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German Pages 542 [544] Year 2003
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Studien- und Übungsbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Herausgegeben von Professor Dr. Heiko Burchert und Universitätsprofessor Dr. Thomas Hering Bisher erschienene Werke: Arens-Fischer • Steinkamp, Betriebswirtschaftslehre Bechtel, Einführung in die moderne Finanzbuchführung, 7. Auflage Berlemann, Allgemeine Volkswirtschaftslehre Brösel • Keuper, Medienmanagement Burchert • Hering • Keuper, Kostenrechnung Burchert • Hering • Keuper, Controlling Burchert • Hering, Betriebliche Finanzwirtschaft Burchert • Hering • Rollberg, Produktionswirtschaft Burchert • Hering • Rollberg, Logistik Burchert • Hering, Gesundheitswirtschaft Guba • Ostheimer, PC-Praktikum Keuper, Finanzmanagement Keuper, Strategisches Management Koch, Wirtschaftspolitik im Wandel Koch • Zacharias, Gründungsmanagement Matschke • Hering • Klingelhöfer, Finanzanalyse und Finanzplanung
Medienmanagement Aufgaben und Lösungen
Herausgegeben von
Dipl.-Kfm. Dr. Gerrit Brösel Dipl.-Kfm. Dr. Frank Keuper
Mit einem Geleitwort von
Prof. Dr. Helmut Thoma
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© 2003 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH ISBN 3-486-27439-2
Geleitwort Seit Anfang der achtziger Jahre stellte das duale Rundfunksystem, das Nebeneinander von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk, neue Herausforderungen an die bis dahin nur rudimentär entwickelte Medienökonomie. Vor diesem Hintergrund war in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein wachsendes Interesse der Wissenschaft an medienökonomischen Fragen zu verzeichnen. Über die Zulassung des privaten Rundfunks hinaus erfährt der Mediensektor seit einiger Zeit weltweit dynamische Veränderungen: Die Konvergenz der Märkte stellt eine große strategische Herausforderung für Unternehmen der Medienbranche dar. Somit kann sich auch die Medienökonomie heutzutage nicht nur auf die klassischen Print- und Rundfunkthemen beschränken, vielmehr sollte die sogenannte TIME-Branche in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt werden. Als zentrale Forschungsschwerpunkte erweisen sich dabei die Zukunftsbranchen Telekommunikation, /nformationstechnologie, Medien und Entertainment sowie E-Business. Damit das rasante Tempo der Entwicklung in der TIME-Branche nicht den erkennbaren Rückstand von Forschung und Lehre noch vergrößert, sind trotz - oder auch gerade wegen der aktuellen Branchenkrise verstärkte Bemühungen in der betriebswirtschaftlichen Disziplin „Medienökonomie" und insbesondere im Medienmanagement dringend erforderlich. In mittel- und langfristiger Perspektive werden von der Medienindustrie wieder entscheidende Wachstumsimpulse ausgehen. Die Bildimg von Humankapital ist hier schon jetzt ein erkennbarer Engpaßfaktor, wobei unter anderem •
die besondere Komplexität des Medienmanagements,
•
der Doppelcharakter von Medien- und Informationsgütern als private und öffentliche Güter,
•
die tatsächliche und vermeintliche Branchenkonvergenz,
•
die hohe technologische Innovationsrate und
•
die vielschichtige Regulierung
eine Verstärkung der Bemühungen um die Entwicklung von Humankapital an Universitäten und in der Medienpraxis notwendig machen. Der Brückenschlag zwischen Lehre und Praxis des Medienmanagements nimmt diesbezüglich einen großen Stellenwert ein: „Content is king" gilt entsprechend für beide Bereiche. Die Herausgeber des hier publizierten Fallstudiensammelbandes „Medienmanagement - Aufgaben und Lösungen" haben sich - als Reaktion auf die aktuellen Herausforderungen - zum Ziel gesetzt, mit der Zusammenstellung geeigneter Übungsaufgaben und Lösungen eine bestehende Lücke innerhalb der medienökonomischen Studien- und Übungsbücher zu schließen. Das Konzept des Buches stellt ein sinnvolles Instrument zur Unterstützung der Lehre an Hochschulen und zum Selbststudium in diesem Fachgebiet dar. Den Herausgebern ist es dabei gelungen, namhafte Autoren aus der Wissenschaft und Praxis zur Bearbeitung dieses komplexen und aktuellen Problemfeldes zu gewinnen, wobei eine Vielzahl verschiedener Themen
Geleitwort
VI
•
der konvergenz-orientierten Erlebniswelten,
•
der audiovisuellen Erlebniswelten und
•
der Print-Erlebniswelten sowie
•
spezielle Probleme des Medienmanagements der Konvergenz
betrachtet werden. Vervollständigt wird der Sammelband schließlich durch eine umfangreiche Bibliographie deutschsprachiger Schriften zum Medienmanagement. Mit dem vorliegenden Fallstudiensammelband erhalten Studierende und Praktiker einen wertvollen Einblick in die Kernprobleme des Medienmanagements. Ich wünsche dem vorliegenden Band daher eine große Zahl aufmerksamer und lernwilliger Leser aus Theorie und Praxis.
PROF. D R . HELMUT THOMA
Gründungsgeschäftsfuhrer von RTL
Vorwort Seit dem Jahr 2000, dem Jahr der Superlative für die Telekommunikations-, Internet-, Medien- und Entertainment-Branche (TIME-Branche), zerplatzten viele Geschäftsmodelle in diesen Bereichen wie Seifenblasen. Nicht nur aufgrund der massiven Verschlechterung der makroökonomischen Rahmenbedingungen wichen die Internet-Pioniere und Visionäre der „New Economy" mittlerweile weitestgehend den kühlen Rechner der „Old Economy". Nunmehr stellt sich für die Unternehmen der TIME-Branche die Frage, wie mit den neuen Herausforderungen kundengerecht und wirtschaftlich umzugehen ist. Vor diesem Hintergrund widmet sich dieses Band dem Management dieser nach wie vor dynamischen und komplexen Branche. Die Medienwirtschaft gehört zu den jüngeren Disziplinen der Wirtschaftswissenschaften. Es existieren deshalb bisher nur wenige akademische Lehrbücher, in denen Studenten Aufgaben mit Lösungen oder Fallstudien finden. Das vorliegende Übungsbuch „Medienmanagement" möchte zur Schließung dieser Lücke beitragen und bietet dazu eine Auswahl von Aufgaben und Lösungen an, die sowohl zum Selbststudium als auch zur Unterstützung von Lehrveranstaltungen im Bereich Medienwirtschaft geeignet sind. Hierzu konnten 34 Autoren von zwölf Universitäten und zwei Fachhochschulen sowie aus der Praxis gewonnen werden, um in 25 Beiträgen unterschiedliche Problemfelder des Management der TIME-Branche zu bearbeiten. Dank gebührt besonders den Autoren dieses Bandes für ihre fachlich anspruchsvollen und innovativen Beiträge sowie für die Einhaltung des engen Zeitgerüsts. Darüber hinaus gilt unser Dank dem langjährigen Arbeitgeber des erstgenannten Mitherausgebers, der PwC Deutsche Revision AG, insbesondere dem Mitglied des Vorstandes und European TICE (Technology, InfoComm, Entertainment & Media) Leader, Herrn W P / S T B DIPL.K F M . ERNST-WILHELM FRINGS, sowie der MLP Finanzdienstleistungen AG, insbesondere Herrn DIPL.-ING. MARCO RISKE (Geschäftsstelle Erfurt) und Herrn DIPL.-KFM. HEICO SCHMIDT (Geschäftsstelle Greifswald), die durch ihre Anzeigenschaltungen einen gerade für studentische Budgets erschwinglichen Verkaufspreis des Buches ermöglichten. Last but not least dürfen die Herausgeber auch Herrn PROF. DR. HELMUT THOMA, Herrn DR. HANS BRUCH (Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen) und Herrn DR. FRANK H. WITT danken, die mit ihrem großen Engagement unser Buchprojekt unterstützt haben. Angesichts der Umfangsbeschränkung für diesen Sammelband ist die Entscheidung über die an diesem Sammelband beteiligten Personen äußerst schwer gefallen. Diejenigen, die ebenfalls einen Beitrag hätten leisten wollen, seien um Verständnis dafür gebeten, daß sie nicht berücksichtigt werden konnten.
GERRIT BRÖSEL u n d FRANK KEUPER
Inhaltsverzeichnis
Seite
I.
Konvergenz-orientierte Erlebniswelten
Convergence-based View - Strategieplanung in der TIME-Branche Frank Keuper
l
3
Ökonomie des Electronic Commerce am Fallbeispiel sinkender Suchkosten Andreas Will
29
New Business Development in Medienunternehmen Arnold Picot und Berthold H. Hass
47
Business-Case: Internet Hubert Dechant und Axel Braßler
65
Wechselkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten Thomas Hess und Markus Anding
85
Kulturspezifische Personalführung in internationalen Medienunternehmungen: Fallbeispiel Bertelsmann China Bernd Eggers, Friedel Ahlers und Axel Lippold
95
II.
Audio-visuelle Erlebniswelten
119
Entwicklung des Pay-TV in Deutschland - Wettbewerbsstrategische Optionen im TV-Markt FrankH. Witt
121
Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietem Gerrit Brösel und Michael Olbrich
135
Controlling im Rundfunk - Ganzheitliche Steuerung privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunk-Unternehmen Martin Gläser
147
X
Inhaltsverzeichnis
Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen RolfDintner
171
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität Change Management im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Mike Friedrichsen und Martin Gläser
185
HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente Matthias Maier und Knuth Baumgärtel
215
Bewertung von Sportübertragungsrechten Gerrit Brösel
237
Die bilanzielle Behandlung von Filmrechten und Lizenzen Christian Zwirner
259
III. Print-Erlebniswelten
291
Internationalisierung von Medienunternehmen am Beispiel eines großen Zeitschriftenverlags Thomas Döbler, Michael Schenk und Sonja Rittner
293
Wertorientierte Unternehmensfuhrung in Verlagen Bernd Schichold
311
Strategien im Markt für Anzeigenblätter Insa Sjurts und Wolfram Kanstinger
327
Kooperationsformen von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Empirie und Implikationen. Ricarda B. Bouncken
343
Kooperationsmanagement in Zeitungs- und Publikumszeitschriftenverlagen René Hans
365
Wandel der Geschäftsprozesse: Vom klassischen Druckunternehmen zum modernen Mediendienstleister Mike Friedrichsen
383
Inhaltsverzeichnis
IV.
Spezielle Probleme des Medienmanagements der Konvergenz
XI
411
Medienmanagement als Stakeholder Management Matthias Karmasin
413
Der Spielekonsolenmarkt: Eine betriebswirtschaftliche Analyse Christian Scholz und Uwe Eisenbeis
433
Quality Function Deployment zur Planung und Entwicklung eines webbasierten Wissensportals Axel Braß 1er und Hubert Dechant
459
Medienmanagement im Gesundheitssektor Heiko Burchert
479
Bestimmung von Unternehmenszielen - dargestellt am Beispiel öffentlicher Theater Malte Greve
503
V.
Bibliographie ausgewählter deutschsprachiger Schriften zum Medienmanagement Gerrit Brösel und Frank Keuper
Autoren des Bandes
513
525
I. Konvergenz-orientierte Erlebniswelten
Convergence-based View - Strategieplanung in der TIME-Branche FRANK KEUPER
[email protected] JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ
Aufgabe 1 Definieren Sie kurz den Begriff Konvergenz und erläutern Sie stichhaltig die wesentlichen Konvergenzdimensionen.
Aufgabe 2 Was bedeutet allgemein die tridimensionale Konvergenz der Märkte? Welche Ausprägungen sind im Rahmen der Konvergenz der Märkte für die Marktteilnehmer theoretisch denkbar? Erläutern Sie in diesem Zusammenhang ein Praxisbeispiel der konvergierenden Telekommunikations-, Informationstechnologie-, Medien- und Entertainmentbranche, das diese Ausprägungen untermauert.
Aufgabe 3 Der berühmte Zeitschriftenverleger Herbert Farmer hat vor dem Hintergrund der Herausbildung der digitalen Erlebniswelten E-, M- und T-Business einen Unternehmensberater zur strategischen Neuausrichtung seiner Geschäftsfelder hinzugezogen. Dieser erklärt ihm, daß zur Strategiegenerierung in Wissenschaft und Praxis zwei Sichtweisen verbreitet sind. Während bei einer Unternehmensstrategie ein ressourcenorientierter Fokus bei der Formulierung einer Strategie vorherrscht, lassen sich Wettbewerbsstrategien den marktbezogenen Strategieansätzen unterordnen. Herbert Farmer bittet den Unternehmensberater kurz, die wesentlichen Grundzüge der beiden Ansätze - ressourcen- und marktorientierter Ansatz - anschaulich darzustellen. Was könnte dieser ihm antworten?
4
Convergence-based View
Aufgabe 4 Herbert Farmer hat sehr interessiert den Ausfuhrungen des Unternehmensberaters zugehört, ist allerdings mit der Darstellung der beiden Strategieansätze nicht ganz zufrieden. So sieht er im Ergebnis sowohl den ressourcen- als auch den marktorientierten Blickwinkel als relevant an, um zukünftig in der Medienbranche bestehen zu können. Entsprechend bittet er den Unternehmensberater, ein integriertes Strategiekonzept, das beide Ansätze berücksichtigt, zu entwerfen. Der Unternehmensberater erarbeitet daraufhin mit seinem Team ein Konzept unter dem Arbeitstitel „Convergence-based View". Wie könnte dieses integrierte Konzept aussehen?
Aufgabe 5 Das Strategiekonzept wurde von Farmer begeistert aufgenommen. Allerdings merkt er an, daß die bisher vorgestellten Planungsmodelle lediglich auf die TIME'-Branche fokussieren. Der Chefredakteur einer Wirtschaftszeitschrift hat ihm jedoch einige Tage zuvor berichtet, daß eine Bank die sonst gratis gelieferten Aktienanalysen nunmehr in einem eigenen InternetPortal den Kunden anbieten will und die Geschäftsbeziehungen zur Redaktion in Kürze aufkündigen wird. Andererseits hat einige Monate zuvor ein großer Automobilkonzern bei einem der Unterhaltungsmagazine angefragt, ob die Redaktion digitalen Content für ein mobiles Telematik-Portal liefern kann. Farmer ist noch immer erstaunt, daß ehemals branchenfremde Anbieter durch die Herausbildung der drei digitalen Erlebniswelten immer mehr Berührungspunkte zum Verlagsgeschäft aufweisen, diese mit den bisherigen Hilfsmitteln aber nicht identifiziert werden können. Der Unternehmensberater gerät ins Grübeln und meint, daß er mit seinem Team ein branchenübergreifendes Planungsmodell für Farmer konzipieren kann. Welche Gestalt könnte ein solches Planungsmodell auf Basis des zuvor vorgestellten kernkompetenzbasierten Planungsschemas annehmen? Erläutern Sie die Anwendung des Planungsschemas anhand des von Farmer herausgegebenen Wirtschaftstitels „Wirtschaft Komplett".
Lösung Aufgabe 1 Allgemein kann unter Konvergenz - losgelöst von der Digitalisierung, die häufig im Zusammenhang mit dem Begriff Konvergenz genannt wird - ein „... Prozeß der Interaktion zwischen der Unternehmensumwelt bzw. der Wettbewerbsstruktur und der Unternehmensstrategie verstanden werden, der zur strukturellen Verbindung bislang getrennter Märkte führt" 2 . TIME = Telekommunikation, Informationstechnologie, Medien, Entertainment 2
THIELMANN (2000), S. 9 .
Convergence-based View
5
Dabei ist das Zusammenwachsen von Branchen und Unternehmen das Ergebnis miteinander verschmelzender technischer Infrastrukturen und Endgeräte sowie des Entstehens neuer Leistungsportfolien aufgrund neuer Nutzungspräferenzen. Insofern sind konvergierende Märkte durch eine Kombination von Leistungen verschiedener Branchen zu systemischen Lösungen (sog. Systemprodukten) geprägt, die mittels Integration, Kooperation oder durch Marktbeziehungen sich komplementierender Unternehmen realisiert werden.4 Drei wesentliche Dimensionen, die in praxi starke Interdependenzen aufweisen und nur gedanklich voneinander getrennt werden dürfen, lassen sich unter dem Begriff Konvergenz subsumieren: •
Technologische Konvergenz
•
Nachfragerseitige Konvergenz
•
Angebotsseitige Konvergenz
Generell beschreibt die technologische Konvergenz die fortschreitende Diffusion einer Basistechnologie bzw. bestimmter Prozesse in vielfaltige Branchen hinein sowie ihre dortige Verankerung, 5 wodurch verschiedene Funktionen in eine Leistung integriert bzw. neue Funktionalitäten initiiert werden. Basistechnologie ist dabei das auf dem universalen Netzwerkprotokoll TCP/IP 6 basierende Internet, das erstmals die Möglichkeit der digitalen Übertragung von Informationen zwischen dem Telekommunikations-, Informationstechnologie- und Mediensektor eröffnet. 7 Durch dieses universale Netz können aus bisher isolierten Wegen bei der Datenübertragung nunmehr vernetzte Wege geschaffen werden, um rechnergestützt Informationen in verschiedenen Situationen und an verschiedenen Orten multimedial zu übertragen, also Sprache, statische Daten, Musik und Bewegtbilder in einer digitalen Umgebung anzuordnen.8 Insofern wird deutlich, daß das Internet eine neue Übertragungstechnologie ist, die erstmals Multimedialität erlaubt, d. h. die gleichzeitige Darstellung miteinander verknüpfter und verschiedener Inhalte auf einer standardisierten Arbeitsoberfläche. Multimedialität eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit eines gezielten, selektiven und zeitunabhängigen Zugriffs auf Informationen sowie die Interaktion zwischen Kommunikationspartnern auf der Nachfrager- und auf der Anbieterseite.9 Jedoch erfordert die Inanspruchnahme multimedialer Anwendungen die Neuoder Weiterentwicklung von bisher spezifischen zu nunmehr multimediafähigen Medienträgern.10 Die dann entstandenen Endgeräte sind als technologisch integrierte Produkte anzusehen. Ein Beispiel für die Konvergenz der Technologien findet sich im stationären PC-Bereich beim Abruf von Streaming-Angeboten, die klassische Funktionen des Fernsehens im Internet
3
V g l . BÜLLINGEN/STAMM ( 2 0 0 0 ) , S . 106.
4
Vgl. THIELMANN (2000), S. 9, WlRTZ (2000b), S. 5.
5
V g l . THIELMANN ( 2 0 0 0 ) , S. 10.
6
TCP/IP steht fllr Transmission Control Protocol/Intemet Protocol und wurde ursprünglich im Jahr 1978 vom amerikanischen Verteidigungsministerium als Standard für heterogene Netze eingeführt, vgl. STAHLKNECHT/HASENKAMP (1997), S. 126.
7
Vgl. SJURTS (2000b), S. 31.
8
V g l . FLGGE ( 2 0 0 0 ) , S . 161.
9
Vgl. KEUPER (2001b), S. 393.
10
Vgl. KEUPER (2002a), S. 39, HESS (2002), 575 f.
6
Convergence-based View
ermöglichen. Umgekehrt geht die Idee des interaktiven Fernsehens, das in Großbritannien bereits sehr erfolgreich vom Anbieter BSkyB vermarktet wird, davon aus, daß mittels einer Set-Top-Box ein individueller Abruf von Spielfilmen, Informationen und Spielen genauso wie die Kommunikation per E-Mail oder visueller Medien ermöglicht wird. Im funktional-äquivalenten Zusammenhang mit der Konvergenz der Technologien steht die Konvergenz der Nachfragerseite, wobei diese durch die Integration der Nachfrage verschiedener Bedürfnisgruppen und damit die Eliminierung bestehender Barrieren zwischen den bisher isolierten Bedarfsgruppen charakterisiert ist.11 Da Bedarfsstrukturen und Kaufmuster sich generell angleichen bzw. zusammenlaufen oder gemeinsam und sich gegenseitig verstärkend auftreten, führt eine Integration von Funktionen, wovon jede einzelne Funktion für sich schon auf eine bestimmte Bedürfnisbefriedigung abzielt, zu einer Zusammenfassung ökonomischer Nachfrage auf bisher separierten Märkten.12 So ist der Grundgedanke des zuvor dargestellten interaktiven Fernsehens die Verfügbarkeit zahlreicher, bisher voneinander getrennter Dienste bzw. Dienstleistungen, so daß neben den klassischen Fernsehfunktionen nunmehr beispielsweise Video-on-Demand und Games-on-Demand verfügbar sind. Dadurch konvergiert letztlich auch die Bedarfsgruppe „Fernsehzuschauer" mit der Bedarfsgruppe „Videoausleiher" bzw. „Spielekäufer". Dies setzt jedoch eine entsprechende Kaufkraft und die Bereitschaft der Konsumenten voraus, Bedürfnisbefriedigung durch Leistungsbündel bzw. neue Funktionen der Bedürfnisbefriedigung nachzufragen.1 Konvergenzbarrieren sind daher in ex ante unterschiedlichen Nutzungsweisen zu sehen, etwa aktive Informationssuche oder Kommunikation via Multimedia-PC als Lean-Forward-Medium gegenüber passiver Unterhaltung im Rahmen der Fernsehnutzung als Lean-Back-Medium.14 Zudem ist davon auszugehen, daß die Konvergenz bislang voneinander separierter Angebotsbereiche die wahrgenommene Komplexität des Angebotes erhöhen wird und somit ein gewisses Kompetenzniveau des Nutzers hinsichtlich des technischen Verständnisses, aber auch hinsichtlich der Selektion der verschiedenen Inhalte, Anbieter, Zugangswege und Nutzungsoptionen erfordert.15 Entsprechend ist zur Überwindung dieser nachfrageseitigen Konvergenzbarrieren bei der Entwicklung von Multimedia-Angeboten das gesamte Kosten-Nutzen-Kalkül des Rezipienten miteinzubeziehen.16 So ist das Internet z. B. einer Zeitung oder Zeitschrift zwar in vielerlei Hinsicht, beispielsweise bei der rezipientenspezifischen Konfektionierung der Inhalte, funktional überlegen, doch müssen neues Medium und entsprechende Angebote für die verschiedenen individuellen Nutzungssituationen zu solchen Leistungsbündeln kombiniert werden, für welche der Rezipient letztlich Zahlungsbereitschaft, gemessen in Geld und/oder Zeiteinheiten, aufweist. Die Integration von Funktionen in Leistungsbündel mit einer Vielzahl von Funktionalitäten und die damit ausgelöste Verschmelzung von Bedarfsstrukturen auf bisher separierten Märkten bedingt aufgrund der hierfür notwendigen technologischen Komplexität und des hierfür notwendigen Know-how-Transfers eine Konvergenz der Anbieterseite.17 Diese wird vornehmlich durch die Leistungsbündelung von Funktionalitäten und Komponenten aufgrund 11
V g l . T H I E L M A N N ( 2 0 0 0 ) , S . 1 1 , KRIEB ( 2 0 0 1 ) , S . 6 2
12
V g l . KEUPER ( 2 0 0 1 b ) , S. 3 9 3 .
13
V g l . THIELMANN ( 2 0 0 0 ) , S. 11.
14
V g l . THIELMANN ( 2 0 0 0 ) , S. 11.
15
V g l . FRIES ( 1 9 9 7 ) , S . 2 4 f f .
16
V g l . LEHR ( 1 9 9 9 ) , S. 1 4 2
17
V g l . KEUPER ( 2 0 0 2 a ) , S. 4 0 .
ff.
ff.
Convergence-based View
7
antizipativer ökonomischer Rationalität bzw. durch die potentielle Substituierbarkeit von Leistungskomponenten initiiert.18 Insbesondere die zunehmende Bedeutung von Systemleistungen erodiert bestehende Branchengrenzen und stellt starre Kompetenz- und Branchenstrukturen in Frage.19 Ziel dieser angebotsseitigen Konvergenz, die wertschöpfungskettenübergreifend vertikal oder horizontal erfolgen kann, ist es, durch Neukombination bisher getrennter Aktivitäten in einer wirtschaftlichen Einheit die potentiellen Synergien für die beteiligten Unternehmen auszuschöpfen. Entsprechend kommt es zu einer Vielzahl vertikaler und horizontaler Kooperationsformen, die zunächst schwerpunktmäßig innerhalb des TIMESektors, jedoch in einem weiteren Schritt zwischen dem TIME-Sektor und weiteren Branchen stattfinden. Dabei beschäftigt die involvierten Unternehmen zunehmend der CoopetitionGedanke20, der einerseits eine Konkurrenzsituation auf bestimmten Unternehmensgebieten und gleichzeitig eine Kooperation auf anderen Unternehmensgebieten zwischen mehreren Unternehmen zuläßt.21 So sind gerade auf der Ebene technologischer Standardsetzung häufig Kooperationen zwischen Konkurrenten zu beobachten. Beispielsweise zielt Symbian, eine Allianz, an der u. a. die Handyhersteller Nokia, Motorola, Ericsson und Matsushita beteiligt sind, darauf ab, das dominierende Betriebssystem für Kleincomputer und internetfähige Mobiltelefone auf dem Markt gegen den Branchenriesen Microsoft durchzusetzen. Während die Handyhersteller rein vertriebsseitig miteinander konkurrieren und um Marktanteile kämpfen, dient die Kooperation im Bereich Forschung und Entwicklung somit dazu, Netzeffekte durch Etablierung eines Standards auszulösen, der dann allen Beteiligten gleichermaßen zugute kommt. Auch die Kooperationsabkommen von Mobilnetzbetreibern beim Aufbau der UMTSNetze ist der Coopetition zuzuordnen, da einerseits die kooperierenden Unternehmen immense Kosten durch den gemeinsamen Betrieb von Funkmasten etc. einsparen, andererseits aber nach wie vor vertriebsseitig hart um jeden Mobilfunkkunden kämpfen. Letztlich existieren dadurch in vielen Branchen kaum noch eindeutige und dauerhafte FreundFeind-Bilder, da die Konkurrenten von heute die Verbündeten von morgen sein können und umgekehrt. Dies entspricht einem ambivalenten Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen bzw. Branchen, was mitunter, wie dargestellt, zu paradoxen Wettbewerbsstrukturen führen kann.
Aufgabe 2 Ein alleiniges Zusammenwachsen in technologischer, nachfrager- oder anbieterseitiger Hinsicht bedeutet lediglich das Aufzeigen des Konvergenzpotentials bzw. ein unvollständiges Verschmelzen der Märkte.22 Nur das gleichzeitige Auftreten und Zusammenlaufen aller drei Konvergenzdimensionen führt zu einer vollkommenen Konvergenz der Märkte.23 Die technologische, nachfrager- und angebotsseitige Konvergenz im gegenseitigen Zusammenspiel führt dann entsprechend zu Berührungspunkten zwischen den betrachteten Branchen. Beispielsweise steigt bei einer zunehmenden Nachfrage nach digitalen Medieninhalten und Telekommunika18 19
V g l . THIELMANN (2000), S. 11.
Vgl. KEUPER (2001b), S. 394.
20
V g l . NALEBUFF/BRANDENBURGER ( 1 9 9 6 ) , S. 16. 21
Vgl. SCHAD (2000), S. 197.
22
Vgl. KEUPER (2001b), S. 394.
23
V g l . THIELMANN (2000), S. 13.
8
Convergence-based View
tionsleistungen auch die Nachfrage nach der dazu eingesetzten Informationstechnologie, da diese die Anwendungs- und Übertragungsplattform für die Anwendungen der anderen zwei Wirtschaftssektoren darstellt.24 Aus diesen Berührungspunkten zwischen den drei ehemals getrennten Sektoren resultieren letztlich Überschneidungen, wodurch sich die bestehenden Grenzen zwischen den Systemen auflösen.25 Direktes Ergebnis ist die Konvergenz der Märkte, die einen neuen Multimedia-Markt oder TIME-Markt entstehen läßt.
Abbildung 1:
Konvergenz
von Telekommunikations-,
Informationstechnologie-
und
Mediensektor
26
Abbildung 1 verdeutlicht die wirtschaftliche Konvergenz sowie die Herausbildung eines TIMEMarktes als Schnittmenge der drei Sektoren. Dabei werden beispielhaft einige der global fuhrenden Unternehmen der ehemals unabhängig voneinander bestehenden Industrien herausgestellt. Zudem finden sich reine Multimedia-Unternehmen, welche die Konvergenz der Märkte und daraus entstandene Marktchancen erfolgreich genutzt haben. Losgelöst von der Frage der gewählten marktlichen Koordinationsform bilden sich im Multimedia-Markt neue Wertschöpfungsstrukturen, die aus den traditionell unabhängig voneinander bestehenden Wertschöpfungsketten der Telekommunikations-, Informationstechnologie- und Medienindustrie hervorgehen. Aufgrund der zahlreichen flexiblen Verknüpfungen zwischen den Wertschöpfungsbereichen und einer zunehmend notwendigen Kundenorientierung erscheint dabei die Linearität einer Wertschöpfungskette mit dem Kunden als passives letztes Glied der Multimedia-Leistungen nicht adäquat. Vielmehr ist es sinnvoll, anstelle einer Wertschöpfungskette ein Wertschöpfungsnetzwerk, das den Kunden in den Mittelpunkt aller multimedialen Leistungen stellt, darzustellen.27
24
Vgl. FlGGE (2000), S. 166 ff.
25
V g l . ZERDICKET AL. ( 2 0 0 1 ) , S . 144.
26
Vgl. MIDDELHOFF (1999). Die Abbildung stellt eine Momentaufnahme aus dem Jahr 1999 dar. Mit der danach vollzogenen Fusion von AOL und Time Warner werden Integrationstendenzen in Richtung konvergenter Multimedia-Bereich deutlich.
27
Vgl. ZERDICK
ET AL.
(2001), S. 176.
Convergence-based View
9
In der Wertschöpfiingsstufe Formate werden Medieninhalte jeglicher Art - von Texten über Musik bis zu Bewegtbildern - erstellt. Weiterhin zählen zu Formaten auch die Entwicklung von Applikationen, wie Datenbanken mit Suchfiinktionen oder Computerspiele, sowie E-CommerceAnwendungen. Innerhalb der Portale werden die Formate aggregiert, selektiert und mit verschiedenen - idealerweise personalisierten - Serviceleistungen kombiniert, um schließlich ein aus diesen Komponenten bestehendes fertiges Produkt zu vermarkten.28 Der Bereich Dienstleistungen deckt die Abwicklung kaufmännischer Aufgaben ab, so etwa die Rechnungsstellung für in Anspruch genommene Multimedia-Dienstleistungen und die Kundenbetreuung. Zudem fallen hierunter auch plattformspezifische Dienstleistungen, wie die Pflege der erforderlichen technischen Infrastruktur (Web hosting) sowie der Community. Die Wertschöpfiingsstufe Zugang betrifft die Bereitstellung von technischer Infrastruktur, die eine Übertragung der erstellten und aggregierten Formate zum Empfänger sowie die Übertragung von Kommunikationsinhalten zwischen Kommunikationspartnem ermöglicht.29 Innerhalb der Navigation wird dann die Infrastruktur mittels Hardware- und Softwarekomponenten manipuliert, so daß für den Nutzer eine Orientierung und Steuerung innerhalb der Infrastruktur ermöglicht bzw. verbessert wird. Dies geschieht typischerweise mittels Betriebssystemen und Browsern, aber auch zunehmend durch Software-Agenten auf Basis künstlicher Intelligenz. Letztlich umfaßt die Wertschöpfiingsstufe Endgeräte die Entwicklung und Herstellung von Endgeräten - vom PC über das Fernsehgerät bis zum Smartphone - zur Darstellung der Multimedia-Formate. Aus der durch die Konvergenz induzierten und - wie dargestellt - notwendigen Integration von Teilleistungen sind dann letztlich im Rahmen der Marktkonvergenz als Konvergenzergebnis zwei konträre Ausprägungen denkbar, nämlich komplementäre oder aber kompetitive Wettbewerbsverhältnisse zwischen den involvierten Marktakteuren. Da die Konvergenz jedoch keinen Zustand, sondern einen Prozeß darstellt, der eine schrittweise Fortentwicklung von Strukturen durch Entwicklungen in der Unternehmensumwelt (z. B. Technologie, Recht usw.) im Zusammenspiel mit den Akteurshandlungen (z. B. Anbieterkooperationen, Fusionen, Lei-
28
Vgl. WIRTZ (1999), S. 18.
29
Vgl. ZERDICK ET AL. (2001), S. 174.
10
Convergence-based View
stungsbündelung usw.) initiiert, sind die beiden Paradigmen lediglich als Zeitpunktbetrachtung innerhalb der zeitraumbeanspruchenden Konvergenz anzusehen. Die kompetitive Konvergenz bei Produkten, die mit ähnlichen Anwendungsmerkmalen dieselbe Funktion erfüllen, ist dadurch charakterisiert, daß eine bestimmte Nutzergruppe diese Produkte als austauschbare, funktional-äquivalente Marktleistungen bezüglich einer bestimmten Zweckerfüllung betrachtet. 30 Ein Beispiel hierfür ist die Konvergenz von Internet und Femsehen, wobei sowohl der PC für den TV-Empfang als im Prinzip auch das Fernsehgerät für den Internetzugang geeignet ist. Offensichtlich werden somit bisher unterschiedlichen Bereichen zugeordnete Leistungen mit gleichen Funktionen zu einem neuen, hybriden Leistungspaket konfiguriert. 31 Dies hat dann zur Folge, daß aus zwei getrennten Industrien eine konglomerate Industrie entsteht (1+1=1), was zu einer Intensivierung von Fusions- und Akquisitions-Aktivitäten führt, um von den benachbarten Märkten rasch in den neuen Markt eintreten bzw. um die Position innerhalb des konglomeraten Marktes behaupten zu können. 32 Dabei ist zu beachten, daß kompetitive Konvergenz nicht funktional-äquivalent mit substitutiven Austauschprozessen ist. Während Substitutionsprozesse einseitige Austauschprozesse darstellen, bei denen beispielsweise eine funktional-äquivalente Leistung durch eine Alternative mit verbessertem Preis-/Leistungsverhältnis ersetzt wird (z. B. Verdrängung der Schallplatte durch die CD), bildet bei kompetitiver Konvergenz die gegenseitige Austauschbarkeit ein reziprokes Verhältnis auf Basis gleichwertiger Technologien. 3
Breitbandige Übertragungstechnologie A, z. B. DSL
Abbildung 3:
Kompetitivität
Breitbandige Übertragungstechnologie B, B. rückkanalfähiges Kabelnetz
Unterscheidung von Substitution undKompetitivität
Das komplementäre Paradigma basiert - wie auch das kompetitive Paradigma - auf dem gemeinsamen Gebrauch zweier Leistungen. Jedoch resultiert das komplementäre Paradigma aus dem Umstand, daß durch die Leistungsbündelung und -integration bestimmten Nutzern besser für einen größeren Anwendungsbereich gedient werden kann bzw. daß der gemeinsame Gebrauch von einer größeren Nutzerzahl als dienlich angesehen wird. 34 Entsprechend werden die komplementären Leistungen unterschiedlicher Branchen zur Bedürfnisbefriedigung verbunden, was für die Märktekonvergenz zur Folge hat, daß die beiden ursprünglichen, 30
Vgl. THIELMANN (2000), S. 14, KEUPER (2001b), S. 394.
31
Vgl. KEUPER (2002a), S. 43.
32
Vgl. THIELMANN (2000), S. 14 f.
33
V g l . THIELMANN ( 2 0 0 0 ) , S . 15.
34
Vgl. KRIEB (2000), S. 32 ff.
Convergence-based View
11
die Leistungen liefernden Märkte erhalten bleiben und sich zudem ein neuer Markt zur Erfüllung der neuen Funktionen bildet (1+1=3). Beispielhaft für Produkte als Ausgestaltungsform des komplementären Paradigmas lassen sich Online-Datenbanken anführen. Diese stellen ein Konglomerat aus Offline-Datenbanken (Informationstechnologie) und Datenübertragungstechnologie (Telekommunikation) dar. Das entstehende konvergente Produkt, die Online-Datenbank, ermöglicht dem Nutzer einen entfernten Zugriff auf die Daten und somit einen größeren Anwendungsbereich. Charakteristisch für komplementäre Märkte sind die oft unklaren Marktgrenzen, die hohe Unsicherheit des Markterfolgs sowie eine langsame Marktstrukturentwicklung, die insbesondere vor dem Hintergrund der Dynamik der Konvergenz u. U. wieder divergieren kann, noch bevor sie sich gefestigt hat.35 Haben sich hingegen die Marktstrukturen stabilisiert, so werden vermehrt Kooperationen zur (reziproken) gemeinsamen Markterschließung eingegangen, um Kernkompetenzen komplementär zu ergänzen bzw. um sich gegen weitere wettbewerbsintensive, komplementäre Konvergenz zu verwahren. In Analogie zur Differenzierung zwischen Substitution und kompetitiver Konvergenz ist auch zwischen komplementären Gütern und komplementären Konvergenzprodukten zu differenzieren. So unterscheiden sich Güter, die im Rahmen einer komplementären Konvergenz entstanden sind, von komplementären Gütern vor allem in ihren mehrdimensionalen Integrationstendenzen auf Basis einer gleichen oder zumindest ähnlichen Technologie.36 Entsprechend ist beispielsweise eine CD ohne CD-Player faktisch wertlos - et vice versa (komplementäre Güter). Demgegenüber stellt die Integration einer Content-Datenbank ins Internet ein komplementäres Konvergenzprodukt dar, weil die Datenbank bereits offline einen Wert darstellt, nun aber z. B. einem größeren Nutzerkreis zugänglich gemacht wird oder verbesserte Zugriffsmöglichkeiten eröffnet.
35
V g l . KEUPER ( 2 0 0 2 a ) , S . 4 4 .
36
V g l . THIELMANN ( 2 0 0 0 ) , S. 16.
12
Abbildung 4:
Convergence-based View
Unterscheidung dukten
von komplementären
Gütern und komplementären
Konvergenzpro-
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Konvergenz der Märkte als ein Innovationsprozeß von Branchen verstanden werden kann, der gekennzeichnet ist durch intensive, branchenübergreifende Wettbewerbsverflechtungen. Dabei ist die Konvergenz nicht als evolutionäre, sondern vielmehr als revolutionäre Transformation anzusehen, weil die bestehenden Wertschöpfungsketten der Telekommunikations-, Informationstechnologie-, Medien- und Entertainmentbranche zumindest teilweise in ein gemeinsames Multimedia-Wertschöpfungsnetzwerk konvergieren. Dies begründet eine große Unsicherheit der involvierten Akteure, da insbesondere emergente Branchen oder Geschäftsfelder, die durch technologische Innovationen getrieben werden, sich dadurch auszeichnen, daß lediglich eine Schar von möglichen Zukunftsformen identifiziert werden kann. Diese werden durch eine Vielzahl von Schlüsselvariablen definiert, so daß die tatsächliche Zukunftsform einer Branche innerhalb des durch die Schlüsselvariablen definierten Bereichs liegt, wobei einzelne diskrete Szenarien nicht definierbar sind. Im Extremfall kann auch eine echte Ambiguität vorliegen, bei der mehrere Unsicherheitsdimensionen interagieren, so daß eine Datensituation entsteht, aus der keine Voraussage dahingehend gemacht werden kann, wohin sich eine Branche bzw. der Markt strategisch entwickeln wird. So kann trotz der teilweisen Integration von Datendiensten in mobile Kommunikationsumgebungen insbesondere aufgrund technologischer Restriktionen davon ausgegangen werden, daß mobile und stationäre Anwendungen koexistieren werden. Innerhalb der stationären Anwendungen ist im Hinblick auf die unterschiedlichen Nutzungsgewohnheiten - der Multimedia-PC als aktives Lean-Forward-Medium und der Fernseher als passives Lean-Back-Medium - ebenfalls von einer friedlichen Koexistenz der beiden Medien auszugehen. Mit zunehmender Penetration von Breitbandanschlüssen werden zwar immer mehr Fernsehfunk-
Convergence-based View
13
tionalitäten am PC möglich, doch erscheint es allein schon vor dem Hintergrund des oftmals nicht im Wohnzimmer stehenden PCs unwahrscheinlich, daß die große Mehrheit der Nutzer einen Spielfilm am PC-Bildschirm anschaut. Umgekehrt wird beispielsweise das Schreiben und Verschicken von E-Mails noch auf lange Sicht am einfachsten und bequemsten vom PC aus sein. Somit läßt sich schlußfolgern, daß sich für den Konsumenten digitaler Medienangebote drei Erlebniswelten herausbilden, die jedoch aufgrund der integrierten Technologie und der Nutzungsgewohnheiten der Konsumenten interagieren und teilweise miteinander verschmelzen. Insofern sind zwar kompetitive Verhältnisse bei der Nutzung von Diensten wahrscheinlich, jedoch überwiegt der komplementäre bzw. synergetische Charakter, der letztlich auch den Fortbestand der drei Erlebniswelten untermauert. Selbst wenn noch keine plattformübergreifende „Killer-Applikation" in Aussicht ist, wird dennoch für den deutschen Markt für das Jahr 2005 ein großes Marktpotential vorhergesagt, wobei fast die Hälfte der Bevölkerung an mindestens zwei der beschriebenen Erlebniswelten partizipieren wird. Zur Ausgestaltung der drei Erlebniswelten finden daher zahlreiche Kooperationsbestrebungen sowie Mergerund Akquisitionsaktivitäten zwischen den involvierten Marktteilnehmern statt, die sowohl ressourcen- als auch strategieinduziert sind.37 So muß beispielsweise ein Publikumszeitschriftenverlag nicht nur aus der Konvergenz resultierende geschäftliche Chancen in Betracht ziehen, sondern gleichzeitig beachten, daß sich durch die digitalen Erlebnisquellen auch wesentliche Erlösströme zugunsten der Neuen Medien verlagern können. T-Business
E-Business
M-Business
(Schmalband + Breitband)
Abbildung
5:
Prognostiziertes
Teilnehmervolumen
Jahr 2005 in Millionen
an den drei Erlebniswelten
für Deutschland
im
8
Aufgabe 3 Unter der Unternehmensstrategie (corporate strategy) wird allgemein die globale Wegbeschreibung verstanden, die planmäßig festlegt, auf welche Weise strategische Erfolgspotentiale aufgebaut bzw. erhalten werden können, um sich im Umfeld bietende Chancen unter weitestgehender Abwendung der Risiken auszuschöpfen, wobei dabei die obersten Unternehmensziele mit Hilfe strategischer Wettbewerbsvorteile - verifiziert durch strategische Erfolgsfaktoren - best-
37 38
Vgl. KEUPER (2002b), S. 627. Vgl. DEPREZ/ROSENGREN/SOMAN (2002). Die Schnittmengen sind nicht im mathematischen Sinne zu interpretieren, sondern als zusätzliche autarke Mengen, die lediglich mehrere integrierte Nutzungsverhalten beinhalten.
14
Convergence-based View
möglich zu erreichen sind.39 Inhaltlich werden somit durch die Unternehmensstrategie die Geschäftsfelder und Märkte, in denen das Unternehmen tätig sein möchte, definiert, selektiert sowie die Allokation der Ressourcen auf die verschiedenen Geschäftsfelder so vorgenommen, daß eine vorteilhafte Wettbewerbsposition eingenommen werden kann.40 Darüber hinaus hat die Unternehmensstrategie insbesondere die Aufgabe, die dynamische, evolutionäre Entwicklung des Unternehmens sicherzustellen. Die Quelle strategischer Wettbewerbsvorteile sind gemäß der Unternehmensstrategie respektive des Resource-based View distinktive Ressourcen. Werden die Charakteristika distinktiver Ressourcen eingehender analysiert, so wird deutlich, daß Ressourcen nur dann von strategischer Relevanz sind, wenn sie einen überlegenen Kundennutzen stiften sowie durch Informations-, Transfer- und Replikationsbarrieren geschützt sind.41 Während sich Informationsbarrieren dann ergeben, wenn die Quelle für einen strategischen Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens für das Unternehmen selbst oder für andere Unternehmen nicht transparent ist, bestehen Transfer- und Replikationsbarrieren vornehmlich aufgrund von Patenten sowie aufgrund sozialer oder technischer Komplexität der Ressource. Eine soziale bzw. technische Komplexität bedingt dabei, daß die Ressourcen nur in Gesamtheiten wirksam werden können, da sie auf eine Vielzahl von Elementen des Systems Unternehmung verteilt sind bzw. nur mit bestimmten anderen, im betrachteten Unternehmen vorhandenen Ressourcen oder mit den Ressourcen anderer externer Unternehmen ihre angestrebte Wirkung entfalten können.42 Die Komplexität und die damit einhergehende Pfaddeterminiertheit distinktiver Ressourcen bedingen zwangsläufig deren Immobilität sowie deren Nicht-Substituierbarkeit.43 Letztlich stellen somit insbesondere intangible Ressourcen, wie z. B. verbalisiertes Know-how, Expertenwissen, Patente, Good Will, Reputation, Branding, aber auch Prozesse und Verfahren, die möglichen distinktiven Ressourcen eines Unternehmens dar. All diese Ausprägungen distinktiver Ressourcen können im weitesten Sinne unter Kompetenzen subsumiert werden, womit sich der Resource-based View zur Kernkompetenzperspektive transformiert. Gleichwohl stellen Kernkompetenzen vielmehr eine Konfiguration als eine Ausprägung distinktiver Ressourcen dar.44 Insofern sind Kernkompetenzen hochgradig komplexe, organisationale Lernprozesse aufeinander abgestimmter und integrierter Gesamtheiten von Know-how, wie personenabhängiger, intangibler Fähigkeiten, Technologien, wie sich gegenseitig bedingender materieller Aktiva und organisatorischer Prozesse, die dem Kunden nutzen, geeignet sind, um sich im Wettbewerb im weitesten Sinne zu differenzieren, dabei schwierig zu imitieren sind und Tore zu neuen Märkten öffnen. 45 Demzufolge können Kernkompetenzen auch als Integration distinktiver Ressourcen verstanden werden, deren Intransparenz, Komplexität und Ambiguität wesentlich über einzelnen, isolierten distinktiven Ressourcen liegt. Die Kernkompetenzperspektive auf Basis des Resource-based View im Rahmen der Unternehmensstrategie expliziert somit die auf konvergierenden Märkten unabdingbare Notwendigkeit, die Dynamik nicht nur auf Seiten des Untemehmensumfeldes zu erkennen, sondern vielmehr diese Dynamik auf das betrachtete Unternehmen zu rezipieren. Insofern zielt die Kernkompetenzperspektive darauf ab, ausgehend von einer Unternehmensvision strategisch Entnommen aus KEUPER (2002a), S. 49, basierend auf ROLLBERG (1996), S. 13 f., KEUPER (2001a), S. 23. 40
V g l . BECKER ( 1 9 9 6 ) , S . 1 3 4 f.
41
V g l . BÖRNER ( 2 0 0 0 ) , S . 7 3 .
42
V g l . BÖRNER (2000), S. 7 2 f.
43
V g l . MOHREN ( 1 9 9 6 ) , S . 1 6 4 , BARNEY ( 1 9 9 1 ) , S . 1 0 9 f.
44
V g l . P R A H A L A D / H A M E L ( 1 9 9 0 ) , S . 8 3 f.
45
V g l . KNAESE (1996), S. 2 6 ff., BÖRNER ( 2 0 0 0 ) , S. 79.
Convergence-based View
15
relevante Ressourcen zu erwerben, diese weiterzuentwickeln und Kernkompetenzlücken dynamisch mit Hilfe komplementierender Kernkompetenzen anderer Unternehmen zu schließen. Diese Metakernkompetenz, d. h. die Kompetenz zum Kernkompetenzenmanagement und -Wettbewerb auf der Ebene der Unternehmensstrategie, ist somit der zentrale Leverage zum Bestehen auf konvergierenden Märkten. Dies gilt insbesondere für die äußerst dynamische Multimediabranche und die Konvergenz digitaler Medienangebote und Dienste auf den drei digitalen Erlebniswelten M-Business, E-Business und T-Business. Eine marktorientierte Betrachtung strategischer Konzepte legt den Fokus auf eine Outside-InPerspektive, so daß über eine Positionierungsstrategie auf einem Geschäftsfeld strategische Wettbewerbsvorteile generiert werden können, um anschließend die unternehmensinternen bzw. unternehmensübergreifenden Prozesse konsequent auf die jeweils verfolgte Wettbewerbsstrategie auszurichten. Die hohe Dynamik, die auf den verschiedenen digitalen Geschäftsfeldern besteht, zwingt im Verhältnis zur Unternehmensstrategie zu einer eher „kurzfristigen strategischen Stoßrichtung" und somit zu einer marktorientierten Positionierungsstrategie. Klassischerweise zielt die Optimierung der Effektivität bzw. die Maximierung der Effizienz für ein betrachtetes Unternehmen auf den Aufbau jeweils eines komparativen Konkurrenzvorteils oder zumindest auf das Gleichziehen mit der Konkurrenz im Hinblick auf eine Wettbewerbsdimension ab, was PORTER in seinem Konzept des Market-based View und - darauf aufbauend - in der Herleitung seiner monoerfolgsfaktorzentrierten Wettbewerbsstrategien dahingehend interpretiert (ökonomisches Prinzip), daß entweder der Preis der Sach- bzw. Dienstleitungen bei gegebenem Nutzen niedriger (Effizienzfokussierung) oder aber der Nutzen bei gegebenem Preis höher sein muß als bei der Konkurrenz (Effektivitätsfokussierung).46 Grundlage des Market-based View ist das Five-Forces-Modell, mit dem das jeweilige Unternehmen eine Branchenstrukturanalyse durchfuhrt, da die Auswahl der Branche, in der sich das Unternehmen positionieren will, maßgeblich für den Unternehmenserfolg verantwortlich ist. Allerdings ist in Betracht zu ziehen, daß das Modell die Schwäche aufweist, die Branchenstruktur lediglich als Momentaufnahme zu explizieren. Insbesondere emergente bzw. dynamische Branchen wie die TIME-Branche zeichnen sich jedoch dadurch aus, daß evolutionäre Veränderungen in immer kürzeren Abständen auftreten, so daß es schwierig ist, eine stabile Momentaufnahme einer Branche durchzufuhren.47 Aus diesem Grund sind die fünf Wettbewerbskräfte (Rivalität in der Branche, Bedrohung durch neue Konkurrenten, Verhandlungsmacht der Zulieferer, Verhandlungsmacht der Abnehmer, Bedrohung durch Ersatzprodukte) mehr als Analyseinstrument für die Chancen und Gefahren, die in der Umwelt eines Unternehmens be- und entstehen, denn als deterministisches Planungshilfsmittel anzusehen.48 Auf Basis der Branchenstrukturanalyse ist dann eine Wettbewerbsstrategie abzuleiten, in der zu klären ist, ob das betrachtete Unternehmen sich auf dem gewählten Geschäftsfeld als Kostenfuhrer, Differenzierer oder hybrider Anbieter positionieren will.
46
Vgl. ROLLBERG (1996), S. 14.
47
V g l . HAERTSCH ( 2 0 0 0 ) , S . 1 2 4 .
48
Vgl. HAERTSCH ( 2 0 0 0 ) , S. 135.
16
Convergence-based View
Aufgabe 4 Aus der isolierten Gegenüberstellung von ressourcenorientierten bzw. kemkompetenzorientierten Unternehmensstrategien und marktorientierten Wettbewerbsstrategien wird deutlich, daß die ressourcenorientierte Betrachtung hierarchisch der marktorientierten Betrachtung übergeordnet ist.49 Während somit zunächst die Gesamtunternehmensstrategie die Aufgabe der geschäftsfeldübergreifenden Verknüpfung, Integration, Nutzbarmachung sowie Weiterentwicklung distinktiver Ressourcen hat, wird im jeweiligen Geschäftsfeld auf Basis des zur Verfügung stehenden Ressourcenportfolios eine Entscheidung hinsichtlich der Marktpositionierung als Kosteniührer, Differenzierer oder hybrider Anbieter gefällt. Insofern sind im Rahmen des Planungsprozesses in einem ersten Schritt Modelle zur Identifizierung distinktiver Ressourcen anzuwenden. In einem nächsten Schritt gilt es dann, eine Marktanalyse für das jeweilige Geschäftsfeld durchzufuhren, wobei daraufhin beispielsweise mittels der Szenariotechnik plausible, zukunftsgerichtete Entwicklungsschwerpunkte definiert werden können. Die Entscheidung zur Wahl der geeigneten Wettbewerbsstrategie wird jedoch nicht allein anhand der Marktanalysen gefällt, sondern es ist vielmehr auch zu evaluieren, ob die Wettbewerbsstrategie in Einklang mit der Unternehmensstrategie als höchster Rekursionsebene steht. So ist offensichtlich, daß eine wirtschaftlich erfolgversprechende Marktnische im Multimedia-Bereich vom betreffenden Geschäftsfeld des jeweiligen Unternehmens nur dann genutzt werden kann, wenn hierzu z. B. ausreichende finanzielle Ressourcen vorhanden sind, um AnlaufVerluste etc. abdecken zu können. Unter Berücksichtigung dieses Aspektes, der die Integration von Unternehmens- und Wettbewerbsstrategien zu einem Convergence-based View verdeutlicht, sind letztlich in den einzelnen Funktionsbereichen des Geschäftsfeldes detaillierte funktionale Strategien, wie Marketing- und Vertriebs- oder Produktionsstrategien, zu formulieren und zu koordinieren. Entsprechend findet nicht nur eine vertikale, sondern vielmehr auch eine horizontale Strategieintegration statt.
49
Vgl. hierzu ausführlich BÖRNER (2000), S. 118 ff., KEUPER (2002a), S. 627 ff.
17
Convergence-based View
Abbildung 6:
Strategische Ebenen eines
Unternehmens50
Aus der Abbildung wird deutlich, daß der Convergence-based View die zuvor postulierte Aufteilung in zwei strategische Ebenen umfaßt. Während die erste Ebene die Unternehmensstrategie aus einem ressourcenorientierten Blickwinkel festlegt, determiniert auf der zweiten Ebene eine marktorientierte Sichtweise die Strategiebildung. Werden nun hinsichtlich der Ebene I des Convergence-based View (Kernkompetenzperspektive) die zuvor dargelegten Wertschöpfiingsaktivitäten im Multimedia-Wertschöpfungsnetzwerk •
Erstellung von Formaten, d. h. Konzeption von Medieninhalten jeglicher Art,
•
Konzeption von Portalen zur Aggregation, Selektion und Personalisierung,
•
Schaffung von Zugängen zu den Portalen,
•
Offerierung von Dienstleistungen jeglicher Art auf den Portalen,
•
Konzeption von Navigationshilfen, um effektiv und effizient zu agieren, und
•
Entwicklung, Verkauf bzw. im weitesten Sinne Bereitstellung von Endgeräten zur Darstellung der Medienformate
- mit den drei Erlebniswelten -
50
In Anlehung an DÖRRER (1999), S. 30, bzw. KEUPER (2002a), S. 111.
18
Convergence-based View
•
E-Business,
•
M-Business und
•
T-Business
- in Beziehung gesetzt, so ergibt sich eine Resource-based-View- bzw. kernkompetenzbasierte Planungsmatrix zur Entwicklung der Unternehmensstrategie im Rahmen der konvergierenden TIME-Branche. Komplementäre Erlebniswelten Miiiiiihiaauu M-Business
horizontale Konvergenz E-Business
tummamm T-Business
! « Konvergenz digitaler Medienangebote
Abbildung 7:
Kernkompetenz-basiertes Planungsmodell zur Entwicklung von Unternehmensstrategien in der TIME-Branche im Rahmen des Convergence-based View51
Für die verschiedenen Akteure in der TIME-Branche muß es gemäß dem Kernkompetenzansatz der Unternehmensstrategie somit das Ziel sein, die eigenen Kernkompetenzen, z. B. in der Content-Erstellung oder in der Bereitstellung von Plattformen respektive PlattformServices, kontinuierlich weiter auszubauen und gleichzeitig amöbenartig die Kernkompetenzlücken durch Kooperationen, Merger- und Akquisitionsaktivitäten zu schließen, ggf. aber auch sich von Unternehmensteilen und Partnerschaften zu trennen. Dementsprechend ist es für die Unternehmen in der TIME-Branche auch nicht das Ziel des Kernkompetenzansatzes, eine Normstrategie zu postulieren. Vielmehr gilt es für die Akteure, unter Berücksichtigung der eigenen Kernkompetenzen und Kernkompetenzlücken vor dem Hintergrund der strategischen Meta-Moves innerhalb der Branche spezifische Entscheidungen hinsichtlich einer horizontalen und/oder vertikalen angebotsseitigen Konvergenz zu treffen. Eine Normstrategie als Unternehmensstrategie wäre auf konvergierenden Märkten eine absurde Forderung, da die Dynamik der Konvergenz Normstrategien auf Unternehmensebene erodieren läßt. Insofern In Anlehnung an eine Darstellung von DR. ROHDE, McKinsey & Inc. (Hamburg) (stark erweitert), im Rahmen des Vortrages „Konvergenz digitaler Medienangebote" am 26.11.2001 in der Vorlesung „Strategisches Management" von DR. FRANK KEUPER an der Universität Hamburg.
Convergence-based View
19
sind strategische Entscheidungen fur die Aufrechterhaltung und Dynamisierung der eigenen Kernkompetenzen zu treffen, und gleichzeitig ist der enormen Dynamik der konvergierenden, später auch u. U. wieder divergierenden Teilsektoren der TIME-Branche durch ein dynamisches Kooperations- und damit flexibles, unternehmensübergreifendes Kernkompetenzmanagement gerecht zu werden. Nur durch die Metakompetenz des Managements vertikal und horizontal angebotsseitiger Konvergenz, was durch ein Multimedia Supply Chain Management ermöglicht wird, 52 besteht trotz konvergierender und divergierender Marktstrukturen und den damit kontinuierlich initiierten evolutionären und revolutionären Wertschöpfungsveränderungen dauerhaft die Chance, erfolgreich am Markt zu agieren. Da sowohl die Unternehmensstrategie, der Kernkompetenzansatz als auch das Supply Chain Management einen eher langfristigen, strategischen Charakter aufweisen, ist es auch nicht die Aufgabe der ersten Ebene des Convergence-based View die emergenten und dynamischen Wettbewerbsfelder zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Ziel der ersten Ebene ist vielmehr das kernkompetitive Management der Unternehmenszukunft. Deutlich wird diese Tendenz zum Management von Kernkompetenzen beispielsweise bei der wertschöpfungsstufenübergreifenden vertikalen Konvergenz auf der Angebotsseite, die vornehmlich darauf ausgerichtet ist, die Erlöspotentiale abzusichern. Typisch für konvergierende Märkte ist dabei, daß noch keinesfalls feststeht, auf welchen Stufen der Wertschöpfung der höchste Erlös erzielt wird (fehlendes Value Tracking). Zudem nimmt die Free-LaunchMentalität des Internet weiter ab, so daß in Zukunft - ähnlich wie im M-Business - die Nutzung von Content, Services und Portalen immer mehr mit nutzungsabhängigen Entgelten verbunden sein wird. Exemplarisch können in diesem Zusammenhang die im Verlaufe des Jahres 2002 zunehmend etablierten Pay-per-Content-Strategien großer Internet-Portale, wie z. B. bei Bild.t-online.de oder der Financial Times Deutschland, angesehen werden. Komplementäre Erlebniswelten M-Business
!
T-Business
Formate
• Inhalte • Applikationen • E-Commerce
Portale
• Aggregation von Inhalten • Auswahl, Personalisierung, Packaging • Programmierung
PlattformServices
I
E-Business
T-Motionl Vodafone | Vizzavi
Zugang
AOL T-Online BSkyB
• Netzzugang
w
Navigation
• Hardware/Software zur Orientierung/Navigation
Endgeräte
• Zugangsgeräte, wie: • Handy, PDA •PC •TV
- tiQuiiiH Konvergenz digitaler Medienangebote
Abbildung 8:
52
• Sicherheit/Authentifizierung • Payment/Billing • Webhosting/E-Mail/Community
Vertikale angebotsseitige Konvergenz
Vgl. KEUPER (2001b), S. 396 ff.
20
Convergence-based View
Eine ähnliche Sichtweise ergibt sich bei der horizontalen, wertkettenübergreifenden Konvergenz auf der Angebotsseite. Hier ist allerdings weniger die Absicherung der Erlösquellen der Treiber angebotsseitiger Konvergenz, sondern vielmehr der Markentransfer über alle Plattformen, um so auf allen Endgeräten ein markengebundenes Angebot zu offerieren, was zu einer enormen Stärkung des Branding fuhrt. Hierdurch kann die Kundenbindung wesentlich erhöht und gleichzeitig die Personalisierung der Leistungsangebote intensiviert und integrativ über alle Plattformen abgestimmt werden, wodurch die Kundenzufriedenheit weiter gesteigert werden kann. So bieten viele Zeitungen und Zeitschriften im Internet Zusatzinformationen und Kommunikationsmöglichkeiten zur Print-Ausgabe. Aber auch das Engagement vieler Verlage im mobilen Portal i-Mode zeigt eindeutig die Tendenz zur horizontalen Konvergenz. Letztlich ist mit der Evolution des interaktiven Femsehens auch ein verlagsseitiges Angebot in der Erlebniswelt T-Business denkbar. So könnten während der Sendung „Presseclub" in der ARD wichtige Artikel der beteiligten Journalisten zum Download per Set-Top-Box bereitgestellt werden. Als Fazit der kernkompetenzorientierten ersten Perspektive des Convergence-based View, die darauf abzielt, die eigenen Kernkompetenzen zu erkennen, diese optimal zu managen, aber auch ein unternehmensübergreifendes Kernkompetenzmanagement umzusetzen, kann festgehalten werden, daß es prinzipiell das Ziel aller Akteure in der TIME-Branche sein muß, ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes, horizontal und/oder vertikal konvergentes Unternehmen bzw. Unternehmensnetzwerk zu schaffen. Sind dann die Kernkompetenzen gestärkt bzw. die Kernkompetenzlücken geschlossen und sind gleichzeitig die Flexibilitätspotentiale zur Handhabung der Branchendynamik unter Beachtung der strategischen Moves geschaffen, so gilt es von der bisher vorherrschenden Inside-Out-Perspektive zu einer Outside-In-Perspektive zu wechseln, um sich auf den verschiedenen Geschäftsfeldern zu positionieren. Insofern ist im Rahmen der zweiten Perspektive des Convergence-based View eine Branchenstrukturanalyse für das jeweilige Geschäftsfeld durchzufuhren. Dabei ist das Five-Forces-Modell um die für konvergierende Märkte unabdingbare sechste Kraft des Komplementierers zu erweitern, da die Unternehmen erst im Zusammenspiel mit den Komplementierern durch Anwendung von Bündelungsstrategien in die Lage versetzt werden, angebotsseitig vertikal und horizontal zu konvergieren und ihre Wertschöpfungsketten konvergenzorientiert auf die jeweilig verfolgte Wettbewerbsstrategie optimal und flexibel auszugestalten.
21
Convergence-based View
Abbildung 9:
Die fünf Wettbewerbskräfte mentierender Kräfte53
nach PORTER unter besonderer Berücksichtigung
komple-
Aufgabe 5 Die zuvor gewählte Darstellung von sechs Wertschöpfungsstufen läßt sich zunächst für eine eher praxisinduzierte Vorgehensweise im Rahmen des strategischen Planungsprozesses noch weiter simplifizieren, um so auf hohem Aggregationsniveau erste strategische Stoßrichtungen festlegen zu können. So werden nachfolgend aus Vereinfachungsgründen die vorwiegend dem Medienbereich zuzuordnenden Wertschöpfungsstufen Formate und Portale zu einer Wertschöpfungsstufe zusammengefaßt. Analog dazu werden die telekommunikationsorientierten Plattform-Services und der Zugang sowie die IT-orientierten Wertschöpfungsstufen Navigation und Endgeräte miteinander kombiniert. Entsprechend ergibt sich nunmehr eine NeunSektoren-Planungsmatrix, die alle Unternehmen der TIME-Branche zur Planung angebotsseitiger Konvergenz verwenden können.
53
In Anlehnung an KEUPER (2002a), S. 81. Die Abbildung stellt eine Erweiterung der Abbildung von HAERTSCH (2000), S. 133, dar. Die fünf Wettbewerbskräfte basieren auf PORTER (1999), S. 32.
22
Convergence-based View
Komplementäre Erlebniswelten E-Business
M-Business
T-Business Inhalte Applikationen E-Commerce
Formate, Portale
Aggregation von Inhalten Auswahl, Personalisierung, Packaging Programmierung Sicherheit/Authentifizierung Payment/Billing Webhosting/E-Mail/Community
PlattformServices, Zugang
Netzzugang
Hardware/Software zur Orientierung/Navigation
Navigation, Endgeräte
Konvergenz digitaler Medienangebote Abbildung 10:
Die Neun-Sektoren-Planungsmatrix
der digitalen Erlebniswelten54
Die in Abbildung 10 dargestellte Neun-Sektoren-Matrix dient somit einerseits dazu, die strategischen Moves in der TIME-Branche abzubilden, andererseits aber auch dazu, zu erkennen, wo Kernkompetenzlücken bestehen, die dann mit Hilfe von Kooperationen oder Merger- und Akquisitionstätigkeiten zu schließen sind. Will sich beispielsweise Herbert Farmer mit seiner Wirtschaftszeitschrift „Wirtschaft Komplett" in der Erlebniswelt M-Business engagieren, so gilt es, Kooperationen mit Netzbetreibern und Endgeräteherstellern einzugehen, um die Inhalte über mobile Distributionswege vermarkten und auf mobilen Endgeräten darstellen zu können. Ziel ist es somit, dem Endkunden in allen denkbaren Nutzungsumgebungen ein aktuelles, markengebundenes Angebot an Wirtschaftsinformationen bereitzustellen. Mit der Herausbildung der Erlebniswelt T-Business müßte so wiederum für ein entsprechendes Engagement des Wirtschaftstitels das Kompetenzportfolio durch Akquisition bzw. Aufnahme spezialisierter Partner erweitert werden, um gemeinschaftlich den neuen Markt des interaktiven Fernsehens erschließen zu können. Zur branchenübergreifenden Erweiterung der Neun-Sektoren-Matrix bietet sich nun das Hinzufügen einer Z-Achse an, worauf die jeweiligen Branchen abgetragen werden. Dadurch transformiert sich die Matrix zum sogenannten Convergence Cube 5.
54
In Anlehnung an HÜNING/KEUPER (2002), S. 28.
55
Vgl. KEUPER/HANS (2003), S. 110 ff.
Convergence-based View
Abbildung 11:
Der Convergence Cube als branchenübergreifendes seitiger Konvergenz56
23
Modell zur Planung
angebots-
Mit Hilfe des Convergence Cube ist es möglich, potentielle aus angebotsseitiger Konvergenz resultierende (branchenübergreifende) Risiken gezielt im Planungsprozeß zu identifizieren. Beispielsweise kann die Redaktion der Wirtschaftszeitschrift „Wirtschaft Komplett" dadurch systematisieren, welche Strategien Finanzdienstleister, die ehemals als reine Content-Lieferanten agierten und nunmehr eigene und damit konkurrierende digitale Content-Angebote entwickeln, in den verschiedenen digitalen Erlebniswelten anwenden. Viel hilfreicher ist der Convergence Cube jedoch zur Identifizierung potentieller Geschäftschancen. Dazu bietet es sich an, den Convergence Cube innerhalb einer detaillierten Branchenbetrachtung zu konkretisieren, indem die digitalen Erlebniswelten sowie die Multimedia-Wertschöpfungsstufen mit den traditionellen Wertschöpfungsstufen der jeweiligen Branche verbunden werden, was in Abbildung 12 am Beispiel der Automobilbranche dargestellt wird.
56
Die angeführten Branchen dienen nur als Beispiel für durch die Konvergenz mittelbar beeinflußte Industrien.
24
Abbildung 12:
Convergence-based View
Planung von Telematik-Diensten in der Automobilbranche anhand des Convergence Cube
Die Wirtschaftszeitschrift „Wirtschaft Komplett" könnte nun spezifische Content-Produkte entwickeln und einem Automobilhersteller anbieten. Dies sind z. B. Inhalte-Pakete für die sich zunehmend durchsetzenden, im Automobil integrierten Informations- und Unterhaltungsportale (Telematik), was in die Wertschöpfungsstufe After Sale des Automobilherstellers fällt. Während der Automobilhersteller dem mobilen Kunden durch derartige TelematikDienstleistungen einen Mehrwert bietet, der letztlich zu einer höheren Kundenbindung beitragen soll, erweitert die Wirtschaftszeitschrift hiermit ihr markengebundenes Informationsangebot um eine spezifische Plattform in der Erlebniswelt M-Business. Um dies zu ermöglichen, ist jedoch neben einer Kooperation mit dem Automobilhersteller eine Kooperation oder zumindest eine enge Abstimmung mit den Mobilfunk-Providern hinsichtlich der Zugangsund Übertragungstechnologien zu treffen. Andererseits ist es auch wichtig, mit Endgeräteherstellern relevanter Hardware-Lösungen zur optimalen Darstellung der Formate zusammenzuarbeiten, was erneut die Bedeutung des Convergence Cube zur Systematisierung eigener und fehlender Kernkompetenzen unterstreicht. Während dies nur die endkundennahe Wertschöpfungsstufe After Sale und Services beschreibt, könnten von „Wirtschaft Komplett" gleichfalls in den vorgelagerten Wertschöpfungsstufen Content-Produkte angeboten werden, wobei entsprechend des rein professionellen Einsatzes in diesem Zusammenhang eher von Anwendungswelten als von Erlebniswelten zu sprechen ist. So werden gerade für moderne Unternehmensportale aktuelle und branchenspezifische Informationen benötigt, die letztlich die Mitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen sollen. Ein Mitarbeiter in der Teilebeschaffung eines Automobilherstellers (Wertschöpfungsstufe Eingangslogistik) wäre so u. U. in der Lage, besser zu disponieren, sofern von „Wirtschaft Komplett" z. B. Informationen zu einem bevorstehenden Generalstreik in einem europäischen Land, in dem wichtige Zulieferer angesiedelt sind, minutenaktuell auf seinen PC (Anwendungswelt E-Business) oder gar ein mobiles Endgerät (Anwendungswelt M-Business) geschickt werden. Insofern könnte die Zeitschrift „Wirtschaft Komplett" branchenspezifische, digitale News-Channel für die verschiedenen Anwendungswelten produzieren. Durch diese
Convergence-based View
25
Syndikation von Inhalten wäre die Redaktion auch gleichzeitig in der Lage, eine neue Erlösquelle oder gar ein komplett neues Geschäftsfeld „Content Syndication" zu erschließen. Als Fazit ist somit festzuhalten, daß der Convergence Cube ein adäquates Modell zur Systematisierung und Planung der aus angebotsseitiger Konvergenz resultierenden Risiken und Chancen für ein Unternehmen ist. Aufgrund des dem Modell inhärenten Kemkompetenzansatzes lassen sich eigene Kernkompetenzen einordnen und fehlende Komplementärkompetenzen für ein Engagement in einer oder mehrerer der digitalen Erlebnis- bzw. Anwendungswelten identifizieren. Auf den Erkenntnissen der aus dem Convergence Cube abgeleiteten Aussagen ist daraufhin z. B. die Festlegung einer branchenübergreifenden Partnerstrategie, d. h. eine Entscheidung über die Aufnahme und Ausgestaltung vertikaler, horizontaler und diagonaler Kooperationspartnerschaften, möglich.
26
Convergence-based View
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Ökonomie des Electronic Commerce am Fallbeispiel sinkender Suchkosten ANDREAS WILL
[email protected] TECHNISCHE UNIVERSITÄT ILMENAU
Betrachten wir einen Anbieter von CDs, der seine Ware traditionell in einem Ladenlokal anbietet. Man kann davon ausgehen, daß mit dem Abstand des Wohnortes oder Arbeitsplatzes des Kunden vom Ort des Angebotes die Wahrscheinlichkeit eines Einkaufes bei diesem Anbieter abnimmt. Mit verantwortlich dafür ist der Umstand, daß die Überwindung von Entfernung mit Kosten behaftet ist, die um so höher sind, je größer die Entfernung ist, die überwunden werden muß. Damit erhöhen sich mit steigendem Abstand des Nachfragers zum Ort des Angebots die Kosten, die diesem entstehen, wenn er sich über das Angebot informieren bzw. wenn er zum Angebot gelangen will. Man kann also davon ausgehen, daß die Relevanz eines Angebotes für einen bestimmten Nachfrager mit steigender Entfernung abnimmt. Übertragen auf unser Beispiel stellt sich diese folgendermaßen dar: Ein Nachfrager interessiert sich für eine bestimmte CD. Ihm ist bekannt, daß er diese CD in der nächsten größeren Stadt um 2 € billiger kaufen kann als an seinem Heimatort. Obwohl ihm dies bekannt ist, kauft er die CD dennoch in seinem Heimatort, weil die Kosten einer Fahrt in die Stadt höher sind als die 2 €, die er sich bei einem Einkauf in der Stadt sparen könnte. Dieser Umstand führt dazu, daß die Attraktivität eines Ladenlokals und damit der Preis, der dafür bezahlt werden muß, nicht zuletzt von der Anzahl der potentiellen Kunden abhängt, die ihren regelmäßigen Aufenthaltsort in einem bestimmten Umkreis um dieses Ladenlokal haben. Gerade junge Anbieter können sich deshalb aufgrund der hohen Kosten attraktive Standorte häufig nicht leisten. Gehen wir nun davon aus, daß unser Anbieter seine CDs auf einem Netzmarkt anbietet. Die Situation für den Nachfrager ist insofern andersartig, als (unter der Annahme von anbieterunabhängig gleich hohen Kommunikations- und Versandkosten) die Realisation des um 2 € günstigeren Angebotes möglich ist, ohne die größere Entfernung zu diesem Anbieter in die Kalkulation mit einbeziehen zu müssen. Der Einfluß des Faktors „Entfernung" auf die Sichtbarkeit und Relevanz eines Angebotes entfallt damit auf dem Netzmarkt. Die Anbieter befinden sich alle in gleicher „Entfernung" um den Nachfrager. Damit scheint der Schluß, der sich aus dem Beispiel ableiten läßt, eindeutig: Es scheint erstens generell interessant zu sein, Produkte über Netzmärkte anzubieten, weil dadurch potentielle Nachfrager erreicht werden, für die das eigene Angebot im Filialvertrieb aufgrund der dargestellten Entfernungsabhängigkeit nicht sichtbar würde. Und zweitens scheint es sinnvoll zu sein, zu möglichst niedrigen Preisen anzubieten, weil die Nachfrager durch den Fall der Entfernungsbarriere jederzeit auf das günstigste Angebot zurückgreifen können. Besonders
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Ökonomie des Electronic Commerce
Neuanbieter, die sich in der Lage sehen, Produkte zu besonders günstigen Konditionen anzubieten, dürften Netzmärkte damit als attraktiv beurteilen. Diese Attraktivität resultiert nicht zuletzt daraus, daß über Netzmärkte zu sehr niedrigen Kosten, die auch für junge Unternehmen akzeptabel sind, eine sehr hohe Anzahl an potentiellen Kunden erreichbar ist. Jedoch bewirkt die Aufhebung der selektierenden Wirkung des Faktors „Entfernung eines Angebotes", daß für einen Nachfrager - ob er will oder nicht - alle Angebote relevant werden, die auf einem Netzmarkt angeboten werden. Die komplexitätsreduzierende Wirkung der Entfernung, die in der Realwelt wirkt, ist auf Netzmärkten aufgehoben. Während ein Anbieter traditionell nur mit einigen wenigen Konkurrenten um die Aufmerksamkeit des Kunden buhlt - nämlich denjenigen, denen der jeweilige Nachfrager Relevanz zumißt - so ergibt sich auf Netzmärkten eine Konkurrenzsituation um die Aufmerksamkeit eines Nachfragers, an der prinzipiell alle Anbieter teilnehmen, die sich innerhalb des Mediums bewegen. Somit steht der aus Sicht des Anbieters - isoliert betrachtet - wünschenswerten Situation, potentiell für alle Nutzer sichtbar zu sein, das Problem des Nachfragers entgegen, aus allen Anbietern die relevanten und günstigen aussuchen zu müssen. Wie verhalten sich Nachfrager nun angesichts dieser Suchnotwendigkeit und welche Folgen ergeben sich für Anbieter?
Aufgabe 1 Definieren und erläutern Sie den Begriff des Netzmarktes.
Aufgabe 2 Erläutern Sie Netzmärkte aus der Sicht der Nachfrager. Gehen Sie dabei insbesondere auf die Bedeutung des Suchproblems ein.
Aufgabe 3 Medienprodukte gelten als typische „Erfahrungsgüter". Erläutern Sie diesen Begriff. Welche Rolle spielt Suche bei Erfahrungsgütern?
Aufgabe 4 Wir untersuchen im folgenden den Fall eines Akteurs (Nachfragers), der ein bestimmtes, von verschiedenen Anbietern zu unterschiedlichen Preisen angebotenes Gut erwerben will, wobei er für den Besuch bei den Anbietern Kosten tragen muß. Wie man zeigen kann, ist die „optimal stopping rule" eine Reservationspreisstrategie, die dem Akteur empfiehlt, solange schrittweise zu suchen, bis ein Preis gefunden wird, der nicht oberhalb einer gewissen Preisgrenze, nämlich des Reservationspreises, liegt. Dem Nachfrager stellt sich somit wiederholt
Ökonomie des Electronic Commerce
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die Frage, ob er ein vorliegendes Preisangebot annehmen - also bei dem entsprechenden Anbieter kaufen - oder in Erwartung eines günstigeren Angebots einen weiteren, kostenverursachenden Suchschritt durchfuhren soll (sequentielle Suche).1
Modellannahmen Zu treffen sind Annahmen bezüglich der Leistung, der Preisverteilung dieser Leistung, der Nachfrager und der Suchkosten, die ein Nachfrager zu tragen hat. (AI)
Leistung Die entscheidungsrelevanten Sucheigenschaften der verschiedenen Angebote der zum Kauf anstehenden Leistung lassen sich durch den Leistungspreis hinreichend charakterisieren.
(A2)
Preise Die Preise sind gleichverteilt auf [0;p] mit der Verteilungsfunktion
0 p - p
F(P) = 3—=• p - p
(A3)
für 0 < p < p für p > p mit p > 0
Nachfrager Für jeden der Nachfrager gilt, daß er in der betrachteten Periode genau eine Einheit der Leistung kauft. Ihm liegt ein erstes Angebot vor, die Leistung zum Preis pj zu erwerben. Er kann (wiederholt) einen kostenverursachenden Suchschritt durchführen, um günstigere Angebote zu erhalten. Dabei kennt er zwar die Verteilung der Preise, muß aber jeweils einen weiteren Suchschritt vornehmen, um den dabei gefundenen Preis einem Anbieter zuordnen und das Geschäft ggf. vereinbaren zu können. Der Nachfrager ist risikoneutral und minimiert die Summe aus erwartetem (zu zahlendem) Leistungspreis und erwarteten Suchkosten.
Im Gegensatz hierzu stehen Strategien mit einem festen Stichprobenumfang, die beispielsweise von STIGLER untersucht wurden. FEINBERG/JOHNSON haben die Überlegenheit sequentieller Suche über Strategien mit festem Stichprobenumfang nachgewiesen.
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Ökonomie des Electronic Commerce
(A4)
Suche Bei jedem Suchschritt trifft der Suchende zufallig auf eine Ausprägung des Leistungspreises P.
Im Hinblick auf die Suchkosten erweist es sich als hilfreich, eine technologische Komponente von einer Bewertungskomponente zu unterscheiden, um das individuell differierende Empfinden der Suchkosten abbilden zu können. Einfach verständlich wird diese Unterscheidung durch die folgende Modellierung. (A5)
Suchkosten Die Suchkosten, die ein Nachfrager pro Suchschritt erleidet, betragen as mit a > 0 und s > 0.
a , die technologische Komponente, ist anschaulich interpretierbar als die für jeden Nachfrager identische und konstante Suchzeit, die für einen Suchschritt aufgebracht werden muß, s als der individuelle und konstante Kostensatz, mit dem ein Nachfrager diese Suchzeit bewertet.2 Beispiel 1: Die Zeit für einen Suchschritt betrage 10 Minuten / Suchschritt; ein Nachfrager bewerte eine mit Suche verbrachte Stunde mit 120 € / Stunde. Die Suchkosten pro Suchschritt betragen für diesen Nachfrager folglich 20 € / Suchschritt. Über den Parameter a können sich infolge exogener Einflüsse (z. B. des technischen Wandels) ändernde Suchkosten sehr einfach modelliert werden („schnellere / langsamere Suche"). Wenn im folgenden von sinkenden Suchkosten gesprochen wird, ist damit stets eine marginale Abnahme von a gemeint. Über unterschiedliche Werte von s wird hingegen die nachfragerindividuelle Bewertung der Suche erfaßt. Ferner reflektiert Annahme (A5) auf geeignete Weise die auf Netzmärkten vorherrschende und in der Einleitung erläuterte identische Distanz eines Nachfragers zu jedem Anbieter: Im Gegensatz zur Suche auf physischen Märkten, bei der mit zunehmender Dauer die Entfernung vom Ausgangspunkt wächst (was die Annahme steigender Grenzkosten der Suche verlangen würde), ist auf Netzmärkten die jederzeitige Rückkehr zum „Ausgangspunkt" der Suche kostenlos möglich (was die Annahme konstanter Grenzkosten der Suche rechtfertigt). (A6)
Verteilung der Nachfrager Über alle Nachfrager betrachtet, bezeichnet die stetige, auf [0, s] definierte Zufallsvariable S die Verteilung des Opportunitätskostensatzes der Suche. G(s) sei die Verteilungsfunktion von S. G(s) gibt also die Wahrscheinlichkeit an, auf einen Nachfrager zu treffen, der Opportunitätskosten der Suche empfindet, die nicht größer als s sind.
G(s) ist eine auf [0,s] monoton steigende, stetige und abschnittsweise differenzierbare Funktion mit G(o) = 0 und G(s) = 1. Kein Nachfrager empfindet also negative Suchkosten und keiner Suchkosten, die größer als a s sind.
Vgl. hierzu SHY. Neben den Opportunitätskosten der mit der Suche verbrachten Zeit kann s auch direkte Auszahlungen, z. B. die zeitabhängigen Onlinegebühren beinhalten. Fixkosten der Suche, z. B. monatliche Grundgebühren des Onlineproviders sind hingegen nicht modelliert, da sie in der folgenden Grenzbetrachtung nicht entscheidungsrelevant sind.
