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German Pages 1547 [496] Year 2009
Medienlandschaft Saar
Medienlandschaft Saar von 1945 bis in die Gegenwart Herausgegeben von Clemens Zimmermann, Rainer Hudemann und Michael Kuderna unter Mitarbeit von Susanne Dengel, Bernard Bernarding und Norbert Klein Band 1 Medien zwischen Demokratisierung und Kontrolle (1945-1955) Band 2 Medienpolitik und mediale Strukturen (1955-2005) Band 3 Mediale Inhalte, Programme und Region (1955-2005)
R. Oldenbourg Verlag München 2010
Medien zwischen Demokratisierung und Kontrolle
(1945-1955)
Herausgegeben von Rainer Hudemann
R. Oldenbourg Verlag München 2010
Bibliografische
Information
der Deutseben
Nationalbibliothek
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Umschlaggestaltung: Thomas Rein, München Umschlagbilder: O b e n : Johannes Hoffmann und Gilbert Grandval Januar 1955 © Landesarchiv Saarland/ Presse-Foto-Actuelle Mitte: Die Saarbrücker Zeitung und ihre Leser 1971 © Saarbrücker Zeitung/Ottmar Lambach Unten: Marie-Elisabeth Denzer, Moderatorin des „Aktuellen Berichts" 2005 © Saarländischer Rundfunk/Reiner Oettinger Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht) Satz: Typodata G m b H , München D r u c k : Memminger MedienCentrum, Memmingen Bindung: Buchbinderei Klotz, Jettingen-Scheppach I S B N 978-3-486-59170-5
Inhalt Clemens Zimmermann/Rainer
Hudemann/Michael
Kuderna
Einführung in das Gesamtprojekt Rainer
1
Hudemann
Einführung in den Band 1
19
Medienpolitik im Zeichen von Demokratisierung, Kontrolle und Teilautonomie Andreas
Merl
Tagespresse im Saargebiet 1918-1945 Natalie
37
Pohl
Demokratisierung im inneren Widerspruch. Französische und saarländische Printmedienpolitik 1945-1955 Judith
61
Hiiser
Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten. Eine medienpolitische Kirchengeschichte der Saarautonomie 1945-1959
101
Rundfunk und Fernsehen Paul
Burgard
Die Saarlandmacher. Der Aufbau des Saarländischen Rundfunks und die Autonomie des Landes 1946-1955 Charles
Scheel
Musik als Anker politischer und medialer Attraktivität. Umfang und Grenzen der französischen Impulse in der musikalischen Programmgestaltung des Rundfunks an der Saar 1945-1957 Anette
129
193
Kührmeyer
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955
217
VI
Inhalt
Andreas Fickers Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland. Die Geschichte der Saarländischen Fernseh AG (Tele-Saar und Europe No. 1)
241
Zeitungslandschaft Natalie Pohl Die Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955 Alexander
311
König
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung 1947-1955. Eine qualitativ-quantitative Analyse von Inhalten und Sparten
345
Ines Heisig Parteipresse und Presselandschaft in der Autonomiezeit 1945-1955 . . .
373
Bernd Reichelt Die saarländische Sportpresse im Spannungsfeld von Politik, Identität und Selbstbehauptung 1945-1960
409
Susanne Dengel Ja oder Nein? Die saarländischen Zeitungen im Abstimmungskampf 1955 Rainer
431
Hudemann
Resümee
451
Abkürzungs Verzeichnis
459
Abbildungsnachweis
463
Personen- und Medienregister
465
Detailliertes Inhaltsverzeichnis
477
Übersicht über das Gesamtwerk
483
Clemens Zimmermann/Rainer
Hudemann/Michael
Kuderna
Einführung in das Gesamtprojekt Wer ein ebenso umfang- wie facettenreiches Werk über die „Medienlandschaft Saar" seit 1945 vorlegt, steht unter Begründungszwang: Immerhin assoziiert diese Metapher die Existenz einer gewissen Vielfalt und gleichzeitig Unterscheidbarkeit. Tatsächlich ist sie gerade in historischer Perspektive für das Saarland treffend. Sicher - die großen Linien der medialen Nachkriegsentwicklung finden sich auch hier, etwa im Bereich der Printpresse die zunächst weitgehend parteigebundene, in einer späteren Phase stärker kommerziell konturierte Mannigfaltigkeit und die sich hier schon Anfang der 1970er Jahre durchsetzenden Konzentrationsprozesse 1 ; ähnliches gilt für die Entwicklung des dualen Rundfunksystems. 2 D o c h schon bei einem flüchtigen Hinsehen offenbaren sich spezifische Ausprägungen und Abweichungen. Eine traditionsreiche Zeitung, die zu einem großen Medienkonzern gehört, aber sich teilweise im Besitz ihrer Mitarbeiter befindet und über ein Stiftungsmodell politische Bildungsarbeit finanziert, die jahrelange Quersubventionierung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt durch einen privaten französischen Sender und die spätere Beteiligung an der privaten H ö r funk-Konkurrenz, Innovationen im Programm (zum Beispiel Magazinsendungen oder N e w s r o o m beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk) und in der Blattbindung durch Publikumsbeteiligung (zum Beispiel „Leserreporter") auf diese Besonderheiten wird in den Beiträgen dieses Werks ebenso eingegangen wie auf allgemeine Tendenzen etwa in der Veränderung von Berufsbildern. Die generelle Bereitschaft im Saarland, auch unkonventionelle Wege zu gehen, hängt auch mit notorisch knappen Kassen zusammen. Wenn in einem Beitrag in diesem Werk auf ein Zitat des CDU-Ministerpräsidenten FranzJosef Röder aus den 1960er Jahren Bezug genommen wird, wonach der U n terschied zu reichen Ländern darin bestehe, „dass die armen sich etwas ein-
1 Vgl. Hans Walter Hermann, Die saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte II. 50 Jahre Saarländischer Journalistenverband 19471997, Saarbrücken 1997; vgl. zur bundesdeutschen Entwicklung: Walter J . Schütz, Entwicklung der Tagespresse, in: Jürgen Wilke, Hg., Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland, B o n n 1999, S. 109-134, hier S. 114-116.
Vgl. Rüdiger Steinmetz, Initiativen und Durchsetzung privat-kommerziellen Rundfunks, in: Wilke, Mediengeschichte, S. 167-191; Martin Eifert/Wolfgang H o f f m a n n - R i e m , Die Entstehung und Ausgestaltung des dualen Rundfunksystems, in: Dietrich Schwarzkopf, Hg., Rundfunkpolitik in Deutschland. Wettbewerb und Öffentlichkeit, Bd. 1, München 1999, S. 5 0 - 1 1 6 . 2
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Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna
fallen lassen müssen" 3 , mag man auch an den Satz aus der ersten Regierungserklärung von Oskar Lafontaine nach dem SPD-Wahlsieg 1985 erinnern: „Wenn wir schon kein Geld haben, brauchen wir wenigstens gute Ideen." 4 Ein gewisser Laborcharakter wird dem Saarland auch von außerhalb schon lange zugeschrieben. Nicht ohne Grund nutzen es Unternehmen vor der Einführung neuer Produkte oder Marken gerne als Testgebiet: ein politisch abgegrenzter Raum mit ungefähr einer Million Einwohnern, denen zumindest von Medien und Politik eine sich von der übrigen Bundesrepublik, dem an der Saar immer noch gerne so genannten „Reich", deutlich differierende Identität zugeschrieben wird. Die politische Sonderentwicklung dieses Grenzlandes, das erst .verspätet' zur Bundesrepublik gestoßen ist, eröffnete Freiräume für Experimente; die Akteure im Saarland als vergleichsweise kleinem Gebilde mit eigener Gesetzgebung suchten und nutzten immer wieder Wege, kreativ Handlungsspielräume auszunutzen. Wenn in kleinen Einheiten wie dem Saarland schon aus purem Uberlebenswillen schnelle Innovationszyklen gefordert sind, gilt dies besonders für eine Branche wie die der Medien, die selbst zu einem guten Teil Marktgesetzen unterworfen ist und zugleich Entwicklungen gesellschaftlich reflektieren und vorantreiben sollte. Ingesamt scheint es aber nicht abwegig, dass man bei einer medienhistorischen Untersuchung über den regionalen Raum hinaus allgemeine Erkenntnisse gewinnen kann. Die Medien selbst konnten schon in der Zeit der von Paris kontrollierten politischen Autonomie und gleichzeitiger französischer Wirtschaftshegemonie Erfahrungen mit einem Spagat zwischen Anpassung und Kreativität sammeln. Diese Janusköpfigkeit scheint der saarländischen Medienszene ein Stück weit erhalten geblieben zu sein. Fand der Spott des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel", an der Saar seien Deutschlands Journalisten am lahmsten und am zahmsten, vor gut 30 Jahren sogar Eingang in die literarische Selbstreflexion des ebenso bekannten Schriftstellers wie bekennenden Saarländers Ludwig Harig 5 , zeigten sich Journalisten, Medien und Politiker in vielen Fällen, denen in diesem Werk nachgegangen wird, alles andere als konfliktscheu. Ob Zulassung des ersten privaten Fernsehens in Europa, selbstbewusste Interessenvertretung des „Saarländischen Rundfunks" (SR) in der ARD oder Irrungen und Wirrungen im Streit um Pressegesetze - an medienpolitischem Kampfgetümmel mangelte es im Saarland nicht. Anonymus, Rundfunk. Saar-Sender. Welle ohne Parallele, in: Der Spiegel, 2 0 . 1 0 . 1 9 6 9 Nr. 43, S. 117. Oskar Lafontaine, Regierungserklärung des saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine am 2 4 . 4 . 1 9 8 5 , Saarbrücken 1985, S.27. 5 Ludwig Harig, Die saarländische Freude. Einleitung für eine zukünftige Erziehungslehre, in: ders., Die saarländische Freude. Ein Lesebuch über die gute A r t zu leben und zu denken, München 1979, S. 40^49, hier S.40. 3 4
Einführung in das Gesamtprojekt
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Auch inhaltlich lohnt sich der Blick auf und in die Medien an der Saar. Weltweit wird eine sich verschärfende Krise des traditionellen Qualitätsjournalismus thematisiert 6 , sinkende Auflagen- und Hörerzahlen scheinen einen fundamentalen Wandel anzukündigen, die Jugend droht zu den neuen Medien abzuwandern, Zeitungen tauchen immer häufiger als Gegenstand musealer Bemühungen auf.7 Mancher Beobachter sieht die Online-Welt als künftige Informationsquelle politischer Öffentlichkeit, doch vorläufig ist dies nicht mehr als ein uneingelöstes Versprechen. 8 Das Saarland erscheint angesichts dieses Szenarios wie ein Medien-Biotop. Offensichtlich profitiert man hier von der anderen Seite der Globalisierung, lässt sich hier konkret fassen, was häufig als Glokalisierung 9 beschrieben wurde. Viele Menschen entdeckten den Nah-Raum wieder, klammerten sich an die Region - und sei dies auch noch so sehr ein Konstrukt - als Gegengewicht; die Renaissance des Heimat-Begriffs in den letzten Jahren und die immer noch recht hohe Akzeptanz der beiden großen saarländischen Medien (SR und „Saarbrücker Zeitung") scheinen dieses zu bestätigen. Regionalisierung als - zumindest relatives - Erfolgsrezept: Die Untersuchungen der Programm- und Zeitungsinhalte in diesem Werk stützen die These. Gibt es aber darüber hinaus noch weitere, spezifische Ursachen für die besondere Medienkonstellation? Wurde hier vielleicht manches pragmatischer angepackt als anderswo? Gibt es andererseits auch Versäumnisse, die sich noch rächen könnten? Wie wirkt sich die informationelle Dominanz eines Senders bzw. einer Zeitung auf die Inhalte aus, ist .Einfalt' wirklich der unvermeidbare Gegensatz zur Vielfalt, wie Kritiker der gegenwärtigen Situation es sehen? Greift man den letzten Punkt auf, ergeben sich aus der Lektüre der folgenden Beiträge einige Antworten. Die Saarbrücker Zeitung ist nicht nur in ihrer Eigentümerstruktur ein bundesweiter Sonderfall, sondern sie verfügt auch über ein Redaktionsstatut. Die jahrelange aktive Mitarbeit im Deutschen Presserat 10 setzt einem möglichen Missbrauch der Mono-
6 Vgl. Hans-Jürgen B u c h e r / K l a u s - D i e t e r Altmeppen, Hg., Qualität im Journalismus. Grundlagen - Dimensionen - Praxismodelle, Wiesbaden 2003. 7 Vgl. Stephan Weichert/Leif Kramp, Zeitungskrise. Hilfe muss von oben k o m m e n , in: Rheinischer Merkur, 1 9 . 2 . 2 0 0 9 Nr. 8, S . 3 0 .
Vgl. Stephan Weichert/Leif K r a m p / H a n s - J ü r g e n J a k o b s , Hg., Wozu noch Zeitungen? Wie das Internet die Presse revolutioniert, Göttingen 2009. 8
Vgl. Roland R o b e r t s o n , Glokalisierung. Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit in: Ulrich B e c k , Hg., Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt a. M. 1998, S. 192-220. 1 0 So vertritt die Redakteurin der Saarbrücker Zeitung llka Desgranges seit 1995 den Deutschen Journalisten-Verband im Presserat und nahm 2 0 0 4 / 2 0 0 5 die Sprecher-Funktion wahr. Im Gegensatz zu einigen anderen Zeitungen druckt die Saarbrücker Zeitung auch Rügen ihrer eigenen B e richterstattung ab, so zum Beispiel: A n o n y m u s , Presserat missbilligt S Z - F o t o von Flugblatt gegen Daniel Kempf, in: Saarbrücker Zeitung, 6 . 4 . 2 0 0 9 Nr. 81, S . C 1 . 9
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polstellung ebenso Schranken wie die wirtschaftliche Notwendigkeit, ein möglichst breites Publikum als Abonnenten zu gewinnen. Die ,wilden Jahre' scheinen vorbei: Bis 1985 - übrigens ein Jahr, in dem eine kostenlose Sonntagszeitung geplant wurde und die Saarbrücker Zeitung ein ebenso kostenfreies „Saar-Extra" für Nicht-Abonnenten testete - gehörte die Geißelung der „bürgerlichen" Saarbrücker Zeitung auf Parteitagen der SPD noch zu den Mobilisierungsinstrumenten und es wurden Gegenprojekte geschmiedet, um dem Monopolblatt etwas entgegen zu setzen. 11 Doch nach der erstmaligen sozialdemokratischen Regierungsübernahme schliffen sich auch diese Konfrontationslinien von beiden Seiten allmählich ab. 12 Beim SR wiederum sorgt schon die Wellenstruktur für ein gewisses Maß an Binnenpluralität. Zudem hat sich im Hörfunk mit „Radio Salü" ein privater Mitbewerber etabliert, andere Anbieter blieben aber vor allem im journalistischen Anspruch marginal. An die Uberlebenssorgen privater Fernsehsender scheint man sich gewöhnt zu haben. Sieht man vom Markteintritt einer eigenen Regionalausgabe der „Bild-Zeitung" im April 2005 ab, hinterlässt so die Medienszene an der Saar in den letzten Jahren einen eher ruhigen Eindruck. Mit dem evangelischen „Sonntagsgruß" verschwand Ende 2006 die letzte Wochenzeitung mit gesellschaftspolitischem Anspruch, ohne dass es zu einem echten Aufschrei gekommen wäre. Andererseits gibt es im Zeitschriftensektor immer wieder Neugründungen - von kulturell ambitionierten Blättern bis hin zu LifestyleMagazinen. 13 Zudem verfügt das Saarland bei den Anzeigenblättern mit dem „Wochenspiegel" über ein Produkt, das sich - wenn auch in bescheidenem Rahmen - redaktionelle und landespolitische Beiträge leistet. So bietet sich dem Medien-Beobachter im Saarland trotz einer über die Jahrzehnte eingetretenen umfänglichen „Marktbereinigung" immer noch "
Vgl. Klaus Brill, Eine gewisse Einseitigkeit, in: Süddeutsche Zeitung, 2 7 . 2 . 1 9 8 5 N r . 4 9 , S . 9 . Diese Entwicklung lässt sich beispielsweise an einem Beitrag des Chefredakteurs Rudolph Bernhard aus dem J a h r 1991 und einem fünf Jahre später erschienenen Bericht über eine Diskussionsveranstaltung nachvollziehen, in der der SPD-Medienpolitiker Reinhard Klimmt einer zweiten Tageszeitung an der Saar keine wirtschaftliche C h a n c e eingeräumt habe. Rudolph Bernhard, I m m e r Arger mit der Monopolzeitung?, in: Saarbrücker Zeitung, 2 9 . / 3 0 . 6 . 1 9 9 1 Nr. 148, S . 4 ; U d o Rau, Werbegelder setzen Vielfalt Grenzen, in: Saarbrücker Zeitung, 1 3 . 1 1 . 1 9 9 6 Nr. 2 6 4 , S.2. 12
1 3 Eine Umfrage der I H K Saarland im N o v e m b e r 1996 wies immerhin 4 4 im Land periodisch erschienene Publikationen aus, von der Tageszeitung über Monatsschriften, Anzeigenblätter und Verbandszeitungen bis hin zu einem englischsprachigen internationalem Tanzmagazin. Medien im Saarland, in: Saarwirtschaft 1996, Jahresbericht der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes, Saarbrücken 1997, S. 3 3 - 4 4 . 1952 konnten noch 108 Titel nachgewiesen werden: Klaus Altmeyer, Tempi passati. Das Presse-Spektrum des Saarlandes im J a h r e 1952. Eine medienstrukturell interessante Reminiszenz, in: Saarländischer Journalisten-Verband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1 9 4 7 - 1 9 7 2 . Eine D o k u m e n t a t i o n , Saarbrücken 1972. Aus dem J a h r 1970 liegt eine hektographierte Ubersicht vor: Saarland, D e r Chef der Staatskanzlei, Pressereferat, Hg., Presse - Rundfunk - Fernsehen im Saarland, Saarbrücken 1970, Archiv der Landespresskonferenz, O r d n e r Historie.
Einführung in das Gesamtprojekt
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um eine weitere Metapher zu bemühen - ein Kaleidoskop dar, das es genauer zu betrachten lohnt. Gerade die derzeit relativ ruhige Situation scheint besonders günstig, um Genese, Struktur und Gehalt zu analysieren und einen Rückblick auf die zeitweise turbulenten Entwicklungen seit 1945 zu wagen. D e r Vielseitigkeit des Untersuchungsgegenstandes entspricht die Art der Herangehensweise. Die Lehrstuhlinhaber der federführenden Kultur- und Mediengeschichte sowie der Neueren und Neuesten Geschichte an der Universität des Saarlandes bildeten zusammen mit dem Vorsitzenden der Landespressekonferenz, die aus Anlass ihres 50-jährigen Bestehens im Jahr 2006 den Anstoß zu dem Projekt gegeben hatte, das Herausgeberteam. Im Verbund von erfahrenen und jungen Wissenschaftlern und in Rückkoppelung mit Praktikern aus dem Journalismus (hier sind vor allem der Ferseh-Chefredakteur des SR, N o r b e r t Klein, und der stellvertretende Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, Bernard Bernarding, zu nennen) wurde dann eine breite Palette von Themen bearbeitet. Dabei wurde bewusst - jeweils in Abhängigkeit von dem Untersuchungsgegenstand und der Fragestellung - eine Methodenvielfalt angestrebt, die sich auch in den unterschiedlichen Zugängen spiegelt: Während für die unmittelbare Nachkriegs- und die Autonomiezeit (Band 1) die politische Landesgeschichte zugleich als Hintergrund und Gegenstand dominiert, kommt im weiteren zeitlichen Verlauf (Bände 2 und 3) zunehmend ein medienwissenschaftliches und -historisches Instrumentarium zur Anwendung. Die Beiträge decken ein breites Spektrum der „Medienlandschaft Saar" seit 1945 in historischer Perspektive ab. Damit liegt erstmals eine mediengeschichtliche, wissenschaftlich abgesicherte und landesgeschichtlich unterlegte Gesamtdarstellung für ein Bundesland vor. Sie wird visuell unterstützt durch viele vor allem von Susanne Dengel aufgespürte Bilder. Dennoch erhebt das Werk keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auswahl und Perspektivierung ergaben sich aus dem Stand der historischen und der medienwissenschaftlichen Forschung sowie äußeren Rahmenbedingungen. Sowohl thematisch als auch im Detail verbleiben genügend Desiderate für weitere Studien. Im Zweifelsfall wurde dem Exemplarischen Vorzug eingeräumt. Dadurch war es nicht nur möglich, manches bisher Unbekannte quellenmäßig zu erschließen und zu dokumentieren, sondern auch Erkenntnisse zu gewinnen, die über saarlandspezifische Bezüge hinaus gehen und die medienhistorische Forschung in der Bundesrepublik befruchten könnten.
„Wiederaufbau eines Pressekerns; ... nach Möglichkeit Aufbau einer großen Zeitung nach dem Vorbild der .Frankfurter Zeitung', die aufgrund ihrer Haltung über die
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Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna
Grenzen unserer Zone hinaus wirken und zu einem Mittel des französischen Einflusses in Deutschland werden kann; Wiederaufbau eines Rundfunksenders." Das gehörte zu den Anordnungen in der geheimen ersten „Direktive für unser Handeln in Deutschland", welche General de Gaulle als Chef der Provisorischen Regierung der Französischen Republik am 25.Juli 1945 an den Oberkommandierenden der französischen Besatzungszone in Deutschland gab. 14 In einer Zeit, als die Ausarbeitung der deutschlandpolitischen Ziele der französischen Regierung noch im Fluss war, erhielt die Medienpolitik auf der Spitzenebene in Paris kurz nach Kriegsende bereits einen Rang unter den höchsten politischen Prioritäten. Mit dem Vorbild der „Frankfurter Zeitung" legte der Führer der französischen Résistance der Kriegsjahre die qualitative Messlatte für die Medienpolitik zudem von vornherein sehr hoch. Und er schrieb in aller Eindeutigkeit die Ablehnung einer Propagandapresse fest. Aber: Frankreich war Besatzungsmacht. Und daraus ergab sich ein kompliziertes Geflecht, 15 das große Wiederaufbauleistungen und harte Konflikte gleichermaßen zur Folge hatte: Die Pariser Regierung suchte Frankreichs Großmachtposition in der Welt zu wahren, hatte jedoch nach dem Fehlschlag der Ordnung von Versailles und der traditionellen militärischen und ökonomischen Sicherheitspolitik erkannt, dass neue Instrumente dafür erforderlich waren. Damit wurde eine Demokratisierung Deutschlands als Garantie der Sicherheit Frankreichs seit dem Sommer 1945 zu einem neuen Schlüssel der Pariser Deutschland- und Besatzungspolitik. Die gleichen Wurzeln führten über das Ziel einer Einbindung (West-)Deutschlands in die europäische Integration zur initiativreichen französischen Europapolitik seit dem Zweiten Weltkrieg. 16 Sie wurde seit den frühen 1950er Jahren auch ein maßgeblicher Faktor in der Medienlandschaft an der Saar. Ökonomisch war Frankreich gleichfalls auf eine europäische Vernetzung und auf die deutschen Ressourcen für den eigenen Wiederaufbau angewiesen. Nutzung deutscher Ressourcen erforderte aber zunächst Wiederaufbau der
14 Rainer Hudemann, [Dokumentation:] Directives pour notre action en Allemagne (20.7.1945), in: Henri Ménudier, Hg., L'Allemagne occupée 1945-1949, Paris 1989, S . 2 2 1 - 2 4 2 . Deutsche Teilübersetzung in: Rainer Hudemann/Armin Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann u. Marcus Hahn, Hg., Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Mit einer C D - R o m zum Abstimmungskampf von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007, S. 224-226, hier S.225. 15 A m differenziertesten hierzu: Dietmar Hüser, Frankreichs „doppelte Deutschlandpolitik". D y namik aus der Defensive - Planen, Entscheiden, Umsetzen in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen, innen- und außenpolitischen Krisenzeiten 1944-1950, Berlin 1996. 16 Zusammenfassend: Rainer Hudemann, Erfahrungen - Verhaltensweisen - Vernetzungen. Zu Faktoren der Entstehung des deutsch-französischen „Motors" in der Europäischen Integration, in: Hélène Miard-Delacroix/Anne-Marie Saint-Gille, Hg., Penser et construire l'Europe: De la paix éternelle à la sécurité collective, Etudes germaniques H. 2/2009, S. 399^112.
E i n f ü h r u n g in das G e s a m t p r o j e k t
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deutschen Produktionsmittel. Zur praktischen Umsetzung der Demokratisierungspolitik gehörte seit dem Sommer 1945 eine mit großem Mitteleinsatz eingeleitete, bereits 1946 weitgehend umgesetzte aktive Kultur- und Sozialpolitik, welche die praktische Relevanz der konzeptionellen Zielsetzungen sofort deutlich machte. 17 Die Saar erhielt rasch einen gesonderten, wenngleich höchst unklaren Status. Im ökonomischen Bereich wurde er durch den Wirtschaftsanschluss 1947/48 geklärt. Politisch blieb er ambivalent. Mit dem Ziel, die Bevölkerung langfristig für Frankreich zu gewinnen, setzte die Besatzungsmacht im Kulturbereich zusätzlich eine besondere Vielfalt deutsch-französischer Vernetzungen in Gang. 18 Die Erfahrung mit drei deutsch-französischen Kriegen in weniger als drei Generationen und die zuvor ungekannte Wucht nationalsozialistischen Vernichtungspotentials hielten in den französischen Führungspositionen zugleich ein tiefes Misstrauen gegenüber den demokratischen Fähigkeiten „der" Deutschen wach und ließen die oft noch in den Stereotypen des 19. Jahrhunderts gründende Furcht vor einem weiterlebenden oder neuen deutschen Nationalismus höchst wirkungsvoll bleiben. 19 Die Kontrolle jeglicher Aktivitäten erschien, wie bei den anderen Alliierten, daher unverzichtbar. Alle diese Faktoren führten also in eine Fülle von Widersprüchen in der praktischen Umsetzung, zumal die Konzepte im Einzelnen vielfältig waren und sich erst allmählich präzisierten. Der Aufbau der Medienlandschaft erhielt in diesem Bedingungsgeflecht rasch einen hohen Stellenwert. Zugleich schien, angesichts der allen Alliierten noch präsenten Propagandafunktion des Mediensystems, gerade hier die Notwendigkeit einer besonders genauen Kontrolle evident. Die Konflikte waren damit programmiert. Die allgemeine Forschung zur Nachkriegszeit hat die Tendenz, zwei Schnitte zu machen: mit Kriegsende 1945 und mit der Gründung der Bundesrepublik und der D D R 1949. Diese politischen Zäsuren sind selbstverständlich wichtig. Aber zum einen können viele grundlegende Zusammenhänge ohne eine am Wirtschaftsordnungszyklus von der Wirtschaftskrise 1929/32 bis zur Währungs- und Wirtschaftsordnungsreform 1948/49 orien17 Siehe insbesondere C o r i n e Defrance, La politique culturelle de la France sur la rive gauche du Rhin 1945-1955, Straßburg 1994; Martin Schieder, Im Blick des Anderen. Die d e u t s c h - f r a n z ö sischen Kunstbeziehungen 1945-1959, Berlin 2005; Rainer H u d e m a n n , Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und N e u o r d n u n g 1945-1953. Sozialversicherung u n d Kriegsopferversorgung im R a h m e n französischer Besatzungspolitik, Mainz 1988. 18 Heinrich Küppers, Bildungspolitik im Saarland 1945-1955, Saarbrücken 1984; H a n s - C h r i s t i a n H e r r m a n n , Sozialer Besitzstand u n d gescheiterte Sozialpartnerschaft. Sozialpolitik und G e w e r k schaften im Saarland 1945 bis 1955, Saarbrücken 1996. 19 Hélène Miard-Delacroix, Q u e s t i o n nationale et nationalisme. Perceptions françaises d ' u n e p r o blématique allemande au d é b u t des années cinquante, Villeneuve d'Ascq 2004.
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Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna
tierte Analyse nicht erfasst werden; das gilt beispielsweise für die Vernetzung von Wirtschafts- und Finanzgeschichte mit der sozialen Lage, ohne welche wiederum weder die mentalen Strukturen und politischen Reaktionen in der Nachkriegszeit noch die langfristigen Erinnerungsmuster, wie sie sich auch in der Diskussion um die Saar-Medien niederschlagen, verständlich sind. Wenn zum anderen eine Zäsur 1949 zur Ausblendung der prägenden Aufbaujahre vor Gründung der Bundesrepublik führt, läuft eine strukturgeschichtlich orientierte Analyse der langfristigen bundesdeutschen Nachkriegsentwicklung gleichfalls Gefahr, aufgrund eines solchen Zirkelschlusses in Fehlinterpretationen zu geraten. Das gilt für die Mediengeschichte, die sich in vieler Hinsicht nur sehr bedingt an politischen Zäsuren orientiert. Es gilt in besonderem Maße für das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland, in dem entscheidende Wandlungen seit 1945/46 angelegt waren und weder 1949 mit der Gründung der Bundesrepublik noch 1950 mit dem Schumanplan für die Montanunion noch gar erst 1963 mit dem ElyséeVertrag einsetzten. 20 Dies gilt erst recht für das Saarland, in dem die Wirtschaftsordnung sich mit der Wirtschafts- und Zollunion mit Frankreich bereits 1947/48 wandelte und das erst 1957/59 in die Bundesrepublik eingegliedert wurde. Auch für die Mediengeschichte stellt 1945 zwar im Hinblick auf die Propagandaziele des NS-Regimes einen evidenten Bruch dar, weit weniger jedoch in der technischen und innermedialen Entwicklung. 21 Für 1949 oder 1955/59 gilt der Bruch ohnehin allenfalls sehr bedingt. Die Forschung zur Mediengeschichte, auf die hier sowie in den Einzelbeiträgen noch genauer zurückzukommen ist, hat daher mit Recht die Nachkriegsjahre in der Regel in ihren größeren Zusammenhang gestellt. Das bedeutet für das Nachkriegsjahrzehnt aber auch, dass manch neuere mediengeschichtliche Fragestellungen für diese Epoche bislang weniger gut aufgearbeitet wurden als für spätere Jahre. Die Rundfunkforschung zur Nachkriegszeit widmete sich lange umfassend dem institutionellen Aufbau und den Wegen der Gesetzgebung. 22 Finanzierung und technische Entwicklung bildeten einen weiteren Schwerpunkt. 23 Im Zusammenhang mit der Programmgestaltung 24 galt dem Verhältnis von Journalismus und politischer Macht ein beZ u m Gesamtzusammenhang siehe demnächst die Bände 10 und 11 der vom Deutschen H i s t o rischen Institut Paris herausgegebenen Deutsch-Französischen Geschichte: C o r i n e D e f r a n c e / U l rich Pfeil, Deutschland und Frankreich 1 9 4 5 - 1 9 6 3 . Eine Nachkriegsgeschichte in Europa; Hélène Miard-Delacroix, I m Zeichen der europäischen Einigung: 1963 bis heute. 20
Vgl. Clemens Zimmermann, Medien im Nationalsozialismus. Deutschland 1 9 3 3 - 1 9 4 5 , Italien 1 9 2 2 - 1 9 4 3 , Spanien 1 9 3 6 - 1 9 5 1 , W i e n / K ö l n / W e i m a r 2007. 2 2 Vgl. den Klassiker: Hans Bausch, Hg., Rundfunk in Deutschland, M ü n c h e n 1980. 2 3 So bei: Heinz-Werner Stuiber, Medien in Deutschland, Bd. 2 Rundfunk, Konstanz 1998. 2 4 Sie bildet einen der Schwerpunkte u.a. bei: Konrad Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte. Eine Einführung, Konstanz 1999. 21
Einführung in das Gesamtprojekt
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sonderes Augenmerk. 2 5 Die sozialgeschichtliche Forschung thematisierte breit die gesellschaftlichen Kontexte von Rundfunk und Fernsehen 2 6 , die Kommunikationswissenschaft die Hörerforschung. 2 7 Für die frühe Nachkriegszeit ist aber beispielsweise die Erforschung politischer Medialisierung und ihrer Visualisierungs- und Stilisierungsprozesse und -Strategien 28 noch vergleichsweise wenig vorangeschritten. In der Presseforschung stand zunächst in ähnlicher Weise die organisatorische und politische Ebene im Vordergrund. 2 9 Im Saarland prägte die politische Konstellation im Zeitraum von 1945 bis 1955 die langfristige Strukturentwicklung auch in der Medienlandschaft besonders stark. Wenngleich in diesem Werk die im journalistischen und technischen Bereich durchlaufenden Entwicklungslinien im Vordergrund stehen, ist es daher sinnvoll, im 1. Band ein verstärktes Gewicht auf dieses Nachkriegsjahrzehnt zu legen, dessen Kontinuitäten im 2. und 3. Band ebenso ausgearbeitet werden wie die mediale Innovationsebene und neue strukturelle Entwicklungen. Weit stärker als in irgendeinem anderen alten Bundesland sind an der Saar die Konflikte der 1950er Jahre bis heute lebendig. Das spiegelt sich vereinzelt sogar noch in der jüngeren Forschung wider, obwohl die Lösung von zeitgenössischen Schemata in den letzten Jahrzehnten bereits weit vorangeschritten war und die mit ihnen zusammenhängenden methodischen Probleme umfassend aufgearbeitet wurden. 3 0 Grundlegend und nur scheinbar selbstverständlich ist eine breite, vergleichende Nutzung von Quellen unterschiedlicher Herkunft, um nicht unversehens zeitgenössische partielle Wahrnehmungen - etwa in der bundesdeutschen Saar-Politik - mit Resultaten wissenschaftlicher Analyse zu verwechseln; das geschah in den ersten Jahrzehnten der Forschung auch beispielsweise, wenn für die Untersuchung der französischen Politik amerikanische Akten zugrunde gelegt und Vorurteile der amerikanischen Administration dabei unversehens als eigene Ergebnisse
So bei: Wolfram Köhler, Hg., D e r N D R . Zwischen Programm und Politik, Hannover 1991; Daniela Münkel, Die Medienpolitik von Konrad Adenauer und Willy Brandt, in: Archiv für Sozialgeschichte (AfS) 41, 2001, S . 2 9 7 - 3 1 6 ; dies., Willy Brandt und die „Vierte G e w a l t " . Politik und Massenmedien in den 50er bis 70er Jahren, Frankfurt a. M . / N e w York 2005.
25
Vgl. Axel Schildt, H e g e m o n der häuslichen Freizeit: Rundfunk in den 50er Jahren, in: ders./Arnold Sywottek, Hg., Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, B o n n 1993, S. 4 5 8 - 4 7 6 . 26
27
Hansjörg Bessler, Hörer- und Zuschauerforschung, München 1980.
Bernd Weisbrod, Hg., D i e Politik der Öffentlichkeit - D i e Öffentlichkeit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik, Göttingen 2003.
28
Vgl. die Synthesen von Kurz K o s z y k , Pressepolitik für Deutsche 1945-1949, Berlin 1986; K o n rad Dussel, Deutsche Tagespresse im 19. und 20.Jahrhundert, Münster 2004. 29
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Siehe hierzu genauer die Einführung in Band 1 sowie H u d e m a n n / H e i n e n , Das Saarland.
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übernommen wurden. Solange Frankreich an der Saar die Macht hatte, ist zur Klärung der Herrschaftsstrukturen und der Details der Entscheidungsprozesse die Heranziehung sowohl deutscher wie französischer Quellen bereits aus methodischen Gründen unverzichtbar. Aufgrund der an der Saar ungewöhnlich umfangreichen Vernichtung von Quellenbeständen in staatlichen und nicht-staatlichen Behörden und Institutionen lässt sich vieles aber auch nur unter Heranziehung der Akten des damaligen französischen Hochkommissariates überhaupt rekonstruieren: Die französische Kontrollpolitik produzierte umfangreiches Material unterschiedlicher Herkunft. Für Band 1 dieses Werkes ist die langjährige Zusammenarbeit von Landtag des Saarlandes, Historischem Institut der Universität und französischem Außenministerium in der Erschließung der Quellenbestände, die allen Autoren zur Verfügung standen, daher unverzichtbar gewesen. In den Jahren bis etwa 1951 hatte die Politik einer engen Anlehnung an Frankreich einen breiten Rückhalt an der Saar.31 Der Rückhalt sank jedoch allmählich ab etwa 1951; auf die Gründe dafür ist in der Einleitung zu Band 1 zurückzukommen. Die kommenden Jahre waren innenpolitisch von vielfältigen Polarisierungsprozessen geprägt. So standen die Chancen für das unklare, Frankreich weiter eine starke Position einräumende Europa-Statut schlecht, über das die Saarländer am 23. Oktober 1955 abzustimmen hatten. In diesem Kontext waren die zwei Drittel Nein-Stimmen nicht erstaunlich der Weg zur Eingliederung der Bundesrepublik war politisch frei. Die Medien standen in diesen Auseinandersetzungen immer von neuem im Mittelpunkt. All dies führt zu den Fragen nach den spezifischen Zügen und stärker generalisierbaren Entwicklungen auf regionaler Medien-Ebene, welche in dem 1. Band dieses Werkes verfolgt werden, denn eine wichtige Perspektive ist hier, inwieweit die Entwicklung an der Saar trotz der Sonderverhältnisse den allgemeinen Entwicklungslinien der Medien nach dem Zweiten Weltkrieg folgte. Insbesondere soll gefragt werden: 1. Welches waren die Wiederaufbauleistungen im Einzelnen, welchen Anteil hatten französische und deutsche Stellen daran? Welche Kooperations- und welche Konfliktstrukturen ergaben sich, in welchem Verhältnis standen sie zueinander, welche Chancen ergaben sich für nationsübergreifende Strukturen aus der Vernetzung von Kontrolle und Wiederaufbau?
Vgl. Rainer Hudemann/Raymond Poidevin unter Mitarbeit von Annette Maas, Hg., Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte/La Sarre 1945-1955. U n problème de l'histoire européenne, München 1995; ders./Burkhard Jellonnek/Bernd Rauls, Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Deutschland und Frankreich 1 9 4 5 - 1 9 6 0 , St. Ingbert 1997; Ludwig Linsmayer, Hg., Die Geburt des Saarlandes. Zur Dramaturgie eines Sonderweges, Saarbrücken 2007. 31
Einführung in das Gesamtprojekt
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2. Wie stark prägten die Besatzungssituation und zusätzlich die spezifische, von den anderen deutschen Ländern abweichende Situation der Saar die Strukturen und die Inhalte der Medien, ihre Eigentumsverhältnisse, Finanzierung und Abhängigkeiten, wie also differenzierte sich die Medienlandschaft aus? 3. Welchen Einfluss erhielten gesellschaftliche Kräfte wie die Kirchen und wie verhielten sich private und öffentlich-rechtliche Medien zueinander, vor allem in der Entstehung nicht nur des ersten großen Privatsenders, sondern mit „Europe N o . 1" zugleich des ersten deutsch-französischen Senders? 4. Welchen Raum nahmen die in der bisherigen Forschung postulierten, angeblich französisch geprägten Inhalte in den Medien tatsächlich ein und wie sah der Demokratisierungsanspruch der französischen Seite und der saarländischen Regierung in der Praxis aus? 5. Welches waren die Freiräume der Journalisten im Hinblick auf ihre Berichterstattung und auf ihre professionelle Kreativität und Innovationskraft, wie stark wirkte im Gegenteil ihre Kontrolle? Wie gestalteten sich ihre Arbeitsbedingungen und welchen Stellenwert hatten die saarländisch-französischen Vernetzungen? In der saarländischen Medienlandschaft blieb das Bemühen um europäische oder doch zumindest grenzüberschreitende Bezüge als eines der E r b teile der Jahre der Teilautonomie langfristig prägend. Sicher: Es bedürfte einer eingehenderen Untersuchung, inwieweit der deklamatorische Anspruch jeweils eingelöst wurde und wird. Aber allein dieser ist so augenfällig wie in keiner anderen Grenzregion Deutschlands. 3 2 In allgemeinpolitischer Weise findet er auch in der saarländischen Verfassung eine Entsprechung. 3 3 Die Betonung der Brückenfunktion des Saarlandes politisch wie medial wurde zu einer Konstante fast aller Akteure, wobei sich der Schwerpunkt zunehmend I m Saarländischen Mediengesetz heißt es in § 15, 2: „... D i e Rundfunkprogramme sollen ... die interregionale Zusammenarbeit und die internationale Verständigung fördern . . . " ; Saarländisches Mediengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2 7 . 2 . 2 0 0 2 (Amtsblatt 2002, S. 4 9 8 - 5 0 0 ) , zuletzt geändert durch Gesetz Nr. 1616 vom 2 5 . 4 . 2 0 0 7 (Amtsblatt 2007, S. 1062). Im Redaktionsstatut der Saarbrücker Zeitung finden sich im 1. Kapitel („Grundsätze für die publizistische Haltung und Aufgabe der .Saarbrücker Z e i t u n g ' " ) folgende Vorgaben: „Sie bekennt sich zur engen deutsch-französischen Zusammenarbeit. Sie fördert alle Bestrebungen für eine übernationale, wirtschaftliche und politische Einigung E u r o p a s " . Die Landespressekonferenz Saar hat schon 1994 ihre Ziele in der Satzung folgendermaßen ergänzt: „Außerdem fördert sie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Journalistinnen/Journalisten in der Region S a a r - L o r - L u x . " ; http://www.lpk-saar.de/start.htm [ 2 4 . 4 . 2 0 0 9 ] . 32
D u r c h Landtagsbeschluss nahm das Saarland 1992 als erstes Bundesland den Europagedanken sowie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in die Verfassung auf (Artikel 60, 2): „Das Saarland fördert die europäische Einigung und tritt für die Beteiligung eigenständiger Regionen an der Willensbildung der Europäischen Gemeinschaften und des vereinten Europa ein. Es arbeitet mit anderen europäischen Regionen zusammen und unterstützt grenzüberschreitende Beziehungen zwischen benachbarten Gebietskörperschaften und Einrichtungen." 33
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von der deutsch-französischen Sichtweise auf eine integrative Funktion innerhalb der Großregion Saar-Lor-Lux verlagerte. 34
Der zweite Teil des Gesamtwerkes, die Bände 2 und 3, knüpft an die Schwerpunktsetzungen und Fragestellungen von Band 1 an. Auch hier geht es zunächst darum, über die Geschichte landesspezifischer Medienpolitik hinaus eigenständige Konstellationen und Machtverhältnisse erkennbar zu machen, die über die Zäsur 1955/57 hinaus das kleine Bundesland im Westen prägten, nun im Rahmen einer bundesstaatlichen Ordnung und deutlich demokratisierter Strukturen. Es sollen auf diesem ersten Forschungsgebiet - insgesamt drei Felder zeichnen sich ab - vor allem die Grundsatzentscheidungen saarländischer Medien- und Kommunikationspolitik seit 1955 analysiert werden, die sich nicht nur entscheidend auf die Konturen der „Medienlandschaft Saar" auswirkten, sondern die zugleich Licht auf den Gestaltungsspielraum von Medienpolitik für einzelne Länder werfen. 35 Zwischen den Grundmodellen einer Autonomisierung des journalistischen „Systems", der Medien als Ort gesellschaftlicher Selbstbeschreibung und der Medien als Teil von Politik bzw. in einem vermachteten Feld soll hier hindurchgesteuert werden. Ein zweiter Schwerpunkt der Fragestellung in diesem zweiten Teil des Gesamtwerkes kann mit dem Problemkomplex „Region und Medien" umschrieben werden. Der Raum erscheint vielfach als unwichtig und fast schon aufgehoben. 36 In diese Richtung geht die These der telematischen Auflösung der heutigen Welt (Baudrillard, Virilio) 37 , die in der Forschung allerdings inzwischen differenziert oder ganz zurückgewiesen wurde. Es ist evident, dass Medien und Medienensembles historisch zur Beschleunigung von Kommunikation und Mobilität beitrugen, ebenso zu einer Diversifizierung räumlicher Bezüge. Einige Publikumsmedien überspringen nationalstaatliche Grenzen, eignen sich transnational erfolgreiche Formate an, dies alles hatte
Die Großregion Saar-Lor-Lux umfasst das Saarland, Lothringen, Luxemburg, die belgische R e gion Wallonien sowie Rheinland-Pfalz. Vgl. beispielhaft Bernd G r o ß u. a., S a a r L o r L u x von A - Z . Handbuch für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Großregion, Baden-Baden 2006; Reinhold K o p p , Z u r Geschichte der grenzüberschreitenden Medienarbeit in Saar-Lor-Lux, unveröffentlichtes Manuskript eines Vortrags bei der Tagung „Grenzübergreifende Medienpolitik - Beitrag der Medien zur Saar-Lor-Lux-Identität?", Elisabeth-Selbert-Stiftung, Saarbrücken, 6 . 1 . 1 9 9 7 . 3 5 Grundlegend: Jan Tonnemacher, Kommunikationspolitik in Deutschland. Eine Einführung, Konstanz 2. Aufl. 2003. 3 6 Vgl. Wolfgang Kaschuba, D i e Uberwindung der Distanz. Zeit und R a u m in der europäischen Moderne, Frankfurt a. M. 2004. 3 7 Vgl. Michel S. Laguerre, T h e Digital City. T h e American Metropolis and Information Technology, N e w York 2005.
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E i n f ü h r u n g in das G e s a m t p r o j e k t
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indes neue Territorialisierungen zur Folge. 38 Die Globalisierung der Medien, die etwa schon mit dem Telegrafen deutliche Konturen erhielt, verlief in paradoxer Form und jeweils in Teilbereichen, unter ständig neuen Grenzziehungen und als ein Wettbewerb zwischen globalisierten Medien und immer wieder neu aufkommenden enger definierten. 3 9 Eine Intemationalisierung von Medienprodukten unter amerikanischer Vorherrschaft fand etwa nach dem Zweiten Weltkrieg im Unterhaltungsbereich, aber nicht bei der Zeitungspresse statt, und heute sind nicht die USA, sondern ist Indien der größte Filmproduzent. 4 0 Mediengüter werden an relativ wenigen Orten produziert, aber sie werden kulturell sehr divers sowie dispers angeeignet, und trotz des ständig rascheren Zugriffs auf entfernt produzierte Erzeugnisse behaupteten sich lokale und regionale Produktionen. Demnach anders als es gängige Theorien zu Entstehung einer globalisierten Mediengeschichte 4 1 häufig beschreiben und anders auch, als es das Modell einer sich immer stärker ortslos vollziehenden, von konkreten Räumen abkoppelnden medialisierten Kommunikationsweise heutiger Gesellschaft vorsieht, soll der Versuch unternommen werden, unter Rückgriff auf konkrete Kommunikationszusammenhänge in Institutionen und Kommunen sowie vor allem durch die Frage nach der „Regionalität" von Medieninstitutionen und -inhalten eben diese These der Ortslosigkeit der Medienkommunikation grundlegend zu revidieren. Medien und ihre Produkte stellen nicht nur „Repräsentationen" von geographischen Räumen oder Teilräumen her - von Städten, Landschaften, M i lieus als vorgestellte Räume, als „Bilder" und „Images". 4 2 Räume sind in den Medien als Imaginationen, als „Bilder" präsent und nehmen auf mentale Repräsentationen Bezug. Mental verankerte Vorstellungen über die Gestalt, die einem Raum zugerechneten und diesen mit konstituierenden „Ereignisse", ergeben sich wiederum nicht nur aus den Lebenszusammenhängen, aus sozialer Erfahrung, sondern auch aus den akkumulierten Konstruktionsakten der Medien, die ständig eine Vorstellung über Zusammengehörendes und 38 Vgl. M a r k u s Schroer, R ä u m e , Orte, G r e n z e n , F r a n k f u r t a. M . 2006; G ö t z G r o ß k l a u s , M e d i e n Zeit. M e d i e n - R a u m . Z u m Wandel der r a u m z e i t l i c h e n W a h r n e h m u n g in der M o d e r n e , F r a n k f u r t a . M . 1995. 3 9 Vgl. Georgette Wang, Hg., N e w C o m m u n i c a t i o n s landscape: d e m y s t i f y i n g media globalization, L o n d o n 2000; W ü s t e n r o t Stiftung, H g . , R ä u m l i c h e r S t r u k t u r w a n d e l im Zeitalter des Internets. N e u e H e r a u s f o r d e r u n g e n für R a u m o r d n u n g und S t a d t e n t w i c k l u n g . Ein Forschungsprojekt der W ü s t e n r o t Stiftung am Institut für Weltwirtschaft ( I f W ) an der Universität Kiel, W i e s b a d e n 2004. 40 Vgl. David M o r l e y / K e v i n Robins, Spaces of Identity. Global M e d i a , Electronic Landscapes and C u l t u r a l Boundaries, L o n d o n 2002; N i c k C o u l d r y , T h e Place of M e d i a P o w e r : Pilgrims and W i t nesses of the M e d i a Age, L o n d o n 2000. 41 Vgl. Patrick Donges/Otfried J a r r e n / H e r i b e r t Schatz, Hg., G l o b a l i s i e r u n g der M e d i e n ? , O p l a den 1999. 4 - Vgl. J o c h e n Guckes/Sandra S c h ü r m a n n , Stadtbilder und Stadtrepräsentationen (= I n f o r m a tionen z u r m o d e r n e n Stadtgeschichte H . 1/2005).
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nicht Zusammengehörendes mit hervorrufen. 43 Raum ist weiterhin wichtig 44 und mit dem Forschungsprojekt „Medienlandschaft Saar" ergab sich die einzigartige Chance, die Bedeutung von Raum für Medienrepräsentationen, Medieninhalte (qualitativ und quantitativ) und die wirtschaftlich relevanten Strategien der hauptsächlichen Medieninstitutionen als Akteure empirisch zu untersuchen. Die generellen Beziehungen zwischen „Raum" und „Medien" werden auch hier auf verschiedenen analytischen Ebenen beschrieben. Weniger geht es hier um den konkreten, materiellen, physischen Raum des Saarlandes als um die Beziehungen von repräsentiertem Raum und der Logik der Einzelmedien Rundfunk/Fernsehen und Zeitung. „Regionen" als wissenschaftliche Untersuchungseinheiten sind in den letzten Jahrzehnten für die Medien- und Geschichtswissenschaften wichtig geworden, so auch für die Mediengeschichte. Dazu trug bei, dass sich insbesondere der Hörfunk seit den 1970er Jahren auf den Handlungsrahmen und die Zuhörerschaft von Regionen einstellte, sich dadurch eine Signatur geben, Zuhörer verstärkt binden und auf regionale Kommunikation eingehen wollte. Uber solche Wellen oder Programme werden seitdem regionsspezifische Bilder projiziert und regionale Eigenarten dargestellt. Potenziell können regionale Rundfunkprogramme raumsymbolisches Bewusstsein stärken. Die räumliche Nähe wird zum Kriterium der Nachrichtenauswahl, hat Vorrang vor Nationalem und Globalem. Die Programme „schaffen Orientierungspunkte im Raum, zeigen räumliche Zusammenhänge und Grenzen auf, sie vermitteln eine Vorstellung von dem Gebiet, in dem man lebt." 4 5 Sie können, wenn sie journalistisch geeignet sind und sich sonst wenig artikulationsstarken Gruppen in den ländlichen Regionen wirklich zuwenden, als positives Integrationsmedium wirken. Solange der Hörfunk allerdings nicht mit eigenen Veranstaltungen vor Ort in Begegnungsöffentlichkeiten präsent ist, wird er wenig glaubwürdig sein - und er musste stets damit rechnen, dass genau beobachtet wurde, ob er die anvisierten Gebiete als bereits angelegte, auch über gemeinsame Geschichte erfahrene Kommunikationsräume tatsächlich berücksichtigte. Heute spielt unmittelbare, gleichsam „physische" Präsenz des Rundfunks in ländlichen Räumen, das Auftreten etwa von Moderatoren auf Stadtfesten oder Partys, die dem Publikum als persönlich bekannt er-
Vgl. Pierre Bourdieu, Was heißt Sprechen?, Wien 1990, S. 9 4 - 1 0 3 . Vgl. Martina Heßler, Vernetzte Wissensräume. Z u r Bedeutung von O r t e n in einer vernetzten Welt, in: Technikgeschichte 70:4, 2003, S. 2 3 5 - 2 5 3 . 43 44
R u t h Freibott, Regionalisierung im Rundfunk - quantitative und qualitative Analyse eines R e gionalprogramms, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 63, 1989, S. 109-124, Zitate S. 109, 115; vgl. auch N o r b e r t Jonscher, Lokale Publizistik. T h e o r i e und Praxis der örtlichen Berichterstattung. Ein Lehrbuch, Opladen 1995; Walter Klingler/Edgar Lersch, Hg., Regionalisierung im Rundfunk. Eine Bilanz der Entwicklung seit 1975, Konstanz 2001.
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scheinen, eine ausgeprägte Rolle, um tatsächlich Ansehen zu gewinnen und die Funktion der Programme zu unterstützen. 4 6 (Lokale und) regionale Medien knüpfen an (lokale und) regionale Identitäten an und rufen ständig die Abgrenzung des Eigenen, die Zusammengehörigkeit eines Raumes in Erinnerung und stärken sie, zumindest aber verbreiten sie Wissen über Ereignisse und Strukturprobleme über die einzelnen Gemeinden, Regionen und - inzwischen - Großregionen hinaus. 47 So ermöglichen sie ihre Fortexistenz in Konkurrenz mit den überregionalen Medien, zumal im Zeichen des Internets, die im untersuchten Zeitraum technisch immer stärker verfügbar wurden und tatsächlich ja auf eine prinzipielle Globalisierung der Informationsflüsse hinausliefen. Ein dritter Schwerpunkt der Bände 2 und 3 geht von der Überlegung aus, ungelöste und unterschätzte Probleme der heutigen mediengeschichtlichen und kommunikationswissenschaftlichen Forschung am sehr weitgehend unberücksichtigten Beispiel des Saarlandes aufzugreifen. Das Interesse geht hier auf Modernisierungsprozesse im Mediensystem, die Wechselbezüge von politischer Öffentlichkeit und Medien sowie die Frage nach der Repräsentation sozialer Bewegungen und Minderheiten in den saarländischen Medien. Die heute in den Medienwissenschaften und der Mediengeschichte interessierende Frage nach der Bedeutung von Skandalisierung 48 kann hier nur gelegentlich aufgegriffen werden, so im Zusammenhang eines „Kulturkampfes" 1967/68 und der späteren Bemühungen um eine Verschärfung des Pressegesetzes, indes sollen zentrale Komplexe des heutigen mediengeschichtlichen Forschungsfeldes über miteinander verbundene Längs- und Querschnittsuntersuchungen thematisiert werden. Besondere Aufmerksamkeit findet erstens der Komplex der Medialisierung 49 von Politik, der mit einem spezifischen Verhältnis von Politik und
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Vgl. Will Teichert, Die Region als publizistische Aufgabe, H a m b u r g 1982. Vgl. T h o m a s Bauer, Regionale Medien als Spiegel regionalen Bewusstseins. Eine empirische U n t e r s u c h u n g zur M e d i e n n u t z u n g u n d z u m aktionsräumlichen Verhalten im Landkreis N e u markt, Regensburg 1997; H e i n z - W e r n e r Wollersheim/Sabine Tzschaschel/Matthias Middell, Hg., Region u n d Identifikation, Leipzig 1998. 48 Vgl. z u r Interaktion von öffentlicher Meinung, Zeitungspresse und Monarchiediskurs im späten Kaiserreich: Martin Kohlrausch, D e r M o n a r c h im Skandal. Die Logik der Massenmedien und die Transformation der wilhelminischen Monarchie, Berlin 2005. Vgl. auch F r a n k Bosch, Ö f f e n t l i c h e Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland u n d G r o ß b r i t a n n i e n 1880-1914, M ü n chen 2009; Christian P u n d t , Medien u n d Diskurs: zur Skandalisierung von Privatheit in der Geschichte des Fernsehens, Bielefeld 2009. 49 G r u n d l e g e n d u.a.: Max Kaase, Demokratisches System u n d die Mediatisierung von Politik, in: Ulrich Sarcinelli, Hg., Politikvermittlung u n d D e m o k r a t i e in der Mediengesellschaft, Bonn 1998, S. 24-51 ; Siegfried Weischenberg/Maja M a l i k / A r m i n Scholl, Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die Journalisten in Deutschland, Konstanz 2006; Klaus-Dieter A l t m e p p e n / U l r i k e R ö t t g e r / G ü n t e r Bentele, Hg., Schwierige Verhältnisse. Interdependenzen zwischen Journalismus 47
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Medien einhergeht und, gerade im Saarland, auf enge Kontakte und Netzwerkbildung zwischen Politikern und Journalisten hinauslief und -läuft. Es geht um die Gründungsgeschichte der Landespressekonferenz als Forum des Kontakts von Journalisten und Vertretern der politischen Institutionen, um Auswirkungen neuer Informationstechnologien und der Ökonomisierung der Medien auf die Weise, wie über „Politik" berichtet wird. Zweitens geht es um Modernisierung im Bereich des Journalismus, die Organisation, Kommunikationsformen und Inhalte der Arbeitstätigkeit. 50 Insbesondere werden interne Professionalisierungsprozesse untersucht, es sollen die Anstöße und treibenden Kräfte beleuchtet werden, die Innovationen im journalistischen System - häufig für die Betroffenen unerwünscht durchführen. Als Kriterien sollen die Beschleunigung der Nachrichtenflüsse, Wandlungen der Nachrichtenorientierung, grundlegende Entwicklungen bei Visualisierungsstrategien und im Layout im Vordergrund stehen. Wie nach sozialen Kosten und subjektiven Einschätzungen von organisatorischen und technischen Innovationen bei Journalisten gefragt wird, so werden die parallelen Entwicklungen bei der Organisation von Informationsflüssen in organisationssoziologischer, kommunikationsgeschichtlicher wie praxeologischer Perspektive untersucht. Drittens stehen die Innovationsprozesse bei den medialen Programmen (Rundfunk und Zeitung) selbst im Vordergrund. Es wird danach gefragt, wie dynamisch sie verliefen, auch im Vergleich zu anderen Regionen. Die frühzeitige Einführung einer Popwelle und kommerzialisierter Hörfunkprogramme wird sich als Vorgriff auf die Entwicklung zum dualen Rundfunksystem der Bundesrepublik darstellen, auch die geschilderte Einführung des „Leserreporters" verweist auf beträchtliches Innovationstempo. 51 Schließlich wird viertens auf inhaltsanalytischer Ebene die Frage nach der medialen Repräsentation von Minderheiten aufgegriffen, um daran zu testen, wie stark Medienstile und Kommunikationsgepflogenheiten regionaler und PR, Wiesbaden 2004; Thomas Mergel, Politischer Journalismus und Politik in der Bundesrepublik, in: Clemens Zimmermann, H g . , Politischer Journalismus, Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20.Jahrhundert, Ostfildern 2006, S. 193-211; Daniela Münkel/Lu Seegers, Hg., Medien und Imagepolitik im 20.Jahrhundert. Deutschland, Europa, U S A , Frankfurt a . M . / N e w York 2008. 5 0 Vgl. Wolfgang Donsbach, Journalismus und journalistisches Berufsverständnis, in: Wilke, Mediengeschichte, S.489-517; Michael Kunczik, Journalismus als Beruf, Köln/Wien 1988. 51 Vgl. Ruth Ayaß/Jörg Bergmann, Hg., Qualitative Methoden der Medienforschung, H a m b u r g 2006; H a n s J ö r g Bessler, Hörer- und Zuschauerforschung, München 1980; Hans Mathias Kepplinger, Theorien der Nachrichtenauswahl als Theorien der Realität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) Β 15/89, S. 3-16; Walter Klingler Walter/Gunnar Roters/Oliver Zöllner, Hg., Fernsehforschung in Deutschland. Themen - Akteure - Methoden, Baden Baden 1998; Rüdiger Schulz, Art. Mediaforschung, in: Elisabeth Noelle-Neumann/Winfried Schulz/Jürgen Wilke, Hg., Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, Frankfurt a . M . 2002, S. 183-213.
Einführung in das Gesamtprojekt
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politischer Kultur auf ein Feld durchschlagen, das bislang eher aktualistisch als historisch untersucht wurde. Es wird bei all dem davon ausgegangen, dass Einzelmediengeschichte, d. h. die von Presse, von Hörfunk, von Fernsehen 5 2 , nicht in „medienwissenschaftlich" deduzierten Modellen untergehen sollte. Allerdings rücken auch hier immer wieder die intermedialen Relationen und Konkurrenzen in den Vordergrund - nicht nur auf der Ebene der Berichterstattung, sondern im Hinblick auf konvergierende Eigenlogiken. Ihre Funktion in der Geschichte von Öffentlichkeiten und Politisierung 5 3 soll exemplarisch über einen Beitrag zu den Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er Jahre geklärt werden. 5 4 Alle hier vertretenen Einzelstudien betonen die Kontinuitätslinien ihrer Gegenstände, machen dann aber doch Brüche und überraschende Wendungen klar. Sie sehen weniger einen internationalen als den nationalen und landespolitischen Kontext der beschriebenen Entwicklungen. Ebenso wird klar werden, dass die Geschichte technischer und organisatorischer medialer Modernisierung sowie Konkurrenz keineswegs hergebrachten politischen Zäsuren der Zeitgeschichte entsprach - obwohl die Bände 2 und 3 mit einer solchen politischen Zäsur beginnen, dem Prozess der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland, und auch hier die politischgesellschaftliche Umbruchsituation politischer Kultur der Bundesrepublik deutlich aufscheint. Es geht bei all dem also darum, jeweilige historische Konstellationen, Konturen und Gestaltungsspielräume innerhalb einer regionalen Medienlandschaft an der Saar über einen historisierenden Zugriff erkennbar zu machen. Anders als in den meist ahistorischen Kommunikationswissenschaften, aber unter Rückgriff auf deren Ergebnisse und teils auch Methoden, sollten Exemplarisch etwa: Hans Mathias Kepplinger, Zeitungsberichterstattung im Wandel, in: Jürgen Wilke, Mediengeschichte, S. 195-210; vgl. zum Typ der Regionalzeitung in historischer Perspektive: G e r d Meier, Zwischen Milieu und Markt. Tageszeitungen in Ostwestfalen 1920-1970, Paderborn 1999; wichtig auch: Stefan Kursawe, Vom Leitmedium zum Begleitmedium. Die Radioprogramme des Hessischen Rundfunks 1 9 6 0 - 1 9 8 0 , K ö l n / W e i m a r / W i e n 2004; Gerhard Lampe, Panorama, R e p o r t und Monitor. Geschichte der politischen Fernsehmagazine 1957-1990, Konstanz 2000; Peter Marchai, Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde., München 2004. 52
5 3 Vgl. Frank B o s c h / N o r b e r t Frei, Hg., Medialisierung und Demokratie im 20. Jahrhundert, G ö t tingen 2006; Münkel, Willy Brandt und die „Vierte G e w a l t " ; Julia Angster, D e r neue Stil. Die Amerikanisierung des Wahlkampfs und der Wandel im Politikverständnis bei C D U und S P D in den 1960er Jahren, in: Matthias Frese/Julia Paulus/Karl Teppe, Hg., Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. D i e sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn 2003, S. 181-204. 5 4 Vgl. Christina von Hodenberg, Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen M e dienöffentlichkeit 1 9 4 5 - 1 9 7 3 , Göttingen 2006; dies., Die Journalisten und der Aufbruch zur kritischen Öffentlichkeit, in: Ulrich Herbert, Hg., Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945-1980, Göttingen 2002, S. 2 7 8 - 3 1 1 .
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Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna
nicht punktuelle Erhebungen erfolgen, sondern wurden Teil-Überblicke und retrospektive Thematisierung privilegiert. Erst über den historischen Zugriff wird sich im Folgenden zeigen, dass es sich tatsächlich um ein Kontinuum einer immer stärker vernetzten, aber durchaus eigenständigen Medienlandschaft handelte - mit je eigenen Modernisierungsimpulsen und Machtgefügen.
Rainer
Hudemann
Einführung in den Band 1 Besatzungsherrschaft und Demokratisierung - dieses Spannungsfeld brachte die französische Politik in Deutschland in den Nachkriegsjahren immer von neuem in Widersprüche und Zielkonflikte. In der Einführung zum Gesamtwerk wurden die Faktoren, welche hinter der Pariser Politik standen, dargelegt. In Wiederaufbau und Kontrolle der Medienlandschaft spitzten die Widersprüche sich zu. A n der Saar erhielten sie eine besondere Ausprägung und sollten die Medienlandschaft auf Jahrzehnte hinaus maßgeblich formen. Der erste Band dieses Werkes stellt die saarländischen Medien daher stärker als die beiden Folgebände in den größeren deutsch-französischen Zusammenhang, dessen Bedingungen sich nach Kriegsende rasch von den übrigen Teilen des ehemaligen Deutschen Reiches zu unterscheiden begannen. In seiner ersten öffentlichen Rede im Nachkriegsdeutschland rief de Gaulle auf den Stufen des Saarbrücker Rathauses am 3. Oktober 1945 aus: „Wir stehen an Ihrer Seite. Als Westeuropäer müssen wir trotz allem, was sich zwischen uns gestellt haben mag, in eine gemeinsame Richtung arbeiten und uns gegenseitig verstehen." 1 Ahnliche Reden folgten in den nächsten beiden Tagen in einem halben Dutzend südwestdeutscher Städte, von Trier bis Freiburg. In der französischen Öffentlichkeit, in der de Gaulle dafür sofort harsche Kritik erntete, war für solche Überlegungen aber noch kein Raum: Hier war Wiedergutmachung, wenn nicht Revanche gefordert und die N u t z u n g deutschen Wirtschaftspotenzials für den französischen Wiederaufbau. Das entsprach auch der Erwartungshaltung der deutschen Bevölkerung: Eine harte französische Revanchepolitik, wie Goebbels' Propaganda sie seit Monaten für den Fall einer deutschen Niederlage angekündigt hatte. Die Ruine des im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 zerstörten Heidelberger Schlosses hatte im deutschen Südwesten jedermann als Symbol französischer Kriegführung im Kopf. Die harten Konfrontationen der Rheinlandbesetzung und des Ruhrkampfes lagen kaum ein Vierteljahrhundert zurück. Dass Frankreich eine 1 Zitiert in: Le Monde, 4.10.1945 Nr. 248, S. 8, abgedruckt in: Rainer Hudemann/Armin Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann und Marcus Hahn, Hg., D a s Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Mit einer C D R o m zum Abstimmungskampf von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007, S.238f. D a s Werk enthält ausgewählte, zumeist erstmals veröffentlichte Quellentexte, eine Chronologie sowie umfassende weiterführende Informationen zu Forschungsstand und Forschungskontroversen, die im Folgenden nur knapp angedeutet werden können.
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Rekonstruktionspolitik in Deutschland ins Auge fassen könnte, passte nicht in dieses vorgeprägte Bild. Lange beherrschten denn auch Demontagen, Abholzung des Schwarzwaldes, schikanöse Verwaltung und Nutzung der deutschen Ressourcen in der Art einer „Ausbeutungskolonie" 2 fast allein das öffentliche Bewusstsein. Das verstellt bisweilen noch bis heute den Blick für die Vielschichtigkeit der Realitäten in der Nachkriegszeit, bis in Teile der Forschung hinein. 3 Tatsächlich fand die deutsch-französische Annäherung schon seit 1945 gerade in dem Bemühen, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, und in den Sachzwängen, die sich aus den eigenen Interessen und aus der Verantwortung für das besetzte Deutschland ergaben, ihre ersten Wurzeln. Dietmar Hüser hat in der bisher differenziertesten Analyse der hoch komplexen französischen Politik gezeigt, wie in öffentlichen Erklärungen - tatsächlich oder, wie genaue Lektüre das erweist, oft auch nur scheinbar - eine harte Linie vorherrschte, jedoch sowohl intern als auch in der politischen Praxis seit dem Winter 1945/1946 sehr viel differenziertere Konzepte an Raum gewannen. Er spricht daher von einer „doppelten Deutschlandpolitik". 4 Und die Nutzung deutschen Potenzials für Frankreich setzte ohnehin voraus, die Produktion der deutschen Industrie erst einmal wieder in Gang zu bringen. Der erste Hochofen wurde schon im November 1945 wieder angeblasen - an der Saar.5 Tatsächlich wurde das, was man auf französischer Seite ab dem Herbst 1945 offiziell als „Demokratisierungspolitik" bezeichnete, zu einem KernSo T h e o d o r Eschenburg, Jahre der Besatzung 1 9 4 5 - 1 9 4 9 , Stuttgart 1983, S . 9 6 ; als stellvertretender Innenminister von W ü r t t e m b e r g - H o h e n z o l l e r n hatte Eschenburg unzählige Konflikte mit der Besatzungsmacht ausgefochten. 2
Ü b e r b l i c k über den Wandel in der Forschung der letzten Jahrzehnte: Rainer Hudemann, L'occupation française après 1945 et les relations franco-allemandes, in: Marie-Bénédicte Vincent, Hg., La dénazification, Paris 2008, S. 189-210, 343-347. Siehe zur Erklärung der Einseitigkeit mancher deutschen Wahrnehmungs- und Erinnerungsmuster, welche insbesondere im Zusammenbruch der scheinbar erfolgreichen Techniken der nationalsozialistischen Finanz- und Wirtschaftspolitik 1945 sowie in deren Folgen für die Bildung des Schwarzen Marktes und für die soziale und wirtschaftliche Lage der Bevölkerung gründen: Rainer Hudemann, Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953. Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung im R a h m e n französischer Besatzungspolitik, Mainz 1988, S. 3 1 - 1 2 4 . 4 Dietmar Hüser, Frankreichs „doppelte Deutschlandpolitik". D y n a m i k aus der Defensive - Planen, Entscheiden, Umsetzen in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen, innen- und außenpolitischen Krisenzeiten 1 9 4 4 - 1 9 5 0 , Berlin 1996. Siehe zum Gesamtzusammenhang demnächst die Bände 10 und 11 der vom Deutschen Historischen Institut Paris herausgegebenen D e u t s c h - F r a n zösischen Geschichte: C o r i n e Defrance/Ulrich Pfeil, Deutschland und Frankreich 1945-1963. Eine Nachkriegsgeschichte in Europa; Hélène Miard-Delacroix, I m Zeichen der europäischen E i nigung: 1963 bis heute. 5 Siehe zum Verhältnis von Wirtschaft, Politik, Sozialgeschichte und Mentalitäten umfassend: Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft an der Saar 1945-1955, Stuttgart 1996. Im Internet zugänglich: http://darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2008/2334/ [ 1 5 . 5 . 2 0 0 9 ] , 3
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Bestandteil neuer französischer Sicherheitspolitik: Wollte man einen weiteren Krieg verhindern, so musste der deutsche Nachbar sich in die N o r m e n der westlichen Welt einfügen - also .demokratisiert' und nicht nur, wie nach 1919, militärisch und wirtschaftlich kontrolliert werden. 6 In der in der Gesamteinleitung zitierten geheimen ersten Deutschland-Spitzendirektive von Regierungschef de Gaulle klang dieser Sinneswandel im Juli 1945 bereits an. Auf zahlreichen Feldern begann man ihn 1945/1946 auch in die Praxis umzusetzen, vom stets strikt kontrollierten Parteien- und Gewerkschaftsaufbau über eine phantasievolle Kulturpolitik - beispielsweise in Schulen, Hochschulen, Volkshochschulen oder literarischen, historischen und modernen Kunstausstellungen - bis hin zu grundlegenden Reformen in der Sozialversicherung. 7 An der Saar war die Lage zugleich ähnlich und anders als in den übrigen Teilen der französischen Besatzungszone. Diese bestand aus dem späteren, 1946 gegründeten Rheinland-Pfalz sowie aus Süd-Baden und WürttembergHohenzollern, die 1952 mit dem amerikanisch besetzten nördlichen Württemberg-Baden zum heutigen Bundesland Baden-Württemberg zusammenfügt wurden. In der französischen Öffentlichkeit ging man, wie auch im zuständigen Parlamentsausschuss, 1945 ganz selbstverständlich davon aus, dass die Saar annektiert würde. D e Gaulle lehnte Annexionen aber schon seit 1944 intern und öffentlich grundsätzlich ab. 8 Daraus folgten zwei Jahre einer unklaren Politik, in welcher sich die Priorität einer Beherrschung der saarländischen Wirtschaft rasch herauskristallisierte, das politische Statut aber schemenhaft blieb. Das 1945 schnell entstandene Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France (MRS) hielten die französischen Stellen sofort auf Distanz und gaben ihm keine amtliche Legitimation. In de Gaulies erster spezieller Direktive für die Saar wurden die Ziele für die Region Ende
R a i n e r H u d e m a n n , K u l t u r p o l i t i k im S p a n n u n g s f e l d der D e u t s c h l a n d p o l i t i k . F r ü h e D i r e k t i v e n f ü r die f r a n z ö s i s c h e B e s a t z u n g in D e u t s c h l a n d , in: F r a n z K n i p p i n g / J a c q u e s L e Rider, H g . , F r a n k reichs K u l t u r p o l i t i k in D e u t s c h l a n d , 1945-1950. Ein T ü b i n g e r S y m p o s i u m , 19. u n d 20. S e p t e m b e r 1985, T ü b i n g e n 1987, S. 15-31. 7 C o r i n e D e f r a n c e , L a p o l i t i q u e culturelle de la F r a n c e sur la rive g a u c h e d u R h i n 1945-1955, S t r a ß b u r g 1994; H e i n r i c h K ü p p e r s , B i l d u n g s p o l i t i k im Saarland 1945-1955, S a a r b r ü c k e n 1984; H a n s - C h r i s t i a n H e r r m a n n , Sozialer B e s i t z s t a n d und gescheiterte S o z i a l p a r t n e r s c h a f t . S o z i a l p o l i tik und G e w e r k s c h a f t e n im Saarland 1945 bis 1955, S a a r b r ü c k e n 1996; Martin Schieder, I m B l i c k d e s anderen. D i e d e u t s c h - f r a n z ö s i s c h e n K u n s t b e z i e h u n g e n 1945-1959, Berlin 2005; H u d e m a n n , Sozialpolitik. 8 H ü s e r , „ D o p p e l t e D e u t s c h l a n d p o l i t i k " , unter a n d e r e m S.257. Z u r F r a g e der S a a r - A n n e x i o n : Rainer H u d e m a n n , D i e Saar z w i s c h e n F r a n k r e i c h u n d D e u t s c h l a n d 1945-1947, in: D e r s . / R a y m o n d P o i d e v i n unter Mitarbeit v o n A n n e t t e M a a s , H g . , D i e Saar 1945-1955. E i n P r o b l e m d e r eur o p ä i s c h e n G e s c h i c h t e / L a Sarre 1945-1955. U n p r o b l è m e de l'histoire e u r o p é e n n e , M ü n c h e n 1992, 2. A u f l . 1995, S. 13-34. D e r B a n d beruht auf mehrtägigen D i s k u s s i o n e n v o n Z e i t z e u g e n mit H i s t o rikern im Plenarsaal des Saarländischen L a n d t a g s 1990. 6
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August 1945 genauer gefasst in der Hoffnung, die Saar-Bevölkerung langfristig für eine eigene Entscheidung für Frankreich zu gewinnen. Als „Assimilierung" bezeichnete man diese Politik, in klarer Distanzierung von „Annexion". Die Direktive verfügte auch für die Saar bereits „die Gründung einer Zeitung in deutscher Sprache unter Kontrolle der Militärregierung"; die Sender Straßburg und Luxemburg sollten um deutschsprachige Programme für die Saar gebeten werden. 9 Schon bald wurde die Saar administrativ von der übrigen französischen Zone, deren oberste Militärregierung unter General Pierre Koenig in BadenBaden residierte, zunehmend abgesondert. 10 Erst 1947 gewannen die Planungen aber an Profil: Michel Debré, eine der führenden Persönlichkeiten der gaullistischen Widerstandsbewegung im Krieg, erhielt die Leitung der neu geschaffenen Saar-Abteilung im französischen Außenministerium und begann mit detaillierten Planungen. So wollte er zwar ein parlamentarisches System wie in den andern Ländern Westdeutschlands aufbauen, dieses jedoch mittels einer schwachen kollegialen Regierung und regelmäßiger teilweiser Erneuerung des Landtages unter enge eigene Kuratel stellen. Dem steuerte - ohne dass die deutsche Seite es ahnte 11 - der eigene französische Gouverneur an der Saar gegen, und zwar mit Erfolg: Gilbert Grandval, gleichfalls ein führender Gaullist mit hohem Résistance-Prestige12, ließ die Verfassunggebende Versammlung des Saarlandes entgegen der klaren Pariser Anweisung eine deutsche Landesverfassung wie in den übrigen Ländern schreiben, in der zusätzlich aber die Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich Verfassungsrang erhielt: Grandval wollte ein autonomes Saarland als deutsch-französische Brücke, kein Protektorat wie Debré. 13 Als der Landtag nach der Eingliederung der Saar in die Bundesrepublik 1957 eine
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Directives particulières concernant la Sarre, 25.8.1945, abgedruckt in: Hudemann/Heinen, Das Saarland, S.235f. 10 Umfangreiche Einzelinformationen gibt: Robert H . Schmidt, Saarpolitik 1945-1957, 3 Bde., Berlin 1959-1962. Einen breiten Zugang zur Forschung über die Saar nach dem Krieg, die hier nur exemplarisch zitiert werden kann, eröffnen Einleitung und Bibliographie in: Hudemann/Heinen, Das Saarland; Ludwig Linsmayer, Hg., Die Geburt des Saarlandes. Zur Dramaturgie eines Sonderweges, Saarbrücken 2007. 11 Mitteilung von Franz Schlehofer, 1947 Leiter des Büros der Verfassungskommission, an den Autor 1994. 12 Siehe Dieter Marc Schneider, Gilbert Grandval. Frankreichs Prokonsul an der Saar 1945-1955, in: Stefan Martens, Hg., Vom „Erbfeind" zum „Erneuerer". Aspekte und Motive der französischen Deutschlandpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg, Sigmaringen 1993, S.201-243. 13 Rainer Hudemann, 50 Jahre Landtag - 40 Jahre Bundesland. Notizen zur saarländischen Identität, in: 50 Jahre Landtag des Saarlandes. Protokoll der Sondersitzung des saarländischen Landtages aus Anlass seines 50jährigen Bestehens am 12. September 1997, Saarbrücken 1997, S. 21-36, auf Grundlage der persönlichen Annotationen Grandvals auf seinen Verfassungsentwürfen und seiner höchst konfliktreichen Korrespondenz mit Debré.
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neue Verfassung schreiben wollte, stellte die zu diesem Zweck gewählte Kommission fest, dass es außer der Annullierung der Wirtschaftsunion im eigentlichen Regierungssystem fast gar nichts zu revidieren gab: Die, wie man glaubte, von Frankreich den Saarländern aufoktroyierte Verfassung war in Wirklichkeit die gewesen, die man selbst gewollt hatte. Auch der Wirtschaftsanschluss hatte 1947 einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung, welche beunruhigt auf die Hungerunruhen in den deutschen Westzonen blickte und von Frankreich besser versorgt wurde als die übrige Zone. Die saarspezifische Kultur- und Sozialpolitik hatte daran ebenso Anteil wie die desaströse Lage im Inneren Deutschlands und die im Vergleich dazu stabile Situation der Siegermacht Frankreich. Die französische Forderung nach dem Verfassungsrang für die Wirtschafts- und Währungsunion sollte sich für die Medienlandschaft jedoch ebenso wie für die politischen Auseinandersetzungen in den 1950er Jahren und für die kollektive Erinnerung als ein Pulverfass erweisen: Sie wurde zum Kristallisationspunkt nicht nur der Medien-, sondern auch der allgemeinen Konflikte und ihrer Fortwirkung, bis in die aktuelle politische und wissenschaftliche Diskussion hinein. Seit 1950 wuchsen allmählich die Kräfte im Land, welche die Wirtschaftsunion kritisch einschätzten. Die liberale Demokratische Partei des Saarlandes (DPS) schrieb sich die Kritik, nach einem personellen Wechsel an der Spitze, auf die Fahnen und wurde daraufhin 1951 verboten - zunächst erregte das im übrigen noch kein größeres Aufsehen. 14 Die Regierung, vor allem die ehemaligen Emigranten in ihr, sahen den Zusammenbruch des deutschen Parlamentarismus zwischen 1930 und 1933 und das eigene Schicksal nach 1935 vor sich: Verfassungsgegnern, so die politische und formaljuristische Argumentation, durfte nicht erneut Raum gegeben werden. Als „Demokratie unter pädagogischem Vorbehalt" hat Armin Heinen diese Politik charakterisiert. 15 1952 gaben 25 Prozent der Wähler ihrem Protest gegen die Nichtzulassung von Parteien, welche gegen die Wirtschafsunion eintraten, in der Abgabe weißer Stimmzettel symbolisch Ausdruck - so viele, wie die Regierung erwartet hatte; die große Mehrheit stand aber immer noch hinter ihr, trotz der für alle sichtbaren Parteien- und Medienkontrolle. Die Kommunistische Partei war trotz ihrer gesamtdeutschen Linie nicht verboten. Das allmählich in den Vordergrund tretende Ziel „Eu-
14 Winfried Becker, Die Entwicklung der politischen Parteien im Saarland 1945 bis 1955 nach französischen Quellen, in: H u d e m a n n / P o i d e v i n , Die Saar, S. 253-296; Marcus H a h n , Die DPS. Liberaler N e u a n f a n g im deutsch-französischen Spannungsfeld, in: Rainer H u d e m a n n / B u r k h a r d Jellonnek/Bernd Rauls unter Mitarbeit von Marcus H a h n , Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, St. Ingbert 1997, S. 199-224; der Band enthält unter anderem Zusammenfassungen studentischer unpublizierter Qualifikationsarbeiten. 15 H e i n e n , Saarjahre, S.238, z u m DPS-Verbot S.391-393.
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ropa" gewann an Attraktivität, es verankerte sich zusehends in der Bevölkerung - und in der Medienlandschaft. 1945 war die französische Zone von allen zentralen deutschen Verwaltungsstellen nicht nur auf Ebene der Länder-Regierungen, sondern auch in Post, Bahn, Sozialversicherung und ähnlichen für den Alltag unentbehrlichen Bereichen durch die Einteilung der Besatzungszonen abgeschnitten worden: Karlsruhe, Stuttgart, München, Düsseldorf, Berlin - sie alle lagen außerhalb der französischen Zone. In vielen Bereichen, in denen Reformkräfte ans Werk gehen wollten, eröffnete aber gerade diese erzwungene und unübersichtliche Dezentralisierung bald Handlungsmöglichkeiten auf lokaler und regionaler Ebene, beispielsweise in der Sozialpolitik. Das galt ebenfalls für die Medien. Der französische Regierungsbefehl zu ihrem Wiederaufbau kam ihnen trotz der engen Kontrolle rasch ebenso zugute wie, an der Saar, Frankreichs Tendenz zu einer Sonderstellung des Gebietes. Geradezu buchstabengetreu nach de Gaulies zitierter Anweisung vom Juli 1945, gewann man in Freiburg bedeutende Journalisten der ehemaligen „Frankfurter Zeitung" für den Aufbau der „Badischen Zeitung", und auf den Maschinen der „Mainzer Allgemeinen Zeitung" sollte noch lange Zeit die in der amerikanischen Zone gelegene neue „Frankfurter Allgemeine Zeitung" gedruckt werden. 16 Mit der Gründung des „Südwestfunks" (SWF) ging man in Süd-Baden sogleich an die Umsetzung der Regierungsdirektive in der französischen Zone. 17 Für die Saar bedeuteten die Abtrennungstendenzen, dass eine eigenständige Rundfunkstation schon bald politisch gleichfalls erwünscht war und gefördert wurde. Sowohl die Unklarheiten als auch die frühen Wiederaufbauchancen in der saarländischen Medienlandschaft, wie Natalie Pohl und Paul Burgard sie für diese Monate in Band 1 dieses Werkes schildern, erklären sich aus den vielschichtigen Ambivalenzen der Situation 1945. Unter den politischen Kräften, welche 1946/1947 in die neuen Führungspositionen an der Saar einrückten, erhielten Rückkehrer aus dem Exil, in welche der Ausgang der Saar-Abstimmung 1935 auch viele Journalisten gezwungen hatte, im Vergleich zu anderen Ländern der deutschen Westzonen besonders viele einflussreiche Positionen. 18 Der Chefredakteur der Saarbrücker Landes-Zeitung bis 1934 und Ministerpräsident des Nachkriegsjahrzehnts,
16 Grundlegend nach wie vor: Stephan Schölzel, Die Pressepolitik in der französischen Besatzungszone 1945-1949, Mainz 1986. 17 Sabine Friedrich, Rundfunk und Besatzungsmacht. Organisation, Programm und Hörer des Südwestfunks 1945 bis 1949, Baden-Baden 1991. 18 Dieter Marc Schneider, Saarpolitik und Exil 1935-1955, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 25, 1977, S. 467-545; Gerhard Paul, „Die Saarländer fühlten sich durch solche Leute an Frankreich verkauft." Die saarländischen Remigranten und ihr gescheiterter Staat, in: Hudemann/Jellonnek/ Rauls, Grenz-Fall, S. 135-150.
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Johannes Hoffmann, zählte zu ihnen. 1 9 Zugleich konnten jedoch auch Persönlichkeiten mit nationalsozialistischer Vergangenheit, wenn sie nicht Kriegsverbrecher waren, wieder in einflussreiche Positionen einrücken. Hintergrund war die spezifische französische Entnazifizierungspolitik, welche Fachleute für den Wiederaufbau brauchte. Vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen mit der französischen Kollaboration im Krieg versuchte sie Verantwortung nicht, wie in den anglo-amerikanischen Entnazifizierungsrichtlinien festgelegt, allein nach formalen Positionen in den vielfältigen Organisationen und Institutionen des Dritten Reiches zu bemessen, sondern nach individueller Schuld. In den „Säuberungsausschüssen" kam den Deutschen dabei hohe Verantwortung zu. 2 0 Ein solches primär politisches Verfahren wurde nach juristischen Kriterien aber sehr angreifbar, um 1947 musste man sich daher doch der amerikanischen Politik weitgehend anschließen. An der Saar fanden sich ehemalige Nationalsozialisten auf beiden Seiten der politischen Lager der 1950er Jahre und bekämpften sich wechselseitig vielfach bitter in den Medien. Beispielsweise war der Führer der Opposition, Heinrich Schneider, 1933/1934 Saar-Referent der NSDAP-Reichsleitung gewesen. An der Saar kam ein spezieller Aspekt hinzu, der zusätzlich zu den frühen Internierungslagem für viel weiteren U n m u t sorgte: Personen, die nicht aus dem Saarland stammten, wurden in größerem Umfang ausgewiesen. Das hatte mit etwa 1 800 Personen zwar schließlich nicht die Dimension der nach erfundenen .völkischen' Gesichtspunkten erfolgten deutschen Ausweisungen aus Elsass-Lothringen im Krieg, welche etwa 100000 Menschen für Jahre die Heimat raubten. Zudem gingen diese Ausweisungen 1947 ganz in die Verantwortung der saarländischen Regierung über; bis 1949 konnten die meisten zurückkehren. Aber zu dem sich ab den frühen 1950er Jahren immer breiter aufstauenden Unmut im Lande trug das bei. In einigen aufsehenerregenden Fällen traf es auch Journalisten wie den nicht von der Saar stammenden Sozialdemokraten Ernst Roth, Chefredakteur der Parteizeitung „Volksstimme". Allerdings hörte die Entfernung unliebsamer Personen aus Politik und Medien 1955 an der Saar nicht sofort auf, sie wurde unter umgekehrten Vorzeichen - beispielsweise mit der Entlassung des Generaldirektors des „Saarländischen Rundfunks" (SR), Hermann Mathias Görgen - zunächst fortgesetzt. Seit 1953 steigerte sich der U n m u t an der Saar. Das hatte viele Gründe. Das französische Empire geriet ins Wanken. Frankreich führte in Indochina bis 1954 einen Kolonialkrieg. Die Situation in Algerien ging im November
19 Zu H o f f m a n n umfassend: Heinrich Küppers, Johannes Hoffmann (1890-1967). Biographie eines Deutschen, Düsseldorf 2008.
Rainer Möhler, Entnazifizierung in Rheinland-Pfalz und im Saarland unter französischer Besatzung von 1945 bis 1952, Mainz 1992.
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1954 in einen weiteren Kolonialkrieg über, und man fürchtete die Beteiligung saarländischer Soldaten über die Fremdenlegion. Tunesien und Marokko standen vor der Unabhängigkeit. Die Bundesrepublik gewann nun mit dem ,Wirtschaftswunder' an Attraktivität. Frankreichs Regierungssystem erschien angesichts der sich häufenden Regierungswechsel gegenüber Konrad Adenauers Kanzlerdemokratie immer instabiler. 21 Die politische Wirkung der in vielem vorbildlichen Sozialpolitik an der Saar, besonders für Familien, Kriegsopfer und in der Sozialversicherung, wurde durch die Verweigerung der Mitbestimmung in den Betrieben zunichte gemacht. Allmählich wuchs die Kritik an Johannes Hoffmanns autoritärem Regierungsstil. Frankreichs Wirtschaftsposition an der Saar erschien übermächtig. Und schließlich schien mit dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im französischen Parlament im August 1954 die Europäische Integration, die mit der Montanunion seit 1952 auf so gutem Wege war, schon wieder am Ende zu sein: Alles in allem schlechte Chancen für ein unklares, Frankreich weiter eine starke Position einräumendes Europa-Statut, über das die Saarländer am 23. Oktober 1955 abzustimmen hatten. Im Oktober 1954 hatten Bonn und Paris sich auf der Pariser Konferenz, auf der die Westmächte die weitgehende Souveränität der Bundesrepublik für 1955 beschlossen, auf das Statut als Voraussetzung dafür geeinigt. 22 Am 23. Oktober 1955 stand es zur Volksabstimmung. Im politischen Kampf des Sommers 1955, den die Westeuropäische Union ( W E U ) überwachte und in dem nun auch die Opposition und ihre Presse zugelassen waren, wurde der europäische Abstimmungsgegenstand jedoch in eine Alternative zwischen Frankreich und Deutschland uminterpretiert. Als das Statut, zur Überraschung der Regierungen in Paris und Bonn, mit zwei Dritteln der Stimmen abgelehnt wurde, akzeptierte Paris noch in derselben Nacht die Eingliederung der Saar in die Bundesrepublik. Sie erfolgte politisch am 1. Januar 1957 und wirtschaftlich am 6. Juli 1959. 23 In dem Kontext der Entwicklung seit Die Positionen der Bundesregierung gegenüber der Saar-Regierung gibt, ohne Einbeziehung französischer Quellen und mit eher kursorischem Blick auf die weichenstellende Zeit vor 1949, wieder: Herbert Elzer, D i e deutsche Wiedervereinigung an der Saar. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen und das N e t z w e r k der prodeutschen Opposition 1949 bis 1955, St. Ingbert 2007; ders., Konrad Adenauer, J a k o b Kaiser und die „kleine Wiedervereinigung". D i e Bundesministerien im außenpolitischen Ringen um die Saar 1949 bis 1955, St. Ingbert 2008. 21
Bilanz der Forschung zu Diplomatie, Militär, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur im europäischen und transatlantischen Zusammenhang: Hélène Miard-Delacroix/Rainer Hudemann, Hg., Wandel und Integration. Deutsch-französische Annäherungen der fünfziger Jahre/Mutations et intégration. Les rapprochements franco-allemands dans les années cinquante, München 2005; siehe zur deutsch-französischen diplomatischen E b e n e detailliert: Ulrich Lappenküper, D i e deutschfranzösischen Beziehungen 1 9 4 9 - 1 9 6 3 , 2 Bde., M ü n c h e n 2001. 2 3 Jean-Paul Cahn, Le second retour. Le rattachement de la Sarre à l'Allemagne, 1955-1957, Bern 1985. 22
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1950 erscheint die Mehrheit allerdings weniger erstaunlich als das immer noch bedeutende Drittel der für das europäische Statut abgegebenen Stimmen. Die Medienkontrolle, welche in der Diskussion über das Nachkriegsjahrzehnt an der Saar eine so zentrale Rolle spielt 2 4 , ist bislang kaum in ihrem eigenen Kontext gesehen worden. 2 5 Ebenso wie die wachsende Polarisierung auf der betrieblichen Ebene dadurch geschürt wurde, dass Frankreich die seiner eigenen Betriebskultur fremde Mitbestimmung auch den saarländischen Arbeitern verweigerte, so übertrug man in den Medien mit der organisatorischen Absicherung der Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme ein in der französischen politischen Kultur fest verankertes Element auf die Saar. Das Office de Radiodiffusion Télévision Française ( O R T F ) war noch bis 1974 ein Staatsrundfunk mit ständigen direkten Eingriffen der Regierung in Personal- und Redaktionsentscheidungen. Seit der Auflösung des O R T F 1974 wurden sie zwar bisweilen etwas diskreter, aber auf den Spitzenebenen bis heute fortgesetzt, und das mittlerweile auch in den privaten Sendern. Spannend an der Saar-Medienlandschaft im Nachkriegsjahrzehnt war ja gerade, dass die französische Regierung im eigenen Land noch keine Privatsender zuließ, an der Saar beim Aufbau des von der saarländischen Seite der Grenze nach Frankreich ausstrahlenden Senders Europe N o . 1 aber selbst mitmischte. Auch das gehörte zu den vielschichtigen deutsch-französischen Weichenstellungen und Vernetzungen in konfliktreicher Zeit. In der Bundesrepublik waren, anders als an der Saar, Zeitungsverbote und Journalistenausweisungen nicht das Mittel der Medienkontrolle. Aber die politische Einflussnahme war in der Ära Adenauer auch dort massiv. Für den Kanzler selbst ist das genau bekannt. 2 6 Auch auf der Länderebene geIm Einzelnen wird die Forschung zu den Medien an der Saar in den Beiträgen dieses Bandes aufgeführt und diskutiert. Siehe für die älteren, noch stark vom Abstimmungskampf 1955 geprägten Positionen zur Kontrollpolitik insbesondere: Dietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer K o n t r o l l e " , München 1969; Heribert Schwan, D e r R u n d f u n k als Instrument der Politik im Saarland 19451955, Berlin 1974. Paul Burgard setzt sich mit Schwans Arbeit in diesem Band genauer auseinander. Vgl. auch: Albert H . V. Kraus, Die Saarfrage ( 1 9 4 5 - 1 9 5 5 ) in der Publizistik. Die Diskussion um das Saarstatut vom 2 3 . 1 0 . 1 9 5 4 und sein Scheitern in der deutschen, saarländischen und französischen Presse, Saarbrücken 1988. 2 5 Besonders deutlich hat darauf hingewiesen: Heinen, Saarjahre. Zur Entwicklung der französischen Medien und der Staatskontrolle siehe präzise und umfassend Fabrice d'Almeida/Christian Delporte, Histoire des médias en France de la Grande Guerre à nos jours, Paris 2003. 2 6 Siehe unter anderem detailliert: Christina von Hodenberg, Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945-1973, Göttingen 2006, besonders S. 145-182; Daniela Münkel, Willy Brandt und die „Vierte G e w a l t " . Politik und Massenmedien in den 50er bis 70er Jahren, Frankfurt a. M . / N e w Y o r k 2005, S. 2 9 - 4 2 ; T h o m a s Mergel, Politischer Journalismus und Politik in der Bundesrepublik, in: Clemens Zimmermann, Hg., Politischer Journalismus, Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20.Jahrhundert, Ostfildern 2006, S. 193-211. 24
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hörte es zum politischen Stil der frühen Bundesrepublik. Beispielsweise hatte die britische Militärregierung die Unabhängigkeit des „Nordwestdeutschen Rundfunks" ( N W D R ) im Statut von 1948 besonders gut abzusichern versucht: „Reeducation" gehörte auch für Briten und Amerikaner zu den Kernzielen der Besatzungspolitik. Sofort nach Ende der Besatzungszeit wurde die Unabhängigkeit von den deutschen politischen Kräften aus Politik und gesellschaftlichen Gruppen jedoch radikal in Frage gestellt. Einflussnahme und die Versuche dazu waren an der Tagesordnung. Der daraus folgende Profilverlust des N W D R wurde zwischen 1949 und 1951 besonders auffällig. 27 Das Gesetz über den „Westdeutschen Rundfunk" ( W D R ) gewährte 1954 den Parlamentariern größere direkte Zugriffsmöglichkeiten als unter der Besatzungsmacht. 28 Unter solchen Umständen, und zumal angesichts der den Alltag beherrschenden Nachkriegsprobleme, erscheint es weniger verwunderlich, dass die Politik der Medienkontrolle erst 1952/1953 allmählich größeres Gewicht in der saarländischen öffentlichen Debatte erhielt: Die Position einer Gegenöffentlichkeit mussten viele Journalisten auch in der frühen Bundesrepublik verteidigen, wenn nicht gar erst erobern. Allerdings ging die saarländische Regierung mit Verboten so weit, dass auch der französische Hochkommissar Grandval den Ministerpräsidenten zurechtwies und an die Demokratisierungsprinzipien erinnerte. Es ist in diesem Band zu prüfen, ob und wie weit die starken institutionellen Positionen, über welche französisches Hochkommissariat und saarländische Regierung in den Medien verfügten, auch auf die journalistische Arbeit selbst durchschlugen. Die in der Einleitung zum Gesamtwerk ausgeführten Fragen, denen die Autoren des ersten Bandes nachgehen, sind für das Nachkriegsjahrzehnt vielfach sehr schwer zu beantworten. Vieles, was in diesem Werk dennoch erforscht werden kann, ist der großen Unterstützung durch das Landesarchiv des Saarlandes und die Archive des Saarländischen Rundfunks sowie der „Saarbrücker Zeitung" zu verdanken. Denn die Quellenlage ist für die meisten Teilbereiche ausgesprochen schlecht. Das hängt zwar mit dem Charakter journalistischer Arbeit zusammen, wie sie im zweiten und dritten Band systematisch erschlossen werden: Die Arbeit muss sehr schnell geleistet werden, Entscheidungen über Inhalte fallen in Gesprächen oder Redaktionskonferenzen, aus denen kaum je schriftliche Zeugnisse erhalten sind Zahlreiche Beispiele für die massive Einflussnahme bei: R o l f Geserick, V o m N W D R zum N D R . D e r H ö r f u n k und seine Programme 1 9 4 8 - 1 9 8 0 , in: Wolfram Köhler, Hg., D e r N D R . Zwischen Programm und Politik, H a n n o v e r 1991, S. 149-226, Zitat S. 179. Siehe zur Praxis der britischen Rundfunkpolitik: Arnulf Kutsch, U n t e r britischer Kontrolle. D e r Zonensender 1 9 4 5 - 1 9 4 8 , in: E b d . , S. 83-148.
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Geserick, N W D R , S . 1 6 7 f .
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und in der Regel auch nie existiert haben. Die Probleme gehen an der Saar jedoch darüber hinaus. D e r Saarländische Rundfunk hat zwar ein sorgfältig geführtes Archiv mancher seiner Sendungen, die Akten zur dahinter stehenden Rundfunkarbeit wurden aber erst seit jüngster Zeit systematischer erfasst. Aus der Frühzeit ist hier nur wenig Material erhalten, und das eher zufällig. Sendemanuskripte gehören fast nie dazu, soweit sie nicht in den Akten der Staatskanzlei liegen. Das zentrale Archiv von Europe N o . 1 für diese Jahre ist vor einigen Jahren bei einem Depotbrand in Paris weitgehend vernichtet worden. Die Saarbrücker Zeitung verfügt über ihre Zeitungsausgaben und ein Fotoarchiv, jedoch über keinerlei Schriftwechsel aus der Frühzeit. Aus der übrigen Presselandschaft waren keine nennenswerten Aktenbestände aufzufinden. 2 9 Mehr Material findet sich in den Akten der Staatskanzlei und des Presse- und Informationsamtes der Landesregierung im Landesarchiv. Viele öffentliche und private Institutionen des Landes haben ihre für das Tagesgeschäft nicht mehr benötigten Aktenbestände aber nicht professionell sichten lassen, sondern unbesehen vernichtet. Private N a c h lässe sind rar, manche vermutlich wichtigen Bestände, die einst existierten, sind auch hier nicht mehr erhalten. O h n e die französischen Archive wäre dieser Band daher kaum zu erarbeiten gewesen. Für Rundfunk und Fernsehen, deren Stellenwert auch für den französischen Technologieexport hoch war, sind die französischen Uberlieferungen aber gleichfalls reichhaltiger als für die Printmedien. Die methodische Unverzichtbarkeit der Heranziehung dieser gewaltigen Bestände wurde in der Einleitung zum Gesamtwerk bereits dargelegt. Im Hinblick auf die Quellenlage hatte die enge französische Kontrollpolitik der Nachkriegsjahre, welche enormes Informationsmaterial sammelte, zugleich zur Folge, dass wichtige Teilbereiche der Entwicklung des Saarlandes, wie auch der anderen Länder der ehemaligen französischen Besatzungszone, vor allem - und zu mancherlei Fragen: nur noch - aufgrund der französischen Bestände rekonstruiert werden können. 3 0 In einem Projekt, welches Landtag und Historisches Institut der Universität des Saarlandes 1987 gemeinsam auf den Weg brachten und dessen Durchführung insbesondere durch die Volkswagen-Stiftung ermöglicht worden ist, konnte in enger Zusammenarbeit mit
Ubersicht über die wichtigsten saarländischen Tageszeitungen und die Bibliotheken und Archive, in denen sie zugänglich sind, in: H u d e m a n n / H e i n e n , Das Saarland, S. 557-559. 3 0 Vgl. etwa: Stephan Pieroth, Parteien und Presse in Rheinland-Pfalz 1945-1971. Ein Beitrag zur Mediengeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Mainzer S P D - Z e i t u n g „Die Freiheit", Mainz 1994; Sigrun Schmid, Journalisten der frühen Nachkriegszeit. Eine kollektive Biographie am Beispiel von Rheinland-Pfalz, K ö l n / W e i m a r / W i e n 2000. F ü r Rheinland-Pfalz und Süd-Baden ist die Quellenlage erheblich günstiger als für die Saar, wenngleich ebenfalls - wie Schmid ausführlich darlegt - nicht befriedigend. 29
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dem französischen Außenministerium sowie dem Wirtschafts- und Finanzministerium umfangreiches Material erschlossen werden. 31 Die Akten liegen teils in Paris, teils waren sie zunächst in den Außenstellen des Quai d'Orsay in Nantes und im Besatzungsarchiv in Colmar verwahrt, 2010 werden diese Bestände in Paris zusammengeführt. Den engagierten Verantwortlichen sei hier erneut nachdrücklich gedankt. Manche wichtigen Zusammenhänge konnten weiterhin nur dank der gleichfalls voluminösen privaten Nachlässe von Gouverneur und Hochkommissar Gilbert Grandval und dem nach der Abstimmung von 1955 nach Frankreich emigrierten Innenminister Edgar Hector geklärt werden, deren Mikroverfilmung die Familien der Universität des Saarlandes großzügigerweise ermöglichten. Diese staatlichen und privaten Materialien französischer Herkunft stehen der internationalen Forschung seit mehreren Jahren im Historischen Institut der Universität des Saarlandes zur Verfügung und ergänzen die in bundesdeutschen und saarländischen Ministerien und Archiven erhaltenen Quellen. Für eine Mediengeschichte ergeben sich für den zweiten und dritten Band dieses Werkes spezifischer medienbezogene Fragestellungen als für diesen ersten Band. Sie wurden in der Einleitung zum Gesamtwerk zusammengefasst. Aufgrund der Quellenlage waren die Autorinnen und Autoren für die Nachkriegs jähre mit der Notwendigkeit ungewöhnlich mühsamer und zeitaufwändiger Recherchen konfrontiert und vermochten trotz größter Sorgfalt einige interessante Fragestellungen dennoch nicht so weit zu vertiefen, wie sie es wünschten. Der erste Teil dieses ersten Bandes gilt dem Kontext der Medienlandschaft im Nachkriegsjahrzehnt. Andreas Merl gibt einen Uberblick über die Tagespresse in der Zeit vom Ende des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. An der Saar blieben diese Jahre langfristig besonders prägend. Unter der Völkerbundverwaltung, der das Saargebiet - wie es bis 1935 hieß - im Versailler Vertrag 1919 zunächst für 15 Jahre unterstellt wurde, bildeten sich einerseits Internationalisierungserfahrungen heraus, wie sie andere deutsche Regionen nicht kannten. Zum andern aber wurde die politische Kultur hier aufgrund der starken ökonomischen und politischen Stellung Frankreichs in der Völkerbundverwaltung in sämtlichen Bereichen national überformt. Arbeitskämpfe, die ,im Reich' - so nannte man das übrige Deutschland an der Saar über Jahrzehnte - zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern ausgefochten wurden, erschienen hier als Auseinandersetzung mit Frankreich, das Vgl. dazu die Einleitung zu: Hudemann/Poidevin, Die Saar, S.5-10, zur Archivlage insgesamt die Einleitung in: Hudemann/Heinen, Das Saarland. Viele Motive erschließt der Querschnitt durch das Werk des Fotografen Walter Barbian, von dem auch einige der Fotos in diesem Werk stammen: Paul Burgard/Ludwig Linsmayer, Hg., Bilder der Großstadt. Barbian belichtet Saarbrücken (1948-1965), Saarbrücken 2009. 31
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die Schwerindustrie und den Bergbau beherrschte. Für die Kultur politischer Feste galt Gleiches. 32 1933 wurde das Saargebiet die einzige deutsche Region, in der es noch zwei Jahre lang eine freie Presse gab. Der Kampf um die für den 30. Januar 1935 angesetzte Volksabstimmung über die drei Alternativen einer Rückkehr an Deutschland, die Erhaltung des Status quo oder eine Angliederung an Frankreich wurde daher nicht allein unter dem Zeichen der Diktatur des Dritten Reiches geführt, sondern vor allem national aufgeladen. 33 Das Ergebnis von rund 90 Prozent für Deutschland wurde Hitlers erster großer außenpolitischer Erfolg. Die Saar-Presse wurde nun ebenso wie ,im Reich' gleichgeschaltet. Das aus den Konsequenzen der Abstimmung folgende Trauma prägte die Nachkriegsauseinandersetzungen tief greifend, die personellen Kontinuitäten verstärkten das noch. Natalie Pohl stellt die französische Printmedienpolitik an der Saar nach 1945 im Vergleich mit den anderen Ländern der französischen Zone dar. Sie untersucht die Lizenzierungs- und Personalpolitik und klärt die Verteilung der Kompetenzen und Vorgehensweisen zwischen Franzosen und saarländischer Regierung. Sie geht den inneren Widersprüchen nach, wie sie sich im Widerstreit von Demokratisierung und Kontrolle äußerten. Sie fragt nach den Konzepten und Eigentumsverhältnissen, nach den Organisationsformen, nach den verschiedenen Formen und Möglichkeiten der französischen und saarländischen Einflussnahme. Judith Hüser analysiert, wie die Kirchen als einflussreichste außerstaatliche Institution an der Saar das breite Register der Medien im Print- und Funkbereich einsetzten. Ihr Verhältnis zur Staatsmacht war im Nachkriegsjahrzehnt politisch hoch konfliktgeladen. Nachdem der Trierer Bischof Franz Rudolf Bornewasser 1935 einen erheblichen Einfluss auf die breite Zustimmung zur Rückkehr an das Dritte Reich ausgeübt hatte und das laizistische Frankreich nach 1945 beim Vatikan - vergeblich - die Schaffung eines eigenen Saar-Bistums zu erreichen versuchte, flössen auf diesem Feld zugleich sämtliche innenpolitischen und internationalen Problem- und Konfliktlinien der Saar-Frage zusammen. Der zweite Teil des Bandes arbeitet die Besonderheiten von Rundfunk und Fernsehen genauer heraus. Sie standen an der Saar in einem mehrfachen Spannungsfeld: Einerseits zwischen französischem Einfluss, allgemeiner deutscher Medienentwicklung und saarländischen Spezifika, andererseits zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk und Fernsehen.
Ludwig Linsmayer, Politische Kultur im Saargebiet 1920-1932. Symbolische Politik, verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region, St. Ingbert 1992. 3 3 Einen Zugang zur lange Zeit hoch kontroversen Forschung eröffnet: Ludwig Linsmayer, Hg., D e r 13.Januar. Die Saar im Brennpunkt der Geschichte, Saarbrücken 2005. 32
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Das Privatfernsehen der Bundesrepublik hatte seine ersten Wurzeln im Nachkriegsjahrzehnt an der Saar. Der Saarländische Rundfunk entwickelte früh ein besonderes Profil. 34 Paul Burgard setzt sich mit dem auch in der Medienforschung verbreiteten, in diesem Band jedoch als irrig erwiesenen Bild eines völlig von französischen Interessen und Programmen beherrschten Senders auseinander. Er untersucht die Aufbauetappen, die Personalpolitik, die Kontrollmechanismen und die Besitzverhältnisse, verfolgt die Ausdifferenzierung der Programmsparten und den Einzug der Werbung in das Programm. Den hohen internationalen Stellenwert, den das Haus bald sowohl in der alten Musik mit Karl Ristenparts Kammerorchester als auch in der modernen Musik und Komposition mit dem Sinfonieorchester erhielt, zeichnet Charles Scheel nach. Annette Kührmeyer analysiert Ausbau und Inhalte des Hörspiels, dem im SR ein besonderes Interesse galt, in seinem deutschen und internationalen medialen Kontext. Die Kontrolle der Medien erhielt an der Saar eine eigenartige Konnotation: Hier entstand der erste kommerzielle Privatsender, und zwar in enger Vernetzung mit französischer und saarländischer öffentlicher Hand. Andreas Fickers kann hier erstmals auf Archivbasis umfassend die Frühgeschichte der Saarländischen Fernseh AG und der Sender Tele-Saar und Europe No. 1 darstellen. Die Printmedienlandschaft, welcher sich der dritte Teil dieses Bandes zuwendet, ist noch schwieriger zu untersuchen als der Rundfunkbereich, in dem wenigstens größere französische Aktenbestände erhalten sind. Für das Zeitungswesen kann die Quellenlage nur schlicht als desaströs bezeichnet werden. Natalie Pohl schildert den Aufbau der Saarbrücker Zeitung nach 1945. Sie geht der Besetzung der Redaktion und ihrer Berichterstattung sowie der Ausdifferenzierung ihrer Sparten nach. Die Entwicklung der Eigentumsverhältnisse mit ihrer getarnten französischen Beteiligung waren im Gesamtkontext der Medienlandschaft Saar von besonderer Relevanz. Alexander König legt eine medienwissenschaftlich durchgeführte Inhalts analyse des Blattes vor, welche für die Klärung der vielfach vermuteten französischen Beherrschungsmechanismen besonders aufschlussreich ist. Ines Heisig analysiert die Parteipresse, die sich an der Saar schon 1946 und damit ein Jahr vor Rheinland-Pfalz und anderen deutschen Ländern entfalten konnte. Von französischer Seite wurde sie im Kontext der Demokratisierungspolitik systematisch gefördert. Mit dem Anwachsen der innenpoliSiehe zum SR zuletzt: Fritz Raff/Axel Buchholz, Hg., Geschichte und Geschichten des Senders an der Saar. 50 Jahre Saarländischer Rundfunk, Freiburg/Basel/Wien 2007. 34
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tischen Opposition in den 1950er Jahren wurde gerade dieses Feld aber auch besonders problematisch, weil zwar eine Oppositionspresse - insbesondere auch der Kommunisten - grundsätzlich bestehen blieb, jedoch Organe, welche gegen den Wirtschaftsanschluss an Frankreich eintraten, nicht zugelassen wurden und entsprechende Artikel in anderen Blättern zu zeitweiligen Erscheinungsverboten führen konnten. Als Beispiel für die Spartenpresse analysiert Bernd Reichelt die Sportpresse. An der Saar entstand auch sie früher wieder als im übrigen Deutschland. Das hing zum einen mit der französischen Furcht vor dem deutschen Nationalismus zusammen: Die Vernetzung von Sport und Militarisierung hatte in Frankreich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine lange Tradition. Andererseits sollte gerade auf die Jugend im Sinne einer Demokratisierungspolitik eingewirkt werden. 3 5 Schließlich sollte die F o r m der Organisation des Sports die saarländische Autonomie stärken. So erhielt der Saar-Sport, mit seiner eigenen OlympiaMannschaft, in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Rolle in dem spezifischen Faktorenbündel, welches die Saar nach 1945 kennzeichnete. Medienentwicklung und Saar-Kontext hingen einmal mehr eng miteinander zusammen. Abschließend zeichnet Susanne Dengel den aufgewühlten, dreimonatigen Abstimmungskampf des Sommers 1955 in den Zeitungen nach. Die Beiträge dieses ersten Bandes ergänzen sich gegenseitig in ihren methodischen und inhaltlichen Ansätzen und geben so trotz aller quellenbedingter Schwierigkeiten ein lebendiges Bild von den Eigenarten des N a c h kriegsjahrzehnts in seinen vielfältigen Konstellationen.
Stefanie Woite-Wehle, Zwischen Kontrolle und Demokratisierung. D i e Sportpolitik der französischen Besatzungsmacht in Südwestdeutschland, Schorndorf 2001. 35
Medienpolitik im Zeichen von Demokratisierung, Kontrolle und Teilautonomie
Andreas
Merl
Tagespresse im Saargebiet 1918-1945
1. Einleitung „Wie die Zeitung ein nicht wegzudenkender Faktor im politischen und wirtschaftlichen Leben der Gegenwart ist, so ist die Zeitung eines Gebietes mit politischem Hochdruck, wie des Saargebietes, ein besonders gewichtiger Faktor" 1 , konstatierte Heinrich Baldauf 1934 in seiner Dissertation über die saarländische Presse. Zur gleichen Zeit tobte eine erbitterte und nationalistisch aufgeladene Auseinandersetzung um die politische und territoriale Zukunft der Region. 14 Jahre zuvor war das Gebiet, nachdem es von N o vember 1918 bis in den Januar 1920 von französischem Militär besetzt und verwaltet worden war, durch das Saarstatut des Versailler Vertrages aus Deutschland herausgelöst und einer Regierungskommission des Völkerbundes unterstellt worden. Nach Ablauf von 15 Jahren sollte die Saarbevölkerung in einer freien und geheimen Volksabstimmung die Möglichkeit erhalten, über ihre zukünftige staatliche Zugehörigkeit zu entscheiden. Uber deren Ausgang gab es zu Beginn des Jahres 1933 nicht den geringsten Zweifel, da sich Parteien, Verbände und Presse seit der Trennung von Deutschland für eine vorbehaltlose Rückkehr einsetzten. Doch mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler Ende Januar 1933 änderte sich diese Sichtweise. Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Machtübernahme und den damit einsetzenden politischen Umwälzungen in Deutschland mehrten sich, besonders im Lager der Arbeiterparteien und in katholischen Kreisen, Stimmen, die sich vehement gegen eine sofortige Rückgliederung zum gegenwärtigen Zeitpunkt aussprachen und bei den Abstimmungsberechtigten für die Beibehaltung des Status Q u o warben. Dennoch entschieden sich am Tag der Abstimmung, dem 13.Januar 1935, über 90 Prozent der Stimmberechtigten für eine Rückkehr zum Deutschen Reich und verhalfen somit dem nationalsozialistischen Regime zu seinem ersten großen außenpolitischen Erfolg. 2
1
Heinrich Baldauf, F ü n f z e h n Jahre publizistischer Kampf u m die Saar, Saarbrücken 1934, S. 66. Vgl. zur Zeit der V ö l k e r b u n d v e r w a l t u n g u n d Saarabstimmung insbesondere: Frank G. Becker, „Deutsch die Saar, immerdar!" Die Saarpropaganda des Bundes der Saarvereine 1919-1935, Saarbrücken 2007; Ludwig Linsmayer, Hg., D e r 13.Januar. Die Saar im B r e n n p u n k t der Geschichte, Saarbrücken [2005]; ders., Politische K u l t u r im Saargebiet 1920-1932. Symbolische Politik, verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region, St. Ingbert 1992. 1
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Andreas Merl
Offiziell wurde das Saargebiet am l . M ä r z 1935 an Deutschland rückgegliedert. Damit endete zunächst ein politischer und territorialer Sonderweg 3 , der sich jedoch nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges fortsetzen sollte. Begleitet und mitbestimmt wurde diese Entwicklung von der saarländischen Presse. Ab Mitte des 19.Jahrhunderts entwickelte sich die Zeitung im Zuge von Urbanisierung, Alphabetisierung, technischem Fortschritt auf dem Gebiet der Nachrichtenübermittlung und Drucktechnik sowie der Ausdifferenzierung des Journalistenberufs zum Massen- und Leitmedium. 4 Auch an der Saar galten Zeitungen, selbst nach Aufkommen neuer publizistischer Angebote durch Rundfunk und Kino, als primäre Informations- und Unterhaltungsquelle und waren unverzichtbarer Bestandteil des täglichen Lebens. Mit seiner besonders hohen Zeitungsdichte - Sperlings Zeitungsund Zeitschriftenkatalog führt für 1930 insgesamt 26 Hauptausgaben auf 5 war das Saargebiet in der Völkerbundzeit nahezu flächendeckend publizistisch abgedeckt. Bis zum heutigen Tag liegt keine verwertbare wissenschaftliche Arbeit für den Bereich der Tagespresse im Untersuchungszeitraum für das Saargebiet vor. Die Beschäftigung mit dem Thema im Kontext von französischer Militärverwaltung und Völkerbundsmandat begann bereits in den 1930er und 1940er Jahren. Diese Arbeiten sind aber mit großer Vorsicht zu behandeln, da sie stark politisch motiviert und gefärbt sind. 6 Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien mit der „Geschichte der Saarbrücker Zeitung", die aus der Feder ihres langjährigen Redakteurs Ludwig Bruch stammt, eine erste, auch über geschichtliche Zäsuren hinweggehende, jedoch kaum minder einseitige Darstellung zur saarländischen Pressegeschichte. 7 Dem langjährigen StadtarIn der Forschung hat sich zur Beschreibung der politischen Entwicklung der Saarregion in der Zeit von 1 9 1 9 bis 1959 der Begriff des .Sonderweges' etabliert. Vgl. grundlegend: Marcus Hahn in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann, Rainer Hudemann und Elisabeth Thalhofer, Das Saarland 1945-1957. Zur Einführung in Grundprobleme und Forschungsgegenstand, in: Rainer Hudemann/Armin Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann und Marcus Hahn, Hg., Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Mit einer C D - R o m zum Abstimmungskampf 1955 von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007, S. 15-93, hier S.68. 3
Axel Schildt, Das Jahrhundert der Massenmedien. Ansichten zu einer künftigen Geschichte der Öffentlichkeit, in: Geschichte und Gesellschaft 27, 2001, S. 177-206, hier S. 188-190. 5 Sperlings Zeitschriften- und Zeitungs-Adressbuch. Handbuch der deutschen Presse. Bearbeitet von der Adressbücher-Redaktion der Geschäftsstelle des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, 56, 1930, S. 558-560. 6 Baldauf, Kampf; Eugen Wagner, Die Presse des Saargebiets und ihr Kampf gegen die französischen Annexionsbestrebungen in den Jahren 1 9 1 8 bis 1925, Saarbrücken 1933; Alfred-Helmut Jacob, Das Ende des Separatismus in Deutschland. Dargestellt am Abwehrkampf der deutschen Publizistik in der Pfalz und an der Saar 1 9 1 9 bis 1935, Berlin 1940. 4
7 Ludwig Bruch, Weg und Schicksal einer deutschen Zeitung, in: Saarbrücker Zeitung, Hg., 200 Jahre Saarbrücker Zeitung 1 7 6 1 - 1 9 6 1 , Saarbrücken 1961, S. 15-203.
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chivar Hanns Klein war es zu verdanken, dass mit der Veröffentlichung von Auszügen der Tagebuchaufzeichnungen Paul Siegmanns, von 1933 bis 1935 Chefredakteur der für den Status Q u o plädierenden „Saarländischen G e werkschafts-Zeitung", ein wichtiges Zeitdokument für die Forschung erschlossen wurde. 8 Die Rolle der Presse in der französischen und deutschen Saarpolitik bis 1935 wurde im Rahmen der Arbeiten von Peter Lempert 9 und Fritz J a c o b y 1 0 skizzenhaft beschrieben. Mit den Auswirkungen der restriktiven Pressepolitik des NS-Regimes auf die Saarpresse befasste sich Dieter Muskalla. 1 1 Die vorliegende Darstellung soll einen Uberblick über die Geschichte der saarländischen Tagespresse vor dem Hintergrund der politischen und territorialen Sonderentwicklung zwischen 1919 und 1945 bieten. Vier Phasen, in denen die Pressearbeit unterschiedlichen politischen, rechtlichen und ö k o nomischen Rahmenbedingungen unterworfen war, können dabei voneinander abgegrenzt werden: die der Arbeiter- und Soldatenräte sowie der französischen Militärverwaltung (1918-1920), die Zeit des Völkerbundmandates (1920-1932), der Abstimmungskampf (1933-1935) und die NS-Herrschaft (1935-1945). Die Darstellung stützt sich - neben der bereits genannten Literatur - auf Aktenbestände aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes und der Alten Reichskanzlei im Bundesarchiv, die beide in Berlin aufbewahrt werden, sowie auf das Firmenarchiv der Saarbrücker Druckerei und Verlag A G und einzelne Dokumente unterschiedlicher Provenienz aus dem Landesarchiv des Saarlandes in Saarbrücken. Herangezogen wurden zudem die zeitgenössischen Zeitungen selbst.
2. P r e s s e w ä h r e n d d e r H e r r s c h a f t d e r A r b e i t e r - u n d S o l d a t e n r ä t e u n d der französischen Militärverwaltung ( 1 9 1 8 - 1 9 2 0 ) A m 9. November 1918 konstituierte sich auch in Saarbrücken ein Arbeiterund Soldatenrat, der rasch die Kontrolle über die Zivil- und Militärbehörden erlangte. Jedoch stand dieser nach kurzer Zeit vor der entscheidenden Frage, wie seine Bekanntmachungen und Verlautbarungen der Öffentlichkeit ver-
8 Paul Siegmann, Vor vierzig Jahren. D e r Kampf um den 13. Januar 1935. Tagebuch-Auszüge, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 22, 1974, S. 2 2 4 - 3 2 5 .
Peter Lempert, „Das Saarland den Saarländern!" Die frankophilen Bestrebungen im Saargebiet 1918-1935, Köln 1985.
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1 0 Fritz Jacoby, Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar. Die innenpolitischen Probleme der Rückgliederung des Saargebietes bis 1935, Saarbrücken 1973.
' 1 Dieter Muskalla, N S - P o l i t i k an der Saar unter Josef Bürckel. Gleichschaltung - Neuordnung Verwaltung, Saarbrücken 1995.
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mittelt werden sollten. Der Rat strebte daher eine Übernahme bzw. Beschlagnahmung der städtischen Zeitungen und ihrer Betriebsmittel an, was jedoch zunächst am Widerstand von Verlegern und Redakteuren scheiterte. In weiteren Verhandlungen mit dem Besitzer der „Saarbrücker Zeitung", Richard Hofer, erreichten beide Seiten eine akzeptable Lösung. Der Arbeiter- und Soldatenrat verzichtete dabei auf seine Forderungen nach einer Unternehmensbeteiligung und der Einsetzung eigener Redakteure. Im Gegenzug musste sich Hofer verpflichten, die Zeitung mit dem Untertitel „Amtliches Veröffentlichungsblatt des Arbeiter- und Soldaten-Rates Saarbrücken" herauszugeben und die Zeitung unter Zensur zu stellen. Die beiden Zentrumsorgane „Saar-Post" und „Saarbrücker Volks-Zeitung" blieben hingegen von diesen Maßnahmen ausgeschlossen und erreichten ihre Leser weiterhin uneingeschränkt. 12 Die Besetzung durch französisches Militär am 22. November beendete die Herrschaft der Arbeiter- und Soldatenräte, die zwei Tage später endgültig von General Grégoire aufgelöst wurden. An der Spitze der französischen Militärverwaltung für die gesamte Saarregion stand - als Administrateur Supérieur de la Sarre - General Joseph Andlauer, der während seiner Amtsperiode auf ein ausgleichendes und einvernehmliches Auskommen mit Behörden und Bevölkerung bedacht war. Andlauer wurde im November 1919 durch Generalleutnant Henri Wirbel abgelöst, der die Militärverwaltung bis zur ihrem Ende am 26. Februar 1920 leitete. Frankreichs Kriegsziele variierten zwischen 1914 und 1918 je nach politischer Führung und militärischer Lage. Eine Annexion des Saarreviers, auch von intellektuellen und wirtschaftlichen Gruppen in der im Einzelnen sehr vielfältigen öffentlichen Diskussion vehement gefordert, wurde im Verlauf des Krieges Regierungsziel. 13 Bei den Versailler Friedensverhandlungen setzte sich Paris damit jedoch nicht durch. Die Aufrechterhaltung von Sicherheit und öffentlicher Ruhe zur Absicherung der in der Militärverwaltungsphase 1 9 1 8 / 1 9 1 9 - also während der Friedensverhandlungen - in Frankreich noch weithin unterstützten Annexionspläne wurden die Grundlage der frühen französischen Pressepolitik. In einem ersten Schritt wurden die publizistischen Freiheiten der Redaktionen beschnitten, was sich während
1 2 Karl Ollmert, 1918, 1919 und 1920, in: Saarbrücker Landes-Zeitung, Jubiläums-Ausgabe „Die Saar kehrt heim" vom N o v e m b e r 1934, S. 89; Helmut Metzmacher, D i e Herrschaft des Arbeiterund Soldatenrates in Saarbrücken 1918, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 19, 1971, S. 2 3 0 - 2 4 8 , hier S . 2 4 2 f . 1 3 Vgl. zu den Kriegszielen Frankreichs: G e o r g e s - H e n r i Soutou, D i e Kriegsziele Frankreichs im Ersten Weltkrieg, in: W o l f D . Gruner/Klaus-Jürgen Müller, Hg., Ü b e r Frankreich nach Europa. Frankreich in Geschichte und Gegenwart, H a m b u r g 1996, S. 3 2 7 - 3 3 9 ; ders., L'or et le sang. Les buts de guerre économiques de la Première Guerre mondiale, Paris 1989, unter anderem S. 786 f.
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der ersten Monate der Besatzungszeit in einer Reihe von Zensur- und Presseanweisungen niederschlug. Zeitungen durften daher nur noch erscheinen, wenn sie vorher den Weg der Vorzensur beschritten hatten und mit dem Vermerk „Imprimé avec permission de la Censure de la Place d e . . . " 1 4 versehen wurden. Verstöße gegen die Auflagen wurden mit Geldstrafen und mehrtägigen Zeitungsverboten geahndet. 1 5 Parallel dazu wurden sämtliche Verbindungen der Zeitungen zu den deutschen Nachrichtendiensten unterbrochen mit dem Ziel, nur noch Meldungen über Deutschland und das Ausland zu veröffentlichen, die eine pro-französische Tendenz aufwiesen. Zu diesem Zweck bot man den Redaktionen kostenlos Nachrichten und Beiträge der französischen Nachrichtenagentur „Havas" an. 1 6 Meldungen, die in das Saargebiet gelangen sollten und aus einer nichtfranzösischen Pressequelle stammten, wurden in Mainz gesammelt und vor ihrer Weiterleitung ebenso einer Zensur unterzogen. D a jedoch die Filiale des „Wolff'schen Telegraphischen Bureaus" in Saarbrücken bestehen blieb, konnten die pressedienstlichen Kontakte mit dem Deutschen Reich nicht vollständig unterbunden werden. 1 7 U m die Bevölkerung auf eine mögliche bevorstehende Annexion vorzubereiten bzw. für sie zu werben, bediente sich die Besatzungspolitik der Methode der .pénétration pacifique'. Neben einem umfangreichen kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Engagement setzte man auf eine Lenkung der Presseberichterstattung, um Sympathien für Frankreich zu wecken. 1 8 Die Saarpresse war ab Januar 1919 gehalten, pro-französische Artikel ohne Angabe des Urhebers und eigene Kommentierung abzudrucken. Auf die Presseanweisungen der Militärverwaltung regte sich besonders bei den Saarbrücker Zeitungsverlagen Widerstand, wobei ganz offen die Gefahr weiterer Sanktionen in Kauf genommen wurde. Für die kleineren Lokalblätter hätte ein solches Vorgehen hingegen den wirtschaftlichen Ruin bedeutet, so dass sie gezwungen waren, sich streng nach den Presseanweisungen zu richten. 1 9 Für die französische 14 Ludwig Bruch, Die Franzosen im Saargebiet. Erinnerungen an die ersten saarländischen Besatzungsjahre, Saarbrücken 1934, S . 3 9 . 1 5 Bestimmungen über die Beaufsichtigung der Presse im besetzten Gebiet, 1 6 . 1 2 . 1 9 1 8 ; Regelung des Pressedienstes von General Charles Mangin, 1 5 . 1 . 1 9 1 9 , beides abgedruckt in: Wagner, Kampf, S. 52, 54 f.
