haben in Tientsin Kulis Wasser direkt aus dem schmutzig-gelben Peiho heraus trinken sehen und sie blieben gesund. Der Chinese besitzt sicherlich gegen die Giftstoffe, die sein Wasser enthält, einen gewissen Grad von Immunität; dem Europäer muss man diese Eigenschaft im allgemeinen absprechen.³⁸³
Seine Darstellung zeugt von dem von rassischem Gedankengut geprägten Hintergrund, der sich auch in seiner Beschreibung des öffentlichen Gesundheitssystems in China zeigte. Demgegenüber brachte der Missionsarzt Dr. Olpp seine gegensätzliche Bewertung derselben Erscheinung zum Ausdruck: „Häufig beobachtete ich aber auch, wie Schiffer, Bauern, Kulis, auch Bücherleser ihren Durst
Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 60. Arimond, Brief aus Kiautschou, S. 239. Perthes, Briefe aus China, S. 37. Wolffhügel, Truppenhygienische Erfahrungen, S. 2055.
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mit Flußwasser oder Quellwasser stillten. Schwere Magendarmerkrankungen sah ich infolge solchen unbedachten Verhaltens auftreten.“³⁸⁴ Diese Gegensätze in der Einschätzung lassen sich vermutlich zum einen durch ihre unterschiedlichen kulturellen Einstellungen und beobachteten Bevölkerungsgruppen erklären, zum anderen dürften dabei auch die verschiedenen Schreibmotive eine Rolle spielen. Als Militärarzt versuchte Wolffhügel, durch die Betonung der Unterschiede in der Körperbeschaffenheit zwischen Chinesen und Europäern die Notwendigkeit der Befolgung der hygienischen Verordnungen durch die deutschen Truppen in China, etwa den Konsum von abgekochtem Wasser, zu begründen. Olpp hingegen war bemüht, die hygienischen Gewohnheiten der Chinesen und deren schlimme Folge darzustellen und damit die hygienisch aufklärerische Bedeutung der deutschen ärztlichen Mission in China aufzuzeigen. Die chinesischen Essgewohnheiten beschrieb der Missionsarzt Dr. Vortisch ausführlich: Die chinesische Nahrungsweise hat wohl einige Vorteile; einer davon dürfte der Umstand sein, daß selten etwas roh gegessen wird; in der Regel kocht man alles gar. Aber so viele andre schlechte Maßregeln heben diesen Vorteil wieder auf. Nachteilig wirkt jedenfalls das allzureichliche Fett an den Speisen, namentlich im heißen Sommer; ferner die gemeinsame Benutzung der Schüsseln, ohne eigene Teller, wobei jeder mit seinem bespeichelten Eßstäbchen im Gericht herumrührt. Auch bei der Zubereitung der Nahrung geht es nicht gerade reinlich zu, da die Köche fast alle Speisen mit ungewaschenen Händen direkt anfassen, und sie in den Schüsseln zurecht legen oder glatt streichen; auch das Eßgeschirr und die Eßstäbchen werden sehr nachlässig gewaschen. Es kommt häufig vor, daß man dem Gast das Teeschälchen erst mit dem eigenen Daumen oder mit dem Halstuch ausreibt, um es ihm dann graziös mit Tee zu füllen! Ich habe oft lieber Durst gelitten, als die schmutzigen Tassen oder Reisschüsseln zum Munde zu führen. In den chinesischen Wohnungen und ganz besonders in den warmen Küchen hält sich auch viel Geschmeiß auf, Mücken, Fliegen, Schaben, Wanzen, Schwabenkäfer (sog. Kakrotschen) usw., so daß durch sie leicht allerlei böse Keime abgesetzt werden.³⁸⁵
Hier beschrieb Vortisch den allgemeinen Konsum von abgekochten Speisen in China als gute Angewohnheit, äußerte aber die Ansicht, dass die schlechten Essgewohnheiten eine größere Rolle spielten. Dazu zählte er etwa den hohen Fettgehalt der Speisen, die gemeinsame Benutzung von Schüsseln und Tellern, die unreinliche Nahrungszubereitung, die nachlässige Reinigung von Geschirr und die schmutzigen Küchen. Aus der Wahl dieser Beispiele ist klar erkennbar, dass Vortisch die chinesischen Verhältnisse überwiegend nach den Maßstäben Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 46. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 26 – 27.
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der westlichen Lebensweise beurteilte, und viele negativ-abwertende Formulierungen wie „nachteilig“, „ungewaschene Hände“, „sehr nachlässig gewaschen“ und „die schmutzigen Tassen oder Reisschüsseln“ zeugten von seiner deutlich ablehnenden Haltung zu den Essgewohnheiten der Chinesen. Mehr kritische Standpunkte zu chinesischen Ess- und Trinkgewohnheiten wurden auf der medizinischen Ebene erläutert. So beschrieben etwa die Militärärzte Dr. Friedel und Dr. Kaether und der Missionsarzt Dr. Wittenberg diese als Ursache für die unter Chinesen häufig auftretenden Magenkrankheiten, insbesondere Verdauungsstörungen. Dabei wurde das Essen „von gesalzenen Fischen“,³⁸⁶ von „zu scharf gewürzte[n] Speisen hauptsächlich vegetabilischer Natur“³⁸⁷ und „der vielfach schlecht gekochten und vom Straßenstaube stark verunreinigten und beschmutzten Speisen“³⁸⁸ genannt sowie „die vegetabilische Diät, welche die Leute zwingt, unverhältnissmässig grosse Quantitäten zu sich zu nehmen, um sich auf Stoffwechselgleichgewicht zu erhalten“,³⁸⁹ „die Unregelmäßigkeit in der Aufnahme der Speisen“³⁹⁰ sowie das übermäßige Teetrinken³⁹¹ und anderes. Diese Einschätzungen der Regeln und Gewohnheiten der Chinesen beim Essen und Trinken beruhten zu einem gewissen Grad auf einer wissenschaftlichen Grundlage, indem sie sich auf medizinische Theorien und praktische Erfahrungen bezogen, waren aber gleichzeitig kognitiv beschränkt, da die deutschen Beschreiber einerseits von subjektiven Faktoren, wie etwa den eigenen Kriterien für Essen und Trinken und auch Vorurteilen gegenüber der chinesischen Kultur, beeinflusst waren. Andererseits konnten ihre Beobachtungen aufgrund vieler objektiver Einschränkungen nicht vollständig sein. Obwohl die Regeln und Gewohnheiten der Chinesen beim Essen und Trinken nicht völlig abwertend beschrieben wurden, wurden doch viele konkrete Gewohnheiten durch negative Formulierungen als schmutzig bzw. gesundheitsschädlich gekennzeichnet und in medizinischer Sprache als Krankheitsursachen der Chinesen dargestellt, wodurch die Veränderung dieser Gewohnheiten rational und notwendig erschien. Deshalb wird deutlich, dass die deutsche Darstellung von Regeln und Gewohnheiten der Chinesen beim Essen und Trinken – wie auch die oben genannte Darstellung von chinesischen hygienischen Wohnverhältnissen – die Funktion der Betonung der
Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 109. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 109; Kaether, Die Medizin in China, S. 894. Kaether, Die Medizin in China, S. 894. Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen, S. 9; Kaether, Die Medizin in China, S. 894. Kaether, Die Medizin in China, S. 894. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 109; Kaether, Die Medizin in China, S. 894.
3 Zur Hygiene in China
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Rückständigkeit der chinesischen medizinischen Anschauungen und der Rechtfertigung der Zivilisierungsmission hatte.
Persönliche Reinigung Seit dem 18. Jahrhundert wurde in der bürgerlichen Gesellschaft Europas die Körperreinigung immer stärker beachtet. Allmählich bildete sich eine Reihe von diesbezüglichen Kriterien heraus. Anne I. Hardy erläutert: Von besonderer Bedeutung waren die Tugenden der Mäßigung und der Reinlichkeit, die zwischen 1750 und 1850 im Bürgertum zu gesellschaftlichen Normen erhoben wurden. Sie fungierten als Abgrenzung gegenüber den Unterschichten und dem Adel, betonten die Leistungsbereitschaft des Bürgertums und trugen so zu seinem gesellschaftlichen Aufstieg bei.³⁹²
Im 19. Jahrhundert setzte sich mit der Etablierung der medizinischen Bakteriologie in Europa eine Anschauung bezüglich persönlicher Reinheit allgemein durch, wonach Schmutz am Körper sowohl als unerträglich als auch als gesundheitsschädlich galt. Bei den Praktiken, Vorrichtungen und der Technik zur Reinigung des Körpers, darunter die Desinfektion, das häusliche Wannenbad und die tägliche Dusche, wurden zugleich große Fortschritte erzielt. Allerdings verbreitete sich ihre tägliche Anwendung nicht unmittelbar im damaligen Deutschland, denn „[nur] ein äußerst geringer Teil der Stadtbevölkerung konnte sich diese teuren Reinigungsinstrumente leisten“.³⁹³ So wurde etwa die Badewanne zunächst als Luxus betrachtet. „When the old Emperor wanted a bath, he had the tub brought into the royal palace from a nearby hotel at Unter den Linden.“³⁹⁴ Trotzdem war diese Entwicklung „unumkehrbar“ und die Gedanken und Methoden wurden von deutschen Hygienikern als Reinlichkeitsstandards angesehen.³⁹⁵ Vor diesem Hintergrund richteten die deutschen Beschreiber in der Kolonialzeit ihre Aufmerksamkeit auch auf das Problem der persönlichen Reinigung unter Chinesen und beurteilten die chinesischen Gewohnheiten häufig aus westlicher Perspektive. Inhaltlich erstreckte sich die Beschreibung sowohl auf die Reinigung des Körpers als auch auf die der Kleidung. Die Urteile darüber fielen unterschiedlich aus. Generell wurden die Gewohnheiten der persönlichen Reini-
Hardy, Ärzte, Ingenieure und städtische Gesundheit, S. 55. Frey, Manuel, „‚Bürger riechen nicht‘. Die Hygienisierung des bürgerlichen Alltags durch Wasser und Seife im achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert“, in: Roeßiger/Merk (Hg.): Hauptsache gesund, S. 19. Stürmer, The German Empire, S. 49. Frey, „Bürger riechen nicht“, S. 18 – 19.