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Der Reservationspreis ergibt sich unter dieser Verteilungsannahme zu Ps = p + ^ 2 a s ( p - p ) Der Erwartungswert der Gesamtkosten setzt sich additiv zusammen aus dem Erwartungswert des Leistungspreises und dem Erwartungswert der gesamten Suchkosten und entspricht, wie man zeigen kann, dem Reservationspreis: E(KG)=E(KP)+E(KS)=PS
Fragen a)
Welches ist der auf dem Markt höchstens durchsetzbare Preis? Zeigen Sie auf dieser Basis, daß unter den getroffenen Annahmen stets Preisdispersion auftritt. Welchen Einfluß nehmen sinkende Suchkosten auf den Reservationspreis und die Gesamtkosten der Nachfrager?
b)
Bestimmen Sie die Deckungsbeiträge der Anbieter und erläutern Sie anhand einer Fallunterscheidung.
c)
Erläutern Sie die Problematik der Annahme einer gegebenen Preisverteilung.
Aufgabe 5 Interpretieren Sie die erhaltenen Ergebnisse zum Suchverhalten und ziehen Sie Schlußfolgerungen für das Anbieterverhalten auf Netzmärkten.
Lösung Aufgabe 1 Netzmärkte sind Organisationen auf der Basis offener und integrierter Informations- und Kommunikationssysteme (IKS), die alle oder auch nur einzelne Phasen von Markttransaktionen ermöglichen, und zwar von der Suche nach geeigneten Leistungen und der Geschäftsanbahnung bis hin zur rechtswirksamen Vereinbarung und Abwicklung des Geschäfts. Ausschlaggebend sind die Eigenschaften „offen" und „integriert". Die technologische Offenheit der zugrundeliegenden IKS erlaubt die kostengünstige Teilnahme von Anbietern und Nachfragern am Marktgeschehen. Organisationen, die aufgrund der Offenheit der Technologie Teilnehmern an jedem Ort weltweit zugänglich sind, sind Netzmärkte in der engeren
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Ökonomie des Electronic Commerce
Bedeutung. Das schließt den Fall nicht aus, daß ein Netzmarkt aus wirtschaftlichen Gründen geschlossenen Gruppen von Anbietern oder Nachfragern vorbehalten ist - z. B. in einem marktmäßig organisierten Produktionsverbund. Das weitere Merkmal „integriert" bedeutet hier, daß die komparativen Vorteile verschiedener Medien additiv genutzt werden können, etwa die Vorteile der Sprachkommunikation über das Telefonnetz bei paralleler Datenkommunikation über das Internet. Aus der Offenheit und Integration von Netzmärkten resultiert eine potentiell mit weniger Friktionen behaftete Koordination, als dies auf herkömmlichen Märkten erreichbar ist. Im Gegensatz zu diesen sind Netzmärkte gewissermaßen „ortlose Marktplätze"; sie kommen dem Markt der Wirtschaftstheorie als dem ökonomischen Ort des spontanen und preisvermittelten Gütertausches näher als traditionelle, ortsgebundene Marktorganisationen. Naturgemäß bleiben Netzmärkte beim Tausch von Leistungen, die materiell sind oder materielle Komponenten beinhalten, unvollkommen, weil nur die Anbahnung und Vereinbarung, nicht die Abwicklung des Geschäfts möglich sind. Immaterielle Leistungen wie Medienprodukte hingegen sind prinzipiell digitalisierbar; sie können deshalb vollständig über Netzmärkte erbracht werden. Im Ideal der durchgängigen Unterstützung einer Markttransaktion äußert sich die Ortlosigkeit von Netzmärkten darin, daß für einen Teilnehmer der Zugang zu und das Agieren auf Netzmärkten zu gleicher Qualität und zu gleichen Transaktionskosten von seinem Aufenthaltsort unabhängig ist. Daraus folgt, daß im Gegensatz zu ortsgebundenen, regionalen Märkten die räumliche Nähe auf Netzmärkten keinen (Standort-) Faktor für erfolgreiche Kundenbeziehungen darstellt. Die Geschäftstätigkeit auf Netzmärkten bezeichnet man gemeinhin als Electronic Commerce, Online Business oder Elektronischen Handel.
Aufgabe 2 Da Netzmärkten die herkömmlicherweise komplexitätsreduzierend wirkende räumliche Entfernung fehlt, befinden sich für einen Nachfrager - ob er dies will oder nicht - alle Angebote, die auf einem Netzmarkt zur Verfugung stehen, in seiner Reichweite. Netzmärkte zeigen den Nachfragern ein Janusgesicht: Auf der einen Seite läßt das breite Angebot eine stärkere Markttransparenz erwarten, die den Nachfragern z. B. in Form niedrigerer Preise zugute kommen könnte; auch kann ein auf die Kundenbedürfnisse eingehendes und die Netzmarktspezifika ausschöpfendes Angebot den Kunden einen nicht unerheblichen Qualitätszuwachs bringen (vor allem die ortsunabhängige Verfügbarkeit des Angebots rund-um-die-Uhr und ein individualisiertes Marketing und Produktangebot mit an der individuellen Zahlungsbereitschaft orientierten Preisen). Auf der anderen Seite aber stehen die Nachfrager vor einem Auswahlproblem, wie man es von herkömmlichen Märkten nicht kennt. Insbesondere die Anbahnungsphase eines Geschäfts, die sich für die Nachfrager vor allem als eine Phase der Informationsgewinnung oder Suche darstellt, besitzt einen grundsätzlich anderen Charakter als auf herkömmlichen Märkten.3 In dieser Phase erheben Nachfrager MerkmaDaneben können fallweise hier nicht weiter betrachtete Kundenvorteile stehen, z. B. ein vereinfachter Geschäftsabschluß (Vereinbarungsphase), eine sofortige Lieferung digitaler Leistungen, bequemere Feedback- und Reklamationsmöglichkeiten (Abwicklungsphase) usw.
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le angebotener Leistungen, Qualitäts- und Preisinfomationen sowie Informationen über die Anbieter solcher Leistungen (die vor allem Signale über die Leistungsqualität darstellen). Die Informationen werden bewertet, um auf dieser Grundlage die für die individuelle Bedürfnisbefriedigung am besten geeigneten Leistungen auswählen zu können. Diese Informationsgewinnung ist iur die Nachfrager mit Kosten - den Suchkosten - verbunden. Neben direkten Auszahlungen - auf Netzmärkten beispielsweise für Telefon- und Onlinegebühren, auf herkömmlichen Märkten beispielsweise für den Kauf von Zeitschriften, für Fahrten, Porto usw. - fallen Opportunitätskosten für die mit der Suche verbrachte Zeit und das „Arbeitsleid" der Suche an. Für eine genauere Betrachtung des Suchproblems sind zwei Aspekte voneinander zu trennen. Zum einen stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe sich die von einem Nachfrager insgesamt in Kauf genommenen Suchkosten auf Netzmärkten von denen auf herkömmlichen Märkten unterscheiden. Diese Frage läßt sich nicht ohne weiteres beantworten, da sich die gesamten, von einem Nachfrager optimalerweise getragenen Suchkosten erst als Ergebnis einer (rationalen) Wahl der Suchstrategie ergeben. Hilfreich für eine Antwort auf diese Frage kann daher eine Modellanalyse des Suchverhaltens von Nachfragern sein, die optimales Suchverhalten aus dem Nutzen einer (Weiter-) Suche und den zu tragenden Suchkosten erklärt. Zum zweiten stellt sich die Frage nach der Höhe der Grenzkosten der Suche. Während auf physischen Märkten mit zunehmender Suchdauer die Entfernung vom Ausgangspunkt der Suche zunimmt und somit die Grenzkosten der Suche - verstanden als die Kosten des Aufsuchens eines weiteren Anbieters - mit der Anzahl der besuchten Anbieter wachsen, ist auf Netzmärkten infolge der identischen Distanz jedes Anbieters zu einem Nachfrager die jederzeitige Rückkehr zum „Ausgangspunkt" der Suche kostenlos möglich. Abgesehen von der mit steigender Suchzeit möglicherweise wachsenden „Unlust", die in einem steigenden Opportunitätskostensatz der Suche Ausdruck findet könnte, sind somit konstante Grenzkosten der Suche für Netzmärkte typisch. Es ist ein entscheidendes Merkmal von Netzmärkten, daß die Grenzkosten der Suche erheblich niedriger als auf physischen Märkten sind und darüber hinaus im Zeitablauf mit der weiteren technologischen Entwicklung der Netzmarktinfrastrukturen weiter rapide sinken werden. Niedrigere Grenzkosten der Suche als auf physischen Märkten können auf Netzmärkten in vierfacher Hinsicht beobachtet werden: •
Leistungen, die auf physischen Märkten mit regionaler Bindung außerhalb der Reichweite eines Nachfragers angeboten werden, sind nun für ihn auf Netzmärkten auffindbar. In diesem Extremfall sinken die Suchkosten folglich „von unendlicher auf endliche Höhe".
•
Neue Anbieter bekannter Leistungen können gefunden und in den Auswahlprozeß einbezogen werden. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Buchhandlung amazon.de, die bekanntlich weltweit Bücher vertreibt und in unmittelbare Konkurrenz zu den filialgebundenen Buchhändlern, zu Buchclubs und zum herkömmlichen Versandbuchhandel tritt.
•
Sodann sind die Grenzkosten der Suche nach Informationen bekannter Anbieter (aktuelle Preise, Artikel etc.) erheblich günstiger erhebbar, da schneller als sonst auf aktuellere Informationen zugegriffen werden kann.
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•
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Schließlich sind durch die netzweite Verfügbarkeit entsprechender Anwendungssysteme die Grenzkosten für den Vergleich konkurrierender Anbieter auf Netzmärkten erheblich günstiger als herkömmlicherweise. Insbesondere bei homogenen Gütern, bei denen eine Kaufentscheidung allein aufgrund des Preises getroffen werden kann, werden diese Grenzkosten vernachlässigbar gering. Ein comparison Shopping beispielsweise für CDs berücksichtigt automatisch alle im Netz verfügbaren Angebote und liefert dem Nachfrager in einem Zug eine Liste der günstigsten Anbieter unter Berücksichtigung der Versandkosten frei Haus. Aus einer solchen Liste kann per Mausklick das günstigste Angebot in den (elektronischen) Warenkorb übernommen werden.4
Neben dem Sachverhalt geringerer Grenzkosten der Suche auf Netzmärkten im Vergleich zu physischen Märkten ist auch ein Sinken dieser Kosten im Zeitablauf zu beobachten. Ursachen hierfür sind die technischen Weiterentwicklungen der Netzmarktinfrastrukturen in Form größerer Übertragungsbandbreiten, Fortschritte bei den Suchverfahren im WWW. Zudem fuhrt der wachsende Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt zu stark zurückgehenden Online-Entgelten. Die Höhe von Suchkosten beeinflußt nicht nur das Suchverhalten von Nachfragern (vgl. Aufgabe 4), sondern auch die auf dem Markt herrschenden Preise, das Marktgleichgewicht und damit letztlich den Anbietererfolg.
Aufgabe 3 Medienprodukte wie CDs oder Audiodateien gelten als typische Erfahrungsgüter. Der Begriff des Erfahrungsgutes geht zurück auf NELSON, der in seiner Arbeit Such- und Erfahrungsgüter unterscheidet. Suchgüter sind Güter, deren Eigenschaften der Kunde vor dem Kauf durch eine einfache Besichtigung ermitteln kann. Typische Sucheigenschaften sind die Merkmale Farbe, Form und Kaufpreis des Gutes. Die Qualität von Erfahrungsgütern erfahrt der Kunde erst nach dem Kauf durch den Gebrauch oder den Konsum des Gutes. Typische Erfahrungseigenschaften sind die Haltbarkeit, die Zuverlässigkeit des Kundendienstes und der Wiederverkaufspreis. Die eher willkürlich erscheinende strenge Zweiteilung in Such- und Erfahrungsgüter hält einer näheren Prüfung nicht stand.5 Lediglich homogene Leistungen, die sich nur im Produktmerkmal Preis voneinander unterscheiden, sind reine Suchgüter. Davon abgesehen, besitzen die meisten Leistungen sowohl Such- als auch Erfahrungseigenschaften; auch kann der Kunde häufig zwischen Information durch Suche und Information durch Erfahrung substituieren. Beispielsweise steht es einem Kunden beim Erwerb von Computer-Hardware frei, nach Der anschließende „Gang zur Kasse" (Vereinbarungsphase) erfordert die Eingabe von (Liefer- und Zahlungs-) Informationen durch den Kunden, sofern er nicht schon früher bei diesem Anbieter eingekauft hat und dem Anbieter die entsprechenden Informationen bereits vorliegen. Falls der Aufwand einer erforderlichen Dateneingabe die Preisersparnis nicht aufwiegt, ist es für einen Nachfrager vorteilhaft, nicht das günstigste Angebot auszuwählen, sondern zu einem (teureren) Anbieter zurückzukehren, mit dem schon Geschäfte abgeschlossen wurden. Deshalb sind insbesondere Anbieter homogener Güter bestrebt, dem Kunden auch die Vereinbarungsphase so bequem wie möglich zu machen. Vgl. auch von ÜNGERN-STERNBERG.
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Produktangeboten mit erweiterter Gewährleistung zu suchen oder die Haltbarkeit des Produkts im Gebrauch zu erfahren; die Sucheigenschaft „Gewährleistung" stellt - in gewissen Grenzen - ein Substitut der Erfahrungseigenschaft „Haltbarkeit" dar. Ob der Kunde nach der erweiterten Gewährleistung sucht oder auf die Haltbarkeit der Anlage hofft, hängt von seinen individuellen Bedürfnissen, seiner Einstellung, dem Nutzen und den Kosten ab, die die eine oder andere Alternative ihm bietet. Entscheidet sich der Kunde für die erweiterte Gewährleistung, muß er von der Erwartung ausgehen, daß der Anbieter bei Eintritt eines Gewährleistungsfalles noch am Markt ist und die Gewährleistungsverpflichtung auch erfüllen kann; dies wiederum sind typische Erfahrungseigenschaften. Eine verbleibende Unsicherheit ließe sich indes, etwa durch die Sucheigenschaften „Gründungsjahr der Unternehmung" oder „Bilanzgewinne der letzten Jahre", weitgehend ausräumen. Das Beispiel verdeutlicht nicht nur, daß es kein simples Entweder-Oder zwischen Such- und Erfahrungsgütern gibt, sondern daß es in der Regel möglich ist, die einer Erfahrungseigenschaft naturgemäß innewohnende Ungewißheit durch die Ermittlung von Sucheigenschaften des Gutes zu mindern. Für Medienprodukte gelten diese Abhängigkeiten gleichermaßen. Unzweifelhaft ist, daß Medienprodukte aufgrund ihrer Merkmale Information, Unterhaltung und ggf. Aktualität einen hohen Anteil an Erfahrungseigenschaften aufweisen. Über die Tatsache, daß Erfahrungseigenschaften bei Medienprodukten häufig im Vordergrund der Diskussion stehen, sollten die Sucheigenschaften von Medienprodukten nicht unbeachtet bleiben. So sind vor allem eigene Erfahrungen oder Erfahrungen anderer Kunden mit gleichartigen oder ähnlichen Medienprodukten gewissermaßen indirekte Sucheigenschaften, die man vor dem Erwerb schon kennt oder doch kennenlernen kann, beispielsweise durch die Lektüre von Rezensionen oder durch direkte Empfehlungen früherer Käufer. Aber auch die Reputation, die ein Anbieter aktiv oder durch pure Dauer seiner Marktpräsenz aufbaut, ist nichts anderes als eine mittelbare Sucheigenschaft des Gutes für potentielle Käufer. Wer Güter mit einem hohen Anteil an Erfahrungseigenschaften erwerben möchte, ist daher nicht von der Suche befreit - im Gegenteil: Signale des Anbieters, mit denen dieser seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen möchte, erreichen den Kunden nicht von selbst; er muß sie vielmehr durch aktives Tun aufspüren und deren Glaubwürdigkeit und Belastbarkeit durch geeignete Vergleiche überprüfen und bewerten. Daneben weisen Medienprodukte auch unmittelbare Sucheigenschaften auf. Diese können, je nach Bedürfnis und Einstellung des Kunden, subjektiv die Erfahrungseigenschaften dominieren. Besonders anschaulich wird dies beim Fernsehkonsum: Für einen Kunden, der lediglich am Freitag abend um 20:15 Uhr Entspannung durch einen Fernsehkrimi oder einen Spielfilm sucht, reduziert sich das Medienprodukt praktisch auf ein nahezu reines Suchgut mit wenigen relevanten und vor dem Konsum offenliegenden Eigenschaften; Sendezeit, Dauer, Typ des Programms, ggf. Bewertung in der Programmzeitschrift. Für die Analyse von Medienprodukten auf Netzmärkten zeigen uns die Überlegungen dreierlei: Auch Medienprodukte besitzen in mehr oder weniger großem Umfang Sucheigenschaften. Zweitens manifestieren sich typische Beurteilungskriterien beim Kauf von Erfahrungsgütern, wie die Qualität des Anbieters, in Form indirekter Sucheigenschaften, die man ebenfalls auf Netzmärkten kostengünstig in Erfahrung bringen kann. Drittens bestehen in einem praxisrelevanten Umfang Möglichkeiten der Substitution von Informationen, die erst durch Erfahrung gewonnen werden könnten, durch Informationen, die durch Suche ermittelbar sind. Je
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kostengünstiger die Ermittlung von Sucheigenschaften c. p. ist, in desto größerem Ausmaß wird der rationale Entscheider erst zukünftig erfahrbare Information durch Information aus der Suche vor Erwerb der Leistung ersetzen. Diese Substitution vermindert somit die bei Medienprodukten häufig nicht unbeträchtliche Ungewißheit des Sich-verlassen-Müssens auf zukünftige Erfahrungen. Da die Grenzkosten der Beschaffung von Sucheigenschaften auf Netzmärkten tendenziell sinken, ist auch aus diesem Grund eine verstärkte Suche auf Netzmärkten zu erwarten.
Aufgabe 4 a) Der auf dem Markt höchstens durchsetzbare Preis ist der Reservationspreis des Nachfragers mit s = s . Hier bestimmt er sich zu: p 5 = p < z > p = p + 2 a s p - p = 2 a s . Solange also (wir haben dies angenommen) die Suchzeit a>0 ist und es Nachfrager gibt, die positive Suchkosten empfinden, existiert auf dem Markt Preisdispersion - verstanden als Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Preis. Positive Suchkosten lassen also stets „Raum" für Preisdispersion, die im hier untersuchten Fall der Gleichverteilung den von Preisober- und -untergrenze unabhängigen Wert 2as aufweist. Je niedriger der Suchkostenparameter a ist, desto geringer ist die Preisdispersion auf dem Markt. Somit vereinfacht sich der Ausdruck für den Reservationspreis und die erwarteten Gesamtkosten zu p s = p + 2aVs£ . Die erwarteten Gesamtkosten sind also - unter Berücksichtigung der Abhängigkeit der Preisobergrenze von den Suchkosten - eine lineare Funktion des Suchkostenparameters a. Je niedriger a ist, um so niedriger ist der Reservationspreis und um so mehr wird folglich der Nachfrager suchen. Ferner erkennt man, daß nicht alle Nachfrager gleichermaßen von sinkenden Suchkosten profitieren. Je höher der individuelle Opportunitätskostensatz der Suche s ist, um so höher wird eine gegebene Suchkostenersparnis bewertet. b) Zu beantworten ist die Frage, welchen Deckungsbeitrag die Anbieter in Abhängigkeit von dem von ihnen verlangten Leistungspreis erzielen. Wir bestimmen hierzu zunächst die Marktanteile der Anbieter, wobei ein Anbieter durch den von ihm verlangten Preis p - also durch eine Ausprägung der Zufallsvariable P - eindeutig bestimmt sei.
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Betrachten wir einen Preis p . Zu diesem Preis gehört ein Opportunitätskostensatz der Suche ? derart, daß p der von einem Nachfrager mit einem Opportunitätskostensatz der Suche ? höchstens akzeptierte Preis ist, daß also p der zu s gehörende Reservationspreis p ? ist. Durch Einsetzen und Auflösen erhält man:
4a 2 s Offenkundig wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 jeder Nachfrager mit s e [o,?] zu einem Preis p < p kaufen. Jeder Nachfrager mit s e [s,s] wird hingegen nur mit einer Wahrscheinlichkeit von F(p)/F(p ä ) zu einem Preis p < p kaufen, da er auch die höheren Preise p e ( p , p j akzeptiert. Sind die Nachfrager auf [0,s] gleichverteilt, trifft damit auf die Anbieter der Preise p < p insgesamt eine Nachfrage von — Jds + J A \ d s Ho ? F (Ps) ) Hieraus erhält man die Verteilungsfunktion der Nachfrage, also den Anteil der Nachfrage, der auf die Anbieter mit Preisen p < p entfällt: M(g)=
4as(p-p)-(p-p } 4a s
Auf einen Anbieter, der einen Preis p verlangt, entfallt folglich ein Marktanteil von m(p)=dM(p) =
dp
_L__PZl a s 2a s
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Ökonomie des Electronic Commerce
Der Marktanteil, den ein Anbieter mit dem Preis p erzielt, sinkt also linear mit dem Preis, beginnend mit l / ( a s ) beim niedrigsten Preis bis zu einem Marktanteil von 0 beim höchsten auf dem Markt durchsetzbaren Preis. Nehmen wir der Einfachheit halber (und für die Diskussion des Deckungsbeitrags ohne Beschränkung der Allgemeinheit) an, daß die variablen Kosten der Anbieter Null betragen6, so erhalten wir für den Deckungsbeitrag des Anbieters, der einen Preis von p verlangt:7
n M as- i -2af gs Die Deckungsbeitragsfunktion weist unter den getroffenen Annahmen stets den in Abbildung 1 gezeigten Verlauf auf. Man erkennt, daß alle Anbieter, die Preise aus dem Intervall p, p) verlangen, positive Deckungsbeiträge erzielen. Wie die Abbildung für die beiden Beispielwerte p und p veranschaulicht, sind im Hinblick auf die relative Höhe der Preise, bezogen auT'die Sucfikosten und die daraus resultierende Preisdispersion, zwei Fälle unterscheidbar:
Die folgenden Überlegungen zum Deckungsbeitrag lassen sich leicht auf den Fall positiver variabler Kosten c>0 erweitern. Die Deckungsbeitragsfunktion hat in diesem Fall die gleiche Gestalt einer nach unten offenen Parabel; ihr Maximum ist um c/2 nach rechts verschoben. Die hier unterstellten variablen Kosten von Null treten auf Netzmärkten typischerweise beim Vertrieb digitaler Leistungen auf. Wir definieren also den Deckungsbeitrag als Produkt aus Stückdeckungsbeitrag (hier infolge der Abwesenheit variabler Kosten gleich dem Preis) und Marktanteil. Bei stetiger Verteilung der Nachfrage ist eine Angabe einer (diskreten) Verkaufsmenge offenkundig nicht möglich. Das gesamte Marktvolumen ist auf 1 normiert. Versteht man die stetige als Approximation einer diskreten Verteilung, erhält man die diskrete Verkaufsmenge des Anbieters (und damit den Deckungsbeitrag, wie er üblicherweise verstanden wird) durch Hinzufugen der Maßeinheit [gesamtes Marktvolumen in Stück]. Beispielsweise korrespondiert ein „stetiger" Marktanteil von 0,1 bei einem Gesamtvolumen des Marktes von 1 [Mio. Stück] mit einer „diskreten" Verkaufsmenge dieses Anbieters von 100.000 [Stück],
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Fall 1: „Hohe" Preise (p> p/2 /?>2äs). In diesem Fall ist die Deckungsbeitragsfunktion streng monoton fallend auf denTgesamten Preisintervall. Stets erzielt der Anbieter mit dem niedrigsten Preis den höchsten Deckungsbeitrag. Bemerkenswert und nicht unmittelbar einsichtig ist, daß dieses Ergebnis auf Netzmärkten mit identischer Distanz aller Anbieter zu einem Nachfrager (d. h. konstanten Grenzkosten der Suche) bei lediglich durch ihren Preis unterscheidbaren Leistungen nicht allgemein, sondern nur bei solchen Leistungen gilt, deren Preis im Verhältnis zu den Suchkosten hinreichend groß ist. Beispiel 2: Der günstigste Preis für eine bestimmte Leistung sei p = 2000 €. Für den Nachfrager mit s = s betragen die Kosten, um einen weiteren Anbieter dieser Leistung aufzusuchen, ars = 20 €/Suchschritt. Der Anbieter von p erzielt den höchsten Deckungsbeitrag in Höhe von 100.8 Ein Anbieter des mittleren Preises p=2020 € erzielt einen Deckungsbeitrag in Höhe von 50,5, also nur ca. halb so viel wie der günstigste Anbieter. Fall 2: „Niedrige" Preise (p < p/2 p < 2as). In diesem Fall ist die Deckungsbeitragsfunktion zunächst streng monoton wachsend bis zur Maximalstelle p = p/2, danach streng monoton fallend. Den größten Deckungsbeitrag erzielt folglich ein Anbieter, der den Preis p = p/2 verlangt, nicht der Anbieter des günstigsten Preises. Diesen Fall kennt man von herkömmlichen Märkten: Wenn der Preis eines Gutes im Verhältnis zu den Suchkosten hinreichend gering ist, lohnt sich für einen Anbieter eine Strategie des kleinsten Preises nicht. Wegen zu hoher „Such-" (hier: Fahrt-) Kosten zu anderen Geschäften kaufen die in der Nähe wohnenden Kunden trotz der nicht günstigsten Preise „beim Bäcker um die Ecke" ein. Auch Es handelt sich bekanntlich um einen auf das Gesamtvolumen von 1 normierten Markt. So erklären sich die hier und in den folgenden Beispielen niedrigen Werte für den Deckungsbeitrag (vgl. Fußnote 7).
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durch Preissenkungen würde er nur wenige neue Kunden gewinnen können. Trotz der Äquidistanz aller Anbieter zu einem Nachfrager kann sich dieser Fall, wie wir gesehen haben, auch auf Netzmärkten ergeben. Je niedriger die Suchkosten sind, um so niedriger muß der Preis p sein, damit Fall (2) eintritt. Mit sinkenden Suchkosten wird also der Fall (2) c. p. - d. h. hier"vor allem bei unveränderten Preisen - für immer weniger Leistungen relevant bleiben. Beispiel 3: Der günstigste Preis für eine bestimmte Leistung im WWW sei 10 €. Bei Suchkosten von 10 € / Suchschritt erzielt der Anbieter mit dem Preis p=15 € den höchsten Deckungsbeitrag von 1,125. Der Anbieter des günstigsten Preises p erzielt hingegen einen Deckungsbeitrag von 1. Sinken infolge der Verfügbarkeit neuer Suchtechnologien im WWW die Suchkosten auf 5 €/ Suchschritt, erzielt der Anbieter mit dem günstigsten Preis p den höchsten Deckungsbeitrag in Höhe von 2; der Deckungsbeitrag des Anbieters von p = 15 € beträgt nun 1,5. Die allgemeinen Erwartungen gehen dahin, daß auf Netzmärkten immer kleinere Leistungseinheiten vermarktbar werden, nicht zuletzt wegen der Wirtschaftlichkeit des Zahlungsverkehrs auch mit Kleinstbeträgen durch neuere elektronische Zahlungssysteme (Micropayments). Dies wiederum spricht dafür, daß der Fall (2) relativ niedriger Preise auf Netzmärkten an Bedeutung gewinnen wird. Beispiel 4: Der günstigste Preis für ein einzelnes Musikstück, das über das WWW gekauft und geliefert werden kann, betrage 0,10 €. Selbst bei Suchkosten von nur 0,08 €/ Suchschritt erzielt nicht der günstigste, sondern der Anbieter von p = 0,13 €, also einem um 30% höheren Preis, den höchsten Deckungsbeitrag. c) Die gegebene Preisverteilung unterstellt, daß Anbieter Preise verlangen, die nicht den Deckungsbeitrag maximieren. Durch keine modellierte Größe (Qualität der Leistung, Kosten, Wettbewerbsaspekte ö. ä.) ist ein Anbieter zu einer solchen Preisgestaltung „gezwungen", was die Frage impliziert, warum Anbieter vom deckungsbeitragsmaximalen Preis abweichen sollten. Würden andererseits alle Anbieter den deckungsbeitragsmaximalen Preis verlangen, gäbe es keine Preisunterschiede und folglich kein Suchproblem mehr. In unserem Modell wird durch die Vorgabe einer Preisverteilung das Suchproblem (da die Ursachen für Preisdifferenzen außer Betracht bleiben) gewissermaßen künstlich erzeugt. Die Analyse sowohl zum Suchverhalten der Nachfrager wie zu den Anbieter-Deckungsbeiträgen bedarf deshalb einer Fundierung in dem Sinne, daß die Ursachen für die Existenz von Preisdifferenzen erklärt werden. Während auf eine analytische Fundierung hier verzichtet wird9, sind empirisch selbst bei homogenen Gütern signifikante Preisdifferenzen auf Netzmärkten beobachtbar10. Somit schaffen Analyse und Empirie ein tragfahiges Fundament für die Relevanz der hier abgeleiteten Ergebnisse. Geht man davon aus, daß die Anbieterzahl so groß ist, daß die deckungsbeitragsmaximale Wahl des Preises durch einen zusätzlichen Anbieter auf das Suchverhalten der Nachfrager keinen wesentlichen Einfluß nimmt, so sind die Ergebnisse über die Erklärung des Suchverhaltens und der resultierenden Deckungsbeiträge hinaus zugleich eine geeignete
9
Vgl. WILL.
10
Vgl. BAILEY für den US-Buchmarkt.
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Grundlage für Gestaltungsempfehlungen an Anbieter, die eine Markterschließungsstrategie (inklusive einer Preisstrategie) für Netzmärkte planen.
Aufgabe 5 Auf Netzmärkten gewinnt der Standortfaktor Entfernung eine gänzlich neue Bedeutung. Aus der Sicht eines Nachfragers sind die Standorte aller Anbieter gleich weit entfernt. Nachfrager, die nach Leistungen auf Netzmärkten suchen, haben eine häufig unüberschaubare Anzahl alternativer Angebote in ihrer unmittelbaren Reichweite. Der komplexitätsreduzierende regionale Horizont des üblichen Einkaufs ist aufgehoben; dem Nachfrager eröffnet sich ein oftmals weltweites Angebotsspektrum. Der Besuch eines einzelnen Anbieters zur Information und zum anschließenden Kauf der Leistung mittels weniger Mausklicks ist zwar vergleichsweise kostengünstig, die Angebotsfülle macht die Suche jedoch zum Problem. Die mikroökonomische Analyse dieses Suchproblems der Nachfrager zeigt, daß es für die Nachfrager optimal ist, einer Reservationspreisstrategie zu folgen, also so lange zu suchen, bis ein Angebot zu einem Preis gefunden ist, der unterhalb eines gewissen, von der Preisverteilung und den Suchkosten abhängigen Höchstpreises liegt. Sinken die Suchkosten pro Suchschritt - ein auf Netzmärkten beobachtbarer Sachverhalt - , suchen die Nachfrager verstärkt und profitieren letztlich von geringeren Gesamtkosten. Auch wenn sich eine Leistung bloß in ihrem Preis unterscheidet, fuhrt die identische Distanz aller Anbieter zu einem Nachfrager nicht zwingend dazu, daß der Anbieter mit dem niedrigsten Preis den größten Deckungsbeitrag erzielt. Es konnte vielmehr gezeigt werden, daß bei der Existenz nachfragerindividueller Suchkosten und bei im Vergleich zu den Suchkosten niedrigen Preisen (ein wahrscheinlicher werdender Fall angesichts der entstehenden Möglichkeiten zu Micropayments und der damit zunehmenden Wirtschaftlichkeit der Vermarktung immer kleinerer Leistungseinheiten) ein Anbieter eines „mittleren" Preises den höchsten Deckungsbeitrag aus der Vermarktung der Leistung erzielt. Dessen, gegenüber dem Anbieter des günstigsten Preises geringerer Marktanteil wird durch den höheren Preis überkompensiert. Ein aus Anbietersicht ruinöses Sinken von Suchkosten in dem Sinne, daß - wenn überhaupt - nur der preisgünstigste Anbieter noch in der Lage wäre, positiven Deckungsbeitrag zu erzielen, läßt sich mithin aus der Suchkostenanalyse allein nicht zwingend ableiten. Welche Vermarktungsstrategie sollte ein Anbieter angesichts des netzmarktspezifischen Suchverhaltens der Nachfrager anwenden? Je nach Preiskategorie der von ihm angebotenen Leistung empfiehlt sich als erstes die Prüfung, ob eine Niedrigpreispolitik oder ein höherer Preis am Markt überlegen ist. Ferner ist die in unserem Modell als gegeben angenommene „Sichtbarkeit" in der Praxis nur durch aktives Bemühen des Anbieters erreichbar. Um eine gewisse Mindestaufmerksamkeit für das eigene Angebot zu erzielen, ist die Eintragung in Suchmaschinen, die zu eingegebenen Schlagworten Listen mit Fundstellen liefern, unverzichtbar. Mit derartigen Einträgen wird das eigene Angebot zu einem unter zahlreichen anderen mit der Konsequenz der - wie im Modell angenommen - gleichen Sichtbarkeit aller Anbieter, was die Frage nahelegt, ob es nicht auch auf Netzmärkten gelingen kann, das eigene Angebot gegenüber der Konkurrenz herauszuheben. Einen Anhaltspunkt für einen gangbaren Weg gibt
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der Erfolg des Internetdienstes Yahoo. Er beruht wesentlich auf der Tatsache, daß aus Sicht der Nachfrager die Qualität und die Überschaubarkeit der Ergebnisse wichtiger ist als die Länge der Trefferlisten. So sehen Experten die Suchmaschinenfunktionalität von Yahoo als den Konkurrenten deutlich ««¿erlegen an, loben jedoch das thematisch aufgearbeitete Katalogsystem mit kommentierten Verweisen als den eigentlichen Erfolgsfaktor Yahoos. So verwundert es nicht, daß diese Form eines thematischen Kataloges für das WWW rasch Nachahmer gefunden hat, die - wie z. B. AOL und Netscape - ihre Seiten in Konkurrenz zu Yahoo als Einstiegsseiten für das WWW anbieten. Diese sogenannten „Portale" zum WWW zeichnen sich durch eine überdurchschnittlich hohe Nutzerzahl aus und werden wegen ihres Charakters als Einstiegsseiten in der Regel sehr früh im Laufe eines WWW-Besuches benutzt. Die hohe Besucherzahl und der frühe Besuchszeitpunkt sind Eigenschaften, die vor dem Hintergrund der geschilderten Suchkostenproblematik zu einem Vorteil für einen Anbieter würde, wenn er sie für seine Zwecke nutzbar machen könnte. So erhöht ein früher Besuchszeitpunkt die Wahrscheinlichkeit, der erste Anbieter zu sein, dessen Preis unterhalb des Reservationspreises eines bestimmten Nachfragers liegt. Zudem erhöht die hohe Besucherzahl die Zahl der potentiellen Nachfrager. Neben den Portalen etablieren sich als Plattformen mit überdurchschnittlich hohen Nutzerzahlen derzeit sogenannte (virtuelle) Gemeinschaften („communities"). Gemeinschaften sind Angebote auf Netzmärkten, die sich in ihren Inhalten an den Bedürfnissen genau definierter Nutzerschichten orientieren und versuchen, diese Bedürfhisse durch ein möglichst breites Informationsangebot abzudecken. Gemeinschaften unterscheiden sich von Portalen durch ihre Themenspezifität. Sie adressieren in ihrer Reinform tendenziell eine geringere Nutzerzahl als Portale, binden jedoch eine klar umschriebene Nachfragerschicht, die zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse regelmäßig die WWW-Seiten der jeweiligen Gemeinschaft besucht. Es sind derzeit Tendenzen im WWW erkennbar, die beiden genannten Angebotsformen zu integrieren. So präsentiert sich Yahoo auf oberster Ebene als Portal, integriert allerdings als Unterkategorien communities wie Yahoo Finance oder Yahoo Travel. Virtuellen Gemeinschaften und Portalen ist gemeinsam, daß sie sich zu einem großen Teil durch Werbeeinnahmen finanzieren. Die Werber erhoffen sich aufgrund der großen Zahl von Personen, die über die jeweiligen WWW-Seiten „surfen", eine hohe Aufmerksamkeit für die von ihnen beworbenen Güter. Damit ergibt sich für Gemeinschaften und Portale, die für Werbekunden weiterhin attraktiv bleiben wollen, die Notwendigkeit, das eigene Angebot ständig auf dem laufenden zu halten. Dies ist entweder möglich, indem eine eigene Redaktion versucht, das Angebot auszuweiten, oder - und das ist aus Sicht der von uns betrachteten Leistungsanbieter interessant - indem das eigene Kernangebot um Leistungen Dritter ergänzt wird. So werden die oben erwähnten Community-Bereiche von Yahoo bereits durch Drittanbieter bedient, eine Strategie, die zusätzliche Umsätze des Betreibers aus Mietverträgen mit den Drittanbietern verspricht. Aus deren Sicht wird eine Leistung um so erfolgreicher über eine Gemeinschaft vermarktbar sein, je spezieller sie auf die Bedürfhisse der Zielgruppe der Gemeinschaft zugeschnitten ist. Ein Portal als Verkaufsplattform empfiehlt sich demgegenüber um so eher, je unspezifischer die Nachfragergruppe ist (Bücher, CDs). Vorteilhaft ist eine solche Zusammenarbeit nicht nur für den Betreiber eines Portals / einer Gemeinschaft, sondern auch für den Leistungsanbieter und schließlich den Kunden. Der Betreiber profitiert von der Attraktivitätssteigerung seiner Seiten und den in der Folge höheren Werbeeinnahmen. Der Anbieter der Leistung plaziert sich auf einer Internetplattform, der eine Aufmerksamkeit sicher ist, die er allein nicht erzielen könnte; er erhöht somit seine Sichtbarkeit und kann - wegen des frühen Besuchszeitpunktes der Kunden - bei geeigneter
Ökonomie des Electronic Commerce
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Preisstrategie erfolgreiche Geschäfte erwarten. Insbesondere bieten die Gemeinschaften mit ihrer Zielgruppensegmentierung die Möglichkeit, genaue Informationen über das Suchverhalten und damit die Zahlungsbereitschaft (den Reservationspreis) der Zielgruppe in Erfahrung zu bringen. Der Nachfrager schließlich kann unmittelbar nach dem Eintritt in das Netz bzw. in die virtuelle Gemeinschaft mit seiner Suche beginnen. In diesem Fall sind die Suchkosten infolge des reduzierten Risikos, irrelevante Informationen zu finden, geringer als bei der netzweiten Suche nach einer sehr speziellen Leistung mit Hilfe einer einfachen Suchmaschine. Demgegenüber erscheinen die Transaktionskosten des bedarfsweisen Wechsels zwischen nur wenige „Mausklicks" voneinander entfernten Teilmärkten vernachlässigbar klein. Die skizzierten technologischen Entwicklungen lassen erwarten, daß Leistungen mit breiter Nachfrage künftig verstärkt an den attraktiven, kundennahen Standorten der Portale, die spezifischen Leistungen kundenindividuellen Zuschnitts in den Gemeinschaften der entsprechenden Zielgruppen vermarktet werden. Technisch unschwer realisierbar - im einfachsten Fall über das Setzen entsprechender Hyperlinks - ist auch ein Mehrfachauftritt, der besonders bei ergänzenden Leistungen für einen breiten Markterfolg notwendig sein dürfte. Investitionsauszahlungen und laufende Zahlungen schon für das einfache „Verlinken" sind an attraktiven Standorten bereits heute nicht gering; sie dürften angesichts der mit diesen Standorten verbundenen positiven Umsatzerwartungen weiter wachsen. Anbieter netzmarktfähiger Leistungen werden somit in nicht allzu ferner Zukunft vor einem gänzlich neuartigen Investitionsproblem stehen: der „Standortentscheidung" auf Netzmärkten. Angesichts sich abzeichnender Regionalisierungstendenzen im Electronic Commerce (regionale Einkaufszentren auf Netzmärkten, deren Geschäfte auch persönlich besucht werden können), ist eine solche Standortwahl vor allem für global agierende Anbieter kein triviales Problem, da sich ihre Konkurrenzsituation, und zwar nicht zuletzt auch durch die verbesserten Geschäftschancen der in der Region verwurzelten Anbieter (wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken), eher verschärfen wird. Anbieter, die einer derartigen, wie auch immer im einzelnen ausgestalteten Strategie nicht folgen, werden Nachteile aus mangelnder Kundennähe in Kauf zu nehmen haben. Andererseits sind diejenigen, die Kundennähe suchen, einem verstärkten Wettbewerb ausgesetzt, weil sie wegen der (aus ihrer Standortwahl resultierenden) niedrigeren Suchkosten der Nachfrager auf transparenteren Märkten agieren müssen.
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Ökonomie des Electronic Commerce
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WILL, A.
New Business Development in Medienunternehmen ARNOLD PICOT
BERTHOLD H . HASS
[email protected]
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LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN
Neue Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnik - insbesondere Digitalisierung und Vernetzung - fuhren in der Medienwirtschaft so wie in kaum einer anderen traditionellen Branche zu strukturellen Veränderungen. Dieser Strukturbruch verändert zum einen traditionelle Geschäfte; zum anderen eröffnet er jedoch auch unternehmerische Gelegenheiten für alte und neue Medienunternehmen. Mit der Entwicklung neuer Geschäftsfelder beschäftigt sich das New Business Development als Querschnittsfunktion zwischen Marketing bzw. Strategie auf der einen sowie Forschung und Entwicklung auf der anderen Seite. Im Kontext des oben skizzierten Strukturbruchs kann die Entwicklung neuer Geschäftsfelder defensiv oder offensiv erfolgen. Von einer defensiven Strategie kann man sprechen, wenn die Motivation der neuen Geschäftstätigkeit primär darin liegt, eine erwartete Bedrohung des angestammten Geschäfts zu kompensieren. Ein solches reaktives, von den Marktkräften getriebenes Verhalten ist z. B. bislang bei den Versuchen der Musikindustrie zu beobachten, den nicht-physischen Vertrieb von Musikstücken über Peerto-Peer-Netze abzuwehren. Umgekehrt kann ein Medienunternehmen den technisch-ökonomischen Wandel jedoch auch offensiv dazu nutzen, intern vorhandene Stärken in einem neu entstehenden Geschäftsfeld auszuspielen. Gelungene Beispiele sind hierfür etwa Medienunternehmen, die ihre in herkömmlichen Medien etablierten Marken erfolgreich in neue Medien hinein verlängern. Im Rahmen des New Business Developments hat in jüngerer Zeit das Konzept des Geschäftsmodells (Business Model) als Bezugsrahmen zur Analyse von bestehenden Konkurrenzbeziehungen wie auch zur Entwicklung neuer Geschäftsfelder große Bedeutung erlangt.1 Unter einem Geschäftsmodell läßt sich dabei eine vereinfachte, aber strukturähnliche Abbildung derjenigen Aspekte einer Unternehmung verstehen, die sie in besonderer Weise charakterisieren und von ihren Wettbewerbern differenzieren. 2
Vgl. MAHADEVAN (2000), S. 56, STÄHLER (2001), S. 36 ff. sowie den Sammelband von BIEGER ET AL. (Hrsg.) (2002). 2
V g l . SCHOEGEL ( 2 0 0 1 ), S. 1 6 .
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New Business Development in Medienunternehmen
Geschäftsmodelle umfassen typischerweise drei Dimensionen:3 •
Die Produktsicht stellt die „Value proposition" der Unternehmung in den Vordergrund, also die Problemlösung, die dem Kunden angeboten wird. Im Sinne des Marketings wäre somit von einer Produktarchitektur zu sprechen, deren Gestaltung Gegenstand des Produktmanagements ist.
•
Die Erlössicht betrachtet die Quellen, aus denen sich die Erlöse der Unternehmung speisen. Die Abbildung der Erlösquellen und -formen wird auch als Erlösmodell oder Erlösarchitektur bezeichnet. Damit korrespondiert die Wahl und Segmentierung des Absatzmarktes sowie die Festlegung der Preispolitik.
•
Die Wertschöpfungssicht schließlich analysiert die Erstellung der Leistung und grenzt dabei die Unternehmung zu vor- und nachgelagerten Produktionsstufen im Sinne der unternehmensinternen Wertkette respektive der branchenspezifischen Geschäftskette ab. Somit handelt sich um das organisationstheoretische Problem der Gestaltung der Wertschöpfungsstruktur.
Mittels dieser Bausteine läßt sich ein neues Geschäft - wenn auch vereinfacht - in den entscheidenden Aspekten beschreiben. Im Hinblick auf Medienunternehmen bedürfen die genannten Dimensionen jedoch noch einer weiteren Konkretisierung.
Produktarchitektur Grundsätzlich bezeichnet die Produktarchitektur die Gestaltung der Leistung, die ein Anbieter dem Nachfrager gegenüber erbringt. Für das Marketing ist es dabei von zentraler Bedeutung, nicht materielle Objekte, sondern Nutzenversprechen in den Mittelpunkt der Produktdefinition zu stellen.4 Dies gilt im Medienbereich umso mehr, als Medienprodukte dualen Charakter haben (vgl. Abbildung 1): Sie bestehen aus einer Kombination von Information (z. B. Börsenkurs) und einem Medium (z. B. Zeitungspapier, Radiosignal, Fernsehbildschirm, Mobiltelephon etc.). Die eigentliche Nutzenstiftung erfolgt dabei durch den Informationsinhalt; jedoch determiniert das verwendete Medium die Nutzungsmöglichkeiten (so ist z. B. das Medium Zeitung langsamer als ein mobiler Nachrichtendienst, erfordert andererseits aber keinerlei Endgeräte und ist dementsprechend ström- und netzunabhängig). Das Produktmanagement muß folglich zum einen entscheiden, welche Information in welchem Umfang und welcher Qualität angeboten werden soll (Premium vs. Commodity Content). Andererseits ist gerade bei neuen Medien und Geschäftsfeldern festzulegen, über welche Medien diese Information transportiert werden soll. Grundsätzlich lassen sich dabei die Medien Print (Zeitung, Zeitschrift, Buch), Rundfunk (Radio, Fernsehen), Speichermedien (Magnetband, CD, DVD) sowie schließlich Datennetze (Internet) unterscheiden.5 Darüber hinaus besitzen gerade neue Medien wie das Internet eine Reihe zusätzlicher Freiheitsgrade, die es im Sinne einer optimalen Produktarchitektur auszugestalten gilt, z. B. ob die Informationsinhalte mit interaktiven Elementen versehen werden sollen oder ob eine Verschlüsselung der Information sinnvoll ist, um eine unbefugte Nutzung zu unterbinden.6 3
Vgl. HASS (2002), S. 94.
4
V g l . KOTLER/BLIEMEL ( 1 9 9 5 ) , S. 6 5 9 .
5
V g l . SCHUMANN/HESS ( 2 0 0 2 ) , S. 6 f f .
6
Vgl. zu Mediencharakteristika ausführlich HASS (2002), S. 67 ff.
New Business Development in Medienunternehmen
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Medienprodukt Information
Medium
Abbildung 1:
Dualer Charakter von Medienprodukten
Erlösmodell Von besonderer Bedeutung für Medienunternehmen ist die Ausgestaltung des Erlösmodells. Unter Erlösen werden generell Entgelte für an den Markt abgegebene Leistungen verstanden. 7 Prinzipiell kommen für Medienunternehmen drei verschiedene Erlösquellen in Frage: der unmittelbare Absatz der Medienprodukte an Endkunden, der Verkauf von Kundenkontakten (Werbung) sowie die Vermarktung von generierten Kundendaten (Kundeninformation). 8 Es ist dabei ein besonderes Charakteristikum der Medienbranche, daß Werbung nicht selten eine wichtigere Erlösquelle darstellt als der direkte Verkauf von Medienprodukten an Endkunden. Dabei werden die produzierten Informationsinhalte dazu verwendet, Aufmerksamkeit zu generieren. Diese Aufmerksamkeit wird dann an werbetreibende Unternehmen verkauft. In diesem Falle ist dann also nicht das Medienprodukt selbst, sondern die damit erzielbaren Kundenkontakte die eigentliche Erlösquelle. Werbeerlöse sind insbesondere dann eine interessante Option, wenn sich zahlungsunwillige Nutzer nur schwerlich vom Konsum ausschließen lassen (z. B. beim terrestrisch verbreiteten Rundfunk) oder wenn der Nutzen einer einzelnen Information so gering ist, daß eine direkte Abrechnung im Verhältnis zu hohe Transaktionskosten verursachen würde. Ein direkter Absatz des Medienprodukts und Erlöserzielung durch Kundenkontakte schließen sich indes nicht aus, sondern werden nicht selten parallel eingesetzt. Die Erlöse von Zeitungen und Zeitschriften z. B. speisen sich typischerweise zu etwa 40 % aus dem Verkauf und zu ca. 60 % aus Werbung (Produkt- wie Rubrikenanzeigen). 9 Neben der Erlösquelle ist weiterhin die Erlösform festzulegen, also die Art und Weise, in der Zahlungen der Kunden erfolgen. Im vorgenannten Zeitungsbereich etwa findet man sowohl den Einzelverkauf am Kiosk wie das Abonnement. Bei elektronischen Medien ist zudem eine Abrechnung nach tatsächlicher Nutzung bzw. Nutzungsdauer möglich (Pay-per-view).
7
Vgl. PLINKE/RESE (2000), S. 700.
8
V g l . SKIERA/LAMBRECHT ( 2 0 0 0 ) .
9
V g l . LUDWIG (1994), S. 163.
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New Business Development in Medienunternehmen
Wertschöpfungsstruktur Produktarchitektur und Erlösmodell betreffen vornehmlich die Vermarktungsseite. Im Rahmen der Wertschöpfungsstruktur wird demgegenüber die Organisation der Leistungserstellung innerhalb und zwischen Unternehmen diskutiert. Die Erstellung von Medienprodukten erfolgt grundsätzlich innerhalb der Wertschöpfungskette in drei Stufen: Produktion, Redaktion/Bündelung sowie Distribution. Das Zentrum der Wertschöpfungsstruktur bildet dabei die Leistungstiefe, also die Frage, welche Aktivitäten der Wertschöpfungskette innerhalb des Unternehmens erstellt und welche Aufgaben an andere Partner ausgelagert werden sollen.10 Weitere Parameter sind die Gestaltung der verschiedenen Handelsstufen zwischen Produzent und Endkunde sowie nicht zuletzt das Ausmaß der Einbindung des Endkunden in die Wertschöpfungskette. Bei der Auswahl eines optimalen Geschäftsmodells ist in dreierlei Hinsicht Paßgenauigkeit („Strategie Fit") erforderlich: •
Die einzelnen Komponenten des Geschäftsmodells müssen in sich stimmig sein. Wenn z. B. das Erlösmodell vorsieht, Inhalte direkt an den Nutzer zu verkaufen, dann muß durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen im Rahmen der Produktarchitektur garantiert werden, daß die unerlaubte Nutzung nicht überhand nimmt, da dies die Zahlungsbereitschaft zerstören würde. Umgekehrt bedarf eine qualitativ hochwertige Positionierung der Produktarchitektur einer gewissen organisatorischen Absicherung hinsichtlich der Wertschöpfungsstruktur, damit die Qualität des Angebots nicht durch mögliches opportunistisches Verhalten der Informationsproduzenten gefährdet wird (z. B. in Form schlecht recherchierter Inhalte).
•
Das Geschäftsmodell ist überdies als Ganzes auf die jeweilige Unternehmung abzustimmen. Bei dieser internen Sichtweise sind insbesondere die spezifischen Kompetenzen und Ressourcen der Unternehmung zu berücksichtigen. Dadurch sollen die jeweiligen Stärken des Unternehmens betont und dessen Schwächen umgangen werden.
•
Schließlich muß diese interne Sichtweise durch eine externe Perspektive ergänzt werden, um den jeweiligen Anforderungen des intra- wie intermedialen Wettbewerbs Rechnung zu tragen und so zu einem wettbewerbsfähigen Geschäftsmodell zu gelangen.
Aufgabe 1 Das Verlagsunternehmen Zeitungshaus produziert bislang regionale und überregionale Tageszeitungen. Ein großer Teil der Erlöse wird dabei durch Rubrikenanzeigen - d. h. insbesondere Immobilien-, Kraftfahrzeug-, Stellen- und Familienanzeigen - generiert. Innerhalb der Strategieabteilung wird überlegt, ob das Internet im Wettbewerb mit den eigenen Zeitungen steht und inwiefern die eigenen Erlösquellen bedroht sind. Gegebenenfalls soll dann ein eigenes Online-Angebot entwickelt werden.
10
Vgl. PICOT (1991).
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New Business Development in Medienunternehmen
Unterstützen Sie die Strategieabteilung, in dem Sie die Bedrohung der Erlösquellen durch das neue Medium Internet analysieren. Klären Sie dazu zunächst aus theoretischer Sicht die Frage, auf welchen Ebenen unterschiedliche Medien miteinander konkurrieren. Inwiefern ändert sich die Wettbewerbssituation eines herkömmlichen Mediums wie der Zeitung durch das Aufkommen eines neuen Mediums wie dem Internet?
Aufgabe 2 Neue Medien und insbesondere das Internet haben in vielerlei Hinsicht andere Eigenschaften als klassische Medien. Einen Mehrwert können neue Medien insbesondere hinsichtlich drei Dimensionen bieten (vgl. Abbildung 2). Verfügbarkeit & Verschlüsselung
Herkömmliches MedienProdukt
Transparenz & Interaktivität
mB'/
Neues MedienProdukt Qualitative & Quantitative Kapazität Abbildung 2:
Mehrwert von Neuen
Medienprodukten
il
Neue Medien ermöglichen durch ihre Technik neue Funktionen wie Suche, nutzerspezifische Filterung der Inhalte, Verknüpfung durch Hyperlinks etc., wodurch die Transparenz der verfugbaren Inhalte wie auch die Interaktivität zwischen Informationsproduzent und Rezipient zunehmen. Gegenüber klassischen Medien haben neue Medien eine größere Speicherkapazität wie auch eine größere qualitative Kapazität. Sie unterstützen somit mehr Darstellungsformen wie Text, Ton, Stand- und Bewegtbild bis hin zu virtueller Realität und ermöglichen zudem durch deren Kombination Multimedia. Schließlich sind neue Medien in einem höheren Maße verfügbar, da der Zugriff weltweit und jederzeit erfolgen kann. Zudem können die Inhalte vom Anbieter schneller aktualisiert werden, da physische Verarbeitung und Vertrieb entfallen. Darüber hinaus ermögli11
In Anlehnung an BAUBIN/BRUCK (Hrsg.) (1996), S. 141.
52
New Business Development in Medienunternehmen
chen neue Medien durch eine entsprechende Verschlüsselung aber auch die künstliche Verknappung der Verfügbarkeit, wenn dies im Sinne der optimalen Vermarktung wünschenswert erscheint (z. B. Pay-TV). Neben diesen unmittelbaren Nutzenvorteilen für den Kunden haben neue Medien nicht selten auch geringere Kosten zur Folge.12 Dies gilt zum Teil für die erstmalige Erstellung eines Inhalts (sog. First-Copy-Costs), in weit höherem Maße jedoch für die Reproduktion und Distribution der Medienprodukte. Durch diese geringeren Kosten gewinnen Unternehmen zusätzlichen preispolitischen Spielraum, den sie im Wettbewerb teilweise an die Endkunden weitergeben können, wodurch deren Netto-Nutzen steigt. Neue Medien haben jedoch auch Nachteile bei der Nutzung.13 Insbesondere ist hierbei die Notwendigkeit von Lesegeräten wie Monitor, Bildschirm, Handy-Display etc. zu nennen, die bei klassischen Printmedien nicht gegeben ist. Diese Endgeräte sind je nach Situation in der Nutzung bisweilen unbequemer und haben insbesondere eine kleinere Oberfläche und begrenzen damit die Menge an Informationen, die sich auf einen Blick erfassen lassen. Neben dieser Hardware ist bei neuen Medien auch eine entsprechende Software erforderlich. Diese Hard- und Software muß zudem bei Sender und Empfanger denselben Standards genügen, da sonst keine Anzeige der Informationsinhalte möglich ist. Untersuchen Sie, inwiefern Rubrikanzeigen als Erlösquelle des Zeitungshauses gefährdet sind. Analysieren Sie dazu, inwiefern neue Medien und speziell das Internet bei der Verbreitung von Familien-, Immobilien-, Kraftfahrzeug- und Stellenanzeigen gegenüber dem klassischen Vertrieb via Print-Zeitung einen Mehrwert sowie Kostenvorteile bieten. Berücksichtigen Sie zur Abschätzung des Netto-Nutzenvorteils auch mögliche Nutzennachteile neuer Medien.
Aufgabe 3 Das Zeitungshaus hat sich entschlossen, zunächst im Rahmen eines Pilotprojekts eine Internet-Plattform für Immobilienanzeigen zu entwickeln. Bei deren Erfolg sollen später ggf. auch andere Rubrikenanzeigen über das Internet vermarktet werden. Entwickeln Sie hierzu ein Geschäftsmodell, indem Sie für Immobilienanzeigen im Internet zunächst eine Produktarchitektur und ein Erlösmodell entwerfen. Diskutieren Sie zunächst prinzipiell mögliche Gestaltungsparameter dieser Komponenten. Entscheiden und begründen Sie in einem zweiten Schritt, wie Ihrer Meinung nach das Geschäftsmodell für den OnlineAnzeigenmarkt des Zeitungshauses konkret ausgestaltet werden sollte. Gehen Sie dabei bei der Produktarchitektur insbesondere auf das Kernprodukt, mögliche Zusatzdienste inkl. interaktiver Elemente ein und entscheiden Sie, ob das Angebot frei zugänglich oder verschlüsselt werden sollte. Klären Sie im Rahmen des Erlösmodells den Mix unterschiedlicher Erlösquellen und diskutieren Sie mögliche Erlösformen (insbesondere
12
Vgl. dazu ausführlich HEINRICH (2001), S. 197 ff.
13
Vgl. PICOT (2002).
New Business Development in Medienunternehmen
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Abonnement, erfolgsunabhängige Einzeltransaktion oder erfolgsabhängige Einzeltransaktion etc.). Achten Sie dabei auf die Abstimmung der einzelnen Komponenten. Welche weiteren Unternehmens- und Marktinformationen sind ggf. erforderlich, um zu einem passenden Geschäftsmodell zu gelangen?
Aufgabe 4 Skizzieren Sie nunmehr eine passende Wertschöpfungsstruktur für das neue Geschäft des Zeitungshauses. Überlegen Sie dazu zunächst, welche Aktivitäten innerhalb der Wertschöpfungskette erforderlich sind. Entscheiden Sie dann entsprechend dem Charakter der notwendigen Leistungen und der Kompetenzen des Unternehmens, welche Aktivitäten unternehmensintern abgewickelt und welch extern über den Markt bezogen werden sollen. Prüfen Sie dabei auch, mit welchen anderen Unternehmen das Zeitungshaus für dieses neue Geschäft enger kooperieren sollte.
Lösung
Aufgabe 1 Im Markt stehen verschiedene Geschäftsmodelle häufig im Wettbewerb um dieselben Ressourcen. In der Medienbranche sind dies grundsätzlich: •
Zahlungsbereitschaft der Endkunden
•
Anzeigen- und Werbebudgets von Privatleuten und Industrie
•
Zeit und Aufmerksamkeit der Endkunden
Der Markt für Medienprodukte hat prinzipiell dualen Charakter.14 Dementsprechend konkurrieren Medienunternehmen zum einen um die Zahlungsbereitschaft von Mediennutzern. Zum anderen besteht jedoch bei werbebasierten Medienprodukten (Erlösquelle Kundenkontakte) auch Wettbewerb um die Anzeigen- und Werbebudgets von Privatleuten und Industrie. Verbunden sind beide Märkte schließlich über die Zeit bzw. Aufmerksamkeit der Rezipienten, um die werbe- wie informationsbasierte Medienprodukte gleichermaßen konkurrieren (z. B. werbebasierter vs. gebührenfinanzierter Rundfunk). 15
14
Vgl. PICARD (1989), S. 17 f.
15
Vgl. ZERDICK/PICOT/SCHRAPE ET AL. (2001), S. 36 ff.
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New Business Development in Medienunternehmen
Diese Konkurrenz besteht grundsätzlich ZMframedial, also innerhalb einer Mediengattung. So stehen z. B. verschiedene Zeitungen in einer Region und/oder einem Qualitätssegment im Wettbewerb miteinander. Darüber hinaus existiert jedoch auch zwiermediale Konkurrenz zwischen verschiedenen Mediengattungen (z. B. zwischen Zeitung und Fernsehen). Der Grund hierfür liegt in der prinzipiellen Begrenztheit der Geld- und Aufmerksamkeitsbudgets der Rezipienten sowie der Anzeigen- und Werbebudgets von Privatleuten und Industrie. Daß Budgets generell beschränkt sind, ist zunächst einmal trivial - letztlich kann niemand dauerhaft mehr ausgeben, als er insgesamt einnimmt. Allerdings zeigt sich die Geschichte der Medienentwicklung, daß auch der Ausgabenawto'/ von Medien in der Gesamtwirtschaft über die Zeit hinweg vergleichsweise stabil ist. Dieser Zusammenhang wird in der Medienökonomie auch als „Prinzip der relativen Konstanz" bezeichnet.16 Bei der Präferenz für bestimmte Medien lassen sich grundsätzlich personelle, situative und funktionale Faktoren unterschieden.17 Der Stärke des intermedialen Wettbewerbs hängt nun maßgeblich davon ab, inwiefern verschiedene Medien bzw. Medienprodukte sich hinsichtlich dieser Dimensionen ähneln und dementsprechend ganz oder teilweise austauschbar sind. Bei herkömmlichen Medien sind diese Konkurrenzbeziehungen relativ stabil, da Unternehmen versuchen, Wettbewerb durch Differenzierung zu vermeiden. So fokussieren sich z. B. Radiosender eher auf aktuelle Inhalte, während das technisch langsamere Medium Zeitung eher für ausfuhrlichere Hintergrundberichte und Kommentare genutzt wird. Diese stabilen Verhältnisse werden indes zerstört, wenn ein neues Medium wie das Internet auf den aufgeteilten Markt kommt: Je nach den spezifischen Charakteristika des neuen Mediums dringt dieses in die Nutzungszusammenhänge der angestammten Medien ein und tritt mit diesen in Konkurrenz, ähnlich wie dies in der Natur beim Wettbewerb um eine ökologische Nische der Fall ist, wenn eine neue Population auftaucht.18 So kann das Internet als Informationsmedium z. B. hinsichtlich Tiefenschärfe der Inhalte durchaus mit dem Medium Zeitung konkurrieren, ohne dabei aber an Aktualität gegenüber klassischen elektronischen Medien einzubüßen. Eine solche starke Konkurrenz ist allerdings nur eine Übergangsphase, da Unternehmen wie oben beschrieben ihre Angebote entsprechend der Stärken und Schwächen der jeweiligen Medien tendenziell so weiterentwickeln, daß durch Ausdifferenzierung die Austauschbarkeit und somit der Wettbewerb wieder vermindert wird. Die Entwicklung solcher mediengerechten und wettbewerbsfähigen Informationsprodukte ist Kernaufgabe des New Business Developments in Medienunternehmen.
16
Vgl. MCCOMBS/CHAIM (1980).
17
Vgl. GROEBEL( 1997).
18
V g l . DIMMICK/ROTHENBUHLER ( 1 9 8 4 ) .
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Aufgabe 2 Rubrikenanzeigen unterscheiden sich von Geschäftsanzeigen und klassischer Produktwerbung dadurch, daß ihr Informationsgehalt für den Rezipienten in der Regel höher ist. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, daß Endkunden - anders als üblicherweise im Falle von Produktwerbung - bereit sind, für die Nutzung derartiger Anzeigen Geld zu bezahlen - sei es in Form eines reinen Kleinanzeigenblatts oder als Teil einer Tageszeitung mit festen Erscheinungsterminen für bestimmte Anzeigentypen (z. B. Stellenanzeigen in der Wochenendausgabe). Hinsichtlich des primären Nutzungszusammenhangs gibt es jedoch große Unterschiede zwischen den verschiedenen Kategorien von Rubrikenanzeigen, die bei einer Abschätzung der Bedrohung von Printanzeigen durch neue Medien zu beachten sind und in Tabelle 1 überblicksartig dargestellt sind. Immobilienanzeigen Charakteristik
Kraftfahrzeuganzeigen
Stellenanzeigen
Tendenziell aktive, gezielte Rezeption, Suche nach spezifizierten Anzeigen
Familienanzeigen Eher ungezielte R e z e p tion, keine Suche nach spezifizierten Anzeigen, sondern Querlesen nach ex ante unbekannten Neuigkeiten
Transparenz & Interaktivität
++
++
++
0
Qualitative & quantitative Kapazität
++
++
0
+/0
Verfügbarkeit & Verschlüsselung
0/+
0/+
+
0
Kostenvorteile
+
+
+
+
Nutzennachteil durch Endgeräte
0
0
0
-
++
++
+
-
Netto-Nutzenvorteil
Tabelle 1:
Chancen/Risiken fiir unterschiedliche
Anzeigentypen
durch neue Medien
Charakteristik Der wichtigste Aspekt bezieht sich dabei auf die Art der Rezeption: Immobilien-, Kraftfahrzeug- und Stellenanzeigen werden typischerweise gezielt gesucht und aktiv rezipiert.19 Die Inhalte von Familienannoncen können hingegen kaum nach Schlagworten durchsucht werden, da sie sich gerade an diejenigen Leute richten, die nichts von den Neuigkeiten wissen, die Gegenstand der Anzeigen sind.
19
Vgl. HEINRICH (2001), S. 261. Eine unspezifische Rezeption solcher Anzeigen, etwa um die Marktlage insgesamt einzuschätzen, ist zwar denkbar, aber nicht die Regel.
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Transparenz & Interaktivität Während die besseren Recherchemöglichkeiten bei Immobilien-, Kraftfahrzeug und Stellenanzeigen aufgrund ihrer Charakteristik einen enormen Vorteil gegenüber der eher unpraktischen Suche in einer Print-Zeitung darstellen, erweist sich dieser Aspekt bei Familienanzeigen sogar eher als Nachteil, weil sich das Medium Online zum „Querlesen" und „Überfliegen" schlechter eignet als eine Zeitung in Papierform.20 Weitere Vorteile für Immobilien-, Kraftfahrzeug und Stellenanzeigen ergeben sich für den Nutzer durch Filter, automatische Suchabfragen etc. Zudem besteht die Möglichkeit, durch entsprechende Verlinkung direkt und ohne Medienbruch mit dem Anbieter in Kontakt zu treten. Umgekehrt lassen sich die Anzeigen durch Hyperlinks mit Zusatzdiensten wie Finanzierungsangeboten, Referenzpreislisten und Anbieterinformationen verknüpfen, wodurch die Transaktionsqualität insgesamt verbessert und die -abwicklung erleichtert wird.
Quantitative & qualitative Kapazität Die höhere qualitative Kapazität und Multimedialität kommt insbesondere bei solchen Angeboten zum Tragen, bei denen sich ein Mehrwert durch bildliche Darstellung ergibt, z. B. durch ein Photo des angebotenen Autos oder einen Grundriß oder gar eine räumliche Darstellung der betreffenden Immobilie. Anwendung könnte dieser Aspekt auch bei Geburtsanzeigen finden, während sich bei Stellenanzeigen in dieser Hinsicht wenig Mehrwert ergibt (selbst wenn multimediale Firmenpräsentationen prinzipiell denkbar wären).
Verfügbarkeit & Verschlüsselung Die höhere geographische Verfügbarkeit ist für solche Anzeigen relevant, die über den typischen Einzugsbereich der Zeitung hinaus Interessenten finden, so z. B. Stellenangebote mit hohen Qualifikationsanforderungen oder Autos mit speziellen Ausstattungsmerkmalen. Überdies gewinnt die Verfügbarkeit auch mit der zunehmenden Mobilität von Arbeitsuchenden an Bedeutung. Dies gilt theoretisch auch für Familienanzeigen z. B. von entfernt wohnenden Bekannten; allerdings spricht die in der Praxis eher ungezielte Rezeption gegen eine solche Nutzung.
Kostenvorteile Kostenvorteile ergeben sich gleichermaßen für alle Anzeigentypen und resultieren insbesondere aus der Tatsache, daß die entsprechenden Inhalte nur einmal zentral gespeichert werden müssen und dann je nach Bedarf abgerufen werden können. Bei einem entsprechenden Content-Management-System werden zudem auch die Produktionskosten reduziert, da die Anbieter ihre Anzeigen dann selbständig einpflegen können.
20
V g l . HOCHHOLZER ( 1 9 9 9 ) , s . 1 5 ff.
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Nutzennachteile durch Endgeräte Diesen potentiellen Quellen von Mehrwert stehen jedoch auch Nachteile beim Einsatz neuer Medien gegenüber. Dies betrifft vor allem die Notwendigkeit von Endgeräten, insbesondere Computern mit Internetzugang. Da ein erheblicher Teil der Bevölkerung über dieses technische Equipment nicht verfügt, hat dieser Personenkreis nicht die Möglichkeit zur OnlineNutzung von Rubrikenanzeigen (sieht man einmal von wenig bequemen öffentlichen Terminals ab). Die fehlenden Nutzungsmöglichkeiten dürften sich besonders bei den nicht selten älteren Rezipienten von Familienanzeigen bemerkbar machen, während die Internet-Durchdringung bei den Nutzern der übrigen Anzeigen tendenziell höher sein dürfte. Die Nutzung via Computer kann je nach Kontext aber auch für Computer-Besitzer weniger komfortabel sein als eine herkömmliche Print-Version, so z. B. am morgendlichen Frühstückstisch. Mobile Endgeräte sind aufgrund ihrer geringeren Größe flexibler einsetzbar und zwischenzeitlich auch weiter verbreitet als Computer. In der konkreten Nutzung sind sie jedoch oftmals weniger bequem und aufgrund der geringen Bildschirmgröße zu wenig übersichtlich. Die genannten Argumente treffen aufgrund der Nutzungscharakteristik wiederum stärker für Familienanzeigen zu. Bei Immobilien-, Kraftfahrzeug und Stellenanzeigen fallen die Nachteile von Endgeräten tendenziell weniger ins Gewicht, da diese Anzeigentypen weniger als Nebenbeschäftigung, sondern gezielt und bewußt rezipiert werden.
Netto-Nutzenvorteil Insgesamt ist somit festzustellen, daß die Bedrohung für Familienanzeigen gering, für Immobilien-, Kraftfahrzeug und Stellenanzeigen jedoch hoch ist.21 Dies gilt umso mehr, je gezielter die Anzeigen genutzt werden und je größer der Mehrwert, der sich durch multimediale Aufbereitung und Zusatzdienste generieren läßt. Limitiert werden Online-Anzeigenangebote derzeit trotz fallweise theoretisch höherem Nettonutzen aber noch durch traditionelles Nutzungsverhalten sowie unvollständiger Durchdringung des Internets.
Aufgabe 3 Der Immobilienmarkt teilt sich grundsätzlich in Mietobjekte und Kaufimmobilien. In beiden Fällen handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die vor allem durch Standortgebundenheit, Heterogenität und Dauerhaftigkeit gekennzeichnet sind.22 Aus diesen Merkmalen resultieren vergleichsweise hohe Transaktionskosten bei der Anbahnung, Vereinbarung und Abwicklung. Der Kernnutzen eines Anzeigenangebotes besteht - offline wie online - in der Reduzierung dieser Transaktionskosten. Potentielle Nutzer und damit die Zielgruppe eines OnlineAnzeigenangebotes sind dementsprechend die Teilnehmer des Immobilienmarktes, also Anbieter und Nachfrager von Kauf- und Mietimmobilien sowie Makler als Intermediäre.
21
V g l . CHARRON ETAL. ( 1 9 9 8 ) .
22
V g l . HOCHHOLZER ( 1 9 9 9 ) , S . 2 9 .
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Gestaltungsparameter des Geschäftsmodells Produktarchitektur Im Zentrum der Produktarchitektur eines solchen Online-Anzeigenangebotes stehen naturgemäß - wie zuvor bei der Printausgabe - Immobilienanzeigen. Dank der erweiterten Möglichkeiten neuer Medien ergeben sich jedoch eine Reihe zusätzlicher Freiheitsgrade, die sich im Kontext eine Online-Immobiliendienstes anhand folgender Dimensionen unterscheiden lassen: •
Darstellungsform bei der Präsentation der einzelnen Objekte: einfache, textbasierte Darstellung oder Photos und Graphiken der Grundrisse etc. bis hin zu animierten Rundgängen.
•
Breite des Informationsangebots/Zusatzdienste: Beschränkung des Angebots auf Immobilienanzeigen oder darüber hinaus mehrwertstiftende Zusatzdienste wie z. B. Informationen über die jeweiligen Stadtteile, die jeweilige Situation auf dem Mietmarkt etc.
•
Transparenz: einfache Auflistung der Objekte oder erweiterte Möglichkeiten durch Sortierung oder Suchmaschinen.
•
Interaktivität: z. B. Benachrichtigungsfunktion, die potentielle Interessenten in der Suchphase automatisch über neu eingegangene Objekte informiert, die ihren jeweiligen Suchkriterien entsprechen. In der Vereinbarungsphase wäre ein entsprechendes interaktives Element eine E-Mail-Funktionalität, die ohne Medienbruch die Kontaktaufhahme zwischen Nachfrager und Anbieter ermöglicht.
•
Verschlüsselung: Je nach Konzeption des Online-Anzeigenangebotes freie zugänglich oder aber teilweise oder ganz verschlüsselt und mit Anmeldepflicht.
Erlösmodell Beim Erlösmodell lassen sich zwei grundsätzliche Problemkreise unterscheiden:: •
Erlösquellen(mix): direkter Verkauf der Anzeigen an die Nachfrager bzw. Gebühren für die Anbieter, Werbeerlöse durch Verkauf von Kundenkontakten sowie Erlöse durch Verkauf von Kundeninformation, z. B. in Form von Studien über den Immobilienmarkt.
•
Erlösformen: Einzelverkauf von Anzeigen oder Werbefläche, Mengenrabatte bis hin zum Abonnement. Zusätzlich entstehen durch den interaktiven Charakter neuer Medien ergänzende Möglichkeiten: So ist es z. B. möglich, den Anbietern von Immobilien oder Werbeanzeigen nur die Zahl der tatsächlichen „Klicks" potentieller Nachfrager in Rechnung zu stellen. Umgekehrt könnte man Nachfragern ein Preismodell anbieten, bei dem die Ansicht der Angebote zwar kostenfrei ist, die Adressen der jeweiligen Anbieter jedoch nur nach Zahlung eingesehen werden können.
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Ausgestaltung des Geschäftsmodells Bei der konkreten Ausgestaltung eines Geschäftsmodells gibt es naturgemäß keine alleingültige Musterlösung. Vielmehr sollen im folgenden die entscheidenden Entscheidungsvariablen und zwischen ihnen bestehende Trade-offs aufgezeigt werden. Die tatsächliche Entscheidung hängt dann nicht zuletzt von weiteren Informationen über die Kunden eines solchen Angebots ab (insbesondere hinsichtlich Nutzungsverhalten und Zahlungsbereitschaft). Zu diesem Zweck sind Marktforschungsmaßnahmen wie z. B. Gespräche mit Branchenexperten und Fokusgruppen notwendig. Zudem muß ein solcher Online-Anzeigen-Markt gegenüber konkurrierenden Angeboten bestehen, so daß auch eine Wettbewerbsanalyse erforderlich ist. Produktarchitektur Vor die Wahl zwischen einem Commodity- und einem Premium-Angebot gestellt, ist angesichts der derzeit zu beobachtenden Trends im Internet-Markt eine qualitativ hochwertige Produktarchitektur zu bevorzugen. Dies gilt umso mehr, als sich viele nützliche Elemente ohne allzu hohe zusätzliche Kosten realisieren lassen. Allerdings ist im Detail stets zu klären, ob den Zusatzkosten auch ein entsprechender Zusatznutzen auf Kundenseite gegenübersteht. In diesem Sinne sollten bei der Darstellungsform nicht nur Text, sondern auch Bilder der Immobilien vorgesehen sein. Darüber hinausgehende multimediale Darstellungen dürften jedoch nicht zuletzt angesichts der technischen Ausstattung bei Anbietern wie Nachfragern übertrieben sein. Sinnvoll können jedoch Zusatzdienste wie z. B. via Hyperlink verknüpfte Landkarten und Stadtpläne sein, zumal diese Services relativ preisgünstig von darauf spezialisierten Kooperationspartnern bezogen werden können. Zudem können angesichts der Komplexität der Transaktionen auf dem Immobilienmarkt auch weitere generelle themenbezogene Informationen wie z. B. zur Marktlage oder zu relevanten Gerichtsurteilen sinnvoll sein, zumal solche Meldungen möglicherweise schon für die Printpublikationen des Zeitungshauses in elektronischer Form vorliegen. Diese Mehrwertdienste haben zudem den Vorteil, daß sie den Kunden Nutzen über die reine Transaktion hinaus bieten und somit zur Kundenbindung beitragen. Während solche Mehrwertdienste jedoch häufig nur fakultativ sind, ist die Einbindung einer Suchmaschine zur Erhöhung der Transparenz nahezu zwingend erforderlich. Wie zudem die Erfahrung aus anderen Online-Shops zeigt, lassen sich durch die Qualität der Suche durchaus Wettbewerbsvorteile erzielen. Aus diesem Grunde ist besonderer Wert auf eine nutzerfreundliche Gestaltung des gesamten Web-Auftritts Wert zu legen. Das gesamte Front-End sollte zudem einem Usability-Test mit potentiellen Kunden unterzogen werden, um sicherzustellen, daß die vorhandenen Funktionalitäten dem tatsächlichen Nutzungsverhalten entgegenkommen. Ähnlich wie Suchmaschinen können auch interaktive Elementen wie z. B. eine E-Mail- oder SMS-Benachrichtigungsftinktion relativ leicht in das Angebot integriert werden, gleichwohl aber erheblichen Nutzen stiften. Ein weiterer Vorteil solcher Komponenten liegt in der Gewinnung von Nutzerdaten und nicht zuletzt der Kundenbindung.
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Erlösmodell Mit der Frage der Verschlüsselung eng verknüpft ist die Ausgestaltung des Erlösmodells, insbesondere der Erlösquellen: Ein direkter Verkauf ist nur möglich, wenn zahlungsunwillige Nutzer vom Konsum ausgeschlossen werden können. Folglich ist zwischen diesen beiden Komponenten eine Abstimmung erforderlich, um den „Fit" des Geschäftsmodells zu gewährleisten. Statt der Nachfrager könnten aber auch die Anbieter - wie zuvor im Falle der PrintZeitung - für die Veröffentlichung ihrer Anzeigen bezahlen. Angesichts der gegenwärtigen Situation im Internet scheint es relativ schwierig, Endkunden als Einnahmequelle zu erschließen. Das liegt zum einen an der noch immer schwachen Marktdurchdringung von Bezahlverfahren für Klein- und Kleinstbeträge (sog. Micropayments), zum anderen jedoch auch an der geringen Zahlungsbereitschaft von Endkunden, die zudem durch die vielen Gratis-Angebote im Internet begrenzt wird. Allerdings sind Immobilienanzeigen aufgrund des Transaktionswertes für die Nachfrager per se durchaus ein Marktsegment, in dem eine gewisse Zahlungsbereitschaft vorhanden ist. Auf kurze Sicht ist jedoch einem für Nachfrager kostenlosen Dienst der Vorzug zu gegeben, ggf. ergänzt um kostenpflichtige Premiumangebote im Rahmen der Produktarchitektur. Dies gilt nicht zuletzt auch deswegen, weil widrigenfalls gerade bei einem neuen Online-Anzeigenmarkt nicht die notwendige Masse an Nachfragern zu erwarten ist, die den Anbietern von Immobilien die Anzeigenschaltung lukrativ erscheinen läßt. Dieser Schluß gilt umgekehrt jedoch auch für die Nachfrager, die erst ab einer Mindestzahl von angebotenen Immobilien einen Anzeigenmarkt nutzen werden. Insofern liegen hier indirekte Netzeffekte vor:23 Je mehr Anbieter den Anzeigenservice nutzen, desto größer die Angebotsauswahl und damit der Nutzen der Nachfrager. Die höhere Zahl der Nachfrager macht es wiederum für die Anbieter lukrativer, ihre Angebote zu inserieren, da die Erfolgswahrscheinlichkeit steigt. Daher sollten zu Beginn auch Anbieter mit günstigen Einführungspreisen geworben werden, bis das Online-Angebot ein selbsttragendes Wachstum erreicht hat. Dabei ist allerdings darauf zu achten, daß durch diese günstigen Preise nicht das Image des Premiumangebotes verwässert wird. Zur Lösung dieses Dilemmas könnte das Zeitungshaus seine Kompetenz aus dem Printbereich nutzen und seinen dortigen Kunden anbieten, ohne Preisaufschlag oder zu geringen Zusatzkosten die Printanzeige auch im Internet zu veröffentlichen (sog. Kombi-Anzeige). Eine Mindestmenge an Anbietern und Nachfragern ist auch erforderlich, um Werbekunden die notwendige Zahl von Kundenkontakten bieten zu können. Prinzipiell sind Werbeerlöse - trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten von Internet-Werbung - eine durchaus lukrative Einnahmequelle, da es sich bei einem solchen Online-Anzeigenmarkt um ein sehr spezifisches Angebot handelt, das einen dementsprechend fokussierten Kundenkreis anzieht. Dadurch wird Werbekunden wie Bausparkassen, Umzugsunternehmen etc. ein Werbeumfeld geboten, das nicht nur geringe Streuverluste verspricht, sondern potentielle Kunden auch in genau in dem Moment adressiert, in dem sie sich mit Kaufentscheidungen beschäftigen. Interessant ist dabei die Verschiebung des Angebotsschwerpunktes: Während im Falle der Print-Zeitung die Anzeigen selbst primäre Erlösquelle waren, wandeln sie sich beim OnlineAnzeigenmarkt zum Informationsinhalt, der wiederum vermarktbare Aufmerksamkeit erzeugt.
23
Vgl. z. B .
Shapiro/VARJAN ( 1 9 9 9 ) ,
S. 173
ff.