Bruch, Weg, S. 144. Schreiben T h e o d o r Vogels an das Auswärtige A m t in Berlin, 2 3 . 2 . 1 9 2 0 , Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA A A ) Berlin, Friedensabteilung, R 95 913; Johannes Reinicke, Ein N a c h richtenbüro im Saarkampf, in: Saarbrücker Landes-Zeitung, 1 . 3 . 1 9 3 5 N r . 5 9 , S. 14. 16 17
18 Peter Hüttenberger, Methoden und Ziele der französischen Besatzungspolitik nach dem Ersten Weltkrieg in der Pfalz, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 108, 1972, S. 105-121, hier S. 108 f. 19 Albert Zühlke, Ehre, dem E h r e gebühret! Ein Kapitel aus dem Freiheitskampf an der Saar, in: Saar-Freund 2, 1926, S.21 f.
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Seite war dies zumindest ein Teilerfolg. Insgesamt war das Ergebnis jedoch unbefriedigend, da die großen Saarbrücker Blätter an ihrer oppositionellen Haltung festhielten - selbst als ihnen von französischer Seite Geld für eine Kooperation geboten wurde.20 Bis zum Amtsantritt der Regierungskommission im Februar 1920 kamen Zensur, Zeitungsverbote, Geld- und Gefängnisstrafen sowie Ausweisungen von Journalisten weiter zur Anwendung.21 Die Militärverwaltung musste schließlich erkennen, dass die Saarpresse trotz aller Repressalien und Lockungen mit wenigen Ausnahmen nicht zu einer Zusammenarbeit bewegt werden konnte - nicht zuletzt auch aufgrund der bereits angelaufenen, verborgenen Unterstützung dieser Presseunternehmen durch die deutschen Behörden. 22 U m dennoch in der Öffentlichkeit wirken zu können, wurden durch einen Mittelsmann Zeitungsverlage und Druckereien angekauft. Frankreich verfolgte damit zwei Ziele: Einerseits sollte mit der Herausgabe und Etablierung eigener Zeitungen gezielt und verstärkt Einfluss auf die Bevölkerung genommen werden. Andererseits konnte durch Ankäufe von Zeitungsverlagen nicht nur das oppositionelle Lager geschwächt, sondern gleichzeitig auch der eigene Leserkreis vergrößert werden. Die Herausgabe des „Neuen Saar-Kurier/Le Nouveau Courrier de la Sarre" 23 ab 16.Juni 1919, einer zweisprachigen halbamtlichen Abendzeitung, war dabei nur der Ausgangspunkt. Es folgte die Verlagsübernahme des „Saarlouiser Tageblatts" zwei Wochen später, das nun unter dem Titel „Saarlouiser Journal" herausgegeben wurde. 24 Möglich geworden waren die Ankäufe in vielen Fällen durch die katastrophale wirtschaftliche Lage der saarländischen Presse nach dem Ersten Weltkrieg. So brachte der durch die französische Militärverwaltung gezielt verschärfte Mangel an Druckpapier, Gas, Strom und Wasser vor allem viele mittlere und kleinere Lokalblätter an den Rand der Insolvenz. Nur unter großen Schwierigkeiten gelang es den Zeitungen, in diesen Tagen überhaupt zu erscheinen.25
3. Presse in der Zeit des Völkerbundmandates (1920-1932) Während der Friedensverhandlungen in Versailles konnte sich Frankreich mit seiner Forderung nach einer Annexion des Saarreviers nicht durchsetzen. Stattdessen einigten sich die beteiligten Parteien auf einen Kompromiss, 20 21 22 23 24 25
O i l m e n , 1918, S. 89. Bruch, Weg, S. 143-151. Becker, „Deutsch die Saar...", S.219-222. Akte betreffend Saar-Kurier, PA A A Berlin, II a Saargebiet, R 75 938. Lempert, Saarland, S. 411-434. Becker, „Deutsch die Saar...", S.219f.
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der in den Artikeln 45 bis 50 des Versailler Vertrages verankert wurde: das so genannte ,Saarstatut'. Demnach sollte die Industrieregion an der Saar mit den angrenzenden Einzugsbereichen aus dem Deutschen Reich herausgelöst und treuhänderisch durch den Völkerbund verwaltet werden. D e r Regierungskommission sollten ein Franzose, ein Saarländer und drei Vertreter anderer Mitgliedsstaaten des Völkerbundes angehören. Nach 15 Jahren hatten die Bewohner über ihre weitere politische Zukunft frei und geheim zu entscheiden: Rückgliederung an das Deutsche Reich, Vereinigung mit Frankreich oder die Beibehaltung der bisherigen Verwaltungsordnung. Die Gruben gingen als wirtschaftliche Wiedergutmachung für deutsche Kriegsschäden in den Besitz des französischen Staates über. Eine politische Einflussnahme seitens der Bevölkerung war während der Mandatszeit auf Landesebene nicht vorgesehen. So beschränkte sich die politische Mitarbeit der Parteien zunächst auf Gemeinderäte und Kreistage. Jedoch wurde der Saarbevölkerung vollständige Versammlungs-, Rede- und Pressefreiheit eingeräumt. 2 6 Zum ersten Präsidenten der Regierungskommission wurde der Franzose Victor Rault bestellt, der zusammen mit den vier anderen Mitgliedern am 26. Februar 1920 die Arbeit aufnahm. Von einer neutralen Ausübung der Amtsgeschäfte, wie es das Saarstatut vorsah, konnte jedoch von Beginn an keine Rede sein. Die von Rault eingeschlagene politische Linie zielte auf den Ausbau der französischen Rechte und eine Autonomie des Saargebietes, die mit einer Neuausrichtung der Saarwirtschaft auf Frankreich, der langsamen Lösung von der deutschen Verwaltungs- und Kulturtradition sowie der U n terdrückung kritischer Stimmen innerhalb des Saargebietes einhergehen sollte. Nach Raults Uberzeugung stand seine Politik nicht nur im Einklang mit den Vorgaben des Völkerbundes, sondern diente auch den Interessen der Bevölkerung. 2 7 Raults Bemühungen um eine francisation' des Saargebietes stießen bei einem Großteil der Bevölkerung, Parteien, Verbänden, Kirchen und nicht zuletzt auch in der Presse auf erbitterte Widerstände. Die Presse zeigte eine bisher kaum gekannte Einigkeit, wenn es darum ging, die Verbindungen zu Deutschland zu verteidigen, gegen den pro-französischen Kurs der Regierungskommission zu opponieren, den deutschen Charakter der Saar zu betonen und sich für eine bedingungslose Rückgliederung an Deutschland einzusetzen. Besondere Bedeutung kam der Presse bis zur Konstituierung des neu geschaffenen Landesrates im Sommer 1922 zu, bot sie doch Parteien und
26
Klaus Schwabe, Die Saarlandfrage in Versailles, in: Saarheimat 29, 1985, S. 17-20.
Vgl. zur Politik der Ära Rault: Maria Zenner, Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1 9 2 0 - 1 9 3 5 , Saarbrücken 1966, S . 4 2 - 5 7 ; Lempert, Saarland, S . 5 2 - 8 0 ; Linsmayer, Politische Kultur; Becker, „Deutsch die S a a r . . . " . 27
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Organisationen bis dahin die einzige Möglichkeit, zumindest indirekt politischen Einfluss auf die Regierungskommission zu nehmen. 28 Konfrontationen zwischen Regierungskommission und Presse blieben daher keine Ausnahme und fanden im Beamtenstreik (August 1920) und im Hunderttagestreik der Bergarbeiter (Februar bis Mai 1923) ihre Höhepunkte. Den publizistischen Angriffen begegnete die Regierungskommission zunächst mit den bereits in der Zeit der französischen Militärverwaltung angewandten restriktiven Methoden. 29 Mit der Notverordnung vom 7. März 1923, die unter anderem Pressezensur sowie ein Verbot von Kritik am Völkerbund, an der Regierungskommission und am Vertrag von Versailles vorsah, verschärfte Rault sein Vorgehen gegen die Presse. Die Unterdrückung der öffentlichen Meinung und der Pressefreiheit wurde indes von Parteien und Presse nicht ohne weiteres hingenommen. In mehreren Petitionen und Denkschriften an den Völkerbundsrat in Genf wurde die Aufhebung der Notverordnung gefordert. Rault, inzwischen in Genf unter Druck geraten, wurde zum Einlenken bewegt und nahm die Bestimmungen zurück. An ihre Stelle trat am 18. Juni 1923 eine Ersatznotverordnung, die zwar in ihren Bestimmungen liberaler gehalten war, aber der Regierungskommission immer noch Optionen an die Hand gab, gegen die Presse vorzugehen. 30 Unter den Nachfolgern Victor Raults, dem Kanadier George W. Stephens und dem Engländer Sir Ernest Wilton, entspannte sich vorübergehend das Verhältnis31, da sie die vom Völkerbund eigentlich vorgesehene und von Deutschland geforderte Neutralität bei der Durchführung der Amtsgeschäfte nun tatsächlich umsetzten. Die Presse blieb aber weiterhin auf kritischer Distanz und verfolgte aufmerksam jeden Schritt, mit dem die Regierungskommission von der Linie einer neutralen Amtsführung abzuweichen schien. Insgesamt reduzierten sich jedoch nun Eingriffe in die Rechte und Freiheiten der Saarpresse, wie sie die noch bestehende Ersatznotverordnung nach wie vor erlaubte. Erst in den Auseinandersetzungen während des Saarkampfes (1933-1935) waren Zeitungsverbote durch die Regierungskommission, der nun Wiltons Landsmann Geoffrey George Knox vorstand, wieder an der Tagesordnung. 32 Zu Beginn des Jahres 1920 gestaltete sich die wirtschaftliche Lage der Zeitungsverlage immer dramatischer. Sprunghaft gestiegene Material- und Lohnkosten, der weiterhin bestehende Mangel an Zeitungspapier sowie die Zenner, Parteien, S.59f. Bruch, Weg, S. 154-161. 3 0 Wagner, Presse, S. 81-130. 31 Anonymus, Eine weitere Besprechung des Präsidenten Wilton mit der Presse, in: Saar-Zeitung, 19.8.1927 Nr. 188, o.S. 3 2 Anonymus, N e u e r Einspruch der Saarpresse in Genf, in: Saarbrücker Zeitung, 6.9.1933 Nr. 235, O.S.; vgl. Baldauf, Kampf, S. 117-134.
28
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Tagespresse im Saargebiet 1918-1945
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zunehmende Konkurrenz der französischen Blätter setzte die Verleger unter wachsenden Druck. 3 3 Theodor Vogel, Geschäftsführer des Bundes der Saarvereine 34 , hatte seit 1919 in Denkschriften an mehrere Reichsministerien auf die prekäre Situation der Saarpresse aufmerksam gemacht und wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen gefordert. 3 5 U m eine weitere publizistische Tätigkeit der deutschen Presse in den Abtretungs- und Abstimmungsgebieten zu sichern, wurde in den ersten Monaten des Jahres 1920 in Berlin mit einem Kapital von zehn Millionen Reichsmark die Konkordia Literarische Anstalt G m b H gebildet. Sie war eine parteiübergreifende und auf Gewinn ausgerichtete Gesellschaft, die zu gleichen Teilen vom Deutschen Reich und Preußen finanziert und von Max Winkler geleitet wurde. 3 6 Nach Winklers Uberlegungen sollte die Gesellschaft Zeitungsverlagen in den abgetrennten Gebieten finanzielle und materielle Hilfe bereitstellen, um sie so für die deutsche Kulturarbeit zu erhalten. Der erste Zeitungsverlag, der auf diesem Weg in den Besitz der Konkordia gelangte, war jener der Saarbrücker Zeitung. U n terrichtet über den wiederholten französischen Versuch, Besitzer Richard Hofer zu einem Verkauf zu bewegen, trat Winkler an diesen mit einem Ubernahmeangebot von 60 Prozent des Aktienkapitals heran. Für mehr als eine Million Reichsmark wechselten die Anteile im Dezember 1920 zur Konkordia, wobei die restlichen 40 Prozent im Privatbesitz der Familie H o fer verblieben. Aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung mussten in der Zeit von 1920 bis 1932 nahezu alle Zeitungsverlage von W i n k ler durch Darlehen und Beteiligungen unterstützt werden. Die meisten der bewilligten Gelder flössen einzig in die Beschaffung von Druckpapier. Ohne die reichsdeutschen Subventionen wären viele Unternehmen spätestens Mitte der 1920er Jahre zusammengebrochen. 3 7
Z e i t u n g s v e r l e g e r F r a n z C a r l H i l g e r an das A u s w ä r t i g e A m t , 3 0 . 3 . 1 9 2 0 , PA A A Berlin, I I a Saargebiet, R 76 176. 34 Vgl. u m f a s s e n d zu T h e o d o r Vogel und d e m B u n d der Saarvereine: Becker, „Deutsch die Saar...". 3 5 U n t e r a n d e r e m Schreiben an das P r e u ß i s c h e F i n a n z m i n i s t e r i u m , 11.2.1920, Bundesarchiv ( B A r c h ) Berlin, R 43 1/239. 36 M a x W i n k l e r (1875-1961): B ü r g e r m e i s t e r von G r a u d e n z / W e s t p r e u ß e n , Politiker; 1920-1933 R e i c h s t r e u h ä n d e r f ü r die abgetrennten Gebiete, 1937 R e i c h s b e a u f t r a g t e r f ü r die deutsche F i l m i n dustrie, 1939 bis 1945 Leiter der H a u p t t r e u h a n d s t e l l e O s t ( H T O ) . B i o g r a p h i s c h e S k i z z e bei: W i n fried B. Lerg, M a x W i n k l e r , der F i n a n z t e c h n i k e r der Gleichschaltung, Zeitungsverlag und Zeitschriftenverlag (ZV+ZV) 60:13, 1963, S . 6 1 0 - 6 1 2 . Vgl. zu W i n k l e r s T ä t i g k e i t e n w ä h r e n d der Weimarer R e p u b l i k und im R a h m e n der K o n k o r d i a : H e l g a W e r m u t h , Dr. h.c. M a x W i n k l e r - Ein Gehilfe staatlicher Pressepolitik in der W e i m a r e r R e p u b l i k , Diss. phil. M ü n c h e n 1975; C l e m e n s Z i m m e r m a n n , M e d i e n im N a t i o n a l s o z i a l i s m u s . Deutschland 1933-1945, Italien 1922-1943, Spanien 1936-1951, Wien/Köln/Weimar 2007, S. 169f. 3 7 Schreiben der K o n k o r d i a G m b H an das R e i c h s f i n a n z m i n i s t e r i u m , 27.7.1926, PA A A Berlin, Presseabteilung, R 122 445; W e r m u t h , M a x Winkler, S. 125-158. 33
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Andreas Merl
Als Gegengewicht zu den deutschen Blättern hatten sich bis 1932 mehrere frankophile Zeitungen in der Presselandschaft des Saargebietes etabliert: der bereits genannte Neue Saar-Kurier, der sein Erscheinen allerdings 1926 wieder einstellte, das Saarlouiser Journal sowie die 1931 gegründete „Saar-Chronik" bzw. „Chronik". Durch ihr offenes Eintreten für die französische Saarpolitik und die Autonomie des Saargebietes blieb ihr Leserkreis überschaubar und konzentrierte sich meist auf die Gegend um Saarlouis und den Warndt. Flankiert wurden die Zeitungen von teilweise unregelmäßig erscheinenden Zeitschriften wie dem „Journal de la Sarre" oder dem nun von der französischen Administration der Mines Domaniales herausgegebenen „Saarbrücker Bergmannskalender". Trotz deren geringen Einflusses auf die Saarbevölkerung ließ die deutsche Seite nichts unversucht, die frankophilen Blätter weiter zurückzudrängen und damit der französischen Propaganda ihre Grundlage zu entziehen. Die Bandbreite der Maßnahmen reichte dabei von der systematischen Überwachung der Abonnenten 38 über die Zahlung von Bestechungsgeldern an Zeitungsmitarbeiter bis zum Einschleusen von Spitzeln in die Redaktionen. 39
4. S t r u k t u r des Zeitungsmarktes i m Saargebiet (Stand 1930) 4 0 Das Saargebiet erlebte nach dem Ersten Weltkrieg, wie die meisten anderen deutschen Regionen und Städte 41 , eine drastische Reduzierung seines Zeitungsangebotes, eine Tendenz, die sich erst ab Mitte der 1920er Jahre mit zahlreichen Neugründungen umkehren sollte. 42 1930 stieg die Zahl der Tageszeitungen wieder auf 31 Hauptausgaben an. Hinzu kamen 17 Nebenausgaben bzw. Kopfblätter. Diese für die Presse der Weimarer Republik charakteristischen Zeitungstypen entstanden aus wirtschaftlichen und technischen Rationalisierungsüberlegungen, um mit relativ geringen zusätzlichen Investitionen das eigene Verbreitungsgebiet und damit auch den Leserkreis zu vergrößern. Nebenausgaben erschienen
Bericht über Abonnenten der Chronik, 2 6 . 1 1 . 1 9 3 2 , PA A A Berlin, II a Saargebiet, R 75 949. Lempert, Saarland, S. 410—451; Jacoby, Herrschaftsübernahme, S.45. 4 0 Sperlings Zeitschriften- und Zeitungs-Adressbuch, S. 558-560; A L A Zeitungskatalog, hg. von der A L A Anzeigen-Aktiengesellschaft in Interessengemeinschaft mit Haasenstein & Vogler, Daube & C o . Berlin, Berlin 5 5 , 1 9 3 0 , S.20f., 61-72; Gründungsjahre entnommen aus: Aufstellung über die saarländische Presse, undatiert, Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken (LA SB), Nachlass Ludwig Bruch Nr. 30. 4 1 Vgl. Michael Meyen, Leipzigs bürgerliche Presse in der Weimarer Republik. Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlichem Wandel und Presseentwicklung, Leipzig 1996, S. 22-24. 4 2 Baldauf, Kampf, S. 73. 38
39
Tagespresse im Saargebiet 1918-1945
Tabelle 1:
Übersicht über die
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Hauptausgaben
Ort
Titel
Tendenz
Gründungsjahr Auflage
Bous
Bouser Zeitung - Wadgasser Volkszeitung Brebacher Zeitung Dillinger Anzeiger
parteilos
1912
3100
parteilos parteilos
1912 1905 1924
k. A. 5300
Brebach Dillingen
Dillinger Tageblatt Dudweiler Friedrichsthal
Homburg Lebach Merzig Neunkirchen
Ottweiler Saarbrücken
Saarlouis St. Ingbert St. Wendel Sulzbach Völklingen
Prims- und Niedtalzeitung Dudweiler Zeitung Friedrichs thal-Bildstocker Generalanzeiger Friedrichsthal-Bildstocker Tageblatt Homburger Zeitung Die Saarpfalz Lebacher Anzeiger Merziger Volkszeitung Merziger Zeitung Neunkirchener Zeitung Neunkircher Volkszeitung Saar- und Blies-Zeitung Ottweiler Zeitung Arbeiter-Zeitung Saarbrücker Abendblatt Saarbrücker Landes-Zeitung Saarbrücker Zeitung Volksstimme Saarlouiser Journal Saar-Zeitung St. Ingberter Anzeiger Westpfälzische Zeitung St. Wendeler Volksblatt St. Wendeler Zeitung Sulzbacher Volkszeitung Völklinger Nachrichten Völklinger Volksfreund
Zentrum Zentrum
1905
3600 k. A.
parteilos parteilos
1878 1907
4500 3200
Zentrum
1920 1870 1924 1900 1893 1848 1894 1885
3000 5000 k. A.
parteilos Zentrum Zentrum Zentrum parteilos Zentrum demokratisch parteilos parteilos KPD parteilos Zentrum liberal SPD parteilos Zentrum DVP Zentrum Zentrum Zentrum parteilos parteilos Zentrum
1866 1864/65 1921 1925 1920 1761 1919 1814 1872 1865 1895 1880 k. A. 1903 1876 1895
3200 8000 4000 10400 4500 10000 k.A. 24000 10000 45000 65000 23000 k. A. 8000 8650 k. A. 2600 k. A. 5000 4000 k. A.
Gesamtauflage 263050
als lokale Variante der Hauptausgabe mit speziellen lokalen Seiten und A n zeigen. Kopfblätter hingegen waren inhaltlich mit der Hauptausgabe identisch. Einzig der Zeitungstitel ( K o p f ) w u r d e ausgetauscht. 43
Gerd Meier, Die Regionalpresse der Weimarer Republik - Innovationen und Traditionen, in: Clemens Zimmermann, Hg., Politischer Journalismus, Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20.Jahrhundert, Ostfildern 2006, S. 169-192, hier S. 173. 43
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Andreas Merl
Tabelle 2:
Übersiebt über die Nebenausgaben
und
Kopfölätter
Ort
Titel
Nebenausgabe bzw. Kopfblatt von:
Dillingen
Dillinger Nachrichten
Saarlouiser Journal
Eppelborn
Eppelborner Volksblatt
Fischbach
Fischbacher Volksblatt
Lebacher Anzeiger Friedrichsthal-Bildstocker Tageblatt
Homburg
N e u e H o m b u r g e r Zeitung Homburger
Saar- und Blies-Zeitung Pfälzischer M e r k u r und
Neueste Nachrichten
Zweibrücker Zeitung
Illingen
Illinger Volksfreund
Merchweiler
Merchweiler Zeitung
Lebacher Anzeiger Friedrichsthal-Bildstocker Tageblatt
Merzig
Merziger Tageblatt
Saarlouiser Journal
Neunkirchen
Neunkircher E c h o
Volksstimme
Ottweiler
Ottweiler Tageblatt
Saar- und Blies-Zeitung
Püttlingen
Püttlinger Volkszeitung
Völklinger Volksfreund
Quierschied
Quierschieder Zeitung
Friedrichsthal-Bildstocker Tageblatt
Spiesen-
Spiesen-Elversberger Tageblatt
Neunkircher Volkszeitung
Elversberg
Spiesen-Elversberger
Saar- und Blies-Zeitung
Generalanzeiger Tholey Wiebelskirchen
Lebacher Anzeiger
E c h o vom Schaumberg Wiebelskircher Morgenzeitung
Neunkircher Volkszeitung
Wiebelskircher Zeitung
Saar- und Blies-Zeitung
Zusammen erreichte die Tagespresse eine Gesamtauflage von rund 263000 Exemplaren 44 , die an 16 Orten in der Region gedruckt wurden. Bei einem Bevölkerungsstand von 782 000 Einwohnern 45 wäre so auf jeden Dritten eine Zeitung entfallen. Diese Zahl relativiert sich jedoch dadurch, dass die Blätter auch im deutschen Grenzgebiet gelesen wurden. 46 Mittelpunkt der Presselandschaft war das wirtschaftliche und politische Zentrum Saarbrücken, das die auflagenstärksten Zeitungstitel beheimatete: - Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gab die „Arbeiter-Zeitung" heraus. - Aus dem Haus der Saarbrücker Druckerei und Verlag A G stammte die Saarbrücker Landes-Zeitung 47 , das führende Blatt der saarländischen Zentrumspartei. - Die Saarbrücker Zeitung erschien im Verlag der Gebr. Hofer AG. D i e in den Zeitungskatalogen angegebenen Auflagenzahlen und politischen Ausrichtungen basieren auf Verlagsangaben und entsprachen meist nicht den realen Verhältnissen. Sie können daher nur als grobe Orientierung dienen. Verbindliche Pressestatistiken liegen dagegen nicht vor.
44
Wegweiser durch das Saargebiet. Ein Handbüchlein der Verwaltung und Behörden, der sozialen Organisationen und Einrichtungen der Gemeinden und deren Einwohnerzahlen, Saarbrücken [1928], S . l .
45
46
Vgl. zum Verbreitungsgebiet der Saarbrücker Zeitung: Bruch, Weg, S. 164.
Vgl. zur Landes-Zeitung: Andreas Merl, „In jedes Haus - auch in die ärmlichste H ü t t e - eine katholische Zeitung!" Katholisches Milieu und Tagespresse im Saargebiet der Völkerbundszeit am Beispiel der Saarbrücker Landes-Zeitung, in: Eckstein 12, 2008, S. 2 6 - 3 5 .
47
Tagespresse im Saargebiet 1 9 1 8 - 1 9 4 5
Abb. 1: Gruppe von Mädchen hält eine Saarbrücker Landes-Zeitung
in Händen (1926)
- Die sozialdemokratische „Volksstimme" w u r d e vom gleichnamigen parteie i g e n e n Verlag h e r a u s g e g e b e n . 4 8 - A l s e i n z i g e A b e n d a u s g a b e e r s c h i e n das p a r t e i l o s e „ S a a r b r ü c k e r A b e n d b l a t t " i m S a a r b r ü c k e r A b e n d b l a t t Verlag, d e r aber ein T o c h t e r u n t e r n e h m e n d e r Gebr. H o f e r A G w a r . D a n e b e n besaß jeder g r ö ß e r e I n d u s t r i e o r t an der Saar ein o d e r m e h r e r e L o kalblätter, die nicht n u r politisch u n t e r s c h i e d l i c h ausgerichtet w a r e n , s o n d e r n auch n o c h f ü r die u m l i e g e n d e n D ö r f e r N e b e n a u s g a b e n b z w . K o p f b l ä t t e r verlegten. Fast alle Z e i t u n g e n w u r d e n sechsmal in der W o c h e p u b l i z i e r t . H i e r v o n a u s g e n o m m e n w a r e n die S a a r b r ü c k e r Zeitung u n d die S a a r b r ü c k e r L a n d e s Zeitung, die beide an sieben Tagen in der W o c h e g e d r u c k t w u r d e n , s o w i e der „ L e b a c h e r A n z e i g e r " , der lediglich d r e i m a l w ö c h e n t l i c h erschien. 4 9 M e h r als die H ä l f t e d e r T a g e s z e i t u n g e n lassen sich einer Partei b z w . p o l i tischen S t r ö m u n g z u o r d n e n : S a a r - Z e n t r u m (13), S o z i a l d e m o k r a t i s c h e Partei
Vgl. zur Volksstnnme: Rudi Strumm, Hg., Daten und Fakten zur Geschichte sozialdemokrat i s c h e r u n d s o z i a l i s t i s c h e r Z e i t u n g e n i m S a a r l a n d von 1877 bis 1967, S a a r b r ü c k e n 1997, S. 7 - 1 6 . " S p e r l i n g s Z e i t s c h r i f t e n - u n d Z e i t u n g s - A d r e s s b u c h , S. 5 5 8 - 5 6 0 ; A L A Z e i t u n g s k a t a l o g , S . 2 0 t . , 61-72. 4S
50
Andreas Merl
Deutschlands (SPD) (1), K P D (1), Deutsche Volkspartei (DVP) (1), liberal (1) und demokratisch (1). Der Rest (13) bezeichnete sich als parteilos, unabhängig oder überparteilich. Welche politische Position in diesem Falle tatsächlich vertreten wurde, ist für das Saargebiet noch nicht erforscht. Die für die Zeit markante Fragmentierung des Pressemarktes nach Parteizugehörigkeit bzw. Bindung an ein sozialmoralisches Milieu war somit ein Spiegelbild der sozio-kulturellen Zusammensetzung der Bevölkerung an der Saar, die recht treffend als „katholisch-proletarische Provinz" 50 bezeichnet werden kann. Allerdings besaß das Saargebiet nach Zahl und Auflagenstärke nur eine vergleichsweise schwache Arbeiterpresse im sozialdemokratischen und kommunistischen Milieu. Eine Sonderstellung nahm die sich selbst als liberal bezeichnende Saarbrücker Zeitung ein, die in vielen Haushalten zusätzlich zu anderen Blättern bezogen wurde. 51
5. Presse im Saarkampf ( 1 9 3 3 - 1 9 3 5 ) 1935 sollte das Saargebiet in einer Volksabstimmung über seine weitere politische und territoriale Zukunft entscheiden: Rückgliederung an das Deutsche Reich, Vereinigung mit Frankreich oder Beibehaltung des Status Quo. Uber den Ausgang gab es zu Beginn des Jahres 1933 nicht den geringsten Zweifel, da sich Parteien, Verbände und Presse seit der Loslösung vom Deutschen Reich vorbehaltlos für eine Rückkehr einsetzten. Doch mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler Ende Januar 1933 und der Etablierung des Nationalsozialismus änderte sich diese Sichtweise. Vor dem Hintergrund der politischen Umwälzungen in Deutschland mehrten sich besonders aus dem Lager der Arbeiterparteien und aus katholischen Kreisen die Stimmen, die sich vehement gegen eine Rückgliederung zum gegenwärtigen Zeitpunkt aussprachen. Die Entwicklung einer vergleichsweise starken Opposition gegen die Rückgliederung führte zu einer wachsenden propagandistischen Aufladung des Abstimmungskampfes. Pläne für das Vorgehen der .nationalen' Kräfte wurden im ersten Halbjahr 1933 von Mitgliedern der NSDAP-Saar, unter anderem von Heinrich Schneider 52 , ausgearbeitet und vorgeschlagen, ohne Gerhard Paul, Die N S D A P des Saargebietes 1920-1935. D e r verspätete Aufstieg der N S D A P in der katholisch-proletarischen Provinz, Saarbrücken 1987, S. 15-32. 5 1 Wagner, Presse, S. 27. 5 2 Heinrich Schneider (1907-1974): Saarländischer Rechtsanwalt und Politiker; 1931 Eintritt in die N S D A P , Juni 1933 bis Oktober 1934 Regierungsassessor im Saarreferat des preußischen Innenministeriums und Juni 1933 bis Februar 1934 Leiter der Saarabteilung bei der Obersten Leitung der Parteiorganisation der Reichsleitung der N S D A P , seit Oktober 1937 Parteiausschlussverfahren, 50
Tagespresse im Saargebiet 1 9 1 8 - 1 9 4 5
51
jedoch tatsächlich verwirklicht zu werden. Allen gemein war die zentrale Rolle, die der Presse für den Propagandafeldzug zufallen sollte. Die Ausgangsposition für eine erfolgreiche Propagandaarbeit in der Tagespresse war indes wenig günstig, da die Zeitungen bis auf wenige Ausnahmen der neuen Reichsregierung zunächst keine bis wenig Sympathie entgegenbrachten 53 , zumal die nationalsozialistische Presse an der Saar, ebenso wie die Partei, bis 1933 keine große Bedeutung erlangt hatte. 54 Die ersten Bemühungen aus dem Reich zielten daher auf eine positivere Berichterstattung über die Reichsregierung und auf die Herstellung einer breiteren Zustimmung für die nationalsozialistische Politik. Durch die politische Sonderstellung des Saargebietes waren jedoch den reichsdeutschen Einfluss- und Lenkungsmöglichkeiten enge Grenzen gesetzt. U m dennoch die angestrebten Pläne zu realisieren, griff man bei einem Großteil der Saarzeitungen auf die in den 1920er Jahren über die Konkordia und Max Winkler erworbenen Kapitalmajoritäten zurück und übte gezielt Druck auf die Verleger und Aufsichtsräte aus. 55 Es folgten bis zum Herbst 1933 personelle, strukturelle und inhaltliche Änderungen bei vielen Zeitungsverlagen, unter anderem der Saarbrücker Zeitung 5 6 , dem Saarbrücker Abendblatt 5 7 oder der „Neunkirchener Zeitung" 5 8 , die nun ganz nach den Vorstellungen aus der Reichshauptstadt Partei für die N S D A P ergriffen. Welchen Einfluss das auf die im gleichen Zeitraum rasant wachsende Zahl von neuen NSDAP-Saar-Mitgliedern hatte, ist schwer abzuschätzen.
das jedoch nie rechtskräftig wurde, bis 1945 zahlendes Parteimitglied, im Entnazifizierungsverfahren (Abschluss 6 . 1 . 1 9 5 0 ) als .Mitläufer' eingestuft, Präsident des Saarländischen Landtages 2 . 1 . 1 3 . 1 2 . 1 9 5 6 , Minister für Wirtschaft, Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft 4 . 6 . 1 9 5 7 - 2 1 . 1 . 1 9 5 9 , Mitglied der Demokratischen Partei Saar ( D P S ) (seit 1955 im Vorstand, 1 9 5 6 - 1 9 6 5 M d L für die D P S und Fraktionsvorsitzender 1956/1957 bzw. 1965) und F D P ( M d B 1957-1965; 1960/1961 stellvertretender Bundesvorsitzender, 1969 Parteiaustritt). Vgl. Rainer Möhler, Rechtsanwalt Dr. Heinrich Schneider: T r o m m l e r oder Mitläufer?, in: Peter Wettmann-Jungblut, Rechtsanwälte an der Saar 1800-1960: Geschichte eines bürgerlichen Berufsstandes, Blieskastel 2004, S. 3 0 1 - 3 2 4 ; Wettmann-Jungblut, Rechtsanwälte, S. 3 6 1 - 3 6 4 . Beispielsweise: A n o n y m u s , D e r Karnevals-Kanzler 1933, in: Volksstimme, 1 0 . 2 . 1 9 3 3 N r . 3 5 , o. S.; vgl. Johannes G r o ß m a n n / M i c h e l l e Klöckner, „Herr Frietz, wir müssen's Mäntelchen umhängen". D i e Merziger katholische Presse im Abstimmungskampf 1 9 3 3 - 1 9 3 5 , in: Saarbrücker Hefte 95, 2006, S. 7 1 - 7 5 , hier S . 7 1 . 53
Paul, N S D A P , S. 147-153. Bei insgesamt 13 Zeitungen soll die K o n k o r d i a die Aktienmehrheit gehalten haben, vgl. Margret Boveri, Wir lügen alle. Eine Hauptstadtzeitung unter Hitler, O l t e n / F r e i b u r g 1965, S . 2 2 5 . 5 6 Aufzeichnungen des Gesandtschaftsrats Braun von Stumm, 2 4 . 3 . 1 9 3 3 und 6 . 4 . 1 9 3 3 ; unsignierte Aufzeichnung, 6 . 4 . 1 9 3 3 , PA A A Berlin, II a Saargebiet, R 75 949. Vgl. zur Neuausrichtung der Saarbrücker Zeitung ebenso: Paul, N S D A P , S . 6 3 . 5 7 A n o n y m u s , D e r Schlemmer macht das A b e n d b l a t t . . . , in: Volksstimme, 1 9 . 8 . 1 9 3 3 Nr. 192, O.S. 5 8 Jacoby, Herrschaftsübernahme, S. 130. 54
55
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Die weitere Entwicklung war eng an das Schicksal der politischen Parteien gebunden. Mit Bildung der zweiten Deutschen Front im Herbst 1933, in der sich die bürgerlichen Parteien nach ihrer Selbstauflösung und die Zentrumspartei unter Führung der N S D A P vereinten, erschienen deren Zeitungen fortan mit dem Zusatz „Organ der Deutschen Front". Die gesamte Saarpresse, mit Ausnahme der Arbeiterzeitungen und der frankophilen Blätter, geriet damit endgültig unter den Einfluss der NSDAP, der sich in der Übernahme von Presseanweisungen und Meldungen der deutschen Nachrichtenagenturen manifestierte und zwangsläufig zu einer gezielten Lenkung führte. 59 Einzig die Saarbrücker Landes-Zeitung unter ihrem Chefredakteur J o hannes Hoffmann 6 0 behielt ihre distanzierte Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus bei. 61 Im Februar 1934 wurde Hoffmann nach einem erneut kritischen, am Jahrestag der .Machtergreifung' erschienenen Artikel über die nationalsozialistische Kirchenpolitik auf Drängen reichsdeutscher Stellen in Berlin seiner Position als Chefredakteur enthoben. 62 Er hatte seine Entlassung bewusst in Kauf genommen und sogar provoziert, einerseits, weil der Druck aus Berlin immer größer geworden war, andererseits, weil er sich seit mehreren Monaten mit dem Gedanken trug, ein eigenes katholisches Oppositionsblatt herauszugeben. 63 Zweifelhaft ist, ob die beiden Mitglieder des Aufsichtsrates der Saarbrücker Druckerei und Verlag AG, der Vorsitzende Pfarrer Franz Bungarten und Pfarrer Johann Ludger Schlich, von diesem Motiv tatsächlich nichts wussten, als sie Hoffmanns Verhalten in einem Schreiben gegenüber Franz von Papen verteidigten und seine Abberufung kategorisch ablehnten. 64 Nach der Entlassung Hoffmanns und der Annahme
59
G r o ß m a n n / K l ö c k n e r , Abstimmungskampf, S. 73f.; J a c o b y , Herrschaftsübernahme, S. 130f.
Johannes H o f f m a n n ( 1 8 9 0 - 1 9 6 7 ) : Saarländischer Politiker, Journalist; 1935-1945 Exil in L u x e m burg, Frankreich und Brasilien, 1945 R ü c k k e h r nach Deutschland, 1 9 4 6 - 1 9 5 6 Vorsitzender der CVP, D e z e m b e r 1947 bis O k t o b e r 1955 Ministerpräsident des Saarlandes. Vgl. umfassend: H e i n rich Küppers, Johannes H o f f m a n n (1890-1967). Biographie eines Deutschen, Düsseldorf 2 0 0 8 .
60
Schreiben des Preußischen Innenministeriums an das Auswärtige A m t , 2 0 . 1 . 1 9 3 4 , PA A A Berlin, II a Saargebiet, R 75 952. 6 2 Vgl. zur .Affäre H o f f m a n n ' : Merl, Tagespresse, S. 3 1 - 3 3 ; Franz Bungarten, Ich darf nicht schweigen. Meine Ausweisung aus dem Saargebiet, K ö l n 1951, S. 6 3 - 6 6 . 61
Lempert, Saarland, S . 9 8 f . ; Küppers, H o f f m a n n , S. 115 £.; Zeitgenossen und Gegner H o f f m a n n s erklärten vielfach, die Mittel für die Gründung der N e u e n Saarpost seien zum großen Teil aus Frankreich geflossen, so auch weitgehend die ältere Forschung (Zenner, Gestier, Lempert). N a c h Küppers' Ergebnissen waren die Mitglieder und Geldgeber der Verlegergesellschaft jedoch zwei saarländische Pfarrer. Lediglich für die Ausstattung wie Redaktionsräume und D r u c k - und Setzmaschinen seien möglicherweise - und keinesfalls planvoll - französische Mittel verwendet worden. Vgl. Küppers, H o f f m a n n , S. 129f. 63
Erklärung Bungarten und Schlich an von Papen, 5 . 2 . 1 9 3 4 , L A SB, Bestand S D V 11. Dagegen zitiert Küppers den Vertrauensbericht eines Regierungsrates an das Auswärtige A m t , der bereits Mitte Januar von der geplanten Gründung einer neuen Zeitung durch katholische Kreise sprach dabei fiel auch Bungartens Name. Vgl. Küppers, H o f f m a n n , S. 118. 64
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der Presserichtlinien des rhein-pfälzischen Gauleiters Josef Biirckel im April 1934 durch den Aufsichtsrat, äußerte die Landes-Zeitung keine politischen Bedenken mehr gegen eine Rückgliederung an Deutschland. Bis zum Tag der Abstimmung am 13.Januar 1935 stellten sich die bürgerlich-konservativen Blätter ganz in den Dienst der Rückgliederungspropaganda der Deutschen Front. Ergänzung fanden die Zeitungen in den Neugründungen mehrerer nationalsozialistischer Zeitungen und Zeitschriften wie zum Beispiel dem „Rufer im Warndt" oder dem „Deutschen Katholik an der Saar". G e richtet waren diese Publikationen an unentschlossene Abstimmungsberechtigte, die die Deutsche Front in erster Linie unter den Arbeitern, in katholischen Kreisen und in den an Frankreich grenzenden Gebieten des Warndts sowie der Region um Saarlouis vermutete. 6 5 Den Organen der Deutschen Front standen im Abstimmungskampf ein gutes Dutzend freier, nicht gleichgeschalteter Zeitungen gegenüber. 66 Jedoch bildeten diese Zeitungen keine geschlossene publizistische Einheit. Zwar verband alle die Ablehnung des NS-Regimes und das Eintreten für eine vorläufige Beibehaltung des Status Q u o , doch hatten sie aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Ausrichtung kaum andere Berührungspunkte. N e ben bereits bestehenden Zeitungen wie der Volksstimme, der Arbeiter-Zeitung, dem Saarlouiser Journal und der Saar-Chronik entstanden mehrere neue Blätter. Das bedeutendste unter ihnen war die „Neue Saar-Post", die von Johannes Hoffmann im Mai 1934 zum ersten Mal herausgegeben wurde und die sich an einen christlichen Leserkreis richtete. Mit einem hohen journalistischen Niveau beeindruckte außerdem die am 11. November erstmals publizierte Wochenzeitung „Westland", die von dem an die Saar emigrierten Journalisten Sigfried Thalheimer publiziert wurde. Im November 1934 gelangte das Blatt durch einen fingierten Aufkauf in die Hände der Nationalsozialisten und erschien unter gleichem Namen ab 1. Dezember auf der Seite der Deutschen Front. 6 7 Versuche, die Neue Saar-Post und die Volksstimme auf ähnliche Weise zu übernehmen, scheiterten hingegen. 6 8 Druck von Seiten der Deutschen Front, der sich gegen Zeitungsverlage, Zeitschriftenhändler, Austräger und Leser gleichermaßen richtete, gehörte zum Alltag der freien Presse während des Saarkampfes: Auflagenzahlen und Annoncenschal-
Gerhard Paul, „Deutsche Mutter - heim zu D i r ! " Warum es misslang, Hitler an der Saar zu schlagen. D e r Saarkampf 1 9 3 3 - 1 9 3 5 , K ö l n 1984, S. 125 f. 6 6 Eine vollständige Aufstellung findet sich bei: Muskalla, N S - P o l i t i k , S. 560. 6 7 Herbert Temmes, Westland. Nationalsozialisten kaufen eine Emigrantenzeitung, in: Saarbriicker Hefte 83, 2000, S. 4 - 1 2 . 6 8 Aufzeichnungen von Konsul Gustav Strohm, 1 1 . 1 2 . 1 9 3 5 , PA A A Berlin, II a Saargebiet, R 75 955; Ernst Kunkel, D i e Sozialdemokratische Partei des Saargebietes im Abstimmungskampf 1933/1935, Saarbrücken [ca. 1968], S . 5 3 f . 65
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tung gingen drastisch zurück, Zeitungen wurden aus Angst vor Repressalien nicht mehr öffentlich verkauft, Abonnenten systematisch überwacht, bedroht und denunziert. Der sowjetische Schriftsteller Ilya Ehrenburg notierte bei seinem Saarbesuch: „Ganz Wagemutige verkaufen die schlimmen Blätter an Straßenecken. Üblicherweise sind Zeitungsverkäufer bloß Zeitungsverkäufer, doch an der Saar sind es Helden, die jederzeit ihr Leben riskieren." 69 Der durch die Deutsche Front aufgebaute Druck verfehlte seine Wirkung nicht. Trotz finanzieller Unterstützung aus Frankreich gingen bei allen nicht gleichgeschalteten Zeitungen die Auflagen massiv zurück. Insgesamt dürfte die Auflagenzahl aller freien Presseorgane zusammengenommen die Grenze von 50000 nicht überstiegen haben. 70
6. Presse i m N a t i o n a l s o z i a l i s m u s (1935-1945) Mit der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses am 15. Januar 1935 kam die Arbeit der oppositionellen Presse fast vollständig zum Erliegen. Herausgeber und Journalisten, darunter auch Hoffmann, flüchteten bereits wenige Tage später in das benachbarte Ausland. 71 Die Geschäftsräume der Volksstimme wurden auf Antrag der Konzentrations-AG, Berlin, polizeilich versiegelt und die Gesellschaft durch Beschluss vom 14. Februar aufgelöst. Einzig die kommunistische Arbeiter-Zeitung hatte ihr Erscheinen noch nicht eingestellt und wurde weiter publiziert, wenn auch nur für einen kleinen Leserkreis. 72 Die Organe der Deutschen Front feierten hingegen in großformatigen Sonderausgaben am 1. März die Rückkehr zum Deutschen Reich. Nach den Vorstellungen des NS-Regimes sollte das gesamte Pressewesen politisch und ökonomisch für Staat und Partei dienstbar gemacht werden. In den ersten beiden Jahren der nationalsozialistischen Diktatur waren daher pressepolitische Maßnahmen ergriffen worden, die auf eine systematische Gleichschaltung und eine vollständige Presselenkung zielten. 73 Mit der Rückgliederung sollte die Saarpresse ebenfalls ganz auf diese Linie ausgeIlya Ehrenburg, Die Saar, in: Ralph Schock, Hg., Hier spricht die Saar. Ein Land wird interviewt. Drei Reportagen von Philippe Soupault, Theodor Balk und Ilya Ehrenburg, Blieskastel 2005, S. 297-367, hier S. 3 1 1 . 70 Paul, Mutter, S. 95-98, 285 f. 71 Vgl. die eingehende Schilderung der Tage nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses im Presselager der Arbeiterparteien bei: Siegmann, Tagebuch-Auszüge, S. 3 1 1 - 3 2 5 . 72 Schreiben über die Betätigung der staatsfeindlichen Parteien im Saargebiet, 2 7 . 1 . 1 9 3 5 , PA A A Berlin, II a Saargebiet, R 75 798. 73 Vgl. neuerdings: Zimmermann, Medien; Jürgen Wilke, Presseanweisungen im zwanzigsten Jahrhundert. Erster Weltkrieg - Drittes Reich - D D R , Köln/Weimar/Wien 2007. 69
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richtet werden, woran Gauleiter Josef Biirckel in einem Interview gegenüber der „ N S Z - R h e i n f r o n t " auch keinen Zweifel ließ. 7 4 Vertraut mit der Praxis der Presselenkung durch den Saarkampf, passten sich die Zeitungsredaktionen rasch den neuen Gegebenheiten an, was sie jedoch nicht vor externen Eingriffen schützen konnte. Bei der Saarbrücker Zeitung wurde Chefredakteur August Hellbrück von Max Steigner, einem Vertrauten Bürckels, abgelöst, der das Blatt in den kommenden Jahren ganz auf Parteilinie brachte. 7 5 Tiefer gingen die Einschnitte bei der Saarbrücker Landes-Zeitung. Ein G e stapo-Bericht warf dem Blatt eine tendenziöse Berichterstattung vor und forderte umfassende Konsequenzen für die verantwortlichen Redakteure. 7 6 Die zuständigen staatlichen Stellen für die Presse in Neustadt reagierten unverzüglich und sorgten für die Entlassung von Chefredakteur Wilhelm Gries und Franz Maria Singer. 77 Die .Säuberungen' innerhalb der Redaktionen gingen einher mit der ökonomischen Gleichschaltung der Zeitungsverlage. Grundlage waren die Anordnungen des Präsidenten der Reichspressekammer Max Amann vom 24. April 1935, hinter denen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politisch-ideologische Motive standen. Enteignungen und (Zwangs-)Aufkäufe sollten nicht nur mit der nationalsozialistischen Gaupresse konkurrierende Zeitungen ausschalten, sondern auch sämtliche deutsche Zeitungsverlage in der Hand der N S D A P vereinen. Schlüsselfigur bei der Umsetzung war erneut Max Winkler, der im Auftrag Amanns mit Hilfe von Holding- und Finanzierungsgesellschaften 7 8 diskret die Zeitungsaufkäufe vornahm. Betroffen waren im Saargebiet neben den Zentrumsblättern auch die bürgerlichen Zeitungen. Im Mai 1936 wurde nach eingehenden Beratungen in Berlin und Saarbrücken zwischen der Verlagsleitung der Saarbrücker Druckerei und Verlag A G und Max Winkler beschlossen, die Saarbrücker Landes-Zeitung aus dem Unternehmen auszugliedern und als selbstständige G m b H weiter-
74
Interview abgedruckt bei: Muskalla, N S - P o l i t i k , S. 559.
Bruch, Weg, S. 181. Gerhard Paul, „ . . . gut deutsch, aber auch gut katholisch". Das katholische Milieu zwischen Selbstaufgabe und Selbstbehauptung, in: Ders./Klaus-Michael Mallmann, Milieus und Widerstand. Eine Verhaltensgeschichte der Gesellschaft im Nationalsozialismus, B o n n 1995, S. 2 6 - 1 5 2 , hier S. 95. 75
76
Protokoll der 206. Aufsichtsratssitzung der Saarbrücker Druckerei und Verlag A G , 1 7 . 6 . 1 9 3 5 , L A SB, Bestand S D V Nr. 4; Franz Maria Singer (1898-1953): Saarländischer Journalist und Politiker; 1925-1935 journalistische Tätigkeit bei der Saar-Zeitung und der Saarbrücker Landes-Zeitung, nach 1945 Gründungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender der CVP, D e z e m b e r 1947 bis April 1951 saarländischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft, April 1951 bis Juli 1953 zweiter ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt Saarbrücken, D e z e m b e r 1952 bis Juli 1953 saarländischer Kultusminister. 77
Die wichtigsten waren die Cautio G m b H , die Cura, Revisions- und Treuhand G m b H , die H e rold-Verlags G m b H , die Vera G m b h , die Phönix G m b H sowie die Standarte G m b H . 78
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Abb. 2: Vorkriegsaufnahme des Gebäudes der Landes-Zeitung der Parkplatz der Landesbank und der Girozentrale
(1938). Heute befindet
sich dort
zuführen. Die Anteile der neuen Gesellschaft übernahm Winklers Phönix G m b H , in der ein Großteil der katholischen Blätter des Reiches aufgefangen wurde. Der Verlag blieb Eigentümer von Grundstück und Gebäude, musste aber Büro- und Betriebsräume an eine neutrale Gesellschaft, die Saardeutsche Verlagsanstalt- und Druckerei G m b H , verpachten. Diese übernahm in Lohndruck die Herstellung der Saarbrücker Landes-Zeitung und der NSZRheinfront. 7 9 1940 gingen die Anteile an Bürckels NSZ-Rheinfront Verlags G m b H über. Die 210 Aktionäre der Gesellschaft waren zuvor gegen eine Abfindung zur Abgabe ihrer Wertpapiere gezwungen worden. 8 0 Betroffen von den Maßnahmen war auch die bürgerliche Presse. Die noch in der Hand der Hofer Gruppe verbliebenen 40 Prozent des Aktienkapitals gingen 1936 für 400000 Reichsmark an eine weitere Holding-Firma Winklers. 81 Der öko79
Protokoll der 211. Aufsichtsratssitzung der Saarbrücker Druckerci und Verlag A G , 22.5.1936, LA SB, Bestand S D V N r . 4 . Schreiben Kremers an die französische Militärregierung, betreffend Saarbrücker Druckerei und Verlag AG, 18.7.1945, LA SB, Bestand Regierungspräsidium Saar Nr. 133. 81 Hans Bünte, Saarbrücker Zeitung - 250 Jahre im Dienste der Information 1742-1992: Saarbrücker Zeitung, Saarbrücker Druckhaus, Saarbrücker Datentechnik, Saarbrücken [1992], S. 54. 80
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nomische Strukturwandel des Zeitungsmarktes wurde aber nicht nur durch die Anordnungen des Präsidenten der Reichspressekammer forciert. Insbesondere die zunehmende aggressive Expansionspolitik der NS-Parteipresse erhöhte den wirtschaftlichen und politischen D r u c k auf die Zeitungsverlage, die bis Juli 1936 schon mehr als die Hälfte ihrer Abonnenten verloren hatten. Bis zum Juli 1937 konnte so die N S Z - R h e i n f r o n t ihre Auflage auf 5 7 0 0 0 Exemplare steigern, womit sie zum meistgelesenen Blatt avancierte. In den Sog der NS-Pressepolitik gerieten auch viele der mittleren und kleinen Blätter an der Saar, was noch in den Vorkriegsjahren zu zahlreichen Auflösungen und Zusammenschlüssen führte und die Anzahl der Zeitungen bis September 1939 auf 16 reduzierte. 8 2 Der Zweite Weltkrieg sollte das Bild der Presselandschaft ein letztes Mal grundlegend verändern. Lokalzeitungen wie die „Dudweiler Zeitung" oder die „Saar-Zeitung" verschwanden in den Kriegsjahren ebenso wie die Saarbrücker Landes-Zeitung, deren Erscheinen zum 31. August 1940 vermutlich auf direkte Weisung von Gauleiter Josef Bürckel eingestellt wurde. 8 3 Ihren Lesern wurde ab dem 1. September die neue „Saarländische Tageszeitung" zugestellt, eine Zusammenlegung der Neunkirchener Zeitung und der Saarund Blies-Zeitung, die gleichzeitig auch die Bezirksausgaben der LandesZeitung für Merzig, St. Wendel und St. Ingbert ersetze. Das neue Blatt war auf Wunsch Hitlers und der Gauleitung mit dem Auftrag gegründet worden, „eine aufrechte Verfechterin nationalsozialistischer Grundsätze und Ziele" 8 4 zu sein. Die Saarbrücker Zeitung wurde am 1. November 1944 mit der Saarländischen Tageszeitung vereint und erschien bis zum 7. März 1945 unter dem Titel „Saarbrücker Zeitung - Saarländische Tageszeitung". Zu diesem Zeitpunkt lässt sich neben ihr nur noch das NS-Parteiorgan nachweisen, das seit Dezember 1940 unter dem Namen „NSZ-Westmark" herausgegeben wurde und bis O k t o b e r 1944 eine Auflagenhöhe von 273 000 Stück erreichte. 8 5 Mit der Besetzung des Saarlandes durch amerikanische Truppenverbände Ende März 1945 kam auch die Herausgabe der NSZ-Westmark endgültig zum Erliegen.
82
V o l l s t ä n d i g e r Ü b e r b l i c k ü b e r die Z e i t u n g e n u n d Z e i t s c h r i f t e n an der Saar i m Z e i t r a u m v o n 1 9 3 5
bis K r i e g s e n d e bei: M u s k a l l a , N S - P o l i t i k , S. 5 6 8 - 5 7 4 . 83
S c h r e i b e n v o n J o s e f H a l l an G e o r g K i e f e r , 2 2 . 8 . 1 9 4 0 , L A S B , B e s t a n d S D V N r . 2 1 0 .
84
Zitiert nach: Muskalla, N S - P o l i t i k , S . 5 7 0 .
83
H a n n e s Ziegler, P r e s s e u n t e r D r u c k . D i e p f ä l z i s c h e T a g e s p r e s s e u n t e r d e m N a t i o n a l s o z i a l i s -
m u s , in: G e r h a r d N e s t l e r / H a n n e s Ziegler, H g . , D i e P f a l z u n t e r m H a k e n k r e u z . E i n e d e u t s c h e P r o v i n z w ä h r e n d der n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n T e r r o r h e r r s c h a f t , L a n d a u / P f a l z S.215f.
1 9 9 3 , S. 1 9 7 - 2 2 6 , hier
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7. Quellenverzeichnis Archive Bundesarchiv (BArch), Berlin: Bestand Alte Reichskanzlei R 43 1/239 Saargebiet, Bd. 1 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), Berlin: Bestand Politische Abteilung II Besetzte Gebiete. Saargebiet R 75 798 betreffend Parteien im Saargebiet, Bd. 15 R 75 938 betreffend Saar-Kurier R 75 949 betreffend Presse des Saargebiets, Bd. 4 R 75 952 betreffend Presse des Saargebiets, Bd. 7 R 75 955 betreffend Presse des Saargebiets, Bd. 10 R 76 176 betreffend Wirtschafts-Angelegenheiten, Allgemeines, Bd. 1 Bestand Friedensabteilung R 95 913 Berichte des Saarvereins Bestand Presseabteilung R 122 445 Gewährung von Darlehen an saarländische Zeitungsverleger Landesarchiv des Saarlandes (LA SB), Saarbrücken: Bestand Saarbrücker Druckerei und Verlag AG (SDV) Nr. 4 Protokollbuch der Aufsichtsratssitzungen vom 8. November 1928 bis 12. Mai 1939 Nr. 11 Affäre Chefredakteur Johannes Hoffmann, 1934 Nr. 210 Personalakten Nachlass Ludwig Bruch Nr. 30 Aufstellung über die saarländische Presse Bestand Regierungspräsidium Saar Nr. 133 Saarbrücker Druckerei und Verlag AG
Gedruckte
Quellen
Saarbrücker Landes-Zeitung (Stadtarchiv Saarbrücken) Saarbrücker Zeitung (Stadtarchiv Saarbrücken) Saar-Freund (Stadtbibliothek Saarbrücken) Saar-Zeitung (Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek) Volksstimme (Stadtarchiv Saarbrücken)
8. Ausgewählte Forschungsliteratur Frank G. Becker, „Deutsch die Saar, immerdar!" Die Saarpropaganda des Bundes der Saarvereine 1919-1935, Saarbrücken 2007 Johannes Großmann/Michelle Klöckner, „Herr Frietz, wir müssen's Mäntelchen umhängen". Die Merziger katholische Presse im Abstimmungskampf 1933-1935, in: Saarbrücker Hefte 95, 2006, S. 71-75
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Fritz Jacoby, D i e nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar. D i e innenpolitischen P r o b l e m e der Rückgliederung des Saargebietes bis 1935, Saarbrücken 1973 Peter Lempert, „Das Saarland den Saarländern!" D i e frankophilen Bestrebungen im Saargebiet 1 9 1 8 - 1 9 3 5 , K ö l n 1985 Ludwig Linsmayer, Hg., D e r 13.Januar. D i e Saar im Brennpunkt der Geschichte, Saabrücken [2005] Ludwig Linsmayer, Politische Kultur im Saargebiet 1920-1932. Symbolische Politik, verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region, St. Ingbert 1992 Andreas Merl, „In jedes Haus - auch in die ärmlichste H ü t t e - eine katholische Zeitung!" Katholisches Milieu und Tagespresse im Saargebiet der Völkerbundszeit am Beispiel der Saarbrücker Landes-Zeitung, in: Eckstein 12, 2008, S. 2 6 - 3 5 Dieter Muskalla, N S - P o l i t i k an der Saar unter J o s e f Bürckel. Gleichschaltung - N e u ordnung - Verwaltung, Saarbrücken 1995 Gerhard Paul, „Deutsche Mutter - heim zu D i r ! " Warum es misslang, Hitler an der Saar zu schlagen. D e r Saarkampf 1933 bis 1935, K ö l n 1984 H e r b e r t Temmes, Westland. Nationalsozialisten kaufen eine Emigrantenzeitung, in: Saarbrücker Hefte 83, 2000, S . 4 - 1 2 Maria Zenner, Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundregime 1 9 2 0 - 1 9 3 5 , Saarbrücken 1966 Clemens Zimmermann, Medien im Nationalsozialismus. Deutschland 1 9 3 3 - 1 9 4 5 , Italien 1922-1943, Spanien 1936-1951, W i e n / K ö l n / W e i m a r 2 0 0 7
Natalie Pohl
Demokratisierung im inneren Widerspruch Französische und saarländische Printmedienpolitik 1945-1955
1. Einleitung „Nach 1919 hatte die französische Verwaltung die Macht der Presse völlig unterschätzt. Die Verwaltung, welche das Schicksal der Saar nach dem Zweiten Weltkrieg in die Hand nahm, hatte glücklicherweise eine entgegengesetzte Konzeption: Der Militärgouverneur verfolgte eine klare Pressepolitik, die er strikt durchführte und welche die besten Resultate zeitigte."1 Mit diesen Worten blickte Louis Knaff, Geschäftsführer der „Saarbrücker Zeitung", 1955 auf die französische Pressepolitik an der Saar nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. D o c h nicht n u r die Franzosen hatten die Bedeutung der Presse erkannt, auch die saarländische Landesregierung - allen voran Ministerpräsident Johannes H o f f m a n n als ehemaliger Journalist - war von den E r f a h r u n g e n des A b s t i m m u n g s k a m p f e s 1935 geprägt w o r d e n u n d wusste u m den Einfluss der Medien auf die öffentliche Meinung. D e r saarländischen Pressepolitik nach dem Zweiten Weltkrieg ist bislang k a u m Beachtung geschenkt w o r d e n . Anders als der R u n d f u n k , der schon mehrfach eingehend untersucht w u r d e , beschränkt sich die U n t e r s u c h u n g zur Presse im Zeitraum von 1945 bis 1955 auf die Dissertation von Dietrich Berwanger zur M a s s e n k o m m u n i k a t i o n u n d Politik im Saarland aus den 1960er Jahren, welche bislang Grundlage f ü r weitere Veröffentlichungen zu diesem T h e m a war. 2 Einen weiteren Ansatz bietet Albert H . V. Kraus mit seiner Arbeit über die Publizistik im A b s t i m m u n g s k a m p f 1955. 3 D a r ü b e r hinaus existieren einzelne Aufsätze, die entweder einen allgemeinen U b e r 1
„Si l'administration française de 1919 avait nettement sousestimé la puissance de la presse, celle qui prit en mains les destinés de la Sarre après la deuxième guerre mondiale avait heureusement une conception opposée. Le gouverneur militaire eut une politique de presse claire et ferme qui a d o n né les meilleurs résultats." Exposé fait en Juin 1949 devant le conseil politique du haut-commissariat, Privatarchiv Gilbert Grandval, Paris/St. C l o u d (PA Grandval), 11. 1 Dietrich Berwanger, M a s s e n k o m m u n i k a t i o n u n d Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur U n t e r s u c h u n g „publizistischer Kontrolle", M ü n c h e n 1969. 3 Albert H . V. Kraus, Die Saarfrage (1945-1955) in der Publizistik. Die Diskussion u m das Saarstatut v o m 23.10.1954 und sein Scheitern in der deutschen, saarländischen u n d französischen Presse, Saarbrücken 1988.
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blick über die Geschichte der Presse an der Saar 4 geben oder die Entwicklung der Presselandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg 5 thematisieren. Weitere Forschungsschwerpunkte der saarländischen Pressegeschichte sind zum einen die Entwicklung der Saarbrücker Zeitung 6 in der wechselvollen Geschichte des Saarlandes, zum anderen die Rolle der Presse im Abstimmungskampf von 1935. 7 Alle diese Veröffentlichungen betonen die Kontrolle der Presse sowohl durch die französische Militärregierung als auch später durch die saarländische Regierung. Die Öffnung der französischen Archive Mitte der 1980er Jahre hat zahlreiche neue Arbeiten 8 zur Saarfrage ermöglicht, die eine differenziertere Sicht auf den Zeitraum von 1945 bis 1955 erlauben. So widerlegen sie die These einer reinen Kontroll- und Annexionspolitik der Franzosen und betonen deren Demokratisierungspolitik sowie den Versuch einer langfristigen Assimilierung des Saarlandes an Frankreich. Es stellt sich deshalb die Frage, ob das Bild einer Pressepolitik, die allein auf Zensur und Kontrolle beruhte, noch haltbar ist. Was die Quellen zur Pressepolitik an der Saar anbelangt, so gestaltet sich die Suche in den Archiven als ein Puzzlespiel. Vor allem für die Jahre 1945 bis 1947 sind die französischen Quellen für die Beurteilung der PrintmedienKarl August Schleiden, Aus provinzieller Enge zur Weltoffenheit. Kulturelle Entwicklung 1 8 1 5 1957, in: Landeszentrale für politische Bildung, Hg., D a s Saarland. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, Saarbrücken 1989, S. 83-110; ders., Medien im Spannungsfeld von Politik und Geschichte, in: Hanspeter Georgi, Hg., Wirtschaftsregion Saarland, Oldenburg 1998, S. 1 5 6 164; G e o r g Steigner, Presse zwischen Rhein und Saar, Zweibrücken 1962. 4
5 Klaus Altmeyer, D e r „seidene Vorhang". Saarpresse 1945 bis 1959, in: Deutsches Zeitungsmuseum, Hg., Von der Mangelwirtschaft zur Massenauflage. Printmedien in den 50er Jahren. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Zeitungsmuseums in Wadgassen, Dillingen 2007, S. 85-103; ders., Massenmedien nach 1945 mit besonderem Blick auf die Volksbefragung 1955, in: Rainer H u d e m a n n / R a y m o n d Poidevin unter Mitarbeit von Annette Maas, Hg., D i e Saar 1 9 4 5 - 1 9 5 5 . E i n P r o blem der europäischen Geschichte/La Sarre 1 9 4 5 - 1 9 5 5 . U n problème de l'histoire européenne, 2. Aufl., München 1995, S. 4 0 5 ^ 0 8 ; Hans-Walter H e r r m a n n , Die saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre saarländischer J o u r nalistenverband 1 9 4 7 - 1 9 7 2 . Eine D o k u m e n t a t i o n , Saarbrücken 1972, S. 4 6 - 5 8 . 6 Rainer Müller, 225 Jahre Saarbrücker Zeitung, Saarbrücken 1986; Hans Bünte, Saarbrücker Zeitung. Begleiter der saarländischen Geschichte 1 7 6 1 - 1 9 8 6 , Saarbrücken 1987; Saarbrücker Zeitung, Hg., 2 0 0 J a h r e Saarbrücker Zeitung 1 7 6 1 - 1 9 6 1 , Saarbrücken 1961; Eduard Schäfer, Z u r Geschichte der Saarbrücker Zeitung 1 9 1 8 - 1 9 6 8 / 6 9 , Saarbrücken 1972. 7 Gerhard Paul, „Deutsche Mutter heim zu dir!" Warum es mißlang, Hitler an der Saar zu schlagen. D e r Saarkampf 1 9 3 3 - 1 9 3 5 , K ö l n 1984; Ralph Schock, „Schlagt Hitler an der Saar!" F o r m e n kultureller Gegenöffentlichkeit im Abstimmungskampf, in: Gerhard Ames, Hg., Zehn statt tausend Jahre. Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar ( 1 9 3 5 - 1 9 4 5 ) . Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloss, Merzig 1988, S. 2 7 - 3 4 . 8 So zum Beispiel: A r m i n Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , Stuttgart 1996; Rainer H u d e m a n n / B u r k h a r d J e l l o n n e k / B e r n d Rauls unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1 9 4 5 - 1 9 6 0 , St. Ingbert 1997; Hudemann/Poidevin, Die Saar.
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politik unerlässlich. Außerdem blieben saarländische Stellen bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend außen vor. Ich muss mich von daher hinsichtlich der unmittelbaren Nachkriegszeit besonders auf die Bestände der für die Pressepolitik in der französischen Besatzungszone in Baden-Baden verantwortlichen Direction de l'Information stützen, daneben sollen für die französische Politik auch die Akten der Saarabteilung des französischen Außenministeriums, die des Hohen Kommissariates in Saarbrücken sowie der Nachlass des französischen Militärgouverneurs und späteren Botschafters an der Saar, Gilbert Grandval, in die Analyse einbezogen werden. Für die Rekonstruktion der Pressepolitik unter saarländischer Verantwortung ziehe ich die Bestände des Presse- und Informationsamtes der saarländischen Regierung und der Staatskanzlei des Saarlandes heran sowie die Nachlässe von Ministerpräsident Johannes Hoffmann und von Innenminister Edgar Hector. Wie verlief der Neubeginn der Presse an der Saar? Nach welchen Gesichtspunkten wurden Redakteure und Lizenzträger der Zeitungen ausgewählt? Inwieweit unterschied sich die Pressepolitik der Franzosen an der Saar von der in der restlichen französischen Besatzungszone? Wie gestaltete sich der Ubergang in saarländische Verantwortung? Inwiefern konnten die Franzosen weiterhin ihren Einfluss auf die Presselandschaft des Saarlandes sicherstellen? Zunächst ist ein Blick auf den Neubeginn der Presse an der Saar nach 1945 zu werfen. Daran anschließend soll die Lizenzierung von Zeitungen und Zeitschriften an der Saar näher beleuchtet werden. In einem weiteren Schritt werde ich auf die praktische Umsetzung der Pressepolitik in Form von Zensur, Auswahl der Lizenzträger und Redakteure eingehen. Ferner soll der Übergang der Pressepolitik in saarländische Verantwortung thematisiert werden. Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die saarländische Pressezensur von der französischen unterschied und in welchem Maße sich die Franzosen weiterhin Kontrollmöglichkeiten der saarländischen Presse gesichert hatten.
2. P r e s s e p o l i t i k in f r a n z ö s i s c h e r V e r a n t w o r t u n g 2.1 Neubeginn
der Presse an der Saar
Als am 21. März amerikanische Truppen das Saarland besetzten, trat auch an der Saar das Gesetz Nr. 191 des Alliierten Oberkommandos in Kraft, welches das Drucken und Vertreiben von Zeitschriften, Magazinen und Plakaten im besetzten Gebiet verbot. Schon im Winter 1944 war die saarländische
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Zeitungslandschaft auf zwei Zeitungen - die Saarbrücker Zeitung und die „NSZ-Westmark" - zusammengeschrumpft, mit Vorrücken der Alliierten stellten auch sie ihr Erscheinen ein. Wandanschläge oder die von den Alliierten herausgegebenen „Truppenzeitungen" waren nun die einzige Möglichkeit, sich über den Fortgang des Krieges und die Erlasse der Besatzungsmacht zu informieren. 9 Im Juli 1945 übernahmen französische Besatzungstruppen relativ unvorbereitet die Verantwortung im Saarland. Anders als die Briten und Amerikaner hatten die Franzosen noch keine Pläne für die Neuorganisation der Presse in ihrer Zone ausgearbeitet. Sie orientierten sich daher zunächst an der Politik der Amerikaner, machten sich jedoch rasch daran, eigene Konzepte zu entwickeln. 10 Noch im August 1945 wurde bei der französischen Militärregierung in Baden-Baden die Direction de l'Information mit der Unterabteilung Section Presse eingerichtet, die für den Wiederaufbau der Presse in der französischen Besatzungszone verantwortlich war. 11 Auf regionaler Ebene war die Direction de l'Information der Militärregierung in Saarbrücken für die Pressepolitik zuständig. Ihr erster Leiter war als Délégué de l'Information Henri Chassin de Bourdeille, der Gerüchten zufolge während des Zweiten Weltkriegs Kollaborateur der deutschen Besatzung gewesen sein soll. 1947 wurde er von Frédéric Billmann abgelöst. 12 Nach dem Amtsantritt Gilbert Grandvals als Délégué Supérieur an der Saar konnte die Direction de l'Information in Saarbrücken seit September 1945 immer größeren Einfluss auf die Pressepolitik an der Saar gewinnen. Durch den Wirtschaftsanschluss des Saarlandes an Frankreich beschleunigte sich die Loslösung von Baden-Baden im Winter 1946 noch einmal. 13 Im August 1945 reisten französische Presseoffiziere im Auftrag der Militärregierung in Baden-Baden durch das Land und prüften die Voraussetzung,
Bünte, Saarbrücker Zeitung, S. 14; Militärregierungsgesetz Nr. 191 (abgeändert 1) und Nachrichtenkontroll-Vorschrift vom 1 2 . 5 . 1 9 4 5 , abgedruckt in: Reinhart Greuner, Lizenzpresse. Auftrag und Ende. D e r Einfluß der angloamerikanischen Besatzungspolitik auf die Wiedererrichtung eines imperialistischen Pressewesens in Westdeutschland, Berlin 1962, S. 265-267. 1 0 Heinen, Saarjahre, S . 5 1 ; H e r r m a n n , Saarländische Presse, S . 4 6 f . 11 Vgl. Stephan Schölzel, D i e Pressepolitik in der französischen Besatzungszone 1 9 4 5 - 1 9 4 9 , Mainz 1986, S. 3 5 - 3 9 . 12 Capitaine Henri-Jean Adam, Mission de prospection dans la zone nord pour la création de journaux allemands, 2 0 . 8 . 1 9 4 5 , Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche, C o l m a r ( A O F A A ) : Direction de l'Information, A P 138/1; Walter Eberhard, Wer kaufte J o h o ? Dreimal an der Saar, Paris 1951, S . 4 0 . 1 3 Schon seit 1946 richtete sich ein Großteil der Presseanweisungen aus Baden-Baden nicht mehr an die Verantwortlichen in Saarbrücken. Vgl. dazu auch: Protokolle des C o m i t é de Direction de la Presse von 1946 bis 1948, A O F A A , A P 130/1. 9
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in der Besatzungszone Zeitungen zu gründen. Eine dieser Reisen führte Capitaine Henri-Jean Adam auch nach Saarbrücken. In seinem Bericht stufte er die Voraussetzungen, in Saarbrücken eine Zeitung zu gründen, als günstig ein: In den Räumen der ehemaligen „Saarbrücker Landes-Zeitung" schien seiner Meinung nach trotz einiger Kriegsschäden aus technischer Sicht dem unverzüglichen Erscheinen einer Zeitung nichts im Wege zu stehen. Der Papiervorrat reiche bei zwei Ausgaben pro Woche für zwei Monate. 14 Schon im Vorfeld der ersten Ausgabe wies die Militärregierung in einem Vermerk darauf hin, dass auf eine dezidierte Ausrichtung der Zeitung zugunsten des wirtschaftlichen Anschlusses des Saarlandes an Frankreich verzichtet werden sollte, weil dies Probleme bei der Besetzung der Redaktion nach sich ziehen könnte. Vielmehr sollten dabei unterschiedliche politische Strömungen berücksichtigt werden. 1 5 Adam hatte bei seinem Besuch auch schon eine erste Vorauswahl von Mitarbeitern für die Redaktion getroffen. Als mögliche Redakteure nannte er Georg Schulte, den ehemaligen Redakteur der sozialdemokratischen „Volksstimme", und Eugen Feien, vormals Redakteur des frankophilen „Generalanzeigers". Daneben schlug er Ernst Roth 1 6 und Johannes Hoffmann 1 7 als mögliche Redakteure vor, die sich beide auf dem Weg aus dem Exil zurück an die Saar befanden. 18 Die erste Ausgabe der „Neuen Saarbrücker Zeitung" erschien schließlich am 27. August 1945 und knüpfte - mit neuer Jahrgangszählung - an die Tradition der Saarbrücker Zeitung an. Für das Amt des Chefredakteurs hatte die Militärregierung Peter Zimmer ausgewählt, der von 1926 bis 1933 Chefredakteur der Gewerkschaftszeitschrift „Die Bergbauindustrie" in Bochum gewesen war. Als er sich kurze Zeit später ganz auf die geschäftlichen Belange der Zeitung konzentrierte, trat Ernst Roth seine Nachfolge an. Im September 1945 wurden Roth auf Wunsch der Militärregierung in Baden-Baden zwei
14 Capitaine Henri-Jean A d a m , Mission de prospection dans la zone nord p o u r la création de journaux allemands, 20.8.1945, A O F A A , A P 138/1. 15 Supplément de la note sur la Sarre, 18.8.1945, ebd. 16 Roth war in den 1920er Jahren Redakteur der „Mannheimer Volksstimme" gewesen. N a c h der Volksabstimmung 1935 war er nach Frankreich emigriert und hatte im Zweiten Weltkrieg in der französischen A r m e e u n d in der Résistance gekämpft. 17 Johannes H o f f m a n n war von 1929 bis 1934 C h e f r e d a k t e u r der Saarbrücker Landes-Zeitung gewesen. Im Zuge der Auseinandersetzung u m die Volksabstimmung von 1935 w u r d e er abgesetzt und gründete 1934 die „ N e u e Saar-Post". Als einer der bekanntesten Verfechter des Status q u o musste er nach der Volksabstimmung 1935 das Saargebiet verlassen. Er emigrierte zunächst nach Luxemburg, später ü b e r Frankreich nach Brasilien. 18
Capitaine Henri-Jean A d a m , Mission de prospection dans la zone nord p o u r la création de journaux allemands, 20.8.1945, A O F A A , A P 138/1.
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weitere Redakteure zur Seite gestellt. Mit Johannes Hoffmann als Vertreter der Christdemokraten und Hermann Burkhardt als Vertreter der Kommunisten sollte die Uberparteilichkeit der Zeitung sichergestellt werden. 19 Die Startauflage der Neuen Saarbrücker Zeitung betrug 40 000 Exemplare, was jedoch nicht ausreichte, um das Informationsbedürfnis der saarländischen Bevölkerung zu stillen. Die Direction de l'Information regte deshalb an, eine weitere Zeitung in Saarlouis zu gründen. Sie sollte eine frankophile Ausrichtung haben und an das ehemalige „Saarlouiser Journal" anknüpfen. Darüber hinaus sollte eine eigene Wochenzeitschrift für das Saarland, unabhängig von der für den Nordteil der französischen Besatzungszone geplanten Illustrierten, herausgegeben werden. 20 Aufgrund des Papiermangels in der französischen Besatzungszone konnten die Pläne für eine weitere Zeitung jedoch nicht realisiert werden. Eine Zeitschrift speziell für das Saarland wurde erst im Spätsommer 1946 lizenziert. 2.2 Lizenzierung
von Parteizeitungen
und
Zeitschriften
Als im Januar 1946 politische Parteien im Saarland gegründet wurden, stellte sich auch die Frage nach der Zulassung von Parteizeitungen. Schon im Dezember 1945 hatte sich die im Entstehen begriffene Christliche Volkspartei (CVP) an die Direction de l'Information in Saarbrücken gewandt, um die Lizenz für ein eigenes Parteiorgan zu erhalten. Im Hinblick auf die Chancengleichheit der Parteien wurde die CVP jedoch gebeten, auf entsprechende Initiativen der anderen Parteien zu warten. 21 In der Zwischenzeit nutzten die Redakteure der Neuen Saarbrücker Zeitung die Spalten des überparteilichen Blattes, um für die unterschiedlichen politischen Richtungen zu werben. Dies missfiel der Direction de l'Information in Saarbrücken jedoch und man erachtete es für notwendig, so schnell wie möglich Parteizeitungen zu lizenzieren, um die Überparteilichkeit der Neuen Saarbrücker Zeitung sicherzustellen und den Parteien die Möglichkeit zu bieten, ihre Ideen und Programme zu verbreiten. 22 Am 12. Juni 1946 genehmigte das Comité de Direction de Presse in BadenBaden schließlich die Lizenzen der „Saarländischen Volkszeitung" als Parteizeitung der CVP, der „Neuen Zeit" als Organ der Kommunistischen ParGouvernement Militaire de la Sarre, Rapport mensuel septembre 1945, A O F A A , A P 131/4. Commandant Botticelli, Rapport sur enquête dans le secteur N o r d de la zone française, 9.9.45, A O F A A , A P 138/1. 2 1 Gouvernement Militaire de la Sarre, Rapport mensuel décembre 1945, Gouvernement militaire de la Sarre, Rapport mensuel janvier 1946, A O F A A , A P 131/4. 2 2 Gouvernement militaire de la Sarre, Direction Information, Rapport mensuel février 1946, A O F F A , A C 661/3. 19
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Abb. 1: CVP-Parteitag in Saarbrücken im Johannishof: Pressekonferenz des und Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann (Kopfende). Von rechts: Albert Lehnen, Claus Becker, Adolf Franke
Parteivorsitzenden Dorscheid, Emi!
tei des Saarlandes ( K P S ) sowie der V o l k s s t i m m e als Zeitung der S o z i a l d e m o kratischen Partei des Saarlandes (SPS). Zugleich wurde mit der „ N e u e n Saar" auch die Zeitung des M o u v e m e n t p o u r le R a t t a c h e m e n t de la Sarre à la F r a n c e ( M R S ) lizenziert. 2 3 D i e saarländischen Parteizeitungen erschienen ab 22. J u n i 1946 einmal w ö chentlich. 2 4 Sie durften zunächst nur im A b o n n e m e n t vertrieben werden, ein D i r e k t v e r k a u f war v e r b o t e n . 2 5 D a s Saarland war damit die erste R e g i o n der französischen B e s a t z u n g s z o ne, in der flächendeckend Parteizeitungen lizenziert wurden. In den L ä n d e r n
C o m p t e s r e n d u s des séances du C o m i t é de D i r e c t i o n de la presse. P r o c è s verbal de la séance du 12 juin 1 9 4 6 , A O F F A , A P 1 3 0 / 1 . " 4 V g l . z u r C r ü n d u n g d e r P a r t e i z e i t u n g e n den B e i t r a g v o n Ines H e i s i g in d i e s e m B a n d . H e r r m a n n , S a a r l ä n d i s c h e P r e s s e , S. 4 7 f.
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Baden, Württemberg-Hohenzollern und Rheinland-Pfalz sollte dies bis zum Sommer 1947 dauern. 26 Die Saarbriicker Volkszeitung verfügte mit 90000 Exemplaren über die größte Auflage der Parteizeitungen, gefolgt von der Volksstimme mit 52 000 Exemplaren und der Neuen Zeit mit 28 000 Exemplaren. Die Direction de l'Information in Baden-Baden befürchtete daher einen Vorteil der Saarbrücker Volkszeitung gegenüber den anderen Parteizeitungen, zumal diese auch über bessere Vertriebsmöglichkeiten verfügte. Der Directeur de l'Information, Jean Arnaud, erkundigte sich deshalb, ob Maßnahmen ergriffen worden seien, um einen Vorteil der C V P bei den anstehenden Kommunalwahlen gegenüber den anderen Parteien auszugleichen. Es sollte nämlich nicht der Anschein erweckt werden, dass mit der Auflagenverteilung eine Parteinahme der Militärregierung für eine bestimmte politische Richtung zum Ausdruck gebracht würde. 27 Nach den Kommunalwahlen im September 1946 wurden die Auflagenzahlen der Parteizeitungen an die Wahlergebnisse der jeweiligen Partei angepasst. Die Auflage der Saarbrücker Volkszeitung wurde auf 130000 angehoben, gefolgt von der Volksstimme mit 60000 und der Neuen Zeit mit 33000 Exemplaren. Vergleicht man den Anteil der einzelnen Parteiblätter an der Gesamtauflage der Parteizeitungen mit den Ergebnissen der Kommunalwahl der jeweiligen Partei, so zeigt sich, dass die Neue Zeit gegenüber den anderen Parteiorganen bevorzugt wurde. Bei einem Wahlergebnis von 9,1 Prozent für die KPS betrug der Anteil der Neuen Zeit an der Parteipresse 14,8 Prozent. Der Saarbrücker Volkszeitung stand bei einem Stimmenanteil von 58,3 Prozent für die C V P ein Anteil von 52,4 Prozent an der Parteipresse gegenüber. Am geringsten war der Unterschied bei den Sozialdemokraten: Konnte die SPS ein Wahlergebnis von 25,5 Prozent erringen, so betrug ihr Anteil an der Parteipresse 26,9 Prozent. 28 Ab September 1946 war vorgesehen, die Parteizeitungen zweimal statt wie bisher nur einmal wöchentlich erscheinen zu lassen. Aufgrund der prekären Papierversorgung in der französischen Zone konnte dies jedoch erst im Januar 1947 verwirklicht werden. Durch den Papiermangel verzögerte sich auch das Erscheinen der Parteizeitung der im Herbst 1946 zugelassenen
C o m p t e s rendus des séances du C o m i t é de Direction de la presse. Procès verbal de la séance du 12 juin 1946, A O F F A , A P 130/1; Schölzel, Pressepolitik, S. 113. 2 7 Le Directeur de l'Information an Loutre, 1 4 . 8 . 1 9 4 6 , A O F A A , A P 128/8; Berwanger, Massenkommunikation, S . 5 2 . 26
Gouvernement militaire de la Sarre, Information et propagande, Rapport mensuel août/septemb r e / o c t o b r e 1946, A O F A A , A C 6 6 1 / 3 , H a u t Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'Information, Hg., Trois ans de présence française en Sarre, Paris 1948, S. 30; Schölzel, Pressepolitik, S. 221. 28
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Abb. 2: Titelseite von (Ostern 1948 Nr. 7)
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Charme
D e m o k r a t i s c h e n Partei d e s S a a r l a n d e s ( D P S ) , die mit der Z e i t u n g „Das Saarl a n d " erst ab O k t o b e r 1947 ü b e r ein e i g e n e s P a r t e i o r g a n v e r f ü g e n k o n n t e . D e r P a p i e r m a n g e l setzte d e r f r a n z ö s i s c h e n P r e s s e p o l i t i k v o n B e g i n n an enge G r e n z e n u n d f ü h r t e d a z u , dass e i n i g e s a a r l ä n d i s c h e Z e i t u n g e n ein reg e l m ä ß i g e s E r s c h e i n e n nicht m e h r g e w ä h r l e i s t e n k o n n t e n . D e n n o c h w u r d e n die s a a r l ä n d i s c h e n Z e i t u n g e n bei d e r P a p i e r v e r t e i l u n g g e g e n ü b e r den Z e i t u n g e n in den ü b r i g e n Teilen d e r f r a n z ö s i s c h e n B e s a t z u n g s z o n e d e u t l i c h bev o r z u g t . Im D e z e m b e r 1946 w u r d e n d e m S a a r l a n d mit 0,8 M i l l i o n e n E i n w o h n e r n 105 t P a p i e r z u g e t e i l t , d a z u k a m e n n o c h e i n m a l 16 t P a p i e r f ü r die s a a r l ä n d i s c h e n Z e i t s c h r i f t e n . I m V e r g l e i c h d a z u erhielt W ü r t t e m b e r g mit 0,9 M i l l i o n e n E i n w o h n e r n n u r 80 t Papier, die P f a l z u n d B a d e n k o n n t e n mit jew e i l s 1,6 M i l l i o n e n E i n w o h n e r n n u r ü b e r 135 t P a p i e r v e r f ü g e n . 3 0 A u c h w e n n m a n das V e r h ä l t n i s v o n E i n w o h n e r z a h l u n d A u f l a g e n h ö h e d e r Zei-
G o u v e r n e m e n t m i l i t a i r e d e la S a r r e , D i r e c t i o n I n f o r m a t i o n , R a p p o r t m e n s u e l n o v e m b r e 1946, A O F A A , A C 661/3; A l t m c y e r , M a s s e n m e d i e n n a c h 1945, S . 4 0 6 . C o m i t é d e d i r e c t i o n d e la p r e s s e , S é a n c e d u 13 d é c e m b r e 1946, A O F A A , A P 13C/1; Schöl/.el, P r e s s e p o l i t i k , S . 2 2 1 f.
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tungen vergleicht, erreichte das Saarland mit 1,2 Zeitungen pro Person einen Spitzenwert: In der französischen Zone kam auf zwei Einwohner eine Zeitung, in der amerikanischen und britischen Zone teilten sich mindestens fünf Einwohner eine Zeitung. 31 Im Spätsommer 1946 wurden weitere Zeitungen und Zeitschriften lizenziert, die ein breites Interessenspektrum abdecken sollten: So war zeitgleich mit den Parteizeitungen die Sportzeitschrift „Sport-Echo" lizenziert worden, die wenig später einmal wöchentlich mit einer Auflage von 50000 Exemplaren erschien. 32 Daneben entstand mit „Charme" eine Zeitschrift, die speziell auf die Bedürfnisse der saarländischen Frau zugeschnitten sein und die unterschwellig das Interesse der Saarländerinnen an der französischen Politik und Kultur wecken sollte. Wie Charme entwickelte sich auch die Zeitung „Kinderpost" für Kinder zwischen acht und 14 Jahren aus einer Rubrik der Saarbrücker Zeitung. Die jungen Saarländer wurden ebenfalls stark von der französischen Propaganda umworben, galten sie doch als nur wenig vom deutschen Nationalismus infiltriert und in ihrer politischen Einstellung noch formbar. 33 Im Spätsommer 1946 erschienen auch erstmals wieder konfessionsgebundene Zeitungen: der „Sonntagsgruß" als Zeitung der Protestanten, für die Katholiken des Bistums Trier das „Paulinusblatt", für die des Bistums Speyer „Der christliche Pilger". Ab Oktober 1947 wurde auch die katholische Familienzeitschrift „Nach der Schicht" wieder aufgelegt. 34 Grandval konnte dabei beim Trierer Bischof Franz Rudolf Bornewasser erreichen, dass für den saarländischen Teil des Bistums eine eigene Saar-Ausgabe des Bistumsblattes geschaffen wurde, schließlich musste auch der Speyrer Bischof in eine saarländische Ausgabe des Christlichen Pilgers einwilligen. Diese Saarausgaben unterschieden sich von den eigentlichen Bistumszeitungen in zwei Seiten, die von eigens eingerichteten saarländischen Redaktionen zusammengestellt wurden. Damit sollte die Bindung an die beiden außerhalb des Saarlandes gelegenen Bistumssitze möglichst gering gehalten und eine nationalistische Propaganda über die Diözesanblätter vermieden werden. 35 Comité de direction de la presse, Séance du 13 décembre 1946, A O F A A , A P 130/1. Gouvernement militaire de la Sarre, Information et propagande, Rapport détaillé novembre/décembre 1946, janvier 1947, A O F A A , A C 661/3; vgl. dazu auch den Beitrag von Bernd Reichelt in diesem Band. 33 Exposé fait en juin 1949 devant le conseil politique du haut-commissariat, PA Grandval, 11. 34 Haut Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'Information, Trois ans, S. 30. 3 5 Bornewasser an Koenig, 2 5 . 6 . 1 9 4 6 , A O F A A , A P 65/5; Grandval an den Administrateur Général, Juni 1946, ebd.; Jean Arnaud an Monsieur le Directeur Général des affaires administratives, 2 2 . 2 . 1 9 4 6 , Bulletins paroissiaux - Revues religieuses, A O F A A , A P 139/4; vgl. dazu auch den Beitrag von Judith Hüser in diesem Band. 31
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Abb. 3: Titelseite der Zeit im Bild (11. Januar 1948 Nr. 1)
Pläne f ü r eine saarländische Illustrierte, die es seit Beginn der f r a n z ö sischen Pressepolitik an der Saar gegeben hatte, w u r d e n im September 1946 mit der Zeitschrift „Zeit im B i l d " v e r w i r k l i c h t . Schon im M ä r z 1946 hatte Grandval m e h r m a l s gegenüber B a d e n - B a d e n den W u n s c h bekräftigt, so schnell w i e möglich eine eigene saarländische Illustrierte auf den M a r k t zu bringen: „Cette publication me paraît indispensable si nous voulons attirer dans des conditions attrayantes l'attention de la p o p u l a t i o n sarroise sur certains p r o b l è m e s qui conditionnent son avenir, et l ' a m e n e r à se solidariser de plus en plus avec notre p o l i t i q u e " . 3 6 Es dauerte jedoch bis z u m 3 . J u l i 1946, bis der Gesellschaft der „ N e u e n S a a r b r ü c k e r Illustrierten" durch den D i r e c t e u r de l ' I n f o r m a t i o n in B a d e n Baden eine L i z e n z erteilt w u r d e . Die Startauflage der Zeit im Bild betrug 40 000 Exemplare pro Woche, f ü r die Zensur w a r der P r e s s e k o m m i s s a r der
G r a n d v a l an D i r e c t i o n d e l ' I n f o r m a t i o n , B a d e n - B a d e n . I l l u s t r é s a r r o i s , 4 . 3 . 1 9 4 6 , A O F A A , A C 906/5.
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Neuen Saarbrücker Zeitung verantwortlich. 37 Auf 16 Seiten sollte die Illustrierte den Leser mit Fotoreportagen, Romanen und Berichten über Kunst, Theater und Kino unterhalten. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und Spannungen innerhalb der Redaktion wurde die Zeitschrift im Juli 1948 umgestaltet und erschien nun unter dem Titel „Illus". 38 Die für das Saarland in der Vergangenheit typischen zentrumsnahen Kreiszeitungen wurden nach dem Krieg dagegen nicht wiederbelebt. Auch spätere Versuche der Verleger, von der saarländischen Regierung eine Lizenz zu erhalten, scheiterten, weil man den schon übersättigten saarländischen Zeitschriftenmarkt nicht noch weiter belasten wollte. Das Verbot der Kreiszeitungen war also nicht, wie die saarländische Opposition vermutete, in erster Linie eine Maßnahme, um kritische Stimmen zu unterdrücken, sondern diente vor allem dazu, der regierungsnahen christlich orientierten Saarbrücker Volkszeitung keine weitere Konkurrenz zu schaffen. 39 2.3 Die französische
Pressezensur
Die französischen Presseplanungen sahen eine strenge Zensur der neu lizenzierten Zeitungen vor. Durch Vorzensur sollte sichergestellt werden, dass nur Berichte veröffentlicht wurden, die im Sinne der französischen Militärregierung waren. U m dies zu gewährleisten, wurde jeder Zeitung ein Presseoffizier, ein so genannter Commissaire-Censeur, zur Seite gestellt. 40 Der Commissaire-Censeur war aktiv in die Arbeit der Redaktionen eingebunden und sollte nicht nur die Artikel der Zeitung zensieren, sondern auch Impulse für die weitere Berichterstattung geben. Darüber hinaus gehörten auch die Gestaltung des Layouts und die Kontrolle der wirtschaftlichen Situation der Zeitung zu seinen Aufgaben. Der Umgang mit den deutschen Kollegen sollte dabei höflich, aber distanziert sein. In regelmäßigen Abständen musste der regionalen Direction de l'Information sowie der Section de Presse in Baden-Baden über die Arbeit Bericht erstattet werden. 41 In Saarbrücken war zunächst Capitaine Lucien Ehringer für die Zensur der Neuen Saarbrücker Zeitung zuständig. Als er die Leitung der Saarbrücker Dépendance von Agence France Presse übernahm, wurde er von Othon
Directeur de l'Information an Neue Saarbrücker Illustrierte, Licence d'édition, 3.7.1946, ebd.; Grandval an Direction de l'Information, Baden-Baden, Illustré Sarrois, 14.6.1946, ebd. 3 8 Grandval an Direction de l'Information, Baden-Baden, Illustré Sarrois, 14.6.1946, A O F A A , AP 906/5. 3 9 M P Hoffmann an Dr. Jacob Hector, 7.8.1948, Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken (LA SB), StK 1520; Herrmann, Saarländische Presse, S.49. 4 0 Schölzel, Pressepolitik, S. 130. 4 1 Instructions générales pour les commissaires-censeurs, 12.9.1945, A O F A A , AP 136/2. 37
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Antes als Commissaire-Censeur abgelöst. Dieser war zuvor Redakteur bei einer Straßburger Zeitung gewesen und für die Aufgabe in Saarbrücken von seinem Arbeitgeber für ein halbes J a h r beurlaubt worden. Als er das Saarland wieder verließ, wurde die Zensur der Saarbrücker Zeitung sowie der übrigen Zeitungen und Zeitschriften direkt bei der Militärregierung in Saarbrücken durchgeführt. 4 2 Schon im Vorfeld der Lizenzierung der Parteizeitungen im Sommer 1946 war eine neue generelle Verordnung erlassen worden. Danach waren „der Druck, die Verbreitung und die Verteilung von Flugblättern, Plakaten, B r o schüren, Zeitungen und anderen Schriftstücken, soweit sie nicht der Vorzensur unterliegen, im ganzen Saargebiet untersagt". 4 3 J e zwei Exemplare mussten dem Kreiskommandanten mit den Angaben der Anzahl der zu verbreitenden Exemplare und den Namen und Adressen der für den D r u c k verantwortlichen Personen vorgelegt werden. 4 4 Wie das Zensurverfahren an der Saar ablief, bezeugt ein Dokument zur Lizenzierung der Zeitschrift Sport-Echo: Die jeweilige Ausgabe musste der Militärregierung 24 Stunden vor Veröffentlichung zur Kontrolle vorgelegt werden, die Korrekturabzüge der Ausgabe waren 24 Stunden nach Veröffentlichung erneut gegen Quittung bei den Commissaires-Censeurs abzugeben. Tageszeitungen mussten am Tag vor ihrem Erscheinen um 14 U h r übergeben werden und konnten um 17 U h r wieder in Empfang genommen werden. Zensierte Passagen durften für den Leser nicht als weiße Stellen im Text erkennbar sein, die französische Kontrolle durfte nicht thematisiert werden. In welchem Umfang der Inhalt der saarländischen Zeitungen und Zeitschriften auf diesem Wege beeinflusst wurde, kann deshalb heute nicht mehr rekonstruiert werden. 4 5 Während die Zeitungen in der französischen Besatzungszone im Zuge einer Pressereform schon im Frühjahr 1947 von der Vorzensur zur liberaleren Nachzensur übergehen durften, blieb im Saarland bis zur Landtagswahl im Dezember 1947 die Vorzensur bestehen. 4 6 Die französischen Verantwortlichen begründeten dies „en raison des conditions spéciales dans lesquelles se trouvait cette province". 4 7
Berwanger, Massenkommunikation, S . 4 2 f . ; O t h o n Antes an Bourdeille, A O F A A , A P 150/4; O t h o n Antes an Laffon, 17.7.1946, ebd.
42
Amtsblatt des Saarlandes, 1 7 . 6 . 1 9 4 6 Nr. 19, S . 9 3 . Ebd. 4 5 Berwanger, Massenkommunikation, S. 41 f. 4 6 Schölzel, Pressepolitik, S. 131-133. 4 7 Haut Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'Information, Trois ans, S.31. 43 44
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2.4 Auswahl der
Lizenzträger
Die Auswahl der Lizenzträger der Zeitungen gehörte ebenfalls zu den Aufgaben der Presseoffiziere vor Ort und war stark vom persönlichen Eindruck des jeweiligen Offiziers abhängig. Lizenzen sollten nur an Personen erteilt werden, die der Militärregierung vertrauenswürdig erschienen und die dem eingeschlagenen politischen Kurs folgten. Als Lizenzträger der Saarbriicker Volkszeitung wählte die französische Militärregierung Johannes Hoffmann und Franz Singer aus. Hoffmann wurde nach Verabschiedung der saarländischen Verfassung 1947 saarländischer Ministerpräsident, Singer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft, außerdem war er auch Vorsitzender der CVP-Landtagsfraktion. Der am 2. September 1946 vor dem Amtsgericht Saarbrücken eingetragene Gesellschaftervertrag der Saarländischen Volkszeitung GmbH beinhaltete ein Stammkapital von 100000 RM, das sich je zur Hälfte auf Hoffmann und Singer verteilte. Beide brachten jedoch jeweils nur eine Einlage von 10000 RM ein. Das Restkapital von 80000 RM ersetzte die Lizenz zur Herausgabe der Saarländischen Volkszeitung, die den beiden von der französischen Militärregierung verliehen worden war. Obwohl kein offizieller Treuhandvertrag bestand, wurden die Anteile Hoffmanns und Singers praktisch als Besitz der CVP behandelt. 48 Das Kapital von Hoffmann war möglicherweise ein Teil der Abfindung, die er nach seinem Ausscheiden aus dem Redaktionskomitee der Neuen Saarbrücker Zeitung erhalten hatte. 49 Auch die Volksstimme wurde ohne formellen Treuhandvertrag als Treuhandbesitz der SPS angesehen. Lizenzträger waren in diesem Fall Richard Kirn, Johann Pitz und Georg Schulte. Anders als bei der Saarbrücker Volkszeitung waren die Lizenzträger jedoch nicht zugleich Gesellschafter des Zeitungsverlages. Aber auch bei den Gesellschaftern der Volksstimme Druckund Verlagsanstalt GmbH handelte es sich, wie bei dem Vorsitzenden der Einheitsgewerkschaft Heinrich Wacker, um zuverlässige Personen, welche eine Berichterstattung der Zeitung im Sinne der französischen Militärregierung sicherstellten. 50 Als Lizenzträger der kommunistischen Neuen Zeit waren Fritz Nickolay und Fritz Bäsel ausgewählt worden. Wie die KPS trat auch das Parteiorgan in Opposition zur französischen Politik an der Saar. Wegen ihrer kritischen Berichterstattung stand die Zeitung deshalb unter besonderer Beobachtung Berwanger, Massenkommunikation, S. 45 f.; Martin Hoffmeister, Wer regiert die Saar?, Köln 1952, S . 2 2 f . 4 9 Eberhard, Wer kaufte Joho?, S.34. 50 Berwanger, Massenkommunikation, S. 46. 48
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der französischen Zensoren und wurde später von der saarländischen Regierung mehrfach verboten. 5 1 Als sich der Lizenzträger der Saarbrücker Zeitung, Peter Zimmer, im O k tober 1946 wieder der Politik zuwenden wollte und dies für unvereinbar mit der Tätigkeit für eine überparteiliche Zeitung hielt, wurde die bislang als Einzelfirma geführte Zeitung in eine G m b H umgewandelt. Uber den 1947 gegründeten Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung hielt Frankreich die Mehrheit der Anteile an der Saarbrücker Zeitung, allerdings nur indirekt über saarländische Treuhänder, welche die französischen Anteile verwalteten, denn vor der saarländischen Bevölkerung sollte diese Tatsache geheim gehalten werden. 52 Mit dem Prinzip der indirekten Teilhabe, das auch bei den Zeitschriften Illus und Sport-Echo praktiziert wurde, und mit der Lizenzvergabe an spätere Regierungsvertreter legte die französische Militärregierung den Grundstein für die weitere Entwicklung der saarländischen Presselandschaft bis zum Vorabend der Abstimmung 1955. Durch den französischen Einfluss sollte einerseits die Verbreitung der französischen Kultur im Saarland weiter vorangetrieben, andererseits ein Erwachen des deutschen Nationalismus im Saarland verhindert werden. Einzig die Zeitungen Das Saarland als Parteizeitung der D P S sowie die Neue Zeit als Organ der Kommunisten blieben außerhalb dieses Kontrollsystems und standen deshalb unter besonderer Beobachtung. 2.5 Auswahl der
Redakteure
Wie die Auswahl der Lizenzträger war auch die Suche nach geeigneten Redakteuren in der französischen Zone Aufgabe der Presseoffiziere vor Ort, die in Gesprächen die politische Integrität der Bewerber überprüfen sollten. Bei der Wahl der Redakteure ließen die Franzosen große Sorgfalt walten, waren sie doch der Ansicht, dass die Ausrichtung einer Zeitung und die Qualität ihrer Berichterstattung maßgeblich von der Besetzung der Redaktion abhingen. 53 Die Suche nach geeignetem Personal für die saarländischen Zeitungsredaktionen gestaltete sich jedoch besonders schwierig, denn es gab für die vakanten Redaktionsposten kaum qualifizierte saarländische Bewerber. Die französische Militärregierung wollte aber vor allem Saarländer anwerben,
Herrmann, Saarländische Presse, S. 52. Berwanger, Massenkommunikation, S . 5 0 f . ; vgl. den Beitrag der Autorin, Die Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , in diesem Band. 5 3 Schölzel, Pressepolitik, S. 68. 51
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weil sie mit der Sprache, Kultur und Mentalität ihrer Landsleute vertraut seien und so am besten beurteilen könnten, für welche Themen sich die Saarländer interessierten. 54 Die Franzosen bemühten sich daher intensiv um den journalistischen Nachwuchs aus dem Saarland: Anfang 1946 wählten die Direction de l'Information und die Neue Saarbrücker Zeitung zwölf Praktikanten aus, die im Laufe von dreieinhalb Monaten zunächst in einem praktischen Teil die unterschiedlichen Abteilungen der Zeitung - Redaktion, Verwaltung und Druckerei - durchlaufen sollten. Der daran anschließende theoretische Teil bestand aus Kursen zur Theorie und Praxis des Journalismus sowie aus Seminaren, die Grundkenntnisse in öffentlichem und privatem Recht, Wirtschaft, Politik, Geschichte und Kultur vermittelten. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten ein Französischkurs und Kurse, die einen Uberblick über die Geschichte und das politische System Frankreichs gaben. Praktikanten mit ausreichenden Französischkenntnissen wurde darüber hinaus ein Praktikum bei einer französischen Zeitschrift in Aussicht gestellt. 55 In den folgenden Jahren erreichten das Hohe Kommissariat in Saarbrücken auch immer wieder Anfragen saarländischer Zeitungsredaktionen, die ihrem journalistischen Nachwuchs einen Aufenthalt in Frankreich ermöglichen wollten, damit diese dort Kurse an einer Journalistenschule in Paris belegen oder bei einer großen Zeitung oder in einer Druckerei über mehrere Monate ein Praktikum absolvieren konnten. Grandval leitete diese Anfragen billigend weiter, versprach er sich davon doch bessere Französischkenntnisse der saarländischen Journalisten sowie die Bildung von Netzwerken zwischen saarländischen und französischen Journalisten. 56 Bei der Besetzung der saarländischen Zeitungsredaktionen griff man schließlich vor allem auf Remigranten zurück, die größtenteils schon in der Zeit der Völkerbundverwaltung im Saargebiet tätig gewesen und nach der Volksabstimmung 1935 ins Exil gegangen waren. Neben Johannes Hoffmann und Ernst Roth hatten auch Kunz von Kauffungen und Walter Eberhard, beide Chefredakteure der Saarbrücker Zeitung, die Chefredakteure der Neuen Zeit Claus Becker und Walter Gebelein sowie Angelika Braun, Chefredakteurin der Frauenzeitschrift Charme, den Krieg im Exil überstanden. Der Einfluss der Remigranten beschränkte sich also nicht nur auf die saarländische Parteipresse: Eine Vielzahl von Führungspositionen in der saarlän-
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Exposé fait en juin 1949 devant le conseil politique du haut-commissariat, PA Grandval, 11.
Gouvernement militaire de la Sarre, Direction Information, Rapport février 1946, A O F A A , A C 661/3. 5 6 Grandval an M A E , Février 1951, Stage de jeunes journalistes sarrois dans la presse française, Archives du Ministère des affaires étrangères ( M A E ) , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 91. 55
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D e m o k r a t i s i e r u n g im inneren Widerspruch
dischen Presselandschaft - zum Beispiel mit Karl Hoppe auch die Leitung des saarländischen Presse- und Informationsamtes - war mit Remigranten besetzt worden. 5 7 Auch wenn den Remigranten die Erfahrung des Abstimmungskampfes 1935 und des Exils gemein war, zeigte sich schon bald, dass sie unterschiedliche Vorstellungen von der Nachkriegsordnung des Saarlandes hatten. N e ben Ernst Roth und Hermann Burkhardt verließen auch Friedrich Bäsel und Walter Gebelein mehr oder weniger freiwillig das Saarland, weil sie sich mit der Politik der Franzosen und später der saarländischen Regierung nicht arrangieren konnten. 5 8
3. Pressepolitik in saarländischer Verantwortung 3.1 Rechtlicher und institutioneller Rahmen der saarländischen
Pressepolitik
Mit Verabschiedung der saarländischen Verfassung im D e z e m b e r 1947 ging die Pressepolitik offiziell in saarländische Verantwortung über. Dieser Ubergang gestaltete sich jedoch als ein langfristiger Prozess. Erst am Vorabend der Volksabstimmung 1955 begann mit dem Abschied Grandvals der endgültige Rückzug der Franzosen aus der saarländischen Presselandschaft. Die saarländische Regierung musste zunächst die organisatorischen und rechtlichen Grundlagen für ihre Pressepolitik schaffen. Im Januar 1948 wurde das Presse- und Informationsamt der saarländischen Regierung gegründet, das die Nachfolge der Informationsabteilung der französischen Militärregierung in Saarbrücken antreten sollte. Es war der saarländischen Präsidialkanzlei angegliedert und unterstand damit direkt dem saarländischen Ministerpräsidenten. Aufgabe des Amtes war neben der Betreuung von Veröffentlichungen der saarländischen Regierung auch die Journalistenakkreditierung sowie die Mitarbeit bei der Einfuhrkontrolle auswärtiger Presse-
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E d g a r W o l f r u m , „ L a m i s s i o n c u l t u r e l l e " . M e d i e n p o l i t i k der f r a n z ö s i s c h e n
Besatzungsmacht
u n d die R o l l e der R e m i g r a n t e n , in: C l a u s - D i e t e r K r o h / A x e l S c h i l d t , H g . , Z w i s c h e n d e n S t ü h l e n ? R e m i g r a n t e n in d e r d e u t s c h e n M e d i e n ö f f e n t l i c h k e i t d e r N a c h k r i e g s z e i t , H a m b u r g 2 0 0 2 , S. 3 9 5 4 2 4 , hier S. 77. G e r h a r d Paul sieht den E i n f l u s s der R e m i g r a n t e n v o r allem in d e r s a a r l ä n d i s c h e n K o m m u n a l p o l i t i k , auf d e r E b e n e der P a r t e i e n s o w i e der G e w e r k s c h a f t e n , n u r b e g r e n z t im B e r e i c h der M e d i e n . V g l . G e r h a r d P a u l , „ D i e S a a r l ä n d e r f ü h l t e n sich d u r c h s o l c h e L e u t e an F r a n k r e i c h v e r k a u f t . " D i e s a a r l ä n d i s c h e n R e m i g r a n t e n u n d ihr g e s c h e i t e r t e r Staat, in: H u d e m a n n / J e l l o n e k / R a u l s , G r e n z - F a l l , S. 1 3 5 - 1 4 9 , hier S. 1 3 8 f . 58
D i e t e r M a r c S c h n e i d e r , S a a r p o l i t i k u n d E x i l , in: V i e r t e l j a h r s h e f t e f ü r Z e i t g e s c h i c h t e ( V f Z ) 2 5 ,
1977, S. 4 6 7 - 5 4 5 , hier S. 5 3 2 - 5 4 5 .
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Abb. 4: Karl Hoppe, September 1950-0ktober 1955 Leiter des Presse- und Informationsamtes der saarländischen Regierung (rechts Mitte), im Gespräch mit Edgar Hector, April 1951-Oktober 1955 saarländischer Innenminister
erzeugnisse. Die Pressezensur hingegen war bis zur Rückgliederung an die Bundesrepublik Aufgabe des saarländischen Innenministeriums. 5 9 Mit Gründung des Amtes für Europäische und Auswärtige Angelegenheiten ging ein Teil der Kompetenzen des Presse- und Informationsamtes, wie zum Beispiel die Werbung für die Politik der saarländischen Regierung, an das dort angesiedelte Referat für Informations- und Presseangelegenheiten über. 60 Der erste Leiter des Presse- und Informationsamtes, der Journalist Albert Dorscheid, w a r wegen seiner Vergangenheit im Nationalsozialismus immer wieder eine Zielscheibe für die Kritik der saarländischen Opposition. Nach seinem Wechsel auf den Posten des Chefredakteurs der Saarbrücker Volkszeitung wurde er von Karl Hoppe als Leiter der Abteilung abgelöst. Hoppe w a r zuvor Abgeordneter der kommunistischen Partei im saarländischen Landtag gewesen, hatte sich dann aber in der Frage des wirtschaftlichen Anschlusses des Saarlandes an Frankreich mit seiner Partei überworfen. 6 1 B e r w a n g e r , M a s s e n k o m m u n i k a t i o n , S. 75 f.; R e g i e r u n g des Saarlandes, H g . , G e s c h ä f t s o r d n u n g der R e g i e r u n g des Saarlandes, 3 . 8 . 1 9 4 8 , S a a r b r ü c k e n 1948, § 6. 60 B e r w a n g e r , M a s s e n k o m m u n i k a t i o n , S. 121. 61 Hoffmeister, Saar, S . 2 7 f . Zu D o r s c h e i d vgl. auch den Beitrag v o n Peter W e t t m a n n - J u n g b l u t in Bd.2. 59
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1949 war auch in der Informationsabteilung des H o h e n Kommissariates eine Neubesetzung des Chefpostens notwendig geworden, nachdem der bisherige Leiter, Frédéric Billmann, zu Radio Saarbrücken gewechselt war. Gilbert Grandval nahm die Gelegenheit wahr, um vom französischen Außenministerium das Einverständnis für eine umfassende Neustrukturierung der Abteilung zu erhalten. Seine Pläne sahen zum einen die Einsetzung eines Presseattachés vor, der Pressekonferenzen abhalten und Leitartikel für die Saarbrücker Zeitung und die französische Tageszeitung „L'Est Républicain" verfassen sollte. Für diesen Posten vorgesehen hatte Grandval Jacques Zenner, der zu diesem Zeitpunkt Chefredakteur des Est Républicain in Nancy war. 62 Zum anderen sollte ein Institut Français gegründet werden, mit der Aufgabe, Publikationen zu erstellen und Informationsreisen zu organisieren. Die Präsenz französischer Kultur sollte durch die Organisation von Theatertourneen, Ausstellungen und Konzerten im Saarland sichergestellt werden. Schließlich sollte die eigentliche Informationsabteilung umgestaltet werden und die Aktivitäten des Presseattachés und des Institut Français koordinieren. Daneben oblag ihr auch weiterhin die Kontrolle der saarländischen Presse, des Rundfunks und des Kinos. 6 3 Grandval wollte damit sicherstellen, dass die Abteilung auf das wachsende Interesse der bundesdeutschen Presse an der Saarfrage vorbereitet war und die Propaganda des H o h e n Kommissariates darauf abstimmen konnte. Eine Antwort des Außenministeriums auf die Pläne Grandvals ist in den Akten jedoch nicht überliefert. Mit Ubergang der Verantwortung für die Pressepolitik an die saarländische Regierung musste auch eine neue rechtliche Grundlage für das Pressewesen geschaffen werden. In der saarländischen Verfassung von 1947 hieß es in Artikel 5 zur Pressefreiheit: „Jedermann hat das Recht, innerhalb der Schranken der Gesetze seine Meinung in Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern ... Eine Pressezensur ist unstatthaft. B e schränkungen sind nur im Rahmen der Gesetze gestattet." 6 4 Bis Ende Januar 1948 bestand jedoch kein eigenes saarländisches Pressegesetz. Grandval hielt es für „éminemment fâcheux à tout point de vue que ces activités ne soient plus soumises à aucune réglementation ou à aucun contrôle" 6 5 , und wollte deshalb von den saarländischen Verantwortlichen wissen, welche Lösung in dieser Frage vorgesehen war. Solange keine saarländische Regelung in dieser Réorganisation de la Direction de l'Information, Grandval an Außenministerium 1 1 . 1 . 1 9 4 9 , M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 67. « Ebd. 6 4 Amtsblatt des Saarlandes, 1 7 . 1 2 . 1 9 4 7 N r . 6 7 , S. 1077-1092, hier S. 1078. 62
Gilbert Grandval an Hoffmann, O b j e t : Impression, diffusion et distribution d'affiches, brochures, journaux et travaux d'impression, 2 3 . 1 . 1 9 4 8 , L A SB, S t K 2321.
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Frage bestehe, bleibe weiterhin die französische Reglementierung in Kraft. 6 6 Die saarländische Regierung begann daraufhin mit der Erarbeitung eines Pressegesetzes. Aufgrund der Kürze der Zeit beschloss man dann jedoch, zunächst eine Verordnung für das Pressewesen auszuarbeiten, die bis zur endgültigen Verabschiedung eines Pressegesetzes in Kraft bleiben sollte. 67 Die schließlich vom Chef-Justiziar der Saar-Regierung ausgearbeitete Verordnung wurde auch der Mission Juridique des Hohen Kommissariates zur Billigung vorgelegt: Dort erachtete man den Entwurf der saarländischen Regierung als „gute und solide Regelung des Gegenstandes". 68 Dennoch gab es aus Sicht der Franzosen einige Punkte, die einer Uberarbeitung bedurften. Vor allem Paragraph 10, der Kern der Verordnung, wurde von der Mission Juridique kritisiert: Danach sollte es in der Verantwortung des saarländischen Innenministers liegen, die Verbreitung einer im Saarland erscheinenden periodischen Druckschrift bis zu einem Monat zu verbieten, „wenn eine in derselben erschienene Veröffentlichung über den Hohen Kommissar der Französischen Republik im Saarland, die Landesregierung oder eines ihrer Mitglieder oder staatliche Behörden bzw. über Maßnahmen der Vorgenannten unwahre Angaben enthält, die geeignet sind, diese verächtlich zu machen oder zu strafbaren Handlungen aufzufordern. Das gleiche gilt im Falle der Verächtlichmachung oder Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes". 69
Das Verbot einer Zeitung aufgrund negativer Berichterstattung über den Hohen Kommissar erschien der Mission Juridique bedenklich, rechnete man doch damit, dass ein Verbot in diesem Fall der vermeintlich strengen Zensurpolitik des Hohen Kommissariats zu Last gelegt würde. Stattdessen sollte die saarländische Regierung dem Hohen Kommissar eine allgemeine Kontrollmöglichkeit auf Grundlage der ihm durch die Ordonnance Nr. 144 vom 10. Januar 1948 übertragenen Rechte einräumen. Diesem Wunsch wurde jedoch nicht entsprochen. 70 Auch was den Zeitraum des Zeitungsverbots betraf, waren die Franzosen mit der vorgesehenen Regelung unzufrieden. Während saarländische Zeitungen und Zeitschriften für die Dauer eines Monats verboten werden konnten, konnten außerhalb des Saarlandes erscheinende Druckschriften,
Ebd. Entwurf an den Herrn Ministerpräsidenten, Gesetzliche Regelung des Pressewesens, 16.2.1948, L A SB, S t K 2321. 6 8 Chef-Justiziar an Ministerpräsidenten betr. Regelung des Pressewesens, 21.2.1948, ebd. 6 9 Amtsblatt des Saarlandes, 16.3.1948 Nr. 17, S.278f. 7 0 Observations sur le projet d'ordonnance du gouvernement sarrois concernant la réglementation provisoire de la presse, A O F A A : Haut Commissariat de la République française en Sarre, Mission juridique ( H C Sarre, Jur), 216. 66
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und damit auch französische Zeitungen, bis zu drei Monaten verboten werden. 7 1 Insgesamt erachtete die Mission Juridique das umfassende Verbot einer Zeitung nicht als sinnvolle Maßnahme, um die saarländische Presse zu disziplinieren. Wie ein internes Dokument belegt, sah man die in Paragraph 11 und 12 festgeschriebenen Geldstrafen sowie eine gesetzliche Verantwortung der Redakteure für den Inhalt ihrer Artikel als einzige Möglichkeiten an, diffamierende Artikel der Presse zu verhindern. Als Beispiel wurde England angeführt, wo hohe Geldstrafen die Journalisten davon abhielten, verleumderische Artikel zu veröffentlichen. 7 2 Auch Paragraph 5 wurde von den Franzosen kritisch gesehen, war darin doch vorgesehen, dass nur Saarländer, die in Besitz eines Personalausweises A waren, Chefredakteure einer saarländischen Zeitung oder Zeitschrift werden konnten. Dies hätte zur Konsequenz gehabt, dass es Franzosen versagt geblieben wäre, den Chefredakteursposten einer saarländischen Zeitungsredaktion zu übernehmen. Zudem wäre es auch nicht möglich gewesen, fähige deutsche Journalisten von außerhalb des Saarlandes anzuwerben, was zu einem Zeitpunkt, als es an fähigen saarländischen Journalisten mangelte, schon bald zu einem personellen Engpass geführt hätte. 73 Paragraph 5 wurde schließlich dahingehend modifiziert, dass die saarländische Landesregierung eine Kommission einsetzte, die in Ausnahmefällen über die Berufung von Chefredakteuren entscheiden sollte. Auswärtige Bewerber mussten jedoch einen Wohnsitz im Saarland vorweisen bzw. dort einen dauerhaften Aufenthalt gewährleisten können. 7 4 Alles in allem ließ die Verordnung in den Augen der Mission Juridique nur wenig Raum für Pressefreiheit, obwohl sie an Pressegesetze demokratischer Länder angelehnt war. Vor allem fürchtete man, dass dieser Umstand von Seiten der deutschen Presse als Werk des Hohen Kommissariates angesehen würde, das damit versuche, die saarländische Presse mundtot zu machen. 75 Die „Verordnung betreffend der vorläufigen Regelung des Pressewesens" wurde am 9. März 1948 im Amtsblatt des Saarlandes veröffentlicht und sollte als Provisorium bis zur Verabschiedung eines Pressegesetzes das Pressewe-
71 Amtsblatt des Saarlandes, 16.3.1948 Nr. 17, S. 278f.; Note: Relative au projet d'ordonnance portant réglementation provisoire du régime de la presse, 4.3.1948, A O F A A , H C Sarre, Jur, 216. 72 Observations sur le projet d'ordonnance du gouvernement sarrois concernant la réglementation provisoire de la presse, ebd. 73 Ebd. 74 Amtsblatt des Saarlandes, 16.3.1948 Nr. 17, S.278. 7 5 Observations sur le projet d'ordonnance du gouvernement sarrois concernant la réglementation provisoire de la presse, A O F A A , H C Sarre, Jur, 216.
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sen regeln. Im Spätsommer 1949 machte sich die saarländische Regierung an die Gesetzesarbeit. Eine Kommission je aus einem Vertreter des Innen- und des Justizministeriums sowie dem Chefjustiziar der Staatskanzlei legte im Oktober 1949 einen Gesetzesentwurf vor, der eine detailliertere Regelung der Pressezensur vorsah. So konnte eine Zeitung verboten werden, wenn sie in ihrer Berichterstattung ein ausländisches Staatsoberhaupt, den Hohen Kommissar, die Landesregierung, Organe, Behörden, leitende Beamte des Saarlandes oder Religionsgemeinschaften und Kirchen verunglimpfte. Auch unwahre Aussagen, welche die Interessen des Saarlandes gefährdeten, und der Abdruck unsittlicher Abbildungen und Schriften konnten zu einem Verbot führen. Ein weiterer Passus sah vor, dass Redakteure trotz politischer Immunität, zum Beispiel als Landtagsabgeordnete, für den Inhalt ihrer Artikel zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Der Entwurf wurde im Januar 1950 einer erweiterten Kommission, bestehend aus saarländischen Journalisten, vorgelegt. Es kam jedoch nicht zur Verabschiedung des Gesetzes. Auch eine weitere Initiative aus dem Jahre 1953 kam nicht über das Entwurfstadium hinaus, erst im Juli 1955 im Vorfeld der Abstimmung um das Saarstatut wurde ein Pressegesetz verabschiedet. 76 3.2 Die Saarländische
Pressezensur
Auch wenn laut saarländischer Verfassung eine Pressezensur unstatthaft war, fand weiterhin eine Nachzensur aller Presseerzeugnisse statt. Das Zensurverfahren war so organisiert, dass die Zeitungsverlage ein Exemplar der jeweiligen Ausgabe an die Abteilung D des saarländischen Innenministeriums abliefern mussten. Die Zeitung wurde auf unliebsame Veröffentlichungen durchgesehen und ihr Erscheinen konnte auf Verfügung von Oberregierungsrat Willi Decke verboten werden, ohne dass dafür ein bestimmter Grund hätte angeführt werden müssen. Wurde ein Verbot ausgesprochen, informierte ein Schreiben des Innenministeriums die betreffende Zeitungsredaktion. Eine Kopie des Schreibens wurde auch an die saarländischen Polizeidienststellen, das Presse- und Informationsamt, die Dienststelle Ρ 6 sowie an das Hohe Kommissariat weitergeleitet. 77 Die saarländische Regierung scheint von dieser Praxis reichlich Gebrauch gemacht zu haben. Vor allem die kommunistische Zeitung Neue Zeit entwickelte sich zur Zielscheibe der saarländischen Zensurpolitik. Sie wurde
Berwanger, Massenkommunikation, S. 77-79; Amtsblatt des Saarlandes, 23.7.1955 Nr. 87, S. 1034-1036. 7 7 Verbot der Neuen Zeit, 24.11.1952, Privatarchiv Edgar Hector (PA Hector), Carton 29, Sd. 2; Berwanger, Massenkommunikation, S. 81 f. 76
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wiederholt auf die Dauer von vier Wochen verboten, nachdem sie kritisch über die Politik der Regierung H o f f m a n n berichtet hatte. 78 Als sich die Zeitungsverbote häuften, wurde die Zensurpolitik am 23.Juni 1948 Thema einer Debatte im saarländischen Landtag. Bis auf die Vertreter der CVP sprachen sich alle Parteien gegen die rigide Verbotspolitik der saarländischen Regierung aus. Auch der spätere Leiter des Presse- und Informationsamtes Hoppe, zu diesem Zeitpunkt noch Abgeordneter der kommunistischen Partei, äußerte sich kritisch zur Pressepolitik der saarländischen Regierung: „Die Form, die Art und Weise, in der man Presseverbote seit Monaten durchführt, trägt die Gefahr in sich, dass man vielleicht annehmen könnte, der Herr Ministerpräsident wollte zum Metternich unseres kleinen Staates werden". 7 9 Als es zwischen dem Chefredakteur und den Gesellschaftern der saarländischen Sportzeitung Sport-Echo wegen negativer Berichterstattung über die saarländische Politik zu Streitigkeiten kam, sah sich Gilbert Grandval gezwungen, sich zur Pressepolitik der saarländischen Regierung zu äußern. In einem Brief warf Grandval der saarländischen Regierung - was ihre Pressepolitik betraf - einen „autoritarisme excessif" 80 vor. Die saarländische Pressepolitik sei mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar: Zeitungen würden immer häufiger über einen immer längeren Zeitraum verboten, und das, ohne dass die Berichterstattung der betreffenden Zeitungen die Grenzen, die per Gesetz auch in demokratischen Ländern zu beachten seien, überschritten hätten. Ein Großteil der Artikel wäre nicht einmal von den Zensoren der französischen Militärregierung nach dem Krieg beanstandet worden. 81 In welchem Umfang das saarländische Innenministerium Zeitungsverbote aussprach, kann aufgrund der schlechten Quellenlage nicht mehr rekonstruiert werden. Darüber hinaus kann auch über eine Einflussnahme der Franzosen auf diese Verbotspolitik nur gemutmaßt werden. N u r ein einziges Mal, im Fall der Zeitung Das Saarland, ist die Beteiligung des Hohen Kommissariates in Saarbrücken an einem Zeitungsverbot nachweisbar. Die Zeitung war am 21. Juli 1947 als Parteiorgan der DPS durch die französische Militärregierung als letzte der saarländischen Zeitungen lizenziert worden. Als Chefredakteur zeichnete Hans Drexler verantwortlich, der 78
Robert H . Schmidt, Saarpolitik 1945-1957, 3. Bde., Berlin 1959-1962, hier Bd. 1: Politische Struktur, S.541; Monatsbericht der Verlagsleitung N e u e Zeit f ü r die M o n a t e O k t o b e r , N o v e m b e r , D e z e m b e r 1952, abgedruckt in: ebd., S. 541-546, hier S. 542. 79 Richard Becker, Freiheit f ü r die Saar. Die Verletzung der G r u n d f r e i h e i t e n u n d Menschenrechte im Saarland, Saarbrücken 1951, S. 96. 80 Grandval an H o f f m a n n , 15.6.1948, LA SB, StK 4355. 81 E b d . Z u r Sportpresse siehe den Beitrag von Bernd Reichelt in diesem Band.