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gung negativ bewertet und durch eine Reihe von abwertenden Formulierungen, wie „Unreinlichkeit“, „mangelnde Gründlichkeit“ und „Schädlichkeit“, charakterisiert. Der Militärarzt Dr. Mayer bemerkte: Reinlichkeit ist ein unbekannter Begriff für die Hohen wie Niedrigen, unter den seidengestickten Prunkgewändern des Beamten wie unter dem blauen Kittel des Kuli verbergen sich schmutzige Unterkleider, eine ungewaschene Haut; aus pelzverbrämten Ärmeln sehen Finger, unbekannt mit Seife und Nagelreiniger; in der warmen Jahreszeit, wenn die Oberkleider abgelegt, tritt die Vernachlässigung der Hautpflege, gefolgt von einer Unzahl von Hautkrankheiten zu Tage.³⁹⁶
Es ist zu bemerken, dass Mayer der Ansicht war, dass schmutzige Unterkleider, Haut und Finger allgemein sowohl unter wohlhabenden wie auch armen Chinesen vorherrschten. Die Unreinlichkeit der Kleidung bemängelten auch der Militärarzt Dr. Kaether und die Missionsärzte Dr. Vortisch und Dr. Olpp.³⁹⁷ Sie führten vor allem die Verbreitung von Ungeziefer in der Kleidung der Chinesen als Beispiel an. Olpp bemängelte zudem die Unreinlichkeit des chinesischen Arztes: Was den europäischen Arzt so unangenehm an seinem chinesischen Kollegen berührt, ist die Unsauberkeit an Körper und Kleidung, sein Räuspern und Spucken. Von Scharlatanen und Quacksalbern ganz abgesehen, ist es z. B. ein Epitheton ornans eines Arztes, der auf sich hält, dass er möglichst lange Nägel wenigstens an drei Fingern hat, die meist durchaus der Reinlichkeit entbehren.³⁹⁸
Die mangelnde Gründlichkeit der Chinesen beschrieb Vortisch. Er schilderte nicht nur die seifenlose Reinigung bei den Hakka als üblich,³⁹⁹ sondern bezeichnete auch die gemeinsame Verwendung eines unsauberen Handtuchs nach dem Essen als „weniger appetitlich“.⁴⁰⁰ Diese Ansicht basierte erkennbar auf den europäischen hygienischen Gewohnheiten. Ebenfalls aus dieser Perspektive wurde die chinesische Methode des Warmbads von Vortisch und Olpp sowie den Militärärzten Dr. Mayer und Dr. Velde kritisiert, wobei die gemeinschaftliche Benutzung eines „schmutzigen“ Tuchs beim Baden,⁴⁰¹ das fehlende Vollbad⁴⁰² und der sel-
Mayer, Hygienische Studien, S. 22. Vgl. Kaether, Die Medizin in China, S. 887– 888, S. 895; Vortisch, Land und Volk, S. 646; Olpp, Briefe aus China, S. 1364– 1365. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 24. Vortisch, Land und Volk, S. 645. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 29. Vortisch, Land und Volk, S. 645. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 45.
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tene Austausch des Badewassers⁴⁰³ bemängelt wurden. Dabei zeigt sich auch der von Rassismus und Überlegenheitsgefühl geprägte Hintergrund Veldes: „Natürlich ist das Badewasser unbeschreiblich unsauber und der Geruch in dem Baderaum für einen Nicht-Chinesen unerträglich.“⁴⁰⁴ Ein Teil der Kritik an der mangelnden Gründlichkeit bezog sich zudem auf die Anschauungen der Chinesen zur persönlichen Körperreinigung. Obwohl der Gebrauch des Bads unter Chinesen von den deutschen Beschreibern beobachtet wurde, stellten einige eine Abneigung gegenüber der Reinigung des gesamten Körpers fest, insbesondere bei Krankheit, und führten dieses Verhalten auf die Wasserscheu der Chinesen⁴⁰⁵ und ihre medizinischen Ansichten⁴⁰⁶ zurück. Weiterhin wurde von den deutschen Beschreibern der gesundheitsschädliche Einfluss der chinesischen Bräuche bei der persönlichen Reinigung behandelt. Zumeist beschrieben sie diese als Ursachen für das Auftreten und die Verbreitung von Krankheiten. Beispielsweise hielt der Marinearzt Dr. Friedel die „Unreinlichkeit der lange Zeit hindurch getragenen Winterkleider und Scheu vor dem Wasser“ für die Ursache des häufigen Auftretens von Hautkrankheiten in Shanghai.⁴⁰⁷ Der Missionar Leuschner gab „das fortgesetzte Benutzen von heißem Wasser zum Waschen des Gesichtes“ als Grund für die große Zahl der Augenentzündung in China an.⁴⁰⁸ Ebenso wurde die Zahnpflege der Chinesen vom Missionsarzt Dr. Vortisch und vom Militärarzt Dr. Assmy als krankheitserregend kritisiert.⁴⁰⁹ Aus der Perspektive der infektiösen Krankheitstheorie befand der Missionsarzt Dr. Olpp, das Tuch, das „nach der Mahlzeit in skrupelloser Weise von Hand zu Hand“ wanderte, bildete „häufig eine Ursache für die Übertragung von Augen-, Haut- und anderen Krankheiten“.⁴¹⁰ In diesen negativen Beschreibungen der persönlichen Reinigung der Chinesen unterschieden sich die deutschen Beschreiber zwar hinsichtlich der Betrachtungsperspektive und der Ausdrucksweise, aber bei der Erläuterung der Unreinlichkeit der Chinesen, der mangelnden Gründlichkeit ihrer Reinigung und der Schädlichkeit ihrer Reinigungsmethoden wurde die chinesische Kultur, ins-
Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 495; Mayer, Hygienische Studien, S. 11. Velde, Bericht über die gesundheitlichen Verhältnisse, S. 495. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 59; Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 420. Eich, Mitteilungen aus der Arbeit, 1911, S. 3. Friedel, Beiträge zur Kenntniss, S. 126. Leuschner, Aus dem Leben und der Arbeit, S. 88 – 89. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 72; Vortisch, Land und Volk, S. 645; Assmy, Deutsche Poliklinik in Chungking, S. 418. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 45.