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Neben dem unmittelbaren Verkauf an Endkunden sowie Werbeerlösen ist der Verkauf von Markt- und Kundeninformation als eine dritte Erlösquelle denkbar. Die durch den Marktbetrieb erzeugte Information über Anbieter und Nachfrager wird dabei gesammelt und z. B. in Form von Studien aggregiert vermarktet. In einem zweiten Schritt ist im Rahmen des Erlösmodells für jede Erlösquelle zu entscheiden, welche Erlösform jeweils gewählt werden soll. Grundsätzlich können alle Leistungen für Anbieter, Nachfrager wie auch Werbekunden einzeln abgerechnet oder mit Mengenrabatten (bis hin zum Abonnement) versehen werden. Zusätzliche Optionen gegenüber dem herkömmlichen Printmedium ergeben sich durch interaktive Elemente, bei denen die Kunden nur für tatsächlich erfolgreich zustande gekommene Transaktion zahlen. Statt eines fixen Erlöses findet damit de facto eine Abrechnung auf Kommissionsbasis statt. Interessant ist eine solche Alternative gerade zu Beginn, da diese Erlösform das Risiko der Kunden bei der Nutzung eines neuen Angebotes begrenzen. Auch dies bedeutet wiederum eine Verschiebung des Angebotsschwerpunktes des Zeitungshauses: Während die Print-Zeitung nur die notwendige Information zur Zusammenfuhrung von Anbietern und Nachfragern bereitstellte, wird das Zeitungshaus durch eine erfolgsabhängige Erlöserzielung selbst zum Marktplatzbetreiber.
Aufgabe 4 Der oben skizzierte Wandel vom Zeitungsgeschäft zum virtuellen Marktplatzbetrieb wirkt sich auch auf die Wertschöpfungsstruktur aus (vgl. Abbildung 3). In formationsbeschaffiing^>
PrintZeitung
Redaktion
^
Werbung
^
Anzeigekundenakquisition^>
Lay-Out
^
Druck
^
physischer Vertrieb
Werbe laindenakquisition^>
OnlineAnzeigenmarkt
Informationsbeschaffung^> Online-Redaktion^> Anzeigekundenakquisition^> Werbekundenakquisition^>
Abbildung 3:
Wertschöpfungsketten
\
Werbung
von Print-Zeitung
Programmienin g
\
\ /
Serverbetrieb
\
\ /
/ / /
Anzeigenangebot^> Bündelung )
und Online-Anzeigenmarkt
Abruf oder Versand über Datennetz
im
24
Vergleich
Auf der Stufe der Produktion und Beschaffung ist der Unterschied dabei rein quantitativer Natur: Wie zuvor werden Informationsinhalte, Anzeigen und Werbung benötigt; allerdings dominiert beim Online-Anzeigenmarkt naturgemäß die Anzeigenakquisition, während weitere Inhalte und Werbung nachrangige Bedeutung haben. Da die Gewinnung von Inserenten ein für den Unternehmenserfolg kritischer Prozeß ist, sollte seiner Gestaltung besonderes Augenmerk gewidmet werden. Generell ist hierbei aufgrund der strategischen Bedeutung eine interne Abwicklung zu raten, jedoch möglicherweise ergänzt durch Kooperationen mit anderen Zeitungsanbietern, um möglichst schnell einen funktionierenden Marktplatz aufbauen zu können. 24
In Anlehnung an SENNEWALD (1998), S. 58 und S. 105.
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Gleichzeitig sollte großes Gewicht auf die technische Implementierung gelegt werden. Das Ziel sollte es dabei sein, die Anbieter mittels eines entsprechenden Web-Interfaces möglichst viel Information zur Anzeigenschaltung bereitstellen zu lassen. Durch diese Einbindung des Endkunden in die Wertschöpfungskette lassen sich der firmeneigene Personalbedarf wie auch Übertragungsfehler aufgrund von Medienbrüchen reduzieren. Die Akquisition von Werbekunden und insbesondere die Beschaffung von Informationsinhalten sind gegenüber der Gewinnung von Immobilienanbietern von geringer Bedeutung. Sollte sich themenbezogene Information in ausreichender Menge in der Content-Basis des Zeitungshauses befinden, so kann auf diese Inhalte zurückgegriffen werden. Dabei sollte zur Effizienzsteigerung ein Content-Management-System mit medienneutraler Datenhaltung eingesetzt werden, damit die für die Printtitel erstellte Information mit möglichst wenig Aufwand für das Online-Angebot wiederverwendet werden kann. Falls derlei Informationsinhalte intern nicht in ausreichender Menge verfügbar sein sollte, so können sie über den Markt z. B. von Content-Syndikatoren hinzugekaufit werden. Die verschobenen Prioritäten wirken sich auch auf der redaktionellen Ebene aus, wo insgesamt sehr viel weniger Mitarbeiter erforderlich sind. Zudem lassen sich im Online-Bereich anders als im Print-Sektor - redaktionelle mit graphischen Aufgabenbereichen verbinden und derselben Person zuordnen. Diese Redakteure übernehmen über das reine Lay-Out hinaus auch die Anpassung der Informationsinhalte an den spezifischen Kontext der Online-Präsenz. Zudem managen sie nicht selten auch Partnerschaften mit anderen Unternehmen sofern diese inhaltlich motiviert sind, z. B. wenn eine kooperierende Bausparkasse einen Finanzierungsrechner auf der Website plaziert. Durch die Virtualität des Anzeigenmarktes entfallen naturgemäß Druck und physischer Vertrieb. Stattdessen muß die Website programmiert und auf einem Webserver veröffentlicht werden, damit sie von den Nutzern abgerufen werden kann. Diese Aktivitäten sind überwiegend technischer Natur und gehören in der Regel nicht zu den Kernkompetenzen eines Medienunternehmens. Aus diesem Grunde sollten diese Stufen der Wertschöpfiingskette - zumal im Rahmen eines Pilotprojekts - nicht intern erstellt, sondern extern von spezialisierten Dienstleistern bezogen werden.
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ZERDICK,
Business-Case: Internet HUBERT DECHANT
AXEL BRASSLER
[email protected]
[email protected]
TECHNISCHE UNIVERSITÄT ILMENAU
Business-Case (BC) ist ein in der unternehmerischen Praxis verbreiteter Fachausdruck für Wirtschaftlichkeitsanalysen und -bewertungen. Er wird als feststehender Begriff bei Siemens, Vodafone und anderen großen Unternehmen verwendet. Auf Produkte bezogene BC sind für die Bewertung von Unternehmen wichtig, da sich der Gesamtwert nicht zuletzt aus den Werten der einzelnen Produkte im Portfolio ergibt. Besonders sorgsam ist bei der Erstellung von BC für neue innovative Produkte vorzugehen, da solche Produkte insbesondere in der Anfangsphase meistens hohe Kapitalvolumina binden und vielen Unwägbarkeiten ausgesetzt sind. Als Anwendungsfall wählen wir die vor einigen Jahren neu im Markt für Telekommunikation (TK) eingeführte Produktinnovation „High Speed Internet (HSI)". Die Charakteristika des TK-Marktes verschärfen die ohnehin vorliegenden Bewertungsprobleme. Schnellebigkeit, hohe Wettbewerbsintensität und rasanter technologischer Wandel zeichnen den TKMarkt aus. Die enormen Bewegungen bei insbesondere am Neuen Markt notierten Unternehmen, haben uns Falschbewertungen eindringlich vor Augen geführt. Das relativ junge Modell von Dechant/Trost (2001) ist auf die Bewertung von Produktinnovationen zugeschnitten und wurde in der Praxis erfolgreich eingesetzt. Wir bereiten das Modell gemäß der Zielstellung des Buches auf, wenden es für unseren Fall an und beschäftigen uns ausfuhrlich mit der Datengewinnung. Alle verwendeten Symbole sind am Ende des Beitrages zusammengestellt. Die Bewertung erfolgt in den üblichen und bewährten Bahnen, d. h. es werden Cash FlowRechnungen angestellt, und es erfolgt eine Verdichtung zu der Kennzahl Net Present Value NPV (Kapitalwert). Die zeitpunktbezogenen t Einzahlungen E^ werden aus den Umsätzen U,u unter Berücksichtigung von zE Tagen bis zur Zahlung abgeleitet. Unternehmensbezogene Größen werden jeweils mit dem Superscript U gekennzeichnet. Stehen die Marktgrößen noch nicht fest, dann sind die unternehmensbezogenen Umsätze aus den vorher zu schätzenden Marktgrößen abzuleiten. Die unternehmensbezogenen Absatzmengen ergeben sich aus der Größe des Kundensegments Sh der Produktpenetrationsrate PP, (Marktdurchdringungsrate) und dem Marktanteil MA,U. Aus den Marktpreisen p, lassen sich über einen unternehmensspezifischen Preisanpassungskoeffizienten q, die entsprechenden unternehmensbezogenen Produktpreise ableiten. Bei der weiteren formalen Beschreibung unterdrücken wir den aufgrund der geschilderten Symbolverwendungsweise eigentlich notwendigen Zeitindex t sowie das Superscript U für unternehmensbezogene Größen. Die Auszahlungen Atu werden sowohl durch Investitionen I und zahlungswirksame Kosten K nach zA Tagen generiert. Die Aufteilung in variable Stückinvestitionen iv bzw. -kosten kv und sprungfixe Bestandteile /,/bzw. Ks/
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Business-Case: Internet
hat sich bewährt. Die Stückkostensätze der variablen Kosten sind i. a. nicht konstant, sondern - wegen beschaffungs- und produktionsseitiger Skaleneffekte - selbst von der Absatzmenge m abhängig. Folgendes Modell1 stellt unter Verwendung des Kalkulationszinssatzes i die Wertorientierung sicher: (a) Net Present Value (NPV) i, E " - A u NPV = Z — ÎTo (1 + /)' (b) Verbindungsrechnung
365
365
und entsprechend für die Auszahlungen A,u aus Investitionen und Kosten. (c) Umsatzmodell U» =S,*PP,*MA]> *p, *q» wobei der Mengenbestandteil der Gleichung wie folgt zusammenfaßbar ist: m';' = S, * PP, * MA" (d) Investitions- und Kostenmodell I = iv(m)*m + Isf(m) K = kv{m)*m + Ksf(m)
Aufgabe 1 Im Unternehmen sind Sie als äußerst engagiert und betriebswirtschaftlich ausgezeichnet ausgebildet bekannt. Aufgrund der hohen Meinung hat man Sie auserkoren, den von der Konzernzentrale vorher vorgestellten Bewertungsstandard an die Produktinnovation „High Speed Internet (HSI)" anzupassen. Aus Gesprächen mit dem Produktmanager entnehmen Sie, daß das Produkt auch als ,,Fast Internet" bezeichnet wird, einen schnellen Download ermöglicht und den zukünftigen Bedarf an hohen Bandbreiten decken soll. Aus einem Gespräch mit dem zuständigen Projektmanager erfahren Sie, daß das Unternehmen eine Realisierung über die Es handelt sich um eine komprimierte Form des Modells von DECHANT/TROST (2001).
Business-Case: Internet
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Zugangstechnologie Digital Subscriber Line (DSL) 2 anstrebt. Der Bereichsleiter Produktentwicklung teilt Ihnen auf Nachfragen mit, daß die Betrachtung alternativer Zugangstechnologien, wie Point-to-Multipoint oder Kabel in diesem Stadium nicht Gegenstand des BC sein sollen. Aus zahlreichen Gesprächen erhalten Sie eine Vielzahl an Informationen. Sie ordnen die Informationen nach Wichtigkeit, strukturieren und erkennen, daß folgende Informationen für Ihre BC-Anpassungsaufgabe direkt nutzbar sind: •
Aus Diskussionen mit dem Produktmanager ergibt sich, daß zwei Penetrationsraten zu modellieren sind. Zum einen die Internet-Penetration, für die es bereits Vergangenheitswerte gibt und zum anderen eine darauf aufsetzende Penetration HSI.
•
Aus Gesprächen mit Vertretern des Vorstandsressorts Technik wird Ihnen bewußt, daß auf technischer Seite enorme Investitionen notwendig sind, um das Produkt flächendeckend in Deutschland anbieten zu können. Vom Einkauf wird Ihnen mitgeteilt, daß bei neuen Produkten für den Massenmarkt, Equipment-Hersteller die geplanten Stückzahlen erfahrungsgemäß anfangs nicht liefern können. Der Bereich Customer Care gibt zu verstehen, daß ein Einstieg in den flächendeckenden Massenmarkt erfahrungsgemäß die Prozesse überfordert, die Überlastung zu Unzufriedenheit bei den Kunden führt und man teuer gewonnene Kunden leicht wieder verliert. Nicht zu unterschätzen ist auch der damit verbundene Imageschaden. Diese Informationen geben Sie sofort an Ihren Bereichsleiter weiter und versuchen über ihn, eine erste Vorstandsmeinung zur angestrebten Flächendeckung zu erhalten.
•
Das für Pricing zuständige Team weiß bereits über die Produktinnovation Bescheid und es hat bereits die beiden Preiskomponenten „einmalige Anschlußgebühr" sowie „monatliche, von der Nutzung unabhängige Gebühr" festgelegt. Der Produktmanager hat in Abstimmung mit dem Vertrieb bereits bisherige Telefonkunden und potentielle Nutzer von HSI hinsichtlich ihrer Bedürfnisse, mit folgendem Ergebnis, befragt: Es können mehrere Cluster mit unterschiedlichen Bandbreitenbedürfnissen gebildet werden. Eine kleinere Gruppe wünscht sich sehr schnelle Bandbreiten über 768 kbit/Sekunde (sec.), weil sie multimediale Anwendungen und häufig Videos vom Netz ziehen wollen. Verschiedene Bandbreiten sollen unterschiedlich bepreist werden.
•
Recherchen über den Markt deuten auf ein großes Marktvolumen und zwar für die beiden Kundensegmente Haushalte (HH) und Geschäftskunden hin. Der Vertrieb teilt ihnen auf Anfragen mit, daß die derzeitige Vertriebsstruktur nicht für die Bedienung von Geschäftskunden ausgelegt ist. Sogenannte Small/Home Offices können dagegen über die bestehenden Vertriebskanäle noch zufriedenstellend bedient werden. Eine Ausweitung der Vertriebsstruktur ist in absehbarer Zeit nicht vorgesehen.
Noch nichts ahnend nehmen Sie morgens Ihren Arbeitsplatz ein. Eine e-mail mit hoher Priorität unterrichtet Sie, daß Ihnen - aufgrund mehrerer Terminverschiebungen - mit dem Bereichsleiter und dem Produktmanager ein Termin in einer Stunde eingeräumt wurde, wo sie die Modellanpassungen präsentieren sollen. Die Aufgabe besteht nun darin, eine produktspezifische Anpassung des Grundmodells vorzunehmen!
2
V g l . SIEGMUND (1999), S. 2 2 0 ff.
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Business-Case: Internet
Aufgabe 2 Die Datengewinnung verursacht bei neuen Produkten meist großen Arbeitsaufwand und beeinflußt das Bewertungsergebnis ganz entscheidend. Um die Eingangsparameter schätzen zu können, sind, so weit möglich, verläßliche Datenquellen zu nutzen. Dort wo solche nicht verfugbar sind, müssen die Treiber für die Schätzung identifiziert werden. Zugrunde gelegt wird das erweiterte Umsatzmodell (vgl. die Lösung zur Aufgabe 1). Aus Vereinfachungsgründen soll aber lediglich das Kundensegment,»Haushalte (HH)", die monatliche Preiskomponente und ein sogenannter „Durchschnittskunde" eingehen. Die wesentlichen Parameter sind (siehe Aufgabe 1 einschl. Lösung) somit: S, -PP,1
• p, -,qf .
Die Datengewinnung sei an einigen Parametern exemplarisch gezeigt: •
Zur Bestimmung des Umfangs des Kundensegments S, ist das Jahrbuch des Statistischen Bundesamtes eine wertvolle Quelle.
•
Aktuelle sowie vergangene Internet-Penetrationsraten PP,1 gehen aus der Presse und einschlägigen Fachzeitschriften hervor. Die Gesellschaft für Konsumforschung stellt auf Anfrage tiefergehendes Datenmaterial bereit und gibt einen Prognosewert für das folgende Jahr (ermittelt über Befragungen) an. Unter Nutzung des World Wide Web können Prognosewerte beispielsweise für das Jahr 2005 recherchiert werden, womit sich behelfsweise ein Pfad für den mittelfristigen Horizont konstruieren läßt. Käuflich erwerbbare Spezialstudien nennen erwartete Penetrationsraten für einen längeren Zeithorizont.
•
Die Schätzung des Marktpreises p, basiert auf Verbraucherbefragungen.
•
Hinsichtlich der Determinanten der Preispolitik - abgebildet anhand des unternehmensspezifischen Preisanpassungskoeffizienten q,u - sei auf einschlägige Literatur verwiesen.3 In der Anwendung wird man die sich anschließenden Kalkulationen für verschiedene solcher Tarif- und Angebotsmodelle durchfuhren. Entsprechend ist die Dynamik der Marktpreise in Abhängigkeit der Preisentscheidung des Unternehmens zu berücksichtigen.
Sie sollen nun die Ausführungen für die unkommentierten Parameter vervollständigen!
Aufgabe 3 Unter Nutzung externer Informationsquellen und Berücksichtigung der Hinweise in Aufgabe 2 incl. Lösung ergeben sich nach zwei Diskussionsrunden mit Marktforschung, Vertrieb, Pricing, Netzplanung und Unternehmensstrategie nachfolgende Eckwerte (die Jahre 2003, 2004 und 2006 ff. sind aus Platzgründen ausgeblendet) für die auf das jeweilige Jahresende (JE) bezogenen Eingangsparameter. Die Spalte Bezeichnung (Bez.) stellt den Bezug zum Modell her. 3
Vgl. KOTLER/BLIEMEL (2001), S. 114 ff.
Business-Case: Internet
69
Muster AG Umsatzmodell: Eingangsgrößen (Veränderte Zahlen) Marktmengen
2001
Bez.
2002 0,32%
Wachstumsrate
Haushalte (HH) Penetration Internet Penetration HSI Abbildung 1:
Eingangsgrößen
fS,J [PP,1] 2
[PP, ]
2005 0,32%
JE
36.500.000
JE
35%
40%
55%
JE
10%
15%
35%
36.616.800 36.969.447
Umsatzmodell, Teil 1
Die Werte der Wettbewerber für das adressierte Potential und für die geschätzten Marktanteile gehen zwar nicht weiter in die Unternehmensumsätze ein; für die Bestimmung der entsprechenden unternehmensbezogenen Parameter sind sie jedoch unverzichtbar. Die monatliche (mtl.) Gebühr i. S. eines Marktpreises und die preisliche Positionierung des Unternehmens in der Wettbewerbslandschaft wird zunächst für einen „Durchschnittskunden" geschätzt. Adressierbare Potenziale und Marktanteile Adressierbare Potenziale Wettbewerber 1 Wettbewerber 2 Muster AG Übrige Wettbewerber Deutschland gesamt
U
[a, ]
[MA,U]
Übrige Wettbewerber gesamt Tarifmodell
Bez.
Mtl. Marktpreis "Durchschnittskunde" [p,] in € Positionierung
Abbildung 2:
Eingangsgrößen
2002
2005
50%
70%
100%
5%
20%
25%
40%
53%
25% 8%
Marktanteile Wettbewerber 1 Wettbewerber 2 Muster AG
2001
u
[a ,,]
20%
50%
50%
70%
70%
55%
38%
10%
17%
25%
12%
16%
100%
23%
8%
12%
14%
100%
100%
100%
2001
2002...
2005
41 -10%
40
36
-10%
-10%
Umsatzmodell, Teil 2
Die Diskussionspartner sind sich darüber einig, daß das Download-Volumen im Zeitablauf steigt. Eine Quantifizierung fallt jedoch schwer, da das Volumen von Bedürfnisentwicklungen und neuen zukünftigen hochbitratigen Diensten abhängt. Um einen reibungslosen Verkehr im Netz von Anfang an zu gewährleisten, empfehlen die Spezialisten der Netzplanung nachdrücklich, zunächst die Hauptlinie mit einem Download von 128 kbit/s. zu wählen. Über Details konnten sich das Produktmanagement und die Netzplanung noch nicht einigen.
70
Business-Case: Internet
Sie sollen zunächst eine fiktive Bandbreitenverteilung mit den jeweiligen Monatsgebühren vorsehen, wobei die vorher geschätzten Gebühren pro „Durchschnittskunde" im Ergebnis einzuhalten sind. Dieser Punkt wird erneut auf die Tagesordnung gebracht. Erstellen Sie ferner unter Berücksichtigung aller Eckwerte ein Excel-Modell, das die Marktmengen und Unternehmensumsätze berechnet. Legen Sie dazu einen Pfad von den Anfangsjahren bis zum Endjahr. Darüber hinaus sollen Sie auch die Preiskomponente „einmalige Anschlußgebühr" in Ihr Excel-Modell aufnehmen!
Aufgabe 4 In einem weiteren Meeting mit dem Bereichsleiter der Produktentwicklung, Herrn Bernhard, geht es um die Abschätzung der Investitions- und Kostenseite. Er weist Sie darauf hin, daß mehrere Investitions- und Kostenkomponenten nicht ausschließlich von HSI verursacht werden, sondern erst in Kombination mit anderen Produkten. Um alle ausgelösten Investitionsund Kostenkomponenten zu identifizieren, soll die Erhebung konsequent entlang der Wertschöpfungskette erfolgen. Herr Bernhard bittet Sie, das Investitions- und Kostenmodell entsprechend anzupassen und ein Datenerhebungsblatt zu entwerfen.
Aufgabe 5 Herr Bernhard bittet Sie drei Tage später in sein Büro und teilt Ihnen mit, daß er mehrere Gesprächstermine mit verschiedenen Ansprechpartnern in seinem Bereich Produktentwicklung sowie dem Bereich Netze geplant hat. Aufgrund ausgeprägter Schwierigkeiten bei der Erhebung der Komponenten innerhalb des Wertschöpfungsgliedes „Dienstentwicklung und -bereitstellung", schaltet sich hier Herr Bernhard persönlich ein. Er gibt Ihnen folgende interessante Informationen, um Sie weiter in das Gebiet der Wirtschaftlichkeitsbewertung einzuführen: •
Aufgrund der produktspezifischen Besonderheiten kann nicht unmittelbar auf vergangene Bewertungen und Ist-Kosten zurückgegriffen werden. Eine institutionalisierte Kostenrechnung kann wegen der technisch meist komplexen Zusammenhänge keine Hilfestellung leisten. Die Kosten- und Investitionskomponenten müssen wir aus dem technischen Konzept ableiten. Aufgrund des oft mangelnden technischen Verständnisses bei Ökonomen und dem wenig ausgeprägten Denken in Wirtschaftsgrößen bei Ingenieuren passieren an dieser Schnittstelle leicht Fehler. Ein zusätzliches Problem besteht darin, daß i. d. R. mehrere Realisierungsalternativen denkbar sind. Die Komponenten und Prozesse hängen von der gewählten Realisierung ab. Hierüber jedoch besteht zum Analysezeitpunkt meist noch wenig Klarheit. Für die Schätzung der Einkaufskosten sind die technologische Entwicklung, der Wettbewerbsdruck am Einkaufsmarkt und die Verhandlungsposition v. a. aufgrund der Mengenabnahme die entscheidenden Determinanten. Für die Abschätzung mengenabhängiger Kosten bzw. Investitionen kann das Erfahrungskurvenkonzept sehr nützlich sein.
71
Business-Case: Internet
•
Investitions- und Kostenkomponenten mit fixem Charakter (soweit sie sich dem Produkt zurechnen lassen) stellen häufig eine Herausforderung dar. Sie treten nämlich meist in grundsätzlich sprungfixer Form auf, die dann in Abhängigkeit von der Häufigkeit, vom Ausmaß der Sprünge und vom Vereinfachungsgrad variabel, fix oder sprungfix modelliert werden. Es ist zu analysieren, inwieweit Leerkapazitätskosten durch andere Produkte oder Vermarktung von freien Kapazitäten sinnvoll verringert werden können. Dies setzt eine funktionierende schnelle Abstimmung zwischen Marketing, Kapazitätsmanagement und Unternehmensstrategie voraus.
Aus den Gesprächen ergeben sich auszugsweise folgende Investitions- und Kostenkomponenten für die „Dienstentwicklung und -bereitstellung": Muster AG Inestition und Kosten: Eingangsgrößen (Veränderte Zahlen)
Diensteentwicklung und -bereitste
Bez.
Mitarbeiter [Ks/(m)J Kundenequipment pro Stück [i/(m)] CPE User Lizenz Schnittstellenkarte (im HVT) Teilnehmeranschlußleitung p.m. [kvd(m)] Anbindung H/MHVT an Backbone [Ks/"(m)J Personal Betrieb [Ks/"(m)] IP Network Neuinvestition ßs/(m)J ATM Switches B-RAS Sonstiges Abbildung 3:
Eingangsgrößen
Investitions- und
€ €
e € Mio. €
Mio.€ MÌO. MÌO.
e e
2001
2002...
2005
10
5
2
150 15 120 25 2 4
150 15 120 25 6 6
150 15 120 25 49 6
5 2 2
10 5 2
0 0 0
Kostenmodell
Zu den Daten werden folgende Anmerkungen gemacht: Die regulierte Teilnehmeranschlußleitung wird zwar hier erfaßt, obwohl sich darauf verständigt wird, sie zunächst nicht in die Bewertung einfließen zu lassen. Das Produkt wird nämlich nur in Kombination mit einem ISDN-Anschluß angeboten und die ISDN-Voice-Erlöse bzw. Kosten wurden bereits zu einer früheren Zeit bewertet. Unter Verwendung eines (oben nicht sichtbaren) Detailmodells werden Anbindungskosten und IP-Network-Neuinvestitionen abgeschätzt. Außerdem sind hier nur die Werte für die weiter vorne angegebenen Mengen abgedruckt. Sie sollen nun die Investitions- und Kostenkalkulation mit Excel modellieren!
72
Business-Case: Internet
Aufgabe 6 Nach Erfassung und Schätzung der auszahlungswirksamen Kosten und Investitionen für Marketing, Vertrieb und Kundenbetreuung ergibt sich insgesamt folgender Free Cash Flow: Entwicklung (nicht kumuliert) Free Cash Flow Abbildung 4:
Mio. €
2001
2002
2003
2004
2005
-28
-36
-19
41
104
Free Cash Flow der Produktinnovation
Berechnen Sie die Kenngrößen Net Present Value NPV und zusätzlich die interne Rendite IRR. Verwenden Sie einen Kalkulationszinssatz von i = 10%, sehen Sie von Steuern ab und legen Sie einen Planungshorizont von nur 5 Jahren zugrunde. Aus Ihrem Studium ist Ihnen hierzu bekannt, daß anstelle der Abschreibungen, die auszahlungswirksamen Investitionen in den Free Cash Flow eingehen. Für eine Bewertung nach Steuern wären dagegen die Abschreibungen in geeigneter Weise zu berücksichtigen. Die Steuerung der Leistungserstellung ist hier nicht Gegenstand der Betrachtung. Hierzu könnten die Abschreibungen sinnvoll eingesetzt werden. Da die Kundenanzahl als auch die Accesskosten vielen Unwägbarkeiten unterworfen sind, sollen Sie die Auswirkungen einer Reduktion der Kundenzahl um 15% und einer Unterschätzung der Accesskosten um 15% über den gesamten Planungshorizont auf die Kennzahl NPV (Sensitivitätsanalyse) berechnen!
Lösung
Aufgabe 1 Das vorgestellte Grundmodell wird schrittweise angepaßt. Die nun zwei Produktpenetrationsraten werden berücksichtigt über: PP,
PP/ wobei j e {l;2} .
Mit Erweiterung des Modells um einen unternehmensspezifischen Potentialausschöpfungskoeffizienten w o b e i s e {l;2} .
Der Bereichsleiter weist darauf hin, daß die bisher verwendeten Größen um das segmentspezifische Superscript s entsprechend zu ergänzen sind.
Aufgabe 2 Über die Penetrationsraten High Speed Internet PPt2 geben Spezialstudien nur sehr beschränkt Aufschluß. Sie weichen gerade bei dem betrachteten Neuen Markt erheblich voneinander ab, geben keine klare Abgrenzung der Marktsegmente an und lassen offen, ob technische oder weitere Restriktionen bereits berücksichtigt sind. Penetrationsraten von Vorreiterländern sind aufgrund von unterschiedlichen Gewohnheiten und Spezifika nicht auf den zu bewertenden Markt zu übertragen. Wir wählen deshalb die originäre Schätzung von Penetrationsraten frei von Restriktionen als Methode. Zu diesem Zeitpunkt liegen nämlich im allgemeinen noch keine ausreichenden Informationen darüber vor, inwieweit technische Restriktionen (z. B. Engpaß bei den Zulieferern von Equipment) oder Begrenzungen der Marktadressierung aufgrund kaufmännischer Gesichtspunkte zu einer gegenüber der prinzipiell denkbaren geringeren Marktdurchdringung führen werden. Die Penetrationsrate HSI ist somit über eine Identifikation und Ranglozierung der Produkttreiber und ihren Ausprägungen in dem nach Zielgruppen kategorisierten Segment, abzuschätzen. Sie ist in enger Abstimmung mit den erwarteten Preisen zu schätzen. Die Kernfrage dabei ist „Welche Zielgruppen haben welchen Nutzen und wie hoch ist die Zahlungsbereitschaft hierfür?" Für Einzelheiten verweisen wir auf den Prozeß der Marktforschung.4
4
Vgl. KOPPELMANN (1997), S. 114 ff.
Business-Case: Internet
75
In ersten internen Diskussionen wurden folgende Treiber mit den Ausprägungen {++; +; 0; - ; —} und mehrere Zielgruppen für das Produkt definiert: Zielgruppen Treiber Monatliche Surfzeit Geschwindigkeit/ Komfort DÜ Hochbitratige Anwendungen Status Preis etc. Abbildung 4:
StudentenWG
Singles mit Hoher Bildung
Familien mit hohem Einkommen, Kinder in höheren Schulen
++
+
+
++
++
++
++
+
+
+
+ 0
—
Zielgruppen und Treiber für die Penetrationsrate
etc.
+ -
HSI
Nur noch angedeutet sei, daß anschließend für jede Zielgruppe unter Gewichtung der Treiber eine Penetrationsrate HSI und zwar ausgehend von der zielgruppenspezifischen Penetrationsrate Internet zu schätzen ist. Unter Einbeziehung der jeweiligen Größe der Zielgruppe und der Penetrationsrate Internet sowie der Anzahl der Haushalte sind dann die zielgruppenspezifischen Penetrationsraten HSI in eine durchschnittliche Penetrationsrate HSI zu überfuhren. In welchem Umfang man das potentiell adressierbare Segment tatsächlich anvisiert a,u, ist eine strategische Entscheidung des Unternehmens. Bestimmungsgrößen hierfür sind v. a. das Leitbild der Unternehmung, Liefer- und Produktionszeit, Investitionshöhe, Finanzlage einschließlich Verschuldungspotential, Risiko- und Kooperationsbereitschaft und die Lukrativität der regionalen Marktpotentiale. Der Marktanteil MAtu ist hauptsächlich aus Stärken/Schwächen- und Potentialanalysen des Unternehmens sowie aller möglichen Wettbewerber abzuleiten. Analyseobjekte sind hierbei v. a. bisherige Marktanteile, Produktstrategie und -portfolio, Vertriebs- und Produktionskapazität sowie Unternehmensakquisitionen und -kooperationen. Das Ergebnis der Schätzung ist natürlich von der Tarifgestaltung abhängig.
Aufgabe 3 In dem nachfolgenden Excel-Blatt sind Eingabefelder grau unterlegt. Die Jahre 2003, 2004 und 2006 ff. sind - so auch an späteren Stellen - ausgeblendet. Die adressierten Potentiale sowie Marktanteile der Wettbewerber sind ebenfalls ausgeblendet. Abkürzungen werden für Bezeichnung (Bez.), Haushalte (HH), Jahresende (JE) und -durchschnitt (JD) sowie Sekunden (s) verwendet.
76
Business-Case: Internet
Muster AG Umsatzmodell (Veränderte Zahlen) Marktmengen
Bez.
2001
Wachstumsrate
Haushalte (HH) fSJ Penetration Internet fPP/j HH mit Internet Penetration HSI [PP,2] HH mit HSI (nachfrageseitig) Adressierbares Potenzial HH mit HSI (incl. Restriktion)
JE JE JE JE JE JE JE
36.500.000 35% 12.775.000 10% 1.277.500 50% 638.750
2002
2005
0,32%
0,32%
36.616.800 36.969.447 40% 55% 14.646.720 20.333.196 15% 35% 2.197.008 7.116.619 70% 100% 1.537.906 7.116.619
Adressierbare Potenziale und Marktanteile
2001
2002
Adressierbare Potenziale Muster AG Deutschland gesamt
25%
40%
Marktanteile Muster AG
[a,U]
70%
100%
[MA,U ]
12%
16%
23%
Bez.
2001
2002
2005
JE
38.325
140.609
867.516
JD
19.163 38.325
89.467 102.284
729.768 275.496
[m,U]
Kunden Kundenzuwachs Abbildung 6:
53%
50%
Kunden Muster AG Muster AG Kunden
2005
JE
Umsatzmodell, Teil 1
Die Zahl der HSI-nutzenden HH wird gemäß Modell von 638.750 zum Jahresende 2001 über 1.537.906 zum Jahresende 2002 auf 7.116.619 im Jahr 2005 ansteigen. Für das betrachtete Unternehmen werden im entsprechendem Zeitraum 38.325 bzw. 102.284 bzw. 275.496 erwartet. Aus folgender zunächst fiktiv festgelegter Bandbreitenverteilung und des Marktpreises wird die unternehmensbezogene Monatsgebühr für einen „Durchschnittskunden" unter Berücksichtigung der wettbewerbspolitischen Positionierung ermittelt. Bandbreitenspezifische Anschlußgebühren werden ausgeblendet.
77
Business-Case: Internet
2001
2002
2005
82% 18% 0% 0%
10% 87% 3% 0%
0% 34% 50% 16%
243
726
1.331
2001
2002
2005
40 47 75 100 41
-15% 34 40 64 85 40
-15% 21 25 39 52 36
-10% 37
-10% 36
-10% 33
25
-5% 24
-5% 20
-10% 23
-10% 21
-10%
2001
2002
2005
Mio. €
9
39
286
Mio.e
1
2
5
Bandbreiten Bez. Downstream / upstream 128 kbit/s. /128 kbit/s. [ßuu] 768 kbit/s. /128 kbit/s. [ßu UJ 1,5 Mbit/s. / 384 kbit/s. [ßu u ] 2 Mbit/s. / 384kbit/s. [ßu u ] Bandbreitenbedarf (downstream) pro Kunde kbit/s
Tarifmodell
Bez.
Monatliche Gebühr pro Anschluß Markt-Preisverfall 128 kbit/s. /128 kbit/s. 768 kbit/s. /128 kbit/s. 1,5 Mbit/s. / 384 kbit/s. 2 Mbit/s. / 384kbit/s. Markt-Grundgebühr [p,] : Positionierung Untern.-Grundgebühr
[q u i t] [p u,]
€ € € € € € €
Anschlußgebühr (Markt) einmalig Markt-Preisverfall Markt-Einmalgebühr [qvit]
Positionierung
[gü,]
Untern.-Einmalerlöse
€
Umsatz & Einzahlung Muster AG [UP,u]
Monatsgebühr
Anschlußgebühr
u
[UG, ] [U,U]
Umsatz Einzahlung Abbildung 7:
(nach zE Tagen)
[E ,U]
18
Mio. €
9
41
291
35 Mio. €
8
38
282
Umsatzmodell, Teil 2
Unter den Annahmen des Modells steigen die unternehmensbezogenen Umsätze der Produktinnovation HSI für das Kundensegment HH von 9 Mio. € im Jahr 2001 über 41 Mio. € im Jahr 2002 auf 291 Mio. € im Jahr 2005. Die zeitlich verzögerten Einzahlungen werden zusätzlich ausgewiesen, da die spätere Berechnung des Free Cash Flow darauf aufsetzt.
78
Business-Case: Internet
Aufgabe 4 Innerhalb des Investitions- und Kostenmodells wird eine Unterteilung in direkt, ausschließlich von der Produktinnovation ausgelöste Kosten bzw. Investitionen (Superskript „d") und in Kombination mit anderen Produkten, sogenannte in Anspruch genommene Kosten bzw. Investitionen (Superscript „in") vorgenommen: K = [kd (m) + K(m)]
*m + Kdf {tri) +
(m)
/ = [id (m) + i': {m)\ *m + Idf (m) +1% {tri)
Die einzelnen Abschnitte des Datenermittlungsblattes geben die Wertschöpfungsglieder wieder. In der vor der Recheneinheit (E) liegenden Spalte (Bez.) sind die einzelnen Komponenten auf eindeutige Weise mit ; k'" ; Kdsf ; K's" ; idv ; i'" ;
oder ll"f
zu kategorisieren. Muster AG Inestition und Kosten: Eingangsgrößen Dienstentwicklung und -bereitstellung
Bez.
E
2001
2002
2005
Bez.
E
2001
2002
2005
Vertrieb Komponente 1 Komponente 2 Komponente n
Bez.
E
2001
2002
2005
Kundenbetreuung
Bez.
E
2001
2002
2005
Komponente 1 Komponente 2 Komponente n Marketing Komponente 1 Komponente 2 Komponente n
Komponente 1 Komponente 2 Komponente n A bbildung 8:
Datenerhebungsblatt
fur Investitionen und Kosten
Business-Case: Internet
79
Aufgabe 5 Die Eingabefelder sind wie im Umsatzmodell grau unterlegt. Muster AG Investitions- und Kostenmodell: Dienstentwicklung und -bereitstellung (Veränderte Zahlen) Dienstentwicklung Personalkosten Mitarbeiter (Jahresende)
Bez. [Ks/(m)J
2001
2002
2005
10
5
2
3%
3%
Wachstumsrate
Personalkosten pro Mitarbeiter Summe Kosten Dienstentwicklung Auszahlung
(nach Tagen)
[zA]
Kundenequipment
150.000 154.500 168.826
€
2 2
1 1
0 0
2001
2002
2005
0%
0%
€
150
150
150
0%
0%
€
15
Mio. €
0 Mio. €
Bez. d
Neuinvestition pro Kunde
[iv (m)J
Wachstumsrate
CPE Equipment Wachstumsrate
User Lizenz
15
15
0%
0%
120
120
120
6 1 5 11
15 2 12 29
41 4 33 79
11 11
29 29
79 79
2001
2002
2005
25 6
0% 25 26
0% 25 215
0 0
0 0
0 0
Wachstumsrate
Schnittstellenkarte (im HVT)
e
Neuinvestition über alle Neukunden CPE User Lizenz Schnittstellenkarte Summe
Mio.€ Mio.€ Mio.e Mio.e
Kundenequipment & Sonstige Neuinvest Auszahlung
(nach Tagen)
[zÄ]
Teilnehmeranschluß
Mio. € 0
Mio. €
Bez. 0%
Berücksichtigungsanteil wegen Voice d
Laufende Kosten [k v (m)J Entwicklung Kosten pro Kunde p.m. Kosten über alle Kunden p.a.
Mio.e
Teilnehmeranschlußleitung
Mio. €
Auszahlung
Abbildung 9:
(nach Tagen)
€
Kosten [zA]
35 Mio. €
Investitions- und Kostenmodell, Teil 1
80
Business-Case: Internet
Anbindungskosten HVT/MHVT an Backbone
2001
2002
2005
Ergibt sich aus einem komplexen Modell und wird aus Vereinfachungsgründen ausgeblendet.
Anbindungskosten Auszahlung (nach Tagen) Personalkosten Betrieb
[Ksfm(m)] [zA]
Mio. €
35 Mio. €
Bez.
2 2
6 6
49 47
2001
2002
2005
4
6
6
Technischer Betrieb z.B. Dienste-Server, Remote Access Server, etc
Personalkosten Betrieb Mitarbeiter
[Ksfin(m)]
Personalkosten pro Mitarbeiter Pesonalkosten gesamt Summe Betriebskosten Auszahlung (nach Tagen)
[zA]
IP Network
Bez.
Neuinvestition
€ Mio.e Mio. € 0 Mio. €
1 1
1 1
1 1
2001
2002
2005
5 2 2 9
10 5 2 17
0 0 0 0
9 9
17 17
0 0
[Is/(m)J
ATM Switches B-RAS Sonstiges Summe
Mio.e Mio.e Mio.e Mio.e
Summe IP Network Invest Auszahlung (nach Tagen) Abbildung 10:
3% 3% 130.000 133.900 146.316 1 1 1
Mio. € [ZA]
0
Mio. €
Investitions-und Kostenmodell, Teil 2
Aufgabe 6 Unter Verwendung der auch in Excel implementierten Formel (1) ergibt sich NPV =
- Eu t
i. Für jeden anderen Planungshorizont, wie beispielsweise 10 Jahre, lassen sich entsprechende Werte berechnen. Kennzahlen NPV IRR Diskontierungssatz Abbildung 11:
5 Jahre Mio.€ % %
10 Jahre
23 22% 10%
Kennzahlen
Die Auswirkungen von Änderungen der Inputwerte auf den NP V basieren auf einer Modellierung sämtlicher Kosten und Investitionen. Die Ergebnisse entziehen sich aufgrund der auszugsweisen Darstellung des Modells der Nachprüfbarkeit. Sensitivitätsanalyse Kunden Accesskosten Abbildung 12:
5 Jahre NPV in Mio. € -15% 15%
10 Jahre
12 13
Sensitivitätsanalyse
Das Ergebnis zeigt, daß der NPV stark auf Veränderungen der Eingangsparameter unter ceteris paribus reagiert.
82
Business-Case: Internet
Symbolverzeichnis Atu at
unternehmensbezogene Auszahlung (zum Zeitpunkt t)
u
unternehmensspezifischer Potentialausschöpfungskoeffizient
ßi t u
(unternehmensbezogener) Anteil der Bandbreite i an der Gesamtheit der Bandbreien (zum Zeitpunkt t)
Etu
unternehmensbezogene Einzahlung (zum Zeitpunkt t)
gi;tu
unternehmensbezogene einmalige Anschlußgebühr (= -preis) für die Bandbreite i (zum Zeitpunkt t)
gijt
Marktpreis für die einmalige Anschlußgebühr für die Bandbreite i (zum Zeitpunkt t)
i
Kalkulationszinssatz
I
Investition
Isf Isf
sprungfixe Investition d
direkt, ausschließlich von der Produktinnovation ausgelöste sprungfixe Investition
Isfin
in Anspruch genommene sprungfixe Investition
iv
variable Stückinvestition
ivd iv
direkt, ausschließlich von der Produktinnovation ausgelöste Stückinvestition
in
in Anspruch genommene Stückinvestition
K
auszahlungswirksame Kosten
K sf
sprungfixe Kosten
Ksfd Ksf
direkt, ausschließlich von der Produktinnovation ausgelöste sprungfixe Kosten
in
in Anspruch genommene sprungfixe Kosten
kv kv
variable Stückkosten d
direkt, ausschließlich von der Produktinnovation ausgelöste Stückkosten
kvin m bzw. m t
in Anspruch genommene Stückkosten u
unternehmensbezogene Verkaufsmengen (zum Zeitpunkt t)
MA,U
Marktanteil des Unternehmens (zum Zeitpunkt t)
n
Planungshorizont
p,
(auf einen Durchschnittskunden bezogener) Marktpreis für die laufende Gebühr (zum Zeitpunkt t)
pi;t pt
u
Marktpreis für die Bandbreite i (zum Zeitpunkt t) (auf einen Durchschnittskunden bezogene) unternehmensspezifische laufende Gebühr (= Preis) (zum Zeitpunkt t)
Business-Case: Internet
83
pi t
unternehmensbezogene laufende Gebühr (= Preis) für die Bandbreite i (zum Zeitpunkt t)
PPt
Produktpenetrationsrate (zum Zeitpunkt t)
PP t '
Produktpenetrationsrate Internet (zum Zeitpunkt t)
PPt2
Produktpenetrationsrate High Speed Internet (zum Zeitpunkt t)
qtu
unternehmensspezifischer Preisanpassungskoeffizient (zum Zeitpunkt t)
qi)tu
unternehmensspezifischer Preisanpassungskoeffizient für die Bandbreite i (zum Zeitpunkt t)
St
Größe des Kundensegments (zum Zeitpunkt t)
t
Zeitindex
Utu
unternehmensbezogener Umsatz (zum Zeitpunkt t)
Utu's
unternehmensbezogener Umsatz für das Kundensegment s (zum Zeitpunkt t)
UG t u
unternehmensbezogener Jahresumsatz aus einmaligen Anschlußgebühren (zum Zeitpunkt t)
UP t u
unternehmensbezogener Jahresumsatz aus laufenden Monatsgebühren (zum Zeitpunkt t)
zA
Anzahl der Tage bis zur Auszahlungswirksamkeit
zE
Anzahl der Tage bis zur Einzahlungswirksamkeit
84
Business-Case: Internet
Quellenverzeichnis G./DECHANT, H. (2003): Ein Ansatz zur Bewertung von Telekommunikationsunternehmungen und von deren abgrenzbaren Unternehmungsteilen, in: KEUPER, F. (Hrsg.), E-Business, M-Business und T-Business - digitale Erlebniswelten für die TIME- und Konsumgüterbranche aus Sicht von Consulting-Unternehmen, Wiesbaden 2003 (im Druck).
BRÖSEL,
H./TROST, R. (2001): Wirtschaftlichkeitsbewertung von Produktinnovationen im Telekommunikationssektor, in: Journal fiir Betriebswirtschaft, 51. Jg. (2001), S. 234-242.
DECHANT,
KOPPELMANN, KOTLER,
U.
(1997): Produktmarketing, 5. Aufl., Berlin 1997.
P./BLIEMEL,
SIEGMUND,
G.
F.
(2001): Marketing Management, 10. Aufl., Stuttgart 2001.
(1999): Technik der Netze, 4. Aufl., Heidelberg 1999.
Wechselkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten THOMAS HESS
MARKUS ANDING
[email protected]
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LUDGWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN
Wechselkosten bezeichnen jene Kosten bzw. Aufwendungen, die einem Kundtr, entstehen, wenn er von einem bisher genutzten Produktanbieter/Produktangebot zu einem Aiternativanbieter/-angebot wechselt. Vielfältige Beispiele finden sich bei traditionellen Konsumprodukten (bspw. bei Autos). Besonders von Bedeutung sind Wechselkosten allerdings in den TIME-Industrien, in denen eine Vielzahl konkurrierender Standards anzutreffen ist. So sind bspw. Kunden von Microsoft, welche das Betriebssystem Windows einsetzen, mit hohen Wechselkosten konfrontiert, wenn sie zu einem alternativen Betriebssystem wechseln wollen und damit inkompatible Anwendungsprogramme erneut erwerben müssen. Zudem sind Funktionalität und Bedienung ggf. erneut zu erlernen. Kunden eines Mobilfunkanbieters können bspw. die eigene Rufnummer bei einem Wechsel des Netzes (derzeit noch) nicht beibehalten und sind damit in gewissem Maße an diesen gebunden. Verschiedene Arten von Wechselkosten können identifiziert werden 1 : •
Suchkosten (Suchen des neuen Produktes)
•
Investitionskosten (Ersatz von Investitionsgütern für die Nutzung des neuen Produktes)
•
Lernkosten (Erlernen des neuen Produktes)
•
Künstliche Wechselkosten (bspw. durch Vertragsbindung)
•
Psychologische Wechselkosten (bspw. durch Gewohnheit)
Ist ein Kunde durch hohe Wechselkosten an einen Anbieter gebunden, so spricht man von einem „Lock-In-Effekt". Der Kunde wird den Anbieter beibehalten, wenn die entstehenden Wechselkosten nicht durch einen durch den Wechsel entstehenden Nutzen kompensiert werden.
V g l . KLEMPERER ( 1 9 8 7 ) , SHAPIRO/VARIAN ( 1 9 9 9 ) , S. 1 1 7 .
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Wechselkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten
Das Entstehen eines Lock-Ins wird in Abbildung 1 verdeutlicht. ©
Auswahl verschiedener Technologien hier: VHS vs. DVD Investitionen in eine Technologie („Sunk Costs") hier: Videorecorder
( 3 ) .J .ock-In" des Kunden durch hohe Wechselkosten („Switching Costs") hier: Abspielgeräte
Anbieter 2 Technologie 2
Abbildung 1:
Entstehung von Lock-In-Effekten
Im ersten Schritt muß der Konsument zwischen verschiedenen Technologien (hier: der Wiedergabe von Videos auf VHS bzw. DVD) wählen und daraufhin eine Investition in entsprechende Geräte tätigen. Durch diese Investition ist er schließlich an die gewählte Technologie gebunden und wird nur dem gewählten Standard entsprechende Medien (VHS-Kassetten bzw. DVDs) nutzen können. Ein Wechsel zur alternativen Technologie ist mit Kosten für ein alternatives Abspielgerät verbunden. Entscheidend ist bei der Betrachtung von Wechselkosten und Lock-In-Effekten somit, daß die Festlegung auf ein Produkt oder eine Technologie i. d. R. mit Investitionen verbunden ist, welche für die Nutzung von Alternativangeboten wertlos sind. Diese Investitionen haben somit den Charakter von „Sunk Costs" und hindern einen Kunden daran, den Anbieter zu wechseln. Die hier dargestellte Abhängigkeit zukünftiger Entscheidungen von Entscheidungen der Vergangenheit wird als Path-Dependence bezeichnet2. Trotz unsicherer Erwartung bzgl. zukünftiger Ereignisse wird der Pfad künftiger Nutzung einer Technologie oder eines Standards durch eine erste Festlegung vorbestimmt. Anschließend wird ein Verlassen dieses Pfades durch Wechselkosten ver- bzw. behindert. Die unterschiedlichen Arten von Wechselkosten können im Zeitablauf variieren. So sinken die mit einer Investition in eine bestimmte Technologie verbundenen Wechselkosten, wenn der Wert der Investition abnimmt, diese z. B. abgeschrieben wird3. Andererseits können Wechselkosten durch Investitionen in Komplementärprodukte, im Beispiel seien dies bespielte DVDs oder VHS-Kassetten4, im Zeitablauf ansteigen. Wechselkosten werden von Unternehmen bewußt als strategisches Instrument eingesetzt, um bestehende Kunden an das eigene Angebot zu binden. Im Gegenzug versuchen Konkurrenten 2
V g l . LIEBOWITZ/MARGOLIS ( 1 9 9 9 ) , S. 4 9 FF.
3
Beispielsweise sinken die Wechselkosten für Nutzer eines Fernsehgerätes mit zunehmendem Alter des vorhandenen Fernsehers. Ist dieses am Ende seiner Nutzungsdauer nahezu wertlos, sind die Investitionswechselkosten bei einem Wechsel zu einem anderen Hersteller marginal.
4
Ein weiteres klassisches Beispiel ist der Wechsel von Schallplatten zu Compact Disks, welcher aufgrund der bei Konsumenten vorhandenen Schallplattenbestände recht zögerlich stattfand.
Wechselkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten
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durch eine Kompensation entstehender Wechselkosten, Kunden von Wettbewerbern abzuwerben. Dies kann bspw. dadurch geschehen, daß notwendige Hardwareinvestitionen (z. B. in einen alternativen Decoder für digitales Fernsehen) durch kostenloses Zurverfugungstellen/ Leihen von Geräten vermieden werden. Im Spätsommer 2002 startete bspw. Apple Macintosh eine groß angelegte Werbekampagne zum „Switchen" von PCs zu Apple-Computern5, welches mit der Möglichkeit, PC-Programme auch auf Apple Macintosh Rechnern zu nutzen, schmackhaft gemacht wurde.
Aufgabe 1 Medienunternehmen stehen vor dem Entscheidungsproblem, mit ihrem Produktangebot einem Standard zu folgen oder proprietäre Lösungen zu entwickeln. Diskutieren Sie dieses Problem vor dem Hintergrund von Wechselkosten und Lock-In-Effekten bei eigenen Kunden und den Kunden von Wettbewerbern. Unter welchen Umständen kann die Adaption eines Standards aus Unternehmenssicht vorteilhaft sein?
Aufgabe 2 Video-on-Demand (VoD) bezeichnet ein neues Produktangebot auf dem Videomarkt, welches Videokonsumenten erlaubt, zu beliebiger Zeit (und u. U. von beliebigen Orten) auf ein Videoangebot zuzugreifen. Hierzu ist i. d. R. ein spezifisches Endgerät zum Anschluß an ein TV-Gerät sowie die Anbindung an einen Dienstanbieter notwendig. Beschreiben Sie die Wechselkosten, denen der Kunde einer herkömmlichen Videothek beim Wechsel zu einem Video-on-Demand-Angebot gegenüber steht. Gehen Sie dazu detailliert auf die beschriebenen fünf Elemente der Wechselkosten ein.
Aufgabe 3 Nach S H A P I R O / V A R I A N können Wechselkosten zur Bewertung der Kundenbasis von Unternehmen herangezogen werden, wenn diese in einem Umfeld mit perfektem Wettbewerb agieren6. Nehmen Sie kritisch Stellung zu dieser Hypothese, und gehen Sie insbesondere auf die hierbei notwendigerweise zugrundeliegenden Annahmen ein.
Vgl. http://www.apple.com/switch. 6
V g l . SHAPIRO/VARIAN ( 1 9 9 9 ) , S . 1 1 4 .
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Wechselkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten
Lösung Aufgabe 1 Unternehmen haben bei der strategischen Entscheidung, einen Standard oder eine proprietäre Lösung zu verfolgen, die Vor- und Nachteile einer Standardisierung abzuwägen. Ein konkretes Beispiel für die Nutzung von Standards bei Settop-Boxen für den Empfang von TVProgrammen findet sich beim Pay-TV-Sender Premiere, der sich Mitte der neunziger Jahre entschloß, seine Kunden mit einer proprietären Lösung namens d-box zu versorgen und nicht einem zuvor mit den öffentlich-rechtlichen Sendern vereinbarten Standard zu folgen7. Aus Sicht von Premiere scheint diese Entscheidung gegen einen allgemeinen Standard vorteilhaft gewesen zu sein. Im Gegenzug wurde von den öffentlich-rechtlichen Sendern als konkurrierender Standard die Mediabox entwickelt. Bietet ein Unternehmen seine Produkte auf Basis eines allgemeinen Standards an, so wird dem Kunden damit ein Wechsel zwischen verschiedenen Anbietern erleichtert. Eigene Kunden können leicht zu Wettbewerbern abwandern, aber auch Kunden des Wettbewerbes sind eher geneigt, zu eigenen Angeboten zu wechseln. Je nach individueller Marktposition eines Anbieters kann dieser Wechsel im Ergebnis somit positiv oder negativ sein. Vorteile einer Standardisierung - erleichterte Abwanderung von Kunden des Wettbewerbers Abbildung 2:
Vorteile einer proprietären Lösung - erschwerte Abwanderung von Kunden zum Wettbewerber
Vorteile von Standardisierung und proprietären Lösungen vor dem Hintergrund kundenseitiger Wechselkosten
Im Zusammenhang mit der Marktposition eines Anbieters sind zudem die Eigenschaften des Angebotes von Bedeutung, weil sie z. T. die Höhe der Wechselkosten bestimmen. Zu unterscheiden ist zwischen dem originären und derivativen Nutzen eines Gutes, dargestellt in Abbildung 3 in Anlehnung an BOROWICZ/SCHERM.
7
V g l . J O H A N N E S ( 1 9 9 9 ) , S . 3 0 f.
Wechselkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten
Singulärprodukt
Abbildung 3:
Automobil
Videorecorder
Originärer und derivativer Produktnutzen
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(reines) Netzwerkeffektprodukt (Telefon)
>
O
Originärer Nutzen entsteht durch die Eigenschaften des Produktes selbst, derivativer Nutzen entsteht durch Interaktion mit anderen Nutzern des Produktes. Im Falle ausschließlich vorhandenen derivativen Nutzens spricht man von Netzeffektprodukten. Diese haben, bis auf bspw. evtl. ästhetische Eigenschaften eines Telefons, keinen originären Nutzen. Bei Angeboten mit hohem derivativen Nutzen („Netznutzen") ist demzufolge die Größe der Nutzerbasis sehr entscheidend für die Höhe der Wechselkosten. Der Nutzer eines Telefons wird demnach nicht zu alternativen Kommunikationsangeboten wechseln, wenn dadurch seine Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen Personen eingeschränkt werden. Die strategische Entscheidung von Unternehmen zur Adaption eines Standards ist somit geleitet von der eigenen Marktposition und dem Ausmaß des Netznutzens seiner Produkte. Hat ein Unternehmen eine starke Marktposition, so birgt die Nutzung eines allgemeinen Standards die Gefahr, vorhandene Kunden an kleinere Wettbewerber zu verlieren, wogegen das Potential, Kunden von kleineren Wettbewerbern zu gewinnen, beschränkt ist. Demnach ist die Entscheidung von Premiere zur Nutzung einer proprietären Settop-Box vor dem Hintergrund seiner Marktposition verständlich. Für kleinere Anbieter ist dagegen die Adaption eines am Markt etablierten Standards sinnvoll, um Kunden von Wettbewerbern gewinnen zu könHandelt es sich beim angebotenen Produkt zudem um ein Netzeffektgut, so wird dieser Effekt noch verstärkt. Anbieter mit einer großen Kundenbasis sind aufgrund des hohen derivativen Nutzens sehr attraktiv für neue Kunden sowie Kunden kleinerer Wettbewerber.
Aufgabe 2 Als konkurrierende Angebote stehen sich gegenüber: •
traditionelles Angebot einer Videothek mit der Möglichkeit, VHS-Kassetten oder DVDs zeitbegrenzt auszuleihen und auf einem entsprechenden Endgerät zu nutzen
•
neues Angebot eines Video-on-Demand-Dienstes zum Konsum von Videoinhalten zu beliebigen Zeitpunkten-mit Hilfe eines speziellen Endgerätes Vgl. BOROWICZ/SCHERM (2001), S. 397.
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Wechselkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten
Konsumenten stehen demnach vor der Entscheidung, das bisher genutzte Angebot beizubehalten oder zum neuen Angebot zu wechseln. Die ihnen dabei entstehenden Wechselkosten sind folgendermaßen zu beschreiben. Suchkosten (Suchen des neuen Produktes) Der Anbieter des neuen Dienstes muß u. U. zunächst gefunden werden. Zudem sind - falls mehrere Anbieter am Markt auftreten - entsprechende Vergleiche anzustellen und der günstigste Anbieter zu ermitteln. Insbesondere im Vergleich zur bisher genutzten Videothek muß der Konsument sich Informationen zu entstehenden Kosten für den Konsum eines Videofilmes verschaffen. Insgesamt entsteht hier überwiegend zeitlicher Aufwand für die Sammlung notwendiger Informationen9. Investitionskosten (Ersatz von Investitionsgütern für die Nutzung des neuen Produktes) Videothekennutzer verfügen i. d. R. über ein entsprechendes Abspielgerät für VHS-Kassetten oder DVDs, zudem meist über eine Sammlung bespielter Medien, welche auf diesen Geräten genutzt werden können. Der Wechsel zu einem VoD-Angebot hat Investitionskosten für das zur Nutzung notwendige Empfangsgerät zur Folge. Sollen zudem nicht beide Systeme parallel genutzt werden (was im vorliegenden Fall allerdings naheliegend ist), so sind zudem Investitionen für den Ersatz der bereits vorhandenen bespielten Medien notwendig. Je nach VoDAngebot können diese in Form von einmaligen oder wiederkehrenden Gebühren für einzelne Videofilme auftreten. Lernkosten (Erlernen des neuen Produktes) Nutzer herkömmlicher Videotechnologien kennen sich mit den entsprechenden Geräten (VHS- bzw. DVD-Playern) aus und müssen die Benutzung des für VoD notwendigen Empfangsgerätes erlernen. Dazu gehören i. d. R. die Suche nach Filmen im Angebot des Dienstleisters sowie die Handhabung der Wiedergabefunktionen. Künstliche Wechselkosten (bspw. durch Vertragsbindung) Künstliche Wechselkosten können im vorliegenden Fall auftreten, wenn Konsumenten bspw. Abonnements bei Videotheken besitzen, durch welche ihnen in einem festgelegten Zeitraum bestimmte Kosten entstehen. Möchte ein Nutzer noch während der Laufzeit des Abonnements zu einem VoD-Dienst wechseln, so entstehen ihm trotz Nichtnutzung der Videothek weiterhin Kosten. Im Gegenzug werden auch VoD-Dienste i. d. R. zumindest teilweise in Form von Abonnements angeboten, so daß ein kurzfristiger Wechsel zurück zur Videothek künstlich erschwert wird. Psychologische Wechselkosten (bspw. durch Gewohnheit) Schließlich lassen sich auch psychologische Wechselkosten identifizieren. Videonutzer weisen oft ein Sammelbedürfhis auf, weshalb sie Videofilme auf VHS oder DVD zu besitzen wünschen. Der Wechsel zu einem VoD-Dienst hat zur Folge, daß abonnierte Filme nicht mehr physisch erworben und damit nicht mehr (in Form greifbarer Gegenstände) gesammelt werden können. Dieses psychologische Hemmnis trägt nicht unerheblich zu den Wechselkosten bei.
Die Betrachtung der Suchkosten kann noch auf Ebene des einzelnen Videofilmes vertieft werden. So könnte bspw. auch der Aufwand zum Auffinden eines Filmes, der bei VoD i. d. R. geringer sein dürfte, im Rahmen der Suchkosten diskutiert werden.
Wechselkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten
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Aufgabe 3 Zur Bewertung eines Kunden, der aus Unternehmenssicht als Investitionsobjekt verstanden werden kann, sind Verfahren der Investitionsrechnung geeignet. Als besonders fruchtbar erweist sich hierbei die Discounted Cash Flow-Methode, mit deren Hilfe der Wert einer Investition zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Basis zukünftiger Rückflüsse (Cash Flows) ermittelt wird. Künftige Cash Flows (CF) werden mit einem zugrundegelegten Zinssatz (Z) diskontiert und um Auszahlungsüberschüsse (AZ) vermindert. Dieser Wert repräsentiert den Wert der Investition zum aktuellen Zeitpunkt (Net Present Value, NPV). Erfolgt die Betrachtung zum Investitionszeitpunkt (T=0), gestaltet sich die Berechnung des NPV fiir einen Betrachtungszeitraum von n Perioden wie folgt: NPVo = CF 0 +CF 1 /(1+Z) + CF2/(1+Z)2 + ... + CF n /(l+Z) n - AZ 0
(1)
Da im vorliegenden Falle ein Kunde als Investitionsobjekt betrachtet wird, sind die Auszahlungsüberschüsse AZ 0 als Marketingaufwendungen zu interpretieren, welche allerdings für den zukünftigen Wert eines bereits bestehenden Kunden (wir berechnen die derzeitige Kundenbasis) nicht von Bedeutung sind, also den Charakter von Sunk Costs haben. Daher können Auszahlungsüberschüsse bei der Berechnung des NPV vernachlässigt werden. Sie haben keinen Einfluß auf den Wert der Kundenbasis eines Unternehmens. Die der Aussage von Shapiro/VARIAN zugrunde liegende Annahme ist, daß sich das zu betrachtende Unternehmen in einem Umfeld mit perfektem Wettbewerb befindet. Die Annahme perfekten Wettbewerbs beinhaltet, daß die Grenzerlöse eines jeden Unternehmens seinen Grenzkosten entsprechen, kein Unternehmen am Markt somit langfristig einen Gewinn erwirtschaftet. Kunden wechseln solange zum jeweils preisgünstigsten Anbieter (sie besitzen vollständige Informationen über Preise und Angebote), bis jeder Anbieter seinen Preis auf die Grenzkosten gesenkt hat. Die Zahl der Anbieter ist sehr groß, und jeder einzelne Anbieter hat nur einen marginalen Einfluß auf das gesamte Marktangebot. Weiterhin gehört zur Bedingung vollständiger Konkurrenz, daß alle Anbieter ein homogenes Gut anbieten, Konsumenten also keine Präferenzen für einen Anbieter aufweisen. Unter den getroffenen Annahmen sind die zukünftigen Cash Flows (CF) und somit der Net Present Value (KW) jedes Kunden bei vollständiger Konkurrenz gleich null. NPV 0 = CF 0 + CF,/(1+Z) + CF 2 /(1+Z) 2 + ... + CF n /(l+Z) n = 0
(2)
Werden nun Wechselkosten in die Betrachtung einbezogen, so beeinträchtigen diese die Möglichkeit der Kunden, zum jeweils preisgünstigsten Anbieter zu wechseln. Erst wenn der Preisunterschied zwischen aktuellem und preisgünstigstem Anbieter die Wechselkosten übersteigt, ist ein Wechsel vorteilhaft. Der aktuelle Anbieter kann daher einen Preis (P A ) realisieren, der den Preis (P G ) des günstigsten Anbieters um die entstehenden Wechselkosten (WK) übersteigt, ohne eine Abwanderung von Kunden zu riskieren. Pa=Pg+WK
(3)
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Wechselkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten
Unter der Annahme, daß der Kunde in der Zukunft mehrfach beim Anbieter kauft, verteilen sich die einmaligen Wechselkosten auf diese zukünftigen Einkäufe, d. h. bei n Einkäufen entfällt auf jeden Einkauf ein (diskontierter) Anteil WK/n der Wechselkosten. Die einem Kunden entstehenden Wechselkosten erhöhen die künftigen Cash Flows des Anbieters um diesen Anteil WK/n. Im Zeitpunkt T=0 entsprechen die diskontierten zukünftig realisierbaren Cash Flows demnach der Summe der aktuellen Wechselkosten des Kunden. Die Berechnung des NPV eines Kunden des Unternehmens gestaltet sich wie folgt. NPV 0 =
[CF 0 + WK/n] + [CF,/(1+Z) + WK/n] + [CF2/(1+Z)2 + WK/n] + ... + [CFn/( 1 +Z)n + WK/n] = WK
(4)
Entsprechend der Aussage von SHAPIRO/VARIAN entspricht die Summe der NPV sämtlicher Kunden (d. h. der Wert der Kundenbasis) somit der Summe der Wechselkosten. Unter den getroffenen Annahmen ist die Hypothese von SHAPIRO/VARIAN in Bezug auf Medienunternehmen durchaus plausibel. Medienunternehmen agieren (speziell im Internet) auf Märkten mit nahezu vollständiger Konkurrenz, auf denen Kunden leicht Informationen zu Preisen und Angeboten alternativer Anbieter einholen können. Die angebotenen Produkte sind vergleichsweise homogen, ein Anbieterwechsel ist bei nicht vorhandenen Wechselkosten recht unproblematisch. Kritisch anzumerken ist allerdings, daß die getroffenen Annahmen auch für Medienunternehmen äußerst restriktiv sind und geringe Praxisrelevanz aufweisen. Zudem gestaltet sich die hier recht simpel dargestellte Berechnung tatsächlich weit aufwendiger, wenn die realistische Annahme getroffen wird, daß die Wechselkosten einzelner Kunden individuell verschieden sind. Ferner ist zwar der Wert der Kundenbasis theoretisch ermittelbar, die tatsächliche Höhe der Wechselkosten und somit der reale Wert eines Kunden sind allerdings praktisch kaum zu bestimmen.
Wechsclkosten und Lock-In-Effekte bei Medienprodukten
93
Quellenverzeichnis BOROWICZ, F./SCHERM, E. (2001): Standardisierungsstrategien: Eine erweiterte Betrachtung des Wettbewerbs auf Netzeffektmärkten, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 53 (2001), S. 391-416. JOHANNES, H. (1999): Standardisierungsanreize bei technischen Systemen - eine wirtschaftstheoretische Analyse am Beispiel des digitalen Femsehmarktes, Diss., Siegen 1999. KLEMPERER, P. (1987): „The Competitiveness of Markets with Switching Costs", Rand Journal of Economics, 18, 1987, S. 138-150. LIEBOWITZ, S. J./MARGOLIS, S. E. (1999): Winners, Losers and Microsoft - Competition and Antitrust in High Technology, Oakland 1999. SHAPIRO, C./VARIAN, H. R. (1998): Information Rules - a strategic guide to the network economy, Boston 1998.
Kulturspezifische Personalfuhrung in internationalen Medienunternehmungen: Fallbeispiel Bertelsmann China
BERND EGGERS
FRIEDEL AHLERS
AXEL LIPPOLD
[email protected]
[email protected]
lippold@m2 .uni-hanno ver.de
EGGERS & PARTNER
UNIVERSITÄT
UNIVERSITÄT
STRATEGIEBERATUNG
HANNOVER
HANNOVER
Einleitung Das sozialökonomische Umfeld der Medienunternehmungen hat sich in den letzten Jahren entscheidend verändert. Durch technologische Innovationen, Deregulierung der Märkte und Globalisierungstendenzen entsteht eine Konvergenzentwicklung der Medien-, Telekommunikations- und Informationstechnologiemärkte, die den Eintritt neuer Marktteilnehmer und zunehmende Allianz- und Fusionsbestrebungen auf internationaler Ebene zur Folge hat.1 Aus den veränderten Marktstrukturen resultiert ein erhöhter Wettbewerbs- und Veränderungsdruck. Um langfristig gewinnbringend in der Medienlandschaft zu agieren, scheint eine Konzentration auf kritische Erfolgsfaktoren von essentieller Bedeutung. Eine Reflexion der gegenwärtigen in der Medienbetriebslehre als erfolgskritisch angesehenen Determinanten innerhalb eines von zunehmender Umweltdynamik geprägten Wettbewerbsumfeldes rückt die Humanressource in den Betrachtungsfokus. Die effiziente und effektive Führung des Humankapitals ist eine zentrale Herausforderung für Medienunternehmungen, da menschliche Arbeit den entscheidenden Wertschöpfungsfaktor in der Medienindustrie darstellt.2 Insbesondere im internationalen Kontext ist die Personalführung in komplexe Umweltbedingungen eingebettet. Das hier fokussierte Zielland China hat seit den letzten zwei Jahrzehnten einen starken wirtschaftspolitischen und sozio-kulturellen Wandel erfahren. Mit der Initiierung der „Four Modernization" und der „Open-door-policy" durch D E N G X I A O P I N G im Jahr 1978 begann sich China politisch-strategisch gegenüber fremden Investitionen zu öffnen und entwickelte durch inkrementalen Wandel eine „... socialist market economy with Chinese characteristics." 3 Es ist zu konstatieren, daß sich China durch Dezentralisierung von Planung und Entscheidung, durch die Einführung von individuellen Verantwortungssystemen und durch die Förderung von privaten und ausländischen Unternehmungen von der Planwirtschaft 1
V g l . WlRTZ ( 2 0 0 0 ) , S. 3 6 .
2
V g l . SCHUMANN/HESS ( 2 0 0 0 ) , S. 7 4 , HESS/BÖNING-SPOHR ( 2 0 0 0 ) , S. 3 1 0 s o w i e DETERS ( 2 0 0 0 ) , S. 9 3 .
3
DING/GOODALLAVARNER ( 2 0 0 0 ) , S . 2 1 7 .
Handlungskonzeption Leistungsprinzip, Hierarchieabbau professionelle FK-MA- Beziehung
cheidung
- Ausgestaltung des Führungsprozesses
ialten
- Führungsinstrumente
[nationalen Medienunternehmungen
unternehmensspezifisches Handeln & Verhalten, Rituale
- Führungsstile Führungskultur »flicht, Personenfokus lalismus, Harmonie
lormen
Aussagen über die Beeinflussung der Determinanten des Mitarbeiterverhaltens
Geschwindigkeit, Sachfokus, Risikofreude
Werte & Normen
-Motive -Anreize
Individ ualitäit/Selbstverwirklichung Leislunft /
-Erwartungen Führungsphilosophie
Normative Positionierung
Aussagen über Wertannahmen und Grund Orientierung gter Kollektivismus
s China als Rahmenfaktor:
-Inhaltliche Ideen
Wandlungsfähigkeit, Lernfähigkeit
-Leitbilder
Kultur
>ie aktive Unterstützung dieser wermitgliedern in ausländischen Unter[ualifizierung als unmittelbares ver-
-Ziele, Zwecke
Nationale Kultur Tendenziell Menschenbild Y „complex man"
distara
Menschenbild
;ene Gesellschaft dar und repräsenus unterschiedlichen Subkulturen.4 sammenfassen, die einen identitäts>ie nachfolgende Abbildung (Abb. 1) Werte chinesischer und westlicher
Kulturkreise in übersichtsartiger Form gegenüber. Ethische Prinzipien und gesellschaftliche Werte China
West
Gruppenorientierung: Individualpflichten zuerst
Individualorientierung: Individualrechte zuerst
Hierarchie, Status, Senioritätsprinzip
Gleichberechtigung, Team, Wissen
Moral ist Basis für Bewertung des Handelns; Mittel: sittliche Gebote
Mittel: Gesetze
Recht ist Basis für Bewertung des Handelns;
Harmonie, „Gesicht": Vermeidung offener Konflikte, gesellschaftliche Rolle erfüllen und anerkennen
Konflikt, Wahrheit, Offenheit
Zeit relativ und langsam, zyklisch
Zeit absolut und schnell, linear
Starke in-/out-Group-Unterscheidung
Gebot sich jedem gegenüber gleich verhalten; Gruppe offen halten
Personenfokus - persönliche Beziehungen vor Lei-
Sachfokus - Leistung vor Beziehung
stung (Guanxi) High-Context Kommunikation: Indirekt, nonverbal
A bbildung 1:
Low-Context Kommunikation: Direkt, verbal
Ethische Prinzipien und gesellschaftliche Werte5
Es ist festzuhalten, daß innerhalb der chinesischen Landeskultur der Konfuzianismus, Kommunismus und der „Dritte Welt"-Status als führungsrelevante Einflußfaktoren wirken, deren fuhrungsspezifische Konsequenzen im Folgenden anhand der Dimensionen Entscheidungsund Beziehungsqualität dargestellt werden. Femer werden Aussagen über chinesische Bedürfnisse und Motive getroffen.
Neben den 55 in China lebenden nationalen Minoritäten setzt sich das „Reich der Mitte" historisch bedingt aus unterschiedlichen Stämmen zusammen, die jeweils durch Werte, Rituale und Symbole eine eigene Subkultur prägen. Für einen Chinesen ist es daher „abstrus", sich einen „Durchschnittschinesen" vorzustellen (vgl. KUHN/ NING/SHI (2001), S. 318). In Anlehnung an STAUFENBIEL (1998), S. 81.
Kulturspezifische Personalführung in internationalen Medienunternehmungen
97
Der Konfiizianismus stellt Beziehungsregeln basierend auf dem Subordinationsprinzip auf, die in einer strengen hierarchischen und patriarchalischen Familien- und Gesellschaftsordnung mündet und sich innerhalb der Unternehmungen fortsetzt.6 In Analogie zur Familie nimmt die Führungskraft in der Unternehmung eine Vater- und Lehrerrolle ein und fuhrt traditionell nach einen patriarchalisch-maternalistischen Führungsstil. Die Entscheidungsqualität ist somit durch einen hohen Grad an Machtdistanz geprägt, der dazu führt, daß weder hierarchische Strukturen noch Befehle der Führungskraft in Frage gestellt werden. In der Gegenseitigkeitsbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist der Vorgesetzte zwar ermächtigt Befehle zu erteilen, aber andererseits verpflichtet Fürsorge für seine loyalen Mitarbeiter zu tragen. Die Beziehungsqualität charakterisiert sich von daher durch eine intensive soziale Komponente, die auch strukturell durch den „iron rice-bowl"- und „cradle-to-grave"Ansatz unterstützt wird (respektive wurde).7 Gefordert durch den Zentralismus der kommunistischen Planwirtschaft verminderte sich nachdrücklich die Verteilung und Zuordnung von Aufgaben, Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse auf das mittlere Management sowie auf darunter stehenden Organisationsmitglieder. Die Übernahme betrieblicher Verantwortlichkeit ist dementsprechend niedrig ausgeprägt und wird zumeist nicht explizit von den Organisationsmitgliedern gefordert.8 Es ist somit ein geringes mitunternehmerisches Denken und Handeln („entrepreneurial spirit") festzuhalten, das sich bedingt durch die kommunistische Wirtschaftspolitik entwickelte und nicht in den tiefergreifenden konfuzianischen Werten verankert ist. Als Beispiel für derzeitige chinesische Unternehmer, deren Denken und Handeln sich an dem konfuzianischen Wertesystem orientiert aber nicht dem kommunistischen System ausgesetzt sind, lassen sich die erfolgreichen chinesischen Unternehmungsdirektoren Südostasiens anführen (Bilanzsumme 1995: 539 Mrd. U.S. Dollar).9 Dabei scheint ein Rückschluß auf den „westlichen Mitunternehmer" verfrüht, da in der kollektivistischen Kultur Chinas ein starkes Gruppendenken dominiert und von daher chinesische Mitunternehmer Entscheidungen bevorzugt im Kollektiv treffen. Die sich im Entwicklungsstadium befindende volkswirtschaftliche Gesamtsituation Chinas begründet ein allgemein niedriges Ausbildungsniveau und ein intensives Karrieredenken. So erklärt sich die Priorisierung des Einkommens und der Positionsmacht gegenüber der zunehmend an Bedeutung gewinnenden Sinnstiftung der Arbeit. Bei einer Klassifizierung der Motivatoren chinesischer Arbeitnehmer zeigte eine empirische Analyse eine eindeutige Dominanz materieller Werte, gefolgt von den moderat bis niedrig eingestuften sozialen und intrinsischen Faktoren.10 Die Allgemeingültigkeit dieser Studie ist allerdings in Frage zu stellen, da
Das Über- und Unterordnungsdenken bestimmt bis heute nicht nur das familiäre und öffentliche Leben, sondern auch die Zusammenarbeit in Unternehmungen, die sich in feingegliederte Hierarchien strukturieren (vgl. REXER ( 1 9 9 9 ) , S . 114, PEILL-SCHÖLLER ( 1 9 9 4 ) , S . 1 3 4 f., L u / C H I L D ( 1 9 9 6 ) , S . 6 3 s o w i e THOMAS/SCHENK ( 2 0 0 1 ) , S. 5 2 ) . 7
Der „iron rice-bowl"-Ansatz (tie fan wan) garantierte Mitarbeitern staatlicher und kollektiver Unternehmungen einen lebenslangen Arbeitsplatz und der „cradle to grave"-Ansatz die Firmenbetreuung von Geburt bis zum Tod ( v g l . WARNER ( 1 9 9 3 ) , S. 4 5 0 -
8
V g l . WARNER ( 1 9 9 3 ) , S. 5 0 , LAAKSON ( 1 9 8 8 ) , S. 3 0 0 f., WANG/HELLER ( 1 9 9 3 ) , S. 113 f. s o w i e FISHER/YUAN
(1998), S. 521. „Everyone wants to run things but doesn't want the responsibility" (LOCKETT (1988), S. 478). 9
V g l . WEIDENBAUM ( 1 9 9 7 ) , S. 37 f.
10
Vgl. FISHER/YUAN (1998), S. 526. Der Beruf stellt keine Quelle der individuellen Selbstverwirklichung dar, sondern er wird aus einer instrumentellen Sicht betrachtet. Harnisch ermittelte in Managementschulungen für chinesische Führungskräfte, daß 13% „Autonomie und Selbständigkeit" und 10%, „unternehmerische Kreativität" als berufliches Ziel angaben (vgl. HARNISCH (2000a), S. 64).
98
Kulturspezifische Personalfiihrung in internationalen Medienunternehmungen
insbesondere bei jungen, qualifizierten Mitarbeitern, die vornehmlich in der Medienindustrie vertreten sind, demokratische Werte zunehmend an Bedeutung gewinnen. Insofern stellt die Implementierung von Führungsmodellen, die diesen kulturell vorgeprägten Ausgangsbedingungen nicht oder nur ansatzweise entsprechen, hohe Anforderungen an die involvierten Führungskräfte in internationalen Medienunternehmungen. Unternehmungskultur: Konträre Werte und Normen der „unsichtbaren Führungskraft" Den kulturellen Gegenpol zur chinesischen Landeskultur bilden die Unternehmungskulturen internationaler Medienunternehmungen, die auf einem demokratischen, meist westlich geprägten Wertesystem basieren.11 Das zu eruierende Konfliktpotential bildet die nachfolgende Abbildung (Abb. 2) ab, indem Führung in einem oszillierende Spannungsfeld dargestellt wird, das sich bedingt durch divergierender Landes- und Unternehmungskultur aufspannt. Die Ausprägungen der Kulturdimensionen von westlichen Landeskulturen lassen sich durch einen moderaten Grad an Machtdistanz und Individualismus charakterisieren.12 Diese soziokulturelle Faktoren determinieren nachhaltig die Führungseinstellungen und -erwartungen, die sich in niedriger Autoritätsakzeptanz und hoher Partizipationserwartung im Entscheidungsprozeß widerspiegeln13 und damit im Kontrast zu der chinesischen Führungstradition stehen. Auch das Streben nach individueller Selbstverwirklichung stellt ein Idealziel westlicher Werte dar14 und steht damit ex aequo im Gegensatz zum chinesischen Bedürfnis der Selbstverwirklichung im Dienste der Gesellschaft.15
Im Rahmen dieses Artikels werden in internationalen Medienunternehmungen westlich geprägte Unternehmungskulturen subsumiert, da unter den 35 größten internationalen Medienunternehmungen sich nur zwei asiatische Unternehmungen befinden (vgl. HACHMEISTER/RAGER (2000), S. 23) 12
V g l . TROMPENAARS/HAMPDEN-TURNER ( 2 0 0 1 ), S. 5 1 f . s o w i e HOFSTEDE ( 2 0 0 1 ), S . 4 4 .
13
V g l . KELLER ( 1 9 9 5 ) , S p . 1 4 0 0 .
14
Vgl. WEINERT (1998), S. 145. Insbesondere Medienunternehmungen akzentuieren Individualität (vgl. SCHUSSER ( 1 9 9 8 ) , S. 5 9 8 ) .
15
Vgl. NEVIS (1983), S. 249 sowie PEILL-SCHOELLER (1994), S. 192. Selbstverwirklichung ist in der chinesischen Kultur ein moralisches „Muß" und würde bei Versagen unweigerlich zu Schande und einem Gesichtsverlust führen. Dabei nimmt die Verwirklichung familiärer Bedürfnisse und Wünsche eine weitaus stärkere motivierende Wirkung ein als individuelle Selbstverwirklichung (vgl. SACRA (1997), S. 220 sowie HARNISCH (2000b), S. 63 f.).