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Abb. 5: Jobannes Hoffmann und Gilbert Grandval beim Neujahrsempfang Anfang Januar 195} im Ministerpräsidium Schillerstraße. Auf dem Einband wurde dieses Foto im Hintergrund aus grafischen Gründen bearbeitet.
zugleich Geschäftsführer der D P S war. 82 Wie die Partei, so richtete sich auch die Parteizeitung vor allem an eine mittelständisch-wirtschaftsorientierte Klientel, besonders an saarländische Handwerker, und warb bei den Landtagswahlen 1947 für den Wirtschaftsanschluss des Saarlandes an Frankreich. Nach der Wahl begann jedoch eine Umorientierung der D P S , die sich gegenüber der C V P abzugrenzen begann. Als „Partei der Wirtschaft" kritisierte die D P S den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich und schlug kritische T ö n e gegenüber der Politik der Regierung Hoffmann an. Dies blieb auch dem H o hen Kommissariat nicht verborgen. Während die Landtagsfraktion der D P S jedoch noch längere Zeit an der Politik einer „konstruktiven Opposition" festhielt, ging die Parteizeitung schon bald in die Offensive über. 83 Im Juni 1948 wurde Das Saarland erstmals auf die Dauer von drei Wochen verboten, weil die Zeitung in einem Artikel die Kosten anlässlich des Be-
Marcus Hahn, Die D P S - Liberaler Neuanfang im deutsch-französischen Spannungsfeld, in: Hudemann/Jellonek/Rauls, Grenz-Fall, S. 199-224, hier S.212; Herrmann, Saarländische Presse, S.48. 8 3 Hahn, Die D P S , S . 2 0 7 f . , 2 1 5 f . s2
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suches des Bischofs von Tarbes und Lourdes kritisiert hatte. Als die Zeitung am 6.Januar 1949 in einem Artikel auf der Titelseite die Rechtmäßigkeit der amerikanischen Kriegsverbrecherprozesse in Frage stellte, war Grandvals Geduld erschöpft. E r veranlasste die Regierung des Saarlandes, ein Zeitungsverbot für die Dauer von vier Wochen auszusprechen und Chefredakteur Drexler, der kein Saarländer war, auszuweisen. 8 4 Die DPS-Landtagsfraktion distanzierte sich wenig später von dem ehemaligen Chefredakteur und der Berichterstattung ihrer Parteizeitung. Die Parteiführung betonte, dass die Partei Maßnahmen zur Umbildung der Redaktion in die Wege geleitet habe. Durch diese Erklärung konnte das Verbot wieder aufgehoben werden, bereits am 15. Januar erschien die nächste Ausgabe der Zeitung. 8 5 Das Verbot war damit nicht so sehr eine Reaktion auf die kritische Berichterstattung der Zeitung, sondern vor allem eine Antwort auf die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der D P S , in denen Grandval dem Chefredakteur und Geschäftsführer der Partei, Hans Drexler, eine wichtige Rolle beimaß. 8 6 Nachdem die Zeitung der D P S aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten 1949 hatte eingestellt werden müssen, bemühte sich die Partei ein Jahr später erneut um die Lizenz für eine Parteizeitung. Das Lizenzierungsverfahren dauerte jedoch länger als ein Jahr, zum einen, weil Schulden der früheren Zeitung noch nicht beglichen waren, zum anderen, weil sich die Partei und die saarländische Regierung auf keinen Kandidaten für den Chefredakteursposten einigen konnten. Die am 21. April 1951 erteilte Lizenz wurde nur einen Monat später durch das Verbot der D P S wieder hinfällig. Die Partei hatte in einer Werbenummer der neuen Parteizeitung ihre Pläne zur Lösung der Saarfrage präsentiert, die nach Ansicht der saarländischen Regierung den Prinzipien der saarländischen Verfassung widersprachen. 8 7 Die rigide Pressekontrolle machte es der saarländischen Opposition unmöglich, die Politik der Regierung in der Presse zu kritisieren. Anfang der 1950er Jahre wurden deshalb in der Bundesrepublik mit der „Deutschen Saar-Zeitung" und der „Freien Saarpresse" zwei Zeitungen gegründet, welInformation der Zeitung für ihre Leser, 1 4 . 6 . 1 9 4 8 , L A SB, InfA 72; Grandval an M A E , 6 . 1 . 1 9 4 9 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 67; A n o n y m u s , D e r USA-Chefverteidiger behauptet: „Dachauer Verurteilte unschuldig", in: Das Saarland, 6 . 1 . 1 9 4 9 N r . 2 , Titelseite. 8 5 Ministerpräsident H o f f m a n n zur Kenntnisnahme, 1 4 . 1 . 1 9 4 9 , L A SB, S t K 4355; A n o n y m u s , Erklärung der DPS-Landtagsfraktion zum „Saarland"-Verbot, in: Das Saarland, 1 5 . 1 . 1 9 4 9 N r . 3 , Titelseite. 86 Hahn, Die DPS, S.216f. 8 7 Schriftwechsel zur Lizenzierung der neuen Parteizeitung, L A SB, InfA 13. Vgl. dort auch das Memorandum der saarländischen Regierung über die Vorgänge, die zur Auflösung der D e m o k r a tischen Partei des Saarlandes geführt haben. 84
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che beanspruchten, das Sprachrohr der saarländischen Opposition zu sein. Beide Zeitungen waren von Beginn an im Saarland verboten und konnten daher nur illegal ins Saarland eingeführt werden. 88 Besonders die Deutsche Saar-Zeitung, das Organ des Deutschen Saarbundes 89 , verursachte durch ihre Berichterstattung immer wieder diplomatische Spannungen zwischen der Bundesrepublik, Frankreich und dem Saarland. Ihre zum Teil sehr polemischen Artikel, in denen vor allem die Regierung Hoffmann angegriffen wurde, führten auch innerhalb der Redaktion immer wieder zu Streitigkeiten um die inhaltliche Qualität der Zeitung. 90 Schon 1952 war die Zeitung vom Hohen Kommissar Frankreichs, André François-Poncet, in der französischen Besatzungszone verboten worden, weil sie über die vermeintlich dunkle Vergangenheit Grandvals spekuliert und negativ über die französische Außenpolitik berichtet hatte. Anfang 1954 kam es erneut zu Auseinandersetzungen auf höchster Ebene, als die Deutsche Saar-Zeitung den saarländischen Justizminister Heinz Braun mit einem vereitelten Devisenschmuggel in Verbindung brachte. 91 Wie Herbert Elzer in seinem Buch über die ,pro-deutsche' Opposition an der Saar berichtet, soll Botschafter Grandval Justizminister Heinz Braun dazu gedrängt haben, gegen die Vorwürfe der Deutschen Saar-Zeitung vorzugehen. Dies kann anhand der französischen Quellen jedoch nicht belegt werden. Grandval leitete lediglich ein Schreiben Brauns an das französische Außenministerium weiter, in dem dieser um Schutz gegen die Verleumdungen der Deutschen Saar-Zeitung bat und das Außenministerium aufforderte, bei der Bundesregierung wegen der Berichterstattung der Deutschen Saar-Zeitung Protest einzulegen. Grandval riet dem Quai d'Orsay, der Bitte Brauns zu entsprechen, weil die Deutsche Saar-Zeitung schon länger Lügen und Hass über Frankreich verbreitet habe. 92 Am 1. Februar 1954 protestierte die Hohe Kommission Frankreichs in Deutschland offiziell bei der Bundesregierung gegen die Berichterstattung der Deutschen Saar-Zeitung über Justizminister Braun. Bundeskanzler Adenauer bedauerte in seiner Antwort vom 5. März 1954 zum einen Tendenzen Altmeyer, Der „seidene Vorhang", S. 95 f.; Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S. 555f. Beim Deutschen Saarbund handelte es sich um eine Vereinigung, die 1951 von in der Bundesrepublik lebenden Saarländern gegründet wurde und v o m Ministerium für gesamtdeutsche Fragen unterstützt wurde. 9 0 Herbert Elzer, Die deutsche Wiedervereinigung an der Saar. Das Bundesministerium f ü r gesamtdeutsche Fragen und das Netzwerk der prodeutschen Opposition 1949-1955, St. Ingbert 2007, S . 4 1 9 f . , 3 6 1 f . 91 Anonymus, Mein Vaterland ist Deutschland, in: Deutsche Saar-Zeitung, Dezember 1953 o.Nr., S.5. 92 Elzer, Die deutsche Wiedervereinigung, S.413; Braun an Grandval, 1 2 . 1 . 1 9 5 4 , M A E , EU 1 9 4 4 1960, Sarre, 258; Grandval an M A E , 1 6 . 1 . 1 9 5 4 , ebd. 88
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Abb. 6:
Innenseite
des Presseausweises von Walter
Barbián
in der Presse, welche den deutsch-französischen Einigungsbestrebungen in der Saarfrage schadeten, z u m anderen versprach er, d a f ü r zu sorgen, dass auf die Berichterstattung der Deutschen Saar-Zeitung ein Auge geworfen werde. Z u d e m stehe es Justizminister Braun frei, rechtliche Schritte gegen die Zeitung einzuleiten. 9 3 Die überlieferten Akten bergen keinen Hinweis darauf, ob Gilbert G r a n d val beim Verbot der oppositionellen Zeitungen im Saarland eine Rolle spielte. Als Reaktion auf die Agitation der illegalen Oppositionspresse kann aber zweifelsohne die G r ü n d u n g der „ C h r o n i q u e Sarroise" angesehen werden. Die Zeitung war von Grandval im M ä r z 1952 „devant le développement d ' u n e propagande allemande sans cesse plus ouverte et violente" ins Leben gerufen worden. 9 4 Sie erschien mit einer Auflage von 1000 bis 3000 Exemplaren, zu zwei Dritteln auf Französisch und einem Drittel auf Deutsch. Die Leitartikel
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Elzer, Die deutsche Wiedervereinigung, S. 413; Bérard an Adenauer, 1.2.1954, A O F A A , C o m missariat pour le Land Rhénanie-Palatinat, Ρ 33, D o 32C0/3/03. 94 Grandval an Außenminister Schuman, 20.10.1952, Chronique Sarroise, MAE, EU 1944-1960, Sarre, 92.
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wurden in beiden Sprachen publiziert. Eigentlich zweimal monatlich geplant, erschien sie jedoch unregelmäßig, meist einmal im Monat. Inhaltlich war der Service de Presse der Mission Diplomatique in Saarbrücken für die Chronique verantwortlich. 95 Ziel der Zeitungsgründung war es, die im Saarland lebenden Franzosen über das saarländische Zeitgeschehen zu informieren. Neben Artikeln, für die französische, aber auch saarländische Autoren verpflichtet wurden, enthielt die Zeitung auch eine Presseschau mit Beiträgen internationaler Zeitungen zur Saarfrage. Ferner informierte sie über Kunst- und Kulturveranstaltungen, Filme, Rundfunksendungen und Vorträge, welche die Franzosen an der Saar interessieren könnten. 96 Mit dem Abschied Grandvals von der Saar im Sommer 1955 endete auch die Geschichte der Chronique Sarroise. Ihre letzte Ausgabe erschien am 12. Juli 1955. 97 3.3 Französische Kontrolle des saarländischen
Zeitungsmarktes
Auch nach Ubergang der Pressepolitik in saarländische Verantwortung nahm das Hohe Kommissariat in Saarbrücken, allen voran Gilbert Grandval, großen Anteil an der Entwicklung der Presselandschaft an der Saar. Wie bereits dargelegt, hatte sich die französische Militärregierung über eine indirekte Beteiligung an saarländischen Zeitungen weiterhin ein Mitspracherecht gesichert. Im Falle der Saarbrücker Zeitung erschien Grandval der Einsatz der saarländischen Treuhänder bald zu unsicher, und er wollte eine direktere Kontrolle für die Franzosen sichergestellt sehen. 98 Nach Verhandlungen mit dem französischen Außenministerium sollte der Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Die französischen Anteile in der Höhe von 60 Prozent des Gesamtkapitals, die zuvor von den saarländischen Mittelsmännern verwaltet worden waren, sollten an die Bankengesellschaft Crédit Sarrois übergehen, die mehrheitlich einer französischen Bankengruppe gehörte. Gleichzeitig sollten die saarländischen Teilhaber dem Direktor der Crédit Sarrois, Eugène Rohmer, eine Abstimmungsvollmacht und das Recht übertragen, die Dividenden der Anteile zu übernehmen. Rohmer sollte darüber hinaus auch mit beratender Stimme Mitglied des Aufsichtsrates des Presse-Verlages Saarbrücker Zeitung werden. 99 Berwanger nennt 500 bis 1 0 0 0 Exemplare, Grandval 3 000. Vgl. Grandval an Außenminister Schuman, 2 0 . 1 0 . 1 9 5 2 , Chronique Sarroise, M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 92; N o t e pour le Président, C h r o n i q u e Sarroise, 2 6 . 1 0 . 1 9 5 2 , ebd.; Berwanger, Massenkommunikation, S. 162f. 9 6 Chronique Sarroise, 2 5 . 3 . 1 9 5 2 Nr. 1, Titelseite. 9 7 Berwanger, Massenkommunikation, S. 162. 9 8 N o t e pour le cabinet du ministre, 1 0 . 2 . 1 9 4 9 , M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 67. 9 9 Réorganisation de la Société Presseverlag, 4 . 2 . 1 9 5 0 , M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 91. 95
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Nach Ablehnung des Saarstatuts durch die saarländische Bevölkerung wurde erneut eine Neuordnung der Besitzverhältnisse an der Saarbrücker Zeitung notwendig. Im Rahmen des am 26. O k t o b e r 1956 in Luxemburg geschlossenen „Deutsch-Französischen Vertrages zur Regelung der Saarfrage" ging die Saarbrücker Zeitung in den Besitz des Saarlandes über. Eine Ubergangslösung sah vor, die französischen Anteile an ein Bankenkonsortium zu übertragen. Daneben sollte ein Verwaltungsrat gegründet werden, der dem überparteilichen Charakter der Zeitung Rechnung zu tragen habe. 1 0 0 Die französische Kontrolle des saarländischen Zeitungsmarktes war jedoch nicht auf die indirekten Beteiligungen begrenzt. Auch bei der Importkontrolle von Presseimporten aus der französischen Besatzungszone und später aus der Bundesrepublik hatte Frankreich einen Einfluss wahren können. Die Kontrolle der aus der Bundesrepublik eingeführten Zeitungen und Zeitschriften fiel nach Errichtung der Zollgrenzen zur französischen Besatzungszone im Dezember 1946 in die Zuständigkeit der französischen Zollbehörden. 1948 gründete das H o h e Kommissariat die Saar-Archiv G m b H , welche die Importkontrolle übernehmen sollte. Diese wurde dafür von den saarländischen Zeitungsgrossisten mit einem Prozent der Rechnungssumme der eingeführten Periodika entlohnt. Die Firma stand in engem Kontakt zum H o h e n Kommissariat und wurde von Raymond Baur, einem ehemaligen französischen Sûreté-Beamten, geleitet. 101 A b März 1950 konnte im Rahmen des Polizeiabkommens auch ein Vertreter des saarländischen Presse- und Informationsamtes an der Importkontrolle teilnehmen. D e r saarländischen Regierung ging der Einfluss auf die Importkontrolle jedoch noch nicht weit genug und sie versuchte, diese ganz in ihre Verantwortung zu bringen. Dies geschah auch auf D r u c k der saarländischen Zeitungsgroßhändler, welche gegen die Provisionszahlungen an das Saar-Archiv protestierten. 1 0 2 Ministerpräsident Hoffmann wandte sich deshalb mit der Bitte an Grandval, den Einfluss der Saarländer auf die Importkontrolle auszuweiten. In seinem Antwortschreiben lehnte es der H o h e Kommissar im Dezember 1950 jedoch ab, die bisherige Regelung zu ändern. Grandval stimmte zwar mit Hoffmann darin überein, dass die Kontrolle des Presseimports in die Verantwortung der saarländischen Regierung fallen müsse, aufgrund der nicht vorhandenen Warenkontrolle zwischen dem Saarland und Frankreich erach-
ico Protokoll über die Regelung der Angelegenheit Saarbrücker Zeitung, 2 6 . 1 0 . 1 9 5 6 , L A SB, StK 95. IC1 Berwanger, Massenkommunikation, S. 74. 1=2 H o f f m a n n an Grandval, C o n t r ô l e d'importation, 1 0 . 1 1 . 1 9 5 1 , L A SB, InfA 233.
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tete er es jedoch für unumgänglich, dass französische Grenzbeamte weiterhin an der Kontrolle beteiligt würden. 103 Hoffmann wollte sich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben und drängte auf eine Neuregelung der Kontrollen. Als im November 1951 noch keine Einigung erzielt war, entschied der Ministerpräsident eigenmächtig, dass die saarländischen Zeitungsgrossisten ab 1. November 1951 keinerlei Bearbeitungsgebühr mehr an das Saar-Archiv zahlen mussten. Die Franzosen protestierten zwar, lenkten dann jedoch ein. 104 Die Kontrolle wurde schließlich so geregelt, dass zwei Exemplare der jeweiligen Zeitung oder Zeitschrift, die ins Saarland importiert werden sollte, nach ihrer Ankunft im Bahnhof Homburg nach Saarbrücken geschickt wurden. Dort wurden sie von Raymond Baur und einem Vertreter des saarländischen Presse- und Informationsamtes auf missliebige Artikel durchgesehen. Waren die Sendungen unbedenklich, wurde per Telefon die Freigabe nach Homburg gemeldet. Baur wurde ab Ende 1952 von einem Vertreter der französischen Grenzpolizei abgelöst, nach Verabschiedung der Saar-Konventionen im November 1953 ging die Importkontrolle ganz in saarländische Verantwortung über. Nur in Einzelfällen wurden französische Dienststellen hinzugezogen. 105 3.4 Französische
Wirtschafts- und Finanzhilfen
für saarländische
Zeitungen
Durch die Grenzverschiebung im Dezember 1946 und die Währungsumstellung im Jahre 1947 war der saarländische Zeitungsmarkt in eine Krise geraten. Zum einen hatte im Saarland eine Geldverknappung eingesetzt, die es den Verlagen erschwerte, innerhalb des Landes Tageszeitungen zu verkaufen. Zum anderen konnten die saarländischen Presseerzeugnisse durch die Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich nicht mehr ohne weiteres in der französischen Besatzungszone vertrieben werden. Dies war besonders fatal, waren die saarländischen Verlage doch von Beginn an darauf angewiesen, ihre Zeitungen und Zeitschriften auch außerhalb des Saarlandes abzusetzen. Dies war insofern auch im Sinne der französischen Besatzungsmacht gewesen, als die pro-französische Berichterstattung der saarländischen Zeitungen so auch die an das Saarland angrenzenden Regionen erreichte. In Frankreich bot sich den Verlagen dagegen nur ein begrenzter Absatzmarkt. 106 Ebd.; Grandval an den Präsidenten der Regierung des Saarlandes, 1 2 . 1 2 . 1 9 5 0 , ebd. Informationsamt an den Ministerpräsidenten, Kontrolle der Einfuhr von Druckerzeugnissen aus der Bundesrepublik, 2 4 . 9 . 1 9 5 1 , L A SB, StK 834; Berwanger, Massenkommunikation, S. 146f. 1 0 5 Vorlage für H e r r n H o p p e , 2 9 . 9 . 1 9 5 2 , L A SB, I n f A 445; Amtsblatt des Saarlandes, 1 5 . 1 2 . 1 9 5 3 Nr. 63, S. 7 6 9 - 7 9 9 , hier S . 7 7 1 ; Berwanger, Massenkommunikation, S. 146f. 1 0 6 Exposé fait en juin 1949 devant le conseil politique du haut-commissariat, PA Grandval, 11. 103
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Deutlich wird diese Entwicklung an den Auflagezahlen der Saarbrücker Zeitung: Wurden im Januar 1948 noch 2 3 0 1 0 5 Exemplare abgesetzt, so sank die Auflage bis August 1948 auf 175515. D e r Trend setzte sich auch im folgenden Jahr fort, in dem die Zeitung durchschnittlich nur noch eine Auflage von 147785 Exemplaren erreichte. 1 0 7 Aufgrund der angespannten Situation schien es Anfang 1948 unvermeidlich, den Export saarländischer Zeitungen und Zeitschriften nach Deutschland freizugeben. Presseerzeugnisse waren jedoch nicht in die Clearing-Bestimmungen zwischen dem Saarland und der französischen Besatzungszone einbezogen, weshalb eine andere Möglichkeit gefunden werden musste, um Zeitungsexporte in Francs abwickeln zu können. Grandval hoffte, über Verhandlungen mit dem französischen Finanzministerium eine Transferhöchstgrenze von zwölf Millionen Francs zu erreichen, was einen Export von 20 Millionen Zeitungen pro Monat erlaubt hätte. Das Finanzministerium erteilte den Plänen jedoch eine Absage. U m wenigstens einen Teil der Exporte zu finanzieren, sollte anteilig der Kredit genutzt werden, der für den Export französischer Zeitungen in die Besatzungszone vorgesehen war. 1 0 8 Die saarländischen Zeitungsverlage hatten sich in der Zwischenzeit jedoch schon selbst zu helfen gewusst. Nach einem Bericht des Quai d'Orsay wickelten sie ihre Exporte über den Postweg ab und umgingen damit die Kapitalkontrolle. Die Geldlieferungen ihrer Kunden gingen in Mark auf Konten der Verlage in Deutschland. In anderen Fällen ließen die Verlage in Druckereien der französischen Besatzungszone Ausgaben eigens für die Gebiete außerhalb des Saarlandes drucken, um so die Exportkosten zu sparen. 1 0 9 D o c h nicht nur der schleppende Export bereitete den saarländischen Zeitungsverlagen Probleme. Mit Ausdifferenzierung des bundesdeutschen Zeitschriftenmarktes entwickelten sich die Zeitschriften und Illustrierten aus der Bundesrepublik zu einer ernsthaften Konkurrenz für die saarländischen Zeitschriften. Allein zwischen Dezember 1950 und Juli 1951 stieg die Zeitschrifteneinfuhr aus der Bundesrepublik von 4 5 0 0 0 0 auf 7 3 9 0 0 0 Exemplare
Berwanger, Massenkommunikation, S . 8 4 . Mitteilung des Informationsamtes an den MP, 2 0 . 2 . 1 9 4 8 , L A S B InfA 827; Telegramm Haut Commissariat S B an M A E , 4 . 6 . 1 9 4 8 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 66. 107 108
1 0 9 So zum Beispiel die Zeitschrift N a c h der Schicht, die in Mainz gedruckt wurde, „Ihre M o d e " in einer Druckerei in Landstuhl, C h a r m e in Kaiserslautern. Koenig an Délégué Général pour le G . M . de l'Etat Rheno-Palatin, Hebdomadaire religieux de Sarre, 2 7 . 6 . 1 9 4 9 , A O F A A , A C 9 2 0 / 1 ; Charme, die Zeitschrift für die Frau, 2 5 . 6 . 1 9 4 9 , A O F A A , A C 892/2; Koenig an Grandval, Impression de la revue Ihre M o d e en zone française, 1 . 2 . 1 9 4 9 , A O F A A , A C 9 0 6 / 2 ; M A E an Haut Commissariat en Sarre, Edition sarroise, M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 67. 1 1 0 Grandval an den Ministre des Affaires étrangères, Echanges de journaux et périodiques entre la Sarre et l'Allemagne, 7 . 7 . 1 9 5 1 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 91.
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Die Nachfrage nach bundesdeutschen Tageszeitungen hielt sich dagegen zunächst noch in Grenzen, ab 1951 ist auch hier ein Aufwärtstrend zu erkennen. Von dieser Entwicklung profitierte vor allem die grenznahe Presse wie die „Trierische Landeszeitung", die besonders im nördlichen Saarland eine große Leserschaft fand. 111 Als sich die Situation weiter zuspitzte, wandte sich Grandval in einem Brief an das französische Außenministerium und forderte, den Strom deutscher Zeitschriften auf den saarländischen Markt zu unterbinden. Er argumentierte, dass das bundesdeutsche Verlagswesen eine Gefahr für den saarländischen Staat darstelle, weil ein Großteil der deutschen Illustrierten eine nationalistische Einstellung vertrete, was ihm im Vorfeld der Landtagswahlen im Jahre 1952 als bedenklich erschien. Um die Zeitungseinfuhr zu kontrollieren, schlug er eine Regelung analog zum Handelsabkommen zwischen Deutschland und Osterreich vor, wonach die Einfuhr von Zeitungen und Zeitschriften in das Saarland der Höhe der Exporte der saarländischen Presseerzeugnisse in die Bundesrepublik entsprechen sollte. 112 Der Quai d'Orsay erteilte diesen Plänen jedoch eine Absage und riet Grandval, sich stattdessen um finanzielle Hilfen für die saarländischen Verlage zu bemühen. 113 Schon im Mai 1949 hatte die französische Regierung dem Saar-Verlag, in dem unter anderem die Modezeitschrift „Ihre Mode" erschien, einen Kredit in Höhe von acht Millionen Francs ohne Aussicht auf Rückzahlung gewährt. Aber auch die Finanzspritze und eine inhaltliche Neuausrichtung konnten die Zeitschrift nicht retten. 1950 wurde Ihre Mode eingestellt. 114 Der Saar-Verlag war jedoch nicht der einzige saarländische Zeitungsverlag, der durch französische Finanzhilfen am Leben gehalten wurde: Die Zeitung Die Neue Saar war nach Auflösung des MRS unter der Führung von Chefredakteur Claus Becker zwar bestehen geblieben, hatte jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Als die DPS versuchte, erneut eine Lizenz für eine Parteizeitung zu erhalten, und nach den Titelrechten der finanziell angeschlagenen Neuen Saar strebte, griff Grandval ein, um die frankophile Tendenz der Zeitung weiterhin sicherzustellen. Er gewährleistete das Uberleben der Neuen Saar und versuchte, über die Kreditgesellschaft Credit Lyonnais einen neuen Teilhaber zu finden. 115
Ebd.; Berwanger, Massenkommunikation, S. 166. Grandval an den Ministre des Affaires étrangères, 7.7.1951, Echanges de journaux et périodiques entre la Sarre et l'Allemagne, MAE, E U 1944-1960, Sarre, 91. 1 1 3 Ebd. 114 Note à l'attention de M. le Président Schuman, Renflouement de Saar-Verlag, 30.5.1949, MAE, E U 1944-1960, Sarre, 67; Ihre Mode, 7.4.1950, LA SB, Nachlass Johannes Hoffmann (HoffJ), 6. 1 1 5 Grandval an MAE, Hebdomadaire sarrois Die Neue Saar, 16.5.1951, MAE, E U 1944-1960, Sarre, 91. 111
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Inwieweit Frankreich noch weitere Gelder für die saarländischen Verlage zur Verfügung stellte, kann aufgrund der schlechten Quellenlage nicht mehr rekonstruiert werden. Es darf aber angenommen werden, dass die Franzosen die saarländischen Presseverlage - zumindest bis zum Ende der Amtszeit Grandvals - im Rahmen ihrer Möglichkeiten finanziell unterstützt haben. Während die bundesdeutschen Zeitschriften für die saarländischen Presseerzeugnisse eine starke Konkurrenz darstellten, waren die französischen Zeitungsverlage auf dem saarländischen Zeitschriftenmarkt nur wenig erfolgreich. Die erfolgreichste französische Tageszeitung war „Le Monde", von der täglich 160 bis 180 Exemplare verkauft wurden. 1 1 6 Dies w a r nicht nur auf die mangelnden Französischkenntnisse der Saarländer zurückzuführen. Hatte die französische Militärregierung kurz nach dem Krieg großes Interesse daran gezeigt, französische Presseerzeugnisse im Saarland zu vertreiben, so versuchte Grandval Ende der 1940er Jahre die Verbreitung vor allem von deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften aus Ostfrankreich auf dem saarländischen Markt zu verhindern, um die saarländischen Verlage nicht noch weiter zu schwächen. Seit Ende 1946 hatte es Planungen gegeben, die französische Zonenzeitung „Nouvelles de France" 1 1 7 mit einer speziellen Saarausgabe auch im Saarland zu vertreiben. Grandval sprach sich jedoch gegen diese Pläne aus und forderte stattdessen, das für sie vorgesehene Papierkontingent den saarländischen Zeitungen zur Verfügung zu stellen. Kurze Zeit später gab der Chef der Informationsabteilung des Hohen Kommissariates in Saarbrücken, Henri Chassin de Bourdeille, jedoch für das Erscheinen der Nouvelles de France im Saarland grünes Licht. 1 1 8 Eine erste Ausgabe speziell für das Saarland sollte am 5. Februar 1948 erscheinen. Anders als die der Papierkontingentierung unterworfenen saarländischen Zeitungen konnten die Nouvelles de France nicht dreimal, sondern sechsmal pro Woche erscheinen. Inhaltlich entsprach die Saarland-Ausgabe der deutschen Ausgabe, angereichert mit Lokalnachrichten, dem Programm von Radio Saarbrücken sowie den amtlichen Mitteilungen der saarländischen Regierung. 1 1 9 Unmittelbar nachdem die erste Saarausgabe erschienen war, protestierten die saarländischen Zeitungsverleger vehement gegen die Sonderstellung der Zulassung der Nouvelles Messagerie de la Presse Parisienne, 8.12.1949, LA SB, InfA 442. Die Zeitung war am 26. September 1945 in Konstanz gegründet worden und richtete sich zunächst in französischer Sprache an die französischen Besatzungsangehörigen. Ab Januar 1947 gab es eine zweisprachige Ausgabe, um die Zeitung wettbewerbsfähiger zu machen. 118 Commandement en Chef Français en Allemagne, Cabinet Civil, Fiche pour M. le Chef d'Escadron Ziegler, 29.1.1947, A O F A A , A C 33/1. 119 Nouvelles de France an Grandval, 9.12.1947, MAE, EU 1944-1960, Sarre, 66. 116 117
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Nouvelles de France. Grandval sah sich gezwungen, sich erneut an die Zeitung zu wenden und ihre Anpassung an den saarländischen Zeitungsmarkt zu fordern. 120 Der Geschäftsführer der Nouvelles de France zeigte sich jedoch uneinsichtig und berief sich auf die Pressefreiheit, welche französischen Zeitungen die freie Verbreitung garantierte. Weil die Proteste der saarländischen Zeitungsverleger anhielten, wandte sich Grandval an das französische Außenministerium, um eine Lösung des Streits zu erreichen. In seinem Telegramm nach Paris bezeichnete er die Einführung der Nouvelles de France auf dem saarländischen Markt als rein finanziellen Schachzug, der nur politische Probleme bedingen würde, und forderte, die Verbreitung der Zeitung im Saarland zu unterbinden. 121 Schließlich einigte man sich darauf, dass wöchentlich nur drei spezielle Saarausgaben erscheinen durften, an den drei übrigen Tagen sollte die deutsche Ausgabe verkauft werden. 122 Grandval verfolgte die Entwicklung der Zeitung jedoch weiterhin kritisch. In einem Brief an die Sous-Direction de la Sarre des Quai d'Orsay kritisierte er die Berichterstattung der Zeitung, die seiner Meinung nach kontraproduktiv für die französische Politik an der Saar war und nur darauf ausgerichtet schien, neue Leser zu gewinnen. 123 Insgesamt war der Erfolg der Zeitung auch an der Saar bescheiden, weshalb am 15. Oktober 1948 die Saarausgabe eingestellt wurde. 124 Ein weiteres Beispiel für die Ausschaltung der französischen Konkurrenz war das Verbot der Zeitschrift „Bonjour" im Sommer 1948. Es handelte sich dabei um eine deutschsprachige Zeitschrift, die in Straßburg verlegt wurde und auch in die Schweiz und nach Luxemburg verkauft wurde. Im Saarland wurden wöchentlich bis zu 50 000 Exemplare umgesetzt, was nach Angaben der Zeitschrift ein Drittel der Auflage ausmachte. 125 Vor allem im Lager der C V P bildete sich schon bald Widerstand gegen das Blatt, weil ihr der Inhalt moralisch verwerflich erschien. In mehreren Petitionen an die Landesregierung wurde ein Verbot der Zeitschrift gefordert, um eine negative Beeinflussung der saarländischen Jugend zu verhindern. 126
Poulaine an Quai d'Orsay, ebd. Telegramm von Saarbrücken an MAE, 12.2.1948, ebd. 122 Telegramm M A E an Haut Commissariat, Parution du journal Nouvelles de France, 18.2.1948, ebd. 123 Grandval an MAE, Nouvelles de France, 8.9.1948, ebd. 124 Kurt Koszyk, Pressepolitik für Deutsche 1945-1949, Berlin 1986, S.265f. 1 2 5 Exposé sur Bonjour, 15.9.1948, M A E , E U 1944-1960, Sarre, 67. 126 Hoffmann an Grandval, Lage im Druckerei- und Verlagsgewerbe, 26.8.1948, L A SB, StK 1215. 120 121
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Nach Abdruck einer Artikelserie mit dem Titel „Tagebuch der Eva Braun" wurde die Zeitschrift schließlich im Spätsommer 1948 vom saarländischen Innenministerium verboten. Die Geschäftsführung der Zeitung protestierte und führte an, dass die gleiche Serie schon in der französischen Zeitschrift „France Soir" und in der saarländischen Zeitschrift „Zeit im Bild", somit im Verlagshaus des saarländischen Ministerpräsidenten Hoffmann, erschienen war, ohne dass in einem der beiden Fällen ein Verbot ausgesprochen worden wäre. Die Geschäftsführung berichtete daneben von einem Besuch Josef Bergmanns, Geschäftsführer des saarländischen Zeitungsgroßhandels Grosso-Haus Saar 1 2 7 , der die Geschäftsleitung der Zeitschrift angeblich aufgefordert habe, Bonjour an der Saar exklusiv über die vorgenannte Firma vertreiben zu lassen, andernfalls sei mit ihrem Verbot an der Saar zu rechnen. 1 2 8 3.5 Kontakte zwischen saarländischen und französischen
Journalisten
Zwei Tage nach Verabschiedung der saarländischen Verfassung wurde am 13. Dezember 1947 der Saarländische Journalistenverband gegründet, zu dessen erstem Vorsitzenden Ernst Roth gewählt wurde. Johannes Hoffmann wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Weil sich sowohl die saarländische Regierung als auch das Hohe Kommissariat der Bedeutung der Presse bewusst waren, wollten beide eine Kontrolle des Verbandes gewährleistet sehen. Während die saarländische Regierung dazu die Sitzungen des Verbandes beschatten ließ, hofften die Franzosen ihren Einfluss über Lucien Ehringer sicherzustellen, der Ernst Roth nach dessen Ausweisung als Vorsitzender des Verbandes ablöste. 1 2 9 Als es 1950 um eine Wiederwahl Ehringers ging, schreckte dieser jedoch zunächst vor einer erneuten Kandidatur zurück, weil er befürchtete, dass die saarländischen Journalisten einem Kandidaten den Vorzug geben würden, welcher der französischen Politik kritischer gegenüberstand als er. Dies war zu einem Zeitpunkt, als die Journalisten an der Ausarbeitung eines saarländischen Pressegesetzes beteiligt wurden, nicht im Sinne der Franzosen. Ehringers Bedenken waren unbegründet, er wurde wiedergewählt. 130 Von Beginn an wurde großer Wert auf eine Annäherung zwischen saarländischen und französischen Journalisten gelegt. So war es saarländischen 1 2 7 Teilhaber der Firma G r o s s o - H a u s Saar war Erhard Linsenmeier, der Schwiegersohn von J o hannes Hoffmann. 1 2 8 Exposé sur B o n j o u r , 1 5 . 9 . 1 9 4 8 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 67. 1 2 9 Gouvernement Militaire de la Z o n e Française d ' O c c u p a t i o n , Hg., La France en Allemagne 8, 1948, S. 14; Bespitzelung der Mitgliederversammlung des Saarländischen Journalistenverbandes 1950, L A S B , Inf A 236. 130
Telegramm von Grandval an M A E , 6 . 4 . 1 9 5 0 , M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 91.
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Journalisten möglich, Mitglied im Syndicat National des Journalistes, dem französischen Journalistenverband, zu werden. Saarländischen Journalisten wurden dadurch, zum Beispiel im Rechtsschutz, die gleichen Rechte wie ihren französischen Kollegen eingeräumt. Die Mitgliedschaft beinhaltete darüber hinaus die Möglichkeit, im französischen Journalistenheim in Südfrankreich Urlaub zu machen oder über die Pressekarte ermäßigt oder kostenlos Vorstellungen in Pariser Theatern zu besuchen. 131 Pläne, den saarländischen Journalistenverband ganz in den französischen Journalistenverband zu integrieren, scheiterten jedoch, weil sich mit zunehmender politischer Autonomie des Saarlandes von Seiten der saarländischen Journalisten vermehrt Widerstand gegen einen allzu starken französischen Einfluss zeigte. 132 Eine Möglichkeit, mit ihren französischen Kollegen in Kontakt zu treten, bot sich den saarländischen Journalisten mit der Jahresversammlung der Presse de l'Est, der Journalistenvereinigung Ostfrankreichs, die im Juni 1949 in Saarbrücken stattfand. Als die Vereinigung an das Hohe Kommissariat in Saarbrücken herantrat, um eine Zusage für Saarbrücken als Tagungsort zu erhalten, billigte man dort die Pläne und versprach sich von der Veranstaltung „au point de vue de l'influence française, d'heureuses répercussions". Bei der Organisation des Kongresses wollten die Franzosen jedoch außen vor bleiben, die Regierung des Saarlandes sollte als Gastgeber auftreten. 133 Um die Verbindungen saarländischer Journalisten nach Frankreich zu verbessern, lud das französische Außenministerium im April 1951 ausgewählte saarländische Journalisten nach Paris ein. Die Journalisten erwartete ein breites, dicht gefülltes Programm: Neben der Besichtigung der Stadt, der Renault-Werke und eines Zeitungs- und Druckereibetriebs stand auch ein Empfang durch den Leiter der Informationsabteilung des Außenministeriums auf dem Programm. 134 Allen voran berichtete die Saarbrücker Zeitung am 6. und 9. April 1951 detailliert auf der Titelseite vom Besuch der Journalisten in Paris, ihrem Besichtigungsprogramm sowie von den auf der Reise gehaltenen Reden. 1 3 5
Ehringer an Hoppe, 16.10.1950, L A SB, InfA 236. Gabriele Scherer, 50 Jahre Saarländischer Journalistenverband - Rückblicke, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 50 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1947-1997, Saarbrücken 1997, S. 19-32, hier S.19. Siehe dazu den Beitrag von Peter WettmannJungblut in Bd. 2. 1 3 3 Gilbert Grandval an M A E , Congrès de la Presse de l'Est 1949, 21.10.1948, A O F A A : Haut Commissariat de la République française en Sarre, Cabinet politique ( H C Sarre, Cab), 99. 134 Bericht zur Reise der saarländischen Presse nach Paris vom 4. bis 8.4.1951, LA SB, InfA 144. 135 Anonymus, Saarländische Journalisten in Paris, in: Saarbrücker Zeitung, 6.4.1951 Nr. 80, Titelseite; Anonymus, Abschluss des saarländischen Pressebesuches, in: Saarbrücker Zeitung, 9.4.1951 Nr.82, Titelseite. 131
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Wurde der Austausch mit den französischen Kollegen so weit wie möglich gefördert, so sollten die Kontakte zu Journalisten der Bundesrepublik dagegen möglichst gering gehalten werden. Als nach einem Treffen saarländischer mit rheinland-pfälzischen Journalisten von Seiten des rheinland-pfälzischen Journalistenverbandes der Vorschlag gemacht wurde, auch saarländischen Kollegen eine Mitgliedschaft zu ermöglichen, wurde dies vom Vorsitzenden des saarländischen Verbandes Adolf Franke zurückgewiesen. E r befürchtete dadurch weitere Spannungen für das deutsch-französische Verhältnis und sah darin nur einen Versuch, die saarländische Presse zu schwächen. Das Projekt der rheinland-pfälzischen Journalisten um ihren Vorsitzenden G ü n ther Markscheffel verlief im Nichts, man plante jedoch eine finanzielle U n terstützung für saarländische Kollegen, die wegen ihrer Parteinahme für die saarländische Opposition in Schwierigkeiten geraten waren. 1 3 6
4. Z u s a m m e n f a s s u n g Im Sommer 1955 begann ein neues Kapitel der Pressepolitik an der Saar. Nach Gilbert Grandval, der als Generalgouverneur nach Marokko abberufen wurde, räumte auch Louis Knaff seinen Posten als Geschäftsführer der Saarbrücker Zeitung, um im Vorfeld der Abstimmung um das Saarstatut Saarländern die Führung zu überlassen. 1 3 7 Hatte Grandval der saarländischen Presse besondere Aufmerksamkeit geschenkt, so widmete sein Nachfolger als französischer Botschafter, Eric de Carbonnel, der Presse nur wenig Beachtung. 1 3 8 D e r U m b r u c h in der saarländischen Presselandschaft zeigte sich auch im neuen Pressegesetz, das im Vorfeld der Abstimmung um das Saarstatut im Juli 1955 verabschiedet wurde und den Weg für eine legale saarländische O p positionspresse frei machte. 1 3 9 Auch wenn die Franzosen strengere Maßstäbe bei der Zensur an der Saar anlegten als in der restlichen Besatzungszone, wurden die saarländischen Zeitungen und Zeitschriften gegenüber den Presseerzeugnissen in der französischen Besatzungszone bevorzugt behandelt. Neben einer höheren Papierkontingentierung kamen die Saarländer auch schon früher in den Genuss
1 3 6 François-Poncet an M A E , Relations entre journalistes allemands et sarrois, 1 . 1 0 . 1 9 5 2 , M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 91; François-Poncet an M A E , Projet de fusion de l'Association des journalistes sarrois et de celle des journalistes allemands, 2 4 . 1 0 . 1 9 5 2 , ebd. 1 3 7 Aide-Mémoire concernant le Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H , PA Grandval, 11. 1 3 8 So gibt Grandval im Herbst 1955 de Carbonnel Ratschläge, wie er die Abwicklung der Saarbrücker Zeitung in die Wege leiten soll. Vgl. Grandval an de Carbonnel, 2 2 . 1 1 . 1 9 5 5 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 92. 1 3 9 Amtsblatt des Saarlandes, 2 3 . 7 . 1 9 5 5 Nr. 87, S. 1034-1036.
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einer umfassenden Zeitungslandschaft, so wurden hier zum Beispiel schon im Sommer 1946 flächendeckend Parteizeitungen zugelassen. Die so entstandenen Zeitungen und Zeitschriften, die eine breite Masse der saarländischen Bevölkerung erreichen sollten, waren jedoch nur schwer zu finanzieren und konnten nach der Grenzverschiebung im Winter 1946 nur durch finanzielle Hilfe von französicher und saarländischer Seite am Leben gehalten werden. Aber auch diese Finanzhilfen konnten den saarländischen Zeitungsmarkt nur begrenzt stützen: Bis zur Volksabstimmung im Oktober 1955 wurde ein Großteil der Presseerzeugnisse aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Sowohl Franzosen als auch Saarländer förderten intensiv die Presse, weil sie der Ansicht waren, dass ihr eine wesentliche Rolle bei der Demokratisierung der Bevölkerung zukam. Allen voran die Franzosen sahen die Presse als Mittel, um ein Erstarken des deutschen Nationalismus an der Saar zu verhindern. Darüber hinaus sollte sie als Mittel zur unterschwelligen Werbung für die französische Kultur genutzt werden und so dazu beitragen, die Saarländer langfristig für einen Anschluss an Frankreich zu gewinnen. Die Franzosen förderten aber auch intensiv den journalistischen Nachwuchs an der Saar. Die Militärregierung legte nach dem Krieg besonderen Wert darauf, dass es Saarländer waren, die ihre Landsleute über das Weltgeschehen informierten. Neben jungen Volontären wurden auch altgediente saarländische Redakteure angeworben, die schon vor der Volksabstimmung 1935 für Zeitungen an der Saar gearbeitet hatten. Journalisten, welche bei ihrer Berichterstattung einen Kurs einschlugen, der gegen die vorgegebene politische Richtung stand, mussten das Saarland jedoch verlassen. Als die Pressepolitik Anfang 1948 in saarländische Verantwortung überging, hatten die Franzosen den Weg für ihre zukünftige Gestaltung bereits vorgeprägt. Durch die Auswahl der Lizenzträger hatten sie für eine enge Verknüpfung der künftigen saarländischen Regierung mit den saarländischen Zeitungsverlagen gesorgt. Darüber hinaus konnte das Hohe Kommissariat in Saarbrücken durch die indirekte Beteiligung an saarländischen Zeitungen und Zeitschriften, allen voran an der Saarbrücker Zeitung, seinen Einfluss auf die saarländische Presselandschaft weiterhin gewährleistet sehen. Anders als die saarländische Regierung, welche die Presse über eine strenge Zensurpraxis disziplinieren wollte, war Grandval darauf bedacht, die französische Kontrolle so weit wie möglich der saarländischen Bevölkerung gegenüber zu verschleiern, um sich nicht dem Vorwurf der Propaganda und Kontrolle ausgesetzt zu sehen. In den folgenden Jahren gelang es den Saarländern, auch die bei den Franzosen verbliebenen Kompetenzen, wie zum Beispiel die Kontrolle des Presseimports, in ihre Verantwortung zu bringen. Bis zum Vorabend der Saarab-
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Stimmung kontrollierten sie die gesamte Presselandschaft, eine kritische Berichterstattung über die Politik der Regierung H o f f m a n n konnte nur in der Illegalität stattfinden. Betrachtet man die Entwicklung der Pressepolitik an der Saar zwischen 1945 und 1955, so revidiert sich das Bild einer französischen Pressepolitik, die in der Forschung bisher durch eine systematische Kontrolle der Presse charakterisiert wurde. Vielmehr war es später die saarländische Regierung, die durch ihre rigide Pressegesetzgebung und ihre Zensurpolitik die saarländische Presse systematisch überwachte. Wie umfangreich diese Zensur in der Praxis war, muss aufgrund der schlechten Quellenlage jedoch offen bleiben.
5. Q u e l l e n v e r z e i c h n i s Archives du Ministère des Affaires étrangères (MAE), Paris: EU 1944-1960, Sarre, 66, 67, 91, 92, 258 MAE, Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche (AOFAA), Colmar: Direction de l'Information, AP 65/5, AP 128/8, AP 130/1, AP 131/4, AP 136/2, AP 138/1, AP 139/4, AP 150 Affaires culturelles, A C 33/1, A C 661/3, A C 892/2, A C 906/2, A C 906/5, A C 920/1 Haut Commissariat de la République française en Sarre, Cabinet politique ( H C Sarre, Cab), 99 Haut Commissariat de la République française en Sarre, Mission juridique ( H C Sarre, Jur), 216 Commissariat pour le Land Rhénanie-Palatinat, Ρ 33, Do 3200/3/03 Privatarchiv Gilbert Grandval, Paris/St. Cloud (PA Grandval): 11 Privatarchiv Edgar Hector (PA Hector): Carton 29, Sd. 2 (Die französischen Bestände sind auf Mikrofilm einsehbar am Historischen Institut der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl Rainer Hudemann) Landesarchiv des Saarlandes (LA SB), Saarbrücken: Staatskanzlei (StK), 95, 834, 1215, 1520, 2321, 4355. Presse- und Informationsamt (InfA), 13, 72, 144, 233, 236, 442, 445, 827 Nachlass Johannes Hoffmann (HoffJ), 6
6. A u s g e w ä h l t e F o r s c h u n g s l i t e r a t u r Klaus Altmeyer, Der „seidene Vorhang". Saarpresse 1945 bis 1959, in: Deutsches Zeitungsmuseum, Hg., Von der Mangelwirtschaft zur Massenauflage. Printmedien in den 50er Jahren. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Zeitungsmuseums in Wadgassen, Dillingen 2007, S. 85-103 Klaus Altmeyer, Massenmedien nach 1945 mit besonderem Blick auf die Volksbefragung 1955, in: Rainer Hudemann/Raymond Poidevin unter Mitarbeit von Annette
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Maas, Hg., Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte/La Sarre 1945-1955. Un problème de l'histoire européenne, 2. Aufl., München 1995, S. 405-408 Dietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959, München 1969 Hans-Walter Herrmann, Die saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre saarländischer Journalistenverband 1947-1972. Eine Dokumentation, Saarbrücken 1972, S. 46-58 Stephan Schölzel, Die Pressepolitik in der französischen Besatzungszone 1945-1949, Mainz 1986
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Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten Eine medienpolitische Kirchengeschichte der Saarautonomie 1945-1959
1. Das Saarland - Eine kirchlich-konfessionelle Medienlandschaft? „Hier ist der Katholische Rundfunk. Sie hören die Saarländische Morgenandacht." Vielleicht sei der vielzitierte Versprecher nur gut erfunden, befand ein protestantischer Rundfunkpfarrer, umso mehr reflektiere die Anekdote die empfundene Dominanz katholischer Medienpräsenz. 1 Entdeckten die Katholiken, in Presse- und Verlagswesen gut aufgestellt, im Jahrzehnt nach Kriegsende auch den saarländischen H ö r f u n k für sich? Prägten sie derart meinungsmächtig das neu begründete Medium im neu gebildeten Land an der deutschen Westgrenze? Kurzum: Waren Medienmacht und Meinungsmacht katholisch besetzt? Konfession und Region konnten an der Saar demzufolge politisch richtungweisende Deckungsgleichheit erzielen. Gewiss, allein der Blick auf die konfessionellen Zahlenverhältnisse weist das Saarland als das katholischste deutsche Flächenland aus. Mit knapp drei Viertel der weniger als eine Million zählenden Bevölkerung stellten die Saarkatholiken die gesellschaftliche Großgruppe dar, boten demnach potentiell das breiteste Auditorium für Radio Saarbrücken, knapp ein Viertel waren evangelisch. Dennoch, die Rezipienten trafen wohl auch auf eher meinungsfreudige Produzenten. Die Medienbeauftragten der katholischen Kirche zeigten an der Saar offensichtlich wenig Scheu vor medialer Präsenz und nutzten die zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel öffentlichkeitswirksamer als ihre protestantischen Amtsbrüder. Welche Relevanz sendungsbewusste Prediger gegenüber anderen Stimmen im F o r u m öffentlicher Meinungsbildung erlangten, wie groß der mediale Wirkungsradius der Kirchen werden konnte in der politischen Sondersitua1 Hans-Dieter Osenberg gehörte der dritten, mittlerweile hauptberuflich tätigen Generation von Rundfunkpfarrern an. Von 1964-1992 Landespfarrer für H ö r f u n k und Fernsehen, beauftragt beim Saarländischen Rundfunk und Südwestfunk. Dazu der Uberblick im Jubiläumsband: Hans-Dieter Osenberg, Kirche in Presse, Rundfunk und Fernsehen. Dreißig Jahre evangelische Publizistik an der Saar, in: Kirchenkreise Ottweiler, Saarbrücken und Völklingen der Evangelischen Kirche im Rheinland, Hg., Evangelische Kirche an der Saar gestern und heute, Saarbrücken 1975, S. 407-412, hier S.410.
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tion an der Saar, geriet zu einer Frage erster Ordnung: Sie beschäftigte zunächst die französische Besatzungsmacht und die Regierung unter Führung der Christlichen Volkspartei des Saarlandes (CVP) ebenso wie schließlich den europäischen Akteur, die Kommission der Westeuropäischen Union (WEU). 2
2.,Saarbistumspresse': Autonomiestärkung oder G r e n z e r f a h r u n g ? Seit Juli 1946 erschienen gleich drei Bistums- bzw. Kirchengebietszeitungen 3 an der Saar, der 1875 begründete „Paulinus" für die zum Bistum Trier zugehörigen Katholiken und der seit 1848 für die Speyerer Diözesanen aufgelegte „Pilger" sowie „Der Sonntagsgruß", der seit dem Jahre 1872 die protestantische Bevölkerung an der Saar erreichte. Ein Gewerkschaftsblatt und eine Sportzeitung fanden ebenfalls die Zulassung durch die französische Besatzungsbehörde. Die Blätter waren - nach der ersten Auflage der „Neuen Saarbrücker Zeitung" am 27. August 1945 - Teil einer zweiten Lizenzierungsphase, in der einen Monat zuvor bereits drei Parteiorgane sowie das Organ des Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France (MRS) genehmigt worden waren. Ab Oktober 1947 folgte eine dritte Welle: Die katholische Revue „Nach der Schicht" wurde weitergeführt, eine weitere Ge-
Vgl. zur ,Saarkirche': Judith Hüser, Kirche, Konfession, Religiosität und saarländische Nachkriegspolitik: Zwischen „Klischee" und „Wandlung", in: Rainer Hudemann/Burkhard Jellonek/ Bernd Rauls, Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, St. Ingbert 1997, S. 225-238 sowie dies., Saarkatholiken auf dem Sonderweg? Kirche und Konfession, Nation und Europa im deutsch-französischen Grenzland (1919-1959), in: Bernhard Schneider/ Martin Persch, Hg., Beharrung und Erneuerung 1881-1981. Geschichte des Bistums Trier, Bd.5, Trier 2004, S. 671-697. Vgl. zu den jeweiligen diözesanen und landeskirchlichen Amtsträgern die biographischen Beiträge. Zu Erzbischof Bornewasser, von 1922 bis zu seinem Tode im Jahr 1951 Bischof von Trier: Franz-Josef Heyen, Franz Rudolf Bornewasser (1922-1951), in: Martin Persch/Michael Embach, Hg., Die Bischöfe von Trier seit 1802, Trier 1996, S. 169-188. Vgl. zu seinem Nachfolger Matthias Wehr, Bischof bis 1966: Balthasar Fischer, Matthias Wehr (1951-1966), in: Ebd., S. 189-202. Vgl. zu den Speyerer Bischöfen Josef Wendel, der vor seiner Berufung nach München von 1943 bis 1952 in Speyer amtierte, und Isidor Markus Emanuel, der ihm im Amt vonl953 bis 1968 folgte, die Beiträge: Georg Schwaiger, Josef Wendel. Bischof von Speyer 1943-1952, in: Hans Ammerich, Hg., Lebensbilder der Bischöfe von Speyer seit der Wiedererrichtung des Bistums Speyer 1817/21, Speyer 1992, S. 277-306 sowie Ferdinand Schwickel, Isidor Markus Emanuel. Bischof von Speyer 1953-1968, in: Ebd., S. 307-337. Vgl. zum Bevollmächtigten der evangelischen Kirche des Rheinlandes und der Pfalz an der Saar (1945-1957) und Saarbrücker Superintendenten Kirchenrat Otto Wehr: Hans-Walter Herrmann, Otto Wehr, in: Peter Neumann, Hg., Saarländische Lebensbilder, Bd. 4, Saarbrücken 1989, S. 223-249. 2
Differenzierung konfessioneller, kirchlicher und diözesaner Presseerzeugnisse nach: Michael Schmolke, Die schlechte Presse. Katholiken und Publizistik zwischen „Katholik" und „Publik" 1821-1968, Münster 1971.
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werkschaftszeitung, Bauern-, Bergmann-, Architektenblätter, Mode-, Schulund Studentenzeitschriften sowie der „Tintenfisch" als Satireblatt kamen neu hinzu. 4 Was in der Breite der Zeitungsformate und in der H ö h e der Auflagen zunächst als Zeichen f ü r eine Rückkehr zur Normalisierung des öffentlichen Lebens gewertet werden konnte, stand in den Modalitäten der Herausgabe allerdings unter den besonderen Bedingungen des Nachkriegsalltags an der Saar. Mehr als deutlich ließ sich das N e u e f ü r die Saarländer, neben einer für den Anschluss an Frankreich eintretenden Zeitung, gerade im Bereich der Diözesanpresse lesen. D e n n die zu zwei Drittel zum Bistum Trier und einem Drittel z u m Bistum Speyer zugehörigen Saarkatholiken hatten bereits unmittelbar nach Kriegsende .ihren' Paulinus und ,ihren' Pilger erhalten. A m 1. August 1945 war der erste Paulinus - seit Juli 1938 als eine der ersten Diözesanzeitungen im NS-Regime verboten - von dem bereits mehr als 20 Jahre amtierenden Erzbischof Franz Rudolf Bornewasser als „Bote des Bischofs" und „Band der Einheit" angekündigt worden. 5 Im Dezember 1945 stoppte ein Erlass des französischen Saargouverneurs die E i n f u h r aller Zeitungsprodukte. Gilbert Grandval verfügte, dass ausschließlich Presseerzeugnisse an der Saar selbst produziert und verlegt werden dürften.
2.1 Katholische, Saarausgab en' Beim schon 1934 bis 1938 und n u n wieder zuständigen Chefredakteur des Paulinus-Blattes in Trier, Alois Funk, gingen sogleich engagierte Leserbriefe ein, welche die Maßnahme als „Verbot" ansahen und Vergleiche zur Praxis im Dritten Reich zogen. 6 Besatzungspolitisches Protestpotential staute sich hier an: Trotz des „Sieges der Demokraten" habe sich wenig geändert. „Wir sind traurig darüber und nicht gewillt, das einfach so hinzunehmen. Schließlich existiert der Paulinus noch; und wenn er nicht mehr zu uns k o m m e n
4
H a u t Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'Information, Hg., Trois ans de présence française en Sarre, Paris 1948, S. 29-31. 5 D a z u das Geleitwort des Bischofs z u m Wiedererscheinen des Paulinus am 1.8.1945, in: A m t s a n zeiger 89:22, 1945, S. 13. Zu den Medien im Trierer Bistum der Uberblick von: Michael Embach, Entwicklungen der Literatur und sonstiger Massenmedien 1881-1981, in: Schneider/Persch, Beharrung, S. 564-588. 6 Arrêté du G o u v e r n e m e n t Militaire en Sarre vom 28.12.1945, Bistumsarchiv Trier (BATr), Abt. 105, Nr. 3006; Nachlass Dr. Alois F u n k (Redakteur des Paulinus), sowie Leserbrief Maria K o c h / Saarbrücken an Funk, 22.1.1946 und Bericht von H u s c h a an Funk, 9.1.1946, ebd. Vgl. z u m gebürtigen Saarländer Alois F u n k (1896-1978), einem der renommiertesten .Medienexperten' im Bistum Trier: H e r m a n n Ries, D i r e k t o r Dr. Alois F u n k 60 Jahre. Ein Leben f ü r die m o d e r n e n Publikationsmittel Film, F u n k und Presse, in: Trierische Landeszeitung, 15.10.1956 o. Nr., o. S.
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darf, möchten wir versuchen zu ihm zu kommen." 7 So wurde etwa ein Postversand angeregt. Die Kirchenführung selbst ordnete das .Paulinusverbot' als Gegenmaßnahme des französischen Gouverneurs ein, da der Trierer Bischof keinen Delegaten in Saarbrücken benannt habe. Sowohl die Trierer als auch die Speyerer Bistumsleitung hatte befürchtet, dass die von Gilbert Grandval forsch vorgetragene kirchliche Autonomie des Saargebietes als „mission d'assainissement moral", „moralischer Sanierung", einer weitergehenden politischen Abtrennung Vorschub leisten könne. Erzbischof Bornewasser, immer stärker von seinen Amtsgeschäften an der Saar ausgegrenzt, erhob nun Einspruch bei der französischen Militärbehörde in Baden-Baden und der Papst forderte einen Bericht an. Im regional eingegrenzten Konflikt erweiterten sich die Kommunikationsebenen, übergeordnete Autoritäten wurden eingeschaltet. Eine Kompromisslösung sah schließlich vor, dass die beiden traditionsreichen Bistumszeitungen erscheinen konnten, und zwar „in Saarausgabe": Eine Bistumsredaktion in Trier und Speyer besorgte den jeweiligen Bistumsteil des Blattes und eine eigenständige Redaktion an der Saar bearbeitete vier zusätzliche Seiten, die den .deutschen' Werbeteil ersetzten, sodann sollten die Matrikel an die Saar verbracht und dort in vollständiger Auflagenhöhe gedruckt werden. Zensurpolitisch bedeutete dies, dass sowohl die Ausgabe in der französischen Besatzungszone als auch an der Saar noch einmal kontrolliert wurde. 8 Der Pilger-Verlag in Speyer erhob in einem mehrseitigen Bericht die Kostenfrage dieses neuen grenzüberschreitenden Medienunternehmens. Dies könne keine wirtschaftliche Frage sein, sondern das Erscheinen des Bistumsblattes an der Saar sei von politischer Bedeutung für die Katholiken, hielt der St. Ingberter Pfarrer Peter Eckhard, Ansprechpartner der Diözese Speyer bei der Saarbrücker Militärregierung entgegen. Seiner Einschätzung nach ließe sich an den Modalitäten wenig ändern, denn Grandval habe höchste Stellen in Paris hinter sich. 9 Weder ein ,Saarbistum' noch eine eigenständige .Saarbistumspresse' konnten per Dekret umgesetzt werden, sondern waren permanentem deutschfranzösischem Aushandeln auf vielen Ebenen unterworfen. Immerhin etablierte sich eine .teilautonome Pressestruktur', die dem besatzungspolitischen Ebd. Der Pilger, 27/16. Aktennotiz 2 9 . 1 . 1 9 4 7 zum Erscheinen der ersten Nummer der Saarausgabe des Pilger, Bistumsarchiv Speyer (BASp), Bischöfliches Ordinariat (BO). 9 Dechant Eckhard an Bischof Wendel zu .Saarpilgerfrage', 18.6.1947, BASp, Pfarrarchive, Bischöfliches Dekanat St. Ingbert sowie Der Pilger, Pilgerdruckerei, Betr. Saarausgabe, 6 . 9 . 1 9 4 6 und in Abschrift: Gilbert Grandval an Dechant Eckhard/St. Ingbert, 1 3 . 8 . 1 9 4 6 , BASp, BO. Grandval sichert technische Unterstützung zu. 7 8
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Sonderstatus der französischen Saardirektive unter dem Postulat von D e zentralisierung und Demokratisierung Rechnung trug wie auch dem regionalen Bestreben der Saarverantwortlichen nach kultureller Eigenständigkeit Entfaltungsraum bot. Insgesamt erwiesen sich kulturelle und strukturelle Klammern zu den Bistümern als zu stark, so dass kein Abbruch der diözesanen Mitteilungsmittel, sondern eine pragmatische interregionale Pressevernetzung der ,Kirchenlandschaft' erfolgte, die an der Saar in der Folgezeit politisch nicht weiter verselbstständigt werden konnte. Allerdings entpolitisierte sich der Inhalt. Die Zeit sei eher reif für ein „Nachrichtenblatt", befand schon im Herbst 1945 der Trierer Generalvikar. U n d eine katholische Tageszeitung, wie es sie während der Völkerbundzeit gab, wurde aus dem Paulinus-Verlag, dem ehemaligen Dasbach-Imperium 1 0 , nicht mehr an der Saar aufgelegt. Das Wochenblatt in den Industriepfarreien „Die Sonntagsglocken" fand keine Fortsetzung, so dass eine starke Konzentration kirchlicher Medienerzeugnisse im Bereich der Bistumspresse lag und diese lebensfähigen Monopole die bischöflichen Zentralen stärkten.
2.2
Evangelisches,Alleinstellungsmerkmal'
Anders gelagert war die Medienfrage für die evangelische Kirche an der Saar, wo seit dem 24. März 1946 nur noch der Sonntagsgruß, ein kirchliches Wochenblatt, genehmigt wurde. Das Monopol erleichterte die kirchenpolitischen Autonomiepläne Frankreichs. Dies umso mehr, als das Blatt seit Erscheinungsbeginn an der und für die Saar herausgegeben worden war. Vergeblich schaltete Kirchenrat O t t o Wehr, Beauftragter der evangelischen Kirche im Rheinland und gleichzeitig Lizenzträger der Zeitung, den protestantischen Militärpfarrer Marcel Sturm in Baden-Baden als kompetenten Vermittler ein. Grandval ließ die rheinische Kirchengebietszeitung aus Düsseldorf nur im persönlichen Abonnement für den Saarbrücker Pfarrer zu. 1 1 Die stärkere Deckung des besatzungspolitischen Raumkonzeptes mit der bisherigen Verbreitung der Zeitung im saarländischen Kirchengebiet konnte nicht über die Ablehnung der Abtrennungsabsichten hinwegtäuschen. 1952 hatte der evangelische Verlag erstmals Gelegenheit, einen Hauskalender
10 Vgl. zur katholischen Verlagsanstalt und der Entstehung des „Sanct-Paulinus-Blattes" des sog. Trierer .Preßkaplans' Dasbach ( 1 8 4 6 - 1 9 0 7 ) : H u b e r t T h o m a , G e o r g Friedrich Dasbach. Priester, Publizist, Politiker, Trier 1975. 11 O t t o Wehr (Bevollmächtigter für das Saarland), 4 5 - 1 / 1 - 1 , Schriftverkehr zur Lizenzierung des Sonntagsgruß sowie 4 5 - 1 / 2 zu Hauskalender und 4 5 - 2 zu Rundfunkarbeit, Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Außenstelle Boppard ( A E K R / B ) , 6 H A 0 4 6 B K R . Weiterführend der eigenständige Bestand des Sonntagsgruß, 1956 bis zur Einstellung 2006. Siehe hierzu auch den Beitrag von Aline Maldener in Bd. 2.
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Judith H ü s e r
herauszugeben: „Am Herd" legte besinnliche Geschichten und Gedichte von Saarpfarrern auf. Die Berichterstattung über das Leben in den Kirchenkreisen aber war geprägt von einem Alltag an der Grenze, der der politischen Praxis an der Saar Grenzen des Zumutbaren aufzeigte, zumal mit Entstehung der Bundesrepublik die Kirchenakteure die Kontrollmaßnahmen und schwierigen Austauschmöglichkeiten als nur noch einseitig auferlegt empfanden. Es werde „als ein Geschenk des Herrn der Kirche angesehen, dass die politische keine kirchliche Trennung zu bewirken vermochte und es sich erwies, dass die Bindungen des Glaubens stärker sind als alle zeitlichen Ordnungen." 1 2 2.3 Mediale Debattenkultur
zwischen Hirtenbrief und Politikerwort
Außerhalb der Printmedien als Foren öffentlicher Meinungsbildung war die sonntägliche Kirchengemeinde ihr eigenes Medium: Kanzel als Ort der Verkündigung; Hirtenbriefe, die mit der Amtsautorität des Bischofs zur Verlesung kommen sollten, als Botschaft; Ortspfarrer als Multiplikatoren; und Gottesdienstbesucher als Hörer: Sie stellten gemeinsam das Kommunikationsereignis dar. Der kirchliche „Amtsanzeiger" druckte die Verlautbarungen ab. Als Hauptbetroffener der französischen Saarpolitik und Opponent der ersten Stunde nutzte der Trierer Bischof sein ,mediales Feld' an der Saar zur Demonstration einer politischen Gegenöffentlichkeit, die auf das Recht nationaler Selbstbestimmung pochte. Mit dem Ende der Entnazifizierung und unter den Vorzeichen eines wirtschaftlichen Anschlusses der Saar an Frankreich bei politischer Abtrennung von Deutschland brachte Bornewasser im Abstand von nur sechs Wochen zwei Hirtenbriefe zur Verlesung. In seinem Bischofswort zur „Vaterlandsliebe" stützte er sich auf den „vorzüglichen französischen Katechismus" und geißelte jedwede Abtrennungsabsichten als „Vaterlandsverrat". Das zweite Hirtenschreiben, in Teilen von der Zensur verboten und bei der Verlesung von Vertretern der Militärregierung überwacht, gab einen „Rückblick auf 25 Bischofsjahre", in denen der Bischof treu an der Seite seiner Diözesanen gestanden habe, wie diese und die Priester auch ihm Treue bekundet hätten. 13 In Frankreich bekam der selbstbewusste Bornewasser aufgrund seiner Fundamentalkritik eine .schlechte Presse'. Die medialen Öffentlichkeiten 12 A m Herd. Kalender für die evangelische Familie an der Saar 1952, Verlag Sonntagsgruß der Ev. Kirche im Rheinland für das Saargebiet, S. 3 5 - 4 1 , hier S. 39. 13 R u d o l f Bornewasser, Hirtenwort: R ü c k b l i c k auf 25 Bischofsjahre, in: Amtsanzeiger, 1 . 5 . 1 9 4 7 Nr. 137, S. 1 f.; Rundfrage von Meurers an alle Dechanten des Bistums zu den Französischen M a ß nahmen mit Obersicht über die Verlesung, Β A T r A b t . 105, Nr. 2633 . Z u r französischen Sichtweise: Archives du Ministère des affaires étrangères ( M A E ) , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 31; Textes tapés, „L'affaire religieuse", o. D., Privatarchiv Gilbert Grandval, Paris/St. C l o u d (PA Grandval), 4.
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Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten
Abb. 1: Bischof Franz Rudolf Bornewasser 1949 in Fraulautern/ Saar
verschränkten sich besonders stark in der Saarfrage als
deutsch-franzö-
sischem B r ü c k e n m o d e l l der zweiten N a c h k r i e g s z e i t . U n d im Saarland korrigierte der K a t h o l i k J o h a n n e s H o f f m a n n , Berufsjournalist in der Z e n t r u m s presse und ,Status q u o l e r ' von 1935, dann E m i g r a n t , schließlich C V P - V o r sitzender und A u t o n o m i e b e f ü r w o r t e r , die P o s i t i o n seines B i s c h o f s unter dem Titel „ H e i m a t - V a t e r l a n d " im Parteiorgan „Saarländische V o l k s z e i t u n g " : Das nationale Vaterlandsgebot brach er auf eine regionale a u t o n o m e E b e n e herunter. 1 4 D a m i t lebten neben der unmittelbaren B e s a t z u n g s k o n f r o n t a t i o n die alten Frontstellungen von 1935 zwischen dem künftigen saarländischen Regierungschef und dem n o c h lange amtierenden Trierer B i s c h o f auf. D i e Auseinandersetzung um mehrheitsfähige D e u t u n g s m u s t e r zur politischen Z u k u n f t der Saar polarisierte sich. E i n e öffentliche politische D e b a t t e , nach außen um das R e c h t auf S e l b s t b e s t i m m u n g der V ö l k e r wie schließlich nach innen um das R e c h t auf Pluralismus der M e i n u n g e n , spielte sich um die Kommunikationszentren 14
Kirchenkanzel
und
Staatskanzlei
und
um
die
J o h a n n e s H o f f m a n n , H e i m a t - V a t e r l a n d , in: Saarlandische V o l k s z e i t u n g , 5 . 4 . 1 9 4 7 \ r . 14. S . 2 .
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Judith H ü s e r
jeweiligen Mitteilungsblätter Kirchlicher Amtsanzeiger und Saarländische Volkszeitung ab. Das änderte sich auch nicht unter dem Nachfolger Bornewassers, Bischof Matthias Wehr, der über seinen eingegliederten Heimatort Faha zum ,Neusaarländer' avancierte. Der Papst entsandte im Mai 1948 einen Apostolischen Visitator als Mittler, um die aufgepeischten Wogen in der deutsch-französischen Medienlandschaft zu glätten. Johannes Hoffmann nutzte diese vatikanische Entscheidung als .Mediencoup' und inszenierte Msgr. Michael Schulien als „Sohn der saarländischen Heimat" mit großem Aufgebot bei dessen Ankunft am Bahnhof. 1 5 Trier hingegen bot ihm keine mediale Plattform.
3. Die K i r c h e n auf Sendung Das Studio des jungen .Rundfunkamtes für das Saargebiet' richtete die französische Militärregierung in der Wartburg ein, dem großen Gemeindehaus der evangelischen Kirche. Damit trennte sich der unter einem französischen Generaldirektor mit ständigem Kontrollrecht des zuständigen Saargouverneurs aufgebaute Sender nicht nur räumlich vom „Reichssender Saarbrücken", der seit Frühjahr 1935 eine Station am Staden betrieben hatte. Vielmehr nahm das künftige „Radio Saarbrücken" seine Tätigkeit als besatzungspolitisches Informationsorgan an dem Ort auf, an dem am 13.Januar 1935 das Ergebnis der Saarabstimmung verkündet worden war und von dem aus 1946 ein Symbol für einen kulturellen Neubeginn im Grenzland unter französischer Ägide gesetzt werden sollte. Ein französischer Rechenschaftsbericht aus dem Jahre 1948 beschrieb die Aufgabe des Rundfunksenders: „Durch seine geographische und politische Lage soll Radio Saarbrücken in deutscher Sprache der Wortführer der westlichen Kultur und der Verbreiter demokratischen Geistes werden." 1 6 3.1 Ein saarländischer
Ressortzuschnitt
Frühzeitig gingen ,Saarpfarrer' mit Radio Saarbrücken auf Sendung. An den Bischofssitzen Trier und Speyer existierten keine Sendeanstalten. D e r Reiz 1 5 A n o n y m u s , R o m hat entschieden: Ein Apostolischer Visitator für das Saarland, in: Saarländische Volkszeitung, 2 2 . 5 . 1 9 4 8 Nr. 53, Titelseite; Judith Hüser, Päpstlich-diplomatische Mission in der Heimat - Msgr. Dr. Michael Schulien S V D . Saarländer, Ethnologe und Apostolischer Visitator, 1 9 4 8 - 1 9 5 6 , in: Werner Prawdzik S V D , Hg., 100 J a h r e Missionshaus St. Wendel 1898-1998, Bd. 2, Nettetal 2000, S. 332-342. 16 H a u t Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'Information, Trois ans, S. 3 1 - 3 2 .
Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten
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des Neuen, die Teilhabe an öffentlichen Kommunikationsmitteln nach langen Jahren erdrückender nationalsozialistischer Verbotspraxis und die Freiheit der Botschaftsverkündigung beflügelten. D e r St. Ingberter Pfarrer Gustav Lauer etwa schrieb an Radio Saarbrücken, er habe zusätzliche Mikrophone in der Kirche installiert, technisch sei alles vorbereitet. 1 7 D o c h ein so genannter .Kirchenfunk' als eigenständiges Ressort ließ sich bei Radio Saarbrücken nicht finden. Im neuen Organisationsschema der Rundfunkanstalt von 1952 sucht man immer noch vergeblich eine solche Abteilung oder Unterabteilung innerhalb des Programmbereichs. In der Hauptabteilung Wort, dem eigentlichen Medium kirchlicher Verkündigung, waren Hörspiel, Literatur und Jugend-, Schul-, Frauen- und Kinderfunk untergebracht. In der zweiten Hauptabteilung Musik schließlich war eines von vier Ressorts angesiedelt, das neben den rein auf musikalische Darbietung abgestimmten Abteilungen aus dem Rahmen fiel: „Chor- und Volksmusik Heimat und Brauchtum - Kirchliche Sendungen" legte einen eher volkstümlichen und heimatbezogenen Akzent kirchlicher Verkündigung nahe. 1 8 Das Konzept hatte wenig Aktualitätsbezogenes, begleitete vielmehr den Rückzug der Region in einen dörflich-parochial strukturierten Alltag. Geprägt blieb diese Genremischung seit den Anfängen durch Johannes Kirschweng, freischaffender Priesterdichter aus Wallerfangen, der 1951 im Alter von 50 Jahren verstarb. Dessen Erfahrung und Sprecherqualitäten konnten dem „französischen Sender in deutscher Sprache" ein großes ländliches Stammpublikum sichern: Die katholischen Morgenandachten verbanden die Saarländer mit seinem Namen. D e r Freund des katholischen Politikers Johannes Hoffmann, anfangs als Kultusminister angedacht, war gleichzeitig Redakteur des „Saar-Paulinus" und sein kongenialer Part im religiös-kulturellen Feld. Denn der Autor von „Das Reich ist zerbrochen" verdichtete literarisch den politischen Willen der künftigen CVP-Regierung über den Weg dieser christlichen Saarheimat: „Wir wollen einen deutschen Nationalismus, dem wir ein für alle Male abgeschworen haben, nicht gegen einen französischen eintauschen. Wir wollen überhaupt keinen Nationalismus mehr. Wir wollen Europa. Wir wollen in Europa ein Saarland, in dem sich deutsche und französische Kultur begegnen." 1 9 17 Geistlicher Rat Lauer an Radio Saarbrücken, 1 0 . 1 2 . 1 9 4 6 , B A S p , Pfarrarchiv, St. Ingbert/St. Josef, N r . X I V / 4 (Gottesdienst/Rundfunk). 18 Zur Geschichte des Rundfunks: Heribert Schwan, D e r Rundfunk als Instrument der Politik im Saarland 1945-1955, Berlin 1974: Organigramm von 1952, S.51 und zu den religiösen Sendungen, S. 153-155. Z u m Vergleich: Die Gewerkschaften bestritten eine wöchentliche Sendung. Z u m Werk von Schwan siehe kritisch den Beitrag von Paul Burgard in diesem Band. 19 Johannes Kirschweng, Wir vergessen nicht so leicht, in: Saarbrücker Zeitung, 5 . 8 . 1 9 4 7 N r . 9 1 , S. 2; Frank R. H u c k , Radio an der Saar. Ein Querschnitt durch 60 Jahre Programmgeschichte von 1935 bis 1995. Ostfildern 1995, C D - R o m , Nr. 11 „Für unsere K r a n k e n " : Letzte Krankensendung
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Ein regionalistischer Integrationsansatz, der die Sendekonzepte in anderen ,Wort'-Segmenten stärker bestimmte: „Größere Heimat Europa" oder „Literatur und kulturelles Europa" standen seit 1954 im Zuge der Europäisierungspläne für die Saar dominant auf dem Programm. Diese Absage an alles Nationale hatte sich auch kirchliche Verkündigung zu Eigen zu machen. Ein Sonderbewusstsein als Zukunftsverheißung galt es zu entwickeln. Allmählich trat mit der Selbstpräsentation des Senders, der seinen Sendebereich stetig erweiterte, der große, den Kirchen zur Verfügung gestellte Raum deutlicher hervor. Im gedruckten Winterprogramm 1954/55, dem zweiten dieser Art, wurden „Kirchliche Sendungen" als eigener Programmpfeiler aufgeführt, und die Programmseiten wiesen dann einen katholischen und einen evangelischen „Kirchenfunk" aus, der abschließende Organisationsplan enthielt keinen Hinweis mehr zum Ressort. 20 Verantwortlich für diesen „Kirchenfunk (katholisch)" waren Pastor Jakob Schmitz als Beauftragter des Bischofs von Trier und Geistlicher Rat Gustav Lauer als Beauftragter des Bischofs von Speyer. Damit blieb die Amtszuordnung und Weisungsgebundenheit eindeutig eine amtskirchliche, eine Struktur, die sich auch in anderen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik etabliert hatte. Beide waren in der Verkündigung und im Predigtinhalt ihrem jeweiligen Bischof verantwortlich. Pastor Schmitz gehörte zum engeren Kreis derjenigen Saarbrücker Pfarrer, die nach Verfassungsgebung und Landtagswahl 1947/1948 im Zuge einer größeren Stellenumbesetzung berufen worden waren und als die Stützen des Trierer Bischofs Bornewasser im neuen Saarstaat galten. Der Bischof von Speyer hatte offensichtlich kein Problem damit, den im Volksmund wegen seiner bekannten Francophilie „Abbé Laué" genannten St. Ingberter Pfarrer zu benennen, da er sich von Anfang an Medienkompetenz erworben hatte, auch als Mitgesellschafter des Parteiorgans der CVP. 21 Für den „Kirchenfunk (evangelisch)" verantwortlich war wiederum Kirchenrat Otto Wehr, der ohnehin schon die zentrale Funktion des Bevollmächtigten der Evangelischen Kirche im Rheinland für das Saarland bekleidete, Lizenzträger der evangelischen Kirchenzeitung war und nun auch mit einem kleinen festen Team von Pfarrkollegen und Pädagogen die Rundfunkarbeit zusätzlich bewältigte.
von Johannes Kirschweng, Aufnahme 2 7 ( ? ) . 7.1951 ; Maria Zenner, Region - Nation - Europa. Untersuchungen zur historisch-politischen Argumentation saarländischer Politiker: Johannes H o f f m a n n , in: Revue d'Allemagne 18, 1986, S. 5 - 2 4 . 2 0 Rundfunkarchiv des Saarländischen Rundfunks, Saarbrücken, Sammlung Programmhefte, auch im Folgenden. 2 1 Z u m Konflikt um die Entstehung der Saarländischen Volkszeitung: Franz Bungarten, Ich darf nicht schweigen. Meine Ausweisung aus dem Saargebiet, K ö l n 1951.
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Verantwortlich für den Rundfunk zeichnete Josef Reichert, der vor allem das Programm koordinierte und nachhaltig die Produktion am Laufen hielt. Gelegentlich steuerte er selbst für den katholischen Funk Manuskripte etwa zu weihnachtlichen Sondersendungen bei oder nahm Beiträge von Priestern und Religionslehrern möglichst beider Konfessionen entgegen, die sich mit dem Leben von Heiligen an der Saar, mit dem Sinn hoher kirchlicher Festtage oder mit Berichten über Weltkirchentreffen befassten. Strukturell unterschied sich die Verschränkung der Verantwortlichkeiten zwischen Bistumsführung und Rundfunk nicht von anderen Sendeanstalten in der Bundesrepublik. Jedoch kam viel aktuell Besatzungspolitisches darin zum Ausdruck. Während die Medienbeauftragten der Diözese Speyer und der Evangelischen Kirche wie auch der verantwortliche Redákteur des Rundfunks von Anfang bis über das Referendum von 1955 hinaus ihre Aufgabe wahrnahmen und auf Kontinuität setzten, wechselten für die Diözese Trier die Beauftragten. Insbesondere nach dem Tod Kirschwengs galt es, das Saar-Terrain auch im so wirkungsvollen Rundfunksektor zu sichern. Im Programmheft für das Winterhalbjahr 1956/57 hatte sich dann die Bezeichnung „Kirchenfunk" etabliert. Diözesan-Beauftragter des Bistums Trier war nun der aus Koblenz stammende, für die Saarbrücker Universität zuständige Studentenpfarrer Lic. Peter Jung. 2 2 Er vermochte die große Lücke, die Kirschweng hinterlassen hatte, kompetent und versiert zu schließen, eine Sammlung seiner Morgenandachten unter dem Titel „Gottes Wort am Mikrophon" erschien im September 1955. Zeitgleich, mitten im Abstimmungskampf um ein europäisches Saarstatut, wusste er seine starke Radiopräsenz zu einem politischen Skandal zu nutzen. Die Chance, eine folgenschwere Predigt zu platzieren, lieferte ihm ausgerechnet das programmlich und personell fest eingespielte Umfeld des Kirchenfunks. 3.2 Hohe Präsenz mit loyalen
Größen
Mit einer Quote von 2,3 habe der kirchliche Bereich einen relativ hohen Sendeanteil am Gesamtprogramm erzielt und unpolitisch seien die Beiträge gewesen, so die beiden Befunde von Heribert Schwan. 2 3 Lediglich ein Eingriff ließe sich nachweisen: Der saarländische Ministerpräsident habe verhindert, dass das Hirtenwort Bischof Wehrs zur saarländischen Landtags wähl 1952 im Übertragungsgottesdienst verlesen werde.
Vgl. zu Jung: Heinz M o n z , Art. Jung, Peter J a k o b , in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 3, Herzberg 1992, Spalten 867-869. 2 3 Schwan, Rundfunk, S. 153-155. 22
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Dafür lassen sich mehrere Sicherheitsmodule im Sendekonzept ablesen. Zugleich dienten sie den inhaltlichen Zielen der CVP-Regierung unter J o hannes Hoffmann im christlich-kulturellen Feld wie formal der Unantastbarkeit kirchlicher Verkündigung und damit dem von den Kirchen nach innen wie nach außen angestrebten Erhalt ihrer Amtsautorität. In diesem wechselseitig begrenzten Sinne bildete der saarländische Kirchenfunk einen breiten, weil loyalen und debattenfreien Raum aus. So präsentierte sich der „Kirchenfunk" im Prinzip als Gottesdienst-, Andachts- und kirchlicher Chorfunk: ein reiner Übertragungsmodus aus den jeweiligen Gotteshäusern mit festen Sendeplätzen, paritätisch besetzt, im wöchentlichen Wechsel von beiden Konfessionen dargeboten. Rundfunk war ein Kommunikationsmittel zur weiteren Verbreitung des Wortes Gottes über den Gemeinderaum hinaus, mehr noch nicht, auch aus liturgisch-konzeptionellen und produktionstechnischen Gründen, aber auch aus Mangel an redaktionellen Ausbildungsstandards, denn das Metier des Rundfunkpfarrers existierte noch nicht. 24 Feste Sendeorte, wie die Abtei Tholey für den Trierer Bereich oder die St. Ingberter Josefskirche für den Speyerer, das Kreisständehaus in Saarbrücken für die evangelischen Saarchristen, schufen Produktionssicherheit und die Zelebranten boten Garantien für die Verkündigungsarbeit. Die Ordensniederlassung hatte sich seit Wiederbesiedlung 1947/1948 durch Benediktiner aus der Trierer St. Matthias-Abtei zu einem geistigen Zentrum entwickelt, von dort wurden regelmäßig die Krankenmessen und Krankenfeiern sowie Pontifikalämter zu hohen kirchlichen Festtagen übertragen. Abt Petrus Borne gehörte dem Verwaltungsrat der Universität an und zelebrierte gelegentlich den Festgottesdienst anlässlich der saarländischen Verfassungsfeier. Geistlicher Rat Gustav Lauer war CVP-Mitglied und schrieb im Parteiorgan, der Saarländischen Volkszeitung. Kirchenrat Otto Wehr, in der Bekennenden Kirche aktiver Streiter, hatte sich kritisch gegenüber Gilbert Grandval zur französischen Saarpolitik geäußert, schätzte aber die christliche Kulturpolitik Hoffmanns und war Mitglied im Deutsch-französischen Bruderrat. Verbindendes wie Distanzierendes waren bekannt und in der Atmosphäre persönlicher Gespräche offen erörtert worden. Das biographische Profil der kirchlichen Rundfunkvertreter deckte ein breites Spektrum ab, nicht alle, die sich am Aufbau des Ressorts beteiligten, waren gebürtige Saarländer, einige waren der französischen Sprache mächtig und der französischen Kultur zu-
Rundfunkarchiv des Saarländischen Rundfunks, Saarbrücken, O r d n e r Aufsichtsrat 1955 und folgende Jahre, Bericht über den R u n d f u n k (Abschrift ohne Autor, ohne D a t u m , 8 Seiten): Enthält Bestandsaufnahme zu den einzelnen Abteilungen und Kritik zum Neubeginn nach 1955, hier S . 4 .
24
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getan, alle fühlten sich unabhängig. Opposition erfuhr Johannes H o f f m a n n in der C V P von Ortspfarrern. Schließlich das sprechende Rhythmisieren des Tagesablaufes: Das Einspielen des Angelusläuten werktags u m 17:55 U h r ging auf einen Wunsch Johannes H o f f m a n n s zurück, offenbarte seine feste Verankerung im katholischen Brauchtum, das breite Teile der ländlichen Bevölkerung pflegten. U n d „Heimatglocken läuten den Sonntag ein", im Wechsel von evangelischen und katholischen Kirchtürmen. Das Glockengeläut formte gleichsam den weithin vernehmbaren Klangkörper des gut laufenden saarländischen Wiederaufbaus, von dem die Wiederherstellung der zerstörten kirchlichen Gebäude und der in der Kriegswirtschaft eingeschmolzenen Glocken massiv profitierten. Vor dieser Kulisse spielte sich ein Tabubruch ab, wie er seit dem Hirtenbrief Erzbischof Bornewassers zur „Vaterlandsliebe" aus dem Jahr 1947 nicht mehr in die saarländische Öffentlichkeit getragen worden war.
3.3 Eine Radiopredigt
- Intra- und intermediale
Protest-Inszenierung
Die Programmfahne z u m 25. September 1955 wies für 10 U h r mehrere Sendeszenarien aus: Vorgesehen war zunächst, dass anstelle des sonst direkt übertragenen Sonntagsgottesdienstes eine Einspielung vom Band erfolgen sollte. Der Vermerk wurde gestrichen und eine Übertragung eingerichtet. Die U n mittelbarkeit des Mediums H ö r f u n k verfehlte nicht ihren Uberraschungseffekt. 2 5 „Volk ist eine Idee Gottes..." - mit dieser sonntäglichen Radio-Predigt knapp einen Monat vor dem Referendum über das europäische Statut f ü r das Saarland schrieb sich Peter Jung tief in das politische Gedächtnis einer Saarbevölkerung ein, die seit zehn Jahren einen politischen und wirtschaftlichen Sonderweg außerhalb Deutschlands beschritt. Ausgehend von der Epistel des Tages über die „Einheit des Geistes", entwickelte er in drei Schritten die Einheit der Person, die Einheit des Volkes und schließlich die Einheit der Kirche, mit der er auch die Protestanten in die Pflicht zu deren Wiederherstellung einbezog. 2 6
25
Sammlung P r o g r a m m f a h n e n , P r o g r a m m f ü r die Zeit vom 25.9. bis 1.10.1955, 40. Woche, R u n d f u n k a r c h i v des Saarländischen R u n d f u n k s , Saarbrücken. 26 Saarländischer R u n d f u n k , Hg., T o n d o k u m e n t e z u r Zeitgeschichte. Reihe I, Bd. 2, 1954-1955, Saarbrücken 1984, S.95: Die Einheit des Geistes in Person, Volk und Kirche - Predigt des Studentenpfarrers Dr. J u n g z u m 400. Jahrestag des Augsburger Religionsfriedens. 25.9.1955 A u f n a h m e d a t u m und Sendedatum. Sendeort St. Ingbert, St. Josefskirche. Sowie A b d r u c k in: N e u e s t e N a c h richten, 26.9.1955 N r . 53, Titelseite.
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An einem Sendeplatz, der üblicherweise vom St. Ingberter Stadtdechanten Lauer betreut wurde, verkündigte Jung in der heißen Phase des Abstimmungskampfes: „Das Anliegen unserer Generation kann es nur sein, dass wir als Volk zueinander finden, dass die Grenzen, diese gemachten, die konstruierten, fallen und dass die Pseudo-Staaten, die hinter diesen G r e n z e n im O s t e n und im Westen aufgerichtet wurden, ohne Z u s t i m m u n g und ohne Freiheit des Volkes, dass diese Staaten fallen und dass das D e u t s c h e Volk wieder zu seiner Einheit zurückfindet. N i c h t aus materialistischen Überlegungen, sondern gerade aus religiösen, aus theologischen, aus übernatürlichen G r ü n d e n h e r a u s . " 2 7
Die Reaktionen überstürzten sich und enthüllten die Vielschichtigkeit kirchlicher und saarländischer Medienpolitik zwischen Eingreifen und Zurückhaltung während der dreimonatigen vorreferendären Spanne. 28 Der Trierer Bischof, oberster Dienstherr des Studentenpfarrers, zeigte sich erbost und der Generalvikar bestellte Jung ein, wie es käme, dass er eine Predigt in dem Teil des Saarlandes halte, der zum Speyerer Diözesanbezirk gehöre. Damit hatte der Pfarrer nicht nur die zwischen Trier und Speyer vereinbarte Aufteilung der Aufgabenbereiche beim Rundfunk überschritten. Überdies hatten die für das Saarland zuständigen Bischöfe ihrem Saarklerus Schweigen in der politischen Frage auferlegt: Seelsorge habe Vorrang. Es sollte anders sein als 1935. Wiewohl von Statutbefürwortern und Statutgegnern vielfach aufgefordert, enthielten sich Matthias Wehr, in der Nachfolge von Bornewasser von 1951 bis 1966 Bischof von Trier, und sein Amtsbruder Isidor Markus Emanuel, nach der Berufung seines Vorgängers Josef Wendel ins Münchener Erzbistum zwischenl952 und 1968 Bischof von Speyer, selbst einer amtskirchlichen Verlautbarung. Denn zum einen war jegliche Einmischung von außen von vornherein als Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung der Saarwähler untersagt, zum anderen auch das politische Feld längst bestellt: Mit Beginn des Abstimmungskampfes war die Christlich-Demokratische Union Saar (CDU-Saar) erstmals seit ihrer Gründung 1952 als zweite christliche Partei zugelassen und bot somit denjenigen Saarkatholiken eine parteipolitische Heimat, die ,Nein' sagten zum Europäisierungsprojekt. Das Parteiorgan der saarländischen Christdemokraten, „Neueste Nachrichten. Die deutsche Heimat-Zeitung der Saar", brachte die Predigt in ihrem Wortlaut bereits in der Montagsausgabe. Und der Bonner Generalanzeiger etwa titelte: „Der Klerus greift in den Saarkampf ein", der Studentenpfarrer habe „offen zu einem Nein aufgefordert". Ebd. Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, St. Augustin (ACDP): Nachlass Dr. Peter Jung (Studentenpfarrer und Rundfunkpfarrer/Bistum Trier, 19541962), I - 608, 7: Zeitungsausschnittsammlung, im Folgenden zitiert.
27
28
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Saarländischer Rundfunk Saarbrücken 3, Marltn-Luther-Slraße 12, Telephon 29766-09 Mittelwelle 311.12 Meier, 1421 kHz (20 KW) lOtrakurzweilc 96,0 MHz (230 Wolt) '
M - Musik UM Unteihaltaagsaacik 0 - Unterhaltung - Wort G - Gemischte Unterhaltung D - Dialekiseedang V - Heimat und Brauchtum, Cbor- und Volksmusik H » Hörspiel F — Fraueefnnk J — Schul-, Jugend- und Kinderfunk VW - Verschiedene Wortsendongen L Literarische Sendungen Ζ - Zeitfunk R - Reklame Rp —' Patronierte Sendungen
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PROGRAMM für die Zeit vom 25. Sepi. bis 1. Okl. 1955 40. Wocbe
Sonniag, den 25. September 1955 MITTEL
Erzäblim( am Sonntag:
W E L L E N - P R O G R A M M
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14.JM} Musikalisches Intermesso Louis Auberf: Klavierfantasie „Sor le rivage" (Marcelle de Maro) — Gabriel Fauré: Nocturne Hs-nx>ll fierro Ändert, Kavier) — Gabriel Faurt: Scchste Barcarole (Marcelle d* Maro. Klavier) CM) »
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Kinderetande: »Das Glockenspiel von P> Ein Mirchenspfel von Annemarie»jjÄb erlUg \ " / ' nario^AberliiA Musik: Joachim Faber γίφ s t¿ Spielleitung: Jörg Frenx ^S J^f W8
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. ¡TM^trähken«ert Es spielt da» Klehw Unterhaltung» Orchester des Saarlindischen η Leitung von Erich Weber d Hmmemann, Sopran - Heinz Maria Uns, Berilo® iWMl Β
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Ausföhrende: Oes Blasorchester de« Saarländischen Rundlunks unter Leitung ron Heibert Schmidt - Das Miadolraeu-Orchester Wiesbaden unter Leiteng von E«cb Bergmann (UM) Β
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NACHRICHTEN Wetterbericht - SPORTERGEBNISSE
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Der vom Vatikan entsandte Apostolische Visitator für das Saarland, der seit 1948 als neutraler Beobachter und „einigender Ring" wirken sollte, verwahrte sich in einer öffentlichen Verlautbarung im Rundfunk gegen einen „Mißbrauch von Religion für wahlpolitische Zwecke". Die europäische Überwachungskommission, die von der W E U als künftigem Dach einer europäisierten Saar eingesetzt worden war, um die Einhaltung der Spielregeln im Abstimmungskampf zu gewährleisten, rügte den Rundfunk wegen Verletzung seiner Neutralitätspflicht in der referendären Entscheidungslage. Laut eines Artikels der Saarländischen Volkszeitung hatte die Europa-Union den Fall dem Belgier Fernand Dehousse vorgetragen, nicht der Rundfunkchef und nicht der Regierungschef. Generaldirektor Hermann Mathias Görgen enthob Jung seiner Funktion: Trotz des breiten Hörerzuspruchs für seine Morgenandachten und trotz des politischen Protestes in der Presse der sog. ,pro-deutschen' Heimatbundparteien. Das sei nicht die Saar, das sei Brasilien, spottete etwa die Demokratische Partei des Saarlandes (DPS) über den „neutralen Lügensender". Der von Hoffmann aus Südamerika zurückberufene Freund aus der Emigrationszeit folgte 1954 erstmals als Deutscher alleinverantwortlich auf den bisher von dem Franzosen Frédéric Billmann besetzten Posten. Görgen, der die Saarautonomie befürwortete, hatte die Sendereihe „Das ist die Saar" ins Leben gerufen, die während der Referendumskampagne weiterlief, und täglich auf 20 Uhr das „Saarstatut" angesetzt. Gegenüber der WEU-Kommission vertrat Rechtsanwalt Helmut Bergweiler, Mitglied der CDU-Saar und enger Vertrauter des Parteivorsitzenden Hubert Ney, die Angelegenheit des Studentenseelsorgers und klagte gegen die berufliche Benachteiligung als Rundfunkpfarrer im Saarland. Die Stoßrichtung gegen die Hoffmann-Regierung und die Bekundung des politischen Misstrauens war offensichtlich: Berufliche Teilhabe am Mediensystem wie am politischen System stand unter dem Vorbehalt der Verfassungspräambel und nun des künftigen Saarstatuts. Als Ersatz für den jungen Akademiker, der nach Kriegsteilnahme und Gefangenschaft in Bonn, Paris und Rom studiert hatte, kam ein älterer Dorfpfarrer zur Morgenandacht, die von der christdemokratischen Oppositionszeitung Neueste Nachrichten genau verfolgt wurde: „Normalerweise lobe man Gott zu Erntedank, doch der Pfarrer habe Hoffmann gelobt." 2 9 Jungs Übernahme des Sendeplatzes war nicht von ungefähr gekommen, die Predigt hatte den Charakter einer Gegendarstellung. Ihm lag ein mehrseitiges CVP-Rednerinformationspapier vor, das der Rundfunkdirektor zur Klärung zentraler Begrifflichkeiten der Saarpolitik verfasst hatte: „Vaterland, 29
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Treue, Volk, Nation". 3 0 Moralische Stütze fand er in der Deutschen Bischofskonferenz, die bei ihrer Sitzung im August die .Einheit des Volkes' in ihre Fürbitten aufgenommen hatte, mit Blick auf die anstehenden großen internationalen Verhandlungen Ende Oktober in Genf. Diese Ebene galt es vorab auf die Saarfrage als Vorreiter und Wille zu einer großen Wiedervereinigung herunter zu brechen. Damit verkehrte sich der moralische Impetus des europäischen Lösungsansatzes. Das ,Nein' sei eigentlich ein J a ' zu einem geordneten, friedlicheren Europa. Über die Spannungen in der Rundfunkarbeit zwischen Seelsorgetätigkeit und Verkündigungsfreiheit, zwischen kirchlicher Richtungsweisung und politischem Selbstbestimmungsrecht, zwischen Informationspflicht und Parteienpropaganda, die sich nicht eindeutig auflösen ließen, beschleunigte die Rundfunk-Predigt Jungs nun in der Endphase des Abstimmungskampfes die Polarisierung in Ja-Sager' und ,Nein-Sager' gerade zwischen den beiden christlichen Parteien. Zumal Jung in seiner Auslegung über den kulturpolitisch gefassten Vaterlandsbegriff Bischof Bornewassers als Gegenentwurf zur Saarstaatsbildung hinausging und ihn staatspolitisch konkretisierte. 1955 bot sich in der westlich integrierten Bundesrepublik eine andere Alternative an als 1947 im viergeteilten Besatzungs- und als 1935 in Hitlerdeutschland. Der Tabubruch, vor dem Hintergrund der Volksbefragung über eine Europäisierung der Saar theologisch eine Gottespflicht zur Einheit des Volkes herzuleiten, löste einen medialen Hype aus, ließ die Dämme in der ohnehin stark emotionalisierten Auseinandersetzung brechen: Ein .medialer Erregungszustand', der, ausgelöst am Rundfunk, dort aber ausgebremst, nun die Printmedien aller Art erfasste und fieberkurvenartig einen .nationalen' Bekenntnissturm erzeugte. Jenseits der nationalen Formel der liberalen DPS unter Heinrich Schneider „Deutsch ist die Saar, immerdar" konnten die Saarchristen auf eine „gottgegebene Volksidee" verweisen, die ebenfalls Ewigkeit verhieß und der politischen Autonomiepraxis Grenzen aufzeigte. Eine Flut von Hörerbriefen, privat gedacht oder zum Abdruck weitergeleitet an die jeweiligen Parteiorgane, brachte dem Hochschulseelsorger sehr nahe, wie tief der Streit um den rechten Weg der Saar zwischen Frankreich und Deutschland die Bevölkerung spaltete: Statutbefürworter bezichtigten die Statutgegner mit Blick auf die Saarabstimmung von 1935, „Nationalisten" und „unverbesserliche Preußen" zu sein, und Pro-Deutsche beschimpften die Autonomisten von 1945 als „französische Marionetten", „Separatisten" oder „Vaterlandsverräter". Das Referendum von 1955 rüttelte an 30
CVP-Rednermaterial, nur zur I n f o r m a t i o n : T h e m a Vaterland, Treue, Volk, N a t i o n , A u s f ü h rungen von Prof. H e r m a n n Mathias G ö r g e n anlässlich der R e d n e r k o n f e r e n z v o m 25.8.1955, 3 S., A C D P , I - 608, 7.
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der politischen Wirkmächtigkeit der beiden zentralen Daten der jüngsten Saargeschichte.
4. Z u r Medialität der ,Gewissensfrage' v o m 23. O k t o b e r 1955 Neben dem Sturm auf die neuen Zeitungen, hervorgerufen durch die Zulassung der so genannten ,Heimatbundparteien' und Lizenzierung der jeweiligen Parteiorgane, waren es nun vor allem die ,alten' Medien, die eine Renaissance als Protestmedium erlebten. Berechnungen zufolge bezogen die saarländischen Haushalte während der Abstimmungskampagne zumindest zwei Zeitungen. 31 Zusätzlich erreichten sie nun Flugblätter in hoher Auflage, die kostenlos verteilt, von Hand zu Hand weitergereicht werden sollten. Eine effiziente Strategie, in einem kleinen Land, in dem jeder jeden kennt. Die Wirkung war enorm: Einmaligkeit und Exklusivität der Meldung ebenso wie deren Umgehungschancen offizieller Kontrollmechanismen schwangen mit. Appelliert wurde an ein gemeinschaftliches Selbstverständnis, das die Saarfrage als Gewissensfrage beantwortete und nicht als Ermessen des Einzelnen, wie es die regierende CVP vorsah. „Pfarrer rufen zum Nein auf." 3 2 Unter diesem Titel erschien am 22. Oktober 1955 ein Flugblatt zur Ablehnung des Saar-Statuts, das 34 evangelische Pfarrer unterzeichnet hatten. Erstmals traten sie damit an die Öffentlichkeit. Am letzten Tag vor dem Referendumssonntag in Umlauf gebracht, erhielt es den Charakter einer vorab veröffentlichten Predigt. Gleichzeitig wurde es auch in der Presse abgedruckt. Dass die Kirchenleitung jedwede Stellungnahme abgelehnt habe, erklärte noch am gleichen Tag im Rundfunk der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Heinrich Held. Auch Kirchenrat Wehr zählte nicht zu den Unterzeichnern des Aufrufs und dokumentierte so, dass es sich um die persönliche Meinung Einzelner handele und die Fronten von Statutbefürwortern und -gegnern quer durch den Klerus verlieDietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer Kontrolle", München 1969, S.213. 3 2 Text des Flugblattes abgedruckt unter Nr. 85, in: Rainer Hudemann/Armin Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann und Marcus Hahn, Hg., Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Mit einer C D - R o m zum Abstimmungskampf 1955 von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007, S.525Í. Zum Hintergrund: Klaus Altmeyer, „Saardiözese" und „Evangelische Landeskirche des Saarlandes". Die Bemühungen um eine eigenständige Kirchenorganisation im Saarland nach den beiden Weltkriegen, in: Kirchenkreise, Evangelische Kirche an der Saar, S. 261-278, hier S.274; Robert H . Schmidt, Saarpolitik 1945-1957, 3 Bde., Berlin 1959-1962, hier Bd.3: Entfaltung der Saarpolitik vom Scheitern der E V G bis zur Wiedervereinigung, S. 312f. zum Flugblatt und S. 327 zu Held. 31
Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten
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fen. Als Gebet eingeleitet, brachten die Pfarrer vor, dass es ihnen nicht um ein Eintreten gegen Frankreich ginge, zentral sei vielmehr, die Saarfrage als Teil der deutschen Frage zu lösen mit dem Ziel eines wirklich friedlichen „Europa, das uns auch mit dem französischen Volk eint." Theologischer Ausgangspunkt der politischen Überlegung zur Volkszugehörigkeit sei, dass es „keine Freiheit" gebe, „Gottes Wahl von uns aus willkürlich aufzuheben oder zu gefährden und am 23. O k tober 1955 die Gemeinschaft mit unserem Volke zu verleugnen, die Wiederherstellung unseres Volkes und damit den Frieden zu gefährden oder die Wiederherstellung der vollen Lebens- und Schicksalsgemeinschaft der Menschen an der Saar mit unserem Volke auf eine ungewisse Zukunft zu vertagen." 33
Und im Format eines Gebetszettels für das kirchliche Gesangbuch wurde der Hirtenbrief Bornewassers über die „Vaterlandsliebe" von 1947 tausendfach reproduziert und als „Vermächtnis des toten Bischofs" kurzerhand unter die Saarkatholiken gebracht. Die kirchlichen Strukturen dienten dabei als Verteilernetz, die Pfarreien waren ihr eigenes Medium. Auch Bischof Michael Felix Korums Äußerungen zur Saarfrage von 1920 wurden neu aufgelegt und damit eine durchgängig einheitliche Linie der Trierer Oberhirten über die unterschiedlichen Zeitläufe hinweg aufgebaut, die die Saarkatholiken sich getrost zu Eigen machen sollten. 34 In beiden Fällen zeichnete die CDU-Saar als Herausgeber verantwortlich und meldete in doppeltem Sinne politischen Vertretungsanspruch an, sowohl interkonfessionell als auch kirchlich. Zum einen stellte sie sich als die alleinige christliche Saarpartei dar, die den Unionsgedanken umsetzte, und zum anderen als die eigentliche Sachwalterin diözesaner Interessen, indem sie das politische Gedächtnis der Saarkatholiken auffrischte mit bischöflichen Treueversprechen aus schicksalsschweren Zeiten.
5. ,Kleine W i e d e r v e r e i n i g u n g im W e s t e n ' - D i s s e n s m a n a g e m e n t Am Sonntag, dem 23. Oktober 1955, stimmten bei einer äußerst hohen Wahlbeteiligung 67,8 Prozent gegen ein europäisches Saarstatut. Frankreich respektierte sofort den Mehrheitswillen der Saarländer und handelte in der Folgezeit in den Luxemburger Verträgen mit der Bundesrepublik eine neue politische Demarche für die Saar aus, die sich nun als gangbar erwies. „Vox populi, vox dei": Letztlich seien die Saarwähler der Souverän, adressierte der CDU-Parteichef Hubert N e y an die CVP-Regierung unter Johannes H o f f 33 34
Flugblatt, ebd. Altmeyer, Saardiözese, S. 273 f.
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mann, der noch in der Wahlnacht zurücktrat. In seinem Weihnachtsbrief an den Papst legte Bischof Wehr, vom Vatikan auf der Höhe der Auseinandersetzung zwischen Trier und dem französischen Saargouverneur zum Koadjutor Erzbischof Bornewassers mit Nachfolgerecht bestellt, großen Wert auf die Feststellung, dass während seiner Amtszeit ein gutes Verhältnis zu den Franzosen bestanden habe. Gleichzeitig wies er auf den Sieg der CDU-Saar hin, jener Partei, die Treue zum Bistum bekundet hatte, - zwei gute Gründe für den Erhalt der Bistumseinheit. 35 Die Kirchen begleiteten den Weg in die bundesrepublikanische Normalität, der in zwei Etappen, zunächst 1957 politisch, dann 1959 wirtschaftlich erfolgte. Die großen Gottesdienste und Feierlichkeiten übertrug das Fernsehen. Die wieder gefundene Einheit sollte bereits der Bistumstag 1956 in Saarbrücken, auf öffentlichen Plätzen zelebriert, signalisieren ebenso wie die Arbeitstagung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, die auf dem Campus der Universität stattfand. Im September 1957 verabschiedete sich der Apostolische Visitator unbemerkt von der Saar. Diözesane Öffentlichkeitsarbeit und Dissensmanagement im Saarkatholizismus hatten Priorität für die Kirchenführung und warfen ihre Schatten bei der unmittelbar bevorstehenden Neuorganisation der Medienlandschaft voraus. Denn die CVP blieb auch bei den Landtagswahlen vom Dezember 1955 noch zweitstärkste Partei. Das Ende der Saar-Autonomie im kirchlichen Medienbereich kam schnell: Paulinus und Pilger erschienen in Folge des Ausgangs des Referendums wieder als reine Bistumsausgaben aus den jeweiligen Diözesandruckereien. Der Sonntagsgruß als Zeitung für den saarländischen Teil der rheinischen Landeskirche wurde nur im Untertitel umbenannt und zeigte das neue Raumverständnis. Bis 2006 konnte sich das evangelische Wochenblatt regional eigenständig halten. Und der katholischen Parteienpresse setzte Trier ebenfalls ein rasches Ende, indem der Paulinus-Verlag noch 1958 Verlag- und Druckhaus der Saarländischen Volkszeitung aufkaufte und die „Saarländische Landeszeitung" als katholische Tageszeitung einführte - vergleichbar der „Trierischen Landeszeitung", aber vor allem als Reminiszenz an das Vorgängermodell, die Saarbrücker Landes-Zeitung. Die wiedererlangte Kontrolle in den Printmedien, die Re-Integration in die überregionalen katholischen Presse- und Verlagsstrukturen, aber auch den Willen zur Einheit ließ Trier sich viel kos-
Weihnachtsbrief Bischof Wehrs an seine Heiligkeit Papst Pius XII., 21.12.1955, BATr, Abt. 108,2 (Nachlass Bischof Matthias Wehr), Nr. 1.
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Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten
NNTACSC E R È w f c É L I S C H E N KIRCHE IMRHEINLAND FÜR DAS SAARCEBIET J a h r g a n g 1958
N e u j a h r 1958
Abb. 3a:
Titelkopf
des Sonntagsgruss
(Neujahr
1958 Nr. I)
Saar-Ausgabe
TRIERER
Abb. 3b:
Titelkopf
der Saarausgabe
des Paulinus
BISTUAASBLÄTT
( ¡.Januar
1956 Nr. 1)
ten. 1972 m u s s t e die Z e i t u n g eingestellt w e r d e n . 3 6 Die Saarbrücker Z e i t u n g ü b e r n a h m schließlich die Trierische L a n d e s z e i t u n g , d a m i t endete die Ära katholischer Tagespresse in der Diözese. Die überregionale Zeitungsverlagsv e r f l e c h t u n g w u r d e n u n v o n der Saar aus initiiert. T r o t z der vielfältigen kirchlichen B e f r i e d u n g s m a ß n a h m e n verlief die E i n i g u n g im christlichen Lager allerdings nicht reibungslos, die beiden P a r t e i f o r m a t i o n e n f a n d e n e n d -
v> D a z u die „ K u r z c h r o n i k des U n t e r n e h m e n s " von Peter N e u m a n n . E i n l e i t u n g z u m l i n d b u c h des F i r m e n a r c h i v s der S a a r b r ü c k e r D r u c k e r e i u n d Verlag im Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken ( L A SB), D VII Bestand SDV.
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gültig erst 1965 zueinander, als es galt, landespolitisch mehrheitsfähig zu bleiben. Wie stark die Bedeutung der Kirchen für den politischen Umbruch gewertet wurde, mag ein zweites Schlaglicht auf die Medienlandschaft erhellen. Dem Generaldirektor des Rundfunks, Professor Görgen, war unmittelbar nach dem Referendum vom kommissarischen Verwaltungsrat fristlos gekündigt worden. 37 Der latente Konflikt um das Recht auf freie Meinungsäußerung kumulierte im Fall Jung am Saarländischen Rundfunk. Die Legitimitätskrise des Saarstaates brach sich im öffentlich-rechtlichen Medium Bahn, weil ein politischer Grundkonsens über den Weg der Saar von den Saarländern nie in einem demokratischen Entscheidungsakt getroffen worden war. Das späte Plebiszit 1955 beinhaltete auch eine Generalabrechnung mit der Hoffmann-Regierung. Die Verlierer von 1945 waren die Sieger der politischen Wendezeit, ein schwieriges Feld, denn die Kirchen fühlten sich ja 1945 als moralische „Siegerin in Trümmern". Mangels einer alternativen politischen Referenz, denn der deutsche Bundeskanzler und sein französischer Amtskollege waren die Unterzeichner des europäischen Saarabkommens, gingen stattdessen die Predigtworte buchstabengetreu in die Bestandsaufnahme des neuen Programmdirektors Alexander Schum ein. 38 Der Studentenseelsorger sah sich rasch rehabilitiert' und saß nicht nur wieder zu den Morgenandachten am Mikrophon, sondern wurde zum Medienbeauftragten der Diözese Trier ernannt und 1960 zum Vorsitzenden des nun von Vertretern gesellschaftlicher Gruppen konstituierten Rundfunkrates gewählt. Als Stellvertreter amtierte der evangelische Kirchenrat Wehr. Jung war damit der erste katholische Priester in dieser Funktion in der Bundesrepublik. 39
Vgl. zu den Konflikten um Meinungsfreiheit und Berufsverbot: Zeitzeugen- und Diskussionsbeiträge im Rahmen der wissenschaftlichen Tagung im Saarländischen Landtag 1990, in: Rainer Hudemann/Raymond Poidevin unter Mitarbeit von Annette Maas, Hg., Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte/La Sarre 1945-1955. U n problème de l'histoire européenne, 2. Aufl., München 1995, S.297f., 332. 3 8 Die Bestandsaufnahme des neuen Programmdirektors, Alexander Schum, Der Saarländische Rundfunk, in: Klaus Altmeyer u. a., Hg., Das Saarland. Ein Beitrag zur Entwicklung des jüngsten Bundeslandes in Politik, Kultur und Wirtschaft, Saarbrücken 1958, S. 286-294, 293 f. 39 Zeitungsausschnitt aus Saarbrücker Zeitung v o m 3 . 2 . 1 9 6 0 : „Dr. Jung Vorsitzender des Rundfunkrates", Rundfunkarchiv des Saarländischen Rundfunks, Saarbrücken, Ordner Aufsichtsrat 1955 und folgende Jahre. 37
Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten
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6. Zusammenfassung - Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten und europäische Bewusstseinsbildung Mehr noch als Meinung bildend war kirchliche Verkündigung Meinung abbildend: Portal für Identitätszuschreibungen und Spiegel von politischem Selbstverständnis der Saarbevölkerung während der Autonomiezeit, selbst dann noch, als parteipolitische Alternativen gegeben waren. Die Kirchen bildeten ein F o r u m für Gegenöffentlichkeit, in dem , Andersdenkende' eine politische Heimat fanden. Wie brisant die doppelte Frontstellung des „deutschen Patrioten und katholischen Kleriker[s]" gegen Frankreich war und wie wenig dies unter den Nachkriegsverhältnissen an der Saar vergangenheitspolitisch aufgearbeitet werden konnte, das offenbarte ein französischer Zeitungsartikel, der Bischof Bornewasser einen „100-prozentigen N a z i " nannte. Grandval musste sich für diese Entgleisungen einer Journalistin aus dem Pressecorps beim betagten Erzbischof entschuldigen. 4 0 Die Kirchenführungen als früheste Opponenten gegen jedwede Saarabtrennung fürchteten, durch einseitige politische und publizistische Verwertbarkeit Schaden zu nehmen an ihrer Autorität und Glaubwürdigkeit: Nicht zuletzt wegen der Präsenz einer ausländischen Presseöffentlichkeit, die dem Ausgang des Referendums - wie schon 1935 - europäische Beispielhaftigkeit beimessen wollte. Ein langer Prozess kirchlicher Medienpolitik, der zwischen Partizipation, Kontrolle und Selbstkontrolle, zwischen diözesanen, transnationalen und nationalen Interessen zweierlei widerspiegelte: die große Verunsicherung eines Grenzlandes nach zwei Sonderregimen, einen politisch dauerhaften Status zu erzielen, und die schwierigen Stationen des deutschen und französischen und europäischen Saarexperimentes, dorthin zu gelangen. Welch ,heißes Eisen' die Verbindung von Kirchen und Medien war, trat im ganzen Nachkriegsjahrzehnt offen zutage. Stets galt es die verfügbaren Kommunikationsmittel und -strukturen wie die vermittelten Botschaften zwischen den deutschen Kirchen einerseits und französischer Besatzungsmacht und Saarregierung andererseits auszuhandeln. Die Kirchen bildeten höchst meinungsmächtige Instanzen in der deutsch-französischen Öffentlichkeit. Sie schufen ein Bewusstsein dafür, was .Europa' an der Saar auch bedeutet, nämlich gleichwertige Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland, Austauschmöglichkeiten, Mobilität über Grenzen und das Aushalten eines pluralen Meinungsspektrums. Freilich musste diese Position in der Polarisierung des Abstimmungskampfes zwangsläufig als .national' verortet empfunden werden. Es ging um nichts weniger als den Grundkonsens und die Legitimität eines europäischen Integrationsmodells, das aus ei40
L u c i e n B o d a r d , L a F r a n c e sur le Rhin, in: F r a n c e Illustration, 1 0 . 1 . 1 9 4 8 N r . 119, O.S.
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ner besonderen Besatzungssituation hervorgegangen war und nun als kühne Idee in eine neue europäische Konstruktion, die W E U , eingehen sollte. Dass auf zahlreichen weiteren institutionellen wie informellen Kommunikationsebenen die Inhalte und Methoden der medialen Auseinandersetzung diskutiert wurden, steht für die große Bereitschaft aller Beteiligten, es nicht zu einem Bruch k o m m e n zu lassen. Ziel blieb, zu einer einvernehmlichen, europäischen Werten verpflichteten Lösung der Saarfrage zu finden, erst recht nach dem ,Nein' im europäischen Referendum. Das war das N e u e im Westen. 4 1
7. Q u e l l e n v e r z e i c h n i s Bistumsarchiv Trier (BATr): Nachlass Bischof Franz Rudolf Bornewasser, Abt. 105 Nachlass Bischof Matthias Wehr, Abt. 108 Nachlass Dr. Alois Funk (Redakteur des Paulinus), Abt. 105 Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung (ACDP), St. Augustin: Nachlass Dr. Peter Jung (Studentenpfarrer und Rundfunkpfarrer/Bistum Trier, 19541962), 1 - 6 0 8 Bistumsarchiv Speyer (BASp): Bischöfliches Archiv, Nachlass Bischof Josef Wendel Bischöfliches Ordinariat, Nachlass Geistlicher Rat Nikolaus Lauer (Schriftleiter des Pilger, 1927-1965) Bischöfliches Ordinariat, Bestand Pilger Pfarrarchive, St. Ingbert/St. Josef (Geistlicher Rat Gustav Lauer/Rundfunkbeauftragter der Diözese Speyer) Pfarrarchive, Bischöfliches Dekanat St. Ingbert Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Außenstelle Boppard (AEKR/B): 6 HA, Handakten Kirchenrat Otto Wehr (Bevollmächtigter im Saarland/Lizenzträger des Sonntagsgruß/Rundfunkbeauftragter der evangelischen Kirche) Bestand Sonntagsgruß Rundfunkarchiv des Saarländischen Rundfunks, Saarbrücken: Sammlung Programmhefte Sammlung Programmfahnen Ordner Verwaltungsrat Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken (LA SB), Saarbrücken: Firmenarchiv der Saarbrücker Druckerei und Verlag, D VII Bestand SDV Z u r wachsenden Bedeutung transnationaler Interaktionen auch als Sozialisationsfeld: Rainer Hudemann, Interkulturelle Felder unter Besatzungsbedingungen? Zu französisch-deutschen K o m m u n i k a t i o n s - und Konzeptionsstrukturen nach 1918 und 1945, in: Patricia O s t e r / H a n s - J ü r gen Lüsebrink, Hg., A m Wendepunkt. Deutschland und Frankreich um 1945 - zur D y n a m i k eines „transnationalen" kulturellen Feldes, Bielefeld 2008, S. 169-188, hier S. 178-180.
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Privatarchiv Gilbert Grandval, Paris/St. C l o u d (PA Grandval), 4 Archives du Ministère des affaires étrangères ( M A E ) , Paris: E U 1944-1960, Sarre, 31 (Diese Bestände sind auf Mikrofilm einsehbar am Historischen Institut der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl Rainer H u d e m a n n )
8. Ausgewählte Forschungsliteratur Dietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 9 . Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer K o n t r o l l e " , M ü n c h e n 1969 Michael E m b a c h , Entwicklungen der Literatur und sonstiger Massenmedien 18811981, in: Bernhard Schneider/Martin Persch, Hg., Beharrung und Erneuerung 1 8 8 1 - 1 9 8 1 . Geschichte des Bistums Trier, B d . 5 , Trier 2004, S . 5 6 4 - 5 8 8 Rainer Hudemann, Interkulturelle Felder unter Besatzungsbedingungen? Zu französisch-deutschen K o m m u n i k a t i o n s - und Konzeptionsstrukturen nach 1918 und 1945, in: Patricia O s t e r / H a n s - J ü r g e n Liisebrink, Hg., A m Wendepunkt. D e u t s c h land und Frankreich um 1945 - zur D y n a m i k eines ,transnationalen' kulturellen Feldes, Bielefeld 2008, S. 169-188 Rainer H u d e m a n n / R a y m o n d Poidevin unter Mitarbeit von Annette Maas, Hg., D i e Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen G e s c h i c h t e / L a Sarre 1945-1955. U n problème de l'histoire européenne, 2. Aufl., München 1995 Judith Hüser, Saarkatholiken auf dem Sonderweg? Kirche und Konfession, N a t i o n und Europa im deutsch-französischen Grenzland ( 1 9 1 9 - 1 9 5 9 ) , in: Bernhard Schneider/Martin Persch, Hg., Beharrung und Erneuerung 1 8 8 1 - 1 9 8 1 . Geschichte des Bistums Trier, B d . 5 , Trier 2004, S . 6 7 1 - 6 9 7 Judith Hüser, Kirche, Konfession, Religiosität und saarländische Nachkriegspolitik: Zwischen „Klischee" und „Wandlung", in: Rainer H u d e m a n n / B u r k h a r d J e l l o n e k / Bernd Rauls, Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, St. Ingbert 1997, S. 2 2 5 - 2 3 8 H a n s - D i e t e r Osenberg, Kirche in Presse, Rundfunk und Fernsehen. Dreißig Jahre evangelische Publizistik an der Saar, in: Kirchenkreise Ottweiler, Saarbrücken und Völklingen der Evangelischen Kirche im Rheinland, Hg., Evangelische Kirche an der Saar gestern und heute, Saarbrücken 1975, S. 4 0 7 - 4 1 2 Michael Schmolke, D i e schlechte Presse. Katholiken und Publizistik zwischen „Katholik" und „Publik" 1821-1968, Münster 1971
Rundfunk und Fernsehen
Paul
Burgard
Die Saarlandmacher Der Aufbau des Saarländischen Rundfunks und die Autonomie des Landes 1946-1955
1. Fragen an den Autor Die Existenz des „Saarländischen R u n d f u n k s " (SR) und die Selbstständigkeit des Saarlandes stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. So jedenfalls lautete fast unisono das Urteil von Journalisten, Medienexperten und Politikern in den vergangenen Jahrzehnten. Auf der Suche nach den historischen Wurzeln für einen solchen Konnex wird man nirgendwo so gut fündig wie in der ersten Nachkriegsdekade. Denn in ihr wurde nicht nur „Radio Saarbrücken" (RS) als rechtlicher Vorgänger des Saarländischen Rundfunks gegründet, es war dies auch die Ära des teilautonomen Saarstaats, der für die Realisierung seiner politischen Visionen die mediale Unterstützung des Rundfunks einsetzte. Es liegt von daher nahe, die ersten zehn Jahre des saarländischen Nachkriegsradios als ein Kapitel saarländischer Autonomiepolitik zu begreifen. Es ist damit aber ebenso verständlich, dass diese Kinderjahre des Saarländischen Rundfunks der gleichen ambivalenten Beurteilung unterliegen wie der Saarstaat selbst. Die ersten Beschreibungen des Saarbrücker Nachkriegsradios standen noch ganz im Zeichen des kontroversen Abstimmungskampfes um das Saarstatut. So fiel das Resümee des SR-Mitarbeiters Albert Arthur Müller zum 10-jährigen Jubiläum von Radio Saarbrücken im März 1956 ziemlich kritisch aus. Bei der Beurteilung von Programm und Programm-Machern wurde freilich auch mehr als einmal die sachliche Präzision zugunsten der ironischen Pointe geopfert; nichtsdestotrotz wurden Müllers Erinnerungen über die Jahre hinweg immer wieder in Untersuchungen über die Frühzeit des SR herangezogen. 1 Die erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Kapitel saarländischer Rundfunkgeschichte brachte die Berliner Dissertation von Dietrich Berwanger, der mit seiner Arbeit über „Massenkommunikation und Politik im Saarland" einen „Beitrag zur Untersuchung
' A l b e r t A r t h u r Müller, 10 J a h r e R a d i o S a a r b r ü c k e n , in: S a a r b r ü c k e r A l l g e m e i n e 1 0 . 3 . 1 9 5 6 N r . 60, S . 3 .
Zeitung,
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Paul Burgard
.publizistischer Kontrolle'" leisten wollte. 2 Allerdings war der Rundfunk bei Berwanger neben Film und Presse nur ein Teilbereich der Analyse, die zudem sehr stark auf normativen Quellen beruhte, um die Bedingungen und Entwicklungen institutioneller Medienkontrolle im Saarland darzustellen. In der Folgezeit entstand eine ganze Reihe von Veröffentlichungen, die (auch) die Frühzeit des SR im Fokus hatten und entweder vom Sender selbst auf den Weg gebracht wurden oder auf Erinnerungen (ehemaliger) Mitarbeiter von Radio Saarbrücken fußten. 3 Sie brachten eine Fülle von allgemeinen und detaillierten Informationen über Personen, Programme und Technik im Nachkriegsjahrzehnt, ohne jedoch eine politische oder medienkritische Einschätzung der Rundfunkarbeit während der Saarstaatszeit zu präsentieren. Auffällig war jedoch, dass die SR-Broschüre zum 25-jährigen Jubiläum des Senders 1971 erschien und also die Aufbaujahre von Radio Saarbrücken bewusst in die Geschichte der saarländischen Rundfunkanstalt integriert blieben. Im Gegensatz dazu knüpft die jüngste, voluminöse und reich bebilderte Publikation zum Goldenen Jubiläum des Senders an das Gründungsdatum des SR als öffentlich-rechtliche Anstalt im Jahr 1956 an. 4 Zwar wird auch hier von Hans Bünte die Vorgeschichte des Reichssenders Saarbrücken und besonders die Ära von Radio Saarbrücken in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg rekapituliert. 5 Die Würdigung der technischen Aufbauleistungen und der programmatischen Fundamentierung kontrastiert jedoch stark mit der kritischen Distanzierung vom politischen RS-Journalismus jener Zeit, in dem vor allem das Produkt eines staatlich gelenkten, ausschließlich tendenziös im Sinne des Saarstaats arbeitenden .Propaganda'-Senders gesehen wird. Offenkundig steht die in den 1970er Jahren erfolgte Neubewertung der Frühzeit des SR im Zusammenhang mit der politikwissenschaftlichen Dissertation von Heribert Schwan, die 1974 unter dem Titel „Der Rundfunk als InsDietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer Kontrolle", München 1969. 3 Einige Beispiele: Saarländischer Rundfunk, Hg., Unser Sender an der Saar. 50 Jahre Rundfunk im Saarland, Saarbrücken 1985, S. 16; ders., Hg., Fünf Jahrzehnte Sendetechnik, Saarbrücken 1990, S. 17-20; Klaus Altmeyer, 25 Jahre Saarländischer Rundfunk. Die Entwicklung seit Wiederbeginn, Saarbrücken 1971; ders., Das Presse-Spektrum des Saarlandes im Jahre 1952. Eine medienstrukturell interessante Reminiszenz, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 50 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1947-1997, Saarbrücken 1997, S. 53-60. 4 Fritz Raff/Axel Buchholz, Hg., Geschichte und Geschichten des Senders an der Saar. 50 Jahre Saarländischer Rundfunk, Freiburg/Basel/Wien 2007. 5 Hans Bünte, 1935-1945: Der Reichssender Saarbrücken - „Sender der deutschen Einheit", in: Ebd., S. 29^12. Vgl. zum Reichssender Saarbrücken als Propagandainstrument der N S D A P auch: Dieter Muskalla, NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel. Gleichschaltung - Neuordnung Verwaltung, Saarbrücken 1995, S. 583-595. 2
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D i e Saarlandmacher
Abb.