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III Chinesische Medizin in deutscher Darstellung in der Kolonialzeit
besondere die medizinischen Anschauungen und Gewohnheiten der Chinesen, nicht selten als direkter Einflussfaktor aufgezählt und gedeutet. Damit betonte das negative Urteil der deutschen Beschreiber über die persönliche Reinigung der Chinesen die Rückständigkeit der chinesischen Medizin und ihre gefährdenden Folgen. Zudem wurde das negative Bild von der chinesischen Medizin mittels der medizinischen Deutungen, in denen einige Reinigungsmethoden als Krankheitsursachen bezeichnet wurden, auf der wissenschaftlichen Ebene verstärkt. Andererseits erfolgten in der deutschen Beschreibung der persönlichen Reinigung in China gelegentlich auch positive Bewertungen. Beim Vergleich mit deutschen Patienten aus ähnlichen Gesellschaftsschichten hoben der Missionsarzt Dr. Olpp⁴¹¹ und der Militärarzt Dr. Wolffhügel⁴¹² eine gewisse Reinlichkeit der Chinesen lobend hervor. Daneben wurden auch einige konkrete Praktiken der Chinesen in Bezug auf die persönliche Reinigung positiv bewertet. Dabei ging es zunächst um das chinesische Bad. Im Gegensatz zu der negativen Einstellung der Missionsärzte Dr. Vortisch und Dr. Olpp zum chinesischen Bad äußerte sich der Missionsarzt Dr. Wittenberg lobend darüber: Für ihre persönliche Reinlichkeit sorgen die Hakkas durch ihr tägliches Bad, welches sie Abends zu nehmen pflegen. Sie übergiessen sich und waschen sich dann mit möglichst heissem Wasser ohne Anwendung von Seife. Unter ihren sonst weniger lobenswerten Lebensgewohnheiten ist diese durchaus zu loben und nachahmenswert.Wer einmal nach einer heissen Tagereise die Annehmlichkeit einer solchen heissen Uebergiessung und das Wohlbehagen danach erfahren hat, wird dieselbe nur hochschätzen und empfehlen können. Kaltes Wasser, äusserlich oder innerlich applicirt, fürchten die Chinesen.⁴¹³
Dabei ist erkennbar, dass Wittenberg die von Vortisch und Olpp erwähnten Nachteile, wie beispielsweise die mangelnde Sauberkeit und die gemeinschaftliche Benutzung von Handtüchern sowie das fehlende Vollbad, außer Acht ließ und stattdessen vor allem die Praxis des täglichen Bades, die Verwendung von heißem Wasser und die nach dem Warmbad eintretende angenehme Empfindung lobend hervorhob. Diese positive Darstellung stand neben der grundsätzlich aufgeschlossenen Neigung Wittenbergs zu China vermutlich vor allem mit seinem Einsatzort Jiayingzhou in Zusammenhang, wie Vortisch feststellte, der die Körperpflege und -reinigung der Chinesen in seinem Arbeitsbereich kritisierte: „So steht es wenigstens in unserer und mancher andern Gegend, während ich z. B. von
Olpp, Briefe aus China, S. 1364. Wolffhügel, Truppenhygienische Erfahrungen, S. 2106. Wittenberg, Ärztliche Erfahrungen, S. 3 – 4.
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Kayintschu höre, daß die Leute im großen Ganzen gleich reinlich resp. nicht schmutziger sind als das Volk in Europa im allgemeinen.“⁴¹⁴ Nicht nur die Missionsärzte, sondern auch die Militärärzte teilten zum Teil die positive Bewertung über das Bad der Chinesen. Im Kontrast zur negativen Beurteilung des Badewassers und des Geruchs der öffentlichen Bäder durch die Militärärzte Dr. Velde und Dr. Mayer, sprach etwa der Militärarzt Dr. Gruenhagen der chinesischen Badegewohnheit seine Anerkennung aus: Die allgemeine Hygiene wird noch durch Volksbäder gefördert, die man in grosser Zahl in den Städten, mindestens eine in den kleineren Städten und grösseren Dörfern, sicher auch eine in den kleinen Dorfschaften und Flecken findet. Die kleinsten sind aus Zement gemauerte, 80 – 100 cm tiefe, 10 – 30 cm fassende Bassins, die mit heissem Wasser gefüllt werden. Dem Chinesen ist es ein grosses Bedürfniss, sein regelmässiges heisses Bad zu nehmen, und jeder, der sich die Ausgabe von einigen Käsch hierfür leisten kann, geht wöchentlich mindestens einmal zum Baden.⁴¹⁵
Gruenhagen bestätigte die Existenz und die Nutzung der Volksbäder in China und nach dieser Erkenntnis bemerkte er noch: Dass dem oberflächlichen Beobachter das Volk einen unreinlichen Eindruck macht, kommt von den auf der Strasse herumlungernden Mengen in tiefster Armut steckender Menschen, die für die Reinigung ihres Körpers kein Geld übrig haben. Diese Tatsache liegt daher nicht auf hygienischem, sondern sozialem Gebiet.⁴¹⁶
Hier wird deutlich, dass sich die positive Bewertung nicht auf die Details beziehungsweise die tatsächlichen hygienischen Zustände in den öffentlichen Bädern bezog, sondern vielmehr aus einer ganzheitlichen Perspektive erfolgte. Insofern kann dies nicht als Revision der ablehnenden Urteile Veldes und Mayers über die öffentlichen Bäder in China verstanden werden. Dennoch gibt die Auswahl der unterschiedlichen Punkte einen gewissen Aufschluss über die verschiedenen Standpunkte und Einstellungen der deutschen Beschreiber. So war Gruenhagen, der ein ernsthaftes Interesse an der chinesischen Medizin zeigte und ihr Wertschätzung entgegenbrachte, aktiv bemüht, positive Seiten der chinesischen Medizin aufzuzeigen und ihre Nachteile sachlich zu analysieren. Neben dem Bad erstreckte sich die positive Beschreibung der persönlichen Reinigung in China auch auf das Waschen von Gesicht, Händen und Armen mit
Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 67. Gruenhagen, Die Grundlagen der chinesischen Medizin, S. 333. Ebd.
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heißen Tüchern.⁴¹⁷ Hierbei wurde vor allem die Popularität dieser Reinigungsmethode und das durch sie erzielte angenehm erfrischende Gefühl hervorgehoben. Gleichfalls als gute und hygienische Sitte der persönlichen Reinigung wurden das Schaben der Zunge mit einem Zungenkratzer,⁴¹⁸ das Spülen des Mundes mit heißem Tee nach jeder Mahlzeit⁴¹⁹ und das tägliche Zähneputzen⁴²⁰ geschildert.
Zusammenfassung Insgesamt wurde die individuelle Hygiene der Chinesen von den deutschen Beschreibern nicht völlig negativ bewertet. Obgleich umfangreich Kritik geübt wurde an den hygienischen Wohnverhältnissen, den Regeln und Gewohnheiten beim Essen und Trinken sowie an der persönlichen Körperpflege und Reinigung, fanden bestimmte Aspekte, wie etwa die Lüftungsanlagen in den Wohnungen im Norden Chinas, die Anwendung bestimmter diätetischer Regeln, der Genuss von abgekochten Nahrungsmitteln und das Abwaschen des Körpers mit heißem Wasser, durchaus Anerkennung. Dennoch wird deutlich, dass die positiven Bewertungen in quantitativer Hinsicht unbedeutend waren und keine Revision des negativen Gesamturteils über die individuelle Hygiene in China bedeuteten, nicht nur weil manche der deutschen Beschreiber die individuelle Hygiene der Chinesen in ihrer Ganzheit verneinten, sondern weil auch die deutschen Beschreiber, die gewisse Punkte der chinesischen individuellen Hygiene für gesundheitlich förderlich und hygienisch hielten, beispielsweise Wolffhügel, Mayer, Gruenhagen, Olpp, Vortisch und Wittenberg, gleichzeitig Nachteile aufzeigten. Die Beschreibung der Unreinlichkeit und die Erläuterung der gesundheitlichen Schädlichkeit der individuellen hygienischen Anschauungen und Gewohnheiten bildeten den Hauptinhalt des Urteils der deutschen Beschreiber über die individuelle Hygiene der Chinesen. Unter dem medizinischen Blickwinkel betrachtet reflektierte dieses Urteil den Mangel der chinesischen Medizin an Theorien und Kenntnissen, die die Verhältnisse der individuellen Hygiene der Chinesen hätten gewährleisten können, und verfestigte damit das Bild einer rückständigen und unfähigen chinesischen Medizin, die dem Schutz und der
Mayer, Hygienische Studien, S. 20; Gruenhagen, Die Grundlagen der chinesischen Medizin, S. 333. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 46; Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 72. Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 29. Olpp, Beiträge zur Medizin in China, S. 45 – 46; Vortisch, Chinesische Patienten und ihre Ärzte, S. 72.
4 Zusammenfassung
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Förderung der Gesundheit der Chinesen nicht gewachsen war, wodurch die Bedeutung der aufklärerischen und erzieherischen Wirkung der modernen westlichen Medizin auf die hygienischen Anschauungen der Chinesen hervorgehoben wurde. Diese negative Konstruktion lässt sich zum einen durch den Standpunkt der deutschen Beschreiber und ihren Bewertungsmaßstab erklären. Unter dem Einfluss von rassistischem Gedankengut und eines kulturellen Überlegenheitsgefühls hielten sie grundsätzlich wenig von China, betonten die Rationalität der Wissenschaft der Hygiene, und erkannten häufig nicht die objektive Existenz von Unterschieden in den historisch und regional geprägten individuellen hygienischen Prinzipien und Gewohnheiten zwischen verschiedenen Gebieten der Welt. Folglich wurden solche Handlungen der Chinesen, die nicht den westlichen Standards oder Gewohnheiten entsprachen, pauschal als unhygienisch und schädlich betrachtet und kritisiert. Aufgrund verschiedener individueller Faktoren wie etwa Beruf, Ausbildung, Grundhaltung und Schreibmotiv unterschieden sie sich jedoch in ihrer Herangehensweise und Bewertung. Zum anderen beeinflussten auch ihre praktischen Erfahrungen in China ihre jeweilige konkrete Beurteilung. Dabei konnten vor allem die berührten Gruppen, der Einsatzort und die Aufenthaltsdauer in China eine Rolle spielen.