Kulturspezifische Personalfìihrung in internationalen Medienunternehmungen
Landeskultur
Führungskonzept
/ Guanxi (pers. Beziehungen) Gesichtswahrung, Harmonieprinzip
Praktiken /
/ /
- Ausgestaltung des Führungsprozesses - Führungsinstrumente
Gesell. Handeln & Verhalten Rituale
Unternehmenskultur
Situative Faktoren Führungsmodell
Handlungskonzeption
ln-/Out-Group Unterscheidung Seniori tatsprinzip
- Führungsstile
99
NJ
/
/
1 / Selbständiges Handeln, " / s c h n e l l e und direkte Kommunikation
C
Praktiken
Leistungsprinzip, Hierarchieabbau / professionelle FK-MA-Beziehung/
/
^ ^
fß'
/
unternehmensspezifisches Handeln & Verhalten, Rituale
Führungskultur Individualpflicht, Personenfokus Traditionalismus, Harmonie
Werte & Normen
Aussagen Über die Beeinflussung der Determinanten des M itarbeiterverhal tens -Motive -Anreize
Hierarchie, Status, Seniorität
-Erwartungen Führungsphilosophie
Normative Positionierung
Geschwindigkeit, Sachfokus, Risikofreude
Werte & Normen Individualität/Selbstverwirklichung Leistung / Normative Positionierung
Aussagen über Wertannahmen und Grundorientierung Ausgeprägter Kollektivismus
-Inhaltliche Ideen -Leitbilder
Nationale Kultur
-Ziele, Zwecke
Nationale Kultur Tendenziell Menschenbild Y „complex man"
Hoher Grad an Machtdistanz Machtdistanz
Abbildung 2:
Wandlungsfähigkeit, Lernfähigkeit
Menschenbild
Führung in internationalen Medienunternehmungen in China: Im Spannungsfeld zwischen Landes- und Unternehmungskultur
Insbesondere die medienspezifische Unternehmungskultur und Werte (in Medienunternehmungen dominieren ausgeprägte Individualität, Risikofreude und Tempo) 16 divergieren von der chinesischen Landeskultur. Sie legen differierende Schwerpunkte in bezug auf Entscheidungs- und Beziehungsqualität als es der chinesischen Landeskultur immanent ist. Entscheidungen werden auf mittlere und untere Managementebenen delegiert und von diesen auch gefordert. Zudem beschränkt sich die Beziehungsqualität zwischen Führer und Geführten zumeist auf eine professionelle Ebene und grenzt persönliche Beziehungen, die für Chinesen eine zentrale Bedeutung haben, weitgehend aus.17
Fallstudie Bertelsmann Direct Group China Um für die Bertelsmann Direct Group China (BDGC) ein Führungskonzept zu entwickeln, ist es notwendig die Unternehmung in den Mutterkonzern Bertelsmann AG einzuordnen. Aus diesem Grund werden die Werte und Normen sowie Strategie und Struktur der Bertelsmann AG vorgestellt.
16
V g l . SCHUSSER ( 1 9 9 8 ) , S.
17
Vgl. TROMPENAARS/HAMPDEN-TURNER (2001), S. 70. Die Autoren identifizieren in westlichen Ländern eine relativ strikte Trennung zwischen privater und persönlicher Beziehung zum Vorgesetzten, während in China eine starke persönliche Bindung identifiziert wurde.
598.
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Kulturspezifische Personalfuhrung in internationalen Medienunternehmungen
Ursprünglich geprägt von dem „Rebuilder" R E I N H A R D MOHN 18 haben die von ihm entwickelten Unternehmungswerte und das Leitbild bis heute Gültigkeit: Dezentrale Organisation, Delegation von Verantwortung, Freiraum für den kreativen Mitarbeiter und eine vorbildliche innerbetriebliche Sozialordnung - das „soziale Modell Bertelsmann". In der kontinuierlichen Fortschreibung dieser Werte und Normen blieben die Kernelemente Partnerschaft in der Unternehmung, Führung aus der Mitte, Verantwortung gegenüber der Gesellschaft sowie die Förderung und Forderung von Unternehmertum erhalten. Die konsequente und stringente Übertragung der Werte und Normen der Unternehmungskultur spiegeln auch die Unternehmungsstrategie und -Organisation wider. Im Rahmen der Grund- und Wettbewerbsstrategien charakterisieren sich die von der Bertelsmann AG verfolgten Strategien durch Differenzierung, innovatives Verhalten und externes Wachstum.19 Als „... die weltweit internationalste Medienunternehmung"20 verfolgt die Bertelsmann AG eindeutig eine multinationale Strategie und realisiert auf den ausländischen Medienmärkten ihren Grundsatz „think global, act local". Innerhalb der Geschäftsfelder der Bertelsmann AG operieren über 300 am Markt selbständige Profit-Center, „... die aufgrund ihrer Struktur - 50% haben weniger als 100 Mitarbeiter - mit einem Höchstmaß an individuellen Entscheidungsfreiräumen agieren können."21 Diese Unternehmungsstruktur spiegelt die organisatorisch „verankerten" Unternehmungswerte wider, die konkludent auf eine delegative Ausrichtung der Führung schließen lassen.
Strukturelle Führungselemente als „Substitutes for Leadership" Die strategische Führung vereinigt die auf Werteentscheidungen basierenden Zielsetzungen zu einer konsistenten Führungspolitik mit den dafür geeigneten Führungsinstrumenten.22 Die zentralen Bestandteile der Führungskultur der BDGC - der fuhrungsphilosophische normative Überbau - stellen die folgenden drei handlungsleitenden Elemente dar: •
Verantwortungsprinzip
•
Entscheidungsfähigkeit (keine Rückdelegation)
•
Leistungsprinzip (kein Senioritätsprinzip)
Vor dem Hintergrund der akzentuierten Führungswerte strebt die Führungsstrategie der BDGC eine kooperative bis delegative Führung als Rahmenkonzept an und setzt dazu adäquate strategische Führungsinstrumente ein. Dabei zeigen sich Verbesserungspotentiale in der Mitarbeiterkooperation und Aufgabendelegation des mittleren und unteren Managements ab, wobei eine bilaterale Ursachenproblematik vorliegt. Diese ist einerseits in den moderaten Delegationsfahigkeiten der betreffenden Führungskräfte und andererseits in den unzulänglichen Reifegrad der Mitarbeiter zu verorten.
18
19
REINHARD MOHN (geb. 1921) baut den Verlag nach dem Krieg wieder auf. Unter seiner Führung entwickelt sich Bertelsmann von einem mittelständischen Druck- und Verlagshaus zu einem der fuhrenden Medienunternehmen der Welt (vgl. http://www.bertelsmann.de/bag/history/chronicle/chroniclel.cfm). Vgl. SJURTS (2000), S. 10.
20
MIDDELHOFF (2002), http://www.bertelsmann.de/bag/profile/profile.cfm. 21
LUTHER (1999), S. 153.
22
Vgl. WUNDERER (2001), S. 6.
Kulturspezifische Personalführung in internationalen Medienunternehmungen
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Mit dem anhaltenden intensiven Wachstum der BDGC durchlief die Medienunternehmung unterschiedliche, organisatorische Entwicklungsphasen. Nach substantiellen Änderungen ist sie in eine Delegationsphase eingetreten. Demzufolge wurden den Manager der mittleren Managementebene zunehmend Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungsbereiche übertragen, da sie einerseits über mehr Marktnähe respektive Nähe zur Wertschöpfung verfugen und andererseits um die wachstumsbedingte Komplexität zu bewältigen. Dysfunktional agierende Manager verließen die Unternehmung. Diese Delegation von Aufgaben-, Kompetenzund Verantwortungsbereichen führte zu einer Veränderung der Organisationsstruktur, die sich in der Gründung neuer selbständig am Markt agierenden Profit-Center widerspiegelt. Die Etablierung der Profit-Center erzeugt eine intensivere Identifikation, Motivation und Bindung der Manager an die Unternehmung. Die Profit-Center-Leiter verfugen über ein hohes Maß an Autonomie und betrachten dabei Entscheidungen aus der Top-Managementperspektive. Die Steuerung der autonomen Bereichsmanager erfolgt partiell über ein Berichtswesen an den General Manager der BDGC, während umfassende Koordinationssysteme und Controllingspezialisten im Aufbau sind. Die hohe Verantwortungsübertragung auf die Bereichsmanager verleitet zu einem „Profit-Center- (bzw. Sparten-) -egoismus", der den eigenen Aufgabenund Verantwortungsbereich in den Betrachtungsfokus stellt und andere Interessen vernachlässigt. Daher stellt die Kommunikation zwischen den einzelnen Profit-Centern eine zentrale Herausforderung für die BDGC dar.
Unternehmungskultur als „Leitplanke" der Personalführung Die Unternehmungskultur nimmt, unter Führungsgesichtspunkten betrachtet, eine Rolle als „unsichtbare Führungskraft" ein, die indirekt und werteorientiert das Verhalten der Organisationsmitglieder beeinflußt. Die Soll-Kultur der BDGC basiert auf den zugrunde liegenden Werten der Bertelsmann Unternehmungsphilosophie. Die Nähe der Soll-Kultur zu den Unternehmungsgrundsätzen der Bertelsmann AG („Bertelsmann Essentials": respect for the individual, persuit of excellence, costumer focus, entrepreneurial spirit, partnership) reflektieren die schriftlich fixierten Werte des Bertelsmann Book Club sowie die der BOL China durch Akzentuierung von (u. a.) Partnerschaft, Respekt für das Individuum, Delegation, Unternehmertum und Kundenorientierung. Es ist somit zu konstatieren, daß die angestrebte Unternehmungskultur von der Landeskultur divergiert, da die westlichen Werte, die den Individualismus und Machtabbau beinhalten, in Kontrast zur Ausprägung der chinesischen Kulturdimensionen stehen, wie es im theoretischen Teil dargestellt wurde. Zwar werden die Unternehmungswerte in der Unternehmung visualisiert, jedoch wurde deren Verständlichkeit bemängelt. Ein chinesischer, mittlerer Manager hielt die Werte zwar für „... very important", konnte aber bis auf,,... decentralization ..."keine weiteren Angaben machen. Das Ziel der Führungskultur ist es, die definierten Werte der Führungsphilosophie in die Unternehmung zu internalisieren und so eine effiziente Führungskultur unter Berücksichtigung der chinesischen Kultur zu entwickeln. Jedoch finden die akzentuierten Führungswerte, die den Ansatzpunkt zur Führungseffizienz darstellen, keine explizite Erwähnung in den Unternehmungswerten. Ihr Durchdringungsgrad beläuft sich zur Zeit - nach Einschätzung des General Managers der BDGC - differenziert nach Hierarchieebenen auf: Oberes Management 90-100%; Mittleres Management: 50-60%; Unteres Management: 20-30% und Mitarbeiter: 10-15%.
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Die Internalisierung wird zwar durch die Organisationsstruktur forciert, jedoch existieren keine normativen, schriftlich fixierte Führungsgrundsätze. In diesen Zusammenhang wurden Forderungen nach Orientierungsinstrumenten für Führungskräfte mittlerer und unterer Managementebenen eingebracht. Interaktionelle Führung: Identifizierung der Führungsdimensionen Entscheidungs- und Beziehungsqualität Die interaktioneile Führung übt über direkte, situative und (meist) individualisierte Kommunikation Einfluß auf Mitarbeiter aus und dient der Umsetzung struktureller Führung sowie der Feinsteuerung von Verhaltensweisen. Bei der folgenden empirischen Reflexion wird in zwei Dimensionen differenziert, wobei zunächst die Eruierung der Machtdimension der Führung erfolgt, der sich die prosoziale Dimension der Führung anschließt. Die befragten oberen Führungskräfte proklamierten einen delegativen, leistungsorientierten Führungsstil anzustreben und Entscheidungen auf mittlere Führungsebene zu delegieren. Bei zentralen Entscheidungen wird der Präsident der BDGC in einer beratenden Funktion tätig, indem er sein Standpunkt sowie Handlungsvorschläge darlegt. Die Entscheidungsqualität im oberen Managementlevel läßt sich somit als selbststeuernd mit konsultativer Beziehung zum Präsidenten der BDGC beschreiben. Die mittlere Managementebene weist nach Angaben der oberen Manager Verbesserungspotentiale in der Entscheidungsdelegation auf. Als Begründung wurde eine moderate Delegationsbereitschaft und eine eingeschränkte Delegationsfahigkeiten der Manager sowie ungenügende Kenntnisse über das Potential delegativer Führung konstatiert. Die Konsequenz ist eine Überlastung der Manager auf der mittleren Ebene, die von diesen auch bestätigt wurde. Bezüglich der Partizipation am Entscheidungsprozeß identifizierten mehrfach Interviewpartner die enge Verknüpfung zwischen Aufgaben und Personen, das Harmonieprinzip sowie den hohen Respekt vor dem Vorgesetzten als kulturbedingte Problembereiche. Aus Achtung oder Angst, die Aufgabe der Führungskraft und damit die Person selbst zu kritisieren, tragen Mitarbeiter kaum eigene Ideen, Verbesserungsvorschläge oder Alternativen vor. Die Folge einer entgegengesetzten Vorgehensweise wäre ein Gesichtsverlust und die Verletzung der Harmonie. Somit wird die Teilhabe von Mitarbeitern am Entscheidungsprozeß aus Sicht der Führungskraft erschwert. Eine Antizipierung der Problematik wurde als notwendig dargestellt, da sie sonst zur Demotivation, Frustration und innerer Kündigung der Mitarbeiter fuhrt, bis es schließlich, wie in einem Fall dokumentiert, zum Verlassen der Unternehmung kommt. Im Rahmen der moderaten Partizipation der Mitarbeiter am Entscheidungsprozeß stellten die Interviewpartner eine Effizienzsteigerung bei Sitzungen fest. Während bei Managermeetings von zu steigender Vorbereitung berichtet wurde, sind bei Vorgesetzter-Mitarbeiter-Besprechungen nicht hinreichend zielfuhrende Beiträge zu dokumentieren. Die eruierte Beziehungsqualität weist der theoretischen Prognose entsprechend eine hohe Qualität zwischen Führungskraft und Mitarbeiter auf. Die interviewten Manager gaben an, ein freundschaftliches Verhältnis zu den Mitarbeitern zu haben, respektive aufzubauen. Eine ausgiebige Präsenz der Führungskräfte (durch Management by Walking around) wurde als Maßnahme zum Distanzabbau im betrieblichen Alltag genannt. Bezüglich der privaten Aktivitäten ist eine regelmäßige, gemeinsame Gestaltung von Freizeitaktivitäten zu konstatieren, die keinen direkten betriebswirtschaftlichen Bezug aufweisen. Die Aktivitäten im sozialen
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Bereich erfreuen sich starker Beliebtheit und werden von den Mitarbeitern mit hoher Teilnahmefrequenz wahrgenommen. Diverse Führungskräfte betonten neben der freundschaftlichen Atmosphäre den hohen Leistungsdruck, den sie innerhalb der bilateralen Beziehung auf die Mitarbeiter ausüben. Besonders in harmonischen Teams beschrieben die Manager das „Zusammenarbeiten als Familie, in der offen diskutiert wird." Die dokumentierte Harmonie zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter wird jedoch von einer „Scheinharmonie" begleitet. Diese entsteht dadurch, daß die Führungskräfte ein Mitarbeiterfehlverhalten beobachten und keine Sanktionsmaßnahmen ankündigen oder durchfuhren, um die „Harmonie" nicht zu stören. Der weiterführende Prozeß, der in der plötzlichen Freisetzung des Mitarbeiter endet, veranschaulicht die nachfolgende Abbildung (Abb. 3).
Angst klare Zeichen zu setzen
Vermei-dung des öffentlichen Konflikts
„Heimlicher" Verantwortungsentzug
Isolation des Mitarbeiters; innere Kündigung
Plötzliche Freisetzung
„Schleichende" Harmonie
Abbildung 3:
Prozeßablauf der Scheinharmonie
Aufgabe 1 Beschreiben Sie einen allgemeinen Führungsansatz wie sich - ausgehend von der beschriebenen Führungssituation in China - die vom Medienmarkt geforderten Personalführungsbedingungen realisieren lassen. An welchen Steuergrößen sollte sich die Führung ausrichten?
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Kulturspezifische Personalfiihrung in internationalen Medienunternehmungen
Aufgabe 2 Schriftlich fixierte Führungsgrundsätze sind als ein „... strategisches Instrument der strukturellen Führung zu verstehen".23 Ordnen Sie Führungsgrundsätze graphisch in das Führungskonzept (Führungsphilosophie, -kultur sowie Führungsmodell, situative Faktoren und Implementation; siehe Abb. 2) ein. Veranschaulichen Sie dann den Einfluß der Unternehmungsphilosophie (mit den Bestandteilen Unternehmungsgrundsätze, -ziele und -leitbild) und der Unternehmungskultur auf die Führungsgrundsätze. Wie könnte eine derartige Struktur für die Bertelsmann Direct Group China aussehen?
Aufgabe 3 a)
Formulieren Sie Führungsgrundsätze für die BDGC vor dem Hintergrund derer Führungsphilosophie und den kulturellen chinesischen Einflußgrößen. Begründen Sie Ihr Vorgehen.
b)
Skizzieren Sie funktionale Einsatzbereiche für die von Ihnen entwickelten Führungsgrundsätze.
c)
Erarbeiten Sie Vorschläge zu Implementierung.
Aufgabe 4 Wie sollte eine Zielformulierung zwischen chinesischen Mitarbeitern und Führungskraft gestaltet sein? Bitte stellen Sie dar, welche situativen Variablen Sie mit einbeziehen und welche Zielsetzung Sie für dieses Führungsinstrument ansetzen.
Aufgabe 5 a)
Beschreiben Sie wie das materielle Entlohnungssystem für die BDGC aufgebaut sein sollte, um die Führungsphilosophie kulturadäquat zu implementieren.
b)
Gestalten Sie ein immaterielles Anreizsystem für die BDGC unter Berücksichtigung chinesischer Wertschätzungen und den fuhrungsspezifischen Werten.
23
WEIBLER (2001), S. 371, vgl. auch DRUMM (2000), S. 519.
Kulturspezifische Personalführung in internationalen Medienunternehmungen
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Aufgabe 6 Stellen Sie die Relevanz der personalspezifischen Entwicklung in China für den internationalen Medienkonzern Bertelsmann AG dar. Gehen Sie dabei auf kulturspezifische Probleme ein.
Lösung
Aufgabe 1 Entwicklung eines führungsspezifischen Transformationskonzeptes in bezug auf die Situation in China Es ist zu konstatieren, daß eine starke Diskrepanz zwischen den wettbewerbsbezogenen Anforderungen und den sozio-kulturellen Führungsgewohnheiten in China existiert. Der ökonomischen und sozialen Effizienz verpflichtend ist demzufolge ein führungsspezifisches Transformationskonzept zu entwickeln, das einerseits interkulturelle Differenzen antizipiert und anderseits mitunternehmerisches Denken und Handel fordert und fordert. Da eine „schablonenhafte" Operationalisierung und Übertragung westlicher Führungskonzepte auf die Situation in China wenig zielführend erscheint, sind die stark divergierenden Kulturdimensionen Machtdistanz und Kollektivismus zu antizipieren sowie die Motivation und Qualifikation der Organisationsmitglieder einzubeziehen. Die niedrige Partizipationserwartung der Mitarbeiter in China läßt jedoch nicht einen Umkehrkehrschluß der Art zu, daß ein autoritäres Führungsverhalten, obwohl es stärker akzeptiert werde, auch optimaler geeignet sei. Vielmehr ist aus einer mittel- bis langfristigen Betrachtung die Personalführung möglichst kulturadäquat an den Herausforderungen des Marktes auszurichten. Somit steht die Forderung und Förderung des mitunternehmerischen Denken und Handeln im Vordergrund, die durch eine schrittweise Verantwortungsübertragung auf die Mitarbeiter realisiert wird. In Anlehnung an das Reifegradmodell von H E R S E Y / B L A N C H A R D 2 4 werden im vorliegenden Führungskonzept unterschiedliche Transformationsstufen beschritten, die sich primär an dem Reifegrad der Organisationsmitglieder orientieren.25 Zusätzlich wird das Vertrauen zwischen 24
25
HERSEY/BLANCHARD entwickelten eine Art Reifezyklustheorie der Führung, die eine Führungsstilklassifikation in die zwei Dimensionen Aufgaben- und Personenorientierung vornimmt und anhand des Reifegrades der Mitarbeiter situationsentsprechend Führungsstile zuordnet. Die Situation wird lediglich von der Reife der Mitarbeiter beschrieben (vgl. HERSEY/BLANCHARD (1988), S. 13 ff.). Der Reifegrad der Organisationsmitglieder setzt sich aus den Faktoren Funktionsreife und psychologische Reife zusammen. Funktionsreife umfaßt die Fähigkeiten, das Wissen und die Erfahrung, die ein Mitarbeiter zur Erfüllung seiner Aufgabe mitbringt, während die psychologische Reife eine Art Motivationsdimension ist, die auf Initiative, Selbstvertrauen und Achtung sowie auf Leistungsorientierung und Verantwortungsbereitschaft zielt, (vgl. SCHREYÖGG (1995), Sp. 1001 f.). Wunderer betont die Ausrichtung der Führung anhand des Reifegrades (vgl. WUNDERER (2001), S. 242).
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Mitarbeiter und Führungskraft als weitere Dimension beleuchtet. Beginnend bei einem kooperativen Führungsansatz soll eine Entwicklung über eine delegative Führung zum Mitunternehmertum aufgezeigt werden, die sich in Anlehnung an das Reziprozitätsprinzip nach STEINLE26 über mehrere Führungsepisoden erstreckt. Es ist festzuhalten, daß interkulturelle Fehlinterpretationen respektive Besonderheiten bezüglich des Reifegrades auftreten, deren Gegensteuerung von zentraler Bedeutung ist. In diesem Zusammenhang sind drei Grundprobleme interkultureller Art festzuhalten: •
Aufgrund Respekterweisung gegenüber dem Vorgesetzten werden Verbesserungsvorschläge und Ideen sowie von der Führungskraft nicht erkannte Probleme verschwiegen, um einen Gesichtsverlust des Vorgesetzten und des Mitarbeiters selbst zu vermeiden. Die Respekterweisung durch Gesichtbewahrung nimmt dabei einen höheren Stellenwert als die erfolgreiche Ziel-/Aufgabenrealisierung ein.
•
Aus tiefverankertem Harmonieprinzip werden Konflikte gemieden und nicht offen ausgetragen. Es existieren somit langfristig ungelöste Probleme, die zur Demotivierung führen. Auch stellt ein Chinese keine Rückfragen, um eine fehlerlose Aufgabenerfullung zu gewährleisten, da sie zu kontroversen Diskussionen fuhren könnten. Ferner würde das Bekennen von Unwissenheit einen Gesichtsverlust bedeuten würde. Es können somit mangelnde Ziel-/Aufgabenrealisierung aufgrund bewußter Informationsdefizite entstehen.
•
Bedingt durch die „Hundert Blumen" und die Kulturrevolution besteht ein generelles Mißtrauen unter Chinesen. Dieses zeigt sich u. a. in der mangelnden Übertragung von Verantwortung und der niedrigen Bereitschaft Informationen zu teilen.
Zur Antizipierung der kulturbedingten Probleme setzt das Transformationskonzept bewußt auf eine sukzessive Entwicklung der Organisationsmitglieder, um eine reifegradadäquate Evolution zu ermöglichen. Die dabei verfolgte Entwicklungsrichtung, mehr Verantwortung den lokalen Organisationsmitgliedern zu übertragen, ist als Lernprozeß zu betrachten und wurde als bestimmendes Führungselement erfolgreicher ausländischer Firmen in China nachgewiesen.27 Die Aszendenz des Delegationsgrades wurde zudem als zentrale marktbedingte Anforderungen an die Personalführung in internationalen Medienunternehmungen identifiziert. Die nachfolgende Abbildung (Abb. 4) illustriert die einzelnen Führungsstufen.
In Abhängigkeit vom gezeigten Handeln und Verhalten der Organisationsmitglieder („Reziprozitätsprinzip") erfolgt hier eine Anpassung des Führungsansatzes in interaktioneller und struktureller Führungsdimension (vgl. STEINLE ( 1 9 9 2 ) , Sp. 9 7 8 ) . 27
Vgl. SEIDLITZ (1998), S. 18 bezugnehmend auf eine Roland Berger und Partner Studie. Holton identifiziert als zentrale fiihrungsspezifische Herausforderungen für internationale Unternehmungen in China „... getting [Chinese managers] to accept responsibility, to exercise imagination and initiative, and to communicate readily across functional lines" (HOLTON (1990), S. 121). Vgl. dazu REXER(1999), S. 234.
Kulturspezifische Personalführung in internationalen Medienunternehmungen
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Kooperative Führui intcraktioncllcr Fllhrungsschwerpi Coaching, moderate wertebasierte Steuerung" Führungsprozess W-bildung W-durchsetzung W-sicherung -JK+MA FK+MA FK
Abbildung 4:
Führungsstufen des
Transformationskonzeptes
Es gilt, aus den dargestellten Transformationsstufen potentielle EfFizienzverbesserungen zu identifizieren. Zumal Führungsansätze auf demokratischen, westlichen Werten und Normen rekurrieren und demzufolge kulturbedingte Problemfelder implizieren, ist es notwendig die Führungsansätze auf die Konstellation in China zu modifizieren, um der Situationsadäquanz gerecht zu werden.
Aufgabe 2 Führungsgrundsätze als Instrument struktureller Führung zur Initiierung des führungsspezifischen Transformationsprozesses Um operationalisierbare Gestaltungsempfehlungen zur Formulierung von Führungsgrundsätzen zu geben, ist es zunächst notwendig den kontextuellen Zusammenhang aufzuzeigen. Damit werden die Grundsätze nicht als „Fremdkörper" der Unternehmung wahrgenommen, sondern bilden einen integrierten Teil des Ganzen. Die nachfolgende Abbildung (Abb. 5) zeigt die Führungsgrundsätze im Kontext der Unternehmungsphilosophie und -kultur der BDGC sowie ihre Stellung im Führungskonzept.
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Kulturspezifische Personalfìihrung in internationalen Medienunternehmungen
Führungskonzept
Unternehmungskonzept
normativ
Unternehmungsphilosophie Unternehmungsziele Unternehmungsleitbild Unternehmungsgrundsatze respect for the individual persuit of excellence costumer focus entrepreneurial spirit partnership
Abbildung 5:
Führungskultur
F Ü H
strategisch |
operativ
Führungsmodell kulturadäquates MbO
R
Führungsphilosophie Entscheidungsfähigkeit Leistungsprinzip Verantwortungsprinzip Entwicklungsfähigkeit
U N G S G R U N D S Ä T Z E
Situative Faktoren ausgeprägter Kollektivismus, hoher Grad an Machtdistanz
Implementation Mitarbeiterpartizipation
Führungsgrundsätze im Kontext des Unternehmungs- und Führungskonzeptes
Den Ausgangspunkt einer detaillierten Betrachtung stellt die Unternehmungsphilosophie der BDGC, die den schriftlich fixierten Unternehmungsgrundsätze zu entnehmen sind. Aus der Unternehmungsphilosophie kristallisiert sich die Triade Führungsphilosophie heraus (vgl. Abbildung). Als weiterer Einflußfaktor ist die Unternehmungskultur und hier speziell die „gelebte" Führungskultur zu nennen, dessen Internalisierung als unzureichend eruiert wurde. Aufgrund des normativen Charakters der Führungsgrundsätze ist das gesamte fuhrungsspezifische Instrumentarium an den Grundsätzen auszurichten.
Aufgabe 3 Führungsgrundsätze als Bestandteil eines umfassenden Führungskonzeptes a) Inhaltliche Gestaltung Den inhaltlichen Werterahmen der (implizierten) Führungsgrundsätze der BDGC bilden die identifizierten Führungswerte. Vor dem Hintergrund eines Transformationsprozesses zu mehr Unternehmertum sollten diese um Entwicklungsfähigkeit und -bereitschaft ergänzt werden. Zwar implizieren Verantwortungsprinzip und Entscheidungsfahigkeit eine Entwicklungsfähigkeit und -bereitschaft, verdeutlichen jedoch nicht ihre Relevanz. Die damit eher der öko-
Kulturspezifische Personalfiihrung in internationalen Medienunternehmungen
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nomischen Effizienz verpflichtenden Führungswerte sollten durch eine prosoziale Komponente erweitert werden, da die persönliche Beziehung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft in der BDGC hohe Intensität und Relevanz aufweist. Insofern finden Elemente wie Empathie, Vertrauen und Akzeptanz in den Führungsgrundsätzen Berücksichtigung. Die assoziative Zielsetzung in der Funktion einer Personalfuhrungsvision stellt den Versuch einer Verknüpfung zwischen chinesisch geprägter sozialer Effizienz (Kollektivismus, Harmonie) und der marktbedingten ökonomischen Effizienz dar. Als Analogieschluß wurde der „Familie"-Begriff gewählt, da die Familie in China das Höchstmaß an sozialer Effizienz repräsentiert.28 Das selbständige Lexem wurde um das Präfixoid „Hochleistung" ergänzt, da es in der Unternehmungsphilosophie („Persuit of Excellence") expliziert und den marktbedingten Anforderungen gerecht wird.29 Die nachfolgende Abbildung (Abb. 6) stellt einen Ansatz zur inhaltlichen Konkretisierung von Führungsgrundsätzen für die BDGC dar, der als Diskussionsbasis zu interpretieren ist. Das Yin-Yang-Zeichen bezieht sich auf das Denken in Gleichgewichtskategorien, das in Analogie die partnerschaftliche, reziproke Beziehung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft verdeutlichen soll. Der Begriff „Überkommunikation" als „Führung durch Wiederholen" wurde von einem Manager eingebracht und als erfolgreiches Führungsverhalten identifiziert. Zusammen mit „Ehre durch Fleiß" - das ein Ideal des Konfuzianismus darstellt - wurde der Begriff in den Entwurf aufgenommen.
28
29
Der Konfuzianismus bietet Chinesen auch ein arbeitsethisches Fundament, die „Familien-Pietät". Die „innere Verpflichtung" gilt dem Erhalt der Familie und der Ehrung seiner Ahnen. Diese Pflicht, seine Familie zu erhalten und ihr ein „gutes und ehrenhaftes Mitglied" zu sein, motiviert Chinesen zur Arbeit und zum Fleiß. Arbeit dient somit als Instrument, der Familie zur Ehre zu gereichen und seinen Ahnen damit zu gefallen. Vor diesem Hintergrund kann durch eine glaubhafte Familienanalogie erhebliches Motivationspotential freigesetzt werden (vgl. PEILL-SCHOELLER (1994), S. 218).
Es ist zu betonen, das der familiäre Aspekt sich ausschließlich auf die soziale Effizienz bezieht und bezüglich der ökonomischen Effizienz eine Orientierung an dem Kulturbild „Guided Missile" nach Trompenaars/Hampden-Turner erfolgt (vgl. TROMPENAARS/HAMPDEN-TURNER(2001), S. 157).
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Kulturspezifische Personalführung in internationalen Medienunternehmungen
Mitarbeiter
Führungskraft
- Bei fachlicher und persönlicher Leistung (Zielerreichung) rap|Snelle und immaterielleisierkennung erhalten
- Gemeinsame Ziele
- Mitdenken, Mitgeslalten und „unternehmerische 1 ' Verantwortung übernehmen - Selbstständiges Arbeiten - Bei Eignung Ftihrungsaufgabe übernehmen liQd den Erfolg von Bertelsmann a a r . persönlichen Anliegen mac&Rp
formulieren
- E r k e n n « der Qualität und Potentiale def Mitarbeiter - Konsequentes fordern und fördern der Mitarbeiter zu Mitunternehmern
- Integration - Artikulation der Vision, Mission, Werte - Vorbitdiiinktion, aktives Coaching - Individuelles Eingehen auf die Mitarbeiter - Fordern und fördern von konstruktiver Kritik
-Kritisieren durch "v. Verhesserungs Vorschläge -Veränderung als Chance und nicht als Störung empfinden Selbständig
Leistungsprinzip
Verantwortung
Abbbildung 6: Mögliche Führungsgrundsätzefiir die BDGC
b) Funktionaler Einsatz von Führungsgrundsätzen Zentraler Funktionsbereich von Führungsgrundsätzen als Instrument zur Verhaltensstandardisierung ist die Komplexitätsreduktion, da sie die grundsätzliche Führungssituation charakterisieren, die Rolle der Führungskraft in vereinfachter Form verdeutlichen und Aufgaben und Pflichten der Mitarbeiter beschreiben sollen. Es lassen sich daraus für die BDGC die folgenden drei Unterfunktionen subsumieren: strukturelle Organisationsentwicklung, strukturelle Organisationssteuerung sowie interne und externe Organisationsdarstellung. 30 Die strukturelle Organisationsentwicklung gelingt durch die Ausrichtung der Führungsteilsysteme an den schriftlich fixierten Aussagen der Führungsgrundsätze, die Gestaltungshinweise für instrumenteile Maßnahmen zur Internalisierung und Anwendung von Führungsnormen liefern. Für die BDGC sind als instrumentelle, personalpolitische Maßnahmen die Rekrutierung, die Organisations- und Personalentwicklung, das Anreizsystem, die Führungsorganisation, das Personalmarketing und das Beurteilungssystem im Form des 360°-Feedback auf die Abstimmung mit den Führungsgrundsätzen zu überprüfen. Die Funktion der strukturellen Organisationssteuerung ist in weitere Teilfunktionen zu untergliedern. Mit der Information aller Organisationsmitglieder über das erwünschte Führungsverhalten z. B. über einen Human-Resource-Newsletter der BDGC, zeichnet sich eine gemeinsame, einheitliche, systematische und transparente Orientierungshilfe durch die Führungsgrundsätze ab, die auch von den befragten Managern gefordert wurde. Des Weiteren dienen die Führungsgrundsätze zur Identifikation und Motivation der Organisationsmitglieder und erfüllen dabei zugleich eine Anreizfiinktion. Zur strukturellen Organisationssteuerung 30
V g l . WUNDERER ( 2 0 0 1 ) , S. 3 9 3 .
Kulturspezifische Personalfiihrung in internationalen Medienunternehmungen
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sollten die Leitsätze bei Beratungs- und Fördergesprächen als „Checklisten" für die Beurteilung des Führungsverhaltens angewendet werden, damit leistungsfähige, kooperative Führungskräfte bei Gehalts- und Karriereentscheidungen unkooperativen Führungskräften vorgezogen werden. Auf diese Weise erfahren die Leitsätze eine erhebliche Sanktionswirkung und entwickeln sich zu einem „machtvollen" Führungsinstrument. Mit der Veröffentlichung der Führungsgrundsätze kommt ihnen durch interne und externe Organisationsdarstellung auch eine Public-Relation-Funktion zu. Für die BDGC eröffnet sich somit die Möglichkeit, das eher nur mittelmäßige Unternehmungsimage zu verbessern und durch positive Personalwerbungseffekte akquisitorisches Potential zu erhöhen. c) Zur Implementation von Führungsgrundsätzen Die Akzeptanz und Wirksamkeit der Grundsätze und damit deren langfristiges Erfolgspotential ist maßgeblich von der Form der Entwicklung sowie von der Einfuhrung abhängig.31 In den Betrachtungsfokus rückt daher die Partizipation der Mitarbeiter an der Entwicklung respektive Formulierung der Führungsgrundsätze, damit diese nicht als einseitige, lediglich schriftliche Information abgetan, sondern verinnerlicht und „gelebt" werden. Vor dem Hintergrund der eruierten hohen Machtdistanz der Chinesen zu ihren Vorgesetzten ist es obligat eine spezielle Strategie zur Implementation zu entwickeln, bei der die Mitarbeiter am Entwicklungsprozeß partizipieren, ohne entscheidend von den Führungskräften beeinflußt zu werden. Zur Gewährleistung dieser „unverfälschten" Mitarbeiterpartizipation ist der direkte Einbezug des mittleren und oberen Managements in eine spätere Phase zu verorten, da die Partizipation sonst in einem stillschweigenden Akzeptieren enden könnte. Die Personalabteilung sollte bei der Implementation als „neutraler Organisator" auftreten und neben der partiellen Mitgestaltung an den Leitsätzen die organisatorische Leitfunktion übernehmen. Der Organisationsstruktur der BDGC zufolge ist eine repräsentative Anzahl von Organisationsmitgliedern aus den Profit-Centern auszuwählen, um sie am Entwicklungsprozeß zu beteiligen. Als Auswahlkriterium der Mitarbeiter sind mitunternehmerisches Denken und Handeln zu akzentuieren, um eine passende Grundorientierung zu gewährleisten. Dabei sind Mitarbeiter, die repräsentative Funktionen ausüben (z. B. Teamsprecher etc.) zu bevorzugen. In einem Mitarbeiter-Kick-Off-Meeting, das Informationen über das Projekt enthält, könnten sie zunächst einen eigenen Entwurf erarbeiten. Die Teilnehmeranzahl sollte dabei 25 nicht überschreiten und sollte in Tagungs-/Meetingräumlichkeiten stattfinden. Die Partizipation stellt ein Novum in der BDGC dar und sollte von der Personalabteilung intensiv vorbereitet und begleitet werden, um einen qualitativ hochwertigen Output zu gewährleisten. Der Output aus dem Kick-Off-Meeting wird dann in einem kooperativ gestalteten Führungsgrundsatzmeeting mit dem Management diskutiert, bei dem man sich (idealtypisch) auf einen Konsens einigt. Ausgangspunkt der inhaltlichen Gestaltung sollte die Diskussion zwischen Mitarbeiter und Führungskraft um angestrebten Werte, Normen und Ziele sein, die es zu konkretisieren und schließlich z. B. durch die Personalabteilung zu formulieren gilt. Die Ausführungen aus Abbildung 6 können dabei zur grundlegenden Orientierung dienen. Zur Sicherung der Wirksamkeit der Führungsgrundsätze und deren nachhaltige Internalisierung ist neben der Partizipation von Mitarbeitern insbesondere die effiziente Wirksamkeit der Führungsgrundsatzfunktionen zu fokussieren. Exemplarisch läßt sich die Veröffentlichung 31
Vgl. HENTZE/KAMMEL/LINDERT (1997), S. 525.
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Kulturspezifische Personalfiihrung in internationalen Medienunternehmungen
über den HR-Newsletter anfuhren sowie die Visualisierung am Arbeitsplatz, die Ausrichtung der Anreizsysteme an den Grundsätzen etc. Als personalpolitisches Ziel ist in diesem Zusammenhang die konsequente Ausrichtung bestehender und zukünftiger Führungsinstrumente an den Grundsätzen zu betonen. Die Entwicklung der Führungsgrundsätze ist dabei nicht als einmaliger Prozeß zu sehen, sondern erfordert vielmehr eine kontinuierliche Anpassung an veränderte Umfeldvariablen.
Aufgabe 4 Einbezug des Kollektivismus und einer Variierung der Zielformulierung vor dem Hintergrund des Reifegrades der Organisationsmitglieder Die Funktion der Führungskraft in der interaktioneilen Zielformulierung zwischen Mitarbeiter und direktem Vorgesetzten stellt die zentrale „Triebkraft" dar, da sie die grundlegende Vorgehensweise prägend beeinflußt. Dabei scheint eine differenziertere Betrachtungsweise vor dem Hintergrund unterschiedlicher Reifegrade der Organisationsmitglieder zweckmäßig, um die zielorientierte Einflußnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben situationsadäquater auszugestalten. Im Weiteren gilt es den ausgeprägten Kollektivismus in die Zielformulierung einzubeziehen und die Zielformulierung nicht nur für Mitarbeiter individuell, sondern auch zur Steuerung teilautonomer Gruppen zu nutzen („Team Objectives"), wie es im Folgenden dargestellt wird. Als Zielsetzungsrichtlinie ist die Entwicklung der Führungswerte Selbständigkeit und Eigenverantwortung zu betonen, während sich das Leistungs- und Entwicklungsprinzip modellimmanent realisiert. Das Zielvereinbarungsgespräch dient somit als Führungsinstrument zur mitarbeiterspezifischen Internalisierung der Führungswerte sowie als richtungsweisende Grundlage zur Führungsgestaltung. Die Zielformulierung erfolgt in zwei Schritten. Zunächst sollte die Führungskraft das Team durch ein Informationsgespräch (ohne Anweisungen) über die Zielsetzungen der übergeordneten Hierarchieebene der Arbeitsgruppe (z. B. Abteilung) informieren. Die Gruppe erhält somit die Möglichkeit neben der Formulierung persönlicher Entwicklungsziele unternehmungsbezogene Leistungsziele zu entwickeln und diese gegebenenfalls mit den persönlichen Zielen in Verbindung zu bringen. Vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung der Weiterbildung bei den Chinesen läßt sich durch Weiterbildungsmöglichkeiten ein großes Motivationspotential freisetzen. In dem anschließenden Zielvereinbarungsgespräch „handelt" das Team und der direkte Vorgesetzte die Leistungs- und Entwicklungsziele aus und einigen sich a posteriori auf eine Gewichtung der Ziele. Das Ergebnis ist als die Beurteilungsgrundlage für die variable Entlohnung des Teams zu interpretieren. Der Aushandlungsprozeß ist als Schlüsselphase hervorzuheben, in der die Führungskraft basierend auf der Funktionsreife und der psychologischen Reife des Teams die Zielerwartungen ausrichtet und zur Zielerreichung kooperative (interaktionelle) oder delegative (strukturelle) Führungselemente vorschlägt. Die damit verbundene Erweiterung des Aufgaben-, Kompetenz- und Verantwortungsbereiches des Teams erfordert von der Führungskraft hohe empathische Fähigkeiten, da - wie die befragten Manager betonten - kritische Äußerungen oder eigene Meinungen eher selten offen ausgesprochen werden. Die „vorsichtige" Kommunikationshaltung der Chinesen kann leicht zu einer Über- oder Unterforderung des Teams fuhren.
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Aufgabe 5 a) Materielles Anreizsystem als integrativer Bestandteil zur Gestaltung des Transformationsprozesses Ausgehend von der Führungsphilosophie, die durch Führungsgrundsätze operationalisiert und durch Zielvereinbarungsgespräch spezifisch konkretisiert wurde, ist das Gratifikationssystem stringent an den Führungsgrundsätzen auszurichten, wobei das Transformationskonzept zu mehr Unternehmertum den zu fördernden Entwicklungspfad aufzeigt. Die Entlohnung der individuellen und teamorientierten Leistung sollte über die jährliche Evaluation der Zielvereinbarung erfolgen, die sich an den Führungswerten orientiert und Teams sowie Mitarbeiter zu erhöhter Selbständigkeit, Verantwortungsübernahme und Leistung motiviert. Um der Forderung nach höherer Entlohung für die Mitarbeiter gerecht zu werden und dabei gleichzeitig die Leistungseffizienz zu steigern, ist das materielle Anreizsystem um einen „Project-Bonus" zu erweitern. Dieser Bonus in Form einer Anerkennungsprämie gratifiziert qualitativ hochwertige Leistungen von Teams/Mitarbeiter und sollte von der Führungskraft flexibel anwendbar sein. Der direkte Bezug zwischen Leistung und Belohnung in Verbindung mit der unmittelbaren Kompensation bietet ein hohes Motivationspotential für die Chinesen. Durch die teamorientierte Entlohnung sollte insbesondere in der kollektivistischen Gesellschaft Chinas der Teamgeist durch das Anstreben gemeinsamer Ziele und der kollektiven (Teil-) Gratifikation nachhaltig gefordert werden. Insofern stellt dieser Bonus eine wirksame Unterstützung der (eher) längerfristigen Entlohnung des Zielerreichungsgrades dar. Vor dem Hintergrund des Transformationsprozesses und der Führungswerte sollte die Erfolgsbeteilung in Abhängigkeit des erforderlichen Führungsverhaltens stehen und somit bei kooperativer Führung geringer als bei delegativer Führung ausfallen, da diese ein höheres Maß an Selbständigkeit und Eigenverantwortung erfordert. Die Differenz sollte dabei circa 20-30% betragen. Damit wird zugleich deutlich signalisiert, daß sich die Entwicklung in Richtung Führungswerte „auszahlt". Zweckdienlich ist in diesem Zusammenhang die Erweiterung um einen „Entrepreneurial-Teamspirit-Bonus", der mitunternehmerisch agierende Teams für innovative Leistung belohnt. Auf der nachfolgenden Abteilungs- und Unternehmungsebene vermindert sich der Einfluß der Mitarbeiter auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg und verstärkt sich bei den Führungskräften in Abhängigkeit von der Position. Diese Entwicklung sollte die Gratifikationsstruktur durch prozentuale Aufteilung reflektieren. Die prinzipielle Beteiligung der Mitarbeiter am Abteilungs- und Unternehmungserfolg erhöht die zu steigernde Identifizierung mit der Abteilung respektive Unternehmung. Vor diesem Hintergrund ist die Einführung eines Mitarbeitervorschlagswesens („Golden Idea") zu forcieren, das für innovative, sich mit der Unternehmung identifizierende Chinesen einen weiteren Anreiz zur Einreichung von Verbesserungsvorschlägen, respektive -potentialen bietet. Um Führungskräfte zur mentaler Neupositionierung ihrer Mitarbeiter zu motivieren sind diese Leistungen auch in Gehaltsverhandlungen zu honorieren. Extrinsisch motivierte Führungskräfte werden somit durch die Option zur höheren Entlohung angespornt, Mitarbeiter kooperativ bzw. delegativ zu führen, während intrinsisch motivierte Führungskräfte, deren eine innere Überzeugung zur kooperativen repektive delegativen Führung immanent ist, sich durch die materielle Wertschätzung bestätigt fühlen. Zur Messung des Ausmaßes der Entscheidungsqualität geben Mitarbeiterbefragungen zur Beteiligung am Willensbildungs-, Wil-
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Kulturspezifische Personalführung in internationalen Medienunternehmungen
lensdurchsetzungs- und Willenssicherungsprozeß einen grundlegenden Eindruck. In diesem Zusammenhang ist die Einführung eines „Beste-Nachwuchskraft-Bonus" zu betonen, der Führungskräfte zur Förderung von Führungsnachwuchs durch materielle Anreize motiviert. b) Betriebliche Weiterbildung und Karriereplanung als immaterielle Anreizgestaltung Die Teilnahme an betrieblichen Weiterbildungsveranstaltungen und insbesondere unternehmungsinterne Titel repräsentieren für Chinesen prestigeträchtige Statussymbole, denen durch ihre erstrebenswerte Realisierung ein hohes Anreizpotential inhärent ist. Damit sind aufgabenbezogene Schulungen und betriebliche Karriereplanungen als äußerst wirksame immaterielle Anreizinstrumente zu interpretieren, deren Bedeutung tendenziell zunimmt. Die Gestaltung der immateriellen Anreizinstrumente sind an den Führungswerten zu orientieren, mit dem Ziel den Transformationsprozeß zu mehr Unternehmertum optimal zu fördern. Somit besteht die Aufgabe der betrieblichen Weiterbildung in der Entwicklung des selbständigen Arbeitens und des eigenverantwortlichen Handelns unter Berücksichtigung des Reifegrades der Mitarbeiter. Bei kooperativ geführten Teams oder Mitarbeitern leistet die Führungskraft durch intensives Coaching „Hilfe zur Selbsthilfe" und bewirkt durch die persönliche Zuwendung ein Ehr- respektive Prestigegefiihl. In Kombination mit der Teilnahme an ausgewählten Schulungen wird das Mitdenken und Mitgestalten neben der Steigerung der Arbeitsqualifikation gefördert. Zur Weiterentwicklung der Mitarbeiter sollte ein Karriereplan die bevorstehenden Karrierestufen mit den inhärenten Motivatoren für chinesische Mitarbeiter aufzeigen und damit einen Anreiz zur delegativen Führung setzen. Diesen gilt es durch die in Aussichtstellung von aufgabenspezifischen Trainings zu unterstützen. Da dem Titel in China besonders hohe Relevanz beigemessen wird, sollte zusätzlich zu dem Training ein spezieller, repräsentativer Titel für die potentielle Führungsnachwuchskräfte definiert werden (z. B. „(Chief-) Project Manager"; „Project Director/Consultant"), um durch die Anhebung seines gesellschaftlichen Status weiteres Motivationspotential freizusetzen. Neben der betrieblichen Weiterbildung und der Karriereplanung bieten zusätzliche soziale Anreize wie Teamauszeichnungen („excellent Team") und gemeinsame Freizeitgestaltung, die von den Mitarbeitern stets erwünscht sind, eine wertvolle Ergänzung zur Erhöhung der sozialen Effizienz. Diese Maßnahmen mit vergleichsweise geringen Kosten tragen einen wesentlichen Beitrag zu positiver Teamatmosphäre und Mitarbeiterzufriedenheit bei.
Aufgabe 6 Bedeutung des Transformationskonzeptes für die Sicherstellung langfristiger Entwicklungsfähigkeit der Bertelsmann Direct Group China Konzentrations- und Internationalisierungstendenzen sind im Medienmarkt zur alltäglichen Realität geworden. Weniger das Ob, als das Wie einer Internationalisierung bestimmen damit heute und vermehrt in der Zukunft die strategische Ausrichtung von Medienunternehmungen. Als Internationalisierungsschwerpunkt ist vom Marktpotential her besonders der asiatische Subkontinent reizvoll und hier insbesondere China.
Kulturspezifische Personalfiihrung in internationalen Medienunternehmungen
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Allerdings treffen (westliche) Medienunternehmungen speziell in China auf spezifische Umweltbedingungen, die sich vor allem in der stark divergierenden Kultur reflektieren. Die erhebliche Kulturdiskrepanz, die sich durch unterschiedliche Wertesysteme charakterisiert Kollektivismus/Individualismus und Machtdistanz - , verbietet eine „schablonenhafte" Übertragung westlicher Personalführungsansätze. Vielmehr gewinnt eine kulturadäquate Ausprägung der Personalfiihrung zunehmend an Bedeutung. Dabei werden gerade in China westliche Werte durch die zunehmende Entwicklung einer freien Marktwirtschaft „infiltriert". Somit ist ein „Balanceakt" für Medienunternehmungen zwischen marktbedingten westlichen und traditionellen chinesischen Werten zu vollziehen. Die Entwicklung der Humanressourcen ist für die BDGC als eine langfristige Investition vor dem Hintergrund des umfangreichen Marktpotentials in China zu betrachten. Zur personalpolitischen Antizipierung des Marktwachstums gilt es, die Führungsstrukturen an den neuen Marktbedingungen auszurichten, wobei die Entwicklungsrichtung in der BDGC zur delegativen Führung als äußerst zielführend einzustufen ist. Eine radikale Führungstransformation hätte jedoch vor dem Hintergrund des Reifegrades der chinesischen Organisationsmitglieder dysfunktionale Wirkungen. Aus diesem Grunde ist die Übertragung von Verantwortung an chinesische Mitarbeiter sukzessiv im Rahmen eines gezielten Lernprozesses durchzuführen. Damit werden markt- und führungsbezogen die Weichenstellungen in Richtung einer erfolgreichen Unternehmungsentwicklung für die BDGC gestellt.
116
Kulturspezifische Personalfuhrung in internationalen Medienunternehmungen
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Entwicklung des Pay-TV in Deutschland Wettbewerbsstrategische Optionen im TV-Markt
FRANK H . WITT
[email protected] BERGISCHE UNIVERSITÄT WUPPERTAL
Die KIRCH P A Y - T V GmbH & Co. KGaA hat im Juli 2002 Insolvenz angemeldet. Von der Insolvenz der Muttergesellschaft ist die PREMIERE FERNSEHEN GmbH & Co. KG als Programmveranstalter zunächst nicht direkt betroffen. Im Gegenteil: Mit der Insolvenz der Muttergesellschafit könnte PREMIERE mit seinen gegenwärtig ca. 2,4 Mio. Kunden von finanziellen Risiken befreit werden und damit für neue Investoren mit einer veränderten Strategie wieder attraktiv gemacht werden. Obschon die neue Gesellschafterstruktur noch völlig offen ist, deutet sich damit nunmehr die 4. strategische Neupositionierung in der wechselvollen Entwicklung des Bezahlfernsehens in Deutschland an. Pay-TV ist ein schwieriges und bisher verlustreiches Geschäft in Deutschland. Gerade deshalb läßt sich viel über Komplexität und Komplexitätsbewältigung durch strategische Planung in der Medienwirtschaft lernen. Spezifisch für das Pay-TV ist der Ausschluß von nicht zahlenden Zuschauern im Gegensatz zum werbefinanzierten Free-TV. Für den Empfang von Pay-TV über Satellit oder Kabel ist eine Verbindung des Empfangsgerätes mit einem Decoder notwendig, der die verschlüsselt ausgestrahlten Sendungen entschlüsselt. Unter dem seit 1. Mai 2002 geltenden Programm- und Sendekonzept werden jeweils ein analoges und digitales Spielfilm- und Sportprogramm sowie 28 weitere digital verbreitete Spartenprogramme, teils auch von Drittanbietern, vermarktet. PREMIERE hat derzeit ca. 0,138 Mio. Kunden für analog und 2,28 Mio. Kunden für digital verbreitete Programme. Es existiert ein digitales Basis- bzw. Einstiegsangebot, in der Form eines Programms, das einen Querschnitt von Programmteilen aus dem gesamten Programmportfolio bietet. In Ergänzung zum Einstiegsprogramm oder den jeweils gebuchten Programmpaketen aus verschiedenen Kanälen (Spielfilm, Sport, Erotik oder andere Themenkanäle) können im Near-Video-on-Demand-Verfahren als Pay-per-View durch Einzelabruf aktuelle Spielfilme oder Sportübertragungen abgerufen werden. Neben direkten Erlösen durch Abonnements, Pay-per-View Abrufen, Decoderverkäufen oder -Vermietung, werden auch indirekte Erlöse durch Sponsoring bspw. von Fußballübertragungen erzielt. Das Programm ist darüber hinaus frei von Werbeunterbrechungen. Bisher werden die laufenden Kosten für Lizenzrechte und Sendebetrieb nicht durch die Einnahmen abgedeckt. Der operative Verlust konnte durch Personaleinsparungen und Neuverhandlung von Lizenzrechten im 2. Quartal 2002 um 60% auf 89,3 Mio. € gedrückt werden, zugleich stiegen
Entwicklung des Pay-TV in Deutschland
122
die Erlöse um ca. 20% auf 190,7 Mio. €. Die Programmkosten sollen von ca. 1 Mrd. € auf 450 Mio. € gesenkt werden. Im Oktober 2002 werden von ehemals 2.400 Mitarbeitern nur noch 1.400 bei PREMIERE sein. Die laufenden Kosten wurden durch Personalabbau und Einsparungen bei den Lizenzrechten um ein Drittel auf 280 Mio. € im zweiten Quartal 2002 gedrückt. Ende 2003 soll der Sender mit 2,9 Mio. Abonnenten erstmals die Gewinnzone erreichen. Bis dahin sind nach Auskunft des Vorstandsvorsitzenden KOFLER etwa 250 Mio. € an neuen Krediten und eine neue Gesellschafterstruktur notwendig. AnlaufVerluste der Kirch Gruppe im Pay-TV ohne Zinsen in Mrd. € bis 1. Oktober 1999 (Start von Premiere World)
Insolvenz KirchPayTV GmbH & Co. KGaA bis 1. Juli 2002 weitere
Abonnentenzahlen von Premiere und DF1 in Tausend sowie Gesamtkundenzahl nach Zusammenschluß zu Premiere World/Premiere 1062
365
to 1991 Abbildung
1:
1992
1993
Entwicklung
1994
Zusammenschluß von Premiere und DF 1 unter der Führung von Kirch Media
MMBG Pläne von Kirch, Bertelmann und DT AG scheitern
755
2400
2200
2000
1700
Premiere Start 28. Februar 1991
1
Eh>
1995
des Pay-TV
in
280 19%
1997
DF1 28.Juli 1996 - Juni 1999 1998
1999
2000
2001
2002
Deutschland1
Die Geschichte des Pay-TV in Deutschland begann 1985 mit der Markteinführung des Schweizer Spielfilmkanals TELECLUB in Deutschland. Die Einspeisung in die Kabelnetze der Deutschen Bundespost und die Vergabe von Satellitenkanälen erfolgte zunächst auf privatrechtlicher Grundlage, da die DEUTSCHE BUNDESPOST der Auffassung war, daß die vom Bundesverfassungsgericht für die Veranstaltung von Rundfunk normierten Voraussetzungen und die in den Rundfunkstaatsverträgen geregelte Länderkompetenz für Rundfunk nicht greifen, da es sich beim nur gegen Bezahlung empfangbaren Pay-TV nicht um öffentlich veranstalteten Rundfunk handele. Die rechtliche Unhaltbarkeit dieser Position und die aus der nur geringen Zahl von Abonnenten resultierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten führten dazu, daß der TELECLUB in ein Gemeinschaftsprojekt „PREMIERE" mit der U F A (Filmproduktions-, Verleih- und Rechte in der BERTELSMANNGRUPPE, später mit der Muttergesellschaft des Luxemburger TV-Senders RTL, CLT (COMPAGNIE LUXEMBOURGEOISE DE TELEDIFFUSION) verschmolzen zur CLT-UFA) und dem französischen Pay-TV Sender CANAL PLUS eingebracht wurden.
Geschäftsberichte der Kirchgruppe/Premiere Pressekonferenz 24.07.2002.
Entwicklung des Pay-TV in Deutschland
123
erhielt 1990 von der HAMBURGISCHEN ANSTALT FÜR NEUE MEDIEN (HAM) eine Lizenz für die bundesweite Verbreitung eines Spartenprogramms über Satellit und Kabel. 1994 wurde eine weitere Sendelizenz erteilt. Versuche der KIRCHGRUPPE als Minderheitsgesellschafter von PREMIERE die BERTELSMANNGRUPPE und CANAL PLUS zum Verkauf ihrer Anteile zu bewegen um die Mehrheit an PREMIERE ZU übernehmen und den Sender als digitale Plattform zur Verwertung der erheblichen im Besitz der KIRCHGRUPPE befindlichen Lizenzrechte auszubauen, scheiterten. Die BERTELSMANNGRUPPE setzte selbst auf die neue Digitaltechnik und die Verwertung von Lizenzrechten im Pay-TV. Mit DF1 startete die KIRCHGRUPPE ein eigenes, zweites, digitales von der BAYERISCHEN LANDESANSTALT FÜR NEUE MEDIEN (BLM) bundesweit lizenziertes Pay-TV Programm. Seit Februar 1997 nutzte PREMIERE die zweite Frequenz für die Ausstrahlung eines zweiten digitalen Programms. Für ein insgesamt aus 15 Pay-TV-Angeboten bestehendes Programmpaket erteilte die HAM die bundesweite Sendegenehmigung für PREMIERE DIGITAL. Die bestehende Konkurrenzsituation erhöhte die Kosten für beide Angebote erheblich. Die KIRCHGRUPPE überbot die C L T - U F A bei den Übertragungs- und Lizenzrechten der Fußball-Bundesliga und verfügt ohnehin über den größeren Stock an Filmrechten. Darüber hinaus sorgte das Nebeneinander verschiedener Decoder, Mediabox (PREMIERE) und d-box (DF1) beim Verbraucher für Verwirrung. Langfristig sollten die Decoder nicht nur Zugang zu den jeweiligen Angeboten der Pay-TV Sender, sondern ebenfalls zu den digitalisierten Programmen anderer Anbieter (FreeTV, öffentlichrechtliches Fernsehen) sowie Internet und anderen Diensten ermöglichen. Die Systemkonkurrenz bei den Decodern schuf eine Situation, wie sie bspw. aus dem Kampf um den Standard bei den Videorecordern bekannt war, mit dem Risiko für einen der Beteiligten den gesamten Markt zu verlieren. Um schnell Marktanteile zu gewinnen und damit eine de facto Durchsetzung eines Standards zu erreichen, überließen beide Gruppen ihre Decoder den Kunden weit unter den vermuteten Herstellungskosten. PREMIERE
Die Systemkonkurrenz führte zu einer weiteren Verschlechterung der Erlössituation für beide Anbieter. Um das Risiko eines Scheiterns und dem Verlust von Milliardeninvestitionen in das Pay-TV und die digitale Multimedia-Zukunft zu verringern, verhandelte die BERTELSMANNGRUPPE zunächst mit der DEUTSCHEN TELEKOM AG als Betreiber der Kabelnetze und Sendeinfrastrukturanbieter und später auch mit der KIRCHGRUPPE über eine gemeinsame, offene Multimediaplattform. Infrastruktur und Decodergeschäft sollten in einer gemeinsamen MULTIMEDIA BETRIEBSGESELLSCHAFT (MMBG) zusammengefaßt werden. Im Herbst 1997 einigte man sich auf ein neues Pay-TV Bündnis, das den Standard der KIRCHGRUPPE festgeschrieben aber gleichzeitig noch zu näher definierenden Bedingungen auch für Anbieter anderer Programme geöffnet hätte. Der EU Wettbewerbskommissar VAN MIERT unternahm eine Vorprüfung des Vorhabens und ließ zu Beginn des Jahres 1998 erkennen, daß er die Verwirklichung der Pläne zur Errichtung der MMBG untersagen würde, wenn nicht harte Auflagen erfüllt würden: Es dürfe keine unternehmensrechtlichen Verknüpfungen zwischen PayTV und den frei empfangbaren Sendern der Partner geben. Die KIRCHGRUPPE solle zudem ihr Softwaresystem für das Betreiben des digitalen Fernsehens offenlegen; dann könnten neben dem bisherigen Exklusiv-Partner N O K I A auch andere Firmen die zum Empfang von digitalen Pay-Programmen notwendigen Decoder bauen. Der Kabelmonopolist Telekom darf sich nicht an der Technikfirma der KIRCHGRUPPE, BETA RESEARCH beteiligen. KIRCH und BERTELSMANN sollten 50% ihrer umfangreichen Sportrechte an Dritte abgeben; bereits gekaufte Filmrechte dürften nicht ausschließlich für PREMIERE reserviert werden. Bereits im März 1999 zeichnete sich in öffentlichen Aussagen des (damals) designierten neuen Vorstandsvorsitzenden der BERTELSMANNGRUPPE, MIDDELHOFF, ein Strategiewechsel bei BERTELSMANN ab. Die absehbare wettbewerbsrechtliche Untersagung der MMBG, der
124
Entwicklung des Pay-TV in Deutschland
Streit um die Technologie der d-box, die öffentliche Diskussion um das gemeinsame Pay-TVMonopol von BERTELSMANN und KIRCH sowie eine Neubewertung des Potentials des PayTV gegenüber Free-TV, Internet und Computer führten schließlich zum Ausstieg der BERTELSMANNGRUPPE aus dem deutschen Pay-TV und zum Verkauf der von der BERTELSMANNtochter C L T - U F A gehaltenen Anteile an die KIRCHGRUPPE. PREMIERE und DF1 wurden zu PREMIERE WORLD verschmolzen. Der zum französischen Mischkonzern VIVENDI UNIVERSAL gehörende Sender CANAL PLUS blieb mit 25% der Anteile Minderheitsgesellschafter, 75% der Anteile und damit ein beherrschender Einfluß gelangten an die KIRCH P A Y - T V GmbH & Co. KGaA, die wiederum zu 69,75% im Besitz anderer Gesellschaften und Gesellschafter aus dem Umfeld der KIRCHGRUPPE sowie zu 22,3% im Besitz der zur NEWS CORPORATION GROUP gehörenden B S K Y B P A Y - T V Holding aus Großbritannien ist. Nach der Verschmelzung von PREMIERE und DF1 zu PREMIERE WORLD hat die KIRCHGRUPPE als alleiniger Eigentümer des Bezahlfernsehens in Deutschland ihre Geschäftsplanung daraufhin ausgerichtet, in Deutschland den Markterfolg von B S K Y B in Großbritannien bzw. den in der Größenordnung vergleichbaren Erfolg von CANAL PLUS in Frankreich in ähnlichen Zeiträumen zu wiederholen. Verluste aus der Vergangenheit sollten den Re-launch des PayTV nicht belasten. Mit der Möglichkeit ein Einstiegsangebot mit einem Querschnitt aus den angebotenen Programmbouquets anzubieten wurde die erfolglose, vormalige Hochpreis- bzw. Premiumstrategie verlassen und statt dessen mit der digitalen Übertragungstechnik der Weg zur Ausschöpfimg des Massenmarktes durch Differenzierung beschritten. Die Kostenstruktur wurde auf einen Break Even in den Größenordnung von ca. 3,5 Mio. Kunden gefahren, was ungefähr 10,1% der Haushalte in Deutschland entspricht. Der Break Even Point und damit der erste operative Gewinn in der Geschichte des Pay-TV in Deutschland sollte noch im Jahr 2001 erreicht werden. Wie der Vergleich in Tabelle 1 mit B S K Y B in Großbritannien zeigt, hat PREMIERE WORLD diese Zielgrößen nicht erreicht. 1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
BskyB (GB)
4,3
7,6
10,3
13,1
16,7
19,3
21,2
25,1
31,6
38,2
42,0
44,3*
Premiere (D)
0,3
0,9
2,1
2,4
3,0
3,8
4,6
4,8
5,8
6,3
6,3
6,9*
9,1
11,8
14,6
-2,8
-5,5
-7,7
Zielgrößen der Verschmelzung Premiere und DF1 Abweichung
(* Schätzungen) Tabelle 1:
Vergleich Marktpenetration
in Prozent der Haushalte
BskyB und Premiere
World2
Die Gründe dafür sind in der besonderen Wettbewerbssituation des Pay-TV in Deutschland zu sehen. Nirgendwo in Europa ist der Wettbewerb im Fernsehmarkt intensiver als in Deutschland (vgl. Abbildung 2). Allein das überwiegend gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen stellt mit dem ARD und ZDF (mit Werbung im Vorabendprogramm) sowie den über Satellit und Kabel bundesweit empfangbaren 8 (werbefreien) dritten Programmen, 10 Vollprogramme sowie mit 3 SAT, ARTE, Phönix und dem Kinderkanal (Kika) weitere Eigene Berechnungen auf Basis der Geschäftsberichte, BskyB, Premiere, DF1, Premiere World, Premiere.
Entwicklung des Pay-TV in Deutschland
125
4 bundesweit empfangbare (werbefreie) Spartenkanäle bereit. Hinzu kommen ca. 20 weitere Programme, von denen die reichweiten- und umsatzstärksten mit Ausnahme der Spartenkanäle Viva I, Viva II, MTV (Musik) und NTV (Nachrichten) zu einer der beiden sogenannten ,$enderfamilien" des BERTELSMANNKONZERNS (CLT-Ufa) bzw. der KIRCHGRUPPE (Prosieben-Satl-Media AG; vgl. Tabelle 2). 14
I
innnrinnnni-i
I
D Abbildung
I 2:
E
F
Landesweit
S
DK
zu empfangende
EL
IRL
NL
FIN
öffentlich-rechtliche
L
L
B
A
Programme
L
Senderbeteiligungen
Senderbeteiligungen C L T - U F A (BERTELSMANN)
SAT1 ProSieben Kabel 1
RTL
Tabelle
2:
P U K L
in der EU'
KIRCHGRUPPE
Spartensender: N24 HOT DSF Premiere
L
2 Super RTL VOX RTL
(Nachrichtenkanal) (Teleshopping) (Sport) (Pay-TV) Senderbeteiligungen
mit beherrschendem
Einfluß'
In Großbritannien hat das Pay-TV Angebot inzwischen regelmäßig einen größeren Anteil an Fernsehzuschauern als die beiden Programme der gebührenfinanzierten BBC und als die beiden Programme des werbefinanzierten Free-TV des Senders ITV. Während der Fernsehzuschauer in Großbritannien nur über das Pay-TV B S K Y B einen Zugang zu einem breiten Programmportfolio hat, fällt es PREMIERE in Deutschland schwer sich im Qualitätswettbewerb mit der Vielzahl öffentlich-rechtlicher und privater Konkurrenzangebote zu behaupten. Die Möglichkeit Inhalte exklusiv für Premierekunden zu reservieren sind auch für die KIRCHGRUPPE begrenzt. Die Umsätze privater Veranstalter im Free-TV sind deutlich höher ( 6 , 3 6 Mrd. € aus Werbeeinnahmen, Sponsoring, Merchandising und Lizenzverkäufen an Eigenproduktionen) als die Einnahmen im Pay-TV von ca. 0 , 6 Mrd. €. Die KIRCHGRUPPE hätte also bezogen auf ihre Erlössituation im Free-TV mehr zu verlieren als sie im Pay-TV gewinnen kann, wenn sie ihre Wettbewerbsposition im Free-TV Markt durch Programmverlagerungen ins Pay-TV schwächt. Nicht übersehen werden sollte auch, daß der Markt auf der Zuschauerseite StagnaEurostat, Datenbank AUVIS, Stand 2000. 4
KEK. 2002.
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Entwicklung des Pay-TV in Deutschland
tionstendenzen zeigt. Der Ausweitung des Programmangebots von durchschnittlich 8 auf 38 frei empfangbare Sender steht lediglich eine Steigerung der Fernsehnutzungsdauer um 37% von 135 auf 185 Minuten täglich gegenüber. Prognosen gehen da-von aus, daß die Fernsehnutzungsdauer in Zukunft stagnieren oder durch verstärkte Nutzung neuer Medien, Computer, Spiele und Internet - insbesondere bei jüngeren Zuschauern - rückläufig sein wird. Die Voraussetzungen fiir die Entwicklung von Pay-TV sind damit aufgrund der Wettbewerbssituation in Deutschland trotz vorhandener technischer Infrastrukturen (Kabelnetze und Satellitenübertragung) eher schlecht. In der Vergangenheit stellten wettbewerbsrechtliche Beschränkungen, u.a. die Untersagung der weitreichenden Kooperation zwischen der KLRCHGRUPPE und C L T - U F A (BERTELSMANN) auf dem Gebiet des Pay- und Digital-TV einen Widerstand dar, der die Bündelung der Kräfte der im Bereich des werbefinanzierten Free-TV miteinander konkurrierenden Konzerne und eine Reservierung von Inhalten für das Pay-TV verhinderte. Eingriffe in Eigentums- und Nutzungsrechte bei der Berichterstattung über Ereignisse von öffentlichem Interesse (vor allem Fußball) bildeten weitere massive Hindernisse für eine schnelle Marktdurchdringung über die exklusive Verwertung von Inhalten allgemeinen Interesses. Die zweite Fernsehrichtlinie der EU-Kommission erlaubt es den einzelnen Mitgliedsstaaten eine Liste von höchstens 10 Ereignissen zu erstellen, fiir die obligatorisch auch eine Berichterstattung im Free-TV zu ermöglichen ist. Durch die rundfunkrechtliche Regulierung sind PREMIERE im Bereich des Jugendschutzes ähnliche Fesseln angelegt wie den frei empfangbaren Sendern, auch hier muß eine Differenzierungsstrategie bei gleichbleibenden rechtlichen Rahmenbedingungen scheitern. (Die Argumentation des PREMIERE Vorstandsvorsitzenden KOFLER gegen die strikte Anwendung der Jugendschutzbestimmungen bei PREMIERE, daß technische Vorkehrungen die Minderjährigen sicherer schützen als die räumliche Trennung des Ausleihangebots in Videotheken, wurde mit öffentlicher Empörung aufgenommen.) Das Beispiel des US Pay-TV HBO (Home Box Office), der A O L - T I M E - W A R N E R GROUP zeigt, daß erfolgreiches Pay-TV auch in einem überbesetzten Fernsehmarkt (in den USA sind bis zu 60 Programme im Kabel und via Satellit empfangbar) möglich ist. Neben der exklusiven Vermarktung von Sport und Spielfilmen (Produktlinien die es bei PREMIERE auch gibt, wenn auch weniger exklusiv) setzt der US Sender auf eine Qualitätsstrategie durch Eigenproduktionen. HBO-Serien haben den Anspruch das zu zeigen, was man in den US Free-TV Sendern aufgrund des weit verbreiteten moralischen Rigorismus nicht sehen kann: Geschichten abseits der klischeebehafteten Hollywooddramaturgie. Daß HBO zur Refinanzierung seiner Eigenproduktionen mit dem Verkauf der Senderechte im europäischen Free-TV Erfolg hat, zeigt aber auch, daß man dieses Alleinstellungsmerkmal im US-Markt nicht auf Europa übertragen kann, da qualitativ hochwertige flktionale Inhalte, hierzulande auch im Free-TV, insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, die es in den USA nicht gibt, gesendet werden. Bemerkenswert ist aber, daß es HBO gelingt mit seinem Programm die Agenda in den anderen Medien zu bestimmen. Das Programm wird ausfuhrlich in anderen Medien kommentiert und kritisiert, es besitzt selbst Ereignischarakter, wobei der Medienverbund mit A O L - T I M E - W A R N E R geschickt genutzt wird. Was wiederum zeigt, daß für die Zukunft von PREMIERE entscheidend sein wird, welche Gesellschafterstruktur sich ergeben wird und welche Innovationen damit bei Programm und Technik möglich sein werden.
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Aufgabe 1 Erläutern Sie, warum die Gesellschafterstruktur von PREMIERE von großer Bedeutung für die strategische Positionierung des Pay-TV in Deutschland war und ist.
Aufgabe 2 Skizzieren Sie analog zu dem von PORTER entwickelten Instrumentarium eine Analyse der Wettbewerbsposition von PREMIERE.
Aufgabe 3 Prüfen Sie kurz (unter Verweis auf in Aufgabe 1 und 2 bereits diskutierten Zusammenhänge), welche der von SHAPIRO/VARIAN zusammengetragenen Besonderheiten der Produktion und Verwertung von Medien- und Informationsgütern auf das Pay-TV zutreffen.
Lösung
Aufgabe 1 Die strategische Wettbewerbsposition des Pay-TV in Deutschland hing insofern ganz entscheidend von der Gesellschafterstruktur ab, insoweit sich daraus die Möglichkeit der Abstimmung von Programminhalten mit den Veranstaltergruppen des Free-TV ergab bzw. ergeben hätte. Die EU-Kommission hat ein solches Vorgehen in der geplanten Kooperation zwischen dem BERTELSMANNKONZERN, der KIRCHGRUPPE und der DEUTSCHEN TELEKOM befurchtet und deshalb weitgehende Auflagen angekündigt um Einschränkungen des Wettbewerbs im Fernsehmarkt durch die Errichtung der MMBG zu verhindern. Dies führte dazu, daß die Kooperationspläne fallengelassen wurden. Der Dreierbund hätte in nahezu allen Teilen der Wertschöpfungskette eine marktbeherrschende Stellung erreicht. Dies gilt für die Verfügung über Inhalte (KIRCH und BERTELSMANN), für die Übertragungswege (Kabelnetz, DEUTSCHE TELEKOM) und für die Informationstechnik (Decoder, KIRCH zusammen mit dem Technikpartner N O K I A ) . Die KJRCHGRUPPE als beherrschender Gesellschafter des Pay-TV Senders PREMIERE W O R L D war dagegen darauf angewiesen, Pay-TV im Qualitätswettbewerb mit dem Free-TV, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und den Sendern der BERTELSMANN-Senderfamilie durchzusetzen. Diese repräsentieren zusammen mehr als zwei Drittel des Zuschauermarktes, die Sen-
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derfamilie der KIRCHGRUPPE knapp das verbleibende Drittel. Der intensive Wettbewerb zwischen den drei Senderblöcken im Free-TV fuhrt weiter dazu, daß eine Reservierung von exklusiven Inhalten wie bspw. der Erstaustrahlung von qualitativ hochwertigen Spielfilmen nur eingeschränkt möglich ist. Die Erlössituation der KIRCHGRUPPE hätte sich durch den Verlust von Marktanteilen im werbefinanzierten Free-TV verschlechtert. Die Fortfuhrung von PREMIERE außerhalb einer der bestehenden Senderfamilien ist ebenfalls eine problematische Option. Die strategische bedeutsame Schlüsselressource im TV-Markt sind Inhalte (Content). Die Zahl der Programmplätze für Spielfilme ist in Deutschland von ca. 1.000 im Jahr 1984 auf ca. 19.000 im Jahr 2001 gestiegen. Allein in den letzten 5 Jahren hat sich das gesendete Volumen nahezu verdoppelt. Für die enorme Nachfrage gibt es kein entsprechendes Angebot. Weltweit entstehen pro Jahr etwa 3.300 Kinofilme, doch sind dabei sämtliche Billigproduktionen der Dritten Welt mitgezählt sowie alle Gewalt- und Pornostreifen, die im deutschen Fernsehen schon aus Gründen des Jugendschutzes nicht gezeigt werden können. Indien ist mit einem Ausstoß von 700 Spielfilmen zwar das größte Produktionsland der Welt, als Lieferant von international wettbewerbsfähigem Material fällt es aber fast komplett aus. Der größte Teil der Nachfrage im internationalen Handel mit Filmrechten konzentriert sich auf sieben große amerikanische Studios und etwa zwei Dutzend unabhängige USProduzenten. Pro Jahr gelangen etwa 150 Filme aus dieser Produktion in deutsche Kinos. Der Vorrat an erstklassigem Spielfilmen ist so klein, daß die „Major Companies" zu einer Art Zwangsbewirtschaftung übergegangen sind. So bieten die großen Studios den Zwischenhändlern in der Regel sogenannte Output-Deals an, das heißt Verträge, die im Kern darauf abzielen, die wenigen Spitzenprodukte mit möglichst viel minderwertiger Ware zu verschneiden. Bei einem Output-Deal verpflichtet sich der Lizenznehmer, die gesamte Produktion eines Studios zu kaufen, und zwar über mehrere Jahre hinweg und das noch im voraus. Aktuelle Filme, die bei Vertragsabschluß bereits abgedreht sind und deren Marktchancen zumindest abzuschätzen wären, sind zumeist nicht Teil des Deals. Häufig muß der Händler zudem noch einen Teil des Archivs erwerben, Filme aus Altbestand also, die bereits einmal ins Ausland verkauft waren und deren Rechte nun an das Studio zurückgefallen sind - oder schlimmer noch: Filme aus Altbestand, die nie im Ausland zu sehen waren, weil sie nie einer zeigen wollte. Die Erwerber von Filmrechten müssen, um erfolgreich zu sein, über eine entsprechend differenzierte Verwertungskette verfugen. Die KIRCHGRUPPE erfüllte diese Voraussetzungen nicht nur wegen ihrer Senderfamilie mit PREMIERE als Pay-TV Kanal, PROSIEBEN als spielfilmorientiertes Premiumvollprogramm, Satl als Vollprogramm und Kabel 1 als Abspielstation für klassisches Spielfilmmaterial und klassische Show-Formate in nahezu idealer Weise, sondern auch durch die Marktfuhrerschaft im Handel mit Film- und Sportrechten, die einzelne Unternehmen der KICHGRUPPE inne hatten.
Aufgabe 2 PORTER differenziert zwischen drei Grundtypen von Wettbewerbsstrategien: (1) Kostenfuhrerschafit, (2) Technologiefuhrerschaft bzw. Produktdifferenzierung und Innovation und (3) Konzentration auf Schwerpunkte und Stärken bzw. Nischenstrategien. Für die strategische Positionierung der TV-Sender im deutschen Zuschauermarkt von Bedeutung sind allein Produktdifferenzierungs- und Innovationsstrategien auf der einen und Nischenstrategien auf der
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anderen Seite. Strategien der Kostenführerschaft für das Produkt Fernsehen sind im Werbemarkt denkbar, müssen hier aber nicht thematisiert werden, da der Markt von PREMIERE aufgrund seines direkten Erlösmodells in erster Linie der Zuschauermarkt ist. Der Zuschauermarkt läßt sich in der Marktdimension Bezahlung, wie in Abbildung 3 gezeigt, abhängig von der Nutzung beschreiben. Ohne Entgeld: RTL SAT1 ProSieben RTL II Kabel 1 Super RTL NTV MTV Viva ...etc... Abbildung 3:
ARD/ZDF Dritte
Premiere
Premiere Pay-Per-View
J Bezahlung nutzungsunabhängig
Zuschauermarkt
in der Dimension
Bezahlung mengenunabhängig
Hoher Grad an nutzungsabhängiger Bezahlung
Bezahlung
Bei der strategischen Positionierung der einzelnen Sender kann unterschieden werden, ob diese bezogen auf den Zuschauermarkt eine Gesamtmarktstrategie, einen möglichst großen Anteil an allen Fernsehzuschauern erreichen wollen oder ob mit dem Programm letztlich eine bestimmte Zielgruppe erreicht werden soll, bspw. die Gruppe der 14-19 Jährigen die sich für Musik interessieren, deren Aufmerksamkeit dann wiederum an Werbekunden verkauft werden kann, die sich für diese Zielgruppe interessieren. Eine Nischenstrategie erleichtert die Marktdurchdringung, weil Sendungen z. B. im Fall des Musiksenders Viva sehr präzise auf eine Nische abgestimmt werden können. ARD und ZDF dagegen sind durch den gesetzlich verankerten Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gezwungen ein Programm zu machen, das auf einen großen Anteil am Gesamtmarkt abzielt. Aber auch davon gibt es Ausnahmen. In der Vorabendzeit, in der ihnen die Einblendung von Werbespots erlaubt ist, zielen ARD und ZDF mit Serien auf ein eher junges Publikum im Alter von 14 bis 49 Jahre, weil diese Gruppe von der Werbewirtschaft am stärksten nachgefragt wird. hat als Pay-TV eine neue Dimension im Zuschauermarkt eröffnet, nämlich, wie in Abbildung 3 bereits gezeigt, die unterschiedliche Bezahlung von Fernsehprogrammen. Bisher mußte der Zuschauer nutzungsunabhängig Gebühren für das öffentlich-rechtliche Fernsehen bezahlen, so er ein Empfangsgerät besitzt. Die Bezahlung im Pay-TV ist dagegen nutzungsabhängig. Im Preiswettbewerb ist das Pay-TV daher grundsätzlich unterlegen. Es ist zwangsläufig auf eine Differenzierungs- und Innovationsstrategie festgelegt; der weitgehende Verzicht auf einen Programmbetrieb im herkömmlichen Sinn und eine Beschränkung auf die Verwertung von Lizenz- und Übertragungsrechten im Pay-Per-View-Verfahren ist eine denkbare, aber beim gegenwärtigen Stand der Technik und Marktdurchdringung noch unrealistische Option. In jedem Fall aber müßte das Pay-TV den Qualitätswettbewerb mit dem FreeTV für sich entscheiden. Porter bietet für beide Wettbewerbsarten eine einfache Heuristik zur Bestimmung von Stärken und Schwächen in der Wettbewerbsposition an. PREMIERE
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Abbildung 4:
Entwicklung des Pay-TV in Deutschland
Wettbewerbskräfte im Pay-TV
(a) Die Position gegenüber den Ressourcenbesitzern, also den Besitzern von Film und Sportübertragungsrechten ist schwach. Es gibt weder eine genügend große Zahl von geeigneten Anbietern und Angeboten noch Alternativen. Die Marktbedingungen werden daher wesentlich von den Contentproduzenten bestimmt, die Möglichkeit zur Vorwärtsintegration, bspw. eigene Pay-TV Vermarktung von Ligaspielen oder der Formel 1 ist durchaus diskussionswürdig. Die Veranstaltung von Pay-TV ist nur von einer starken Position im Contentmarkt, sei es durch langfristige Verträge, der Fähigkeit zur Eigenproduktion oder dem Besitz entsprechend großer Programmvorräte aus denkbar. Ökonomisch basiert Pay-TV auf der vertikalen Integration entlang der TV-Wertschöpfungskette und steht daher im Kontext der weltweit zu beobachtenden Konzentration bei den elektronischen Medien.