1:
Das Schallarchiv
mit rund 10000
Schallplatten
und ebenso
vielen
weiteren
Tonträgern
trument der Politik im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 5 " erschien. 6 D a s B u c h hat das Bild v o m Aufbau des Saarländischen R u n d f u n k s nachhaltig geprägt. Als erste und bis heute einzige M o n o g r a p h i e über den Sender in seiner Frühzeit ist das W e r k i m m e r wieder aufgegriffen w o r d e n , selbst von solchen A u t o r e n , die nicht unbedingt die p o l i t i s c h - h i s t o r i s c h e n A n s i c h t e n des A u t o r s teilten. S c h w a n wurde zur Grundlage für die entsprechenden Kapitel in medienhistorischen H a n d b ü c h e r n , wurde exemplarisch bei der historischen Analyse von benachbarten Rundfunkanstalten herangezogen und gilt offenkundig, wie das jüngste Beispiel gezeigt hat, auch im S R selbst als kaum hinterfragte Basis, wenn es um die B e w e r t u n g der Anfangszeit des Saarbrücker Senders geht. W e m die G e s c h i c h t e des Saarländischen R u n d f u n k s nicht b e k a n n t ist, der wird in Schwans B u c h viele neue I n f o r m a t i o n e n erhalten, auch zu internen A b l ä u f e n und E n t s c h e i d u n g e n sowie z u m Profil der R a d i o m a c h e r , mithin also auch zu mannigfachen A s p e k t e n , die im damaligen Sendebetrieb nicht '' H e r i b e r t S c h w a n , D e r R u n d f u n k als I n s t r u m e n t der Politik im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , Berlin 1974. In dem sehr viel längeren ersten, j e d o c h den R a h m e n dieses Beitrages überschreitenden E n t w u r f erfolgte eine wesentlich ausführlichere A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit den m e t h o d i s c h und inhaltlich anfechtbaren U n t e r s u c h u n g e n von H e r i b e r t S c h w a n , die an anderer Stelle publiziert werden wird und hier lediglich exemplarisch z u s a m m e n g e f a s s t werden kann.
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nach außen gedrungen waren. Wem die saarländische Radiogeschichte neu und vielleicht auch die Landeshistorie jener Zeit nicht vertraut ist, der wird möglicherweise aber auch erstaunt sein über die Ergebnisse, die Schwan aus seinen Untersuchungen destilliert. Denn folgt man den Feststellungen dieses Bandes, dann war Radio Saarbrücken in seiner ersten Dekade eine Institution, die mit vergleichbaren bundesdeutschen Anstalten jener Zeit nicht viel gemein hatte: „Radio Saarbrücken war nicht nur eine staatsnahe, sondern eine wirklich staatliche Rundfunkeinrichtung ... Das heißt, Regierung, Regierungspartei und Verwaltung haben sich des Kommunikationsmittels Rundfunk bemächtigt und versichert mit dem Ziel, dieses Medium ausschließlich zur Fortsetzung ihrer eigenen Politik mit publizistischen Mitteln in Dienst zu nehmen." 7
Schwans Studie blieb nicht unwidersprochen und löste bald eine publizistische Kontroverse aus, die vom Halberg in die bundesrepublikanische Medienöffentlichkeit ausstrahlte. Unter anderen gehörte der Historiker Ernst Nolte zu den Kritikern. Dabei wurden Schwan vor allem fehlende Historisierung und Kontextualisierung sowie ein oft verkürzter Umgang mit den Quellen vorgeworfen, aus denen er zum Teil harsche Urteile über die saarländische Rundfunkpraxis ableite. 8 Wer die Arbeit von Schwan aufmerksam liest, stößt tatsächlich auf zahlreiche Ungereimtheiten. Sie offenbaren sich allerdings erst, wenn man den Anmerkungsapparat genau studiert und die vom Autor herangezogenen Quellen mit den aus ihnen abgeleiteten Deutungen vergleicht. Dabei fällt auf, dass viele Behauptungen unbelegt bleiben, andere mit höchst unzureichenden oder nicht überprüfbaren Provenienzangaben aufwarten („Schreiben vom 1.3.1951"; „Aktennotiz von Redakteur Gasper"; „Beispiele sind dem Verfasser aus den Akten bekannt"; „Mitteilungen in Gesprächen"), wiederum andere Belege unpräzise sind oder oft auch nur auf andere Stellen innerhalb der eigenen Studie verweisen. Die von Schwan in seinem Quellenverzeichnis aufgeführten 27 numerischen Bestände aus dem SR-Archiv erscheinen in den Fußnoten nicht ein einziges Mal, ebenso wenig werden die von ihm benutzten Quellen aus dem Landesarchiv kenntlich gemacht. Man könnte diese Belegpraxis vielleicht als fehlende wissenschaftliche Sorgfalt abtun, wenn sich mangelhafte Nachweise und/oder fehlende bzw. Ebd., S. 190. Vgl. unter anderem kritisch: Klaus Altmeyer, H ö r f u n k und Politik im Saarland der Nachkriegsjahre, in: Saarheimat 18, 1974, S. 2 5 6 - politisch war Altmeyer seinerzeit ein Gegner des Kurses der Regierung H o f f m a n n - , und die Dokumentation: Ernst N o l t e / H e r i b e r t Schwan/Klaus Altmeyer, N a c h w o r t e zu einer Kontroverse, in: Studienkreis Rundfunk und Geschichte. Mitteilungen Nr. 3, April 1975, S. 12-15; Nr. 4, Juli 1975, S. 16-20 (nach der Kopie im Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken [ L A S B ] , L A 356). 7 8
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zu kurze Zitate nicht ausgerechnet dort häufen würden, w o die Interpretationen des Autors im Sinne seiner Generalthesen besonders pointiert ausfallen. Aus Raumgründen können nur zwei Beispiele von vielen dies hier verdeutlichen. So schreibt Schwan über die Medienpolitik der saarländischen Regierung: „ D i e bisher dargestellten Teilaspekte der Kommunikationspolitik H o f f m a n n s zeigen, daß der Rundfunk als ein Instrument der Regierungspolitik im Saarland mißbraucht wurde. Höhepunkt dieses Mißbrauchs war der Beschluß der Regierung auf einer Kabinettssitzung vom 18.7.1953, ,mit sofortiger Wirkung die Saarländische Rundfunk G m b H dem Herrn Ministerpräsidenten des Saarlandes zu unterstellen, soweit das Saarland in Betracht kommt.' Damit hatte die Hoffmann-Regierung den letzten formellen Schritt getan, den Rundfunk unter staatliche Kontrolle zu bringen." 9
Obwohl das Zitat die Korrektheit von Schwans These unmittelbar zu dokumentieren scheint, wurde hier eindeutig eine falsche Fährte gelegt. Denn die verfügte unmittelbare Unterstellung des Rundfunks unter die Vollmacht des Ministerpräsidenten zielte keineswegs auf die Vollendung der staatlichen Kontrolle. Sie intendierte vielmehr eine Zentralisierung der bürokratischen Abläufe innerhalb der saarländischen Rundfunkpolitik, die notwendig geworden war, seit der Saarstaat 1952 Mehrheitsgesellschafter der Saarländischen Rundfunk G m b H geworden war und es - angesichts der zahlreichen Behörden, die potenziell mit dem Rundfunkgeschehen befasst waren - eine verbindliche Referenzstelle für saarländische Angelegenheiten geben musste. 10 Besonders drastisch fallen Schwans Deutungen über das letzte Kapitel der Teilautonomie-Zeit unter dem nur acht Monate amtierenden Generaldirektor Hermann Mathias Görgen aus: „Der Mißbrauch des Rundfunks unter seiner Leitung ist in der deutschen Nachkriegsgeschichte ohne Parallele - klammert man den Rundfunk in der D D R aus." Die nicht gerade geringe Hypothek, die Schwan Görgen damit auflastet, wird mit Hilfe einer einzigen Anmerkung legitimiert, in der der Autor auf sein Kapitel 12 verweist. Die einzig sinnvolle Verbindung, die von diesem Kapitel zum .Propagandisten' Görgen herzustellen ist, betrifft die Seiten über die Anfang 1955 unter Görgens Ägide entstandene Regierungssendung „ D a s ist die Saar". 1 1 Diese Drei-MinutenSendung soll „alle bisherige Propaganda des Senders" übertroffen haben. Allerdings hat Schwan im Folgenden nicht ein einziges Wort aus den noch immer vorhandenen 156 Sendemanuskripten jener „schlimmsten Propagandaminuten" in der Geschichte des SR zitiert. Das ist vielleicht kein Zufall. Schwan, Rundfunk, S. 65. Vgl. den Wortlaut des Ministerratsbeschlusses vom 18.6. [sie!] 1953, L A SB, S t K 3 1 2 1 . " Zitat über Görgen: Schwan, Rundfunk, S. 88 und Anm. 442; über „ D a s ist die Saar": Ebd., S. 149 und Anm. 700.
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Denn wie aus behördlich verfassten Kurzreferaten über „Fragen der Höheren und Mittelschulen im Saarland", „Welche Rolle spielt die Landwirtschaft an der Saar?", „Gibt es überhaupt einen Schutz vor der Atombombe?" oder gar „Besitzen die saarländischen Feuerwehren genügend Schläuche zum Löschen?" und „Wie wird im Saarland die Wildschweinplage bekämpft" eine scharfe antibundesrepublikanische Propagandawaffe geschmiedet worden sein soll, das wurde von Schwan nicht gezeigt. 12 Es ist nicht die einzige Frage an den Autor, die nach der Lektüre von Schwans Studie offen bleibt. Für die Eigenstaatlichkeit und für eine europäische Vision arbeitete der Rundfunk politisch und kulturell, dafür kämpfte er, manchmal mit propagandistisch verzerrten Tönen und fragwürdigen personellen Entscheidungen, vor allem aber mit unzähligen Informationen, innovativen Ideen und passfähigen Sendeformaten. Bevor man über den frühen SR das Verdikt eines gleichgeschalteten Staatsrundfunks verhängte, wäre es zudem sinnvoll gewesen, Theorie und Praxis in den öffentlich-rechtlichen Anstalten Deutschlands zu jener Zeit zu analysieren. Ob und wie sehr beim Nordwestdeutschen, Hessischen oder Bayerischen Rundfunk mit kritischer Distanz über die Kernprobleme der bundesrepublikanischen Politik oder der Landesregierungen berichtet wurde, oder inwiefern auch hier die Nähe zwischen Staatskanzlei und Funkhaus wirkte, das hätte instruktive Vergleichsmöglichkeiten eröffnet. Es waren die Jahre, in denen auch in München, Frankfurt oder Hamburg um das Verhältnis zwischen Staat und Rundfunk hart gekämpft wurde und das Radio zumindest von einer unabhängigen „vierten Macht" im Staat noch ein ganzes Stück entfernt war. Adenauers lang gehegter Wunsch eines Staatsfernsehens oder die Pläne zu einer staatseigenen Reorganisation des Rundfunkwesens nach dem Erreichen der bundesrepublikanischen Souveränität 1955 weisen in eine solche Richtung. 13 Wie nachhaltig seine oft tendenziösen Erörterungen gewirkt haben, das zeigt sich auch darin, dass viele der von ihm angeführten Behauptungen - durchaus auch in sich widersinnige wie die vom vermeintlichen Verbot der Benutzung des Wortes .deutsch' im deutsch-französischen Sprachunterricht bei Radio Saarbrücken - als Pars-pro-toto-Argumente für die Rundfunkarbeit vor 1955 bis zum heutigen Tag oft zitiert werden. Auch deswegen, um sich Klarheit über die tatsächlichen Verhältnisse im saarländischen Nachkriegsradio zu verschaffen, scheint es angebracht, zu den Anfängen von Radio Saarbrücken zurückzukehren.
12 Zitiert nach: Schwan, Rundfunk, S. 149; Sendemanuskripte von „ D a s ist die Saar", L A SB, Schneider-Becker-Archiv B X 7. 13 Vgl. zu den Novellierungsplänen: Anonymus, Der Rundfunk muß frei bleiben!, in: Süddeutsche Zeitung, 12.8.1955 o.Nr., O.S., sowie die Einführung in diesen Band von Rainer Hudemann.
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2. B e v o r S a a r b r ü c k e n spricht Am Anfang der Nachkriegsgeschichte von Radio Saarbrücken war ein Jahr Funkstille. Am 17. März 1945, vier Tage vor der Befreiung des Saarlandes durch die Amerikaner, wurde die Sendeanlage in Heusweiler zerstört, der nationalsozialistische Reichssender Saarbrücken schwieg damit für immer. Im Gegensatz zu anderen Regionen Deutschlands, wo die Ubergänge zwischen NS- und Besatzungsradio fließend waren, sollte es an der Saar genau ein Jahr dauern, bis sich wieder die Stimme von Radio Saarbrücken melden konnte. Bis dahin musste eine Menge Pionierarbeit geleistet werden, eine Arbeit, die sich in der Rückschau als Gemeinschaftsunternehmen präsentiert, gestaltet von einer Reihe Saarbrücker Rundfunk-Veteranen aus der Vorkriegszeit, französischen Militärs und Technikern der Radiodiffusion Française sowie den kommunalen Verwaltungsbehörden. Und auch die Post musste am Zustandekommen des neuen Betriebes mitwirken, war sie doch vor dem Krieg reichsweit die Herrin des Radios. 14 Die ersten feststellbaren Aktivitäten gingen möglicherweise auf eine Privatinitiative ehemaliger Radiomitarbeiter zurück. Im Vergleich zu den anderen Alliierten gilt die Rundfunkpolitik der Franzosen vielfach als relativ zurückhaltend und ,verspätet'. 15 Doch hatte der französische Regierungschef Charles de Gaulle schon am 16.Juni 1945 die Schaffung von „une station de radiodiffusion en territoire allemand occupé" angeordnet 16 , Ausdruck des hohen politischen Gewichts der Rundfunkpolitik. Im benachbarten „Südwestfunk" (SWF) lief die Aufbauarbeit seit Juli 1945 durch alte Radio-Techniker mit Wissen und Willen der Franzosen an. Dieser Kontext spricht dafür, dass auch in Saarbrücken offizielle Stellen früh den Neustart absegneten. Im
14 Zu den Anfängen: Schwan, R u n d f u n k , S. 38-45; Saarländischer R u n d f u n k , U n s e r Sender, S. 16; ders., Fünf Jahrzehnte, S. 17-20; Altmeyer, Presse-Spektrum, S. 53-60; H a n s Bünte, 1945-1955: Radio Saarbrücken - „ein französischer Sender in deutscher Sprache", in: R a f f / B u c h h o l z , Geschichte und Geschichten, S. 43-63, hier S. 43—46. Vgl. zu den Daten des Ubergangs v o m N S - R a d i o zu den Besatzungssendern in Deutschland: H a n s Bausch, R u n d f u n k p o l i t i k nach 1945, M ü n c h e n 1980, S. 13-24. Z u m Verhältnis des SR zu E u r o p e N o . 1 u n d Tele-Saar siehe die Beiträge von Andreas Fickers in diesem Band und von Tanja Moser-Praefcke in Bd. 2 sowie Barbara D u t t e n h ö f e r in Bd. 3, z u m K i r c h e n f u n k den Beitrag von J u d i t h Hüser, zur Musik den Beitrag von Charles Scheel. 15 Zu den Privatinitiativen: Schwan, R u n d f u n k , S. 39 und A n m . 241. Vgl. zur verspäteten f r a n z ö sischen R u n d f u n k p o l i t i k : Bausch, R u n d f u n k p o l i t i k , S. 18 f.; H o r s t Welzel, R u n d f u n k p o l i t i k in Südwestdeutschland 1945-1952. Zu den Auseinandersetzungen u m Struktur und Verfassung des Südwestfunks, H a n n o v e r 1976, S. 24-30. 16 A u s z u g in Faksimile abgedruckt bei: Sabine Friedrich, R u n d f u n k und Besatzungsmacht. O r g a nisation, P r o g r a m m u n d H ö r e r des S ü d w e s t f u n k s 1945 bis 1949, Baden-Baden 1991, S.255; vgl. ebd., S.30f. (in A n m . 68 - offensichtlich mit Tippfehler - datiert auf 16.9.1945). Das Werk informiert umfassend über die französische R u n d f u n k p o l i t i k , mit Schwerpunkt im Sendegebiet des SWF u n d o h n e eingehendere Thematisierung von Radio Saarbrücken.
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zweiten Halbjahr 1945 liefen im Regierungspräsidium bei Oberregierungsrat Georg Schulte, Personalreferent und später für die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes (SPS) Mitglied der Verwaltungskommission, viele Fäden zusammen. Capitaine Raveaud, Chef der Section Télécommunications bei der saarländischen Militärregierung, stellte am 20. September 1945 in einem Schreiben an Schulte die „Gründung des Hauses für Rundfunk und Propaganda" sowie die Wartburg in der Saarbrücker Martin Luther-Straße als künftiges Rundfunkhaus unter die Kontrolle der Militärregierung. Nachdem die hier noch internierten Kriegsgefangenen in andere Lager verbracht wären, sollten hier unter anderem folgende Räumlichkeiten entstehen: Senderaum, Radio-Versuchslaboratorium, Aufnahmeraum, Versuchsraum für Film und Schallplatten, Schallplattenarchiv, ein Atelier für Fein- und Präzisionsmechanik, Räume für fotografische Arbeiten, Zeichenateliers, Räume für die zentrale Verwaltung, eine Station für Hoch- und Tiefspannung und möglichst auch bereits eine Fernsehversuchs- und -sendestation. Binnen Monatsfrist sollte in einer „Phase I" die Wiederinstandsetzung der ersten Etage „zur provisorischen Einrichtung einer Rundfunkversuchsstation zur Ankurbelung von „Radio Sarrebruck" realisiert, die Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten für das ganze Gebäude auf den Weg gebracht, ein Personalplan und eine Vermögensübersicht erstellt und schließlich Infrastrukturarbeiten in Angriff genommen sein: „Die Beschlagnahmungen [erfolgten] im Namen und zu Gunsten Ihrer Verwaltung". 17 Damit war der neue Sender noch nicht unbedingt als saarländische Einrichtung unter französischer Kontrolle angedacht. Doch markiert der 20. September 1945 eine Art eigentlicher Geburtsstunde des saarländischen Nachkriegsradios. Seit den letzten Septembertagen wurden die vom Aufbauteam erstellten Arbeitsberichte mit „Radio Saarbrücken/Rundfunksender Saarbrücken, Technische Betriebsstelle" gezeichnet und gestempelt. 18 Die Leitung dieses Teams wurde am 23. September in einer Sitzung zur Beschleunigung des Aufbaus „durch fachmännige [sie!] Arbeitsteilung" dem Toningenieur Adolf Biedermann anvertraut. Ebenso wie die drei weiteren verantwortlichen Ingenieure Otto Schellhaaß, Walter Brill und Richard Birkelbach gehörte er als Mitarbeiter des ehemaligen Reichssenders Saarbrücken zum Kreis der nun für den Neuaufbau händeringend gesuchten Fachleute. 19 Zum Intendanten wurde, vermutlich wiederum auf Initiative Schuhes, um den 10. Oktober 1945 der Beigeordnete der Stadt Saarbrücken Wilhelm
L A SB, RegPräs 129, O.S.; Kurzschreiben, ebd., Bl.6. L A SB, RegPräs 129, Bl. 12-15. 19 Schreiben mit Festlegung der Kompetenzbereiche, 24.9.1945, L A SB, RegPräs 129, B1.4f.; Listen mit den verfügbaren ehemaligen Mitarbeitern unter anderem: Ebd., Bl. 1 und Bl. 40. 17
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Abb. 2:
Das Sendehaus:
Die
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Wartburg
Schüller bestellt, dem erst kurz zuvor die kommissarische Leitung des Stadttheaters übertragen worden war. A m 15. O k t o b e r erklärte sich O b e r b ü r g e r meister E m i l Peter H e i m in einem Schreiben an Regierungspräsident H a n s N e u r e u t e r damit einverstanden: „Ein Ineinandergreifen der beiden kulturellen E i n r i c h t u n g e n " T h e a t e r und R u n d f u n k liege „durchaus im Interesse der verantwortungsvollen Aufgaben, die von den Kulturinstituten zu lösen s i n d . " 2 3 Anders als das B e r w a n g e r und S c h w a n vermuteten, hatte die erste Saarb r ü c k e r , I n t e n d a n t e n w a h l ' mit f r a n z ö s i s c h e r Beteiligung bei der B e s e t z u n g von S p i t z e n p o s i t i o n e n von R a d i o S a a r b r ü c k e n also o f f e n k u n d i g nichts zu tun. 2 1 E r s t am 13. D e z e m b e r 1945 bat N e u r e u t e r bei Militärgouverneur G i l bert Grandval u m die G e n e h m i g u n g , „dass H e r r B e i g e o r d n e t e r D r . S c h ü l l e r , d e r b e r e i t s die L e i t u n g des S t a d t t h e a t e r s S a a r b r ü c k e n ü b e r n o m m e n h a t , bis a u f w e i t e r e s a u c h m i t d e r k ü n s t l e r i s c h e n u n d g e s c h ä f t lichen L e i t u n g des R u n d f u n k s e n d e r s S a a r b r ü c k e n betraut wird. Als k o m m i s s a r i s c h e r I n t e n d a n t des R u n d f u n k s e n d e r s S a a r b r ü c k e n w ä r e H e r r D r . S c h ü l l e r f ü r die w i r t schaftliche G e s c h ä f t s f ü h r u n g , für die o r d n u n g s g e m ä ß e A u s w a h l des Personals und für eine einwandfreie P r o g r a m m g e s t a l t u n g v e r a n t w o r t l i c h . "
1Z
Schreiben Heim, LA SB, RegPräs 129, B1.9; Zustimmung Neureuters, 18.10.1945, ebd., Bl. 11. Vgl. Berwanger, Massenkommunikation, S. 34; Schwan, Rundfunk, S. 116.
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Ob der Gouverneur die Intendanz Schüllers tatsächlich bestätigt hat, lässt sich zumindest aktenmäßig nicht verbürgen. Im unsignierten und undatierten Entwurf eines Bestätigungsschreibens dieser Bestallung, die offenkundig vom Regierungspräsidium aufgesetzt worden war, übertrug Neureuter an Schüller „im Einvernehmen mit der Militär-Regierung und im Einverständnis mit dem Herrn Oberbürgermeister auch die künstlerische und geschäftliche Leitung des Rundfunksenders Saarbrücken. Als kom. Intendant des Senders sind Sie der Militär-Regierung und mir für einwandfreie Programmgestaltung und Auswahl des Personals sowie für wirtschaftliche Geschäftsführung verantwortlich."22 Sollte Schüller tatsächlich in dieser Form bestätigt worden sein, dann lässt sich festhalten: Zwar war die französische Militärregierung nun anders als bei der Oktoberwahl bei der wichtigsten Rundfunk-Personalie beteiligt. Dennoch hätte man noch Ende des Jahres 1945 von einer dualen Spitze bei Radio Saarbrücken auszugehen, und das saarländische Regierungspräsidium, in dessen Verantwortungsbereich der Rundfunkaufbau stattfand, wäre nach wie vor federführend gewesen. 23 Kurz vor Weihnachten 1945 war Radio Saarbrücken in technischer Hinsicht sendebereit. Hinter den Radiomachern lagen drei betriebsame Monate. In ganz Süddeutschland waren die ehemaligen Sendeanlagen von Radio Saarbrücken verstreut, in Neustadt, Kaiserslautern und Hochspeyer, in Frankfurt und Nauheim, in Stuttgart und Landshut, in Benediktbeuren, in Landau; auch nach München führten mehrmalige Reisen, um neues Material für den Rundfunkaufbau anzuschaffen. Zu den ermüdenden, nur mit Passagescheinen möglichen Reisen durch die Besatzungszonen traten Kompetenzschwierigkeiten. Am 2. November musste Schüller seinen Chefingenieur Biedermann fragen, „was eigentlich in der Wartburg vorgehe, dass sich die Regierung veranlasst sehe, einzugreifen." Biedermann berichtete daraufhin von seinem Gespräch mit „Herrn Müller" - wohl dem Verwaltungsdirektor Edwin Müller - , in dem dieser sich ungehalten darüber gezeigt habe, dass beim Aufbau nichts vorangehe, vor allem keine Wagen zum Abholen der Sendeeinrichtungen in Benediktbeuren und Landshut zur Verfügung stünden. Worauf Müller die prinzipielle Frage gestellt habe, wer überhaupt den Auftrag zum Aufbau eines Senders gegeben habe, eine zu diesem Zeitpunkt L A SB, RegPräs 129, B1.25 und B1.26. Die Annahme - zuletzt bei: Bünte, 1945-1955, S.43 - , Schüller sei vor der Eröffnung des Sendebetriebes wieder ausgeschieden, scheint nicht (ganz) den Tatsachen zu entsprechen. Zumindest in der Vorankündigung der offiziellen Eröffnung vom 17.3.1946 wird davon gesprochen, dass dem Generalkontrolleur Emanuel Charrin „im Verein mit dem nicht erlahmenden Eifer unseres saarländischen Direktors des Radio Saarbrücken, Herrn Dr. Schüller, gleichfalls ein großes Verdienst an der jetzt möglichen Eröffnung des Senders zuzuschreiben" sei. Vgl. Anonymus, Hier spricht die Saar!, in: Saarbrücker Zeitung, 16.3.1946 Nr.46, S.2. 22
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eigentlich erstaunliche Frage, die Biedermannn mit Hinweis auf französische Direktiven beantwortete. 24 Die größte H ü r d e stand den Saarbrücker Radiopionieren jedoch Ende November bevor, als man eigentlich bereits die ersten Probeübertragungen ins Visier genommen hatte. 25 Ein mobiler (Militär-)Sender war mit Hilfe der Franzosen beschafft worden, die Techniker begannen bereits damit, die Gerätschaften auf der Sendeanlage in Heusweiler zu installieren. Dann jedoch funkte die Post dazwischen, die nach altem Reichsrecht noch immer der legitime Eigentümer der Station in Heusweiler war. Diese konnte also nicht einfach dem regierungspräsidialen Rundfunkhaus in Saarbrücken einverleibt werden. Natürlich ging es dabei nicht nur um Hoheitsrechte, sondern auch um die Rundfunkgebühren. Die Vertreter der Post machten bei einer am 23. November 1945 anberaumten Besprechung zwischen Regierung, Radio und Postdirektion geltend, dass ihnen 45-50 Prozent des Gebührenaufkommens zustehe. Entschieden wurde der Streit letztlich von der Militärregierung: Commandant Laforge, Ende November von Baden-Baden dauerhaft zum Gouvernement nach Saarbrücken abgeordnet, verfügte, dass die Arbeiten in Heusweiler eingestellt und der mobile Sender im Hof der Wartburg installiert werden sollte. Mitte Dezember waren diese von der Post vorgenommenen Installationsarbeiten so weit fortgeschritten, dass Sendebereitschaft bestand. Es sah tatsächlich so aus, als könne Radio Saarbrücken zu Weihnachten „seine normalen Sendungen programmäßig geben". 26 Warum daraus nichts wurde, ist nicht mehr genau festzustellen. Vielleicht war das Provisorium doch noch ein wenig zu provisorisch, die Vollzugsmeldung der Postinstallateure erläuterte zum Beispiel, unter welchen Bedingungen das Personal an und um den Sendewagen zu agieren hatte. 27 In seinem Antwortschreiben berichtete Schulte, dass die Bauarbeiten in der Wartburg noch im Gange seien und für das gesamte beschäftigte Personal nur ein notdürftig hergerichteter Raum zur Verfügung stehe. 28 Drei Wochen später hieß es in der „Neuen Saarbrücker Zeitung" dann allerdings erneut: 24
LA SB, RegPräs 129, Bl. 18. Ebd., B1.27. D a z u sollte die erste K i n o a u f f ü h r u n g im Saal der Wartburg auf Schallplatte aufgen o m m e n u n d dann übertragen werden, ein mit Z u s t i m m u n g des Intendanten eingeleitetes Vorhaben, das aber z u m Z e i t p u n k t seiner schriftlichen Fixierung am 27.11.1945 schon obsolet war. 26 So der undatierte Bericht von L o r e n z H o u y , der sinngemäß in der ersten D e z e m b e r h ä l f t e entstanden sein muss: Ebd., B1.23. 27 Bericht der O b e r p o s t d i r e k t i o n , 18.12.1945, ebd., B1.36: „Bezüglich der U n t e r b r i n g u n g des beim Sendewagen beschäftigten Personals bestehen jedoch große Schwierigkeiten insofern, als der freie R a u m im Wagen so k n a p p bemessen ist, daß dem Personal ein Daueraufenthalt dort nicht zugemutet werden kann. H i n z u k o m m t , daß es gänzlich unmöglich ist, im Wagen schriftliche Arbeiten zu verrichten, die Kleidung abzulegen und zu übernachten, was bei A u f n a h m e des Sendedienstes in Frage k o m m t . " 28 A n t w o r t s c h r e i b e n Schulte, 20.12.1945, ebd., Bl. 36. 25
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„Radio Saarbrücken wird demnächst eröffnet. Die Sendungen erfolgen von der Wartburg aus und werden vorläufig über einen 2 kW-Behelfssender ausgestrahlt, bis die alte Sendestelle wieder in Benutzung genommen werden kann. Der Empfang ist über Mittelwelle auf 205 m oder 1465 kHz. Die ersten Versuchssendungen sind im Gange. Einzelheiten werden wir nach der offiziellen Eröffnung des Senders berichten." 2 9
Es sollte aber noch mehr als zwei Monate dauern. Als am 16. März 1946 die feierliche Eröffnung annonciert wurde, erläuterte die „Saarbrücker Zeitung" nochmals, warum der „an der ganzen Saar sehnlichst erwartete" Sendebeginn erst zu diesem Zeitpunkt erfolgen konnte: „Oftmals schon war die Eröffnung als bevorstehend angekündigt, mußte aber immer wieder aufgeschoben werden, weil sich neue unvorhergesehene Schwierigkeiten im Ausbau und in der Materialbeschaffung in den Weg stellten." 30 Vielleicht waren es tatsächlich technische Imponderabilien, die den Programmstart von Radio Saarbrücken so lange hinauszögerten; auch die ursprünglich geplante Empfangsfrequenz musste Anfang des Jahres nochmals - auf 222,50 m Mittelwelle - geändert werden. Gerade diese Änderung auf eine Frequenz, die ursprünglich für Frankreich reserviert war und nun „der saarländischen Bevölkerung bereitwillig zur Verfügung gestellt wurde" 3 1 , weist aber noch in eine andere Richtung. Einiges spricht dafür, dass die Monate um die Jahreswende 1945/1946 auch jenen Zeitraum markieren, in dem die französische Militärregierung ihren Einfluss auf Radio Saarbrücken umfassender zu definieren begann. Die Intervention Laforges beim Dissens zwischen Post und Radio wäre hier ebenso zu sehen wie die verspätete Einholung der Bestätigung des Intendanten Schüller durch Grandval. Zudem hatte sich der französische Gouverneur in Radiofragen nicht nur mit der saarländischen Zivilverwaltung auseinanderzusetzen, sondern auch mit seinen Vorgesetzten in Baden-Baden, wo zur gleichen Zeit eine weitere Rundfunkstation im Aufbau war, die zum Muttersender der französischen Besatzungszone bestimmt war. Vor diesem Hintergrund liest sich die Eloge der Saarbrücker Zeitung auf Grandval am Tag vor der Sendereröffnung in einem besonderen Licht: „An der Einweihungsfeier wird der Gouverneur des Saargebietes, Herr Oberst Grandval, der Hauptförderer dieser neuen Einrichtung, mit den maßgebenden Herren der französischen Militärregierung persönlich teilnehmen ... Gerade für die Bevölkerung des Saargebietes ist auf Anordnung des Herrn Gouverneurs diese neue Sendestelle eingerichtet worden ... Rastlos und mit der an ihm schon oftmals bewunderten Energie setzte sich Herr Gouverneur Grandval für die endgültige Fertig-
A n o n y m u s , Radio Saarbrücken wird demnächst eröffnet, in: N e u e Saarbrücker Zeitung, 1 2 . 1 . 1 9 4 6 Nr. 3, S. 7.
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Anonymus, H i e r spricht die Saar!, in: Saarbrücker Zeitung, 1 6 . 3 . 1 9 4 6 Nr. 46, S . 2 . Ebd.
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Abb. 3: Der Sendeturm des ZweiKiloiüatt-Senders in Heusweiler mit abgeschirmter Zuleitung
Stellung des Senders ein. In seiner Heimat Frankreich bewirkte er nicht nur die Freigabe des notwendigen wertvollen Materials, sondern auch die Gestellung der für den Aufbau befähigten Ingenieure, Techniker und Facharbeiter, um den allseitigen Wunsch der saarländischen Bevölkerung schnellstens zu erfüllen." 3 2 D a s w a r m e h r als eine H y m n e auf d e n S i e g e r u n d seine W o h l t a t e n , die eine unter französischer Aufsicht stehende Zeitung pflichtgemäß intonierte. O f f e n s i c h t l i c h sollte das n e u e M e d i u m a u c h als e i g e n s t ä n d i g e s a a r l ä n d i s c h f r a n z ö s i s c h e K u l t u r i n s t i t u t i o n in P o s i t i o n g e b r a c h t w e r d e n .
3. Französischer Sender in deutscher Sprache? D e r „ f r a n z ö s i s c h e S e n d e r in d e u t s c h e r S p r a c h e " 3 3 - so w u r d e R a d i o Saarb r ü c k e n h ä u f i g e r in d e n v e r g a n g e n e n J a h r z e h n t e n u n d a u c h in d e r j ü n g s t e n
·'- E b d . " So Bünte, 1945-1955, S.43. Die erste w i c h t i g e P u b l i k a t i o n , die das D i k t u m v o m „französischen Sender" a u t n a h m , w a r offenbar: Robert H . Schmidt, Saarpolitik 1945-1957, 3 Bde., Berlin 1959-
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SR-Publikation benannt. Nach dem dramatischen Jahr 1955, in dem es in der populären Perspektive um die existenzielle Alternative .deutsch oder französisch?' ging, wirkte die deutsch-französische Rundfunksynthese wie eine Versöhnungsgeste, und außerdem stand sie einem Sender mit europäischer Brückenfunktion gut an. Ahnlich sah es auch der erste bundesdeutsche Intendant auf dem Halberg. 34 Jenseits von Mythos und Symbolik wurde in den Interpretationen als .Französischer Sender' nie so ganz klar, was denn nun genau das Französische an ihm gewesen sein soll. Natürlich: Es gab einen französischen Generaldirektor bis 1955; es existierte bis 1952 ein paritätisch besetzter Verwaltungsrat, in dem de jure der französische Ratspräsident das Zünglein an der Waage spielte; dort hatte zudem als oberster Hüter Gilbert Grandval mit seinen prinzipiellen Vorbehalts-, Interventions- und Rederechten einen Sitz; und nicht zuletzt gab es .französisches' Programm bei Radio Saarbrücken: Sprachunterricht, Reportagen über das Leben beim Nachbarn, Literatursendungen über Balzac und Hugo, Musik von Ravel bis Gounod sowie die (Live-)Auftritte französischer Orchester und Künstler. Also doch ein Radio France auf saarländischem Boden, das für die nicht sprachkundigen Einheimischen ins Deutsche übersetzt werden musste? Einer genauen Analyse hält dieses Bild nicht stand. Schon die Zeitgenossen sahen es damals ganz anders. Aus verständlichen Gründen hätten weder die Franzosen noch die Protagonisten in Saar-Funk und Saar-Staat jemals Radio Saarbrücken ein französisches Etikett gegeben. Aber auch die Gegner der Regierungen von Johannes Hoffmann inner- und außerhalb der saarländischen Landesgrenzen sahen im Saarbrücker Radio eher einen „Lügensender der Separatisten", um ein Propagandablatt aus dem Jahr 1955 zu zitieren. 35 Um die .Nationalität' des SR im ersten Nachkriegsjahrzehnt besser zu erkennen, erscheint es zunächst sinnvoll, sie im Rahmen der französischen Saarpolitik und der formaljuristischen Fundierung des neuen Senders zu betrachten. Das Jahr zwischen dem technischen Aufbau und der ersten rechtlichen Begründung von Radio Saarbrücken war auch der Zeitraum, in dem das Schicksal der Saar langsam Konturen annahm. 36 Ende August 1945 hatte ein Ministerausschuss unter Vorsitz des Regierungschefs General de Gaulle per-
1962, hier Bd. 1: Politische Struktur, S. 566: „Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Radio Saarbrücken am 17. März 1946 behelfsmäßig - praktisch als französischer Sender in deutscher Sprache, weil völlig unter französischer Kontrolle - seinen Betrieb wieder auf." 3 4 Altmeyer, 25 Jahre, S . l . 3 5 Entworfen von Gewerkschaftsvertretern. Propagandablatt, L A SB, Schneider-Becker-Archiv B X 7. Vgl. für das Folgende: Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , Stuttgart 1996, S. 4 8 - 5 2 . 36
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sönlich die Direktive für die Saarpolitik beschlossen, am 7. September kam Gouverneur Grandval nach Saarbrücken, am 3. Oktober hielt General de Gaulle im Saarbrücker Rathaus eine vielbeachtete Rede, die den Saarländern zumindest Hoffnung machte, nicht wehrlose Opfer einer Annexions- und Demontagepolitik zu werden. Es w a r die erste öffentliche Rede des französischen Regierungschefs im Nachkriegsdeutschland. 3 7 Wie es sich seit 1945 intern allmählich abzeichnete, formulierte Außenminister Georges Bidault im Mai 1946 erstmals amtlich das Ziel eines wirtschaftlichen Anschlusses des Saargebietes. Dass die französischen Vorstellungen zunächst relativ vage blieben und vor allem weder in Paris noch in Baden-Baden nach einem konzisen Plan vorgegangen wurde, nutzte Grandval, als führende Persönlichkeit der französischen Résistance ohnehin über großes Ansehen verfügend, zunehmend zur Profilierung einer eigenständigen Saarpolitik, notfalls auch mit der entsprechenden Kritik gegenüber Paris und den Konflikt mit seinen Vorgesetzten in Baden-Baden keineswegs scheuend. Unterstützung für seinen Kurs erhielt Grandval vor allem von den Saarländern selbst. An der Saar zeigte man sich im Frühjahr 1946 zu einem wirtschaftlichen oder sogar politischen Zusammengehen mit Frankreich bereit. Eine Kundgebung des Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France (MRS) im April mit der Proklamation eines möglichst raschen Anschlusses, die Bekenntnisse der Christlichen Volkspartei (CVP) und SPS für eine wirtschaftliche Eingliederung, die massenhaft besuchten französischen Festtage in Saarlouis im Mai 1946 können als einige Stationen dieser Entwicklung das .französische Frühjahr' 1946 schlaglichtartig beleuchten. 38 In diesem politischgesellschaftlichen Klima nahm Radio Saarbrücken seinen Sendebetrieb auf und sollte schließlich die Grundlage für seine Unabhängigkeit erhalten. Einigen dokumentarischen Berichten vom Anfang der 1950er Jahre zufolge wurde Radio Saarbrücken am 5. M ä r z 1946 offiziell als Nebensender des SWF gegründet. 3 9 Die viel zitierte zweiwöchige Autonomie, die der RundText a b g e d r u c k t bei: R a i n e r H u d e m a n n / A r m i n H e i n e n in Zusammenarbeit mit J o h a n n e s G r o ß m a n n u n d M a r c u s H a h n , H g . , Das Saarland zwischen Frankreich u n d Europa 1945-1957. Ein Q u e l l e n - und A r b e i t s b u c h . M i t einer C D - R o m z u m A b s t i m m u n g s k a m p f 1955 von Susanne D e n gel, S a a r b r ü c k e n 2007, S . 2 3 8 f . Vgl. z u m Kontext: Ebd., S . 3 5 - 5 3 s o w i e Rainer H u d e m a n n , Die Saar z w i s c h e n Frankreich u n d Deutschland 1945-1947, in: Rainer H u d e m a n n / R a y m o n d Poidevin unter Mitarbeit von A n n e t t e Maas, H g . , Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte/ La Sarre 1945-1955. U n p r o b l è m e de l'histoire européenne, 2. A u f l . , M ü n c h e n 1995, S. 13-34. 38 Z u r M R S - K u n d g e b u n g : A n o n y m u s , G e w a l t i g e K u n d g e b u n g der S a a r b e v ö l k e r u n g , in: S a a r b r ü cker Zeitung, 1 6 . 4 . 1 9 4 6 Nr. 39, Titelseite; z u m Beschluss des C V P - V o r s t a n d e s : A n o n y m u s , Für den w i r t s c h a f t l i c h e n Anschluss, in: S a a r b r ü c k e r Zeitung, 18./20.4.1946 Nr. 40/41, Titelseite. 3 9 A b s c h r i f t im S R - A r c h i v , O r d n e r P r o t o k o l l e V e r w a l t u n g s - und Aufsichtsrat. So heißt es in einem E n t w i c k l u n g s b e r i c h t , der z u r A u f s i c h t s r a t s s i t z u n g des SR am 5 . 1 2 . 1 9 5 2 z u s a m m e n g e s t e l l t w u r d e : „ R a d i o S a a r b r ü c k e n w u r d e am 5 . 3 . 1 9 4 6 von d e r d a m a l i g e n französischen M i l i t ä r r e g i e r u n g als Bestandteil des S W F gegründet. D e r Sender w u r d e aber noch im gleichen J a h r aus der O r g a n i 37
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funk nach seinem Sendestart erleben durfte, würde sich dann freilich ausschließlich auf die Programmgestaltung beziehen, bis der SWF am letzten Tag des Monats selbst im Äther war. 40 Nur wenn dies nicht als juristisches Intermezzo, sondern als Auftakt des Gesamtsenders begriffen wird, entspricht es der Logik einer Emanzipationsbewegung, die sich parallel zur politischen Entwicklung abspielte und im Juni von der Militärregierung in Baden-Baden mit der Gründung eines eigenständigen Saarbrücker Rundfunkamtes gekrönt wurde. Die feierliche Eröffnung des Senders mit den Ehrengästen aus der Militärregierung und der Programmgestaltung durch das Sinfonie-Orchester der Stadt Metz, mit der Intonierung der Marseillaise beim Einzug Grandvals, mit dessen Ansprache und mit einem ausschließlich französischen Musikprogramm wurde verständlicher Weise als festlicher Introitus eines französischen Rundfunks interpretiert. Nachhaltig wirkte dabei offenbar vor allem der Appell Grandvals an die Saarländer, an die sich der Gouverneur auf diesem Wege zum ersten Mal in ihrer .Gesamtheit' richten konnte: 41 Nicht das deutsche Volk, sondern ganz speziell die Menschen des Saarlands waren die Adressaten, mit der Erinnerung an die Folgen der .falschen' Abstimmung von 1935, mit der Darlegung der saarländischen Sozial· und Wirtschaftslage, mit der Verheißung einer Zukunft, die bei .richtigem' Verhalten - was immer das zu diesem Zeitpunkt genau heißen mochte - bei einer Anlehnung an Frankreich ein besseres Schicksal versprach, als es für die Menschen in anderen Teilen Deutschlands zu erwarten sei. 42 Schon die erste Sendestunde von Radio Saarbrücken hatte also eine erkennbar saarländische Zielrichtung. Als nur vier Tage später der Jahrestag der Befreiung des Landes abermals in der Wartburg begangen wurde, kontrastierte die Feier vor dem Radiopublikum die Zerstörungen der Vergangenheit mit einer positiven saarländischen Zukunft. 43 In den nun folgenden anderthalb Jahren mussten viele entscheidende Schritte bis zur Entstehung des Saarstaats getan werden - und Radio Saarsation des S W F herausgenommen und zum selbstständigen A m t unter der Leitung eines französischen Verwaltungsrats erhoben." Zuletzt hat auch Hans Bünte als Gründungsdatum
den
5 . 3 . 1 9 4 6 genannt: Bünte, 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , S . 4 4 (ohne Nachweis). D e r erste Sender im Bereich des späteren SWF, der senden konnte, war die relativ unbeschädigte Station in K o b l e n z , die bereits seit dem 1 4 . 1 0 . 1 9 4 5 zu hören war. 4 1 A n o n y m u s , Radio Saarbrücken eröffnet, in: Saarbrücker Zeitung, 1 9 . 3 . 1 9 4 6 Nr. 27, Titelseite: „Die Eröffnung des Senders erhielt dadurch ihre besondere Bedeutung, daß sie die erste Ansprache des Herrn Gouverneurs an die saarländische Bevölkerung ermöglichte." 40
Das Profil einer von Seiten der Franzosen angestrebten saarländischen Ausrichtung des Senders erkennt man erst recht, wenn man zum Vergleich beispielsweise die Belehrungsstunde „Frankreich spricht zum Deutschen V o l k " im S W F heranzieht. Vgl. Welzel, Rundfunkpolitik, S. 4 6 - 5 0 .
42
Vgl. zum Ablauf des Tages: A n o n y m u s , Glänzende Feier auf der Hafenhalbinsel, in: Saarbrücker Zeitung, 2 3 . 3 . 4 6 Nr. 29, Titelseite.
43
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brücken war jedes Mal mit dabei. Zum einen war es offizielles Sprachrohr für die Verlautbarungen der politischen Entscheidungsträger. Wie wichtig diese Funktion des Rundfunks gerade in der ersten Zeit seines Bestehens war, zeigt die noch vor dem offiziellen Start am 11. März 1946 vorgetragene Bitte des ersten Chefredakteurs von Radio Saarbrücken, August Peter Stern, „ihm die Verordnungen, Anordnungen und Bekanntmachungen des Regierungspräsidiums vor ihrem Erscheinen im Amtsblatt regelmäßig zuzuleiten, um die Aktualität der Rundfunksendung zu gewährleisten." Eine Bitte, der Gouverneur Grandval zehn Tage später nicht nur entsprach, er betonte sogar in seinem Antwortschreiben: „II importe, en effet, que la Radio soit la première informée." 4 4 N o c h exponierter war die Rolle des Radios bei der Saarland-Genese, wenn sich die Machthaber mit dem Appell an die Ausübung staatsbürgerlicher Pflichten über das Medium an das Saarvolk wandten. So sprachen zum Beispiel Anfang Oktober 1947 vor den ersten Landtagswahlen sowohl der französische Gouverneur als auch Erwin Müller, Präsident der Verwaltungskommission, zu den Saarländern. 4 5 Die Möglichkeiten des Mediums nutzte Grandval bereits ein knappes Jahr zuvor, als er, bei seiner zweiten Radioansprache nach der Sendereröffnung, am D . S e p tember 1946 die Saarländerinnen zur ersten freien (Kommunal-)Wahl seit zwölf Jahren aufrief. 46 Der 15. September 1946 brachte also nicht nur den ersten demokratischen Schritt im Nachkriegssaarland, er war auch für Radio Saarbrücken ein wichtiges Datum, weil es an diesem Tag gemäß der Verordnung Nr. 46 sowie der erläuternden Verfügung Nr. 19 selbstständig wurde. „Für das Saargebiet", heißt es in Artikel 1 der Verordnung, „wird ein mit finanzieller Selbstständigkeit ausgestattetes Rundfunkamt errichtet, das mit der Leitung des Betriebes des Senders Saarbrücken beauftragt wird." Die Verfügung Nr. 19, in der die Leitungsstruktur des Sender aufgeführt und seine Finanzwirtschaft zumindest in groben Zügen vorgezeichnet wird, macht deutlich, dass und wie in Baden-Baden die Autonomie einer saarländischen Institution gewissermaßen scheibchenweise verordnet wurde: N o c h war die zentrale Militärregierung der Impulsgeber, sie benannte die neun Mitglieder des rein französischen Verwaltungsrates und aus deren Kreis auch den Contrôleur Général
A n f r a g e via Schulte an N e u r e u t e r , L A S B , R e g . P r ä s 129, B1.32; G e n e h m i g u n g G r a n d v a l , ebd., B1.37. 4 5 M ü l l e r s p r a c h am 2., G r a n d v a l a m 3 . 1 0 . ; die A n s p r a c h e n beider w u r d e n auch in der Saarbriicker Z e i t u n g a b g e d r u c k t - ein D o p p l u n g s v e r f a h r e n , d a s üblich u n d n o t w e n d i g w a r und die B e d e u t u n g der R u n d f u n k r e d e n o c h stärker h e r v o r h o b . Vgl. A n o n y m u s , D i e letzte E t a p p e zur Freiheit, in: S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g , 4 . 1 0 . 1 9 4 7 N r . 117, Titelseite; A n o n y m u s , D e r glücklichen Z u k u n f t entgegen, in: ebd., S. 2. Z u M ü l l e r s B i o g r a p h i e siehe H u d e m a n n / H e i n e n , D a s Saarland, S . 6 3 6 . 4 6 A n o n y m u s , Freie Wahlen im Saarland, in: S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g , 1 4 . 9 . 1 9 4 6 N r . 103, Titelseite. 44
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Abb. 4: Ü-Wagen DeSoto bei der Tour de France Etappe von Gap nach Briançon
1953: Halt
zum Lavendel-Pflücken
auf
der
(eingesetzt zur „ständigen Überwachung der Leitung des Senders"), sie musste auch ihr Einverständnis für die Benennung des geschäftsführenden (nicht französischen) Direktors geben. Andererseits wurden entscheidende Kompetenzen an den Gouverneur abgegeben. In seinem Namen hatten die Verwaltungsräte ihre Befugnisse auszuüben, er musste vor der Ernennung der Räte und des Contrôleur angehört werden, er ernannte und entließ den Direktor. Schließlich sah die Verfügung noch ein weiteres Gremium vor, das, so es ins Leben gerufen worden wäre, vermutlich den saarländischen Part im neuen Rundfunkamt übernommen hätte: Als Pendant zum Verwaltungsrat sollte ein ebenfalls aus neun Mitgliedern bestehender, vom Amt völlig unabhängiger „Beratender Ausschuß" sich zu allen Fragen äußern, die Verwaltungsrat und Contrôleur ihnen vorlegten oder die sie diesen vorlegen wollten. 4 7 Bei der historischen Interpretation dieser Verordnung wurden bisher vor allem zwei Dinge hervorgehoben: die Beendigung des ,Zwischenspiels' einer Zugehörigkeit zum S W F und die Exklusivität des Verwaltungsrates, die den Charakter eines .französischen Senders' untermauere. Viel wichtiger er47
Vgl. zu den einzelnen Artikeln: Journal Officiel, 3 . 9 . 1 9 4 6 , S.220-224.
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scheint mir jedoch die Situierung dieser Verordnung im Rahmen der politischen Entwicklung an der Saar. Denn einerseits spiegelt sie in gewisser Hinsicht den Diskussionsstand um die saarländische Autonomie wider, andererseits zeigt sich hier erstmals die enge Verkopplung von Rundfunkgesetzgebung und Saarstaatswerdung. Der Geist des nicht eindeutigen Ubergangs, der sich in der Verordnung darstellte, passte ziemlich genau zum Stand der Diskussion des Saarproblems im Juni 1946, als die Verordnung erlassen wurde. Obwohl allen Beteiligten klar war, dass die Saar sich auf eine eigenständige Lösung zubewegte, war noch lange nicht klar, wie diese Lösung konkret aussehen würde. Andererseits konnte Grandval, als er Mitte Juni Bericht erstattete, auf die bisherigen Erfolge seiner Saarpolitik verweisen und mit dem Argument der breiten saarländischen Unterstützung in Paris mehr autonome Kompetenzen mit Nachdruck reklamieren - womöglich auch solche, die auf einen eigenen Rundfunk zielten. 4 8 Es ist schon mehrfach darüber spekuliert worden, w a r u m ein so langer Zeitraum zwischen dem Erlass der Verordnung Nr. 46 durch General Koenig und ihrem Inkrafttreten sie wurde erst Anfang September im Journal Officiel publiziert - vergehen musste. 4 9 Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung könnte diese Verzögerung insofern einen Sinn haben, als eine saarländische Institution möglicherweise erst dann an die Öffentlichkeit treten sollte, wenn das Saarland selbst auf den Weg gebracht war. U n d genau das geschah an diesem 15. September 1946 bei den ersten Nachkriegswahlen, mit denen die Saarländer ihre demokratische Reife unter Beweis stellten und in gewisser Hinsicht auch ihre Bereitschaft offiziell signalisierten, an der Seite Frankreichs den Weg in die politische Zukunft zu beschreiten. Auffallend ist im Verlauf der folgenden 15 Monate, wie stark die Parallelität zwischen Rundfunkentwicklung und Staatsbildung beibehalten wurde. A m 16. September 1947, einen Tag nach Vorlage des Verfassungsentwurfs, erfolgte mit der Verordnung Nr. 111 die Zuweisung der Rundfunkeinrichtungen an das Saarländische Rundfunkamt, darunter auch das Eigentum der ehemaligen Reichspost an Sendeanlagen. Damit lagen die Saarländer noch einige Wochen vor den entsprechenden Regelungen in anderen Besatzungsgebieten Deutschlands, w o erst eine Erklärung des Oberkommandierenden, General Lucius D. Clay, vom 21. November das Problem der alten Postrechte einer Lösung zuführte. 5 0 A m 16. November verabschiedete sich Baden-Baden endgültig aus der Verantwortung für den Saarländischen Rundfunk und übertrug alle Befugnisse zur weiteren Regelung an Gouverneur
48 49 30
Vgl. zu G r a n d v a l s Schreiben an das A u ß e n m i n i s t e r i u m : Heinen, Saarjahre, S. 5 2 f . A u f diese D i s k r e p a n z hat dezidiert W e l z e l hingewiesen: W e l z e l , R u n d f u n k p o l i t i k , S . 2 8 f . A b g e d r u c k t in: Bausch, R u n d f u n k p o l i t i k , S . 3 4 f .
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Grandval. Auch dieses Datum war mit Bedacht gewählt: Am 10. November hatte der Saar-Landtag die Verfassung verabschiedet, vier Tage später billigte die französische Nationalversammlung die Einführung des Franc im Saarland und machte damit den Weg für den Wirtschaftsanschluss frei. Die nächsten amtlichen Texte zur Regelung des saarländischen Rundfunkwesens wurden bereits in Saarbrücken geschrieben. An Silvester 1947, dem letzten Tag, an dem Grandval als Militärgouverneur zeichnete, unterschrieb der designierte Hohe Kommissar für das Saarland die „Verfügung Nr. 45-185 über die Organisation des saarländischen Rundfunks". Die wichtigsten Änderungen gegenüber den vorherigen Regelungen betrafen die Zusammensetzung des Verwaltungsrates, der nun mit sechs französischen und sechs saarländischen Mitgliedern besetzt wurde, wobei die Franzosen den im Entscheidungsfall ausschlaggebenden Präsidenten stellten (Artikel 3 bis 6), sowie die Kompetenzen des Hohen Kommissars zur Aufhebung von Verwaltungsratsbeschlüssen und seine Kontroll- wie Rederechte beim Rundfunk (Artikel 7). Betrachtete man nur den Buchstaben des Verwaltungsgesetzes, dann könnte man in Radio Saarbrücken einen .französischen' Sender bis zum Inkrafttreten des SR-Gesetzes im Juni 1952 vermuten. Bis zum Ende der Besatzungszeit war das allerdings auch in anderen deutschen Ländern nicht anders, und man müsste infolgedessen beim „Nordwestdeutschen Rundfunk" ( N W D R ) von einer britischen, beim „Hessischen Rundfunk" (HR) von einer amerikanischen und beim SWF erst recht von einer französischen Anstalt sprechen; sogar nach der Ubergabe dieser Sender in deutsche Hände 1948/1949 blieben alliierte Vorbehaltsrechte bis 1955 bestehen. 51 Im Saarland, wo sich seit Mitte 1946 ein institutioneller Sonderweg ankündigte, war zumindest eine .einheimische' Minimalbeteiligung am Sender in der Ubergangszeit schon vorgesehen. 52 Die Regelung, die dann unter Grandval getroffen wurde, war insofern eine konsequente Weiterentwicklung dieses Sonderweges und die paritätische Ratsbesetzung unter französischer Führung nichts anderes als die Spiegelung der politischen Lösung, die man für den Saarstaat selbst gefunden hatte: Unter Anleitung der Franzosen sollten die Saarländer den Weg in eine demokratisch-europäische Zukunft finden, der sie sukzessive auch zu einer relativ weit gehenden Autonomie führen sollte. Auch wenn das Saarland von 1947 ein ganz anderes war als dasjenige, welches 1957 entstand: Radio Saarbrücken war bereits Ende der 1940er Jahre viel eher .saarländisch' als .französisch' zu nennen.
Zu den einzelnen Sendern: Ebd., S. 1 3 - 1 5 9 . N a c h der Verordnung vom 2 4 . 6 . 1 9 4 6 war vorgesehen, die Mitglieder des Beratenden Ausschusses auf drei Jahre zu wählen. Verfügung vom 3 1 . 1 2 . 1 9 4 7 , in: Amtsblatt des Saarlandes, 1 3 . 1 . 1 9 4 8 N r . 2 , S. 8-10. 51
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Der Eindruck eines zumindest seit Anfang 1948 .saarländischen' Radio Saarbrücken erhärtet sich, wenn man in die Praxis von Verwaltungsarbeit und Sendebetrieb sowie in die Programmgestaltung blickt. Selbst in der Anfangszeit, als der Sender unter der Regie eines rein französischen Verwaltungsrates agierte, war man weit davon entfernt, die Installation eines französischen Rundfunks auf saarländischem Boden zu realisieren. 53 Zwar setzte man sich für eine Intensivierung des Programmaustauschs mit Paris und dem SWF 54 ein und bemühte sich, die kulturellen Errungenschaften Frankreichs medial ins rechte Licht zu rücken. Allerdings war dieses Ziel durchaus mit dem anvisierten saarländischen Profil des neuen Senders vereinbar, waren die französischen Leitvorstellungen, die im Saarland verbreitet werden sollten, doch vor allem von zwei Ideen getragen: Es sollten das in den vergangenen Kriegen beschädigte Ansehen Frankreichs beim Nachbarn korrigiert und alte Feindbilder abgebaut werden. Und dieses Programm sollte der Umerziehung zu Demokratie, Frieden und Völkerverständigung dienen. Das Saarland und sein Rundfunk waren damit geradezu zu Wortführern für die Verbreitung der Ideale westlicher Zivilisation bestimmt. 55 Das spiegelte sich auch in dem französischen Bemühen um eine qualitative Programmverbesserung in den ersten beiden Sendejahren wider, so zum Beispiel im Lob für den Jugendfunk, der beste Werbung für die Demokratie betreibe. 56 Der äußere Blick auf das Programm der frühen Jahre von Radio Saarbrücken macht es ansonsten recht schwer, irgendwelche tendenziösen oder propagandistischen Inhalte auszumachen. Bei der zeitüblichen Mischung aus Nachrichten und Information, Ratschlägen und Unterhaltung fällt höchstens die musikalische Schwerpunktbildung auf - Programmstunden, die relativ leicht zu füllen waren und denen in Saarbrücken der hohe Anteil von Musikern im Funkhaus entsprach. Der allererste Programmtag von Radio Saarbrücken sah für den 18. März 1946 folgendes vor:
53
Vgl. dazu auch den Beitrag von Charles Scheel in diesem Band. I m m e r h i n haben laut Schwan Pläne f ü r die Integration des SR in das französische R u n d f u n k s y s t e m existiert, die aber fallen gelassen w u r d e n . Vgl. Schwan, R u n d f u n k , S. 72 u n d A n m . 371. 54 SR und S W F hatten bis Januar 1949 einen Sendeverbund, der nicht nur auf die anfängliche Z u sammengehörigkeit verwies. E r mag f ü r den S W F auch deshalb von besonderer Bedeutung gewesen sein, weil ihm in seinen ersten Jahren von den Franzosen die organisatorische Kooperation in Verbundsystemen mit anderen Sendern untersagt blieb. Vgl. Welzel, R u n d f u n k p o l i t i k , S. 26. 55
„ D e par sa situation géographique et politique, Radio Sarrebruck doit devenir le porte-parole en langue allemande de la civilisation occidentale et le propagateur de l'esprit démocratique." Diese Ziele sind definiert in: H a u t Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'information, Hg., Trois ans de présence française en Sarre, Paris 1948, S. 32, zu den allgemeinen pressepolitischen Aufgaben S. 29. 56 Die zitierten Beispiele aus den f r ü h e n Verwaltungsratsprotokollen bei: Schwan, R u n d f u n k , S. 72.
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„7 Uhr Nachrichten, 7:15 Uhr Morgengymnastik, 7:20 U h r Fröhliche Musik, 7:35 U h r Hygiene-Plauderei, 7:40 Uhr Fröhliche Musik, 7:56 U h r Tagesprogramm, 8 Uhr Schluß der Morgensendung. 12:30 Uhr Beginn der Sendung, 12:32 Uhr Saarnachrichten, 12:37 Uhr Gefangenendienst, 12:42 Uhr Jazz Gebhardt, 13 U h r Nachrichten, 13:15 Uhr Jazz Gebhardt, 13:30 Uhr Ende der Sendung. 19 Uhr Beginn der Sendung, 19:02 Uhr Letzte Nachrichten, 19:09 Uhr Saarbrücker Nachrichten, 19:11 Uhr Sportchronik, 19:16 Uhr Orchester Unterhaltungsmusik: Weber. 19:45 Uhr Französische Stunde, 20:00 Uhr Orchester, Unterhaltungsmusik: Weber. 20:10 Uhr Lottchens Geburtstag (Thoma), 20:50 Uhr Das Neueste in Kürze, 20:53 Uhr Programmvorschau, 21 Uhr Ende der Sendung." 5 7
Das Programm, dessen improvisierter Charakter auch in der Kürze der Beiträge und ihren ungewöhnlichen Anfangszeiten spürbar wird, brachte bereits in den ersten Wochen und Monaten einige der Sendungen, die für Radio Saarbrücken lange feste Bestandteile blieben. Die Übertragung der Gottesdienste am Sonntagmorgen zum Beispiel, die Buchempfehlungen und das Nachtkabarett am Samstag, später die Frauen- und Jugendfunksendungen und schließlich die Werbesendungen, unter denen sich etwa „Allerhand für Stadt und Land" seit 1948 bis in die 1970er Jahre hielt. 58 Auch nach dem Ausbau des Zeitfunks sowie der kulturpolitischen Sendungen und ungeachtet des anfangs einseitigen Informationszuflusses über die Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP) war der Anteil eines als .französisch' zu bezeichnenden Programms an Radio Saarbrücken eher bescheiden. Das fällt vor allem beim Vergleich zum frühen SWF-Programm auf, in dem es nicht nur eigene Sendungen für die französischen Besatzungssoldaten gab und Paris in wohlmeinender Erziehungsabsicht über den Äther „zum deutschen Volk" sprach, sondern auch die sogenannten „Auflagesendungen" aus Frankreich noch bis 1952 liefen. 59 Damit korrespondierte ganz offensichtlich auch eine unterschiedlich ausgeprägte Uberwachungs- und Zensurtätigkeit. Obwohl dies die Kernfragestellung seines Buches ist, konnte auch Heribert Schwan hierzu nicht viel berichten: Von dem Contrôleur général Emanuel Charrin, der diese Funktion vom 1. Februar 1946 bis zum Frühjahr 1947 versah, gar nichts; Lucien Ehringer, der Zensuroffizier und gleichzeitige Leiter der AFP in Saarbrücken, „nahm seine Arbeit nicht sehr ernst", sein Nachfolger „nahm keine Zensurtätigkeit wahr". 6 0 Und selbst Hochkommissar Gilbert Grandval, oberster Hüter des saarländischen Ra-
A n o n y m u s , H i e r spricht die Saar!, in: Saarbrücker Zeitung, 1 6 . 3 . 1 9 4 6 Nr. 46, S.2. Erzählungen zu den frühen Programmen und ihrer Produktion zuletzt bei: Bünte, 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , S . 4 9 f . Vgl. zu den Werbesendungen ausführlicher Kapitel 6 dieses Beitrages. 5 9 Welzel, Rundfunkpolitik, S . 4 3 ^ 5 . Sabine Friedrich zufolge wurden die aus Paris überspielten Sendungen im M ä r z 1952 durch Korrespondentenberichte abgelöst: Friedrich, Rundfunkpolitik, S. 160-164, hier S . 1 6 3 . 57 58
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Schwan, Rundfunk, S . 5 9 f .
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dios seit 1948, nahm seine Interventions- und Rederechte laut Schwan nur selten in Anspruch. Ganz anders scheint in Baden-Baden lange Zeit eine umfangreiche Kontrolle stattgefunden zu haben, für die Ende 1948 immerhin noch ein Apparat von 35 Personen zur Verfügung stand. 61 N u n ließe sich einwenden, dass sich bei einer Rundfunkanstalt mit französischem Direktor und einem französisch dominierten Verwaltungsrat eine französische Zensur quasi erübrige. Der wahre Hintergrund scheint mir jedoch auf einer anderen Ebene zu liegen: In dem Maße, wie seit 1946 im Saarland allmählich ein den französischen Wünschen entsprechendes Staatswesen entstand, entfielen viele der Vorbehalte und Ziele beim Aufbau eines neuen deutschen Rundfunks. In den anderen westlichen Besatzungszonen sollte der Rundfunk entweder eine neue demokratische Macht unabhängig von den neuen Regierungen werden, oder aber man wollte - vor allem beim SWF - die demokratisch-pazifistische Umerziehung vor allem über einen in diesem Sinne staatlich kontrollierten Rundfunk erreichen. Im Saarland wurde der Staat selbst zum .Umerziehungsprogramm', seinem Sender konnte man daher relativ freieren Lauf lassen. Wie sehr dieses Programm auch auf saarländisch funktionierte, das zeigte „Zicks Neujahrsgedicht" von 1950. Zick, das war Fritz Weißenbach, eine Saarbrücker Radiolegende, die schon in den Vorkriegszeiten mit den „Saarbrücker Rundfunkspatzen" auf „Sperlings bunter Bühne" sendete. Seit dem 20. Februar 1949 war Weißenbach gemeinsam mit Maria Rumann (Marieche) und Peter Schmidt (Zack) in der „Saarlandbrille" auf Sendung, einem der beliebtesten Formate des frühen Radio Saarbrücken. Die Saarlandbrille zeigte, dass man im Saarland nachhaltigen Radio-Erfolg haben konnte - und das gerade, obwohl das Trio den friedvoll-europäischen Zukunftsvisionen seiner Regierung stets folgte. Genauso wie Zick das am Neujahrstag 1950 demonstrierte: „Proscht Neijohr, ihr Lazzaroner, rote, graue Saareinwohner zwischen Mettlach - Tirkismiehl, zwischen Rossel un Wadrill Proscht ihr Berch- un Hiddeleit! Proscht Neijohr, vili Glick un Freíd! Proscht Regierung, proscht Joho! Mache ruhich wieder so! Un Schloß Halberch uff de Heh: Proschd Neijohr un bonne annee! Proscht ihr Landsleit in der Welt, in Mainz un Metz un Birkenfeld,
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Welzel, R u n d f u n k p o l i t i k , S.41.
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in Rom, Paris, New York, Berlin, un was der Derfer meh noch sin ailes Gudde, Glick un Geld! Proscht Eiropa! Proscht die Welt! Macht kä Quatsch un halle Ruh Naachelt die Kanone zu! Schigge die Soldate hemm Die han sowieso die Flemm Macht ä Land aus alle Ländcher Komm, seid brav, gebbt eich die Händcher, un statt Sorch un groe Hoor, gebbts ... Viel Glick im neie J o h r ! " 6 2
Sehr französisch war dieser Programmbeitrag nur insofern, als er den französischen politischen Zielen des Jahres 1950 mit Sicherheit nicht zuwiderlief. Insofern darf er ruhig die Vermutung nähren, dass Radio Saarbrücken von Anfang an vor allem eines war: Ein saarländischer Sender in nicht immer hochdeutscher Sprache.
4. D e r S R den Saarländern! 4.1. Durch die „Saarlandbrille" Glaubt man mehreren Hörerumfragen vom Beginn der 1950er Jahre, so war die „Saarlandbrille" die nach den Abendnachrichten am häufigsten verfolgte Sendung von Radio Saarbrücken. Die Rundfunk-„Schwaduddeler" nehmen aber auch in nostalgischen Rückblicken von heute noch einen einsamen Spitzenplatz ein, es wird von den dialektalen Sonntagmittag-Einlagen geschwärmt, die sogar auf der Straße aus allen saarländischen Wohnzimmerfenstern zu hören gewesen seien und jede Hausfrau zur strammen Zeitplanung bei der Zubereitung des Sonntagsbratens gezwungen hätten. 63 Dennoch überlebte die „Saarlandbrille" den Saarstaat nur um zwei Wochen. 64 Die Sympathie für den Kurs der saarländischen Regierung bedeutete offen62
F u n k w o c h e , 1 3 . 1 . 1 9 5 0 N r . 2 , S.2.
Vgl. die Erinnerung auf der Website „saar-nostalgie": www.saar-nostalgie.de/RadioSaarbruecken. htm [29.12.2008]. Viele der teilweise reich bebilderten Artikel über die „Saarlandbrille" erschienen in den saarländischen Funkzeitschriften und Illustrierten Anfang der 1950er Jahre. So auch der nicht bibliographisch ausgewiesene - Artikel „So entstand und ist die Saarlandbrille" mit einigen Bemerkungen zu Entstehung und Wirkung der Sendung. D e r Artikel stammt vermutlich von Leo Griebler, dem Autor der „Saarlandbrille". Vgl. L A SB, Nachlass Weißenbach ( N L Weißenbach) 6.
63
In der Programmvorschau der Saarbrücker Zeitung ist die Sendung zum letzten Mal für den 6 . 1 1 . 1 9 5 5 ausgewiesen. Im Nachlass Weißenbach stammt das letzte erhaltene Manuskript von der Sendung am 2 3 . 1 0 . 1 9 5 5 . 64
Die Saarlandmacher
153
bar ihr Todesurteil, zumal diese Parteinahme nie „überaus geschickt im Sinne der Propaganda" arrangiert, sondern immer offen gezeigt wurde. 6 5 Das Höchstmaß an Chiffrierung wurde am 23. O k t o b e r 1955 erreicht, nachdem das dreimonatige Werbeverbot im heißen Abstimmungskampf dazu geführt hatte, dass Befürworter und vor allem Gegner des Europäischen Statuts mit Argusohren darüber wachten, was über den Äther kam. So begann die Sendung am Volksabstimmungstag wie folgt - oder vielmehr, sie sollte so beginnen: „Zack: Ja ja ja! Mar.: D o hascht de mol widder recht. Ma hat sei Kreiz. Zick: Wieso? Han ihrs noch? Ich han meins schon abgeliwwert. Zack: Hascht recht. Wie wars dann? Zick: Wie soils gewään sin. Sieht ganz scheen aus, so e Kreizje im Kreis. Sieht grau aus wie e Hubschrauber, w o in seiner Markierung gelandt is. Mar.: Saa Zick, ich dät vorschlaan, daß ma heit nur iwwer Freudiges schwätze." 6 6
Während die unmissverständliche Aufforderung zur Stimmabgabe gesendet werden durfte, fiel die kaum weniger deutliche Werbung für die .richtige' Platzierung des Kreuzes offenbar der Selbstzensur zum Opfer; Zacks nur scheinbar nichtssagend-betuliche Einleitung wurde im Manuskript mit „hmm, hmm, h m m " überschrieben. Ebenso beredt ist Mariechens abrupte Beendigung der Werbung für das J a ' , nicht nur, weil sie als Frau den politischen Männerdiskurs beendete, sondern vor allem, weil ein unangenehm konfliktbehaftetes Thema durch das Alltagsgespräch verdrängt wurde. In dieser Grundhaltung, welche die Harmonie entweder in der Vereinigung oder der Verdrängung von Widersprüchen sucht, steckte viel Saarländisches - und deshalb vieles von dem, was den Erfolg der „Saarlandbrille" ausmachte. Eine Polarisierung hätte die Sendung, gleich mit welcher politischen Einstellung, niemals auch nur bis 1955 überlebt, die Gunst der Zuhörer wäre ihr versagt geblieben. Selbst dort, wo die „Saarlandbrillanten" 6 7 einen Konfliktkurs fuhren, war der konsensfähig, weil er vom saarländischen C o m m o n Sense einer harmonischen Weltvorstellung bei gleichzeitiger Geißelung von Behördenwillkür oder Mietwucher getragen war. Wenn etwa Zick, Zack und Marieche auf ihre vielen Hörerbriefe eingingen, in denen über Behörden-
Vgl. in Bezug auf die .heiteren Mundartsendungen': Schwan, Rundfunk, S. 158. Für 1955 vermerkt Schwan allerdings, dass die „Saarlandbrille" „Sonntag für Sonntag massive Propaganda für die Befürworter des Saarstatuts" gebracht habe: Ebd., S. 170. 6 6 Manuskript von Fritz Weißenbach für die Sendung N r . 3 4 4 vom 2 3 . 1 0 . 1 9 5 5 , L A SB, N L Weißenbach 128. 6 7 So wurden sie oft genannt: A n o n y m u s , 1 Jahr Saarlandbrille, in: Illus, 1 . 7 . 1 9 4 9 Nr. 26, S. 8f. hi
154
Abb. i: Rumann
Paul Burgard
Morgengymnastik
mit Hörern
(von rechts): Fritz Weißenbach,
Gerdt Palmer und
Maria
willkür, den Schimmel im Finanzamt oder den Wucher eines Miethais geklagt wurde, konnte das Trio des Beifalls sicher sein. 6 8 Ihm gelang es, die gesamte hohe Weltpolitik ins Saarländische zu übersetzen, und so, durch die „Saarlandbrille" betrachtet, auch den Charme des künftigen Europa zu vermitteln. Denn dieses Europa bedeutete den Verzicht auf lästige Grenzen (und bei der Gelegenheit ließ sich dann auch über die Zustände an den eigenen Grenzen wettern), das hieß, dass alle friedlich, freundlich und nett zueinander sein würden, dass der Krieg ausgedient haben und der Wohlstand zunehmen würde. Im Grunde war Europa hier eine Erweiterung der saarländischen Gartenidylle, die Harmonie einer Kleingartenanlage, in der alle Zäune überflüssig geworden waren. Nahezu perfekt
68
N e b e n den H ö r e r b r i e f e n reagierte man auch auf e n t s p r e c h e n d e einschlägige M e l d u n g e n aus
P r e s s e u n d F u n k v o r O r t , w e l c h e die M e n s c h e n an der Saar a n s p r a c h e n . B e i s p i e l e f ü r B e h ö r d c n und H ö r e r k r i t i k an d e r „ S a a r l a n d b r i l l e " , L A S B , I n f A 4 2 ; A n o n y m u s , H i e r s p r e c h e n u n s e r e Leser. W a s soll das S a a r l a n d b r i l l e ? , in: S a a r l ä n d i s c h e V o l k s z e i t u n g , 9 . 1 . 1 9 5 1 N r . 7, S. 7. D i e p o l i t i s c h e P o lizei sah den E r f o l g d e r „ S a a r l a n d b r i l l e " darin, dass „ v o n d i e s e r Stelle aus in h u m o r i s t i s c h e r F o r m die W a h r h e i t gesagt w ü r d e . . . In d i e s e m Z u s a m m e n h a n g w i r d i m m e r w i e d e r der W u n s c h g e ä u s sert, dass endlich e i n m a l die m a s s g e b e n d e n Stellen diese H i n w e i s e v e r s t e h e n m ö c h t e n . " Z i t i e r t n a c h : P 6 - B e r i c h t , 1 3 . 1 1 . 1 9 4 9 , P r i v a t a r c h i v E d g a r H e c t o r ( P A H e c t o r ) , C a r t o n 2.
155
D i e Saarlandmacher
Abb.
6:
teilung, Sí'gny,
Die
Fübrunpmannschaft
Verwaltungsdirektor Chefredakteur
Harald
(von Edwin
links):
Müller,
Roeckmann,
Jean
Bernard
Generaldirektor Musikalischer
Scbiff, Gerard
Oberleiter
Leiter
der literarischen
[.ossoti, Dr. Rudolf
Sendeleiter Michl,
ca.
AbPierre 1948
s c h a f f t e es die „Saarlandbrille" d a m i t auch, d e n s c h e i n b a r e n H i a t u s z w i s c h e n H e i m a t - u n d E u r o p a s e n d e r zu ü b e r w i n d e n . D a s Schaffen einer I d e n t i f i k a t i o n der Saarländer mit ihrem Sender d u r c h das E i n g e h e n auf W ü n s c h e , Vorstellungen u n d B e f i n d l i c h k e i t e n der H ö r e r : Was im Falle der „Saarlandbrille" so v o r z ü g l i c h f u n k t i o n i e r t e , w a r in der Vorg ä n g e r s e n d u n g n a c h k n a p p zwei J a h r e n gescheitert. D a b e i w a r es nicht n u r der gleiche S e n d e p l a t z z u r damaligen besten Zeit u m 13 U h r am S o n n t a g m i t tag, d e n beide F o r m a t e teilten. A u c h das R o h m a t e r i a l f ü r die S e n d u n g , das aus H ö r e r b r i e f e n b e s t a n d , w a r gleich. 6 9 Von 1947 bis A n f a n g 1949 w a r es d e r Sendeleiter Pierre Séguv p e r s ö n l i c h , d e r d e n S o n n t a g n a c h m i t t a g mit der Send u n g „ H ö r e r b r i e f k a s t e n " einläutete u n d auf die Fragen u n d B e s c h w e r d e n der R u n d f u n k h ö r e r a n t w o r t e t e . K e i n e s w e g s weil der „ B r i e f k a s t e n o n k e l a m t s m ü d e " 7 0 g e w o r d e n war, w u r d e die S e n d u n g im F e b r u a r 1949 abgesetzt. V i e l m e h r stand Séguy z u m i n d e s t seit 1948 generell im K r e u z f e u e r des V e r w a l t u n g s -
'''' Vgl. z u I n s p i r a t i o n e n u n d Q u e l l e n f ü r d i e „ S a a r l a n d b r i l l e " : A r t i k e l L e o G r i e b l e r , L A SB, N I . W e i ß e n b a c h 6. " So d i e e u p h e m i s t i s c h e U m s c h r e i b u n g m : E b d .
156
Paul Burgard
rates. Erst 1951 kam es jedoch zur Trennung von Radio Saarbrücken. Sie sollte lange währen, bis in den 1960er Jahren ein fulminantes Comeback folgte, das Séguy schließlich zu einer Ikone des Saarländischen Rundfunks werden ließ. Was unterschied den später so erfolgreichen .Chansonier' und Briefmarkenonkel vom erfolglosen Briefkastenonkel der frühen Jahre? An der politischen Einstellung, die in der Frühzeit von Radio Saarbrücken zumindest offiziell vor allem eine Frage der politischen Einstellung zur NS-Zeit war, kann es unmöglich gelegen haben. Im Gegenteil: Der als Otto Robert Steinschneider geborene Wiener, der nach der Besetzung Österreichs vor den Nationalsozialisten fliehen musste, in der Résistance kämpfte und die französische Staatsangehörigkeit erhielt, kam 1947 vom französischen Besatzungssender im österreichischen Dornbirn über den Pariser Umweg zu Radio Saarbrücken, um nach einer kurzen Sender-Leitung Anfang 1948 die Sendeleitung, die erste von vier neu gegründeten Direktionen, zu übernehmen. 71 Nur zehn Monate später hieß es im Protokoll der Verwaltungsratssitzung: „Aucun des membres du Conseil n'est totalement satisfait de M. Segy [sic!], mais son départ est subordonné à son remplacement aux fonctions de Sendeleiter." 72 Der mögliche Nachfolger war bereits im Frühjahr als Leiter des Nachrichtendienstes und stellvertretender Sendeleiter engagiert worden und stand nun auch als Nachfolger Séguys zur Diskussion. 73 Es war der talentierte Journalist Fritz Malburg, auf den man durch seine Tätigkeit als Chefredakteur bei Radio Koblenz aufmerksam geworden war, den Generaldirektor und Verwaltungsrat vor der Übertragung größerer Aufgaben jedoch zunächst einmal als Zeitfunkchef erproben wollten. 74 Dennoch wurde Generaldirektor Losson bereits beauftragt, Séguy mitzuteilen, dass man seinen Vertrag nicht verlängern wolle und offiziell auf der Suche nach einem Nachfolger sei. Anfang 1949 war von Malburg keine Rede mehr. Der Posten des Chefredakteurs wurde inzwischen von Harald Boeckmann bekleidet, und Sendeleiter war nach wie vor - Pierre Séguy. In letzter Zeit, so heißt es im Verwal-
Organisationsüberblick bei: Schwan, Rundfunk, S . 4 5 f . N a c h Séguys eigenen Angaben wurde er im Februar 1947 nach Saarbrücken entsandt, um dort Charrin abzulösen, wurde dann - wegen seiner Jugend - im Juni von Gérard L o s s o n beerbt und hatte fortan den Posten des Programmverantwortlichen und Sendeleiters inne. Vgl. Pierre Séguy, Aus den Anfängen von Radio Saarbrücken, o. D . , Manuskript vom A u t o r 2003 an Rainer Hudemann übergeben. 7 2 Verwaltungsratsprotokoll, 8 . 1 0 . 1 9 4 8 , L A SB, S t K 1013, S. 6. 7 3 D i e entsprechende Korrespondenz, L A S B , I n f A 2. Malburg wurde offenkundig als Nachfolger Gaston Oulmáns schon in der Verwaltungsratssitzung v o m 1 0 . 4 . 1 9 4 8 in Paris verpflichtet. A u f O u l m á n s Fall ist noch zurückzukommen. 7 4 Ebd.: „M. Lawall, se référant à l'opinion de M. L o s s o n qui propose de donner à M. Malburg la direction du ,Zeitfunk', est d'avis de maintenir M. Segy jusqu'à ce qu'il soit pourvu à son remplacement." Malburg war später in Leitungspositionen beim S D R tätig. 71
Die Saarlandmacher
157
tungsratsprotokoll vom 14.Januar 1949, seien keine besonderen Beschwerden gegen seine Arbeit mehr laut geworden, und vielleicht deswegen folgten die Ratsmitglieder auch nicht den Vorstellungen ihres französischen Kollegen, den gerade erst zum Chefredakteur avancierten Boeckmann wieder abzulösen und ihm stattdessen die Funktionen von Séguy zu übertragen. Allerdings herrschte Einigkeit darüber, dass es „convient toutefois de lui [Séguy; Anm. d. Verf.] retirer l'émission Hörerbriefkasten dont il est l'auteur et qui est très critiquée des auditeurs." 7 5 Die relativ unvermittelt konkretisierte Kritik an Séguy, die zur Beendigung des „Hörerbriefkastens" und zur Geburt der „Saarlandbrille" führte, wirft die Frage auf, ob Séguys Entfernung vom Mikrofon eine Rüge seiner journalistischen Arbeit darstellte oder ob die zum ersten Mal substanzielle Kritik nicht Chiffre für etwas anderes war. Denn diese Episode fügte sich nahtlos ein in ein turbulentes Kapitel Saarbrücker Rundfunkgeschichte, in dem das Dilemma mit dem K o m m e n und Gehen von Direktoren und Redakteuren sowie dem Nicht-Kommen gewünschter Kandidaten und dem Nicht-Gehen unerwünschter Journalisten nicht enden wollte. Ausgerechnet das Jahr 1948, das erste Jahr in autonomer saarländischfranzösischer Verwaltung, brachte eine große personalpolitische Krise.
4.2 ,Saarlandisierung'
des Personals
Personalpolitik war in diesen Aufbaujahren des Radios keine leichte Aufgabe. Das galt für alle deutschen Sender, aber für Radio Saarbrücken in ganz besonderem Maße. D e r Kreis der professionellen Kulturschaffenden, die für den Radioaufbau im Nachkriegsdeutschland in Frage kamen, war ohnehin sehr überschaubar. U n t e r ihnen jemanden zu finden, der darüber hinaus dem besonderen Profil des Saarbrücker Funkhauses in diesem besonderen, zwischen Frankreich und Deutschland heranwachsenden Saarstaat gerecht werden konnte, erschien eigentlich als eine Aufgabe, die von vorneherein fast zum Scheitern verurteilt war. Zumal Radio Saarbrücken angesichts seiner begrenzten finanziellen Ausstattung im Vergleich zu fast allen anderen A n stalten Deutschlands nur sehr karge Gehälter bieten konnte. So war die starke Fluktuation des leitenden Personals während der ersten Jahre von Radio Saarbrücken kaum erstaunlich. Immerhin fehlte es nicht an ernsthaften Bewerbungen für alle Positionen, vom Sendeleiter bis zum Redakteur für die landwirtschaftlichen Ratgebersendungen. 7 6 Trotz der zahlProtokoll der Sitzung vom 1 4 . 1 . 1 9 4 9 in Saarbrücken, L A SB, StK 1012, S. 8. Einige dieser Bewerbungen sind erhalten, L A SB, InfA 2. U n t e r anderem die des späteren ,Äppelwoi-Wirtes' Heinz Schenk, der sich am 1 8 . 2 . 1 9 4 8 im Informationsamt bei Albert Dorscheid bewarb (als .erster deutscher Geschäftsführer von Radio Frankfurt im D e z e m b e r 1945' stellte er sich vor) und später bei Tele-Saar seine Fernsehkarriere im Saarland beginnen sollte. 75
7b
158
Paul Burgard
reichen Bewerber gab es immer wieder Fehlschläge, die sich vor allem im politisch relevanten Sendebereich häuften. Der erste Chefredakteur v o n Radio Saarbrücken, August Peter Stern, dem wir bereits oben v o r der Eröffnung des Senders begegnet sind, blieb nicht lange, angeblich wegen Meinungsverschiedenheiten mit der französischen Saarpolitik. 77 Sein Nachfolger war ein Herr Bretz, dem 1947 Clemens K o r t h folgte; er verblieb nach seiner Absetzung (?) als politischer Chefredakteur noch einige Zeit bei Radio Saarbrücken als verantwortlicher Redakteur für Literatur- und Musiksendungen. 78 Worauf Korths unterschiedliche Abgangstermine als politischer und kultureller Redakteur von Radio Saarbrücken auch immer zurückzuführen sein mögen: Im Herbst 1947 saß auf dem Posten des Chefredakteurs ein Mann, der als schillerndste Persönlichkeit überhaupt in die SR-Geschichte eingegangen ist. Als Gaston Oulmán in der Wartburg mit seiner Arbeit begann, wusste im Saarland vermutlich niemand so recht, wer da wirklich verpflichtet worden war. 79 Manche mochten den ,Kubaner', angeblich ein Opfer nationalsozialistischer Verfolgung, vielleicht noch als Kommentator des „Bayerischen Rundfunks" (BR) in Erinnerung haben, für den er im Auftrag der Amerikaner die Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesse begleitet hatte. Damit hatte Oulmán Berühmtheit im deutschen Nachkriegsradio erlangt, vor allem durch seine Vorverurteilungen aller Angeklagten, die ihm im „Spiegel" später den Namen des „Nürnberger Nach-Richters" einbrachten, doch ihm andererseits womöglich den Zugang zum Radio im antinazistischen Saarland Klaus Altmeyer, Rundfunk im Saarland. Vom Besatzungssender zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in privater Konkurrenz, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1947-1972, Saabrücken 1972, S.61-67, hier S. 62. Uber Stern und seinen raschen Weggang nach München auch: Albert Arthur Müller, 10 Jahre Radio Saarbrücken, in: Saarbrücker Allgemeine Zeitung, 10.3.1956 Nr. 60, S. 3. 78 Ein Problem der Analyse der frühen SR-Geschichte ist neben der lückenhaften Uberlieferung die ungenaue und teilweise widersprüchliche Darstellung in unterschiedlichen Publikationen. Altmeyer lässt auf Stern bereits „F. Korth" folgen: Altmeyer, Rundfunk, S.62. Bernhard Schiff spricht in seinen persönlichen Erinnerungen von der Doppelfunktion Korths als Verantwortlicher für Musik und Literatur: Bernhard Schiff, Der Rundfunk nach dem Krieg. Die ersten Jahre aus der Sicht der literarischen Abteilung, in: Saarheimat 12, 1985, S. 306-310, hier S.306f. Schwan hingegen schiebt Herrn „Bretz" zwischen Stern und Korth in der Reihe der (politischen) Chefredakteure: Schwan, Rundfunk, S. 134, Anm. 652. Jedenfalls gab es, entgegen den späten Erinnerungen Pierre Séguys, vom ersten Tag an - dokumentarisch verbürgt - einen Chefredakteur bei Radio Saarbrücken. 77
Informationen über Gaston Oulmán alias Walter Ullmann: Anonymus, Gaston in allen Gassen, in: Der Spiegel, 10.4.1948 Nr. 15, S. 21 ; Anonymus, Lebhaftes Spielzeug, in: Der Spiegel, 30.1.1952 Nr. 5, S. 10. A m 4.7.1970 erschien über Oulmán eine Reportage in der Illustrierten „Quick", vier Tage später eine ZDF-Dokumentation unter dem Titel „Das Chamäleon". Acht Jahre danach brachte Maximilian Alexander über Oulmán, der sich als einer der größten Hochstapler im Nachkriegsdeutschland entpuppt hatte, einen dokumentarischen Roman heraus: Maximilian Alexander, Das Chamäleon. Der Mann, der sich Dr. Gaston Oulmán nannte, Hamburg 1978. Vgl. auch die Angaben bei: Schwan, Rundfunk, S. 135 f. 79
Die Saarlandmacher
159
erleichtert haben. Dass Oulmáns Gastspiel bei Radio Saarbrücken nur von kurzer Dauer war, hatte natürlich nichts mit seiner vermeintlich klaren N S Gegnerschaft und vielleicht noch nicht einmal mit fehlender journalistischer Kompetenz zu tun. Es waren vielmehr seine wahre Identität und seine tatsächliche Vergangenheit, die ihn zu Fall und damit wahrscheinlich auch die ein oder andere weitere Personalie bei Radio Saarbrücken ins Rollen brachten. D e r .Kubaner' Oulmán mit dem amerikanischen Pass hieß in Wahrheit Walter Ullmann alias J o Lehrmann, war schon in den 1920er Jahren rechtskräftig zu Zuchthausstrafen verurteilt worden und hatte nach dem Krieg mit Hilfe eines weit gespannten Beziehungsnetzes, zu dem unter anderem ein korrupter amerikanischer Entnazifizierungsoffizier gehörte, eine international agierende Hehler- und Schieberbande aufgebaut. Nicht auf dem Kampf gegen alte Nazis, sondern auf Gewinnen durch kriminelle .Entnazifizierungs'-Geschäfte gründete Oulmáns schillernde Existenz. 8 0 Die politischen Unkorrektheiten, die er als Chefredakteur von Radio Saarbrücken beging zuerst forderte die SPS-Fraktion in einem Brief an Hoffmann die sofortige Entfernung des „Sprechers U l l m a n n " , weil er „sinnentstellende Meldungen" über die französisch-saarländischen Verhandlungen und die Position Gilbert Grandvals gebracht habe, Mitte Mai wurde ihm die Publizierung des H o m burger Studentenstreiks an den Nachrichtenredaktions-Regeln vorbei zur Last gelegt - , werden jedenfalls kaum zu seiner Verhaftung und späteren Abschiebung durch die Sûreté geführt haben. 8 1 Wahrscheinlicher ist, dass die Franzosen um Schadensbegrenzung bemüht waren; schon Anfang Mai hatte das H o h e Kommissariat eine möglichst baldige Beendigung des Dienstverhältnisses angemahnt.
N a c h Angaben des Spiegel hielt O u l m á n mit Hilfe seines N a m e n s und seiner Beziehungen seine schützende Hand über die Kunst- und Immobilienbesitztümer ehemaliger Nazis, eine .Dienstleistung' für die er ebenso entlohnt wurde wie für das Beschaffen von .Persil-Scheinen', die er über den amerikanischen Entnazifizierungsoffizier Baer erwirkte; außerdem machte er Geschäfte durch das Verschieben von Kunstschätzen. Vgl. Anonymus, Gaston in allen Gassen, in: D e r Spiegel, 1 0 . 4 . 1 9 4 8 Nr. 15, S . 2 1 ; A n o n y m u s , Lebhaftes Spielzeug, in: D e r Spiegel, 3 0 . 1 . 1 9 5 2 Nr. 5, S. 10. 80
D i e Schreiben zur Auseinandersetzung um Oulmán, L A SB, S t K 647. Die kausale Verbindung zwischen der Meldung zum Studentenstreik und der Verhaftung Oulmáns bei: Schwan, R u n d funk, S. 167, vermutlich in Anschluss an: Albert Arthur Müller, 10 Jahre Radio Saarbrücken, in: Saarbrücker Allgemeine Zeitung, 1 0 . 3 . 1 9 5 6 Nr. 60, S.3; Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S . 5 6 7 ; ebd., Bd. 2: Entfaltung der Saarpolitik zwischen „Wirtschaftsanschluß und Europäisierung" 1945-1953, S. 658, A n m . 96. Z u m Studentenstreik, der Rolle des S R sowie den Interventionen der Sûrete: J o a chim Heinz, Aus der Gründungszeit der Universität des Saarlandes - D e r H o m b u r g e r Studentenstreik im Mai 1948, in: Rainer H u d e m a n n / A r m i n Heinen, Universität des Saarlandes 1948-1988, Saarbrücken 1989, S. 63-72; Wolfgang Müller, Studentische Impressionen aus den frühen Jahren der Universität des Saarlandes, Saarbrücken 2006, S. 17-23; Franz-Josef Zapp, Erinnerungen an die Anfänge der Medizinischen Fakultät, in: Karl D o m a n o w s k y u.a., Universität des Saarlandes. Beiträge zur Gründungsphase aus studentischer Sicht, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend ( Z G S ) 41, 1993, S . 2 2 8 - 2 4 5 , hier S . 2 3 5 - 2 3 7 . 81
Paul B u r g a r d
Abb. 7:
Regieraum
5 mit Blick auf Sprecherraum
5 (links) und Sendesaal
4 (rechts)
Z u r Staatsaffäre w u r d e der Fall O u l m á n f ü r den S R aber o f f e n b a r erst d u r c h die persönliche B e z i e h u n g des Hochstaplers zu Generaldirektor Losson, d e r i h m w o m ö g l i c h a u c h d e n W e g n a c h S a a r b r ü c k e n g e e b n e t hatte, als er recht eilig die a m e r i k a n i s c h e B e s a t z u n g s z o n e verlassen m u s s t e . In e i n e m C l e m e n s K o r t h z u g e s c h r i e b e n e n B r i e f v o m 1. S e p t e m b e r 1 9 4 8 a n d i e M i s s i o n D i p l o m a t i q u e in S a a r b r ü c k e n w u r d e ein r e g e l r e c h t e s V e r s c h w ö r u n g s s z e n a rio entwickelt: „Der H e r r Generaldirektor ist v o l l k o m m e n in den H ä n d e n dieses internationalen Hochstaplers sowie von zwei weiteren Angestellten des R u n d f u n k s , des Sendeleiters und des Redakteurs B., die M i t w i s s e r von den Beziehungen der Familie L. zu diesem Hochstapler sind. Ich hatte das U n g l ü c k , Herrn L. vor diesem Hochstapler zu w a r n e n und ihn über die finstere Persönlichkeit des Oui. aufzuklären ... Da man an meiner Arbeit nichts aussetzen kann, versucht man in anderer Weise gegen mich zu intrigieren. M a n greift in der übelsten F o r m meinen Lebenswandel an, man scheut vor keiner Verleumdung zurück. U n d die vier bewussten Herren L., S., Oui. und B. sind sich in ihrem Kampfe gegen mich restlos einig und scheuen vor keinem Mittel z u r ü c k . " 82
Brief Korths an M i s s i o n D i p l o m a t i q u e , 1 . 9 . 1 9 4 8 , L A SB, I n f A 2: Eine maschinenschriftliche A b s c h r i f t ist erhalten. Der Briefkopf enthält die handschriftliche B e m e r k u n g „Dr. Kordt [sie!] (Rundfunk)". 1,2
D i e Saarlandmacher
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Die Verwaltungsratsprotokolle der Jahre 1948/1949 zeigen, dass die Positionen der hier angesprochenen Personen Oulmán, Séguy, Bader, Losson und schließlich Korth selbst zu diesem Zeitpunkt in der Tat auf unterschiedliche Weise in Frage gestellt waren. Clemens Korth war seit dem Frühjahr 1948 Plagiatsvorwürfen ausgesetzt, und es war Generaldirektor Losson, der in der Verwaltungsratssitzung vom Oktober darauf drängte, seine Kündigung zu bestätigen. 83 Heinz Bader, Redakteur für Kabarett und Hörspiel, sollte den Sender mit seinem Verhalten öffentlich in Misskredit gebracht haben, was nach dem vergeblichen Versuch, ihn selbst zur Kündigung zu veranlassen, zu seiner Entlassung Anfang 1949 führte. 8 4 Von den bis 1951 gescheiterten Bemühungen, Séguy abzulösen und seine Position neu zu besetzen, war bereits die Rede. Schließlich erklärte auch der erst anderthalb Jahre lang amtierende Generaldirektor Losson am 7. Oktober 1948 seinen Rücktritt zum 15.Juli 1949. Ein überraschender Rückzug, sowohl für die saarländischen wie für die französischen Mitglieder des Verwaltungsrates - mit Ausnahme vielleicht von Frédéric Billmann, der als Informationschef der Mission Diplomatique schon bereit stand und auf der Ratssitzung am 6. November 1948 zum Nachfolger Lossons gewählt wurde. 8 5 Wie das Personalgewitter des Jahres 1948 auch zu bewerten ist, jedenfalls dürften die Turbulenzen, die diese Affäre ausgelöst hatte, die Verantwortlichen im Saarland auf ihrem neuen Kurs bestätigt haben, führende Positionen bei Radio Saarbrücken künftig vor allem mit Saarländern zu besetzen. Das entsprach der politisch-programmatischen Philosophie des Senders im teilautonomen Saarstaat, wie sie auch der Ministerpräsident in seinen Reden immer wieder anklingen ließ. 86 Albert Dorscheid, Leiter des Informationsamtes bis Oktober 1950 und damit wichtigster Verbindungsmann zwischen Rundfunk und Regierung, wurde in seinen Überlegungen über „die Aufgaben von Radio Saarbrücken" noch deutlicher: „Zur L ö s u n g einer solchen Aufgabe braucht man Mitarbeiter, die selber dem Lande entstammen und es in allen seinen Verwobenheiten, in all seinen feinsten Faserungen kennen und es wahrhaft lieben. Die besten Saarländer müßten als Mitarbeiter für
V e r w a l t u n g s r a t s p r o t o k o l l e , 8 . 1 0 . 1 9 4 8 und 1 4 . 1 . 1 9 4 9 , L A S B , S t K 1013, S. 5, 7. O b die V o r w ü r fe gegen K o r t h fundiert o d e r lanciert w a r e n , lässt sich nicht m e h r b e w e i s k r ä f t i g nachvollziehen; d a s s solche .Plagiate' gerade im R u n d f u n k rasch entstehen k o n n t e n , hat f ü r diese Zeit beim S R B e r n h a r d Schiff in s e i n e m B e i t r a g illustriert: Schiff, D e r R u n d f u n k nach d e m K r i e g . Vgl. auch die B e l a s t u n g e n K o r t h s in einem Brief des S c h w e i z e r Schriftstellerverbandes: L A S B , I n f A 2. 8 4 V e r w a l t u n g s r a t s p r o t o k o l l , 8 . 1 0 . 1 9 4 8 , L A S B , S t K 1013, S. 7: „ M . B a d e r d o n n e prise à des critiques de nature à créer u n e i m p r e s s i o n f â c h e u s e qui rejaillit sur la r e n o m é e d u poste. D e plus, M . B a d e r a p r o f é r é des p a r o l e s inconsidérées a b s o l u m e n t i n a d m i s s i b l e s . " Vgl. z u r R o l l e B a d e r s beim S R : Schiff, D e r R u n d f u n k nach d e m K r i e g , S . 3 0 6 . 8 5 V g l . z u B i l l m a n n den B e i t r a g v o n A n d r e a s F i c k e r s in d i e s e m B a n d . 8 6 E t w a in einer R u n d f u n k a n s p r a c h e z u m 14.Juli 1948, L A S B , I n f A 131, S. 1. 83
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Radio Saarbrücken gerade gut genug sein. Wer das Land nicht kennt, kann nicht aus ihm gestalten. Wer das Land nicht liebt, kann seinen Pulsschlag nicht erfühlen. Wem die Rundfunkarbeit nur gewinnbringende Beschäftigung ist, kann das Herz der Saarländer kaum finden."87 Die Latte für einen ,richtigen' Mitarbeiter der perfekten Saarlandwelle war damit hoch gelegt - zumal angesichts des doppelten Ziels, gleichzeitig Heimat- und Europasender zu sein. Nicht umsonst befürchteten Mitglieder des Verwaltungsrates, dass eine zu starke Fokussierung auf das Saarland borniert wirke und eine europäische Öffnung eher verhindere. 88 Dennoch wurden fortan saarländische Herkunft, saarländische Staatsbürgerschaft oder zumindest ein irgendwie gearteter saarländischer Kontext zu zentralen Argumenten bei Bewerbungen und Einstellungen von Radio Saarbrücken. Das kam den Bewerbungen ehemaliger Mitarbeiter des Reichssenders Saarbrücken entgegen, die ungeachtet ihrer möglichen parteipolitischen Vergangenheit als Sprecher oder Sänger, als Techniker oder verantwortliche Redakteure eine neue berufliche Heimat am alten Ort suchten. Bisweilen erhielten sie dabei die Unterstützung von höchster Stelle, wie etwa der Messingenieur Hans Bleymehl, der beim alten Reichssender Saarbrücken während dessen gesamter Sendezeit gearbeitet hatte, seit 1935 Parteimitglied gewesen war und dessen Neueinstellung nun vom Ministerpräsidenten begrüßt wurde. 89 Andere Bewerber, die sich nicht als Saarländer vorstellen konnten, zitierten ihre durch frühere Rundfunkauftritte erzielte Bekanntheit im Saargebiet, verwiesen auf ihre Frankophilie oder auf ihre kulturelle Nähe zum Saarland. 90 Es gab andererseits gebürtige Saarländer, zum Beispiel den Dirigenten Hans Bund, denen trotz eines hervorragenden Rufes und prominenter politischer Fürsprache die Rückkehr an ihren Heimatsender nicht gelang, vermutlich, weil die von ihnen anvisierte Position bereits besetzt war. Wiederum andere erfüllten zwar das Anforderungsprofil und bewarben sich für einen vakanten Posten, wurden aber - zumindest offiziell - als NichtSaarländer nicht genommen. 91
Albert Dörscheid, D i e Aufgaben von R a d i o Saarbrücken, L A SB, I n f A 42, S . 3 . Vgl. die Anmerkungen von Ratspräsident Eric de Carbonnel sowie den Räten Brunschwig und Kirschweng in der Sitzung vom 6 . 1 1 . 1 9 4 8 : Protokoll, L A S B , S t K 1 Ol 3, S. 5. 87 88
Brief Bleymehls an H o f f m a n n , 3 1 . 5 . 1 9 4 8 , L A S B , I n f o A 2. So die Bewerbungen von Franz Schaeffer vom 1 1 . 1 . 1 9 4 8 ( „ O b w o h l ich in Berlin geboren bin, stammt meine Familie aus Baden. Ich selbst habe stets die badische Staatsangehörigkeit besessen und längere Zeit in Süddeutschland gelebt, ich bin daher mit dem südwestdeutschen Wesen durchaus vertraut") oder von O.W. Studtmann v o m 2 8 . 2 . 1 9 4 8 : E b d . 89
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Das galt etwa für den Grafen Alegiani, der sich aus seiner Position als stellvertretender Intendant von Radio Bremen nach Saarbrücken bewarb: Schreiben, 3 0 . 4 . 1 9 4 8 , L A S B , I n f o A 2. Hans Bund, gebürtiger Neunkircher, erfolgreicher Dirigent vieler Rundfunkorchester und damals am Sender K ö l n engagiert, wollte die R ü c k k e h r ins Saarland als „musikalischer Oberleiter" mit Hilfe
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Dass man auf dem Weg über den Rundfunk buchstäblich zum Saarländer gemacht werden konnte, zeigen weitere Beispiele aus den Akten. Das geschah zum einen auf eine eher implizite Weise, etwa im oben thematisierten Fall Malburg. Albert Dorscheid begründete damals die Schwierigkeiten bei der Verpflichtung des Kandidaten: „Es fehlt dem Rundfunk Saarbrücken ein Sendeleiter, der neben den organisatorischen und funkischen [sie!] Erfahrungen, künstlerischen Begabungen und grosser Initiative eine bis ins Subtile gehende Kenntnis der saarländischen Verhältnisse, der Menschen und Kultur des Landes und darüber hinaus das nötige politische Fingerspitzengefühl besitzt." Lakonisch bemerkte Johannes Hoffmann am Rande dieser an ihn gerichteten Zeilen: „Ich bestehe auf sofortiger Berufung Malburgs als Sendeleiter." Nachdem Generaldirektor Losson in einem Gespräch klar gemacht hatte, dass eine solche Berufung nur durch das Votum des Verwaltungsrats erfolgen könne, wies Dorscheid in seiner Vorlage für die Ratssitzung am 10. April auf die Ansicht Hoffmanns hin, unter Malburgs Sendeleitung eine Synthese zwischen europäischem und saarländischem Programm realisieren zu können, und ergänzte, dass „die Verflechtung Dr. Malburgs mit der Saar und seine Kenntnis des rheinischen Milieus, also der Mentalität eines größeren für die Saarbrücker Sendungen empfänglichen Publikums, ... überdies ein besonderer Vorzug" sei.92 Bei anderen Kandidaten für höhere Amter reichte die alte Verbindung zum Rheinland nicht aus, um saarländische Identität herzustellen. Meist wurde erwartet, dass ein Auswärtiger die saarländische Staatsbürgerschaft beantragte, bevor er eine Führungsposition - etwa als Abteilungsleiter - erhielt. Der Schlagerkomponist Michael Jary, der Anfang der 1950er Jahre die musikalische Unterhaltung von Radio Saarbrücken inner- und außerhalb der Wartburg verantwortlich gestalten sollte, ist dafür ein Beispiel. Vier Jahre später waren es Oskar Möbius und Heinrich Kalbfuß, deren Ernennung zu Abteilungsleitern für Hörspielplanung bzw. für Jugend- und Schulfunk erst vollzogen wurde, nachdem sie erfolgreich die saarländische Staatsbürgerschaft beantragt hatten. 93 Wenn das Problem fehlender Saarländer in den Führungsetagen von Radio Saarbrücken öfter politisch als kulturell gelöst werden musste, dann hatte das vor allem einen Grund: den Mangel an saarländischen Kandidaten, die Bartholomäus K o ß m a n n s realisieren, aus dessen E p p e l b o r n e r H e i m a t o r t auch die A h n e n Bunds stammten: Schreiben, 2. u n d 14.6.1948 sowie illustrierter Zeitungsausschnitt über Bund, ebd. 92 Die entsprechenden Schriftwechsel, L A SB, I n f o A 2. Dass Malburg t r o t z des ultimativen .Wunsches' des Ministerpräsidenten v o m Verwaltungsrat nicht z u m Sendeleiter berufen w u r d e (vgl. oben), spricht f ü r die A u t o n o m i e des R u n d f u n k r a t e s in wichtigen Entscheidungen und zeigt die G r e n z e n politischer Interventionsmöglichkeiten d u r c h die Politik auf. 93
Niederschrift der Personalkommission von Radio Saarbrücken, 15.3.1954, L A SB, StK 2239.
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für eine solche Position geeignet waren. Umso energischer betrieb man die Einstellung, wenn sich profilierte Saarländer anboten. Der prominenteste dieser Fälle war sicherlich Alexander Schum, seit Mai 1951 Programmdirektor von Radio Saarbrücken. Der gebürtige Neunkircher hatte seit den 1920er Jahren eine Karriere als Schauspieler, Dramaturg, Oberspielleiter, Regisseur und Intendant gemacht, die ihn auf zahlreiche Bühnen zwischen Dresden, Berlin und Düsseldorf geführt hatte. Der ausgezeichnete künstlerische Ruf, den Schum sich erworben hatte, wurde offenbar nicht durch seine politisch problematische Intendanz am Braunschweiger Staatstheater zwischen 1934 und 1945 getrübt; als .formelles Parteimitglied' wurde er nach 1945 in Stufe V als ,Entlasteter' eingestuft. 94 Zum Zeitpunkt seiner Bewerbung in Saarbrücken war Schum stellvertretender Intendant an der Düsseldorfer Oper, wo er unter anderem als Oberspielleiter bei Gustav Gründgens gewirkt hatte. Obwohl er über keinerlei Radioerfahrung verfügte, glaubte man daher in Saarbrücken, in ihm den geeigneten Kandidaten für die künstlerische Direktion des Senders gefunden zu haben. Die Dringlichkeit des Wunsches, einen Saarländer für einen Direktionsposten zu gewinnen, zeigt bereits das Vorgehen vor dem Vertragsabschluss. Die Programmdirektion, die 1950 eigens geschaffen worden war, um Sendeleiter Séguy gewissermaßen auf stillem Weg von dieser Führungsaufgabe zu entbinden, leitete im Frühjahr 1951 noch der Münchener Fritz Wim Wallenborn. 95 Ihn hatte man im vorangegangenen Herbst für eine Probezeit von zunächst drei Monaten engagiert, in der jedoch rasch Kritik an seiner zu ,unsaarländischen' Personal- und Programmpolitik laut wurde. 96 Am 10. März 1951 wurden daher im Auftrag der saarländischen Mitglieder des Verwaltungsrats und mit dem Einverständnis des Ministerpräsidenten die Ratsmitglieder Hans Wobido und Johannes Kirschweng nach Münster entsandt, um mit Alexander Schum persönlich Kontakt aufzunehmen. Zwölf Tage später trafen sich die Tabellarischer Lebenslauf Schums, L A S B , I n f o A 412; weitere Informationen: Vermerk des Verwaltungsrats Wobido, 1 2 . 3 . 1 9 5 1 , L A S B , I n f o A 2. 9 5 Wallenborn ist nur einer von mehreren bayerischen Mitarbeitern in diesen frühen SR-Jahren (unter ihnen zum Beispiel auch O u l m á n , Wilm ten Haaf, Werner Eckhardt), und auch der Programmaustausch zwischen bayerischem und saarländischem Rundfunk funktionierte in dieser Zeit offenkundig viel besser, als es die Annahme eines ,französischen Senders' vermuten lässt. Reportagen des politischen Chefredakteurs Harald B o e c k m a n n ( 1 9 4 8 - 1 9 5 2 ) wurden selbst von Radio Stuttgart gebracht, dem Sender, der ansonsten als .deutscher' Antipode der Wartburg galt. Vgl. A n o n y m u s , Von Propheten und einsamen Liebenden, in: F u n k w o c h e , 2 4 . 2 . 1 9 5 0 Nr. 8, S. 5. 9 6 Ausdrücklich wird in einem Brief des Informationsamtes an Billmann von Seiten des Ministerpräsidenten moniert, dass „in zunehmendem Masse in letzter Zeit auswärtige Kräfte herangezogen w e r d e n " , dass U n k o s t e n hätten vermieden und „saarländischen Künstlern eine bessere Existenzmöglichkeit hätte gegeben werden k ö n n e n " und „unter keinen Umständen gebilligt werden kann, dass durch den Programmdirektor, Herrn Wallenborn, derartige Ausgaben, die nicht notwendig sind, verursacht werden". Schreiben H o p p e an Billmann, 6 . 3 . 1 9 5 1 , L A S B , I n f o A 4. 94
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saarländischen Rundfunkräte und Verwaltungsdirektor Edwin Müller zur üblichen Abstimmung der saarländischen Position erneut im Landtag. Bevor eine Kündigung an Wallenborn ausgesprochen worden war und überhaupt eine dafür notwendige Verwaltungsratssitzung stattgefunden hatte, wurden hier bereits die Eckdaten des künftigen Anstellungsvertrages mit Schum festgeklopft. Damit wurden praktisch vollendete Tatsachen geschaffen, die auch den französischen Generaldirektor befremdeten. Denn es galt nicht nur, dem Amtsinhaber Wallenborn bis zum Monatsende zu kündigen. Auch das gegenüber Schum gezeigte, bis dahin einzigartige Entgegenkommen in Gehalts-, Versorgungs- und Vertragsdauerfragen war bemerkenswert. In der Verwaltungsratssitzung konnte sich Billmann am 13. April 1951 nur hinsichtlich der Gesamtvertragsdauer gegen die saarländische Fraktion durchsetzen. Statt wie von Schum gewünscht (und ihm von den Saarländern zugesagt) auf drei sollte der Vertrag nur auf zwei Jahre befristet werden - schließlich besaß selbst der Generaldirektor keinen länger laufenden Kontrakt. 9 7 Der Glücksfall Schum zeigte nicht nur die personellen und programmatischen Fortschritte bei der ,Saarlandisierung' von Radio Saarbrücken. Er demonstrierte auch an einem besonders eindrücklichen Beispiel, wie viel Entscheidungsmacht das Saarland bei konzertierten Aktionen von Verwaltungsräten und Regierung in Radiofragen bereits zu diesem relativ frühen Zeitpunkt haben konnte. Freilich war diese Entwicklung durchaus auch im Sinne der an Radio Saarbrücken beteiligten Franzosen, die hier keinen Stein in den Weg legten. G a n z im Gegenteil gab Jacques Meyer, der wohl engagierteste französische Verwaltungsrat in den Aufbaujahren von Radio Saarbrücken, „seiner Freude darüber Ausdruck, dass der Bewerber ein Saarländer sei und dass er einen solchen künstlerischen Ruf gemesse", und er unterstützte gemeinsam mit seinen französischen Ratskollegen auch - gegen die Bedenken Billmanns - die sofortige Festanstellung Schums. 98 Schon mehr als ein Jahr vor der formal-juristischen .Machtübernahme' durften die Saarländer also demonstrieren, dass sie Herren im eigenen R u n d f u n k h a u s waren.
4.3 Gesetz oder
Konvention?
Es blieb dennoch ein schwieriger Weg bis zu dem Tag, an dem sich der R u n d f u n k auch offiziell .saarländisch' nennen durfte. Schon seit Ende der 1940er 97
Verwaltungsratsprotokoll, 13.4.1951, SR-Archiv, O r d n e r Protokolle, besonders S.6-9. Schreiben an Schum, 28.3.1951, LA SB, I n f A 2: Wie weit sich die saarländischen Mitglieder des Verwaltungsrates mit ihrem eigenständigen Engagement vorwagten, zeigt P u n k t 5 des Schreibens an Schum v o m 28.3.1951 (also zwei Wochen vor der entscheidenden Sitzung), in dem sie erklären, dass sie ihre A b m a c h u n g e n als eine „bindende Verpflichtung" betrachteten. 98 Verwaltungsratsprotokoll, 13.4.1951, SR-Archiv, O r d n e r Protokolle, S.7f.
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Jahre hatten sich die Klagen über den unsicheren Rechtsstatus von Radio Saarbrücken gehäuft. Ein Defizit, das nicht nur angesichts der neu entstandenen öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten in Westdeutschland und der damit wachsenden Kritik an einem de jure immer noch französischen Besatzungssender im Saarland ins Auge fiel, sondern auch ganz konkret bei der Alltagsarbeit vor Ort störte, ob es um Steuerfragen, institutionelle Kooperationen oder arbeitsrechtliche Bestimmungen ging." Im ersten Halbjahr 1950 begannen die Arbeiten an einem neuen Fundament für das saarländische Rundfunkwesen. Ministerpräsident Hoffmann favorisierte von Anfang an eine gesetzliche Lösung, innerhalb derer die saarländische Regierung mehrheitlicher Anteilseigner einer staatlichen Rundfunkgesellschaft werden und das Recht zur Genehmigung sowie zum Betrieb von Sendeanlagen erhalten sollte. 100 Das Hohe Kommissariat favorisierte hingegen eine franko-saarländische Konvention in der Rundfunkfrage, entsprechend der französischen Saarpolitik in dieser Zeit, die offiziellen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Saarland in solcher Form zu definieren. 101 Erst in der Sitzung der Rundfunk-Unterkommission am 24. Oktober 1950 wurde die Formfrage entschieden. Für diese erste Zusammenkunft der saarländischen und französischen Beamten, der elf weitere bis zum Februar 1951 folgen sollten, lagen noch je ein Gesetzes- und Konventionsentwurf vor. Doch bereits nach der letzten Hauptkommissionssitzung am 16. Oktober hatten Hoffmann und Grandval sich auf die Form einer Konvention geeinigt. 102 Als die Genehmigung des mühsam ausgearbeiteten Kommissionsentwurfs durch die Regierung nur noch eine Formsache zu sein schien, erteilte der Ministerrat dem Kommissionsvorsitzenden überraschend den Auftrag nachzuforschen, ob die Regelung nicht doch durch ein saarländisches Gesetz erfolgen könne, ohne damit bereits eine Entscheidung treffen zu wollen, „ob endgültig die Form der Konvention oder die des Gesetzes zu Vgl. zum Beispiel den Brief des Verwaltungsdirektors Müller an Hoffmann, in dem er am 5.3.1952 das Fehlen des definitiven Statuts beklagt, was beim Personal die Unruhe wachsen lasse: L A SB, StK 1012. 100 Schwan, Rundfunk, S.97, basierend auf den Niederschriften der Sitzungen der R u n d f u n k k o m mission sowie der Rundfunkunterkommission: Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche, Colmar ( A O F A A ) : Haut Commissariat de la République française en Sarre, Mission juridique ( H C Sarre, Jur), 221. 101 Vgl. Winfried Schumacher, Konventionsverhandlungen - Kristallisationspunkt saarländischer Politik, in: Stadtverband Saarbrücken, Hg., Von der .Stunde 0' zum ,Tag X ' . Das Saarland 19451959. Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloss, Merzig 1990, S. 131-142; Heinen, Saarjahre, S.348-359; Schmidt, Saarpolitik, Bd.2, S.239-249. 1 0 2 Diesen Sachverhalt teilte Informationschef H o p p e den Unterkommissionären erstaunlicher Weise erst mit, nachdem diese schon den saarländischen und den französischen Entwurf miteinander zu vergleichen begonnen hatten: Niederschrift über die Sitzung der Rundfunkkommission, 24.10.1950, A O F A A , H C Sarre, Jur, 221. 99
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wählen sei". 1 0 3 Die vorsichtige Formulierung zeigt, dass die Saarländer, anders als Schwan es darstellte 1 0 4 , natürlich nicht aus eigener Machtvollkommenheit eine solche Kehrtwende vollziehen konnten. Vermutlich hat erst das persönliche Treffen zwischen Johannes Hoffmann und dem französischen Außenminister Robert Schuman am 19. August in Metz das Einverständnis mit dem Gesetzesweg erwirkt, nachdem der Ministerpräsident versichert hatte, dass ein saarländisches Gesetz den Franzosen die gleichen Garantien einräumen würde wie eine französisch-saarländische Konvention. Erst danach konnte nochmals eine Rundfunkkommission zusammentreten und bis zum Jahresende eine Gesetzesvorlage erarbeiten, welche - nach Aufnahme von drei Änderungswünschen - auch die französische Billigung fand. Warum ein so später und unvermittelter Kurswechsel? Vielleicht war es die generelle Kritik an der Konventionspolitik, die ständig zunahm, weil sie in der öffentlichen Meinung nicht die Autonomie des Saarlandes gestärkt hatte, sondern im Gegenteil die Dominanz Frankreichs zementiert zu haben schien. In dem Maße, wie eine Europäisierung der Saar im Verlaufe des Jahres 1952 Gestalt anzunehmen schien, wurde auch in den Kommentaren von Radio Saarbrücken immer häufiger über eine Neuregelung der K o n ventionspolitik nachgedacht. 1 0 5 Die Umorientierung könnte allerdings ebenso mit der konkreten innenpolitischen Entwicklung im Saarstaat zusammenhängen, wo sich eine .deutsche' Opposition vernehmlicher als zuvor artikulierte. Gerade im Frühjahr 1951 ging es sehr turbulent zu. Erst brach die Regierungskoalition, dann folgte die Unterzeichnung des Schuman-Planes in einer für das Saarland enttäuschenden F o r m . 1 0 6 Einen Monat später sorgten das Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes ( D P S ) und die Affäre um das Remer-Telegramm für Aufsehen; darauf ist zurückzukommen. Beides hinterließ tiefe Spuren im Ansehen der Regierung und war zudem eng mit dem Funkhaus in der Wartburg verknüpft - auch darauf ist zurückzukommen. Angesichts einer solchen Entwicklung war es jedenfalls nahe liegend, wenn Hoffmann der Opposition nicht noch mehr Munition liefern wollte: Eine gesetzliche Regelung machte den Rundfunk, mehr noch im öffentlichen Ansehen als in der juristischen Wirklichkeit, zu einer wahrhaft saarländischen Institution. So sprach Grandval in seinem Brief an H o f f mann auch von den „psychologischen Gründe[n], welche ein saarl. Gesetz
1 0 3 Betrifft: Rundfunkkommission, Vermerk zur Ministerratssitzung, 7 . 6 . 1 9 5 1 , L A SB, StK 1013. N e b e n dieser Anfrage empfahl der Rat auch die Modifikation einiger Artikel des Entwurfs.
Schwan, Rundfunk, S. 102. Das galt vornehmlich im Vorfeld der Landtagswahlen vom 3 0 . 1 1 . 1 9 5 2 . Vgl. als Beispiel von vielen: K o m m e n t a r von Ernst Wagner, 6 . 1 1 . 1 9 5 2 um 19:30 Uhr, L A SB, Schneider-Becker-Archiv B F 2, B1.585. Generell zur Kritik an den Konventionen: Schumacher, Konventionsverhandlungen. 1 0 6 Vgl. Heinen, Saarjahre, S. 3 6 0 - 3 6 8 , 3 9 0 - 3 9 5 . 104
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an Stelle des ursprünglich festgesetzten Entwurfs rechtfertigen ..." 1 0 7 Sie waren es auch, die Frankreich zum Einlenken brachten, wobei man allerdings darauf bestand, dass drei Veränderungen, die den Gesetz- vom Konventionsentwurf unterschieden, wieder rückgängig gemacht würden. Das betraf die Beibehaltung des Charakters einer gemeinnützigen Gesellschaft und ihrer Steuerfreiheit, das Festhalten an der Fixierung auf französische Fernsehnormen im Saarland 108 und die Unzulässigkeit der Postaufsicht über die Senderanlagen. ' Nachdem so die Schuman gegebenen Zusagen eingehalten worden waren, konnte der Entwurf des „Gesetz über den Rundfunk" am 6. Juni 1952 in erster Lesung dem Landtag vorgelegt werden. Schon am 18. Juni wurde das Gesetz verkündet. Trotz dieser sehr kurzen Beratungszeit gab es vehemente Stimmen gegen die Neuorganisation des Saarländischen Rundfunks. Es war nicht nur die kommunistische ,Alibiopposition', die sich hier zu Wort meldete, sondern vor allem auch der Abgeordnete Kurt Conrad, aus der SPSFraktion ausgeschiedener Wortführer der ,pro-deutschen' Opposition innerhalb der saarländischen Sozialdemokratie. Die französischen Mitspracherechte im Saarländischen Rundfunk - im Aufsichtsrat, in Form der garantierten Sendezeiten sowie der Fixierung auf das Pariser Fernsehsystem - kritisierte er ebenso wie vor allem die Institutionalisierung eines Staatsrundfunks, der in einer Demokratie keinen Platz finden dürfe. Noch viel deutlicher wurde Conrad in der dritten Lesung am 18. Juni: Ein solcher Staatsrundfunk fände nur in totalitären Staaten Anwendung, und das saarländische Rundfunkgesetz sei nichts anderes als „der Abklatsch dessen, was wir früher im Dritten Reich hatten." 109 Conrads Verdikt vom gleichgeschalteten Staatsrundfunk, der als Propagandainstrument der Regierung in der Tradition totalitärer Systeme stehe, fand ein breites Echo, das über den Abstimmungskampf von 1955 hinaus bis zu Schwans Studie und darüber vermittelt bis heute zu hören ist. Im Sinne eines differenzierteren Urteils scheint es zunächst angebracht, nochmals auf den Kern der gesetzlichen Neuregelung von 1952 zu verweisen: - Der Staat als alleiniger Träger der Funkhoheit im Saarland überträgt das Recht zur Errichtung und zum Betrieb von Rundfunkanlagen einer gemeinnützigen GmbH (§§ 1-2). - An der Betreibergesellschaft hält das Saarland 70 Prozent, Frankreich über die staatseigene Rundfunkgesellschaft SOFIRAD - 30 Prozent der Schreiben Grandval, 2 . 1 1 . 1 9 5 1 , L A SB, StK 1012. Siehe hierzu den Beitrag von Andreas Fickers in diesem Band. 1 0 9 Sitzungsprotokolle des Saarländischen Landtags, 129. Sitzung vom 1 8 . 6 . 1 9 5 2 , S. 1 1 1 0 ; Sitzungsprotokolle des Saarländischen Landtags, 127. Sitzung vom 6 . 6 . 1 9 5 2 [erste Lesung; A n m . d. Verf.], S. 1063 f. 107 108
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Anteile; die Saarländer stellen sieben, die Franzosen vier Aufsichtsratsmitglieder (§ 3 Gesetz und § 12 Satzung). - Die Gesellschaft ist verpflichtet, Programme auszustrahlen, die den kulturellen Bedürfnissen der saarländischen Bevölkerung Rechnung tragen, die vollständige, objektive und wertneutrale Informationen für ihre H ö r e r verbreiten, die allerdings auch - für amtliche Mitteilungen der saarländischen Regierung und des Vertreters Frankreichs ausreichende Sendezeit zur Verfügung stellen und - die keine Sendungen bringen, welche den Grundsätzen der Demokratie und des Völkerfriedens widersprechen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die in der Verfassung festgelegte Staatsordnung gefährden (alles § 4). So ungewöhnlich und undemokratisch, wie die Konstruktion einer staatseigenen G m b H für den Rundfunk heute wirkt, war sie im Jahre 1952 keineswegs. Denn so wie das Saarland damals den Rundfunk als kulturpolitische Aufgabe ersten Ranges einstufte, so betrachtete man auch in fast allen anderen bundesdeutschen Ländern zu jener Zeit das Radio als eine Frage des Staatsmonopols, und das recht unabhängig von der regionalen politisch-kulturellen Prägung. Und daher sah man - in Württemberg nicht anders als im Saarland - in der G m b H mit staatlichen Mehrheitseignern nicht selten einen Königsweg. Dass dieser Weg in der Bundesrepublik letztlich nicht begangen und stattdessen die öffentlich-rechtliche Lösung realisiert wurde, hatte weniger mit dem politischen Willen der Länderregierungen im Nachkriegsdeutschland als mit den demokratischen Zielvorstellungen der Besatzungsmächte zu tun. 1 1 0 Im Saarland hingegen, wo die demokratische Umerziehung mit Hilfe eines neuen Staates erfolgen sollte, erhielt der Rundfunk genau die ambivalente Verfassung, die auch dem Staatswesen selbst eigen war - und die diesem zum Verhängnis wurde. So wie die saarstaatliche Verfassung letztlich am Vorbehalt einer Präambel krankte, die den Wirtschaftsanschluss an Frankreich indirekt in den Rang eines freiheitlich-demokratischen Ordnungsprinzips erhob, so .scheiterte' der saarländische Rundfunk an der ihm verfassungsmäßig gegebenen Aufgabe, seine mediale Kontrollfunktion notfalls zugunsten des saarstaatlichen Demokratieverständnisses und der saar-französischen Versöhnungspolitik zurückzustellen. Mit einer Bemerkung, die man heute als mangelndes Demokratiebewusstsein einschätzen würde, die damals hingegen durchaus noch gängigen Vorstellungen von der Rolle der Medien in der Demokratie entsprach, hatte sich der ehemalige Justizminister Heinz Braun in der Landtagsdebatte vom 18.Juni 1952 zu Wort gemeldet:
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V g l . z u den l a n g w i e r i g e n V e r h a n d l u n g e n ü b e r die E n t s t e h u n g der ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n R u n d -
f u n k a n s t a l t e n in D e u t s c h l a n d : B a u s c h , R u n d f u n k p o l i t i k , B d . 3 .