4 Zusammenfassung Ausgehend von den Beschreibungen der deutschen Beobachter, die teils wissenschaftlich, teils auch unsachlich tendenziös gefärbt waren, wurde die chinesische Medizin als eine ebenso rückständige wie ineffektive Heilkunde konstruiert. Diese Konstruktion basierte vor allem auf den folgenden Meinungen und Behauptungen. Im Ganzen betrachtet, hielten die deutschen Beschreiber wenig bis gar nichts von der chinesischen Medizin. Auch wenn einige konkrete Aspekte der chinesischen Medizin in der damaligen Zeit positiv aufgenommen wurden, hatte dies praktisch keinen Einfluss auf die ablehnende Gesamteinschätzung. Die Theorien der chinesischen Medizin wurden zumeist als unwissenschaftlich und ihre Entwicklung als stagnierend angesehen. Jedoch existierten unter anderem mit Blick auf die pathologische und therapeutische Theorie und die Pulslehre auch einige divergierende Meinungen. Beispielsweise hielt der Militärarzt Dr. Gruenhagen das theoretische System der chinesischen Pathologie und Therapeutik für bewundernswert. Auch der über mehrere Jahre in China tätige Missionar Schultze zollte auf Basis seiner eigenen Beobachtung der Wirksamkeit der Pulslehre seine Anerkennung.
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Auch wurden die Behandlungsmethoden der chinesischen Medizin nicht einheitlich negativ beurteilt, da sich ihre Heilwirkung in vielen Fällen durch mehr oder weniger direkte Erfahrungen der Beobachter bestätigte. Aber die grundlegenden medizinischen Methoden, darunter die Arzneimittelanwendung, die Akupunktur und die Moxibustion, wurden trotz der Bejahung bestimmter Aspekte, wie etwa der Existenz wirksamer Medikamente und der positiven Heilwirkung von Akupunktur und Moxibustion bei gewissen Erkrankungen, grundsätzlich als unwissenschaftlich, abergläubisch, wirkungslos und barbarisch abgelehnt; und Behandlungsmethoden abergläubischer Prägung wurden häufig als wichtiger Bestandteil der chinesischen Medizin wahrgenommen. Der ärztliche Berufsstand in China war nach Ansicht der deutschen Beobachter strukturell lose. Ihrer Meinung nach praktizierten in China mangels einer strengen Aufsicht über den Arztberuf nicht nur zahlreiche Kurpfuscher und Scharlatane, die über ein nur oberflächliches Medizinalwissen verfügten und sich als Ärzte niederließen; auch die chinesischen Berufsärzte wurden aufgrund ihrer Unkenntnis über das moderne medizinische Wissen trotz erfolgreicher Behandlungen nicht als eigentliche Ärzte angesehen. Zudem wurden ihre ärztlichen Fähigkeiten und ihre Berufsmoral als nicht einwandfrei bemängelt. Hieraus ist ersichtlich, dass die chinesische Medizin in der deutschen Beschreibung in ihrer Ganzheit – hinsichtlich Theorie, Heilwirksamkeit und Systematik – als lückenhaft bezeichnet wurde. Gleichzeitig missbilligten die deutschen Beobachter – im Zuge der Beschreibung der Krankheiten und Hygiene in China – die Praxis der chinesischen Medizin hinsichtlich der Heilung und Prävention. Bezüglich der Krankheiten in China erstreckte sich die Beschreibung neben den rein medizinischen Erläuterungen – die die deutschen Beobachter aus unterschiedlichen Schreibmotiven bei der Schilderung und Analyse der Krankheiten gaben – häufig auf soziale, politische und kulturelle Elemente Chinas. Die deutschen Beschreiber äußerten, dass die allgemeine Rückständigkeit Chinas in einem kausalen Zusammenhang mit der Entstehung und Verbreitung der zahlreichen Krankheiten unter den Chinesen stand und die chinesische Medizin eine der Krankheitsursachen war, da sie nicht nur vielen Kranken keine Lösung anbot, sondern manchmal auch Krankheiten verschlimmerte, verursachte und übertrug. Die Beschreibung der hygienischen Umstände in China durch deutsche Beobachter umfasste sowohl den öffentlichen als auch den individuellen Bereich. Zwar wurden einige hygienische Regeln und Gewohnheiten positiv gewürdigt, jedoch überwog die ablehnende Einstellung zu den Hygieneverhältnissen in China bei weitem. So wurden diese vorwiegend durch die Unwissenheit der Chinesen bezüglich des Begriffs von Hygiene, durch ihren Mangel an Sauberkeit sowie durch Umweltverschmutzung, Gesundheitsgefährdung und Ähnliches
4 Zusammenfassung
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charakterisiert. Durch die Betonung dieser Missstände wurde nicht nur versucht, die Unzulänglichkeit der chinesischen Medizin hinsichtlich der Gewährleistung von öffentlicher und individueller Hygiene bloßzulegen. Darüber hinaus wurden sie vielfach auch als direkte Ursache bei der Beschreibung von Krankheiten unter den Chinesen herangezogen und betont. Deutlich wird, dass die Urteile über Krankheiten und Hygiene in China nicht nur eine negative Einstellung der deutschen Beschreiber zur chinesischen Medizin reflektierten, sondern auch deren ohnehin schon schlechten Ruf noch zusätzlich verstärkten.
Schluss Auf Basis der Darstellung der deutschen Einstellung zur chinesischen Medizin vor dem Opiumkrieg 1840 – 1842, der Entwicklung des deutschen Medizinalwesens und des Prozesses der deutschen Kolonialexpansion vom mittleren und späten 19. bis zu den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sowie der praktischen Kontakte der Deutschen mit der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit, war es das Ziel der vorliegenden Arbeit, die deutsche Darstellung der chinesischen Medizin über den betreffenden Zeitraum aufzuzeigen und zu analysieren. Dabei wurden zum einen die seinerzeit publizierten deutschen Arbeiten über die chinesische Medizin vorgestellt und untersucht. Zum anderen wurden die darin zum Ausdruck gebrachten diesbezüglichen Einstellungen erschlossen und erörtert. Die deutsche Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit, die das deutsche kognitive Modell gegenüber einer exotischen Fremdkultur im genannten Zeitraum repräsentierte, hatte den Charakter interkultureller Wissensgewinnung. Aus der vorliegenden Forschungsarbeit wird ersichtlich, dass die deutsche Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit im Vergleich zu früheren Zeiträumen nicht nur in quantitativer Hinsicht einen Anstieg erlebte, sondern auch inhaltlich enorm bereichert wurde. Gleichzeitig zeigte sie etwa im Hinblick auf Hauptakteure der Beschreibung, Schreibmotiv, Wissensquellen und inhaltsbezogene Tendenzen eigene Besonderheiten, die durch viele zeitgenössische Elemente beeinflusst wurden. Bis zum Opiumkrieg wurde der Hauptanteil an der deutschen Beschreibung der chinesischen Medizin vor allem von Jesuiten und Ärzten angefertigt. Mit der gewaltsamen Öffnung Chinas infolge des Krieges multiplizierten und intensivierten sich die Kontakte zwischen westlicher und chinesischer Kultur. Immer mehr richteten nun auch Deutsche auf verschiedenste Weise ihre Aufmerksamkeit auf die chinesische Gesellschaft und sammelten allseitig Informationen über China und seine Bewohner. Vor diesem Hintergrund stieg auch die Zahl der Deutschen, die sich für chinesische Medizin interessierten und mit diesbezüglichen Inhalten auseinandersetzten. Nicht nur numerisch erfuhren die deutschen Beschreiber in der Kolonialzeit einen erheblichen Anstieg, auch setzten sie sich aus Vertretern zunehmend diverser Berufsgruppen zusammen. Abgesehen von Missionaren und Ärzten wirkten nun auch Beamte, Gelehrte, Schriftsteller, Journalisten und andere an der Darstellung der chinesischen Medizin mit, wobei sie sich in ihren jeweiligen Schreibmotiven teils stark voneinander unterschieden. Die deutschen Beschreiber, die während der Kolonialzeit die chinesische Medizin betrachteten, zielten nicht nur auf eine rein akademische Forschung ab, https://doi.org/10.1515/9783110664294-006
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wie sie in der Zeit davor eine große Rolle gespielt hatte und danach wieder spielen sollte, sondern sie dienten auch den kolonialen Interessen Deutschlands in China. Im Grundsatz zwar von gemeinsamen sozialen und weltanschaulichen Hintergründen geprägt, wie etwa dem rassistischen Denken und der Vorstellung von der Überlegenheit westlicher Kultur in Verbindung mit einer Geringschätzung nicht-westlicher und nicht-christlicher Kulturen, zeigten sie doch in unterschiedlichen individuellen Ausprägungen auch divergierende Tendenzen. Die meisten dieser Beschreiber waren von kolonialistischen Motiven beeinflusst. Sie erforschten die chinesische Medizin, um die Inhalte, die mit der Gewährleistung der Gesundheit der Europäer in China im Zusammenhang standen, kennenzulernen und die diesbezüglichen Erfahrungen während ihrer ärztlichen Tätigkeit zugunsten der anwesenden Europäer möglichenfalls in die Praxis umzusetzen. Manchmal wiesen sie auch absichtlich auf die Irrtümer und Nachteile der chinesischen Medizin hin, um die fachliche Überlegenheit der westlichen modernen Medizin aufzuzeigen und die Einführung der westlichen Medizin und die Tätigkeit der modernen Medizin in China zu begründen. Ebenso verhielten sich viele Missionsärzte, Missionare und Militärärzte. Mit einem solchen negativen Konstrukt von der chinesischen Medizin wurden in gewisser Weise auch die kulturelle Bedeutung und die aufklärerische Funktion beziehungsweise Zivilisierungsmission der deutschen Kolonialexpansion in China hervorgehoben und gerechtfertigt, insofern unter Europäern allgemein die Meinung vorherrschte, das europäische Wissen bringe „power and control over the world around them, as well as prestige in the eyes of neighbouring rivals, confirmation for their role as agents of ,civilisation‘, and a measure of legitimacy in the eyes of extra-European people.“¹ Im Gegensatz dazu interessierten und engagierten sich einige der deutschen Beschreiber mehr für neue und fremde Kenntnisse. Hierfür ist vor allem das Wirken medizinischer Hochschullehrer und Wissenschaftler repräsentativ. Aber auch die Arbeiten einzelner Missionsärzte und Militärärzte waren aus einem individuellen akademischen Interesse heraus motiviert. Sie waren bestrebt, das chinesische Medizinalwissen kennenzulernen und die konkreten medizinischen Zustände zu sammeln und zu protokollieren, um die chinesische Medizin in „objektiver“ Weise einem deutschen Publikum vorzustellen. Einige unter ihnen suchten darüber hinaus innerhalb der chinesischen Medizin auch nach rationalen Erklärungen und wirksamen Behandlungsmethoden und versuchten, die moderne westliche Medizin in Deutschland damit zu ergänzen und zu bereichern.