Entwicklung des Pay-TV in Deutschland
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(b) Die Wettbewerbsintensität auf dem deutschen Pay-TV Markt ist mit nur einem Anbieter prima facie gering. Zieht man aber in Betracht, daß sich der Zuschauermarkt für Free-TV und Pay-TV nur ungenügend gegeneinander abgrenzen lassen, dann ergibt sich in allen Punkten eine hohe Wettbewerbsintensität. Die Ausstiegsbarrieren sind wegen der Lizenzierungspraxis (man kann seine Lizenz nicht verkaufen) und der großen getätigten Investitionen hoch. Der Konzentrationsgrad ist ebenfalls hoch, die Fixkosten des Sendebetriebs fallen gegenüber den sonstigen Kosten allerdings nicht übermäßig ins Gewicht. Um im Zuschauermarkt bei Überkapazitäten bestehen zu können sind aufwendige Markenbildungsstrategien essentiell. Unterschiedlichkeit und Internationalität der Anbieter sowie die in rivalisierende Senderfamilien geordneten Beteiligungsverhältnisse tragen zur hohen Wettbewerbsintensität im gesamten TV-Markt bei. Hinzu kommt, daß auch die öffentlich rechtlichen Anbieter ihr Programmangebot im Rahmen der Bestandsgarantie aus dem 4. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1986, das ihnen ausdrücklich erlaubt an der technischen Entwicklung mit eigenen zusätzlichen Angeboten teilzunehmen, weiter ausweiten und auch weiter auf eine Legitimation der TV-Gebühren durch eine entsprechende Zuschauerbeteiligung angewiesen sind. (c) Limitierter Zugang zu Inputfaktoren (Programm), die Kosten- und Größenvorteile der etablierten Anbieter, lange Lernkurven und zu erwartende Gegenmaßnahmen des Wettbewerbs (Kopierbarkeit von Konzepten) sind allesamt relevante Markteintrittsbarrieren für Free- und Pay-TV. Im Pay-TV Markt sind die Barrieren durch die unter (a) schon referierte Knappheit an Programmressourcen besonders hoch. Technisch bedingt sind sie demgegenüber mit der digitalen Übertragungstechnik niedriger geworden, die einer Lizenzierung weiterer Programme entgegenstehende Frequenzknappheit besteht für digitale Angebote nicht. Die Distribution wird allerdings durch den wenig entwickelten Decodermarkt und die Einspeisungsregulierung durch die Landesmedienanstalten erschwert. (d) Die Bedrohung der Wettbewerbsposition von PREMIERE durch Substitute bzw. Alternativen ist außerordentlich groß. Wer in einen Decoder investiert hat, befindet sich als Kunde zwar in einer Lock-In-Situation, die Anschaffungskosten wären verloren, würde das Abonnement gekündigt, aber das Ausmaß des Lock-In wird durch die Möglichkeit nutzungsabhängige Entgelte einzusparen begrenzt. Alternativen sind entleihbare Videos oder der Kinobesuch. Beides ist für gewöhnlich (von Bringdiensten beim Video einmal abgesehen) nicht vom Sofa aus zu erledigen und bedarf der Planung. Die Auswahl an Filmen (Video-/DVD-Verleih) bzw. die Aktualität des Filmes (Kino) dürften aber besser sein. Langfristig und mit Weiterentwicklung der Breitbandkommunikation dürfte auch das Internet ein alternativer Distributionsweg für Inhalte des Pay-TV sein. (e) Die Vergleichsmöglichkeiten des Kunden von PREMIERE mit Free-TV sind sehr gut, er kann ohne weitere Umstände sowohl Free- als auch Pay-TV auf seinem Fernsehgerät anschauen, es bedarf nur eines Tastendrucks auf der Fernbedienung. Der Fernsehmarkt ist darüber hinaus dem Zuschauer in besonderer Weise transparent. Die gilt für Preise und Gebühren ebenso wie für Inhalte, die durch spezielle Programmzeitschriften, Tageszeitungen, Supplements, im Internet oder im Hörfunk und Fernsehen selbst bekannt gemacht, beworben und mehr oder minder fachkundig kritisiert werden. Der Zuschauer verfugt also in der Regel über einen extrem hohen Grad an Marktübersicht, die kostenlos oder sehr günstig über verschiedene Medien zu erreichen ist. Er kann sich auch direkt einen Eindruck verschaffen und prüfen, ob ihm etwa eine werbefreie Formel 1 Übertragung in PREMIERE, bei der er als Digitalkunde die Möglichkeit hat zwischen verschiedenen Kameraperspektiven zu wählen (was gegenüber der professionellen Bildauswahl der Regie in der Regel zu schlechteren Ergebnissen fuhren dürfte, aber vielleicht spielerischen Reiz hat), das zu entrichtende Entgelt wert ist,
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oder ob er die von Werbung unterbrochene Übertragung im Free-TV vorzieht. Die geringe Marktdurchdringung und Reichweite von PREMIERE führt darüber hinaus dazu, daß der Sender selbst bei exklusiven Inhalten nicht vom Mitläufereffekt profitieren kann. Der Mitläufereffekt ist das programmspezifische Äquivalent zu den positiven Netzwerkexternalitäten bei Medien und Informationsgütern. Der Nutzwert, eine populäre Fernsehsendung zu schauen, erhöht sich, wenn man weiß, daß auch viele andere zusehen, mit denen man am Arbeitsplatz, in der Schule oder in geselliger Runde darüber sprechen kann. Die Nachfrage des einzelnen, hängt von der Nachfrage der anderen ab. Käuferneigung und Präferenzen sind daher nur sehr schwer für das Pay-TV oder einzelne Sendungen im Pay-Per-View-Verfahren zu mobilisieren.
Aufgabe 3 SHAPIRO/VARIAN weisen insbesondere auf (a) die abnormale Kostenstruktur von Medien und Kommunikationsgütern, (b) Lock-In, (c) positive Netzwerkexternalitäten, (d) positive und negative Rückkopplungseffekte sowie auf (e) Besonderheiten der Regulierung und des Wettbewerbs hin.
(a) Medien- und Informationsgüter besitzen in der Regel eine besondere Kostenstruktur, anders als bspw. in der Automobilindustrie konvergieren die Kosten für eine zweite Kopie eines Gutes „quasi" (verglichen mit den Herstellungskosten) gegen 0 bzw. fallen nur wenig ins Gewicht. So ist es für die Kosten einer Sendung gleich, ob nur einer oder Millionen Menschen zuschauen. Anhaltspunkte für den Wert eines Medien- und Kommunikationsgutes lassen sich daher kaum über die Herstellungskosten gewinnen, dieser hängt allein vom schwer vorauszuschätzenden Kundennutzen ab. Geistiges Eigentum ist so zu vermarkten, daß nicht sein Schutz, sondern sein Wert maximiert wird. Der Kundennutzen läßt sich steigern durch Individualisierung und Erleichterung des Zugangs zu Medien- und Informationsgütern. Image- oder Markenbildung sind notwendige Voraussetzungen für Vertrauen und Orientierung. Geschicktes Zusammenfassen von Leistungen (Packaging, Bundling) und Zusammenarbeit mit Anbietern von komplementären Leistungen können den Kundennutzen weiter erhöhen und die Marktposition verbessern. (b) Lock-In ergibt sich für Premierekunden, durch die Investition in einen Decoder oder eine langfristige Vertragsbindung (Aufgabe 2d). Auf Beschaffungsseite ist Lock-In bspw. bei den „Outputdeals" mit den Filmstudios ebenfalls eine relevante Größe. (c) Im TV Zuschauermarkt entspricht der Mitläufereffekt den positiven Netzwerkexternalitäten (vgl. Aufgabe 2e). (d) Positive Rückkopplungseffekte sind beim Pay-TV zu beobachten, wenn eine kritische Masse an Zuschauern erreicht wird (Beispiel BSKYB; vgl. Aufgabe 1). PREMIERE ist von einem solchen Durchbruch noch weit entfernt und kann in der Regel nicht vom Mitläufereffekt oder anderen Effekten die zu positiver Rückkopplung führen, profitieren. Positive Rückkopplung ist auch relevant bei technischen Standards, oft reicht nur ein geringer Vorsprung im Marktanteil um einen Wettbewerb ein für alle mal zu entscheiden (Beispiel: Decoderstreit).
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(e) Die besondere, rundfunkspezifische Regulierung fuhrt zu einer erheblichen Einschränkung von Eigentumsrechten (bspw. 2. Fernsehrichtlinie der EU - siehe Aufgabe 1 oder schärfere Jugendschutzbestimmungen als z. B . im Fall von Videos). Für PREMIERE relevant sind darüber hinaus weitere im Informations- und Medienmarkt „übliche" Einschränkungen der Durchsetzbarkeit von Eigentumsrechten, wie illegale Kopien von Smartcards und der damit illegalen Entschlüsselung von Sendungen.
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Entwicklung des Pay-TV in Deutschland
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Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern GERRIT BRÖSEL
MICHAEL OLBRICH
[email protected]
[email protected]
TECHNISCHE UNIVERSITÄT
FERN-UNIVERSITÄT,
ILMENAU
HAGEN (WESTF.)
Unter dem Begriff der Unternehmungskultur wird hier nach SCHEIN die Gesamtheit der erlernten Grundannahmen, Wertvorstellungen und Normen verstanden, die von den Mitgliedern einer Unternehmung geteilt werden, um die Schwierigkeiten der inneren Abstimmung und des Zusammenhalts der Unternehmung - der internen Integration - sowie ihrer Anpassung an die Außenwelt - der externen Adaption - zu bewältigen. Die Situation eines Rundfunkanbieters wird durch seine Unternehmungskultur somit in zwei Richtungen beeinflußt: Einerseits bestimmt sie die Art und Weise des Umgangs der Unternehmungsmitglieder untereinander und determiniert so die Effektivität der innerbetrieblichen Abläufe; andererseits lenkt sie das Auftreten des Rundfunkanbieters auf seinen Absatz- und Beschaffungsmärkten und steuert seine Reaktionen gegenüber ökonomischen, juristischen, technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Aufgrund der Wirkungen der Unternehmungskultur - sowohl auf die internen Prozesse und Strukturen als auch auf das Verhalten der Unternehmung gegenüber ihrer Umwelt - hat sie einen wesentlichen Einfluß auf die Effektivität des Rundfunkanbieters sowie seine Zielerfullung und ist deshalb für seinen betrieblichen Erfolg von entsprechender Bedeutung.
Aufgabe 1 Erläutern Sie die Elemente der Unternehmungskultur.
Aufgabe 2 Zur Typologisierung der Rundfunkanbieter hinsichtlich ihrer Unternehmungskultur wird auf die einfache Kulturmatrix von DEAL/KENNEDY zurückgegriffen. Welche Indikatoren wählen DEAL/KENNEDY aus? Stellen Sie diese Kulturmatrix graphisch dar und ordnen Sie die verschiedenen Kulturtypen in die Matrix ein. Welche Überlegungen liegen den in der Matrix dargestellten Kulturtypen zugrunde?
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Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
Aufgabe 3 Was ist bei der Eingliederung von Unternehmungen in die Matrix zu beachten? Ordnen Sie öffentlich-rechtliche sowie private Rundfunkanbieter (insbesondere Fernsehveranstalter) den Kulturtypen zu und stellen Sie die Zuordnung graphisch dar.
Aufgabe 4 Die Rundfunkbranche ist bereits seit geraumer Zeit durch Unternehmungsumstrukturierungen und Unternehmungsübernahmen gekennzeichnet, wie sie beispielsweise im Zuge der Zerschlagung der sogenannten Kirch-Gruppe zu beobachten waren. Skizzieren Sie die mit einer Übernahme verbundenen kulturellen Folgen für die Mitarbeiter des Akquisitionsobjektes und die damit einhergehenden Konsequenzen für den Übernahmeerfolg.
Aufgabe 5 Stellen Sie mögliche Strategien dar, mit denen einer Beeinträchtigung des Übernahmeerfolges aufgrund eines Kulturschocks der Mitarbeiter des akquirierten Rundfunkanbieters entgegengewirkt werden kann.
Lösung
Aufgabe 1 Die Elemente der Unternehmungskultur können nach dem Kulturebenenmodell von SCHEIN in drei verschiedene Gruppen - den Ebenen der Unternehmungskultur - eingeteilt werden, und zwar in die Ebene der Basisannahmen, die Ebene der Werte und Normen und die Ebene der Artefakte. Die Grundlage und damit die erste Ebene der Unternehmungskultur stellen die Basisannahmen dar; es handelt sich bei ihnen um zumeist unbewußte, für selbstverständlich gehaltene Auffassungen der Unternehmungsmitglieder über das Wesen der Welt, des Menschen und der Unternehmung, die ergänzt werden durch Vorstellungen über die Realität, Zeit und Raum. So geben Weltbilder Auskunft darüber, ob die Abläufe und Geschehnisse der Umwelt beispielsweise als Bedrohung oder als Chance, als beeinflußbar oder vorherbestimmt anzusehen sind. Menschenbilder definieren, ob es sich bei Menschen - wie beispielsweise den Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten des Rundfunkanbieters - um prinzipiell gute, strebsame, soziale oder vielmehr bösartige, faule und opportunistische Wesen handelt. Unter-
Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
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nehmungsbilder zeigen, wie der Rundfunkanbieter selbst gesehen wird; so kann er unter anderem als Organismus oder als Maschine interpretiert werden. Die zweite Ebene der Unternehmungskultur stellen Werte und Normen dar, die sich beispielsweise in Ge- und Verboten, Richtlinien und Grundsätzen niederschlagen. Im Vergleich zu den kulturellen Basisannahmen sind sie den Unternehmungsangehörigen weitaus bewußter und weniger selbstverständlich und können daher auch zur Diskussion gestellt werden. Bezüglich des Zusammenhangs zwischen den Bestandteilen der ersten und zweiten Unternehmungskulturebene ist zu beachten, daß sich sowohl Werte und Normen aus den bestehenden Basisannahmen entwickeln als auch bestimmte Einstellungen der zweiten Ebene mit der Zeit so selbstverständlich werden, daß aus ihnen Basisannahmen erwachsen. Die Bestandteile der dritten Kulturebene sind die Artefakte, die Schöpfungen der Unternehmungskultur, wie das Firmenzeichen des Rundfunkanbieters, die Gestalt seiner Organisationsstruktur, die Form seiner Entlohnungs- und Beförderungssysteme, die Architektur seiner Betriebsgebäude, die Kleidung und Sprache der Mitarbeiter, die zwischen ihnen kursierenden Geschichten und die in der Unternehmung gepflegten Rituale in Form von Betriebsfesten, Arbeitsfrühstücken und ähnlichem. Die Artefakte stellen dabei Symbole dar, in denen sich die kulturellen Basisannahmen, Werte und Normen der Mitarbeiter manifestieren. Für unternehmungsexterne Personen sind die Artefakte der Unternehmungskultur daher zwar leicht wahrzunehmen, aber im Hinblick auf ihren symbolischen Inhalt nur schwierig zu interpretieren. Von erheblicher Bedeutung sind die kulturellen Symbole insofern, als die Unternehmungskultur durch sie kommuniziert wird; treten neue Mitarbeiter in den Rundfunkanbieter ein, erlernen sie die in ihm vorherrschenden Werte, Normen und Basisannahmen durch die Deutung der kulturellen Artefakte. Einen graphischen Überblick über die skizzierten Kulturebenen gibt Abbildung 1.
Abbildung 1:
Das Kulturebenenmodell von SCHEIN
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Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
Aufgabe 2 In der einfachen Kulturmatrix nach DEAL/KENNEDY werden in einem Koordinatensystem die Variablen „Reaktion des Marktes" und „Risiken des Marktes" abgetragen. Die Klassifizierung der Unternehmungen erfolgt somit in Anbetracht ihrer geschäftlichen Umwelt und des relevanten Absatzmarktes. Bei der Einordnung einer Unternehmung in die Kulturmatrix stellen sich die Fragen, wie schnell der Markt auf eine Handlung der Unternehmung reagiert („Reaktion des Marktes") und w i e risikoreich die Entscheidungsfindungen der Unternehmung sind („Risiken des Marktes"). Während beim Indikator „Reaktion des Marktes" in „langsame" und „schnelle" Reaktionen zu differenzieren ist, bedarf es hinsichtlich der Variable „Risiken des Marktes" der Unterscheidung in „niedrig" und „hoch". DEAL und KENNEDY identifizieren in ihrer Matrix, die in Abbildung 2 dargestellt ist, vier verschiedene Typen von Unternehmungskulturen: die „Verwaltungskultur", die „Spielerkultur", die „Leistungskultur" und die „Kultur der tollen Burschen".
Leistungs-
Kultur der
kultur
tollen Burschen
Verwaltungs-
Spieler-
kultur
kultur
niedrig
hoch
Risiken des Marktes
Abbildung
2:
Die Kulturmatrix von
DEAL/KENNEDY
Den in der Matrix dargestellten Kulturtypen liegen folgende Überlegungen zugrunde: Werden die Unternehmungen der „ Verwaltungskultur" zugeordnet, agieren sie auf einem (relevanten) Absatzmarkt, auf dem die Mitarbeiter der Unternehmung geringe Risiken eingehen und in dem die Wirkungen der getroffenen Entscheidungen gar nicht oder kaum beurteilt werden können. Für die Unternehmung, für die eine Rückkopplung des Marktes praktisch nicht existiert, gilt das Risiko bei Einzelentscheidungen als niedrig. Entscheidungen werden deshalb gewöhnlich standardisiert in historisch begründeten schematischen Verfahren getroffen, wobei Verfahrenssitzungen eine gewichtige Rolle spielen. Die diesem Kulturtyp zurechenbaren Unternehmungen funktionieren so lange, wie diese Routine aufrechterhalten werden kann und dafür gesorgt wird, daß auftretende Irrtümer korrigiert werden. Der „Verwaltungskultur" können vor allem die Unternehmungen der öffentlichen Verwaltung zugeordnet werden. Anpas-
Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
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sung, Pflichterfüllung und Kontinuität gehören zu den typischen Werten dieser Kulturausprägung. Steht bei den Entscheidungen einer Unternehmung im allgemeinen viel auf dem Spiel und sind die Auswirkungen dieser Entscheidungen erst mit einer gewissen Zeitverzögerung erkennbar, wird diese Unternehmung der ,ßpielerkultur" zugeordnet. Unter diesen Kulturtyp fallen Unternehmungen, die regelmäßig bedeutende kapitalintensive Sachinvestitionen mit ungewissem Ausgang tätigen. Hierzu zählen beispielsweise Flugzeug- und Automobilhersteller sowie Unternehmungen der Pharma- und Chemiebranche. Während Techniker, Fachleute und erfahrene Praktiker die typischen Organisationsmitglieder sind, stellt der Erfolg den zentralen Wert dieser Unternehmungskultur dar. Innerhalb einer der „Leistungskultur" zurechenbaren Unternehmung sind die Mitarbeiter relativ geringen Risiken und einer schnellen Rückkopplung über den Erfolg ihrer Handlungen auf dem relevanten Absatzmarkt ausgesetzt. Diese Ausprägung ist vor allem bei verkaufsorientierten Unternehmungen zu finden, die bei rascher Erfolgsmeldung geringen Einzelrisiken unterliegen. Zu diesen Unternehmungen zählen u. a. Handelsunternehmungen, Vertriebsgesellschaften und Schnellrestaurants. Typische Werte dieser Kulturausprägung sind ständige Aktivität, Leistung, Umsatz und Mannschaftsgeist. MotivationsfÖrdernd wirken im Rahmen der „Leistungskultur" z. B. umsatzorientierte Wettbewerbe, Ehrungen und Feiern. Die Mitglieder der ,JCultur der tollen Burschen" sind oft hohen Risiken ausgesetzt und erhalten schnell Informationen über die Angemessenheit ihrer getroffenen Entscheidungen. Schnelligkeit ist innerhalb dieses Kulturtyps in Anbetracht der bestehenden harten Konkurrenz auf dem Absatzmarkt auch bei der Entscheidungsfindung gefragt: Damit die Entscheidungsfindung nicht in ständige Improvisation ausufert, sind Planungsmechanismen erforderlich, die schnelle und dennoch fundierte Entscheidungen zulassen. Der „Kultur der tollen Burschen" sind u. a. die Mode- und Werbebranche zuzuordnen. Charakteristische Werte der „tollen Burschen" sind Tempo, Risikofreude und Individualität.
Aufgabe 3 verfolgen mit ihrer Kulturmatrix die Absicht, die zu beobachtenden Organisationskulturen grob zu systematisieren und zu veranschaulichen. Im Rahmen der zweidimensionalen Darstellung lassen sich mithin nur einige extreme Kulturtypen abgrenzen. Bei der Eingliederung von Unternehmungen in die Matrix ist zu beachten, daß die Kulturtypen innerhalb einer Unternehmung selten in ihrer reinen Form vorzufinden sind. Trotz der Grobheit des Rasters, der mangelnden Bestimmtheit bei der Abgrenzung zwischen den Ausprägungen der beiden Indikatoren und der somit relativ willkürlichen Festlegung der Quadranten sollen nunmehr die Rundfunkanbieter in die vorgestellte Kulturmatrix von DEAL/KENNEDY integriert werden. Obwohl anzunehmen ist, daß auch bei Rundfiinkveranstaltern die Kulturtypen vorwiegend in hybrider und heterogener Gestalt anzutreffen sind, soll die Zuordnung der verschiedenen Rundfunkanbieter zu dem „charakteristischsten" Kulturtyp erfolgen. Hierzu ist es erforderlich, private und öffentlich-rechtliche Programmveranstalter hinsichtlich der Indikatoren „Reaktion des Marktes" und „Risiken des Marktes" zu beurteilen, wobei der Terminus Markt den entsprechend ihres Sachzieles relevanten Absatzmarkt eingrenzen soll: DEAL/KENNEDY
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Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
Sowohl private als auch öffentlich-rechtliche Programmveranstalter stehen einem sich ständig ändernden, u. a. von Modewellen beeinflußten Rezipientengeschmack gegenüber. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, finden tägliche Erfolgsmessungen statt, welche die Transparenz des Rezipientenmarktes erhöhen sollen. Die Rundfunkveranstalter sind somit einer schnellen Reaktion der Teilnehmer des Absatzmarktes für Fernsehprogramme ausgesetzt, die sich bei vollständig oder teilweise durch Werbung finanzierten Programmen unmittelbar auf den Absatzmarkt für Werbezeiten auswirkt. Abgesehen von einer möglichen Kündigungsfrist der Rezipienten abonnemententgeltfinanzierter Programme, beeinflußt das Programmangebot entgeltfinanzierter Sender die Absatzsituation dieser Fernsehveranstalter ebenfalls direkt. Bezüglich des Indikators Reaktion des Marktes" soll somit für private werbefinanzierte sowie für private entgeltfinanzierte Rundfiinkanbieter gelten, daß eine Reaktion der in Anbetracht ihres Sachzieles relevanten Märkte - dem Absatzmarkt für Werbezeiten sowie dem Rezipientenmarkt - unmittelbar erfolgt und demzufolge eine schnelle Marktreaktion unterstellt werden kann. Auch für öffentlich-rechtliche Anbieter ist beim Indikator „Reaktion des Marktes" auf den bezüglich der Zielsetzung relevanten Markt abzustellen. Vor dem Hintergrund des Programmauftrages handelt es sich hierbei - neben der „breiten Zuschauermasse" - (auch und besonders) um das Minderheitenpublikum, deren Erfassung durch spezielle Quotenmessungen jedoch nicht gleichermaßen minuziös erfolgt und erfolgen kann. Darüber hinaus entfalten die im Rahmen der Sozialisierungsaufgabe erforderlichen Programminhalte ihre positiven Wirkungen nicht sofort. Somit wäre es nicht gerechtfertigt, auch bei öffentlich-rechtlichen Anbietern von einer schnellen „Reaktion des Marktes" zu sprechen. Die für die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter relevanten Reaktionen spiegeln sich in der Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Programme und deren Ansehen in der Öffentlichkeit sowie der Akzeptanz der Gebühren und ihrer Höhe durch die Rezipienten wider. Diese Faktoren induzieren bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern eine verzögerte „Reaktion des Marktes". Seit Entstehung des dualen Systems entwickelt sich der Rundfunkmarkt rasant. Hier ist sowohl auf das Tempo der technischen Entwicklung in dieser Branche als auch auf die unterschiedlichen, innovativen Angebotsformen sowie die wachsende Zahl der anbietenden Sender hinzuweisen. Ein hohes Wachstumspotential kennzeichnet nicht nur den Markt, sondern weisen auch die einzelnen darin agierenden privatrechtlich organisierten Rundfunkunternehmungen selbst auf. Bei diesen Unternehmungen stehen den höheren Chancen entsprechend höhere Risiken entgegen. So sind beispielsweise trotz neuer, kostengünstigerer Übertragungstechniken hohe Anfangsinvestitionen erforderlich und somit erhebliche Marktzutrittsbarrieren zu überwinden. Private Rundfunkanbieter unterliegen insgesamt hohen ,Jlisiken des Marktes". Auch wenn öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter auf demselben Markt agieren, lassen sich zwei wesentliche, die „Risiken des Marktes" betreffende Unterschiede identifizieren: •
Öffentlich-rechtliche Fernsehveranstalter bestehen nicht erst seit der Öffnung des Rundfunks für private Anbieter, sondern zehren seither von ihrem (stetig schrumpfenden) Wettbewerbsvorsprung.
•
Das Marktrisiko wird insbesondere durch die Regelungen des § 11 Rundfunkstaatsvertrag insoweit gemildert, als den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern eine funktionsgerechte Finanzausstattung sowie deren Bestand und Entwicklung garantiert wird.
Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
141
Insgesamt läßt sich feststellen, daß öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter auch in diesem dynamischen Markt vergleichsweise niedrigen „Risiken des Marktes" unterliegen. Die Einordnung der beiden Anbieterformen des dualen Rundfunksystems in die Kulturmatrix von DEAL/KENNEDY zeigt Abbildung 3. Private Rundfunkveranstalter unterliegen hohen „Risiken des Marktes" und einer schnellen „Reaktion des Marktes". Sie sind der „Kultur der tollen Burschen" zuzuordnen. Die „Kultur der tollen Burschen" verlangt kurzfristige Entscheidungen sowie zur Risikoabsicherung fundierte Problemlösungsprozesse, was wiederum die konsequente Anwendung eines entsprechenden branchenspezifischen modernen betriebswirtschaftlichen Werkzeugs erfordert. Dieses Werkzeug ist hauptsächlich innerhalb der Programmplanung gefragt, weil die Fernsehveranstalter ihre größten Einsparpotentiale im Bereich der Programmkosten identifizieren. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter hingegen sind niedrigen „Risiken des Marktes" und hinsichtlich ihrer Zielsetzung einer langsamen „Reaktion des Marktes" ausgesetzt. Die Zuordnung erfolgt somit zur „Verwaltungskultur". Diese Zuordnung darf auf keinen Fall die Vernachlässigung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse und Modelle durch die öffentlichrechtlichen Rundftinkanbieter nach sich ziehen, sondern erfordert vielmehr sowohl die strenge restriktive Auslegung und Befolgung des Programmauftrages im Sinne eines komplementären Angebots als auch die gewissenhafte Einhaltung der u. a. im Rundfunkstaatsvertrag kodifizierten Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Leistungskultur
Kultur der tollen Burschen
( \
\ \
Privater Rundfunk
\ \
ÖffentlichX rechtlicher \ \ Rundfunk
Verwaltungskultur
Spielelkultur
niedrig hoch Risiken des Marktes Abbildung 3:
Die Darstellung
der Rundfunkanbieter
in der
Kulturmatrix
Aufgabe 4 Wird ein Rundfunkanbieter von einer anderen Unternehmung übernommen, geht dies häufig mit kulturellen Spannungen zwischen den Mitarbeitern von Akquisitionsobjekt und Käufer-
142
Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
Unternehmung einher: Die jeweiligen Wertvorstellungen der erworbenen Unternehmung treffen auf jene des Investors; tradierte, langfristig gewachsene Normengefuge und Verhaltensregeln, die unter den Beschäftigten des Akquisitionsobjektes Gültigkeit besaßen, werden im Zuge der Integration durch die entsprechenden Wertmuster des Käufers in Frage gestellt. Eine solche „Kulturkollision" löst bei dem Personal des übernommenen Rundfunkanbieters einen Kulturschock aus: Die plötzliche Konfrontation mit neuen, fremd anmutenden kulturellen Gegebenheiten und Zielvorgaben sowie das damit verbundene Infragestellen der eigenen, bislang gepflegten Wertvorstellungen fuhren zu Motivationseinbrüchen der Belegschaft, zu Orientierungslosigkeit und innerbetrieblichen Koordinationsproblemen. Als Konsequenzen einer solchen Konstellation entwickeln sich zwischen beiden Unternehmungen Barrieren, die auf Unverständnis oder einer ablehnenden Haltung des Akquisitionsobjektes gegenüber Maßnahmen des Käufers basieren, so daß letztlich beide Parteien innerhalb des neugeschaffenen Verbundes nicht miteinander, sondern aneinander vorbei oder sogar gegeneinander arbeiten. Die dadurch entstehenden erfolgsmindernden Kulturwirkungen zeigen sich in Gestalt von Produktivitätseinbrüchen, Widerständen sowie Kündigungen der Angehörigen des akquirierten Anbieters, Friktionen in der Abstimmung zwischen beiden Unternehmungen und dem damit einhergehenden höheren Koordinations- und Kontrollaufwand sowie einer entsprechenden Beeinträchtigung des angestrebten Akquisitionserfolges. Das Ausmaß der Erfolgsbeeinträchtigung ist dabei von drei Kriterien abhängig, und zwar der Kulturrelevanz, dem Kulturkontakt und den Kulturdifferenzen. Die Voraussetzung der Kulturrelevanz ist bei jenen Übernahmezielsetzungen des Käufers erfüllt, deren Realisierung einer Mitwirkung des Personals des akquirierten Rundfunkanbieters bedarf. Von Bedeutung ist dieses Kriterium, weil sich der Kulturschock auf der individuellen Ebene der Mitarbeiter der erworbenen Unternehmung abspielt und damit ihr Verhalten beeinflußt. Benötigt der Käufer zur Erreichung seiner Ziele einen Beitrag dieses Personals, weist die Kulturkollision damit eine entsprechende Relevanz für ihn auf. Ist die Mitwirkung der Beschäftigten des Akquisitionsobjektes dagegen nicht zur Realisierung der avisierten Zahlungsströme vonnöten, bleibt der Übernahmeerfolg von der Kulturkollision unbeeinträchtigt. Beispielsweise muß die Kulturrelevanz bei einem Zusammenschluß zweier Rundfunkanbieter, in dessen Rahmen die Käuferpartei Vorteile durch die enge Koordination der Beschaffungsseiten beider Unternehmungen zu erreichen sucht, bejaht werden, weil die Zielerreichung nur unter Mitwirkung des Personals des Akquisitionsobjektes erreicht werden kann. Zu verneinen ist die Kulturrelevanz dagegen u. a. im Falle des Kaufs eines Rundfunkanbieters, dessen Fernseh- oder Übertragungsrechte das einzig interessante Aktivum darstellen: Einer Mitwirkung der Beschäftigten des Akquisitionsobjektes bedarf es in diesem Falle nicht zur Erzielung des Übernahmeerfolges, interessiert den Investor doch nur die Nutzung der genannten audiovisuellen Medienrechte. Jene Erfolgsbestandteile, die sich durch das Kriterium der Kulturrelevanz auszeichnen, hat der Investor in einem zweiten Schritt auf das Vorliegen des Kulturkontaktes zu prüfen: Zu klären ist dabei, inwieweit die Verfolgung eines - aufgrund der Mitwirkung des Personals des erworbenen Anbieters - grundsätzlich durch die Kulturkollision konterkarierbaren, also kulturrelevanten Übernahmezieles überhaupt ein derartiges Zusammentreffen zwischen den Wertemustern von Käufer und Akquisitionsobjekt auslöst. Die Beurteilung, ob es in Folge der Übernahme zu einem Kulturkontakt kommt, hat sich daran zu orientieren, inwieweit der Investor seine Zielsetzungen mit Maßnahmen zu verfolgen sucht, die das Personal des übernommenen Betriebes mit den kulturellen Symbolen der Käuferunternehmung konfrontieren werden. So ist der Kulturkontakt z. B. zu bejahen bei einer Übernahme, in deren Rahmen der Erwerber den Absatzbereich des Rundfunkanbieters eingehend in die eigenen Strukturen und
Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
143
Prozesse zu integrieren sucht und die betroffenen Mitarbeiter damit in neue, ungewohnte aufbau- und ablauforganisatorische Systeme einbinden wird. Nicht gegeben ist der Kulturkontakt dagegen u. a. bei einem Unternehmungskauf, der lediglich dazu dient, auf der Beschaffungsseite durch gemeinsame Bestellungen z. B. von Rechten an Filmpaketen Einkaufsmacht zu erzielen, und daher ohne eine organisatorische Verflechtung einhergehen kann. Akquisitionsziele, die sowohl durch Kulturrelevanz als auch Kulturkontakt charakterisiert sind, muß der Investor nicht zuletzt im Hinblick auf das Vorliegen der Kulturdifferenzen analysieren: So sind die ersten beiden Voraussetzungen zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für Erfolgsbeeinträchtigungen, denn diese treten nur auf, wenn das Zusammentreffen der Wertesysteme mit einem Kulturschock einhergeht. Er stellt sich bei den Mitarbeitern des Akquisitionsobjektes lediglich dann ein, wenn die jeweiligen Kulturen der Übernahmeparteien Unterschiede aufweisen und das Personal des erworbenen Betriebes daher mit fremdartigen, ungewohnten und damit Unsicherheit auslösenden Wertemustern konfrontiert wird. Exemplarisch hierfür können die Übernahme eines Rundfunkanbieters durch eine branchenfremde Unternehmung vor dem Hintergrund der sogenannten industriellen Konvergenz, wie die Annäherung von Medien-, Telekommunikations- und Informationstechnikbranche bezeichnet wird, aber auch der Zusammenschluß zweier durch unterschiedliche Kulturen gekennzeichneter Rundfunkanbieter angeführt werden. Das Ausmaß der Erfolgsbeeinträchtigung des Käufers ist also ceteris paribus um so größer, •
je umfangreicher das Personal des übernommenen Rundfunkanbieters an der Zielerreichung der Käuferunternehmung mitwirkt (Kulturrelevanz);
•
je stärker das Personal des übernommenen Rundfunkanbieters mit den kulturellen Symbolen der Käuferunternehmung konfrontiert wird (Kulturkontakt);
•
je erheblicher die Unterschiede sind, die die kulturellen Muster beider Übernahmeparteien im Vergleich miteinander aufweisen (Kulturdifferenzen).
Aufgabe 5 Grundsätzlich stehen dem Käufer drei Strategien offen, um einer Erfolgsbeeinträchtigung durch den Kulturschock entgegenzuwirken: die Kulturbeseitigung, die Kulturtrennung und die Kulturanpassung. Sie zielen jeweils auf eines der drei Kriterien der Kulturrelevanz, des Kulturkontaktes und der Kulturdifferenzen ab, um Minderungen des Übernahmeerfolges zu begegnen. Die Strategie der Kulturbeseitigung setzt an der Kulturrelevanz an: Sie verfolgt das Ziel, den Großteil oder die Gesamtheit der Beschäftigten des akquirierten Rundfunkanbieters unmittelbar nach der erfolgten Übernahme zu entlassen und durch Neueinstellungen zu ersetzen, weil die bisherigen Mitarbeiter dieser Unternehmung die Träger ihrer kulturellen Muster darstellen. Wird das Personal durch Neuzugänge - die unmittelbar eine Einbindung in das Wertesystem der Käuferunternehmung erfahren - substituiert, geht damit die in dem Akquisitionsobjekt bisher bestehende Kultur verloren. Die Entstehung kulturkollisionsbedingter Erfolgsbeeinträchtigungen wird dadurch folglich unterbunden.
144
Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
Ansatzpunkt der Strategie der Kulturtrennung ist der Kulturkontakt; sie zielt darauf ab, die Häufigkeit und das Ausmaß der Eingriffe in den übernommenen Rundfunkanbieter zu verringern, um so der Konfrontation seines Personals mit der Kultur des Käufers entgegenzuwirken. Das Ziel der Strategie der Kulturtrennung besteht folglich darin, das Zusammentreffen der Kulturen beider Übernahmeparteien einzuschränken, so daß der Kulturschock abgemildert wird und die aus ihm resultierenden Erfolgseinbußen entsprechend geringer ausfallen. Je umfassender der Investor auf Eingriffe im Akquisitionsobjekt zu verzichten sucht, desto schwächer wird der Kulturkontakt und desto weniger kulturkollisionsbedingter Erfolgsbeeinträchtigungen wird er sich ceteris paribus gegenübersehen. Die Strategie der Kulturanpassung stellt auf die Kulturdifferenzen ab. Ihr Ziel ist es, die Unterschiede zwischen den Wertesystemen der Übernahmeparteien durch entsprechende Maßnahmen zu reduzieren, um den negativen Folgen des Kulturschocks zu begegnen. Im Hinblick auf die Wirkung der Strategie der Kulturanpassung gilt somit, daß die kulturkollisionsbedingten Erfolgsbeeinträchtigungen ceteris paribus um so geringer werden, je umfassender es dem Käufer - z. B. mit Hilfe der Durchfuhrung von Seminaren oder der Einrichtung von Integrationsmannschaften - gelingt, bestehende Kulturdifferenzen zwischen ihm und dem akquirierten Rundfunkanbieter abzubauen.
Zur Unternehmungskultur von Rundfunkanbietern
145
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SCHUSSER, O:.
Controlling im Rundfunk Ganzheitliche Steuerung privater und öffentlichrechtlicher Rundfunk-Unternehmen MARTIN GLÄSER
[email protected] HOCHSCHULE DER MEDIEN STUTTGART
Controlling ist auch im Rundfunk längst als bedeutsames Management-Instrument anerkannt. Jedes Rundfunk-Unternehmen hat verstanden, daß man das Management gezielt mit Controlling unterstützen muß, um professionell zu arbeiten und die Resultate zu optimieren. Controlling ist ein Management-Instrument, das ganzheitlich ausgelegt ist und zum Ziel hat, das (operative und strategische) Management zu unterstützen und dessen Performance auf allen Ebenen zu steigern. Controlling hat eine Art Scharnierfunktion und liegt an der Nahtstelle von Leistungs- bzw. Wertschöpfiingsprozeß und Management- bzw. Führungssystem (vgl. Abb. 1). Seine „Blickrichtung" ist damit eine doppelte: 1. Blickrichtung Management- bzw. Führungssystem: Controlling unterstützt das Management bei der Koordination der komplexen Führungsprozesse, um die Ziele des Unternehmens treffsicherer erreichen zu können. Es leistet eine Hilfestellung bei der Aufgabe, für eine überzeugende, in sich stimmige Management-Konzeption zu sorgen, deren Elemente möglichst widerspruchsfrei aufeinander abgestimmt sind. 2. Blickrichtung Leistungs- bzw. Wertschöpfiingsprozeß: Controlling unterstützt das Management bei der Umsetzung der Management-Konzeption und liefert Hinweise und Ansätze für die zielgerichtete Steuerung und Realisation des Prozesses der unternehmerischen Wertschöpfung. Ziel des Unternehmens, so auch eines Rundfunk-Unternehmens, ist dabei stets die Optimierung der Output-Input-Relation, wie immer diese gemessen wird: Denkbar ist die Optimierung der Output-Input-Relation in realen Größen (Wirtschaftlichkeit, Produktivität) oder in monetären Größen von Liquidität und Finanzen (Einzahlungen-Auszahlungen, Einnahmen-Ausgaben), von Rentabilität (Erträge-Aufwendungen) oder betrieblichem Erfolg (Leistung-Kosten). Die relevanten Bezugsgrößen Output und Input sind damit hochgradig interpretationsbedürftig, insbesondere auch im Hinblick auf die Frage der Behandlung von Wirkungen, die über die unmittelbare ökonomische Betrachtung hinaus eine Rolle spielen, am augenfälligsten zu erkennen bei der Frage der Leistungsdefinition öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, die einen Programm- bzw. Funktionsauftrag innerhalb der Gesellschaft zu erfüllen haben.
148
Controlling im Rundfunk
Globales Umfeld X
Politik und Recht
Technologie Gesellschaft\
\
Legitimation • Unterstützung Gesellschaftlicher Erfolg ""
Abbildung 1:
Controlling im Kontext des internen und externen Unternehmensgeschehens
Im Gegensatz zu partiellen Controlling-Ansätzen versucht das ganzheitliche Controlling stets die Gesamtsituation des Unternehmens in den Blick zu nehmen. Partiell ist Controlling dann zu nennen, wenn es lediglich bestimmte Segmente zum Gegenstand hat bzw. diese als zentrale Steuerungsgröße in den Mittelpunkt stellt. Nachfolgende Beispiele verdeutlichen dies. Beispiele im Hinblick auf das Management- bzw. Führungssystem: •
Controlling als Instrument der Navigation, insbesondere im Hinblick auf die Informationsversorgung des Managements.
•
Controlling als Instrument zur Verbesserung von Planung und Kontrolle.
•
Controlling als Instrument zur Verhaltenslenkung, z. B. durch Einfuhrung von Management by Objectives.
Beispiele im Hinblick auf das Leistungssystem bzw. den Wertschöpfungsprozeß: •
Controlling als Instrument zur Input-Steuerung, z. B. Beschaffungs-Controlling.
•
Controlling als Instrument zur Output-Steuerung, z. B. Absatz- und Marketing-Controlling.
Controlling im Rundfunk
149
Aufgabe 1 a)
Definieren Sie den Begriff „Controlling".
b)
Skizzieren Sie die Rolle und Bedeutung von Controlling im Hinblick auf Management und Steuerung eines Rundfunk-Unternehmens.
c)
Erläutern Sie, welche Anforderungen an ein Steuerungskonzept zu stellen sind, das die Eigenschaft „ganzheitlich" für sich reklamiert.
Aufgabe 2 a)
Erläutern Sie den Zusammenhang von Controlling und dem System der Unternehmensziele von Rundfunk-Unternehmen.
b)
Skizzieren Sie das Zielsystem privater Rundfunkveranstalter.
c)
Skizzieren Sie das Zielsystem öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter.
Aufgabe 3 Erläutern Sie die Rolle und Bedeutung der Controlling-Funktion im Hinblick auf die Koordination des Führungsgesamtsystems eines Rundfunk-Unternehmens. Rücken Sie dabei speziell die Koordination des Planungs- und Kontrollsystems („PK-System") in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Aufgabe 4 Erläutern Sie - in generischer Form - die Controlling-Funktion im Hinblick auf das Management und die Steuerung des Leistungssystems bzw. Wertschöpfungsprozesses eines Rundfunk-Unternehmens.
150
Controlling im Rundfunk
Aufgabe 5 Welche spezifischen Ansätze können werbefinanzierte private Veranstalter verfolgen, um ein wirkungsvolles operatives Controlling des Leistungssystems sicher zu stellen? Geben Sie Erläuterungen im Hinblick auf die folgenden Controlling-Ebenen: a)
Input-Controlling
b)
Output-Controlling
c)
Input-Output-Controlling
Aufgabe 6 Welche spezifischen Ansätze stehen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Verfugung, um ihrerseits ein wirkungsvolles operatives Controlling des Leistungssystems sicher zu stellen? Geben Sie analog zu Aufgabe 5 Erläuterungen im Hinblick auf die folgenden Controlling-Ebenen: a)
Input-Controlling
b)
Output-Controlling
c)
Input-Output-Controlling
Aufgabe 7 Die Wirksamkeit von Controlling hängt entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, vom operativen zum strategischen Controlling vorzustoßen. Erläutern Sie einige grundlegende Voraussetzungen und Bedingungen, die für die Weiterentwicklung des operativen Controlling zu einem strategischen Management-Instrument entscheidend sind. Argumentieren Sie am Beispiel der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
Controlling im Rundfunk
151
Lösung
Aufgabe 1 a) Unter „Controlling" versteht man die Koordination des gesamten Führungssystems eines Unternehmens unter dem Blickwinkel, eine zielgerichtete Lenkung und Steuerung des Unternehmens sicherzustellen. Controlling sorgt dafür, daß die Unternehmensführung „aus einem Guß" erfolgt, durchdacht aufeinander abgestimmt, in der richtigen Dimensionierung. Zu koordinieren sind die folgenden Führungsteilsysteme: •
Planungs- und Kontrollsystem („PK-System")
•
Informations- und Kommunikationssystem („IuK-System")
•
Organisationssystem
•
Personalführungssystem („HR-System", System der Human Ressources)
Stoßrichtung der Koordination und zielgerichteten Lenkung ist das Leistungssystem bzw. der Wertschöpfiingsprozeß der Rundfunkprodukte. Hier sind prinzipiell drei Anknüpfungspunkte zu unterscheiden: •
Input
•
Output
•
Input-Output-Relationen
Operatives Controlling ist auf die eher kurzfristige, unmittelbare Steuerung und Koordination der Prozesse ausgerichtet, bei der die Optik primär auf die unternehmensinterne Perspektive gelegt ist. Strategisches Controlling hingegen ist diejenige Kraft im Management, die dafür sorgen soll, daß die Koordination der Führungsteilsysteme mit dem Fokus auf die langfristigen Erfolgsund Entwicklungspotentiale im Kontext von Markt und globalem Umfeld erfolgt. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Koordination der Instrumente mit dem normativen bzw. Wertesystem des Unternehmens zu legen, das mit den Begriffen Unternehmensphilosophie, Unternehmensethik, Unternehmensverfassung, Unternehmenspolitik, Unternehmenskultur, Corporate Identity und Unternehmensleitbild zu beschreiben ist. b) Dem Controlling ist prinzipiell eine hohe Bedeutung zuzumessen. Allerdings hängt es vom Management eines Rundfunk-Unternehmens ab, welche Positionierung dem Controlling innerhalb des Management-Systems zugewiesen wird. Controlling kann zum einen eng, zum anderen extensiv definiert werden. In diesem Lichte können die verfugbaren ControllingInstrumente nach ihrer relativen Bedeutung in einer aufsteigenden Skala geordnet werden. Die einzelnen Stufen schließen sich dabei nicht aus, sondern bauen aufeinander auf:
152
Controlling im Rundfunk Level 1
Controlling gen
Level 2
Controlling
Level 3
Controlling
Level 4
Controlling
Level 5
Controlling
Level 6
Controlling systemen
Level 7
Controlling
Gut geführte Unternehmen vertreten ein progressives Controlling-Verständnis und versuchen Conrolling auf der Skala der „Intelligenz-Levels" möglichst hoch zu positionieren. In diesem Sinne trägt ein gut gemachtes Controlling dazu bei, den steigenden Beratungsbedarf des Managements durch ein hochqualitatives Informationssystem zu decken. Es fungiert als ein interner Service, der eine bessere „Navigation" sicherstellt und die Beratung des Managements aktiv forciert. Es ist ferner ein „Unruheherd", der ständig Innovation einklagt und durch entsprechende Strukturen, Arbeitskreise, Foren, Informationsströme die Voraussetzungen für eine innovative Atmosphäre schafft. Progressiv ist das Controlling aber erst dann, wenn es das Verständnis fur die Notwendigkeit einer umfassenden zielorientierten Steuerung vermittelt und abfordert. Um dorthin zu gelangen, ist es notwendig, daß (1) die Führung eine überzeugende, also progressive Controlling-Konzeption formuliert, und (2) daß alle Beteiligten, insbesondere die unmittelbar aktiven Controlling-Verantwortlichen innerhalb der „Controlling-Infrastruktur" des Rundfunkunternehmens, ein derartiges progressives ControllingVerständnis verinnerlichen. Es ist z. B. nicht ausreichend, sich auf das bekannte operative Finanzcontrolling „einzuigein". c) Controlling punktuell zu betreiben, ist nicht ausreichend. Nachhaltiger Erfolg wird sich erst einstellen, wenn das Management mit einem ganzheitlichen - „holistischen" - Steuerungskonzept arbeitet. Sind die Controlling-Instrumente nur auf die Koordination einzelner Controlling-Felder (z. B. Planung oder Information) ausgerichtet, operieren sie mit einem eingeschränkten Blickwinkel. Der Blick muß geweitet werden. Die Frage stellt sich, inwieweit es gelingt, ganzheitliche bzw. übergreifende Ansätze zu entwickeln, die eine Ausrichtung auf das Zielsystem zum Zweck der Steuerung der gesamten Unternehmung bewirken. Als Ansätze kommen grundsätzlich in Frage: •
Systeme der Budgetvorgabe
•
Kennzahlen- und Zielsysteme
•
Verrechnungspreis- und Lenkungspreissysteme
Budgetsysteme dürfen als besonders geeignet angesehen werden, eine umfassende Koordination und Steuerung der Unternehmung zu unterstützen. So messen z. B. die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Weiterentwicklung der Budgetierung eine hohe Bedeutung zu. Schon seit langem praktizieren sie in den Redaktionsbereichen ein dezentrales Entscheidungs- und Verantwortungssystem im Hinblick auf alle direkt zurechenbaren Kosten. Neuerdings gibt es Bestrebungen, auch die sog. Anteiligen Betriebskosten der Budgetierung zu
Controlling im Rundfunk
153
unterziehen. Damit bewegen sie sich noch stärker in Richtung einer dezentralen Budgetverantwortung. Tragender Grundsatz der Budgetierung bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist das Verursachungsprinzip, nach dem die Verantwortung über Budgets, also über die Finanzmittel zur Abdeckung von Kosten, denjenigen organisatorischen Einheiten zufällt, die als Kostenverursacher zu identifizieren sind. Gleichermaßen arbeiten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten intensiv an der Entwicklung von Kennzahlensystemen, die sie zur Lenkung und Steuerung einsetzen. In der Diskussion (insbesondere innerhalb der ARD) ist z. B. ein programmrelevantes Kennzahlensystem, das mit der Überschrift „Programmbewertung" oder Kennziffern für den Wert von Sendungen („Programmwert-Kennziffern") tituliert ist. Versucht wird, ein einfach zu handhabendes Modell zu entwickeln, das den Programmauftrag, die quantitative Leistung und den Aufwand von Sendungen in einem Gesamtsystem abbildet. Als die entscheidenden Kennziffern werden vier Indikatoren herausgestellt: (1) Quantitativer Zuschauererfolg, (2) Qualitativer Erfolg einer Sendung, (3) (Weiter-)Verwertungspotential der Sendung und (4) Kosten der Sendung. Vertreten sind also drei Indikatoren für die Leistungsseite und ein Indikator für die Wirtschaftlichkeit. Ziel ist es, für alle Kriterien objektiv nachvollziehbare und vergleichbare Meßgrößen zu entwickeln und damit einen weiteren Schritt in Richtung einer konsequenten zielorientierten Steuerung des gesamten Rundfunk-Unternehmens zu tun.
Aufgabe 2 a) Der Bezug auf das System der Unternehmensziele ist für das Controlling ein konstituierender Faktor. Die Ziele sind Leitmaßstab und der „Leuchtturm" für die Konzeption und Installation eines Controlling-Systems. Controlling hilft dem Management, „auf Kurs" zu bleiben und im Falle von Kursabweichungen die Lage zu analysieren und Maßnahmen zur Gegensteuerung zu entwickeln, eventuell auch die Frage der Adäquanz des Zielsystems zu hinterfragen. Controlling unterbreitet Vorschläge zur Veränderung (Change Management). b) Private Rundfunkveranstalter müssen nicht unbedingt kommerzielle Interessen verfolgen. Zu denken ist an gemeinnützige private Einrichtungen (z. B. Offener Kanal). Sie sollen hier nicht weiter verfolgt werden. Kommerzielle Radio- und Fernsehunternehmen treten in den Hörfunk- und TV-Markt ein, um mit ihren Radio- und Fernsehprogrammen Gewinn zu erwirtschaften. Ihr vorrangiges Interesse liegt in der bestmöglichen Gestaltung von Programmen im Hinblick auf deren Vermarktbarkeit. Zwei Märkte kommen in Frage, auf denen sie Erlöse erzielen können: •
Publikumsmarkt: Die Programme werden von den Zuschauern und Zuhörern finanziert. Bezogen auf das Fernsehen spricht man von „Pay TV". Es kann in Form von „Pay per Channel" auftreten (einer oder mehrere Kanäle werden abonniert) oder als „Pay Per View" (eine einzelne Sendung, z. B. ein Formel 1-Rennen, wird geliefert und gesondert bezahlt).
•
Werbemarkt: Die Finanzierung erfolgt über die Werbewirtschaft, die durch ihre WerbeEinschaltungen die Programmkosten abdeckt. Da diese Programme für den Konsumenten scheinbar „kostenlos" sind (scheinbar deswegen, weil die Werbekosten vom Verbraucher von Produkten getragen werden), spricht man hier auch von „Free-TV". Neben der rei-
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Controlling im Rundfunk
nen Werbung in Form von Fernseh- oder Radiospots (sog. „Harte Werbung") sind andere Formen wie Sponsoring, Product Placement oder Merchandising ebenfalls relevant. Werbefinanzierte Privat-Veranstalter stehen in direkter Abhängigkeit von der werbetreibenden Wirtschaft. Ihre Programme müssen so ausgerichtet sein, daß sie für die Werbung eine attraktive Plattform bieten. Attraktiv ist die Plattform dann, wenn das Programm von möglichst vielen Hörern genutzt wird und/oder wenn der Zugang zu einer definierbaren Zielgruppe, die für die Werbung interessant ist, hergestellt wird. In diesem Lichte ist das Ziel privater Rundfunkveranstalter, der werbetreibenden Wirtschaft (insbesondere der Konsumgüterindustrie) einen Zugang zu Rezipienten zu verschaffen, denen sie ihre Werbebotschaften übermitteln kann. Die Zuschauer und Zuhörer werden dabei wie eine Ware gehandelt und sind das eigentliche Produkt des Marktes. Ziel ist also die Produktion von Rezipienten („production of audiences"); die Programmplanung ist Instrument für die effektive Produktion von Rezipienten. Freilich darf an dieser Stelle nicht verkannt werden, daß private Veranstalter im Kontext ihrer ökonomischen Zielsetzung ein - wie auch immer definiertes - publizistisches Interesse verfolgen, die Zuschauer und Zuhörer zu informieren, zu bilden und zu unterhalten. Diese publizistische Zielsetzung ist aber nicht ein priorisiertes Anliegen. c) Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten stehen vor der Problematik, daß ihr Zielsystem in hohem Maße interpretationsbedürftig ist. Darin unterscheiden sie sich von privaten Anbietern, die mit dem Kernziel der ökonomischen Rentabilität eine mehr oder weniger eindeutige Orientierung besitzen. Den öffentlich-rechtlichen Rundfimkanstalten fehlt gleichsam der leicht identifizierbare „Leuchtturm", der ihnen stets klar den Erfolgsmaßstab vor Augen führt. Ansätze zu einer (umfassenden) Zieldefinition öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten können beispielhaft im Kontext eines Vier-Stufen-Konzepts abgeleitet werden, das sich an die Wertschöpfungs- und Verwertungskette von Rundfunkleistungen anlehnt (vgl. Abb. 2): Stufe 4: Wirkungen auf Gesellschaft, Politik, Wirtschaft Stufe 4:
FernWirkungen
Förderung der gesellschaftlichen Integration und Sozialisation Förderung von Kultur Förderung der Meinungsbildung Förderung der Demokratie Förderung von Marktwirtschaft und fairem Wettbewerb
Stufe 3: Auswirkungen beim Publikum Stufe 3:
NahWirkungen
Positive Beiträge zum Informationsstand des Publikums Positive Beiträge zum Bildungsstand des Publikums Positive Beiträge zur Unterhaltung des Publikums Maßstab Zufriedenheit
Stufe 2: Aufnahme (Rezeption) durch das Publikum Stufe 2:
Absatz
Vollprogramm: „Rundfunk für alle" (inhaltlich-thematisch, regional, gesellschaftliche Gruppen) Technische Erreichbarkeit: Möglichkeit, die Programmangebote zu empfangen Reichweite: Ausmaß der quantitativen Nutzung (Einschaltquote) Rezeption der Programme nach (Ziel-)Gruppen Ausgewogenheit: nach Gruppen, Altersstruktur, Stadt/Land usw.
Stufe 1: Definition und Festlegung der Programmleistung Stufe 1:
Produkt
Abbildung 2:
Umfang des Gesamtprogramms: gesamte Sendezeit Anzahl der Programme:Kanäle „Programm-Mix" insgesamt: Informations-, Bildungs- Unterhaltungssendungen „Programm-Mix" im jeweiligen Kanal Festlegung der Mengen: Sendeminuten Definition der Qualität
Ebenen der Operationalisierung
von Rundfunkzielen
Controlling im Rundfunk
155
•
Stufe 1: Definition und Festlegung der Programmleistung. Kriterien der Zielformulierung sind hier vor allem die Frage des Umfangs des Gesamtprogramms (gesamte Sendezeit), die Anzahl der Programme in Abstimmung mit der Anzahl der verfugbaren Kanäle, der generelle Programm-Mix im Hinblick auf die Kategorien Information, Bildung, Kultur, Unterhaltung und der Programm-Mix im jeweiligen einzelnen Programm. Festzulegen sind die Mengen, die Qualitäten sowie mögliche cross-medialen Interdependenzen (z. B. TV und Online als synergetische Content-Welten).
•
Stufe 2: Bedingungen der Aufnahme und Rezeption der Programmleistungen beim Publikum. Auf dieser Stufe der Zielarbeit ist zu definieren, wie der Absatz der Rundfunkprodukte möglichst effizient gesichert werden kann. Die Thematik steht im Verbund mit Fragen der technischen Erreichbarkeit des Publikums („Versorgungsgrad"), der Reichweite, Einschaltquote und Rezeption der Programme vorrangig in quantitativer Hinsicht.
•
Stufe 3: Unmittelbare Auswirkungen beim Publikum. Zielparameter auf dieser Stufe setzen an den (gewollten) Effekten der programmlichen Aktivitäten der Rundfunkanstalten an, oft zusammengefaßt unter dem Dreigestirn Information, Bildung und Unterhaltung. Danach sollen die Radio- und TV-Programme (1) zur Hebung des Informationsstands des Publikums beitragen, sicherzustellen durch aktuelle Berichterstattung und Hintergrund-Information (Dokumentationen, Features), (2) positive Beiträge zum Bildungsstand und zur kulturellen Kompetenz des Publikums liefern sowie (3) positive und qualifizierte Beiträge zur Unterhaltung des Publikums vermitteln. Von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird man erwarten und verlangen dürfen, daß sie vor allem auf dieser Ebene - der Ebene der gewollten Hauptwirkung - besonders überzeugende Zielansätze entwickeln. Ein Augenmerk wird zu richten sein auf die Minimierung von negativen und unerwünschten Nebenwirkungen und auf die Sicherung einer hohen Programmqualität.
•
Stufe 4: Mittelbare Wirkungen der Programmarbeit, zumeist bezeichnet als die Funktionen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Hinblick auf Gesellschaft, Demokratie und Wirtschaft. Zielkriterien sind auf dieser Wirkungsstufe z. B. gesellschaftliche Integration, Meinungsvielfalt, Vermittlung von Themenvielfalt, Bildung eines Forums der Meinungen und Äußerungen, Faktor der Meinungsbildung, Demokratiesicherung, Förderung von Bildung und Kultur, Förderung des Sozialstaatsgedankens, Sicherung der marktwirtschaftlichen Ordnung und des fairen Wettbewerbs.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind stark auf Zielformulierungen der Stufe 3 ausgerichtet. Hauptgrund sind entsprechende Formulierungen in Staatsverträgen und Satzungen, in denen das Konstrukt „Programmauftrag" als ein Instrument zur Sicherung der Grundversorgung der Gesellschaft mit Bildungs-, Informations- und Unterhaltungsangeboten verstanden wird, das im Kontext einer aus Mehr- und Minderheiten zusammengesetzten Allgemeinheit wirksam werden soll. Dabei war es immer schon strittig, wie der vage gehaltene Programmauftrag in konkrete Programmraster umzusetzen bzw. zu operationalisieren ist. Neben dieser Konzentration auf Stufe 3 gab es allerdings schon seit jeher auch Vorgaben und Leitlinien zur Verankerung des Zielsystems auf Stufe 4. So hat nach der verfassungsrechtlichen Lesart der öffentlich-rechtliche Rundfunk als eine binnenpluralistisch organisierte, selbstverwaltete Einrichtung die Aufgabe, „Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung" zu sein. Ferner soll er ein Programm anbieten, das eine „integrierende Funktion für das Staatsganze" erfüllt. Überdies sprechen die Programmgrundsätze u. a. von Ausgewogenheit, Sachlichkeit, Objektivität, Unabhängigkeit oder Vielfalt.
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Controlling im Rundfunk
In jüngster Zeit hat die Diskussion um die adäquate Positionierung der Zielansätze für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine gewisse Belebung erfahren. Auslöser waren Bestrebungen beim ZDF, anstatt des herkömmlichen Programmauftrages als Zielverankerung künftig stärker den sog. „Funktionsauftrag" in den Vordergrund zu schieben. Im einzelnen wird der Funktionsauftrag durch die zehn Faktoren im Kontext von fünf Funktionsbereichen beschrieben (vgl. Abb. 3). Die in diesem Zusammenhang ausgelösten Diskussionen könnten zu einer Neubestimmung der althergebrachten Zielansätze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führen. Integrationsauftrag ZDF ist eine Glaubwürdigkeitsinsel in fragmentierten Märkten ZDF gewährleistet die Teilhabe an den Vorteilen der digitalen Revolution für Jedermann Auftrag zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung ZDF als unabhängiger und glaubwürdiger Informationsmakler ZDF sichert eine an nationalen Belangen orientierte Informationsvermittlung ZDF als Stimme Deutschlands in Europa und in der Welt Leitbildfunktion ZDF sichert Qualitätsstandards ZDF schließt Versorgungslücken des kommerziellen Sektors Kultur- und Produktionsauftrag ZDF sichert kulturelle Identität ZDF fordert nationale und europäische Produktionen Innovationsfunktion ZDF als Innovator A bbildung 3:
Funktionsauftrag des ZDF
Aufgabe 3 Controlling sorgt dafür, (1) daß ein wirkungsvolles Planungssystem besteht bzw. sich herausbilden kann, (2) daß die Planung in einem koordinativen Verbund mit den anderen Führungsteilsystemen, insbesondere mit dem Kontrollsystem, geschieht. Entscheidender Ansatzpunkt von planungsbezogenem Controlling ist das Programm. Grundlage sind die lang- und mittelfristigen Festlegungen, die naturgemäß eng mit der strategischen Perspektive verknüpft sind. Die strategische Programmplanung hat die Aufgabe, Programmphilosophien festzulegen und damit einen Programmrahmen in quantitativer und qualitativer Hinsicht vorzustrukturieren. Aus der strategischen Ebene leitet sich der lang- und mittelfristige Mehrjahres-Programmplan ab, ein Planwerk, dessen Ausfluß das sog. Programmschema darstellt. Es ist ein Grobschema mit einer unmittelbaren Scharnierfunktion zur konkreten operativen Programmplanung, indem es feste Sendezeiten und Sendeplätze definiert. Aus ihm leitet sich der konkret
Controlling im Rundfunk
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zu deckende „Sendebedarf' ab; die quantitative Umsetzung des Programmschemas in Programmbereiche und Redaktionsgruppen bezeichnet man daher auch als Sendebedarfsplan. Der Sendebedarfsplan ist grundsätzlich zeitlich unbefristet gültig, praktisch wird er aber unbeschadet seines Dauercharakters alle zwei bis drei Jahre modifiziert. Im Verbund mit dem Programmschema stehen die „Sendeplatzbeschreibungen", die für jeden Sendeplatz die geplanten Inhalte und die damit verfolgten Programmziele skizzieren. Es handelt sich hierbei also um ein „Pflichtenheft" für die einzelnen Sendungen. Die Rundfunkanstalten definieren auf dieser Stufe unter anderem auch die geplanten Einschaltquoten und die mit einer Sendung ins Auge gefaßten Zielgruppen. Zentrales Programmplanungsinstrument im operativen Bereich ist der Sendeleistungsplan bzw. kurz der Leistungsplan. Es handelt sich um ein einjähriges, quantitatives Planwerk zur konkreten Festlegung der Programmplanung und ist Bestandteil des Wirtschafts- bzw. Haushaltsplanes. Der Leistungsplan trifft alle unmittelbar operativ relevanten Festlegungen: •
Die gesamte Sendezeit wird minutengenau präzisiert.
•
Die Struktur des Sendevolumens (der „Programm-Mix") wird festgelegt.
•
Für jede Sendestrecke bzw. Einzelsendung wird die verantwortliche Redaktion benannt.
•
Der Plan weist die Programmentstehung nach Eigen-, Co- oder Fremdproduktion aus.
Der Sendeleistungsplan ist das grundlegende Planwerk, aus dem der Bedarf an Produktionsmitteln sowie an Finanzmitteln abgeleitet wird. Er ist der quantitative Eckpunkt und rechentechnische Ausgangspunkt für alle weiteren operativen Planungen, seien sie Produktions-, Ressourcen- oder Kostenplanungen. Die operative Produktionsplanung wird - im Verbund mit der operativen Programmplanung - aus einer mittel- und langfristigen (strategischen) Planung abgeleitet. Sie drückt aus, wie das geplante Programmvolumen zu realisieren ist, welcher Teil des Programms selbst hergestellt werden soll und welcher Teil aus dem eigenen Programmvermögen oder durch Angebote von Lieferanten bestritten werden soll („Make-or-Buy-Entscheidung"). Die folgenden Optionen sind grundsätzlich gegeben: •
Eigenproduktion
•
Co-Produktion
•
Auftragsproduktion
•
Kauf
•
Entnahme aus dem Programmvermögen (Neuproduktion)
•
Wiederholung
•
Übernahme von anderen Rundfiinkanstalten
Der Produktionsplan drückt für jede Sendung exakt aus, welche Option zum Zuge kommt. Er determiniert den Umfang der Eigenproduktion, strukturiert den Produktionsprozeß und sorgt dafür, daß die Produktionskapazität, wie sie vom Sendeleistungsplan abgefordert wird, bereit steht. Er teilt die (knappen) Produktionszeiten auf die zu produzierenden Sendungen und die verantwortlichen Redaktionen auf.
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Controlling im Rundfunk
Die Planung des Personaleinsatzes erfolgt (1) auf der Ebene der Personalplanung für die festangestellten Mitarbeiter und (2) auf der Ebene des Einsatzes freier Mitarbeiter. Beide Planungsbereiche stehen in einem engen Verbund zueinander und müssen simultan geplant werden, da in vielen Bereichen, insbesondere im redaktionellen Bereich, Funktionen sowohl von festangestellten als auch von freien Mitarbeitern ausgeführt werden (z. B. Kamera, Sprecher, Techniker). Bei freien Mitarbeiter reicht das Spektrum nach dem Kriterium der Bindungsintensität von sog. festen freien Mitarbeitern mit einem Quasi-Festanstellungsstatus bis hin zu gelegentlich freien Mitarbeiter (z. B. Gelegenheitsautor). Die kurzfristige, operative Personalplanung ist eingebettet in eine mittel- und langfristige Planung, die im sog. Personalbedarfsplan zum Ausdruck kommt. Daraus leitet sich der jährliche Stellenplan ab, der das Mengengerüst des einzusetzenden festangestellten Personals enthält. Der Stellenplan ist nach der spezifischen Organisationsstruktur der Rundfunkanstalt und nach den Vergütungsgruppen des Tarifvertrages gegliedert und dokumentiert das für das Planjahr vorgesehene Planstellen-Soll. Seine Erstellung erfolgt zentral und ist integrativer Bestandteil des Haushalts- bzw. Wirtschaftsplanes. Mit seinen realen Planwerten ist er Grundlage für die monetäre Planung der Personalkosten, die im Rahmen der Wirtschaftsplanung erfolgt. Der Blick richtet sich dabei auf die Tarifverträge. Die Produktionsplanung und die Personalplanung sind die Kernbereiche der Ressourcenplanung. Daneben sind vom Controlling noch eine Vielzahl weiterer Teilplanungen zu koordinieren: Beschaffungsplanung, Lager- und Transportplanung, Technische Versorgungsplanungen, Planung der Einnahmenseite, der Verwertungserlöse und der Erlöse aus Beteiligungen. Diese Teilplanungen sind mehr oder weniger formalisiert und ausgebaut. Der jährliche Wirtschaftsplan (bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oft noch „Haushaltsplan" genannt) ist das „Gefäß", in das gemäß der Leistungsplanung alle Kosten fließen und mit dem aufgezeigt wird, durch welche Ertragsquellen die Kosten zu finanzieren sind. Er ist das zentrale Steuerungsinstrument für den Leistungserstellungsprozeß und für die Sicherstellung des finanziellen Gleichgewichts und gliedert sich dementsprechend in (1) den Ertrags- und Aufwandsplan (Betriebshaushaltsplan) und (2) den Finanzplan (Finanzhaushaltsplan incl. Investitionsplan). Die Planung der Erträge und Aufwendungen erfolgt zentral für das ganze Unternehmen. Den einzelnen Aufwands- bzw. Kostenarten liegen unterschiedlich tiefgehende Rechenwerke zugrunde. Ergänzend zum Ertrags- und Aufwandsplan wird ein Finanzplan erstellt, der sich aus den Positionen der Mittelaufbringung (Einnahmen aus Abschreibungen, aus Zuführung zu Rückstellungen, aus Darlehensaufnahme) und der Mittelverwendung (Ausgaben für Investitionen, Auflösung von Rückstellungen) zusammen setzt und als zentrales Planungsinstrument zur Steuerung des finanziellen Gleichgewichts und zur Ermittlung des Finanzbedarfs dient. Das finanzwirtschaftliche Ergebnis gibt an, um welchen Betrag sich (im Fall eines Überschusses) die Eigenkapitalbasis über die Rücklagenzuführung voraussichtlich erhöht bzw. (im Falle eines Fehlbetrages) vermindern wird. Operatives und strategisches Controlling ist ein „Mahner" im Unternehmen und verlangt von den Verantwortlichen, sich ausführlich mit den mittel- und langfristigen Planungsfragen in Programm, Produktion, Kosten und Finanzierung zu befassen. Controlling unterstützt also den Planungsprozeß, indem es auf die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Planung drängt, den Planern methodische Unterstützung zuteil werden läßt und eventuell selbst Planungsaufgaben übernimmt. Damit ist der Blick gelenkt (1) in kurzfristiger Sicht auf die Ausschöpfung der Effizienzpotentiale, damit auf Wirtschaftlichkeit und eine optimale Ressourcenallokation sowie (2) langfristig-strategisch auf die Erfolgspotentiale der Zukunft.
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Aufgabe 4 Controlling im öffentlichen Rundfunk zielt darauf ab, die im Leistungssystem ablaufenden Wertschöpfungsprozesse zu optimieren. Ziel ist es, den Kombinationsprozeß der Produktionsfaktoren zu koordinieren, dabei adäquate Informationen zu generieren und verbesserter Grundlagen für Management-Entscheidungen zu schaffen. In Fortfuhrung des Wertkettenmodells nach Porter läßt sich der rundfunkspezifische Wertschöpfungsprozeß in primäre und unterstützende Aktivitäten unterscheiden. Als primäre Aktivitäten werden (1) die Aktivitäten der Eingangslogistik, (2) die konkreten Operationen, (3) Marketing und Vertrieb, (4) die Ausgangslogistik und (5) der Kundendienst gesehen. Auf den Rundfunk übertragen geht es in der Eingangslogistik um die Planung und Entstehung der Programme (einschließlich Werbung), wodurch die verfügbaren Ressourcen auf Zielgruppen, Programme und Sendeplätze verteilt werden. Von dieser ersten Stufe hängen die konkreten Operationen der Programmrealisation unmittelbar ab. Sie determiniert die „Make-or-buyFrage", d. h. die Aufteilung in Eigen- und Kaufproduktionen, und damit auch die Auslastung der eigenen Produktionskapazitäten. Realisatoren der Operationen (2. Stufe) sind die Redaktionen. In der 3. Stufe (Marketing und Vertrieb) werden die Aktivitäten vereint, die die Verbreitung der Programme fördern sollen. Zu unterscheiden sind die Marketingaktivitäten für das Programm selbst (z. B. Reichweitenziele, Akzeptanz beim Publikum, Bekanntheitsgrad), Maßnahmen zu Sicherung der Haupteinnahmequellen (Rundfunkgebühr, Werbeerträge, Sponsoring) sowie Aktivitäten des Lizenzvertriebs. Die Ausgangslogistik (4. Stufe) umfaßt die „Lagerung" von Programmen und Rechten (Programmvermögen), die Sendeabwicklung sowie die (technische) Übermittlung von Programmen. Bedeutsam sind auf dieser Stufe die Ton- und Filmarchive, die internen und externen Leitungs- und Verteilnetze (Terrestrik, Kabel, Satellit, Online). Auf der 5. Stufe schließlich sind die Serviceleistungen fiir die Rezipienten und die Werbewirtschaft zu beachten (z. B. programmbegleitende Informationen, Hotlines, Supplement-Angebote, produktbezogene „Add-On-Leistungen" über das Internet, Hilfestellungen für Werbekunden im Hinblick auf Produktion und Mediaplanung). Die unterstützenden Aktivitäten lassen sich in vier Kategorien einteilen, und zwar (1) in die Aktivitäten zur Sicherung der Unternehmensinfrastruktur, (2) der Personalwirtschaft, (3) der Technologieentwicklung und (4) in Aktivitäten der Beschaffung. Die Infrastrukturaktivitäten umfassen solche Tätigkeiten, die die Betriebsbereitschaft der Rundfunkanstalt erhalten und ihr die Möglichkeit geben, wettbewerbsfähig zu bleiben (Unternehmensplanung, Führungsorgane, Justitiariat, Revision, EDV, Rechnungswesen). Die Personalwirtschaft umfaßt sämtliche Tätigkeiten, die sich mit der Rekrutierung, Einstellung, Aus- und Fortbildung fester und freier Mitarbeiter befassen. Aktivitäten der Technologieentwicklung (Verfahrens-, Übermittlungs- und Informationstechnologien) spielen in allen Feldern der Rundfunkanstalt eine Rolle. Beschaffungsaktivitäten schließlich umfassen den Einkauf jeder Art von Inputs (Produktionsfaktoren und Vorprodukte wie Rechte, Programmteile, fertige Sendungen; Betriebsmittel (Studios, Geräte) und Werkstoffe (Material, Requisiten).
Controlling im Rundfunk
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Aufgabe 5 Werbefinanzierte private Veranstalter sind darauf angewiesen, Controlling-Instrumente zum Einsatz zu bringen, die ihnen die konsequente Verfolgung ihrer kommerziellen Ziele ermöglichen, wobei im Fokus Kennzahlen stehen, über die das Management entscheidungsrelevante Informationen erhält. Anknüpfungspunkt kann die Input-Seite, die Output-Seite oder - woran die Verantwortlichen besonders interessiert sein werden - die Input-Output-Relation sein. Abbildung 4 zeigt die „Klaviatur" möglicher Ansätze, die von einfachen Minutenkosten bis zur Deckungsbeitragsrechnung reicht.
mengenmäßig real
wertmäßig monetär
Input
(realer Ressourcenverzehr)
Kosten Minutenkosten Sendeminutenkosten
Output
Kontakt-Leistung Kontakt-Menge Reichweite, Marktanteil
Input/Output Abbildung 4:
(Produktivität)
(Umsatz-)Erlös Kosten-Kontakt-Relation Tausend-Kontakt-Kosten Deckungsbeitrag
Mögliche Ansätze für das Controlling privater
Rundfunkveranstalter
a) Input-Controlling Unter Input-Controlling kann ein Controlling-Konzept verstanden werden, das an den mengenmäßigen Einsatz von Produktionsfaktoren im Kombinations- bzw. Wertschöpfungsprozeß von Sendungen und Programmen anknüpft. Um diesen „Ressourcenverzehr" handhabbar zu machen, wird man ihn bewerten und damit die Kosten als relevante Kategorie der Betrachtung in den Mittelpunkt rücken. Das Input-Controlling hat also die Aufgabe, KostenKennzahlen zu liefern, wobei sich zwei Fragenkreise eröffnen: (1) Frage der Bezugsgröße: (2) Frage der Ermittlung der Kosten. Zu (1): Als Bezugsgrößen für die Ermittlung der Kosten bieten sich an: •
Einzelne Beiträge: Anknüpfungspunkt ist die formale Programmstruktur (Programmschema), woraus sich die einzelnen Sendungen und deren gegenseitige Abgrenzung definieren.
•
Genre: Anknüpfungspunkt ist der Inhalt, nach dem sich Sendungen in unterschiedliche Typen unterscheiden lassen, z. B. Information, Bildung, TV-Spielfilm, Reportage etc.
•
Zeitschiene: Als kleinste Zeiteinheit bietet sich die gesendete Minute an, die in der Praxis als „Währungseinheit" allseits hoch geschätzt wird. Denkbar sind aber auch andere Standard-Bezugsgrößen wie Stunde, Tag, Woche, Monat oder Jahr.
Controlling im Rundfunk
161
Zu (2): Zu unterscheiden ist zwischen einmaliger und mehrmaliger Ausstrahlung der Sendungen. Bei einmaliger Ausstrahlung werden die Programmkosten durch die Anschaffungs- und Herstellungskosten repräsentiert, während im Falle von Wiederholungen zusätzlich noch ein Abschreibungsfaktor zur leistungsbezogenen Verteilung der Kosten des Sendematerials zu berücksichtigen ist. Neben dieser Unterscheidung wird ferner auch die Aufteilung nach fixen und variablen Kosten auf ein besonderes Interesse stoßen, um Aussagen über die Steuerbarkeit, Beeinflußbarkeit und die verursachungsgerechte Zuordnung von Kosten zu gewinnen. In der Praxis setzt Input-Controlling insbesondere an den Kennzahlen Minutenkosten bzw. Sendeminutenkosten an. Die Informationen können relativ problemlos aus der StandardKosten- und Leistungsrechnung ermittelt werden und eignen sich zu Kostenvergleichen über die Programmflächen hinweg. Traditionell sind solche Kostenvergleiche auch eine wichtige Basis für die Make-or-Buy-Entscheidungen. Der Aussagegehalt von Minutenkosten-Vergleichsrechnungen und die Eignung für die Programmsteuerung ist freilich begrenzt. Es ist notwendig, in angemessener Weise die Output-Seite zu berücksichtigen und zu einer Ausrichtung auf das Zielsystem (Gewinn als Differenz zwischen Output und Input) vorzustoßen. b) Output-Controlling Das Output-Controlling eines privaten Rundfunkveranstalters kann sich auf zwei Ebenen abspielen, und zwar (1) auf der Ebene des realen mengenmäßigen Outputs („Leistung") und (2) auf der Ebene des monetär bewerteten Outputs („Erlös"). Beidesmal kann es aber notwendig sein, neben der rein quantitativen Betrachtung auch qualitative Elemente zu berücksichtigen. Zu (1) Leistung: Output-Controlling in der Ausrichtung auf die Leistung bzw. die Ausbringung setzt am Resultat des Wertschöpfungsprozesses an, d. h. am Vorgang der Erzeugung der Rundfunk-Produkte. Unter Leistung ist in diesem Fall die Herstellung von Kontakten (bzw. Kontakt-Chancen) für die werbetreibende Wirtschaft als Zugangsmöglichkeit („Kontaktleistung", „Kontaktmenge", „Kontaktleistungsmenge") zu verstehen. Über die durch den Sender hergestellten Kontakte besitzt die Werbewirtschaft einen kommunikativen Zugang zu den ins Auge gefaßten Zielgruppen und erhöht ihre Chancen zur Absatzsteigerung ihrer Produkte. Der Rundfunkveranstalter muß dabei die angebotene Kontaktleistung innerhalb einer Kontakt-Erfolgsrechnung, möglichst weit gehend ausdifferenziert nach Zielpublika, erfassen, nachweisen und erläutern können. Als Leistungsindikatoren bieten sich die Meßgrößen der Reichweite und des Marktanteils an: •
Reichweite: Die Reichweite ist eine absolute Keimzahl und das Maß für die hergestellten Kontakte zu den Rezipienten der Rundfunk-Angebote. Als Rezipienten kann man zum einen einzelne Personen, zum anderen Haushalte ansehen, weshalb es Maßstäbe für die Reichweite auf Personenebene und auf Haushaltsebene gibt. Im Vordergrund stehen personenbezogene Maßstäbe. Unter Netto-Reichweite wird die Anzahl der erreichten Personen (in Mio. oder Tsd.) ohne Berücksichtigung der Sehdauer (bzw. Hördauer im Radio) verslanden. Als Quote ausgedrückt (Einschaltquote), handelt es sich um das Verhältnis der erreichten Personen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Reichweiten-Kennzahlen werden im Hinblick auf einzelne Sendungen oder auf Zeitabschnitte (Stunde, Tag etc.) errechnet. Berücksichtigt man die Seh- bzw. Hördauer der Rezipienten, erhält man die Kennzahl der Brutto-Reichweite (auch „Rating" genannt), die damit also die Intensität
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der Nutzung zum Ausdruck bringt. Abbildung 4 zeigt die unterschiedlichen Maße für die Einschaltquote im Überblick. •
Marktanteil: Der Marktanteil ist der Anteil der auf einen Sender entfallenden Sehdauer an der gesamten Sehdauer über alle Sender im betrachteten Zeitintervall. Er definiert damit die Kontaktleistung bzw. die Stärke des Programms in Relation zu den Programmen der anderen Marktteilnehmern, d. h. zur Konkurrenz (relative Kontaktleistung). Die Messung des Marktanteils ermöglicht es den Beteiligten, das Rezipientenpotential eines Sendeplatzes mit in die Betrachtung einzubeziehen. Die Kontaktleistungsmenge des Mediums wird begrenzt durch die von der Tageszeit abhängigen Nutzungsgewohnheiten der Zielgruppe, d. h. dem Nutzungspotential in Abhängigkeit vom betrachteten Zeitabschnitt. So hat ein TV-Sendeplatz am späten Sonntag-Vormittag ein erheblich geringeres Potential möglicher Zuschauer als der Sendeplatz am Samstag Abend in der Prime Time.