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Abb. 8: Weihnachten 1949: Monika aus Merzig holt sich hei Radio Saarbrücken ihre Geschenke vom Christkind ab
„Wenn der Staat ein demokratischer ist", so Braun, „wäre es mit einem Staatsrundfunk nicht so schlimm wie bei einem Diktaturstaat." 1 1 1 In einer „Demokratie unter pädagogischem Vorbehalt" (Armin Heinen) war Radio Saarbrücken im Sommer 1952 zu einer landeseigenen Lehranstalt geworden. U n d es war seit dem 18.Juni 1952 natürlich auch, juristisch wie nominell, endgültig ein „Saarländischer R u n d f u n k " .
5. Politik in der Wartburg Es war mehr als ein symbolischer Schritt in der saarländischen Mediengeschichte, als das neue Rundfunkgesetz im Frühsommer 1952 verabschiedet wurde. Bis die Saarländer ihre neuen Positionen in Rat und Direktion endlich besetzt hatten, dauerte es freilich noch eine Weile. A m 24. Oktober wurde der SR zur G m b H und legte damit die alte, vom letzten Tag der Besatzungszeit stammende Rechtsgestalt endgültig ab. A m 5. Dezember trat das 111
Sitzungsprotokolle des Saarländischen Landtags, 129. Sitzung vom 18.6.1952, S. 1109-1112.
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oberste G r e m i u m des R u n d f u n k s erstmals als Aufsichtsrat mit sieben saarländischen u n d vier französischen Mitgliedern zusammen; die Leitung des Rats w u r d e jedoch erst in der zweiten Sitzung am 21.Januar 1953 gekürt. Auf Vorschlag der saarländischen Mitglieder gab es an der Spitze einen Wechsel: D e r ehemalige Vizepräsident Frédéric Schlachter u n d der ehemalige Präsident, Trolley de Prévaux, tauschten die Positionen. 1 1 2 Etwas schwieriger gestaltete sich die E r n e n n u n g eines zweiten Generaldirektors, der nach § 11 des Gesellschaftervertrages als gleichberechtigter Geschäftsführer von saarländischer Seite zu bestellen war. N a c h d e m Unstimmigkeiten über das Procedere in Gesprächen zwischen Grandval u n d H o f f m a n n aus dem Weg geräumt w o r d e n waren, w u r d e der CVP-Generalsekretär H a n s Wettmann auf der Ratssitzung v o m 30. Mai 1953 als Kandidat des saarländischen Ministerpräsidenten vorgeschlagen. Seine endgültige Bestallung erhielt er jedoch erst, als ein kleiner Ausschuss des Rates die Fragen der Dienstbezeichnungen sowie der Aufgabenverteilung zwischen den beiden Geschäftsführern ausgearbeitet hatte. Ein solcher Geschäftsverteilungsplan lag dem Aufsichtsrat am 27.Juni 1953, also erst gut ein Jahr nach der Verabschiedung des G m b H - G e s e t z e s , vor. Danach sollten beide, der alte (Billmann) und der neue Geschäftsführer, als Generaldirektoren firmieren und alle wichtigen Entscheidungen des Senders gemeinsam treffen. Aus arbeitstechnischen G r ü n d e n w u r d e eine Teilung der Aufgabenfelder v o r g e n o m m e n , welche Billmann die Sendeleitung u n d die technischen Dienststellen u n d Wettmann den Nachrichtendienst, den Z e i t f u n k und die Verwaltung zuordnete. A u ß e r d e m sollte der Saarländer alle Belange regeln, welche die Rolle des Radios in der saarländischen Politik u n d Gesellschaft betrafen, u n d die Beziehungen zwischen dem SR u n d den deutschen Sendern pflegen. D e r Franzose hatte die entsprechenden internationalen K o n t a k t e zu betreuen. A u ß e r d e m war und blieb Billmann der ständige Verbindungsmann zur saarländischen Fernseh-AG. 1 1 3
112 Vgl. Aufsichtsratsprotokoll, 21.1.1953, L A SB, StK 2239, S.2. Mitglieder des ersten Aufsichtsrates waren von saarländischer Seite Maria Schweitzer, Frédéric Schlachter, Alfred D o h m , H a n s G r o h , Sebastian Theis und H a n s Wettmann, von französischer Seite Trolley de Prévaux, Jacques Chazelle, Meyer und Martin. Die Minister H e i n z Braun und Franz Singer, die de jure in der ersten Aufsichtsratssitzung vom 5.12. noch Mitglieder waren, mussten nach ihrem Eintritt in das Kabinett H o f f m a n n wegen der Inkompatibilität von Ressortchef u n d Ratsmitglied vor der zweiten Sitzung ausscheiden. 113 Geschäftsverteilungsplan, 27.6.1953, LA SB, StK 2239. Bereits in einem Schreiben vom 5.6. hatte die Präsidialkanzlei das Einverständnis des Ministerrats f ü r die E r n e n n u n g Wettmanns bestätigt und den Wunsch artikuliert, dass Wettmanns Platz im Aufsichtsrat durch einen SPS-Kandidaten besetzt werden möge; auf ihn rückte schließlich die zeitweilige SPS-Fraktionsvorsitzende, Luise Mössinger-Schiffgens. Vgl. LA SB, StK 3121. Vgl. zur F e r n s e h - A G den Beitrag von Andreas Fickers in diesem Band.
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Abb. 9: Rudolf Hochgrebe, Leiter der Ostredaktion im Nachrichtendienst, schaut am Fernschreiber nach, ob wichtige Meldungen für die „ Stimme des Tages " eingetroffen sind
Auch hier, in der Neuformierung von Radio Saarbrücken zur gemeinnützigen Saarländischen Rundfunkgesellschaft, zeigte sich also eine gewisse Spiegelbildlichkeit zur Entwicklung im Saarstaat. Nicht nur die franko-saarländische Doppelspitze war nun institutionalisiert, auch die formale Machtverlagerung im Leitungsgremium, welche die Saarländer de jure in die Lage versetzte, ihre inneren Rundfunkangelegenheiten selbst zu regeln, entsprach gewissermaßen dem Autonomiestreben, wie es sich in der Politik der Zeit artikulierte. Dass das Ideal eines gemischten Doppels zur Führung der saarländischen Geschäfte beim R u n d f u n k weniger funktionierte als im Staat, lag offenbar auch daran, dass Wettmann nach kurzer Amtszeit bereits mit 43 Jahren starb und Billmann ganz offenkundig die prägende Persönlichkeit beim SR blieb, gegen die Wettmann in wenigen Monaten kaum entsprechendes Profil entwickeln konnte. Nach Wolfgang Thürnagel, Vorstandsmitglied und Sprecher des Großen SR-Orchesters, der zu vielen Fragen des Rundfunks Dossiers und Abhandlungen ausarbeitete, fühlte sich Wettmann nie als ,starker Mann', was der Musiker als angenehm empfand, wogegen man es in der Sprache der Leitungsgremien als mangelnde Durchsetzungs-
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fähigkeit übersetzte. O b eine Geschäftsleitung mit zwei ,Platzhirschen' auf die Dauer ein besseres Resultat gezeitigt hätte oder überhaupt praktikabel gewesen wäre, ist eine andere Frage. 1 1 4 Trotz der neuen Machtverhältnisse brachte das Jahr 1952 keine völlige Wende in der Mediengeschichte des Saarlandes. Weder war der Einfluss Saarbrücker Politik auf den Sendebetrieb vorher von Frankreich abhängig, noch war es den neuen Mehrheitsgesellschaftern seit Herbst 1952 möglich, nach Belieben im Funkhaus zu schalten und zu walten. Selbst wenn die regierenden Parteien das so gewollt hätten, hätten sie ihre Grenzen am Rundfunk selbst gefunden, der seinem Wesen nach offen war und ist - und der deshalb, selbst in seinen hermetischsten Versionen, oft seine eigenen Subversionen produziert. 1 1 5 In dieser Ambivalenz agierten auch die Akteure rund um den SR, von den Franzosen und ihrem Generaldirektor über die Journalisten und Künstler, die das Programm machten, bis hin zu einer Hörerschaft, die im Saarland eben nicht abgeschüttet lebte, sondern auch von benachbarten Sendehäusern bestens versorgt w u r d e . " 6 Unabhängig davon würde man einer Sichtweise, die im G m b H - G e s e t z von 1952 die Grundlage für einen Staatsrundfunk erblickt, „der nach 1945 in der deutschen Rundfunkgeschichte - die D D R ausgeklammert - keine Parallele fand", formaljuristisch ja durchaus zustimmen - brächte sie mit ihrer Exklusion zwischen Gedankenstrichen nicht genau die Assoziation ins Spiel, um die es dem Autor hier offenbar eigentlich geht: Die Gleichsetzung von Saarstaat und D D R mit ihrem Chef-Propagandisten Karl-Eduard von Schnitzler und seinen Schwarzen Kanal. 1 1 7 Eine solche Assoziierung blendet jedoch das gesamte politische System der D D R völlig aus der Analyse aus und entkräftet damit die Kritik an der - vermuteten - K o n trollpolitik der Regierung Hoffmann. In der politischen Propaganda durch den S R und der politischen Einflussnahme auf den Sender brachte das Jahr 1952 keinen signifikanten Umbruch. Schwieriger als die Interventionen bei Personalfragen sind die verschiedenen 1 1 4 Thürnagel, U b e r die Problematik der Stellung eines zweiten Generaldirektors beim Saarländischen Rundfunk, L A SB, A A 89, S.2. Das schönste Beispiel beim S R war dafür die berühmte Radio-Ansprache von Pfarrer Jung im September 1955, die nicht nur die autonom-saarländische Mission des Senders auf den K o p f stellte, sondern auch der besonders ausgeprägten christlichen Fundamentierung des Saarländischen Rundfunks zu verdanken war: Jedes Volk ist eine Idee Gottes: in Neueste Nachrichten, 2 6 . 9 . 1 9 5 5 o . N r . , S . 2 . Vgl. hierzu und zum Kirchenfunk insgesamt den Beitrag von Judith Hüser in diesem Band.
Iis N a c h einer Umfrage von Allensbach hörten 1952 im Saarland 89 Prozent Radio Saarbrücken, 54 Prozent S W F , 39 Prozent S D R , 23 Prozent H R , 15 Prozent N W D R / K ö l n , zwölf Prozent Rundfunk im amerikanischen Sektor ( R I A S ) . Zahlen bei: Nolte/Schwan/Altmever, Nachworte, S. 19 ( L A SB, L A 356). 117
Die Interpretation und damit einhergehende Stoßrichtung bei: Schwan, Rundfunk, S. 107.
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Erscheinungsformen politischer Werbung zu rekonstruieren. Das gilt weniger für die Verlautbarungen über die Errungenschaften des Saarstaats, die Tiefe der franko-saarländischen Freundschaft oder die Zukunftsvorstellungen von dem geeinten Europa, also die positiven Selbstdarstellungen, welche das Saarland über die Wartburg in die Welt schickte. Sehr viel problematischer gestaltet es sich - auch weil dies selten überliefert wird - , jene Dinge herauszufinden, die nicht gesendet wurden, weil sie der Zensur zum Opfer fielen. Unsere Suche nach Spuren einer konkreten politischen (Vor-)Zensur war ziemlich ergebnislos, sieht man von solchen Fällen ab, wo verantwortliche Redakteure .brisante' Passagen ihrer Mitarbeiter selbst strichen oder aber nach Rücksprache mit dem entsprechenden Ministerium einen Bericht nicht brachten. 118 Im SWF ist die Zensur, nach übereinstimmender Aussage zahlreicher Beteiligter, von wenigen Ausnahmen abgesehen eher in einem kooperativen, die wechselseitigen Standpunkte austauschenden Klima durchgeführt worden. 119 Selbst Schwan bleibt zu Radio Saarbrücken in diesem Punkt bei genauer Lektüre praktisch ohne Befund, allein die zeitweise Kontrolle der Berichte des Bonner Korrespondenten Carl Grampp durch den Direktor der Präsidialkanzlei Franz Schlehofer wird angeführt. 120 Sogar in den Unterlagen des Informationsamtes, der zentralen Institution zur vermeintlichen .Gleichschaltung' des Saarbrücker Radios, sind keine aussagekräftigen Hinweise zu finden. Schwan befand, das Amt „schränkte häufig selbstständiges Arbeiten der verantwortlichen Redakteure ein" 1 2 1 ; da er seinen Befund aber weder belegt noch konkretisiert, bestätigt er eher das Ergebnis unserer eigenen Recherchen, als dass sie durch ihn widerlegt würden. Unbestritten bleibt indessen, dass saarländische Politiker häufig zur Feder und wohl noch häufiger zum Telefon griffen, wenn ihnen das bereits gesendete Programm nicht passte oder dadurch gar ihre politische Mission gefährdet schien. Der Ministerpräsident verstand solche Interventionen oft als Chefsache, zumal durch solche Fälle - in Hoffmanns Kategorien - die öffentliche Moral ebenso unterminiert werden konnte wie die politische Ord-
Z u m Beispiel bei einem Bericht über die „Ertragslage der Saarbergwerke", gesendet am 1 6 . 1 2 . 1 9 5 4 , oder beim Feature-Entwurf des Korrespondenten Fred Simson aus Paris vom 2 0 . 1 1 . 1 9 5 2 , der mit der handschriftlichen Randbemerkung: „Nach Rücksprache mit Minister Ruland nicht gesendet" versehen wurde. Vgl. SR-Archiv, Historisches Archiv, O r d n e r Politische Rundschau. 1 , 9 Ausführlich hierzu: Friedrich, Rundfunk, S. 165f. 1 2 0 Schwan, Rundfunk, S. 57-65. Es sind vor allem die „kommunikationspolitischen" Seiten über die Interventionen der Regierung/Behörden und Parteien, die hierfür relevant sind. Die Aussagen zu Schlehofers Zensur - er soll sein Plazet für Grampps Manuskripte durch ein „gez. Schlehofer" dokumentiert haben - sind den Akten zweier arbeitsrechtlicher Prozesse entnommen, die Schwan mit Az. zitiert: Präziser als diese A n m e r k u n g 354 ist keine in seinem ganzen Buch. 1 2 1 Ebd., S. 66. 118
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nung. 1 2 2 Selbstverständlich entspricht ein solches Verfahren nicht den damaligen und erst recht nicht den heutigen Vorstellungen von Presse- und Zensurfreiheit. Im Saarstaat führten sie hin und wieder zur Fixierung von offiziösen Richtlinien für die politisch korrekte Berichterstattung. Schon anlässlich des ersten Auftritts auf internationalem Parkett, den die Vertreter der Saarregierung Anfang Januar 1948 in Paris zu absolvieren hatten, befürchtete Hoffmann, dass die Darstellung von Radio Saarbrücken Unsicherheiten in der Bevölkerung produziert habe. Daher vertrat er gegenüber G e neralsekretär Losson „grundsätzlich" die Meinung, „daß in einer so politisch wichtigen Frage der Rundfunk ruhig im Interesse einer richtigen Berichterstattung auf eine überstürzte zeitliche Aktualität verzichten sollte." 1 2 3 Der Konflikt zwischen rundfunkmedialer Realität und politischer Opportunität, zwischen .aktueller' und .richtiger' Berichterstattung prägte das Verhältnis von Radio und Regierung in Saarbrücken über viele Jahre. Im saarländischen Experiment, das nicht auf einer gewachsenen politischen Kultur aufbauen und nur eine ungewisse staatliche Zukunft in Aussicht stellen konnte, war die Furcht vor einem Medium, das die Gegenwart mit seiner immanenten Schnelligkeit zu überrollen drohte, vorprogrammiert. Auch deshalb versuchte die Regierung, das unbändige Radio zumindest dort zu zähmen, wo es die scheinbar ureigensten, ja existenziellen Belange ihrer Politik berührte. Die Eingriffe in die Rundfunkfreiheit, die den ansonsten mit großer Verve unterstützten demokratischen Spielregeln so offenkundig widersprachen, waren also auch Momente des Innehaltens, es waren notwendige Auszeiten, um der vermeintlichen Gefährdung der saarländischen Demokratie entgegenzusteuern. Daher nahmen die Interventionen der Politik beim SR in dem Augenblick zu, als die Bedrohungen des Saarlandes von ,außen' zu wachsen schienen. Es passt zu diesem Befund, dass im bereits angesprochenen Frühjahrssturm von 1951 die Direktive entstand, regierungsrelevante Meldungen erst dann über Antenne Saarbrücken zu schicken, wenn die Regierung - das hieß in aller Regel: das Informationsamt - sie gesehen hatte. 1 2 4
1 2 2 Dazu auch die nicht immer in korrektem Kontext geschilderten Beispiele bei: Ebd., S. 61-65. In besonders drastischen Worten kommt der geschilderte Sachverhalt zum Beispiel in einem Briefwechsel zwischen Hoffmann und Losson an Pfingsten 1949 über die .schmutzige' Werbung des Senders an Feiertagen zum Ausdruck. Hoffmann hatte den diensthabenden Redakteur am Pfingstsonntag angerufen und die Radioreklame in so drastischen Ausdrücken kritisiert, dass Losson den Anruf für einen anonymen U l k hielt und sich bei Hoffmann für den Zwischenfall zunächst entschuldigte; Hoffmann bestätigte daraufhin die Authentizität seines Anrufes und verstärkte seine Kritik an der „schmutzigen Reklame". Schreiben von Losson und Hoffmann, 8.6. und 10.6.1949, L A SB, StK 2686. 1 2 3 Schreiben M P H o f f m a n n an Losson, 1 1 . 1 . 1 9 4 8 , L A SB, S t K 647. D e r Fall ist auch referiert bei: Schwan, Rundfunk, S . 6 1 . 1 2 4 L A S B , InfA 4: Anfang März 1951 gab es einen entsprechenden Briefwechsel zwischen Radio und Regierung.
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Was diese Vorab-Sichtung nun konkret bedeutete und wie sie in der Praxis gehandhabt werden sollte, das blieb freilich Undefiniert. Immerhin wurde sie als Handlungsmaxime des politischen Rundfunkjournalismus in Saarbrücken so wichtig, dass auch der Verwaltungsrat in seiner Sitzung am 9. November 1951 nochmals beschloss, „dass in Zukunft alle Communiqués, die die saarländische Regierung betreffen, dieser vorgelegt werden müssen." 1 2 5 Wie weit die Belange der saarländischen Regierung reichten und ob es sich hierbei um eine reine Informationspflicht oder ein materielles Prüfungsrecht handelte, sollte erst ein Konfliktfall zwischen Radio und Regierung im Dezember 1951 zeigen. 126 Hintergrund war die Berichterstattung über das Verhältnis zwischen Ministerpräsident und Gewerkschaften, das sich im Verlauf des Jahres 1951 verschlechterte, als die Arbeitnehmerorganisationen einen .deutschen' Oppositionskurs einzuschlagen begannen. 127 In den Tagen vor Weihnachten standen Tarifverhandlungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst an, die auf Grund unterschiedlicher Zielvorstellungen zu scheitern drohten. Während die Vertreter der christlichen Gewerkschaften jedoch gesprächsbereit blieben bzw. nach informellen Zusagen des Ministerpräsidenten die Verhandlungen fortführten, suchte die Einheitsgewerkschaft die Kraftprobe, verließ die Verhandlungen und drohte mit Generalstreik. Chefredakteur Boeckmann geriet angesichts dieser Konstellation in eine heikle journalistische Lage. Einerseits wollte er mit seiner möglichst zeitnahen Berichterstattung dem Informationsbedürfnis der Hörer Rechnung tragen, einem Bedürfnis, das ob der drohenden Lähmung des öffentlichen Lebens kurz vor dem Fest stetig wuchs. Andererseits musste er die divergierenden Interessen der Konfliktparteien berücksichtigen und vor allem durfte er die Politik nicht brüskieren. Boeckmann hatte sich zwischen dem 18. und 21. Dezember mehrfach mit Hoppe auseinanderzusetzen, am Telefon und in persönlichen Gesprächen. Der Informationschef des Landes wollte weder eine zu frühe Verlautbarung über noch nicht abgesegnete Verhandlungsergebnisse unkommentiert stehen lassen, noch das Ausscheiden der Einheitsgewerkschaft aus den Gesprächen publiziert wissen und schon gar nicht eine Meldung zum drohenden Generalstreik über den Äther hören. 1 2 5 Zitiert nach: Protokoll der Verwaltungsratssitzung, 1 . 2 . 1 9 5 2 , SR-Archiv, O r d n e r Protokolle. In der vorhandenen Fassung des Protokolls vom 9 . 1 1 . 1 9 5 1 ist der entsprechende Passus nicht fixiert. 1 2 6 N a c h B o e c k m a n n s Angaben handelte es sich dabei um eine reine Informationspflicht (Brief B o e c k m a n n s an Billmann vom 5 . 1 . 1 9 5 2 ) . Aus diesem Schreiben und dem M e m o r a n d u m B o e c k manns (beides angehängt an: Protokoll der Verwaltungsratssitzung, 1 . 2 . 1 9 5 2 , SR-Archiv, O r d n e r Protokolle) auch die folgenden Ausführungen zum Verlauf des Konflikts im D e z e m b e r 1951. 1 2 7 Vgl. allgemein zum T h e m a und zu der Entwicklung seit 1951: Hans-Christian Herrmann, Sozialer Besitzstand und gescheiterte Sozialpartnerschaft. Sozialpolitik und Gewerkschaften im Saarland 1945 bis 1955, Saarbrücken 1996.
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Beim Tauziehen, das nun zwischen Radio und Regierung entstand, kam es zu einem Wechselspiel von eigenmächtig verfassten Rundfunkmeldungen, Dementis des Informationsamtes, Sendewünschen und Interventionen der Gewerkschaften und schließlich solchen Verlautbarungen, die auf behördliche Anweisung hin dem Kurs der Regierung Rechnung trugen. Dennoch gelang es Boeckmann, hier Kompromissformeln zu finden, die zumindest nicht wahrheitswidrig waren und ihn insofern sein Gesicht als verantwortungsbewusst agierender Journalist wahren ließen. Gleichwohl waren diese turbulenten Dezembertage der unmittelbare Anlass für den Rücktritt des Chefredakteurs, den Boeckmann seinem Generaldirektor nach vierzehntägiger Überlegung Anfang Januar 1952 mitteilte. Nicht politische Gründe, sondern „einzig und allein das Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Hörerschaft" hätten ihn „bei allem Verständnis für die offiziellen Belange" zu diesem Schritt geführt. Ein Verständnis, das der scheidende Chefredakteur als ein solches „für den Standpunkt der saarländischen Regierung" konkretisierte, w o z u auch die „Einsicht" gehörte, „dass dem Regierungsstandpunkt der Vorrang vor den Stellungnahmen der Opposition, der politischen Parteien und Gewerkschaften gebührt." 1 2 8 Dass Boeckmann trotz dieser Prioritätensetzung, die vermutlich kein saarländisches Spezifikum journalistischen Selbstverständnisses im Jahr 1952 war, kündigte, zeigt an, wie heikel die Situation in der Wartburg zu jenem Zeitpunkt war. Das hing nicht nur mit einer in der Krise interventionsfreudigen Regierung zusammen. Es geschah auch vor dem Hintergrund der Ende 1951 noch nicht geklärten Rechtslage des Senders, eine Unsicherheit, die Boeckmann ebenso wie Billmann beklagte. Während der Chefredakteur sich in seiner Auseinandersetzung mit dem Informationsamt ohne rechtliche Grundlage alleingelassen fühlte, bemängelte der Generaldirektor, dass seine Mitarbeiter im juristischen Schwebezustand „nur sehr wenig Rückhalt" erhielten und das Ausscheiden Boeckmanns eine „tiefe Krise unter unserem Personal" zur Folge gehabt habe. Gleichzeitig wurde versichert, „dass die Generaldirektion ihn [Boeckmann; Anm. d. Verf.] nie gezwungen hat, eine Haltung einzunehmen, die mit seiner beruflichen Würde nicht im Einklang stände", und dass von den Mitarbeitern „dieser Abschied ... ohne Zweifel als eine .Desertion' gewertet" würde. 1 2 9 Kurzum: Nicht mangelnde journalistische Freiheiten in der Wartburg hätten die Affäre Boeckmann herbeigeführt, sondern ein .feiger' Chefredakteur und eine nicht konsequent handelnde Politik; beide hätten den Rundfunk auf der gemeinsamen Mission im Stich gelassen.
Rücktrittsschreiben Boeckmanns, 5.1.1952, SR-Archiv, Ordner Protokolle. B i l l m a n n s S t e l l u n g n a h m e z u m R ü c k t r i t t v o n C h e f r e d a k t e u r B o e c k m a n n , P r o t o k o l l der Verwaltungsratssitzung, 1.2.1952, SR-Archiv, Ordner Protokolle. 128
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Der Fall Boeckmann und seine unterschiedlich akzentuierten Interpretationen 1 3 0 verdeutlichen vieles von dem, was die Rundfunkrealität bei Radio Saarbrücken ausmachte. Die Vorstellung von einem gleichgeschalteten Staatsrundfunk, der als gut geölte Propagandamaschinerie ausschließlich im Sinne einer undemokratischen Landesregierung funktionierte, greift sicher viel zu kurz: In einem solchen System hätte es den Fall Boeckmann gar nicht gegeben. Allerdings war man staatlicherseits im Zuge einer als Gefahrenabwehr verstandenen Politik bereit, der Meinungs- und Pressefreiheit Grenzen zu setzen, um die saarländische .Mission' weiter erfüllen zu können. Immer wieder wurde von Politikern und Radiomachern das ob dieser Aufgabe besondere Profil des SR betont, das nicht nur ein außergewöhnliches Engagement der Mitarbeiter verlange, sondern sich auch im Programm niederzuschlagen habe. 1 3 1 Wer oder was gegen die .Grundwerte' von saarländischer Autonomie und europäischer Vision verstieß - dahinter blieben sogar der Antikommunismus und die fundamental christliche Moral zurück - , durfte nicht darauf hoffen, mit einem Verweis auf unabhängige und verantwortungsbewusste journalistische Arbeit exkulpiert zu sein. Ein Jahr nach Boeckmann bekam das auch Alexander Schum zu spüren. Erst Anfang 1951 als politische und professionelle Idealbesetzung 1 3 2 nach Saarbrücken geholt, geriet der Theatermann schon sehr bald in immer heftigere Kritik. Nicht nur, dass ausgerechnet er, der Saarländer, das saarländische Programmprofil zu beschneiden trachtete: Die „Märchentante" etwa stand genauso auf seiner Liste einzustellender Programme wie die Dialektsendungen, was den Ministerpräsidenten persönlich empörte. 1 3 3 N u n wurden auch Vorwürfe erhoben, seine politische Haltung stehe nicht im Einklang mit der Linie von Radio Saarbrücken. Gemeint war damit wohl, dass er sich als leitender Mitarbeiter nicht genügend im Sinne der politischen Mission des Landes engagiert habe.
1 3 0 Drei Jahre später schrieb Boeckmann: „In den Monaten vor und nach meiner Kündigung, ja selbst vor Gericht, wurde nicht bestritten, dass mir anlässlich des drohenden Generalstreiks beider Gewerkschaften zugemutet wurde, eine unrichtige Darstellung der Situation im NachrichtenDienst von Radio Saarbrücken zu verbreiten. Es wurde von Seiten des Vertreters der Saarländischen Rundfunkgesellschaft lediglich behauptet, dass dieses Ansinnen nicht von der Leitung des Saarländischen Rundfunks, sondern von Regierungsseite gestellt worden war. Es kann jedoch der Nachweis geführt werden, dass die Generaldirektion mir während der kritischen Tage im Dezember 1951 vor Zeugen auftrug: ,Tun Sie, was die Regierung von Ihnen verlangt!'. Ferner können Zeugen bestätigen, dass die Generaldirektion nicht in einem einzigen Falle gegen die Anordnung der saarländischen Regierung gehandelt hat." Brief Boeckmann an SR, 5.2.1955, L A SB, A A 132. 131 Vgl. die Leitlinien für das Winterprogramm 1953/54 von Hans Wettmann: Protokoll der Aufsichtsratssitzung, 2.9.1953, SR-Archiv, Ordner Protokolle, S. 3. 132 Schum hatte nicht nur bereits in den 1920er Jahren europäische Kulturessays verfasst, er war auch „einer der seltenen im Ausland lebenden Saarländer ..., der bereits 1948 seine Einbürgerung verlangt habe." Protokoll Verwaltungsrat, 15.4.1951, SR-Archiv, Ordner Protokolle, S.7. 133 Vgl. Schreiben H o p p e an Billmann, 12.11.1952, L A SB, InfA 4.
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Abb.
IO:
Die Übertragungswagen
von Radio Saarbrücken
neben der
Wartburg
E b e n s o w i e bei B o e c k m a n n w a r es a u c h bei S c h u m eine k r i s e n h a f t e Z u s p i t z u n g des p o l i t i s c h e n G e s c h e h e n s , die ihn s c h l i e ß l i c h zu Fall b r a c h t e . I m V o r f e l d d e r L a n d t a g s w a h l e n v o m 30. N o v e m b e r 1952 hatte d e r S R alle zur Verfügung stehenden Kräfte gebündelt, u m dem autonom-europäischen K u r s mit p u b l i z i s t i s c h e n M i t t e l n z u m Sieg zu v e r h e l f e n , u n d m a n e r w a r t e t e , z u m a l v o n l e i t e n d e n A n g e s t e l l t e n , ein e n t s p r e c h e n d a u s g e r i c h t e t e s E n g a g e m e n t . D a s aber ließ P r o g r a m m d i r e k t o r S c h u m v e r m i s s e n , er hatte o f f e n b a r nicht v e r s t a n d e n , dass K u l t u r s c h a f f e n in s o l c h e n M o m e n t e n auch K u l t u r politik b e d e u t e t e . So z u m i n d e s t w ü n s c h t e n es die S R - V e r a n t w o r t l i c h e n . In d e m Fall o f f e n b a r t e sich a u c h ein S t ü c k p e r s ö n l i c h e r T r a g i k . D e n n w a h r s c h e i n l i c h hatte es g e r a d e sein , u n p o l i t i s c h e r C h a r a k t e r ' S c h u m e r m ö g l i c h t , z w ö l f J a h r e I n t e n d a n z an e i n e m N S - S t a a t s t h e a t e r relativ u n b e s c h a d e t zu ü b e r s t e h e n u n d so ü b e r h a u p t ins a n t i f a s c h i s t i s c h e S a a r l a n d z u r ü c k z u k e h ren. 1 3 '' D e r Fall S c h u m e n d e t e i m F r ü h j a h r 1953 mit d e r K ü n d i g u n g des P r o g r a m m d i r e k t o r s . Seine D i r e k t i o n w u r d e a u f g e l ö s t u n d d e r e n A u f g a b e n b e reich d e r G e n e r a l d i r e k t i o n z u g e o r d n e t . 1 3 3
1 , 4 D a s P r o t o k o l l d e r A u f s i c h t s r a t s s i t z u n g v o m 1 8 . 4 . 1 9 5 3 mit S c h u m s p o l i t i s c h e r V e r u r t e i l u n g liest sich fast w i e d a s n e g a t i v e S p i e g e l b i l d der V c r w a l t u n g s r a t s s i t z u n g fast g e n a u z w e i J a h r e z u v o r : P r o t o k o l l d e r A u f s i c h t s r a t s s i t z u n g , 18.4. 1953, S R - A r c h i v , O r d n e r P r o t o k o l l e , S. 3 - 6 . V g l . z u r w e i t e r e n E n t w i c k l u n g des Falls S c h u m , d e r nach 1955 bis zu s e i n e r P e n s i o n i e r u n g w i e d e r S R - P r o g r a m m d i r e k t o r w u r d e : S c h r i f t w e c h s e l , L A SB, StK 2467. 135 A b s c h r i f t des S c h r c i b e n s B i l l m a n n an S c h u m , 2 0 . 4 . 1 9 5 3 , L A SB, StK 2467. Z u r R ü c k k e h r v o n S c h u m s i e h e den B e i t r a g von Tanja M o s e r - P r a e f c k e , E n t s c h c i d u n g s s i t u a t i o n e n s a a r l ä n d i s c h e r M e d i e n p o l i t i k , in B d . 2 .
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Mit der Akte Schum wurde das Kapitel mehr oder weniger spektakulärer Personalentscheidungen geschlossen, das für die bewegten Aufbaujahre des SR nach dem Krieg bezeichnend war. Es passt zum Abschluss dieses bisweilen schmerzhaften Selbstfindungsprozesses, dass der Sender zu diesem Zeitpunkt der personalpolitischen Konsolidierung und Professionalisierung auch politisch-programmatisch ruhiges Fahrwasser erreicht hatte. Der Höhepunkt publizistisch höchst umstrittener Wirksamkeit lag inzwischen bereits zwei Jahre zurück. Im März 1951 begann jene schillernde Geschichte um DPS-Verbot und Remer-Telegramm. Sie brachte nicht nur einen Höhepunkt in den politisch-strategischen Fehlern der Saar-Regierung und damit einen Einschnitt in der Historie des Saarstaats, sondern erschien in der Öffentlichkeit auch als der vielleicht wesentlichste mediale Sündenfall des SR. Es ist dies die Geschichte der Formierung und des Aufstiegs der sich als .deutsch' bezeichnenden Opposition im Saarland und einer zunehmend hilflosen Reaktion der in Bedrängnis geratenen Regierung, die eine demokratische Herausforderung letztlich nur mit undemokratischen Mitteln zu beantworten wusste, welche ihrerseits auf der Konzeption einer „Demokratie unter pädagogischem Vorbehalt" - so die bereits zitierte Analyse von Armin Heinen - gründeten. Insofern ist dies auch ein lehrreiches Kapitel über die politische Kultur des Landes in einer Phase, in der die Spielregeln einer echten parlamentarischen Demokratie erst erlernt wurden. Aus Raumgründen kann dies hier nicht umfassend dargestellt werden, zumal die Akteure des SR bei dieser Affäre eher eine Nebenrolle spielten. Die DPS geriet infolge ihrer Wende gegen den - 1947 von ihr noch vehement begrüßten - Wirtschaftsanschluss der Saar an Frankreich seit März 1951 in das Visier der Saar-Regierung, weil diese neue Linie der Präambel der saarländischen Verfassung widersprach. Im Mai 1951 tauchte im Europarat in Straßburg eine maschinenschriftliche Abschrift eines angeblichen Telegramms des Wortführers der rechtsextremen Sozialistischen Reichspartei (SRP) auf, in dem der ehemalige Generalmajor Remer, der am 20. Juli 1944 die gegen die Widerstandsgruppe im Berliner Bendlerblock eingesetzte Wehrmachtseinheit befehligt hatte, seine Solidarität mit der DPS erklärte; es wurde schnell als Fälschung eingeschätzt. Ebenso wie Hoppe, wie Politiker der SPS und wie andere gehörten der SR und insbesondere Chefredakteur Boeckmann zu den Verdächtigten, weil das Schreiben auf einem auch im SR verwendeten, in Frankreich üblichen Büropapier getippt worden war. Letztlich aufgeklärt wurde die Sache nicht. 1 3 6 136 Vgl. Thilo Bode, D a s kanariengelbe Papier, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.6.51 o. Nr., o. S. Ausführlicher Schmidt, Saarpolitik, Bd. 2, S. 280-287; Heinrich Schneider, Das Wunder an der Saar. Ein Erfolg politischer Gemeinsamkeit, Stuttgart 1974, S. 294-302. In neueren Aufsätzen und
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A u c h w e n n es v o r n e h m l i c h d a s I n f o r m a t i o n s a m t w a r , d a s in d e r S a c h e d e s R e m e r - T e l e g r a m m s journalistisch u n d vielleicht sogar . u n d e r c o v e r '
agierte,
s o stellt d a s F r ü h j a h r 1 9 5 1 d o c h d e n n e g a t i v e n H ö h e p u n k t in d e r G e s c h i c h t e v o n R a d i o S a a r b r ü c k e n dar. M e h r an p o l e m i s c h e r Z u s p i t z u n g ,
an
licher
war
Darstellung
und
instrumentalisierter
Berichterstattung
v o r h e r n o c h n a c h h e r ü b e r den Ä t h e r aus S a a r b r ü c k e n zu hören. stammen
die
erhalten
gebliebenen
den Regierungssendungen.
Hoppe
entsprechenden
unsachweder
Allerdings
Sendemanuskripte
g e i ß e l t e in s e i n e n
„ D i e R e g i e r u n g des Saarlandes spricht" die Politik der „ D P S , die m a n b e s t e n als N S D P S b e z e i c h n e n k a n n " , als „ S p i e l p o l i t i s c h e r A m V o r a b e n d einer geplanten großen, jedoch v e r b o t e n e n tion erklärte er a m 5. M a i
aus
Rundfunkansprachen am
Hasardeure."137 DPS-Demonstra-
1951:
„ E s b e d e u t e t z w e i f e l s o h n e e i n e n R i i c k f a l l in d i e A b e n t e u e r p o l i t i k d e r N S D A P , w e n n heute
nationalsozialistische
Nutzniesser,
wie
Textilhändler
Richard
Becker
Auch-Rechtsanwalt Dr. Schneider glauben, dort wieder anknüpfen zu können,
und wo
sie 1 9 4 5 i n i h r e S c h u t z l ö c h e r v e r s c h w u n d e n s i n d . D i e T ä t i g k e i t d i e s e r L e u t e ist e b e n s o v e r f a s s u n g s - u n d g e s e t z e s w i d r i g w i e es d i e A g i t a t i o n d e r n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n S R P und der K o m m u n i s t e n ist."138 A m 7. M a i t a u c h t e d a s a n g e b l i c h e R e m e r - T e l e g r a m m i n S t r a ß b u r g a u f . A n g e sichts d e r A r g u m e n t a t i o n s f ü h r u n g u n d D i k t i o n H o p p e s lag in d e r lichkeit n a h e , ihn d a m i t in V e r b i n d u n g z u b r i n g e n . A m 2 1 . M a i 1 9 5 1
Öffentwurde
die D P S v e r b o t e n - die a m schärfsten kritisierte E n t s c h e i d u n g d e r R e g i e r u n g H o f f m a n n in d e n
Nachkriegsjahren.139
D i e H e t z - u n d V e r l e u m d u n g s p a r o l e n , w i e sie H e r i b e r t S c h w a n als p e r m a nenten O - T o n v o n R a d i o Saarbrücken darstellte lich gefunkt,
h i e r w u r d e n sie t a t s ä c h -
f r e i l i c h n i c h t als S e n d u n g e i n e s w i e a u c h i m m e r
instruierten
Gesamtdarstellungen wurde es meist nur episodenhaft aufgegriffen. Vgl. Winfried Becker, Die Entwicklung der Parteien im Saarland 1945 bis 1955 nach französischen Quellen, in: H u d e m a n n / Poidevin, Die Saar, S. 2 5 3 - 2 9 6 ; Marcus Hahn, D i e D P S - Liberaler Neuanfang im deutsch-französischen Spannungsfeld, in: Rainer H u d e m a n n / B u r k h a r d J e l l o n n e k / B e r n d Rauls, Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Deutschland und Frankreich 1945-1960, St. Ingbert 1997, S. 199-224; HansChristian Herrmann vermutet Verbindungen zwischen der Sozialistischen Reichspartei ( S R P ) und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ( S E D ) und damit einen realen Hintergrund für das Telegramm: Hans-Christian Herrmann, Sozialer Besitzstand, S. 3 7 9 - 3 8 7 ; dagegen Herbert Elzer, Die deutsche Wiedervereinigung an der Saar. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen und das N e t z w e r k der prodeutschen Opposition 1949 bis 1955, St. Ingbert 2007, S.96; ders., Die Schmeisser-Affäre. Herbert Blankenhorn, der „Spiegel" und die Umtriebe des französischen G e heimdienstes im Nachkriegsdeutschland ( 1 9 4 6 - 1 9 5 8 ) , Stuttgart 2008, S. 6 5 - 7 3 . Elzer k o m m t aufgrund des Kontextes zu dem Schluss: „Die wahren U r h e b e r der Fälschung bewegten sich im U m kreis der Saarregierung und des französischen H o h e n Kommissariats" (Ebd., S. 73), jedoch ohne personelle Präzisierung und genauen Beleg. 137 138 139
Abschrift des Rundfunkvortrags, 3 1 . 3 . 1 9 5 1 , L A SB, Nachlass Schneider ( N L Schneider) 63. Abschrift des Sendemanuskripts „Die Regierung des Saarlandes spricht", 5 . 5 . 1 9 5 1 , ebd. Zusammenfassend Becker, Entwicklung, S . 2 6 8 f .
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Rundfunkjournalisten, sondern als Direktansprache der Politik. Sofern entsprechende Formulierungen auch in Nachrichten und Kommentaren gebraucht wurden, so ließen sich im Rahmen dieses Beitrages Belege dafür allerdings nicht finden. Zwar schlossen sich die Redakteure in der Wartburg auch vor den Landtagswahlen 1952 in einer konzertierten Aktion mit einem einheitlichen .Konzept' zusammen, das den Kurs der Regierung sehr freundlich kommentierte. Zwar bewarb man vor allem seit 1953/1954, zum Teil in eigens geschaffenen Sendungen, die Politik der europäischen Integration, in deren Rahmen das Saarland an Autonomie gewinnen sollte. Aber dabei wurden in aller Regel allgemein wünschenswerte politische Ziele oder erfreuliche Errungenschaften gefördert in Kommentaren und Einschätzungen, die in ihrer unkritischen Einlinigkeit eher bieder als propagandistisch wirkten. 140 Und auch wenn immer wieder an die Schrecken der nationalsozialistischen Vergangenheit erinnert und vor den Gefahren eines wieder aufsteigenden Nationalismus gewarnt wurde, so fehlte diesem Journalismus - der zudem selbst beim Bericht über den großen Konkurrenten aus der Bundesrepublik meist sachlich und informativ blieb - doch der ausgrenzende Charakter und diffamierende Ton, der beispielsweise in manchen Tages- und Parteizeitungen nicht erst seit dem Juli 1955 zum Alltag gehörte. Bei einem Rundfunk, der eng mit der Geschichte seines Landes verbunden war und auf dessen Veränderungen bisweilen seismographisch reagierte, ist es kein Wunder, dass er sich besonders laut zu Wort meldete, als die erste große ,Staatskrise' gekommen und die selbstständige Existenz des Landes gefährdet schien. Freilich wurde der Sender, auch das zeigten die Frühjahrstage 1951, hier tatsächlich als Medium von der Politik genutzt - und vielleicht sogar ausgenutzt.
6. „ D a s Saarland ist ein Beispiel dafür, wie es in der Welt einmal werden könnte": D i e perfekte Werbe-Welle „Die Saar hat in fünf Jahren eine Eigenstaatlichkeit entwickelt, die sie nicht ohne weiteres aufgeben will. Auf wirtschaftlichem und sozialpolitischem Ge-
1 4 0 Vgl. zum Beispiel die Kommentare in der „Stimme des Tages" oder den Nachrichten in den zwei Wochen vor der Landtagswahl 1952: Ernst Wagner, Carl Grampp, Theo Matissek oder Wilhelm Diederich, L A SB, Becker-Schneider-Archiv B X 2, Bl. 566-590 sowie die Sendungen „Lebendiges E u r o p a " oder die seit Mai 1954 gebrachte Sendung des Journalisten und Autors Wilhelm Eckhardt („Die Saar fließt nach E u r o p a " ) „Die Europastunde"; diese bildete zudem ein relativ großes Themenspektrum ab, bei dem eine eigene Unterreihe auch das Europa jenseits des Eisernen Vorhangs beleuchtete. Vgl. Korrespondenzen, Sendemanuskripte und Themenlisten der Europasendungen, L A SB, A A 692.
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Abb. II: Die politische Redaktion des Saarländischen Rundfunks ca. 1955. Von links untere Reihe: Ursula Fischer, Irmgard Sievert, Emmy Haberstroh, Berta Apfelbaum, Lulu Kunz, Erika Schädler, Martha Heinz. Obere Reihe: unbekannt, Walter Reuter, Theo Matissek, Heinz Dittmann, Charly Scholz, Rudolf Zeisberger, Ernst Wagner, Dieter Konrad
b i e t h a t s i e E r f o l g e a u f z u z e i g e n , w i e sie k e i n a n d e r e s L a n d d e r W e l t in f ü n f Jahren bisher errungen hat". Ernst Wagners A b e n d k o m m e n t a r am
25.No-
v e m b e r 1 9 5 2 1 4 ! musste den H ö r e r n des Saarländischen R u n d f u n k s nicht unb e d i n g t als W e r b u n g f ü r d i e R e g i e r u n g v o r d e r L a n d t a g s w a h l e r s c h e i n e n , e r m o c h t e auch ihren S t o l z auf die A u f b a u l e i s t u n g e n des kleinen
,Saar-Volkes'
u n t e r m a u e r n . N o c h e r f r e u l i c h e r w a r s o l c h e W e r b u n g , w e n n sie aus d e m n e u tralen A u s l a n d k a m . O f t k a m e n s o l c h e S t i m m e n aus d e r S c h w e i z ; so k o n s t a tierte der B e r n e r K o r r e s p o n d e n t O t t o P ü n t e r am 21. N o v e m b e r
1952:
„ E i n Vergleich d e r S o z i a l l e i s t u n g e n im Saarland mit jenen in der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d ergibt, daß die Saar einen sehr b e d e u t e n d e n V o r s p r u n g a u f z u w e i s e n hat, was ü b r i g e n s auch anderen L ä n d e r n g e g e n ü b e r gilt. D a s Saarland ist ein Beispiel dafür, wie es in d e r W e l t einmal w e r d e n k ö n n t e , w e n n sich die V ö l k e r statt einer r u i n ö s e n A u f r ü s t u n g der F ö r d e r u n g ihrer w i r t s c h a f t l i c h e n , s o z i a l e n und k u l t u r e l l e n Institutionen widmen k ö n n t e n . " 1 4 2
141
L A S B , S c h n c i d e r - B e c k e r - A r c h i v B X 2. B l . 567.
14:
E b d . , B1.57C.
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Paul Burgard
Jenseits politischer Werbung trug der SR erheblich dazu bei, dass in der Ö f fentlichkeit überhaupt ein Bild von dem jungen Land entstehen konnte. Ein Bild, das umso wirkungsmächtiger wurde, je größer die Bindung der Hörerschaft an das populäre Medium war - eine Rückkopplung, die ihrerseits die Entfaltung eines saarländischen Selbstbewusstseins förderte. Das erforderte zunächst breite und kontinuierliche Information über das Land und seine Leute. Die Fülle der politischen Informationssendungen war daher nicht eine Kaskade von Propaganda für eine eher empfangsunwillige Hörerschaft. Eher umgekehrt wusste auch die Politik, dass nur ein Rundfunk, der nicht ständig als eigenes Sprachrohr diente, für die Saarländer attraktiv sein konnte. Selbst in den offiziellen Sendezeiten dienstags und samstags, wenn die Regierung des Saarlandes um 19 Uhr in der Wartburg sprach, bot man in der Regel eine viertelstündige Informationssendung und nicht eine politische Kampfansprache. Schon 1950 wurde die Dienstag-Sendung „Die Regierung des Saarlandes spricht" umbenannt in „Aus Verwaltung und Wirtschaft", weil „nach der Meinung der Öffentlichkeit mehr oder weniger gute fachliche Vorträge mittlerer und höherer Beamter über bestimmte Gebiete der Verwaltung nicht so bezeichnet werden konnten." 1 4 3 Nach der Landtagswahl 1952 wurde die regierungseigene Rundfunktätigkeit auf ausdrücklichen Wunsch des Ministerpräsidenten noch weiter reduziert. Die Dienstag-Sendung entfiel ganz, die Regierung meldete sich im Wechsel mit einzelnen Ministerien nur noch alle 14 Tage zu Wort. 1 4 4 Dass man auf den politischen Samstagabend gelegentlich auch ganz verzichten konnte, zeigte der 15. September 1951: Zugunsten der Übertragung des Länderspiels Saarland gegen Schweiz blieb die Regierung des Saarlandes stumm. 145 Die Sportsendungen, nicht zuletzt mit den Fußballreportagen eines Charly Scholz, trugen natürlich nicht unerheblich dazu bei, die Saarländer an ihr Radio zu fesseln, und weil die saarländischen Sportler zu Beginn der 1950er Jahre so überaus erfolgreich waren, ergab sich auf diesem packenden Weg gleichzeitig eine hervorragende Möglichkeit der Werbung für das Land. Dass die Erfolgssendung „Sport und Musik" eher eine Musiksendung mit Sporteinlagen war, ist weniger bemerkenswert als die Tatsache, dass das Radio manche seiner Sporthörer mit seinem modernen Musikgeschmack verstörte: Auch regierungsnahe Funktionäre zeigten mit ihrem Urteil zur ,Negermusik' in der Sportzeit nicht unbedingt eine weltoffene Einstellung. 146 AllerVorlage H o p p e an H o f f m a n n , 2 0 . 9 . 1 9 5 0 , L A SB, Inf A 4. Schreiben Auswärtiges A m t an Informationsamt, 1 3 . / 2 0 . 1 . 1 9 5 3 , L A SB, A A 788. 1 4 5 Anfrage von Chefredakteur B o e c k m a n n an Hoppe, 6 . 9 . 5 1 , L A S B , I n f o A 4. 1 4 6 Vgl. beispielsweise eine auch von dem Sozialdemokraten Hans H e l m e r unterzeichnete Eingabe vom Vorstand des Landessportverbandes an Radio Saarbrücken vom 1 7 . 4 . 1 9 5 1 : „Herr Rupp brachte sein Missfallen gegen die Durchführung der Sendung von Radio Saarbrücken .Sport und 143 144
Die Saarlandmacher
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dings offenbarte sich hier weniger eine Ansicht, die mit völkerverbindenden Maximen der Saar-Regierung schwer zu vereinbaren war, als ein kultureller Graben, der vor allem wohl auch die Generationen schied. „Vielen Eltern", so schrieb ein leidgeprüfter Leser an die Saarländische Volkszeitung, „graut davor, am Morgen - gerade in der Zeit zwischen 7 und 8 Uhr, wenn die Kinder sich zum Schulgang fertigmachen - RS anzustellen. Für sie sei es unbegreiflich, wie man schon am frühen Morgen Manuela und Dolores - gemeint ist die Unzahl von schmalzigen oder verrückten Schlagern - auf die Menschen und insbesondere auf die Kinder loslassen könne, und das jeden Morgen aufs neue." 147
Des Hörers Vorschlag, statt der Schlager auf morgendliche Singstunde oder Volksmusik zu setzen, verhallte ungehört - nicht weil solche Kritik am .kulturellen Niveau' des Saarländischen Rundfunks ein Einzelfall gewesen wäre, ganz im Gegenteil, sondern weil die jugendliche Unterhaltungsmusik zum Erfolgsgaranten des Senders und später gar zu einem seiner Markenzeichen wurde. Musikalisch nicht mit der Zeit zu gehen, das verbot sich ohnehin für das Medium Radio und war vor allem für einen ,armen' Sender wie den SR praktisch unmöglich, hätte man damit doch auf eine zukunftsträchtige, grenzüberschreitende und zudem billige Möglichkeit der Attraktivitätssteigerung verzichtet. Für den Sender war Volksmusik aber auch keine Alternative. Von Anfang an hatte die E-Musik einen großen Raum im SR mit zwei Orchestern, die zu Imageträgern des Rundfunks und des Landes im In- und Ausland wurden. Obwohl das Sinfonieorchester mit 60 Musikern ein Zehntel des gesamten SR-Etats erforderte und aufgrund des 70-Millionen-Francs-Defizits des Senders Ende 1953 seine Auflösung in der bestehenden Form im Aufsichtsrat auch bereits beschlossen war 148 , gründete man im Oktober 1953 das Saarländische Kammerorchester (SKO) unter der Leitung von Karl Ristenpart. 149 Dass das SKO mit 15 Millionen Francs zu mehr als 50 Prozent vom Kultusministerium finanziert wurde, war nur möglich, weil es sich rasch „einen über die Grenzen unseres Landes anerkannten Ruf geschaffen" hatte und
Musik* d a h i n g e h e n d z u m A u s d r u c k , dass diese S e n d u n g i m m e r d u r c h , N i g g e r m u s i k ' u m r a h m t sei, die eine V e r h ö h n u n g u n s e r e s S p o r t e s d a r s t e l l t . " L A S B / S p o r t a r c h i v , LSVS 2. Ich d a n k e B e r n d Reichelt f ü r d e n H i n w e i s auf diese s p o r t h i s t o r i s c h e Q u e l l e . Vgl. z u m S p o r t s e i n e n Beitrag in d i e sem Band. 147
A n o n y m u s , D o l o r e s c o n t r a H e i d e r ö s c h e n , in: S a a r l ä n d i s c h e V o l k s z e i t u n g , 1 . 2 . 1 9 5 5 o . N r . ,
S.5. 148 Bereits in d e r A u f s i c h t s r a t s s i t z u n g v o m 1 9 . 1 2 . 1 9 5 3 h a t t e m a n e i n v e r n e h m l i c h die A b s i c h t b e k u n d e t , das G r o ß e O r c h e s t e r a n g e s i c h t s d e r H a u s h a l t s n o t l a g e a u f z u l ö s e n , in d e r S i t z u n g v o m 2 0 . 1 . 1 9 5 4 h i e ß es d a n n offiziell: „ D e r A u f s i c h t s r a t b e s c h l i e ß t d a h e r e i n s t i m m i g die A u f l ö s u n g d e s G r o ß e n Orchesters ..." Protokoll der Aufsichtsratssitzung, 20.1.1954, SR-Archiv, O r d n e r Protokolle, S.2. 149
Siehe d a z u a u s f ü h r l i c h d e n B e i t r a g v o n C h a r l e s Scheel in d i e s e m B a n d .
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Paul Burgard
geeignet war, „in noch verstärkterem Masse, unserem Lande zur Erfüllung kulturpolitischer Aufgaben zu dienen." 1 5 0 Für den mit nur 210000 gebührenpflichtigen Hörern (1953) „wohl ärmsten Sender Europas" 1 5 1 , wie ihn sein Generalsekretär Hans Wettmann einmal nannte, waren solche Kosten schwer zu tragen, zumal er „infolge seiner politischen Situation" ohnehin darauf angewiesen war, einen hohen Programmanteil selbst zu produzieren. „Man mutet RS zu, ein Programm herauszubringen, das einem Vergleich mit entsprechenden Sendern der Bundesrepublik sehr wohl standhalten muß, ohne daß aber die entsprechenden Mittel vorhanden sind." 1 5 2 U m die finanziellen Engpässe zu überwinden, griff man fast von Sendebeginn an zu einem Instrument, das ebenso umstritten wie unverzichtbar war, das schließlich sogar ein eigenständiges Programmformat hervorbrachte und als innovative Idee in die Rundfunkzukunft wies: zur Werbung. Nachdem die S A R A G und die Firma A u t z seit 1948 die Werbekonzessionen für den nicht privat geschäftsfähigen Rundfunk innehatten, wurde 1950 die Radio-Reklame G m b H zur Trägerin des Marketinggeschäftes, das sich für den Rundfunk zunehmend lohnte. Ende 1953 kamen 14 Prozent der gesamten Sendereinnahmen aus der Werbung, allerdings bestanden auch 18 Prozent des Programms aus Werbesendungen. 1 5 3 Wer in der fast werbefreien öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte aufgewachsen ist, mag sich wundern, wie - auch gemessen an heutigen privatrechtlichen Medienverhältnissen - .modern' die kommerzielle N u t z u n g des Saarländischen Rundfunks bereits 1949 erschien. Werbeblöcke und Kurzdurchsagen vor und nach den Nachrichten gehörten ebenso dazu wie Sendungen, die von französischen, deutschen oder auch saarländischen Unternehmen .patroniert' wurden, wie man damals sagte. 1 5 4 Französischunterricht wurde von der Berlitzschule gefördert, Kochrezepte wurden mit Cointreau dargeboten, die Zeitansagen um 20 oder 22 Uhr bezogen sich auf eben jene LipUhren, die dafür - auch beim SR - als Spitzenprodukte galten, und die „ M o deminute" wurde durch die Laine de Bonne Maman präsentiert. 1 5 5 Natürlich wehrte sich das Saarvolk gegen eine derartige Überflutung mit Werbung, Brief Görgen an Finanzminister Senf, 17.5.1955, L A SB, A A 88. Leitlinien für das Winterprogramm von RS. Schreiben beigefügt zum Protokoll des Aufsichtsrats, 2.9.1953, SR-Archiv, Ordner Protokolle, S.2. 152 Brief Wettmann an Hoffmann, 11.12.1953, L A SB, A A 88, S.2. 153 Ebd.; Brief Billmann an Lorscheider, 21.1.1954, ebd. Zur Rundfunkwerbung siehe ebenfalls den Beitrag von Andreas Fickers in diesem Band. 154 Eine Zusammenstellung der verschiedenen Formate: Schreiben der Programmdirektion, 10.9.51, L A SB, StK 2239. 155 Die Angaben bilden einen Ausschnitt aus dem Werbeprogramm eines Durchschnittstags vom Herbst 1949. Vgl. Aufsichtsratsprotokoll, 5.11.1951, SR-Archiv, Ordner Protokolle, S.2. 150 151
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vom Ministerpräsidenten über die .redliche' Saarbrücker Kaufmannschaft, welche die neuartigen Marketingkonzepte unseriös fand, bis hin zum besorgten Familienvater, der befürchtete, die Radio-Märchentante könnte seine Kinder mit Reklame verzaubern. 1 5 6 Aber ähnlich wie beim Schlager wurde auch bei der Werbung am lautesten dort protestiert, w o sich der größte Erfolg einstellte: In frühen SR-Formaten wie „Allerhand in Stadt und L a n d " , „Kunterbunt zur Kaffeestund", „Kleine Leckerbissen" oder „ G a n z unter u n s " verschmolz der scheinbar so evidente Unterschied zwischen Realität und schönem Traum in einer Rundfunkstunde, die man mit anfassbaren Stars wie Fritz Weißenbach, Maria Rumann oder Rudi Schmidthenner teilte. Wie populär gerade die Rundfunkstars aus den Werbesendungen waren, zeigte sich bei ihren zahllosen Auftritten bei Kaufhauseröffnungen und Seniorenkaffees, Wohltätigkeitsveranstaltungen und Unterhaltungsabenden. Als Anfang 1954 Maria Rumann in der Radiowerbung .wegrationalisiert' werden sollte, gab es einen Sturm der Entrüstung. Justizminister Heinz Braun schilderte Generaldirektor Billmann seine überwältigende Erfahrung bei einer Großveranstaltung der Arbeiterwohlfahrt in Wiebelskirchen: „Ihr E m p f a n g durch das Publikum war beispiellos. Meine Frau als Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt und ich als dort bekannter Politiker erhielten auch nicht zehn Prozent des Beifalls, den Frau Rumann dort erhalten hat ... Mittlerweile sind bereits Anhänger von Maria Rumann in großer Zahl bei mir gewesen und haben angeregt, einen Z u g der .Zehntausend' z u m Rundfunkhaus zu unternehmen, um dort zu Gunsten von Frau Rumann zu demonstrieren." 1 5 7
Wenn schon ein sozialdemokratischer Minister dem Funk wegen des Versuchs der Entkommerzialisierung mit Revolution drohte, dann war klar, wie stark die Volksbewegung für die saarländischen Medienstars war. Ihr Auftritt vor Ort war für die Saarländer gewissermaßen der sichtbare Beweis, dass es die Menschen, die sie tagtäglich in ihren guten Stuben hörten, leibhaftig gab - eine Authentifizierung, die wiederum positiv auf die Beliebtheit der Sendungen zurückwirkte. Besser konnte man eine interaktive Hörerbindung zu Beginn der 1950er Jahre wohl kaum realisieren. 158 U n d so brachte gerade der Werbefunk mit 1 5 6 Vgl. z u m Beispiel: H o f f m a n n s Protest bei L o s s o n , J u n i 1948, L A S B , S t K 2686; P r o t e s t b r i e f e brüskierter H ö r e r , L A S B , I n f A 4. A u ß e r d e m erschienen in allen saarländischen T a g e s z e i t u n g e n in regelmäßigen A b s t ä n d e n Artikel ü b e r U m f r a g e n , aus denen meist h e r v o r g i n g , wie sehr den H ö r e r i n n e n die R e k l a m e „ z u m H a l s hinaus h ä n g t " .
Brief B r a u n an B i l l m a n n , 2 9 . 1 . 1 9 5 4 , S R - A r c h i v , O r d n e r K o r r e s p o n d e n z e n . E s w a r auch häufig die R a d i o - R e k l a m e , welche g r o ß e U m f r a g e n zu den S R - H ö r e r g e w o h n heiten (in den F u n k z e i t s c h r i f t e n , ü b e r W u r f s e n d u n g e n und ähnliches) d u r c h f ü h r t e , u m den E r f o l g b e s t i m m t e r S e n d u n g e n - v o n der M a r s c h m u s i k bis z u den N a c h r i c h t e n t e r m i n e n - in unterschiedlichen K a t e g o r i e n z u m e s s e n : Beispiel mit F r a g e b o g e n , L A S B , S c h n e i d e r - B e c k e r - A r c h i v B X 2, 5, Bl. 37. 157
158
Paul B u r g a r d
Abb. 12: Kaufhaus Walter in der Bahnhofstraße Saarbrücken des Saarländischen Rundfunks und von Tele-Saar
Herbst 1953:
Fernsehvorführung
seinem Konzept des ,in- und outdoor'-Radios ein Ergebnis, von dem alle Beteiligten profitierten: Der Saarländische Rundfunk, weil er seine Finanzen aufbessern und seine Bekanntheit steigern konnte, die Unternehmen, die über die Werbung ihre Umsätze in die Höhe treiben konnten, die Saarländer, weil sie ihre Lieblinge nicht nur hören, sondern auch anfassen konnten, und nicht zuletzt das Land selbst, das ganzflächig und multimedial bespielt wurde. Die fast alltägliche Omnipräsenz und die fast rituelle Wiederholung waren dem Radio möglich und für die Werbung nötig; zusammen formulierten sie Botschaften von hohem Wiedererkennungswert, die den direkten Zugang zum Saarländer fanden. Dass die doppelte Frage nach dem „Wohin?" nur mit „zu Sinn" beantwortet werden konnte, w a r auf diese Weise in jeder saarländischen Familie ebenso bekannt wie die Tatsache, dass es bei „Walter" „immer gut und immer billig" etwas zu erwerben gab, und zwar „Für die Dame, für den Herrn, für das Kind". 1 5 9 W i e eng die V e r b i n d u n g von R a d i o und W e r b u n g war, die d a n n leicht d a z u führte, dass man von der realen in die W e r b e w e l t sprang, zeigt auch eine Illustration in: Tintenfisch, N o v e m b e r
189
Die Saarlandmacher
„, . . und jetzt laufen die Kaiserslaxiterer ein, — an der Spitze Fritz Walter — ja der aite Walter — Walter — ja Walter für die Dame, für den Herrn, für da» Kind " Abb. 13: Illustration ans dem Tintenfisch (November 1949 Nr. 20, S.J): Während der Reportage eines Fußballspiels springt ein Reporter ansatzlos von der Mannschaftsaufstellung des 1. FC Kaiserslautern mit Fritz Walter auf den bekannten Reklametext des gleichnamigen Saarbrücker Textilhauses
E s w i r k t e wie ein S i n n b i l d d e r w e c h s e l s e i t i g e n P o p u l a r i s i e r u n g , dass der Saarländische
Rundfunk
seine
erste R u n d f u n k -
und
Fernsehausstellung
a u s g e r e c h n e t i m e h e m a l i g e n K a u f h a u s W a l t e r in d e r B a h n h o f s t r a ß e d u r c h f ü h r t e . D o r t p r ä s e n t i e r t e m a n n i c h t n u r das R a d i o , seine F u n k t i o n e n und M i t a r b e i t e r , die B e s u c h e r k o n n t e n a u c h die ersten s a a r l ä n d i s c h e n F e r n s e h b i l d e r b e s t a u n e n . „ Z i c k " F r i t z W e i ß e n b a c h trat auf, u n d es w u r d e n E l e f a n t e n des gerade g a s t i e r e n d e n Z i r k u s K r o n e h e r b e i g e f ü h r t . 1 6 0 E s k o n n t e v o r dies e m p o p u l ä r e n H i n t e r g r u n d fast wie eine I r o n i e w i r k e n , w e n n der spätere k o m m i s s a r i s c h e L e i t e r des S e n d e r s , P r o f e s s o r E u g e n M e y e r v o m
Kultus-
1 9 4 9 N r . 2 0 , S . 3 ; siehe o b e n A b b . 13. D e r B e r i c h t z u r E r ö f f n u n g am 17. M a i in der S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g v o m 1 9 . 5 . 1 9 5 2 und in den f o l g e n d e n T a g e n und W o c h e n einige w e i t e r e B e r i c h t e mit B i l d e r n : A n o n y m u s , A u s s t e l l u n g „ R u n d f u n k u n d F e r n s e h e n " e r ö f f n e t , in: S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g , 1 9 . 5 . 1 9 5 2 , N r . 114, S . 5 . Siehe auch die B i l d e r in: K a r l - A u g u s t S c h l e i d e n , S a a r b r ü c k e n - S o w i e es war, B d . 3, D ü s s e l d o r f 1985, S. 8 2 f . , d o r t allerdings m i t der i r r t ü m l i c h e n D a t i e r u n g „ H e r b s t 1 9 5 3 " . Z u m B e g i n n des F e r n s e h e n s siehe den B e i t r a g v o n A n d r e a s F i c k e r s in d i e s e m B a n d .
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ministerium, in seiner Eröffnungsansprache die „Verkitschung, Vergröberung und Verbilligung geistiger Dinge" durch Kino und Radio beklagte und den kulturellen Erziehungsauftrag einforderte: „Man ging bei dem Ausbau der durch Kino und Radio gegebenen Möglichkeiten vielleicht zu sehr von der Überlegung aus: ,Was will die Kundschaft von mir haben', man hat vielleicht zu sehr die Unterhaltungsmöglichkeiten anstelle der erzieherischen Möglichkeiten ausgebaut." 161 Er erwähnte jedoch nicht, dass der Saarländische Rundfunk zugleich mit dem UKW-Sender einen eigenen Kanal für anspruchsvolles Radioprogramm aufbaute. Indirekt zeigte die Veranstaltung allerdings auch bereits die Schattenseiten eines popularisierten und kommerzialisierten Radios: Als Ausstellungsgebäude stand das zentral gelegene Haus in der Bahnhofstraße dem SR auch deshalb zur Verfügung, weil die im Juni in Konkurs gegangene Firma Walter in neun Monaten zwei Millionen Franken Schulden bei der Radio-Reklame hinterlassen hatte. 162
7. Zusammenfassung Am Ende des rundfunkhistorischen Rundgangs durch die Nachkriegsdekade lässt sich festhalten: Nicht nur wegen seiner Vorreiterrolle bei der RadioReklame, auch für das Saarland war der Saarländische Rundfunk eine (fast) perfekte Werbe-Welle. Angesichts einer politisch ungemein schwierigen Situation, der bisweilen tumultuarischen Unübersichtlichkeit in der unmittelbaren Nachkriegszeit und der finanziellen Engpässe, mit denen man permanent zu kämpfen hatte, war es erstaunlich, was in jenen zehn Jahren aufgebaut wurde. Der Sender, der ein Stück weit für das Saarland .erfunden' worden war, erfand seinerseits das Land in einer neuen Dimension. Wenn das schon fast geflügelte Wort von dem Zusammenhang zwischen der Selbstständigkeit eines saarländischen Senders und der Eigenständigkeit eines saarländischen Landes jemals zutraf, dann in jener Autonomiezeit. Dafür, für diese Eigenstaatlichkeit und für eine europäische Vision, arbeitete der Rundfunk politisch und kulturell, dafür kämpfte er, manchmal mit propagandistisch verzerrten Tönen und fragwürdigen personellen Entscheidungen, vor allem aber mit unzähligen Informationen, innovativen Ideen und passfähigen Sendeformaten. Ihn ausschließlich als politisches Propagandainstrument zu betrachten, das von einer undemokratischen Regierung abhing, ist nur in einer verzerrten Perspektive möglich. 161 Typoskript Ansprache Meyer bei der Ausstellungseröffnung, 17.5.1952, LA SB, Nachlass Meyer ( N L Meyer) 61. 162 Protokoll Verwaltungsrat, 5.11.1951, SR-Archiv, Ordner Protokolle, Artikel 7, S.3.
Die Saarlandmacher
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Zudem sind auch hier die Urteilsparameter zu wahren: Das Nachkriegsjahrzehnt war allgemein noch nicht eine Zeit der Unabhängigkeit der Medien. Sobald die alliierten Einflüsse zugunsten der Unabhängigkeit der Rundfunkstationen in den deutschen Westzonen mit dem Besatzungsstatut von 1949 zurückgeschnitten wurden, gewannen überall in der Bundesrepublik - wenngleich in unterschiedlicher Vehemenz - die deutschen politischen Einflüsse an Raum. Und in Frankreich blieb die politische Abhängigkeit von der Regierung in Rundfunk und Fernsehen noch bis in die 1970er Jahre auch institutionell klar abgesichert. Wer die SR-Historie der vergangenen Jahrzehnte, wie sie in den weiteren Beiträgen und Bänden dieses Werkes ausführlich dargelegt wird, genauer betrachtet, dem wird vor allem eines bald klar: Es sind nicht einzelne Spuren, die in eine ferne Vergangenheit vor 1955 zurückweisen, es ist eine breite Verbindungsstraße, die von Radio Saarbrücken zum Saarländischen Rundfunk führt. Trotz des Systemwechsels von 1955/1957 sind die Brüche viel schneller erzählt als die Kontinuitäten. Letztere reichen vom fast komplett übernommenen Leitungspersonal - die Entlassung des kurzeitigen Generaldirektors Hermann Mathias Görgen kennzeichnete nicht die gesamte Personalpolitik - über die Tradierung vieler beliebter Sendeformate, die Akzentuierung programmatischer Schwerpunkte bis hin zur rundfunkphilosophischen Verortung zwischen Saarland- und Europawelle. Vielleicht sind gerade diese beiden Rundfunkkinder der 1960er und 1970er Jahre die besten Beispiele für die rundfunkhistorische Kontinuität, weil damit einen später äußerst populären Namen erhielt, was bereits im Geist der Saarstaatszeit geboren war. Mag sein, dass 1956 das Saarbrücker Rundfunkhaus neu gestrichen wurde, am Fundament jedoch änderte das nichts - und es ist dieses Fundament der Wartburg, auf dem der Halberg noch immer steht. Vielleicht erinnert man sich beim SR daran, wenn das nächste runde Jubiläum ansteht. Der 17. März 2021 wäre jedenfalls ein würdiges Datum für den dann 75-Jährigen.
8. A u s g e w ä h l t e F o r s c h u n g s l i t e r a t u r Klaus Altmeyer, R u n d f u n k im Saarland. Vom Besatzungssender zum öffentlichrechtlichen Rundfunk in privater Konkurrenz, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1947-1972, Saarbrücken 1972, S. 61-67 Klaus Altmeyer, 25 Jahre Saarländischer Rundfunk. Die Entwicklung seit Wiederbeginn, Saarbrücken 1971 Hans Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, München 1980 Dietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer Kontrolle", München 1969
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Fritz Raff/Axel Buchholz, Hg., Geschichte und Geschichten des Senders an der Saar. 50 Jahre Saarländischer Rundfunk, Freiburg/Basel/Wien 2007 Saarländischer Rundfunk, Hg., Fünf Jahrzehnte Sendetechnik, Saarbrücken 1990 Saarländischer Rundfunk, Hg., Unser Sender an der Saar. 50 Jahre R u n d f u n k im Saarland, Saarbrücken 1985 Bernhard Schiff, Der R u n d f u n k nach dem Krieg. Die ersten Jahre aus der Sicht der literarischen Abteilung, in: Saarheimat 12, 1985, S. 306-310 Stefan Schölzel, Die Pressepolitik in der französischen Besatzungszone 1945-1949, Mainz 1986 Heribert Schwan, Der R u n d f u n k als Instrument der Politik im Saarland 1945-1955, Berlin 1974 H o r s t Welzel, Rundfunkpolitik in Südwestdeutschland 1945-1952. Zu den Auseinandersetzungen u m Struktur und Verfassung des Südwestfunks, Hannover 1976
Charles Scheel
Musik als Anker politischer und medialer Attraktivität Umfang und Grenzen der französischen Impulse in der musikalischen Programmgestaltung des Rundfunks an der Saar 1945-1957
1. E i n l e i t u n g „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Regierung der Inhaber des Senders war, trotzdem auf dem Namensschild G.m.b.H. stand ... Zehn Jahre lang war von dem größten Teil der Angestellten der Wille und das Bestreben vorhanden, die deutsche Kultur, das deutsche Lied, die deutsche Musik nicht ganz aus dem Programm zu verbannen."1 So formulierte es Albert Arthur Müller gegen Ende seines oft bissigen Artikels „10 Jahre Radio Saarbrücken 1946-1956" in der „Saarbrücker Allgemeinen Zeitung" vom 10. März 1956 2 : Dass seit 1945 erst die französische Militärregierung und dann die einheimische, jedoch von Frankreich kontrollierte Regierung in Saarbrücken bemüht waren, die Rückkehr der Saar zu Deutschland zu verhindern, ist nachvollziehbar. Tatsächlich kam es wegen dieser politischen Linie auch zur Tabuisierung des Wortes .deutsch' im Nachrichtenwesen. 3 D o c h ging die französische Bevormundung und die Ideologie der Hoffmann-Regierung so weit, eine frankophile Kulturpolitik zu betreiben und auch aus dem Musikprogramm alles Deutsche „ganz zu verbannen"? Dieser Frage soll hier nachgegangen werden. Der Journalist und Historiker Heribert Schwan kam 1974 zu dem Schluss, dass trotz wachsenden Einflusses der saarländischen Regierung bis zum Ausscheiden der französischen Beamten am 31.Juli 1955 die französische Dominanz im Rundfunk erhalten blieb. Allein das gemeinsame politische
Albert Arthur Muller, 10 Jahre Radio Saarbrücken, in: Saarbrücker Allgemeine Zeitung, 10.3.1956 Nr.60, S.3. 2 Albert Arthur Müller hatte selbst zur Sprecher-Mannschaft der Radio Saarbrücken-Sendung „Stimme des Tages" gehört. 3 Ein kleines Beispiel liefert das kodierte Telegramm, das der H o h e Kommissar Grandval am 21.7.1949 an das Pariser Außenministerium schickte: „Radio Luxembourg hat heute morgen die Wahl des neuen Saarbrücker Bürgermeisters Herr Peter Zimmer in folgender Weise angesagt: .Allemagne. M. Zimmer vient d'être élu maire de Sarrebruck.' Es wäre von größtem Interesse, bei der Direktion von Radio Luxembourg zu intervenieren, damit die Nachrichten bezüglich des Saarlandes unter der Rubrik ,Saar' und nicht,Deutschland' gelesen werden." Télégramme à l'arrivée, Grandval an Außenministerium, 21.7.1949, Archives du Ministère des affaires étrangères (MAE), E U 1944-1960, Sarre, 171; Übersetzung d. Verf. 1
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Ziel, nämlich die Europäisierung des Saarlandes, habe eine offene Auseinandersetzung zwischen Ministerpräsident Johannes Hoffmann und dem Hohen Kommissar Gilbert Grandval vereitelt. 4 Er zeigte auch, dass die Personalpolitik ständig kontrolliert wurde: Nur „korrekt gesinnte" Leute wurden als Abteilungsleiter, Redakteure oder Ansager eingestellt. Dabei ging es aber hauptsächlich um die Kontrolle des gesprochenen Worts in Unterhaltungsund Nachrichtensendungen, die einer strikten Zensur unterlagen. Dagegen wird bei Schwan nicht so recht deutlich, ob und wie sich diese Politik in der musikalischen Programmgestaltung niederschlug. Doch genügen schon einige Äußerungen in seiner Beschreibung der Sendungen, um Albert Arthur Müllers eingangs zitierte, lapidare Einschätzung zu relativieren: „Etwa die Hälfte des Gesamtprogramms machten in den Jahren 1946 bis 1955 Musiksendungen aus ... Der Heimatfunk pflegte das musikalische Erbe: Volkslied, Chormusik, Hausmusik und öffentliche Heimatabende fanden regelmäßig statt. Bergmannssendungen, Volksliederabende des hauseigenen Volksliederchores, Chorkonzerte und Wettbewerbe der Chöre des besonders sangesfreudigen Saarlandes gehörten zum Musikprogramm. Ebenso strahlte Radio Saarbrücken eine Menge von Dialektsendungen aus, die wegen ihres volkstümlichen Charakters eine breite Hörerschaft hatten."5
Aus Sendestatistiken, die Schwan dann für das Jahr 1955 anführt, kann man nachrechnen, dass etwa elf Prozent des Gesamtprogramms mit klassischer Musik belegt waren. Daraus lässt sich ableiten, dass Unterhaltungs- und Volksmusik - also im Wesentlichen saarländische bzw. deutsche Musik - zusammen circa 40 Prozent der Sendungen ausmachten. Ein französischer Einfluss wurde von Schwan nur in Zusammenhang mit der Ernsten Musik erwähnt: „Im ersten Sendejahr 1946 ... wurde das neu gegründete Rundfunkorchester [wegen Schallplattenmangels; Anm. d. Verf.] zur ständigen Produktion gezwungen ... Man engagierte recht häufig auswärtige, besonders französische Künstler ... Eine Reihe von Opern und Operetten 1946/47 unter der Leitung von Dr. Michl bestritt ein Solisten-Ensemble aus Paris, während die kleineren Rollen, Chor und Orchester das Saarland stellte."6
Solche Fakten erwecken den Eindruck einer starken französischen künstlerischen Bevormundung. Diese Interpretation muss allerdings relativiert werden: Erstens weil die musikalische Szene des Saarlandes so kurz nach dem Krieg arg dezimiert war, zweitens weil ein Teil der Programme (besonders französische Operetten) wohl eher für die Unterhaltung der französischen Heribert Schwan, Der Rundfunk als Instrument der Politik im Saarland 1945-1955, Berlin 1974, S. 189. 5 Ebd., S. 183 f. 6 Ebd., S. 184. 4
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Besatzungstruppen und Angestellten als für die einheimische Bevölkerung gedacht war. Gewiss hatte das feierliche Eröffnungskonzert des neuen Senders an der Saar „unter dem Vorsitz des Herrn Gouverneurs des Saargebietes" am 17. März 1946 in der Wartburg mit der Marseillaise angefangen, gefolgt von einem „Festival de musique française" (Berlioz, Saint-Saëns, Rabaud, Debussy und Lalo) mit einem französischen Solisten, dem Violinisten Roland Charmy. Außerdem wurde für diesen Anlass das kaum erst aufgestellte Radio-Orchester Saarbrücken mit dem Sinfonie-Orchester Metz .verstärkt'. Doch schon vier Tage später, am 21. März 1946, leitete Rudolf Michl das „Orchester des Senders Saarbrücken" in einem öffentlichen Konzert „gelegentlich der öffentlichen Kundgebung der politischen Parteien aus Anlass des ersten Jahrestages der Befreiung Saarbrückens" im großen Saal der Wartburg.7 Eine solch wichtige politische Veranstaltung wurde sicherlich sehr genau von der französischen Militärregierung gesteuert. Auf dem Programm des Konzertes standen Mozarts Jupiter-Symphonie, Mendelssohns Ouvertüre und Notturno aus dem Sommernachtstraum und Webers Ouvertüre zum Freischütz. Nicht gerade gallische Kompositionen, sondern beliebte Werke des deutschen Kanons der Klassik und Romantik. Mit Mendelssohn verkörperte das Programm den demonstrativen Bruch mit der nationalsozialistischen Verfemung jüdischer Komponisten. Eine symbolische Dimension war gleichfalls dem Programm des ersten Sinfoniekonzerts von Radio Saarbrücken am 6. April 1946 unter Leitung von Michl zuzuschreiben. Auch dieses begann mit einem Klassiker, der Ouvertüre zu Mozarts Zauberflöte. Es folgten zwei Werke für zwei Klaviere von Emanuel Chabrier und Claude Debussy (mit den französischen Solisten Pierre Barbizet und Zanie Petit) und zwei weitere für zwei Klaviere und Orchester von Bach und Mozart. Ein ausgewogenes deutsch-französisches Programm also, sowohl mit Bezug auf die Musik als auch auf die Ausführenden. Die Untersuchung weiterer Quellen wird zeigen, dass weder deutsche Solisten noch das deutsche Repertoire in der musikalischen Produktion jener Zeit vernachlässigt wurden. Im Folgenden wird nicht zwischen den drei verschiedenen rechtlichen Situationen des Rundfunks in der betrachteten Periode unterschieden: Radio Saarbrücken von 1946 bis 1952, Saarländischer Rundfunk-GmbH von 1953 bis 1955, ab 1956 Vorbereitungen zur Integration des SR in die ARD. Denn die Recherchen ergaben, dass die Wechsel auf der Verwaltungs- und Personalebene eigentlich wenige Änderungen in der musikalischen Programmge7 Vgl. Plakat in: Hans Bünte/Klaus A l t m e y e r / H a n s J. K o c h , U n s e r Sender an der Saar. 50 Jahre Rundfunk im Saarland, Saarbrücken 1985, S . 4 6 .
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Samstag, den M. September 1946. ZO» Ohr
Abb. 1: Plakat 1. Sinfoniekonzert des Großen Sinfonie-Orchesters am 14. September 1946 in der Wartburg
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staltung mit sich brachten. 8 In Aufsichtsratberichten finden sich kaum Spuren von künstlerischen Fragen, es ging - auch für die französischen Mitglieder dieser Gremien - fast ausschließlich um Finanzen und Verwaltung. Auch von Seiten der frühen Kontrolleure bzw. Generaldirektoren Emanuel Charrin und Gérard Losson konnte keine Spur einer Einmischung in musikalische Angelegenheiten gefunden werden. Dies gilt ebenso für den Sendeleiter von 1948 bis 1951, Pierre Séguy (in Osterreich geboren, nach Beteiligung an der Résistance aber zum Wahlfranzosen geworden), der besonders politische und wirtschaftliche Sendungen im Auge behielt und sich
„Was sollte sich denn ändern? ... In Saarbrücken war Dr. Heinz Freiberger [deutscher Musikwissenschaftler; Anm. d. Verf.] langjährig der Programmleiter [von 1952 bis 1970; Anm. d. Verf.], Er kam vom N W D R , w o er Tonmeister war, und dann, unbelastet, über einen Soldatensender in Kiew, w o er [während des Zweiten Weltkriegs; Anm. d. Verf.] Leiter der Musikabteilung war. Also im Grunde genommen waren es dieselben Leute und dieselben Formate, nur die Inhalte waren ideologisch sozusagen durch die Waschmaschine gedreht worden. Die Ansprache durch Wort und Musik blieb die gleiche." Vgl. Interview mit Franz-Josef Reichert (SR-Hörfunk-Programmd i r e k t o r i . R . ) , 30.6.2008. 8
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erst nach 1964 als freier Mitarbeiter des S R intensiv für das französische Chanson einsetzte. In der E - M u s i k des Senders hatten zwei deutsche Dirigenten, Rudolf Michl ab 1946 und Karl Ristenpart ab 1953 den direktesten Einfluss auf die Konzertprogramme ihrer jeweiligen Orchester. Andererseits übte FrançoisRégis Bastide als Besatzungsoffizier und Directeur musical viel Einfluss auf den Wiederaufbau des Sinfonieorchesters aus. Die Gründung des Saarländischen Kammerorchesters 1953 hing direkt von drei .Franzosen' am R u n d funk ab, von A b b é Carl de N y s (ein belgischer Priester aus dem deutschund französischsprachigen Eupen), seinem Assistenten Yves Rudelle (ein gebürtiger Deutscher, der wie Séguy in der Résistance aktiv war und erst als Erwachsener die französische Staatsbürgerschaft annahm) und von Frédéric Billmann (der nicht nur seit 1949 Generaldirektor war, sondern am l . M a i 1953 auch die Kompetenzen des Sendeleiters und Programmdirektors übernommen hatte). Inwieweit waren nun in der musikalischen Programmgestaltung des Senders an der Saar französische oder frankophile Einflüsse spürbar?
2.,Lieutenant' François-Régis Bastide, der Wiederaufbau eines Sinfonieorchesters für den Rundfunk in Saarbrücken 1946 und die .Epuration' In den Monaten nach Kriegsende, in denen das französische Militär mit der Organisation der Besatzung des Saarlandes beschäftigt war, bekam der 19jährige Offiziersanwärter François-Régis Bastide aus Biarritz eine Stelle im Informationsbüro der Militärregierung in Saarbrücken. D o r t sollte er im kulturellen Propagandabereich tätig sein - und wurde prompt zum Oberleutnant ernannt: Wie sollte er sonst auch ernst genommen werden? In dem knappen Jahr, das er an der Saar verbrachte, sah er zu, dass das Sinfonieorchester des Rundfunks wiederaufgebaut wurde. Außerdem stellte er die Weichen für die Gründung einer Musikhochschule in Saarbrücken und holte zum Beispiel Walter Gieseking höchstpersönlich aus amerikanischer Uberwachung in Wiesbaden an die Saar, obwohl der weltberühmte Pianist und Debussy-Interpret hoch oben auf der schwarzen Liste der Besatzungsbehörden stand. Als Amateurkomponist hinterließ Bastide außerdem das musikalische Pausezeichen von Radio Saarbrücken und eine „Messe nuptiale" für Bariton, Orgel und Orchester, die in Anwesenheit von General Pierre Koenig in der Saarbrücker Christkönigskirche im Mai 1946 uraufgeführt wurde. Heute haben wir Zugang zu diversen einst geheimen Archiven, in denen manches über die Kulturpolitik Frankreichs jener Zeit zu lesen ist. Welche
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Anweisungen aber und welche Möglichkeiten zu ihrer Umsetzung standen Bastide zu Verfügung? Es gibt wohl kein reicheres und differenzierteres Dokument über gerade diese ersten Monate nach Kriegsende an der Saar als Bastides autobiographischen Roman „La Troisième Personne". 9 Die spärlichen Spuren von Musikveranstaltungen, Sendungen und daran beteiligten Personen, die in anderen Quellen zu finden sind, bestätigen Bastides Beschreibungen. Obwohl dieser nur leicht verschlüsselte Roman später von seinem Autor als literarisch unbefriedigend desavouiert wurde, ist er doch besonders interessant, weil er sofort nach Bastides Abschied von Saarbrücken im Herbst 1946 geschrieben wurde und so getreulich seine damalige Sicht der kulturpolitischen Situation widerspiegelt. Bastide setzt einen fiktiven Helden ein, den Capitaine Francis Valognes, einen jung verheirateten 29-jährigen Dirigenten aus Paris. Abgesehen vom Hauptmannsrang und der jungen Ehefrau in Paris überträgt Bastide seine eigene Rolle in Saarbrücken auf Valognes. So wird ein Brief von Valognes zukünftigem Direktor (und Freund des Vaters) erwähnt, in dem folgender Satz steht: „Kulturelle Propaganda ist eine sehr wichtige Waffe, mit der man aber sehr behutsam umgehen muss, vor allem im Saarland, wo sie meisterhaft von den Nazis benutzt worden ist. Sie werden aber ihre Nützlichkeit sofort erkennen." 10 In Bastides Erzählung gibt es aufschlussreiche Passagen wie zum Beispiel Valognes Ankunft am Forbacher Bahnhof am 6. November 1945, die Beschreibung des frierenden, zerbombten Saarbrücken, die Arbeitsverhältnisse im Gebäude der Militärregierung, die erste „Besprechung" zwischen Valognes und den versammelten, provisorisch entnazifizierten saarländischen Künstlern im Büro des saarländischen Kulturdirektors „Dr. Schroeder" (alias vermutlich Wilhelm Schüller, 1894-1957, Beigeordneter der Stadt und Intendant des Theaters und des Radios). Auch die Beschreibung des ersten sinfonischen Konzerts in der Wartburg unter „Generalmusikdirektor Karl Zelle" (alias Philipp Wüst, 1894-1975) oder das nächtliche Musizieren im Haus des kultivierten und wohlhabenden Ehepaars Walter (alias Fritz Klein und Leni Michels) gehören dazu. Bastides Alter Ego Valognes ist ein sehr empfindsamer junger Mann, der sich verzweifelt fragt, was er den Saarländern wohl vermitteln kann. Er kann aber auch ziemlich kritisch gegenüber anderen in der Besatzungshierarchie sein. Da anscheinend keine Anweisungen direkt von Paris kommen, fährt Valognes Chef, der Leiter des Informationsamts, oft zu den „Quellen der französischen Doktrin" nach Baden-Baden. Der Erzähler kommentiert: François-Régis Bastide, La Troisième Personne (roman), Mulhouse/Paris/Lausanne 1948; Ubersetzung d. Verf. 1 0 Ebd., S. 22. 9
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„ O b w o h l man genau wusste, dass solche Pilgerfahrten absolut nutzlos waren und man sich vor den Theorien der Leute in Baden-Baden, gefährlichen Fantasten, die von ihren herrschaftlichen Hotels aus nichts sahen, in Acht nehmen musste." 1 1 Unterdessen fragt sich Valognes/Bastide: „Wie lange dieses Vorspiel einer Aktion, deren F o r m nur schwer vorhersehbar war, noch dauern würde ... Worauf wartete man in diesem gegenüber seinem Schicksal so ratlosen Land, um es zu brüskieren und in ein französisches Département umzuwandeln? Valognes, der das Saar-Problem nur aus den Akten kannte, hätte viel gegeben, um zu wissen, was Paris eigentlich erwartete." 1 2
Diese Ungewissheit war dem ungeduldigen Valognes bald ebenso unerträglich wie das raffgierige Verhalten vieler Besatzungsbeamter in „dieser klassischen Kolonie-Atmosphäre." 1 3 U n d da er besonders auf die musikalischen Möglichkeiten des Landes neugierig war, beschloss er, nun „Umgang mit deutschen Milieus zu pflegen und die Besatzer so weit wie möglich zu meid e n . " 1 4 Konkret gab Valognes schon vor seiner Rückreise zum Weihnachtsurlaub in Paris am 20. Dezember seinem saarländischen Kollegen „Schroeder" Anweisungen für die Organisation eines ersten Sinfoniekonzerts in der Wartburg im Frühjahr 1946 unter Leitung des „ G M D Karl Zelle", obwohl dieser Mann als früheres N S D A P - M i t g l i e d auf der schwarzen Liste stand. Dies ist im Kapitel „Besprechung" detailliert dargestellt. Das Kapitel enthält ein subtiles Portrait von Schroeder, der schon in der Zeit des saarländischen Protektorats mit den Franzosen gearbeitet hatte, dann von den Nazis kaltgestellt worden war, um dann von den Franzosen wieder eingestellt zu werden: „Jetzt wo er wieder vor dem kleinen Volk der kultivierten Saar stand, wurde Schroeder für die Deutschen unangenehm ... und für die Franzosen der charmanteste Frankophile." 1 5 Interessant an dieser Stelle ist die Beschreibung der prekären Lage der Kunstszene, besonders wenn die Regeln der politischen Säuberung (Épuration) strikt beachtet werden sollten. Auf Schroeders erster Liste „blieben nur die Unfähigen, die Enkel von Juden, diejenigen, die Nazis H ö r n e r aufgesetzt hatten, und die 175-er", womit Homosexuelle angesprochen waren. 1 6 Wie sollte man solche Leute im Kulturleben einsetzen? Es wurden also doch manche, die mehr als nur Mitläufer waren, zugelassen. Valognes, der zu Schroeders Erstaunen erklärte, dass er eng mit den saarländischen Künstlern zusammenarbeiten wollte, hatte auch deshalb starke Bedenken, „weil es kaum zu erwarten war, 11
Ebd., S. 51.
12
Ebd., Ebd., Ebd. Ebd., Ebd.,
13 14 13 16
S. 53. S. 60. S. 75-78. S. 79f.
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dass das Vertrauen, das er den saarländischen Künstlern schenken wollte, mit dem Zynismus harmonieren würde, den seine Kollegen in der Regierung für die einzige wirkungsvolle Behandlung der deutschen Seele hielten." 1 7 In diesem Rahmen ist besonders der Fall des eleganten, doch kompromittierten „Generalmusikdirektors Karl Zelle" alias Philipp Wüst interessant. 18 Dieser, 1894 bei Ludwigshafen geboren, hatte nach ersten Dirigaten in Saarbrücken, Stettin, Bremerhaven und Oldenburg zwischen 1933 und 1945 eine Karriere als Generalmusikdirektor in Mannheim, Breslau und Stuttgart gemacht, die ohne frühe Mitgliedschaft in der N S D A P nicht vorstellbar ist. Nun beschreibt Bastide, wie „Karl Zelle" uneingeladen und doch sehr selbstbewusst in die Besprechung platzt in der Hoffnung, an der Saar engagiert zu werden. So kommt es auch, weil Bastide einsieht, dass dieser Mann auf musikalischer Ebene keine Konkurrenz im Saarland hat. Danach wird das erste Sonntagnachmittags-Sinfoniekonzert in der eiskalten, aber voll besetzten Wartburg beschrieben. „Karl Zelle" dirigiert ein Orchester, dessen hungernde Musiker zum Teil einen langen Fußmarsch hinter sich haben, die aber offensichtlich froh sind, unter ihm zu spielen. Auf dem Programm stehen eine Rameau-Ouvertüre, Schumanns Klavierkonzert und eine BeethovenSinfonie. Für den Dirigenten Valognes ist es besonders wichtig zu erleben, wie ein erfahrener deutscher Dirigent Beethoven interpretiert. 19 Dies wäre also das erste Konzert (Januar oder Februar 1946) eines neu aufgestellten Sinfonieorchesters in Saarbrücken gewesen. Man kann annehmen, dass die beteiligten Musiker auch den Kern des Orchesters bildeten, mit dem Radio Saarbrücken dann am 17. März 1946 offiziell unter der Leitung von Philipp Wüst eröffnet wurde. 20 Vielleicht lag es an der zögerlichen Entnazifizierung dieses Mannes, dass sein Name weder auf dem Plakat noch auf dem Programmblatt dieses feierlichen Konzerts erscheint. Wüst sollte aber noch im selben Jahr die Leitung des Stadttheater-Orchesters übernehmen (mit dem Titel des Generalmusikdirektors nach Neueröffnung des restaurierten Theaters 1948) und ab 1965 als Professor an die Musikhochschule in Saarbrücken berufen werden. Die Leitung des Großen Orchesters von Radio Saarbrücken wurde dem früheren Kappellmeister des ,Gautheaters
Ebd., S. 88f. Als Bastide diesen Alias-Namen für Wüst aussuchte, dachte er vielleicht an Carl Zeller (18421898), einen österreichischen Komponisten, der ein halbes Dutzend Operetten hinterließ, darunter „ D e r Obersteiger", der im Stadttheater Saarbrücken 1951 unter Wüst aufgeführt und als letzter Teil der Veranstaltungen „ Z u m Gedenken des 14.Juli" von Radio Saarbrücken live gesendet wurde. 19 Bastide, L a Troisième Personne, S. 139-154. 2 0 Bünte, Unser Sender, S. 42. 17
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Saar-Pfalz' Rudolf Michl anvertraut - sicherlich auch mit Unterstützung von Bastide, der mit beiden Männern befreundet war.21 Zwanzig Jahre nach „La Troisième Personne" erzählte Bastide in der IchForm in dem sehr viel komplexeren Werk „La Fantaisie du voyageur" 22 , wie unbedeutend er eigentlich unter den Besatzungsoffizieren Grandvals war. Er verfügte zum Beispiel über keinen Dienstwagen und Chauffeur. Stundenlang musste er zu Fuß durch die Stadt laufen. Mit dem gewonnenen Abstand entschleiert der nun erfahrene Mann und Schriftsteller Bastide weitere, auch recht persönliche Kapitel seiner damaligen Situation in Saarbrücken, die er folgenderweise zusammenfasst: „Ich hatte für mich den Auftrag erfunden, die Saarländer mit französischer Musik bekannt zu machen ... Mit zwanzig Jahren weiß ich nichts Genaues und Sicheres über mich, aber ich bin Saarländer."23 So sehr, dass er von den Kollegen als „der kleine Kollabo" bezeichnet wurde. Bastide hat französische Musik im Saarland gefördert, aber keineswegs um deutsche Musik zu verbannen. Vielmehr liebte er Ravel und Debussy genauso wie Schubert, Brahms und Beethoven. Der „Deutschland-, Musik- und Frauenliebhaber" 24 , der musikalisch begabte Mann, der eigentlich Dirigent oder Komponist werden wollte, wurde zum schillernden Schriftsteller, im Jahre 1955 zum Mitbegründer einer der bekanntesten und ältesten literarischen Sendungen des französischen Rundfunks „Le Masque et la Plume" und letztlich zum Botschafter Frankreichs unter Mitterrand. An der Saar hat er erstaunlichen Mut gezeigt und weitsichtige Initiativen ergriffen - aus Liebe zur Musik und aus jugendlichem Enthusiasmus.
3. Rudolf Michl und das Repertoire des Sinfonieorchesters in öffentlichen Konzerten des Rundfunks an der Saar Rudolf Michl wurde 1906 im böhmischen Peiperz geboren. Er studierte am Prager Musikkonservatorium, wurde 1932 in Jura promoviert, war aber bald Kapellmeister in Aussig und Kassel und ab 1940 am Gautheater in Saarbrücken, wo er sich nach einem kurzen Wehrdienst 1945 an Bauarbeiten an dem
„Meine Freunde von 1946 hießen Wüst, Michl, Skohoutil, Straus und sogar Detemple." Zitiert wird aus der deutschen Übersetzung: Eugen Helmlé/Alfred Diwersy, Wandererfantasie, Blieskastel 2006, S. 133. 21
François-Régis Bastide, La Fantaisie du voyageur (roman), Paris 1976 ( „ L e plus allègre et symphonique de ses romans. Toute sa vie y est romancée, toutes ses passions y sont orchestrées", so J é r ô m e Garcin, Son excellence, monsieur mon ami, Paris 2008). 22
23
Helmlé/Diwersy, Wandererfantasie, S. 166-177.
24
Garcin, Son excellence, S. 51.
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Charles Scheel
kriegsbeschädigten Gebäude beteiligte. 25 Wie erwähnt, übernahm er ab 1946 die Leitung des neu aufgebauten Orchesters des Rundfunks. 26 Es spielte in den ersten zwei Jahren nicht nur sinfonische Konzerte für Live-Sendungen und Unterhaltungsmusik, sondern führte auch Opern und Operetten in der Wartburg auf, die dann in Saarlouis wiederholt wurden. Nach dieser äußerst schwierigen Gründungszeit sollte Michl das Orchester als Chefdirigent durch mehrere Intendanzen des Rundfunks und durch oft bewegte politische Zeiten bis 1971 betreuen. Bis 1953 war er auch Leiter der Musikabteilung des Senders. Zum Thema Musikproduktionen des Sinfonieorchesters für den Rundfunk gibt es eine Studie mit einer statistischen Ubersicht des ehemaligen Leiters des SR-Musikarchivs, Frank Rainer Huck. 2 7 Für die Jahre 1945 bis 1951 existiert allerdings keine vollständige Aufzeichnung der gesendeten Musik, weil das Programm der meisten Sendungen damals nicht in schriftlicher Form bei Radio Saarbrücken oder später beim SR archiviert wurde. Auch die Musikbestände sind für diese Jahre ziemlich karg, weil Bandaufnahmen erst 1950 regelmäßig eingesetzt und dann wegen Bandnot oft rasch gelöscht und überspielt wurden. Doch können die im heutigen SR-Archiv noch vorhandenen Dokumente um vieles bereichert werden dank der sorgfältigen Sammelarbeit des Musikpädagogen und -rezensenten Robert Hahn (18921974), dessen Nachlass im Musikwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes betreut wird. Huck untersuchte die Programme von 185 Konzerten, in denen 475 unterschiedliche Werke von 159 Komponisten (fast ausschließlich unter der Leitung des Chefdirigenten Rudolf Michl) gespielt wurden. Er kam dabei zu zwei wichtigen Ergebnissen: 1. „Die Rangliste der meistgespielten Komponisten wird von den Vertretern des klassisch-romantischen Konzertrepertoires angeführt." 28 An der Spitze: Beethoven, Mozart, Brahms, Dvorak, Ravel, Tschaikowsky, Bruckner, Strauss,
Dies aus dem Manuskript eines Artikels über „Das Radio Sinfonieorchester und sein Dirigent Dr. R u d o l f M i c h l " von Dr. R o b e r t H a h n für die Saarbrücker Zeitung am 2 5 . 3 . 1 9 6 1 , Saarländisches Musikarchiv R o b e r t H a h n , Musikwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes. 2 6 Gegen französische Musik hatte Michl offensichtlich nichts einzuwenden (dies wird von den unten angeführten Produktionszahlen bestätigt werden). E r soll auch ziemlich früh die saarländische Staatsangehörigkeit beantragt haben. Vgl. Interview mit Klaus Altmeyer (SR-Pressestellenleiter i . R . ) , 2 5 . 4 . 2 0 0 8 . 2 7 Frank Rainer H u c k , Musikproduktionen des Saarländischen Rundfunks mit dem R u n d f u n k sinfonieorchester Saarbrücken. Öffentliche Konzerte 1 9 4 6 - 1 9 6 3 , in: Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte, 1 7 : 1 , 1 9 9 1 , S . 4 2 - 5 1 , hier S . 4 3 : „An keiner Stelle findet sich eine vollständige Sammlung alter Konzertprogramme, und Produktionsakten sind bis in die siebziger J a h r e hinein bereits vernichtet worden." 2 8 Ebd., S. 45 f. 25
Musik als A n k e r politischer und medialer Attraktivität
203
Wagner, Bartok. Hucks Fazit kann durch die Bemerkung ergänzt werden, dass unter den ersten 20 mit Ravel nur ein Franzose (immerhin auf Platz fünf) erscheint, aber auch weitere Vertreter der Neo-Klassik wie Hindemith, Strawinsky und Prokofjew sind dabei. 2. „Die Programmgestaltung der ersten Nachkriegsjahre unterscheidet sich kaum von der vor dem Krieg" 2 9 - mit Ausnahme der Wiederaufnahme der als .entartet' verbannten Werke. Vielleicht erklärt seine 13-jährige Verbannung aus dem Repertoire im Dritten Reich, dass Mendelssohns Violinkonzert e-Moll das am häufigsten gespielte Werk jener Jahre war (fünf Mal). Auch hier kann hinzugefügt werden, dass sich unter den 40 am häufigsten gespielten Werken 26 deutsche Kompositionen finden lassen - gemessen an lediglich drei französischen. Auch wenn man berücksichtigt, dass Hucks Studie sich bis 1963 erstreckt, kann kaum behauptet werden, dass in der Zeit von 1946 bis 1956 deutsche Musik verbannt oder die französische stark begünstigt worden wäre. Letzteres wird auch durch die Statistiken der Uraufführungen bestätigt: Unter den 57 Werken, die zwischen 1946 und 1963 zum ersten Mal in Saarbrücken zu Gehör gebracht wurden, findet man nicht mehr als fünf von französischen Komponisten (Zbinden, Ibert, Milhaud, Poulenc und Roussel). Interessanterweise wurden sie, verglichen mit der Uraufführung von zehn Werken des saarländischen Orchestermitglieds Heinrich Konietzny zum Beispiel 30 , zwischen Dezember 1951 und Juni 1952 alle innerhalb einer Saison aufgeführt. Hinzugefügt werden sollte, dass unter den 185 von Huck untersuchten öffentlichen Konzerten des Sinfonie-Orchesters von Radio Saarbrücken 135 so genannte „Jugendkonzerte" waren, eine Gattung, die Michl am 9. N o vember 1947 einweihte, um neben „dem Alten und Bewährten" auch „das Neue oder wenig Bekannte" mit pädagogischer Einführung ins Programm aufzunehmen. Diese Jugendkonzerte fanden in der Wartburg mit Direktübertragung sonntags um elf Uhr statt. Rückblickend kann man über die Vielfalt und Qualität der gebotenen Konzerte staunen, weshalb sie wohl auch 20 Jahre Ebd. Von jüngsten Angaben des SR-Musikarchivs über die noch erhaltenen Bänder ( 1 9 5 2 - 1 9 7 3 ) der Aufnahmen des S O unter der Leitung Michls kann man folgende Zahlen für die Jahre 1952-1957 ableiten: Von 16 Stunden sinfonischer Musik (mit oder ohne Solisten), die das S O in jenen Jahren aufnahm, betreffen rund vier (also 25 Prozent) französische Werke (von Georges Bizet, G u y Bernard, M a r c - A n t o i n e Charpentier, Ernest Chausson, Claude Debussy, L é o Delibes, Gabriel Fauré, Charles G o u n o d , Jacques Ibert, Vincent D ' I n d y , Jules Massenet, Darius Milhaud, Gabriel Pierné, Marcel P o o t , Camille Saint-Saëns und François Adrien Boieldieu). Dies ist ein hoher Anteil, der allerdings auch Fragen über die Auslese der Bänder aufwirft und mit dem Katalog der Gesamtaufnahmen der Periode verglichen werden sollte. Übrigens galt 1948 die allererste Bandaufnahme des S O Brahms Deutschem Requiem. 29 30
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C h a r l e s Scheel
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Abb. 2: Programmtitel der Jugendkonzerte 1952-1953
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lang erfolgreich waren. So kühn wie damals neue Werke mit altbekannten kombiniert wurden, war es später in den sonntäglichen Matineekonzerten des RSO-Saarbrücken nicht mehr der Fall. Hier einige Beispiele aus diesen frühen Jugendkonzerten - es gab etwa acht pro Saison - , in denen meistens auch ein namhafter Solist auftrat: 5 . 0 k o b e r 1952: Gottfried von Einem (Capriccio op.2), Sergej Prokofjew (Konzert für Violoncello und Orchester op. 58, mit Maurice Gendron), Johannes Brahms (Sinfonie Nr. 3 F-Dur) 21. Februar 1954: Heinrich Konietzny (Intrada, Uraufführung), Sergej Prokofjew (Violinkonzert Nr. 1 D-Dur, mit Myriam Solovieff), Gustav Mahler (Sinfonie Nr. 1 D - D u r ) 17. Oktober 1954: Paul Hindemith (Sinfonische Metamorphosen), Alban Berg (Violinkonzert, mit Christian Ferras), Alexander Borodin (Sinfonie Nr. 2 h-Moll)
Musik als A n k e r politischer u n d medialer Attraktivität
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16. Oktober 1955: Hindemith (Konzertmusik für Streichorchester und Blechbläser op. 50), Josef Suk (Fantasie für Violine und Orchester op.24, mit Ricardo Odnoposoff), Igor Strawinsky (Feuervogel) 24. Februar 1957: Ottorino Respighi (Fontane di Roma), Ernst Dadder (Klavierkonzert, Uraufführung mit Martin Steinkrüger) 15. Dezember 1957: Philipp Möhler (Sinfonisches Capriccio, Erstaufführung), Ernest Bloch (Schelomo, hebräische Rhapsodie für Violoncello und Orchester, Erstaufführung) und Dimitri Kabalewsky (Konzert für Violoncello und Orchester op. 49, Erstaufführung, mit Maurice Gendron, Violoncello), Max Reger (Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin) 19. Oktober 1958: Wolfgang Fortner (Capriccio und Finale), Ludwig van Beethoven (Sinfonie Nr. 1 C-Dur), Ludwig van Beethoven (Konzert für Violine und Orchester D-Dur, mit Wolfgang Schneiderhan). In dieser Liste wurde ein Beispiel vom Herbst 1958 mit aufgeführt, um zu zeigen, dass das Format dieser Jugendkonzerte sich auch, nachdem der SR am 1. Januar 1957 offiziell zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts geworden war und in keiner Weise mehr einem französischen Einfluss unterlag, kaum geändert hatte. Der ständige Chefdirigent garantierte die Kontinuität der Programme. Mindestens ab den Jahren 1952/1953 gab es ein ansprechendes Programmheft für die ganze Saison, das im Stil über die Jahre hinweg bis auf Kleinigkeiten unverändert blieb. Lediglich der Name des Klangkörpers änderte sich von Großes Radio-Orchester von Radio Saarbrücken ab den Jahren 1953/1954 zu Sinfonie-Orchester Radio Saarbrücken und ab den Jahren 1955/1956 zu Sinfonie-Orchester des Saarländischen Rundfunks. Erst ab September 1973, nach Integration des aufgelösten Kammerorchesters, sollte es dann RSO-Saarbrücken heißen. Woraus man schließen kann, dass die Änderungen in der Rechtsform des Senders (ob Verordnung des Commandant en Chef français en Allemagne vom 16. November 1947, „Erstes Rundfunkgesetz" der Regierung H o f f m a n n vom 18. Juni 1952 oder „Gesetz über den Saarländischen Rundfunk" vom 27. November 1956) sich nicht spürbar auf das Musikprogramm des Sinfonieorchesters in Saarbrücken auswirkte.
4. D i e S R - G m b H , ein n e u e s Saarländisches K a m m e r o r c h e s t e r u n t e r d e m Berliner Karl R i s t e n p a r t u n d die A u t o n o m i e s t r a t e g i e der H o f f m a n n - R e g i e r u n g Die Gründung des Saarländischen Kammerorchesters (SKO) unter Leitung von Karl Ristenpart im Jahr 1953 zeigt am deutlichsten den damaligen französischen Einfluss auf die Musiklandschaft an der Saar. Zu diesem Kapitel
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Charles Scheel
Mitglieder des Saarlandischen Kammerorchesters Membres de l'Orchestre de Chambre de la Sarre v i o ' i n e - violon Georg Friedrkií Hejide) P i u j K o b tien Vi'crntir R e i m e n O t t o TVoàmana G ü n t e r Per I Peter G l a t t e Gerd Gassen Fred Lescïewîki Max Bretsditieider Bratsche · Aito Frieder fiaetz Siegbert U e b e r î d i a e r I r m g a r d Sevenig T h e o d o r Kempen Violoncello Betty S A u t e - H i n d r i d i s Ro;/ D o m m i s d i Dieter Brachmann K o n t r a b a ß - Contrebasse R o g e r Deitz C e m b a l o - Ciavecin G ü n t e r Karau
Abb. 3: Saarländisches Kammerorchester unter der Leitung von Karl Ristenpart in der Pariser Konzerthalle Salle Gaveau am 31. Oktober 1955
werden hier Informationen aus zwei Publikationen von 1999 zusammengefasst, einer Biographie und Dokumentation über den Dirigenten Karl Ristenpart 3 1 und einer Publikation zum grenzüberschreitenden Kolloquium 3 2 , das 1997 im Rahmen mehrerer Veranstaltungen zum 30. Todesjahr des Dirigenten in Saarbrücken und M e t z vom deutsch-französischen A M E F A e.V. 3 3 organisiert wurde. Der Gründung voraus gingen das erste Saarländische Rundfunkgesetz der Regierung Hoffmann im Juni 1952 und die darauf folgende Umwandlung von Radio Saarbrücken in die Saarländische Rundfunk G m b H im O k t o b e r desselben Jahres. Diese Änderungen brachten selbstverständlich auch Budgetrevisionen mit sich, inklusive einer erneuten Kostenabwägung für das eigene Rundfunkorchester. Die 80 hauseigenen Musiker unter Musikdirektor Michl kosteten sehr viel Geld. D o c h trotz verdienstvoller Produktionen konnte das Sinfonieorchester des SR qualitativ nicht mit anderen großen Orchestern im südwestdeutschen Raum konkurrieren. Charles W. Scheel, Karl Ristenpart. D i e Werkstätten des Dirigenten: Berlin, Paris und Saarbrücken, Saarbrücken 1999. 3 2 D e r s . / D a m i e n Ehrhardt, Hg., Karl Ristenpart et l'Orchestre de C h a m b r e de la Sarre (1953— 1967)/Karl Ristenpart und das Saarländische Kammerorchester, Bern 1999. 31
Association Musicale d'Études Franco-Allemandes, Institut für Musikwissenschaft, Universität des Saarlandes. 33
Musik als A n k e r politischer und medialer Attraktivität
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Zur SR-Musikabteilung kam im September 1952 Yves Rudelle hinzu, ein junger Flötist und gelernter Orchesterdirigent, 1916 in Kassel geboren, aber nach Beteiligung an der Résistance seit 1945 Inhaber eines französischen Passes. E r wurde neuer Assistent von Abbé de Nys, der seit 1950 Redakteur für klassische Musik bei Radio Saarbrücken war. Beide interessierten sich sehr für alte und barocke Musik und wollten ein Kammerorchester mit den besten Streichern der Saarbrücker Orchester und einen erstklassigen Kammerchor zusammenstellen. Generaldirektor Frédéric Billmann unterstützte ihre Bemühungen, vor allem aber deshalb, weil der S R durch ein hochwertiges kleines Orchester auf ein großes verzichten könnte und so Geld sparen würde. Im Bach-Jahr 1950 hatte A b b é de N y s die vielen Kantatenaufnahmen des R I A S - C h o r - und Kammerorchesters unter Leitung von Karl Ristenpart kennen- und schätzengelernt und manche auch über Radio France senden können. D a de N y s sehr an einer französischen Plattenproduktion von Bachkantaten interessiert war, vermittelte er im Dezember 1952 in Paris ein Treffen zwischen Ristenpart und Henri Screpel, dem Gründer des französischen Plattenlabels Les Discophiles Français ( D F ) . Gleich danach fand eine Probeaufnahme mit dem von Rudelle ad hoc aufgestellten Kammerorchester in Saarbrücken statt. N a c h Anhören des Bandes bot Billmann Ristenpart noch am selben Abend die Leitung eines neuen Kammerorchesters an der Saar an ( S K O ) , ein Angebot, das Ristenpart einen Monat später annahm. Damit fing ein bewegtes Kapitel der SR-Musikgeschichte an. Ausgerechnet in einer Zeit, in der die saarländische Regierung eine Mehrheit im S R Aufsichtsrat erlangt hatte, wollten drei frankophile Persönlichkeiten des S R einen .auswärtigen' Dirigenten und mehrere Berliner Musiker engagieren. Wobei der SR-Aufsichtsrat, auch noch in der Sitzung des 18. April 1953, nur halb informiert war und Billmann einen kaum glaubwürdigen Finanzierungsplan für das neue Kammerorchester vorstellte. Erst nach einem ersten öffentlichen Konzert des Saarländischen Kammerorchesters Saarlouis am 6. Juni in Saarlouis - Bürgermeister Anton Merziger, der seiner Stadt mehr kulturellen Glanz geben wollte, hatte ein ,Aufnahmestudio' im Saarlouiser Saalbau angeboten - kam es zu einem Proteststurm in der Presse. Man war besorgt um die Zukunft des Sinfonieorchesters. Trotzdem erlangte Ristenpart nach zähem Ringen, dass am 1. O k t o b e r 1953 17 Musiker eingestellt wurden, davon elf aus Berlin und nur drei schon im Saarland tätig. Zur E x plosion kam es, nachdem bekannt wurde, dass der SR-Aufsichtsrat am 20. Januar 1954 beschlossen hatte, aus Einsparungsgründen dem Sinfonieorchester zum 31. März zu kündigen. Dieser Sturm legte sich erst, als Ende 1955 eine Kompromisslösung gefunden wurde. Rein finanziell profitierte die Firma Les Discophiles Français wohl am meisten von der Gründung des S K O , weil sie Platten vermarkten konnte mit
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Charles Scheel
spottbilligen Kopien der Aufnahmen, die das Orchester für den SR einspielte. Zwischen 1953 und 1957 wurden insgesamt 95 DF-Platten gepresst mit 152 Werken von 20 Komponisten, fast ausschließlich aus dem Barock (Bach, Händel, Vivaldi), dem Rokoko (Bach-Söhne) und der Klassik (Mozart, Haydn, Schubert). Vorwiegend französische Solisten wirkten mit (so das Französische Bläserquintett oder Marie-Claire Alain), aber auch deutsche wie Ulrich Grehling und Fritz Neumeyer. Mit einem solchen Repertoire war das SKO natürlich kein Propagandainstrument der französischen Kulturpolitik. Vielmehr war es aus anderen Gründen ins Leben gerufen worden: Der begeisterte Entdecker verschollener Manuskripte, Abbé de Nys, versprach sich davon die Aufführung von Werken europäischer Barockmusik, der französische Generaldirektor des SR, Billmann, sah darin ein Mittel für erhoffte Einsparungen. Sobald das hohe Niveau des Orchesters erkannt worden war, wurde das Ensemble allerdings für die Autonomiepolitik der Hoffmann-Regierung instrumentalisiert. So spielte das SKO bald in Nancy, in der Pariser Salle Gaveau und auf bekannten französischen Festivals (Epinal, Menton, Lyon-Charbonnière). Seine Konzerte mit vorwiegend Bach- und MozartWerken lösten auf Anhieb Begeisterung und Bewunderung beim Publikum aus, und das Pariser Debüt 1954 war ein erstaunlicher Triumph. Die im AMEFA-Karl Ristenpart-Archiv erhaltenen Dokumente zeugen von der effizienten (aber nicht immer reibungslosen) Zusammenarbeit zwischen der Agence France Presse (AFP), den Pressestellen des SR und der saarländischen Regierung. So gab jedes Konzert des Orchestre de chambre de la Sarre in Frankreich nicht nur Anlass zu den üblichen Rezensionen in der lokalen - oder, was Paris betrifft, nationalen - Presse, sondern auch zu Kurzmeldungen in fast jeder Regionalzeitung, als sei ,1a Sarre' Teil der Nation und das Auftreten des SKO zum Beispiel in Lyon auch in Brest und Limoges von Bedeutung. Besonders grobschlächtig aber war die Einmischung des saarländischen Gesandten in Paris, Emil Straus, anlässlich der ersten Gaveau-Konzerte des SKO im Herbst 1954. Der Gesandte und ehemalige Kultusminister setzte es durch, dass als einziger Solist im Programm der saarländische Pianist Alexander Sellier genannt wurde, während Jean-Pierre Rampal und seine Freunde des Französischen Bläserquintetts, die Crème de la Crème der Pariser Musikszene, auf der Rückseite unter den Mitgliedern des SKO erschienen. Ristenpart waren die Hände gebunden, weil das Budget des SKO beim SR nur dank einer Sonderzuwendung der Regierung ausgeglichen wurde. Trotz solcher Erlebnisse war für den Dirigenten und bekennenden Europäer Ristenpart die Arbeit mit französischen Musikern und die Konzerttourneen in Frankreich und anderen europäischen Ländern eine willkommene Öffnung zur Außenwelt. Dass sein Name und der seines erfolgreichen Orchesters als Aushängeschild Nr. 1 von der saarländischen Regierung im Rahmen der Auto-
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nomiestrategie ausgenutzt wurden, störte ihn nicht: Es war wohl vorauszusehen gewesen. Übrigens diente das SKO auch den Regierungen nach der Abstimmung als Aushängeschild des Saarlandes für mehrere Deutschlandtourneen ab 1956. Bei aller Liebe zu Frankreich - bis zu seinem Tod 1967 war Ristenpart einer der bekanntesten und beliebtesten deutschen Dirigenten in Frankreich - genossen er und seine Musiker die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland und die Umstellung auf die D-Mark: Endlich konnten sie wieder ohne Passkontrolle und Schikanen ihre Verwandten und Freunde in Berlin und sonst wo in Deutschland besuchen. Wegen der eben geschilderten engen Verbindungen von Ristenparts Orchester mit französischen Solisten und zeitgenössischen neoklassischen französischen Komponisten, der LP-Produktion mit fast ausschließlich französischen Plattenlabels (nur zwei von 169 LPs wurden in Deutschland produziert) und der Auszeichnung mit fünf Grand Prix du Disque könnte der Eindruck entstehen, das SKO habe mehr für Frankreich und die französische Musik getan als für das Saarland und Deutschland. Doch dieser Eindruck ist falsch. Denn wenn auch das SKO in seinen 14 Jahren unter Karl Ristenpart vermutlich das Kammerorchester mit dem weltweit breitesten LP-Repertoire war (333 Werke von 48 Komponisten), so war seine Produktion für den SR doch noch beeindruckender: Allein unter Karl Ristenpart hinterließ das S K O Aufnahmen von 224 Komponisten im SR-Musikarchiv. Französische Werke bilden davon zwar einen beachtlichen, aber auch relativ geringen Anteil, wie man den folgenden Statistiken entnehmen kann. Bandproduktion des Kammerorchesters des Saarländischen Rundfunks (von Karl Ristenpart im Oktober 1953 gegründet und bis zu seinem Tod im Dezember 1967 fast auschließlich von ihm dirigiert): Die zehn Spitzenplätze der circa 320 eingespielten Komponisten des S K O belegten: 1. Wolfgang Amadeus Mozart (48 Stunden Musik auf Band); 2. Johann Sebastian Bach (40 Stunden); 3. Joseph Haydn (16 Stunden); Georg Friedrich Händel (13 Stunden); Antonio Vivaldi (10 Stunden); Georg Philipp Telemann (6 Stunden); Carl Philipp Emanuel Bach (5.30'); Carl Stamitz (5.28'); Johann Christian Bach (4.22'); Franz Schubert (3.20'). 34 Außer Vivaldi handelt es sich hier ganz offensichtlich um die bekanntesten Namen des deutschen Barock und der deutschen Klassik. Die Aufnahme von Werken allein dieser zehn Komponisten kommt auf 150 Stunden (mehr als die Hälfte der gesamten Bandproduktion des SKO). Die nächste Tabelle zeigt, dass alle Aufnahmen des SKO unter Karl Ristenpart von sämtlichen 19 französischen Komponisten auf insgesamt 7 Stunden kommen. 34
Scheel, Karl Ristenpart, S. 134.
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Tabelle 1: Französische Werke im Kammerorchester-Repertoire 1967)3i (zeitgenössische Komponisten sind kursiv gedruckt) Komponist
Daten
Roger
1932-
Boutry
unter Karl Ristenpart
Bestand (Minuten) 9
Bandzahl 1
Marc-Antoine Charpentier
1645--1704
17
1
Charles
1925-
24
1
Chaynes
Chevalier de St. Georges
1739--1799
13
1
François Couperin
1688--1733
7
2
Louis Couperin Jean-Michel Damase
7
2
1928-
25
2
Claude Debussy
1862--1918
28
3
Michel-Richard Delalande
1657--1726
9
1
Jean Françaix Arthur Honegger
1912--1997
31
2
1892--1955
16
2
André
Jolivet
1905--1974
13
1
Simon Leduc
1745--1777
13
1
Jean-Marie Leclair
1697--1764
65
4 1
1626--1661
Darius Milhaud
1892--1974
10
Jean-Philippe Rameau
1683--1764
16
1
Maurice Ravel
1875--1937
22
2
Jean Rivier Henri Sauguet
1896--1987
90
5
1901--1989
17
1
= 19 von 224 Komponisten = 8,5 Prozent
(1953-
= 419' von 12000' = 34 von 1 Musik = 3,5 Prozent dern = 3,4
Tabelle 2: Französische Solisten in der Bandproduktion des SKO unter Karl Ristenpart für den SR36 (hier nur die Künstler, mit denen die Zusammenarbeit vor 1957 begonnen hatte. Später kamen noch einige berühmte Namen hinzu wie Maurice André, Lilly Laskine, Roger Bourdin, etc.) Name
Bereich
Bandzahl
Jahr der Aufnahmen
Marie-Claire Alain Gilbert Coursier
Orgel Horn
36 2
1956-1959
Maurice Gendron Jacques Genty
Cello Klavier
1
1954-1956
1
1955 1957
Paul Hongne
Fagott
8
1954-1968
Jacques Lancelot
Klarinette
2
1954-1956
Pierre Pierlot
Oboe
14
1954-1962
Jean-Pierre Rampal
Flöte
43
Hélène Salomé
Klavier
Ludovic Vaillant = 10 von 252 Namen = 2,5 Prozent
Trompete
35 36
Auszug aus: Ebd., S. 136-142. Auszug aus: Ebd., S. 129-133.
2 1 = 110 von 1000 = 11 Prozent
1954-1966 1954 1954
M u s i k als A n k e r politischer und medialer Attraktivität
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Die Betrachtung dieser Zahlen und Tabellen erlaubt folgendes Fazit: Es waren tatsächlich nur einige .Franzosen' beim SR, die die Gründung eines Kammerorchesters unter Karl Ristenpart 1953 scheinbar gegen das allgemeine Interesse des Senders und seines Sinfonieorchesters durchsetzten. Doch dank seiner brillanten Produktion - zum Teil mit französischen Solisten, für den SR und für französische Plattenhersteller - war dieses Saarländische Kammerorchester sehr viel erfolgreicher in seiner Ausstrahlung nach Frankreich und weit darüber hinaus in Europa als die zwei Regierungen, die bis Oktober 1955 versucht hatten, es für ihre politischen Absichten einzuspannen. Die Kammerorchester-Musik, die damals im Saalbau Saarlouis und später auf dem Halberg für den SR produziert wurde, war überzeugend und kam weltweit an.