Porter, Andrew: European Imperialism 1860 – 1914, Basingstoke [u. a.]: The Macmillan Press Ltd, 1994, S. 65.
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In der Zeit des Kolonialismus lernten die deutschen Beschreiber die chinesische Medizin vornehmlich zum einen aus Arbeiten kennen, die von früheren und zeitgenössischen Gelehrten, Ärzten, Missionaren und anderen verfasst worden waren, und zwar aus deren Arbeitsberichten und Forschungswerken. Zum anderen zogen sie ihre Erkenntnisse über die chinesische Medizin aus ihren praktischen Wahrnehmungen, Beobachtungen, Untersuchungen und Erfahrungen in China. Derartige Wissensquellen und Forschungsmethoden waren typisch für die deutsche Forschung zur chinesischen Medizin in der Kolonialzeit. In diesem Punkt unterschieden sich Missionare, Missionsärzte, Militärärzte, Medizindozenten und Wissenschaftler im Grundsatz kaum voneinander. Dennoch nahmen auch einige deutsche Beschreiber, darunter etwa der Missionsarzt Dr. Olpp und der Militärarzt Dr. Gruenhagen, gewissermaßen die klassische Literatur zur chinesischen Medizin wahr und gewannen damit deren tradiertes medizinisches Wissen, was als das ernsthafte Bemühen um eine akademische Auseinandersetzung mit der chinesischen Medizin angesehen werden kann. Angesichts der dominanten Quellen und Methoden der Wissensgewinnung mangelte es der Erforschung des chinesischen medizinischen Wissens während der Kolonialzeit trotz ihrer inhaltlichen Bereicherung, ebenso wie den Forschungen früherer Epochen, bei denen die chinesische Medizin vorwiegend aus Perspektive der europäischen Medizin betrachtet worden war, nach wie vor an Tiefgründigkeit. Infolge der Intensivierung der deutsch-chinesischen Kontakte kam es in der deutschen Beschreibung nun jedoch zunehmend zu einer Berührung mit der Praxis der chinesischen Medizin, und zwar mit Krankheiten und Hygiene in China. Demzufolge wurden die hauptsächlichen Inhalte der deutschen Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit vor allem in den deutschen Arbeiten über das chinesische Medizinalwissen, die Krankheiten und die Hygiene in China reflektiert. Im Großen und Ganzen wurde die chinesische Medizin von den deutschen Beschreibern in der Kolonialzeit in theoretischer, institutioneller, therapeutischer und präventiver Hinsicht kritisiert und als rückständig, unvollständig, minderwertig, unwirksam und manchmal sogar als gesundheitsschädlich gedeutet. Damit setzte sich eine negative Beurteilung fort, die bereits ab dem späten 18. Jahrhundert in Deutschland einsetzte, vor dem Opiumkrieg jedoch noch nicht allgemein vorherrschte. Trotzdem wurden einige konkrete Aspekte der chinesischen Medizin in dieser Zeit auch positiv gewürdigt. Laut der vorliegenden Studie zeigten sich die positiven Urteile vor allem in der Darstellung der Behandlungsmethoden und der individuellen hygienischen Gewohnheiten der chinesischen Bevölkerung. Manche dieser Urteile hatten eine direkte Beziehung mit der wissenschaftlichen Attitüde der deutschen Beschreiber. Auf Basis praktischer Beobachtungen und so-
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gar Untersuchungen erkannten sie die Wirksamkeit der chinesischen Medizin an. Aber einige positive Wahrnehmungen wurden gewissermaßen auch durch kolonialistisches Interesse geprägt. Beispielsweise bewerteten einige Militärärzte die chinesische Gewohnheit, abgekochtes Wasser zu trinken, als positive, wahrscheinlich noch um die Besatzungssoldaten in China zu belehren, diese Gewohnheit zu befolgen, damit die Gesundheit der Besatzungen gewährleistet werden konnte. Jedoch hatten diese positiven Beschreibungen praktisch keinen Einfluss auf die vorherrschende negative Meinung. Selbst diejenigen deutschen Beschreiber, die in der chinesischen Medizin positive Aspekte anerkannten, überdachten und korrigierten in der Regel weder ihre anfängliche Grundhaltung, noch zeigten sie Interesse an einer weiteren Forschung dazu, „da [eine] solche Auseinandersetzung die kritische Reflexion der eigenen kulturellen Werte und der eigenen Arbeitsziele erfordert hätte“.² Die deutschen Beschreiber, die in der Kolonialzeit in ihrem Selbstverständnisses „geprägt [waren] von der Vorstellung, in der interkulturellen Begegnung Lehrende und Wissende zu sein“,³ wollten dies „vermutlich vermeiden, um Verunsicherungen aus dem Weg zu gehen“.⁴ Zudem entsprach die ablehnende Einstellung zur chinesischen Medizin – in technischer wie kultureller Hinsicht – der damaligen vorherrschenden Perspektive von Deutschen gegenüber der chinesischen Gesellschaft und Kultur. Unter dem interkulturellen Blickwinkel betrachtet, war die Einstellung der deutschen Beschreiber gegenüber der chinesischen Medizin zum einen geprägt durch die zeitgenössischen kulturellen Faktoren in Deutschland, die sie vor ihrer Berührung mit der chinesischen Medizin bereits in unterschiedlichem Maße verinnerlicht hatten, wie etwa die kolonialistische Strömung, das Überlegenheitsgefühl der eigenen Kultur und Technik sowie das Bewusstsein der modernen Medizin beziehungsweise Biomedizin. Zum anderen waren sie von den verschiedenen historischen Traditionen der Darstellung der chinesischen Medizin beeinflusst. Ausgerüstet mit diesen gedanklichen Voraussetzungen kamen die Beschreiber mit der chinesischen Medizin in Berührung. Der amerikanische Historiker Sheldon Watts erwähnt außerdem, dass der militärische Sieg der westlichen Staaten über die nichtwestlichen bedeutete, dass die westlichen Mediziner in der Folge auf abwertende Weise die medizinische Praxis der besiegten Gesellschaften betrachteten und dass derartige Vorurteile nachhaltig und allge Freytag, Mirjam: Frauenmission in China. Die interkulturelle und pädagogische Bedeutung der Missionarinnen untersucht anhand ihrer Berichte von 1900 bis 1930, Münster/New York: Waxmann Verlag GmbH, 1994, S. 137. Freytag, Frauenmission in China, S. 132. Freytag, Frauenmission in China, S. 137.