Ein Output-Controlling, das die Kontaktleistung in den Mittelpunkt stellt, kann sich nicht mit undifferenzierten Aussagen zufrieden geben. Um möglichst gute Kennzahlen für die Programmplanung zur Verfügung zu haben, ist eine Differenzierung nach verschiedenen Kriterien notwendig. Wichtig ist es vor allem, die verfügbaren Information auf die den Werbekunden interessierenden Zielgruppen zu beziehen (z. B. Sinus-Milieus) sowie Informationen über die Affinität zu den Zielgruppen zu generieren.
Abbildung 5:
ohne Berücksichtigung der Sehdauer
mit Berücksichtigung der Sehdauer
PersonenEbene
Netto-Reichweite
Brutto-Reichweite Rating Gross Rating Points
Ebene der Haushalte
Haushaltsquote: Relative Reichweite auf Haushaltsebene ohne Berücksichtigung der Sehdauer
Haushaltsquote: Relative Reichweite auf Haushaltsebene mit Berücksichtigung der Sehdauer
Ansätze fiir die Messung der Reichweite
Zu (2) Erlös: Der (Umsatz-)Erlös, den der private Rundfunkveranstalter aus Werbung erzielt, besteht rechnerisch aus dem Produkt der abgesetzten Menge an Kontakten und dem Preis fiir eine Einheit an Kontakten. Er zerfällt also in eine Mengenkomponente und in eine Preiskomponente: •
Mengenkomponente: Als Menge sind die oben genannten Maßstäbe der Reichweite und des Marktanteils relevant, gegebenenfalls relativiert im Hinblick auf Zielgruppe, Affinität oder Qualität.
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•
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Preiskomponente: Üblich als kleinste Einheit, auf die sich die Preise beziehen, ist das Format „1.000 Kontakte". Preise in dieser Formatierung nennt man daher auch TausendKontakt-Preise.
Die auf einem Sendeplatz erzielbaren Erlöse sind für die privaten Rundfunkveranstalter eine der wichtigsten Informationen und besitzen daher eine hohe Relevanz für die Programmplanung. Allerdings ist es wichtig, den nächsten Schritt zu gehen, indem man die OutputKennzahlen mit den Input-Kennzahlen in Beziehung setzt.
c) Input-Output-Controlling Die Relation von Output zu Input bezeichnet man in mengenmäßigen Kategorien als Produktivität, in wertmäßigen Kategorien als Wirtschaftlichkeit. Beide Meßgrößen spielen in der Praxis privater Rundfunkveranstalter eine große Rolle und dienen als wichtige Steuerungsgrößen. Input-Output-Controlling kann mit unterschiedlichsten Kennzahlen betrieben werden, wobei im wesentlichen zwei Kategorien im Vordergrund stehen: (1) das Verhältnis der hergestellten Kontakte (Reichweite, Marktanteil) zu den dabei verursachten Kosten (Kosten-KontaktVerhältnis, Kosten-Kontakt-Kennzahlen), (2) die Relation von Erlösen und (variablen) Kosten mit dem Deckungsbeitrag als Spitzen-Kennzahl. Zu (1) Kosten-Kontakt-Verhältnis: Dieser Maßstab drückt das Verhältnis von SendeminutenKosten als Input-Maßstab zu den erreichten Rezipienten (gemessen in 1.000) als OutputMaßstab aus, bezogen auf eine Sendung bzw. eine Zeiteinheit. Das Kosten-Kontakt-Verhältnis wird auch als Tausend-Kontakt-Kosten bezeichnet. Eine Weiterfuhrung der Berechnungsgrundlage ergibt sich mit der Differenzierung nach Zielgruppen („Tausend-Zielgruppenkontakt-Kosten pro Minute") und mit der Berücksichtigung des Marktanteils, der als Maßstab der Marktanteils-Minutenkosten Anwendung findet. Im Gegensatz zu den TausendKontakt-Kosten berücksichtigen die Marktanteils-Minutenkosten das sendeplatzimmanente Kontaktpotential. Zu (2) Deckungsbeitrag-. Der Deckungsbeitrag als Differenz zwischen dem (variablen) Erlös und den variablen Kosten drückt die Fähigkeit einer Sendung, eines Sendeplatzes oder eines ganzen Programms aus, zur Abdeckung des Fixkostenblocks positiv beizutragen („Fixkostendeckungspotental"). Der Erlös versteht sich dabei als derjenige Umsatzerlös aus Werbung, der sich unmittelbar aus der betrachteten Sendung ableiten läßt. Variable Kosten sind die der betrachteten Sendung direkt zurechenbaren Programmkosten. Die Deckungsbeitragsrechnung ist eine Teilkostenrechnung und dient dazu, im Hinblick auf die Unternehmensziele programmpolitsch richtige Entscheidungen zu treffen, kurzfristige Entscheidungen richtig zu fallen und Anhaltspunkte für die Ermittlung der Preisuntergrenze zu gewinnen. Abbildung 6 zeigt das Beispiel einer mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung für einen Sendeplatz.1
V g l . GEISLER ( 2 0 0 1 ) , 162.
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Erfolg eines Serien-Slots (Programmplatz für eine Serie) z. B. 20:15 - 21:00 Verkaufte Spots (Anzahl) x Bruttopreis (gemäfi Preisliste) = Bruttoerlös Slot - Erlösschmälerungen (Skonto, Agenturprovision, Rabatt) = Nettoumsatz - Einzelkosten Serie im Slot - Sonstige Einzelkosten (Redakteur, Synchronisation) - Vertriebseinzelkosten = Deckungsbeitrag I - Einzelkosten der Serie (Gesamtgenre, Kosten Serienredaktion) = Deckungsbeitrag II - Gemeinkosten (Zinsen, Abschreibungen, sonstige)
= Periodenerfolg des Slots Abbildung 6:
Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung für einen Sendeplatz
Aufgabe 6 a) Input-Controlling Das Input-Controlling der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterscheidet sich methodisch gesehen nicht von dem der privaten Veranstalter. Gleichermaßen ist insbesondere die Kennzahl Minutenkosten bzw. Sendeminutenkosten interessant. Die relevanten Informationen ergeben sich aus dem standardmäßigen Rechnungswesen mit seinen Elementen (1) Bilanzrechnung, (2) Kosten- und Leistungsrechnung, (3) Statistiken und (4) Finanzrechnung. Für das Input-Controlling ist die Kosten- und Leistungsrechnung. Die Kostenrechnung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist vorwiegend als Vollkostenrechnung ausgestaltet. Den üblichen Regeln folgend werden die Ist-Kosten in drei Kategorien erfaßt: (a) in der Kostenartenrechnung, (b) im Rahmen der Kostenstellenrechnung und schließlich (c) in der Kostenträgerrechnung. Die Kostenartenrechnung zeigt alle Kosten an, die bei der Programmerstellung in der Abrechnungsperiode anfallen, gruppiert nach dem Verbrauchscharakter, also nach Personalkosten und Sachkosten. Grundlage der Erfassung und Gliederung ist bei den ARD-Anstalten der auf drei Stellen einheitlich angewandte sog. „Rundfunkkontenrahmen" (RKR). Erfolgt die Verrechnung in Form von Leistungserfassungen bzw. durch sog. „Leistungsaufschreibungen" am Ort der Entstehung (Kostenstellen), behandelt man die Kosten als sog.,»Anteilige Betriebskosten". Dies wird noch nicht allseits in Redaktion und Verwaltung, sondern zumeist nur in der Produktion praktiziert, dort aber rela-
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Controlling im Rundfunk
tiv weitgehend (zeitliche Inanspruchnahme des eigenen Produktionspersonals wie Kamera, Schnitt, Techniker, Studios und mobile Technik). Anteilige Betriebskosten stehen als Synonym für die Produktionskosten im engeren Sinne. Die Bewertung erfolgt über Verrechnungspreise bzw. Stundensätze für Studio- und mobile Produktionsmittel sowie für das Produktionspersonal. Die Verrechnungspreise beruhen auf einer angenommenen Normalauslastung der Kapazitäten. In der Kostenstellenrechnung werden die nicht direkt oder über Leistungsaufschreibungen verrechenbaren Kosten zunächst von allgemeinen Hilfskostenstellen (z. B. Personalnebenkosten, Raumkosten, Kosten der Fahrbereitschaft, Gremien, Intendanz, technische Leistungsbereiche, soweit sie nicht zur Produktion zählen) anhand geeigneter Schlüssel (z. B. Quadratmeterzahl für die Raumkosten) auf die Endkostenstellen verteilt. Deren Kosten werden sodann nach der Methodik der Zuschlagsrechnung als Gemeinkosten auf die Kostenträger bzw. Sendungen weiterverrechnet, woraus sich das Zurechnungsschema gemäß Abbildung 7 ergibt.
Kostenarten
\
\
direkt zurechenbar
indirekt zurechenbar = Gemeinkosten
Kostenträger Abbildung 7:
Vollkostenrechnung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten
Die Selbstkosten sind der Grundpfeiler der Kostenträgerstückrechnung, die das breite Spektrum der einzelnen Radio- bzw. TV-Produktionen kostenmäßig abbildet, wobei die Kostenträger die anfallenden Kosten periodenübergreifend erfassen, also neben den Kosten des laufenden Jahres auch die Kosten der Vorjahre und des nachfolgenden Jahres. In der Kostenträgerzeitrechnung werden die gesamten Gemeinkosten der Abrechnungsperiode auf die in dieser Periode gesendeten Kostenträger verteilt und nach Redaktions- und Programmberei-
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Controlling im Rundfunk
chen aggregiert ausgewiesen. Kostenträger im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu definieren, kann gewisse Schwierigkeiten bereiten: Zum einen kann man auf die einzelne Produktion abstellen, zum anderen aber auf Sendungen bzw. Sendeplätze. So werden Produktionen mit einer entsprechenden Ausreifiingszeit erst später zu Sendungen, Die Rundfunkanstalten weisen beide Kostenträgervarianten in der Kostenrechnung nach und verknüpfen die Rechnungen im Zusammenhang mit dem Nachweis des Programmvermögens. b) Output-Controlling Die Leistung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ist interpretationsbedürftig und im Hinblick auf den Programmauftrag nur schwer zu operationalisieren. Basis aller Bemühungen bildet die Planung und Erfassung der quantitativen Programmleistung im Rahmen des sog. Leistungsplanes bzw. der Leistungserfassung (vgl. Stufe 1 in Abb. 2). Im Zentrum steht eine detaillierte Sendezeitenplanung und -statistik, die den Programm-Output minutengenau nach den unterschiedlichsten Kriterien (Sendetypen, Eigen-, Co-, Kauf-, Auftragsproduktionen, Wiederholungen, interner Leistungsaustausch) abbildet. Die Rundfunkanstalten arbeiten laufend an Verbesserungen der Leistungsrechnung, unter anderem im Hinblick auf Informationen zur Ausschöpfung von Zielgruppenpotentialen oder den Grad der Zufriedenheit beim Publikum. Controlling-Informationen auf Stufe 2 betreffen die Rezeption durch das Publikum und dekken sich, soweit der reale mengenmäßige Output angesprochen ist, mit dem Output-Controlling privater Rundfunkveranstalter. Auch hier finden die beiden Kenngrößen der Reichweite und des Marktanteils als Erfolgsgrößen für die Kontaktleistung Verwendung, einschließlich ihrer Differenzierung nach Zielgruppen, Sendungen etc. Auf Grund der Gebührenfinanzierung ist es allerdings nicht zweckmäßig, die Output-Seite monetär zu bewerten und etwa den Erlös von Sendungen ermitteln zu wollen. Der Anspruch der Ganzheitlichkeit der Finanzierung verbietet es, das Gebührenaufkommen auf einzelne Sendungen oder Sendestrecken herunter zu brechen. Selbst die Aufteilung auf Hörfunk und Fernsehen bereitet bei der ARD Zuordnungsschwierigkeiten. Kann das Output-Controlling der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach Stufe 2 noch als demjenigen der privaten Veranstalter vergleichbar angesehen werden, so unterscheidet es sich aber vor allem durch den weiteren Bezugsrahmen, wie er mit den Stufen 3 und 4 (gemäß Abb. 2) gegeben ist. Danach ist es auf Grund des Programm- und Funktionsauftrages notwendig, die Output-Seite in erheblich umfassenderer Weise zu berücksichtigen und die Wirkungen der Programmarbeit sowohl auf der Personenebene als auch auf der gesellschaftlichen und politischen Ebene zu berücksichtigen, wodurch sich völlig neue Kenn- und Steuerungsgrößen ergeben. Zu fragen ist dabei, wie sich z. B. die positiven Beiträge zur Hebung des Informations- und Bildungsstands des Publikums oder die Funktion der gesellschaftlichen Integration oder der Demokratiesicherung in überzeugender Weise über Indikatoren ausdrükken lassen. Hier wird seit Bestehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine nicht enden wollende kontroverse Diskussion gefuhrt. Zunehmend wird dabei auch die Qualitätsfrage aufgerufen.
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c) Input-Output-Controlling Angesichts der Schwierigkeiten, die Outputseite einfach und klar auszudrücken, kann es nicht verwundern, daß es für das Input-Output-Controlling keine in sich schlüssige Gesamtkonzeption gibt. Sehr wohl spielen auch die bei den privaten Rundfunkveranstaltern gebräuchlichen Kenngrößen wie z. B. das Kosten-Kontakt-Verhältnis eine Rolle. Aber wie gezeigt ist es schon nicht mehr zweckmäßig oder möglich, eine an Deckungsbeiträgen orientierte Erfolgsmessung zu praktizieren. Die Rundfunkanstalten haben sich daher in der Vergangenheit bemüht, eigenständige, aussagefähige Indikatorensysteme zu entwickeln, die auf die Belange des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zugeschnitten sind und die sie in die Lage versetzen, den Sendungserfolg vor dem Hintergrund der Kostenseite vernünftig auszudrücken. So wird seit einiger Zeit innerhalb der ARD eine Diskussion über die Möglichkeiten geführt, programmrelevante Kennzahlen zur „Programmbewertung" bzw. Bewertung von Sendungen zu entwickeln. Hierfür hat sich der Begriff „Programmwert-Kennziffern" eingebürgert. Ziel ist es, ein einfach zu handhabendes und aussagefahiges Modell zu erarbeiten, das den Programmauftrag, die quantitative Leistung und den Aufwand von Sendungen in einem Gesamtsystem abbildet. Vorgestellt wurde ein 4-Kriterien-System aus den folgenden Indikatoren: •
Quantitativer Zuschauererfolg
•
Qualitativer Erfolg einer Sendung
•
(Weiter-)Verwertungspotential der Sendung
•
Kosten der Sendung
In diesem System sind also drei Indikatoren für die Leistungsseite und ein Indikator für die Wirtschaftlichkeit vertreten. Erklärtes Ziel ist es, für alle Kriterien objektiv nachvollziehbare und vergleichbare Meßgrößen zu entwickeln und mit solchen „objektiv" nachvollziehbaren Kennziffern einen weiteren Schritt in Richtung einer „konsequenten zielorientierten Steuerung des gesamten Rundfunk-Unternehmens" zu tun.
Aufgabe 7 Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten befinden sich angesichts der externen Bedrohungen und ihrer Aufgabenstellung, ihrer Verfassung, ihrer Marktposition, ihrer föderativen Organisation, ihrer Unternehmenskultur sowie ihrer komplexen Struktur in einer schwierigen strategischen Position. Für sie ist es vordringlich, das komplexe „Strategiegeschäft" beherrschbar zu machen, um auch noch im Jahre 2005, 2010 oder später Schritt halten zu können. In strategischer Hinsicht ist besonders die Frage virulent, inwieweit die Legitimation von ARD und ZDF innerhalb der Gesellschaft und seitens der Politik erhalten werden kann. Dazu bedarf es eines abgestimmten strategischen Verhaltens aller beteiligten Rundfunkanstalten und Einrichtungen. Strategisches Controlling ist daher ein Schlüsselfaktor von hohem Rang und das wirkungsvolle Rezept, um den brennenden Entwicklungen der Zukunft zu begegnen. Grundanliegen des strategischen Controlling ist es, überhaupt erst einmal die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß ein betriebsinterner Diskurs über die Strategiefrage in Gang kommt. Es sorgt dafür, daß die Formulierung einer in sich schlüssigen Strategie allseits als
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Controlling im Rundfunk
wertvoll anerkannt wird, daß alle verstehen, wie unverzichtbar ein Strategiekonzept ist. Gefordert ist der Wille und die Kraft zur Entwicklung eines unternehmerischen strategischen Gesamtkonzepts, das eine Antwort auf die Frage gibt, wie die Erfolgspotentiale der Zukunft entfesselt werden können. Zunächst ist - etwa unter Zuhilfenahme von Analysetechniken (Portfolio-Analyse, Potentialanalysen, Gap-Analysen oder Szenariotechniken) - eine Unternehmensgesamtstrategie zu entwickeln, welche die Leitlinien für die Bildung strategischer Geschäftsfelder und deren künftige Entwicklung (Offensiv-, Übergangs-, Defensivstrategien) aufzeigt. Sodann bedarf es der Formulierung spezifischer Geschäftsfeldstrategien. Probleme bereitet den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in diesem Zusammenhang ihre komplexe Struktur (Landesrundfunkanstalten der ARD nach föderativen Prinzipien, ZDF), die ein abgestimmtes strategisches Vorgehen zu einem äußerst schwierigen Unterfangen macht. Wie sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufstellen und welche strategischen Konzepte und Instrumentarien sie anwenden, ist dabei im Kontext mehrerer Denk- und Handlungsebenen im Sinne eines „Zwiebelmodells" zu entscheiden (vgl. Abb. 8 beispielhaft für den Fernsehbereich): •
Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als ein hoch komplexes und differenziertes Gebilde mit den Rundfunkanstalten der ARD, mit dem ZDF. Zu beachten sind auch ausländische deutschsprachige öffentlich-rechtliche Anbieter (ORF und SRG).
•
Der Rundfunkmarkt, mithin das unmittelbare Aufgaben- und Marktumfeld für die angebotenen Radio- und TV-Produkte, in dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk agiert.
•
Der gesamte Medienmarkt in seiner Ausdifferenzierung von Print (Zeitungen, Zeitschriften, Buch) über Radio, Kino, Trägermedien (Offline) bis zu Online.
•
Die TIME-Branche: Wegen des Zusammenwachsens aller informationsrelevanten Felder können Telekommunikation (T), Informations- und Computertechnik (I), Medien (M) und Entertainment und Unterhaltungselektronik (E) nur im Verbund betrachtet werden.
•
Das globale Umfeld: Relevant sind Trends, Wirkungskräfte und Rahmenbedingungen im Hinblick auf Gesellschaft, Politik und Recht, Wirtschaft und Technik.
Alle Perspektiven erfordern bündige Antworten und klare Vorstellungen, welche Rolle man im jeweils betrachteten Markt- und Umfeldsegment spielen will, welcher Typ von „Player" man sein will. Strategisches Controlling hat die langfristige Existenzsicherung des einzelnen Unternehmens und des gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Blick, und es verlangt, daß sich die Verantwortlichen auf den Weg zu einer lernenden Organisation begeben.
Controlling i m R u n d f u n k
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Globales Politik und Recht
Umfeld Technologie Gesellschaft
Makroökonomisches Umfeld TIME Telekommunikation
Unterhaltungselektronik
IT-Sektor
TV-Markt temiere
Andere Private
SAT1 Ausland Anbietet
Off.Rundfunk ARD Ausland Anbieter
Abbildung 8:
Perspektiven
strategischer
Denk- und
Handlungsebenen
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Controlling im Rundfunk
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Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen
ROLF DINTNER
[email protected] TECHNISCHE UNIVERSITÄT ILMENAU
Ein werbefmanziertes Medienunternehmen plant, über die Verbreitung von Inhalten die Aufmerksamkeit von definierten Zielgruppen zu erringen und dieses Kontaktpotential an die werbetreibende Wirtschaft gewinnbringend zu vermarkten. Das werbefinanzierte Medienunternehmen beschafft oder produziert die Inhalte, bündelt diese kombiniert mit Werbebotschaften und setzt sie auf dem Rezipientenmarkt ab. Die werbetreibende Wirtschaft zahlt für die Aufmerksamkeit für die Werbebotschaften ein vereinbartes Entgelt an das Medienunternehmen. Das Sachziel eines werbefinanzierten Medienunternehmens ist somit die Produktion von Rezipientenkontakten für die werbetreibende Wirtschaft, während das Formalziel als dominierendes Ziel eines erwerbswirtschaftlichen Unternehmens die langfristige maximale Gewinnerzielung darstellt. Die Verbundproduktion für zwei Märkte mit der spezifischen Spiralwirkung zwischen der Attraktivität und Reichweite der Programme und des erzielbaren Werbeerlöses erfordert eine Steuerung durch ein duales Controllingsystem. Abweichungen bei der Erreichung des Formalziels eines werbefinanzierten Fernsehsenders können beispielsweise durch Einzelabweichungen zwischen geplanter und erreichter Reichweite, zwischen Soll- und Ist-Programm- oder auch Vermarktungskosten, zwischen geplantem und tatsächlich erzieltem Tausendkontaktpreis oder zwischen geplanter und tatsächlicher Buchungsauslastung der verfügbaren Werbezeiten verursacht werden. Um eine systematische erfolgsorientierte Steuerung der beiden eng verknüpften Marktausrichtungen zu ermöglichen, ist ein duales Planungs- und Kontrollsystem notwendig. Die Planung, Kontrolle und Steuerung der Beschaffung, Erstellung, Bevorratung und Distribution redaktioneller Inhalte mit dem Ziel maximaler Kontaktleistung wird vom Programmcontrolling unterstützt, während die Planung, Kontrolle und Steuerung der Werbezeitvermarktung zur Erzielung eines maximalen Werbeerlöses durch Erlöscontrolling befördert wird. Das Programmcontrolling in werbefinanzierten Fernsehanstalten strebt nach einem Optimum zwischen Programminput und Kontaktoutput zur Maximierung des kumulativen Deckungsbeitrages oder des Betriebsergebnisses über alle Sendeplätze. Im Rahmen des Programmcontrolling werden sowohl die Kontaktleistung als auch die Programmkosten geplant, kontrolliert und in ihrer Relation formalzielorientiert gesteuert.
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Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen
Das Erlöscontrolling ist auf den erlösmaximalen Verkauf des erzielbaren Kontaktpotentials gerichtet. Die Planung des Werbeerlöses in werbefinanzierten Fernsehsendern zielt auf hohe Werbereichweiten bei gleichzeitig hoher geplanter Auslastung der staatlich reglementierten Werbezeit. Die Kontrolle des Werbeerlöses konzentriert sich auf Abweichungsanalysen zwischen dem geplanten und erreichten Tausendkontaktpreis. Die Abweichungsanalyse identifiziert und bewertet die Ursachen für Abweichungen der Werbereichweiten und analysiert den Preiseinfluß auf Auslastungsabweichungen. Das konfliktäre Verhältnis zwischen maximalem Listenpreis und maximaler Buchungsauslastung kann durch eine integrierte Preis-Kapazitätssteuerung zur Werbezeitvermarktung optimiert werden. Die enge Verknüpfung und Wechselbeziehung zwischen Kontaktpotential und Werbeerlös in werbefinanzierten Medienunternehmen bedingen die bipolare Steuerung durch ein duales, aber gleichzeitig formalzielorientiertes integriertes Controlling.
Fallbeispiel Im Sendebereich des werbefinanzierten Fernsehsenders RDL 4 leben 40 Mio. Personen mit TV-Anschluß. Der Sender strahlt täglich von Montag bis Freitag zwischen 18.30 und 19.00 Uhr die Soap „Schlechte Zeiten - gutes Essen" in Erstausstrahlung aus. Die aus 20 Episoden mit einer Dauer von jeweils 20 Minuten bestehende Serie wurde mit dem Recht zur zweimaligen Ausstrahlung für 1,2 Mio. Euro erworben. Auf die Zeitschiene der Erstausstrahlung entfallen 80 Prozent der kumulierten Kontaktleistung. Für die zu analysierende Kalenderwoche stehen dem Controller folgende Daten aus der Fernsehforschung und dem betrieblichen Rechnungswesen zur Verfugung:
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Tabelle 1:
Reichweite der Sendung in Tausend 300 360 280 320 340 Daten des
Reichweite TV gesamt in Tausend 15.350 14.830 18.280 16.320 12.480
Reichweite der Werbung in Tausend 246 270 224 272 238
Dauer der Werbung in Minuten 4,00 5,00 5,00 5,00 6,00
Kumulierte Werbeerlöse in Euro 43.296 56.700 51.520 62.280 57.120
Fallbeispieles
Aufgabe 1 - Kontaktkennzahlen a)
Charakterisieren Sie die Bedeutung der Kontaktkennzahlen für das Programmcontrolling und das Erlöscontrolling in werbefinanzierten Medienunternehmen!
b)
Berechnen Sie für das Fallbeispiel die relative Reichweite (rRW), den Marktanteil (MA) sowie die Zappingquote (ZQ)/Zappingfaktor (ZF) für die Sendungen!
Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen
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Aufgabe 2 - Programmcontrolling a)
Charakterisieren Sie die Programmkostenstruktur und beschreiben Sie Einflußfaktoren und Meßgrößen zur ProgrammefFizienz!
b)
Berechnen Sie für das Fallbeispiel die Programmkosten (K s ) sowie die Minutenkosten der Sendung ( K s m j n ) und beurteilen Sie die Programmeffizienz mit Hilfe der Tausendkontaktkosten des Sendebeitrages pro Minute (TKKmin), der Marktanteilsminuten (MAK min ) und der Tausendkontaktkosten Werbeblock 30 sec. (TKK WP 3 0sec )!
Aufgabe 3 - Erlöscontrolling a)
Erläutern Sie die Planung, Kontrolle und Steuerung des Werbeerlöses in einem werbefinanzierten Fernsehsender!
b)
Berechnen Sie für das Fallbeispiel die Tausendkontaktpreise/30 sec. (TKP 30 sec)!
Aufgabe 4 - Erfolgscontrolling a)
Charakterisieren Sie die Ermittlung und Funktion des Deckungsbeitrages als integrative Steuerungsgröße in einem werbefinanzierten Fernsehsender!
b)
Berechnen Sie für das Fallbeispiel den Deckungsbeitrag der einzelnen Sendungen und für den zu analysierenden Zeitraum!
Lösung
Aufgabe 1 a) Die Bedeutung der Kontaktkennzahlen fiir das Programm- und Erlöscontrolling Kennzahlen der Kontaktleistungen dienen zur Messung des Aufmerksamkeitserfolges von Sendungen, Programmen und Sendern. Für das Programmcontrolling stellen sie die Mengenkomponente für den Output und damit eine wichtige Leistungsgröße dar. Als Plangrößen sind Kontaktkennzahlen erfolgsorientierte Steuerungsinstrumente für das Programmcontrolling. Die Planung der Zielkontaktleistung hat erheblichen Einfluß auf den Inhalt der Sendeplätze und die Gestaltung des Programmschemas. Beschaffung und Plazierung von Content erfolgt
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Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen
immer unter Beachtung der geplanten Reichweite und des angestrebten Marktanteils. Ausgehend vom geplanten Marktanteil einer Periode werden die Sendeinhalte unter Berücksichtigung solcher Faktoren, wie Saison, Tageszeit, Programmkategorie und Konkurrenzprogramme, auf die Sendeplätze so verteilt, daß eine optimale Programmalternative mit der maximalen Gesamtreichweite erzielt wird. Die Istgrößen der Kontaktkennzahlen widerspiegeln die absolute und relative Attraktivität der Sendungen für die Rezipienten. Sie zeigen auf, ob und in welchem Maße die anvisierte Zielgruppe durch Inhalt und Plazierung der Sendung erreicht wurde. Für das Programmcontrolling ist der Soll-Ist-Vergleich zwischen geplanten und tatsächlich erreichten Kontaktkennzahlen ein zentrales Anliegen. Durch Abweichungsanalysen können die Abweichungsursachen identifiziert und auf dieser Basis Rückkopplungsmaßnahmen für die Anpassung des Sendeschemas ausgelöst werden. Die Abweichungsanalyse sollte vor allem die externen, kaum beeinflußbaren Abweichungen von den internen, beeinflußbaren Abweichungen separieren. Gerade interne Abweichungen, wie mangelnde Zielgruppenattraktivität der Inhalte oder Fehlplazierungen von attraktiven Sendungen, müssen durch gegensteuernde Aktivitäten in der künftigen Planung des Sendeschemas vermieden werden. Da die Planung solcher Kontaktkennzahlen, wie Reichweite oder Marktanteil, immer unter Risiko erfolgt, sollten begründete Abweichungslimite und Toleranzschwellen festgelegt werden. Nur Abweichungen, die den Toleranzkorridor über- oder unterschreiten, sollten einer Ursachenanalyse unterzogen werden und Rückkopplungsaktivitäten induzieren. Eine gründliche Abweichungsanalyse der Kontaktkennzahlen verlangt deren weitere Aufspaltung und Differenzierung sowie den Vergleich zeitlich und inhaltlich differenzierter Kontaktkennzahlen. Die Reichweite läßt sich beispielsweise in Nettoreichweite und Bruttoreichweite differenzieren. Die Nettoreichweite ist der Ausdruck des potentiellen oder tatsächlichen Zuschauerinteresses, während die Bruttoreichweite als sogenannte Sehbeteiligung eine zusätzliche Information über die anvisierte oder erreichte Zuschauerbindung und -treue vermittelt. Sowohl Netto- als auch Bruttoreichweite können durch Bezug auf die Gesamtpersonenzahl aller Fernsehhaushalte relativiert werden. Um die Anziehungskraft des Programms auf die zu erreichende Zielgruppe zu messen, müssen differenzierte Zielgruppenreichweiten geplant und ermittelt werden. So kann die tatsächliche Reichweite einer Sendung zwar höher als die geplante sein, aber trotzdem eine negative Abweichung der Zielgruppenreichweite auftreten. Deshalb ist die Zielgruppenaffinität als relative Reichweite der Zielgruppe gemessen an der Gesamtreichweite, bezogen auf den Anteil der Zielgruppe an der Gesamtbevölkerung, zu bestimmen. Abweichungsanalysen von Zielgruppenkontaktkennzahlen geben zusätzlich Aufschluß über Effektivität und Effizienz von Programmherkunft, -umfang, -inhalt und -plazierung. Eine tiefergehende Abweichungsanalyse unter Beachtung solcher Faktoren, wie Saison, Tageszeit, Sendeplatz, Programmkategorie und Konkurrenzprogramme, verlangt weiterhin den Vergleich der Reichweitekennzahlen mit den entsprechenden Marktanteilen. Der Marktanteil einer Sendung zeigt die relative Attraktivität der Sendeinhalte im Konkurrenzvergleich. Die jeweilige Reichweite wird zum Rezipientenkontaktpotential der bestimmten Zeitschiene ins Verhältnis gesetzt. Somit ist der Marktanteil einer Sendung größer oder im Extremfall gleich der relativen Reichweite, da er auf Basis der Sehbeteiligung den Anteil der auf den Sender entfallenden Sehdauer ins Verhältnis zur Gesamtsehdauer aller Sender im betreffenden Zeitraum mißt. Diese relativierte Kontaktleistung ist eine wichtige Basiskennzahl für die Programmplanung, da sie das differenzierte Aufmerksamkeitspotential der verschiedenen Sendeplätze weitgehend neutralisiert.
Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen
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Der Marktanteil drückt aus, wie das Ziel einer Maximierung der Zuschauerattraktivität der Sendung, bezogen auf den Sendeplatz, erreicht wurde. Er gibt Aufschluß, ob Abweichungen in der Reichweite auf die Zuschauerattraktivität des Programms im Vergleich zur Konkurrenz zurückzuführen sind. Durch die sendeplatzbezogene Beschränkung des Rezipientenpotentials können Reichweiten- und Marktanteilsentwicklung bei unterschiedlicher Plazierung eines Sendebeitrages diametral ausfallen. Die Plazierung eines Sendebeitrages zu unterschiedlichen Sendezeiten können einem hohen Marktanteil geringe Reichweiten und umgekehrt gegenüberstehen. Ein Vergleich der relativen Reichweite mit dem Marktanteil läßt wichtige Rückschlüsse auf die Wirkungen externer Abweichungsursachen zu. So könnte eine positive Reichweitenabweichung bei gleichzeitig negativer Marktanteilsabweichung oder gleichbleibendem Marktanteil auf eine Schlechtwetterperiode oder ein außerordentliches externes Zeitereignis zurückgeführt werden. Marktanteile können auch sendeplatzübergreifend verglichen werden. So bieten sich beispielsweise Vergleiche mit dem maximalen oder durchschnittlichen Marktanteil der jeweiligen Programmgattung an, um den relativen Genreerfolg zu messen. Keinen Aufschluß geben Marktanteilsvergleiche über die Ausschöpfung des Kontaktpersonals der betreffenden Zielgruppe für einen Sendebeitrag. Um über die Anzahl und den Zeitpunkt von Wiederholungen eines Sendebeitrages zu befinden, ist die Bruttoreichweite als Entscheidungsbasis besser geeignet. Im Erlöscontrolling stellen die Kontaktkennzahlen den sachzielorientierten Teil des Erlöses dar. Vor allem die Bruttoreichweite spiegelt die Zufriedenheit der Rezipienten mit dem Programmangebot wider. Dagegen spielt der Marktanteil für die Einschätzung des Werbeerfolges eine untergeordnete Rolle. Bei der Erlössteuerung findet die soziodemographische Struktur der Rezipienten besondere Berücksichtigung. In Abstimmung mit den Werbekunden werden die Reichweiten nach Zielgruppen spezifiziert. Diese Zielgruppen können nach Alter, Geschlecht, Schulbildung oder nach Lebenswelten und -stil differenziert werden. Die Zielgruppenreichweiten bestimmen als Leistungskomponente in hohem Maße die geplanten und erzielten Tausendkontaktpreise. Eine spezielle Kontaktkennzahl für die Werbeplanung stellt die Meßgröße „Gross Rating Point' dar, welche die Sehbeteiligung einzelner Schaltungen von Werbung unabhängig von der Mehrfacherreichung von Personen, kumuliert. Auf der Basis dieser Reichweitenkennzahlen können Kontaktpakete, die aus mehreren Werbeschaltungen bestehen, mit einer kumulierten Kontaktgarantie vertrieben werden. Um die für das Erlöscontrolling relevante Werbeblockreichweite zu ermitteln, muß der Zappingfaktor berücksichtigt werden. Dieser Faktor eliminiert den Prozentsatz der Rezipienten, die der Werbung ausweichen und dient zur Korrektur der Programmreichweite. Somit stellt der Zappingfaktor das Verhältnis zwischen der Werbeblockreichweite und der Programmreichweite dar. Andererseits ergibt sich die Anzahl der dieser Werbung ausweichenden Rezipienten aus der Multiplikation der Zappingquote mit der Programmreichweite auf Personenbasis. Im Hinblick auf den geplanten Werbeerfolg sollte beachtet werden, daß mit der zunehmenden Länge des Werbeblockes die Zappingquote steigt und damit die Werbeblockreichweite abnimmt.
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b) Die relative Reichweite (rRW) einer Sendung stellt das Verhältnis der Netto- oder Bruttoreichweite zur Gesamtpersonenzahl aller Fernsehhaushalte (PFH) dar: rRW
RW =^pFir"100%
(1)
Der Marktanteil (MA) einer Sendung stellt das Verhältnis der jeweiligen Reichweite zum Rezipientenkontaktpotential des Mediums (RWM) der bestimmten Zeitschiene dar: MA =
RW --100% RW m
(2)
Der Zappingfaktor (ZF) stellt das Verhältnis zwischen der Werbeblockreichweite (RW™) und der Programmreichwerte (RW) dar. Die Zappingquote (ZQ) gibt den Prozentsatz der einer Werbung ausweichenden Personen an: RW WB ZF=— 100% RW
(3)
ZQ=(l00%-ZF)
(4)
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Tabelle 2:
rRW 0,75 0,90 0,70 0,80 0,85
MA 1,95 2,43 1,53 1,96 2,72
ZF 82 75 80 85 70
ZQ 18 25 20 15 30
Kennzahlen der Kontaktleistung (in Prozent)
Aufgabe 2 a) Programmkostenstruktur und Programmeffizienz Um im Rahmen eines erfolgsorientierten Programmcontrollings die Programmkosten als Inputgröße in ihrem Verhältnis zur Kontaktleistung als Outputgröße zu optimieren, sind eine sorgfältige Kostenplanung und -kontrolle Voraussetzung. Die Höhe und Struktur der Programmkosten werden in hohem Maße durch die jeweilige Programmkategorie, wie Sparte, Zielgruppe, Sendeplatz, Seriellität oder Herkunft, als auch durch bestimmte Kosteneinflußfaktoren, wie Programmumfang, -tiefe, und -qualität determiniert. Die Kosten von Sendebeiträgen unterschiedlicher Sparten, wie Information, Unterhaltung oder Sport differieren sowohl in absoluter Höhe als auch in ihren Steigerungsraten. Ein auf Zielgruppen gerichtetes Programm beeinflußt in Abhängigkeit vom Alter, Einkommen, Status oder Milieu der Zielgruppe über die Inhalte und Sendeplatzplazierungen die Struktur und Höhe der Kosten. Sendeplatzabhängiges Sendematerial für Vormittags-, Nachmittags-, Abend-
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oder Nachtprogramme unterscheidet sich wegen des stark differenzierten Kontaktpotentials auch in den geplanten Kostenbudgets. Auch die Herkunft, d. h. vor allem die Art der Beschaffung des Sendematerials, prägt die Höhe und Struktur der Programmkosten. Fremdproduktionen und echte Auftragsproduktionen werden zu Einstandspreisen erworben und stellen für die Kostenplanung und -kontrolle weniger Probleme als unechte Auftragsproduktionen und Eigenproduktionen dar. Die Kalkulation von Sendebeiträgen im Rahmen der Kostenplanung erfolgt in der Regel als Schätzpreiskalkulation und fußt auf dem Drehbuch und Drehplan, aus denen alle kostenrelevanten Faktoren, wie beispielsweise die Zahl und Struktur der Schauspieler, Drehorte, Drehzeiten, Stunts und Musik abgeleitet werden. Besonders die Qualitätskosten des künstlerisch kreativen Bereichs (costs above the line) sind risikobehaftet, kaum normierbar und deshalb nur schwer planbar. Die anschließenden Zwischen- und Nachkalkulationen erlauben die Steuerung, Gegensteuerung und Kontrolle der Programmkosten durch Soll-Ist-Vergleiche, Abweichungsanalysen und Hochrechnung der Programmkosten. Großen Einfluß auf die Höhe der geplanten und erreichten Programmkosten übt das gewählte Abschreibungsverfahren aus. Fernsehrechte sind ein abnutzbares Wirtschaftsgut, da mit jeder Ausstrahlung das Zielgruppenpotential und damit auch das Werbeerlöspotential sinken. Deshalb bietet sich für mehrfach auszustrahlende Sendebeiträge eine ausstrahlungsabhängige Abschreibungsmethode an, welche zur Ermittlung des Abschreibungssatzes das sendeplatzbezogene Nutzungspotential dem Gesamtnutzungsvorrat gegenüberstellt. In der Praxis wird diese spezielle Form der leistungsabhängigen Abschreibungsmethode durch einheitliche Abschreibungssätze für Erst- und Wiederholungsausstrahlungen vereinfacht. Zeitbedingter Wertverzehr durch Lizenzzeitablauf, Sendeplatzwechsel, Aktualitätsverlust, Publikumsgeschmacksveränderungen oder durch Konkurrenzeinfluß kann über außerplanmäßige Abschreibung zusätzlich berücksichtigt werden. Für Programmentscheidungen ist das Verhältnis der Programmkosten zu Beschäftigungsgrößen von ausschlaggebender Bedeutung. Programmkosten verhalten sich in bezug auf die Ausstrahlung des Programmbeitrages variabel und sind deshalb im Rahmen einer Sendeplatzdekkungsbeitragsrechnung variable Kosten. Dagegen verhalten sich Programmkosten fix zur Kontaktleistung. Die Grenzkosten für zusätzlich erreichte Rezipienten tendieren bei Rundfunkanstalten gegen Null. Ebenso ist dieser Fixkostencharakter in bezug auf die verkaufbare Werbezeit festzustellen. Weiterhin ist bei Kostenanalysen zu beachten, daß sich die Herstellungskosten bestimmter Sendungen mit zunehmender Sendedauer degressiv verhalten können. Dieses differenzierte Kostenverhalten ist sowohl für die Programmsteuerung als auch die Erlössteuerung von grundlegender Bedeutung. Im Hörfunk und Fernsehen werden im Planungs- und Kontrollprozeß die Programmkosten für eine Minute Programmausstrahlung als sogenannte Minutenkosten dargestellt. Die Kostenstruktur dieser Minutenkosten wird vor allem durch die First copy costs, die Distributionskosten und Overheadkosten geprägt. Für die Programmsteuerung und -kontrolle erfahren Minutenkostenvergleiche wegen der stark steigenden Minutenkosten aller Programmgattungen ein zunehmendes Gewicht im Controllingprozeß. Solche Vergleiche sollten sowohl innerhalb bestimmter Programmkategorien, zwischen diesen und auch senderübergreifend im Sinne eines Benchmarking erfolgen. Üblich sind sowohl Ist-Ist- als auch Soll-Ist-Vergleiche innerhalb und zwischen Programmgattungen bzw. -sparten, aber auch in Abhängigkeit differenzierter Sendeplatzzuordnung. Der Minutenkostenvergleich zwischen analogen Eigen-, Auf-
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trags- oder Fremdproduktionen unterstützt die klassische Make-or buy Entscheidung, die im Programmcontrolling von Rundfunkanstalten einen hohen Stellenwert einnimmt. Minutenkostenvergleiche haben eingeschränkte Aussagekraft, da sie sich einseitig auf Inputgrößen des Programmcontrolling beschränken und somit nur bedingt die Gegensteuerung im Rahmen der Programmplanung unterstützen können. Um die Ergiebigkeit der eingesetzten Ressourcen im Rahmen der Programmplanung und -realisierung zu beurteilen, muß die Kontaktleistung als Outputgröße einbezogen werden. Somit wird durch Relativierung der Kosten des Sendeplatzes mit dem Zuschauererfolg die relative Wirtschaftlichkeit der zu analysierenden Sendeplätze bestimmt. Obwohl keine automatische Korrelation zwischen Input- und Outputgrößen bei der Programmplanung und -realisierung nachgewiesen worden ist, vermittelt die Integration von geplanten Programmkosten und geplanter Kontaktleistung eine Aussage zur angestrebten Kostenwirkung. Die Kontaktkosten eines Sendeplatzes können durch einfache Divisionskalkulation mit Hilfe der Reichweitenkennzahlen ermittelt werden. Durch Einbeziehung der Sendedauer erhält man die Minutenkontaktkosten, die üblicherweise als Tausendkontaktkosten je Minute berechnet werden. Dieser Quotient aus Programmkosten und den in Personenminuten gemessenen Tausendkontaktvolumen offeriert das Verhältnis zwischen Ressourceneinsatz und Zuschauererfolg. Diese um die Kontaktleistung relativierten Sendeminutekosten sind eine grundlegende Planungs- und Kontrollgröße für Produzenten und Redaktionen im Rahmen der Programmplanung. Für die Aufteilung der Programmkosten nach Zielgruppen ist eine zusätzliche Kostenabgrenzung notwendig. Für sendeplatzübergreifende Kostenvergleiche muß das spezifische Nutzungspotential des jeweiligen Sendeplatzes beachtet werden. Dies fuhrt zu der Kennzahl „Marktanteilsminutenkosteni", welche die um das sendeplatzimmanente Kontaktpotential neutralisierte Wirtschaftlichkeitsgröße darstellt. Somit können hohe Kontaktminutenkosten auf einem nutzungsschwachen Sendeplatz mit einem gleichzeitig hohen Marktanteil des Beitrages verknüpft sein und somit relativ niedrige Marktanteilsminutenkosten vorliegen. Mit Hilfe der Tausendkontaktminutenkosten und der Marktanteilsminutenkosten können die Minutenkosten bei gegebenem Sendeformat minimiert als auch die Marktanteile als Ausdruck relativer Zuschauerattraktivität bei Ausstrahlung von Programmen maximiert werden. b) Um die Programmkosten einer Sendung in Erstausstrahlung zu berechnen, müssen, ausgehend vom Einstandspreis für die erworbenen Rechte, die Zahl der Sendungen und der Verzehr an kumuliertem Kontaktvolumen berücksichtigt werden. KS=l,2Mio.Euro-0,8
20 Sendungen
= 4 8 0 0 Q
Euro Sendung
Zur Ermittlung der Minutenkosten werden die Programmkosten einer Sendung durch die Sendedauer (D s ) dividiert. ,s Ksmin
Ks 48.000 Euro „ Euro = —s = = 2.400 — D 20 Minuten Minute
(6)
179
Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen
Um die Tausendkontaktkosten je Minute (TKKmin) zu errechnen, werden die Minutenkosten der Sendung durch deren Reichweite in Form des Tausendkontaktvolumens dividiert. _
KSmin
1000
RW Die Marktanteilsminutenkosten (MAKmin) stellen das Verhältnis zwischen den Minutenkosten und dem Marktanteil einer Sendung dar. MAKmin
(8)
MA
Die Tausendkontaktkosten Werbeblock 30 sec (TKKWP30 sec) werden aus dem Verhältnis zwischen Sendeprogrammkosten je 30 sec Werbeblockdauer (DWH) und der Werbeblockreichweite ermittelt. TKK
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Tabelle 3:
30 sec —
RW
^
wb
Ks
r^r
\y)
-2 D w b
TKKmin in Euro 8,00 6,67 8,57 7,50 7,06
MAKmin in Euro 1.228,00 999,67 1.566,86 1.224,00 880,94
TKK
30 sec m Euro 24,39 17,78 21,43 17,65 16,81
Kennzahlen der Programmeffizienz
Aufgabe 3 a) Planung, Kontrolle und Steuerung des Werbeerlöses Der Werbeerlös resultiert aus dem Verkauf von Rezipientenkontakten und stellt die bewertete Kontaktmenge in Geldeinheiten dar. Die Basis für die Erlösplanung bildet der Tarifpreis für die jeweilige Werbezeit in Verbindung mit den erwarteten Zielgruppenkontakten. Im Rahmen der Programmplanung werden die Reichweiten für die plazierten Sendebeiträge geschätzt und mit dem Zappingfaktor für die Erfolgsplanung korrigiert. Um den Tarifjpreis eines nach Blockpositionen differenzierten Werbespots von 30 sec. zu ermitteln, wird die geplante Tausender-Werbeblockreichweite mit dem Plan-Tausendkontaktpreis für 30 sec. multipliziert. Die Höhe des Tarifpreises wird vor allem von der erwarteten Kontaktmenge determiniert und dem Kunden als Listenpreis vorgegeben. Der Tausendkontaktpreis charakterisiert das Verhältnis zwischen dem Erlös und den an die Werbewirtschaft vermittelten Rezipientenkontakten. Er stellt den Tauschwert dar, den Tausend Zielgruppenkontakte für einen bestimmten Zeitraum für den Werbekunden haben. Der exakte Tausendkontaktpreis kann erst bei Kenntnis der durch die Fernsehforschung ermittel-
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Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen
ten tatsächlichen Zielgruppenreichweiten ermittelt werden. Durch diesen Tausendkontaktpreis erfährt der Werbekunde letztlich, in welchem Umfang er Zielgruppenkontakte für den erbrachten Werbeaufwand erhalten hat. Deshalb muß im Rahmen des Erlöscontrolling eine Abweichungsanalyse durchgeführt werden, welche die Plan- und Ist-Tausendkontaktpreise auf der Basis der geplanten und erreichten Werbeblockreichweiten vergleicht. Liegt der tatsächliche Tausendkontaktpreis unter dem geplanten, ist die erzielte Reichweite höher als die erwartete für den betrachteten Werbespot. In diesem Fall erzielt der Werbekunde einen für ihn günstigen Tausendkontaktpreis und damit eine höhere Wirtschaftlichkeit für das eingesetzte Werbebudget. Im Rahmen der Abweichungsanalyse im Erlöscontrolling werden die Ursachen der Abweichungen zwischen dem geplanten und erreichten Tausendkontaktpreis ermittelt, um eine Gegensteuerung zu ermöglichen. Eine Schlechtwetterperiode kann Ursache für eine intensivere Fernsehnutzung sein und bewirkt so niedrigere Tausendkontaktpreise als geplant. Dies bedeutet für die Werbewirtschaft eine höhere Wirtschaftlichkeit, für das Medienunternehmen dagegen entgangene Erlöse. Während bei einer Schlechtwetterperiode als unbeeinflußbare Einflußgröße eine Gegensteuerung kaum möglich ist, kann eine solche beim Beginn neuer Formate auftretende Konstellation durch eine rechtzeitige Korrektur der geplanten Tausendkontaktpreise und der damit verbundenen Listenpreise erlössteigernd erreicht werden. Um den Plan-Werbeerlös für eine Zeitperiode zu ermitteln, muß die geplante Buchungsauslastung Berücksichtigung finden. Der Bruttowerbeerlös ist somit das Produkt aus der Tausendkontaktmenge der betrachteten Zeiteinheit, dem geplanten Tausendkontaktpreis und der geplanten Buchungsauslastung. Der Werbeerlös kann für differenzierte Zeiträume ermittelt werden, z. B. als Jahres-, Monats-, Wochenerlös oder auch als Erlös eines Tagesabschnittes, eines Sendebeitrages, einer Werbeinsel oder einer Minute- oder Sekunde-Werbezeit. Für Konkurrenzvergleiche oder Marktdokumentationen wird der Bruttoerlös als Produkt einer fakturierten Menge Werbespots und den entsprechenden Listenpreisen je Spot direkt ermittelt. Werden vom Bruttowerbeerlös Rabatte und andere Erlösminderungen, wie Agenturprovisionen oder Skonti abgezogen, erhält man verschiedene Varianten des Nettowerbeerlöses. Im erfolgsorientierten Erlöscontrolling sollten bei der Werbezeitvermarktung charakteristische Eigenschaften der von den werbefinanzierten Medienunternehmen für die Werbewirtschaft erbrachten Dienstleistungen berücksichtigt werden. Die Inhalte der ausgestrahlten Programme und Werbebotschaften stellen immaterielle Leistungen dar. Bei der Übermittlung der Inhalte und Werbebotschaften über das Medium müssen die Rezipienten als potentielle Kunden als externer Faktor in den Leistungsprozeß einbezogen werden. Die Kontaktleistung ist durch den simultanen Ablauf von Produktion und Vertrieb weder transport- noch lagerfähig. Die Werbezeit ist durch die Werberichtlinien nach oben begrenzt und damit eine reglementierte fixe Planungsprämisse. Deshalb ist ein integriertes Preis-Kapazitätscontrolling zur erfolgsorientierten Werbezeitvermarktung notwendig, welches die konfliktären Teilziele, maximale Buchauslastung und maximaler Erlös je verfügbarer Werbezeiteinheit bzw. je Rezipientenkontakt, optimiert. In der Soll-Ist-Abweichungsanalyse des Werbeerlöses treten als Abweichungsursache sowohl Preis- als auch Auslastungsabweichungen auf, die in ihren Wechselbeziehungen und -Wirkungen genau analysiert werden müssen. Um im Erlöscontrolling eine integrierte Preis-Kapazitätssteuerung zu ermöglichen, sollten die Werbekunden zunächst nach dem Kriterium Zahlungsbereitschaft segmentiert werden. Die Werbekunden werden auf Grundlage einer gewichteten Kundenanalyse je nach individuellen Präferenzen in Segmente unterschiedlicher Preiselastizität eingeordnet, was folglich zu einer Preisdifferenzierung und gleichzeitig -diskriminierung führt. Neben der individuellen Zahlungsbereitschaft
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werden werbekundenbezogene Kriterien, wie Buchungsvolumen, gewährte Rabatte, Zahlungsmoral, Umbuchungs- und Stornierungsverhalten, notwendiger Serviceaufwand und künftiges Ertragspotential zur Einordnung des Werbekunden analysiert und bewertet. Um die individuelle Zahlungsbereitschaft und das Buchungsverhalten der Werbekunden durch eine dynamische Preis-Mengensteuerung optimal abzuschöpfen, bietet sich die Methode des Yield-Management an. Diese Methode ist ein Ansatz zur integrierten Preis-Kapazitätssteuerung mit dem Ziel, die Gesamtkapazität so in Teilkapazitäten aufzuteilen und dazu entsprechende Preisklassen zu bilden, daß eine Erlös- und Erfolgsmaximierung erreicht wird. Leerkosten durch ungenutzte Werbezeiten und Opportunitätskosten durch Werbezeitvergabe an Kunden mit niedriger Preisbereitschaft bei gleichzeitig späterer Ablehnung von Kunden höherer Preisbereitschaft sollten durch den Einsatz des Yield-Management minimiert werden. Aus der in dem Buchungssystem erfaßten aktuellen Struktur der Nachfrage und den Vergangenheitsdaten der sogenannten Wissensbasis wird im Prognosesystem eine werbekundenbezogene Nachfrageprognose erstellt. Im Optimierungsmodul erfolgt schließlich die Kapazitätssteuerung durch starre oder dynamische Kontingentierung, dynamische Anpassung bei Nachfrageschwankungen und Steuerung der gezielten Überbuchung. b) Der Tausendkontaktpreis je 30 sec (TKP30 sec) wird als Verhältnis zwischen dein Werbeerlös (WE S ) je 30 sec Werbeblockdauer und der Werbeblockreichweite ermittelt. T K P 30sec
R W
WE S.
W B .
2
D
W B
TKP30 sec in Euro 22 21 23 24 20
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Tabelle 4:
Tausendkontaktpreis je 30 sec
Aufgabe 4 a) Deckungsbeitrag als integrative Steuerungsgröße Die Kontaktkennzahlen verknüpfen im Sinne des Sachziels eines werbefinanzierten Fernsehsenders die Programmplanung und -kontrolle mit der Werbezeitvermarktung und ermöglichen so die Steuerung des effizienten Gütereinsatzes und der -Verwertung. Um ein duales Erfolgscontrolling zur Steuerung und Koordinierung beider Märkte im Sinne des Formalziels zu gewährleisten, ist eine integrative Erfolgskennzahl notwendig. Diese Erfolgskennzahl verknüpft die Erlös- und Kostenseite und bildet die integrative Spitzenkennzahl für ein dual aufgebautes Kennzahlensystem mit den Systemelementen Programmkosten und Werbeerlös. Als Spitzenkennzahl können das Betriebsergebnis, der Cash flow oder der Deckungsbeitrag fungieren. Da der Gütereinsatz in bezug auf den betrachteten Programmplatz überwiegend
Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen
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variable Kosten bewirkt, ist der Deckungsbeitrag eine geeignete Steuerungsgröße zur Optimierung von Programmkosten und Werbeerlös. Um den Deckungsbeitrag eines Sendeplatzes oder einer Periode zu ermitteln, können die einoder mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung eingesetzt werden. Bei der einstufigen Dekkungsbeitragsrechnung (direct costing) werden von dem Nettowerbeerlös eines Sendeplatzes die entsprechenden direkt zurechenbaren Ausstrahlungskosten abgezogen. Der Deckungsbeitrag gibt an, ob die betreffende Ausstrahlung alle direkt von ihr verursachten Kosten dekken wird und kann somit eine kurzfristige Entscheidung wirkungsvoll unterstützen. Die Summe der Deckungsbeiträge aller Sendeplätze eines Zeitraumes ergibt den Deckungsbeitrag einer bestimmten Periode. Nach Abzug der Fixkosten kann zusätzlich das Betriebsergebnis für diese Periode ermittelt werden. Bei der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung einer werbefinanzierten Fernsehanstalt wird vom Bruttoerlös ausgegangen, da die Rabattierung relativ sendeplatzunabhängig erfolgt und somit der Nettoerlös, als Basis für Programmentscheidungen durch Vermarktungsaktivitäten verzerrt werden kann. Wenn vom Bruttoerlös die dem Sendeplatz direkt zurechenbaren Kosten abgesetzt werden, ergibt sich der Bruttodekkungsbeitrag, der nach Abzug der Erlösminderungen zum Nettodeckungsbeitrag fuhrt. Durch getrennten Abzug verschiedener Fixkostenblöcke, wie die Kosten der erstellenden Redaktion, die Kosten der betreuenden Redaktion und von Overheadkosten, können verschiedene Teildeckungsbeiträge sowie das Betriebsergebnis als längerfristige Steuerungs-, Koordinierungsund Entscheidungsgröße im Rahmen der Beschaffungs-, Produktions- und Absatzplanung gewonnen werden. Die Deckungsbeiträge der Sendeplätze können für verschiedene Betrachtungszeiträume, wie Jahr, Monat, Woche, Sendezeiten, aber auch für bestimmte Programmkategorien, wie Talks, News, Soaps, verdichtet werden. Somit dient die integrative Kennzahl Deckungsbeitrag als Entscheidungsbasis für alternative Sendebeiträge, die Fortführung laufender Sendeformate, als Preisobergrenze für Beschaffungs- und Produktionsentscheidungen sowie als Preisuntergrenze für Entscheidungen zur Kontaktvermarktung. Im Rahmen der Abweichungsanalyse ermöglicht die integrative Spitzenkennzahl Deckungsbeitrag die duale Ursachenforschung im Bereich der Programmplanung und Werbezeitvermarktung. b) Der Deckungsbeitrag je Sendung (DBS) ist die Differenz aus dem Werbeerlös je Sendung und den variablen Programmkosten je Sendung. DB S = WE S - K s DBS in Euro -4.704 8.700 3.520 14.280 9.120 30.916
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Summe Tabelle 5:
(11)
Deckungsbeitrag je Sendung
Controlling im werbefinanzierten Medienunternehmen
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Quellenverzeichnis ST. : Yield Management als Ansatzpunkt für die Kapazitätsgestaltung von Dienstleistungsunternehmen, in: CORSTEN, H./SCHNEIDER, H. (Hrsg.), Wettbewerbsfaktor Dienstleistung, München 1999, S. 79-107.
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A.\ Controlling der werbefinanzierten Medienunternehmung, Reihe Telekommunikation@Medienwirtschaft, Band 13, Köln et al. 2002.
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SCHWERTZEL, U. :
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität - Change Management im öffentlichrechtlichen Rundfunk MIKE FRIEDRICHSEN
MARTIN GLÄSER
[email protected]
[email protected]
HOCHSCHULE DER MEDIEN STUTTGART
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht vor großen Herausforderungen. Diese betreffen sowohl die Veränderungen der relevanten Rahmenbedingungen als auch die Marktverhältnisse. Einige Stichworte zu den Rahmenbedingungen: •
Technik: Digitalisierung, Online, massive Innovationsschübe, Explosion der verfugbaren Kanäle
•
Politik und Recht: Politik der Deregulierung, Ökonomisierung der Medienpolitik, EUEinflüsse
•
Gesellschaft: Wertewandel, Erlebnisorientierung, Hedonismus, Individualismus, Infotainment, Edutainment, Informationsüberlastung, zunehmende Desorientierung, Desintegration
•
Ökonomie: Konvergenzprozesse von Inhalteanbietern, Computerindustrie, Endgerätehersteller, Telekommunikation (TIME-Branche), Konzentrationsvorgänge und Vermachtung im Rundfunkmarkt, Bildung strategischer Allianzen, Wandel zu Nachfragermärkten, Fragmentierung der Publika, Kommerzialisierung der Programmangebote.
Hinzu kommen erhebliche Veränderungen in den jeweiligen Märkten, in denen sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten betätigen. Hauptmerkmal ist der Wandel der Machtverhältnisse zwischen den Marktpartnern zu Gunsten der Nachfrageseite, wobei eine zunehmende Entflechtung und Destabilisierung der Kundenbeziehungen festzustellen ist. „Customer Relationship Management" wird daher immer schwieriger und anspruchsvoller. Je nach Zielgruppensegment haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit mehr oder weniger großen Problemen der Gewährung von Loyalität, der Zahlungsbereitschaft und der Legitimation zu kämpfen. Ohne eine starke Marktposition können sie im politischen Kontext aber auf Dauer nicht bestehen. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fähig sind, neben den allfälligen Anpassungsleistungen auf den bestehenden Märkten progressiv in neue Märkte einzutreten, eine Frage, die insbesondere mit dem Thema Internet in Verbindung steht.
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Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
Angesichts dieser Lage kann es nicht überraschen, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfimkanstalten trotz einer nach wie vor vergleichsweise komfortablen Situation der auf Sicht kalkulierbaren Gebührenausstattung nicht umhin können, sich auf den Weg zu einer laufenden Veränderung zu begeben. Change Management kann als die große Herausforderung angesehen werden, und es stellt sich die Frage, welche Veränderungen vorrangig anzugehen sind. Die Aufgabe, die sich stellt, ist nicht zu unterschätzen. Tradierte Organisationsformen und bestehende Unternehmensstrategien stehen auf dem Prüfstand. Change Management ist diejenige Führungsaufgabe, mit der die existierenden Chancen zum Markterfolg gemünzt werden: new work - new business! Eine Einsicht hat sich in vielen Organisationen durchgesetzt: Die Hoffnung auf eine optimale Organisationsstruktur ist nur begrenzt tragfahig, weil die Zukunft unsicher und unbestimmbar ist. Prognosen geraten nur noch zu mehr oder minder intelligenten Spekulationen. Der Philosoph Kierkegaard stellte fest, daß die Tragik des menschlichen Lebens darin besteht, daß wir es nur rückwärts verstehen, es jedoch nur vorwärts leben können.1 Ziel müßte es darum sein, eine Organisation möglichst wandlungsfahig zu halten, um auf Umweltveränderungen rasch reagieren zu können. •
Der Schwerpunkt bei einer solchen kritischen Herangehensweise sollte darin liegen, tragfähige Prinzipien, Regeln und Rezepte zu entwickeln, mit denen die wechselnden Herausforderungen gemeistert werden können. Dann geht es darum, Prinzipien zu entwickeln, um den Wandel richtig zu meistern. Statt des „Wie produzieren wir?" steht „Wie verändern wir?" im Vordergrund. Damit wird auch den Mitarbeitern tendenziell eine neue Form von Stabilität versprochen. Das Management garantiert stabile Regeln für die Wandlungsprozesse.
•
Das Motto könnte lauten: „Wir sind zwar nicht mehr in der Lage, den Mitarbeitern optimale Organisationsstrukturen zu präsentieren und können diese auch nicht mehr vom Widerspruch befreien, daß die Organisation gleichzeitig veränderungs- und stabilitätsadäquates Verhalten von ihnen verlangt, aber wir versuchen, wenigstens die Wandlungsprozesse berechenbar zu gestalten. Die Mitarbeiter sollen einigermaßen sicher sein, nach welchen Regeln diese ablaufen."2
Der Managementforscher HENRY MINTZBERG vergleicht die Veränderungen in Organisationen mit dem Übergang von einem klassischen Puzzle zu Spielen mit Legosteinen.3 Während bei einem Puzzle die Regel darin besteht, nach dem Zusammenbauen ein bestimmtes Motiv zu erhalten, ist beim Spielen mit Lego keine Struktur vorgegeben, sondern die Regel des Zusammenbauens. Es ist bekannt, daß die einzelnen Legosteine ineinandersteckbar und dadurch frei kombinierbar sind. Die Stabilität ist das Prinzip des Wandels, ganz gleich was mit den Legosteinen gebaut wird. Und bedenkt man, daß man mit nur sechs Achtknopf-Legosteinen über 100 Millionen Möglichkeiten hat, diese zusammenzubauen, ist das eine erstaunlich stabile Regel für den Wandel.
V g l . KETS DE VRIES ( 1 9 9 5 ) . 2
KÜHL ( 2 0 0 0 ) , S. 6 1 .
3
V g l . MINTZBERG ( 1 9 9 1 ) .
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
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Aufgabe 1 Wie läßt sich ein erfolgreiches Change-Management beschreiben? Welche Erfolgsfaktoren gibt es?
Aufgabe 2 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht vor großen Herausforderungen. Diese entstehen aus Veränderungen des globalen Umfeldes, die Sie nachfolgend in groben Zügen beschreiben und im Hinblick auf die Relevanz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk darstellen sollen: a)
Veränderungen der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen
b)
Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
c)
Veränderungen der technologischen Rahmenbedingungen
d)
Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen
Aufgabe 3 Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen vor starken Herausforderungen durch Veränderungen in ihrem unmittelbaren Aufgabenumfeld. Dort müssen sie sich der Dynamik der Marktkräfte stellen und Antworten auf diese Dynamik finden. a)
Geben Sie eine ganzheitliche Darstellung der Dynamik der Marktkräfte unter Verwendung des theoretischen Ansatzes von Porter („Portersche Marktkräfte").
b)
Beschreiben Sie jeden einzelnen Faktor des Modells der Porterschen Marktkräfte unter dem Blickwinkel des TV-Marktes.
Aufgabe 4 Welche Argumente sprechen fur eine Strategie des Wandels, welche fur eine Strategie der Bewahrung bzw. Stabilität? Führen Sie eine Strategiediskussion im Sinne einer StärkenSchwächen-Analyse für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
188
Aufgabe 5 In welche strategische Stoßrichtung sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Change Management lenken?
Aufgabe 6 Analysieren Sie die Implikationen eines Change Management Konzepts fur den öffentlichrechtlichen Rundfunk im Hinblick auf die folgenden Aspekte: a)
Unternehmenskultur
b)
Selbstverständnis von ARD und ZDF
c)
Gesellschaftliche Legitimation
Lösung
Aufgabe 1 Die eigentliche Schwierigkeit beim „Unternehmen im Wandel" liegt in den Widersprüchlichkeiten zu dessen relevanter Umwelt. Sieben Kriterien für „gutes" Change Management sind zu nennen, die den Grundstein für die kritische Auseinandersetzung mit der Thematik legen: 1.
Klare Ziele
2.
Identifikation der Mitarbeiter
3.
Mensch im Mittelpunkt
4.
Kommunikation
5.
Selbstorganisation
6.
Ressourcen für Veränderung
7.
Wandel als permanenter Prozeß
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
189
Alle diese Kriterien haben neben ihren in der Literatur häufig aufgezählten hilfreichen Ansätzen auch ihre Schattenseite. Im Folgenden sollen daher neben den Vorteilen im Prozeß des Wandels jeweils auch die Nachteile aufgezeigt werden:4 Vorteile
Nachteile
1. Klare Ziele • bewahren vor ständigen Entscheidungen
•
•
schaffen Klarheit
•
verkürzen die Argumentationen
•
2. Identifikation der Mitarbeiter • starke Identifikation als Motivation
•
•
Stärken der Mitverantwortlichkeit
•
schafft Stabilität
3. Der Mensch im Mittelpunkt • der Mensch soll sich mit seiner vollen Persönlichkeit in das Unternehmen einbringen •
•
•
starke Identifikation mit Prozessen und Produkten verringert die Elastizität Veränderung der Prozesse wird erschwert der Grund für die geringe Bedeutung von Menschen ist, daß es in Organisationen nicht primär um den einzelnen Menschen mit seiner ganzen Persönlichkeit geht, sondern um die Koordination von Handlungen. Die Elemente von Organisationen sind nicht die Individuen, sondern die Kommunikation zwischen den Individuen.
•
durch die komplexen Zustände in Organisationen bewirkt rein kommunikatives Vorgehen Überlastungserscheinungen zu vieles Reden hält von der eigentlichen Arbeit ab keine komplexe Organisation ohne Hierarchie nicht jede Aktion in einem Subsystem b e t r i f f t unweigerlich das Ganze
•
•
durch Verhandlungs- und Verständigungsprozesse reduzieren sich Motivations- und Kontrollprobleme
•
•
durch das Einbeziehen der Mitarbeiter werden sie zu Trägern der Veränderung
•
•
Angst vor Veränderungen wird abgebaut
Abbildung 1:
begrenzen die Spielräume für Veränderungen schaffen „enge und dumme" Mitarbeiter Innovationen werden ausgeschlossen Veränderung der Ziele schafft Verwirrung
•
er soll selbstständig denken und handeln
4. Kommunikation • durch das Abwiegen verschiedener Ansichten soll die beste Lösung gefunden werden
4
•
Kriterien für gutes Change-Management, Teil I
Vgl. KÜHL (2000), S. 96, S. 153.
190
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
Vorteile
Nachteile
5. Selbstorganisation • Entlastung der Führungskräfte durch Selbstorganisation der Mitarbeiter
•
selbstorganisierte Fraktale pflanzen sich selbst fort. Es entsteht nichts Neues
6. Ressourcenhaltung für Veränderung • Ressourcen, Fettpolster und Puffer sorgen für Stabilität
•
•
•
Lean Management macht das Unternehmen anfallig Wenn es keine Doppelarbeiten und Überschneidungen gibt, hat die Organisation kaum Möglichkeiten, Alternativen auszuprobieren Fehler sind sofort in der gesamten Organisation zu spüren
•
Organisationen riskieren bewußt eine schlampige Gestaltung von Arbeitsund Entscheidungsprozessen, um dadurch über Möglichkeiten zu verfugen, mit künftigen Problemen zurechtzukommen hilft Überlastungssituationen zu bewältigen
7. Wandel als permanenter Prozeß • ermöglicht Anpassung an die Umwelt •
•
hilft beim Bilden erfolgreicher Strukturen
Abbildung 2:
•
erfolgreiches Lernen schreibt Strukturen fest und behindert spätere Anpassungsprozesse
Kriterien ftir gutes Change-Management,
Teil II
Change Management ist angesichts dieser Ambivalenz daher als eine besondere Herausforderung fur die Verantwortlichen eines Unternehmens anzusehen. Sich dieser Herausforderung zu stellen, heißt stets einen Spagat zu wagen zwischen der Schaffung fester Strukturen und der gleichzeitigen Infragestellung derselben. Der Anspruch besteht darin, eine nachhaltig ausgerichtete „lernende Hochleistungsorganisation" zu schaffen bzw. möglich zu machen. Zu den Begriffen: •
Lernen ist die Fähigkeit, bestehende Handlungsmuster stets revidieren zu können, neue Handlungsmuster anzunehmen und die Anpassung an Veränderungen zu ermöglichen.
•
Unter Lernender Organisation versteht man die Fähigkeit einer Organisation bzw. eines organisationalen Systems, relevante Veränderungen ihres unmittelbaren und globalen Umfeldes zu erkennen und darauf zu reagieren.
Ein Unternehmen kann daher niemals den Zustand einer abschließend fertigen lernenden Organisation erreichen, es ist vielmehr stets auf dem Weg dorthin. Ferner beinhaltet das Konzept nicht nur die Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit im Hinblick auf die Unternehmensumwelt, gefordert ist vielmehr auch ein proaktives Systemverhalten im Hinblick auf die Fähigkeit zur Veränderung des Systems selbst durch die Unternehmung. Damit folgt das Konzept dem autopoietischen Verständnis einer Organisation.
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
191
Aufgabe 2 Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten agieren - insbesondere mit Blick auf das Fernsehen - in einer Medienlandschaft, die zunehmend heftigeren Erschütterungen in Form von technischen Innovationen, Kommerzialisierung, Angebotserweiterungen, Verhaltensänderungen u. a. m. ausgesetzt ist. Wenig dramatisch und etwas trocken wird zumeist von der „Veränderung der Rahmenbedingungen" gesprochen. Um welche tiefgreifenden Veränderungen es dabei jedoch geht, zeigen die nachfolgenden, zusammenfassenden Aspekte. Mehr denn je sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gezwungen, nicht nur ihr operatives Verhalten anzupassen, sondern grundsätzliche strategische Weichenstellungen vorzunehmen. a) Veränderungen im politisch-rechtlichen Umfeld Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen in einem schwierigen politisch-rechtlichen Umfeld. Nicht erst seit dem 1995 vorgelegten „Biedenkopf-Stoiber-Papier" zu ihrer Strukturreform haben sie Grund zur Sorge. Mittlerweile wird in manchen Kreisen und interessierten Öffentlichkeiten immer wieder offen die Abschaffung des Ersten Deutschen Fernsehens der ARD und die Privatisierung des ZDF angesprochen. ARD und ZDF müssen jedenfalls in bislang nicht da gewesener Form um ihre Legitimation kämpfen. Unablässig und zunehmend kritischer wird der öffentliche Rundfunk in seiner Rolle als einer gesellschaftlichen Einrichtung auf den Prüfstand gehoben. Eine herausragende Triebfeder dieser Entwicklung ist die Politik der Deregulierung, die die Medienmärkte immer weiter öffnen soll und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine laufend zunehmende Konkurrenz durch privat-kommerzielle Anbieter beschert. Im Vordergrund stehen dabei im Fernsehen die national angebotenen Spartenprogramme sowie digitale Programmbouquets, aber auch Sender mit regionaler Ausdehnung des Sendegebiets (Ballungsraumfernsehen, City TV) spielen zunehmend eine Rolle. Inwieweit man angesichts von Erosionen in der Zustimmung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gleich von einer Legitimationskrise sprechen muß, mag dahingestellt bleiben. Fest steht freilich, daß die sich ändernde politische Landschaft eher zu einer schwierigeren Ausgangslage führt. Es ist unverkennbar, daß die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, nicht zuletzt dasjenige vom 22. Februar 1994, die tragenden Pfeiler für den Fortbestand von ARD und ZDF im Sinne einer Bestands- und Entwicklungsgarantie darstellen. Mit einer lediglich juristischen Zukunftssicherung hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk allerdings keinesfalls ein „Ruhekissen" im Rücken, das ihn zur Sorglosigkeit verleiten sollte. Die Signale aus dem politischen Bereich stehen eher auf Sturm. Eine aktive Strategie zur Legitimationssicherung zu verfolgen, scheint dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dringend angeraten und erforderlich. b) Gesellschaftliche Veränderungen Die neueren gesellschaftlichen Veränderungen kann man in grober Vereinfachung mit Begriffen wie Wertewandel, Erlebnisorientierung, Hedonismus oder Individualismus kennzeichnen. Ganz offenkundig ist die starke Hinwendung zu Spaß und Spiel („Fun"), zur Überlagerung bislang eher journalistisch-seriös aufbereiteter Themen durch Unterhaltungselemente oder
192
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
ihrer Präsentation gar ausschließlich auf der Plattform der Unterhaltung („Infotainment", „Edutainment"). Die öffentlich-rechtlichen Rundfiinkanstalten stehen vor dem Problem, daß unsere gemäß ihres allumfassenden Programmauftrags die Hände gebunden sind, wie die Privaten eine Art „Rosinentheorie" zu verfolgen und aus der Vielzahl der Themen diejenigen herauszupicken, die als besonders attraktiv gelten können. Ferner sind der massenattrativ wirkenden „Boulevardisierung" der Themenbearbeitung vergleichsweise enge Grenzen gesetzt. Gingen ARD und ZDF an dieser Stelle zu weit, würde zwangsläufig der Vorwurf der Konvergenz ihrer Programme in Richtung der kommerziellen Anbieter laut werden, mit der ein zu Recht gefurchteter zusätzlicher Legitimationsverlust einhergehen würde. Interessanterweise wird gelegentlich aus der Gefahr, „daß unsere Gesellschaft den unverzichtbaren gemeinsamen kommunikativen Boden unter den Füßen verliert" (so ZDF-Intendant Stolte im Forum Medienethik 1/96), eine strategische Position der Stärke abgeleitet. Nur durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelinge es in der Zeit der völligen Informationsüberlastung, eine mediale Orientierungsfunktion zu geben und der allgemeinen Desorientierung entgegenzuwirken. Schon in der ersten großen Fernsehentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1961 zum sog. „Adenauer-Fernsehen" war die Integrationsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hervorgehoben worden. Ein so auf die „Grundversorgung" eingeschworener öffentlicher Rundfunk muß alle Segmente der Bevölkerung ansprechen und ein gemeinsames Kultur-, Gedanken- und Meinungsgut pflegen und kann sich nicht beliebig dem Markt anpassen. Demgegenüber können sich die privat-kommerziellen Anbieter in ihrer Zielgruppenauswahl frei bewegen und haben keinen solchen Grundversorgungsauftrag.
c) Technologische Veränderungen Kernbaustein moderner Medientechnik ist die Digitalisierung. Als massiver Innovationsschub hat sie mittlerweile auf praktisch allen Stufen des medialen Wertschöpfungsprozesses Einzug gehalten und dominiert die weitere Entwicklung. Wer mithalten will, muß der computertechnischen Entwicklung mit immer kürzer werdenden Innovationszyklen folgen können. Die Digitalisierung ist zudem der Motor für ein Zusammenwachsen der Medienindustrien, so daß die Anbieter von Inhalten, die Computerindustrie, die Endgerätehersteller und die Telekommunikationsunternehmen enger zusammenrücken und einen logischen Verbund bilden. Es geht um die Konvergenz der TIME-Branche: •
T ...
Telekommunikation
•
I ...
Informationstechnik, Computer-Branche
•
M ... Medien, Inhalte
•
E ...
Entertainment, Unterhaltungselektronik
Konzentrationsprozesse und strategische Allianzen in horizontaler, vertikaler und diagonaler Hinsicht („Cross Ownership") sind die Folge. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als die „Ur-Player" auf dem Rundfunkmarkt stehen vor der schwierigen Aufgabe, bestehende Strukturen umzubauen und sich den Entwicklungen zukunftsorientiert anzupassen.
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
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Einhergehend mit der Digitalisierung steht die prinzipielle Aufhebung der Frequenzknappheit mit der jahrzehntelang vorherrschenden Kanalbewirtschaftung. Daraus hatten die öffentlichrechtlichen Anstalten eine Vorzugsstellung bezogen, die nunmehr hinfällig ist. Die fortschreitende Digitalisierung erleichtert die Vernetzung der Medienangebote. OnlineAngebote gewinnen an Bedeutung und haben sich schon einen beachtlichen Markt erobert. Immer mehr Medienunternehmen präsentieren sich und ihre Produkte im Internet, obgleich ihnen damit zunächst fast nur Kosten entstehen und nur in seltenen Ausnahmefällen Gewinne erwirtschaftet werden. Die Entwicklung ist durch die Schaffung neuer, eigenständiger OnlinePublikationen gekennzeichnet. Hervorragede Beispiele sind das multimediale Jungendradio „DASDING" vom Südwestrundfunk oder „Personal R@dio" vom Bayerischen Rundfunk. Letzteres Angebot bringt den Informationskanal Bayern 5 ins Netz und macht damit Nachrichten weltweit im Originalton abrufbar; zusätzlich sind Recherchemöglichkeiten im Archiv der Radiobeiträge geboten. Die Vorstellung ist realistisch, daß über kurz oder lang alle elektronischen Medienangebote digital gespeichert sind, nach Bedarf im Netz verfugbar gemacht werden können und damit nach individuellen Präferenzen abrufbar sind. Die Suche im weltweiten Datenstrom erfolgt dann mit Unterstützung von „digitalen Assistenten" oder „Butlern", die gemäß der Interessen und Vorgaben des Nutzers eine Vorauswahl der Programme und Publikationen treffen. Es bleibt abzuwarten, ob sogar Fernsehapparat und Computer über kurz oder lang auf einer einheitlichen digitalen Plattform verschmelzen. Eine Vorstufe dieser Entwicklung kann in der Entwicklung von EPG-Systemen gesehen werden, dem Elektronischen Programmfuhrer bzw. Electronic Programme Guide.
d) Ökonomische Veränderungen Schon in der analogen Welt hat - insbesondere beim Fernsehen - durch Satelliten- und Kabeltechnik eine starke Zunahme der Programmangebote stattgefunden. Durch das digitale Fernsehen steht potentiell jedoch geradezu die Möglichkeit einer Explosion vor der Tür. Das vor einiger Zeit noch verwundert zur Kenntnis genommene Stichwort der „500 Kanäle" erfahrt schon in einer absehbaren Zukunft (für kaufkräftige Zielgruppen) eine realistische Perspektive. Vorrangig werden Spartenkanäle jedweder Art Einzug halten. Eine neue InhalteLand-schaft entsteht. Inwieweit es sich hier um eine Vervielfachung des stets Gleichen handelt, wie gelegentlich abschätzig prognostiziert, oder ob es tatsächlich ein neues, vielfältigeres Angebot gibt, mag hier offen bleiben. Vieles spricht für letzteres, obgleich die Frage der Finanzierbarkeit - aus Werbung, durch direkte Abgaben der Rezipienten oder über andere Formen - zur Zeit noch eine massive Bremse bedeutet. Die Vervielfachung von Kanälen schafft jedenfalls die Möglichkeit, zunehmend auch spezielle Interessen mit separaten Spartenprogrammen zu befriedigen. Die Entwicklung geht in Richtung (inhaltliche und formale) Erweiterung der Angebote, Individualisierung der Verfügbarkeit und Fragmentierung der Publika. Das sich an anonyme und disperse Massenpublika wendende „Broadcasting" verliert, das „Narrowcasting" für spezielle Zielgruppen und schließlich die Individualisierung der Kommunikation gewinnt an Bedeutung. Dieser Entwicklung wird zudem Vorschub geleistet durch die Verknüpfung der Basis-Programmangebote mit dem Internet. Hier besteht für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemäß Rechtslage die ungemütliche Situation, daß ihre Internet-Aktivitäten lediglich programmbegleitenden Charakter haben dürfen, während die private Konkurrenz „in die Vollen" gehen kann.