5. Epilog: Frankreich als weiterer Schwerpunkt der musikalischen Produktion des S R nach 1957 Die französische Besatzungsmacht an der Saar war sich selbstverständlich der Wichtigkeit eines regionalen Senders bewusst, und es ist kein Zufall, dass, sobald die neue saarländische Regierung Mitspracherecht in der Verwaltung des Senders erhielt, ein Frédéric Billmann als Generaldirektor eingestellt wurde: Er hatte ja schon vor dem Krieg Erfahrungen bei Radio Strasbourg gesammelt, das gezielt von Frankreich gegen die Propaganda des Reichssenders Saarbrücken eingesetzt worden war. Was nun den musikalischen Inhalt der Rundfunksendungen in der Periode 1946-1955 und sogar darüber hinaus betrifft, so gewinnt man nach Betrachtung der vorhandenen Quellen den Eindruck, dass dieser - anders als Wortsendungen - en gros nicht unmittelbar kultur-politischen Propagandazwecken oder der Zensur der Sendeleitung unterlag. Vielmehr ging es um konkrete Probleme wie die Budgetlage, die Sendetraditionen, die Bestände von Musikaufnahmen oder Partituren, die musikalischen Kräfte und Kompetenzen, die zur Verfügung standen. Welche Werke zum Beispiel auf dem Programm der Orchester standen, hing wesentlich mehr von finanziellen Fragen ab als von ideologischen: War wenig Geld für das Kammerorchester gegen Ende einer Saison vorhanden, so wurden weniger oder gar keine zusätzlichen Bläser oder Solisten engagiert und Werke allein für Streichorchester aufgenommen. Dies konnte auch gelegentlich zur Entdeckung unbekannter Werke führen und das Repertoire erweitern. Die Einführung der .Tonkonserven' (auf Band oder auch auf Langspielplatten) brachte natürlich ab 1950 viel mehr Flexibilität in der Programmarbeit, da Aufführungen nicht mehr wie anfangs stets live übertragen wurden. Doch wurde Musik weiter-
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hin zum größten Teil für bestimmte Sendungen produziert, die mehr oder weniger direkt von der Musikabteilung abhingen. Übrigens arbeitete ein Dirigent wie Ristenpart oft auch als Sendeleiter für .seine' Musikprogramme auf Mittelwelle oder UKW. Der Einfluss der Repräsentanten Frankreichs im Saarland auf die musikalische Produktion beim SR war aber auch deshalb gering, weil der größte Teil der gesendeten Werke zum europäischen oder westlichen Kanon gehörte: Dazu zählt fast alles, was unter dem losen Begriff .Klassische Musik' verstanden wird, also die Werke deutscher Komponisten von Dietrich Buxtehude bis Richard Strauss ebenso wie bekannte russische, italienische und französische Opern, aber auch viel moderne Unterhaltungsmusik wie amerikanischer Jazz. Dafür gab es aber einige Repertoires, die auf verschiedene Weise .belastet' waren: Einerseits das betont .Französische' wegen der früheren Vorherrschaft im Saargebiet bis 1935, andererseits all das, was unter den Nazis als .entartet' oder einfach als undeutsch verdammt und verboten worden war. Belastet war aber umgekehrt auch, was unter den Begriffen .Volksmusik' und .Heimatmusik' als .deutsche' Musik zehn Jahre lang vom Reichssender Saarbrücken als Teil der Nazipropaganda hervorgehoben worden war. Was letztere betrifft, so wurden nun sicherlich .Nazi-Hits' gemieden. Aber dass die deutsche Heimatmusik keineswegs von .den Franzosen' unterdrückt wurde, kann schon daran gemessen werden, dass ein Josef Reichert, der ab 1938 fest beim Reichssender Saarbrücken eingestellt war, bereits 1946 wieder eine Stelle bei Radio Saarbrücken erhielt. 37 Französische Musik wurde ab 1946 gefördert, aber anscheinend weniger durch Druck der Chefetage auf die Programmleiter und Orchesterdirigenten als durch eine mehr oder weniger bewusste Anpassung an die französische Besatzungspräsenz im Land. Als 1946 endlich ein Sender in Saarbrücken errichtet wurde, sollte Bastide ein sinfonisches Orchester aufbauen, „um die Nachrichten einzubetten" 38 - was natürlich der Grundformel des Verhältnisses zwischen Wort und Musik im Rundfunk entspricht. Doch war damit nicht gesagt, mit welcher Musik man diese Nachrichten am wirkungsvollsten verpacken konnte. Bastide tat es zum Teil mit französischer E-Musik, die ihm gefiel und die er gut kannte. Aber der Sender sollte ja nicht nur die „ O b w o h l der Begriff .deutsch' beim S R damals vermieden sein sollte, geriet der Begriff .Heimatmusik' im Saarland nicht ins Schwanken, weil unsere Sprache immer deutsch war und unsere Geschichte immer deutsch war ... F ü r meinen Vater, der schon beim Reichssender-SB für C h o r und Volksmusik zuständig war, gab es kein Problem . . . E s gab nach 1946 viele Sendungen mit italienischer oder griechischer Volksmusik, aber nie so, dass diese an die Stelle etwa deutscher Volksmusik getreten wäre." Vgl. Interview mit Franz-Josef Reichert, 3 0 . 6 . 2 0 0 8 . 37
„La direction de l'information souhaitait la reconstitution d'un orchestre pour envelopper les nouvelles", sagte Bastide in einem Gespräch beim S R im Juni 1995 ( S R - A r c h i v - N r . 0905217). Vgl. auch: Helmle/Diwersy, Wandererfantasie, S. 17. 38
Musik als A n k e r politischer und medialer Attraktivität
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kultivierte, zum großen Teil auch frankophile Elite erreichen 3 9 , sondern die breite Bevölkerung, was weder mit Brahms noch mit Ravel täglich zu erreichen war. Was Bastide interessierte, waren anspruchsvolle Konzerte für das Publikum der Saarbrücker Wartburg oder in Saarlouis. Draußen im Land wurde aber ganz andere Musik gehört und gespielt. Deshalb wurde auch bald Unterhaltungs- und Heimatmusik gesendet und mit Hörspielen und Nachrichten ergänzt. Die besondere politische Situation in der Zeit zwischen 1945 und 1955 verleitete manchmal zu der plakativen Bezeichnung des Rundfunks an der Saar jener Jahre als „französischer Sender in deutscher Sprache". Dies ist irreführend, denn sogar im J a h r seiner Gründung wurde er nicht „als rein französischer Sender betrieben", wie Ministerpräsident Röder es 1971 formulierte. 4 0 Abgesehen von den Nachrichten der Agence France Presse handelte es sich keineswegs etwa um eine deutsche Ubersetzung der Sendungen von Radio-France. Es war natürlich auch kein „deutscher Sender" - das kam erst nach 1957. Radio Saarbrücken war eher „ein von Frankreich kontrollierter Sender in deutscher Sprache", denn im Wesentlichen waren die Inhalte der Sendungen (ob es um Hörspiele oder Musik ging) trotz strikter Zensur stets in saarländischer Hand und saarländischem Mund, oft sogar dazu in saarländischer Mundart. 4 1 Spätestens mit Antritt der Hoffmann-Regierung, also schon ab D e z e m b e r 1947, vermitteln die Briefe an den Sender und die Korrespondenz zwischen Karl Hoppe, dem Leiter des Informationsamts der Regierung, und dem SR, dass die Christliche Volkspartei ( C V P ) und die H o f f mann-Regierung wesentlich mehr D r u c k auf die Programmgestaltung des S R ausübten als die Repräsentanten Frankreichs. 4 2
„Meine Abiturklasse [in Saarlouis; A n m . d. Verf.] hatte einmal das Gefühl, dass die Franzosen uns vereinnahmen wollten. Dr. Ernst Dadder war unser Musiklehrer, ein an sich sehr deutsch orientierter Mensch, der aber für eine große Feier des 1 8 . / 1 9 . M a i 1946 mit uns die .Marseillaise der N o r m a n d i e ' (Quand tout renaît à l'espérance...) einüben musste. Wir haben gesungen aus vollen jugendlichen Herzen .C'est le pays qui m'a donné le j o u r ' ... Wir in meinem A b i t u r i e n t e n - U m kreis haben die Hand Frankreichs dennoch geküsst . . . Natürlich war Französisch ein Pflichtfach - und heureusement!" Vgl. Interview mit Franz-Josef Reichert, 3 0 . 6 . 2 0 0 8 . 39
Ansprache des Ministerpräsidenten Dr. R ö d e r zu „25 Jahre Saarländischer R u n d f u n k " , in: Saarheimat 3, 1971, S. 47.
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Schwan, Rundfunk, S. 124: „Von 1945 bis 1954 gab es nie mehr als knapp zwölf Franzosen unter den 2 0 0 bis 400 Angestellten des R u n d f u n k s . " 41
D a ging es oft um kleinkarierte Angelegenheiten (etwa als unsittlich empfundene Nachrichten oder Reklamen, hohe Kosten von .auswärtigen' Künstlern, den .Kulturbolschewismus des Senders', etc.), um die politische Ausrichtung (etwa das Format der Sendung „Die Regierung des Saarlandes spricht") oder um Symbolträchtiges. So bestand die Regierung beispielsweise darauf, dass das Ave Maria täglich gesendet werden sollte. Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken ( L A SB), Bestand Staatskanzlei ( S t K ) 2034, 2 0 6 8 6 und Bestand Presse und Informationsamt ( I n f A ) 4.
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Charles Scheel
Kulturpolitik hin, Kulturpolitik her. Bei allem sollten Faktoren wie persönlicher Einsatz und Freundschaften nicht unterbewertet werden. Regierungsapparate und Verwaltungsorgane mögen entscheiden und anordnen, aber manches geschieht, weil einzelne Menschen Initiativen ergreifen und Projekte aus eigener Uberzeugung durchführen: Ohne Bastide wäre Walter Gieseking zum Beispiel 1947 kaum Professor in Saarbrücken und Leiter der Klavier-Meisterklasse geworden. Und ohne Abbé de Nys hätte man nicht, wie der Autor dieses Beitrages, die Erato-Aufnahme von vier Bach- und Telemann-Flötenkonzerten im Weinhaus Arns zu Saarlouis-Fraulautern mit Jean Pierre Rampal und dem „Saar Radio Orchestra" unter Ristenparts Leitung auf einer Columbia/Odyssey-Musikkassette im Sommer 1983 in einer texanischen Wüsten-Tankstelle südlich Lubbock finden können. Mit der Aufnahme des SR in die A R D am 1. Januar 1957 war es mit dem Einfluss der französischen Regierung vorbei. Mit Amtsantritt des Intendanten Franz Mai am 1.Januar 1958 verfolgte der Sender drei Aufträge: erstens die regionale Betreuung, zweitens grenzüberschreitende Kontakte, drittens das europäische Bewusstsein. So konnten sich nun auch die französischen Komponenten der Programme frei entfalten. Bis heute ist der SR der französischste aller deutschen Sender geblieben. 6. Quellenverzeichnis Archive Archives du Ministère des Affaires étrangères ( M A E ) , Paris: E U 1944-1960, Sarre, 171 (Dieser Bestand ist auf Mikrofilm einsehbar am Historischen Institut der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl Rainer Hudemann) Landesarchiv des Saarlandes ( L A SB), Saarbrücken: Bestand Staatskanzlei (StK) 2034 und 20686 Bestand Presse und Informationsamt (InfA) 4
Gedruckte
Quellen
François-Régis Bastide, L a Fantaisie du voyageur (roman), Paris 1976. Deutsche Übersetzung von Eugen Helmlé u. Alfred Diwersy, Wandererfantasie, Blieskastel 2006 (Nachwort von Gisela Wand, Erläuterungen von Josef G r o s und Alfred Diwersy, Biographisches von Stefan Weszkalnys, Nachbemerkung des Herausgebers Ralph Schock) François-Régis Bastide, L a Troisième Personne (roman), Mulhouse/Paris/Lausanne 1948 Robert Hahn-Schriften, Saarländisches Musikarchiv Robert Hahn, Musikwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes
Musik als A n k e r politischer und medialer Attraktivität
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7. Ausgewählte Forschungsliteratur Klaus Altmeyer, 25 Jahre Saarländischer Rundfunk. Die Entwicklung seit Wiederbeginn, Saarbrücken 1971 Hans Bünte/Klaus Altmeyer/Hans J. Koch, Unser Sender an der Saar. 50 Jahre R u n d f u n k im Saarland, Saarbrücken 1985 Rainer Hudemann/Burkhard Jellonnek/Bernd Rauls unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 19451960, St. Ingbert 1997 Charles W. Scheel, Karl Ristenpart. Die Werkstätten des Dirigenten: Berlin, Paris und Saarbrücken, Saarbrücken 1999 Charles W. Scheel/Damien Ehrhardt, Hg., Karl Ristenpart et l'Orchestre de Chambre de la Sarre (1953-1967)/Karl Ristenpart und das Saarländische Kammerorchester, Bern 1999
Anette
Kührmeyer
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955
1. Wiederaufnahme des Sendebetriebs von Radio Saarbrücken unter französischer Besatzung „Radio Saarbrücken" (RS) ging am 17. März 1946 wieder auf Sendung, nachdem die französische Militärregierung die politischen und technischen Voraussetzungen geschaffen hatte. 1 Aus dem in der Saarbrücker Innenstadt gelegenen Funkhaus Wartburg wurden anfangs nur 1,5 Stunden eigenes Programm auf einer Mittelwellenfrequenz ausgestrahlt, die übrigen Sendungen wurden vom „Südwestfunk" (SWF) in Baden-Baden übernommen, der ebenfalls der französischen Militärregierung unterstand. Der Programmumfang von RS erweiterte sich erst ab dem 15. September 1946: Durch die vom französischen Oberkommando erlassene Verordnung Nr. 46 2 konnte das von RS produzierte Programm auf neun Stunden wochentags und elf Stunden sonntags ausgeweitet werden 3 , RS war damit wieder unabhängig vom Südwestfunk. 4 Was allerdings die politische Funktion des Radios für die französische Regierung anging, so lassen sich auch weiterhin Ubereinstimmungen zwischen dem SWF und RS erkennen: „Cet organisme, créé de toutes pièces à partir de zéro, par la Section Radio de la Division de l'Information, est devenu l'un des instruments de propagande, de pénétration culturelle et d'orientation politique les plus puissants dont dispose la France en Allemagne" 5 , schrieb Pierre Ponnelle, einflussreiches Mitglied der für den SWF zuständigen Section Radio der Militärregierung in Baden-Baden 1948. Seine Aussage galt im Kern auch für die Rundfunkpolitik von Gilbert Grandval, dem Chef der Saarländischen Militärregierung. Direkt auf das Saargebiet be-
' Vgl. zu Organisation und U m f e l d von RS: H e r i b e r t Schwan, D e r R u n d f u n k als I n s t r u m e n t der Politik im Saarland 1945-1955, Berlin 1974; H a n s Bausch, R u n d f u n k p o l i t i k nach 1945, M ü n c h e n 1980, S. 143-148; Klaus Altmeyer, R u n d f u n k im Saarland in: Franz Knipping/Jacques Le Rider, Hg., Frankreichs Kulturpolitik in Deutschland, 1945-1950. Ein T ü b i n g e r Symposium, 19. und 20.September 1985, T ü b i n g e n 1987, S.221-226. 2 Bausch, R u n d f u n k p o l i t i k , S. 144. Ein R u n d f u n k a m t f ü r das Saargebiet w u r d e geschaffen, das mit der Leitung von Radio Saarbrücken beauftragt wurde. 3 Sendezeiten täglich von 6 U h r bis 23:50 Uhr. 4 Bausch, R u n d f u n k p o l i t i k , S. 144. 5 Brief Ponnelles v o m 26.6.1948, zitiert nach: Klaus Wenger, R u n d f u n k p o l i t i k in der f r a n z ö sischen Besatzungszone. Die Anfänge des Südwestfunks, in: K n i p p i n g / L e Rider, Kulturpolitik, S.216.
218
Anette Kührmeyer
zogen liest sich das 1948 in einer Dokumentation des französischen Außenministeriums dann so: „La mise en route d'un poste émetteur constituait un complément indispensable à l'action de propagande française en Sarre." 6 Was unter französischer Propaganda konkret verstanden wurde, wird an späterer Stelle präzisiert: „De par sa situation géographique et politique, Radio-Sarrebruck doit devenir le porte-parole en langue allemande de la civilisation occidentale et le propagateur de l'esprit démocratique." 7 Die Geschicke von RS steuerte von 1946 bis 1952 der Verwaltungsrat. Bis Ende 1947 übte er sämtliche personellen, programmlichen und finanziellen Befugnisse über RS im Namen des Gouverneurs der Saar aus; Grandval konnte jeden Beschluss des Verwaltungsrates aufheben, dessen Mitglieder bis Ende 1947 ausschließlich französische Staatsbürger waren. Ab 1947 gab es auch den Posten des Generaldirektors von RS 8 , er nahm an den jährlich vier bis sechs Sitzungen nur mit beratender Stimme teil.9 Laut Schwan geben Protokolle des RS-Verwaltungsrates 10 von 1947 darüber Auskunft, wie sich die Repräsentanten der französischen Besatzungsmacht die „pénétration culturelle" an der Saar vorstellten: Der Verwaltungsrat „war der Ansicht, dass aus propagandistischen Gründen ein spezielles Programm für das Saarland ausgestrahlt werden müsse." 1 1 Und außerdem: „Gleichzeitig m ü s s t e n diese S e n d u n g e n Rücksicht auf die saarländische Öffentlichkeit n e h m e n , deren geistige Interessen verhältnismäßig b e g r e n z t seien. D e r Verwaltungsrat beschloss daher, d u r c h geeignete K u l t u r s e n d u n g e n z u versuchen, das geistige N i v e a u der Saarländer zu verbessern. Eine sehr gute P r o p a g a n d a w i r k u n g hätten nach M e i n u n g des Verwaltungsrates bessere K o n t a k t e der Z u h ö r e r mit den authentischen U r s p r ü n g e n der deutschen - im Vergleich zur französischen Kultur."12
Diese Zielsetzung war kein Geheimnis und galt bis Anfang der 1950er Jahre, auch wenn es für die Öffentlichkeit, also für die „vom geistigen Niveau her beschränkten" Saarländer etwas diplomatischer formuliert wurde: In der Reihe „Besuch in den Funkhäusern der Welt" wurde Radio Saarbrücken als „die Stimme der Saar" präsentiert und hervorgehoben: „An der Spitze steht N o t e s documentaires et Études, Nr. 991, zitiert nach: Haut Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'information, Hg., Trois ans de présence française en Sarre, Paris 1948, S. 31. 7 Ebd., S. 32. 8 Gérard L o s s o n hatte dieses A m t inné, ab dem 1.7.1949 dann der Elsässer Frédéric Billmann. 9 Vgl. hierzu den Beitrag von Paul Burgard in diesem Band, auch in Kritik an: Schwan, Rundfunk, S. 71-77; Fritz Raff/Axel Buchholz, Hg., Geschichte und Geschichten des Senders an der Saar. 50 Jahre Saarländischer Rundfunk, Freiburg/Basel/Wien 2007, S. 46-49. 10 Leider sind die Originale der fraglichen Verwaltungsratsprotokolle nicht mehr auffindbar, so dass nur Schwans Zusammenfassung zitiert werden kann. 11 Schwan, Rundfunk, S. 72 (Verwaltungsrat-Protokoll vom 27.9.1947). 12 E b d . (Verwaltungsrat-Protokoll v o m 8.2.1947). 6
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955
219
der französische Generaldirektor, der sich die Aufgabe gestellt hat, den saarländischen Rundfunk als Bindeglied zwischen deutscher und französischer Kultur wirken zu lassen." 1 3
2. Fragestellung und methodisches Vorgehen Wenn so wie hier .Kultur' und ,Rundfunk' in einem Atemzug genannt werden, dann liegen der Gedanke ans Hörspiel als einziger genuiner Kunstform des Radios nahe und damit folgende Fragen: Wie äußerte sich diese Instrumentalisierung des Radios durch die französischen Besatzer? Wie klangen die Hörspielsendungen von R S zwischen 1946 und 1955, welche Themen, welche Autoren waren vorherrschend? Gab es einen heute noch nachweisbaren französischen Einfluss auf die Programmgestaltung im Hörspiel? D o c h zuvor muss erst grundsätzlich geklärt werden, von welcher Art .Hörspiel' im Weiteren die Rede ist. Denn der Gattungsbegriff ist weit und umfasst keineswegs nur das literarische Hörspiel, sondern auch dem Unterhaltungshörspiel zuzurechnende Formen wie Mundart- und Kriminalhörspiele. 14 Die vorliegende Analyse konzentriert sich auf das literarische Hörspiel, also auf Produktionen, die von Text und Inszenierung her einen künstlerischen Anspruch erheben. Das schließt Ausflüge ins Unterhaltungshörspiel nicht aus, vorausgesetzt, die Produktionen sind ausreichend dokumentiert und können etwas zur Fragestellung beitragen. Gegenstand der Analyse ist das Programm von R S von 1946 bis 1955 und zwar auf der Grundlage möglichst umfassender Informationen über die Hörspielsendungen im fraglichen Zeitraum. Die Aufzeichnungen über RS-Hörspiele im Archiv des Saarländischen Rundfunks beginnen allerdings erst mit dem Jahr 1950 1 5 und sind zudem unvollständig, wesentliche Details wie die Namen von Autoren und Regisseuren sowie das Erstsendedatum fehlen bis 1954 1 6 fast durchgängig. Die
13
Anonymus, Besuch in den Funkhäusern der Welt, in: Südwest-Funk-Post, Juni 1950 N r . 2 6 , S.37.
Vgl. „Die Saar - Prüfstein Europas" von Werner Eckhardt, RS 1953, SR-Archiv, Archivnummer 0 9 1 0 1 8 5 2 0 0 . Heute undenkbar, aber in der Nachkriegszeit bediente sich bei RS sogar die P o litikredaktion der Hörspielform, wenn es darum ging, die Inhalte für die H ö r e r besonders ansprechend und lebendig zu gestalten. 13 „Hauch des Unheils" hieß dieses Stück mit der Archivnummer 001 X . Aus den Akten lassen sich nur die Anzahl der Bänder (6), die Gesamtzeit (80 Minuten) und die Ausführenden (Hörspielensemble Bern) entnehmen. Aus Daten des Deutschen Rundfunkarchivs ( D R A ) lässt sich jedoch schließen, dass es sich um ein Hörspiel nach Maurice Maeterlinck gehandelt haben muss, das am 1 6 . 8 . 1 9 5 0 bei R S ur- oder erstgesendet wurde. 16 Die erste vollständig dokumentierte Hörspielproduktion von RS stammt von Hans H o m b e r g „Hauptmann a . D . " und wurde am 2 7 . 3 . 1 9 5 4 bei RS gesendet (Archivnummer Ζ 1). 14
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Anette K ü h r m e y e r
meisten RS-Hörspielproduktionen zwischen 1950 und 1954 sind entweder gar nicht erst auf Band archiviert oder aber später gelöscht worden. Für die Zeit ab Oktober 1952 liefern hier die wöchentlichen Programmfahnen von RS brauchbare Ergänzungen, zumal sie auch über die Ubernahmen (also nicht von RS produzierte, aber gesendete Hörspiele) Auskunft geben und damit wichtige Informationen zur Programmgestaltung über die Eigenproduktionen hinaus ermöglichen. Ab 1953 liegen dann auch Hefte mit dem sog. „Winterprogramm" von RS vor, in denen auch das Hörspiel sein Programm sowie die wichtigsten Sendungen des Halbjahres vorstellte. Daten und Details insbesondere über die frühen RS-Hörspielsendungen lieferte eine Recherche in saarländischen Presseerzeugnissen: 17 In der „Saarländischen Volkszeitung" finden sich überhaupt erst ab März 1948 gelegentliche Hinweise auf das Radioprogramm, Rezensionen zu Hörspielen auf RS bleiben die Ausnahme. Vor 1948 wird RS höchstens im redaktionellen Teil erwähnt, etwa im März 1947 zum Jubiläum „Ein Jahr Radio Saarbrücken". 18 Die „Saarbrücker Zeitung" druckte in den ersten Nachkriegsjahren zwar häufig (wenn auch unregelmäßig) unter der Rubrik „Wir hören im Rundfunk" eine mehrtägige Programmübersicht ab, aber da die Zeitung selbst nur alle zwei bis drei Tage erschien und nur sechs bis acht Seiten umfasste, waren die inhaltsbezogenen Informationen zu den Sendungen entsprechend spärlich. Im September 1948 erschien die erste Ausgabe der Programmillustrierten „Funkwoche" 1 9 , die sich relativ ausführlich den RS-Hörspielsendungen und ihren Machern widmete und über im Saarland empfangbare Radiosendungen informierte. 20 Protokolle des RS-Aufsichtsrats 21 sowie hausinterne Korrespondenz der mit Hörspiel befassten RS-Mitarbeiter dieser Zeit sind nur bruchstückhaft erhalten, externe Korrespondenz überhaupt nicht. Ergänzend wurden deshalb Albert Carl Weiland und Irmengard Peller-Séguy befragt, zwei RS-Hörspielmacher dieser Zeit. 1 7 Wie sie im Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken ( L A S B ) , der Saarländischen Universitätsund Landesbibliothek und der Bibliothek des S R vorliegen. 1 8 A n o n y m u s , Ein J a h r Radio Saarbrücken, in: Saarländische Volkszeitung, 1 5 . 3 . 1 9 4 7 Nr. 11, o. S. 1 9 F u n k w o c h e , 3 . 9 . 1 9 4 8 Nr. 1. D i e F u n k w o c h e war eine wöchentliche Publikumszeitschrift für saarländische Radiohörer und erschien im Saar-Verlag in Saarbrücken. Als Herausgeber fungierten J u p p H o p p e n und Hans Skohoutil. Sie erschien ab O k t o b e r 1951 als „ T e l e - F u n k " (Beilage von „Tele-Bild", die 1955 ihr Erscheinen einstellte).
Einer der Chefredakteure der F u n k w o c h e , Hans Skohoutil, arbeitete auch bei R S . Eine Recherche in französischen Archivbeständen konnte leider keine Lücken füllen. K o n s u l tiert wurden die Bestände der Archives du Ministère des affaires étrangères ( M A E ) , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 61, 171 und der Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche, C o l m a r ( A O F A A ) : H a u t Commissariat de la République française en Sarre, Mission juridique ( H C Sarre, J u r ) , 221, 222. 20 21
H ö r s p i e l bei R a d i o Saarbrücken v o n 1946 bis 1955
221
Abb. 1: Titelseite der Funkwoche (3. Dezember 1948 Nr. 14)
3. Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955 3.1 Hörspiel-
und hörspielähnliche
Sendungen
bis 1948
Das H ö r s p i e l p r o g r a m m von RS ab Sendebeginn im M ä r z 1946 bis z u m H e r b s t 1948 liegt also ü b e r w i e g e n d im D u n k e l n , d o c h f i n d e n sich in den g e n a n n t e n P u b l i k a t i o n e n einige Mosaiksteine, die sich zu f o l g e n d e m Bild z u s a m m e n s e t z e n lassen: „Als a m 17. M ä r z 1946 das erste g e s p r o c h e n e W o r t ü b e r das M i k r o ging, w a r e n w i r alle ein b i s s c h e n b e r a u s c h t v o n d e m A u g e n b l i c k . Z u viele H o f f n u n g e n h i n g e n an d e m H a u s , in das w i r n u n e i n g e z o g e n w a r e n . M i t , L o t t c h e n s G e b u r t s t a g ' e r ö f f n e t e die H ö r s p i e l g e m e i n s c h a f t das W o r t p r o g r a m m " 2 ' ,
-- A n n e - I . l s c O l l e n d o r t , D a s w a r e n n o c h Z e i t e n ! E r i n n e r u n g e n an R a d i o S a a r b r ü c k e n , in: L u n k w o c l i e , 9 . 3 . 1 9 5 1 N r . 10, S.2. Mit „ L o t t c h e n s G e b u r t s t a g " ist das g l e i c h n a m i g e L u s t s p i e l v o n L u d wig T h o m a g e m e i n t , die S e n d u n g b e g a n n u m 20:10 U h r . Vgl. h i e r z u : S a a r b r u c k e r Z e i t u n g , 1 6 . 3 . 1 9 4 6 N r . 2 6 , S.2.
222
Anette Kührmeyer
erinnert sich Anne-Lise Ollendorf. Von ihr stammt auch das Hörspiel „Renate", auf das die Saarbrücker Zeitung am 13. April 1946 besonders hinwies. Anscheinend waren dies jedoch Einzelfälle, einen regelmäßigen Hörspieltermin konnten die Hörer von RS aber zumindest bis Herbst 1946 über den durchgeschalteten SWF verfolgen. 23 Ab Frühjahr 1947 produzierte RS am Sonntagabend regelmäßig „Unsere Theatersendung".24 Zumindest eine Direktübertragung aus dem Saarbrücker Stadttheater gab es auch auf diesem Sendeplatz 25 , manchmal findet sich für den Sonntagabend auch nur der kurze Hinweis „dramatische Sendung".26 Ob es sich bei den sonntäglichen Theatersendungen allerdings um Hörspiel im eigentlichen Sinn gehandelt hat, darf bezweifelt werden, die Sendungen fielen wohl eher unter die Rubrik „théâtre radiophonique" 27 , das längst nicht alle dramaturgischen und akustischen Ausdrucksmittel des Hörspiels ausschöpfte.
3.2 Hör Spielprogramm ab 1948 Erst ab Mai 194 8 28 ist ein wöchentlicher Hörspieltermin bei RS belegt, und zwar am Mittwoch ab 20 Uhr 29 , umrahmt von Sendungen mit klassischer Musik. Vorher wurde auf diesem Sendeplatz Kabarett geboten. Oberspielleiter, und damit verantwortlich für Hörspielproduktionen, war bis August 1949 Volker von Collande 30 , der nach einem Engagement beim Saarbrücker Stadttheater ab Ende 1948 in der Wartburg für RS produzierte. 31
Vgl. Saarbrücker Zeitung, 18.5.1946 Nr.52, S.5: „Montag 20:15-21:15 U h r Hörspiel: Maiennacht". 24 Saarbrücker Zeitung, 3.5.1947 Nr.51, S.5: „18:15-19:00 Uhr: Unsere Theatersendung: Klabund: Der Kreidekreis" oder Saarbrücker Zeitung, 20.5.1947 Nr. 58, S. 3: „17:45-19:00 Uhr: Unsere Theatersendung: Goldoni: Der Lügner". 25 Saarbrücker Zeitung, 29.5.1948 Nr. 62, S. 5: 19:00-22:00 Uhr. 26 Saarbrücker Zeitung, 23.3.1946 Nr. 26, S. 5. 27 Nino Frank, Le théâtre radiophonique in: Jean Tardieu, Hg., Grandeurs et faiblesses de la radio. Essai sur l'évolution, le rôle créateur et la portée culturelle de l'art radiophonique dans la société contemporaine, Paris 1969, S. 147-162, hier S. 147. Danach meint théâtre radiophonique die Ausstrahlung bzw. Übertragung von Theaterstücken, bei denen - falls notwendig - ein Sprecher die Regieanweisungen las, damit das Publikum der Handlung folgen konnte. 28 Saarländische Volkszeitung, 19.5.1948 Nr.52, S.5: „20:15 Uhr: Hörspiel: Der blaue Strohhut" sowie Saarbrücker Zeitung, 24.5.1948 Nr.60, S.3: „20 Uhr: Hörspiel". A m Mittwoch, 2.3.1948, weist die Saarländische Volkszeitung zum Termin um 20:15 U h r noch auf die Sendung „Kabarett der Woche" hin, d. h. die dauerhafte Einrichtung des wöchentlichen Hörspieltermins muss zwischen M ä r z und Mai 1948 erfolgt sein. 29 Manchmal begann die Sendung auch um 20:15 Uhr, zwischendurch auch erst ab 20:30 Uhr. 30 RS-Verwaltungsanordnung Nr.22/49 vom 4.8.1949, Historisches Archiv des Saarländischen Rundfunks, nicht erschlossen. 31 Funkwoche, 21.1.1949 Nr.3, S.5. 23
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955
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Hörspiel-Regie führten jedoch auch Jean Bernard Schiff 3 2 und Heinz Bader. Schiff betreute in erster Linie die Literatursendungen bei RS, Bader war mehr für Kabarett und Unterhaltung zuständig. Außerdem war ab Herbst 1948 in den Hörspielankündigungen der Funkwoche auch immer öfter der N a m e Albert Carl Weiland zu lesen, anfangs nur als Sprecher, dann als Regisseur und manchmal auch in beiden Funktionen. Schon im Jahr darauf sollte er die auf seine Anregung gegründete Hörspielabteilung bei R S leiten. Albert Carl Weiland sprach fließend Französisch, auch Englisch, hatte außerdem eine Schauspielausbildung am Wiener Reinhardt-Seminar absolviert. Nach dem Krieg hatte sich Weiland als Leiter eines Experimentaltheaters versucht. Mangels wirtschaftlicher Basis kehrte der Mittzwanziger aber 1948 in seine Heimatstadt Saarbrücken zurück. Im Juli 1948 engagierte ihn der damalige Sendeleiter von RS, Pierre Séguy, als Sprecher. Schnell fühlte er sich unterfordert und spielte zunehmend auch in den wöchentlichen Hörspielen am Mittwoch, die er auch immer öfter inszenierte. 3 3 1948 herrschte bei R S in Sachen Hörspiel kreative Anarchie, erinnert sich Weiland: „Ich hatte, als ich da hin kam, keine Ahnung von Hörspiel. Wir alle haben eigentlich gelernt. Denn da war keiner, der das früher schon mal gemacht hätte. Teils hat man alte F o r m e n imitiert, teils hat man neue F o r m e n erfunden. Es war keiner da mit dem Erfahrungsfundus, den ein Münchner gehabt hätte oder ein Hamburger oder ein Berliner." 3 4
Auch die technische Ausstattung von RS war in den Anfangsjahren bescheiden, fast schon primitiv. 35 Hörspiele mit mehreren Personen wurden mit nur einem Mikrofon aufgenommen - mehrere Mikrofone (für jeden Sprecher eines, so wie heute üblich) standen nicht zur Verfügung, das galt auch für die Aufnahmen mit Orchestern. Immerhin wurden Hörspiele ab 1948 aufgezeichnet, damit die Produktionen später erneut ausgestrahlt werden konnten, nicht zuletzt, um Kosten zu sparen. Zum Verständnis des Hörspiels notwendige Geräusche erzeugten die Beteiligten selbst: Bei der Aufnahme von Schillers „Maria Stuart" wurde die Enthauptung der schottischen Königin akustisch in Szene gesetzt, indem der Regieassistent ein Messer fest in einen Apfel stieß und Regisseur Heinz BaHans Bernard Schiff. F u n k w o c h e , 1 7 . 9 . 1 9 4 8 Nr. 3, S. 9: „Antigone" von Jean Anouilh war Weilands Einstieg als H ö r spielregisseur bei RS. 32
33
34
Vgl. Interview mit Albert Carl Weiland (Hörspielregisseur), 2 1 . 8 . 2 0 0 8 .
Vgl. Haut Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'information, Trois ans, S. 32: „Mais il reste à faire un effort immense dans l'aménagement acoustique des studios et dans le perfectionnement des programmes." 35
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der anschließend einen mit einem Handtuch umwickelten Pflasterstein über den Boden rollen ließ. 36 Aber es waren nicht immer nur dramaturgisch erwünschte Geräusche, die sich schließlich auf Band wieder fanden: Weiland berichtet, dass die ersten Kriminalhörspiele, die er bei RS produzierte, von bundesdeutschen Sendern nicht übernommen wurden. Nicht etwa aufgrund mangelnder künstlerischer Qualität, sondern weil die der Wartburg gegenüberliegende Drahtseilfabrik mit einem Dauer-Brummton auf den Aufnahmen präsent war. Die HörspielMacher von RS hatten sich schon so an diesen Lärm gewöhnt, dass ihnen dieses Störgeräusch gar nicht mehr aufgefallen war. Auch die Produktionszeiten von damals sind mit den heutigen nicht zu vergleichen: Ein 30-minütiges Krimihörspiel mit drei bis vier Sprechern produzierte Weiland innerhalb von vier Stunden: In der einen Hand hielt Weiland das Mikrofon, in das alle Schauspieler sprachen, in der anderen Hand das Manuskript, das Umblättern der Seiten übernahm der Regieassistent. Doch auch wenn die Produktion selbst gelungen war, konnte es bei der Sendung noch Probleme geben: Tatsächlich kam es immer wieder zu Schwankungen der Stromspannung, was dazu führte, dass die Sendungen von RS nur ,jaulend' beim Hörer zu Hause ankamen. 37 Es kam auch durchaus vor, dass nicht die in der Programmfahne angekündigten Hörspiele gesendet wurden, sondern ArchivAufnahmen oder Ubernahmen; technische Unzulänglichkeiten mögen auch hierfür der Grund gewesen sein. Manchmal wurden für Katastrophenhörspiele, die besonders realistisch klingen mussten, auch Aufnahmen ,vor Ort' gemacht, zum Beispiel für das „Das Wunder von Fukugawa" im Forsthaus Neuhaus 38 oder für „Die Galgenfrist" in der Grube Felsen, wobei die geplante Sendung aus .technischen Gründen' verschoben werden musste. 39 Auch von einer redaktionellen Struktur war man trotz Oberspielleiter Volker von Collande weit entfernt, so Weiland: „Es gab keine klaren Zuständigkeiten für die Form Hörspiel, jede Abteilung hat drauflos gearbeitet, wie sie wollte und hat auch Hörspiel-Ähnliches gemacht." 40 Fast schon erstaunlich, dass trotz dieser Widrigkeiten ab Mai 1948 jeden Mittwoch ein Hörspiel von RS gesendet wurde. 41 Wobei sich das Programm Vgl. Interview mit Albert Carl Weiland, 21.8.2008. Funkwoche, 8.10.1948 Nr. 6, S.3 und Funkwoche, 14.10.1949 Nr. 41, S. 5. 3 8 Vgl. für das Hörspiel von Eduard Reinacher „Das Wunder von Fukugawa" vom 25.1.1950: Funkwoche, 20.1.1950 Nr. 3, S. 7. 3 9 Hörspiel von Leo Griebler (Inhalt: Fünf Mann werden unter Tage verschüttet und gerettet), Sendung am 6.1.1950, nachdem die geplante Sendung am 7.10.1949 aus „technischen Gründen" verschoben werden musste. Vgl. Funkwoche, 7.10.1949 Nr.40, S.3. 4 0 Vgl. Interview mit Albert Carl Weiland, 21.8.2008. 4 1 Funkwoche, 18.2.1949, Nr.6, S.3. Schon damals hatten die Hörer die Wahl: Die Funkwoche bot ihren Lesern unter dem Motto „Wir wählten für Sie" jede Woche eine zweiseitige, nach Spar36 37
H ö r s p i e l bei R a d i o S a a r b r ü c k e n v o n 1 9 4 6 b i s 1 9 5 5
Abb. 2:
Studioaufnahme
im Hörspiel
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1949
fast ausschließlich aus f ü r den F u n k bearbeiteten B ü h n e n s t ü c k e n z u s a m mensetzte, von Tragödie bis K o m ö d i e w a r alles dabei: Gesendet w u r d e n z u m Beispiel das Trauerspiel „Die V e r k ü n d i g u n g " des katholischen Dichters Paul C l a u d e l 4 2 , die K o m ö d i e „Der H e r r Senator" von F r a n z von Schönthan 4 3 , das A n t i k r i e g s s t ü c k „Der Kreidekreis" von Klabund 4 4 und auch einige Klassiker w i e „ H a m l e t " 4 5 oder Schillers „ R ä u b e r " 4 6 und das L i e b e s - D r a m a „Des Meeres und der Liebe Wellen" von F r a n z Grillparzer. 4 7 A b e r auch aktuelle T h e a t e r a u t o r e n w u r d e n adaptiert, w i e z u m Beispiel Fritz G r a ß h o f f s „Sternsingerspiel", das R S am 5 . J a n u a r 1949 in den Ä t h e r schickte, wobei der R e zensent der Saarländischen Volkszeitung lobte:
ten s o r t i e r t e P r o g r a m m ü b e r s i c h t , in d e r s i c h a u c h d e r H ö r s p i e l t e r m i n v o n R S w i e d e r f a n d . W e n N e s t r o v s „ Z e r r i s s e n e " bei R a d i o S a a r b r ü c k e n n i c h t v e r z a u b e r t e , f ü r d e n l o h n t e sich v i e l l e i c h t ein Frequenzwechsel z u m gleichzeitigen Stuttgarter oder Münchner Hörspieltermin. 42 43 44 45 46 47
F u n k w o c h e , 1 0 . 9 . 1 9 4 8 N r . 2, S^9, S e n d u n g v o m 1 5 . 9 . 1 9 4 8 , R e g i e : S c h i f f . E b d . , 8 . 1 0 . 1 9 4 8 N r . 6, S . 6 , S e n d u n g v o m 1 3 . 1 0 . 1 9 4 8 , R e g i e : B a d e r . Ebd., 15.10.1948 Nr.7, S.6, Sendung v o m 20.10.1948, Regie: Weiland. E b d . , 1 2 . 1 1 . 1 9 4 8 N r . 11, S. 6, S e n d u n g v o m 2 0 . 1 1 . 1 9 4 8 , R e g i e : B a d e r . E b d . , 3 . 1 2 . 1 9 4 8 N r . 14, S . 6 , S e n d u n g v o m 8 . 1 2 . 1 9 4 8 , R e g i e : B a d e r . E b d . , 1 9 . 1 1 . 1948 N r . 12, S . 6 , S e n d u n g v o m 2 4 . 1 1 . 1 9 4 8 , R e g i e : W e i l a n d .
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„Mit feinem Gefühl für die besonderen Gegebenheiten des Hörspiels weiß Wilhelm Weber von Radio Saarbrücken das Sternsingerspiel von der optischen zu nur-akustischen Wirkung umzustellen. Seine Figuren werden allein durch das gesprochene Wort so plastisch, dass sie greifbar vor uns auftauchen." 48
Nur selten findet sich 1948/1949 auch ein Original-Hörspiel im RS-Programm. 49 War die wöchentliche Hörspielsendung also nur ein Ersatz für den Besuch im Stadttheater? Als hätte es Brechts Radiotheorie und die ebenso lebendige wie experimentierfreudige Hörspielszene der Weimar Republik nie gegeben, so scheint es auf den ersten Blick. Doch die wirtschaftliche Situation im Nachkriegsdeutschland, auch an der Saar, ließ für viele den Theaterbesuch zum unerschwinglichen Luxus werden, die eingeschränkte Mobilität der Menschen tat ein Übriges. 50 Trotzdem wollte man auf Theater nicht verzichten, sicher auch, weil es einen gewissen Nachholbedarf gab, da viele zeitgenössische Autoren unter den Nationalsozialisten nicht gespielt werden durften. So wurde das Radio vorübergehend zur preiswerten und breitenwirksamen Alternative. Doch Hörspiel war mehr, als nur ein Theaterstück ohne Bild, das hatten schon die Radioexperimente der Weimarer Republik gezeigt. Auch Weiland hatte die Möglichkeiten des Mediums erkannt und wollte die Dominanz der Bühnenstücke im Hörspielprogramm von RS verringern. Zeitgenössische Hörspielautoren wollte er verstärkt produzieren, aber literarische und inszenatorische Qualität standen für ihn an erster Stelle, mehr als das bis dahin bei RS möglich gewesen war. Deshalb machte er Generaldirektor Billmann einen Vorschlag: „Ich ging zu Billmann und erklärte ihm meine Situation: Ich habe ein Theater geleitet und kenne viele deutsche Schauspieler. Sie haben hier kein Hörspiel, machen wir doch eine Abteilung Hörspiel, machen Sie mich zum Oberspielleiter, ich habe gute Beziehungen und garantiere Ihnen gute deutsche Hörspiele." 5 '
Laut Weiland war der Franzose Frédéric Billmann, der im Juli 1949 die Nachfolge von Gérard Losson als Generaldirektor von RS angetreten hatte, sofort einverstanden und gewann den RS-Aufsichtsrat für das Projekt, so dass Weiland ab August 1949 als Oberspielleiter 52 mit dem Aufbau einer Re, Ein Stersingerspiel zum Dreikönigsfest, in: Saarländische Volkszeitung, 5 . 1 . 1 9 4 9 Nr. 2, S.4. F u n k w o c h e , 5 . 1 1 . 1 9 4 8 Nr. 10, S. 6. Ein für das Radio konzipiertes und geschriebenes Hörspiel, zum Beispiel Herbert Mailänders „Revolte im O l y m p " , Sendung vom 1 0 . 1 1 . 1 9 4 8 . 5 0 Selbst wenn das Saarbrücker Stadttheater, später Landestheater, auch oft Vorstellungen in den Gemeinden des Saarlandes gab. Vgl. Interview mit Irmengard Peller-Séguy (Hörspieldramaturgin), 2 5 . 8 . 0 8 .
48
49
Vgl. Interview mit Albert Carl Weiland, 2 1 . 8 . 2 0 0 8 . Das entsprechende Verwaltungsratsprotokoll ist nicht mehr auffindbar. 5 2 RS-Verwaltungsanordnung N r . 2 1 / 4 9 vom 2 5 . 7 . 1 9 4 9 , Historisches Archiv des Saarländischen Rundfunks, nicht erschlossen, S.2. 51
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955
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Hörspielabteilung beginnen konnte. Doch auch wenn sich Weiland die Förderung des Originalhörspiels auf die Fahnen geschrieben hatte, ließ sich das nicht so schnell verwirklichen. N o c h bis Anfang der 1950er Jahre bleibt der Anteil der Theaterbearbeitungen im Programm von RS beträchtlich und so scheint es nur konsequent, dass der wöchentliche Hörspieltermin bei RS ab Mai 1950 für kurze Zeit „Die Funkbühne" hieß. 53 Das Publikum hatte zwar von Anfang an großes Interesse am Hörspiel und hörte auch gern den RSTermin, wie eine Umfrage belegt 54 , aber der Ruf nach mehr Originalhörspielen wurde zunehmend lauter: „Wie muss ein Hörspiel sein" fragte 1950 eine Glosse in der Funkwoche, und zog darin den anscheinend zeittypischen Hörspielredakteur durch den Kakao, der einem Hörspielautor, der ihm ein ausdrücklich fürs Radio geschriebenes Stück anbietet, einen Korb gibt mit der Begründung, es sei kein Theaterstück. 55 Einige Monate vorher bläst der Autor der Glosse „Der Traum des Hörspiel-Dramaturgen" 5 6 in dasselbe Horn: Der Hörspieldramaturg wimmelt einen Hörspielautor ab mit der Begründung, das Programm sei schon bestens gefüllt mit Bühnenadaptionen. Erst ein Alptraum, in dem der Dramaturg sämtliche Theaterstücke und Romane, die er jemals fürs Hörspiel gekürzt und bearbeitet hat, wieder in ihren Urzustand versetzen muss, lässt ihn zur Besinnung kommen: Als der Autor noch einmal in sein Büro tritt, weil er sein Hörspielmanuskript dort vergessen hat, kauft der Dramaturg es nun doch an. Die Jahre des Nationalsozialismus hatten die deutsche Hörspiellandschaft grundlegend verändert, altbekannte Autoren wie Günter Eich mussten erst wiederentdeckt, neue Autoren erst für das Medium gewonnen werden, das war an der Saar nicht anders als im übrigen Nachkriegsdeutschland. Oder? Das Hörspielprogramm des „Süddeutschen Rundfunks" (SDR) und des SWF zum Beispiel setzte sich in den Jahren 1945/1946 zu etwa zwei Dritteln aus Adaptionen zusammen, Shakespeare und Schnitzler, aber auch Storm und Gorki waren dort zu hören, nicht zu vergessen Stücke von französischen
53
F u n k w o c h e , 4.8.1950 N r . 31, S. 4. F u n k w o c h e , 26.11.1948 Nr. 13, S. 3: In einer U m f r a g e zu ihren Hörinteressen gaben z u m H ö r spiel 26 P r o z e n t an: „höre ich nach Möglichkeit immer", 39 P r o z e n t „höre ich gern", 23 P r o z e n t „interessiert mich n u r wenig" und 12 P r o z e n t „schalte ich ab", wonach immerhin 65 P r o z e n t der H ö r s p i e l h ö r e r von RS mit d e m P r o g r a m m zufrieden waren. Aber auch hausintern w u r d e das Hörspiel hoch gehandelt: N u r zwei Sendungen w u r d e n in den von RS herausgegebenen P r o g r a m m f a h n e n mit einem schwarzen Kasten u m r a n d e t und damit aus der übrigen Wochenübersicht deutlich hervorgehoben: die deutsch-französischen Konzerte u n d das Hörspiel. 55 A n o n y m u s , Wie muss ein Hörspiel sein, in: F u n k w o c h e , 4.8.1950 N r . 31, S. 9. Vgl. hierzu auch das Titelbild der F u n k w o c h e vom 11.2.1949 N r . 5, das eine Aufnahmesituation im Hörspiel zeigt. Titelunterschrift: „Theater übers u n d vor d e m M i k r o f o n " . 56 A n o n y m u s , D e r Traum des H ö r s p i e l - D r a m a t u r g e n , in: F u n k w o c h e , 10.2.1950 N r . 6, S. 16. 54
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Autoren wie Cocteau, Maupassant und Sartre. Doch schon ab 1947 steigerte sich - nicht nur bei diesen Sendern - der Anteil der Originalhörspiele mit jedem Jahr, nicht umsonst wird gern von einer „Blütezeit des deutschen Originalhörspiels" Anfang der 1950er Jahre gesprochen. 57 Außerdem sollte ein intensivierter Kontakt zu anderen europäischen Sendern Mangel an Hörspielmanuskripten ausgleichen, wie 1950 in der Funkwoche unter der Rubrik „Hier spricht R S " zu lesen war: „Man hat schon wiederholt darüber geklagt, dass man im Radio darauf angewiesen ist, das eigentliche Hörspiel durch Funkbearbeitungen von Bühnenstücken zu ersetzen. Dieser Mangel wurde von niemand mehr bedauert als von den Funkleuten selber. Es stehen uns nun aber Hörspielmanuskripte von verschiedenen europäischen Sendern zur Verfügung." 5 8
Aufschlussreich ist allerdings, dass hier im Anschluss nicht etwa für ein französisches Hörspiel Werbung gemacht wurde, sondern für das englische Stück „Bahn frei für Anthony Sherwood" von Francis Durbridge. 59 Bei RS gab es also eine ähnliche Tendenz wie bei den bundesdeutschen Sendern, allerdings dadurch gebremst, dass die Kosten bei RS eine entscheidende Rolle spielten. Theaterklassiker hatten eben auch den Vorteil, oftmals rechtefrei zu sein, das Publikum kannte die Autoren, für die Programmgestalter war die Auswahl an Stücken groß, im Gegensatz zu Originalhörspielen. Die Rechte an Originalhörspielen waren teurer, sie kosteten oftmals auch mehr, als RS zahlen konnte, denn verglichen mit der Bundesrepublik waren die Honorare von RS extrem niedrig. 60 Deshalb konnte RS die Hörspiele renommierter Autoren meistens erst dann senden (als Übernahme oder Nachinszenierung), wenn die Ursendung in der Bundesrepublik schon erfolgt war: Weiland erinnert sich, dass er auf eigene Kosten nach München fuhr, um von Erich Kästner die Senderechte an seinem Hörspiel „Das lebenslängliche Kind" 6 1 für wenige hundert D M zu erhalten 62 - beim S D R war das Stück schon zweieinhalb Jahre früher ausgestrahlt worden. 63 Dafür
Deutsches Rundfunkarchiv, Hg., Hörspiel 1945-1949. Eine Dokumentation, Potsdam 1997, S. 395^102. 5 8 Anonymus, Hier spricht RS, in: Funkwoche, 10.2.1950 Nr. 6, S.5. 5 9 Ebd. 6 0 „Die früheren Hörspieldichter sind von den Rundfunkgesellschaften allzu enttäuscht worden. Die aufgewendete Arbeit steht in keinem Verhältnis zum Honorar. Der N W D R wirft mit 2000 D M noch das meiste Geld aus. Meist ist die Summe aber weit geringer", zitiert nach: Funkwoche, 11.5.1951 Nr. 18, S.2. 61 Sendung bei RS vom 26.10.1949. 6 2 Vgl. Interview mit Albert Carl Weiland, 21.8.2008. 6 3 Sendung vom 30.3.1947. Vgl. Deutsches Rundfunkarchiv, Hörspiel 1945-1949, S. 187. 57
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955
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fand die RS-Produktion „Das lebenslängliche K i n d " jedoch bei der Kritik Anklang: „Wer sich hierauf einschaltet, hat seine Zeit nicht vertan." 6 4 Weiland versuchte, das Problem zu lösen, indem er den Kontakt zu erfahrenen und renommierten Hörspielkollegen in der Bundesrepublik suchte: Mit Cläre Schimmel und Gerhard Prager vom S D R in Stuttgart sowie H e i n z Schwitzke vom „Nordwestdeutschen R u n d f u n k " ( N W D R ) in Hamburg wollte er 1951 eine Gemeinschaftsredaktion aufbauen, deren Ziel die Koproduktion ausgewählter Stücke durch die drei Sender sein sollte. D o c h dazu kam es nicht, gegen Weilands Willen und aus bis heute ungeklärten Gründen. 6 5 Die Gemeinschaftsredaktion entstand trotzdem aber eben ohne R S . 6 6 Trotzdem trug Weilands Kontakt zu seinen Kollegen in der Bundesrepublik Früchte für das RS-Hörspielprogramm: Weiland, Schimmel, Prager und Schwitzke tauschten sich über neue Stücke aus, empfahlen einander Autoren. Aufgrund der extrem knappen finanziellen Ausstattung (im Vergleich zur Bundesrepublik) blieb für R S meistens nur, die Stücke nachzuspielen. „Geschiedene Leute" des damals vielproduzierten Autors Christian B o c k zum Beispiel sendete der S D R am 21.Juni 1950, in einer eigenen Inszenierung ging das Stück bei R S erst am 12. O k t o b e r 1951 über den Sender, nicht zuletzt deshalb, weil die Produktion zweimal verschoben werden musste, wie die Funkwoche leicht bissig anmerkt. 6 7 Manchmal war es aber auch umgekehrt: Günter Eichs heute zu den Klassikern des Genres zählendes Hörspiel „Geh nicht nach El Kuwehd" wurde am 7.Juni 1950 bei R S gesendet und erst am 21.Juli beim „Bayerischen Rundfunk" ( B R ) . Geplant war es umgekehrt, wie Eich am 25. April 1950 schreibt: „Ten Haaf soll es inszenieren. Er fährt zunächst nach Saarbrücken,
„Etwas zum Schmunzeln, zum Lachen und zum Nachdenken ist das Lustspiel ,Das lebenslängliche Kind', das nach dem R o m a n .Drei Männer im Schnee' geschrieben wurde. Wer sich hierauf einschaltet, hat seine Zeit nicht vertan", zitiert nach: F u n k w o c h e , 2 1 . 1 0 . 1 9 4 9 N r . 4 2 , S. 18. Manchmal war die Verspätung, mit der die Sendungen bei R S zur Ausstrahlung kamen, nach Ansicht der Kritik jedoch auch zu groß: U b e r Werner Ackermanns Produktion „Das L o c h in der M a u e r " (Regie: Albert Carl Weiland, Inhalt: Ein Soldat kehrt zurück, sucht den Weg zurück ins Leben) ist in der F u n k w o c h e zu lesen: Das Stück „wäre vor einigen Jahren noch interessante Kost gewesen", zitiert nach: F u n k w o c h e , 2 8 . 4 . 1 9 5 0 Nr. 17, S.7.
64
Vgl. Albert Carl Weiland, Lebenslauf 1948-1956, undatiert, Privatarchiv Albert Carl Weiland. Weiland schreibt: „Dieser Plan scheiterte jedoch an meiner vorzeitigen und bis heute unbegründeten Abberufung." Weiland wurde jedoch schon kurz darauf (1951) Leiter der Abteilung Unterhaltung-Wort beim S R . 65
Hermann Naber, Einführung, in: Deutsches Rundfunkarchiv, Hg., Hörspiel 1950-1951. Eine D o k u m e n t a t i o n , Potsdam 2003, S. 9 - 1 6 , hier S. 11. 6 7 F u n k w o c h e , 1 2 . 1 0 . 1 9 5 1 Nr. 41, S. 4. 66
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stellt dort, sozusagen zur Vorübung, ein Band her und dann in München ein zweites. Die Münchener Fassung soll zuerst gesendet werden." 6 8 Die Verbindung zum B R kam durch den Regisseur Wilm ten Haaf zustande, dem Weiland nach dem Krieg sein Versuchstheater abgekauft hatte und den er nun als Hörspielregisseur nach Saarbrücken geholt hatte. Bei Günter Eichs Hörspielfassung von Maupassants Erzählung „Das Diamantenhalsband" stimmte dann die Reihenfolge: Der Sendung bei RS ging die Ursendung beim SDR voraus, zeitlicher Abstand: fünf Monate. 6 9 1951 regte Weiland bei Billmann an, ten Haaf zum Oberspielleiter zu machen und ihn selbst zum Produktionsleiter. Konkret bedeutete das: Die Federführung über das Hörspielprogramm hatte nach wie vor Weiland, ten Haaf führte vor allem Regie. Doch schon bald ging ten Haaf zurück zum BR. Als Oberspielleiter im RS-Hörspiel folgte ihm Peter Albert Stiller 70 , der 1952 Irmengard Peller (später Peller-Séguy) als Sprecherin und Hörspieldramaturgin engagierte. 71 Auch wenn die RS-Hörspielabteilung niemals mit den Honoraren anderer Sender in der Bundesrepublik konkurrieren konnte, so scheint die Geschäftsleitung jedoch nicht nur Verständnis für die Finanznöte gehabt, sondern viel wichtiger: dies auch in den Etatplanungen berücksichtigt zu haben. 7 2 Von sieben (belegbaren) Eigenproduktionen 1949 stieg die Zahl unter Weiland auf rund 30 pro Jahr an, dazu kamen die Eigenproduktionen im Unterhaltungshörspiel. 73 Außerdem wurden ab 1953 7 4 zusätzlich ein bis
Zitiert nach: H a n s - U l r i c h Wagner, „Eine wahre Flut von Eich-Hörspielen überschüttet uns von allen Seiten her - A u f dem Weg zum erfolgreichen Hörspielautor 1 9 5 0 - 1 9 5 3 " , in: Ders., G ü n t e r E i c h und der Rundfunk. Essay und D o k u m e n t a t i o n , Potsdam 1999, S. 82-106. 68
F u n k w o c h e , 1 9 . 1 . 1 9 5 1 Nr. 3, S . 2 0 , Regie der RS-Sendung: Wilm ten Haaf, Sendung beim S D R am 6 . 8 . 1 9 5 0 . Vgl. Deutsches Rundfunkarchiv, Hörspiel 1 9 5 0 - 1 9 5 1 , S . 9 5 . 69
Peter Albert Stiller war von Januar 1952 bis Juli 1963 bei R S festangestellter Oberspielleiter und Dramaturg der Hörspielredaktion, später auch deren Leiter. 71 Irmengard Peller hatte nach einer P r o m o t i o n in Germanistik wie Albert Carl Weiland eine Ausbildung am Reinhardt-Seminar durchlaufen und in den ersten Nachkriegsjahren als Sprecherin für literarische Sendungen beim S W F in Baden-Baden gearbeitet, nicht jedoch im Hörspiel. Ein Engagement am Landestheater hatte sie nach Saarbrücken verschlagen, doch schon nach einigen Monaten wechselte sie in die Hörspielredaktion von R S , w o sie jedoch nur kurz (bis circa 1955) tätig war. 70
7 2 F ü r das Rechnungsjahr 1949 weist eine RS-interne Aufstellung für „Hörspiele etc." rund 1,3 Millionen Francs aus. In einem Kostenvoranschlag für das J a h r 1951 fordert die Abteilung Wort eine Erhöhung des Etats für die „ F u n k b ü h n e " auf rund 1,8 M i o Francs. N u r indirekt, nämlich durch die Ausweitung der Zahl der RS-Eigenproduktionen in den folgenden Jahren, lässt sich schließen, dass diese Erhöhung bewilligt wurde.
1953 lassen sich bei 64 Sendeterminen mindestens 25 Neuproduktionen belegen, 1954 sind bei 80 Sendeterminen mindestens 41 Neuproduktionen, 1955 dann bei 76 Sendeterminen mindestens 32 Neuproduktionen (Mundart und Kriminalhörspiele nicht mitgerechnet). 73
74
Deutsches Rundfunkarchiv, Hörspiel 1950-1951, S . 5 0 4 f .
H ö r s p i e l bei R a d i o S a a r b r ü c k e n v o n 1946 bis 1955
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zwei bereits am Mittwochabend gesendete Hörspiele pro Monat samstags um 20 U h r auf U K W wiederholt, dazu kamen zunehmend regelmäßige Termine für Mundart oder Kriminalhörspiele. 7 5 Ganz abgesehen davon, dass auf Weilands Initiative hin auch ein kleines Sprecher-Ensemble fürs Hörspiel gegründet wurde, ähnlich wie in den bundesdeutschen Funkhäusern. 7 6 Unter Albert Carl Weiland 7 7 nahm also (nicht nur) das literarische Hörspiel bei RS erheblich an Fahrt auf. Auch inhaltlich gelang ihm mit den oben beschriebenen Mitteln eine Hinwendung des Programms zum Originalhörspiel, so dass auch RS in Eigenproduktion Hörspiele der wichtigen deutschen zeitgenössischen Autoren wie Borchert, Hüchel und von Hoerschelmann 7 8 sendete. Außerdem hatten Weiland und seine Mitarbeiter Erfolg mit ihren Hörspielen - bei den Hörern vermutlich, bei der Kritik mit Sicherheit, wie die zahlreichen positiven Kritiken belegen. 79 Thematisch bewegte sich die RS-Hörspielredaktion hier zwischen den Polen gepflegter, intelligenter Unterhaltung und der Auseinandersetzung mit Krieg, Liebe, Macht, menschlichem Leid und Mitleid, auch hierin vergleichbar mit dem bundesdeutschen Hörspielprogramm.
Für 1950 sind 13 K r i m i n a l h ö r s p i e l e belegt, ab 1953 w u r d e jeden Sonntag ein Kriminalhörspiel ausgestrahlt. Die A u s w e i t u n g der U n t e r h a l t u n g s h ö r s p i e l p r o d u k t i o n ging auf A l b e r t C a r l Weiland und Peter A l b e r t Stiller z u r ü c k . R S sendete nicht n u r die Hesselbachs, sondern p r o d u z i e r t e auch eine w e i t e r e Erfolgsserie v o n Wolf Schmidt, „Die A b e n t e u e r des H e r r n S c h m i d t " . D a m i t eiferte Stiller n u r seinen H ö r s p i e l k o l l e g e n in der B u n d e s r e p u b l i k nach, der H u n g e r des P u b l i k u m s nach U n t e r haltungshörspielen w a r e n o r m , das zeigte sich auch am g r o ß e n Erfolg v o n K r i m i n a l h ö r s p i e l e n , A u t o r e n w i e Francis D u r b r i d g e („Paul Temple und der F a l l . . . " ) , aber auch Rolf und A l e x a n d r a Becker („Gestatten, mein N a m e ist C o x " ) . Vgl. Naber, E i n f ü h r u n g , S. 15. Weil R S sich U r s e n d u n g e n nicht leisten konnte, w u r d e n H ö r s p i e l e von b e s o n d e r s r e n o m m i e r t e n oder p u b l i k u m s trächtigen A u t o r e n n a c h p r o d u z i e r t o d e r mit zeitlichem A b s t a n d ü b e r n o m m e n . Das U n t e r h a l tungshörspiel von R S setzte hier ab 1956 aber auch eigene A k z e n t e mit den H ö r s p i e l - S e r i e n von Lester P o w e l l (unter a n d e r e m „Die D a m e im N e b e l " ) . A l b e r t C a r l W e i l a n d inszenierte hier v o n der ersten Folge an u n d ü b e r n a h m auch die H a u p t r o l l e des Privatdetektivs P h i l i p p Odell. 75
S ü d w e s t - F u n k - P o s t , J u n i 1950 N r . 26, S. 37. Bis 1951 als Oberspielleiter, d a n a c h als Leiter der H a u p t a b t e i l u n g U n t e r h a l t u n g (hierzu gehörte das U n t e r h a l t u n g s - i n s b e s o n d e r e das K r i m i n a l h ö r s p i e l ) , ab 1953 als Leiter der P r o d u k t i o n Wort, ab 1956 Leiter der A b t e i l u n g U n t e r h a l t u n g - W o r t . 78 Z u m Beispiel Fred von H o e r s c h e l m a n n , „ A m t m a n n Enders", 17.5.1950; W o l f g a n g Borchert, „ D r a u ß e n vor der T ü r " , 7 . 1 2 . 1 9 4 9 ( U r s e n d u n g beim Ν W D R 1947); Peter H ü c h e l , „Die F r e u n d schaft v o n Port Said", 2 9 . 6 . 1 9 5 1 . 7 9 Z u m Beispiel urteilte d e r u n g e n a n n t e A u t o r der F u n k w o c h e ü b e r „ E m m a " nach J a n e A u s t e n ( R e g i e : W i l m ten H a a f ) : „Diese auch schauspielerisch ausgezeichnete A u f n a h m e . . . " , zitiert nach: F u n k w o c h e , 2 3 . 3 . 1 9 5 1 Nr. 12, S.4. „Das vergessene W o r t " von A r c h i b a l d O b o l e r (eine P r o d u k t i on ü b e r den nahenden A t o m k r i e g ) fand der R e z e n s e n t so gut, „dass uns die S p a n n u n g am A p p a r a t festhält", zitiert nach: F u n k w o c h e , 6 . 4 . 1 9 5 1 Nr. 14, S . 5 . 76 77
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Anette K ü h r m e y e r
3.3 Französischer
Einfluss
Für das Jahr 1947 finden sich einzelne Belege, die darauf hindeuten, dass mehr französische Theaterstücke zur Sendung kamen als ab 1948. 80 Französische Autoren kamen im Hörspielprogramm von RS weiterhin vor, allerdings nur vereinzelt und nur in deutscher Produktion, für Hörspiel-Ubernahmen von Radio France ließen sich keine Hinweise finden. Für 1948 ist neben Claudels „Verkündigung" und Cocteaus „Antigone" noch „Helle Nacht" von de Musset belegt. 1949 ist der Datenbestand sehr lückenhaft, ein Hinweis findet sich auf „Spiel von Liebe und Tod" von Romain Rolland. 81 1950 wurden vier Bearbeitungen französischer Klassiker 82 produziert und gesendet, außerdem drei Stücke zeitgenössischer Autoren, 83 insgesamt sieben von 45 Terminen. 1951 sind es dann nur drei Stücke 84 bei 51 Sendeterminen. Zum Vergleich: 1950 sendete der SDR in Stuttgart elf Hörspiele französischer Autoren bei 69 Sendeterminen, im Jahr darauf fünf Hörspiele französischer Herkunft bei 79 Sendeterminen. Beim SWF kamen 1950 vier Hörspiele von Autoren französischer Herkunft bei 37 dokumentierten Terminen in jenem Jahr, 1951 waren dann bei 36 dokumentierten Hörspielen sechs aus französischer Feder. 85 So eng die Zusammenarbeit mit dem SWF in den ersten Monaten der Neugründung von RS auch war, im Hörspielbereich entwickelte man sich sehr schnell auseinander. Weiland bestätigt, dass es spätestens ab 1948 keinerlei regelmäßige oder gar institutionalisierte Verbindung zur Hörspielredaktion in Baden-Baden gab. 86 Bemerkenswert ist allerdings schon, dass von den gesendeten Hörspielen französischer Autoren zwischen RS und SWF kein einziges übereinstimmt. In den folgenden Jahren bis 1955 produzierte das RS-Hörspiel immer weniger Stücke französischer Herkunft, Klassiker und zeitgenössische AutoIn der Frühzeit finden sich Sendehinweise wie dieser: „Aus der Welt des Theaters: Französische Klassiker, wie man sie heute spielt", zitiert nach: Saarbrücker Zeitung, 2 0 . 5 . 1 9 4 7 Nr. 58, S. 3 oder „Die gelehrten F r a u e n " von Molière, zitiert nach: Saarbrücker Zeitung, 1 5 . 1 1 . 1 9 4 7 N r . 1 5 5 , S.3. A b 1948 wurden auch englische und deutsche Dramatiker gespielt, in welchem Verhältnis, lässt sich nicht sagen, da oftmals auch kein Titel angegeben wurde. 80
Sendung vom 2 . 1 1 . 1 9 4 9 . N a c h Balzac, „ D e r Spekulant", 9 . 8 . 1 9 5 0 ; Dumas, „Das Souper mit dem T o d e " , 2 3 . 7 . 1 9 5 0 ; de Musset, „Liebe ist keine Tändelei", 2 0 . 9 . 1 9 5 0 ; Maeterlinck, „Hauch des U n h e i l s " , 1 6 . 8 . 1 9 5 0 . 81
82
Marcel Achard, „Die Zeit des G l ü c k s " , 4 . 1 . 1 9 5 0 ; J a n Wandenberghe, „Der Sperling des Herrn Ravaut", 1 . 2 . 1 9 5 0 ; Claude-André Puget, „Däumling erwachsen", 8 . 2 . 1 9 5 0 . 83
8 4 Jean Anouilh, „ R o m e o und Jeannette", 4 . 1 . 1 9 5 1 ; Maupassant/Eich; „Das Diamantenhalsband", 2 5 . 1 . 1 9 5 1 ; Jean Cocteau, „Die geliebte S t i m m e " , 1 3 . 1 2 . 1 9 5 1 .
U n k l a r ist, ob R S tatsächlich mehr Hörspiele sendete als der S W F oder ob nur mehr dokumentiert sind. Vgl zu den Angaben: Deutsches Rundfunkarchiv, Hörspiel 1 9 5 0 - 1 9 5 1 , S. 5 0 4 - 5 0 5 , 5 1 0 515. 85
86
Vgl. Interview mit Albert Carl Weiland, 2 1 . 8 . 2 0 0 8 .
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955
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ren. 8 7 Louis Clappier war einer von ihnen. Der saarländische Autor Anton Betzner bearbeitete seinen Roman „Die Festung Königsberg" für den Funk, im Winterprogramm 1953/54 wurde es als „Gemeinschaftsarbeit zwischen deutschen und französischen Schauspielern" angekündigt 88 , ob diese Absicht verwirklicht wurde, ist ungewiss. 89 Frankreich und seine Kultur waren aber auch indirekt präsent im R S - H ö r spiel, zum Beispiel in „Heroische Komödie" nach Ferdinand Bruckner 9 0 , Mme de Staël wird hier in ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen den Despoten Napoléon Bonaparte gezeigt. Im Winterprogramm von 1953/54 stellt sich die Hörspielabteilung denn auch selbst unter anderem folgende Ziele: „Die Hörspielabteilung von Radio Saarbrücken will ... sich um die funkeigene F o r m des Hörspiels bemühen, also das Originalhörspiel suchen und pflegen ... Themen des modernen Schrifttums aufgreifen, die vor allem dem völkerverbindenden Gedanken dienen und die Verteidigung der Freiheit und Menschenwürde als Zielsetzung haben . . . " 9 1
Dieser Gedanke wird auch im folgenden Winterprogramm wieder aufgegriffen und betont: „Es [das Hörspiel; Anm. d. Verf.] will zur Nächstenliebe aufrufen, die Menschenwürde verteidigen und der Verständigung der Völker dienen". 92 In dieses Bild passen weitere Hörspiele, die RS in diesen Jahren produziert hat, zum Beispiel „Die Blinde von Béthune" von Anton Betzner: 9 3 Ein deut1 952: H o n o r é de Balzac, „Oberst C h a b e r t " , 2 8 . 8 . 1 9 5 2 ; Pierre de Marivaux, „Das Spiel von Liebe und Zufall", 2 6 . 6 . 1 9 5 2 ; Prosper Mérimée, „Die Missvergnügten", 16.7.1952; Bernard Merivale, „Die verlorene Stunde", 3 1 . 7 . 1 9 5 2 und 2 6 . 6 . 1 9 5 2 ; Barthélémy Taladone, „Ariane", 7 . 2 . 1 9 5 2 . 1953: Jean Giraudoux, „Siegfried", 2 2 . 1 . 1 9 5 3 ; Marivaux (Wiederholung am 2 9 . 1 . 1 9 5 3 ) ; Merivale (Wiederholung am 1 4 . 3 . 1 9 5 3 ) ; Balzac (Wiederholung am 2 2 . 4 . 1 9 5 3 ) ; Cocteau (Wiederholung am 2 3 . 5 . 1 9 5 3 ) ; Jean Giraudoux, „ D e r Apollo von Bellac", 2 3 . 9 . 1 9 5 3 ; Louis Clappier/Anton Betzner, „Flucht aus Königsberg", 4 . 1 1 . 1 9 5 3 . Zusätzlich wurden für den Krimitermin acht halbstündige Hörspiele nach Georges Simenon produziert. 87
1954: André Birabeau, „Mein Sohn, der H e r r Minister", 5 . 5 . 1 9 5 4 (Wiederholung am 7.7.1954); Eugène Scribe, „Das Glas Wasser", 1 0 . 1 1 . 1 9 5 4 . Außerdem eine Übernahme vom S D R : Molière, „Der eingebildete K r a n k e " , 1 3 . 1 0 . 1 9 5 4 . 1955: Marcel Pagnol/Albert Carl Weiland, „Das große A B C " , 2 3 . 3 . 1 9 5 5 ; Jacques Deval/Carl Dietrich Carls, „Die Kammerjungfer", 3 1 . 1 2 . 1 9 5 5 ; Giraudoux, „ D e r Apollo von Bellac", 2 9 . 6 . 1 9 5 5 (Wiederholung). Saarländischer Rundfunk, Hg., Winterprogramm 1953/54, Saarbrücken 1953, S . 2 1 . Z u m Inhalt heißt es: „Clappier zeichnete in seinem R o m a n aus eigenem Erleben das Schicksal der französischen Kriegsgefangenen und ostpreußischen Flüchtlinge während der letzten Tage der Festung Königsberg." 88
Weder Albert Carl Weiland noch Irmengard Peller-Séguy erinnern sich an eine zweisprachige Umsetzung. D i e Aufnahme ist nicht erhalten, die Archiv-Unterlagen geben keine Auskunft. 9 0 Funkbearbeitung und Regie: Peter Albert Stiller, Produktion R S 1953. 91 Saarländischer Rundfunk, Winterprogramm 1953/54, S . 2 0 . 9 2 Saarländischer Rundfunk, Hg., Winterprogramm 1954/55, Saarbrücken 1954, S . 5 5 . 9 3 Regie: Albert Carl Weiland, Sendung vom 17.12.1954, Aufnahme ist nicht erhalten. 89
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scher Soldat verwundet während des Krieges ein französisches Mädchen und will dies nach dem Krieg wiedergutmachen. Er findet sie, inzwischen erblindet, aber beide entwickeln Gefühle füreinander, die jede nationale Feindschaft überwinden. Dass dieses Stück jedoch über die deutsch-französische Thematik hinaus verstanden wurde, zeigt die Kritik in der Saarländischen Volkszeitung: „Wie man sieht, geht es in diesem Hörspiel des im Saarland ansässigen Dichters A n t o n Betzner ... um mehr als um das Verstehen und Begegnen ehemaliger Feinde, um mehr als um Nächstenliebe, Menschlichkeit, es geht um das urchristliche P r o blem von Schuld und Erlösung, Sünde und Gnade, um die A n t w o r t auf ein Schicksal, und diese Antwort kann nur lauten: alles Leid der Seele und das Licht der Gnade wirksam zu machen im Alltag der Menschen und Völker ... Wir müssen als fleißige und kritische H ö r e r der Hörspielsendungen von Radio Saarbrücken gestehen, dass diese Sendung ... mit zu den nachhaltigsten Sendungen der letzten Jahre zählt." 9 4
Weiteres Beispiel hierfür ist die RS-Produktion „Der unbekannte Befehl", hier lässt Autor Peter Lotar Napoleon im Dialog mit Papst Pius VII. sagen: „Niemand weiß so gut wie ich, was Krieg ist. Wir haben schon genug Menschen geopfert. Das Leben eines einzigen Menschen ist mir mehr wert als alle Siege. Mein Ziel ist die Verbrüderung der Völker. Der Weltfrieden!" 9 5 Kann man daraus schließen, dass die Hörspielabteilung ihr Programm nach Vorgaben der französisch dominierten Geschäftsleitung von RS, insbesondere von Generaldirektor Frédéric Billmann, zusammengestellt hat? Tatsache ist, dass das RS-Hörspielprogramm in seiner Themen- und Autorenwahl modern und zeitgemäß war. Die Ergebnisse einer Hörerbefragung des N W D R aus den 1950er Jahren treffen auch auf zahlreiche von RS produzierte und gesendete Hörspiele zu: „Betrachtet man die Stellungnahmen der H ö r e r näher, so wird deutlich, dass es in der Regel allgemeine Tugendbegriffe wie .Versöhnlichkeit' oder .Menschlichkeit' sind, die als hörspielimmanentes Ziel bezeichnet werden. Hier spiegelt sich ein Sachverhalt, der ebenfalls typisch für das Hörspiel der 1950er Jahre ist: Zeitgeschichtliche Anspielungen fungieren oft nur als Folie für einen allgemein menschlichen Appell." 9 6
Tatsache war aber auch, dass es im RS-Hörspiel eine Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland gab, diese hielt anscheinend Angela Fuchs aufrecht. Sie hatte als Emigrantin in Paris gelebt und wurde aufgrund ihrer Anonymus, D i e Blinde von Bethune [sie!]. Eine Hörspielsendung von Radio Saarbrücken, in: Saarländische Volkszeitung, 2 2 . 1 2 . 1 9 5 4 Nr. 296, S . 5 . 9 5 F u n k w o c h e , 1 8 . 5 . 1 9 5 1 N r . 2 0 , S . 5 , R S - H ö r s p i e l p r o d u k t i o n „ D e r unbekannte B e f e h l " , Sendung vom 2 3 . 5 . 1 9 5 1 bei R S . 9 6 Ulrike Schlieper, Einführung, in: Deutsches Rundfunkarchiv, Hg., Hörspiel 1 9 5 2 - 1 9 5 3 . Eine D o k u m e n t a t i o n , Potsdam 2004, S . 9 - 2 0 , hier S. 19. 94
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Zweisprachigkeit als Lektorin für französische Stücke, insbesondere v o m Theater, eingesetzt, „gestützt v o n den Franzosen", wie sich Peller-Séguy erinnert. 97 D e n n o c h gab es keine direkte Einflussnahme, etwa durch Frédéric Billmann, auf die Auswahl der Stücke, die im Hörspiel produziert wurden. Es gab auch keine ,Franzosen-Quote', so Peller-Séguy. Sie sei völlig frei gewesen in ihrer Auswahl der Hörspiele, die sie Peter Albert Stiller zur Produktion vorschlug. Albert Carl Weiland bestätigt: „Im Hörspiel hat es keine Zensur gegeben, nicht einmal eine Kontrolle, nicht mal ein Gespräch, warum machen Sie denn das, können Sie nicht mal was Französisches machen oder so. Kein Wort, nichts. Es wurde auch nichts Französisches gemacht. Billmann war auch ein viel zu kluger Mann, er wusste, je mehr Deutsch er macht, desto mehr Einschaltungen bekommt Radio Saarbrücken." 98 Diese Sichtweise wird gestützt durch einen Brief Billmanns, der 1951 in der Programmillustrierten F u n k w o c h e veröffentlicht wurde: „So wird Radio Saarbrücken auch nach außen hin immer mehr das Wahrzeichen des Saarlandes werden. Seine eigene Persönlichkeit wird immer stärker in Erscheinung treten und seiner zweiten großen Aufgabe, völkerverbindend zwischen Frankreich und Deutschland im Dienste der europäischen Neuordnung zu wirken, wird dadurch ein noch kräftigerer Aufschwung gegeben werden können." 9 9
3.4 Saarländischer
Einfluss
In abgewandelter Form findet sich dieser Gedanke selbst noch im Winterprogramm 1955/56, z u m ersten Mal wird hier auch offiziell im Hörspiel die .saarländische Karte' gespielt: 97
Vgl. Interview mit Irmengard Peller-Séguy, 25.8.2008. Als festangestellte Sachbearbeiterin wird Angela Fuchs bei RS erst ab d e m 1.4.1952 geführt. Im W i n t e r p r o g r a m m 1953/54, S. 38 wird sie bei Hörspieldramaturgie und Lektorat genannt, im W i n t e r p r o g r a m m 1954/55, S. 76 als Redakteurin f ü r „Kulturelles E u r o p a " , nicht mehr im Hörspiel. 98 Vgl. Interview mit Albert Carl Weiland, 21.8.2008. In p u n c t o Zensur erinnert sich Weiland jedoch, seine Kabarett-Manuskripte dem P r o g r a m m d i r e k t o r Alexander Schum vorgelegt zu haben und kann das auch belegen. A u ß e r d e m erinnert sich Weiland an den Einzelfall „Die deutschen Kleinstädter" von August von Kotzebue. Angeblich bat ihn hier ein nicht namentlich erinnerter Zensor, das Stück f ü r die RS-Hörspielfassung n u r als „Die Kleinstädter" zu betiteln. Allerdings ließ sich dieser Vorfall nicht weiter belegen, unklar ist auch, ob u n d w e n n ja w a r u m der ,Zensor' das Manuskript vor der Sendung vorgelegt bekam, was sonst laut Weiland bei Hörspielen nicht üblich war. D e m widersprechen scheinbar die A u s f ü h r u n g e n Schwans z u m Thema, wonach Lucien Ehringer der Zensuroffizier bei RS war, dem jedes Manuskript vor der P r o d u k t i o n vorgelegt werden musste, u n d der auch erwähnt, dass es eine A n o r d n u n g der Franzosen gab, das Wort .deutsch' möglichst nicht zu gebrauchen. Vgl. Schwan, R u n d f u n k , S. 59. 99
Frédéric Billmann, o.T., in: F u n k w o c h e , 5.1.1951 Nr. 1, S. 5. Vgl. hierzu auch Schwan, R u n d f u n k , S. 84-87.
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„Das Hörspiel lässt in seiner kulturellen Aussage vornehmlich die Autoren in seinem Spielplan zu Wort kommen, die in ihren Arbeiten und ihrer Themenstellung den Europagedanken, die Abwehr der Gewalt und die Völkerverständigung aufgreifen. Auch die saarländischen Autoren, an der Spitze Anton Betzner und Alfred Petto, sollen in weitgehendstem Maße berücksichtigt werden, so daß das Panorama unseres Spielplanes, soweit es in unseren Kräften steht, das europäische Kulturschaffen widerspiegelt." 100
Betzner und Petto waren schon zuvor fürs RS-Hörspiel tätig gewesen, ohne dass dies besonders erwähnt worden wäre, die Zahl der saarländischen Autoren im literarischen Hörspiel war auch nicht überraschend gestiegen. 101 Allerdings hatten die Saarländer schon seit einiger Zeit an Einfluss gegenüber den französischen Besatzern gewonnen, das war auch bei RS spürbar. So beschwerte sich der Leiter des Informationsamtes im November 1952 bei Billmann, es gäbe zu wenige Mundartsendungen, obwohl diese von den Hörern gewünscht würden. Außerdem würden „unnötigerweise fremde Kräfte zu Bandaufnahmen herangezogen". 102 Druck der Geschäftsleitung, insbesondere saarländische Autoren im literarischen Hörspiel zu fördern und zu produzieren, gab es laut Weiland und Peller-Séguy nicht. 103 O b das für andere Bereiche ebenfalls galt, ist fraglich, denn im Winterprogramm 1953/54 von RS wird das wöchentliche Mundarthörspiel mit einem festen Sendetermin angekündigt, dessen Repertoire sich zum Großteil aus dem 1952 veranstalteten Hörspiel-Wettbewerb speiste. 104 Der Versuch der Einflussnahme der saarländischen Politik erreichte die Hörspielabteilung dann jedoch in anderer Form. Zur Erinnerung: Weiland gründete im Auftrag der Geschäftsleitung ein RS-Hörspiel-Ensemble und verpflichtete dafür diverse Schauspieler vom Saarbrücker Stadttheater, aber auch aus Deutschland. Weiland erinnert sich an die RS-Aufsichtsrätin Maria Schweitzer: „Sie wollte unbedingt erreichen, dass ich eine junge Journalistin ins Hörspiel-Ensemble engagiere." Weiland lehnte ab, begründete das mit der Saarländischer Rundfunk, Hg., Winterprogramm 1955/56, Saarbrücken 1955, S . 2 9 . Insbesondere A n t o n Betzner war auch als Hörspielautor anerkannt: „Betzners Kraft der dichterischen Aussage scheint trotz der Eindringlichkeit und Schönheit seiner R o m a n e mehr im F u n kischen zu liegen. Das beweist dieses Hörspiel [Die Blinde von Béthune; A n m . d. Verf.] und es findet seine Bestätigung in dem großen Erfolg, den er im vergangenen S o m m e r mit einigen Wortsendungen und vor allem mit dem Hörspiel „ D e r Engel antwortet" hier im Saarland und im Sendebereich des N W D R hatte.", zitiert nach: A n o n y m u s , D i e Blinde von Bethune [sie!]. Eine H ö r spielsendung von Radio Saarbrücken, in: Saarländische Volkszeitung, 2 2 . 1 2 . 1 9 5 4 N r . 2 9 6 , S.5. 1 0 2 Schwan, Rundfunk, S. 65. 1 0 3 Vgl. Interview mit Albert Carl Weiland, 2 1 . 8 . 2 0 0 8 und Interview mit Irmengard Peller-Séguy, 25.8.2008. 1 0 4 Saarländischer Rundfunk, Winterprogramm 1953/54, S . 3 4 , montags um 20 Uhr, Wiederholung donnerstags um 20 U h r auf U K W . 100
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mangelnden Kompetenz der Journalistin und wollte stattdessen die Münchener Schauspielerin Gusti Halenke engagieren, das gelang ihm auch. 105 Das blieb kein Einzelfall: Als Weiland 1952 für die Hörspielversion von Schillers „Wallenstein" einen Schauspieler aus München engagieren wollte, wurde er zum zweiten, saarländischen Generaldirektor von RS, Hermann Mathias Görgen, gerufen, der ihn anwies, statt dessen den Saarbrücker Schauspieler Theo Richter zu engagieren, mit der Begründung, dieser sei genauso geeignet. Auch hier setzte sich Weiland durch. 1 0 6
4. Z u s a m m e n f a s s u n g Die Möglichkeiten des Neuanfangs nach dem Krieg haben die RS-Mitarbeiter, insbesondere Albert Carl Weiland, intensiv genutzt, um das Hörspiel im Programm von Radio Saarbrücken zu verankern und zu einer festen Größe zu machen. Der Umfang der gesendeten Hörspielgenres, der Neuproduktionen und Sendezeiten wuchs bis 1955 rasant an. Daraus lässt sich schließen, dass sich die französische, später aber auch die saarländische Geschäftsleitung von RS der Bedeutung des Hörspiels, nicht zuletzt als Aushängeschild des Senders über die Grenzen des Saarlands hinaus, bewusst war. Trotz der beschränkten technischen und finanziellen Verhältnisse entstanden in den Jahren ab 1950 auch Produktionen, die - soweit man das aufgrund des heute noch erhaltenen Materials beurteilen kann - inhaltlich und inszenatorisch den Vergleich mit bundesdeutschen Hörspielproduktionen nicht zu scheuen brauchten. Das .deutsche' Hörspiel war denn auch der Maßstab, an dem sich die RS-Hörspielmacher beginnend mit Weiland orientierten, nicht etwa das französische. Dafür sprechen auch der Versuch, eine Gemeinschaftsredaktion mit dem SDR und dem N W D R zu gründen, sowie das Fehlen von Belegen für auf Französisch ausgestrahlte Hörspiele. Zwar wurden Hörspiele französischer Autoren im RS-Hörspielprogramm produziert und gesendet. Aber selbst die lückenhafte Datenlage der Anfangsjahre legt den Schluss nahe, dass die Zahl der RS-Hörspiele französischer HerVgl. Interview mit A l b e r t C a r l Weiland, 2 1 . 8 . 2 0 0 8 . Ebd. W e i l a n d vermutet, dass G ö r g e n später deshalb seine A b s e t z u n g betrieben hat. O f f i z i e l l w u r d e das jedoch nie als G r u n d angegeben, doch W e i l a n d erinnert sich, dass er später Briefe aus dieser Zeit vorgelegt b e k a m , in d e m ihn Kollegen, Sprecher und R e d a k t e u r e beschuldigten, zu viele deutsche Schauspieler zu engagieren. H i e r z u S c h w a n , R u n d f u n k , S.88: „ . . . vertrat G ö r g e n w e i t e r h i n die A u f f a s s u n g , dass der R u n d f u n k im Personalbereich mehr S a a r l ä n d e r berücksichtigen müsse, ... G ö r g e n realisierte seine Vorstellungen. Der M i s s b r a u c h des R u n d f u n k s unter seiner L e i t u n g ist in der deutschen N a c h k r i e g s g e s c h i c h t e o h n e Parallele - k l a m m e r t man den R u n d f u n k in der D D R aus." 1=5 106
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Anette Kührmeyer
kunft nur unwesentlich höher war als bei anderen grenznahen Sendern wie dem SDR, teilweise sogar geringer als beim SWF. In dieses Bild passt auch die verlässlich belegte Tatsache, dass die RS-Hörspielabteilung bei einer steigenden Zahl von Neuproduktionen immer weniger französische Autoren berücksichtigte. Allerdings war bei RS die französische Kultur darüber hinaus auch in Stücken deutscher Autoren präsent, was jedoch auch nur ein Nebeneffekt gewesen sein könnte, denn in diesen Stücken standen die Themen Kriegsbewältigung und Völkerverständigung im Vordergrund, Themen, die zu dieser Zeit allgemein in Deutschland diskutiert wurden, ebenso wie die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland. Insbesondere die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland war jedoch erklärtes Ziel des RS-Generaldirektors Frédéric Billmann, doch dieses bedeutende politische und gesellschaftliche Thema wurde auch von den bundesdeutschen Hörspieldramaturgien aufgegriffen. Für einen direkten Durchgriff der französischen RS-Geschäftsleitung auf das Hörspielprogramm gibt es jedenfalls keinerlei Belege. Der wachsende Einfluss der saarländischen Regierung schien jedoch nicht vor dem Hörspiel - im weiteren Sinne - halt zu machen. Allerdings zeigte sich dies weniger in Bezug auf die Verpflichtung von saarländischen Autoren im literarischen Hörspiel, als vermutlich in der Schaffung eines Mundarthörspiel-Termins. Wenn es aber um die Beschäftigung von saarländischen Schauspielern ging, dann gab es durchaus Druck - von saarländischer Seite. Dieser Druck existierte bekanntlich auch in anderen Bereichen von RS. Zusammenfassend ließe sich sagen: Das RS-Hörspiel der ersten Jahre war deutlich weniger französisch dominiert als vermutet und weniger saarländisch bestimmt, als damals von manchen gewünscht.
5. Quellenverzeichnis Archive Archives du Ministère des Affaires étrangères (MAE), Paris: E U 1944-1960, Sarre, 61, 171 M A E , Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche (AOFAA), Colmar: Haut Commissariat de la République française en Sarre, Mission juridique ( H C Sarre, Jur), 221,222 (Diese Bestände sind auf Mikrofilm einsehbar am Historischen Institut der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl Rainer Hudemann) Archiv und Bibliothek des Saarländischen Rundfunks, Saarbrücken: Schallarchiv Radio Saarbrücken, Programmfahnen ab Oktober 1952 bis Dezember 1955
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955
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Saarländischer Rundfunk, Hg., Winterprogramm 1955/56, Saarbrücken 1955 Saarländischer Rundfunk, Hg., Winterprogramm 1954/55, Saarbrücken 1954 Saarländischer Rundfunk, Hg., Winterprogramm 1953/54, Saarbrücken 1953
Gedruckte Quellen Deutsches Rundfunkarchiv, Hg., Hörspiel 1954-1955. Eine Dokumentation, Potsdam 2007 Deutsches Rundfunkarchiv, Hg., Hörspiel 1952-1953. Eine Dokumentation, Potsdam 2004 Deutsches Rundfunkarchiv, Hg., Hörspiel 1950-1951. Eine Dokumentation, Potsdam 2003 Deutsches Rundfunkarchiv, Hg., Hörspiel 1945-1949. Eine Dokumentation, Potsdam 1997 Saarbrücker Zeitung Saarländische Volkszeitung Funkwoche Notes documentaires et Études, Nr. 991, zitiert nach: Haut Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'information, Hg., Trois ans de présence française en Sarre, Paris 1948 Interview mit Irmengard Peller-Séguy (Hörspieldramaturgin), 25.8.2008 Interview mit Albert Carl Weiland (Hörspielregisseur), 21.8.2008
6. Ausgewählte Forschungsliteratur Klaus Altmeyer, Rundfunk im Saarland, in: Franz Knipping/Jacques Le Rider, Hg., Frankreichs Kulturpolitik in Deutschland, 1945-1950. Ein Tübinger Symposium, 19. und 20. September 1985, Tübingen 1987, S. 221-226 Hans Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, München 1980 N i n o Frank, Le théâtre radiophonique, in: Jean Tardieu, Hg., Grandeurs et faiblesses de la radio. Essai sur l'évolution, le rôle créateur et la portée culturelle de l'art radiophonique dans la société contemporaine, Paris 1969, S. 147-162 Hermann Naber, Einführung, in: Deutsches Rundfunkarchiv, Hg., Hörspiel 19501951. Eine Dokumentation, Potsdam 2003, S.9-16 Fritz Raff/Axel Buchholz, Hg., Geschichte und Geschichten des Senders an der Saar. 50 Jahre Saarländischer Rundfunk, Freiburg/Basel/Wien 2007 Hans-Ulrich Wagner, „Eine wahre Flut von Eich-Hörspielen überschüttet uns von allen Seiten her - Auf dem Weg zum erfolgreichen Hörspielautor 1950-1953", in: Hans-Ulrich Wagner, Günter Eich und der Rundfunk. Essay und Dokumentation, Potsdam 1999, S. 82-106 Klaus Wenger, Rundfunkpolitik in der französischen Besatzungszone. Die Anfänge des Südwestfunks, in: Franz Knipping/Jacques Le Rider, Hg., Frankreichs Kulturpolitik in Deutschland, 1945-1950. Ein Tübinger Symposium, 19. und 20. September 1985, Tübingen 1987, S. 207-220
Andreas Fickers
Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland Die Geschichte der Saarländischen Fernseh A G (Tele-Saar und Europe N o . 1)
1. Einleitung Bei der Geschichte der kommerziellen Rundfunksender Tele-Saar und E u rope N o . 1, die ab Mitte der 1950er Jahre sowohl das deutschsprachige wie das französischsprachige Publikum mit werbefinanzierten H ö r - und Fernsehfunkprogrammen erreichten, handelt es sich um eine in der deutsch-französischen Rundfunkgeschichte kaum beachtete, jedoch äußerst interessante Episode deutsch-französischer Beziehungen. Dies sowohl aus technik- und wirtschaftshistorischer als auch aus kultur- und politikhistorischer Perspektive. Mit der Gründung der Saarländischen Fernseh A G am 17. Mai 1952 beginnt nicht nur die Geschichte des privaten oder kommerziellen Rundfunks für das unter französischer Wirtschaftsverwaltung stehende Saarland, sondern auch ein besonderes Kapitel französischer wie bundesdeutscher Nachkriegsrundfunkgeschichte. Kommerzielles Radio und Fernsehen waren sowohl auf dem Territorium der Vierten Republik als auch in der Bundesrepublik untersagt. In beiden Ländern hatte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchgesetzt, dessen monopolartige Vormachtstellung bis in die 1980er Jahre politisch verteidigt wurde. In ganz Deutschland und Frankreich? In Anlehnung an die Comicwelt von Goscinny und Uderzo könnte man das Saarland als jenen Streifen im deutsch-französischen Grenzland bezeichnen, in dem die Dinge sich ein wenig anders verhielten. Warum dies so war, und welche Vorgeschichte und Spätfolgen diese privatrechtliche Initiative kennzeichnen, ist das Thema dieses Beitrages. Zwar konzentriert sich die Darstellung im Wesentlichen auf die 1950er Jahre, doch muss die Geschichte der Saarländischen Fernseh A G in den weiteren Kontext deutsch-französischer und europäischer Rundfunkgeschichte eingebettet werden, will man ihrer Besonderheit und medienhistorischen Bedeutung Rechnung tragen. D a die Darstellungen zur Geschichte der Saarländischen Fernseh A G speziell in der für das Saarland und die deutsch-französischen Beziehungen so prägenden Phase der 1950er Jahre - als spärlich und dementsprechend
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lückenhaft zu bezeichnen sind 1 , wurde zur historischen Rekonstruktion vor allem auf unveröffentlichtes Quellenmaterial zurückgegriffen. Die Bestände zur Saarländischen Fernseh A G bzw. Tele-Saar und Europe 1 in den Archiven des französischen Außenministeriums 2 sowie des Informationsministeriums 3 , im Privatnachlass des Hohen Kommissars Gilbert Grandval 4 , im Landesarchiv Saarbrücken 5 sowie im Archiv des Saarländischen Rundfunks 6 ermöglichen eine detailgetreue Rekonstruktion der saarländischen, französischen sowie in eingeschränkter Weise auch bundesdeutschen Perspektive. Für die Geschichte des Radiosenders Europe 1 - vor allem seit den 1960er Jahren bis in die Gegenwart - wurden die maßgeb-
1 N e b e n allgemeinen Überblicksdarstellungen zur G e s c h i c h t e des Saarländischen R u n d f u n k s , in denen die G e s c h i c h t e der Saarländischen Fernseh A G auf einigen Seiten abgehandelt wird, bietet lediglich die 1969 von Dietrich B e r w a n g e r an der F U Berlin eingereichte Dissertation zu M a s s e n k o m m u n i k a t i o n und Politik im Saarland eine quellengestützte Darstellung der G r ü n dung der Fernseh A G . Siehe zur G e s c h i c h t e des Saarländischen R u n d f u n k s die Arbeiten von: H e r i b e r t Schwan, D e r R u n d f u n k als Instrument der Politik im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , Berlin 1974, S. 1 1 1 - 1 1 5 ; Saarländischer R u n d f u n k , Hg., U n s e r Sender an der Saar. 5 0 J a h r e R u n d f u n k im Saarland, Saarbrücken 1985, S. 5 4 - 5 5 , 6 4 - 6 5 ; F r i t z R a f f / A x e l B u c h h o l z , H g . , G e s c h i c h t e und G e s c h i c h t e n des Senders an der Saar. 5 0 J a h r e Saarländischer R u n d f u n k , F r e i b u r g / B a s e l / W i e n 2007, S. 5 4 - 5 5 , 7 0 - 7 1 ; Dietrich Berwanger, M a s s e n k o m m u n i k a t i o n und Politik im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 9 . Ein Beitrag zur U n t e r s u c h u n g „publizistischer K o n t r o l l e " , M ü n c h e n 1969, S. 121— 132, 2 1 8 - 2 2 1 , 2 6 9 - 2 7 2 . E u r o p e N o . 1 wurde 1989 u m b e n a n n t in E u r o p e 1.
Archives de l ' O c c u p a t i o n française en Allemagne et en Autriche, C o l m a r ( A O F A A ) : H a u t Commissariat de la République française en Sarre, Mission juridique ( H C Sarre, J u r ) , 221 (radiodiffusion sarroise 1 9 4 6 - 1 9 5 0 ) sowie H a u t Commissariat de la République française en Sarre, C a b i net politique ( H C Sarre, C a b ) , 100 (radio télévision, Europe 1952-1958); Archives du Ministère des affaires étrangères ( M A E ) , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 61 (radiodiffusion juin 1949-février 1949), 171 (radio et télévision en Sarre 1 e r juillet 1 9 4 9 - 3 1 . 1 2 . 1 9 5 4 ) , 172 (radio-télévision janvier-décembre 1955). Ich danke Rainer H u d e m a n n für die großzügige Unterstützung bei der Einsicht in die mikroverfilmten Bestände der französischen Quellen. 2
Im C e n t r e des Archives Contemporaines der Archives Nationales in Fontainebleau wurden die Dossiers zu Europe N o . 1 sowie zur Compagnie Européenne de Radiodiffusion et Télévision ( C E R T = Europäische R u n d f u n k und Fernseh A G ) eingesehen, die aus der Ministerzeit von Alain Peyrefitte ( 1 9 6 2 - 1 9 6 6 ) dort angelegt sind: Archives Nationales ( C A C Fontainebleau) (im Folgenden A N ) , Signatur 2 0 0 1 0 0 8 6 , A r t . 2 1 6 - 2 1 8 . 4 Privatarchiv Gilbert Grandval, Paris/St. Cloud (PA Grandval), 1 0 / B W (radiodiffusion sarroise 1953-1955). Einzusehen auf Mikrofilm im Historischen Institut der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl Rainer Hudemann. 5 Bestände des Auswärtigen Amtes im Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken ( L A SB), A A 85, A A 86, A A 87, A A 94. 6 H i e r wurden vor allem alte Filmaufzeichnungen von Tele-Saar-Fernsehprogrammen eingesehen, die dem Saarländischen Fernseharchiv 1986 von der Europäischen R u n d f u n k und Fernseh A G übergeben wurden. Mein D a n k für die Möglichkeit der Sichtung des visuellen Materials gilt Walter L o n s d o r f im Archiv. A u c h konnten relevante Publikationen aus der Bibliothek des Saarländischen Rundfunks dank der freundlichen Unterstützung durch Roland Schmitt ausfindig gemacht werden. Leider waren im Schriftarchiv des S R keine schriftlichen Unterlagen zur Geschichte von TeleSaar zu finden. 3
Die Anfänge des kommerziellen R u n d f u n k s im Saarland
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liehen französischen Darstellungen eingesehen 7 sowie Interviews mit drei Zeitzeugen geführt. 8 Nach einer kurzen historischen Einführung in die Struktur des deutschen und französischen Rundfunks und der deutsch-französischen Interferenzen in der bewegten Rundfunkgeschichte beider Länder wird die Vor- und Gründungsgeschichte der Saarländischen Fernseh A G skizziert. Dabei werden die zentralen Akteure vorgestellt, welche die Vertragsverhandlungen führten und auch die weitere Geschichte der deutsch-französischen bzw. saarländischen Rundfunkszene dominierten. Im Anschluss werden die technische Realisierung der Sendeanlagen der Fernseh A G sowie die sie begleitenden finanziellen und strukturellen Probleme geschildert. Hierbei steht die Standortdebatte und das Verhältnis zwischen der Fernseh A G und dem Saarländischen Rundfunk im Mittelpunkt des Interesses. Mit dem experimentellen Sendebeginn des kommerziellen Fernsehsenders Tele-Saar Ende 1953 sowie des Langwellensenders Europe N o . 1 im Dezember 1954 endet die bewegte Planungsphase und beginnt eine nicht minder kontroverse Periode, die sich - vor allem im Falle von Europe N o . 1 - durch eine internationale Debatte um Frequenznutzungsrechte auszeichnet. Neben der internationalen Perspektive wird auch die Entwicklung der beiden Sender aus programmgeschichtlicher Perspektive beleuchtet. Die Saarabstimmung des Jahres 1955 und die anschließende Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland hatten bedeutende rundfunkrechtliche Veränderungen zur Folge, die schließlich zur Schließung des privaten Fernsehsenders Tele-Saar im Jahre 1958 führten. Die intensiven deutsch-französischen Bemühungen um eine einvernehmende Lösung des Fernseh AG-Problems werden aus diesem Grunde im Detail rekonstruiert. In einem abschließenden Kapitel wird die bewegte Geschichte des Radiosenders Europe 1 seit Ende der 1950er Jahre bis heute kurz skizziert, wobei vor allem die Auseinandersetzungen um den kommerziellen Rundfunk im Saarland und in der Bundesrepublik zur Sprache kommen. Mit der Gründung von „Radio Salü" im Jahr 1989 wird das Zeitalter des dualen Rundfunksystems im Saarland offiziell eingeläutet. 7 Für die Programmgeschichte ist vor allem das 750 Seiten starke Buch des französischen J o u r n a listen Luc Bernard relevant. Zwei der zentralen Protagonisten von E u r o p e 1, Maurice Siegel und Louis Merlin, haben ihre E r f a h r u n g e n in teils journalistischen, teils autobiographischen Büchern zu Papier gebracht: Luc Bernard, E u r o p e 1. La grande histoire dans une grande radio, Paris 1990; Maurice Siegel, 20 ans, ça suffit, Paris 1974; Louis Merlin, C'était formidable, Paris 1966. 8 Es w u r d e n drei Interviews geführt: A m 25.8.2008 mit Volker Knist (ehemaliger Geschäftsführer der Europäischen R u n d f u n k und Fernseh A G sowie der Freien R u n d f u n k A G ( F R A G ) und von Radio Salü), am 22.9.2008 mit Rüdiger Furkel (ehemaliges Vorstandsmitglied der Europäischen R u n d f u n k u n d Fernseh A G / E u r o p e 1 und von Radio Salü) und Gilbert Binger (Geschäftsführer der Europäischen R u n d f u n k und Fernseh G m b H ) . Vgl. f ü r die spätere Zeit die Beiträge von Tanja Moser-Praefcke, Struktur der saarländischen H ö r f u n k - u n d Fernsehinstitutionen, in Bd. 2 und von Barbara D u t t e n h ö f e r in Bd. 3.
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Andreas Fickers
2. Das Saarland im Kontext der deutsch-französischen Rundfunkgeschichte Obwohl sich der Rundfunk in Deutschland und Frankreich in der Zwischenkriegszeit in unterschiedlichen institutionellen Strukturen und politischjuristischen Rahmenbedingungen entwickelte 9 , gab es - vor allem auf technisch-wissenschaftlicher Ebene - zahlreiche Beziehungen zwischen französischen und deutschen Rundfunkfirmen und Ingenieuren. Diese Beziehungen, die sich besonders auf dem Gebiet der Fernsehtechnik nachweisen lassen, weisen eine erstaunliche Kontinuität auf. D. h., die personellen Netzwerke und institutionellen oder wirtschaftlichen Kontakte hatten eine Intensität und Stabilität, auf die sich die politischen Konflikte beider Staaten nur bedingt als ideologische Störfaktoren auswirkten. Wie Michael Rother in seiner kenntnis- und detailreichen Studie „Kooperation - Kollaboration Konkurrenz" nachgewiesen hat, legten die Mitte der 1930er Jahre vertragsrechtlich festgelegten Patentaustauschbeziehungen zwischen der französischen Compagnie Générale de Télégraphie sans Fil (CSF) und der deutschen Telefunken A G auf dem Gebiet des Rundfunks die Basis für eine folgenreiche freundschaftliche Verbindung zwischen den Fernsehpionieren René Barthélémy und Fritz Schröter, die auch während und nach dem Zweiten Weltkrieg Bestand hatte. 10 Mit Verweis auf die Aktivitäten des Fernsehsenders Paris und die mannigfaltigen technisch-wissenschaftlichen Kontakte zwischen deutschen und französischen Akteuren und Institutionen im Bereich der militärischen wie zivilen Fernsehforschung spricht Rother von einem deutsch-französischen großtechnischen System, in dem alle wesentlichen Elemente verbunden waren: „Forschung und Entwicklung, Produktion, zivile Nutzung (Fernsehen), militärische Nutzung, staatliche Verwaltung der Telekommunikation". 11 Einer der zentralen Akteure im Netz der deutsch-französischen Beziehungen vor, während und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg war Henri de France, der - wie zu zeigen sein wird - eine zentrale Rolle in der Geschichte der Fernseh A G spielen sollte. Mit seinem Namen verbindet sich Vgl. Andreas Fickers, Radio und Fernsehen als nationale Sozialisierungsinstanzen? D e r R u n d funk im Rahmen der westdeutschen und französischen Wiederaufbaumodernisierung der 1950er Jahre, in: Hélène Miard-Delacroix/Rainer Hudemann, Hg., Wandel und Integration. D e u t s c h französische Annäherungen der fünfziger Jahre, München 2005, S . 2 9 1 - 3 0 7 . 1 0 Michael Rother, Kooperation — Kollaboration - Konkurrenz. Deutsches und französisches Fernsehen bis 1963, Berlin 2008. Vgl. zu den patentrechtlichen Beziehungen beider U n t e r n e h m e n auch: Andreas Fickers, Coopération - confrontation - cohabitation. Les relations entre C S F / C F T et A E G - T e l e f u n k e n en matière de brevets et licences de télévision en couleurs dans les années soixante, in: Revue d'Allemagne et des pays de langue allemande 37:1, 2 0 0 5 , S . 2 9 ^ 4 . 11 Rother, Fernsehen, S. 141. 9
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vor allem die 1948 in Frankreich eingeführte hochauflösende N o r m für das Schwarz-Weiß-Fernsehen (819-Zeilen-Norm) sowie das S E C A M Farbfernsehsystem. 12 De France war seit Anfang der 1930er Jahre Chefingenieur in der Firma seines Schwiegervaters Armand Vorms, La Radio-Industrie, die hauptsächlich Funktechnik für militärische Anwendungen produzierte. 1940, nach Verlegung des zentralen Laboratoriums der Radio-Industrie in die nichtbesetzte Zone (Lyon), wurde de France Präsident von Radio-Industrie und führte dort seine Forschungen zum Fernsehen sowie zum Radar fort. 1 3 O b w o h l de France während der Besatzungszeit auch mit deutschen Stellen zusammengearbeitet hat 14 , scheint erwiesen zu sein, dass er eine wesentliche Rolle in der Realisierung des Funkverkehrs der Résistance mit London sowie innerhalb Frankreichs gespielt hat. 15 Für den steilen Aufstieg der Radio-Industrie zu einem der Hauptproduzenten französischer Fernsehtechnologie (sowohl von Studio- und Sendeanlagen wie von Empfangsgeräten) in den Nachkriegsjahren sind ohne Zweifel die guten Beziehungen von de France zu Wladimir Porché verantwortlich, der - nach seiner Entlassung als Chef für Wortbeiträge im französischen Rundfunk (Radiodiffusion Française) durch das Vichy-Regime 1940 - für vier Jahre in die Dienste der Radio-Industrie trat. Als Informationsminister Gaston Defferre Porché 1946 auf den Posten des Generaldirektors der Radiodiffusion Française berief, explodierten auch die Auftragsbücher der Radio-Industrie. 1 6 Die guten Kon-
12 Vgl. zur Person von Henri de France (1911-1986) Ausgabe 14, 1986 des Bulletin du Comité d'Histoire de la Télévision, die ganz seiner Person gewidmet ist. 13 U m den Arisierungsvorschriften der Vichy-Regierung gerecht zu werden, wurde de France Ende November 1940 zum Präsidenten von Radio-Industrie ernannt, da der bisherige Präsident und Schwiegervater de Frances, Armand Vorms, Jude war. Da Vorms aber nicht verheiratet war, gab es - juristisch - keine Verbindung zwischen Henri de France und Armand Vorms, trotz der Ehe zwischen Henri de France und Vorms Tochter Simone. 14 Vgl. Rother, Fernsehen, S. 139. Laut Rother hatte die Radio-Industrie beispielsweise den Auftrag zur Herstellung von 49 Funkwagen für die Polizei von Vichy, deren Produktion jedoch erfolgreich verzögert worden sei, so dass sie erst nach der Befreiung fertig gestellt und ausgeliefert worden seien. 15 Ebd., S. 140. 16 In einem Interview, welches der Autor am 21.9.1999 in Paris mit Yves Angel führte (ehemaliger technischer Direktor der RTF und Professor am C N A M ) , bestätigte Angel die enge Beziehung zwischen RTF und Radio-Industrie und verwies zudem auf das unternehmerische Missgeschick von Henri de France: „Henri Defrance [j'ortographie le nom selon l'usage de l'époque; Anm. d. Verf.] fut un ,bricoleur de talent'. Avant la guerre, il avait plus ou moins dirigé de petites industries [haut parleurs; Anm. d. Verf.] que son esprit aventureux a conduites toutes à la faillite. L'une, du nom pompeux de .Compagnie Générale de Télévision', en difficultés financières vers 1933, fut reprise par la .Radio-Industries' (R.I.). La caractéristiques des krachs qui ont jalonné toute sa vie est qu'à chaque reprise de sa société moribonde par une société en bonne santé, Defrance retrouvait une place de direction qui ne tardait pas à devenir la place du patron, au moins de fait. Et quelques années plus tard, le processus recommençait, la proie grossissant à chaque fois. Il avait le génie de la persuasion pour emporter les affaires."
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takte zur Radiodiffusion Française - ab Februar 1949 Radiodiffusion Télévision Française (RTF) - sowie zum Informationsministerium sind letztlich verantwortlich für die Wahl des 819-Zeilen-Systems zum nationalen Standard in Frankreich 1948.17 Wie wir sehen werden, spielten Henri de France und die Radio-Industrie eine wichtige Rolle als Geburtshelfer der Saarländischen Fernseh AG, die als Botschafter französischer Fernsehtechnik im Saarland fungieren sollte. Wie Michael Rother gezeigt hat, stellt das Ende des Zweiten Weltkrieges keineswegs eine .Stunde Null' der deutsch-französischen Beziehungen im Bereich der Rundfunktechnik dar. Zahlreiche deutsche Techniker und Ingenieure, die im besetzten Paris zusammen mit französischen Kollegen beim Fernsehsender Paris gearbeitet hatten, fanden nach dem Krieg - als die Arbeit im Fernsehbereich in Deutschland für einige Jahre komplett zum Erliegen kam - in Frankreich eine Anstellung: „ U m es z u g e s p i t z t z u f o r m u l i e r e n : H i n z m a n n [ K u r t H i n z m a n n , L e i t e r d e s F e r n s e h s e n d e r Paris; A n m . d . Verf.] u n d d i e T e l e f u n k e n - M a n n s c h a f t k o n n t e n - b i l d l i c h ges p r o c h e n - als B e s i e g t e die D i v i d e n d e n des K a p i t a l s g e n i e ß e n , d i e sie als Sieger u n d als V e r t r e t e r s t a a t l i c h e r I n s t i t u t i o n e n w i e als I n d u s t r i e l l e i n P a r i s i n v e s t i e r t h a t t e n . " 1 8
Während die Fernsehaktivitäten im besetzten Deutschland erst Anfang der 1950er Jahre wieder intensiviert wurden, hatte Frankreich - dank der fruchtbaren Kollaboration mit dem deutschen Besatzungsregime - unmittelbar nach Kriegsende einen deutlichen Entwicklungsvorsprung vor anderen westeuropäischen Ländern und konnte daher bereits im Oktober 1947 mit einem regulären Fernsehprogramm von zwölf Stunden in der Woche starten. 19 Zusammen mit den Engländern wurden die Franzosen Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre zum Motor des Aufbaus einer europäischen Fernsehinfrastruktur, und dies trotz heftiger technopolitischer und 17 Am 21.11.1948 erließ der damalige Secrétaire d'État à l'Information, François Mitterrand, ein Dekret, das die Einführung des 819-Zeilen-Systems zum französischen Standard für das s/wFernsehen bestimmte. Vgl. zur europäischen Debatte um die Zeilennormen im Fernsehen: Andreas Fickers, „Politique de la grandeur" versus „Made in Germany". Politische Kulturgeschichte der Technik am Beispiel der PAL-SECAM-Kontroverse, München 2007, S. 65-100. 18 Rother, Fernsehen, S. 170. Henri de France bzw. die Radio-Industrie sollen laut Rother auch von Demontage-Gut aus Deutschland profitiert haben. Uber Yves Rocard, einen angesehenen Physiker und Professor an der École Normale supérieure, den de France seit 1930 kannte, soll de France technisches Material aus verschiedenen deutschen Labors (Aach und Rielasingen) erhalten haben. Vgl. Rother, Fernsehen, S. 166. Vgl. zur Freundschaft zwischen de France und Rocard die unveröffentlichten Memoiren von Henri de France, die sich im Archiv des Comité d'Histoire de la Télévision in Bry-sur-Marne befinden (96 maschinengeschriebene Seiten, die auf ein Interview mit Michèle de Bussière zurückgehen). 19 Große Teile der Studiotechnik stammen aus dem ehemaligen Besitz des Fernsehsender Paris. Auch die 441-Zeilen-Norm, mit dem der Sendebetrieb begann, geht auf den von der Reichspost eingeführten Standard zurück.
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rundfunkindustrieller Auseinandersetzungen um einen europäischen Standard im Bereich des s/w-Fernsehens. 2 0 Obwohl sich das Fernsehen als Massenmedium in Frankreich wesentlich schleppender als beispielsweise in Großbritannien oder auch der Bundesrepublik durchzusetzen vermochte, wurde die französische Fernsehtechnik - etwa in Form des 819-Zeilen-Systems - zum bevorzugten Objekt nationaler Technologiepolitik und zum symbolischen Aushängeschild wieder gewonnener .grandeur'. Genau in jene Phase planungspolitischer Instrumentalisierung der Fernsehtechnik, die durch die Ambivalenz von rundfunkindustriellem Protektionismus und internationaler Symbolpolitik gekennzeichnet ist, fallen auch die Bemühungen um den Aufbau eines kommerziellen Fernsehsenders im Saarland, der - so die Hoffnung der privatwirtschaftlichen Akteure in Frankreich - zum strategischen Außenposten französischer Fernsehtechnik avancieren sollte.
3. Die Gründung der Saarländischen Fernseh A G 3.1 Die Umstrukturierung
des Saarländischen
Rundfunks
Auch wenn man von der praktischen Realisierung des Fernsehens im Saarland Ende der 1940er Jahre noch weit entfernt war, wurde das Thema im Zuge der saarländisch-französischen Konsultationen über eine Neuregelung des Rundfunks im Saarland akut. Zwar sendete „Radio Saarbrücken" seit dem 17. März 1946 ein Rundfunkprogramm in deutscher Sprache, doch übte Frankreich bis zum Erlass des Rundfunkgesetzes durch die saarländische Regierung vom 28.Juni 1952 die Funkhoheit aus. 21 Neben der rechtlichen Kontrolle konnte Frankreich damit grundsätzlich auch programmmäßig Einfluss auf den Sender ausüben, nicht zuletzt in Person des Generaldirektors Frédéric Billmann. Der gebürtige Elsässer Billmann, ein erfahrener Journalist, Rundfunkmann und studierter Betriebswirt 2 2 , der eine SchlüsselVgl. Andreas Fickers, National barriers for an imag(e)ined European community: T h e technopolitical frames of postwar television development in Europe, in: N o r t h e r n Light. Yearbook of Media Studies, 2006, S. 7-27. 20
Durch die Verordnung Nr. 124 des Oberkommandierenden der französischen Besatzungszone in Baden-Baden, Pierre Koenig, vom 1 6 . 1 1 . 1 9 4 7 wurden alle Befugnisse über den Rundfunk im Saarland an den Leiter der Militärregierung im Saarland, Gouverneur Gilbert Grandval, übertragen. Vgl. zu den rechtlichen und organisatorischen Grundlagen des Rundfunks im Saarland unter französischer Verwaltung: Schwan, Rundfunk, S. 44-54 und den Beitrag von Paul Burgard in diesem Band. 21
Frédéric Billmann ( 1 9 0 8 - 1 9 7 3 ) , ein geborener Elsässer, war nach wirtschaftswissenschaftlichen Studien in Straßburg und Paris (Institut Commercial Supérieur de Strasbourg und der É c o l e des Hautes Etudes Commerciales in Paris) von 1933-1939 Wirtschaftsredakteur verschiedener Zeitungen in Straßburg sowie Leiter des Nachrichtendienstes des Senders Radio Straßburg. Nach dem Kriegdienst ( 1 9 3 9 - 1 9 4 0 ) war er Abteilungsleiter bei der Handelskammer in Algier ( 1 9 4 0 22
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rolle in der Ausrichtung der saarländischen Rundfunkpolitik und der Geschichte des kommerziellen Rundfunks spielen sollte, stand als Garant für eine kommunikationspolitische Ausrichtung des Senders im Interesse Frankreichs. Allerdings erweisen Programmanalysen es als eine in der politisch aufgeheizten Stimmung der fünfziger Jahre entstandene, unter anderem in der frühen Darstellung des Zeitzeugen Heribert Schwan weit verbreitete Legende, der Sender habe sich - zumindest bis zur Umwandlung von Radio Saarbrücken in die Saarländische Rundfunk GmbH 1952 - durch eine .frankophile', anti-bundesrepublikanische Haltung ausgezeichnet, die strategisch als .europäische Mission' des Senders propagiert worden sei. 23 Ab 1950 mehrten sich aber die Stimmen jener, die sich ein stärkeres saarländisches Profil des Senders wünschten und die verstärkte politische Autonomie des Saarlandes auch im Rundfunk institutionell widergespiegelt sehen wollten. Etienne Burin des Roziers, Leiter der Saarabteilung, gab am 7. Juni 1950 in einem Schreiben unmissverständlich zu erkennen, dass eine Revision des bisherigen Statutes des Rundfunks im Saarland unvermeidlich sei. 24 Das bisherige Statut, so Burin des Roziers, sei den politischen Gegebenheiten des Saarlandes nicht mehr angepasst. Daher müsse nach einer Lösung gesucht werden, welche sowohl die legitimen Ambitionen der saarländischen Regierung als auch die französischen Interessen respektiere. In diesem Sinne habe er den Hohen Kommissar beauftragt, entsprechende Überlegungen über eine Neuregelung des Rundfunkstatuts im Saarland anzustellen. Diese Überlegungen, so war während einer Vorbesprechung des Problems im Außenministerium (sous-direction Sarre) am 9. Mai 1950 beschlossen worden, sollten sich in Richtung einer Formel bewegen, welche die Betreibung des Rundfunks im Saarland in Form einer an eine Privatgesellschaft vergebenen Konzession vorsah. 25 Explizit verwies Burin des Roziers darauf, dass dieses
1942) und anschließend Verwaltungsdirektor und Generalsekretär des freien französischen Rundfunks in Algier unter de Gaulle. Von 1944-1946 war er Vertreter des Informationsministers im Eisass, um anschließend auf den Posten des Leiters des Informationsamtes beim französischen Hohen Kommissariat im Saarland zu wechseln, w o er bis zur Benennung zum Generaldirektor von Radio Saarbrücken (Oktober 1949) tätig war. Vgl. Schwan, Rundfunk, S.202, Fußnote 319. 23 Vgl. zur Rolle von Billmann als Generaldirektor von Radio Saarbrücken: Schwan, S. 83-86. Vgl. zur Kritik an Schwans Arbeitsweise und Ergebnissen sowie zur internen Entwicklung den Beitrag von Paul Burgard in diesem Band, zu den Programminhalten ebenso die Beiträge von Anette Kührmeyer, Charles Scheel und Judith Hüser. 24 A.S. du statut de la radiodiffusion sarroise, fünfseitiges Schreiben von Etienne Burin des Roziers an M. Petit, 7.6.1950, MAE, EU 1944-1960, Sarre, 171. 25 Es ist nicht auszuschließen, dass Frédéric Billmann in seiner Eigenschaft als Generaldirektor an dieser Besprechung teilnahm und als eigentlicher Ideengeber dieser Lösung zu sehen ist. Schwan verweist auf ein Exposé von Billmann an das Hohe Kommissariat vom 4.5.1950, in dem dieser vorgeschlagen hatte, eine Aktiengesellschaft solle Träger der Sendekonzession im Saarland werden. Schwan, Rundfunk, S. 97 sowie Fußnote 463. Die Originalquelle liegt dem Autor leider nicht vor.
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D i e A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s im S a a r l a n d
Abb. 1: Letzter Tag von Tele-Saar li. Juli 1958: Frédéric Billmann
K o n z e s s i o n s m o d e l l durch die O r g a n i s a t i o n des R u n d f u n k s im F ü r s t e n t u m M o n a c o inspiriert sei, w o die monegassische R e g i e r u n g dem Sender „ R a d i o M o n t e C a r l o " eine e b e n s o l c h e S e n d e k o n z e s s i o n erteilt hatte. D i e zu gründende k o m m e r z i e l l e Betreibergesellschaft sollte ihr Kapital von
franzö-
sischen wie saarländischen A k t i o n ä r e n beziehen. D i e Interessen des f r a n z ö sischen Staates seien z u m einen durch eine entsprechende Beteiligung der Société financière de radiodiffusion ( S O F I R A D ) zu sichern, zum anderen durch die statutmäßige Festlegung eines französischen G e n e r a l d i r e k t o r s . 2 6 A u c h die Regierung des Saarlandes beschäftigte sich zu diesem Z e i t p u n k t mit E n t w ü r f e n zu einem neuen R u n d f u n k g e s e t z , das j e d o c h deutlich an das M o d e l l des ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n
R u n d f u n k s angelehnt war. Zu
diesem
Z w e c k e wurde am 2 8 . J u n i 1950 - nach Intervention von Grandval - eine saarländisch-französische K o m m i s s i o n ins L e b e n gerufen, die eine neue gesetzliche R e g e l u n g des R u n d f u n k s vorbereiten sollte. 2 7 Z u m
wichtigsten
Streitpunkt innerhalb der D i s k u s s i o n e n entwickelte sich die Frage, o b - wie von saarländischer Seite gewünscht - das R e c h t zur E r r i c h t u n g und B e t r e i bung einer R u n d f u n k a n l a g e ausschließlich der saarländischen
Regierung
vorbehalten bliebe oder, wie von französischer Seite ( B i l l m a n n ) gefordert, 2h
D i e S o c i é t é financière de radiodiffusion w u r d e 1942 gegründet. Sie w u r d e / u m zentralen W e r k -
zeug der staatlichen E i n f l u s s n a h m e bzw. K o n t r o l l e p n v a t w i r t s c h a f t l i c h e r R u n d f u n k a k t i \ ¡täten, d i e s i c h a u ß e r h a l b d e s f r a n z ö s i s c h e n S t a a t s g e b i e t e s , v o r a l l e n D i n g e n an d e s s e n R ä n d e r n ( d i e s o genannten .stations périphériques') bilden sollten: R a d i o A n d o r r a , R a d i o / T é l é M o n t e - C a r l o und E u r o p e N o . I. - 7 S c h w a n , R u n d f u n k , S. 97. D i e K o m m i s s i o n t a g t e a m 1.7. 195C z u m e r s t e n M a l . A m 16. 10. 1 9 5 0 w u r d e e i n e U n t e r k o m m i s s i o n g e g r ü n d e t , die s i c h s c h l i e ß l i c h n a c h z w ö l f S i t z u n g e n a m 1 9 . 2 . 1931 auf die „ E n t w ü r f e einer K o n v e n t i o n ü b e r den Saarländischen R u n d f u n k " und eine „Satzung der Saarländischen R u n d f u n k G m b H "
einigte.
250
Andreas Fickers
auch der noch zu gründenden Saarländischen Rundfunk GmbH zugestanden werden sollte. Nach längerem Ringen setzte sich der französische Vorschlag durch, und nach weiteren Diskussionen zu Detailfragen - etwa der technischen Normen und der Besteuerung - beendete die Kommission ihre Arbeit Ende November 1951 mit einem Gesetzentwurf, der ein halbes Jahr später (18.Juni 1952) vom saarländischen Landtag in dritter Lesung gegen fünf Stimmen und bei zwei Enthaltungen angenommen wurde. 28 3.2 Die Verhandlungen zur Gründung der Saarländischen Fernseh AG Mit der Verabschiedung des neuen Rundfunkgesetzes wurde das unter französischer Militärverwaltung errichtete Saarländische Rundfunkamt durch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung „Saarländischer Rundfunk" ersetzt, die am 24. Oktober 1952 mit zehn Millionen französischen Franken Grundkapital gegründet wurde. Damit ging die Rundfunkhoheit offiziell an das Saarland über, auch wenn der französische Einfluss durch eine 30-prozentige Kapitalbeteiligung der SOFIRAD, der Bestimmung von vier französischen Mitgliedern des elfköpfigen Aufsichtsrates sowie der Benennung Frédéric Billmanns zum Generaldirektor gewahrt blieb. Von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung des Rundfunks im Saarland war jedoch die im Rundfunkgesetz vorgesehene Möglichkeit, die Errichtung oder Betreibung von Radio- oder Fernsehsendern per entsprechender Konzession ganz oder teilweise an in- oder ausländische Gesellschaften zu übertragen. Schon vor der Verabschiedung des neuen Rundfunkgesetzes im saarländischen Landtag - im Prinzip bereits nach der Beendigung der saarländischfranzösischen Kommissionsarbeit zur Erarbeitung der Rundfunkkonvention im November 1951 - begann Frédéric Billmann mit quasi-offiziellen Konsultationen, welche die Planung eines privatwirtschaftlich finanzierten Fernsehbetriebes im Saarland zum Ziel hatten. Im Januar 1952 führte Billmann in Paris mehrere Gespräche mit Henri de France, der ihm von dem technischen Direktor der RTF, Général Marien Leschi, als geeigneter Partner für ein solches Unternehmen empfohlen worden war. Im Anschluss an die Unterredungen unterbreitete de France am 19. Januar Billmann in einem vierseitigen Schreiben erste konkrete Vorschläge zur Realisierung eines privaten Fernsehsenders im Saarland. In technonationalistischer Rhetorik pries de France das Vorhaben als Prestigeobjekt für die in seinen Augen qualitativ ausgezeichnete französische Fernsehtechnik (819-Zeilen-System) und verwies auf die sofortigen und langfristigen kulturellen und ökonomischen Vorteile, die sich aus einem solchen ,joint venture' für Frankreich und das Saarland erge28
Vgl. zu den zwischenzeitlichen Diskussionen: Schwan, Rundfunk, S. 101-107.