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mein während der Kolonialzeit existierten.⁵ Nach dieser Einschätzung war die deutsche Gesamteinstellung zur chinesischen Medizin mit der zunehmenden Kolonialexpansion Deutschlands in China zunehmend negativ gefärbt. Theoretisch gesehen ist ein Vorurteil oder das im Voraus übernommene Wissen bei der interkulturellen Begegnung und Wahrnehmung ein objektiver, unvermeidlicher Umstand. Dass dieser besteht, kann nicht überwunden werden. Aber im Aspekt der Erkenntnis wirkt auch das Bewusstsein eines Individuums mit. Ob und inwieweit das Individuum sich die eigenen kulturellen Hintergründe, vor denen seine Erkenntnis entsteht, bewusstmachen und die Fremdkultur respektieren und als gleichwertig anerkennen kann, beeinflusst sein Verstehen und seine Beurteilung der Erscheinungen der Fremdkultur. Daraus ergibt sich, dass die individuellen Hintergründe der deutschen Beschreiber, also etwa Bildungsgrad, Standesbewusstsein, Berufsidentität und persönliche Interessen, ihre Beschreibungen und Beurteilungen der chinesischen Medizin bedingten. Insofern kann gesagt werden, dass die deutschen Beschreiber bereits vor der Berührung mit der chinesischen Medizin mehr oder weniger Kenntnisse über dieselbe besaßen, zumindest aber eigene Standpunkte. Missionare und Missionsärzte kamen mit dem Ziel nach China, durch ärztliche Tätigkeit die Mission an ihren jeweiligen Einsatzorten zu unterstützen und zu stärken. Daher befand sich die chinesische Medizin in ihrem Bewusstsein in einer schlimmen Lage und sie konnten den Chinesen, ihrer Meinung nach, mit ärztlicher Hilfe dienlich sein. Militärärzte wurden zur Gewährleistung der Gesundheit der deutschen Besatzungstruppen nach China entsandt, um die moderne westliche medizinisch-hygienische Praxis in China auszuführen und zu fördern. Sie hatten hingegen wenig Kenntnis über die chinesische Medizin. Mit der Arbeitsintention und dem allgemeinen Überlegenheitsgefühl nahmen sie in der Regel eine diskriminierende Haltung gegenüber der chinesischen Medizin ein, aber sie tendierten, aus medizinischer Perspektive die chinesische Gesellschaft zu betrachten und behandeln. Als Mediziner verhielten sich die medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler, vor allem die in Deutschland arbeitenden, der chinesischen Medizin gegenüber akademisch und betrachteten, geprägt durch die Denkmuster der modernen westlichen Medizin, in ihrem Vorverständnis die chinesische Medizin grundsätzlich als altes und veraltetes medizinisches System. Die sich aus individuellen gedanklichen Hintergründen herleitenden unterschiedlichen psychologischen Erwartungen beeinflussten beim Kontakt der deutschen Beschreiber mit der chinesischen Medizin in großem Maße „the perspective of
Watts, Sheldon: Disease and Medicine in World History, New York: Routledge, 2003, S. 69.
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perception and the selection of what one will see and write and what will be left aside“.⁶ Aber gleichzeitig waren die Beschreibungen auch von persönlichen Erfahrungen mit der chinesischen Medizin gefärbt. Dabei spielten etwa die Quelle der Kenntnisse über die chinesische Medizin, der Arbeitsbereich und -ort, die Arbeitsumgebung sowie die Aufenthaltsdauer und Erlebnisse in China eine wichtige Rolle. Die Missionsärzte und Missionare, die Chinesen ärztlich versorgten, hatten im Allgemeinen umfangreiche und langjährige Kontakte zu Chinesen, insbesondere der Landbevölkerung, und lernten oft durch persönliche Wahrnehmung und Erfahrungen die chinesische Medizin kennen. Die Militärärzte und die medizinischen Hochschullehrer und Wissenschaftler hingegen kamen sehr begrenzt mit der chinesischen Bevölkerung in unmittelbare Berührung. Ihre Beschreibung und Beurteilung der chinesischen Medizin waren vor allem durch ihre eigene Imagination oder ihre tatsächlichen Forschungsarbeiten geprägt, die auf schriftlichen Materialien oder/und auf praktischen Beobachtungen, Untersuchungen und Ähnlichem basierten. Die umfangreiche Literatur, praktischen Kontakte und zahlreichen Untersuchungen konkretisierten ihre ursprünglichen Eindrücke von der chinesischen Medizin und zugleich wurden die vielfältigen und komplizierten Verhältnisse der chinesischen Medizin von ihnen auch oft differenziert beobachtet, erfahren und beschrieben. Folglich zeigten sich die deutschen Beschreibungen der chinesischen Medizin inhaltlich vielseitig und auch hinsichtlich der Attitüde und Auffassung von gewissen Punkten häufig unterschiedlich. Im Prozess der häufig bewusst oder absichtslos durchgeführten Vergleiche zwischen den beobachteten Verhältnissen oder gelesenen Texten und den zuvor existierenden diesbezüglichen Ansichten korrigierten oder verstärkten die deutschen Beschreiber in gewissem Sinne diese anfänglichen Meinungen. Die Herausbildung der Einstellungen zur chinesischen Medizin, die zumeist auf direkten persönlichen Erfahrungen der deutschen Beschreiber in China beruhte, war vor allem durch ein Überlegenheitsgefühl, Vorurteile, Geringschätzung und andere subjektive Haltungen geprägt. Einige dieser Deutschen bewerteten die chinesischen medizinischen Erscheinungen häufig ganz aus subjektiver Perspektive, frei von jeglicher objektiven Beobachtung und Forschung. Sie dachten auch nicht im Kontext der chinesischen Kultur über die chinesische Medizin nach. Einheitlich negierten sie den Wert der chinesischen Medizin insgesamt und er-
Fang,Weigui: „Die Seele Chinas: Eine Mystifikation. Über Genese und Merkmale der kollektiven Vorstellungen vom anderen Land“, in: Martin/Hammer (Hg.): Chinawissenschaften, S. 98.
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kannten nur solche Aspekte an, die unter dem Gesichtspunkt der westlichen Medizin betrachtet als rational und verstehbar angesehen wurden. Einige dieser Beschreiber konnten jedoch hinsichtlich bestimmter Aspekte solcherlei unsachliche Haltungen überwinden. Ausgehend von einer wissenschaftlich geprägten Einstellung und Forschungsmethode beobachteten sie die Probleme der chinesischen Medizin und untersuchten die Krankheiten und hygienischen Zustände in China. Beispielsweise bedienten sich der Missionsarzt Dr. Olpp und der Militärarzt Dr. Gruenhagen in ihren Forschungen der chinesischen medizinischen Literatur und Medizinhistoriker wie Dr. Scheube und Dr. Stricker lehnten sich an die von älteren und zeitgenössischen Kollegen verfassten Arbeiten über die chinesische Medizin an. Der Militärarzt Dr. Krause äußerte die Meinung, dass die chinesischen Behandlungsmethoden nach praktischer Prüfung beurteilt werden sollten. Er betonte die weltweite Existenz irrationaler und abergläubischer medizinischer Erscheinungen. Viele Militärärzte und Medizindozenten wandten sich der Ergründung von Krankheiten und der Hygiene in China mittels wissenschaftlicher Untersuchungen, Experimenten und Beobachtungen zu. Sie nahmen die ursprünglichen Erkenntnisse der chinesischen Medizin nicht immer wahr. Durch die persönlichen Kontakte bestätigten sie einerseits teilweise die Wirksamkeit und die Bedeutung der chinesischen Medizin, andererseits kritisierten und verneinten sie nicht völlig subjektiv und unterschiedslos die chinesischen medizinischen Erscheinungen, die von den westlichen modernen medizinischen Anschauungen und Kenntnissen abwichen, sondern sie überlegten, analysierten und erläuterten häufig „objektiv“ aus verschiedenen Perspektiven diese Probleme und konsultierten und beurteilten manchmal noch die Forschungsergebnisse anderer Kollegen. Auf dieser Basis brachten sie mit wissenschaftlichen Formulierungen ihre eigenen Meinungen zur chinesischen Medizin zum Ausdruck. Es wird deutlich, dass wissenschaftliche Einstellungen und Forschungsarbeiten einen gewissen Anteil an der deutschen Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit bildeten. Die neuere Forschung zur kolonialen Wissenschaft hat gezeigt, dass diese üblicherweise von pragmatischer Beschaffenheit war und dass bei der von einer Kolonialherrschaft installierten Wissenschaft kaum die wissenschaftliche Erforschung grundlegender Theorien, sondern im Allgemeinen die angewandte Forschung, die oft eng mit kolonialen Tätigkeiten verwoben war, im Vordergrund stand.⁷ So bemerkt etwa der amerikanische Wissenschaftshistoriker Lewis Pyenson:
Vgl. Liang Bo 梁波/Chen Fan陈凡: Shilun „zhimindi kexue“ 试论 „殖民地科学“ (Primäre Analyse der „kolonialen Wissenschaft“), in: Liang Bo 梁波/Chen Fan陈凡/Bao Guoguang 包国光 (Hg.):
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Anthropologists arrive to identify the local power structure; geographers and geologists chart the new land and seek its mineral wealth; meteorologists and agronomists establish where cash crops can best be planted; medical men seek the origins of local diseases that menace native workers and foreign overlords; engineers erect port facilities and supervise construction of inland transportation networks.⁸
Im Zuge der Darstellung der Entwicklung der Sinologie in der Kolonialzeit stellt Leutner fest: Im Ergebnis dieser Wissensproduktion wurde sowohl die wissenschaftliche Beschäftigung mit China „kolonial geformt“, als auch „China“ neu bestimmt und geordnet, neu ausgemessen, katalogisiert, klassifiziert, systematisiert und evaluiert, handhabbar und verstehbar gemacht, um kolonialen Akteuren als Handlungsgrundlage dienen zu können.⁹
Diese Erscheinung spiegelte sich ebenfalls in der deutschen Beschreibung der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit wider. Sehr wenig Aufmerksamkeit richteten die deutschen Beschreiber auf die wissenschaftliche Erforschung und Erörterung der Theorien der chinesischen Medizin. Die Medizinhistoriker und andere Beschreiber, die sich in diesem Zeitraum intensiv mit dem chinesischen Medizinalwissen beschäftigten, legten den Schwerpunkt bei der Beschreibung der Theorien der chinesischen Medizin häufig auf die Kritik an den chinesischen medizinsichen Theorien und das Aufzeigen der Punkte, die von den westlichen modernen medizinischen Theorien abwichen. Sie konstruierten diese Unterschiedlichkeit als Symbol der Rückständigkeit, ohne jedoch die Ursachen zu ergründen, während die Mehrzahl der deutschen Beschreiber in ihren wissenschaftlichen Forschungsarbeiten die chinesische Medizin auf der Ebene der Theorie kaum berücksichtigte und behandelte. Zugleich stand die wissenschaftliche Forschungsarbeit zur chinesischen Medizin oft eng mit kolonialistischen Absichten in Zusammenhang. Die Militärärzte und Medizindozenten in China interessierten sich relativ stark für die medizinischen Zustände, die Einfluss auf die Gesundheit der Europäer in China ausübten oder einen Charakter der chinesischen Geographie und Kultur trugen, beispielsweise die Verbreitung der Infektionskrankheiten, die Qualität des
Kexue jishu shehuishi –diguozhuyi yanjiu shiyu zhong de kexue jishu 科学技术社会史–帝国主义研 究视阈中的科学技术 (Science and Technology from the Imperialistic Perspective), Shenyang: Liaoning kexue jishu chubanshe, 2008, S. 84. Pyenson, Lewis: „Cultural Imperialism and Exact Sciences: German Expansion Overseas 1900 – 1930“, in: History of Science 20 (1982), S. 1. Leutner, Mechthild: Kolonialpolitik und Wissensproduktion. Carl Arendt (1838 – 1902) und die Entwicklung der Chinawissenschaft, Berlin: Lit Verlag, 2016, S. 20.