194
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
Im Zuge dieser Trends sind bereits jetzt Radio und Fernsehen in großem Stil einer Kommerzialisierung unterworfen. Medieninhalte werden in dieser sich gründlich ändernden Medienwelt - wann immer dies möglich ist - kommerziell vermarktet. Dabei dienen die Programminhalte zum einen zunehmend als Instrument, um in werbefinanzierten Programmen für hohe Einschaltquoten (generell oder in der Zielgruppe) zu sorgen. Zum anderen sind alle kommerziellen Veranstalter nachhaltig daran interessiert, aus dem „Free TV" verstärkt ein „Pay TV" zu machen. In der digitalen Welt müssen wir uns daran gewöhnen, daß Zuschauer vom Live-Konsum von Ereignissen ausgeschlossen bleiben, wenn sie keinen gesonderten Preis dafür bezahlen. Erkennbar ist diese Entwicklung nicht nur bei großen Kinofilmen, sondern auch für bislang noch frei präsentierte Sportereignisse (z. B. Olympische Spiele). In diesem Zusammenhang sind auch „Pay Per View" und „Video on Demand" zu sehen. Volkswirtschaftlich gesehen stehen wir vor dem Phänomen, daß Fernsehen im Zeitablauf einer relativ starken Verteuerung unterworfen ist. Ungünstig für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland ist die zunehmende Vermachtung des privat-kommerziellen Fernsehmarktes in Richtung auf wenige, im Zweifel nur zwei dominierende Sendergruppen. Die Tendenzen zur weiteren Konzentration und Marktbeherrschung auf dem TV-Markt bringen ARD und ZDF in eine schwierige strategische Position, zumal jene Anbieter Teile von Multimediakonzernen sind, deren Kompetenz und Präsenz sich nicht nur auf den Fernsehmarkt beschränkt, sondern die in allen medialen Wertschöpfiingsketten präsent sind. Rechtlich sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten demgegenüber in ihrem Bewegungsspielraum stark eingeschränkt und von einer Marktausbreitung in vertikaler und horizontaler Hinsicht ausgeschlossen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten konnten bis Mitte der achtziger Jahre in Radio und Fernsehen auf sog. Anbietermärkten operieren, bei denen sie als Anbieter von Medienleistungen eine starke Stellung genossen. Sie beherrschten zudem noch alleine das Marktgeschehen. Heute gibt es kommerzielle Konkurrenz, die es auszuhalten gilt, und zudem haben sich die Märkte immer mehr zu Nachfragermärkten entwickelt, auf denen der Konsument eine vergleichsweise starke Marktposition besitzt. Dessen Nachfrageverhalten wird zunehmend zeitlich flexibel und inhaltlich individuell, seine Interessen sind zunehmend das „Maß der Dinge". Sie gezielt zu befriedigen, rückt im Mediengeschäft immer mehr in den Mittelpunkt. ARD und ZDF sind zu einer konsequenten Nachfrageorientierung gezwungen.5 Schließlich sei an dieser Stelle auf die zunehmende Internationalisierung der Medienmärkte hingewiesen, ohnehin erkennbar im Beschaffungsbereich (z. B. amerikanische Serien und Filme), aber auch bei den Programmangeboten: Den Fernsehzuschauern ist zunehmend eine internationale Programmpalette verfügbar, an die in der Vergangenheit nicht zu denken war, wie etwa die Einspeisung amerikanischer Programme wie CNN oder NBC, an europäische Programmeinspeisungen, aber auch - noch wenig beachtet - an Programme für ausländische Mitbürger. Der Trend weist in ein weites Feld. Im Gegensatz dazu ist aber auch der Regionalisierung der Programmangebote eine zunehmende Beachtung zu schenken. Ballungsraumfernsehen („City TV") sowie lokale Fensterangebote können als „Wachstumsbranchen" gesehen werden.
5
V g l . hierzu G l ä S E R ( 1 9 8 7 ) .
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
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Aufgabe 3 a) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen zum einen vor einem zunehmenden Außendruck durch die Veränderung ihres globalen Umfeldes. Zu diesem generellen Druck gesellt sich ein zunehmender Wettbewerbsdruck im unmittelbaren Umfeld, dem sog. „aufgabenspezifischen Umfeld", sprich dem Markt. Nach dem Modell der Porterschen Marktkräfte kann der Marktdruck fünf Ursachenfelder haben (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3:
Modell der Porterschen Marktkräfte
(modifiziert)
Der Portersche Ansatz folgt der Industrieökonomik und rückt die Struktur einer Branche in den Mittelpunkt der Betrachtung. These ist es, daß die Dynamik und die Intensität des Wettbewerbs von verschiedenen Strukturmerkmalen der Branche abhängt und von diesen wiederum die Rentabilität der Branche bzw. des Unternehmens. Wie stark der Wettbewerb ist, bestimmt sich aus der jeweiligen Bedeutung der Faktoren, die es im einzelnen zu untersuchen gilt: •
Rivalität unter den Wettbewerbern
•
Bedrohung durch neue Anbieter
•
Bedrohung durch Ersatzprodukte
•
Verhandlungsstärke der Lieferanten
•
Verhandlungsstärke der Abnehmer
Alle Faktoren stehen überdies untereinander in Verbindung und können nicht isoliert betrachtet werden. Stets ist der betrachtete Kontext in ganzheitlicher Sicht zu analysieren.
196
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
b) Nachfolgend sollen die einzelnen Kräfte gemäß des Modells der Porterschen Marktkräfte unter dem Blickwinkel des TV-Marktes näher betrachtet werden. Die Frage ist zu stellen, welche Konsequenzen für das Change Management sich fur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anbieten. Verschärfte Rivalität auf den Rundfunkmärkten Die „Schlacht" um die Gunst der Zuschauer und Zuhörer hat in den letzten beiden Jahrzehnten ständig und deutlich an Intensität zugenommen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann es sich dabei nicht leisten, eine Rückzugsposition auf einen von außen vorgegebenen Rundfunkauftrag einzunehmen. Das ist eine Situation, die sich grundlegend von früheren Zeiten unterscheidet. Um eine ausreichende Akzeptanz der Programme zu sichern und die Legitimation in der Gesellschaft nicht zu verlieren, muß er wohl oder übel „in den Ring". Hier trifft er nun auf Rivalen, die mit größtem Einsatz und einem erheblichem Durchsetzungswillen den Markt zu beherrschen versuchen. Im Rücken haben sie jeweils eine starke Senderfamilie, einen „Clan", der sie in die Lage versetzt, eine unter Umständen lang anhaltende defizitäre Phase ökonomisch durchzustehen. Den Wettbewerb im Fernsehen führen sie vorrangig auf dem attraktiven Feld der Unterhaltungsprogramme im weitesten Sinne, und zwar vor allem im Wege exklusiver Angebote von internationalen Spielfilmen, Sportübertragungen und Shows. Weniger attraktive Felder wie Information, Kultur oder Bildung werden nicht oder nur minimalistisch „beackert". ARD und ZDF besitzen unter diesen Voraussetzungen heute noch eine dominante Wettbewerbsposition im Feld der Information sowie in Bildung und Kultur. Dies kann sich z. B. mit zunehmenden Spartenangeboten und einer denkbaren Qualitätssteigerung der Privaten freilich ändern und wird dann zu einer weiteren Verschärfung des Wettbewerbs führen. Theoretisch gesehen ist die Intensität des Konkurrenzkampfes auf einem Markt unter anderem umso höher, •
je größer die Zahl der Konkurrenten ist und je mehr Produktionskapazität zur Verfügung steht;
•
je gleichartiger die Wettbewerber hinsichtlich ihrer Marktanteile und Fähigkeiten sind;
•
je langsamer die Nachfrage nach den angebotenen Produkten wächst;
•
je stärker die Konkurrenten Preisreduzierungen vornehmen, um ihr Absatzvolumen zu steigern;
•
je weniger loyal die Kunden gegenüber den Marken sind;
•
je höher die Informationstransparenz ist;
•
je unzufriedener einzelne Wettbewerber mit ihrer Marktposition sind und Expansionsstrategien fahren;
•
je höher die Austrittsbarrieren aus dem Markt sind, z. B. durch hohes Anlagevermögen.
6
Vgl. NOTGER/KlESEL (1996), S. 48 f.
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
•
197
je mehr Unternehmen außerhalb der Branche dazu neigen, schwache Wettbewerber zu akquirieren und zusätzliche Ressourcen in den Markt hineintragen.
In diesem Licht erweist sich der Rundfunkmarkt als ein Feld mit einer Neigung zu hoher Wettbewerbsintensität: Die Zahl der Konkurrenten ist zumindest so hoch, daß ständig innovative Ideen und neue Programmstrategien erscheinen. Die Konkurrenten sind in dem Sinne etwa gleich groß, als sich der öffentliche und der private Marktsektor in etwa die Waage halten; im Fernsehen bewegen sich die fünf führenden Anbieter in vergleichbaren Marktanteilen. Die Nachfrage nach Radio- und Fernsehangeboten wächst nicht sehr dynamisch, so daß sich alle Anbieter um dieselben Potentiale streiten, ganz im Gegensatz zu einem schnell wachsenden Markt. Im Rundfunkmarkt haben wir es ferner mit einem atypischen Preisgeschehen zu tun, indem sich der öffentliche Rundfunk vorrangig aus bundesweit gleichen Pro-Kopf-Beiträgen (Rundfunkgebühren) finanziert, während das Gros der Privatprogramme über Werbung finanziert wird. Zur Erhöhung der Wettbewerbsintensität trägt bei, daß die Werbefinanzierung nicht ins Bewußtsein der Nutzer dringt, also mehr oder weniger unmerklich erfolgt. In diesem Zusammenhang ist auch der relativ geringe Grad der Kundenloyalität zu sehen. Zusammenfassend gesehen stehen ARD und ZDF also in einer zunehmend heftigeren Konkurrenzsituation. Neben die Rivalität zu den privaten Anbietern tritt dabei zusätzlich noch die Rivalität innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks selbst, der im Fernsehen zwischen erstem und zweitem Programm gefuhrt wird, aber auch gegen und innerhalb der dritten TVProgramme, die in hohem Maße bundesweit empfangbar sind. Nicht zu unterschätzen ist schließlich die über Kabel und Satellit geschaffene Möglichkeit zum Empfang ausländischer Programme.
Bedrohung durch neue Anbieter Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind ständig durch neue Anbieter und deren Angebote bedroht. In einen Markt einzudringen, fallt umso leichter, je niedriger die Eintrittsbarrieren sind und je weniger schroff die Gegenreaktionen der schon im Markt agierenden Anbieter sind. Prinzipiell sind die Eintrittsbarrieren in den Rundfunkmarkt relativ hoch: Der Eindringling in den Markt benötigt ein hohes Maß an speziellem Know How. Er benötigt ferner erhebliche Ressourcen für die Produktion, Beschaffung und Verbreitung der Programme. Relativ hohe Investitionen sind notwendig, um einen Sender zu betreiben. Er steht also vor einem hohen Kapitalbedarf. Zudem sind neue Marktteilnehmer gezwungen, große Anstrengungen zu unternehmen, damit Zuschauer und Zuhörer ihre Programme wahrnehmen und akzeptieren, zum Beispiel in Form von Werbung und Vermarktung. Dieser „natürliche Schutzschild" für die Wettbewerber im Markt wird in neuerer Zeit jedoch zunehmend porös: Festzustellen ist ein rapider Preisverfall der notwendigen Produktionstechnik sowie der Kosten für die Verbreitung der Programmangebote, verursacht durch die Digitalisierung mit einem Trend zur Vervielfachung der Kanäle. Das Zauberwort der „1000 Kanäle" weist die Richtung.
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Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
Im Zusammenhang mit den - absolut gesehen - zweifellos hohen technischen Eintrittsbarrieren ist freilich die Fähigkeit der Interessenten nicht zu vernachlässigen, diese Marktbarrieren zu überwinden. Diese steigt mit der Ertragskraft, die sie auf den angestammten Feldern erworben haben. Typisch für den deutschen Rundfunkmarkt ist es, daß gerade die international erfolgreich operierenden „Big Players" mit ihrer Kapitalkraft in den Markt drängen sowie Unternehmen aus der Nachbarschaft des Mediensektors, das sind Unternehmen der Telekommunikation, Computerbranche und der Unterhaltungselektronik. Nicht selten geschieht der Einstieg im Zusammenhang mit Strategische Allianzen. Zunehmende Bedeutung von Ersatzprodukten Radio und Fernsehen stehen in Konkurrenz zu anderen Mediennutzungen. Der Zuhörer und Zuschauer vergleicht ständig die verschiedenen Medienprodukte, um sich dann für eine ganz bestimmte Kombination zu entscheiden. Insofern sind zum Beispiel Zeitung lesen oder Cassetten hören als Ersatzprodukte oder Substitute zu Radio und TV zu verstehen. Je mehr solche Substitute dem Einzelnen zur Verfügung stehen, umso schärfer stellt sich die Wettbewerbsfrage im Markt. Aus Sicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nimmt die Bedeutung der Ersatzprodukte für Radio und Fernsehen laufend zu. Die Möglichkeit, aus einer Palette eng verwandter Medienprodukte auszuwählen, steigt für den Nutzer laufend an. Zu nennen sind zum Beispiel: •
Internet: Informationsvermittlung, Unterhaltung („Web-Surfing")
•
PC: Spiele, Lern-Software, Informationen auf CD-ROM
•
Alte und neue Speichermedien: Bücher, Audio- und Video-Cassetten, DVD, CD-R zum Selbstbrennen
•
Vervielfachung der mediennahen Aktivitäten in der „Erlebnisgesellschaft": Musik- und Unterhaltungsevents, Discos, Reiseaktivitäten.
Als Hauptmotor der Entwicklung zu einer höheren „Substitutivität" des Marktes kann die Fähigkeit der neuen Medienprodukte zur Interaktivität gesehen werden. Radio und Fernsehen sind seriell ausgelegte Medienprodukte. Ihre Nutzung führt zu teilweise hohen Zeitverlusten. Die Möglichkeit, auf Abläufe Einfluß zu nehmen, ist eng begrenzt. Der Nutzer ist auf passiven Konsum ausgerichtet. Im Gegensatz hierzu zeichnen sich die neuen Medienprodukte dadurch aus, daß sie auf die Nutzungsbedürfnisse flexibel reagieren und zu aktivem Konsum herausfordern. Hier lassen sich Ähnlichkeiten zur Nutzung von Print-Produkten ausmachen, deren Charme gerade darin liegt, daß sie räum- und zeitunabhängig zur Verfügung stehen. Angesichts dieses Befundes kann es nicht überraschen, daß alle Marktteilnehmer versuchen, sich gegen den Angriff der Substitute auf das Kerngeschäft von Radio und Fernsehen zu wappnen. Alle Beteiligten versuchen, in den genannten Feldern „mitzumischen", sei es durch eigene Angebote (Radio im Netz, Ergänzungen zu TV-Angeboten im Netz), sei es durch Partnerschaften (Das Buch zur Sendung). Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind bei dieser Art von Zukunftssicherung im Nachteil, haben sie doch keine „Senderfamilie" im Hintergrund, die auf allen Stufen der medialen Wertschöpfungskette präsent ist, wie zum Beispiel der Bertelsmann-Konzern. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bleibt durch seine Verpflichtung auf Radio und Fernsehen in ein vergleichsweise enges Korsett gepreßt und kann nur versuchen, im Sinne einer Teilhabe an neuen Entwicklungen den Zug nicht zu ver-
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passen. Eine aggressive Vorwärtspolitik mit Partnerschaften, Firmenneugründungen, Kooperationen durchzusetzen, fallt relativ schwer. Der Gegendruck aus der Politik kommt hinzu. Steigende Lieferantenmacht Der hohe Wettbewerbsdruck, dem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausgesetzt sind, wird maßgeblich auch von der Beschaffungsseite im Markt bestimmt. Die Macht von Lieferanten ist umso höher, •
je höher die Bedeutung der zu liefernden Vorprodukte und Teile für die Beschaffer ist;
•
je weniger standardisiert die gelieferte Ware oder Dienstleistung ist;
•
je mehr der Lieferant fähig ist, den Liefergegenstand preiswerter anzubieten;
•
je geringer die Konkurrenz unter den Lieferanten ist.
Im Radio und besonders im Fernsehen haben eine Reihe von Liefergegenständen eine Schlüsselbedeutung. Die Lieferanten, die solche Gegenstände beschaffen können, sind für das Rundfunkunternehmen Schlüssellieferanten. Zu nennen sind vor allem: •
Inhalte jedweder Art, Stoffe, „Content": bereitgestellt von Autoren, Agenturen, Bild- und Tonjournalisten
•
Filmrechte: Spielfilm-Händler, Filmgesellschaften
•
Unterhaltungsshows: große Entertainer (Gottschalk, Harald Schmidt)
•
Rechte an attraktiven Events in Sport und Unterhaltung: Veranstalter, Vermarkter (Olympische Spiele, Fußball-WM, Autorennen, Boxen)
Für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hat sich die in Rede stehende Marktsituation in den 80er und 90er Jahren erheblich verschlechtert. Die private Konkurrenz hat es verstanden, sich im Laufe der Zeit durch eine gezielte Einkaufsstrategie und -politik eine starke Position zu verschaffen. In verschiedenen Bereichen bleiben dem öffentlichen Rundfunk nur noch Zweit- und Drittverwertungsrechte übrig, mit allen Konsequenzen einer möglicherweise sinkenden Programmattraktivität. Ein Zeichen für die allgemein gestiegene Marktmacht der Lieferanten im Rundfunkmarkt sind die zum Teil exorbitanten Preissteigerungen für den Rechteerwerb (im Sportbereich mehrere Tausend Prozent innerhalb eines Jahrzehnts). Verändertes Rezipientenverhalten Druck erfahren die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schließlich von der Seite ihrer Kunden. Deren Loyalität zur „Marke Öffentlicher Rundfunk" muß als flexibel eingestuft werden. „Erbhöfe" und eine natürliche Bindung an das öffentlich-rechtliche Grundangebot sind passé. Die Rezipienten verhalten sich mehr und mehr ausgesprochen „vagabundierend". Die Markenidentität hat deutlich nach gelassen. Generell hat sich der Fernsehmarkt zu einem „Nachfragermarkt" entwickelt, und in diesem Lichte besteht eine gegenüber früher veränderte Situation in der Vermarktung der Rundfunkprodukte. Hinzu kommt eine weiter fortschreiten-
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de Fragmentierung des Publikums in immer kleinere Interessengruppen, die immer schwerer zu erreichen sind. Den Programmauftrag zu erfüllen und gleichzeitig im Markt mit zufriedenstellenden Marktanteilen zu bestehen, wird in diesem Lichte immer schwieriger.
Aufgabe 4 Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können auf Herausforderungen zum einen mit einer Strategie des Wandels, zum anderen mit einer Strategie der Bewahrung bzw. Stabilität antworten. Welchem Konzept der Vorzug zu geben ist, hängt von der Stärken-SchwächenPosition ab und ist in einer Unternehmensanalyse zu klären. Zu unterscheiden sind zwei Aspekte der Leistungskraft eines Unternehmens:7 •
Leistungspotentiale: Fähigkeit, den Wertschöpfungs- und Leistungsprozeß zu steuern. Aspekte: Absatz, Produktion, Beschaffung, Technologie, Kapital, Personal
•
Führungspotentiale: Fähigkeit, ein wirkungsvolles Management zu praktizieren. Aspekte: Planung, Kontrolle, Information, Organisation, Unternehmenskultur
Die einzelnen Positionen sind darauf hin zu hinterfragen, ob sie als strategische Erfolgsfaktoren für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gelten können. Nachfolgend sollen die Leistungs- und Führungspotentiale nach ausgewählten Faktoren hinterfragt werden. Produkt- und Programmleistung Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gewinnt an Stärke, wenn sich seine Programme klar von den Angeboten der privaten Konkurrenz abheben, wenn sie unverwechselbar sind, wenn sie ein eigenständiges Profil aufweisen. Eine Schwäche wäre es demnach, wenn sich erweisen sollte, daß die Konvergenzthese stimmt, wonach sich die Programmangebote von öffentlichen und privaten Anbietern immer mehr aneinander angleichen. Festzustellen ist,8 daß sich die Angebots- bzw. Programmprofile des öffentlich-rechtlichen und des privaten Fernsehangebots in seiner Gesamtheit, aber auch in den Vollprogrammen, deutlich unterscheiden. Konvergenzen sind auf viel genutzte Sendestrecken und bestimmte Genres begrenzt. So erfolgte in der Prime Time bei ARD und ZDF eine Reduktion der Information zugunsten von Unterhaltung, wobei die Privaten gleichzeitig den Informationsanteil erhöhten. Letzterer ging aber stark in Richtung Boulevard-Information, während ARD/ZDF politische Information in den Vordergrund stellen. Als eine deutliche Stärke speziell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland ist das Angebot regionaler Inhalte zu werten. Die ARD als Verbund der öffentlichrechtlichen Landesrundfunkanstalten kann seit jeher auf diese Stärke bauen. So besitzen die (in der Zuschauergunst hoch beachtlichen) Dritten Fernsehprogramme einen hohen regionalen Anteil am Gesamtangebot, mit eher zunehmender Tendenz. Mit mehr als 50 regionalen Hörfunkprogrammen sind sie im Radio ohnehin als „regionale Content-Provider" führend. Eine weitere Stärke des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist seine hohe Kompetenz bei der 7
Vgl. BEA/HAAS ( 2 0 0 1 ) , 1 0 9 - 1 1 5 .
8
V g l . z . B . HAMM ( 1 9 9 8 ) , S. 2 2 3 f.
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201
Erstellung von Nachrichten- und Informationsangeboten, die sich auch im Qualitätsurteil der Zuschauer und Zuhörer niederschlägt,9 beruhend auf journalistischer und redaktioneller Professionalität, ein eigenes weltumspannendes Korrespondentennetz und die Verfügbarkeit umfassender Archive für Dokumentationszwecke, für die Bewahrung und den Transport kultureller Güter. Die Stärke des öffentlichen Rundfunks ist umso ausgeprägter, je mehr die Zuschauer und Zuhörer Kundentreue an den Tag legen, je spezifischere Erwartungen an das Programmangebot sie stellen und je verläßlicher sie diese Erwartungen erfüllt bekommen. Festzustellen ist: „Von ARD und ZDF erwarten sie in erster Linie fundierte Information, Orientierungshilfen, eine kritische Wächterrolle und die Einhaltung besonderer Qualitätsmaßstäbe. Von den Privaten erhoffen sie sich zwar auch Informationen, vor allem aber Entspannung und gute Laune sowie die Möglichkeit, den Alltag zu vergessen."10 Als Schwäche ist zu werten, daß sich die Publika in der Nutzung der Angebote stark ausdifferenzieren. Dies gilt besonders für das Fernsehen. So findet bei knapp zwei Dritteln des Publikums eine deutliche Polarisierung in der Nutzung der Programme statt." Das Fernsehpublikum des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist älter, höher gebildet, politisch interessierter und präferiert Nachrichten, Politik/Wirtschaft, Kultur, Verbraucher-, und Regionalsendungen. Das Fernsehpublikum der Privaten ist demgegenüber jünger, politisch desinteressierter, formal weniger gebildet und konsumiert mit Vorliebe Boulevardmagazine, Spielfilme und Fernsehserien. Ob sich der Sachverhalt zu einer „Riesen-Schwäche" für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auswächst, hängt davon ab, ob sie zukünftig in der Lage sind, junge Hörer und Zuschauer für sich zu gewinnen. Nur so können sie im übrigen auch ihrer Integrationsund Forumsfunktion gerecht werden. Präsenzleistung Effektive Distributions- bzw. Absatzwege zu besitzen, wird für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mehr und mehr zu einer zentralen Marketingfrage. Es genügt nicht, ein exzellentes Produktprogramm anzubieten, es muß auch zum Zuschauer und Zuhörer transportiert werden. Man ist schwach, wenn man bei der dynamischen Entwicklung der Verbreitungstechnik nicht Schritt halten kann. Der öffentliche Rundfunk muß insofern größten Wert darauf legen, auch im digitalen Zeitalter einen breiten und störungsfreien Zugang zu allen „Transportwegen" zu besitzen. So kann es nicht verwundern, daß ARD und ZDF nicht müde werden herauszustellen, die „Teilhabe" an den neuen technischen Entwicklungen - so die offizielle Sprachregelung - sei existenznotwendig. Profilleistung Produktprofile sind notwendig, um im Markt bestehen zu können. Man schafft sie durch eine überzeugende Kommunikationspolitik, die sich auf die Felder der Public Relations, der Verkaufsförderung und der Werbung bezieht. Wie kann es gelingen, öffentlich-rechtliche Pro-
9
10 11
V g l . ARD-WEISSBUCH ( 1 9 9 8 ) , S. 18. ARD-WEISSBUCH ( 1 9 9 8 ) , S. 3 9 . V g l . HAMM ( 1 9 9 8 ) , S . 2 2 3 F .
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dukte zu Marken zu profilieren, eine öffentlich-rechtliche Markenqualität zu entwickeln und diese über die Zeit zu erhalten? Es ist unverkennbar, daß ARD und ZDF große Anstrengungen in dieser Richtung unternehmen, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen: Ständige Modernisierung der Programmpräsentation (z. B. Heute- und Tagesschau-Design), verstärkte Ei-genwerbung durch Programmhinweise (einschließlich Querverweise bzw. „Cross-Promotion" zwischen Radio und Fernsehen), Ausbau von Merchandising und programmbegleitender Publikation, Gründung und Ausbau von kundenbindenden Clubs, Forcierung öffentlicher Veranstaltungen (insbesondere Kooperationen im Bereich der Popmusik; im Klassikbereich durch Sinfonieorchester). Wie die Beispiele belegen, darf man die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf diesem Sektor zu den „Profis" zählen, die es verstehen, „sich in Szene zu setzen". Gleichwohl stellt sich die Frage, ob es gelingt, öffentlich-rechtliche Marken bei Zielgruppen zu positionieren, die vorwiegend auf Privatprogramme orientiert sind. Leistungspotentiale in Beschaffung und Produktion Auf der Beschaffungsseite fertiger Programm-Bausteine, also beim Erwerb von Kaufprodukten wie Spielfilmen oder Sportrechten, haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine eher schwache Position und tun sich insbesondere beim Erwerb hochkarätiger und exklusiver Rechte schwer gegen die wohl organisierten kommerziellen Verwertungsketten der multimedial tätigen internationalen Medienkonzerne. Anders ist die Situation bei Eigenproduktionen zu beurteilen, wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein herausragender Arbeitgeber im Mediensektor ist, der sehr große Ressourcenpotentiale absorbiert. Hinzu kommt die Beschäftigung freier Mitarbeiter wie Autoren, Regisseuren, redaktionellen Kräften, Moderatoren, Aushilfen, in Archiven usw., die in der Summe weit über die Zahl der festangestellten Mitarbeiter hinausgeht. Insofern haben sie eine Position der Stärke realisiert, aus der heraus sie ihre Programmarbeit aufbauen können. Man ist in der Lage, Inhalte selbständig zu erstellen und mit diesem Angebot im Hörfunk- und Fernsehmarkt kräftig „mitzumischen". Sie sind gegen einseitige Abhängigkeiten von privaten Serviceanbietern gewappnet und können damit von konkurrierenden Organisationen nicht an die Wand gespielt werden. Kein Konkurrent ist in der Lage, um die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten herum die Inhalte und Themen einseitig zu beherrschen und eine umfassende marktbeherrschende Stellung zu erreichen. Sie sind jederzeit fähig, originale Inhalte selbst zu generieren und autonom zu produzieren. Die Kehrseite dieser Eigenständigkeit sind Ressourcenbindungen, höhere Kosten, reduzierte Flexibilität, was die Verantwortlichen mit Spezialproblemen wie z. B. mangelnde Auslastung, Koordination von Redaktions- und Produktionsbetrieb oder ein kompliziertes Personalmanagement konfrontiert. Angesichts dieser Schwächen ist ein Trend zur Auslagerung von Produktionskapazitäten festzustellen (Outsourcing), mit der man sich einen Zugewinn an Flexibilität verspricht, ohne jedoch in die Abhängigkeit privater Anbieter zu geraten. Hier wiederum besteht die Gefahr, daß mit der Auflösung von Produktionseinheiten bisherige Kernkompetenzen verloren gehen.
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Nicht selten wird eine betriebswirtschaftliche Inejfizienz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beklagt. Die Vorwürfe sind Legion, geäußert insbesondere von interessierter Seite in Politik und bei der Medienkonkurrenz. Auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) geht zumeist hart ins Gericht und kürzt die Bedarfsanmeldungen der Rundfiinkanstalten drastisch herunter. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk tut sich schwer, mit Vorwürfen in Richtung von Kosten-Ineffizienz umzugehen und muß versuchen, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung eine weitere Imagebeschädigung zu verhindern. Notwendig dürfte es sein, die vielfaltigen Anstrengungen zu höherer Produktivität und Rationalisierung deutlicher in das Bewußtsein der Stakeholder zu bringen. Die Kostensituation wird durch objektive Entwicklungen verschärft, nach der sich Spielfilme und Sportrechte in der Vergangenheit stark verteuert haben, - mit weiter steigender Tendenz. Die Fähigkeit, beim Erwerb von attraktiven Rechten mitzuhalten, dürfte für die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten in Zukunft weiter zurückgehen. Hauptgrund ist die Verpflichtung zu einem (inhaltlichen) Vollprogramm, das es verbietet, sich auf allen Gebieten mit hohem finanziellen Druck zu engagieren, vor allem in eine scharfe Konkurrenz um die kommerziell höchstkarätig verwertbaren Rechte zu treten. Leistungspotential Personal Das Personal mit seiner Qualifikation, Motivation, Alter, Ausbildung, Lernfähigkeit und Identifikation kann als wichtiger Speicher der spezifischen Stärken der öffentlich-rechtlichen Rundfiinkanstalten gelten. Inwieweit das Personal vor und hinter der Kamera und dem Mikrofon (Moderatoren, Schauspieler, Regisseure, Produktionsstab) zu einer Stärke wird, hängt entscheidend von der Einstellung und dem Engagement der betreffenden Mitarbeiter ab. Eine Rolle spielt dabei das Spannungsverhältnis zwischen den Charakteristika des öffentlichen Dienstes einerseits und den Anforderungen an eine kontinuierliche kreative und flexible Programmgestaltung andererseits.12 Beamtenähnliche Strukturen wirken sich kontraproduktiv aus. Immer wieder wird die unsichere Finanzierungsbasis der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland beklagt. Entgegen solcher interessengeleiteter Äußerungen dürfte die Höhe und die Struktur der Finanzierung des öffentlichen Rundfunks eher eine Stärke begründen. So macht z. B. der internationale Vergleich der Fernsehsysteme deutlich, daß Deutschland mit 40 Prozent den mit Abstand höchsten Anteil an öffentlicher Finanzierung aufweist.13 Nimmt man den Hörfunk hinzu, darf von einem hohen Ressourcenbindungsgrad und beachtlichen Finanzierungspotential ausgegangen werden. Weitere Aspekte wie Zahlungsmoral, die Bestands- und Entwicklungsgarantie und die kaum gefährdete Mischfinanzierung aus Gebühren und Werbung weisen in die gleiche Richtung. Die öffentlich-rechtlichen Rundfiinkanstalten haben in der Vergangenheit bewiesen, daß sie eine hohe Kompetenz in Forschung und Entwicklung besitzen. Dies gilt für technische und für programmliche Vorhaben gleichermaßen. So betreiben sie seit Jahren aufwendige Institute und Labors für Rundfunktechnik, sie kreieren und erproben neue Sendeformen und Programmkonzeptionen und betreiben eine gezielte Talentforderung auf allen Gebieten.
12
Vgl. KAYSER ( 1 9 9 3 ) , S. 2 2 9 .
13
Vgl. HAMM ( 1 9 9 8 ) , S. 59.
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Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
Führungspotentiale Immer wieder wird herausgestellt, daß das Management- und Führungssystem der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten einer Weiterentwicklung bedürfe. So sei das Informationsund Kommunikationssystem der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu korrigieren und als Schwachpunkt anzusehen. Was fehle, sei der Ausbau der eher dokumentierenden Kostenund Leistungsrechnung zu einem Steuerungssystem. Notwendig sei zudem die Erarbeitung eines Systems von Kennziffern, ein systematisches Benchmarking und der Aufbau strategischer Früherkennungssysteme. Ferner wird die informations- und kommunikationstechnische Unterstützung durch computergestützte Informationssysteme in Frage gestellt. Notwendig sei die Vorgabe strategischer Ziel- und Steuerungsgrößen, die sich zur Planung und Kontrolle der dezentralen Einheiten eignen und auch in ein Anreizsystem eingehen sollten. Das bedinge zwangsläufig den Aufbau eines effizienten Informationssystems, den Ausbau der qualitativen Marktforschung und leistungsfähiger Kosten- und Leistungsrechnungssysteme.14 Das Geflecht zwischen dem Programmbetrieb und den Dienstleistern für Produktion und Verwaltung sei nicht transparent. Da es große Probleme im Hinblick auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit gebe, seien überzeugende Informationssysteme und die Verrechnung des Ressourcenverbrauchs zu Marktpreisen notwendig.15 Besonderes Augenmerk sei auf ein wirkungsvolles Programmcontrolling zu legen. Es fehle ein schlagkräftiges, auf die besonderen Bedingungen des öffentlichen Rundfunks zugeschnittenes Controllingkonzept. Einige Anstalten hätten bereits die ersten Schritte in Richtung einer überzeugenden Leistungs- und Kostenrechnung vollzogen, das eingebunden sei in ein die gesamte Anstalt umfassendes Budgetierungsverfahren, das sich jährlich wiederhole. Aber nach wie vor seien die Steuerungsinstrumente verbesserungsfahig.1 Als mit großen Schwächen behaftet wird auch die derzeitige Organisationsstruktur der öffentlichen Rundfunkanstalten dargestellt. Das gilt sowohl für den räumlichen Zuschnitt der (Landes-)Rundfunkanstalten als auch für den Aufbau der einzelnen Organisationen. Kritisiert wird bei der ARD vor allem ihre extrem dezentrale Führungsorganisation sowie die komplizierten und schwerfälligen Abstimmungsprozesse innerhalb der ARD und mit dem ZDF.17 Ihre Organisationsstruktur weise ferner keine klare Rollenverteilung auf, so daß der öffentliche Rundfunk nicht in der Lage sei, seine Aufgaben gesamthaft zu definieren. Insbesondere in den Produktionsbereichen würden die Aufgaben „atomistisch" beschrieben. Selten gebe es eine Komplettverantwortung für die Realisierung eines gesamten Programms oder eines gesamten Programmprodukts. Demgegenüber sollten die Erfolge transparent sein, sowohl im Positiven als auch im Negativen. Die Probleme hingen stark von tradierten Berufsbildern ab.18 Als weitere Schwächen werden genannt: Verwaschene Verantwortungsstruktur, Schwerfälligkeit der Abläufe, große und kompliziert arbeitende Gremien, die zudem nicht gezwungen sind, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Verschiedentlich versucht man mit Holding-Konstruktionen zu mehr Flexibilität zu kommen, wie das Beispiel der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft zeigt.
14
Vgl. KÖTZLE (1998), S. 110.
15
Vgl. BECK (1998), S. 2 4 .
16
Vgl. DICKMANN (1997), S. 2 8 ff.
17
Vgl. KÖTZLE (1998), S. 109.
18
Vgl. BECK (1998), S. 2 2 .
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Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
Aufgabe 5 Wirkungsvolles und nachhaltiges Change Management muß sich an Strategien ausrichten. Zu prüfen ist, inwieweit öffentlich-rechtliche Rundfimkanstalten ihre Strategien formuliert haben und diese in systematischer Weise verfolgen. Wichtig ist u. a. die Beantwortung der Frage, welche strategischen Ansätze relevant sind. Beispielhaft soll diese Frage im Kontext der sog. Ansojf-Matrix (vgl. Abbildung 4) erörtert werden. Bestehende Märkte Bestehende Produkte Produktpalette
Neue Produkte
Abbildung 4:
Marktdurchdringung
n
Neue Märkte
|
Marktentwicklung
tJ
Produktentwicklung
Diversiiikation
Strategische Optionen der „Ansoff-Matrix"
Marktdurchdringung Sowohl ARD als auch ZDF haben sich dem Markt gestellt und verfolgen eine ausgeprägte Strategie der Marktdurchdringung. Dies kommt im hohen Stellenwert der Einschaltquoten und der Marktanteile zum Ausdruck, die - wie bei den Privaten - auch im öffentlichen Rundfunk hoch gehandelt werden. Ob man von einer „Schlacht um Einschaltquoten" sprechen soll, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls wird stets betont, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Akzeptanz der Zuschauer und Zuhörer brauchten, um im dualen Rundfunksystem bestehen zu können. Der entscheidende Schlüssel für die Zukunftschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liege in seinem Programmangebot, und dort eben in dessen Akzeptanz bei den Rezipienten. 1 Akzeptanz des Programm-Angebotes umschließe aber auch die Akzeptanz der gesamten öffentlich-rechtlichen Programmvielfalt und die Finanzierung über Rundfunkgebühren. Der öffentliche Rundfunk tritt dem Markt also durchaus mit dem Ziel gegenüber, die Marktflihrerschaft zu erringen, und zwar nicht nur im Informationsbereich, wo er dominiert, sondern in allen Programmsparten. Für die ARD ist z. B. formuliert worden: „als einem Integrationsauftrag verpflichteter Anbieter muß sie Angebote in allen Programmsparten und für jeden bereitstellen, auch wenn das eine oder andere Angebot von einem Teil der Zuschauer weniger nachgefragt oder erwartet wird. Sie muß gerade auch in massenattraktive Bereiche investieren, um im Interesse der gerade auch hier möglichen und wichtigen Integrationsfunktion das Abwandern von Zuschauern zu verhindern und um abgewanderten oder politisch 19
Vgl. ARD-WEISSBUCH (1998), S. 18.
206
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
weniger interessierten Zuschauern Brücken zur öffentlich-rechtlichen Angebotsplattform zu bauen".20 Wenn also ARD und ZDF eine Strategie der Marktdurchdringung verfolgen, begründen sie dieses mit einem übergeordneten Funktionsauftrag, vor allem zur Integration und zum inneren Zusammenhalt der Gesellschaft beizutragen. Dieser Argumentationslinie folgt auch das Bemühen, in starkem Umfang massenattraktive Ereignisse - z. B. des Spitzensports zu übertragen. Im digitalen Zeitalter wächst die Zahl der Kanäle und die Menge der Medieninhalte. Allerdings wird es sich aus ökonomischen Gründen zu einem großen Teil nur um eine Vervielfachung ähnlicher Medieninhalte handeln, die in Bouquets bzw. Paketen für unterschiedliche Zielgruppen neu zusammengebunden werden. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterstützen mit der systematischen Vernetzung ihrer Programmangebote zu digitalen Bouquets ihre Strategie der Marktdurchdringung. Marktentwicklung Die Strategie der Marktentwicklung fußt auf dem Prinzip, für bereits existierende Produkte neue Märkte zu finden und damit die bisherigen Marktgrenzen aufzubrechen. Die Strategie geht also dahin, ein bestehendes Produkt auch in anderen Märkten zu etablieren. Öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten können aus eigener Kraft keine räumliche Ausdehnung ihres prinzipiell auf Deutschland fixierten Absatzmarktes herbeiführen. Dennoch werden sie darauf hinzuwirken versuchen, in einem künftigen europäischen Rundfunkmarkt eine bedeutende Rolle einzunehmen. Neben einer räumlichen Ausdehnung kann die Marktentwicklung auch die gezielte Funktionserweiterung für bestehende Produkte umfassen. Damit werden Zusatzmärkte erschlossen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfolgen solche Marktentwicklungsstrategien in Hörfunk und Fernsehen gleichermaßen durch die gezielte Expansion in Richtung programmbezogener Online-Aktivitäten, Themenparks (ZDF) oder programmbegleitender Print- und Trägermedien.
Produktentwicklung Einen anderen Ansatz verfolgt die Strategie der Produktentwicklung. Hier geht es darum, für die bestehenden Märkte neue oder neuartige Produkte zu entwickeln. Die Frage stellt sich dabei, ob dies durch echte Innovationen erfolgt oder inwieweit Produkte anderer Anbieter nachgeahmt werden sollen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfolgen - vor allem im Hörfunk - eine ausgesprochen aggressive Innovationsstrategie. Für die einzelnen Radioprogramme wird sehr genau die Frage ausgelotet, welche Möglichkeiten der Programminnovation sich durch die neuen digitalen Techniken eröffnen. Beispiele für Produktinnovationen im Radio sind: •
Nachrichtenkanal mit (digitalen) Ergänzungen: Übermittlung von Bildern, programmbegleitende Dienste, Grafiken, Karten, Schlagzeilen, Zeitungskommentare, Texte, Verweise auf Hintergrundliteratur, Archivfunktionen
•
Musikkanal mit Titelnachweis, Begleitinformationen zu Interpreten, die Aufnahme ergänzende Serviceleistungen
20
ARD-WEISSBUCH ( 1 9 9 8 ) , S. 2 0 f.
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•
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Jugendkanal: Musikwünsche, Web-Kamera im Studio, Gästebuch, Archivfunktionen, Cross-Media-Vernetzung zwischen Radio, Femsehen und Internet
Bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind in den letzten Jahren Anstrengungen zu beobachten, die Programmleistungen in dieser Hinsicht zu erweitern. Man erkennt, daß hier ein besonders wichtiges Potential zur Zukunftssicherung gesehen wird. So gibt es u. a. einen öffentlich-rechtlichen TV-Bildungskanal (Bayerischer Rundfunk) oder einen TV-Theaterkanal (ZDF). Diversifikation Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfolgen auch eine Diversifikationsstrategie und konzentrieren sich dabei auf eine Strategie der horizontalen Diversifikation: Angestrebt wird Diversifikation im Hinblick auf verwandte Produkte für die gleiche Abnehmerschaft, also nicht im Hinblick auf die vertikale Diversifikation entlang der Wertschöpfungskette. Die laterale, also „echte" Diversifikation in völlig neue Produkt- und Marktbereiche steht als Weg ohnehin nicht offen. Beispielhaft kommt dieser strategische Ansatz im ARD-Konzept „ Vernetzen statt verspürten " zum Ausdruck: „Wir müssen in der Flut der Kanäle für jedermann auffindbar bleiben und weiterhin eine tragende Rolle im öffentlichen Diskurs spielen"21. Das Publikum solle durch eine „intelligente Vernetzung" und eine „individuelle Komposition" der Programmangebote (herkömmliche Fernseh- und Radioprogramme sowie Online-Dienste und Spartenangebote) einen sichtbaren Mehrwert erhalten. Damit werde das „gemeinschaftsstiftende Band" des öffentlichen Rundfunks, also ihre Integrationsfunktion, gestärkt, das in einer immer stärker in Partikularinteressen zerfallenden Gesellschaft ein hohes Gut sei. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfolgen also verständlicherweise die Strategie, in allen relevanten Medienformen vertreten zu sein und damit eine Diversifikation ihres Programmangebots zu einer bündigen Gesamtleistung zu vollziehen: Zu dem herkömmlichen TV-An-gebot mit den traditionellen Programmen (Erstes, Zweites, Dritte, Arte, 3Sat) treten strategisch wichtige Spartenprogramme (Kinderkanal, Phoenix, Kulturkanäle) hinzu; zum analogen TV-Angebot kommt ein digitales TV-Bouquet hinzu; TV- und Radio-Angebote werden durch Online-Angebote ergänzt.
Aufgabe 6 Change Management impliziert insbesondere die Fähigkeit, die Unternehmenskultur positiv zu beeinflussen, das eigene Selbstverständnis kritisch zu hinterfragen und bestehende Organisations- und Personalstrukturen zu verändern.
21
ARD-JAHRBUCH (1996), S. 15.
208
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a) Unternehmenskultur Unternehmenskultur ist die Gesamtheit der Wertvorstellungen, Denkhaltungen, Überzeugungen und Normen, die in einem sozialen System vorherrschen. Die Stärke einer Unternehmenskultur zeigt sich darin, daß die Organisation fähig ist, einen Diskurs über das zugrunde zu legende Unternehmensleitbild zu fuhren. Dieses Leitbild dient dazu, die Corporate Identity in eine nachvollziehbare Ausdrucksform zu bringen und nach außen und innen zu kommunizieren. Voraussetzung ist eine kritische, aber konstruktiv geführte Debatte über die Unternehmensphilosophie, die ethischen Grundsätze, die Mission des Unternehmens und die Normen und Werte, die das Verhalten der Organisationsmitglieder bestimmen. Wesentlich ist die Handhabung der Thematik in einem ganzheitlichen Kontext, wie er beispielsweise in Anlehnung an die Management-Konzeption St. Gallen aufgezeigt werden kann (vgl. Abbildung 5). Komm unikation nach außen und innen
Unternehmensleitbild
UnternehmensPersönlichkeit
Corporate Identity
Gestaltung
Basis Abbildung 5:
Unternehmensverfassung
Unternehmenspolitik
Unternehmenskultur
Struktur
Aktivitäten
Verhalten
Unternehmensphilosophie / Unternehmensethik Unternehmenskultur im ganzheitlichen Kontext (in Anlehnung an die ManagementKonzeption St. Gallen)
Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Grad der Außenorientierung und nach der Innovationsfähigkeit des Unternehmens. Der öffentlichrechtliche Rundfunk dürfte in der Frage der bewußten und gezielten Herbeiführung einer positiven Unternehmenskultur einen gewissen Nachholbedarf haben, nimmt man z. B. die Bemühungen von Bertelsmann als Benchmark. Sich mit dieser Frage zu befassen, wäre auch schon deshalb lohnend, um Beiträge für ein positiveres Image zu leisten. In der neueren Vergangenheit gab es von prominenter Seite Einschätzungen zur Unternehmenskultur öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. 22 Sie sei durch drei wesentliche Punkte gekennzeichnet:
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•
Binnenorientierung: „Die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter ist auf interne Abstimmungsvorgänge gerichtet. Die Beschäftigung mit Kundenproblemen wird Spezialabteilungen übertragen. Veränderungen im Umfeld werden eher spät erkannt und durchdringen nur mühsam das organisatorische Gefüge."
•
Innovation: „Die fnnovationsorientierung ist eher defensiv ausgeprägt". Gleichgewichtsstreben, Risikovermeidung, Orientierung an Formalien und Bewahrungsstreben seien vorherrschend.
•
Organisationstyp'. Es liege eine „professional bureaucracy" im Sinne der Typologie von Mintzberg vor, die es mit sich bringe, „daß die sog. strategische Spitze in Form der Führungsorgane keine ausgeprägte Führungskompetenz bei den Entscheidungen über das Leistungsprogramm in Anspruch nimmt".
Aus diesem Befund wird der Schluß gezogen, die genannten Faktoren führten zu einem Verhalten, das man als „Immunisierungsstrategie gegenüber Kritik von außen" bezeichnen könne. Unterstützt werde dieses Verhalten besonders durch den Tatbestand, daß die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten jederzeit mit dem Argument der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts drohen könnten. Gefragt sei jedoch die Ökonomie und nicht der „Ersatz der Betriebswirtschaftslehre durch Medienpolitik"23. b) Selbstverständnis In neuerer Zeit erfolgt in Politik und Gesellschaft eine vertiefte Befassung mit der „Sinnfrage" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Frage nach der Existenzgrundlage von ARD und ZDF wird gestellt, die Frage nach der Rolle in der Gesellschaft, nach den Funktionen des Systems, mithin nach dem Verständnis und Selbstverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die beiden Sendesysteme von ARD und ZDF geben hierzu im Kern einmütige Antworten: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei eine gemeinwohlorientierte Einrichtung im Dienst an der Gesellschaft, angetreten zur Erfüllung eines hochkarätigen Programmauftrags, nicht den Gesetzen des Marktes unterworfen. Neu ist, daß beide Anstalten inzwischen den Service-Charakter ihrer Einrichtung besonders betonen und hervorheben. So präsentierte die ARD bereits im September 1995 ein Positionspapier, in dem zu lesen ist, daß die ARD bis zum Jahr 2000 „die wesentlichen Schritte vom Programmanbieter zum audiovisuellen Servicecenter" eingeleitet haben will. Instrumente hierzu seien eine Reihe von Spartenkanälen und rundfunkähnlichen Spezialdiensten. Der damalige ARD-Vorsitzende Scharf erklärte: „Die Einrichtung virtueller 'Foren' in Abgrenzung zu den interaktiven Verkaufsveranstaltungen kommerzieller TV-Sender ist eine wichtige Zukunftsaufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks." Diese und andere Formulierungen weisen deutlich in eine neue strategische Grundausrichtung. Auch aus dem ZDF war zu hören, daß es gelte, „die Service-Kompetenz des ZDF weiter zu stärken" (so Stolte anläßlich der Etateinbringung am 6. Dezember 1996). An diesen Herausforderungen hat sich bis heute nichts geändert. Es bleibt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk virulent, sich ständig mit der Frage einer überzeugenden Rollendefinition auseinander zu setzen.
23
Vgl. BEA (1996), S. 359.
210
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
In einer neueren Analyse ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfohlen worden, drei strategische Stoßrichtungen zu verfolgen:24 •
Zusammenfassung der vielfaltigen erwerbswirtschaftlichen Aktivitäten des öffentlichen Rundfunks in einer privatrechtlich organisierten und strategisch zentral gesteuerten Unternehmenseinheit, das heißt in einer strategischen Management-Holding. Ziele: Einnahme einer fuhrenden Position auf dem europäischen Rundfiinkmarkt; Entwicklung zu einem attraktiven Partner für strategische Allianzen mit privatwirtschaftlichen Medienunternehmen.
•
Bildung eines zentralen strategischen Geschäftsbereiches „Öffentliches Programm" und eine stärkere Koordination aller diesbezüglichen Aktivitäten. Ziele: Abbau der extrem dezentralen Führungsorganisation; Ausrichtung an einem Unternehmensverbund; stärkere Zentralisierung von Kompetenzen und Aufgaben. Dadurch sollen Synergiepotentiale systematisch genutzt werden können. Zu erwarten ist darüber hinaus eine Steigerung der Entscheidungsfähigkeit und Entscheidungsgeschwindigkeit bei der ARD.
•
Vorgabe strategischer Ziel- und Steuerungsgrößen, die sich zur Planung und Kontrolle der dezentralen Einheiten eignen und auch in ein Anreizsystem eingehen sollten. Das bedingt den Aufbau eines effizienten Informationssystems, den Ausbau der qualitativen Marktforschung und die Entwicklung leistungsfähiger Kosten- und Leistungsrechnungssy steme.
Es berührt den Nerv des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Frage nach einen integrierten Konzern-Verständnis zu stellen, ist doch das Rundfunksystem auf eine föderale Grundlage mit großer Autonomie der einzelnen Rundfunkanstalten gestellt. Freilich besteht innerhalb der ARD immer schon ein Verständnis des Verbundes, und auch das Verhältnis zum ZDF wird in mehr oder weniger loser Kooperation interpretiert. c) Gesellschaftliche Legitimation Wie können ARD und ZDF die ihnen zugewiesene gesellschaftliche, politische, kulturelle und soziale Rolle im öffentlichen Diskurs positionieren? Dies erfolgreich zu tun, wird immer wichtiger und ist geradezu überlebensnotwendig, bindet die Rundfunkanstalten aber auch über einen wie auch immer definierten Programmauftrag hinausgehend. Nur wenn die Funktion des öffentlichen Rundfunks in der Gesellschaft verstanden wird, kann auch die Legitimation der Rundfimkanstalten dauerhaft gesichert werden. Bedenklich muß es die Verantwortlichen bei ARD und ZDF stimmen, daß die Erosionserscheinungen in der politischen Diskussion offensichtlich zunehmen. So war im Bericht einer vor einigen Jahren eingesetzten Enquete-Kommission des Bundestages sogar die Rede davon, die öffentlichrechtlichen Rundfimkanstalten hätten sich überlebt und seien überflüssig. Schon lange verfolgen die öffentlich-rechtlichen Rundfimkanstalten die Strategie, durch eine klare Überzeugungsarbeit in der Gesellschaft ihre Legitimation zu sichern, die gegenüber einer bloßen Marktanteils- und Einschaltquotenbetrachtung die qualitativen Parameter herausstellt. Sie bemühen sich darum, die öffentliche Diskussion zu beeinflussen und die Quali-
24
Vgl. KÖTZLE ( 1 9 9 8 ) , S. 109.
Medienmanagement zwischen Wandel und Stabilität
211
tät ihrer Sendungen und Programme als Erfolgskriterium bewußt zu machen und die Bedeutung der Grundversorgung als entscheidendes Fundament zu verdeutlichen. Erfolgreiches Change Management öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ist damit eng mit wirkungsvollem Marketing und einer überzeugenden gesellschaftlichen Kommunikation verknüpft.
212
Medierimanagement zwischen Wandel und Stabilität
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HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
MATTHIAS MAIER
KNUTH BAUMGÄRTEL
[email protected]
[email protected]
BAUHAUS UNIVERSITÄT WEIMAR
Aus ökonomischer Sicht ist ein Film ein handelbares Wirtschaftsgut auf der Grundlage von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten. Der Zweck der Herstellung von Kinofilmen liegt in den Verwertungsoptionen begründet. Die Größe des Publikums ist für den ökonomischen Wert entscheidend. Den Rechteinhabern fließen im Laufe des Verwertungsprozesses Einnahmen zu, welche zur Deckung der Produktions- und Marketingkosten verwendet werden können. Die zeitliche und rechtliche Verwertungskette setzt sich regelmäßig aus folgenden Stufen zusammen: Kino, Video/DVD, Pay-TV, Free-TV. Man geht dabei von einem Zeitraum von etwa 3 bis 5 Jahren aus.1 Kinofilme sind Unikate. Die Produktion eines Films ist ein besonderes Vorhaben und hat Projektcharakter. Leistungen der Filmproduzenten bestehen zunächst in der Produktion von Spielfilmen. Eine wirtschaftlich rentable Wertschöpfung muß jedoch vor allem die Marktleistung in Betracht ziehen. Die betriebswirtschaftliche Mindestanforderung an Filmhersteller besteht in der Deckung der Ausgaben für Produktion und Marketing durch die Einnahmen aus dem Verwertungsprozeß. Die Filmproduzenten müssen im Laufe der Verwertungszeit einen ,Preis' erzielen, der zumindest kostendeckend ist. Durch die Logik der Unikatfertigung ist Filmfinanzierung Projektfinanzierung. Investitionen in Kinofilmprojekte unterliegen hohen Risiken. Dafür verantwortlich sind insbesondere zwei Faktoren: Budgethöhe und Marktunsicherheit. So betrugen die durchschnittlichen Produktions- und Marketingkosten für einen US-Studiofilm im Jahr 1997 etwa 75 Millionen Dollar. Diese exorbitant hohen First Copy Cost führen zu erheblichen betriebswirtschaftlichen Risiken. Einzelne Kinofilme erlangen damit eine überaus große strategische Bedeutung für das Produktionsunternehmen. In mehreren Fällen bedeutete der Mißerfolg von Kinofilmen sogar den Konkurs der Produktionsfirma. 2
Vgl. ECC-REPORT (2001), S. 6 5 ff. 2
Vgl. HENNIG-THURAU/WRUCK (2000).
216
HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
Neben den ständig steigenden Kosten von Kinofilmprojekten hängen viele Unwägbarkeiten und Probleme der Filmfinanzierung mit dem Umsatzxisiko aus der Kinoverwertung zusammen. Es ist kaum möglich, die Präferenzen des Publikums mit tradierten Marktforschungsmethoden zu prognostizieren. Die Entscheidung für einen Kinobesuch unterliegt großer Komplexität und Vielfältigkeit. Marktunsicherheiten werden auch durch das Preview einer kleinen Gruppe ausgewählter Zuschauer in der Postproduktionsphase nicht wesentlich verringert. Markterfolg und Budgethöhe stehen in keinem direkt prognostizierbaren Zusammenhang. Sehr große Kinofilmbudgets im Zusammenhang mit einer hohen Marktunsicherheit führen zu Problemen bei der Filmfinanzierung. Vor diesem Hintergrund sind vielfaltige Filmfinanzierungsarten und -instrumente entstanden. Grundsätzlich kann zwischen staatlicher Filmförderung und privater Filmfinanzierung unterschieden werden. Beide Formen der Finanzierung werden in der Praxis genutzt, wobei in Deutschland und Europa vor allem auf die staatliche Filmforderung zurückgegriffen wird. Die staatliche Subventionierung der Filmwirtschaft unterliegt jedoch zuweilen heftiger Kritik. Die folgenden Aufgaben beziehen sich auf Effizienzprobleme der Filmfinanzierung. Die Diskussion um staatliche Filmförderung versus private Filmfinanzierung wird als „MarktHierarchie" Debatte interpretiert und die Möglichkeiten beider Organisationsformen aufgezeigt. Das Internet als neues, global verfugbares Netzmedium könnte sich als Plattform zur Effizienzsteigerung der Filmwirtschaft etablieren. Mediale Online-Angebote ermöglichen vollkommen neue Kommunikationsformen. Die Nutzung von elektronischen Märkten könnte zur Verringerung der Marktrisiken fuhren und würde für die Kinofilmproduktion und Vermarktung erhebliche Mehrwerte bieten. Im Kontext dieses Beitrags dient das Unternehmen HSX.COM (HOLLYWOOD STOCK EXCHANGE) als Beispiel für das effizienzsteigernde Potential des Internet.4 Zukünftig ist Filmfinanzierung sogar über elektronische Kapitalmärkte in Analogie zu HSX. COM vorstellbar.
Aufgabe 1 Die Effizienz der Filmfinanzierung ist mit dem Instrumentarium der neuen Institutionenökonomik analysierbar. Hierbei bietet sich insbesondere die Transaktionskostentheorie an. Das klassische Anwendungsfeld in der „Markt - Hierarchie" Diskussion ist auf die Kontroverse „private Filmfinanzierung - staatliche Filmförderung" übertragbar.
Einige Beispiele für Filmflops seien an dieser Stelle genannt: Die First Copy Cost des Kinofilms „The Adventures of Pluto Nash" (2002) betrugen 110 Millionen US-Dollar, der Kinoumsatz dagegen nur 4,4 Millionen USDollar; der Kinofilm „Abandon" (2002) kostete 43 Millionen US-Dollar, der Kinoumsatz betrug dagegen nur 10,5 Millionen US-Dollar; der Kinofilm „Windtalkers" (2002) kostete 150 Millionen US-Dollar, der Kinoumsatz betrug dagegen nur 40,9 Millionen US-Dollar; für diese und weitere Beispiele vgl. online unter: http://www.bo xofficemojo.com, Stand: 10.11.2002. Es handelt sich um ein Web Market Game, in dem Spieler Filme und Stars virtuell handeln können. Gespielt wird mit virtuellem Geld. Die Grundlage des Geschäftsmodells von HSX.COM wird als Artiflcial Market bezeichnet. Ein solches Börsensystem prognostiziert mit hoher Genauigkeit ungewisse Ereignisse in naher Zukunft, wie Umsätze von Kinofilmen oder das Potential von Stars. Vgl. PENNOCK ET AL. (2001a, 2001b) Beispielsweise wurden über 20 Millionen Aktien des ,Sleepers' Blair Witch Project bereits ein Jahr vor der Veröffentlichung gehandelt. Das Beispiel belegt die Fähigkeit dieses Marktes, unsichere Zukunftsereignisse zu prognostizieren.
HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
217
Skizzieren Sie die Grundzüge der Transaktionskostentheorie. Gehen Sie dabei auf Verhaltensmerkmale und Umweltbedingungen ein. Beziehen Sie in einem zweiten Schritt die allgemeinen Aussagen auf die Besonderheiten der Produktion und Vermarktung von Spielfilmen.5
Aufgabe 2 Die Finanzierung von Kinofilmen ist grundsätzlich als privatwirtschaftliche Aktivität durchführbar. Dazu tauschen Investoren und Filmproduzenten Verfügungsrechte: Finanzkapital gegen Verwertungsrechte. a)
Skizzieren Sie Möglichkeiten privater Filmfinanzierung.6
b)
Welche Probleme des privaten Filmfinanzierungsmarktes können Sie vor dem Hintergrund der Transaktionskostentheorie erkennen? Erläutern Sie die Ursachen des Marktversagens. Gehen Sie in diesem Zusammenhang auch auf ,Heilungsmöglichkeiten' und deren Anwendung ein.7
Aufgabe 3 Im Zusammenhang mit der deutschen Filmwirtschaft denkt man sofort an staatliche Finanzierung in Form von Filmförderung. Deutsche Kinofilme werden überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert. Private Filmfinanzierung existiert nur rudimentär als Investitionsmöglichkeit in Film- oder Medienfonds. Hier ist jedoch die Steuerersparnis als vordergründiges Investitionsmotiv zu sehen. a)
Skizzieren Sie die Funktionsweise der deutschen Filmförderung.8
b)
Analysieren Sie die Verfügungsrechtsstruktur und daraus entstehende Anreize für individuelles Verhalten. Welche Kosten der Hierarchie können Sie erkennen? Gehen Sie in diesem Zusammenhang auf Lösungsmöglichkeiten ein.9
5
V g l . PICOT/DIETL/FRANCK ( 1 9 9 7 ) , S . 6 6 ff., ERLEI/LESCHKE/SAUERLAND ( 1 9 9 9 ) , S . 1 7 5 ff.
6
V g l . EGGERS ( 2 0 0 1 ) , RÖSCHEISEN ( 1 9 9 7 ) , WIELAND ( 1 9 9 4 ) .
7
V g l . WIELAND ( 1 9 9 4 ) , ERLEI/LESCHKE/SAUERLAND ( 1 9 9 9 ) , S . 1 7 5 FF.
8
V g l . EGGERS ( 2 0 0 1 ) , K P M G (HRSG.) ( 2 0 0 2 ) .
9
V g l . RÖSCHEISEN ( 1 9 9 7 ) , CLEVE ( 1 9 9 6 ) , NIDA-RÜMELIN ( 2 0 0 1 ) .
HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
218
Aufgabe 4 Risiken der Filmfinanzierung ergeben sich aus der Komplexität der Produktion und Vermarktung. Die Schätzung von Einspielergebnissen ist mit herkömmlichen Marktforschungsmethoden kaum möglich. Methoden der zuverlässigen Informationsgenerierung bezüglich des Vermarktungspotentials von Kinofilmen würden einen erheblichen Mehrwert für die Studios und Produzenten sowie Verleiher darstellen. Auf einem innovativen Ansatz der Informationssammlung, die in gebündelter Form zur Marktforschung genutzt werden kann, beruht das Geschäftsmodell von HSX. COM. So ist es möglich, mit dem Datenmaterial des Web Market Games zukünftige Einspielergebnisse von Kinofilmen mit großer Sicherheit zu prognostizieren. Externe Marktunsicherheiten könnten tendenziell abgemildert werden. Darauf aufbauend sind neue Möglichkeiten der Kinofilmfinanzierung denkbar. a)
Erläutern Sie den Begriff des Artificial Market am Beispiel von HSX.COM. Stellen Sie in diesem Zusammenhang die Funktionsweise des Movie Market von HSX.COM dar.10 Inwiefern ist das Internet eine Bedingung für dessen Realisierung?11
b)
Skizzieren Sie die strategische Aufstellung von HSX.COM und nennen Sie Erlösstrategien.12 Diskutieren Sie in diesem Zusammenhang die Relevanz eines solchen Artificial Market als Markt für Talente.13
c)
Derzeit wird HSX.COM als Marktforschungsinstrument genutzt. Stellen Sie sich vor, daß ein elektronischer Kapitalmarkt nach dem Vorbild von HSX.COM zur Finanzierung und Bewertung von Spielfilmen genutzt werden kann. Welche Reorganisationsvorschläge für die deutsche Filmwirtschaft würden Sie unterbreiten?
10
Vgl. online unter: www.hsx.com/about; PENNOCK ET AL. (2001a), CHABRIA (2000).
11
Vgl. ECC-REPORT (2001), S. 151 ff.
12
Vgl. ECC-REPORT (2001), S. 237 fF„ LA FRANCO (2000, 2001).
13
Vgl. PENNOCK ET AL. (2001a), online unter: www.hsxresearch.com/aboutresearch.htm, CHABRIA (2000), LA FRANCO (2000).
HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
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Lösung
Aufgabe 1 - Transaktionskostentheorie und Kinofilme Transaktionen bilden das grundlegende Erkenntnisobjekt der Transaktionskostentheorie. Dabei wird „Transaktion" als Tausch von Verfügungsrechten 14 über eine technisch trennbare Schnittstelle definiert. Transaktionskosten umfassen alle Anstrengungen, die von Akteuren für die Durchführung der Transaktion zu leisten sind. So entstehen Such- und Informationskosten, aber auch Überwachungs- und Durchsetzungskosten. Die Organisationsform mit den vergleichsweise geringsten Transaktionskosten wird als vorteilhaft angesehen. Einflußgrößen auf die Transaktionskosten sind in den Verhaltensannahmen, den Umweltfaktoren sowie der Transaktionsatmosphäre zu suchen. Die zentralen Verhaltensannahmen der Transaktionskostentheorie sind individuelle Eigenschaften der begrenzten Rationalität und des Opportunismus. Akteure sind begrenzt rational. Informationsbeschaffungs- und Verarbeitungskosten verhindern vollständig informierte Akteure. Durch die Existenz von Kosten für die Beschaffung von Information ist es nicht optimal, die Informationsbeschaffungsaktivitäten über ein bestimmtes Maß hinaus zu steigern. Daraus resultierende Informationsdefizite führen zwangsläufig zum Abschluß von unvollständigen Verträgen. Es ist den Akteuren schlichtweg unmöglich, sämtliche Eventualitäten in Verträgen zu berücksichtigen. Unvollständige Verträge werden im Zusammenhang mit der Verhaltensannahme des Opportunismus problematisch. Individuelles Rationalkalkül kann zu eigennützigem Verhalten auf Kosten anderer führen. So können Informationen gefälscht oder vorenthalten, Versprechen zu einem späteren Zeitpunkt gebrochen werden. Aufgrund der Gefahr von opportunistischem Verhalten bedarf es institutioneller Absicherungen. Bezüglich der Umweltfaktoren bestimmen zwei Dimensionen die Höhe von Transaktionskosten: externe Unsicherheit und Spezifität. Unter Unsicherheit sind zukünftige Ereignisse und Verhaltensweisen subsumiert. Die Zukunft ist offen und kann nicht exakt vorhergesehen werden. Allenfalls die Analyse der Vergangenheit und Gegenwart bietet Anhaltspunkte für Blikke in die Zukunft. Die Spezifität steht für die Möglichkeit alternativer Verwendungszusammenhänge transaktionsnotwendiger Faktoren. Ein Faktor ist beispielsweise unspezifisch, wenn alternative Verwendungen problemlos möglich sind. „Ein Faktor ist hochspezifisch, wenn ein Wechsel des Einsatzes von der besten in die zweitbeste Verwendung mit hohen Gewinneinbußen verbunden ist." 15 In bezug auf die Filmproduktion und Filmfinanzierung sind folgende Aussagen zu treffen: Die Verhaltensannahmen der begrenzten Rationalität und des Opportunismus treffen auf die Akteure in der Filmwirtschaft zu. Investoren oder Produzenten besitzen keine vollständigen 14
Verfligungsrechte definieren gesellschaftlich erlaubte Handlungen und grenzen diese von unerlaubten Handlungen ab. Sie lassen sich grundsätzlich in individuelle Rechte der Nutzung, Veränderung, Veräußerung sowie der Aneignung von Erträgen aus einem Gut spezifizieren. Durch Transaktionen werden bestimmte Bündel von Verfügungsrechten getauscht. Von deren Spezifikation hängt die individuelle Wertschätzung des gehandelten Gutes ab. Vgl. ERLEI/LESCHKE/SAUERLAND (1999), S. 272.
15
ERLEI/LESCHKE/SAUERLAND ( 1 9 9 9 ) , S . 1 8 0 .
HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
220
Informationen über andere Personen oder zukünftige Ereignisse. Die Beschaffung von Informationen über Inputfaktoren, wie beispielsweise Schauspieler oder Drehorte, ist fiir die Produzenten mit Transaktionskosten verbunden. Ebenso kostet es die Investoren Zeit und Mühe, Informationen über das Filmprojekt zu erlangen. Bestimmte Informationen sind schlichtweg nicht beschaffbar oder vor Vertragsabschluß nicht erkennbar. Diese Informationsasymmetrien zwischen den Vertragsparteien können von Akteuren opportunistisch genutzt werden. Es ergeben sich strategische Verhaltensspielräume. Die Umweltfaktoren haben bei der Filmfinanzierung besondere Bedeutung. Filmmärkte sind in hohem Maße von der Unsicherheit der Kinoverwertung gekennzeichnet. Investoren müssen den finanziellen Wert eines Spielfilmprojektes zeitlich vor dem Projektbeginn abschätzen. Dies können sie nur aufgrund einer Schätzung des zukünftigen Einnahmepotentials, das auf Verwertungsrechten gründet. Der ökonomische Wert eines Spielfilms hängt ausschließlich von der Akzeptanz des Publikums ab, insbesondere vom Erfolg an den Kinokassen.16 Die Finanzierungsentscheidung ist daher nur über eine Schätzung der Publikumspräferenzen zu treffen. An dieser Stelle stehen jedoch die Marketingexperten vor dem komplexen Problem der Bestimmung von Erfolgsfaktoren für Kinofilme.1 Das Einspielergebnis kann durch zufällige Faktoren beeinflußt werden. Die komplexe Dynamik des Filmkonsums fuhrt empirischen Studien zufolge zu einer sehr großen Vorhersageunsicherheit der Umsätze an den Kinokassen.18 An dieser Stelle soll der Begriff Spezifität durch den Begriff Filmspezifität ersetzt werden. Bei tieferer Betrachtung der Eigenschaften von Kinofilmen wird schnell deutlich, wie spezifisch Kinofilme sind. Zunächst haben Filmprojekte allein aufgrund ihrer finanziellen Größe eine überaus große strategische Bedeutung für das Produktionsunternehmen. Darüber hinaus sind sie in keiner anderen Verwendungsart als in der Kinoverwertung gewinnbringend zu vermarkten. Es existieren sicherlich andere Verwertungsmöglichkeiten, beispielsweise der Videomarkt. Jedoch sind die Einnahmen aus diesem Verwendungszusammenhang ohne eine erfolgreiche Kinoauswertung wesentlich geringer. Diese Logik führt zu einer hohen Bindung der Investoren an den spezifischen Film. Nun besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit der Ausbeutung (hold up) durch die ausführenden Akteure und der Durchsetzung ihrer Interessen auf Kosten der Financiers. Dies wirkt sich auf das Investitionsverhalten aus.
Aufgabe 2 - Private Filmfinanzierung a) Instrumente Filmfinanzierung unterscheidet sich in einigen Punkten von den Finanzierungsbedingungen anderer Branchen. Insbesondere die oben genannten Faktoren, wie Unikatfertigung, extrem hohe Budgets und eine komplexe, über Jahre dauernde Verwertungskette, bilden ein Bedin1
Der Erfolg der Kinoauswertung hat starken Einfluß auf die Höhe der Einnahmen in den nachfolgenden Stufen der Verwertungskette. Erfolgreiche Kinofilme bieten auch für die Video- oder TV-Auswertung attraktive Möglichkeiten. Umsätze der Kinoauswertung dienen als Indikator für die Preise der Verwertungsrechte für nachgelagerte Verwertungsstufen. Vgl. ECC-REPORT (2001), S. 65.
17
V g l . HENNIG-THURAU/WRUCK ( 2 0 0 0 ) .
18
D E V A N Y / W A L L S ( 1 9 9 9 ) , GAITANIDES ( 2 0 0 0 ) , RAVID ( 1 9 9 9 ) s c h l i e ß e n a u s ihren S t u d i e n , d a ß e s k e i n e s i n g u l a r e
Erfolgsformel für Spielfilme, wie z. B. Stars oder Budgets gibt.
HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
221
gungsgefüge besonderer Art. Darüber hinaus unterliegt die Schätzung erwarteter Rückflüsse großer Unsicherheit. Filmfinanzierung kann grundsätzlich mit Eigenkapital und/oder Fremdkapital erfolgen. Fremdfinanzierung ist i. d. R. Kreditfinanzierung, welche über Banken abgewickelt wird. In Europa ist hier vor allem die französische CREDIT LYONNAIS ZU nennen. Aber auch die SOCIETE GENERÄLE hat Film-Bonds zur Finanzierung von Kinofilmen aufgelegt. Den hohen Risiken der Filmfinanzierung versuchen die Banken durch Kreditsicherheiten zu begegnen. Hierfür gibt es Abnahmeverträge zwischen dem Produzenten und den Verleihunternehmen. Diese werden Pre-Sales genannt. Die Eigenkapitalfinanzierung erfolgt über Fonds oder Aktienvergabe. Hierbei erwerben die Eigentümer der Fondsanteile oder Aktien Rechte an dem Produktionsunternehmen oder dem Filmprojekt. Filmfonds werden auch in Deutschland gehandelt. Diese geschlossenen Fonds dienen jedoch eher der Steuerersparnis als der Investition in renditeträchtige Kapitalanlagen.19 Grundsätzlich ist Filmfinanzierung über Kapitalmärkte vorstellbar. In fast allen Branchen finanzieren sich Projekte und Unternehmen ab einer bestimmten Größe über dezentrale, private Kapitalmärkte. Diese Märkte funktionieren aufgrund etablierter institutioneller Sicherungsmechanismen hinreichend gut. Schon vor Jahren wurde die Finanzierung von Spielfilmen analog zu High-Tech-Börsen wie NASDAQ oder NEUER MARKT diskutiert. Damals beruhten die Investitionsentscheidungen der Anleger in Start-up Unternehmen im wesentlichen auf ,guten Zukunftsaussichten', Nachrichten und Analysteninformationen - ein Vorbild für die hochriskanten Filmmärkte. Aus heutiger Sicht ist jedoch von einem Scheitern solcher Finanzierungsmärkte auszugehen. Nicht zuletzt aufgrund der Entscheidung der DEUTSCHEN BÖRSE in Frankfurt/Main, den NEUEN MARKT in 2003 zu schließen. Bislang existieren noch keine Kapitalmärkte zur Finanzierung von Kinofilmen. Weitere Möglichkeiten der Filmfinanzierung liegen beispielsweise im Product Placement und Merchandising. Während ersteres die Plazierung von Markenprodukten im Film bezeichnet, steht zweites für die Verwendung von Symbolen und Stars des Kinofilms auf Postern, T-Shirts, Tassen etc. Mit diesen Finanzierungsformen kann für viele Filme allerdings nur ein geringer Teil der Kosten gedeckt werden. Zudem spielen diese Nutzungsmöglichkeiten in deutschen Filmen eher eine untergeordnete Rolle. b) Die Kosten der Marktbenutzung Grundsätzlich ergeben sich drei zentrale Risiken der Filmproduktion und Vermarktung: •
Der Film wird nicht fertiggestellt.
•
Der Film ist bedeutend kapitalintensiver als erwartet.
•
Der Film findet kein oder nur ein kleines Publikum.
Aus transaktionskostentheoretischer Sicht beruhen diese Risiken auf der Annahme der begrenzten Rationalität der Akteure. Die Zukunft ist nicht vorhersehbar, weshalb die Marktunsicherheit extrem hoch ist. Wissen und Information der Entscheidungsträger sind unvoll19
Vgl. RATH (2001).
222
HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
ständig, was zu strategischen Verhaltensspielräumen fuhrt. Die hohen Transaktionskosten privater Filmfinanzierung bestehen vor allem in folgenden Punkten: •
Kosten von Neuverhandlungen durch Hold-up;
•
Unterinvestition in spezifische Filme.
Als Beispiel sei eine fiktive Transaktion zwischen einem privaten Investor und einem Filmproduzenten beschrieben. Die Investition von Kapital in einen bestimmten Film erscheint zu einem Zeitpunkt vor der Transaktion ökonomisch effizient. Vor dem Abschluß der Investition in den der Transaktion zugrundeliegenden Film befinden sich beide Akteure im Wettbewerb mit anderen Investoren bzw. Filmproduzenten. Beide schließen einen fairen, aber unvollständigen Vertrag. Mit dem Vertragsschluß führt der Investor eine spezifische Investition in die Produktion und Vermarktung des Films durch. Damit bindet er sich jedoch an den Produzenten, von dessen Verhalten Gewinne und Verluste auf das eingesetzte Kapital abhängig sind. Der Financier ist im Gegensatz zur Situation vor dem Vertragschluß nunmehr an einen bestimmten Produzenten gebunden. Die spezifische Investition und Bindung der Akteure aneinander wird als fundamentale Transformation bezeichnet. Im Laufe der Filmproduktion kann es - aufgrund der Unvollständigkeit des Vertrages - zu Nachverhandlungen kommen. So könnten der Produzent bzw. der Regisseur Änderungen der Story bzw. eine Erhöhung des Budgets verlangen. Teile des erwarteten Gewinns des Investors können so zu den Produzenten umverteilt werden. Gerade im Bereich der Filmfinanzierung könnte dies gelingen, da die Spezifität der Investition in einen Kinofilm bereits in der Produktionsphase sehr hoch ist.20 Dieser Ausbeutungsversuch wird als Hold-up bezeichnet. Es ist anzunehmen, daß Investoren die Gefahr des Hold-up vor Vertragsabschluß erkennen. Die Folge ist eine Unterinvestition in spezifische Filme bzw. die anderweitige Verwendung des Kapitals. Potentielle Investoren werden ihr Kapital in weniger risikoreiche Projekte anderer Branchen investieren. Die externe Unsicherheit ist kaum zu beeinflussen. Publikumsakzeptanz - so die Aussage empirischer Untersuchungen - ist kaum mit singulären Erfolgsfaktoren erreichbar.21 So ist die Investition in Kinofilme beispielsweise durch den Einsatz von Stars nicht gut abzusichern. Auch der Einsatz hoher Budgets kann die Marktunsicherheit nicht beseitigen. Lösungsmöglichkeiten für beide Problemfelder gibt es in der Praxis der Filmfinanzierung. Allen voran sind es die sog. Completion Bonds, welche Versicherungen die Gefahr des Holdup der Investoren mildern. Dies ist eine Art Versicherung in die Fertigstellung des Films und die Einhaltung der geplanten Budgethöhe. Banken vergeben ohne solche Versicherung keine Kredite. Der Nachteil ist in den Kosten der Versicherungsleistung zu sehen. Diese kann bis zu fünf oder sechs Prozent der Herstellungskosten betragen. Daneben sind auch Versicherungen gegen die Marktunsicherheit, also das Absatzrisiko, möglich. Jedoch sind diese Instrumente aufgrund ihrer hohen Kosten nicht weit verbreitet.
20
21
Bei Investitionen in Kinofilme ist während der Nachverhandlungen in der Produktionsphase bzw. Postproduktionsphase von einer außerordentlich hohen Spezifität der Transaktionsbeziehung auszugehen. Die während des Drehs entstandenen Kosten sind im Falle der Nichtfertigstellung nicht rückholbar. Man könnte Investitionen in Kinofilme sogar als versunkene Kosten bezeichnen, da sie zum Zeitpunkt der Nachverhandlung irrelevant sind. Vgl. D e V a n y / W a l l s (1999), R a v i d (1999).
HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
223
Aufgabe 3 - Staatliche Filmforderung a) Mechanismen Staatliche Filmförderung besteht aus direkten und indirekten Fördermaßnahmen. Unter indirekter Förderung subsumiert man Importbeschränkungen (vorrangig nordamerikanischer Filme) sowie Programmquotenregelungen. An dieser Stelle sind direkte Filmforderaktivitäten von Interesse. Diese beziehen sich auf die finanzielle Unterstützung von Akteuren und Unternehmen der deutschen Filmwirtschaft. Dabei sind die wichtigsten Finanzierungsinstrumente Referenzfilmförderung, Projektfilmförderung und Filmpreise in Verbindung mit Prämienzahlungen? •
Referenzfilmförderung wird als Anschlußfinanzierung für bereits erfolgreiche Kinofilme gewährt. Der Referenzfilm muß hierfür im ersten Jahr der Kinoauswertung in Deutschland mindestens 100.000 Besucher erreicht haben. Die Höhe der Fördermittel richtet sich im Einzelfall nach den Besucherzahlen oder Verleiheinnahmen. Die Förderung für Referenzfilme erfolgt durch die FILMFÖRDERANSTALT (FFA) und beträgt derzeit höchstens zwei Millionen Euro. Dieses Kapital ist für ein neues Filmprojekt zu verwenden und ist nicht zurückzuzahlen.
•
Über die Vergabe von Projektfilmförderung entscheiden die Kommissionen der Förderanstalten des Bundes (FFA) und der Länder (beispielsweise FILMFERNSEHFONDS BAYERN, FILMBOARD BERLIN-BRANDENBURG, MITTELDEUTSCHE MEDIENFÖRDERUNG). Kriterien sind hierbei das Drehbuch sowie die Stab- und Besetzungsliste des Films, welche die Qualität und Wirtschaftlichkeit des deutschen Films verbessern sollen. Die Auswahlgremien können dabei bis zu mehreren Millionen Euro für einzelne Projekte vergeben. Dabei handelt es sich um zinslose, bedingt, d. h. nur im Erfolgsfall nach Abzug aller Kosten, rückzahlbare Darlehen.
•
Jährlich wird der deutsche Filmpreis vergeben. Dabei können bis zu sechs Spielfilme mit Urkunden ausgezeichnet werden, von denen zwei Filme den Filmpreis in Silber und der beste Film den Filmpreis in Gold erhält. Die Gewinner des Deutschen Filmpreises erhalten Prämien in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschuß für einen neuen Film. Beispielsweise der Gewinn des Filmpreises in Gold ist mit einer Prämie von bis zu 500.000 Euro verbunden.
Die Organisation der staatlichen Filmförderung ist eine Drei-Ebenen-Struktur: die Ebene der Politik, die intermediäre Ebene und die Ebene der Filmherstellung. Die Ebene der Politik ist die Bundesregierung sowie die Länderregierungen. Die intermediäre Ebene bilden die Förderorganisationen des Bundes (FFA) und der Länder (LandesfÖrderanstalten, Filmbüros), und die Ebene der Filmherstellung wird von den Akteuren des Wertschöpfungsnetzwerkes der Spielfilmproduktion, wie Drehbuchautoren, Schauspielern, Technikverleihern, Produzenten etc., ausgefüllt. Die Ebenen sind durch unterschiedliche Entscheidungskompetenzen und Vollmachten gekennzeichnet und werden von Gesetzen und Verordnungen des Bundes und der Länder eingerahmt. Zahlreiche Filmbüros und Fördergesellschaften existieren in der Bundesrepublik Deutschland. In 2001 forderten 24 Anstalten und Filmbüros audiovisuelle Inhalte.23 22
23
Vgl. hierzu und zum folgenden KPMG (HRSG.) (2002). Für eine eingehende Beschreibung der deutschen Filmförderlandschaft und den Filmfördermechanismen vgl. (HRSG.) (2002).