251
D i e A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s i m S a a r l a n d
E K B FIMI
Abb. 2: Tele-Saar: Für Außenaufnahmen Verfügung
stand ein umgebauter
Bus als Übertragungswagen
zur
ben w ü r d e n . 2 9 K o n k r e t machte de F r a n c e ein A n g e b o t zur E r r i c h t u n g eines k o m p l e t t e n Fernsehsenders (Studio und Sendeanlagen), der bereits E n d e des J a h r e s fertig gestellt sein k ö n n e . Z w a r werde die T e c h n o l o g i e auf f r a n z ö sische N o r m e n ausgerichtet sein, d o c h k ö n n e ein entsprechender Zeilenwandler mitgeliefert werden, der auch eine Ausstrahlung des P r o g r a m m s in der deutschen 6 2 5 - Z e i l e n - N o r m ermögliche. D a s zur F i n a n z i e r u n g des Vorhabens n o t w e n d i g e Kapital k ö n n e p r o b l e m l o s von „befreundeten
Gesell-
s c h a f t e n " bereitgestellt werden. Allerdings unter der Voraussetzung, dass es sich bei dem V o r h a b e n u m einen privatwirtschaftlichen Sender handele, der sich - in „absoluter" U n a b h ä n g i g k e i t v o m Saarländischen R u n d f u n k - ü b e r W e r b e e i n n a h m e n finanziere. Parallel zu den G e s p r ä c h e n mit H e n r i de F r a n c e und der Société R a d i o Industrie hatte B i l l m a n n auch den H o h e n K o m m i s s a r G i l b e r t Grandval s o wie Ministerpräsident J o h a n n e s H o f f m a n n ü b e r seine Pläne unterrichtet. D i e s e r teilte ihm am 2 4 . J a n u a r 1952 mit, dass die Regierung des Saarlandes die Idee lebhaft begrüße, und nur einen Tag später bestätigte auch Grandval, dass die französischen B e h ö r d e n im Saarland der E r r i c h t u n g eines privaten ^
„ C e s p r o p o s i t i o n s q u e n o u s s o m m e s a m e n é s à f o r m u l e r a u j o u r d ' h u i , sur v o t r e d e m a n d e , c o m m e
c o n c l u s i o n s à n o s c o n v e r s a t i o n s , s ' i n s p i r e n t e s s e n t i e l l e m e n t , n o u s t e n o n s à le signaler, du désir de c o n t r i b u e r dans un d o m a i n e qui n o u s est particulier, mais qui aura des r é p e r c u s s i o n s i m m é d i a t e s et d u r a b l e s dans le grand p u b l i c , au r e s s e r r e m e n t des r e l a t i o n s culturelles et é c o n o m i q u e s de la F r a n c e et de la Sarre. S o n r e t e n t i s s e m e n t sera d ' i m p o r t a n c e en E u r o p e . M e s p r o p o s i t i o n s o n t égalem e n t p o u r b u t d ' a f f i r m e r les qualités e x c e p t i o n n e l l e s et la s u p r é m a t i e de la t e c h n i q u e f r a n ç a i s e en m a t i è r e d ' é l e c t r o n i q u e . Elles o u v r e n t enfin la voie à la c o n s t i t u t i o n d ' u n e e n t r e p r i s e f r a n c o - s a r roise f i n a n c i è r e m e n t
saine et c o m m e r c i a l e m e n t
r e n t a b l e , où nous a v o n s e n t e n d u r e s p e c t e r la
p r é d o m i n a n c e légitime des intérêts s a r r o i s . " B r i e f v o n H e n r i de F r a n c e an F r é d é r i c 1 9 . 1 . 1 9 5 2 , A O F A A , H C Sarre, C a b , 100.
Billmann,
252
Andreas Fickers
Fernsehsenders sehr wohlwollend gegenüber stünden. 30 Damit waren die politischen Weichen gestellt, und Billmann, der damit unzweifelhaft als zentraler Akteur der Initiierung der Saarländischen Fernseh A G angesehen werden kann, präsentierte daraufhin seine Ideen am 8. Februar 1952 erstmals dem Verwaltungsrat von Radio Saarbrücken. Dort verteidigte er die Initiative als ein den saarländischen kulturellen und politischen Gegebenheiten Rechnung tragendes Projekt, welches durch öffentliche Mittel niemals zu finanzieren sei.31 Bereits Ende des Monats legte die vom Verwaltungsrat von Radio Saarbrücken gebildete Unterkommission einen Vertragsentwurf vor, der am 28. Februar vom Verwaltungsrat sowie Jacques Piettes, dem Unterhändler der französischen Aktionäre, unterzeichnet wurde. Diesem Entwurf stimmte auch Ministerpräsident Hoffmann zu, formulierte jedoch einige wenige Änderungswünsche, die anschließend ohne Ausnahme in den Vertrag aufgenommen wurden. A m 16. Mai wurde daraufhin die Saarländische Fernseh A G mit einem Startkapital von 15 Millionen französischen Franken gegründet, deren Hauptaktionäre Prinz Rainier III von Monaco (zehn Millionen), Charles Michelson (2,6 Millionen), die Saarländische Rundfunkverwaltung (eine Million) sowie 14 weitere Aktionäre mit einer Kapitalbeteiligung von 100000 Franken waren. 32 Zum Vorstandsvorsitzenden wurde Charles Michelson bestimmt. 33 Schwan, Rundfunk, S. 107. Billmann fasste - auf Anregung von de France - auch eine Beteiligung der saarländischen Industrie- und Handelskammer an dem Fernsehsender ins Auge und führte diesbezügliche Gespräche mit ihrem Präsidenten Theodor Jansen. Vgl. ebd., S. 211, Fußnote 518. 31 Ebd., S. 108. 32 Unter den Privatpersonen mit einer Beteiligung von 100000 Franken befanden sich unter anderem Frédéric Billmann sowie Ernest Schlachter, Sohn von Frédéric Schlachter, der dem Aufsichtsrat von Radio Saarbrücken angehörte. Vgl. zur kompletten Liste der Teilhaber und deren Funktionen: Schwan, Rundfunk, S. 109-111. Die Dauer der Gesellschaft w a r auf 99 Jahre bemessen und sie wurde am 23.6.1952 offiziell ins Handelsregister des Amtsgerichtes Saarbrücken (Abteilung B, Nr. 2370) eingetragen. 33 Charles Michelson, rumänischer Herkunft, jedoch häufig als „staatenlos" bezeichnet, spielte ab Ende der 1930er Jahre eine wichtige Rolle im privaten Rundfunk in Frankreich. 1936 erwarb Michelson einen kleinen Radiosender in Tanger, den er unter dem Namen „Radio Impérial" betrieb. Dieser wurde 1938 durch Außenminister Georges Bonnet wegen angeblicher Störungen des Funkverkehrs in der Straße von Gibraltar geschlossen. Michelsons anschließende Klage gegen die staatliche Verfügung war erfolgreich, und er bot im Gegenzug dem französischen Staat den Kauf der Aktien von Radio Impérial an. Der Ausbruch des Krieges vereitelte den Deal, und erst als Michelson nach der Befreiung Frankreichs aus dem Amerikanischen Exil nach Paris zurückkehrte, wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Nach langem Tauziehen einigte man sich schließlich 1947 auf eine finanzielle Entschädigung in Höhe von 98 Millionen Franken. Zusätzlich wurde Michelson die Sendelizenz für den Kurzwellensender Radio Monte Carlo zugewiesen (6.2.1948), sowie am 22.10.1949 auch das Recht zur Ausstrahlung von Fernsehbildern (Télé Monte Carlo). Zu den personellen und politischen Verflechtungen im Rahmen dieser Verhandlungen kursieren zahlreiche Gerüchte und Spekulationen, die aber quellenmäßig nicht abgedeckt sind. Als die Zeitung „Le Monde" im Januar 1955 eine Reihe von kritischen Artikeln über die „Machenschaften" 30
Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland
253
N u r einen Tag nach der Gründung der Aktiengesellschaft wurde ein Vertrag zwischen der Saarländischen Rundfunkverwaltung und der neu gegründeten Saarländischen Fernseh A G geschlossen, in dem der Fernseh A G die exklusive Konzession zur Errichtung und Betreibung eines kommerziellen Fernsehsenders im Saarland übertragen wurde. 3 4 Der Vertrag sah vor, dass die Saarländische Fernseh A G sowohl die technische und finanzielle als auch die alleinige Programmverantwortung für die Realisierung eines Fernsehprogramms in deutscher Sprache übernahm, während die jährlich erwirtschafteten Gewinne der Gesellschaft zu 50 Prozent an Radio Saarbrücken abzuführen waren. 3 5 Kaum war der Vertrag unterschrieben, wandte sich Frédéric Billmann in seiner Eigenschaft als Generaldirektor von Radio Saarbrücken an Ministerpräsident H o f f m a n n mit dem Vorschlag, der Fernseh A G auch das Recht zur Betreibung eines kommerziellen Radiosenders zu gewähren, da die Fernseh A G das hauptsächlich auf Werbeeinnahmen basierende finanzielle Gleichgewicht wohl erst „nach langer Zeit" erreichen werde. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass die Zahl der Fernsehteilnehmer - und damit der potentiellen Werbeträger - in den ersten Jahren sehr gering sein werde. Dazu Billmann: „ D a aber die meisten Fernsehteilnehmer naturgemäß aus dem Kreise der Rundfunkhörer stammen werden, wäre es wünschenswert, die gesamte Hörerschaft gleich zu Beginn auf die Fernsehsendungen aufmerksam zu machen, indem man ihnen die G e legenheit bietet, die Fernsehprogramme wenigstens in ihrer Vertonung und soweit wie möglich im Augenblick der Sendungen mitzuhören". 3 6
Eine solche Lösung war laut Billmann jedoch nur möglich, wenn parallel zum Fernsehsender ein Reklame-Radiosender errichtet würde, der eine entsprechend große Hörerschaft aufbauen „und daher der Fernseh-Gesellschaft - und zu gleicher Zeit dem Saarländischen Rundfunk - ein erhöhtes Einvon Michelson unter der Uberschrift „ L a guerre des ondes" publizierte, schrieb dieser am 11.3.1955 eine in derselben Zeitung veröffentlichte Erwiderung, in der zahlreiche Details aus den Verhandlungen zitiert werden. Inwiefern diese der Wahrheit entsprechen, sei dahingestellt. Vgl. Charles Michelson, Une lettre de M. Charles Michelson, in: Le Monde, 11.3.1955 o. Nr., o. S. (Kopie des Artikel, L A SB, A A 86). Luc Bernard zitiert in seiner Geschichte von Europe 1 auch aus einer unveröffentlichten französischen Abschlussarbeit zu Michelson aus der Feder von Michel Sarazin, die dem Autor im Original jedoch leider nicht zugänglich war. Eine Kopie der Statuten der Fernseh A G sowie des Vertrages zwischen dem Saarländischen Rundfunkamt und der Fernseh A G findet sich: A O F A A , H C Sarre, C a b , 100. 3 5 Der Vertrag sah jedoch vor, dass der Saarländische Rundfunk die ihm zufließenden Mittel zu 80 Prozent wieder an die Fernseh A G zurückzahlen musste, zumindest solange, bis das von der Fernseh A G investierte Kapital (inklusive 6 Prozent Zinsen) zurückgezahlt war. Sobald dies geschehen war, musste die Fernseh A G dem Saarländischen Rundfunk im Gegenzug das Eigentum an allen Fernseh- und Rundfunkanlagen übertragen. Vgl. die Kopie des Vertrags: A O F A A , H C Sarre, Cab, 100, Paragraph 12. 34
36
Brief von Frédéric Billmann an Johannes Hoffmann, 29.5.1952, L A SB, A A 85.
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Andreas Fickers
kommen sichern würde". In seinem Schreiben verwies Billmann auf einen Beschluss des Verwaltungsrates des Saarländischen Rundfunks vom 8. März 1952, die Konzession seiner Werbesendungen der Fernseh A G zu übertragen. 37 Diese Vereinbarung war allerdings mit der Verpflichtung verbunden, die im Jahre 1951 erzielten Erträge aus der Rundfunkwerbung als garantiertes Minimum zukünftiger Einnahmen zu gewährleisten und einen Finanzierungsplan zur Erhöhung der Leistungssteigerung des Senders von Radio Saarbrücken aufzustellen. 38 Laut Billmanns Argumentation garantierte die Errichtung eines „ausgesprochenen Reklamesenders von internationalem Format" - zusätzlich zur Verstärkung der Sendeleistung von Radio Saarbrücken und dem Start des kommerziellen Fernsehens - dem Saarland eine „bis jetzt unbekannte Vorherrschaft auf dem Gebiet der drahtlosen Übertragung". Erstaunlicherweise hatte Billmann dem neuen Vorstandsvorsitzenden der Fernseh AG, Charles Michelson, nur drei Tage vorher genau dieselben Pläne unterbreitet, allerdings nicht in Form eines zu diskutierenden Vorschlages, sondern in Form einer offiziellen Anfrage seitens der Saarländischen Rundfunkverwaltung. 3 9 Billmann sah es als „selbstverständlich" an, dass der Reklamesender auch ohne explizite Vertragsänderung Bestandteil der Fernseh A G sein würde und damit in das bestehende Abkommen zwischen dem Saarländischen Rundfunk und der Fernseh A G falle. In seinem Brief gab Billmann in einem Nebensatz zu verstehen, dass es daher ausreiche, Michelsons Einverständnis zu den im Brief formulierten Vereinbarungen zu signalisieren, damit diese in Kraft treten könnten. 4 0 37
Die Werbesendungen von Radio Saarbrücken wurden von der Gesellschaft Radio Reklame G m b H produziert. An dieser Gesellschaft war Radio Saarbrücken mit 95 Prozent des Kapitals beteiligt. Durch die Übertragung der Reklametätigkeit an die Fernseh A G ging auch das SR-Kapital in H ö h e von 1 950 000 französischen Franken an die Fernseh A G über. Vgl. Brief von Frédéric Billmann an Charles Michelson, 26.5.1952, LA SB, AA 85. 38 Der am 17.3.1946 wieder aufgenommene Sendebetrieb von Radio Saarbrücken war mit einem von der französischen Postverwaltung zur Verfügung gestellten mobilen Sender von nur 2 kW Sendeleistung ermöglicht worden, dessen Empfang jedoch kaum über die Grenzen der Stadt Saarbrücken hinausgingen. Die Empfangsmöglichkeiten wurden deutlich verbessert, als der Sender im November 1947 in das wesentlich höher gelegene Heusweiler verlegt wurde. Im Juli 1948 wurde der 2 kW-Sender durch einen von der Radiodiffusion Française angemieteten Sender mit 20 kW Sendeleistung ersetzt, der mit seinem 120 Meter hohen Sendemast bei Heusweiler einen zufriedenstellenden Empfang im Umkreis von 120 km sicherstellte. Vgl. Berwanger, Massenkommunikation, S. 62,99. 39
„La Radiodiffusion Sarroise se trouve ainsi amenée à vous demander d'inclure dans le cahier des charges prévu au contrat entre la Société sarroise de Télévision et l'administration de la Radiodiffusion Sarroise, l'obligation pour votre société d'installer en Sarre un émetteur de radiodiffusion destiné à diffuser sur ondes moyennes l'adaptation sonore des programmes télévisés. Cet émetteur de radiodiffusion devrait être de grande puissance et susceptible d'égaler en portée les plus grandes stations publicitaires internationales actuellement connues en Europe occidentale." Brief von Frédéric Billmann an Charles Michelson, 26.5.1952, LA SB, AA 85. 40 Dies tat Michelson in einem Schreiben vom 7.8.1952. Dort weist er darauf hin, dass sich ein solcher Reklamesender natürlich nicht auf die radiophone Ausstrahlung der Fernsehprogramme
Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland
255
Ministerpräsident Hoffmann teilte Billmann nur eine Woche später das Einverständnis der Saarländischen Regierung bezüglich der Errichtung eines privaten Reklamesenders mit, allerdings unter der Voraussetzung, dass sich für den Saarländischen Rundfunk keinerlei finanzielle Belastungen ergeben würden und sich die Fernseh A G selbst um die Zuweisung einer entsprechenden Frequenz bemühe, die den Betrieb des Senders Saarbrücken in keiner Weise stören dürfe. 4 1 Betrachtet man die Gründungsphase der Fernseh A G aus der Retrospektive, so fällt vor allem Frédéric Billmanns Rolle als zentraler Akteur und Architekt der Neuordnung des Rundfunks im Saarland auf. In seiner Eigenschaft als Generaldirektor von Radio Saarbrücken und Agent französischer Interessen stand Billmann Pate für die Idee der Umwandlung von Radio Saarbrücken in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Saarländische Rundfunk G m b H ) und wurde anschließend zum zentralen Drahtzieher bei der Gründung der Saarländischen Fernseh A G , an der er selbst als Aktionär beteiligt war. Vielleicht erklärt diese Beteiligung auch sein intensives Engagement für die Aushandlung eines Vertrages zwischen der Fernseh A G und dem Saarländischen Rundfunk, der - so scheint es jedenfalls - für beide Parteien ein lukratives Geschäft versprach. Billmanns früher Verweis auf Radio Monte Carlo als Vorbild für die Restrukturierung des Rundfunks im Saarland lässt die Vermutung zu, dass er - obwohl davon bei den Verhandlungen über die Fernseh A G keine Rede war - von Anfang an auch die Gründung eines kommerziellen Radiosenders ins Auge gefasst hatte. Schon bevor die Fernseh A G offiziell gegründet war (17. Mai 1952), konnte Billmann den Vorstand von Radio Saarbrücken davon überzeugen, die Radio-Reklame G m b H aufzulösen und deren Aktivitäten der noch zu gründenden Fernseh A G zu übertragen. Auch der spätere Wechsel Billmanns vom Posten des G e neraldirektors der Saarländischen Rundfunk G m b H auf die Position des geschäftsführenden Direktors der Saarländischen Fernseh A G deutet darauf hin, dass er seine politischen, kulturellen und finanziellen Kontakte erfolgreich und durchaus zu seinen Gunsten pflegte und entsprechend instrumentalisierte. D a die Gründung der Fernseh A G zusammen fiel mit der Restrukturierung des Saarländischen Rundfunks, mussten die im Mai 1952 geschlossenen beschränken könne, sondern es darum gehen müsse, „de multiplier en toute la mesure du possible ... les heures d'émission et de programmes publicitaires de cette station de radiodiffusion internationale." Zudem präzisiert Michelson, dass die Rede von einem „Reklamesender" (station) sei, der aber durchaus aus verschiedenen Sendeanlagen (émetteurs) bestehen könne, um so eine maximale Verbreitung zu erreichen. Brief von Charles Michelson an Frédéric Billmann, 7.8.1952, LA SB, AA 85. 41
Brief von Johannes Hoffmann an Frédéric Billmann, 5.6.1952, A O F A A , H C Sarre, Cab, 100.
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Andreas Fickers
Verträge zwischen Radio Saarbrücken und der Fernseh A G nach der Gründung der Saarländischen Rundfunk G m b H im Oktober 1952 neu unterzeichnet werden. Im Zuge dieser Aktualisierung des Vertrages, die am 30. Januar 1953 notariell bestätigt wurde, kam es zu geringfügigen Änderungen. Die wesentlichen Punkte des Abkommens blieben jedoch unverändert. 3.3 Planung und Realisierung der technischen
Infrastruktur
Unmittelbar nach Unterzeichung des Abkommens zwischen der Fernseh A G und Radio Saarbrücken begann man bei der Fernseh A G mit den Planungen zur technischen Realisierung der Sendeanlagen im Saarland. Neben der Bestellung entsprechender Studio- und Sendeanlagen, die durch Henri de France bzw. die Radio-Industrie bereitgestellt werden sollten, konzentrierten sich die Aktivitäten der Fernseh A G auf die Prospektion geeigneter Senderstandorte für den Fernseh- und den Radiosender. Nach detaillierten Studien zu Verbreitungs- und Empfangscharakteristika der Wellen bei bestimmten Frequenzen und Sendeleistungen kamen schließlich zwei Standorte in die nähere Auswahl: zum einen das Gelände der Benediktinerabtei auf dem Schaumberg (Gemeinde Tholey) als Sendestandort für die Fernsehantenne, zum anderen ein zwischen den Gemeinden Berus und Felsberg gelegenes Plateau (Sauberg), das ideal geeignet für die Aufstellung der Radiosendemasten schien. 42 Während der Ankauf von circa 40 Hektar Land auf dem Sauberg relativ unproblematisch war, gestalteten sich die Verhandlungen mit dem Benediktinerorden schwieriger als erwartet. Hatte der Abt anfänglich zu erkennen gegeben, dass er keinerlei Bedenken gegen einen Verkauf eines Teils des Grundes an die Fernseh A G habe, und er sich sogar mit der Errichtung eines Sendemastes einverstanden erklärt hatte (ein offizielles Schreiben mit Einverständniserklärung des Abtes vom 6. Juni 1952 lag vor), änderte er - zur großen Überraschung von Billmann und Michelson seine Meinung Ende 1952. Ende Dezember verlangte er in einem Gespräch mit Ernest Schlachter unter anderem einen Einfluss auf die Programmkontrolle des Fernsehsenders, damit sicher gestellt sei, dass die Sendungen nicht im Widerspruch zum geistig-moralischen Auftrag des Klosters stünden. Zum anderen rückte der Abt von einem Verkauf des Geländes zugunsten eines langfristigen Pachtvertrages ab. Von diesen Entwicklungen überrascht und sichtlich beunruhigt, wandte sich Michelson Anfang Januar 1953 in einem Schreiben an den Direktor D e r Standort am Schaumberg war geeignet, das Saarland sowie angrenzende Gebiete in der Bundesrepublik abzudecken, während der Sauberg, unmittelbar an der französischen Grenze gelegen, ideal für eine Ausstrahlung in Richtung Frankreich erschien. 42
Die A n f ä n g e des kommerziellen R u n d f u n k s im Saarland
257
des Amtes für europäische und auswärtige Angelegenheiten der Regierung des Saarlandes, Dr. Gotthard Lorscheider. 43 Michelson bat Lorscheider um eine Intervention seitens der Regierung des Saarlandes, da die Fernseh A G ja offiziell im Auftrag der Regierung tätig sei. 44 Bereits im November hatte Michelson Lorscheider ausführlich über den Stand der technischen und organisatorischen Entwicklungen Bericht erstattet und von den Schwierigkeiten erzählt, welche das Ergebnis der Stockholmer Wellenkonferenz für den Aufbau des Fernsehens im Saarland mit sich gebracht hatte. Entgegen aller Erwartungen wurde dem Saarland in Stockholm keine Fernsehfrequenz in Band III (174-216 M H z ) zugewiesen (wie allen anderen europäischen Ländern), sondern im niederfrequenteren Band I (41-68 M H z ) . Diese Entscheidung der Internationalen Telekommunikationsunion (ITU) hatte schwerwiegende technisch-infrastrukturelle Konsequenzen für die Fernseh AG, da sich die Ausbreitung's- und Empfangsbedingungen in diesem Frequenzband ganz anders darstellten als in Band III. De facto bedeutete dies, dass die Sendeantenne nicht wie ursprünglich geplant untergebracht werden konnte, sondern ein wesentlich höherer Sendemast (200 Meter) gebaut werden musste. Insgesamt beliefen sich die Kosten für die Akquisition der Grundstücke sowie die technische Infrastruktur auf geschätzte 1,5 Milliarden Franken (= 18 Millionen DM). 4 5 Die Pläne zur Errichtung des Fernsehsenders auf dem Schaumberg wurden aber nicht nur durch die Haltung der Abtei Tholey komplizierter als erwartet. Erschwerend kam hinzu, dass es sich beim Schaumberg offiziell um ein Naturschutzgebiet handelte. U m dieses Problem zu diskutieren fand am 12. Dezember 1952 eine Besprechung statt, an der neben Frédéric Billmann und dem Technischen Direktor des Saarländischen Rundfunks (Ferdinand Glasow) auch der Landrat des Kreises St. Wendel (Staatskommissar Paul Schütz), der Leiter der Oberen Naturschutzbehörde (Walter Kremp) sowie Direktor Lorscheider teilnahmen. Nachdem festgestellt wurde, dass es im ganzen Saarland keine andere H ö h e gab, die für die Errichtung eines Fernsehsenders auch nur annähernd so geeignet war wie der Schaumberg, kam man überein, dass eine Genehmigung unter Berücksichtigung entspre-
43
Brief von Charles Michelson an Dr. Lorscheider, 12.1.1953, LA SB, A A 85. Artikel 14 des Vertrages sah vor: „L'administration de la Radiodiffusion sarroise s'engage à intervenir, sur la demande de la Société Sarroise de Télévision, auprès d u G o u v e r n e m e n t sarrois, p o u r toutes les démarches, négociations et mesures d ' o r d r e national ou international qui pourraient s'avérer indispensables ou opportunes. Cette administration interviendra de la sorte, notamment en vue de l'expropriation, p o u r le c o m p t e et aux frais de la Société Sarroise de Télévision, des terrains nécessaires aux installations." 44
45
Brief von Charles Michelson an Dr. Lorscheider, 8.11.1952, LA SB, A A 85.
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Andreas Fickers
Abb. 3: Gebäude Tele-Saar (2. und 3. Stock): In dem Eckgebäude Dudweiler-/Richard-Wagner-Straße in Saarbrücken wurde 1953 ein Studio eingerichtet
chender umwelttechnischer und ästhetischer A u f l a g e n zu erteilen sei. 4 6 W a ren die behördlichen E i n w ä n d e somit aus dem Weg geräumt, gestalteten sich die Verhandlungen mit den Benediktinermönchen schwierig. In ausgiebigen Gesprächen versuchte man einen auf 99 Jahre angelegten Pachtvertrag aufzustellen, der der Abtei zahlreiche Rechte zugestehen sollte. N e b e n bautechnischen und landschaftsgestalterischen Vorgaben musste sich die Fernseh A G auch dazu verpflichten, d e m Vorstand eine P r o g r a m m - K o m m i s s i o n z u r Seite zu stellen. Deren A u f g a b e w a r es, den Vorstand laufend bei der Programmgestaltung der Fernsehsendungen einschließlich der Reklamesendungen zu beraten, etwaige Beanstandungen v o r z u b r i n g e n u n d positive Vorschläge z u r Programmgestaltung zu machen. 4 7 Es w a r w o h l dieser vertraglich festgelegte Eingriff in die Programmgestaltung, der die Verhandlungen zwischen Michelson und d e m Benediktinerorden definitiv scheitern ließ und die Fernseh A G veranlasste, das provisorisch in Saarbrücken eingerichtete Studio (Ecke D u d w e i l e r - und Richard-Wagner-Straße) bis z u r Fertigstellung So sollte der Sender in der Achse des bestehenden Klosterturmes errichtet werden, damit Turm und Sender bei Betrachtung aus der Ferne zu einer Einheit verschmolzen. Auch Anstrich und Konstruktion sollten möglichst unauffällig gehalten werden. Zudem musste die Fernsehgesellschaft einen angemessenen Beitrag zur Instandsetzung und Verschönerung der Anlagen auf dem Schaumberg leisten. Auch an den Kosten für die Verlegung einer unterirdischen Hochspannungsleitung und der bereits im Bau befindlichen Wasserleitung musste sich die Fernseh AG beteiligen. Vgl. das zweiseitige Protokoll des Treffens durch Lorscheider, L A SB, A A 85. 47 Vgl. den achtseitigen Entwurf zum Pachtvertrag, L A SB, A A 85. Die Pacht betrug 100000 französische Franken pro Jahr und war an den Lebenshaltungsindex gebunden. 46
Die Anfänge des kommerziellen R u n d f u n k s im Saarland
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des Studios und Senders im Europe N o . 1-Gebäude auf dem Sauberg Anfang 1956 weiter zu betreiben. Neben der Schaffung der infrastrukturellen Voraussetzungen für den Aufbau der Sendeanlagen galt es in einem zweiten Schritt, die Kapitalbasis der Fernseh A G zu stärken, welche die technische und bauliche Realisierung auch finanzieren konnte. Dafür bedurfte es einer deutlichen Kapitalerhöhung, die auf der Hauptversammlung der Aktionäre am 30. April 1953 auch beschlossen wurde. Vereinbart wurde eine Aufstockung des Kapitals um 200 Millionen Franken auf dann insgesamt 215 Millionen, die aber erst im Januar 1954 realisiert werden konnte. Tatsächlich kam es im Verlauf des Jahres zu einer erheblichen Umstrukturierung der Femseh A G in personeller wie finanzieller Hinsicht. 48 Bereits auf der Hauptversammlung der Fernseh A G vom 30. April 1953 trat Haupteigner Fürst Rainier von Monaco die Hälfte seiner Aktien (im Wert von fünf Millionen Franken) an Charles Michelson ab, der damit über die einfache Mehrheit des Aktienkapitals verfügte. Uberraschenderweise legte Michelson sein Vorstandsamt jedoch am 27. Juli nieder, und wenige Monate später, am 30. November des gleichen Jahres, gaben sowohl Fürst Rainier als auch Michelson ihre gesamte Beteiligung an die Firma Image et Son S.A. 49 ab, die damit über eine Dreiviertelmehrheit (12,6 von 15 Millionen Franken) verfügte. Diese Umverteilung des Kapitals brachte auch personelle Veränderungen mit sich. Henri de France wurde zum neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt, und Frédéric Billmann sowie Louis Merlin 50 wurden ihm als Vorstand zur Seite gestellt. Die Wahl von Henri de France überraschte nach den neuen Besitzverhältnissen wenig, war doch seine Firma Radio-Industrie Hauptaktionär der monegassischen Image et Son, deren Präsident zudem sein Schwiegervater Armand Vorms war! 51 Vorms war seit Ende November auch Mit-
48
Die folgenden finanztechnischen Details beziehen sich vor allem auf die Darstellung von Berwanger, M a s s e n k o m m u n i k a t i o n , S. 218-220. 49 Image et Son, gegründet am 10.2.1950 in Monaco, besaß ein Aktienkapital von 1,2 Milliarden Franken u n d war unter anderem Eigner der Société Spéciale d'Entreprises, welche die Konzession z u r Ausstrahlung von F e r n s e h p r o g r a m m e n im F ü r s t e n t u m M o n a c o besaß. Vgl. Brief von A r m a n d Vorms an G o t t h a r d Lorscheider, Paris, 23.8.1954, L A SB, A A 85. Im Verwaltungsrat von Image et Son saßen unter anderen H e n r i de France u n d Sylvain Floirat, der noch eine entscheidende Rolle in der Geschichte der Saarländischen Fernseh A G bzw. von E u r o p e N o . 1 spielen sollte. 50 Louis Merlin war in den dreißiger Jahren einer der Väter des kommerziellen R u n d f u n k s in Frankreich und w u r d e nach dem Krieg Programmchef von Radio Luxemburg, bis er 1954 bei der Saarländischen Fernseh A G einstieg u n d zu einem der konzeptionellen Ideengeber von E u r o p e N o . 1 w u r d e . Merlin w a r mit seiner Firma Louis Merlin et Associés auch mit 120 Millionen Franken an Image et Son beteiligt. 51 D e Frances Firma Radio-Industrie war 1954 selbst in finanziellen Schwierigkeiten und fusionierte daraufhin mit der Firma seines Schwiegervaters A r m a n d Vorms Société N o u v e l l e de l'Outillage R.B.V. Die R.B.V. Radio-Industrie hatte ein Kapital von 1,5 Milliarden Franken.
260
Andreas Fickers
glied des Aufsichtsrates der Fernseh A G und somit unter anderem Kollege von Gotthard Lorscheider, der die Interessen der Regierung des Saarlandes in der Aktiengesellschaft vertrat. Die Umstrukturierung der Gesellschaft zeigt nicht nur die strategische Verflechtung saarländischer und französischer Interessen, sondern spiegelt auch das schwierig zu rekonstruierende, weil enorm verzweigte Netzwerk französischer Kapitalgeber wider, in dem Figuren wie Henri de France, Charles Michelson, Louis Merlin und Sylvain Floirat als Knotenpunkte fungierten. 52 Zwar dauerte die geplante Kapitalerhöhung länger als erwartet - erst im August erhielt die Fernseh A G eine erste Aufstockung ihres Kapitals um 50 Millionen Franken - , doch konnte Henri de France bereits im Dezember 1953 zwei Langwellensender von 200 kW Sendeleistung sowie einen Mittelwellensender von 100 kW bei der französischen Firma Thomson-Houston in Auftrag geben. Gekoppelt ergaben die beiden Langwellensender eine Leistung von 400 kW und ermöglichten damit den Aufbau eines der leistungsstärksten Langwellensender weltweit. Der 100 kW-Mittelwellensender war - gemäß der Vereinbarung zwischen der Fernseh A G und dem Saarländischen Rundfunk - für Radio Saarbrücken bestimmt.
4. Tele-Saar: Der erste kommerzielle Fernsehsender Europas Da die Herstellung der enorm leistungsfähigen Lang- und Mittelwellensender die technische Kapazität der Radio-Industrie überstieg, mussten diese bei Thomson-Houston in Auftrag gegeben werden. Henri de France rechnete mit einer Inbetriebnahme Ende des Jahres 1954, was ihm auch von Herstellerseite zugesichert worden war. 53 Dagegen verlief der Aufbau der Fern-
Bereits im O k t o b e r 1952 wurde in Paris die Société de Radiodiffusion et de Télévision mit einem symbolischen Kapital von 1 3 0 0 0 0 Franken gegründet mit dem Ziel, den technischen A u f bau und Programmbetrieb von privaten Radio- und Fernsehanstalten außerhalb Frankreichs zu initiieren, zu organisieren und finanziell zu fördern. Anscheinend verbarg sich hinter dem K o n sortium von 13 Teilhabern ein potentielles Kapital von mehreren Milliarden Franken, das im Falle lukrativ erscheinender Investitionen mobilisiert werden konnte. Zu den Teilhabern zählten unter anderen die bekannten H e n r i de France und Charles Michelson, aber auch Vertreter von Presseund Filmindustrie sowie Banken und Versicherungen. So zum Beispiel Philippe Boegner (Direktor von Paris-Match), Maurice Lehmann (directeur de la Réunion des théâtres lyriques nationaux), Louis de Wolf (Banque de Bruxelles, der auch 40 P r o z e n t der Aktien von Radio Luxemburg besaß), Jean D u f o u r (Finanzdirektor des Crédit Lyonnais) oder Pierre Bourgeois (Vertreter von PathéMarconi). Vgl. die 14-seitige N o t e pour le Ministre des Affaires Etrangères, A / S : Radiodiffusion et Télévision en Sarre, erstellt vom Presse- und Informationsdienst der diplomatischen Mission Frankreichs im Saarland, Saarbrücken, 2 3 . 2 . 1 9 5 3 , Annexe 3, M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 171. 52
5 3 Vgl. Brief von Henri de France an Frédéric Schlachter, Präsident des Aufsichtsrates der Saarländischen Rundfunk G m b H , 2 1 . 1 . 1 9 5 1 , L A SB, A A 85.
Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland
261
sehsende- und Studioanlagen zügiger. Am Abend des 23. Dezember 1953 ging die erste Testsendung des Tele-Saar getauften Senders über den Äther. Das Studio des Senders war in dem Neubau der Volksfürsorge eingerichtet worden, der sich im Herzen von Saarbrücken befand. Feierlich eröffnete Generaldirektor Billmann mit einer Ansprache das Programm, welches - so betonte er ausdrücklich - am Geburtstag eines der eifrigsten Förderer des Projektes startete, nämlich am Geburtstag von Ministerpräsident Johannes Hoffmann. Anschließend übernahm die bekannte Sprecherin von Radio Saarbrücken, Christa Adomeit, die Moderation der „Taufsendung", die aus „volkstümlichen Gesprächen", Schlagermusik, einem Märchenfilm sowie einem Kurzfilm über Johannes Hoffmann und einem „Kulturfilm" von Ernst Bingen bestand. Die „Saarbrücker Zeitung", die am 25. Dezember einen Bericht über die Eröffnung publizierte, prophezeite dem Sender günstige Perspektiven als Brücke zwischen Frankreich und Deutschland: „Wie wir am Mittwochabend, sozusagen hinter den Kulissen, noch erfahren konnten, werden in einigen Monaten sowohl deutsche als auch französische Programme übernommen werden können. Vorläufig wird Saarbrücken nur eigene Sendungen gestalten. Wenn in absehbarer Zeit die technischen Voraussetzungen zur Übernahme aus der Bundesrepublik und Frankreich gegeben sein werden, dürfte der Saarbrücker Fernsehsender eine wirkliche Brücke von Osten nach Westen sein ... Es zeichnen sich also denkbar günstige Perspektiven für die Zukunft unseres Fernsehfunks ab." 5 4
Tatsächlich entwickelte der Sender unter heutzutage abenteuerlichen Bedingungen - das (einzige) Studio hatte eine G r ö ß e von 20 m 2 - eine erstaunliche Aktivität und Kreativität in der Realisierung eines eigenständigen Fernsehprogramms. Bereits Mitte April betrug die tägliche Sendedauer des nun TeleSaar getauften Senders ca. drei Stunden, und die Belegschaft - einschließlich des technischen Personals - war auf 37 Personen angewachsen. 5 5 A b Anfang Juni war ein Regelbetrieb von täglich drei Stunden gesichert, der aus einem einstündigen Nachmittags- und zweistündigen Abendprogramm bestand und sich generell wie folgt gestaltete: 17:00 U h r Wetter, anschließend Tagesschau 17:17 U h r Suchdienst 17:23 U h r Magazin der Frau 17:45 U h r Unser Stammtisch 18:00-20:00 U h r Sendepause 20:00 U h r Wetter, Tagesschau 20:17 U h r Spielfilm
A n o n y m u s , Fernsehsender Saarbrücken aus der Taufe gehoben, in: Saarbrücker Zeitung, 28.12.1953 Nr.299, S.5. 5 5 Berwanger, Massenkommunikation, S. 221. 54
262
Andreas Fickers
Abb. 4: Tele-Saar: Die Beiträge für die Tagesschau werden ausgesucht und kommentiert. links: Otto Gerber, Olaf Quasier, Otto Karl Müller, Ilse Laudenklos
Von
21:50 U h r Nachrichten 21:57 Uhr Tagesschau (Wiederholung von 20:00 Uhr) 22:10 U h r Sendeschluss Auch wenn die ersten Sendungen nur von schätzungsweise hundert Zuschauern gesehen werden konnten, steigerten sich die Zuschauerzahlen im Laufe der Jahre langsam aber stetig von rund 700 im Jahre 1954 auf circa 4 000 im Jahre 195 8.56 Die geringen Zuschauerzahlen können kaum verwundern, bedingte die geringe Leistung (100 kW) des Senders auf dem Eschberg doch eine sehr eingeschränkte Reichweite (Saarbrücken und Umgebung) bzw. eine limitierte Empfangstopographie. Ausgestrahlt wurde nur in der französischen 819-Zeilen-Norm - dies entgegen den ursprünglichen Planungen, die eine Konvertierung und Parallelausstrahlung des Programms in der deutschen 625-Norm vorsahen. Trotz der bescheidenen Ausrüstung (drei Studiokameras, zwei elektronische Filmabtaster zur Ausstrahlung von Filmen, ein Reportagewagen) produzierte das Team der Tele-Saar ein tägliches Fernsehprogramm, welches den damaligen Programmvorstellungen 56
Die Zahlen stammen aus: Klaus Altmeycr, 25 Jahre Saarländischer R u n d f u n k . Die Entwicklung seit Wiederbeginn, Saarbrücken 1971.
Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland
Abb. 5:
Letzter
Tag von Tele-Saar
Ii.Juli
1958: Ein Blick in die
263
Technik
v o m F e r n s e h e n als I n f o r m a t i o n s - und U n t e r h a l t u n g s m e d i u m durchaus gerecht wurde. D i e T r e n n u n g in zwei P r o g r a m m b l ö c k e - ein N a c h m i t t a g s p r o g r a m m , welches einen deutlichen Familiencharakter hatte und eine M i s c h u n g aus Feuilleton- und N a c h r i c h t e n f o r m a t e n bot, und ein A b e n d p r o g r a m m , das von Spielfilmen dominiert wurde, aber auch Sketche, B u n t e A b e n d e sowie kleinere Fernsehspiele brachte - war A u s d r u c k einer zielgruppenorientierten Sendeplanung, wie man sie aus dem R a d i o kannte. Als L o g o des Senders entschied man sich für eine G r u b e n l a m p e mit H a m m e r und Schlegel, ein S y m b o l , das die Verbundenheit des Senders mit der saarländischen A r b e i t e r b e v ö l k e r u n g visualisierte. D i e wenigen erhaltenen Originalaufnahmen von Tele-Saar lassen erkennen, dass es sich bei Tele-Saar um einen echten Regionalfcrnsehsender handelte, der sein P u b l i k u m - wie klein dies auch immer gewesen sein mag mit Live-Bildern aus dem ganzen Saarland versorgte. O b Schachmeisterschaft, Aquarienausstellung, M o t o r r a d r e n n e n in St. Wendel, l . M a i in Völklingen, 14.Juli auf Schloss Halberg, Karnevalsumzüge, W a h l k a m p f , die E r ö f f n u n g des ersten E d e k a Selbstbedienungsmarktes, heimkehrende Kriegsgefangene am H a u p t b a h n h o f Saarbrücken, C o c a - C o l a im Saarland, O s t e r h a s e n - W e r k statt, Weihnachten im Waisenhaus oder jede M e n g e Sport - das P r o g r a m m a n -
264
Andreas Fickers
gebot unterscheidet sich rückblickend kaum vom Angebot heutiger Regionalsender, gleich ob privat oder öffentlich-rechtlich. 57 Zu den Programmhöhepunkten von Tele-Saar gehörten die „Bunten Abende", die seit Beginn des Fernsehens in allen europäischen Ländern einen zentralen Stellenwert im Programmbetrieb einnahmen. Wie so viele Programme oder Formate waren auch die Bunten Abende aus dem Radio adaptiert, wo sie seit den 1930er Jahren als vertonte Adaption der VarietéGenres zu hören waren. Tele-Saar hatte gleich zwei solcher Programme im Angebot. Während die Sendung „Televarieté" vor allem Artisten und Tanzdarbietungen präsentierte, entwickelte sich die Sendung „Telecocktail" zu einer abendfüllenden Unterhaltungsshow, in der Quiz-, Spiel- und Komikelemente verbunden wurden. 58 Als „Conférencier" machte sich hier Heinz Schenk einen Namen, der im bundesrepublikanischen Fernsehen zu einer festen Größe (etwa durch die Moderation der Sendung „Zum blauen Bock") im Unterhaltungsbusiness werden sollte. Eine Besonderheit des Programms waren - auch in europäischer Perspektive - die Werbeeinlagen. Vier verschiedene Werbeformate wurden angeboten: zum ersten das Sponsern einer bestimmten Sendung oder einer ganzen Sendereihe, zum zweiten die Ausstrahlung kurzer Werbefilme, was ja auch fester Bestandteil der Kinokultur war, zum dritten das, was man heute .product placement' nennen würde, und viertens die Live-Ausstrahlung von Reklamespots. 59 Je nach Sendezeit (Nachmittags- oder Abendprogramm) und Dauer der Sendungen wurden unterschiedliche Tarife für die Werbeinlagen veranschlagt, die zwischen 7 000 und 10000 Franken für einen zwanzigsekündigen Reklamespot und 45 000 bis 125000 Franken für die Patenschaft eines Programms betrugen. Am günstigsten (zwischen 700 und 1000 Franken) war die Ausstrahlung eines kurzen Werbefilms (35 Sekunden). 60 Eine „Bildergeschichte" zu Tele-Saar findet sich bei: Michael G e i b , Fernsehen in den Kinderschuhen. D i e Anfänge des Fernsehens im Saarland - eine Bildergeschichte, in: Stadtverband Saarbrücken, Hg., Von der .Stunde 0' zum .Tag X ' . Das Saarland 1945-1959. Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloss, Merzig 1990, S. 4 0 7 - 4 1 6 . 5 8 Vgl. eine Beschreibung des Programms von Tele-Saar in: Guide de la Radio, de la Télévision et du Disque, 1er trimestre 1956, S. 101-104. Eine detaillierte Rekonstruktion des Programms ließe sich indirekt durch die Auswertung der saarländischen Programmzeitschrift „ T E L E Bild mit R a d i o " realisieren, in der das tägliche Programm von Tele-Saar aufgelistet wurde und einzelne Sendungen vorgestellt oder besprochen wurden. So wird in der Ausgabe Nr. 12 v o m 1 9 . 3 . 1 9 5 4 ausgiebig über die erste Abendsendung von Tele-Saar berichtet, die „nach dem Urteil der Fachwelt und den inzwischen eingegangenen Hörermeinungen [sie!] . . . als ausgezeichnet gelungen angesehen werden" kann. A n o n y m u s , G r o ß e r Tag beim Fernsehsender Saarbrücken, in: T E L E Bild mit R a dio, 1 9 . 0 3 . 1 9 5 4 Nr. 12, S . 2 7 0 . 57
Vgl. „ T E L E S A A R . L a station . N u m é r o Γ de la télévision commerciale en E u r o p e " , in: Guide de la Radio, de la Télévision et du Disque, 1er trimestre 1956, S. 103. 6 0 Detaillierte Angaben zu den Werbeformaten und Preisen finden sich in einer 15-seitigen D o k u mentation, die im N o v e m b e r 1954 von Louis Merlin herausgegeben wurde: Première documenta-
59
Die A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s im Saarland
Abb. 6:
Kindersendung
In politischer H i n s i c h t interessant ist, dass für die Tagesschau im Wesentlichen I n f o r m a t i o n e n und Bildmaterial aus Paris ü b e r n o m m e n wurden, die entsprechend bearbeitet und angepasst wurden. A u c h durch die
Person
Frédéric Billmanns war ein frankreichfreundlicher Kurs des Senders garantiert. D i e s e r zeichnete sich aber nicht durch eine offene p r o - f r a n z ö s i s c h e oder anti-deutsche Propaganda aus, sondern durch eine P r o g r a m m p h i l o s o p h i e , die geschickt F o r m a t e und Genres französischer H o c h k u l t u r (vor allem Filme und T h e a t e r s t ü c k e ) mit regionalen und populärkulturellen
Programmin-
halten kombinierte. Diese P r o g r a m m p h i l o s o p h i e spiegelte Billmanns schon beim Saarländischen R u n d f u n k praktizierte Idee wieder, das Saarland als medienpolitische Schnittstelle französisch-deutschen Kulturtransfers zu etablieren und somit als s y m b o l i s c h e n K n o t e n p u n k t europäischen Gedankengutes zu profilieren. 6 1 Voraussetzung dieser s y m b o l i s c h e n Vernetzung war allerdings die technisch-materielle Realisierung einer solchen Schnittstelle, die beispielsweise in F o r m eines Anschlusses der Tele-Saar an das französische F e r n s e h n e t z w e r k diskutiert, j e d o c h nie realisiert wurde. T r o t z aller B e m ü hungen und respektablen E r f o l g e bei der Erstellung eines eigenständigen
t i o n sur E u r o p e N D 1 - R a d i o , E u r o p e N c 1 - T V , T é l é M o n t e - C a r l o , Telesaar, die als T V tions N c 2 h e r a u s g e g e b e n w u r d e n , L A S B , A A 86. 61
V g l . zu B i l l m a n n s P r o g r a m m p h i l o s o p h i e : S c h w a n , R u n d f u n k , S. 8 3 - 8 6 .
Informa-
266
Andreas Fickers
Programms zeigte sich die Provinzialität des Unternehmens vor allem bei einem Vergleich mit den frühen Eurovisions-Events, die - auf europäischer Ebene - als Meilensteine des Fernsehens inszeniert und gefeiert wurden. 62 Nach ersten französisch-britischen Experimenten im Bereich transnationaler Fernsehkooperation (Calais-Experiment von 1950 oder die französisch-britische Fernsehwoche 1952) wurde die Übertragung der Krönungsfeierlichkeiten Elisabeths II. im Juni 1953 zur Initialzündung der Eurovision. Der Aufbau eines von der European Broadcasting Union ( E B U ) koordinierten Netzwerkes zum Austausch von Fernsehprogrammen bzw. deren simultane Liveaustrahlung stellte alle beteiligten Sendeanstalten gleichermaßen vor organisatorische wie technische Herausforderungen. 63 Schon die offizielle Eröffnung der Eurovision, die im Juni/Juli 1954 mit zahlreichen Programmhighlights wie etwa Übertragungen von Spielen der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz oder einer Papstansprache begangen wurde, hatte die Sogkraft des als „Fenster zur Welt" beworbenen Mediums eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Im Umkehrschluss bedeutete die Ausgrenzung aus bzw. die Nicht-Verbundenheit mit dem Netzwerk der Eurovision einen erheblichen Prestigeverlust, den die Tele-Saar sehr deutlich zu spüren bekam. Die Tatsache, dass Tele-Saar das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Ungarn und der Bundesrepublik Deutschland wegen seines Nichtanschlusses an das Eurovisionsnetz nicht übertragen konnte, hatte in der Presse für lebhafte Kritik gesorgt. 64 Um das Endspiel dennoch verfolgen zu können, wurden Sonderbusse in die grenznahen Orte der Bundesrepublik organisiert, damit man dort - meist in öffentlichen Einrichtungen oder Kneipen - live dabei sein konnte. 65 Um der Gefahr einer Isolierung des Senders zu begegnen, nahm Frédéric Billmann bereits im März 1954 Kontakt mit der R T F auf, verbunden mit der offiziellen Bitte um Unterstützung bei der Versorgung des Senders mit französischen Fernsehprogrammen. 66 Trotz mehrfacher Intervention - auch seitens des saarländischen Ministerpräsidenten Hoffmann und Gilbert Grandvals an die Adresse von Premierminister Pierre Mendès France - blieben die Bemühungen um einen Anschluss von Tele-Saar an das französische SenderVgl. hierzu: Andreas Fickers/Suzanne Lommers, Eventing Europe. Broadcasting and the mediated performances of Europe, in: Alec Badenoch/Andreas Fickers, H g . , Europe Materializing? Transnational Infrastructures and the Project of Europe, L o n d o n 2 0 0 9 . 6 3 Vgl. zur Eurovisionsgeschichte: Wolfgang Degenhardt, Zur Entstehung und Entwicklung der europäischen Partnerschaft im Fernsehbereich 1950-1970. Zur historischen Betrachtung eines k o m plexen Sensemaking-Prozesses, publiziert im Internet durch die Bibliothek der Universität Siegen 2002: http://www.ub.uni-siegen.de/pub/diss/fbl/2002/degenhardt/degenhardt.pdf [ 3 1 . 3 . 2 0 0 9 ] . 6 4 Vgl. Abschrift des DPA-Informationsblattes, 2 6 . 7 . 1 9 5 4 , L A S B , A A 85. 6 5 Berwanger Massenkommunikation, S . 2 2 1 . 6 6 Brief von Frédéric Billmann an Gilbert Grandval, 7 . 1 2 . 1 9 5 4 , A O F A A , H C Sarre, C a b , 100. 62
267
D i e A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s i m S a a r l a n d
Abb. 7: ¡.Januar 1955: Ministerpräsident Tele-Saar vor winterlicher Stadtsilhonette
Johannes
Hoffmann
zur Anspracht·
im
Fernsehstudio
n e t z w e r k vergeblich. K o n k r e t b e m ü h t e man sich um eine U m l e i t u n g der erst kürzlich etablierten R i c h t f u n k s t r e c k e zwischen Straßburg und Paris über Saarbrücken, die das Saarland an das französische und damit auch das E u r o visionsnetzwerk angeschlossen hätte. W ä h r e n d H o f f m a n n eine solche Verbindung als notwendig betrachtete, um die „sehr schlimme Isolation des saarländischen F e r n s e h e n s " zu b e e n d e n 6 7 , wies Grandval mit N a c h d r u c k darauf hin, dass die „ F e i n d l i c h k e i t " , mit der die zuständigen französischen B e h ö r d e n dem P r o j e k t des saarländischen F e r n s e h e n s begegneten, indirekt dem Prestige des französischen F e r n s e h e n s und seiner Industrie schadeten. 6 S Persönlich vermutete Grandval, dass die französischen Widerstände
vor
allem das Resultat einer gezielten L o b b y a r b e i t der französischen P r e s s e k o n zerne seien, welche den k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k als G e f a h r für die W e r b e e i n k o m m e n im Zeitungs- und Z e i t s c h r i f t e n m a r k t sahen.
'•7 B r i e f v o n J o h a n n e s
H o f f m a n n an P i e r r e M o n d e s F r a n c e , 6 . 1 2 . 1 9 5 4 ,
MAE,
EU
1944-196C,
Sarre, 171. '' s „ Q u e i s q u e s o i e n t les g r i e f s q u ' o n p u i s s e o u n o n f o r m u l e r d ' a u t r e p a r t à s o n e n c o n t r e , il est h o r s d e d o u t e q u e c e t t e S o c i é t é s e r t ici, en m a t i è r e d e t é l é v i s i o n , les i n t é r ê t s i n d u s t r i e l s et p o l i t i q u e s f r a n ç a i s , et q u e l ' o s t r a c i s m e a u q u e l elle se h e u r t e d e la p a r t d e n o t r e a d m i n i s t r a t i o n finit m a l h e u r e u s e m e n t , en la c o n d a m n a n t à ne d i f f u s e r q u e des p r o g r a m m e s p r o d u i t s p a r elle et s o u v e n t
mé-
d i o c r e s , p a r n u i r e au p r e s t i g e m ê m e d e la t é l é v i s i o n et d e la t e c h n i q u e f r a n ç a i s e . " B r i e f v o n G i l b e r t G r a n d v a l an P i e r r e M e n d o s F r a n c e , 1 1 . 1 2 . 1 9 5 4 , M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , S a r r e , 1 7 1 .
268
Andreas Fickers
Auch als der saarländische Ministerpräsident seine Bitte nach einem halben Jahr in verschärftem Ton erneut zum Ausdruck brachte, diesmal in einem Brief an Außenminister Antoine Pinay, tat sich auf Seiten der französischen Stellen nichts. 69 Obwohl Pinay sich unmittelbar nach Erhalt des Schreibens mit seinem Kollegen vom Industrie- und Handelsministerium in Verbindung setzte und darauf drängte, Hoffmanns Wunsch Rechnung zu tragen - dies mit Hinweis darauf, dass eine entsprechende Reaktion sich positiv auf die Stimmung im Saarland auswirken könnte (das Referendum über das Saarstatut stand vor der Tür) - , blieben Fortschritte in der Frage aus.70 Da weder von Seiten der PTT noch von Seiten des Industrie- und Handelsministeriums wesentliche Widerstände gegen eine Relaisverbindung nach Saarbrücken geäußert wurden, erstaunt es um so mehr, dass die Pläne nicht realisiert werden konnten.71 Tatsächlich scheinen die zentralen Widerstände vom Informationsministerium ausgegangen zu sein, die das .Problem Tele-Saar' nie isoliert von den Aktivitäten des Reklamesenders Europe No. 1 betrachtet haben. Eine offizielle Vernetzung der RTF, deren staatliches Monopol in der Vierten Republik zu keiner Zeit in Frage gestellt wurde, mit einem kommerziellen Sender im .Ausland' überstieg, so scheint es, das informationspolitische Vorstellungsvermögen des Informationsministeriums. Dieser Widerstand - gepaart mit der durch die Ablehnung des europäischen Saarstatutes verbundenen Neuorientierung des deutsch-französischen Verhältnisses - besiegelte letztlich den regionalen Charakter des privaten Fernsehabenteuers an der Saar. 4.1 Liquidieren
oder subventionieren? französischer
Tele-Saar im Kreuzfeuer Interessen
deutsch-
Der Ausgang des Referendums vom 23. Oktober 1955 hatte unmittelbare Folgen für die kommerziellen Fernsehaktivitäten im Saarland. Es bedeutete zuallererst, dass das Saarland am 1.Januar 1957 politisch in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert werden sollte. Damit einher ging auch die Übertragung der Funkhoheit auf die Bundesrepublik, deren Kontrolle dem Vgl. Brief von Johannes Hoffmann an Antoine Pinay, 2 9 . 6 . 1 9 5 5 , ebd. Vgl. Brief von Antoine Pinay an André Morice, Paris, 30.07.1955, ebd. 71 Sowohl die Post- und Telekommunikationsverwaltung als auch das Industrie- und Handelsministerium hatten mehrfach darauf hingewiesen, dass eine solche Verbindung weder technisch noch finanziell ein Problem darstelle. Von Seiten des Industrie- und Handelsministeriums wurde allerdings bemerkt, dass ein Anschluss von Tele-Saar an das Eurovisionsnetz (via Frankreich) rechtliche Probleme bereiten könne, da es sich bei der Eurovision um eine Veranstaltung der European Broadcasting Union handele, der lediglich öffentlich-rechtliche Anstalten angeschlossen waren. Vgl. Brief von André Morice an Antoine Pinay, 9 . 9 . 1 9 5 5 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 171. Dieses Problem wurde aber auf Ebene der European Broadcasting Union bereits diskutiert, da 1955 mit I T V auch in Großbritannien privater Fernsehrundfunk eingeführt worden war. 69 70
D i e A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s im Saarland
269
Bundespostministerium oblag. A u c h rundfunkpolitisch bedeutete die Eingliederung des Saarlandes eine Anpassung an die Struktur des föderal organisierten Prinzips öffentlich-rechtlichen R u n d f u n k s , das keine privat-kommerziellen Sender auf bundesdeutschem Boden erlaubte. Dass diese N e u o r d n u n g der rundfunkpolitischen Landschaft im Saarland organisatorische wie rechtliche Konsequenzen f ü r die Fernseh A G nach sich ziehen w ü r d e , war allen Beteiligten sehr bald klar. Bereits zu Beginn des Jahres 1956 beauftragte daraufhin das französische Außenministerium die Rechtsanwälte Gustav Levy und E d u a r d Heinau in Saarbrücken zu begutachten, welche Rechtsfolgen sich f ü r den zwischen der Saarländischen R u n d f u n k G m b H und der Fernseh A G abgeschlossenen Vertrag im Falle einer Eingliederung des Saarlandes als selbstständiges Bundesland ergeben w ü r d e n . Im Speziellen w u r d e n die Rechtsanwälte mit der P r ü f u n g der Konsequenzen des Artikels 19 des Vertrages beauftragt, welcher die Regelung im Falle der vorzeitigen Auflösung des Vertrages beinhaltete. 7 2 Auch auf saarländischer Seite befasste man sich ab M ä r z 1956 intensiv mit der Z u k u n f t des F e r n s e h r u n d f u n k s , wie eine mehrseitige Stellungnahme v o m 7. April 1956 zeigt. Wie Paris interessierte sich auch die Regierung des Saarlandes besonders f ü r den Artikels 19 des Vertrages u n d kam zu dem Schluss, dass die Fernseh A G danach im Falle des einseitigen A u f k ü n d e n s des Vertrags durch die Saarländische Regierung einen Regressanspruch in H ö h e von 4,6 Milliarden Franken stellen könne. 7 3 A u f g r u n d dieser Ausgangslage vertrat die Regierung des Saarlandes die A u f fassung, dass eine vertragliche Einigung zwischen der Bundesrepublik u n d der französischen Republik das oberste Ziel im R a h m e n der deutsch-französischen Verhandlungen über die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik sein müsse. Z u r Vorbereitung der ersten deutsch-französischen Konsultationen über die Frage der Regelung der Fernseh A G fand am 11. Mai 1956 eine Ressortbesprechung im Auswärtigen A m t in Bonn statt, an der neben Vertretern des 72
Vgl. G u t a c h t e n d e r R e c h t s a n w ä l t e G u s t a v L e v y & D r . E d u a r d H e i n a u , S a a r b r ü c k e n , 17.3.1956, A O F A A , H C Sarre, C a b , 100. 73 A r t i k e l 19 lautete: „Falls o h n e V e r s c h u l d e n d e r S a a r l ä n d i s c h e n F e r n s e h - A k t i e n g e s e l l s c h a f t o d e r ihres V e r t r a g s p a r t n e r s d i e S a a r l ä n d i s c h e F e r n s e h A G d u r c h einseitiges E i n g r e i f e n u n t e r A n w e n d u n g i r g e n d w e l c h e r M i t t e l i h r e n B e t r i e b einstellen m ü s s t e , so m ü s s t e n G r u n d s t ü c k e , A u s r ü s t u n g s gegenstände usw. von der G m b H oder von d e m O r g a n ü b e r n o m m e n w e r d e n , das diesen Betrieb im S a a r l a n d in Besitz n i m m t . D i e S a a r l ä n d i s c h e F e r n s e h A G hat d a n n A n s p r u c h auf Z a h l u n g des n o c h n i c h t z u r ü c k v e r g ü t e t e n Teils d e r i n v e s t i e r t e n K a p i t a l i e n u n d d e r r ü c k s t ä n d i g e n Z i n s e n . Sie erhält f e r n e r eine E n t s c h ä d i g u n g w e g e n v o r z e i t i g e r A u f l ö s u n g des Vertrages, die m i n d e s t e n s soviel mal 5 % d e r v o n d e r g e s a m t e n G e s e l l s c h a f t i n v e s t i e r t e n K a p i t a l i e n e r g i b t , w i e i m A u g e n b l i c k d e r A u f l ö s u n g des V e r t r a g e s n o c h J a h r e z u r v e r t r a g s m ä ß i g e n B e e n d i g u n g l a u f e n " . Vgl. E n t w u r f : Stell u n g n a h m e d e r R e g i e r u n g des S a a r l a n d e s z u r F r a g e d e r k ü n f t i g e n U m g e s t a l t u n g des d e r z e i t i g e n F e r n s e h w e s e n s an d e r Saar, 7 . 4 . 1 9 5 6 , L A SB, A A 94. D i e S u m m e v o n 4,6 M i l l i a r d e n F r a n k e n w i r d im R e c h t s g u t a c h t e n v o n L e v y u n d H e i n a u g e n a n n t . Siehe o b e n .
270
Andreas Fickers
Auswärtigen Amtes, des Bundeskanzleramtes und Bundespresseamtes auch Vertreter des Bundespostministeriums, des Ministeriums für Gesamtdeutsche Fragen und Ministerialdirektor Lorscheider als Abgesandter der Saarregierung teilnahmen. Als bundesdeutsche Strategie wurde vereinbart, den Franzosen vorzuschlagen, die Anlagen des Fernsehteils der Fernseh A G zu übernehmen (zwecks Nutzung durch den Saarländischen Rundfunk). Was den Hörfunksender anbelangte, so wollte man die französische Regierung dazu ermuntern, von dem ihr eingeräumten Optionsrecht Gebrauch zu machen, um den „allseits unerwünschten" Sender zu liquidieren. Auch bestand Einigkeit darüber, dass für den Bund keine finanziellen Verpflichtungen entstehen dürften. 74 Falls dieser Vorschlag abgelehnt werde, müsse durch einen Kabinettsbeschluss entschieden werden, ob a) der Sender Europe No. 1 als Regierungssender übernommen oder b) der Weiterbetrieb wie bisher als Privatsender mit einer deutschen Mehrheitsbeteiligung oder c) die Liquidation des Senders unter finanziellen Verpflichtungen des Bundes durchgeführt werden solle. Einigkeit bestand darüber, dass bei einer Liquidierung des Senders wohl die geringsten Schwierigkeiten zu überwinden seien. Um die bundesdeutsche Position vor den offiziellen Gesprächen auch in französischen Kreisen zu ventilieren, nahm Walter Böx vom Auswärtigen Amt Ende Mai Kontakt mit Gilbert Grandval auf, um die Idee eines Aufkaufs der Fernseh AG/Europe No. 1 durch Frankreich als die von der Bundesrepublik favorisierte Lösung des Problems durchsickern zu lassen. Dieser berichtete dem französischen Botschafter in Bonn (Louis Joxe) und der Saarabteilung im französischen Außenministerium (Tanguy de Courson) unmittelbar nach dem Gespräch von den deutschen Plänen. 75 Die Möglichkeit einer Übernahme der Aktienmehrheit der Fernseh A G durch die französische Regierung wurde tatsächlich seit Beginn des Jahres 1956 ernsthaft diskutiert. Einigkeit bestand darüber, dass man unter allen Umständen vermeiden wollte, dass die Anlagen der Fernseh A G ohne eine entsprechende Entschädigung in deutsche Hände fielen. Auch Frédéric Billmann machte sich in diesem Sinne stark und plädierte notfalls für eine Demontage der Anlagen, die - so seine Meinung - zwischen 600 und 800 Millionen Franken Wert waren und problemlos von der R T F genutzt werden konnten. 76 Auch im Quai d'Orsay überwog die Meinung, dass man angesichts des in die Fernseh A G investierten französischen Kapitals einen UberVgl. Aufzeichnung: Ressortbesprechung über die Frage einer Regelung bzgl. der Fernseh-Aktiengesellschaft (Europe 1) Saarbrücken, Bonn, 11.5.1956, LA SB, AA 94. 7 5 Brief von Grandval an Joxe, 28.5.1956, sowie Brief von Grandval an de Courson, 28.5.1956, A O F A A , H C Sarre, Cab, 100. 7 6 Note: A/S: Radio Europe N° 1, très confidentiel, Service de Presse et d'Information der Mission Diplomatique Française en Sarre, 9.3.1956, ebd. 74
Die A n f ä n g e des kommerziellen R u n d f u n k s im Saarland
271
gang der Anlagen in die Bundesrepublik vermeiden musste. In diesem Sinne kam das Angebot zur Übernahme der Aktienmehrheit von Image et Son, welches Sylvain Floirat dem französischen Staat bereits am 22. September 1955 gemacht hatte, gerade rechtzeitig. 77 Tatsächlich kam es nur wenige Monate später zu einer „Grundsatzvereinbarung zur Regelung der Frage Saarländische Fernseh-Gesellschaft - Europa N o . 1" zwischen der Regierung der Bundesrepublik und Frankreich. 78 Diese sah vor, dass die französische Regierung die Mehrheit der Anteile der Saarländischen Fernseh A G bis zum 31. Dezember 1956 erwerben sollte, um den Sendebetrieb anschließend einzustellen und die Gesellschaft zu liquidieren. Im Gegenzug sollte der Saarländische Rundfunk die technischen Einrichtungen von Tele-Saar - soweit sie für den zukünftigen Betrieb im Saarland geeignet waren - käuflich erwerben. Auch erhob die Bundesregierung keinen Einwand gegen die Weiterführung des Betriebes des Langwellensenders Europe N o . 1 für eine Ubergangszeit von drei Jahren. Nach Ablauf dieser Ubergangszeit sollte die Bundesregierung die im Saarland gelegenen Grundstücke und Gebäude der Fernseh A G käuflich erwerben, während die französische Regierung das Eigentum an den technischen Anlagen von Europe No. 1 behielt. Entscheidend war die Vereinbarung, dass wegen der vorzeitigen Auflösung des Vertrages von keiner Seite weitergehende Forderungen gestellt werden konnten. Diese Grundsatzvereinbarung war die Basis der am 22. Dezember 1956 zwischen den Regierungen der Bundesrepublik und der französischen Republik geschlossenen Direktive, welche die gemeinsame Liquidierung der monegassischen Gesellschaft Image et Son zum Ziel hatte. Der französische Industrielle Sylvain Floirat hatte im Laufe des Jahres 1955 die relative Aktienmehrheit an Image et Son erworben, die aufgrund finanzieller Probleme seiner Hauptaktionäre - der Radio-Industrie sowie der Banque des Métaux Précieux de Monaco 79 77
Vgl. N o t e : E u r o p e 1 - Télé-Saar, Direction Générale Politique, Europe, Direction de la Sarre, 18.2.1956, ebd. 78 Protokoll über eine G r u n d s a t z v e r e i n b a r u n g zur Regelung der Frage Saarländische FernsehGesellschaft - E u r o p e 1, 25.10.1956, L A SB, A A 94. 79 Laut J e a n - R é m y Bezias profitierte der französische Staat nach der Finanzkrise der Banque des Métaux Précieux im Jahre 1955 von der Gelegenheit, Sylvain Floirat (siehe unten) als .getreuen G e w ä h r s m a n n ' bei Image et Son einsteigen zu lassen, u m so die undurchsichtigen Aktivitäten des in ministeriellen Kreisen unbeliebten Charles Michelson kontrollieren zu k ö n n e n . Die Affäre um die Gesellschaft Image et Son kulminierte 1962 in einer französisch-monegassischen Krise, die laut Medienberichten - mit O h r f e i g e n f ü r den französischen Staatsminister Emile Pelletier durch Fürst Rainier von M o n a c o endete. Vgl. zu den Details der Affäre, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann: J e a n - R é m y Bezias, Les Alpes-Maritimes et la crise franco-monégasque de 1962, in: Cahiers de la Méditerranée, 74, 2007, S. 321-336. Die O h r f e i g e n des Prinzen sorgten auch in den deutschen Medien f ü r A u f m e r k s a m k e i t . Vgl. beispielsweise den Artikel: Monaco: Entlassung. Verlorene Millionen, in: D e r Spiegel, 21.2.1962 N r . 8, S. 66-67.
272
Andreas Fickers
- dringend neues Kapital benötigte. 80 Als Floirat nun seinen Aktienanteil bei Image et Son zum Verkauf anbot, schien dies eine günstige Gelegenheit für die französische Regierung, diese im Sinne der deutsch-französischen Strategie zu übernehmen. 81 Als Intermediär der französischen Regierung sollte die S O F I R A D Floirats Aktienpaket im Wert von 3,3 Milliarden Franken übernehmen, das zu gleichen Teilen von der französischen und deutschen Regierung finanziert werden sollte. 82 Tatsächlich wurde in der Assemblée Nationale am 27. Dezember über eine Übernahme der Floirat-Aktien zum Kaufpreis von 1,729 Milliarden Franken debattiert, die jedoch mit einer deutlichen Abstimmungsniederlage für die Antragsteller endete (365 Stimmen dagegen, 125 Stimmen dafür). Die äußerst lebendige Debatte wurde vor allem von dem kommunistischen Abgeordneten Marc D u p u y animiert, als zentralem Gegenspieler des die Regierungsinteressen vertretenden Staatssekretärs im Quai d'Orsay, Maurice Faure. 83 Auch eine zweite Debatte im französischen Parla-
80 Sylvain Floirat (1899-1993), der in den 1930er Jahren im Périgeux ein Geschäft für Autozubehör leitete und anschließend in das Konstruktionsgeschäft von Autobussen und Flugzeugen einstieg, machte nach dem Krieg als Direktor der ältesten privaten Fluggesellschaft in Frankreich, Aigle-Azur, ein Vermögen durch den Verleih von Frachtmaschinen an den französischen Staat, der diese dringend für die Versorgung seiner Truppen in Indochina und anderen Brandherden im Dekolonialisierungsprozess benötigte. 1955-1967 war Floirat auch Generaldirektor und Präsident von Breguet-Aviation sowie Vize-Präsident des Rüstungskonzerns Matra. Neben dem Transportund Rüstungsgeschäft wurde Floirat ab Mitte der 1950er Jahre aktiv im Bereich der Radio- und Fernsehindustrie. Von 1957-1981 war Floirat Präsident, später Ehrenpräsident und finanzieller Berater von Europe No. 1 sowie Präsident der Compagnie Française de Télévision (1966-1968), die das französische SECAM-System vermarktete. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen (unter anderem Grand officier de la Légion d'honneur) und war vor allem in seiner Heimatregion des Périgeux auch politisch tätig (zum Beispiel als Bürgermeister von Nailhac und Präsident der Industrie- und Handelskammer). Vgl. www.whoswho.fr/biographie-Sylvain-floirat_66878.html [31.3.2009]. 81 Das Aktienkapital der Image et Son belief sich Anfang 1957 auf 1256000000 französische Franken, geteilt in 125 600 Aktien zu 10000 Franken. Die beiden mit Abstand größten Aktionäre waren die Société R.B.V Radio Industrie mit 44280 Anteilen und Sylvain Floirat mit 43166 Anteilen. Allerdings verfügte die Radio Industrie über 33 178 Vorzugsaktien, während Floirat nur 1 913 Vorzugsaktien hielt, was das Stimmrecht klar zugunsten der Radio Industrie verlagerte, da Vorzugsaktien doppeltes Stimmrecht besaßen. Vgl. Brief von Frédéric Billmann an Dr. Lorscheider, 25.1.1957, LA SB, AA 94. Dem Brief ist ein detaillierter Konzernplan von Image et Son beigefügt - mit entsprechenden Beteiligungen von Image et Son bei Télé Monte-Carlo und der Fernseh AG. 82 Vgl. Directives communes en vue de l'établissement d'une convention entre les Gouvernements de la République Française et le Gouvernement de la République Fédérale d'Allemagne aux fins de liquider en commun la Société anonyme de droit Monégasque .Image et Son', 22.12.1956, A O FAA, H C Sarre, Cab, 100. 83 Marc Dupuy (1889-1979) war von 1946 bis 1958 kommunistischer Abgeordneter der Gironde in der französischen Nationalversammlung. In seiner Intervention verwies er unter anderem auf die aus seiner Perspektive zweifelhaften Geschäftsgebaren von Charles Michelson und Sylvain Floirat. Laut Dupuy war die kurzzeitige Zwangsverweisung von Charles Michelson auf die Insel Korsika durch den französischen Innenminister eine gezielte Maßnahme der Regierung, um ihn zum Verkauf seines Aktienanteils an der Image et Son an Sylvain Floirat zu bewegen. Vgl. dazu unten Anm. 139. Doch auch dieser wird von Dupuy wenig charmant als Geschäftemacher be-
273
D i e A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s i m S a a r l a n d
Abb. 8: Die Ansagerinnen von Tclc-Saar. Von Links: Ursula Rollauer, brandt, Marion Ubach. Im Hintergrund Günter Meyer.
Hedí Ballier, Eileen
L.eib-
ment am 12. F e b r u a r 1957 endete mit einer deutlichen A b l e h n u n g des U b e r nahmeversuchs durch die französische Regierung und bedeutete das Scheitern der in der deutsch-französischen Direktive festgelegten Strategie. D a eine Intervention seitens der französischen Regierung aussichtslos schien, versuchte man in den folgenden M o n a t e n , private Interessenten für die Ü b e r nahme zu finden. S o w o h l auf französischer \vie auf bundesdeutscher Seite wurden entsprechende Initiativen gestartet, die letztlich j e d o c h alle scheiterten - nicht zuletzt an dem P r o b l e m , dass sich die Anteilseigner von Image et Son nicht auf eine K a u f s u m m e einigen k o n n t e n . 8 4
4.2 Bundesdeutsche
und saarländische
Widerstände
gegen die
Tele-Saar
U n g e a c h t e t der Verhandlungen um die L i q u i d i e r u n g von Image et Son auf bilateraler R e g i e r u n g s e b e n e 8 5 kam es nach der Eingliederung des Saarlandes z e i c h n e t , „ d e r s i c h a m H a n d e l u n d a m B l u t des I n d o c h i n a k r i e g e s u m M i l l i a r d e n b e r e i c h e r t h a t " . V g l . die 1 5 - s e i t i g e Ü b e r s e t z u n g d e r P a r l a m e n t s d e b a t t e , 2 7 . 1 2 . 1 9 5 6 , L A S B , A A 9 4 . S4
V g l . f ü r e i n e d e t a i l l i e r t e R e k a p i t u l a t i o n d e r I n i t i a t i v e n : N o t e E u r o p e Ν " 1, 2 1 . 6 . 1 9 5 8 , D i r e c t i o n
G é n é r a l e Politique, E u r o p e , E u r o p e C e n t r a l e , Affaires Sarroises, A O F A A , H C Sarre, Jur, 221. D i e P r o t o k o l l e d e r d e u t s c h - f r a n z ö s i s c h e n V e r h a n d l u n g e n v o m 3. 1 2 . 1 9 5 6 in P a r i s s o w i e e i n e B e s p r e c h u n g s n o t i z von Steuerrat Dr. Peter C o m e s (Ministerium für Finanzen und Forsten
des
274
Andreas Fickers
in die Bundesrepublik auf innerdeutscher Seite zu Diskussionen über die Zukunft der Saarländischen Fernseh AG. War die Saarländische Regierung primär aus finanziellen Überlegungen an der Aufrechterhaltung des Abkommens zwischen der Fernseh A G und der Saarländischen Rundfunk G m b H interessiert, so verkündete Bundespostminister Ernst Lemmer bereits in einem Schreiben vom 28. Dezember 1956, dass die Ausübung der Funkhoheit mit Wirkung vom 1. Januar 1957 auf ihn übergehen werde und er sich alle Maßnahmen vorbehalte, die sich aufgrund dieser Tatsache sowie der Bindung der Bundesrepublik an den Internationalen Fernmeldevertrag von 1952 (Stockholmer Wellenplan) als „notwendig oder zweckmäßig" erweisen könnten. Damit spielte Lemmer auf die von Europe No. 1 besetzte und im Stockholmer Wellenplan nicht zugewiesene Frequenz an, eine internationale Problematik, die uns im nächsten Abschnitt beschäftigen wird. Schon vor dem Empfang des Schreibens kursierten im Saarland Gerüchte, dass die Bundesregierung vorhabe, den Sendebetrieb von Tele-Saar am 1. Januar 1957 still zu legen. Von diesen Gerüchten aufgeschreckt, wandte sich auch der Betriebsratsvorsitzende der Saarländischen Fernseh A G , Hans Skohoutil, in einem besorgten Schreiben vom 21. Oktober 1956 an Ministerpräsident Hubert Ney und gab zu bedenken, dass ein solcher Entschluss bedeuten würde, „dass 68 Angestellte, von denen die meisten verheiratete Familienväter sind, arbeitslos würden." 8 6 Tatsächlich formierten sich nicht nur auf Bundesebene, sondern auch im Saarland Widerstände gegen die Aktivitäten der Fernseh AG. Diese kamen allerdings nicht von Seiten der saarländischen Regierung, sondern von der deutschnationalistischen Presse sowie vom Rundfunkfachhandel. Grund für den wachsenden Unmut gegen die Aktivitäten der Fernseh A G in Teilen der Öffentlichkeit war unter anderem die Tatsache, dass der Saarländische Rundfunk, der am 27. November 1956 in eine Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt worden war, am 1.Januar 1957 mit der Ausstrahlung des A R D Fernsehprogramms begonnen hatte. Da der Vertrag zwischen der Saarländischen Rundfunk G m b H und der Fernseh A G vom 30.Januar 1953 der Fernseh A G jedoch das ausschließliche Recht zur Ausstrahlung eines Fernsehprogramms einräumte, stieß die Aktion des Saarländischen Rundfunks die vorher nicht mit der Fernseh A G abgesprochen worden war - naturgemäß auf heftigen Widerstand. Nur fünf Tage später musste der SR auf VeranSaarlandes) mit dem Leiter der französischen Delegation ( D o m b ) vom 4 . 1 . 1 9 5 7 erlauben einen detaillierten Einblick in den Verhandlungsverlauf, L A SB, A A 94. 8 6 „In dieser schweren Stunde", so heißt es in dem handschriftlich verfassten Brief, „da es um die Zukunft zahlreicher Familien geht, wende ich mich im Auftrage der Belegschaft an Sie, hochverehrter H e r r Ministerpräsident, mit der Bitte sich Ihrerseits unserer Zukunft anzunehmen." Brief von Hans Skohoutil an Hubert Ney, 2 1 . 1 0 . 1 9 5 6 , ebd.
Die Anfänge des kommerziellen R u n d f u n k s im Saarland
275
lassung der saarländischen Staatskanzlei die Übertragungen daher wieder einstellen, was in der Öffentlichkeit für allgemeine Verärgerung sorgte. Vor allem die Fachverbände der Radio- und Fernsehindustrie machten sich zum Sprachrohr scharfer Kritik, da sie sich durch die Maßnahme „wirtschaftlich schwer geschädigt" sahen. 87 Da der SR sein Programm auf der dem Saarland während der Stockholmer Wellenkonferenz zugewiesenen Frequenz in Band 1 des Rundfunkspektrums ausstrahlte 88 , hatten die Fernsehtechniker und Rundfunkhändler des Saarlandes in Erwartung des deutschen Fernsehens bereits mit der Fertigung entsprechender Antennenanlagen begonnen, die den Empfang des neuen Programms möglich machten. Der Vorsitzende des Kreisinnungsverbandes Thomé beklagte das „tote Kapital" und verwies zudem auf stagnierende Absätze beim Fernsehgeräteverkauf, die durch diese Entscheidung verursacht worden seien. Bereits 1956 beklagte auch die,Fernseharbeitsgemeinschaft Saar' mehrfach die Planungen der Fernseh AG, das Programm von Tele-Saar auf genau jener Frequenz auszustrahlen, und zwar von dem noch im Aufbau befindlichen Sender auf dem Sauberg. 89 Da die Proteste bei den verantwortlichen Stellen im Saarland nicht auf fruchtbaren Boden fielen, wendeten sich die Klagebriefe 1957 an die Bonner Behörden. In einem von der Fernseharbeitsgemeinschaft Saar, der Innung für Radiound Fernsehtechnik und dem Radio- und Fernseh-Handelsverband Saar gemeinsam verfassten Schreiben vom 11. April 1957 an Bundespostminister Lemmer wurde - in nationalistischer Rhetorik - die Bedeutung des Empfangs deutschen Fernsehens für die Saarländer herausgestellt: „Es entspricht verständlicherweise der Mentalität des Saarländers, dass er, ob Fernsehteilnehmer oder Interessent, in erster Linie das deutsche Programm empfangen will; er will vollkommen mit den deutschen Kulturwerten vertraut werden." 90 Auch in der Presse wurde die Entwicklung aufmerksam verfolgt und teilweise heftig kritisiert. Die „Deutsche Saar" brachte in ihrer Ausgabe vom 1. Februar eine mehrseitige Geschichte der saarländischen Fernseh AG unter dem Aufmacher „Ein Netz zweifelhafter Abmachungen", die sich vor allem der Person Gotthard Lorscheiders als „Spinne" im Netz widmete. Der zu87
Brief des Vorsitzenden des Kreisinnungsverbandes Saarbrücken T h o m é an den saarländischen Minister f ü r Wirtschaft, Verkehr, E r n ä h r u n g u n d Landwirtschaft, N o r b e r t Brinkmann, 21.1.1957, ebd. 88 Tele-Saar strahlte auf einer .inoffiziellen' Frequenz in Band 3 des R u n d f u n k f r e q u e n z s p e k t r u m s aus. 89 Vgl. Schreiben der Fernseh Arbeitsgemeinschaft Saar an den saarländischen Ministerpräsidenten, 10.3.1956, sowie v o m 18.05.1956 an die Fraktion der C D U im saarländischen Landtag, LA SB, A A 86. 90 Brief der Fernseharbeitsgemeinschaft Saar, I n n u n g f ü r Radio- und Fernsehtechnik, Radio- und Fernseh-Handelsverband Saar e. V. an Postminister Lemmer, 11.4.1957, LA SB, A A 94.
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nehmende Druck in der Öffentlichkeit sorgte dafür, dass die Fraktion der Demokratischen Partei des Saarlandes (DPS) bereits am 22. Januar 1957 eine große Anfrage zur saarländischen Fernseh AG/Tele-Saar/Europe No. 1 einreichte. Die Erwiderung der Regierung des Saarlandes wurde von Gotthard Lorscheider persönlich vorbereitet, der mittlerweile zum Chef der Staatskanzlei avanciert war und dem Ministerrat am 18. März eine neunseitige Stellungnahme vorlegte. In ihr unterstrich Lorscheider die Gültigkeit des Vertrages zwischen der Fernseh AG und dem Saarländischen Rundfunk, welche durch den Ubergang der Funkhoheit auf die Bundesrepublik nicht berührt werde. Zwar hätten sich die Bundesregierung, die Regierung des Saarlandes und der Saarländische Rundfunk im Verlauf der deutsch-französischen Verhandlungen darum bemüht, für den Zeitraum der „politischen Rückgliederung" die Übernahme des bundesdeutschen Fernsehprogramms an der Saar zu ermöglichen, doch sei die dafür genehmigte Einfuhrlizenz für einen Umsetzer vom Saarländischen Rundfunk als Zustimmung zur Durchführung eigener Fernsehsendungen missverstanden worden. 91 Lorscheider versuchte die Aktion des SR damit zu rechtfertigen, dass man dort wahrscheinlich damit gerechnet habe, dass die Übernahme von Image et Son durch die französische Nationalversammlung zwecks Liquidierung der Fernseh AG erfolgreich sein würde. Da die politische Umsetzung der im Dezember 1956 getroffenen Grundsatzvereinbarung aber nun auf Eis lag, hatte die saarländische Regierung den SR gebeten, von weiteren „Versuchssendungen" abzusehen. Tatsächlich lag dem neuen Geschäftsführer des Saarländischen Rundfunks, Prof. Eugen Meyer, wenig daran, in einen Konflikt mit der Fernseh AG zu geraten, war doch das Weiterbestehen der Fernseh AG „aufs Engste mit der Frage des Weiterbestehens und des Ausbaus des Saarländischen Rundfunks" verbunden. 92 In einem Brief an Ministerpräsident Ney zur Frage der Zukunft der Fernseh AG Ende Juli 1957 ging Meyer sogar so weit, die Zukunftssicherung der Fernseh AG als „lebenswichtiges Interesse" des Saarländischen Rundfunks zu deklarieren. „Wird der Sender ,Europa Γ stillgelegt", so Meyer, „so bedeutet das, in einem Wort gesagt, den wahrscheinlichen Ruin unseres eigenen Senders, falls nicht eine anderweitige zusätzliche Finanzhilfe erfolgt." 93 Bei der engen personellen und institutionellen Verzahnung zwischen Saarländischem Rundfunk und der Saarländischen Fernseh AG wundert es nicht, dass der Konflikt zugunsten der Fernseh AG rasch und ohne großes AufseGotthard Lorscheider, Entwurf für die Beantwortung der Großen Anfrage der DPS-Landtagsfraktion vom 17.1.1957 betreffend die Saarländische Fernseh-AG, Telesaar - Europe N o . l , 18.3.1957, ebd. 92 Brief von Prof. Meyer an den Ministerpräsidenten Ney, Saarbücken, 30.7.1957, ebd. 93 Ebd. 91
D i e A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s im S a a r l a n d
Abb.
9:
277
Kocbsendtifig
hen beigelegt w e r d e n konnte. Im L a u f e des J a h r e s strahlte der Saarländische R u n d f u n k z w a r ab und zu Versuchssendungen aus, tat dies jedoch nie ohne vorherige A n f r a g e und G e n e h m i g u n g der Fernseh A G . G e n a u ein J a h r später, am 15.Januar 1958, k e i m t e die A u s e i n a n d e r s e t z u n g jedoch schlagartig w i e d e r auf. O h n e die Fernseh A G davon informiert zu haben, begann der Saarländische R u n d f u n k mit der p e r m a n e n t e n Ü b e r t r a g u n g des deutschen F e r n s e h p r o g r a m m s ü b e r seinen Sender auf d e m S c h w a r z e n b e r g . N o c h am gleichen A b e n d beschloss die Fernseh A G d a r a u f h i n , das P r o g r a m m der Tele-Saar nun auch v o m i n z w i s c h e n fertig gestellten Sender auf d e m Felsberg auszustrahlen. Diesmal jedoch mit wesentlich stärkerer Leistung (3 k W ) 9 4 s o w i e - u n d dies w u r d e z u m Stein des A n s t o ß e s - auf derselben Freq u e n z , auf der auch der SR sein P r o g r a m m ausstrahlte. Beide sendeten nun auf der d e m Saarland w ä h r e n d der S t o c k h o l m e r W e l l e n k o n f e r e n z von 1952 z u g e w i e s e n e n F r e q u e n z in Band 1 (Kanal l b ) , w a s zu erheblichen Interferenzen und entsprechenden Bild- und Tonstörungen führte. A l a r m i e r t von dieser Eskalation im Ä t h e r informierte B u n d e s p o s t m i n i s t e r R i c h a r d Stücklen seine Kollegen in der Kabinettssitzung vom 22. J a n u a r 1958 darüber, dass
1,4
Wegen der günstigeren Ausstrahlungscharakteristika der neuen Frequenz, gepaart mit der deut-
lichen L e i s t u n g s s t e i g e r u n g des Senders (der ,alte' Tele-Saar S e n d e r auf d e m Eschberg hatte n u r e i n e L e i s t u n g v o n 100 W ) , w a r d a s P r o g r a m m v o n T e l e - S a a r s c h l a g a r t i g i m U m k r e i s v o n ca. 150 k m zu e m p f a n g e n .
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er die Stilllegung des Senders Tele-Saar beabsichtige und die Gesellschaft in einem Fernschreiben angewiesen habe, die Sendungen mit sofortiger Wirkung einzustellen. 95 Weder beim Saarländischen Rundfunk noch bei der Fernseh AG war jedoch bekannt, dass Stücklen sozusagen hinter dem Rücken der Betroffenen bei der Internationalen Frequenzbehörde in Genf angefragt hatte, die dem Saarland 1952 zugewiesene Fernsehfrequenz (Band 1, Kanal l b für Sendungen mit der französischen 819-Zeilen-Norm) gegen eine neue, nun dem Bund zugewiesene Frequenz (Band 1, Kanal E 2 für Sendungen mit der deutschen 625-Zeilen-Norm) zu tauschen. Dies ermöglichte ihm, die nun vom Sauberg ausgestrahlten Sendungen zu verbieten, da sie auf einer für Deutschland nicht (mehr) zugewiesenen Frequenz ausgestrahlt wurden und somit die Funkhoheit des Bundes verletzten. Da die Fernseh AG von diesem Frequenztausch nichts wusste, strahlte sie trotz der telegrafischen Anweisung des Bundespostministers weiter aus, da sie von der juristischen Unfehlbarkeit ihres Vorgehens überzeugt war. Sowohl Frédéric Billmann in seiner Eigenschaft als Direktor von Tele-Saar und Vorstand der Fernseh AG als auch der frisch ins Amt gewählte neue Intendant des SR, Franz Mai, gaben am 23.Januar eine Pressekonferenz, auf der sie die Legitimität ihres Vorgehens und die Unrechtmäßigkeit der Aktivitäten ihres Kontrahenten verkündeten. Von diesen rhetorischen Grabenkämpfen unbeeindruckt, veranlasste Bundespostminister Stücklen nur zwei Tage später die polizeiliche Stilllegung des zweiten Fernsehsenders der Fernseh AG auf dem Sauberg. Zwar hatte der von Stücklen mit der Ausführung beauftragte Beamte Scholl aus dem Postministerium große Mühe, sich seinen Weg auf den schneeverwehten Sauberg zu bahnen, doch wurde der Sender schließlich mit Hilfe der lokalen Polizei am 15.Januar, 12:30 Uhr Ortszeit, versiegelt und geschlossen. Natürlich protestierte Billmann förmlich gegen diesen „acte de violence", doch zögerte man, gerichtlich gegen die Schließung vorzugehen, da man im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung mit einer Bundesbehörde weitere Probleme fürchtete. Tatsächlich witterte man im Bundespostministerium nun die Möglichkeit, die Fernsehaktivitäten der Saarländischen Fernseh AG ganz zu beenden. Die Frequenz, auf welcher Tele-Saar bislang ausgestrahlt hatte (Band 3, Kanal 7), war offiziell eine Frankreich zugewiesene Frequenz, welche die RTF der Fernseh AG jedoch zur Verfügung gestellt hatte. Da man in Frankreich an dem Ausbau des landesweiten Fernsehnetzes arbeitete, wurde Ende 1957 auch in Metz-Luttange ein Fernsehsender errichtet, der eben jene Frequenz zur Ausstrahlung des nationalen Fernsehprogramms beanspruchte. Auf dieVgl. Kabinettsprotokoll vom 2 2 . 1 . 1 9 5 8 , in: Kabinettsprotokolle online, http://www.bundesarchiv.de [31.3.2009]. 95
D i e A n f ä n g e d e s k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s i m Saarland
Abb.
10:
Letzter
Tag von
Tele-Saar
15.Juli
1958: Roland
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Stigulinszky
vorsehait
se P r o b l e m a t i k wies P o s t m i n i s t e r Stücklen d e n V o r s t a n d d e r F e r n s e h A G A n f a n g M ä r z hin, v e r b u n d e n mit d e r „Bitte", d e n Betrieb v o n Tele-Saar a u c h auf dieser F r e q u e n z z u m 1 .Juli 1958 einzustellen. 9 6 Tatsächlich b e m ü h t e m a n sich bei der F e r n s e h A G erfolgreich d a r u m , I n t e r f e r e n z p r o b l e m e mit d e m f r a n z ö s i s c h e n S e n d e r zu b e h e b e n , d e n n o c h v e r f ü g t e B u n d e s p o s t m i n i s ter S t ü c k l e n die e n d g ü l t i g e S c h l i e ß u n g des Senders z u m 15.Juli. D i e s f ü h r t e d a z u , dass G e n e r a l d i r e k t o r F r é d é r i c Billmann am 27. M ä r z ein K ü n d i g u n g s s c h r e i b e n an alle Tele-Saar M i t a r b e i t e r schickte mit der N a c h r i c h t , dass das b e s t e h e n d e D i e n s t v e r h ä l t n i s leider z u m 30. J u n i 1958 b e e n d e t w e r d e n müsse. Z w a r wies der B e t r i e b s r a t d e r Tele-Saar die K ü n d i g u n g e n am 1. A p r i l als sachlich u n d rechtlich u n b e g r ü n d e t z u r ü c k , d o c h blieb a u c h eine v o n 44 M i t a r b e i t e r n E n d e A p r i l eingereichte S a m m e l k l a g e b e i m P r ä s i d e n t e n des Int e r n a t i o n a l e n G e r i c h t s h o f e s im Saarland letztlich erfolglos. 9 7 A m D i e n s t a g , 15. Juli 1958, v e r a b s c h i e d e t e sich d a r a u f h i n der Sender mit einem P r o g r a m m , das ganz d e m t r a u r i g e n Anlass e n t s p r e c h e n d k o n z i p i e r t war. N a c h d e m sich
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B r i e t v o n S t ü c k l e n .in B i l l m a n n , 1 0 . 3 . 1 9 5 8 , A O I - ' A A , H C S a r r e , J u r , 2 2 1 .
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E i n e A b s c h r i t t d e r K l a g e f i n d e t sich in: E b d .
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um 17:15 Uhr „Unsere Kleinen" verabschiedet hatten, folgte nach der Tagesschau um 21:00 Uhr das Programm „Der Rest ist Schweigen... Ein Fernsehsender verabschiedet sich". U m 22:00 Uhr war dann, wie in der Wochenprogrammübersicht bereits angekündigt, „absoluter Sendeschluss". 98 Ab dem 16. Juli sendete der Sender Eschberg über einen Zeilenumsetzer bis Ende des Jahres noch das Programm des deutschen Fernsehens in 819-Zeilen-Norm, so dass die Besitzer eines mit der französischen N o r m ausgestatteten Empfängers ein halbes Jahr Zeit hatten, ihr Gerät auf die deutsche 625-ZeilenN o r m umzurüsten. Dass von Seiten der Fernseh A G kein vehementer Widerstand kam, hatte wohl nicht zuletzt damit zu tun, dass es sich bei der Tele-Saar während der gesamten viereinhalbjährigen Laufzeit letztlich um ein großes Verlustgeschäft gehandelt hatte. Wie zu Beginn des Abschnittes gezeigt, waren die Fernsehaktivitäten der Saarländischen Fernseh A G eine juristisch notwendige Alibiveranstaltung, die zur Gründung eines wirtschaftlich lukrativen Reklameradiosenders betrieben werden musste. Zwar wurde zu dessen Legitimierung immer wieder techno-nationalistische Rhetorik bemüht, die den Sender als symbolträchtigen Außenposten französischer Technologie beschrieb. Tatsächlich standen aber finanzielle und wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, die im Sender Europe No. 1 ihre Verwirklichung fanden.
5. Europe No. 1: Ein ,Piratensender' erhitzt die Gemüter Wie bereits erwähnt, stand die Betreibung eines kommerziellen Rundfunksenders - offiziell zur Finanzierung der kostspieligen Fernsehaktivitäten von Anfang an im Zentrum der strategischen Planungen der Fernseh A G . Nachdem die technischen Studien zur Bestimmung des Senderstandortes den Sauberg als bestgeeigneten Standort identifiziert hatten und die beiden 200 kW Sender bei Thomson in Auftrag gegeben worden waren, wurde im Juni 1954 mit dem Bau einer Sendestation begonnen." Als Architekt für das Dies bedeutete offiziell das Ende des Fernsehsenders Tele-Saar. Die Gesellschaft Tele-Saar blieb jedoch bis Ende der 1980er Jahre bestehen. Allerdings wandelte sie ihren Charakter in einen Fachhandel für gehobene Radio- und Fernsehgeräte mit Zentralvertretung in Saarbrücken. 9 9 Tatsächlich befindet sich die Senderanlage nicht auf dem Felsberg, sondern in Berus. Der ursprüngliche Plan von Michelson und Merlin war, dass die muschelförmige Senderhalle auf dem Felsberg v o m ganzen Saartal aus zu sehen war. D a sich die Gemeinde Felsberg jedoch schwer tat mit dem Genehmigungsverfahren und Bodenproben zudem ergeben hatten, dass der Untergrund sehr felsig war, wurde die Anlage schließlich rund 400 Meter entfernt auf dem Boden der Gemeinde Berus errichtet. D a felsiger Untergrund sich negativ auf die Ausbreitungseigenschaften der so genannten Bodenwellen auswirkt und die Gemeinde Berus dem Bau der Anlage ohne administrative Hürden sofort zustimmte, entschied man sich schließlich für den weniger sichtbaren, aber ef98
D i e A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s i m S a a r l a n d
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von vornherein als symbolträchtig geplante G e b ä u d e w u r d e der Franzose Jean François G u é d y gewonnen, der - inspiriert von den im Saargau häufig anzufindenden Versteinerungen in den Muschelkalksedimenten - die Senderhalle als gigantische Muschelkonstruktion entwarf. Die verglaste Spannbetonhalle mit Hängedach stand architekturhistorisch in der Tradition des Zeltbaues, stellte jedoch wegen des f ü r die hängende Decke verwendeten Baumaterials (Spannbeton) eine architektonische wie materialtechnische H e r a u s f o r d e r u n g ersten Grades dar. 100 In Rekordzeit von n u r zwei Monaten w u r d e die von Louis Merlin als „Kathedrale der Wellen" bezeichnete Senderhalle von ca. 200 Bauarbeitern errichtet, doch kam es am 8. September 1954 zu einem herben Rückschlag, als die D e c k e n k o n s t r u k t i o n in der N a c h t u n v e r h o f f t nachgab und einstürzte. 1 0 1 N a c h f o r s c h u n g e n des Mitglieds der Académie des Sciences und „Meisters des Betons" Albert C a q u o t ergaben, dass sich der für die Statik verantwortliche Ingenieur verrechnet hatte, woraufhin sich G u é d y im September 1955 das Leben nahm. N a c h G u é d v s Frei-
f e k t i v e r e n S t a n d o r t . Vgl. I n t e r v i e w mit G i l b e r t B i n g e r ( G e s c h ä f t s f ü h r e r d e r E u r o p ä i s c h e n R u n d funk und Fernseh G m b H ) , 22.9.2008. '·"" D i e b a u - u n d a r c h i t e k t u r h i s t o r i s c h e n A n g a b e n b a s i e r e n auf d e m Beitrag: G e r h i l d K r e b s , „ E u r o p e 1 - T e c h n i s c h e Z e n t r a l e " , in: R a i n e r H u d e m a n n u n t e r M i t a r b e i t v o n M a r c u s H a h n , G e r h i l d K r e b s u n d J o h a n n e s G r o ß m a n n , H g . , S t ä t t e n g r e n z ü b e r s c h r e i t e n d e r E r i n n e r u n g - S p u r e n d e r Vern e t z u n g des S a a r - L o r - L u x - R a u m e s im 19. u n d 2 0 . J a h r h u n d e r t / L i e u x d e la m e m o i r e t r a n s f r o n t a liere - Traces et réseaux d a n s l ' e s p a c e S a r r e - L o r - L u x aux 19e et 20e siècles, S a a r b r ü c k e n 2002, 3. A u f l . 2009. G e f ö r d e r t d u r c h die E u r o p ä i s c h e U n i o n im R a h m e n des P r o g r a m m s I n t e r r e g II, p u b l i z i e r t als C D s o w i e im I n t e r n e t : h t t p : / / w w w . m e m o t r a n s f r o n t . u n i - s a a r l a n d . d e / n a v / f r a m s e t 1. htm [31.3.2009], 1:1 E o u i s M e r l i n , C ' é t a i t f o r m i d a b l e , Paris 1966, S. 298.
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tod übernahm Eugène Freyssinet, ehemaliger Generalinspektor für Brücken und Straßen in Frankreich, die Bauleitung und vollendete den Bau noch im gleichen Jahr. 102 Trotz des Rückschlages wurde die Sendeanlage in provisorischen Holzbaracken am 1. Januar 1955 in Betrieb genommen. 103 5.1 Internationale Beschwerden und heiteres
Frequenzraten
Nicht weniger spektakulär als die Architektur der Sendestation auf dem Sauberg bei Saarlouis war auch der Sendebeginn von Europe No. 1 am Neujahrstag 1955. Nur eine halbe Stunde nach Beginn des Programms klingelte das Telefon im Pariser Studio von Europe No. 1, 26 bis rue François I e r : Der Sender, der auf einer Frequenz von 240 kHz und mit einer Leistung von 400 kW strahlte, störte die Radaranlage des Genfer Flughafens, weshalb der Sendebetrieb augenblicklich eingestellt werden musste! 104 Traf diese Maßnahme das Programmteam wie ein Schock, konnte diese Entwicklung die Verantwortlichen der Fernseh A G nicht wirklich überraschen, waren dem Sendestart doch bereits monatelange diplomatische und technopolitische Diskussionen über die Frage der Sendefrequenz von Europe No. 1 vorausgegangen. Dieses „ballet infernal sur les grandes ondes" 1 0 5 begann bereits im August 1954, als bei der Post- und Telegrafenverwaltung in Saarbrücken eine erste Beschwerde von Seiten des dänischen Ministeriums für öffentliche Arbeiten einging, das in Erfahrung gebracht haben wollte, dass ein im Saarland beheimateter Sender Ausstrahlungen auf der Langwellenfrequenz von 245 kHz plane. Da diese Frequenz dem dänischen Sender Kaiundborg auf der Kopenhagener Wellenkonferenz von 1948 als Exklusivwelle zuerkannt worden war, 1 0 2 N e b e n G u é d y und Freysinnet waren auch René Sarger ( 1 9 1 7 - 1 9 8 8 ) , Tseng O u und Bernard Laffaille ( 1 9 0 0 - 1 9 5 5 ) als Bauingenieure an der Planung und Realisierung des Bauwerkes beteiligt. Zusammen mit Sarger und Laffaille bildete G u é d y ein exponiertes Team modernistischer Bauingenieure, die seit Anfang der 1930er Jahre zahlreiche formalistische Konstruktionen in B e t o n b a u weise errichtet hatten. Zu den bekanntesten Symbolen dieser Architektur zählt ohne Zweifel die 1958 fertig gestellte Kathedrale von N o t r e - D a m e de R o y a n , die als modernistischer Meilenstein der Kirchenarchitektur gilt. Vgl. http://www.notre-dame-royan.com/expositions/notre-dame-lesymbole-de-royan/laffaille-et-sarger-ingenieurs-de-notre-dame/ [ 3 1 . 3 . 2 0 0 9 ] . I m Nachlass von Bernard Lafaille in der Cité de l'architecture et du patrimoine in Paris finden sich auch die O r i g i nalpläne und Zeichnungen der Europe N o . 1 Sendehalle auf dem Felsberg. Vgl. http://archiwebture.citechaillot.fr/awt/toc.xsp?fmt=archiwebture&base=fa&idtoc=FRAPN02_LAFBEpleadetoc&id=FRAPN02_LAFBE_objet-7446 [31.3.2009]. 1 0 3 Wie der heutige Leiter der Sendeanlage von E u r o p e N o . 1 auf dem Felsberg, Gilbert Binger, im Interview berichtete, wurde die Sendehalle (Putz, Fliesen, Inneneinrichtung) in jahrelanger Arbeit vom dort beschäftigten Personal nach und nach fertig gestellt. Die finanziellen Probleme in den turbulenten Anfangszeiten des Senders schlugen sich unmittelbar auf die zögerliche Fertigstellung der Senderanlage nieder. Vgl. Interview mit Gilbert Binger, 2 2 . 9 . 2 0 0 8 . 1 0 4 Bernard, Europe 1 , S . 25. 105 Ebd.
Die Anfänge des kommerziellen R u n d f u n k s im Saarland
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stellten diese Pläne eine Katastrophe für den dänischen Rundfunk und zudem eine sträfliche Missachtung der internationalen Frequenzabkommen dar. 106 Im saarländischen Antwortschreiben vom 28. September hieß es zwar, dass eine entsprechende Anfrage zur Benutzung dieser Wellenlänge nicht bekannt sei, doch dass man von dem Vorhaben gehört habe und entsprechende Erkundigungen einziehen werde. Da die versprochenen Informationen jedoch ausblieben, wandte sich die dänische Botschaft in Paris ab N o vember mehrfach an das französische Außenministerium mit der Bitte um Klarstellung. Auch die Internationale Fernmeldeunion (ITU) sowie das Internationale Frequenzregistrierungsbüro (IFRB) befassten sich ab November 1954 mit der Problematik. IFRB-Präsident Noel H. Roberts informierte die Direktion der Post- und Telegrafenverwaltung des Saarlandes sowie die entsprechenden französischen Stellen in einem Schreiben vom 2. Dezember 1954 ausführlich über die geltende Gesetzgebung auf dem Gebiet der Frequenzregulierung und machte deutlich, dass weder dem unter französischer Verwaltung stehenden Saarland noch Frankreich eine entsprechende Frequenz zugeteilt worden sei. 107 Wenn die französische Regierung plane, eine ihr im Kopenhagener Wellenplan zugeteilte Frequenz für den neuen Sender zu nutzen, so müsse sie einen entsprechenden Registrierungsantrag bei der IFRB stellen. Im Dezember häuften sich die Beschwerden. Mit Besorgnis wandte sich die staatliche französische Elektrizitätsgesellschaft Electricité de France an das Industrie- und Handelsministerium. Es wurde befürchtet, dass die hohe Strahlungsleistung des geplanten Senders zahlreiche Kommunikationsdienste des Staatsbetriebes stören könne, so etwa bestimmte Telefonverbindungen oder funkgesteuerte Reglungssysteme, die auf einer Frequenz von 205 k H z arbeiteten. 108 Zwischenzeitlich waren weitere internationale Beschwerden eingegangen, so etwa aus Finnland und Norwegen. Am 31. Dezember, also einen Tag, bevor Europe N o . 1 offiziell auf Sendung gehen sollte, bat der Direktor der politischen Abteilung im Außenministerium (François Seydoux) in einem dringenden Telegramm an den Hohen Kommissar in Saarbrücken darum, bei der saarländischen Regierung zu intervenieren, um den Start der Sendungen zu verschieben, bis eine zufriedenstellende technische Lösung des Frequenzproblems gefunden sei. Seydoux 1=6
Brief von G u n n a r Pedersen an den D i r e k t o r der Saarländischen Post- und Telegrafenverwaltung, 14.8.1954, M A E , E U 1944-1960, Sarre, 171. 1=7 Brief von Roberts an die Direktion der Post- und Telegrafenverwaltung des Saarlandes, 2.12.1954, ebd. 1υ8 Brief der Direktion Gas und Strom im Industrie- und Handelsministerium an die U n t e r d i r e k tion des Saarlandes im französischen Außenministerium, 29.12.1954, M A E , E U 1944-1960, Sarre, 171.
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wiederholte nochmals alle eingegangenen Beschwerden von Seiten der Dänen, Finnen und Norweger und fügte hinzu, dass neben Electricité de France auch das französische Militär Bedenken angemeldet habe, da der Funkverkehr mit bestimmten Radarbaken in der Aeronautik auf der erwähnten Frequenz arbeitete. Als letzte Beschwerde erwähnte Seydoux auch jene von der Internationalen Zivilflugorganisation, die darauf hingewiesen hatte, dass mehrere Flughäfen - unter anderem der von Genf - ihre Radarschirme mit einer Frequenz von 250 k H z betrieben. 109 Nur einen Tag später wurde diese Tatsache dem Sender zum Verhängnis... Doch bei Europe No. 1 gab man sich kämpferisch. Bereits am 2.Januar nahm man die Sendungen wieder auf, diesmal auf der Langwellenfrequenz von 245 kHz, nur um einen Tag später auf die Frequenz von 239,5 k H z auszuweichen. Doch erneuter Protest ließ nicht lange auf sich warten. Diesmal kam er jedoch nicht aus dem fernen Skandinavien, sondern vom Nachbarland Luxemburg, wo der seit zwei Jahrzehnten erfolgreichste Privatsender Europas beheimatet war. Bereits am 6. Januar wurde die luxemburgische Legation in Paris beim Außenministerium vorständig, um ein entsprechendes Eingreifen von französischer Seite zu fordern. Der Konflikt mit Radio Luxemburg traf die französischen Behörden nicht ganz unerwartet. Bereits im Mai 1954 hatte die diplomatische Mission in Saarbrücken in einer ausführlichen Stellungnahme zum Problem des Rundfunks im Saarland darauf hingewiesen, dass es bei der Inbetriebnahme von Europe No. 1 sehr wahrscheinlich zu internationalen Protesten kommen werde, besonderer Widerstand aber von Radio Luxemburg zu erwarten war, da Europe No. 1 eine direkte und massive Konkurrenz für den erfolgreichsten kommerziellen Sender im französischsprachigen Senderaum bedeuten würde. 110 Allerdings wies man im gleichen Atemzug auf die Tatsache hin, dass man sich bezüglich der internationalen Proteste wenig Sorgen zu machen brauche, da circa 50 Prozent aller in Europa ausgestrahlten Rundfunkprogramme auf Wellen sendeten, die im Kopenhagener Wellenplan von 1948 nicht zugewiesen worden waren. Dies entsprach durchaus den Tatsachen, doch der Hinweis darauf, dass sowohl Radio Luxemburg als auch die von den Amerikanern in Deutschland etablierten Sender gegen den Kopenhagener Wellenplan verstießen, entbehrte nicht einer gewissen politischen Polemik. Besonders dann, wenn er aus der Feder des Alliierten Hohen Kommissars Frankreichs in Deutschland, André François-Poncet, stammte. Dieser gab zudem zu bedenken, dass Europe No. 1 - trotz aller aktuellen Debatten - eines Tages zu
1 0 9 Telegramm Nr. 9 3 6 / 9 4 1 von François Seydoux (direction politique/Quai d ' O r s a y ) nach Saarbrücken, 3 1 . 1 2 . 1 9 5 4 , ebd. 1 1 0 Vgl. N o t e confidentielle de la Mission de Sarrebruck, 2 2 . 5 . 1 9 5 4 , ebd.
Die A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s im Saarland
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einem strategischen Pfand französischer Kulturpolitik im Kontext der deutsch-französischen Beziehungen werden könnte. 1 1 1 Tatsächlich ist das Schreiben von François-Poncet ein weiterer Beweis dafür, wie unterschiedlich - wenn nicht gar konträr - man die privaten Rundfunkaktivitäten im Saarland in den verschiedenen französischen Behörden beurteilte. 112 Als französischer Vertreter im Saarland stand Gilbert Grandval den Bemühungen um die Etablierung eines privaten Reklamesenders durchweg positiv gegenüber und schätzte diese, trotz ihres unzweifelhaft kommerziellen Charakters, als im weitesten Sinne der französischen Kulturmission förderlich ein. Den Beschwerden von Radio Luxemburg maß er diesbezüglich keine große Bedeutung zu. Warum sollte der französische Staat, so bemerkte er ironisch, die Interessen eines privaten Senders auf Kosten eines anderen verteidigen? 1 1 3 Obwohl man im Außenministerium generell die Meinung von Grandval teilte, war man - vor allem seit Beginn der internationalen Proteste gegen den Reklamesender Europe No. 1 - darum bemüht, den Konflikt zu entschärfen und strebte eine diplomatische Lösung des Problems an. Dies erschien vor allem in der Auseinandersetzung mit Radio Luxemburg der einzig gangbare Weg, da sich die Verantwortlichen des Senders dagegen verwahrten, in direkte Verhandlungen mit der Saarländischen Fernseh A G zu treten. 114 Eine entsprechende Initiative, die Interferenzprobleme im Rahmen einer gemeinsamen technischen Kommission zu lösen, war Mitte Januar von den Verantwortlichen der Fernseh A G ausgegangen und auch von der Saarländischen Regierung unterstützt worden. Wegen der Verweigerungshaltung der Verantwortlichen von Radio Luxemburg setzte man in Saarbrücken nunmehr auf die Autorität der Internationalen Fernmeldeunion, die sich des Problems als neutrale, durch internationale und völkerrechtlich verbindliche Verträge legitimierte Institution annehmen sollte.
' " „ Q u o i q u ' i l en soit, u n e entreprise de l ' o r d r e de celle q u i est projetée, serait susceptible de constituer un jour entre les mains de la France, à l'occasion de f u t u r s p o u r p a r l e r s f r a n c o - a l l e mands, un élément de négociation d ' a u t a n t plus puissant q u ' o n lui aura p e r m i s d ' a t t e n d r e son plein d é v e l o p p e m e n t et son entière valeur." Brief von A n d r é F r a n ç o i s - P o n c e t an Pierre M e n d è s France, 1 4 . 8 . 1 9 5 4 , A O F A A , H C Sarre, C a b , 100. Vgl. z u m Kontext v o n F r a n ç o i s - P o n c e t s A r g u m e n tation: H é l è n e M i a r d - D e l a c r o i x , Q u e s t i o n nationale a l l e m a n d e et nationalisme. Perceptions françaises d ' u n e p r o b l é m a t i q u e a l l e m a n d e au d é b u t des années c i n q u a n t e , Villeneuve d ' A s c q 2004. 112 Einig w a r m a n sich lediglich in der Feststellung, dass man - schon w e g e n der involvierten f r a n zösischen Kapitalinteressen - verhindern müsse, dass die Fernseh A G bzw. die technischen Einrichtungen u n d A n l a g e n im Saarland in b u n d e s d e u t s c h e H ä n d e fielen. 113 „Aussi bien la véritable c o n c u r r e n c e de la station sarroise ne paraît-elle pas d e v o i r s'exercer sur la presse française, mais sur d'autres stations de r a d i o d i f f u s i o n privées, et n o t a m m e n t R a d i o L u x e m b o u r g . M a i s je vois mal l'intérêt q u e nous aurions, à cet égard, à p r e n d r e la défense d ' u n poste privé au d é t r i m e n t d ' u n autre." Schreiben von Gilbert Grandval an Pierre M e n d è s France, 1 1 . 1 2 . 1 9 5 4 , A O F A A , H C Sarre, C a b , 100. 114 Brief des f r a n z ö s i s c h e n Botschafters in L u x e m b u r g , 2 4 . 1 . 1 9 5 5 , ebd.
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Eine von diesen Positionen gänzlich abweichende Haltung nahm man wiederum im französischen Informationsministerium ein, wo man den Aktivitäten der so genannten „stations périphériques" generell sehr kritisch und ablehnend gegenüber stand. Implizit wurden die Aktivitäten von Radio Andorra, Télé Monte-Carlo und von Europe No. 1 als subversive, die Autorität bzw. das Monopol des französischen Staates auf dem Gebiet des Rundfunks untergrabende Entwicklungen gesehen. Zwar sicherte sich der französische Staat bei allen Sendern über die finanzielle Beteiligung der S O F I R A D ein Mitsprache- und Verdienstrecht, doch überwog aus informationspolitischer Perspektive eine deutliche Skepsis und Kritik an dem Phänomen der „périphériques". Obwohl im Außenministerium seit längerem Stimmen laut geworden waren, die eine interministerielle Koordination des Europe No. 1Problems forderten, blieb es de facto bei bloßen Absichtserklärungen, die in regelmäßigen Abständen und in unterschiedlicher Dringlichkeit angemahnt wurden. 115 In einer neunseitigen Rekapitulation der Ursprünge, des Verlaufs sowie des aktuellen Standes des Problems des Rundfunks im Saarland kam man in der Saar-Direktion des Außenministeriums zu dem ernüchternden Ergebnis, dass es sich bei dem gegenwärtigen Konflikt im Prinzip um einen Konkurrenzkampf zwischen zwei privaten Gesellschaften handelte, die es beide verstanden hätten, sich der Unterstützung und Vorteilnahme unterschiedlicher politischer Akteure zu versichern. 116 Die divergierenden Haltungen bei den französischen Behörden wurden von den Verantwortlichen der Saarländischen Fernseh A G , allen voran vom Vorstandsvorsitzenden Henri de France, gezielt ausgenutzt, um die Interessen der Gesellschaft zu befördern und sich die Unterstützung des französischen Staates auf unterschiedlichen Ebenen zu sichern. So wandte sich Henri de France am 20. Januar mit einem persönlichen Schreiben an den französischen Ministerpräsidenten Pierre Mendès France (der bis zu diesem Tag auch das Amt des Außenministers in Personalunion innehatte), in dem er sich über die mangelnde Rückendeckung für Europe No. 1 seitens der französischen Regierung beklagte. Obwohl die Pläne zum Aufbau und Start der Sendungen engstens mit diversen Regierungsstellen abgesprochen wor1 1 5 Siehe N o t i z vom 2 7 . 1 . 1 9 5 5 (ohne N a m e n , ohne Betreffzeile), in der die diversen (gescheiterten) Initiativen zu einer interministeriellen Beratung des Problems aufgelistet sind, M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 172. 1 1 6 „II est clair que nous nous trouvons ici en présence d'une affaire de concurrence entre deux entreprises commerciales; chacune dispose de l'appui d'un certain n o m b r e d'hommes politiques dont elle essaie de tirer parti. C ' e s t pourquoi, sans doute, la question a, pendant plusieurs mois, été traitée par le cabinet du précédent ministère qui, non seulement n'a pas informé les services, mais leur a parfois fait comprendre qu'elle dépassait leur compétence." Neunseitige N o t e Radio Europe 1, verfasst von der Saardirektion im französischen Außenministerium, 2 4 . 1 . 1 9 5 5 , M A E , E U 1 9 4 4 1960, Sarre, 172, hier S.8.
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den seien, bringe die aktuelle Zurückhaltung der Regierung nicht nur die Saarländische Fernseh A G in existentielle Probleme, sondern sie untergrabe zudem die Glaubwürdigkeit der französischen Industrie, weil ja die Aktivitäten von Europe N o . 1 vornehmlich dem Ziel dienten, die prestigeträchtige 819-Zeilen-Technologie im Ausland zu vermarkten. 1 1 7 N u r einen Tag später wandte sich de France in einem weiteren Schreiben an die Saarländische Landesregierung, diesmal mit dem Vorschlag, die Auseinandersetzung mit Radio Luxemburg auf Ebene der Europäischen Rundfunkunion ( E B U ) zu regeln. D e m Brief war ein neunseitiger Vermerk beigefügt, in dem die Saarländische Fernseh A G sich gegen die „gut orchestrierte Pressekampagne" gegen Europe N o . 1 verteidigte und Radio Luxemburg vorwarf, eine gütliche Regelung des Interferenzproblems zu torpedieren. Bereits im Juli 1953 habe Radio Luxemburg den Vorstand der Saarländischen Fernseh A G - in dem ja auch die Saarländische Landesregierung vertreten sei - wissen lassen, dass es die geplante Errichtung eines kommerziellen Radiosenders mit allen Mitteln zu unterbinden versuchen werde. Als im Dezember 1954 die ersten Versuchssendungen von Europe N o . 1 ausgestrahlt worden seien, habe sich der Generalsekretär von Radio Luxemburg, Jacques du Closel, persönlich an das Vorstandsmitglied der Saarländischen Fernseh A G Armand Vorms gewandt, um eine Aufteilung des Marktes in zwei ,zones d'influence' zu erreichen. Ziel dieser ominösen Initiative sei es gewesen, so de France, Radio Luxemburg den exklusiven Zugriff auf das französischsprachige Publikum zu garantieren und Europe N o . 1 den deutschsprachigen Markt zu überlassen. 1 1 8 Trotz der wiederholten Bitten des Quai d'Orsay sowie der Saarländischen Landesregierung an die Verantwortlichen von Radio Luxemburg, sich mit einer technischen Delegation der Saarländischen Fernseh A G zu treffen, um die Interferenzprobleme gemeinsam zu lösen, hielt man in Luxemburg an einer diplomatischen Lösung des Konflikts fest. Auch die Verlagerung der Debatte auf die Ebene der Europäischen Rundfunkunion wurde abgelehnt, da dies bedeuten würde, so die Argumentation des luxemburgischen G e sandten in Frankreich und außerordentlichen Ministers Robert Als, dass man auf gleicher rechtlicher Ebene miteinander verhandeln werde. Dies kam für die Luxemburger nicht in Frage, die Europe N o . 1 als illegalen .Aggressor' ansahen, der die wenn auch nicht völkerrechtlich festgeschriebenen, so doch historisch gewachsenen Rechte des Senders Radio Luxemburg verletzte. 1 1 9 Die luxemburgische Regierung bestand darauf, dass nur die Saar117
Brief von Henri de France an Pierre Mendès France, 2 0 . 1 . 1 9 5 5 , ebd.
Vgl. N o t e de la Société Sarroise de Télévision au Gouvernement Sarrois, 2 0 . 1 . 1 9 5 5 , ebd., S.3f. 118
1 1 9 Geheimer Bericht über den Besuch des luxemburgischen Ministers R o b e r t Als bei dem französischen Außenminister Edgar Faure, 3 1 . 1 . 1 9 5 5 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 172.
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ländische Landesregierung als Ansprech- und Verhandlungspartner Luxemburgs in dieser Frage agieren durfte, nicht aber die Saarländische Fernseh A G als private Kapitalgesellschaft. 120 Tatsächlich wurde die Saarländische Regierung in diesem Sinne als Vermittler aktiv und es kam am 2. März 1955 zu einem Treffen zwischen technischen Experten der Saarländischen Post- und Kommunikationsbehörde und Vertretern von Radio Luxemburg in Luxemburg Stadt. Dort wurden zwei Lösungsvarianten diskutiert: zum einen die geringfügige Veränderung sowohl der Sendefrequenz von Radio Luxemburg (von 233 auf 236 kHz) als auch von Europe No. 1 (auf 227 kHz), um einen Frequenzabstand von 9 kHz zu erreichen und somit störende Interferenzen zu vermeiden, zum anderen die Verlagerung der Sendefrequenz von Europe No. 1 auf 181 oder 182 kHz. 1 2 1 Bereits vor dem Treffen war Frédéric Billmann im Auftrag der Saarländischen Fernseh A G nach Oslo gereist, um mit der Norwegischen Rundfunkgesellschaft darüber zu verhandeln, ob eine gemeinsame Nutzung der Wellenlänge von 227 kHz für die Norweger akzeptabel wäre. Billmann berichtete der Saarländischen Regierung jedoch bereits am 19. Februar, dass die Norweger sich gegen eine solche Lösung ausgesprochen hätten, da es sich bei der entsprechenden Frequenz um eine dem norwegischen Rundfunk als Exklusivwelle zugestandene Langwelle handelte. 122 Als einziger Ausweg bot sich daher die Frequenz von 182 kHz an, die im Kopenhagener Wellenplan zwar drei Sendern als so genannte partagierte Welle zugeteilt war, jedoch lagen die Sender Ankara, Reykjavik und Luleä (Schweden) jeweils mehr als 2 000 km voneinander entfernt, was die Gefahr störender Interferenzen stark reduzierte. In der Tat sollten Testsendungen erweisen, dass es aufgrund der Ausrichtung des Senders in Richtung Frankreich nicht zu störenden Interferenzen mit den oben genannten Sendern kam, so dass Europe No. 1 ab Anfang April mit einem regelmäßigen Sendebetrieb auf der Langwelle von 182 kHz durchstartete. Dass der ebenfalls auf dieser Frequenz ausstrahlende DDR-Sender Königswusterhausen (später umbenannt in Sender Oranienburg) gestört wurde, nahm man ohne größere Sorge in Kauf, da es sich - so der damalige Tenor - um einen nicht registrierten kommunistischen Propagandasender handele. 123 Damit wurde auch dem .heiteren Frequenzraten',
120 Y g ] Telegramm von Massiole, Direction d'Europe, Q u a i d'Orsay, an die französische Vertretung in Saarbrücken, 1 7 . 2 . 1 9 5 5 , ebd. Telegramm von Grandval an das Außenministerium, 4 . 3 . 1 9 5 5 , ebd. Vgl. Vermerk zum Vorgang Fernseh A G , 1 9 . 2 . 1 9 5 5 , L A SB, A A 86. 1 2 3 D e facto kam es jedoch zu erheblichen Interferenzen zwischen E u r o p e N o . 1 und dem Sender Königswusterhausen, die ja lediglich ca. 700 k m voneinander entfernt lagen. Laut Zeitzeugenbericht des späteren Geschäftsführers der Europäischen R u n d f u n k und Fernseh A G , Volker Knist, einigten sich französische Stellen mit den entsprechenden Verantwortlichen in der D D R darauf, 121
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das in Paris unter dem Motto „cherchez Europe n° 1" zum beliebten Sport avanciert war, ein Ende bereitet. 124 Auch François Seydoux konnte nach einem Besuch des luxemburgischen Botschafters am 4. April 1955 freudig vermelden, dass die Streitigkeiten zwischen Radio Luxemburg und Europe No. 1 vollständig beigelegt seien. „Une parfaite entente règne entre les deux Sociétés", so Seydoux in einem internen Memorandum der Direction d'Europe im Quai d'Orsay! 1 2 5 5.2 Deutsch-französische
Frequenzdiplomatie
Damit war das Kapitel der Akzeptanz von bzw. der Debatte um Europe No. 1 zwar keineswegs vom Tisch 126 , doch die technischen Geburtswehen des Senders und die internationalen Streitigkeiten um die Sendefrequenz schienen vorerst beendet. Auf bilateraler Ebene jedoch war die Frage, wem die Sendefrequenz von Europe N o . 1 eigentlich gehörte, keineswegs geklärt. Im Rahmen des deutsch-französischen Grundsatzabkommens zur Regelung der Saarländischen Fernseh AG-Problematik vom Dezember 1958 war man von Seiten des Bundespostministeriums davon ausgegangen, dass man die Sendefrequenz für Europe No. 1 übergangsweise noch bis 1961 zur Verfügung stellen wollte. Für dieses Jahr war eine neue internationale Funkkonferenz zur Regelung des Lang- und Mittelwellenrundfunks angesetzt worden,
dass beide Sender ihre Sendefrequenzen leicht veränderten, um die Störungen zu minimieren. Vgl. Interview mit Volker Knist, 2 5 . 8 . 2 0 0 8 . Bernard, Europe 1, S . 2 5 . N o t e de la Direction Générale Politique/François Seydoux, Paris, 5 . 4 . 1 9 5 5 , M A E , E U 19441960, Sarre, 172.
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1 2 6 A u c h in späteren Jahren kam es immer wieder zu Beschwerden wegen Interferenzproblemen. Diese waren unter anderem dem Wettlauf um immer höhere Senderleistungen geschuldet, den sich Europe N o . 1 mit seinem Konkurrenten Radio Luxemburg bis E n d e der 1970er Jahre lieferte. Wegen massiver Beschwerden von schwedischer Seite wurde 1959 auf dem Felsberg ein dritter Sendemast errichtet, der das Ausstrahlungsdiagramm korrigieren sollte, d. h. Störsignale in Richtung N o r d e u r o p a durch eine stärker gebündelte Ausstrahlung in Richtung Süden Europas verhinderte. D o c h brach in den sechziger Jahren ein Leistungswettbewerb zwischen R T L und Europe N o . 1 aus, der Ende der siebziger Jahre zu einem regelrechten Kollaps des Langwellenrundfunks in Europa führte. Als man 1977 bei Europe N o . 1 nach der Errichtung eines zweiten 1 MW-Senders (zu den bestehenden 6 Sendern, die gekoppelt eine Leistung von 2,4 M W aufbrachten) mit einer gekoppelten Gesamtleistung von 3,4 Megawatt auszustrahlen begann, kam es wegen der enormen Strahlungsleistung zu einer Ubersteuerung der Ionosphäre oberhalb des Senders, die in ganz Europa zu enormen Störungen des Langwellenspektrums führte. Dieses als .Luxemburg-Effekt' bezeichnete Uberlagerungsphänomen sorgte beispielsweise dafür, dass man in Frankreich selbst auf der Frequenz von Radio Luxemburg nun Europe N o . 1 hörte. N a c h gemeinsamen Untersuchungen von Radio Luxemburg und Europe N o . 1, an denen sich auch Fachleute des Instituts für Rundfunktechnik in München sowie französische Behörden beteiligten, einigte man sich schließlich darauf, die maximale Senderleistung auf 2 M W zu begrenzen. Vgl. Interview mit Gilbert Binger, 2 2 . 9 . 2 0 0 8 .