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Trinkwassers sowie die aus ihrer Sicht unhygienischen beziehungsweise gesundheitsschädlichen Gebräuche der chinesischen Bevölkerung. Manchmal rechtfertigten sie mit medizinischen Erklärungen die Durchführung der Rassentrennung und anderer westlicher medizinisch-hygienischer Maßnahmen unter Chinesen, wie der pakistanische Forscher M. Anis Alam schreibt: This image of scientists as competent experts, who are politically neutral, helps the ruling class to institute new forms of oppression and exploitation (or old forms under new conditions), and to make them acceptable in the name of science and under the authority of scientists.¹⁰
Häufig schenkten Missionare und Missionsärzte den chinesischen medizinischen Gebräuchen und Methoden Berücksichtigung, deren Übernahme und Anwendung ihre Arbeit in China erleichtern und begünstigen konnten. Beispielsweise untersuchten und benutzten sie chinesische Medikamente nicht nur, um den Vorratsdruck von westlichen Medikamenten zu erleichtern, sondern auch, um chinesischen Patienten entgegenzukommen und daher ihre Missionsarbeit in China zu erleichtern und zu fördern. Zugleich erläuterten sie, zur Begründung der Notwendigkeit und positiven Bedeutung der Einführung der westlichen modernen Medizin in China, in wissenschaftlicher Weise die Rückständigkeit und Unwirksamkeit der chinesischen Medizin und deren Unfähigkeit zu eigener verwissenschaftlichter Entwicklung. Trotzdem ist einzuräumen, dass einige deutsche Beschreiber die zeitbedingte Tendenz überwinden konnten und die chinesische Medizin relativ frei von solchen kolonialistischen Motiven behandelten. Deswegen existierten in der Kolonialzeit auch an akademischen Interessen orientierte wissenschaftliche Erforschungen und Darstellungen der chinesischen Medizin. Die Beschreibungen der chinesischen Medizin, die subjektiv und wissenschaftlich geprägt und geformt waren, deckten in gewissem Grade den Bedarf der deutschen Expansion in China und hatten folglich auch Einfluss und eine bestimmte Funktion in der damaligen deutschen Gesellschaft. Obwohl viele der wissenschaftlich basierten Meinungen, Argumente sowie Erläuterungen später durch neuere Forschungsergebnisse überholt und auch widerlegt wurden und damit aus heutiger Perspektive an akademischer Bedeutung für die Forschung zur chinesischen Medizin verloren, repräsentierten sie das deutsche Verstehen der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit. Einige dieser Arbeiten wissenschaftlichen Charakters zeigten tatsächlich existierende medizinische Probleme in China und konnten (und können) so als historische Quellen Verwendung finden. Alam, M. Anis: „Imperialism and Science“, in: Social Scientist 6, 5 (1977), S. 6.
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Gleichzeitig wurde mit den derogativen wissenschaftlichen Diskursen das negative Bild von der chinesischen Medizin noch bestärkt und verfestigt, was gewissermaßen zur Folge hatte, dass diejenigen Chinesen, die die westliche Kultur akzeptierten, insbesondere Intellektuelle und Ärzte, ihrer eigenen medizinischen Tradition, die auf eine Jahrtausende lange Geschichte zurückblickte, skeptisch bis kritisch gegenüberstanden. Dadurch unterlag die chinesische Medizin im Wettbewerb mit der modernen westlichen Medizin allmählich. Mit dem Rückgang der chinesischen Medizin in der Republikzeit setzte sich die deutsche Forschungsarbeit fort. Die nach der kolonialistischen Ära entstandene deutsche Darstellung der chinesischen Medizin zeigte sich nicht nur in ihrem Werturteil allmählich positiv, sondern richtete auch inhaltlich die Aufmerksamkeit mehr auf die chinesischen medizinischen Theorien. Bei der Untersuchung der chinesischen Medizin kam die Idee der Ergründung ihrer theoretischen Essenz durch die Übersetzung der klassischen chinesischen medizinischen Literatur und durch die Erforschung des Kontexts der chinesischen Kultur im deutschen akademischen Umfeld immer stärker zum Tragen und wurde besonders seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch umfangreicher umgesetzt. Als maßgebliche Vertreter dieser Richtung sind vor allem Franz Hübotter, Manfred Pokert und Paul Unschuld zu nennen. Gemäß dieser historischen Entwicklung ist zu bemerken, dass die Darstellung der chinesischen Medizin zeitbedingt war,¹¹ obwohl einige Beschreiber und Erkenntnisse ihr Zeitalter überschreiten konnten.
Die Zeitbedingtheit eines Beschreibers bezieht sich hier vor allem auf seinen Standpunkt zu den Beziehungen zwischen der chinesischen und der westlichen Medizin sowie auf die Hauptabsicht, die hinter seinen Darstellungen steht. In der Darstellung der chinesischen Medizin im 17. und 18. Jahrhundert bemühten sich sowohl die Jesuiten als auch die europäischen Ärzte, aus dem chinesischen Medizinalwissen nützliche Erkenntnisse zu ziehen und diese in der europäischen Gesellschaft einzuführen, obwohl bestimmte Merkmale der chinesischen Medizin als negativ erachtet wurden. Aus ihrer Sicht konnten die chinesische und die westliche Medizin voneinander lernen. Bezüglich der Beurteilung der chinesischen Medizin zeigten sie daher vor allem eine lernwillige Einstellung. In der Kolonialzeit hielten die deutschen Beschreiber die chinesische Medizin für abergläubisch und rückständiger als die westliche moderne Medizin. In dieser Zeit wurden die Theorien der Biomedizin von ihnen als einzige Kriterien für Medizin betrachtet. Einige Darstellungen entstammten einer akademischen Attitüde, mehr aber hatten einen Bezug zur kolonialistischen Absicht. Obwohl die chinesische Medizin nach der Kolonialzeit (auch heutzutage) aus der Sicht der Europäer keine Hauptströmung der Weltmedizin darstellt, wird sie insbesondere durch die zunehmenden Nachteile der westlichen modernen Medizin als sinnvoll und forschungswürdig erachtet. Daher wird nach geeigneten Wegen gesucht, auf denen die chinesische Medizin als traditionelle und alternative Medizin in der modernen Gesellschaft existieren kann.Von diesem Standpunkt aus wird die chinesische Medizin vor dem Kontext der chinesischen Kultur erforscht, wobei negative und positive Urteile auf akademischen Forschungen basieren.