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b) Die Kosten der Hierarchie In der Bundesrepublik Deutschland werden Spielfilme überwiegend staatlich gefordert. Nun könnte man vermuten, daß die Probleme der privaten Filmfinanzierung gelöst seien. Vor allem die Unterinvestition in spezifische Filme bzw. die Nichtrealisierung von Filmen ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Richtig ist, daß durch die staatliche Finanzierung bestimmte Verfügungsrechte nicht spezifiziert sind, d. h. die Risiken der Filmproduktion und Vermarktung trägt die Gemeinschaft und nicht das Individuum. Es ist im weiteren die Effizienz der Verfügungsrechtsstruktur der staatlichen Filmförderung zu prüfen. Der Ausgangspunkt weiterführender Überlegungen liegt in den individuellen Verhaltensanreizen der Verfügungsrechtsstruktur staatlicher Filmförderung. Politische Akteure und Akteure in den Fördergremien werden sich wahrscheinlich nicht so verhalten, wie es private Investoren tun würden. Aufgrund der Durchführung der Filmfinanzierung im Rahmen staatlicher Organisation verändern sich Kontroll- und Verfügungsrechte einzelner Akteure. Man kann die Durchführung der Filmfinanzierung in Form staatlicher Filmforderung als Änderung der Handlungs- und Verfugungsrechte gegenüber privater Filmfinanzierung definieren. Dies bedeutet zum Teil grundlegende Verhaltensänderungen, die sich in von privater Finanzierung abweichenden Effizienzwirkungen materialisieren. Dazu soll im folgenden auf die drei Ebenen der staatlichen Filmförderung eingegangen werden. Ebene der Filmherstellung An dieser Stelle wollen wir mit Anreizmechanismen {Eigentumssurrogate) auf der Ebene der Filmherstellung beginnen: Zunächst ist der Wettbewerb um künstlerische Leistungen zu nennen. Die Bewertung von kulturellen und künstlerischen Leistungen muß über Eigentumssurrogate erfolgen, da die unmittelbare Bewertung durch den Kinomarkt fehlt. Hier greift die kulturelle Filmförderung beispielsweise über die Vergabe des Deutschen Filmpreises. Mit dem Gewinn eines solchen Preises erwerben die relevanten Akteure Reputationskapital, welches bei der Vergabe von Filmfördermitteln als Beleg für eine weitere Kreditwürdigkeit eines Regisseurs oder eines Filmherstellers gewertet wird. Die Ausrichtung von Filmfestivals im Zusammenhang mit der Vergabe von Preisen schafft Eigentumssurrogate für künstlerische Leistungen. Neben dem Wettbewerb um Preise für künstlerische Leistungen läßt sich der Wettbewerb um Filmfördermittel als Eigentumssurrogat interpretieren. Dabei geht es um die Analyse der grundlegenden Verfahren der Filmfordermittelvergabe: Projektfilmförderung und Referenzfilmförderung. Die Vergabe von Projektfördermitteln erfolgt nach einem Wettbewerbsverfahren, wobei die Verteilung der Fördermittel an der Relevanz des Drehbuches sowie der Stabund Besetzungsliste des Films für die Qualität und Wirtschaftlichkeit des deutschen Films bemessen wird. Im Falle der Zuwendung im Rahmen der Projektfilmförderung können die beteiligten Akteure das Kapital zur Verbesserung ihrer Reputation und Förderwürdigkeit nutzen. Hier greift die Referenzfilmförderung, welche kulturelle Leistungen (Filmpreise) sowie Publikumserfolge (mindestens 100.000 Zuschauer im ersten Jahr der deutschen Kinoauswertung) positiv bewertet. Die ständigen Neubewertungen von Filmprojekten setzen für Filmemacher hohe Anreize, die eigene Förderreputation zu mehren und zugleich publikumswirksame Filme zu produzieren. Der Wettbewerb um Filmfördermittel im Rahmen der Projektfilm- und Referenzfilmförderung läßt sich deshalb als Eigentumssurrogat und Anreizmechanismus interpretieren. Es ist jedoch im weiteren zu prüfen, ob ähnliche Anreizmechanismen auf den Ebenen der Filmförderung und Filmpolitik wirken.
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Ebene der Filmförderanstalten Filmforderanstalten vergeben Mittel durch Entscheidungen eines Gremiums.24 Mitglieder dieser Vergabegremien werden für eine Zeit von ein bis zwei Jahren berufen und tagen ca. zwei bis fünf mal pro Jahr. Die Gremien setzen sich aus einer Vielzahl von Interessenvertretern zusammen.25 Individuelle Anreize für effiziente Finanzierungsentscheidungen sind dabei schwach ausgeprägt. So ist das Verfügungsrecht von Gremiumsmitgliedern, sich die aus der Finanzierungsentscheidung zu ziehenden Gewinne anzueignen (usus fructus) nicht spezifiziert. Ebenso wenig haben sie die Verpflichtung, die aus der Nutzung des Gutes resultierenden Verluste zu tragen. Die Mitglieder der Fördergremien tragen keinerlei Risiken des Publikums- bzw. Festivalerfolges, weshalb die Motivation zur erfolgsorientierten Vergabe von Fördermitteln abgeschwächt wird. „Ob ein Film künstlerisch und/oder finanziell erfolgreich ist, hat keinen Niederschlag auf eine - häufig ehrenamtliche - Neuberufung oder in sonst einer Form."26 Das einzige individuell spezifizierte Verfügungsrecht ist das Fördergeldvergaberecht, welches man als Koordinationsrecht bezeichnen könnte. Damit wird dieses Verfügungsrecht zur zentralen verhaltensleitenden Institution. Somit tritt das Publikum für den Filmhersteller in den Hintergrund, da aus einer Vernachlässigung desselben keinerlei wirtschaftliche Folgen erwachsen. Ebene der Filmpolitik Das zentrale Eigentumssurrogat auf Politikebene ist der Wettbewerb um Wählerstimmen. Die Konkurrenz der Politiker um die Gunst der Wähler ist als klassisches Prinzipal-Agent-Modell zu beschreiben, bei dem die Wähler Prinzipale und die Politiker Agenten sind. Diese Governance-Struktur funktioniert perfekt bei vollständiger Information des Prinzipals über die Handlungen des Agenten. Ob dies in bezug auf die Filmförderung der Fall ist, muß bezweifelt werden. Die Wahrnehmung der Öffentlichkeit richtet sich vornehmlich auf andere Politikfelder. Das bedeutet jedoch, daß kaum Anreiz- und Kontrollmechanismen des politischen Marktes in bezug auf die Filmförderung existieren. In diesem Zusammenhang ist das filmpolitische Konzept der Bundesregierung zu nennen. Ab 2003 soll die ReferenzfilmfÖrderung erheblich ausgebaut werden.27 Damit wird die Meinung des Publikums (des Marktes) in die Finanzierungsentscheidung einbezogen. Dieser Schritt ist aus ökonomischer Sicht zu begrüßen. Im filmpolitischen Konzept geht es außerdem um eine 24 25
Ausnahme dieser Regel ist der FILMBOARD BERLIN-BRANDENBURG, der die sog. Intendantenregel verfolgt, d. h. eine Person entscheidet über die Allokation von Filmfördermitteln. Die Zusammensetzung der Gremien zur Vergabe von Filmförderung gibt erste Hinweise auf deren Entscheidungsverhalten. An dieser Stelle sei die Besetzung der FFA genannt: Gremiumsmitglieder vertreten den Deutschen Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Hauptverband Deutscher Filmtheater e. V. und Gilde Deutscher Filmkunsttheater e. V., Arbeitsgemeinschaft Kino e. V. und Arbeitsgruppe Kommunale Filmarbeit, Verband Deutscher Spielfilmproduzenten e. V., Arbeitsgemeinschaft Neuer Deutscher Spielfilm-Produzenten e. V., Verband der Filmverleiher e. V., Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen e. V., Fachgruppe Rundfunk, Film, Audiovisuelle Medien in der IG Medien, Deutscher Joumalistenverband e. V. und Fachgruppe Journalismus in der IG Medien, Evangelische Kirche und Katholische Kirche, Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland ARD und Anstalt des öffentlichen Rechts ZDF, Verband Deutscher Filmexporteure e. V., Bundesverband Video und Interessengemeinschaft der Videothekare Deutschlands. Demgegenüber werden die Gremien der Landesförderanstalten mit drei bis sechs Personen aus der Praxis des Filmgeschäfts besetzt. Vgl. CLEVE (1996), S. 102 f.
26
CLEVE ( 1 9 9 6 ) , S . 103.
27
Vgl. NIDA-RÜMELIN (2001).
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Erhöhung der Fördersummen und die Reallokation von Einnahmen. Die Verfügungsrechtsstruktur der deutschen Filmförderung ändert sich jedoch nicht grundlegend und somit auch nicht die oben beschriebenen Anreizmechanismen. 8 Gut funktionierende Eigentumssurrogate auf der Ebene der Filmproduktion werden durch Ineffizienzen auf der Ebene der Förderinstitutionen sowie der Politik egalisiert. Die staatliche Förderung mildert grundsätzlich die Probleme privater Finanzierung aufgrund der Gefahr des hold-up und mehrt Investitionen in spezifische Filme. Sie verursacht ihrerseits durch die Verdünnung von Verfügungsrechten Ineffizienzen und Marktferne.
Aufgabe 4 - Das Potential des Internet am Beispiel von HSX.com a) HSX.com als Artificial Market HSX.COM ist im Kern ein virtueller Kapitalmarkt für den Handel von Stars, Kinofilmen und Filmprojekten. Dabei handelt es sich um ein Spiel - sämtliche Transaktionen werden mit virtuellem Kapital {Hollywood Dollar) durchgeführt. In der Rubrik „Movie Market" können in der Entwicklung befindliche Filmprojekte sowie Filme in der Kinoverwertung gehandelt werden. Außerdem unterliegen Stars wie Schauspieler und Regisseure einer Bewertung in bezug auf ihr zukünftiges Marktpotential. HSX.COM-Depots beginnen für Neueinsteiger bei zwei Millionen Hollywood Dollar. Mit diesem Budget besteht die Möglichkeit des globalen und zeitlich unbegrenzten Handels. Der Wert eines Filmwertpapiers (security) besteht in den realen Umsätzen, also den tatsächlichen Box-Office Einnahmen der ersten vier Wochen nach Veröffentlichung. 29 Erwartungen der HSX. COM-Nutzer über das Einspielergebnis spiegeln sich in dem Marktpreis des Filmwertpapiers. Das Ziel der Nutzer besteht in der größtmöglichen Wertsteigerung des persönlichen Portfolios.30 Unter der Voraussetzung individuell rationalen Verhaltens kaufen HSX. COM-Nutzer Wertpapiere von den Filmen, die entsprechend ihrer subjektiven Erwartung unterbewertet sind und vice versa. Der aktuelle Preis ist somit eine kollektive Prognose der Umsatzerlöse des Films in den ersten vier Wochen nach Veröffentlichung. Daneben offeriert HSX.COM zeitweise sog. ,Award Options', beispielsweise in Verbindung mit der jährlich stattfindenden Oscar-Verleihung (www.oscar.com). Optionen sind für alle acht Oscar-Kategorien möglich. Die Optionspreise können vor der Bekanntgabe der Ergebnisse als kollektive Schätzung der Gewinnwahrscheinlichkeit gesehen werden. 1 Dabei versucht HSX.COM, die Bedingungen real existierender Kapitalmärkte zu simulieren.
28
29
30
31
Für eine umfassende Diskussion zu den Grenzen bürokratischer Effizienz vgl. MCKEAN (1972). Die Daten zu den Umsätzen aus der Kinoauswertung werden den Berichten des Marktforschungsunternehmen Nielsen EDI Inc. entnommen. Vgl. online unter: http://www.entdata.com, Stand: 10.11.2002. Das bislang größte Portfolio einer Person auf HSX.COM ist über 2,6 Mrd. H$ wert. Dies entspricht einer prozentualen Steigerung von etwa 130.000 % gegenüber der Ausgangsausstattung. Vgl. PENNOCK ET AL. (2001b).
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Basistechnologie HSX.com
Abbildung 1:
Vorteilskategorien von Artificial Markets
Die Geschäftsidee von HSX. COM besteht in der Erlösgenerierung durch Marktforschungsaktivitäten und gründet auf zwei Säulen. Zum einen ist das Internet als globales Kommunikationsmedium Voraussetzung und zum anderen die Informationsbündelungskraft und Prognosefähigkeit von Märkten.32 Aus der Kombination von Internet und Markt lassen sich Artificial Marktes bilden.33 Diese bilden eine Prognosemethode zukünftiger Ereignisse, Trends, Umsätze etc. Es ist die Konstruktion von Märkten, deren Gegenstand Informationen und nicht physische Güter sind. Bei genügend großer Anzahl von Marktteilnehmern bündeln sich in den Marktpreisen die verschiedenen und verteilten Informationen. Die Preise reflektieren die aggregierte Meinung sämtlicher Marktteilnehmer. Voraussetzung für die Konstruktion eines Artificial Market ist das Internet. Der Vorteil des Internets für die Kommunikation der Nutzer liegt in der Interaktivität, der Unmittelbarkeit des Zugriffs, der Senkung von Transaktionskosten sowie der multimedialen Angebotsform.34 Das Potential des Internets als Netzmedium, welches Nutzer räum- und zeitunabhängig zusammenführen kann, wird in HSX. COM effizient genutzt. Es besteht empirische Evidenz, daß Artifical Markets den Kriterien effizienter Märkte, wie Arbitragefreiheit und Voraussagefähigkeit, recht gut genügen und damit als Instrument zur Prognose von unsicheren zukünftigen Ereignissen genutzt werden können. Mit anderen Worten: Märkte können auch als Informationsbündelungswerkzeuge verstanden werden.35 Laborexperimente haben gezeigt, daß sich auf Märkten, selbst bei ungleich verstreutem Wissen der Marktteilnehmer, Gleichgewichtspreise einstellen. Die „Mechanik" funktioniert durch die Offenlegung von zunächst privater Information an unwissende Marktteilnehmer durch Marktpreisveränderungen. Die Akteure lernen durch die Beobachtung des Marktpreises.36 32 Hier sei auf die Pionierarbeit von HAYEK (1945) hingewiesen. 33
PENNOCK ET AL. (2001 a), (2001 b).
34
Vgl. ECC-REPORT (2001), S. 151 ff.
35
Vgl. dazu und im folgenden PLOTT (2000) sowie FORSYTHE/RIETZ/ROSS (1999). Für weiterführende Studien sei an dieser Stelle auf MAS-COLELL/WHINSTON/GREEN (1995), MCKELVEY/PAGE (1986, 1990) verwiesen.
36
228
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die HSX. COM-Prognoseeffizienz
von
60
70
Kinofilmumsätzen
80
37
Die Prognosefähigkeit des Artificial Market von HSX. COM wurde bereits im Rahmen einer gemeinsamen Studie der Technischen Universität Dänemark, der Staatlichen Universität Pennsylvania und dem NEC Research Institut untersucht. Die Ergebnisse weisen auf eine hohe Prognosefähigkeit hin. Beispielsweise wurde die Genauigkeit der Prognosen des Movie Markets fiir die Umsätze des Eröffnungswochenendes untersucht, wobei eine hohe Korrelation (0,94) festgestellt wurde.38 b) HSX.com als Geschäftsmodell Das Geschäftsmodell von HSX.COM könnte man als Zwei-Ebenen-Modell betrachten. Die Kunden-Ebene des Geschäftsmodells dient der Nutzenstiftung für Unternehmen der Entertainment-Industrie. Hier werden auch die Erlöse generiert. Gegenwärtig wird die Effizienz der virtuellen Tauschbörse HSX.COM zur Datensammlung und Syndikation genutzt. Diese Berichte und Marktstudien werden an Unternehmen der Spielfilmindustrie verkauft. Darüber hinaus wird das Trendsetzungspotential von Spielfilmen genutzt, um Marktforschungsberichte an Unternehmen anderer Branchen zu veräußern.39 Eine weitere Erlösquelle besteht im Verkauf von Information als Content für Radio- oder Fernsehprogramme. Eine dritte Erlösform ist die Banner-Werbung, welche jedoch nur geringe Einnahmen generiert. Das Unter-
37
-io 39
PENNOCK ET AL. (2001b), S. 5. Vgl. PENNOCK ET AL. (2001a, 2001b). Beispielsweise unterliegen die Marktprozesse der Bekleidungsindustrie oder Schuhbranche gesellschaftlichen Trends, die immer stärker durch die Rezeption von Medien und Medieninhalten ausgelöst werden. Diese Branchen profitieren von frühen Trendsignalen in Entertainmentmärkten.
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nehmen bezeichnet sich selbst als „integrated marketing, research and technology company driven by its patented entertainment stock market."40
Abbildung 3:
Die zwei Ebenen des Geschäfts- und Erlösmodells von HSX. COM
Das Ziel der User-Ebene ist die Generierung von Aufmerksamkeit potentieller Spieler und die Konfiguration eines Artificial Market. Spielerisch werden relevante Informationen von den Nutzern generiert und durch den Mechanismus des Spiels, deren Präferenzen offenbart. Dabei liegt der Mehrwert für die Nutzer in der Entertainment-Qualität und der Spannung des Spiels. Die globale Virtuelle Community von HSX. COM besteht aus etwa 450.000 Nutzern. Das Web Market Game zentriert sich um die Entertainment-Industrie Hollywoods und ist damit zur Generierung von Aufmerksamkeit bestens geeignet. Jeder Nutzer erzeugt durch die Teilnahme am Kapitalmarktspiel relevante Informationen für das Geschäftsmodell. Zudem sind mehrere sog. Fansites entstanden, die auf qualitativ hohem Niveau Informationen rund um das Web Market Game generieren. Beispielsweise werden Analyseinstrumente, Charts, Expertenmeinungen und Chatforen angeboten, welche den Nutzen der Community erhöhen.41 HSX.com ist nunmehr eine Tochtergesellschaft der Finanzgruppe CANTOR FITZGERALD INTERNATIONAL, welche sich auf Online-Börsen spezialisiert hat. Das Angebot von Finanzdienstleistungen im Internet ist eines der strategischen Ziele des Unternehmens,42 und die Übernahme von HSX.com beweist den Fokus des Unternehmens als Finanzintermediär in der Medienund Entertainment-Industrie aufzutreten, insbesondere in der Filmbranche. HSX.com als Markt für Talente HSX.COM ist mit dem Instrument des Artificial Market in der Lage, zukünftige Ereignisse auf Kinofilmmärkten mit großer Sicherheit zu prognostizieren. Dies wird mit der Bündelung und 40 41
42
Quelle online unter: http://www.hsx.com/about/, Stand: 10.11.2002. Quelle online unter: http://www.hsx.coni/community/sites.htm, Stand: 10.11.2002. Weiterfahrende Informationen online unter: http://www.cantor.com, Stand: 10.11.2002.
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HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
Veröffentlichung von verstreuten Informationen einer mehrere hunderttausende Teilnehmer umfassenden Virtuellen Community erreicht. Dabei sind die Anreize so gesetzt, daß individuell rationale Spielstrategien nur erfolgreich sein können, wenn sie die Zukunft bestmöglich prognostizieren. In den Marktpreisen auf HSX. COM bündelt sich die Erwartung aller Nutzer. Diese Information kann als kollektive Prognose zukünftiger Ereignisse interpretiert werden. Aufgrund des permanenten Innovationszwangs sind die Filmproduzenten gezwungen, ständig neue Kombinationen von Inputfaktoren wie Schauspieler, Story, Genre etc. auszuprobieren. Die Marktakzeptanz von neuen Filmen ist einer kleinen Gruppe von Führungskräften jedoch weitgehend unbekannt. Demgegenüber ist das Publikum, insbesondere die Lead User, vergleichsweise frühzeitig in der Lage Trends zu erkennen. Wobei von diesen nicht immer explizite Erfolgsfaktoren genannt werden können, sondern eher ,diffuse Vermutungen'. Für eine Bekundung solcher unklaren Präferenzen bietet sich ein Artificial Market wie HSX.COM an. Diese schwachen Signale' von zukünftigen Trends und vagen Umweltveränderungen sind durch die Industrie nunmehr frühzeitig anhand von Marktpreisveränderungen auf HSX. COM beobachtbar. Unterstützt wird die frühzeitige Prognosemöglichkeit, indem das IPO (Initial Public Ojfering) von Filmprojekten schon in der Entwicklungsphase stattfindet. So ist es möglich, die Marktfähigkeit von Filmprojekten schon vor dem Produktionsstart zu bewerten. Ein weiterer zentraler Punkt für die Relevanz von HSX.COM als Markt für Talente liegt in den niedrigen Markteintrittsbarrieren für Talente. Grundsätzlich werden kleine Filmprojekte unabhängiger Produzenten (Independents) ebenso zum Handel auf HSX. COM zugelassen, wie Filme der Majors. Allein durch das tägliche explizite IPO auf der Einstiegsseite von HSX.COM erlangt jedes handelbare Projekt zumindest diese Aufmerksamkeit. Im weiteren Handel werden täglich die Gewinner und Verlierer veröffentlicht, prozentual und preislich. Auch hier stehen Große neben Kleinen. Somit werden auch kleinere Projekte immer wieder auf die Hauptseite des Web Market Games „zurückgespült" und damit der Aufmerksamkeit der globalen Virtuellen Community ausgesetzt. Entsprechend der Anreize des Spiels werden die Nutzer auch diese Projekte handeln. Dabei ist davon auszugehen, daß deren Zukunftspotential recht gut erkannt wird. Über die Marktforschungsberichte gelangen die Informationen über Trends und Talente in die Büros der Führungskräfte. Der Term ,Markt für Talente' setzt explizit an Personen und nur mittelbar an Projekten an. Jedoch war bisher immer von Filmen und Filmprojekten die Rede und die involvierten Personen blieben im Hintergrund. HSX. COM bietet auch die Bewertung von Personen, wie Regisseuren und Schauspielern. Der virtuelle Handel ist mit sog. Starbonds möglich. Das sind Wertpapiere, welche die Popularität von Personen im Filmbusiness und deren zukünftiges Potential messen.43 Auch hier erfolgen tägliche IPO 's, so daß noch unbekannte Schaupieler und Regisseure neben Superstars stehen. Durch diese totale Personalisierung kann von einem Markt für Talente gesprochen werden. Hohe Kurse auf HSX. COM bedeuten dabei großes individuelles Potential im Sinne von Publikumswirksamkeit und Zukunftsaussichten/ 4 Die
Der Preis eines Starbonds reflektiert die gesamte Starpower, welche insbesondere in dem Einnahmepotential aktueller Kinofilmprojekte und der Summe aus den Einnahmen bislang veröffentlichter Filme besteht. Für eine Übersicht der gelisteten Schauspieler und Regisseure siehe online unter: http://movies.hsx.com, Stand: 10.11.2002. 44
HSX.COM hat sich für diesen Talentmarkt den Satz „It's notwhoyou know, it's whoyou schützen lassen. Vgl. online unter: http://www.hsx.com/about, Stand: 10.11.2002.
own!" markenrechtlich
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Schauspielerin JULIETTELEWIS (U. a. Filme wie ENOUGH, FROMDUSK 'TILDAWN) wirbt sogar auf ihrer Website für ein virtuelles Investment in Starbonds auf ihren Namen.4 Dies ist ein Beispiel für die Relevanz der Bewertung von Stars auf HSX.COM für die Filmindustrie. Zusammenfassend ist festzuhalten: Anreize zur Präferenzoffenbarung sind durch die Spielregeln effizient gesetzt worden - in Analogie zu real existierenden Kapitalmärkten. Aufgrund täglicher IPO's hat jedes Filmprojekt und jede Person grundsätzlich die selbe Aufmerksamkeit und kann im folgenden permanent gehandelt werden. Sollte beispielsweise ein vielversprechendes Projekt oder zukünftiges Talent aus der Sicht einiger Nutzer unter Wert gehandelt werden, so werden sie investieren, um den Wert ihres Portfolios über steigende Kurse zu erhöhen. Schließen sich immer mehr User der Meinung an, so steigt der Marktpreis des Filmprojekts oder der Personen und schließlich deren Popularität. Dadurch können frühzeitig neue Trends und damit auch Talente auf den Radarschirm der Entertainment Industrie gelangen. Die Informationen und Marktforschungsberichte von HSX.com bieten Mehrwerte durch folgende Punkte: •
Personalisierung der Bewertung (Handel von Schauspielern und Regisseuren);
•
Bewertung und Handel von Talenten;
•
Geringe Markteintrittsbarriere für unabhängige Filmprojekte;
•
Frühes Erkennen von Trends.
c) Perspektiven der Filmfinanzierung Die Debatte um die Performanz der deutschen Filmwirtschaft wird beständig und kontrovers geführt. Nicht nur die wirtschaftliche Effizienz derzeitiger Förderstrukturen, sondern auch die Stellung des Kinofilms als Kulturgut führt zu vielseitigen Interessenlagen und Ansprüchen. So gilt der Kinofilm in Deutschland als Kulturgut mit der gesellschaftspolitischen Zielsetzung der Bereitstellung auch mit staatlichen Mitteln. Kinofilme nehmen in Deutschland damit die Stellung von meritorischen Gütern ein, d. h. die Enge privatwirtschaftlich produzierter Filmstoffe wird bewußt durch staatliche Filmfinanzierung und -produktion erweitert. Damit ergibt sich eine Koexistenz staatlicher und privater Filmfinanzierung, jedoch mit der Frage nach der Vorteilhaftigkeit beider Finanzierungsformen. Zur Analyse und Empfehlung von Finanzierungsformen kann eine organisationstheoretische Betrachtung beitragen. Oben wurden bereits die Probleme staatlicher Förderung sowie marktlicher Finanzierung analysiert. An dieser Stelle soll mit dem Wissen um die effizienzsteigernden Möglichkeiten des Internet eine Finanzierungsmatrix vorgeschlagen werden. Dazu ist zunächst der Kinofilm in unterschiedliche Spezifitäten einzuteilen. Eng damit verbunden ist die Marktfähigkeit der Filme, d. h. die Möglichkeit der Kostendeckung und Gewinnerzielung. Grundsätzlich stehen Marktfahigkeit und Spezifität in einem inversen Verhältnis, denn Filmspezifität läßt sich durch folgende Punkte beschreiben:
45
Quelle online unter: http://www.solace.mh.se/~alpha/jlwp/jl.htm, Stand: 10.11.2002.
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HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
•
Neuartigkeit (unbekannte Schauspieler, Debütfilm);
•
Experimentalcharakter (Verwendung neuer Technologien, Spiel- und Erzählweisen);
•
Genre (Kurzfilm, Kunstfilm).
Die Spezifität des Films ist hoch, wenn die oben genannten Faktoren zutreffen. Bei geringer Spezifität wäre der betreffende Film mit den obigen Punkten nicht beschreibbar. Die Marktfähigkeit, definiert als das Umsatz- und Gewinnpotential von Kinofilmen, hängt in großem Maße von der Filmspezifität ab, wobei gering spezifische Filme bessere monetäre Verwertungsmöglichkeiten und ein größeres Publikum bieten, als hoch spezifische Filme. In Abhängigkeit von der Spezifität des Films können generische Finanzierungsformen vorgeschlagen werden.
Abbildung 4:
Filmfinanzierungsform in Abhängigkeit von der Spezifität
Private Filmfinanzierung Vor dem Hintergrund der Existenz des Web Market Games HSX.COM ist die Vision eines realen Online-Kapitalmarktes für Spielfilme und Talente denkbar. Vorstellbar ist eine Effizienzsteigerung der Marktprozesse in der Filmindustrie, denn durch einen solchen realen Online-Finanzplatz könnten Informationsasymmetrien und Transaktionskosten gesenkt werden. Gleichzeitig würden die Kosten der Hierarchie vermieden. Die Dezentralisierung der Finanzierung durch das Investment einer Vielzahl von Personen würde das Risiko verteilen und zugleich über Preise Informationen über die Marktfähigkeit von Filmprojekten vermitteln. Kapitalmärkte reagieren i. d. R. schneller auf Umweltveränderungen als Hierarchien.
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Hybride Filmfinanzierung Die Nutzung privater Filmfinanzierung könnte zur Reformierung der Filmförderung in Deutschland fuhren. Kulturell förderwürdige Filme (Meritorische Güter) müßten nicht mehr ausschließlich staatlich gefördert werden. Vielmehr können sich hybride Finanzierungsmechanismen entwickeln, so daß etwa die staatliche Förderung nur einen Teil der Finanzierung trägt. Der Vorteil bestünde in einer besseren Publikumsausrichtung aufgrund der teilweise marktlichen Anreizstrukturen in bezug auf die Finanzierungsentscheidung. Des weiteren besteht durch die Nutzung von Online-Märkten, wie HSX.COM, ein wesentlich größerer Popularisierungshebel als bisher. Dieser bietet Potential für eine ,Demokratisierung' der Spielfilmproduktion, indem Talente die Möglichkeit besitzen, ihre Ideen einem breiten Publikum vorzustellen, durch dieses finanzieren zu lassen, und dabei das „Old Boys Network" zu umgehen. Ökonomisch gesehen würde dies einer weiteren Meritorisierung von Kinofilmen entsprechen, welche allgemein als positiv empfunden wird.
Staatliche Filmfinanzierung Segmente, wie Kunst- oder Experimentalfilm müssen weiterhin staatlich subventioniert werden bzw. sind auf die Finanzierung durch Mäzene angewiesen. Der Grund hierfür liegt in der extremen vormarktlichen Innovationskraft dieser Filme. Jedoch ergibt sich vor allem hier die Möglichkeit der Nutzung von Artificial Markets nach dem Vorbild von HSX.COM. Die Popularisierung hoch spezifischer Filme und radikaler Innovationen könnte erreicht werden. Außerdem könnte bereits in diesem experimentellen Stadium nach Talenten und Stars gesucht werden. Das Phänomen HSX.COM verdeutlicht die Möglichkeit des Internet und elektronischer Märkte, einen Beitrag zur Effizienzsteigerung der Filmwirtschaft zu leisten. Zunächst ist privatwirtschaftliche, kapitalmarktbasierte Filmfinanzierung vorstellbar. Darüber hinaus können die anreizfördernden Möglichkeiten der Mischfinanzierung besser genutzt werden. Auch die staatliche Filmförderung könnte profitieren, indem sie elektronische Märkte für die Selektion von Preisen und Fördermitteln nutzt. Handel und die Bewertung von Filmprojekten sind denkbar. Der Mechanismus der Gremiumsentscheidung könnte somit ergänzt werden. Die Meinung des Marktes - also des Publikums - würde damit auch im Bereich staatlicher Förderung Beachtung finden, was nicht zuletzt eine positive Wirkung auf den Marktanteil des deutschen Films in den Kinos hätte.
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HSX.com und der Markt für Ideen, Kapital und Talente
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Bewertung von Sportübertragungsrechten
GERRIT BRÖSEL
[email protected] TECHNISCHE UNIVERSITÄT ILMENAU
Seit der Zulassung privater Rundfunkanbieter in den 1980er Jahren und der seither steigenden Anzahl der Fernsehveranstalter wächst die Bedeutung von Programminhalten. Zu den publikumswirksamen Inhalten zählen die Sportübertragungen, deren Ausstrahlung den Erwerb der dazu erforderlichen Rechte - der sogenannten Sportübertragungsrechte - voraussetzt. Da wichtige Akteure und Ereignisse jedoch knapp sind sowie vor allem das Konzept von „Spitzensportübertragungen" durch seine relative Seltenheit geprägt ist, können interessante und publikumswirksame Sportübertragungen nicht unbegrenzt produziert werden. Für einige Sportübertragungsrechte sind mittlerweile astronomische Preise zu verzeichnen: So stieg z. B. der Preis für eine Saison der Fußball-Bundesliga von € 3 Mio. für die Saison 1980/1981 auf € 358 Mio. für die Spielsaison 2001/2002. Beachtlich ist auch der Anstieg des Preises für die Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaften, der sich innerhalb von 20 Jahren (1982 bis 2002) um ca. 6.781% erhöhte. Mit dem Erwerb von Sportübertragungsrechten sind i. d. R. hohe Erwartungen hinsichtlich der nachhaltigen Erhöhung von Einschaltquoten sowie der Steigerung des Bekanntheitsgrades des Fernsehsenders verbunden. Diese Erwartungen erfüllen sich jedoch häufig nicht. Um ein fundiertes Urteil über die Vorteilhaftigkeit des Erwerbs der Rechte zu fallen, ist deren Bewertung unentbehrlich. Bei den oben angedeuteten Preisdimensionen rufen Bewertungsfehler und daraus resultierende Transaktionen u. U. erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen hervor. Resultat der hohen Preise, die den Wert der Sportübertragungsrechte übersteigen, können bei privaten Fernsehveranstaltern verminderte Gewinne oder gar Verluste und bei öffentlichrechtlichen Rundfunkanbietern Gebührenerhöhungen in nicht unerheblichem Maße sein. Vor dem Erwerb der Sportübertragungsrechte steht deshalb folgende Frage im Mittelpunkt: Welchen Preis kann der rational handelnde präsumtive Erwerber der Rechte maximal für diese zahlen, ohne sich durch den Erwerb schlechter zu stellen als bei Unterlassung dieser Handlung? Unter dem Begriff des „Wertes" der Rechte soll eine Subjekt-Objekt-ObjektBeziehung verstanden werden. Der Wert drückt aus, welchen Nutzen sich der präsumtive Erwerber - das Bewertungssubjekt - aus den Sportübertragungsrechten - dem Bewertungsobj e k t - im Hinblick auf die zur Verfugung stehenden Vergleichsobjekte verspricht. Der zu ermittelnde Wert hat den Charakter einer Entscheidungsgrenze und ist abhängig vom Zielsystem sowie vom Entscheidungsfeld des Bewertungssubjekts. Der Erwerb der Sportübertragungsrechte ist ökonomisch nicht nachteilig, wenn dessen Wert mindestens dem zu zahlenden Preis entspricht.
238
Bewertung von Sportübertragungsrechten
Aufgabe 1 a)
Definieren Sie den Begriff „Sportübertragungsrechte" in einem Satz.
b)
Mit welchem Vertrag können sich Fernsehveranstalter das Bewertungsobjekt - d i e Sportübertragungsrechte - sichern? Erläutern Sie, was der Fernsehveranstalter aus rechtlicher Sicht mit diesem Vertrag erwirbt und welche Auswertungsmöglichkeiten für ihn bei Sportübertragungen bestehen. Was besagt in diesem Zusammenhang das Prinzip der Gesamtbewertung?
c)
Wie unterscheiden sich die Fernsehrechte hinsichtlich Vertragsgegenstand und Verwertungsmöglichkeiten von den Sportübertragungsrechten?
Aufgabe 2 a)
Worin besteht die zentrale Aufgabe des Bewerters von Sportübertragungsrechten?
b)
Setzen Sie sich - in Anbetracht der mit der Bewertung von Sportübertragungsrechten verfolgten Entscheidungsunterstützung - kurz mit den innerhalb der Unternehmungsbewertungstheorie in Mode gekommenen finanzierungstheoretischen Bewertungsmodellen auseinander.
Aufgabe 3 a)
Der Entscheidungswert repräsentiert den zentralen Wert der funktionalen Bewertungslehre. Definieren Sie den Begriff „Entscheidungswert". Durch welche Merkmale wird der Entscheidungswert charakterisiert?
b)
Skizzieren Sie das allgemeine zweistufige Konzept zur Ermittlung des Entscheidungswertes nach MATSCHKE.
Aufgabe 4 a)
Stellen Sie die Zielsysteme privater und öffentlich-rechtlicher Programmanbieter dar.
b)
Transformieren Sie die dargestellten Zielsysteme - ausgehend von einer zu definierenden theoretischen Meßebene des Erfolgs - in geeignete einfache Zielsetzungen, welche in den Bewertungskalkül einfließen können.
c)
Was ist aufgrund dieser Komplexitätsreduktion bei der Abwägung zwischen Wert und Preis zu beachten?
Bewertung von Sportübertragungsrechten d)
239
Unterscheiden Sie schließlich zur Operationalisierung der ermittelten einfachen Zielsetzung die beiden Varianten der Wohlstandsmaximierung. Erläutern Sie diese Varianten kurz. Welche Probleme ergeben sich bei der Entscheidung zwischen diesen (im allgemeinen nicht äquivalenten) Zielsetzungen.
Aufgabe 5 Skizzieren Sie das Entscheidungsfeld privater und öffentlich-rechtlicher Programmanbieter. Gehen Sie dabei auf die Offenheit des Entscheidungsfeldes ein.
Aufgabe 6 Erläutern Sie die grundlegenden Prinzipien, welche die Fachleute der Medienbranche bei der Abgrenzung der Zukunftserfolge der Sportübertragungsrechte zu beachten haben.
Aufgabe 7 Da mit dem wie mit dem wird, ist bei Erkenntnisse Greifswalder
Erwerb von Sportübertragungsrechten aus finanzwirtschaftlicher Sicht ebenso Kauf einer Unternehmung ein unsicherer, zukünftiger Zahlungsstrom erworben der Bewertung von Sportübertragungsrechten die Anwendung der modernen der funktionalen Unternehmungsbewertungstheorie der sogenannten Kölner und Schule unter Beachtung der branchenimmanenten Besonderheiten geboten.
a)
Beschreiben Sie kurz das aus der Unternehmungsbewertungsliteratur bekannte allgemeine Zustands-Grenzpreismodell (ZGPM) nach HERING aus Sicht des präsumtiven Käufers.
b)
Während es sich beim ZGPM um ein Totalmodell handelt, ist das Zukunftserfolgswertverfahren ein Partialmodell. Erläutern Sie das Zukunftserfolgswertverfahren verbal und stellen Sie die Verknüpfung zum Totalmodell her.
Aufgabe 8 Nach der erfolgreichen Beendigung seines BWL-Studiums begann Leopold Kirsch seine berufliche Laufbahn beim privaten Fernsehveranstalter Vision-TV. In Vorbereitung auf die Verhandlungen um die Übertragungsrechte an einem Tennisturnier (ÜR) für die Perioden t = 1 bis 4 wird Leopold im Zeitpunkt t = 0 von seinem Vorgesetzten beauftragt, den Entscheidungswert der Übertragungsrechte zu ermitteln: Für das Bewertungsobjekt ÜR wurde durch den zuständigen Mitarbeiter der Planungsabteilung der Sparte Sport - unter der Annahme quasi-sicherer Erwartungen - für die Perioden t = 0 bis 4 der Zahlungsstrom (0, 60, 40, 20, 30) ermittelt. Vision-TV hat außerdem die Möglichkeit, die Erstverwertungsrechte
240
Bewertung von Sportübertragungsrechten
einer Trickfilmproduktion (TFP) für die kommenden vier Jahre zu erwerben. Die Zahlungsreihe der Trickfilmproduktion beträgt einschließlich des dafür zu zahlenden Preises ( - 1 0 0 , 30, 40, 50, 55). Angenommen sei, daß Vision-TV über ausreichend Sendeplatz verfugt, eine Überschneidung der Sendezeiten von Tennisübertragung und Trickfilmen nicht eintritt sowie die Zahlungsströme unabhängig von der Ausstrahlungszeit realisiert werden können. Als ewiger Einzahlungsüberschuß aus der Innenfinanzierung (IF) erzielt Vision-TV in jedem Zeitpunkt 30 Geldeinheiten (GE). Im Entscheidungszeitpunkt besitzt der Sender zusätzlich 100 GE als Eigenmittel (EM). Weitere finanzielle Mittel stehen unbegrenzt zu einem kurzfristigen Sollzins von 10% p . a . zur Verfügung ( K A t ) . Finanzinvestitionen ( G A t ) können durch Vision-TV in beliebiger Höhe zu einem Habenzins von 5% p. a. getätigt werden. Vision-TV plant über einen Zeitraum von vier Perioden (Planungszeitraum n = 4). Unterstützen Sie Leopold bei der Ermittlung des maximal zahlbaren Preises P* für ÜR. a)
Was bedeutet Quasi-Sicherheit?
b)
Stellen Sie die Daten des Beispieles tabellarisch dar. Beachten Sie, daß die Eigner von Vision-TV ihrerseits einen uniformen Einkommensstrom (Einkommensmaximierung) anstreben, der in jeder Periode die Entnahme EN vorsieht. Die letzte Ausschüttung w n • EN soll dabei zusätzlich zur normalen Ausschüttung EN den Barwert einer ewigen Rente enthalten, um das Einkommen EN auch außerhalb des Planungszeitraums zu erhalten. Für t > n ist der pauschal geschätzte Kalkulationszinsfuß in Höhe von i = 5% p. a. zu berücksichtigen.
c)
Veranschaulichen Sie die Vorgehensweise der Entscheidungswertermittlung auf Basis eines einfachen Totalmodells. Stellen Sie Basis- sowie Bewertungsprogramm anschaulich in vollständigen Finanzplänen (VOFIs) dar.
d)
Ermitteln Sie die endogenen Grenzzinsfuße vom Basis- und vom Bewertungsprogramm. Berechnen Sie mit der Formel der „vereinfachten" Bewertung den Zukunftserfolgswert der Sportübertragungsrechte sowohl mit den Grenzzinsfußen des Basis- als auch mit den Grenzzinsfußen des Bewertungsprogramms. Vergleichen Sie die Ergebnisse mit der Lösung des Totalmodells. Ziehen Sie schließlich die Formel der „komplexen" Bewertung zur Entscheidungswertermittlung heran.
Aufgabe 9 a)
Würdigen Sie das Totalmodell und das Partialmodell kritisch.
b)
In Anbetracht der Nachteile von Total- und von Partialmodell stellt Leopold Kirsch Ihnen folgende Frage: Welche sowohl theoretisch fundierten als auch praktikablen Möglichkeiten zur Bewertung von Sportübertragungsrechten sind Ihnen bekannt?
Bewertung von Sportübertragungsrechten
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Aufgabe 10 Die Erfolgsschätzungen für Sportübertragungsrechte sind unter Unsicherheit durch mehrwertige Erwartungen geprägt. Grundlage der Bewertung bilden die zur Verfugung gestellten Erfolgserwartungen, die auf subjektive Bandbreiten eingeengt und denen bestenfalls durch fundierte Schätzungen ermittelte Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeordnet worden sind. Unter diesen Bedingungen ist eine „optimale" Lösung des zielsetzungsdefekten Bewertungsproblems ex ante nicht definiert. Heuristische Verfahren zur Berücksichtigung der Mehrwertigkeit der Zukunftserwartungen des Bewertungssubjekts lassen sich in Unsicherheit verdichtende und Unsicherheit offenlegende Bewertungsmethoden unterscheiden. Stellen Sie diese beiden Methoden kurz dar. Welche dieser Methoden erscheint Ihnen - im Hinblick auf die erforderliche Entscheidungsunterstützung - bei der Bewertung von Sportübertragungsrechten am zweckmäßigsten?
Lösung
Aufgabe 1 a) Der Begriff ,JSportübertragungsrechte" umfaßt alle Befugnisse, die einem Fernsehveranstalter zuwachsen müssen, um ein Sportereignis direkt, zeitversetzt oder als Zusammenfassung ausstrahlen zu können. b) Die Möglichkeit, eine Sportveranstaltung oder einzelne Teile eines Turniers gegen Entrichtung eines vereinbarten Entgelts innerhalb eines definierten geographischen Verbreitungsgebiets und unter Nutzung festgelegter Verbreitungswege zu übertragen, wird zwischen Turnierveranstalter und Rundfunkanbieter durch einen Sportrechtevertrag geregelt. Darüber hinaus muß der Rundfunkanbieter das Recht zur Nutzung der Fernsehsignale erwerben, die i. d. R. von einer ortsansässigen Rundfunkunternehmung durch einen Produktionsvorgang erzeugt und dem ausstrahlenden Fernsehsender an einem technischen Übertragungspunkt bereitgestellt werden. Die Exklusivübertragungsbefugnis, die regelmäßig mit der Pflicht zur Übertragung bestimmter Teile einer Sportveranstaltung einhergeht, betrifft dabei gewöhnlich eine Gruppe von Einzelveranstaltungen, die sich auch über mehrere Jahre verteilen können. In den Sportrechteverträgen sind ferner die Nebenrechte und -pflichten vereinbart, wie beispielsweise die Zweitverwertungsbefugnis, das Gastrecht des Senders in der Sportstätte und die Weiterveräußerung der Sportrechte. Zur Übertragung von Sportereignissen im Fernsehen ist grundsätzlich der gemeinsame Erwerb von Übertragungsbefugnis und dazugehörigem technischen Signal erforderlich. Im Mittelpunkt der Übertragung einer Sportveranstaltung stehen die Darbietungen und Leistungen der teilnehmenden Sportler, die keine ausübenden Künstler im Sinne des § 73 UrhG sind. Die Übertragung einer Sportveranstaltung basiert nicht auf einem urheberrechtlich geschützten dinglichen Verwertungsrecht und stellt somit auch kein Filmwerk im Urheberrecht-
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Bewertung von Sportübertragungsrechten
liehen Sinne dar. Dem Veranstalter stehen zum Schutz seiner wirtschaftlichen Interessen vielmehr Ansprüche auf Unterlassung der Übertragung zu, die sich in Deutschland beispielsweise aus § 1 UWG, § 823 Abs. 1 BGB und § 826 BGB ergeben können. Darüber hinaus kann der Veranstalter als Eigentümer oder mietrechtlicher Besitzer des Veranstaltungsortes aus §§ 903, 1004 BGB oder §§ 862, 859 BGB ein Hausrecht gegenüber demjenigen geltend machen, der versucht, die Veranstaltung ohne seine Genehmigung zu übertragen. Grundgedanke des Sportrechtevertrags ist somit nicht die Übertragung eines urheberrechtlich geschützten dinglichen Verwertungsrechts, sondern der Verzicht des Veranstalters auf seine Ansprüche auf Unterlassung der Übertragung. Sportrechteverträge werden zivilrechtlich als Kaufvertrag, bei mehrmonatiger oder mehij ähriger Laufzeit speziell als Sukzessivlieferungsvertrag eingeordnet. Als Kaufgegenstand gilt dabei der Vermögenswert, ohne dem Risiko von Abwehransprüchen ausgesetzt zu sein, von einer Sportveranstaltung berichten zu können, sowie ferner die Möglichkeit das technische Fernsehsignal zu Übertragungszwecken nutzen zu dürfen. Bei Sportübertragungen handelt es sich um Programmbestandteile, die an eine strikte zeitliche Aktualität gebunden sind. Für Fernsehsender kommen bei Sportübertragungen regelmäßig drei Auswertungsformen in Betracht. Erfolgt die Ausstrahlung der Sportveranstaltung zeitgleich, wird von einer Direktübertragung gesprochen. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß vor Beginn der Übertragung der Handlungsverlauf der Veranstaltung nicht vorhersehbar und die erforderliche Ausstrahlungszeit i. d. R. nicht eindeutig bestimmbar ist. Ungewißheit herrscht dabei beispielsweise über das Verbleiben der entscheidenden (deutschen) Sportler im Wettbewerb oder die Verminderung der Spannung aufgrund enormer Überlegenheit bestimmter Athleten. Die Verträge können dem ersten Aspekt insofern Rechnung tragen, als Rundfunkunternehmungen von der Pflicht befreit werden, die für den deutschen Fernsehmarkt (wirtschaftlich) uninteressanten Spiele und Veranstaltungsteile zu übertragen, oder durch Anpassungsklauseln eine Reduzierung der Vergütungspflicht vorgesehen wird. Auch bei zeitlich eingegrenzten Sportarten (z. B. Fußball) kann es zu Nachspielzeiten und Verlängerungen während der Übertragung kommen. Ähnlich verhält es sich auch bei der zeitversetzten Ausstrahlung vollständiger Veranstaltungen. Da der Sportrechtevertrag regelmäßig vor der Durchführung der Veranstaltung abgeschlossen wird, sind Handlungsverlauf und erforderliche Ausstrahlungszeit zum Erwerbszeitpunkt der Rechte unsicher. Im Unterschied zur Direktübertragung ist der Termin der zeitversetzten Ausstrahlung jedoch kein Datum; vielmehr wird vertraglich eine Sperrfrist vereinbart, um beispielsweise die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Veranstalters und gegebenenfalls die Auswertung der Direktübertragung durch einen anderen, möglicherweise entgeltfinanzierten Fernsehsender nicht zu beeinträchtigen. Die dritte Möglichkeit ist die Auswertung der Sportübertragung durch eine zusammenfassende Berichterstattung. Unter Inkaufnahme verringerter Aktualität kann der Fernsehsender die Ausstrahlung des Sportereignisses auf die interessantesten Szenen reduzieren und gleichzeitig Planungssicherheit hinsichtlich der erforderlichen Übertragungszeit erlangen. Bei allen Auswertungsformen besteht ein Restrisiko, daß die Veranstaltung wohlmöglich aus meteorologischen oder (sport-)politischen Gründen nicht stattfindet. Hinsichtlich des Prinzips der Gesamtbewertung ist es erforderlich, die im Rahmen der Konfliktsituation nur gemeinsam erhältlichen Rechte als wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Bewertungsrelevant sind nicht die verschiedenen einzelnen Rechte oder Verwertungsarten, sondern die Gesamtheit der als Bewertungsobjekt zu erwerbenden Rechte. c) Werden durch einen Rundfunkanbieter hingegen Fernsehrechte erworben, ergeben sich Unterschiede sowohl hinsichtlich Vertragsgegenstand als auch in Bezug auf die Verwertungs-
Bewertung von Sportübertragungsrechten
243
möglichkeiten. Der Begriff ,J?ernsehrechte" umfaßt dabei alle Befugnisse, die ein Fernsehveranstalter innehaben muß, um ein Filmwerk marktlich zu verwerten. Um die Rechte zur ein- oder mehrmaligen Auswertung eines sendefertigen Filmwerks für ein bestimmtes Sendegebiet und einen bestimmten Sendezeitraum von Dritten zu erwerben, bedienen sich Rundfünkanbieter regelmäßig eines Fernsehlizenz- oder Senderechtsvertrags. Im Mittelpunkt dieser Verträge steht das nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG geschützte Filmwerk. Die Konkretisierung der Fernsehrechte des Filmherstellers erfolgt nicht durch die originären Urheberpersönlichkeitsrechte der §§ 12 bis 14 UrhG, sondern durch Übertragung des in § 20 UrhG definierten Senderechts. Dieses Recht wird gemäß § 31 Abs. 1 UrhG durch den Filmhersteller oder durch Rechtehändler mittels des genannten Vertrags gewöhnlich in ausschließlicher Form auf die Fernsehveranstalter übertragen. Ausschließlichkeit bedeutet hier, daß das Nutzungsrecht nicht mehreren Berechtigten gleichzeitig, sondern nur einem einzigen Lizenznehmer zusteht. Bei den Verträgen handelt es sich um urheberrechtliche Nutzungsverträge sui generis; bei den Vertragspartnern wird von Lizenzgebern und Lizenznehmern gesprochen. Die vertragliche Hauptleistung konkretisiert sich im urheberrechtlich abgesicherten dinglichen Recht, das die Befügnis zur Sendung oder Ausstrahlung beinhaltet. Neben der Einräumung des (immateriellen) Nutzungsrechts ist dem Fernsehveranstalter die Verfügungsgewalt über das (materielle) Trägermedium - die Filmkopie - zu verschaffen. Bei der Übertragung der Fernsehrechte als Rechtebündel besitzt die Übereignung des entsprechenden Trägermediums insofern einen akzessorischen Charakter. Senderecht und Trägermedium sind als wirtschaftliche Einheit aufzufassen, die zur marktlichen Verwertung eines Films oder einer Sendung erforderlich ist. Wurden (Spiel-)Filme nicht ausschließlich für das Fernsehen hergestellt, werden sie regelmäßig -jeweils unter Beachtung einer angemessenen Sperrfrist - zuerst in Filmtheatern, dann als Video und/oder DVD sowie schließlich im Fernsehen verwertet. Hierbei wird von der sogenannten Verwertungskaskade gesprochen. Die Möglichkeit der mehrfachen Verwertung eines einmal hergestellten und - im Unterschied zur Sportübertragung - nicht an eine strikte Aktualität gebundenen Filmwerks wird dabei durch die bei der Einräumung von Nutzungsrechten nach § 32 UrhG zulässigen zeitlichen, räumlichen oder inhaltlichen Beschränkungen und durch die Nichtrivalität beim Konsum von Unterhaltung eröffnet. Ein Spielfilm kann somit auf verschiedenen Märkten sowie auch mehrmals innerhalb dieser Märkte verwertet werden.
Aufgabe 2 a) Die zentrale Aufgabe des Bewerters besteht darin, die von Fachleuten der Medienbranche gelieferten quantitativen und qualitativen Informationen über künftige Zahlungsströme der Sportübertragungsrechte in die gesuchte Größe zu transformieren und dabei das rechte Maß zwischen theoretischer Exaktheit und den Erfordernissen praktischer Anwendbarkeit zu halten. b) Entscheidungsunterstützung verlangt u. a. nach Berücksichtigung der in den Merkmalen des Entscheidungswertes verkörperten konkreten Ziele, Erwartungen und Handlungsmöglichkeiten des Entscheidungssubjekts unter realitätsnahen Annahmen. Der Wert ergibt sich somit hinsichtlich des Ziel- und Präferenzsystems des Bewertungssubjekts gemäß der von HERMANN HEINRICH GOSSEN sowie CARL MENGER (und der sogenannten Wiener Schule) begründeten subjektiven Wertlehre aus seinem Grenznutzen und ist somit individuell (d. h.
244
Bewertung von Sportübertragungsrechten
subjektiv). Mit Beachtung dieser Erkenntnisse in der funktionsorientierten Betrachtungsweise der Unternehmungsbewertung war die Suche nach dem wahren Unternehmungswert sowie der Konflikt zwischen deduktiv und induktiv gewonnenen Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmungsbewertung vermeintlich überwunden. Bedenklich erscheint vor diesem Hintergrund die Anwendung der in Mode gekommenen finanzierungstheoretischen Bewertungsmodelle (z. B. die Varianten der „Discounted Cash Flow"-Methode und das Optionspreismodell), um ausgehend von idealistischer Informationseffizienz, Vollständigkeit und Vollkommenheit der Märkte den objektiven Tauschwert der Unternehmung als Marktpreis zu bestimmen. Abgesehen von den wirklichkeitsfernen Prämissen und deren inkonsistenter Kombination erscheint es bei der Analyse dieser Gleichgewichtsmodelle fraglich, woher die Individuen die Anregung zur Transaktion nehmen, wenn der Wert der Unternehmung genau dem Preis ent- und somit der Kauf keinen Vorteil verspricht. Finanzierungstheoretische Bewertungsverfahren sind deshalb auch bei der Bewertung von Sportübertragungsrechten lediglich innerhalb der sogenannten Argumentationsfunktion anwendbar.
Aufgabe 3 a) Der Entscheidungswert zeigt einem Entscheidungssubjekt bei gegebenem Ziel- oder Präferenzsystem und bei vorhandenem Entscheidungsfeld an, unter welchen Bedingungen die Durchfuhrung einer bestimmten vorgesehenen Handlung das ohne diese Handlung erreichbare Niveau der Zielerfüllung gerade noch nicht mindert. Mit anderen Worten gilt der Entscheidungswert als äußerste Grenze der Konzessionsbereitschaft des Entscheidungssubjekts in einer bestimmten Konfliktsituation. Der Entscheidungswert wird durch vier Merkmale charakterisiert: Er wird hinsichtlich einer definierten Handlung ermittelt (Merkmal der Handlungsbezogenheit) und bezieht sich auf ein bestimmtes Entscheidungssubjekt sowie dessen Zielsystem (Merkmal der Subjekt- und Zielsystembezogenheit). Er ist eine kritische Größe {Merkmal des Grenzwertes), die ausschließlich für ein konkretes Entscheidungsfeld und für die daraus ableitbaren Alternativen gültig ist (Merkmal der Entscheidungsfeldbezogenheit). b) Der Entscheidungswert - als Grenze der Konzessionsbereitschaft des Bewertungssubjekts in einer Konfliktsituation - wird nach MATSCHKE mit Hilfe eines zweistufigen Modells bestimmt. Auf der ersten Stufe ist dabei das für die Konfliktpartei ohne Einigung erreichbare Nutzenniveau zu ermitteln. Das Ergebnis dieses ersten Schritts - der Ermittlung des Vergleichsmaßstabs - wird als Basisprogramm bezeichnet. Die zweite Stufe des Modells beinhaltet die Bestimmung der aus Sicht der konfligierenden Partei vorzuziehenden, abzulehnenden oder als indifferent zu beurteilenden Extensionen der konfliktlösungsrelevanten Sachverhalte, weil bei der Einigung auf diese Ausprägungen ein höheres, geringeres oder gleich hohes Nutzenniveau aus Sicht des Bewertungssubjekts erreicht wird. Als Grenze der Konzessionsbereitschaft werden dabei diejenigen Extensionen der konfliktlösungsrelevanten Sachverhalte bezeichnet, deren Nutzenniveau im Falle einer Einigung darauf dem Nutzenniveau des Basisprogramms entspricht oder bei unstetiger Nutzenfunktion zum kleinstmöglich höheren Nutzenniveau führt. Das Ergebnis dieses zweiten Schritts wird als Bewertungsprogramm bezeichnet, soweit sich ein Entscheidungswert ermitteln läßt.
Bewertung von Sportübertragungsrechten
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Aufgabe 4 a) Zur Bestimmung des Entscheidungswertes von Sportübertragungsrechten bedarf es der Kenntnis des Zielplans des Bewertungssubjekts. Dieser enthält Informationen über die vom Bewertungssubjekt erstrebten Sachverhalte {Ergebnisdefinition) sowie über die Intensität des Strebens nach diesen Sachverhalten (.Präferenzen). Rundfunkanstalten haben als Sachziel den gesetzlich kodifizierten Programmauftrag zu erfüllen. Die wirtschaftliche und sparsame Erfüllung des Programmauftrags stellt dabei das Formalziel dar. Bei der Betrachtung der Ziele privatwirtschaftlicher Rundfunkanbieter sind die Gesellschaften in werbe- und entgeltfinanzierte Unternehmungen zu differenzieren. Während die Erzeugung von Rezipientenkontakten für die werbetreibende Wirtschaft als Sachziel werbefinanzierter Sender anzusehen ist, steht dagegen bei entgeltfinanzierten Rundfunkanbietern die Bereitstellung und Übermittlung attraktiver Programme an die Zuschauer als Sach- oder Leistungsziel im Vordergrund. Die Erwirtschaftung angemessener Gewinne für die Gesellschafter oder die Gewinnmaximierung wurde als dominierendes Formalziel beider privater Anbieterformen unterstellt. b) Für die Bewertung sind die dargestellten Zielsysteme - ausgehend von einer zu definierenden theoretischen Meßebene des Erfolgs - in geeignete einfache Zielsetzungen zu transformieren, welche anschließend in den Bewertungskalkül einfließen können. Die Meßebene der Zielerfiillung wird bei privatwirtschaftlichen Unternehmungen durch die Ebene der Eigentümer dargestellt. Diese Betrachtungsweise ist auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter, die als Anstalt des öffentlichen Rechts oder - im Falle der ARD - als Arbeitsgemeinschaft dieser Anstalten organisiert sind, nicht übertragbar. Zur Festlegung einer Meßebene ist für Rundfunkanstalten als fiktiver Eigner der Gebührenzahler denkbar. Dieser ist einerseits Rezipient des durch den Programmauftrag geprägten Fernsehprogramms und wird andererseits - durch den dargelegten Zwangscharakter der sogenannten Rundfunkgebühren - mit dem Grad der Zielerfüllung des Formalziels in Anbetracht der einzuhaltenden Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit konfrontiert. Als theoretische Meßebene des Erfolgs sei deshalb für Rundfunkanstalten die Ebene des Gebührenzahlers angesehen. Nunmehr soll davon ausgegangen werden, daß sich das Interesse der Eigner privatwirtschaftlicher Anbieter vornehmlich auf finanzielle Vorteile oder auf einen finanziellen Nutzen richtet. Die Eigentümer des privatwirtschaftlichen Rundfunkanbieters streben nach einem Zufluß, der in Form von Zahlungen an den Eigner (Entnahmen oder Ausschüttungen) sowie Auszahlungsersparnissen des Eigners auftreten und gemessen werden kann. Mit dem daraus resultierenden Vorteilsstrom wird dem Eigner die Möglichkeit gegeben, seine Konsumbedürfnisse zu befriedigen. Gewiß könnte gerade den Eignern von Rundfunkveranstaltern das Streben nach politischer oder anderer Einflußnahme unterstellt werden; es sei aber angenommen, daß die restriktiven gesetzlichen Regelungen eine derartige Zielverwirklichung ausschließen. Die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Rahmen des Programmaufträgs verfolgte Sozialisationsaufgabe zielt hingegen auf die Übermittlung der Werte und Normen einer Gesellschaft. Die dementsprechend notwendigen Programminhalte generieren vordergründig externe Erträge. Öffentlich-rechtliche Anbieter sind erforderlich, weil eine Befriedigung durch diese externen Erträge in der Regel nicht im Zielsystem der Gebührenzahler verankert ist. Es ist daher gerechtfertigt, davon auszugehen, daß aus Sicht der (rationalen) Gebührenzahler nicht die Erfüllung des Programmauftrags, sondern vielmehr das bereits für die Eigner der privaten Rundfunkveranstalter charakterisierte Ziel der Befriedigung ihrer Konsumwünsche maßgebend ist. Die Gebührenzahler sind vornehmlich an der Minimierung der zu zahlenden Gebühren oder an einer Maximierung gegebenenfalls möglicher Gebührenrückzahlungen interes-
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Bewertung von Sportübertragungsrechten
siert. Neben der bestehenden unausweichlichen Verpflichtung zur Zahlung der Rundfunkgebühren kann unterstellt werden, daß eine wirtschaftliche und sparsame Erfüllung auch dem Gebührenzahler zugute kommen kann, indem die Möglichkeit von Gebührenerstattungen in den Bewertungsmodellen berücksichtigt wird. Unter Gebührenrückzahlung oder -erstattung wird hier hauptsächlich - neben der Möglichkeit einer tatsächlichen Erstattung - eine Verrechnung mit künftigen Gebührenzahlungen verstanden. Statt stetiger Gebührenerhöhungen sollen somit auch Gebührensenkungen möglich sein. Während die Eigner privater Rundfunkveranstalter die Maximierung der Einzahlungsüberschüsse anstreben, verfolgen die Gebührenzahler mit der Minimierung ihrer Auszahlungsüberschüsse ein adäquates Ziel. Im Rahmen der Bewertung von Sportübertragungsrechten kann daher sowohl für private als auch für öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter diese - in Geldeinheiten gemessene - einfache finanzielle Zielsetzung zugrunde gelegt werden. Um die Erfüllung des Programmauftrags bei Verfolgung dieser einfachen Zielsetzung nicht zu gefährden, wird die Annahme getroffen, daß aus der Sicht von Rundfunkanstalten nur solche Sportübertragungsrechte betrachtet werden, die zur Erfüllung dieses Auftrags beitragen. Hierunter fallen Sendungen, die einerseits eine Sozialisationsbotschaft beinhalten oder andererseits als attraktiver Senderahmen für diese Programmkategorien zu betrachten sind. Die Rechte sollen annahmegemäß grundsätzlich den für öffentlich-rechtliche und private Rundfunkanbieter bestehenden gesetzlichen Vorschriften entsprechen und im Einklang mit eventuell gesetzten nichtfinanziellen strategischen Zielen stehen. c) Durch die getroffene finanzielle Zielsetzung werden den Entscheidungsträgern als Ergebnis einer investitionstheoretisch gestützten Bewertung quantitative Informationen über die Sportübertragungsrechte zur Verfügung gestellt. Fundierte Entscheidungen über die Vorteilhaftigkeit eines Erwerbs der Rechte verlangen zusätzlich eine Analyse der qualitativen Aspekte. Eine Entscheidung über die Investition in Sportübertragungsrechte setzt somit die Betrachtung quantitativer und qualitativer Aspekte voraus. Der ermittelte Entscheidungswert stellt gleichwohl das wichtigste, aber nicht das alleinige ökonomische Kriterium dar. Mit Rücksicht auf die nichtfinanziellen Ziele des Bewertungssubjekts ist es denkbar, daß der präsumtive Erwerber ein höheres Entgelt akzeptiert, als den in Anbetracht der rein finanziellen Aspekte ermittelten Grenzpreis. d) Zur Operationalisierung der finanziellen Zielsetzung lassen sich mit der Vermögens- und der Einkommensmaximierung zwei in der Regel nicht äquivalente (unmittelbar zahlungsstromorientierte) Varianten der Wohlstandsmaximierung unterscheiden. Bei der Vermögensmaximierung wird unter der Restriktion eines fest vorgegebenen Entnahmestroms das Ziel verfolgt, eine entsprechend der Konsumpräferenz gewichtete Ausschüttung zu maximieren. Die Summe der gewichteten Ausschüttungen entspricht der Zielfunktion. Der für jeden Zeitpunkt vorzugebene Gewichtungsfaktor spiegelt dabei die subjektive Wertschätzung einer Ausschüttung in Relation zu den sonstigen Ausschüttungszeitpunkten wider. Als Spezialfälle der Vermögensmaximierung erweisen sich die Endwert- sowie die Barwertmaximierung. Hingegen wird bei der Einkommensmaximierung unter der Restriktion fest vorgegebener Ausschüttungen zu definierten Zeitpunkten dasjenige Investitions- und Finanzierungsprogramm gesucht, welches die Breite eines Entnahmestroms maximiert. Die Relation der zu ermittelnden Entnahmebeträge steht dabei schon vorab fest. Für die Wahl zwischen den im allgemeinen nicht äquivalenten Zielsetzungen Vermögens- und Einkommensmaximierung sind die individuellen Präferenzen des Entscheidungssubjekts ausschlaggebend. Ist schon die Darstellung der erforderlichen Konsumnutzenfunktion eines einzelnen schwierig, vergrößern sich die Probleme bei einer Vielzahl von Eignern oder Gebührenzahlern. Die Wahl der „rieh-
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tigen" Zielsetzung entzieht sich der Theorie der Bewertung, weil hier Werturteile über subjektive Präferenzen gefällt werden müßten. Wird durch entsprechend formulierte Restriktionen sichergestellt, daß die Entnahmen nicht zu einem Verlust der Unternehmungssubstanz fuhren dürfen, erweisen sich beide Alternativen als geeignete Zielsetzungen.
Aufgabe 5 Neben dem Zielplan des Bewertungs- und Entscheidungssubjekts determiniert auch das individuelle Entscheidungsfeld des Subjekts den Wert der Sportübertragungsrechte. Während der Zielplan Ausdruck des Wollens der konfligierenden Partei ist, gibt das Entscheidungsfeld Auskunft über den individuellen Möglichkeitsraum des Bewertungssubjekts. Es umschreibt die dem Bewertungssubjekt zur Verfugung stehenden Handlungsmöglichkeiten und die Restriktionen, die es zu beachten hat. Das Entscheidungsfeld ist somit Ausdruck des Könnens der konfligierenden Partei. Auch das Entscheidungsfeld eines Rundfunkanbieters ist durch finanz- und realwirtschaftliche Handlungsmöglichkeiten und -beschränkungen geprägt. Der realwirtschaftliche Aktionsraum eines Rundfunkanbieters ergibt sich u. a. aus der derzeitigen Ausstattung mit Programmbestandteilen, anderen Gütern und Personal sowie der Gesamtheit der Möglichkeiten, weitere Programmbestandteile und andere Güter zu erwerben. Als wesentliche realwirtschaftliche Restriktion von privatwirtschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern ist die zur Verfugung stehende Sendezeit zu betrachten. Der finanzwirtschaftliche Aktionsraum der Unternehmung zeichnet sich hauptsächlich durch das Erfordernis einer permanenten Zahlungsfähigkeit aus. Weitere Ausprägungen von finanzwirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten und -beschränkungen sind z. B. die zur Verfugung stehenden liquiden Mittel, erwartete Gebühreneinnahmen, Geldanlage- und Kreditaufnahmemöglichkeiten sowie Kreditbeschränkungen. Ferner ist zu beachten, daß Kreditgeber i. d. R. bei steigendem Verschuldungsgrad erhöhte Sollzinsen verlangen. Interdependenzen, Ganzzahligkeitsforderungen und Ausschlußbedingungen bei Wahlproblemen können sowohl den finanz- als auch den realwirtschaftlichen Aktionsraum betreffen. Der dargestellte finanzwirtschaftliche Möglichkeitsraum macht deutlich, daß das Entscheidungsfeld in der Realität durch die Bedingungen eines unvollkommenen Kapitalmarktes gekennzeichnet ist. Der unvollkommene Kapitalmarkt ist im wesentlichen dadurch geprägt, daß Soll- und Habenszins voneinander abweichen und das Kapital knapp ist. In der Realität sind die Entscheidungsfelder der Rundfunkanbieter bei der Bewertung von Sportübertragungsrechten durch ihre Offenheit geprägt. In einem offenen Entscheidungsfeld sind im Bewertungszeitpunkt weder alle Handlungsmöglichkeiten und -beschränkungen bekannt, noch können die Zahlungskonsequenzen sowie die Sendezeiten der bekannten Handlungsmöglichkeiten eindeutig vorhergesagt werden. Beispielsweise ist die notwendige Sendezeit für Direktübertragungen von Etappen eines Radrennens oder Spielen eines Tennisturniers ex ante nicht eindeutig bestimmbar. Der Zukunftserfolg und damit der Entscheidungswert der Sportübertragungsrechte werden u. a. durch die ungewissen Änderungen im Zins- und Lohnniveau, mit fortschreitender Zeit eintretende, bisher noch unbekannte Finanzierungs- und Investitionsmöglichkeiten, die zur Ausstrahlung erforderliche Sendezeit sowie die unsicheren Zahlungskonsequenzen aus den Sportübertragungsrechten und anderen Investitionsmaßnahmen beeinflußt. Die vorliegende Unsicherheit ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
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Bewertung von Sportübertragungsrechten 1.
Die (Erfolgs-)Erwartungen sind mehrwertig.
2.
Nicht alle Entscheidungsvariablen sind bekannt.
3.
Der Zeitraum der Planung ist offen.
Aufgabe 6 Für den präsumtiven Erwerber sind im Rahmen der Bewertung alle durch das Bewertungsobjekt hervorgerufenen künftigen Erfolge von Bedeutung. Die Sportübertragungsrechte stiften dem Rundfunkveranstalter einen künftigen Nutzen und tragen damit zur Zielerfüllung bei. Die Ermittlung dieser für das Bewertungssubjekt relevanten Erfolge aus dem Bewertungsobjekt steht jedoch nicht im Mittelpunkt der Bewertungstheorie. Abgrenzung und Quantifizierung des durch die Sportübertragungsrechte gestifteten Nutzens obliegen vielmehr den Fachleuten der Medienbranche. Die Hauptaufgabe der Bewertung ist die Transformation der aus fundierten Schätzungen ermittelten qualitativen und quantitativen Informationen über künftige Erfolge in einen Wert, der die mit der Bewertung verfolgte Funktion erfüllt. Die Qualität eines durch bestimmte Modelle ermittelten Wertes für die Sportübertragungsrechte wird determiniert durch die Qualität der Informationen sowie der abgegrenzten und quantifizierten künftigen Erfolge, die für die Bewertung zur Verfugung gestellt werden. Angesichts der bei Sportübertragungsrechten gegebenen hohen Risiken steigen die Anforderungen an die Prognose zukünftiger Erfolgsströme. Sollen mit der Bewertung sinnvolle Ergebnisse erzielt werden, ist der aus den Sportübertragungsrechten resultierende Erfolg zweckentsprechend abzugrenzen und zu quantifizieren. Mit dem Gesamtertrags-, dem Zufluß- und dem Verbundberücksichtigungsprinzip werden nach MOXTER in der Unternehmungsbewertungstheorie wesentliche Grundsätze dargestellt, die auch bei der Abgrenzung der durch die Sportübertragungsrechte induzierten künftigen Erfolge zu beachten sind. Prinzipiell ist für den präsumtiven Erwerber gemäß dem Gesamtertragsprinzip unter dem künftigen Erfolg die Summe aller Vorteile zu verstehen, die ihm infolge des Erwerbs der Sportübertragungsrechte zuflössen. Unter diese Vorteile fallen sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Elemente. Neben zu verzeichnenden Einzahlungsüberschüssen kann beispielsweise der Erwerb der jeweiligen Rechte auch den Bekanntheitsgrad und das Ansehen eines Fernsehsenders beeinflussen. Aufgrund mangelnder Quantifizierungsmöglichkeiten erweist sich die Beurteilung der nichtfinanziellen Vorteile als besonders schwierig. Ausgehend vom individuellen Zielsystem des Bewertungssubjekts ist es erforderlich, alle interessierenden Sachverhalte zu identifizieren und deren Gewichtung zu bestimmen. Maßgeblich für die Bewertung von Sportübertragungsrechten ist entsprechend dem Zuflußprinzip der Vorteilsstrom, der dem präsumtiven Erwerber mit dem Erwerb der Rechte zufließt. Die Eigner eines Rundfunkveranstalters (und die Gebührenzahler) sind i. d. R. an einem finanziellen Zufluß in Form einer Entnahme, Auszahlung oder Ausschüttung interessiert, der ihnen zur Befriedigung ihrer Konsumwünsche zur Verfügung steht. Hierunter fallen auch Auszahlungsersparnisse, die durch Leistungen der Unternehmung an die Eigner hervorgerufen werden. Der Einfluß der Rechte auf die Bedürfnisbefriedigung der Eigentümer und der Gebührenzahler ist bei einer einfachen finanziellen Zielsetzung über die dadurch ausgelösten Zahlungskonsequenzen meßbar. Als Rechengröße zur Beurteilung des künftigen Nutzens der Sportübertragungsrechte dienen somit Zahlungsgrößen. Ein- und Auszahlungen sind objektiv
Bewertung von Sportübertragungsrechten
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nachprüfbar, weil sie weder bilanziellen Bewertungseinflüssen noch Periodisierungsüberlegungen unterliegen. Die Beschränkung auf Geldzu- und -abflüsse als relevante finanzielle Größen vermeidet die Gefahr von Doppelzählungen. Als Zahlungsgrößen kommen sowohl Einzahlungsüberschüsse als auch Auszahlungsersparnisse in Betracht. Erfolgsgrößen haben dabei nur einen Einfluß auf die Bewertung, wenn sie die Höhe der Zahlungen beeinflussen. Der relevante Zahlungsstrom, der den Sportübertragungsrechten zuzurechnen ist, ergibt sich somit aus den kontinuierlich oder diskontinuierlichen auftretenden Ein- und Auszahlungen. Die Einzahlungen resultieren dabei aus den Vertriebs- und/oder den Werbeerlösen. Die Vertriebserlöse umfassen die den Sportübertragungsrechten zuzurechnenden Einzahlungen aus Entgelten von Rezipienten sowie die Einzahlungen aus einer Unterverwertung durch Lizenzerteilung. Im werbefinanzierten Fernsehen resultieren die den Rechten zurechenbaren Einzahlungen in erster Linie aus der Ausstrahlung von Werbung. Zurechenbar können beispielsweise die während der Sendung ausgestrahlten Werbekurzfilme sowie vor- und nachgelagerte Werbeblöcke sein. Darüber hinaus sind Synergieeffekte auf das umgebende Rahmenprogramm denkbar. Durch die Sportübertragungsrechte hervorgerufene gesteigerte Einschaltquoten für vor oder nach dessen Ausstrahlung gesendete Programmobjekte erhöhen die dem Bewertungsobjekt zuzurechnenden Einzahlungen aus der Werbung. Weitere zahlungswirksame Vorteile können durch verminderte Auszahlungen aufgrund der Reduzierung der Werbemaßnahmen für das Programmumfeld entstehen. Anzumerken bleibt, daß die Einzahlungen aus den Rundfunkgebühren zwar nicht einzelnen Rechten zuzurechnen sind, aber grundsätzlich das Entscheidungsfeld des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beeinflussen. Auszahlungen können sich z. B. aus der technischen Abwicklung einer Sportübertragung ergeben. Treten beim Erwerb von Sportübertragungsrechten Eingliederungseffekte auf, sind diese bei der Ermittlung des Zukunftserfolgs zu beachten. Der bewertungsrelevante Vorteilsstrom ergibt sich somit gemäß dem Verbundberücksichtigungsprinzip aus der Differenz der zu verzeichnenden Erfolge des Rundfunkveranstalters mit und ohne den zu bewertenden Sportübertragungsrechten. Abgesehen von den schon beschriebenen Effekten auf das Rahmenprogramm ist beispielsweise ein erhöhter Erfolg der Übertragung aufgrund der beim Sender beschäftigten und hinsichtlich der entsprechenden Sportart renommierten Sportreporter denkbar. Da die jeweiligen Verbundeffekte durch die Synthese von Rundfunkveranstalter und Sportübertragungsrechten generiert werden, spiegelt das Verbundberücksichtigungsprinzip sowohl das Prinzip der Gesamtbewertung als auch das Prinzip der Subjektivität wider.
Aufgabe 7 a) Basierend auf dem Grundkonzept des Entscheidungswertes nach MATSCHKE formuliert HERING zur Bewertung von Zahlungsströmen mit dem allgemeinen Zustands-Grenzpreismodell ein Totalmodell. Dabei werden Basis- und Bewertungsprogramm auf der Grundlage der mehrperiodigen, simultanen Planungsansätze von WEINGARTNER und HAX bestimmt. Als erster Schritt wird als Basisprogramm das Investitions- und Finanzierungsprogramm ermittelt, welches den Zielfunktionsbeitrag maximiert, ohne daß es zu einer Änderung der Eigentumsverhältnisse kommt. Im zweiten Schritt wird (im Falle der Kaufsituation) das Bewertungsobjekt in das Investitionsprogramm des präsumtiven Käufers aufgenommen. Hierbei erfolgt die Berechnung des maximal zahlbaren Kaufjpreises als Entscheidungswert des präsumtiven Käufers, bei dem der Zielfunktionsbeitrag des Basisprogramms mindestens wieder
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Bewertung von Sportübertragungsrechten
zu erreichen ist. Ergebnis dieses Schritts ist das Bewertungsprogramm, welches zwingend das Bewertungsobjekt enthält. Die deterministische Variante dieses Modells ermöglicht als „Zeitpunkt-Grenzpreismodell" die Bewertung (quasi-)sicherer Zahlungsströme. Werden verallgemeinernd die Zeitpunkte als Zustände interpretiert, geht das ursprüngliche Modell in ein strukturgleiches allgemeines Zustands-Grenzpreismodell über, das sich zur Bewertung unsicherer Zahlungsströme eignet. HERING greift somit in seinem Modell den aus der Finanzierungstheorie stammenden Gedanken zustandsabhängiger Zahlungsströme auf. b) Im Partialmodell fungieren als Rechengrößen nicht die Ausschüttungen an die Eigner, sondern einzelne Zahlungsreihen. Das Dualitätstheorem der linearen Optimierung ermöglicht es, daß durch das Bewertungsobjekt induzierte Zahlungsströme in Unternehmungen dezentral beurteilt werden können und gleichzeitig die für die Eigner getroffene Zielsetzung verfolgt wird. Bei Verwendung der investitionstheoretisch korrekten Steuerungszinsfuße in Partialmodellen bleiben die Interessen der Eigner oder Gebührenzahler gewahrt. Während der Terminus des Entscheidungswertes den Zweck des Bewertungskalküls hervorhebt, stellt der Zukunftserfolgswert begrifflich auf die spezielle Wertermittlungsmethode ab. Im Unterschied zum Totalmodell, in dem der Nutzen des Basisprogramms mit dem des Bewertungsprogramms verglichen wird, erfolgt beim Zukunftserfolgswertverfahren eine Gegenüberstellung des Bewertungsobjekts mit dem vorteilhaftesten Alternativinvestitionsprogramm. Der Zukunftserfolgswert als Variante des Gegenwartswertkalküls entspricht dem Barwert der mit den Kalkulationszinsfüßen abgezinsten künftigen Erfolge des Bewertungsobjekts im Sinne von Einzahlungsüberschüssen. Die Kalkulationszinsfüße dienen als Vergleichsmaßstab und resultieren aus der besten alternativen Kapitalverwendungsmöglichkeit des Entscheidungssubjekts. Im Totalmodell ergibt sich diese Opportunität aus dem Basisprogramm. Als Kalkulationszinsfüße auf dem unvollkommenen Kapitalmarkt kommen somit für das Zukunftserfolgswertverfahren die als theoretisch richtigen Lenkpreise zu interpretierenden endogenen Grenzzinsfüße des Totalmodells zur Berechnung des Zukunftserfolgswertes in Betracht. Die Kalkulationszinsfüße werden auf dem unvollkommenen Kapitalmarkt durch das Entscheidungsfeld und durch die individuellen Konsumpräferenzen der Bewertungssubjekte determiniert.
Aufgabe 8 a) Auf unvollkommenen Märkten bedeutet Sicherheit, daß das Entscheidungssubjekt auf die Berücksichtigung mehrwertiger Erwartungen verzichtet und nur mit einer bestimmten Datenkonstellation rechnet. Diese Quasi-Sicherheit ist auf dem unvollkommenen Kapitalmarkt von den individuellen Erwartungen des Bewertungssubjekts geprägt und wird deshalb als subjektiv definiert. Für das Bewertungssubjekt ist das Entscheidungsfeld geschlossen. Es geht in einer u. U. unsicheren Umwelt davon aus, alle Handlungsalternativen mit deren Zahlungskonsequenzen sowie beispielsweise die für die Verwertung der Sportübertragungsrechte erforderliche Sendezeit vorauszusehen. Irrtümer sind nicht ausgeschlossen. In Ermangelung vollkommener Voraussicht des Entscheidungssubjekts wird bei (subjektiver) Sicherheit i. d. R. ein endlicher Planungshorizont t = n festgesetzt. b) Die Eigner von Vision-TV streben einen uniformen Einkommensstrom an, der in jeder Periode die Entnahme EN vorsieht. Um das Einkommen EN auch außerhalb des Planungszeitraums zu erhalten, soll die letzte Ausschüttung w n • EN zusätzlich zur normalen Aus-
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Bewertung von Sportübertragungsrechten
schüttung EN den Barwert einer ewigen Rente enthalten. Unter Anwendung der kaufmännischen Kapitalisierungsformel ergibt sich bei einem pauschal geschätzten Kalkulationszinsfuß in Höhe von i = 5% p. a.: w n • EN = EN +
EN i
1 1 =>wn=l + - = l + = 21 " i 0,05
m
K }
In der nachfolgenden Tabelle sind die Daten der Situation zusammengefaßt. Um vertikale Interdependenzen zwischen dem gewählten Planungszeitraum und den Perioden jenseits des Planungshorizonts nicht zu zerschneiden, ist der ewige Zahlungsüberschuß aus der Innenfinanzierung ebenfalls über den Faktor 21 im Zeitpunkt t = 4 zu berücksichtigen. Die nach dem Zeitpunkt t > n = 4 aus der Innenfinanzierung zu erwartenden Zahlungsüberschüsse sind somit auch mit Hilfe des pauschal geschätzten Kalkulationszinsfußes von i = 5% p. a. erfaßt. t
TFP
GA 0
0 1 2 3 4 Grenze
- 100 30 40 50 55 1
Tabelle 1:
...
KA 0
EM
IF
ÜR
-1 1,05
100
usw.
1 -1,1
usw.
00
00
00
00
30 30 30 30 630 1
P? 60 40 20 30 1
1
Die Daten des Beispiels
c) Aus den Daten des Beispiels ergibt sich der folgende lineare Optimierungsansatz: max. Entn; Entn := EN
(2)
100 TFP + 1 G A 0 - 1 • KA 0 +1 • EN