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Aus den deutschen Darstellungen der chinesischen Medizin in der Kolonialzeit lassen sich Besonderheiten der damaligen deutschen interkulturellen Erkenntnis schlussfolgern. Die vorstehenden Inhalte sind hierbei nur die Grundzüge. Im Großen und Ganzen weisen die Darstellungen einen Mangel an theoretischer Forschung auf. Oft waren sie kolonialistisch-tendenziös gefärbt. Aber als Teil des deutschen interkulturellen Verstehensprozesses können ihre konkreten Inhalte und Meinungen nicht pauschal als falsch oder richtig aufgefasst werden, sondern sie sollten aus interkultureller Perspektive im damaligen historischen Kontext als gezielte, konkrete sprachliche Tätigkeiten verstanden und in ursächlicher Hinsicht beleuchtet werden. Auf dieser Basis kann der Herausbildungsprozess verschiedener Meinungen, insbesondere solcher Aussagen, die noch bei der heutigen Erkenntnis der chinesischen Medizin eine Rolle spielen, aufgezeigt werden. Weniger sollten orientalistisch geprägte Darstellungen, in denen die chinesische Medizin absichtlich negativ konstruiert wurde, kritisiert werden. Vielmehr sollte das Augenmerk auf jene zugleich existierenden und aus der Wissenschaft hervorgehenden Meinungen und wissenschaftliche Forschungen zur chinesischen Medizin und zu deren Erscheinungen gerichtet werden. Obgleich ihr Umfang beschränkt war und ihre Kriterien vor allem auf der westlichen modernen Medizin beruhten, boten sie der Fortentwicklung der chinesischen Medizin einige Ansichten und Betrachtungsweisen, die einer Berücksichtigung und Überlegung wert sind. Dies liegt zum einen daran, dass die deutschen Beschreiber als Außenstehende auf Probleme hinwiesen, die in den Kreisen der chinesischen Medizin nicht berücksichtigt werden konnten. Zum anderen kann sich keine Disziplin völlig außerhalb der zeitgenössischen Wissenschaft bewegen. Folglich muss sich die Entwicklung der chinesischen Medizin auch an Techniken und Methoden der modernen Medizin und Naturwissenschaften anlehnen, ohne dabei ihre eigenen akademischen Wurzeln zu verleugnen. Heutzutage herrscht die Behauptung einer Verbindung der chinesischen und der westlichen Medizin in den Kreisen der chinesischen Medizin vor. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts ist eine solche Verbindung bereits in China praktiziert worden. Obwohl der klinische und theoretische Wert der bereits erzielten Ergebnisse noch beschränkt ist, ist diese Verbindung ein typisches Beispiel des Austauschs zwischen der chinesischen und der westlichen Kultur und bildet einen Standpunkt, auf dem man bestehen sollte, nämlich dass Medizin auf den Schutz der Gesundheit der Menschheit abzielt und man daher kulturelle, rassische und fachgebundene Unterschiede überwinden und auf Basis der Integration von verschiedenen wirksamen Aspekten die Krankheiten bekämpfen sollte.
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Personenregister Arimond, Gustav 220 f, 223, 226, 244 Assmy, Paul 83, 109, 122 – 124, 195 f, 200, 204, 216, 225, 238 f, 249 Besenbruch 209 f Birt, Eduard 127 f, 132 Bismarck, Otto von 47 f Bondt, Jakob de 39 Boym, Michal 39, 148 Busch, Paul 109, 118, 189, 198, 216 Buschoff, Hermann 39, 41 Cleyer, Andreas
39
Dipper, Edmund 69 f, 100 Dold, Hermann 86, 128, 131 f, 187 Du Halde, Jean Baptiste 39 Dudgeon, John 95 Eckert, Hans 109, 121 f, 193, 216, 228, 231 Eich, Gottfried 67, 204 f Eyl, Adolf 69, 101, 163, 200, 208 Faber, Ernst 22, 69, 104, 178 Fest, Francis T. B. 137, 172, 182 Fischer, Walther 86, 128 – 130, 132, 207 Frank, Johann Peter 53 Friedel, Carl 107 – 109, 179 f, 184, 187 f, 192 f, 196, 199, 212, 227 – 230, 244, 246, 249 Fürth, Ernst 109, 112 – 115, 186, 191 – 193
Henle, Jakob 51 Herhold, Karl 109, 117, 225 f Heusinger, Karl Friedrich von 128, 133, 148, 150, 154, 159, 203, 209 Hobson, Benjamin 108 Hua Tuo 37, 202 Hübotter, Franz 92, 126, 138, 265 Kaether, Bruno 109, 124, 146, 150, 155, 159, 168, 175 f, 178, 186 f, 196 f, 200, 206, 212 f, 215 f, 235, 237, 246, 248 Kang Youwei 57 Kautzsch 80 Klemm, Gustav 138, 154, 174 f, 182, 188, 199 Koch, Robert 50 f, 54 Krause 125, 139, 143, 145, 157, 167 – 169, 174 f, 177, 181, 202 – 206, 210, 220, 228, 262 Kronecker, Franz 115, 222 Kühne, Johannes 67 f, 193 Leibniz, Gottfried Wilhelm 40 Leuschner, Wilhelm 104, 143, 160, 165 – 169, 206, 209 f, 243 f, 249 Li Benjing 69 Li Hongzhang 60 Liang Qichao 57, 60 Liebig, Justus von 226
Galen 146 Gaupp, Hans 126, 145 Göcking, H. 66 Grothe, Walter 111, 210 Gruenhagen 125 f, 149 f, 152, 155, 165 f, 168, 209 f, 243 f, 251 – 253, 258, 262 Gützlaff, Karl 42 f, 150, 158
Maier, Martin 102 f Manson, Patrick 50 Martini, Erich 109 – 112, 210, 217 Mayer, Georg 109, 119 f, 213, 216, 220 – 224, 231, 235, 240 f, 248, 251 f Milne, William C. 188 Morache, Georges 135 Morant, Soulié de 164 Morgenroth, Friedrich 109, 121, 228, 231
Haeser, Heinrich 128, 134, 153 f, 162, 203 Hagemann, E. 137, 209 f, 236 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 42, 152
Navarra, Bruno 139, 144 f, 150, 154, 160, 176, 182, 185 – 187, 222, 237, 240 Neuburger, Max 136
https://doi.org/10.1515/9783110664294-008
Personenregister
Olpp, Gottlieb 15, 67, 90 – 93, 106, 140, 143, 146, 148, 154, 158, 162, 165 f, 172 f, 180 – 182, 185 f, 195 f, 202, 207 f, 212 f, 226, 233, 235, 238 f, 244 f, 248 – 150, 252, 258, 262 Pagel, Julius 128, 135 f Parrenin, Dominique 39 Pasteur, Louis 50 Perthes, Georg 109, 115 f, 163 f, 179 f, 188, 206, 228, 230, 239, 244 Pettenkofer, Max von 54, 198 Pieper, Rudolf 105, 162, 210 Podestà, Hans 112, 225 Polo, Marco 39 Rehmann, Joseph 43, 45, 153, 158 Ricci, Matteo 39 Scheube, Heinrich Botho 128, 136, 146, 150, 153 – 155, 159, 161 f, 164, 167 – 169, 171, 181, 199, 203, 262 Schlegel, Gustav 135 Schultze, Otto 102, 148, 150 f, 158, 165, 177 f, 205, 253 Stenz, Georg Maria 105, 160, 162, 172, 177 f, 194, 210 Stricker, Wilhelm 128, 134 f, 153, 167 f, 174 f, 262 Sun Baoqi 80 Tatarinoff, Alexander 135 Ten Rhijne, Willem 39, 41 Treutlein, Adolf 126 Truppel, Oskar von 79 f Uthemann, Walther
109, 112 f, 115, 186, 216
295
Velde, Carl 126, 196, 200, 209 f, 213, 223, 233, 237, 248 f, 251 Virchow, Rudolf 50, 54, 108, 212 Vortisch, Hermann 68, 90, 96 – 99, 106, 140, 144 f, 148 – 150, 158 – 160, 163, 173, 180, 182, 190 f, 193 f, 196, 204 f, 207, 212 f, 215, 223 f, 230, 233 f, 237 – 240, 243 – 245, 248 – 250, 252 Waldersee, Alfred Graf von 81 Wang Qingren 95, 147, 153 Werner, Reinhold 109, 146, 157, 165 Wick, Willy 16, 69, 100, 162 f, 172 f, 177 f, 182, 184 f Wilhelm II. 22, 48, 64 Wilhelm, Richard 15, 17, 22, 242 Wilsons, John 133 Witt, Ernst 68 f Witte, Johannes 103 f, 172, 182, 184, 191, 206 Wittenberg, Hermann 68, 90, 93 – 95, 106, 140, 147 f, 153, 155, 184, 200, 204, 209 f, 212, 225, 238, 240, 246, 250, 252 Wolffhügel, Eugen 177, 224, 232 f, 239, 244 f, 250 Wunsch, Richard 16, 69, 101 Xue Fucheng Yu Yue
60
60
Zeiß, Adam 67 Ziegler, Valerie 68 Zheng Guanying 60 Zhou Fu 79