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auf der man - so die bundesdeutsche Hoffnung - das Problem Europe No. 1 auf Basis internationaler Abkommen würde regeln können. Tatsächlich kam es 1962 zu einer Wellenkonferenz in Stockholm, auf der die Regulierung der hochfrequenten Radiowellen für den UKW-Hörfunk sowie den VHF- und UHF-Fernsehfunk im europäischen Rundfunkraum beschlossen wurden. Da die Lang- und Mittelwellen wegen ihres transnationalen und paneuropäischen Charakters zu den international heftig umstrittenen Frequenzen gehörten, schob man die dringend notwendige Regulierung dieses Frequenzspektrums aus politischen Gründen aber immer wieder auf. 127 Erst im Oktober 1974 berief die Internationale Fernmeldeunion in Genf eine Lang- und Mittelwellenkonferenz ein, auf der Delegationen aus 87 Mitgliedsländern der Regionen I und III (Europa/Afrika und Asien/Australien) die Neuverteilung des Frequenzspektrums für diese Wellenbereiche diskutierten. Nach einer zweiten Verhandlungsrunde im November 1975 sollte man sich dann auf einen neuen Wellenplan einigen. 128 Im Zuge der Vorbereitungen der Genfer Wellenkonferenz kam es zu zwei Treffen zwischen einer bundesdeutschen und französischen Delegation mit dem Ziel, die Interessen beider Staaten bei den internationalen Verhandlungen in Genf mittels einer gemeinsamen Strategie bestmöglich durchsetzen zu können. Trotz des begrenzten Frequenzspektrums für Langwellen 129 wollten sich sowohl die Franzosen wie die Bundesrepublik in Genf jeweils zwei Langwellen sichern. Ein Vorhaben, welches ohne gegenseitige Unterstützung der jeweiligen Forderungen sowie intensive Lobbyarbeit nicht durchsetzbar war. A m 21. April 1975 kam es in Bonn daraufhin zu einem
127 Christian Henrich-Franke, Globale Regulierungsproblematiken in historischer Perspektive. Der Fall des Funkfrequenzspektrums 1945-1988, Baden-Baden 2006. 128 Zu den Details der beiden Sitzungsperioden: Hermann Jäger, Der Rundfunk Mitteleuropas im neuen Genfer Wellenplan, in: Funkschau 24, 1978, S. 1194-1197. 129 Das für den Langwellenfunk bereitgestellte Frequenzspektrum von 155 k H z bis 281 k H z war in 15 Kanäle von 9 k H z eingeteilt. De facto definierte jeder Kanal eine Sendefrequenz für einen Langwellensender. Zwischen den Sendefrequenzen zweier benachbarter Sender wurde ein Abstand von 9 k H z festgelegt, um gegenseitige Interferenzen zu vermeiden. Für das Langwellenband standen somit im Prinzip nur 15 exklusive Sendefrequenzen zur Verfügung. Der tatsächliche Bedarf war jedoch viel größer, weshalb Frequenzen mehrfach zugeteilt wurden. Dabei wurde versucht, geographisch weit voneinander entfernten Sendern ein- und dieselbe Sendefrequenz zuzuteilen, in der Hoffnung, so die Interferenzen möglichst gering zu halten. Als Regulierungsinstrument legte die ITU für die jeweiligen Sender bestimmte Leistungs- und Ausstrahlungskriterien fest. So teilte sich Europe No. 1 (2 000 k W Sendeleistung und Richtstrahlantenne) nach dem Genfer Wellenplan von 1977 die Wellenlänge von 182 k H z mit dem Sender Oranienburg (770 k W Leistung und Rundstrahlantenne), dem Sender Ankara (mit 1 200 k W Sendeleistung und Rundstrahlantenne) und dem Sender Kiruna in Schweden (mit 600 k W und Richtstrahlantenne). Diese Mehrfachbelegung von Sendefrequenzen sorgte vor allem während der Winternächte - wenn sich Langwellen am besten ausbreiten - für unschöne Störsignale, die den Langwellenempfang für viele Hörer unattraktiv machten.
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ersten Treffen französischer und bundesdeutscher Experten, um die gemeinsame Strategie für die zweite Sitzungsperiode in Genf zu besprechen. Man einigte sich darauf, dass die Bundesrepublik dem französischen Antrag auf zwei Langwellen zustimmen werde, wobei es sich bei einer der beiden Frequenzen um die von Europe N o . 1 (182 kHz) handeln sollte. Umgekehrt erklärte sich die französische Delegation bereit, die bundesdeutsche Forderung nach zwei Langwellen, die wegen der deutschen Spaltung in Bundesrepublik und D D R umstritten war, nach Kräften zu unterstützen. 130 Tatsächlich konnten sowohl die französischen wie die bundesdeutschen Forderungen durchgesetzt werden, so dass der Genfer Wellenplan Frankreich die beiden Langwellensender Allouis (France Inter, 162 kHz) und Europe N o . 1 (182 kHz) und der Bundesrepublik die Sender Donebach (Deutschlandfunk, 153 kHz) und Aholming (bei München, ebenfalls für die Ausstrahlung des Deutschlandfunks genutzt, 209 kHz) zuteilte. Mit Inkrafttreten des Genfer Langund Mittelwellenplans am 23. November 1978 und damit dem offiziellen Ubergang der Europe N o . 1 Frequenz an Frankreich waren die jahrelangen deutsch-französischen Streitigkeiten um den internationalen Status von Europe N o . 1 - zumindest aus technopolitischer Perspektive - beigelegt. 5.3 „ Vous êtes formidables!":
Auf dem Weg zur Nummer
1 in
Frankreich
Nicht minder aufregend als die frequenztechnischen Auseinandersetzungen waren die finanziellen und programmtechnischen Herausforderungen, vor denen der neue Radiosender Anfang 1955 stand. Aus den autobiographischen Zeugnissen der Europe N o . 1-Pioniere Maurice Siegel und Louis Merlin sowie der extensiven Chronik aus der Feder von Luc Bernard lässt sich erahnen, mit welchen organisatorischen und wirtschaftlichen Aufgaben sich der neue Sender konfrontiert sah. So galt es innerhalb kürzester Zeit eine Redaktionsmannschaft zusammenzustellen, die dem neuen Sender ein eigenes Sendeprofil geben musste. Zwar konnte mit Pierre Sabbagh ein erfahrener Rundfunkmann als Programmchef gewonnen werden, doch kamen die meisten angeheuerten Journalisten von der Presse und mussten bei Europe N o . 1 ihr rundfunkjournalistisches Handwerk erst noch erlernen. Ohne Zweifel sorgten die Unerfahrenheit und professionelle Naivität, mit der zahlreiche Europe N o . 1-Mitarbeiter hinter den Mikros und Mischpulten agierten, auch für eine erfrischende Unkonventionalität in der Programmgestaltung und 1 3 0 Protokoll der Aufsichtsratssitzung der Europäischen Rundfunk und Fernseh A G vom 6 . 1 0 . 1 9 7 5 , in dem Henri de France, der Mitglied der französischen Delegation war, ausführlich über die beiden Treffen berichtet. Einsicht in dieses Protokoll und andere Protokolle von Aufsichtsratssitzungen der Europäischen Rundfunk und Fernseh A G wurde mir freundlicherweise von Rüdiger Furkel in Saarbrücken gewährt.
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Berichterstattung, welche zahlreiche Menschen begeisterte und zu treuen Hörern des Senders machte. Dass Europe No. 1 es letztlich binnen kurzer Zeit tatsächlich schaffte, zu einem der beliebtesten und meistgehörten Sender im französischsprachigen Raum zu werden, war unzweifelhaft das Mitverdienst von Louis Merlin, den Charles Michelson Anfang 1955 von Radio Luxemburg abwerben konnte. Zusammen mit einer jungen Mannschaft von engagierten und experimentierfreudigen Journalisten entwickelte Merlin neue Sendeformate, die sich vor allem durch einen direkteren, authentischeren Stil auszeichneten. Galt Merlin bei Radio Luxemburg als Erfinder der gesponserten Sendeformate 131 , wendete er sich nun radikal vom Programmsponsoring ab und konzipierte eigenständige, von Programminhalten unabhängige Werbeblöcke, in denen Reklamespots ausgestrahlt wurden. Diese Trennung von Reklame- und Unterhaltungs- bzw. Informationsformaten ermöglichte eine größere Flexibilität in der Programmplanung, die von Sponsoren wie Hörern gleichermaßen als attraktive Neuerung empfunden wurde. 132 Nicht minder bedeutend war jedoch Merlins Einfluss auf die Form und den Stil der Unterhaltungs- wie Informationsformate des neuen Senders. Zum einen wurde versucht, die Hörer so viel und so oft wie eben möglich in die Sendungen bzw. die Aktivitäten des Senders einzubeziehen. „Vous êtes formidables!", so lautete der Name einer bald legendären Sendung, deren simples Konzept daraus bestand, die Hörer selbst zum Thema und Akteur der Sendung zu machen. 133 Eine andere Form der Hörerbeteiligung, die im Laufe der Jahre zum Markenzeichen des Senders wurde, stellten die Aufrufe
1 3 1 Vgl. Les innovations de R a d i o - L u x e m b o u r g sous l'impulsion de Louis Merlin, in: Cahiers d'Histoire de la Radiodiffusion, 73, 2002. Hierbei handelt es sich um eine Artikelserie verschiedener Autoren, die der Geschichte Radio Luxemburgs gewidmet ist. Merlin war zudem D i r e k t o r der Firma Programmes de France, die zahlreiche der von Radio Luxemburg ausgestrahlten P r o gramme produzierte. 1 3 2 Mit Europe N o . 1 vollzieht sich in E u r o p a erstmals jener Wandel vom spartenübergreifenden Sender zum Formatradio, der die Radiolandschaft in den U S A ab E n d e der 1940er Jahre kennzeichnete. Genau jener Wandel vom Programmsponsoring (meist von ganzen Serien; so zum Beispiel die von dem amerikanischen Lebensmittelkonzern Kraft gesponserten D r a m a - und Fiktionsserien, die unter dem Titel Kraft Television Theatre bei N B C - ab 1947, und ab 1953 auch bei A B C ausgestrahlt wurden) - zum programmunabhängigen Reklamespot kennzeichnete die E n t w i c k lung des amerikanischen Fernsehen zu Anfang/Mitte der 1950er Jahre. Es ist durchaus denkbar, dass Merlins Überlegungen von dieser Entwicklung inspiriert waren. Vgl. hierzu: William Boddy, Fifties Television. T h e Industry and Its Critics, U r b a n a / C h i c a g o 1993. Vgl. zur Geschichte des Formatradios auch im europäischen Raum: R o b e r t Chapman, Selling the Sixties. T h e Pirates and Pop Music Radio, L o n d o n 1992. 1 3 3 Bernard, Europe 1, S. 3 4 f . „Vous êtes formidables!" ging am 5 . 4 . 1 9 5 5 erstmals auf Sendung mit der einfachen Idee: „ N o u s émettons, est-ce que vous nous entendez?" D e m am weitesten entfernten H ö r e r wurde ein Besuch der Sendestation in Aussicht gestellt. Tatsächlich meldete sich ein H ö r e r aus D a k a r . . .
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zu Spenden bei Naturkatastrophen und schweren Unglücken oder zu bestimmten politisch motivierten Aktionen dar. Damit verbunden war die zweite strategische Anweisung von Seiten der Programmplaner, nämlich Nachrichten zu dramatisieren und durch Augenzeugenberichte zu personalisieren. Zum zukunftsweisenden .Lehrstück' dieser auf Emotionalisierung und Dramatisierung gegründeten Informationspolitik des Senders wurden die Berichterstattungen rund um die großen Überschwemmungen im September 1955, als die Seine an zahlreichen Stellen über die Ufer trat und große Landstriche unter Wasser setzte. Zum technischen Handlanger dieser neuen Form des Sensationsjournalismus wurden portable Magnetbandaufzeichnungsgeräte, besonders jene der Schweizer Firma Nagra. 134 So wie die Videokamera die Fernsehberichterstattung in den 1970er Jahren revolutionieren sollte, prägte der Einsatz mobiler Tonaufnahmegeräte einen neuen Stil der Radioreportage, der sich durch erhöhte Authentizität und Unmittelbarkeit auszeichnete. Die als demokratisierend beschriebene Wirkung des Tonbandgerätes auf der Seite der Informationsproduktion wurde auf Seiten der Konsumenten sekundiert durch die massive Verbreitung des Transistorradios, das zum Symbol einer mobilen und juvenilen Radiogeneration wurde. 135 Nagra und Transistor wurden im Laufe der 1950er und 1960er Jahre zu den materielltechnischen Agenten einer neuen Hörkultur, für die Europe N o . 1 die entsprechenden Formate bereitstellte. Sicherlich sorgten populäre Musiksendungen wie „Pour ceux qui aiment le Jazz", „Europe Jeunesse" (der Vorgänger der legendären Sendung „Salut les copains") oder „Musicorama" von Beginn an für eine steigende Popularität des Senders beim jugendlichen Publikum, doch es war die innovative Form der politischen Berichterstattung, die dem Sender vor allem in Zeiten politischer Krisen (so etwa der Suez-Krise, dem Algerienkonflikt oder den Unruhen vom Mai 1968) zu großem öffentlichen Ansehen verhalf - sowohl bei den französischen Intellektuellen (die das Staatsmonopol des französischen Rundfunks natürlich verurteilten)
134 D e r F i r m e n n a m e sollte in Frankreich z u m S y n o n y m f ü r alle portablen Magnetbandaufzeichnungsgeräte werden. Vgl. z u r Geschichte der Nagras in Frankreich: h t t p : / / w w w . n a g r a - f r a n c e . f r / histoire.htm [31.3.2009]. Vgl. zur Geschichte der Magnetbandaufzeichnungsgeräte aus technikund alltagshistorischer Perspektive: Karin Bijsterveld, ,What D o I D o with M y Tape Recorder... ?' Sound H u n t i n g and the Sounds of Everyday D u t c h Life in the 1950s and 1960s, in: Historical Journal of Film, Radio and Television, 24:4, 2004, S. 614-634. 135 „Les transistors deviennent les vecteurs de l'information ... N o n seulement la radio est plus rapide, mais ses images sonores d o n n e n t la couleur de l'époque ... L'oreille collée à son transistor, on a le sentiment de vivre au coeur de l'Histoire." Zitiert nach: Bernard, E u r o p e 1, S. 69. Vgl. zur Geschichte des Transistorradios: Andreas Fickers, „Der Transistor" als technisches und kulturelles Symbol. Die Transistorisierung der Radio- u n d Fernsehempfänger in der deutschen R u n d f u n k i n dustrie von 1955 bis 1965, Bassum 1998.
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wie in breiteren Bevölkerungsschichten im französischsprachigen In- und Ausland. 136 Europe No. 1 wurde - zumindest für den französischsprachigen Raum - zu jenem „Impulsgeber, Verstärker und Synchronisator", der das Radio in den 1950er Jahren zum Leitmedium politischer und populärkultureller Unterhaltung machte. 137 Obwohl sich der Sender innerhalb kürzester Zeit einen Namen machte die zum Teil heftigen Angriffe gegen den Sender von Seiten der parteipolitischen französischen Presse bescherten ihm letztlich nur weitere mediale Aufmerksamkeit - , stand er finanziell gesehen auf sehr wackligen Beinen. Die finanziellen Schwierigkeiten der Radio-Industrie sowie die Krise der Société Monégasque de Banque de Métaux Précieux wirkten sich unmittelbar auf die Finanzlage des Senders aus, der seinen Angestellten im Laufe des Jahres 1955 mehrfach Gehaltseinbußen oder gar Kündigungen zumuten musste. Erst der (erzwungene) Rückzug von Charles Michelson und der Einstieg von Sylvain Floirat sorgten ab Anfang 1956 für eine finanztechnische Stabilisierung der Lage. 138 Floirat entwickelte sich im Laufe der Jahre zum unangefochtenen Grand Patron von Europe No. 1, der bis ins hohe Alter der Redaktion in der rue François I er einen täglichen Pflichtbesuch abstattete.
136 Wie sich später herausstellte, sorgte die Verbreitung des Europe No. 1-Signals über die so genannte Raumwelle (Reflektion des Signals an der Ionosphäre) für einen besonders guten Empfang des Senders in Nordafrika. Dadurch gewann der Sender - gerade im Kontext des Algerienkrieges - eine enorme informationspolitische Bedeutung. Diesen interessanten Hinweis verdanke ich Herrn Gilbert Binger. Vgl. Interview mit Gilbert Binger, 22.9.2008. 137 Vgl. hierzu für die Bundesrepublik die hervorragende Studie: Detlef Siegfried, Time is on m y side. Konsum und Politik in der westdeutschen Jugendkultur der 60er Jahre, Göttingen 2006. 138 Laut Luc Bernard war der Verkauf von Michelsons Anteilen an Floirat keine freiwillige Entscheidung von Michelson. Dieser hatte am 6.10.1955 von Innenminister Maurice Bourgès-Maunoury .Hausarrest' auf Korsika bekommen, anscheinend wegen staatsunzuträglichem Verhalten. Angeblich war die Aufhebung der .Verbannung' (am 6.6.1956) mit der Auflage verbunden, dass Michelson seine Anteile an der Gesellschaft Image et Son an Floirat verkaufte, was am 17.7.1956 geschah. Im Interview mit Luc Bernard gab Bourgès-Maunoury später zu, dass die Ausweisung wahrscheinlich aufgrund falscher polizeilicher Hinweise geschehen sei, Michelsons Aktivitäten auf dem Gebiet des kommerziellen Rundfunks jedoch allgemein als ein nicht tolerierbarer Angriff auf das staatliche Rundfunkmonopol betrachtet worden seien. Bernard, Europe 1, S. 40 und entsprechende Fußnoten. Auch in einem Dokument des Informationsministeriums vom Juni 1964, in dem das Problem der „stations périphériques" einer allgemeinen politischen Beurteilung unterzogen wird, heißt es unmissverständlich: M. Floirat, qui avait pris en 1956 le contrôle du groupe sur l'intervention pressante du Gouvernement français . . . " Problèmes de Télé Monte-Carlo et d'Europe n° 1, mai 1964, Ministère de l'Information (12 Seiten), Archives Nationales ( C A C Fontainebleau) (im Folgenden AN), Signatur 20010086, Art.216, hier S.2.
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Die A n f ä n g e des kommerziellen R u n d f u n k s im Saarland
6. Die rundfunkpolitischen Nachwehen von Europe No. 1 im Saarland Mit dem Einstieg Floirats standen die Aktivitäten der Saarländischen Fernseh A G auf einem soliden finanziellen Fundament, auch wenn die Bilanzen bis 1958 noch rote Zahlen aufwiesen. Bis zum 30. September 1958 hatte die Gesellschaft einen Reinverlust von rund 367 Millionen Franken erlitten. Diese Verlustgeschäfte waren auf die hohen Investitionen in die technische Infrastruktur sowie die unrentablen Fernsehaktivitäten zurückzuführen. Mit der Beendigung von Tele-Saar im Juli 1958 sollten sich die Bilanzen des Unternehmens schlagartig ins Positive wenden: aus dem Verlustgeschäft wurde ein extrem profitables Unternehmen. Bereits im August 1959 konnte ein Bilanzgewinn von 338 800921 Franken erwirtschaftet werden, der in den folgenden Geschäftsjahren kontinuierlich stieg. Im Geschäftsjahr 1961/62 wurde ein Reingewinn von umgerechnet 3 244 797 D M verbucht, was einer Dividende von 57 Prozent entsprach. 1 3 9 Die Konzentration auf den kommerziellen Hörfunk bzw. die Ausstrahlung eines französischsprachigen Radioprogramms bedeutete in gewissem Maße auch das Ende der im engeren Sinne saarländischen Interessen der Saarländischen Fernseh A G . Auf der Vorstandssitzung vom 26.Juni 1959 wurde daraufhin beschlossen, die G e sellschaft umzubenennen und ihr den neuen Firmennamen Europäische Rundfunk und Fernseh A G zu geben. Damit wollte man - ganz im Sinne der bereits bei Europe N o . 1 verfolgten Namenspolitik - der Gesellschaft ein europäisches Image geben, obwohl es sich de facto um eine (zumindest kapitalmäßig) fast vollständig französische Gesellschaft handelte.
6.1 Zensur oder Zaster? Frankreichs ambivalente Europe No. 1
Politik
gegenüber
Hatte sich damit die Lage der ehemaligen Saarländischen Fernseh A G Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre sowohl finanziell wie institutionell stabilisiert, kam es im Laufe der 60er Jahre trotzdem immer wieder zu politischen Diskussionen über den Status und die Legalität der kommerziellen Rundfunkaktivitäten der Gesellschaft, und zwar auf französischer wie bundesdeutscher Seite. In Frankreich zeichnete sich die Lage durch eine in ihren Grundzügen absurd anmutende Ambivalenz der politischen Entscheidungsträger aus. Auf der einen Seite sicherte sich der französische Staat 1959 über die S O F I R A D 25 Prozent der Aktien von Europe N o . 1 und profitierte in den folgenden Jahren erheblich von den erwirtschafteten Gewinnen des 139
Berwanger, Massenkommunikation, S.272.
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Unternehmens. 140 Zum anderen wurde der Sender wegen seiner ,kritischen' Berichterstattung von Regierungsseite immer wieder ins Visier genommen ganz gezielt von Seiten des Informationsministeriums. Besonders unter der Ägide von Alain Peyrefitte, Informationsminister unter de Gaulle von 1962-1966, wurde nicht nur die staatliche Rundfunkanstalt R.T.F. (ab 1963 O.R.T.F.) informationspolitisch kontrolliert, sondern auch Europe No. 1 Chefredakteur Maurice Siegel wurde ab September 1963 zweimal monatlich zum persönlichen Gespräch mit Peyrefitte ins Ministerium geladen. 141 Diese zwitterhafte Haltung der französischen Politik gegenüber den kommerziellen Rundfunkinitiativen im Allgemeinen und Europe No. 1 bzw. der Europäischen Rundfunk und Fernseh A G im Besonderen sollte sich im Laufe der 1960er Jahre noch an mehreren Stellen offenbaren. Ein symptomatisches Beispiel dieses Spagates zwischen finanziellen Interessen und informationspolitischer Kontrolle bietet die Diskussion um den Börsengang von Image et Son im Jahre 1963. Sylvain Floirat, der 1955 40 Prozent der Aktien von Image et Son erworben hatte und damit die Saarländische Fernseh A G und Europe No. 1 finanziell konsolidiert hatte, versprach sich von einem Börsengang von Image et Son eine deutliche Kapitalaufstockung. Bereits im Februar streute Floirat gezielt Gerüchte eines anstehenden Börsengangs, die den Wert der noch nicht gehandelten Aktien von 800 auf 1200 Franken steigen ließen. 142 Da der französische Staat ( S O F I R A D ) über 35,3 Prozent des Aktienkapitals von Image et Son verfügte (und aufgrund eines hohen Anteils an Aktien mit doppeltem Stimmrecht gar über 46,9 Prozent der Stimmen), war er einerseits an der Erfolg versprechenden Kapitalerhöhung durch den Börsengang interessiert, andererseits machte man sich im Finanzministerium aber Gedanken darüber, wie man eventuelle Spekulationsrisiken so gering wie möglich halten konnte. Während Premierminister Georges Pompidou dem Börsengang nach Gesprächen mit Floirat positiv gegenüberstand, warnte man auf Seiten des Finanzministeriums vor der prinzipiellen Unkontrollierbarkeit der Börsenentwicklung sowie den undurchsichtigen Motiven des windigen Geschäftsmannes Floirat, der sich - so
Bernard, Europe 1, S. 86. Conversation entre le Ministre et M . Floirat, 2 6 . 9 . 1 9 6 4 , A N , Signatur 2 0 0 1 0 0 8 6 , A r t . 2 1 6 . Ziel dieser Treffen sei es, „de faire le point des questions posées par les informations d ' E u r o p e N ° 1 (critique éventuelle des informations de la quinzaine écoulée et mise au point des campagnes d'information à venir)". Diese Initiative reiht sich nahtlos in die verstärkte regierungspolitische O r g a nisation und Kontrolle der staatlichen Informationspolitik unter Minister Alain Peyrefitte ein, der am 3 1 . 7 . 1 9 6 3 mit dem Service de Liaison Interministérielle pour l'Information (S.L.I.I.) eine inoffizielle staatliche Zensurbehörde geschaffen hatte. Vgl. hierzu ausführlich: Aude Vassallo, L a télévision sous de Gaulle. Le contrôle gouvernemental de l'information ( 1 9 5 8 - 1 9 6 9 ) , Brüssel 2005. 1 4 2 Aide-mémoire concernant la cotation en bourse du titre „Image & S o n " , 2 0 . 2 . 1 9 6 3 , AN 20010086, Art.216. 140
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D i e A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s i m Saarland
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die Vermutung - nach einer erfolgreichen Wertsteigerung schnell aus der Gesellschaft zurückziehen könnte. 1 4 3 Diese regierungsinternen Meinungsverschiedenheiten sollten den Börsengang tatsächlich um gut zwei Jahre verzögern. 1 4 4 Die finanziellen, personellen sowie im breiteren Sinne politischen Verstrickungen des französischen Staates in die Geschäfte der außerhalb der Grenzen Frankreichs agierenden kommerziellen Rundfunkgesellschaften (Radio Andorra, Télé Monte-Carlo, Europe No. 1/Europäische Rundfunk und Fernseh A G ) machen eine detaillierte Rekonstruktion der zahlreichen Initiativen und A b k o m m e n zur Regulierung oder Kontrolle der Gesellschaften extrem kompliziert. War die politische Einflussnahme auf dem Gebiet des Rundfunks in der Bundesrepublik durch das so genannte „Fernsehurteil" des Karlsruher Bundesgerichtshofes de jure offiziell verboten worden, w a r die Situation in Frankreich durch die enge Verzahnung wirtschaftlicher und politischer Interessen im Kontext der indikativen Wirtschaftsplanung der .trente glorieuses' gekennzeichnet. 1 4 5 Dass die auf die Verteidigung französischer Interessen ausgerichtete Planungspolitik außenpolitisch zu heftigen Kontroversen führen konnte, zeigte sich Mitte der 1960er Jahre beispielsweise an der europäischen Auseinandersetzung um einen einheitlichen Farbfernsehstandard. 1 4 6 Doch auch im Bereich des kommerziellen Rundfunks stießen die Franzosen auf heftigen Widerstand, als sich 1964 plötzlich die Chance bot, einen bedeutenden Aktienanteil von Radio Luxemburg zu erwerben. Diese von Staatspräsident de Gaulle ausdrücklich unterstützte Initiative sollte dem Informationsministerium ein Mitspracherecht beim bekanntesten französischsprachigen Reklamesender Europas sichern. Erst Ebd. O b w o h l bereits im M a i 1963 ein prinzipielles A b k o m m e n z w i s c h e n der S O F I R A D u n d Floirat geschlossen w o r d e n war, das den B e d e n k e n des F i n a n z m i n i s t e r i u m s R e c h n u n g trug (Floirat musste seinen A k t i e n a n t e i l noch mindestens drei J a h r e behalten), z ö g e r t e sich der B ö r s e n g a n g noch fast ein ganzes J a h r heraus. N o t e , C o n c l u s i o n d ' u n accord entre la S O F I R A D et le Président d ' i m a g e s et Son, M . S y l v a i n Floirat, Paris, 10 mai 1963, A N 20010086, A r t . 216. 145 Fickers, Politique de la grandeur, S. 143-161. 146 Bei den zahlreichen Treffen z w i s c h e n I n f o r m a t i o n s m i n i s t e r A l a i n P e y r e f i t t e und den Verantw o r t l i c h e n von I m a g e & Son bzw. der Europäischen R u n d f u n k und Fernseh A G (vor allem mit S y l v a i n Floirat und H e n r i de France) ging es ab 1963 neben d e m T h e m a E u r o p e N o . 1 auch vermehrt u m das Farbfernsehen. A l s E r f i n d e r des französischen S E C A M - S y s t e m s b z w . als Präsident der C o m p a g n i e Française de Télévision ( C F T ) w u r d e n H e n r i d e France u n d S y l v a i n Floirat auch bei der E i n f ü h r u n g des Farbfernsehens zu zentralen technopolitischen A k t e u r e n im i n n e r f r a n z ö sischen Strategiespiel s o w i e zu Botschaftern der französischen „politique de la g r a n d e u r " im A u s land. Fickers, Politique de la grandeur. W i e der heutige G e s c h ä f t s f ü h r e r der Europäischen R u n d f u n k u n d Fernseh A G , Gilbert Binger, im I n t e r v i e w mitteilte, beteiligten sich zahlreiche Techniker der Senderanlage auf d e m Felsberg Ende der 1960er J a h r e an diversen A u s l a n d s m i s s i o n e n der C o m p a g n i e Française de Télévision in den O s t b l o c k mit d e m Ziel, das S E C A M - S y s t e m dort zu p r o p a g i e r e n . V g l . Interview mit Gilbert Binger, 2 2 . 9 . 2 0 0 8 . 143 144
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nach massivem politischen Druck von Seiten der luxemburgischen Regierung gab man den im französischen Informationsministerium ausgeheckten Plan auf, über die SOFIRAD den von der Compagnie Genérale de Télégraphie sans Fil (CSF) gehaltenen Aktienanteil von 12,5 Prozent an Radio Luxemburg für 10 Millionen Franken zu übernehmen. 147
6.2 Saarländische Joker im bundespolitischen
Rundfunkpoker
Anders als in Frankreich hatte die Debatte um den kommerziellen Rundfunk in der Bundesrepublik nach dem ersten Karlsruher Fernsehurteil auf Bundesebene einen deutlichen Dämpfer erhalten. 148 Waren Adenauers Träume von einem Regierungsfernsehen auf Bundesebene ausgeträumt, so sorgte ausgerechnet das neue Bundesland an der Saar für „Blitz und Donner" 149 in der rundfunkpolitischen Diskussion der 1960er Jahre. Wie bereits erwähnt, hatte sich die Saarländische Fernseh A G nach der Beendigung der Fernsehaktivitäten von Tele-Saar umbenannt und zu einem wirtschaftlich hoch profitablen Unternehmen entwickelt. Davon profitierte nicht zuletzt der Saarländische Rundfunk, der durch die Verträge von 1953 am Gewinn der Fernseh A G beteiligt war. Von 1959 bis 1964 erhielt der SR so jährlich den stolzen Betrag von umgerechnet etwa 1,7 Millionen Mark. 150 Diese Mittel bedeuteten einen deutlichen Zuschuss zu den öffentlich-rechtlichen Mitteln, welche dem Saarländischen Rundfunk seit dem Beitritt zur A R D (21. Mai 1959) im Rahmen des so genannten Finanzausgleichs der Landesrundfunkanstalten
147 Obwohl die Idee der Übernahme des CSF-Aktienanteils an Radio Luxemburg von Peyrefitte ausging, wurde dies vom Informationsministerium von Anfang an so dargestellt, als habe CSF Präsident Maurice Ponte die Initiative hierzu ergriffen. Die Verhandlungen zwischen der CSF und den diversen Ministerien zogen sich über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren hin, bis der massive politische Druck der luxemburgischen Regierung das Vorhaben letztlich aus außenpolitischem Kalkül scheitern ließ. Auch an diesem Beispiel wird das Kompetenzwirrwarr auf französischer Seite erneut deutlich: Während Premierminister Georges Pompidou, Staatspräsident Charles de Gaulle und Informationsminister Alain Peyrefitte die Übernahme befürworteten, versuchte Finanzminister Valéry Giscard d'Estaing den Deal zu verhindern. Nachdem dieser letztlich dem Druck des Premierministers nachgeben musste, war es Außenminister Couve de Murville, der das Geschäft mit dem Ziel außenpolitischer Schadensbegrenzung platzen ließ. Die umfangreiche Korrespondenz zu diesem Vorgang findet sich: A N 20010086, Art.218. 148 Vgl. Florian Kain, Das Privatfernsehen, der Axel Springer Verlag und die deutsche Presse. Die medienpolitische Debatte in den sechziger Jahren, Münster 2003. 149 „Blitz und Donner aus Saarbrücken", lautet die Kapitelüberschrift in Hans Bauschs Klassiker zur Rundfunkpolitik nach 1945. Die nachfolgende Darstellung der Diskussion um den privaten Rundfunk im Saarland basiert im Wesentlichen auf dieser Darstellung: Hans Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, Bd.2, München 1980, S.615-629. Vgl. auch den Beitrag von Tanja Moser-Praefcke, Entscheidungssituationen saarländischer Medienpolitik, in Band 2. 150 Bausch, Rundfunkpolitik, S.615.
D i e A n f ä n g e des k o m m e r z i e l l e n R u n d f u n k s i m Saarland
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zukamen. 151 Als kleine Rundfunkanstalt innerhalb der A R D war der Finanzausgleich die lebensnotwendige Voraussetzung für die Realisierung eines eigenständigen Rundfunkprogramms, das dem Auftrag der öffentlichrechtlichen Anstalten in der Bundesrepublik gerecht werden konnte. Nach dem Karlsruher Fernsehurteil von 1961 sah man sich in Saarbrücken dazu angehalten, die Beziehungen des Saarländischen Rundfunks mit der Europäischen Rundfunk und Fernseh AG (ERFAG) zu überdenken und diese im Rahmen eines neuen Rundfunkgesetzes auf eine solide juristische Basis zu stellen. In diesem Sinne führte die Saarländische Regierung ab März 1962 sowohl Gespräche mit dem Saarländischen Rundfunk als auch mit der Europäischen Rundfunk und Fernseh AG. Während die Konsultationen mit der Europäischen Rundfunk und Fernseh AG zügig voranschritten und Schritt für Schritt in den Entwurf eines neuen Abkommens mündeten, gestalteten sich die Verhandlungen mit dem Saarländischen Rundfunk schwieriger. Grund für diese Schwierigkeiten war die Vorstellung der Landesregierung, dass die Antennenmiete nicht mehr an den Saarländischen Rundfunk gezahlt werden, sondern in Form einer Konzessionsabgabe für die Betreibung eines privaten Rundfunksenders direkt in den Haushalt des Landes fließen sollte. Die Landesregierung stellte dem Saarländischen Rundfunk in Aussicht, „entsprechende Mittel" aus dieser Konzessionsabgabe zur Verfügung zu stellen, um ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag nachzukommen. 152 Erst im Laufe langwieriger Verhandlungen einigte man sich im Februar 1963 auf eine „Antennenmiete" für den Sender auf dem Sauberg. Gleichzeitig wurde die Konzessionsabgabe ab dem 1. Januar 1963 auf 8 Prozent der jährlichen Werbeeinnahmen festgelegt. 153 Diese Regelung bedeutete zwar erhebliche finanzielle Zugeständnisse der französischen Gesellschafter, sicherte aber - so deren Hoffnung - langfristig die Zukunft von Europe No. 1 als kommerzielle Rundfunkgesellschaft auf saarländischem Boden. Die zwischen Landesregierung, Saarländischem Rundfunk und der Europäischen Rundfunk und Fernseh AG ausgehandelte Konzessionslösung 151 D u r c h das A b k o m m e n der L ä n d e r v o m 1 7 . 4 . 1 9 5 9 w a r der v o n den L a n d e s r u n d f u n k a n s t a l t e n ausgehandelte F i n a n z a u s g l e i c h auf eine staatsvertragliche G r u n d l a g e gestellt w o r d e n . N e b e n R a dio B r e m e n w u r d e d a m i t auch der SR als „ n e h m e n d e A n s t a l t " einbezogen. „Gebende A n s t a l t e n " w a r e n der W D R (49 P r o z e n t ) , der N D R (23 P r o z e n t ) , der B R (17 P r o z e n t ) , der S W F (5,5 P r o zent), der H R (3 P r o z e n t ) u n d der S D R (2,5 Prozent). Dieter Dörr, Klein, aber w i c h t i g . Die R o l l e des Saarländischen R u n d f u n k s in einem föderalen R u n d f u n k s y s t e m , in: Raff/Buchholz, Geschichte und Geschichten, S. 433^142.
Tatsächlich profitierte der S R in den k o m m e n d e n J a h r e n stark von dieser L ö s u n g . Z w i s c h e n 1966 und 1969 flössen jährlich 5 M i l l i o n e n D M aus den K o n z e s s i o n s a b g a b e n als Finanzhilfe des Landes an den SR. Bausch, R u n d f u n k p o l i t i k , S.617. 153 N o t e p o u r le Ministre/Europe 1 des D i r e k t o r s der A b t e i l u n g C o n v e n t i o n s administratives des Affaires consulaires des A u ß e n m i n i s t e r i u m s an die französische Botschaft in B o n n s o w i e das f r a n zösische G e n e r a l k o n s u l a t in S a a r b r ü c k e n , 8 . 3 . 1 9 6 3 , A N 20010086, Art. 217. 152
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wurde am 14. Januar 1964 erstmals im Saarländischen Landtag vorgestellt und anschließend im Ausschuss für Kulturpolitik und Jugendfragen zehn Monate lang diskutiert. Nach achtzehn Sitzungen legte der Ausschuss dem Landtag einen Gesetzesentwurf vor, der in dritter Lesung am 2. Dezember angenommen wurde. Das neue Rundfunkgesetz regelte aber nicht nur die Konzessionsabgabe der Europäischen Rundfunk und Fernseh A G , sondern öffnete auch dem kommerziellen Rundfunk in deutscher Sprache eine erste juristische Türe. Waren kommerzielle Rundfunksendungen in deutscher Sprache 1956 ausdrücklich verboten worden, hieß es 1964: „Die Veranstaltungen von Rundfunksendungen in deutscher Sprache durch Veranstalter privaten Rechts bedarf besonderer gesetzlicher Regelung". Diese vage gehaltene Formulierung lud geradezu dazu ein, die entsprechenden gesetzlichen Regelungen auch tatsächlich zu treffen. Nur gut zwei Jahre später kam es auf Initiative der Landtagsabgeordneten Emil Weber ( C D U ) , Karl Wolfskeil (SPD) und Karl Wust (FDP) zu einem Initiativgesetzentwurf zur Änderung des Rundfunkgesetzes mit dem Ziel, die Konzession für privaten Rundfunk in deutscher Sprache im Saarland zu regeln. 154 Wie Hans Bausch feststellte, sorgte dieser Initiativgesetzentwurf nicht nur wegen seines Inhaltes für rundfunkpolitischen Wirbel in der ganzen Bundesrepublik, sondern vor allem wegen der Art und Weise, wie er als „Blitzgesetz innerhalb eines einzigen Tages über die parlamentarische Bühne gepeitscht wurde." 1 5 5 Tatsächlich wurde der Entwurf am Morgen des 7. Juni 1967 im Landtag verteilt und nach einer ,Kampfabstimmung' am Nachmittag in erster Lesung beraten. In einer zweiten Plenarsitzung am Abend des gleichen Tages folgte die zweite und dritte Lesung, gefolgt von einer Schlussabstimmung, in der die Gesetzesnovelle mit 28:15 Stimmen bei drei Enthaltungen gebilligt wurde. Doch warum sorgte die Novelle für solchen Wirbel? Aus Sicht des A R D Vorsitzenden Christian Wallenreiter und des ZDF-Intendanten Karl Holzamer bedeutete die saarländische Gesetzeslage nicht weniger als die Infragestellung der gesamten föderalen Struktur des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik. Von allen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hagelte 1 5 4 D e r Initiativgesetzentwuf sah vor, dass private Rundfunksender eine Konzession von der Landesregierung erwerben konnten. D i e privaten Veranstalter mussten die Rechtsform einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Saarland haben und zudem über einen Beirat verfügen. Dieser hatte als Kontrollgremium darüber zu wachen, dass das Programm - dem öffentlich-rechtlichen Auftrag vergleichbar - allen maßgeblichen gesellschaftlichen G r u p p e n einen Einfluss auf die Programmgestaltung garantierte. 1 5 5 Bausch, Rundfunkpolitik, S. 618. Dass Bauschs Darstellung die Vorgänge an der Saar auch in der retrospektiven Darstellung besonders scharf verurteilt verwundert weniger, wenn man weiß, dass er seit 1958 Intendant des S D R und auf dem H ö h e p u n k t der Auseinandersetzung um das .Regierungsfernsehen' von Konrad Adenauer Vorsitzender der A R D war.
Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland
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es Kritik am Saarbrücker ,Coup', da man den Vorgang als unrechtmäßige Unterminierung des Karlsruher Fernsehurteils interpretierte und die M o n o polstellung des öffentlich-rechtlichen Modells in Gefahr sah. N o c h brisanter als die bloße Schaffung der Möglichkeit eines kommerziellen Rundfunks im Saarland waren die bereits im Vorfeld der Gesetzesinitiative getroffenen Vorbereitungen zur konkreten Realisierung einer privaten saarländischen Fernsehgesellschaft, an der die Landesparteien des Saarlandes wie des benachbarten Rheinland-Pfalz mit 58 Prozent beteiligt werden sollten. 50 Prozent dieser Anteile entfielen auf die C D U , 42 Prozent auf die S P D und 8 Prozent auf die FDP. Die anderen 42 Prozent des Grundkapitals von 6 bis 8 Millionen wurden von einem Konsortium aus Banken (Röchling und die Bank für Gemeinwirtschaft), Verlegern und der Floirat-Gruppe (!) bereitgestellt. Als Kopf dieser Aktion darf erneut Frédéric Billmann vermutet werden, der seine Qualitäten als Drahtzieher und deutsch-französischer Mittelsmann erneut eindrucksvoll unter Beweis stellte. 1 5 6 Konkret handelte es sich bei dieser Gesellschaft auch um ein Instrument zur kommerziellen Parteienfinanzierung, das von Bundespolitikern, etwa dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner, mit scharfen Worten verurteilt wurde. D e r NordrheinWestfälische Ministerpräsident Heinz Kühn bezeichnete die Pläne als „Akt nicht legitimer Parteikassenbereicherung" und die Vorgänge im Saarbrücker Landtag als „abenteuerliche Prozedur des schlechten Gewissens". 1 5 7 Scheint die Möglichkeit der Parteienfinanzierung über die Aktivitäten eines kommerziellen Rundfunksenders der Hauptbeweggrund für die an der Gesetzesnovelle beteiligten Politiker gewesen zu sein, so sollte sich das neue Rundfunkgesetz in den Folgejahren vor allem zum strategischen Instrument der Verteidigung der saarländischen Rundfunkinteressen auf Bundesebene entwickeln. Ministerpräsident Franz-Josef Röder bezeichnete das Rundfunkgesetz rückblickend als „Stillhaltegeld" 1 5 8 , andere sprechen gar von einem „Drohpotenzial", welches das Saarland immer dann gezielt eingesetzt habe, wenn der Saarländische Rundfunk - etwa im Rahmen der Diskussionen um die Festlegung der H ö h e des ARD-Finanzausgleiches - seine Rechte als kleine und relativ arme Landesrundfunkgesellschaft verteidigen musste. 1 5 9 Diese Interpretation mag aus Perspektive der Landesregierung zutreffen, sie neigt unterschwellig jedoch dazu, die Ernsthaftigkeit der konkreten Bemühungen um die Konzessionierung privater Rundfunkinitiativen zu relativieren. Bausch, Rundfunkpolitik, S . 6 2 0 . Zitiert nach: Ebd., S . 6 2 1 . 1 5 8 Zitiert nach: Ebd., S. 622. 1 5 9 Vgl. Dörr, Klein, aber wichtig, S . 4 3 8 . Diese Interpretation wurde auch im Rahmen der oral history-Interviews von Volker Knist und Rüdiger Furkel bestätigt. 156 157
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6.3 Warten auf Godot? Von der Freien Rundfunk
AG (FRAG) zu Radio Salii
Schon wenige Tage nach Verabschiedung der Gesetzesnovelle im Juni 1967 gründeten fünf Mitglieder des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger treuhänderisch für alle diesem Verband angeschlossenen Verleger eine private Rundfunk- und Fernsehgesellschaft unter dem Namen Presse - Rundfunk Aktiengesellschaft Saarbrücken. Doch auch andere Interessenten, wie die Allfunk GmbH (saarländische und rheinland-pfälzische Zeitungsverlage) und eine Gesellschaft von bundesweit tätigen Zeitschriftenverlagen, meldeten sich zu Wort. Wie Staatssekretär Alois Becker am 21. Juni 1967 bekannt gab, lagen zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Konzessionsanträge vor. 160 Vor allem die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger sahen im privaten Rundfunk, der sich ja zu 100 Prozent aus Werbeeinnahmen finanzieren musste, eine potentielle Bedrohung für das Anzeigengeschäft, der man am besten durch den Einstieg in das Fernsehgeschäft begegnen konnte. 161 Eine Prüfung der meisten Konzessionsanträge von Seiten der Landesregierung ergab jedoch, dass sie den gesetzgeberischen Auflagen nicht entsprachen bzw. technisch nicht in der Lage waren, einen professionellen Rundfunkbetrieb auch tatsächlich zu gewährleisten. Nachdem die Parteien und Banken ihren Konzessionsantrag aufgrund der heftigen öffentlichen Debatten um illegale Parteienfinanzierung zurückgezogen hatten, blieben Mitte 1968 zwei .seriöse' Antragsteller übrig. Neben der bereits erwähnten Initiative der Zeitungsverleger handelte es sich bei dem zweiten Kandidaten um die so genannte Freie Rundfunk Aktiengesellschaft in Gründung, kurz F R A G genannt.162 Hinter der Freien Rundfunk AG verbarg sich de facto vor allem die Europäische Rundfunk und Fernseh AG, die - nachdem eine noch vor der Gesetzesnovelle gestartete Initiative zur Aussendung von französischsprachigem Werbefernsehen durch Europe No. 1 1965 endgültig am Widerstand des französischen Informationsministeriums gescheitert war - nun ihr Glück auf dem deutschsprachigen Markt suchte. 163 Aus grundsätzlichen Überlegungen entschlossen sich die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, Gesellschafter der Freien Rundfunk A G zu werden, vor allem um die Chance der Erhaltung einer gemeinsamen Konzession zu erhöhen. Als erster Vorstand der F R A G fungierte - wen wundert's - Frédéric Billmann. Nach Billmanns Tod am 26. März 1973 waren Rüdiger Hurrle (Verlagsdirektor Burda Verlag) und Hans Stiff (Geschäftsführer Verlag Saarbrücker Zeitung) Vorstand der Freien Rundfunk AG.
Bausch, Rundfunkpolitik, S.623. Kain, Das Privatfernsehen. 162 Die F R A G war am 26.3. als Neue Rundfunk A G gegründet und am 2.7.1968 in Freie Rundfunk A G in Gründung umbenannt worden. 1 6 3 Der ganze Vorgang findet sich: A N 20010086, Art.217. 160 161
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Obwohl die saarländische Regierung dem privaten Rundfunk durch das neue Rundfunkgesetz juristisch gesehen den Weg geebnet hatte, wurde die tatsächliche Vergabe entsprechender Konzessionen in den folgenden Jahren von politischer Seite immer wieder herausgezögert bzw. aus diversen strategischen oder politischen Gründen verhindert. Wie bereits erwähnt, benutzte Ministerpräsident Röder die Gesetzeslage auf Bundesebene vor allem als strategische .Waffe' zur Durchsetzung finanzieller Forderungen des Saarländischen Rundfunks. Er war laut Zeugenaussagen ein vehementer Gegner des privaten Rundfunks. 164 Laut dem ehemaligen Vorstandsassistenten der FRAG, Volker Knist, begründete die Landesregierung die Verweigerung der Konzessionsvergabe mit dem Argument, die Konzession alleine bilde keine ausreichende Grundlage für die Realisierung von Rundfunksendungen. Um tatsächlich Programme ausstrahlen zu können, bedürfe es zusätzlich einer Sendefrequenz. Für die Verteilung und Genehmigung von Sendefrequenzen war das Bundespostministerium zuständig. Dort verweigerte man wiederum die Vergabe einer entsprechenden Sendefrequenz mit dem Hinweis, dass keine Konzession vorliege... Dieses .Henne und Ei'-Spieles zwischen Landesregierung und Bundespostministerium überdrüssig, beschloss man auf Seiten der Freien Rundfunk AG im November 1971, eine Untätigkeitsklage beim Saarländischen Verwaltungsgericht einzureichen - wohl nicht ahnend, damit einen jahrelangen juristischen Streit anzuzetteln, der durch alle gerichtlichen Instanzen des Landes und zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe führen sollte. 165 Nach Abweisung der Untätigkeitsklage legte die Freie Rundfunk AG Berufung beim Oberverwaltungsgericht ein, das die gesamte Gesetzesnovelle zur Regelung des privaten Rundfunks kurzerhand für verfassungswidrig erklärte! Da sich die Landesregierung diesem Urteil jedoch nicht beugen wollte, rief das Oberverwaltungsgericht am 25. April 1974 das Bundesverfassungsgericht an. Dieses erklärte sich jedoch für unzuständig und schob den .Schwarzen Peter' nach Saarlouis zurück. So blieb es dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes letztlich nicht erspart, die Landesregierung des Saarlandes wegen Untätigkeit zu verurteilen, woraufhin Ministerpräsident FranzJosef Röder der Freien Rundfunk AG einen Bescheid auf Konzessionsantrag zukommen ließ. Trotz dieses Teilerfolges für die Freie Rundfunk AG weigerte sich Röder jedoch, den Antrag positiv zu bescheiden und der Freien Rundfunk AG tatsächlich eine Konzession zu erteilen. Interessanterweise legitimierte Röder die Verweigerung der Landesregierung am 29. Oktober
164
Vgl. I n t e r v i e w mit V o l k e r Knist, 2 5 . 8 . 2 0 0 8 .
Vgl. zu den Einzelheiten der juristischen A u s e i n a n d e r s e t z u n g : Bausch, R u n d f u n k p o l i t i k , S. 6 2 4 - 6 2 9 . 165
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1976 mit der Begründung, dass die Zulassung eines privaten Rundfunkveranstalters eine existentielle Bedrohung für den Saarländischen Rundfunk bedeuten würde. Im gleichen Atemzug erklärte Röder jedoch: „Die Landesregierung würde rechtsmissbräuchlich handeln, wenn sie der Antragstellerin zwar eine Konzession erteilte, ihr aber gleichzeitig die Möglichkeit nähme, die von ihr zu erbringende Konzessionsabgabe zu erwirtschaften"! 166 Diese von Bausch als „Kanzleitrost" bezeichnete Erklärung nahm nun die Freie Rundfunk A G wiederum zum Anlass, um die Regierung des Saarlandes auf Erteilung einer Konzession anzuklagen... Nach ergebnislosen mündlichen Verhandlungen in der Streitfrage entschied das Saarbrücker Verwaltungsgericht am 21. August 1978, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes darüber einzuholen, ob das saarländische Rundfunkgesetz mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik vereinbar sei oder nicht. Nach ausgiebiger Prüfung der Sachlage entschieden die Karlsruher Verfassungsrichter am 16.Juni 1981 schließlich, dass die beanstandeten Regelungen des saarländischen Rundfunkgesetzes nicht mit der im Grundgesetz festgelegten Rundfunkfreiheit vereinbar waren: „Aber sie enthalten keine verfassungsmäßige Regelung des Zugangs zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen in deutscher Sprache, lassen die Frage der Auswahl gänzlich ungeregelt und bieten in ihren Bestimmungen über den Beirat keine Gewähr dafür, daß die gesellschaftlich relevanten Kräfte in den Organen der Veranstalter hinreichenden Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können."167 Mit diesem als „Drittes Rundfunkurteil" in die Geschichte eingegangenen Urteil schuf das Bundesverfassungsgericht die Grundlage für das so genannte duale Rundfunksystem, welches sich durch die Koexistenz öffentlichrechtlichen und privaten Rundfunks auszeichnet. Was in Großbritannien bereits seit 1955 durchgeführt und in Frankreich mit der Auflösung der staatlichen Rundfunkorganisation, des Office de Radiodiffusion Télévision Française (ORTF), 1974 eingeleitet worden war, wurde nun auch in der Bundesrepublik nach zehnjähriger juristischer Auseinandersetzung rundfunkpolitische Realität. Zur sprichwörtlichen Ironie der Geschichte gehört jedoch, dass es nicht die Freie Rundfunk A G war, welche von diesem hart erkämpften Urteil unmittelbar profitierte. Als sich die Freie Rundfunk Aktiengesellschaft in Gründung 1968 um eine Konzession für den privaten Rundfunk im Saarland bemühte, schwebte den Verantwortlichen der Aufbau eines landesweit zu empfangenden kommerziellen Hörfunksenders vor, 166 167
Ebd., S. 627. Http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv057295.html [31.3.2009],
Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland
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der dem damaligen Marktführer Radio Luxemburg Paroli bieten sollte. Anfang der 1980er Jahre hatte sich die Medienlandschaft der Bundesrepublik jedoch völlig gewandelt. Das Radio hatte seine Rolle als Leitmedium eingebüßt, und die Zukunft des kommerziellen Rundfunks lag eindeutig im Bereich des Fernsehens. Mit RTL plus war es ausgerechnet ein Tochterunternehmen des ,Erzfeindes' von Europe No. 1, das am 2.Januar 1984 die Ära des privaten Fernsehrundfunks in der Bundesrepublik eröffnete. Die Freie Rundfunk AG dagegen löste sich Mitte der 1980er Jahre stillschweigend auf. Doch war das Kapitel „rundfunkpolitische Kuriositäten aus dem Saarland" damit noch nicht ganz beendet. Im Jahr des Mauerfalls kam es doch noch zur Gründung einer privaten Hörfunkanstalt (der zweiten im Bundesgebiet), die seither den Namen Radio Salü trägt. Erneut auf Initiative und mit starker Beteiligung der Europäischen Rundfunk und Fernseh AG (45 Prozent des Stammkapitals und 49 Prozent der Stimmrechte), begann damit gut zwanzig Jahre nach dem Bemühen der Freien Rundfunk AG auch im Saarland die Ära des kommerziellen Hörfunks. 168 In guter alter saarländischer Tradition wurde denn auch der Saarländische Rundfunk mit 20 Prozent des Stammkapitals und gewissen Sonderrechten an dem Vorhaben beteiligt — wenn auch mit minimaler Stimmberechtigung.
7. Z u s a m m e n f a s s u n g : Geschichte als ,soap opera' Als ein französischer Beamter Ende 1951 mit Konsultationen zwecks Gründung einer privaten Fernsehgesellschaft im Saarland begann, konnte wohl keiner der beteiligten Akteure erahnen, dass damit der Startschuss zu einem fast vierzigjährigen Abenteuer gefallen war, das man in Anlehnung an das Medium, wovon es handelt, auch als erfolgreiche soap opera bezeichnen könnte. Fast alle Kriterien, die gemeinhin zur Qualifizierung einer soap opera herangezogen werden, lassen sich problemlos auf die Geschichte des privaten Rundfunks im Saarland übertragen. Ein traditionelles Merkmal der soap opera ist deren serielle und episodische Struktur. Jede Episode endet mit dem Versprechen, dass die Story irgendwie weitergehen wird, und erin168 Da die Saarbrücker Zeitung dem Vorhaben nur bei absoluter Mehrheitsbeteiligung beitreten wollte, entschied die Europäische Rundfunk und Fernseh A G , als Partner für dieses Vorhaben ein Konsortium aus diversen Kapitalgebern zusammenzustellen. Mitglieder dieses Konsortiums waren unter anderem der Wochenspiegel und der Sparkassenverband. Vgl. Interview mit Rüdiger Furkel, 22.9.2008. Zur späteren Entwicklung siehe die Beiträge von Tanja Moser-Praefcke, Struktur der saarländischen Hörfunk- und Fernsehinstitutionen, und Sabine Schmitt in Bd. 2 sowie Jochen Taßler in Bd. 3.
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nert uns somit an die fundamentale Offenheit aller historischen Prozesse. Nach dem Prolog, der die Gründung der Saarländischen Fernseh A G ankündigte, konzentrierte sich die erste Episode darauf, die zentralen Akteure der Handlung einzuführen und deren Schwierigkeiten mit dem Aufbau einer technischen Infrastruktur für einen Fernsehbetrieb im Saarland zu schildern. Bereits in dieser ersten Episode wurde - sozusagen in einem narrativen Nebenstrang und nur in versteckten Hinweisen — angedeutet, dass sich die zentrale Arena des Geschehens - die Fernsehaktivitäten - irgendwann zu einem Nebenschauplatz der Saga Saarländische Fernseh A G entwickeln würde. Mit der Inbetriebnahme des Senders Tele-Saar am 23. Dezember 1953 - dem Geburtstag des Saarländischen Ministerpräsidenten Hoffmann - endete die erste Episode mit einem klassischen ,cliffhanger': Mit der Ankündigung von Tele-Saar Direktor Frédéric Billmann, dass sich die Tele-Saar zu einem privilegierten Werkzeug deutsch-französischen Kulturtransfers entwickeln werde. In den folgenden Episoden wurde das Grundthema der Handlung je nach Bedarf variiert: Mal wurde der Handlungsstrang auf die politische Bühne der deutsch-französischen Beziehungen verlagert, mal wurden die undurchsichtigen Machenschaften der industriellen Drahtzieher des Unternehmens aufgedeckt, die dann in der darauf folgenden Episode unter neuem Firmennamen aber in gleicher Mission wieder auftauchten. Die Stabilität bzw. Langlebigkeit der zentralen Personen der Geschichte - ein weiteres Kernmerkmal der soap opera - war durch Charaktere wie den findigen Franzosen Frédéric Billmann, den technischen ,bricoleur de génie' Henri de France oder der .Spinne' im Netz der saarländischen Machenschaften, Gotthard Lorscheider, bestens gewährleistet. Angereichert wurde das Szenario noch durch Gastauftritte bekannter Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben: diverse saarländische Ministerpräsidenten (Johannes Hoffmann, Franz-Josef Röder), einflussreiche Geschäftsmänner (Sylvain Floirat, Charles Michelson) und hohe französische Beamte (Gilbert Grandval, François Seydoux) und deutsche wie französische Politiker (Pierre Mendès France, Antoine Pinay, Richard Stücklen) gaben ihr Stelldichein. Immer dann, wenn man das Ende der Geschichte zu erahnen glaubte, nahm die Handlung eine überraschende Wende und Publikum wie Historiker konnten erleichtert aufatmen, wenn das tröstende ,to be continued' eingeblendet wurde... Auch wenn die Orte der Handlungen eher an das Idyll eines bayerischen Heimatspielfilmes der 1950er Jahre erinnerten - mal war es der Schaumberg, mal der Sauberg, mal der Eschberg - , bot das Saarland ein geografisch wie politisch einmaliges Terrain für diese Geschichte. Die Grenzlage und die bewegte politische Geschichte des Landes boten ein ideales Szenario für die Erfindung eines Senders, der sich prätentiös als Nummer 1 des europäischen
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Reklamerundfunks vermarktete. Tatsächlich war das Europa, für das der Sender stand, das Resultat einer deutsch-französischen Kooperation wider Willen. Einer Kooperation, die nicht das Resultat eines gemeinsamen politischen Bestrebens war, sondern im Gegenteil: Das unwahrscheinliche Resultat eines gegen zahlreiche politische Widerstände realisierten Unternehmens, dessen originäre und kontinuierliche Triebfedern aus der französischen Rundfunkindustrie kamen. Es war erst die Hoffnung, dann die relative A b hängigkeit der saarländischen Rundfunkpläne von den finanziellen Profiten des kommerziellen französischen Rundfunks auf saarländischem Boden, welche die politischen Rahmenbedingungen für die Legalisierung dieser in der Bundesrepublik bekämpften Privatfunkaktivitäten schuf bzw. entsprechend anpasste. In einem zwanzigjährigen Prozess politischer, wirtschaftlicher wie juristischer Auseinandersetzung und Diskussion über die N a t u r und den Status des Rundfunks im Saarland wurden letztlich auch die Weichen z u m dualen Rundfunksystem der Bundesrepublik gestellt. Es waren die rundfunkpolitischen Wellen des Saarlandes, die das M o n o p o l des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowohl in Frankreich als auch in der Bundesrepublik nachhaltig erschüttert haben.
8. A u s g e w ä h l t e F o r s c h u n g s l i t e r a t u r Klaus Altmeyer, 25 Jahre Saarländischer Rundfunk. Die Entwicklung seit Wiederbeginn, Saarbrücken 1971 Hans Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, Bd. 2, München 1980 Luc Bernard, Europe 1. La grande histoire dans une grande radio, Paris 1990 Dietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer Kontrolle", München 1969 Jean-Rémy Bezias, Les Alpes-Maritimes et la crise franco-monégasque de 1962, in: Cahiers de la Méditerranée 74, 2007, S. 321-336 Karin Bijsterveld; .What D o I D o with My Tape Recorder...?' Sound Hunting and the Sounds of Everyday Dutch Life in the 1950s and 1960s, in: Historical Journal of Film, Radio and Television 24:4, 2004, S. 614-634 William Boddy, Fifties Television. The Industry and Its Critics, Urbana/Chicago 1993 Robert Chapman, Selling the Sixties. The Pirates and Pop Music Radio, London 1992 Wolfgang Degenhardt, Zur Entstehung und Entwicklung der europäischen Partnerschaft im Fernsehbereich 1950-1970. Zur historischen Betrachtung eines komplexen Sensemaking-Prozesses, publiziert im Internet durch die Bibliothek der Universität Siegen 2002, http://www.ub.uni-siegen.de/pub/diss/fbl/2002/degenhardt/ degenhardt.pdf [31.3.2009] Dieter Dörr, Klein, aber wichtig. Die Rolle des Saarländischen Rundfunks in einem föderalen Rundfunksystem, in: Fritz Raff/Axel Buchholz, Hg., Geschichte und
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Andreas Fickers
Geschichten des Senders an der Saar. 50 Jahre Saarländischer Rundfunk, Freiburg/ Basel/Wien 2007, S. 433-^42 Andreas Fickers, „Politique de la grandeur" versus „Made in Germany". Politische Kulturgeschichte der Technik am Beispiel der PAL-SECAM-Kontroverse, München 2007, S. 65-100 Andreas Fickers, National barriers for an imag(e)ined European community. The technopolitical frames of postwar television development in Europe, in: Northern Light. Yearbook of Media Studies 2006, S. 7-27 Andreas Fickers, Radio und Fernsehen als nationale Sozialisierungsinstanzen? Der Rundfunk im Rahmen der westdeutschen und französischen Wiederaufbaumodernisierung der 1950er Jahre, in: Hélène Miard-Delacroix/Rainer Hudemann, Hg., Wandel und Integration. Deutsch-französische Annäherungen der fünfziger Jahre, München 2005, S. 291-307 Andreas Fickers, Coopération - confrontation - cohabitation. Les relations entre CSF/CFT et AEG-Telefunken en matière de brevets et licences de télévision en couleurs dans les années soixante, in: Revue d'Allemagne et des pays de langue allemande 37:1, 2005, S.29-44 Andreas Fickers, „Der Transistor" als technisches und kulturelles Symbol. Die Transistorisierung der Radio-und Fernsehempfänger in der deutschen Rundfunkindustrie von 1955 bis 1965, Bassum 1998 Michael Geib, Fernsehen in den Kinderschuhen. Die Anfänge des Fernsehens im Saarland - eine Bildergeschichte, in: Gerhard Ames, Hg., Von der .Stunde 0' zum ,Tag X'. Das Saarland 1945-59, Merzig 1990, S. 407-416 Christian Henrich-Franke, Globale Regulierungsproblematiken in historischer Perspektive. Der Fall des Funkfrequenzspektrums 1945-1988, Baden-Baden 2006 Hermann Jäger, Der Rundfunk Mitteleuropas im neuen Genfer Wellenplan, in: Funkschau 24,1978, S. 1194-1197 Florian Kain, Das Privatfernsehen, der Axel Springer Verlag und die deutsche Presse. Die medienpolitische Debatte in den sechziger Jahren, Münster 2003 Louis Merlin, C'était formidable, Paris 1966 Fritz Raff/Axel Buchholz, Hg., Geschichte und Geschichten des Senders an der Saar. 50 Jahre Saarländischer Rundfunk, Freiburg/Basel/Wien 2007 Michael Rother, Kooperation - Kollaboration - Konkurrenz. Deutsches und französisches Fernsehen bis 1963, Berlin 2008 Saarländischer Rundfunk, Hg., Unser Sender an der Saar. 50 Jahre Rundfunk im Saarland, Saarbrücken 1985 Heribert Schwan, Der Rundfunk als Instrument der Politik im Saarland 1945-1955, Berlin 1974 Maurice Siegel, 20 ans, ça suffit, Paris 1974 Aude Vassallo, La télévision sous de Gaulle. Le contrôle gouvernemental de l'information (1958-1969), Brüssel 2005
Zeitungslandschaft
Natalie Pohl
Die Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955
1. Einleitung „Mehr Objekt als Subjekt, war die Zeitung in das Räderwerk der Geschichte geraten ... Mehr Objekt als Subjekt sollte sie auch in nächster Zukunft sein, - Instrument jedoch eines fremden Willens. Die traditionsreiche „Saarbrücker Zeitung", deren freiheitlich-nationales Panier der Saarbevölkerung in den Zeiten der Deutschen Demokratie vorangeleuchtet hatte, wurde nach ihrer Wiederbelebung unter dem Besatzungsregime zu einem französisch gelenkten Blatte in deutscher Sprache."1 Mit diesen Worten blickte die Saarbrücker Zeitung in ihrer Chronik anlässlich ihres 200-jährigen Bestehens im Jahre 1961 auf die Entwicklung der Zeitung zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Rückgliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik zurück. Das starke französische Engagement, das neben der anfänglichen Kontrolle der Redaktion auch die wirtschaftlichen Belange der Zeitung umfasste, brachte der Zeitung bald den R u f einer „halboffiziellen Zeitung der französischen Militärverwaltung an der Saar" bzw. einer „französischen Zeitung in deutscher Sprache" ein. 2 Als eine der ersten neugegründeten Zeitungen der französischen Besatzungszone nahm die Redaktion der „Neuen Saarbrücker Zeitung" ( N S Z ) Ende August 1945 ihre Arbeit auf. Trotz materieller Engpässe der Anfangszeit konnte sie sich mit französischer Unterstützung als eine der auflagenstärksten und nach Ansicht der französischen Militärverwaltung in BadenBaden auch besten Zeitungen der gesamten Besatzungszone entwickeln. 3 Es stellt sich deshalb die Frage, ob die im Eingangszitat als Vorwurf formulierte Missachtung der Tradition nicht rückblickend als Weichenstellung für die Modernisierung der Tageszeitung einzuschätzen ist. Während die Geschichte des Saarländischen Rundfunks nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach untersucht wurde 4 , hat die Entwicklung der Saar' Saarbrücker Zeitung, Hg., 200 Jahre Saarbrücker Zeitung 1761-1961, Saarbrücken 1961, S. 199f. R o b e r t H . Schmidt, Saarpolitik 1945-1957, 3 Bde., Berlin 1 9 5 9 - 1 9 6 2 , hier Bd. 1 : Politische Struktur, S. 548. 2
Gouvernement Militaire de la Sarre, Direction Information, Rapport mensuel février 1946, Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche, C o l m a r ( A O F A A ) : Affaires culturelles, A C 661/3. 3
Vgl. zur Geschichte des Rundfunks an der Saar: Fritz Raff/Axel Buchholz, Hg., Geschichte und Geschichten des Senders an der Saar. 50 J a h r e Saarländischer Rundfunk, Freiburg/Basel/Wien
4
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Natalie Pohl
brücker Zeitung in dieser Zeit bislang vergleichsweise wenig Interesse gefunden. So geht die Chronik der Zeitung zum 200-jährigen Bestehen aus dem Jahr 1961 kaum auf diese Epoche der Zeitungsgeschichte ein.5 Auch die anderen Veröffentlichungen haben entweder die Gesamtgeschichte der Zeitung zum Thema 6 oder sehen die Neugründung der Saarbrücker Zeitung im Zusammenhang mit der Entwicklung der Presselandschaft an der Saar.7 Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass kaum Quellenmaterial vorliegt, um die Geschichte der Zeitung von 1945 bis zur Rückgliederung an die Bundesrepublik zu rekonstruieren. Bei meiner Untersuchung stütze ich mich vor allem auf die Akten des französischen Außenministeriums sowie die der Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche, der Außenstelle des Archivs des Außenministeriums, in Colmar. Dokumente aus dem Privatarchiv von Gilbert Grandval, dem französischen Militärgouverneur und späteren Botschafter in Saarbrücken, kommen ergänzend hinzu. Schließlich darf auch ein Blick in die Saarbrücker Zeitung nicht fehlen. Ich werde zunächst auf die Neugründung des Blattes nach dem Krieg eingehen. Dabei soll vor allem die Entwicklung der Berichterstattung sowie die Besetzung der Redaktion näher beleuchtet werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung der französischen Beteiligung an der Zeitung. Welche Entwicklung nahm sie im Laufe der 1950er Jahre bis zur Volksabstimmung 1955? Wie verlief der Ubergang der Zeitung in saarländische Verantwortung? Abschließend wird die Neuordnung der Redaktion und der Eigentumsverhältnisse der Saarbrücker Zeitung im Zuge der Saarabstimmung 1955 untersucht.
2 0 0 7 ; Heribert Schwan, D e r Rundfunk als Instrument der Politik im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , Berlin 1974. Vgl. zu Schwan den Beitrag von Paul Burgard in diesem Band. 5 Saarbrücker Zeitung, 2 0 0 Jahre. 6 Z u r Geschichte der Saarbrücker Zeitung: Hans Bünte, Saarbrücker Zeitung. Begleiter der saarländischen Geschichte 1 7 6 1 - 1 9 8 6 , Saarbrücken 1987; Rainer Müller, 225 Jahre Saarbrücker Zeitung, Saarbrücken 1986; Eduard Schäfer, Zur Geschichte der Saarbrücker Zeitung 1 9 1 8 - 1 9 6 8 / 6 9 , Saarbrücken 1972. 7 Vgl. zur Rolle der Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Presselandschaft: Dietrich Berwanger, Massenkommunikation im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 9 . E i n Beitrag zur Untersuchung „publizistischer K o n t r o l l e " , München 1969; Hans-Walter Herrmann, Die saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre saarländischer J o u r nalistenverband 1 9 4 7 - 1 9 7 2 . Eine D o k u m e n t a t i o n , Saarbrücken 1972, S. 4 6 - 5 8 ; Klaus Altmeyer, D e r „seidene Vorhang". Saarpresse 1945 bis 1959, in: Deutsches Zeitungsmuseum, Hg., Von der Mangel Wirtschaft zur Massenauflage. Printmedien in den 50er Jahren. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Zeitungsmuseums in Wadgassen, Dillingen 2007, S. 8 5 - 1 0 3 .
D i e Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1 9 4 5 - 1 9 5 5
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2. Neubeginn unter französischer Kontrolle 2.1 Die Gründung der Neuen Saarbrücker
Zeitung
Als im März 1945 amerikanische Truppen an die Saar vorrückten, schienen die Tage der traditionsreichen Saarbrücker Zeitung gezählt: Schon im O k t o ber 1944 war die Zeitung nach Neunkirchen umgesiedelt, nachdem alliierte Bombenangriffe die Redaktionsräume und die Druckerei in Saarbrücken stark beschädigt hatten. I m März 1945 wurde auch in Neunkirchen die Arbeit eingestellt, und die wenigen noch verfügbaren Redakteure flohen vor den vorrückenden Amerikanern mit den Firmenakten und allen transportablen Gütern ins badische Wiesloch. D o c h auch dort war in den letzten Tagen des Krieges an ein Erscheinen der Zeitung nicht mehr zu denken. Die Redaktion löste sich auf und ihre Mitglieder versuchten, ins Saarland zu ihren Familien zurückzukehren. 8 Im Juli 1945 lösten französische Besatzungstruppen die Amerikaner ab, das Saarland wurde Teil der französischen Besatzungszone. Zu diesem Zeitpunkt wurde die saarländische Bevölkerung nur über Wandanschläge oder über so genannte „Truppenzeitungen" der Alliierten mit Informationen versorgt. Seit Besetzung des Saarlandes durch amerikanische Truppen galt hier wie im Rest des besetzten Gebietes die Verordnung Nr. 191 des Alliierten Oberkommandos, die das Erscheinen von Zeitungen und anderen Veröffentlichungen verbot bzw. an eine Erlaubnis der Besatzungsmacht knüpfte. 9 Die Franzosen betrachteten das Fehlen einer Zeitung an der Saar als Missstand, den sie schnellstmöglich beheben wollten, gab es doch eine Fülle von Verordnungen der Militärregierung, die veröffentlicht werden mussten. In der Saardirektive vom 25. August 1945, welche die Grundlinien der französischen Politik an der Saar vorgab, wurde daher die Gründung einer saarländischen Informationszeitung in deutscher Sprache als eines der dringlichsten Ziele formuliert. Die Zeitung sollte von Saarländern geführt und durch die Militärregierung kontrolliert werden. 1 0 Schon Anfang August 1945 hatte Capitaine Henri-Jean Adam, Presseoffizier der französischen Militärregierung in Baden-Baden, auf einer Reise
Saarbrücker Zeitung, 2 0 0 Jahre, S. 199. Berwanger, Massenkommunikation, S. 32. l c Saardirektive der Provisorischen Regierung Frankreichs an den Generalsekretär des Interministeriellen Ausschusses für die französische Politik in Deutschland und Osterreich, 2 5 . 8 . 1 9 4 5 , abgedruckt in: Rainer H u d e m a n n / A r m i n Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes G r o ß m a n n und Marcus Hahn, Hg., Das Saarland zwischen Frankreich und Europa 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Mit einer C D - R o m zum Abstimmungskampf 1955 von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007, S. 233-237, hier S . 2 3 5 . 8
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Abb. 1: Eingang der Saarbrücker Zeitung, Hohenzollernstraße, zerstört
während des Zweiten
Weltkrieges
durch den Nordteil der französischen Besatzungszone Saarbrücken besucht und dort die Möglichkeit geprüft, eine Zeitung zu gründen. 1 1 Das Verlagsgebäude der Saarbrücker Zeitung war durch alliierte B o m b e n angriffe schwer zerstört worden, an die Herausgabe einer Zeitung war hier zunächst nicht zu denken. 60 Prozent der Maschinen waren zerstört, die restlichen Maschinen waren zumindest beschädigt oder zwischenzeitlich verrostet. 1 2 In den Räumen der „Saarbrücker Landes-Zeitung", deren Besitz unter Sequester stand, fand Adam dagegen geeignete Bedingungen vor, um eine Zeitung zu produzieren. Bei seiner Ankunft waren dort auch schon ehemalige Mitarbeiter der Zeitung damit beschäftigt, die größten Kriegsschäden zu beseitigen. Im überfluteten Keller befand sich eine alte Setzmaschine, die instand gesetzt werden konnte, in technischer Hinsicht stand damit einem unverzüglichen Erscheinen nichts im Wege. Auch das nötige Material war bereits vorhanden, der Papiervorrat würde, so Adam, bei zwei Ausgaben pro Woche für zwei Monate reichen. Die Militärregierung stellte
11 Capitaine Henri-Jean Adam, Mission de prospection dans la zone nord pour la création de journaux allemands, 2 0 . 8 . 1 9 4 5 , A O F A A : Direction de l'information, A P 138/1. 12 Louis Knaff/Peter Lamar, Wir danken, in: 10 Jahre Wiederaufbau, Sonderbeilage der Saarbrücker Zeitung, 1 8 . 6 . 1 9 5 5 , S. 13.
Die S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g in der saarländischen Z e i t u n g s l a n d s c h a f t 1945-1955
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darüber hinaus eine noch intakte alte Rotationsmaschine und eine weitere Setzmaschine in Aussicht und sicherte weitere Papierlieferungen zu. 1 3 Die Militärregierung in Baden-Baden verfügte darüber hinaus, dass die unter Sequester stehende Druckerei freigegeben und eine neue Gesellschaft gegründet werden sollte, deren Aktionäre unter der Kontrolle der Militärregierung in Baden-Baden stehen würden. 1 4 Auf seiner Reise hatte der Presseoffizier bereits eine erste Auswahl an möglichen Redakteuren für die neue Zeitung getroffen. Als möglichen Kandidaten nannte A d a m in seinem Bericht nach Baden-Baden Georg Schulte, den ehemaligen Redakteur der sozialdemokratischen „Volkstimme", sowie Eugen Feien, ehemals Redakteur des frankophilen „Generalanzeigers". 1 5 Als weitere Kandidaten brachte A d a m auch Ernst Roth und Johannes Hoffmann ins Spiel. Roth w a r in den 1920er Jahren Redakteur bei der sozialdemokratischen „Mannheimer Volksstimme" und von 1932 bis 1933 Reichstagsabgeordneter der SPD gewesen. Auf seiner Flucht vor den Nationalsozialisten gelangte er zunächst ins Saargebiet, nach der Volksabstimmung 1935 floh er weiter nach Frankreich. Johannes Hoffmann hatte in den 1920er Jahren für verschiedene katholische Tageszeitungen gearbeitet. Als Chefredakteur der Saarbrücker Landes-Zeitung und der 1934 von ihm gegründeten „Neuen Saar-Post" war er einer der bekanntesten Verfechter des Status quo im Abstimmungskampf 1935. Nach der Entscheidung der Saarländer für eine Rückgliederung an das Deutsche Reich verließ auch er das Saarland und floh über Luxemburg und Frankreich nach Brasilien. Beide Redakteure befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf dem R ü c k w e g aus ihrem Exil an die Saar. 16 Die Wahl der Franzosen zur Besetzung des Chefredakteurpostens fiel jedoch auf den späteren Saarbrücker Bürgermeister und saarländischen Landtagspräsidenten Peter Zimmer. Er war bis 1933 Chefredakteur des Organs des Bergarbeiterverbandes in Bochum gewesen und 1933 in das Saargebiet geflohen, wo auch er im Abstimmungskampf 1935 für den Status quo eingetreten war. Zimmer bekleidete nicht nur den Posten des Chefredakteurs der neuen Zeitung, sondern war darüber hinaus von den Franzosen auch zu ihrem Lizenzträger ernannt worden. 1 7 Unter diesen sehr rudimentären Voraussetzungen erschien am 27. August 1945, wenige Tage vor Eintreffen des französischen Militärgouverneurs Gil13 C a p i t a i n e H e n r i - J e a n A d a m , Mission de prospection dans la zone nord p o u r la création de j o u r n a u x allemands, 2 0 . 8 . 1 9 4 5 , A O F A A , A P 138/1. 14 S u p p l é m e n t de la note sur la Sarre, 1 8 . 8 . 1 9 4 5 , A O F A A , A P 138/1. 15 C a p i t a i n e H e n r i - J e a n A d a m , Mission de prospection dans la zone nord p o u r la création de j o u r n a u x allemands, 2 0 . 8 . 1 9 4 5 , A O F A A , A P 138/1. 16 Ebd. 17 Z u r B i o g r a p h i e von Peter Z i m m e r : H u d e m a n n / H e i n e n , D a s Saarland, S. 650.
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Heue Gaarbriicfer Saarbrücken. 17. August IM5
A l l g e m e i n e s
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Titelkopf der ersten Ausgabe der Neuen Saarbrücker
Zeitung (27. August 1945 Nr. 1 )
bert Grandval in Saarbrücken, die erste Ausgabe der Neuen Saarbrücker Zeitung. Mit ihrem Namen knüpfte die Zeitung an die Tradition der seit 1761 bestehenden Saarbrücker Zeitung an. Die „Neue Saarbrücker Zeitung" begann aber mit einer neuen Jahrgangszählung und erschien zunächst zweimal wöchentlich im Umfang von zwei Seiten im sogenannten Berliner Format. Die Startauflage betrug 40000 Exemplare. 18 Hauptziel sollte sein: „être un journal d'information sans autre orientation politique que la lutte contre tout ce qui pouvait subsister de l'idéologie nationaliste et hitlérienne." 19 Schon wenige Tage nach der ersten Ausgabe der Zeitung kam es unter den französischen Verantwortlichen zu ersten Differenzen hinsichtlich der politischen Ausrichtung der Berichterstattung. Wie Presseoffizier Botticelli auf seiner Inspektionsreise im Nordteil der französischen Zone nach Baden-Baden berichtete, hatte die französische Militärregierung der Redaktion keine klaren Vorgaben gemacht, wie die Zeitung über die Zukunft des Saarlandes berichten sollte. Während sich der Leiter der Direction de l'Information in Saarbrücken, Henri Chassin de Bourdeille, für eine „politique de large propagande française servant à préparer une future annexion" 20 aussprach, wies Botticelli darauf hin, dass diese Politik offiziell noch nicht gebilligt sei und, wenn dies der Fall wäre, nur vorsichtig über die Zeitung vermittelt werden könnte. Nach seinen Vorstellungen sollten dagegen weitere gesellschaftliche Herrmann, Saarländische Presse, S. 47. H a u t C o m m i s s a r i a t de la R é p u b l i q u e française en Sarre. Direction de l'Information, Hg., Trois ans de présence française en Sarre, Paris 1948, S. 30. 2 0 C o m m a n d a n t Botticelli, Rapport sur enquête dans le secteur N o r d de la Zone française, 9.9.1945, A O F A A , A P 138/1. 18
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D i e S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g in der saarländischen Z e i t u n g s l a n d s c h a f t 1945-1955
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Strömungen in die Zeitung eingebunden werden, die zwar der französischen Politik nicht ganz gewogen waren, aber in der Bevölkerung über eine gewisse Resonanz verfügten. Als Beispiel führte er die Gewerkschaften an, die gerade wieder an der Saar entstanden und über deren Arbeit in der Neuen Saarbrücker Zeitung berichtet werden sollte. 21 Kurze Zeit nach seiner Ernennung zum Chefredakteur der Neuen Saarbrücker Zeitung konzentrierte sich Peter Zimmer jedoch ganz auf die geschäftlichen Belange der Zeitung. Die Leitung der Redaktion übernahm nun Ernst Roth 2 2 , der wie Zimmer für eine sozialdemokratische Tendenz der Zeitung stand. 2 3 Ende September wurden Roth jedoch auf Wunsch der französischen Militärregierung zwei weitere Redakteure zur Seite gestellt. Zusammen mit Johannes H o f f m a n n 2 4 als Vertreter der Christdemokraten und Hermann Burkhardt 2 5 als Vertreter der Kommunisten waren damit alle politischen Richtungen in der Redaktion vertreten. 26 Die paritätische Besetzung der Redaktion war bei den Zeitungen in der französischen Besatzungszone üblich und sollte sicherstellen, dass nicht für eine bestimmte politische Richtung, sondern überparteilich berichtet wurde. Dies war auch im Sinne der französischen Verantwortlichen, hatten sie sich doch schon vor Erscheinen der Zeitung gegen deren dezidierte Ausrichtung zugunsten des wirtschaftlichen Anschlusses an Frankreich ausgesprochen. 2 7 Wie allen Zeitungsredaktionen in der französischen Besatzungszone wurde auch der Redaktion der Neuen Saarbrücker Zeitung von der PresseabteiEbd. N a c h der Z u l a s s u n g v o n Parteizeitungen im S o m m e r 1946 wechselte R o t h als C h e f r e d a k t e u r z u r s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n V o l k s s t i m m e . N a c h A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n mit der S o z i a l d e m o k r a tischen Partei des Saarlandes ( S P S ) ü b e r den W i r t s c h a f t s a n s c h l u s s des Saarlandes w u r d e er aus d e m Saarland a u s g e w i e s e n u n d bekleidete später das A m t des L a n d r a t e s im p f ä l z i s c h e n F r a n k e n t h a l . 1949 w u r d e er B u n d e s t a g s a b g e o r d n e t e r der S P D und Delegierter des E u r o p a r a t e s in S t r a ß b u r g . 21
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C o m m a n d a n t Botticelli, R a p p o r t sur enquête d a n s le secteur N o r d de la Z o n e française, 9 . 9 . 1 9 4 5 , A O F A A , A P 138/1. 24 1946 wechselte H o f f m a n n z u r Saarländischen V o l k s z e i t u n g , der Parteizeitung der C h r i s t l i c h e n Volkspartei des Saarlandes ( C V P ) , 1947 w u r d e er z u m saarländischen M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n gewählt. V g l . z u seiner B i o g r a p h i e : H e i n r i c h K ü p p e r s , J o h a n n e s H o f f m a n n , in: Rainer H u d e m a n n / B u r k h a r d J e l l o n n e k / B e r n d R a u l s unter Mitarbeit v o n M a r c u s H a h n , H g . , G r e n z - F a l l . D a s Saarland z w i s c h e n F r a n k r e i c h u n d D e u t s c h l a n d 1945-1960, St. I n g b e r t 1997, S. 151-161; ders., J o h a n n e s H o f f m a n n (1890-1967). B i o g r a p h i e eines D e u t s c h e n , D ü s s e l d o r f 2008. Vgl. auch: M a r k u s Gestier, H g . , J o h a n n e s H o f f m a n n . E i n e erste B i l a n z , Blieskastel 2004. 23
H e r m a n n B u r k h a r d t w a r v o n 1933 bis 1945 im Exil in F r a n k r e i c h g e w e s e n . 1946 wechselte er zur „ N e u e n Z e i t " , der n e u g e g r ü n d e t e n Parteizeitung der saarländischen K o m m u n i s t e n . 1949 wurde er aus d e m Saarland a u s g e w i e s e n und ging nach O s t - B e r l i n , w o er unter a n d e r e m als R e d a k t e u r des „ V o r w ä r t s " , als C h e f r e d a k t e u r der „ B e r l i n e r Z e i t u n g " s o w i e als K o r r e s p o n d e n t der S E D - P r e s se in K u b a arbeitete. 25
A l t m e y e r , D e r „ s e i d e n e V o r h a n g " , S. 87. Stephan Schölzel, D i e Pressepolitik in der französischen B e s a t z u n g s z o n e 1945-1949, M a i n z 1986, S . 6 8 ; G o u v e r n e m e n t Militaire de la Sarre, R a p p o r t mensuel de s e p t e m b r e 1945, A O F A A , A P 131/4. 26
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lung der Militärregierung ein Presseoffizier zur Seite gestellt. Er arbeitete direkt in der Redaktion mit und war dafür zuständig, erforderlichenfalls Artikel und Anzeigen zu zensieren. Daneben sollte er sich aber auch aktiv in die Redaktionsarbeit einschalten und dabei zum Beispiel Impulse für Themen geben, über die berichtet werden konnte. 28 Commissaire-Censeur der Neuen Saarbrücker Zeitung wurde Capitaine Lucien Ehringer, der als gebürtiger Elsässer mit der deutschen Sprache vertraut war. Als er im Frühjahr 1946 die Leitung der Saarbrücker Dépendance von Agence France Presse übernahm, folgte ihm sein elsässischer Landsmann Othon Antes, der von seinem Arbeitgeber, den „Dernières Nouvelles d'Alsace", für seine Tätigkeit in Saarbrücken ein halbes Jahr freigestellt worden war. 29 Wie umfangreich die Neue Saarbrücker Zeitung zensiert wurde, kann heute nicht mehr rekonstruiert werden, weil zensierte Stellen in der Zeitung als solche nicht kenntlich gemacht werden durften und auch Unterlagen der Redaktion aus dieser Zeit fehlen. Wie stark die Zensur ausgeführt wurde, lag immer in der Hand des jeweiligen verantwortlichen Commissaire-Censeur. Im Fall von Lucien Ehringer kann davon ausgegangen werden, dass er der Redaktion einen großen Spielraum in der Berichterstattung ließ, was nicht immer im Sinne der französischen Militärregierung war. Schon im September 1945 erhielt Ehringer ein Schreiben der Direction de l'Information aus Baden-Baden, die ihn anwies, eng mit der Zentrale in Baden-Baden zusammenzuarbeiten und deren Anweisungen Folge zu leisten, um so mit der Berichterstattung der Neuen Saarbrücker Zeitung den französischen Interessen an der Saar zu dienen. 30 Auch die Parteinahme der Redakteure für die von ihnen vertretene politische Richtung, die sich seit Winter 1945 nach Zulassung der saarländischen Parteien in den Artikeln der Neuen Saarbrücker Zeitung abzuzeichnen begann, sollte nach Ansicht der französischen Verantwortlichen unterbunden werden, da dies nicht mit dem Anspruch einer überparteilichen Informationszeitung zu vereinbaren sei. 31 Insgesamt scheint sich Lucien Ehringer bei seiner Arbeit erhebliches Vertrauen bei seinen saarländischen Kollegen erworben zu haben: Später bekleidete er mehrere Jahre das Amt des Vorsitzenden des saarländischen Journalistenverbandes. 32
Instructions générales pour les Commissaires-censeurs, 12.9.1945, A O F A A , AP 136/2. Othon Antes an Bourdeille, A O F A A , AP 150/4; Othon an Laffon, 17.7.1946, ebd. 3 0 Le Chef de la section de presse au Capitaine Ehringer, betr. Section Presse, 26.9.1945, A O F A A , AP 150/4. 31 Gouvernement militaire de la Sarre, Direction Information, Rapport mensuel février 1946, 25.2.1946, A O F A A , A C 661/3. 3 2 Gabriele Scherer, 50 Jahre Saarländischer Journalistenverband - Rückblicke, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 50 Jahre Saarländischer Journalistenverband, Saarbrücken 1997, S. 19-32, hier S. 19. 28
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2.2 Neubeginn der Berichterstattung Auch für die Berichterstattung gestalteten sich die Startbedingungen der Zeitung in unmittelbarer Nachkriegszeit denkbar schwierig. Die Redaktion wurde nur unzulänglich mit Meldungen versorgt, denn es existierten weder Telefon noch Post- und Zugverkehr, die eine schnelle Nachrichtenübermittlung ermöglicht hätten. Zudem gab es in der französischen Besatzungszone noch keine Presseagentur. Stattdessen belieferte die Militärregierung die Redaktion notdürftig über Agence France Presse mit Nachrichten. Auf diesem Wege konnte auch sichergestellt werden, dass nur Meldungen den Weg in die Zeitung fanden, die von der Militärregierung gebilligt wurden. Erst mit Einrichtung der Nachrichtenagentur R H E I N A (Rheinische Nachrichtenagentur) in der französischen Besatzungszone, die auch die Neue Saarbrücker Zeitung mit Informationen versorgte, normalisierte sich auch die Arbeit der Redaktion. 3 3 In der Anfangszeit traf die Redaktion nicht den Ton, den sich die französischen Besatzer für die neue Zeitung gewünscht hatten. Die Militärregierung in Baden-Baden bewertete die ersten Artikel als zu kritisch und beauftragte den französischen Verantwortlichen für die Presse an der Saar, de Bourdeille, dafür Sorge zu tragen, dass die Redakteure stattdessen kürzere Artikel mit einem dokumentarischen Charakter verfassten. 34 Ganz im Sinne der Vorgaben, welche die französische Direction de l'Information für die Presse in ihrer Besatzungszone ausgearbeitet hatte, sah die Redaktion der Neuen Saarbrücker Zeitung ihre Aufgabe vor allem darin, mit ihrer Berichterstattung einen Beitrag zur Demokratisierung der saarländischen Bevölkerung zu leisten und diese über die Gräueltaten des N S - R e g i mes aufzuklären. Daher nahmen die Verbrechen der Nationalsozialisten von Beginn an einen großen Raum in der Zeitung ein. Besonders intensiv wurde dabei über die alliierten Kriegsverbrecherprozesse, allen voran über den Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, berichtet. 3 5 Daneben dominierten vor allem Berichte über die Beseitigung der Kriegsschäden und den darauf folgenden Wiederaufbau des Saarlandes sowie über die alliierten Planungen und Verhandlungen zur Neuordnung Europas nach dem Krieg die Titelseiten der Neuen Saarbrücker Zeitung in den ersten M o naten. Mit zunehmendem Seitenumfang wuchs auch die Berichterstattung
A n o n y m u s , o. T., in: N e u e Saarbrücker Zeitung, 2 7 . 8 . 1 9 4 6 o . N r . , Titelseite; Stephan Schölzel, Pressepolitik in der französischen Zone, in: Franz Knipping/Jacques Le Rider, Hg., Frankreichs Kulturpolitik in Deutschland, 1945-1950. Ein Tübinger Symposium, 19. und 20. September 1985, Tübingen 1987, S. 193-206, hier S. 199. 33
Ebd. So wurde zum Beispiel die Anklageschrift des Nürnberger Prozesses abgedruckt in: N e u e Saarbrücker Zeitung, 1 0 . 1 1 . 1 9 4 5 Nr. 22, S. 3 f. 34
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über die innenpolitische Situation in Frankreich und die französische Kultur kontinuierlich an. Ein erster Höhepunkt war die Berichterstattung der Neuen Saarbriicker Zeitung über den Besuch von General Charles de Gaulle in Saarbrücken am 3. Oktober 1945. 36 Schon im Vorfeld nahm dieses Ereignis am 2. Oktober 1945 die gesamte Titelseite in Anspruch. Bemerkenswerterweise zierte zu diesem Anlass erstmals seit Neugründung der Zeitung mit dem Porträt de Gaulles wieder eine Fotografie die Titelseite. Neben dessen Lebenslauf erschien ein Aufruf des Saarbriicker Oberbürgermeisters, der die Saarbrücker Bürger dazu aufforderte, anlässlich des Besuchs die Stadt mit Fahnen und Girlanden zu schmücken. In seinen Begrüßungsworten an den General und Ministerpräsidenten der Provisorischen Regierung Frankreichs hob Peter Zimmer den ersten Besuch eines Staatschefs nach dem Krieg an der Saar hervor, der sich als großer Führer und „Kämpfer um unsere Befreiung aus der schmachvollen politischen, seelischen und geistigen Knechtung, in der uns der Nationalsozialismus gefangen hielt", verdient gemacht habe, und wertete seinen Besuch als Zeichen des Beginns einer neuen Ära, von der man noch nicht wissen könne, was sie bringen werde. 37 Auch die folgende Ausgabe der Neuen Saarbrücker Zeitung stand noch ganz im Zeichen des hohen Besuchs. So hob Johannes Hoffmann in seinem Leitartikel mit dem Titel „De Gaulle und wir" die versöhnliche Ansprache de Gaulles hervor, die nicht von Vergeltung und Rache, sondern von Zusammenarbeit geprägt gewesen sei. 38 Im Oktober 1945 wurde die Seitenzahl der Neuen Saarbrücker Zeitung von zwei auf vier Seiten angehoben, gelegentlich erschienen auch Ausgaben mit einem Umfang von sechs oder acht Seiten. Ab 2. Februar 1946 erhöhte sich der Erscheinungsmodus auf drei Ausgaben pro Woche. 39 Je weiter der Umfang der Zeitung wuchs, desto größeren Raum nahmen auch wieder die Nachrichten aus der Region ein. Seit Oktober 1945 waren für die Lokalberichterstattung unter der Uberschrift „Stadt und Land" mehrere Spalten der Zeitung reserviert. Zur gleichen Zeit entstand mit der „Sport-Ecke" eine kleine Rubrik für Sportnachrichten, die in der Folge kontinuierlich wuchs. Auch das Unterhaltungsangebot wurde zum Beispiel durch FortsetzungsVgl. zur Bedeutung des Besuchs de Gaulles in Saarbrücken und in weiteren Städten der französischen Besatzungszone: Rainer Hudemann, De Gaulle und der Wiederaufbau in der französischen Besatzungszone nach 1945, in: Wilfried Loth/Robert Picht, Hg., De Gaulle, Deutschland und Europa, Opladen 1991, S. 1 5 3 - 1 6 7 ; sowie Hudemann/Heinen, Das Saarland, S . 2 3 8 f . 3 7 Schäfer, Zur Geschichte. Dritter Teil, S. 9f. 3 8 Anonymus, General de Gaulle besucht Saarbrücken, in: Neue Saarbrücker Zeitung, 2 . 1 0 . 1 9 4 5 Nr. 11, Titelseite; Johannes Hoffmann, De Gaulle und wir, in: Neue Saarbrücker Zeitung, 6 . 1 0 . 1 9 4 5 Nr. 12, Titelseite. 39 Herrmann, Saarländische Presse, S. 47. 36
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romane weiter ausgebaut. Eigens für die Saarländerin wurde die Rubrik „Für unsere Frau", später „Die Welt der Frau", geschaffen, die in unregelmäßigen Abständen Rezepte und Haushaltstipps bereithielt. Seit 1. Dezember 1945 gab es jeweils samstags mit der einseitigen Beilage „Wissen - Zeit und Welt" auch erste Ansätze eines Feuilletons. Einen weiteren Bestandteil der ersten Ausgaben bildeten die regionalen und überregionalen Verordnungen der Militärregierung. Daneben w a r eine halbe Seite der Zeitung für Privatanzeigen reserviert. Auch sie waren in den ersten Monaten noch ganz durch die Folgen des Krieges geprägt, versuchte die saarländische Bevölkerung doch auf diese Weise Mobiliar, Lebensmittel oder Kleidung zu tauschen. Hinzu kamen Anzeigen, in denen nach vermissten Angehörigen gesucht wurde. 4 0 Die Anstrengungen der Redaktion machten sich schon bald bemerkbar: Einem internen Papier der Militärregierung in Baden-Baden zufolge hatte sich die Neue Saarbrücker Zeitung durch einen verbesserten Nachrichtendienst und die konstante Ausweitung der Lokalberichterstattung inhaltlich zu einer der besten Zeitungen der französischen Besatzungszone entwickelt. 41 Der Erfolg der Zeitung schlug sich auch in den Auflagenzahlen nieder. Die Anfangsauflage von 40000 Exemplaren wurde schon im Oktober 1945 um 20000 Exemplare angehoben. Im Dezember 1945 erreichte die Auflage mit 100000 Exemplaren einen weiteren Höchststand, um nur einen Monat später erneut um 50000 auf nun 150000 Exemplare erhöht zu werden. Trotz der kontinuierlichen Aufstockung der Auflage konnte die Nachfrage der Bevölkerung nicht befriedigt werden. Die Direction de l'Information in Saarbrücken ging von einer Auflage von 300000 Exemplaren aus, um die Nachfrage decken zu können. Besonders bemerkenswert sind diese Zahlen angesichts des Papiermangels in der französischen Zone. Immer wieder musste aus diesem Grund auch die Auflagenzahl reduziert werden. 4 2 Die Neue Saarbrücker Zeitung hielt ihr Monopol auf dem Informationssektor der Region bis zur Gründung von Radio Saarbrücken im Frühjahr 1946 und der Gründung der Parteizeitungen im Sommer 1946. Dies war auch darauf zurückzuführen, dass sich die französische Militärregierung un-
Schäfer, Z u r Geschichte. Dritter Teil, S. 8 f. G o u v e r n e m e n t Militaire de la Sarre, Direction I n f o r m a t i o n , R a p p o r t mensuel février 1946, A O F A A , A C 661/3. 42 G o u v e r n e m e n t M i l i t a i r e de la Sarre, D i r e c t i o n I n f o r m a t i o n , R a p p o r t mensuel octobre 1945, A O F A A , A P 131/4; G o u v e r n e m e n t M i l i t a i r e de la Sarre, D i r e c t i o n I n f o r m a t i o n , R a p p o r t mensuel d é c e m b r e 1945, ebd.; G o u v e r n e m e n t Militaire de la Sarre, Direction I n f o r m a t i o n , R a p p o r t m e n suel janvier 1946, ebd.; G o u v e r n e m e n t Militaire de la Sarre, Direction I n f o r m a t i o n , R a p p o r t m e n suel mars/avril 1946, ebd. 40 41
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ter Emile Laffon zunächst dagegen aussprach, für die Regionen Trier und Zweibrücken eigene Zeitungen zu gründen, um dort den Einfluss der Neuen Saarbrücker Zeitung nicht zu schwächen. 43 Seit dem 3. September 1946 erschien die Neue Saarbrücker Zeitung wieder unter dem Titel Saarbrücker Zeitung, um nicht mit der früheren nationalsozialistischen Zeitung, der „NSZ-Rheinfront", verwechselt zu werden. 44
2.3 Besetzung der Redaktion Mit Etablierung der Parteizeitungen an der Saar im Sommer 1946 vollzog sich auch innerhalb der Redaktion der Neuen Saarbrücker Zeitung ein Wandel. Das Redaktionskomitee der Neuen Saarbrücker Zeitung, dessen Mitglieder als Chefredakteure zu den Parteizeitungen gewechselt waren, wurde durch Walter Eberhard als Chefredakteur abgelöst. Er war während der Völkerbundzeit Korrespondent der Saarbrücker Landes-Zeitung in Paris gewesen und 1934 zu der von Johannes Hoffmann neu gegründeten „Neuen SaarPost" gewechselt. Auch er hatte das Saargebiet nach der Volksabstimmung 1935 Richtung Frankreich verlassen. 45 Anfang August 1946 wandte sich der Verantwortliche für die Presse bei der Militärregierung an der Saar, de Bourdeille, an Eberhard, der sich zu diesem Zeitpunkt noch in Paris aufhielt. In seinen Erinnerungen schreibt Eberhard, dass ihn de Bourdeille nach Saarbrücken eingeladen und ihm dort den Posten des Chefredakteurs der Neuen Saarbrücker Zeitung angetragen habe. Ihm bleibe die Politik der Zeitung überlassen, es bestehe nur noch pro forma eine Vorzensur. Nach eigenen Angaben war Eberhard von der Aufgabe begeistert, schien sich ihm hier doch die Chance zu bieten, etwas zu bewirken. Schon wenige Tage später trat er seine neue Stellung als Chefredakteur an. 46 Eberhard fühlte sich nach eigener Aussage aber schon kurz nach seiner Ankunft unerwünscht an der Saar, so sei er immer wieder Schikanen ausgesetzt gewesen - beispielsweise wenn seiner Familie Steine in den Weg gelegt wurden, als sie zu Eberhard nach Saarbrücken nachreisen wollte, oder ihm Lebensmittelkarten verweigert wurden. Daneben berichtet er auch von Verhören durch die Militärpolizei in Saarbrücken. 47
Bericht des Zivilverwaltungschefs der französischen Militärregierung in Deutschland Émile Laffon an das Generalsekretariat der Provisorischen Regierung Frankreichs f ü r die deutschen und österreichischen Angelegenheiten, 1 6 . 1 . 1 9 4 6 , abgedruckt in: Hudemann/Heinen, Das Saarland, S. 243-253, hier S.248; Berwanger, Massenkommunikation, S.33f. 4 4 Altmeyer, Der „seidene Vorhang", S. 87. 4 5 Schäfer, Zur Geschichte. Dritter Teil, S.33. 4 6 Walter Eberhard, Wer kaufte Joho? Dreimal an der Saar, Paris 1951, S.33. 4 7 Ebd., S.38f. 43
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Ein knappes Jahr nach Amtsantritt musste Eberhard die Redaktion schon wieder verlassen. Im Mai 1947 erhielt er im Zuge der Gründung des PresseVerlages Saarbrücker Zeitung per Post die Kündigung, die wenig später von Grandval noch einmal persönlich bekräftigt wurde. Dieser führte an, dass die Saarbrücker Zeitung eine komplette Neuorganisation erfahren solle und die neu gegründete Verlagsfirma auch die Kontrolle über die Redaktion zu erhalten wünsche. Zudem gebe es Hinweise, dass Eberhard während des Krieges mit den deutschen Besatzern in Frankreich kollaboriert habe. 48 Eberhard machte für seine Entlassung den späteren saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann verantwortlich, der von Beginn an Vorbehalte gegenüber seiner Tätigkeit bei der Neuen Saarbrücker Zeitung gehegt habe. Grund dafür war laut Eberhard sein Wissen um die Liquidierung des Vermögens der Neuen Saar-Post nach der Volksabstimmung 1935, von der nichts an die saarländische Öffentlichkeit dringen sollte. 49 Eberhard verließ schließlich das Saarland und kehrte nach Paris zurück, wo er beruflich nur schwer wieder Fuß fassen konnte. Als Abrechnung mit Hoffmann, dem er bei seiner Entlassung eine zentrale Rolle beimaß, verfasste er die Schrift „Wer kaufte Joho?", die er 1951 im Selbstverlag herausbrachte und in der er auf dunkle Flecken in der Vergangenheit Hoffmanns anspielte. 50 Sein Nachfolger Louis Knaff schilderte ihn als einen in seinen Komplexen gefangenen Mann, der zwischen den politischen Tendenzen hin- und her gerissen und so unbeholfen zwischen die Fronten verschiedener Interessengruppen geraten war.51 Hinter den Kulissen hatten sich die französischen Verantwortlichen bereits nach einem Ersatz für Eberhard umgesehen. Schon im Juli 1946 hatte der Chefredakteur von „L'Est Républicain" in Nancy, Jacques Zenner, im Auftrag von Gouverneur Grandval Kontakt zu dem Luxemburger Louis Knaff 5 2 aufgenommen, der zu diesem Zeitpunkt Chefredakteur des „Journal d'Alsace" war. Nach der Entlassung Eberhards übernahm Knaff im Mai 1947 den Chefredakteursposten der Saarbrücker Zeitung. 53 48
Ebd., S.40f. Ebd., S. 35 f. Vgl. dazu auch den Beitrag von Andreas Merl in diesem Band. 5C Eberhard, Wer kaufte J o h o ? , S.40f.; Klaus Altmeyer, Massenmedien nach 1945 mit besonderem Blick auf die Volksbefragung 1955, in: Rainer H u d e m a n n / R a y m o n d Poidevin unter Mitarbeit von Annette Maas, Hg., Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte/La Sarre 19451955. U n p r o b l è m e de l'histoire européenne, 2. Aufl., M ü n c h e n 1995, S. 405^408, hier S. 405 f.; H e r r m a n n , Saarländische Presse, S. 47; G o u v e r n e m e n t Militaire de la Sarre. Direction I n f o r m a tion, R a p p o r t mensuel a o û t / s e p t e m b r e / o c t o b r e 1946, A O F A A , A P 131/4. 49
51
A i d e - M é m o i r e concernant le Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H , Privatarchiv Gilbert Grandval, Paris/St. C l o u d (PA Grandval), 11. 52 Louis Knaff erhielt nach der Befreiung Frankreichs das A m t des Directeur régional au Ministère de l ' I n f o r m a t i o n f ü r Languedoc-Roussillon, bis 1955 bekleidete er auch das A m t des Generalsekretärs der E u r o p a - U n i o n Saar. 53 A i d e - M é m o i r e concernant le Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H , PA Grandval, 11.
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Noch 1947 löste Knaff jedoch Josef Maria Feiten als Geschäftsführer der Saarbrücker Zeitung ab, blieb aber nominell weiterhin inhaltlich für die Zeitung verantwortlich. Im Januar 1951 wurde ihm für die Gesamtleitung der Zeitung Peter Lamar zur Seite gestellt. 54 Seine Nachfolge als Chefredakteur trat 1948 Kunz von Kauffungen 55 an. Die Beziehung zwischen beiden scheint nicht frei von Spannungen gewesen zu sein. In der Bilanz seiner Arbeit, die er im Sommer 1955 Grandval vorlegte, bezeichnete Knaff von Kauffungen als mittelmäßigen, unzuverlässigen Journalisten, der ihm mit seiner Redaktionsführung viele Probleme bereitet habe. 56 Auch Berichte des saarländischen Geheimdienstes Ρ 6 legen den Verdacht nahe, dass das Verhältnis der beiden nicht das beste war. Nach Angaben eines Informanten soll Kunz von Kauffungen Knaff vorgeworfen haben, dass das schlechte Niveau der Zeitung allein auf die Inkompetenz Knaffs zurückzuführen sei. 57 Kurz vor der Abstimmung über das Saarstatut wurde Kunz von Kauffungen im Sommer 1955 als Chefredakteur von Claus Becker abgelöst. Auch er war schon in den 1920er Jahren als Journalist tätig gewesen, hatte am Spanischen Bürgerkrieg teilgenommen und kehrte nach mehreren Jahren ins Saarland zurück. Nach seiner Rückkehr setzte er sich intensiv für den politischen und wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich ein. 1946 war er Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France (MRS) und arbeitete gleichzeitig als Chefredakteur bei dessen Organ „Die Neue Saar" sowie später bei der Nachfolgerin „Die Neue Woche". 5 8 Bis Ende der 1940er Jahre hatte sich die Redaktion der Saarbrücker Zeitung zur personalstärksten der saarländischen Zeitungsredaktionen entwiBerwanger, Massenkommunikation, S. 157. Von Kauffungen hatte nach seinem Studium in Heidelberg und einem Zeitungsvolontariat seit 1926 als Redakteur und Korrespondent in München gearbeitet. 1934 musste er wegen seines Engagements für die S P D in die Schweiz emigrieren, w o er in der Bewegung Freies Deutschland mitarbeitete. Von 1943 bis 1946 war er außerdem Mitglied der U n i o n der deutschen Sozialisten in der Schweiz. N a c h eigenen Angaben hatte er auch Kontakte mit der französischen Resistance geknüpft, die wohl dazu führten, dass er 1946 von der französischen Militärregierung in B a d e n - B a den zum Chefredakteur des „Schwarzwälder B o t e n " ernannt wurde. Von 1946 bis 1952 war er darüber hinaus Mitglied des Bundesvorstandes des Deutschen Journalistenverbandes und Vorsitzender des Landesverbandes W ü r t t e m b e r g - H o h e n z o l l e r n und Rheinland-Pfalz. N a c h seiner vierjährigen Amtszeit als Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung kehrte von Kauffungen 1952 in die Schweiz zurück, w o er als Korrespondent für deutsche und französische Zeitungen und Agenturen arbeitete. 54
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Aide-Mémoire concernant le Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H , PA Grandval, 11. Saarbrücker Zeitung, Quelle X I 1, 2 1 . 1 . 1 9 5 4 , Privatarchiv Edgar H e c t o r (PA H e c t o r ) , P6, Carton 8, Sd. 1. 56 57
Dieter Marc Schneider, Saarpolitik und Exil 1 9 3 3 - 1 9 5 5 , in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte ( V f Z ) 25, 1977, S. 4 6 7 - 5 4 5 , hier S. 533. Vgl. darüber hinaus den Beitrag von Ines Heisig in diesem Band. 58
D i e S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955
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ekelt. Neben dem Chefredakteur und seinem Stellvertreter beschäftigte die Zeitung in der Saarbrücker Zentrale noch weitere vier fest angestellte Redakteure, von denen einer für die Sportberichterstattung, die drei übrigen für die Lokalredaktion zuständig waren. 5 9 In den folgenden Jahren wuchs der Personalbestand der Saarbrücker Zeitung weiter an. Mitte der 1950er Jahre waren in der Zentrale in Saarbrücken 51 Mitarbeiter beschäftigt, darunter 20 Redakteure. Diese wurden bei der Berichterstattung von einigen freien Mitarbeitern, Volontären und Lokalkorrespondenten auf dem Land unterstützt. 6 0 Grundlage für die Arbeit des Politikressorts waren die Meldungen von Associated Press (AP), Agence France Presse und der Deutschen Presse-Agentur (dpa), welche per Fernschreiber täglich auf mehreren Kilometern Papierstreifen in die Redaktionsräume übermittelt wurden. 6 1 Darüber hinaus war die Zeitung an das Korrespondentennetz der Nachrichtenagenturen angebunden, welches die Zeitung mit Berichten aus den größten Städten der Welt versorgte. In Paris und Bonn verfügte man sogar über eigene Korrespondenten. 6 2 Nach dem Krieg bereitete es auch der Saarbrücker Zeitung Schwierigkeiten, fähiges Personal zu finden, welches das nationalsozialistische Regime unbelastet überstanden hatte. Daneben legte die französische Militärregierung Wert darauf, dass Saarländer als Redakteure eingestellt wurden, war man doch der Meinung, dass sie am besten wussten, was ihre Landsleute in der Zeitung lesen wollten. Zugleich förderte dies die Grundlagen für die eigene Autonomiepolitik. Daher startete die Zeitung zusammen mit der französischen Militärregierung in Saarbrücken eine Initiative, um junge Saarländer als journalistischen Nachwuchs zu gewinnen. Zwölf Praktikanten sollte die Gelegenheit gegeben werden, sich im Laufe eines dreieinhalbmonatigen Praktikums auf ihre zukünftige Arbeit als Redakteur vorzubereiten. In dieser Zeit durchliefen sie unterschiedliche Abteilungen der Zeitung und erhielten theoretische Unterweisungen. 6 3 Das Redaktionsteam der Saarbrücker Zeitung setzte sich in Folge vor allem aus jungen Mitarbeitern zusammen, Ende der 1940er Jahre betrug der Anteil der Volontäre in der Redaktion bis zu 60 Prozent. Der Pioniergeist der Anfangszeit bot vielen von ihnen die Chance, schon früh Verantwortung zu übernehmen, so dass sie in späteren Jahren auch leitende Positionen der B e r w a n g e r , M a s s e n k o m m u n i k a t i o n , S. 88. A i d e - M é m o i r e concernant le Presse-Verlag S a a r b r ü c k e r Zeitung G m b H , PA G r a n d v a l , 11. 61 Vom B u c h s t a b e n z u r Zeitung, in: 10 J a h r e W i e d e r a u f b a u , S o n d e r b e i l a g e der S a a r b r ü c k e r Zeitung, 1 8 . 6 . 1 9 5 5 , S. 15. 62 Ebd. 63 G o u v e r n e m e n t Militaire de la Sarre, D i r e c t i o n I n f o r m a t i o n , R a p p o r t mensuel février 1946, A O F A A , A C 661/3. 59
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Natalie Pohl Abb. 3: Um 1950: Das Bild zeigt Karl-Heinz Bucher in der Klischeeanstalt
Zeitung bekleideten. 64 So begann Peter Scholl-Latour seine Laufbahn als einer der schließlich international bekanntesten deutschen Journalisten 1948 als Volontär der Saarbrücker Zeitung und war 1954-1955 Pressesprecher der saarländischen Regierung. Daneben wurden auch Mitarbeiter angeworben, die schon in den 1920er Jahren als Redakteure im Saargebiet tätig gewesen waren. Angelika Braun, die Witwe des Sozialdemokraten Max Braun, war als Mitarbeiterin der Volksstimme zusammen mit ihrem Ehemann bei der Volksabstimmung 1935 für den Status quo eingetreten. Nach der Rückkehr aus dem Exil war sie zunächst für das Feuilleton der Saarbrücker Zeitung zuständig, bis sie 1947 die Chefredaktion der aus der Frauenrubrik der Saarbrücker Zeitung hervorgegangenen Frauenzeitschrift „Charme" übernahm. 6 5 Auch andere Mitarbeiter, wie zum Beispiel der spätere Chefredakteur Claus Becker, waren schon vor der Volksabstimmung 1935 im Saargebiet tätig gewesen. Inwieweit die Erfahrungen aus dieser Zeit in ihrer späteren Tätigkeit
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SZ-Intern, 40 Jahre: Rückblick auf die Anfänge, in: SZ-Intern, Mitarbeitermagazin der Saarbrücker Zeitung, März 1988, Archiv der Saarbrücker Zeitung, Dossier SZ-Geschichte. 65 Schneider, Saarpolitik, S. 533 f.
D i e S a a r b r i i c k e r Z e i t u n g in d e r s a a r l ä n d i s c h e n Z e i t u n g s l a n d s c h a f t 1 9 4 5 - 1 9 5 5
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bei der Saarbriicker Zeitung zum Ausdruck kamen, muss offen bleiben. Heinz Kölling berichtet jedoch, dass in der Redaktion nach dem Krieg eine große Aufbruchstimmung herrschte und man nicht in der Vergangenheit verhaftet war, sondern gemeinsam versuchte, die Probleme der Anfangszeit aus dem Weg zu räumen. 6 6 Besonderen Wert wurde auch auf die regionale Vernetzung der Saarbriicker Zeitung gelegt. Bis 1955 waren in Saarlouis, St. Wendel, Neunkirchen, Merzig, Homburg und St. Ingbert Lokalredaktionen mit je einem festangestellten Redakteur eingerichtet worden, sie waren das ,Herz' der Zeitung. Die Lokalredakteure knüpften die Kontakte zur saarländischen Bevölkerung und waren für die Gestaltung der Lokalseiten verantwortlich. Ihnen zur Seite standen 300 lokale Berichterstatter, Arbeiter, Geistliche, Angestellte, Lehrer, welche die Lokalredaktionen gegen eine geringe Aufwandsentschädigung mit Berichten über Vereine, Schulen oder Dorfgemeinschaften versorgten und so einen großen Beitrag zur lokalen Berichterstattung leisteten. 67 Die von den Lokalredakteuren redigierten oder selbst verfassten Beiträge wurden per Telefon oder durch Kuriere an die Hauptredaktion übermittelt, wo sie noch einmal überarbeitet und in den Satz gegeben wurden. 6 8 Insgesamt blieb die Zusammensetzung der Redaktion bis Mitte der 1950er Jahre weitgehend konstant. Erst mit Zulassung der Oppositionspresse im Vorfeld der Abstimmung um das Saarstatut im Sommer 1955 verließen einige Mitarbeiter die Saarbrücker Zeitung. 6 9
3. E n t w i c k l u n g der Z e i t u n g bis z u m V o r a b e n d der Saarabstimmung 1955 3.1 Französische Beteiligung an der Saarbriicker
Zeitung
Auch nachdem die Verantwortung für die Pressepolitik 1948 in saarländische Verantwortung übergegangen war, wollten die Franzosen weiterhin ihren Einfluss auf die saarländische Zeitungslandschaft sicherstellen. Eine Möglichkeit dazu bot eine Beteiligung an der Saarbrücker Zeitung, über die eine Verbreitung der französischen Kultur an der Saar erfolgen und ein Wieder-
66
E b d . V g l . I n t e r v i e w m i t H e i n z K ö l l i n g , 1 2 . 8 . 2 0 0 8 . K ö l l i n g w a r v o n 1 9 4 7 bis 1991 M i t a r b e i t e r
der S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g , z u n ä c h s t als V o l o n t ä r , später als S p o r t r e d a k t e u r . 67
3 0 0 M i t a r b e i t e r u n d 13 R e d a k t e u r e , in: 10 J a h r e W i e d e r a u f b a u , S o n d e r b e i l a g e d e r S a a r b r ü c k e r
Z e i t u n g , 1 8 . 6 . 1 9 5 5 , S. 18. 68 69
Ebd. V g l . I n t e r v i e w mit H e i n z K ö l l i n g , 1 2 . 8 . 2 0 0 8 ; B e r w a n g e r , M a s s e n k o m m u n i k a t i o n , S . 2 4 7 .
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erstarken des deutschen Nationalismus an der Saar verhindert werden sollte, ohne dass die Zeitung eine aggressive Propaganda für Frankreich betrieb. 70 Schon im September 1946 war die S A R A G G m b H (Saarländische Annoncen- und Reklameagentur) gegründet worden, die für das gesamte Anzeigengeschäft der Saarbrücker Zeitung verantwortlich war. Ihr Mehrheitseigner war die französische Agence Havas, vormals Nachrichtenagentur, nach dem Zweiten Weltkrieg Werbeunternehmen und Zeitungsvertriebsgeschäft. Darüber hinaus waren auch Generaldirektor Frédéric Schlachter von der Sequesterverwaltung Saar, der Kaufmann Robert Kunz, Brauereibesitzer Walter Bruch, der Präsident der Handwerkskammer Louis Arend und Rechtsanwalt Bernhard Riegler an der Gesellschaft beteiligt. Die Leitung übernahm Generaldirektor Christian R. Sauerwein. 71 In dem am 1. November 1946 geschlossenen Vertrag übertrug der Verlag der Saarbrücker Zeitung „das alleinige Recht zur kaufmännischen Verwertung der gesamten entgeltlichen Anzeigen und Reklamen der Saarbrücker Zeitung in allen ihren Ausgaben einschließlich der Beilagen gleichviel welcher Erscheinungsform auf die S A R A G G m b H . " 7 2 Der Vertrag war zunächst auf zehn Jahre angelegt, im Juni 1954 wurde er um vier Jahre bis November 1960 verlängert. Sollte der Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung auch noch darüber hinaus bestehen, verlängerte sich der Vertrag jeweils um ein Jahr. 73 Doch die französische Einflussnahme blieb nicht auf den saarländischen Anzeigenmarkt beschränkt. Als sich der Lizenznehmer der Saarbrücker Zeitung, Peter Zimmer, im Vorfeld der Landtagswahl von 1947 wieder politisch engagieren wollte, hielt er dies für unvereinbar mit der Teilhabe an einer überparteilichen Zeitung. Die Militärregierung in Saarbrücken sah in diesem Moment eine Möglichkeit, den Einfluss der Franzosen auf die Zeitung zu vertiefen, und leitete eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse ein. 74 Gemäß ihren Plänen sollte der bislang als Einzelfirma geführte Zeitungsverlag in eine G m b H umgewandelt werden. Zunächst wurde als Auffanggesellschaft die Saarbrücker Zeitungs-Verlag G m b H gegründet, die neben der Saarbrücker Zeitung auch den Saar-Presse-Verlag G m b H umfasste. Letzterer war schon im Oktober 1946 als Zusammenschluss der unter Sequester stehenden saarländischen Druckereien gegründet worden, die sich bis Kriegs-
Instruktionsentwurf des Generalsekretärs des Generalkommissariats für die deutschen und österreichischen Angelegenheiten Michel D e b r é für H o c h k o m m i s s a r Gilbert Grandval, 1 7 . 1 . 1 9 4 8 , abgedruckt in: H u d e m a n n / H e i n e n , Das Saarland, S. 3 8 8 - 3 9 1 , hier S . 3 9 0 . 70
Schäfer, Zur Geschichte. Zweiter Teil, S. 5. Vertrag zwischen dem Verlag der Saarbrücker Zeitung G m b H und der S A R A G 2 5 . 1 1 . 1 9 4 6 , abgedruckt in: Schäfer, Zur Geschichte. Zweiter Teil, S. 2. 71
72
73 74
Ebd., S . 3 . Berwanger, Massenkommunikation, S. 50f.
GmbH,
Die Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955
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ende in N S - B e s i t z befunden hatten. Durch die Aufnahme der bereits bestehenden Gesellschaft sollte für die Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden, dass die Firma schon länger bestand. Als Teilhaber der Saar-Presse-Verlag G m b H traten Josef Maria Feiten, Heinrich Zimmer, Josef Roupp, Kurt Hector und Fritz Klein auf. D e r Saar-Presse-Verlag beteiligte sich wenig später mit 1 2 0 0 0 R M an der neugegründeten Saarbrücker Zeitungs-Verlag G m b H . Im Mai 1947 wurden beide Gesellschaften liquidiert. An ihrer Stelle entstand der Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung. 7 5 Die 3 0 0 0 0 0 Reichsmark ( R M ) Kapital der Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H verteilten sich auf Heinrich Zimmer, Alfons Diwo, Peter Zimmer, Anton Donie, Fritz Klein, Josef Roupp, Josef Maria Feiten und Louis Knaff. Bei einem Großteil ihrer Anteile handelte es sich jedoch nicht um ihr Privatvermögen, sondern um Treuhandbesitz, den die Teilhaber für die französische Militärregierung verwalteten. Dies sollte jedoch vor der saarländischen Öffentlichkeit geheim gehalten werden, um die Saarbrücker Zeitung in der Bevölkerung nicht als ,Zeitung der Franzosen' zu diskreditieren. Die Treuhänder hatten sich zu absoluter Verschwiegenheit hinsichtlich der eigentlichen Eigentumsverhältnisse der Gesellschaft verpflichtet und durften ihre Treuhandanteile ohne französische Zustimmung weder verkaufen noch übertragen. Einzig Fritz Klein scheint kein Mittelsmann der Franzosen gewesen zu sein. Sein N a m e ist weder in einer Auflistung Grandvals noch in späteren Plänen zur Umgestaltung der Gesellschaft verzeichnet. 7 6 Auch wenn die saarländische Bevölkerung keine vollständige Klarheit über die Besitzverhältnisse der Saarbrücker Zeitung gewinnen konnte, kamen nach dem Tod von Josef Maria Feiten im Jahre 1950 erste Details über die französische Teilhaberschaft an der Zeitung ans Licht. Die „New York Herald Tribune" bezeichnete die Saarbrücker Zeitung 1952 als „semi-official newspaper of the French administration in the Saar". 7 7 Damit war der französische Einfluss auf die saarländische Zeitungslandschaft über die auflagenstärkste saarländische Zeitung indirekt weiterhin gewährleistet, nachdem die Verantwortung für die Pressepolitik nach Verabschiedung der Verfassung im D e z e m b e r 1947 an die Saarländer übergegangen war. Neben Radio Saarbrücken verfügte das H o h e Kommissariat in Saarbrücken damit über die wichtigsten Medien, um den französischen Einfluss im Saarland zu
Ebd. N o t e pour le cabinet du ministre, 1 0 . 2 . 1 9 4 9 , Archives du Ministère des Affaires étrangères ( M A E ) , E U 1944-1960, Sarre, 67. 75
76
H a n s - J o a c h i m Hagmann, Die saarländischen Landtagswahlen vom 30. N o v e m b e r 1952, Köln 1953, S . 4 1 .
77
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sichern und das Wiedererwachen eines deutschen Nationalismus zu verhindern. 7 8
3.2 Konsolidierung
der Saarbrücker Zeitung bis Mitte der 1950er Jahre
Ein Jahr nach der Erstausgabe der N e u e n Saarbrücker Zeitung hatte sich die materielle Situation der Zeitung kaum verbessert. Für die Auslieferung der Zeitungen stand nur ein alter Ford Eifel zur Verfügung, mit dem n u r „unter Verzicht von Schadensersatzansprüchen" 7 9 Personen transportiert werden durften. Auch eine Schreibmaschine besaß die Zeitung nur leihweise. 80 Mängel wurden in der Anfangszeit vielfach in Eigeninitiative der Mitarbeiter überbrückt, sie brachten ihr Telefon von zu Hause mit, oder organisierten Baumaterialien, u m Regale zu bauen. Bewerberinnen f ü r eine Stelle als Sekretärin konnten ihre Chancen auf eine Anstellung erhöhen, wenn sie eine eigene Schreibmaschine vorweisen konnten. Erst 1947 trat eine weitgehende Normalisierung der materiellen Situation ein und der Zeitungsverlag expandierte. 8 1 In den folgenden Jahren entwickelte sich der Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H zum größten Zeitungsverlag an der Saar, der neben der Saarbrücker Zeitung auch die Sportzeitung „Sport-Echo" 8 2 , die Kinderzeitung „Kinderpost", die Frauenzeitschrift Charme sowie das Satiremagazin „Tintenfisch" herausgab. Ferner gehörten die Europabuchhandlung, eine große Buchhandlung in Saarbrücken, und das Europatourist-Reisebüro z u m Verlag. Darüber hinaus war der Presse-Verlag an den Verlagshäusern Schulbuchverlag und West-Ost-Verlag sowie an der Zeitungsgroßhandlung Grossohaus Saar beteiligt und hatte sich ein Mitspracherecht bei der Filmvertriebsgesellschaft im Saarland gesichert. 83 Insgesamt verfügte die Verlagsgesellschaft damit nicht nur über die auflagenstärkste Tageszeitung an der Saar, sondern hatte sich gleichzeitig ein Mitspracherecht in allen Bereichen der öffentlichen Meinung und in den Medien - abgesehen von Radio Saarbrücken - gesichert. 84 Auch die bauliche Situation normalisierte sich bis Mitte der 1950er Jahre weitgehend. Schon im Mai 1946 war die alte Druckerei der Saarbrücker Zei78
Instruktionsentwurf des Generalsekretärs des Generalkommissariats für die deutschen und österreichischen Angelegenheiten Michel Debré für Hochkommissar Gilbert Grandval, 17.1.1948, abgedruckt in: Hudemann/Heinen, Das Saarland, S. 388-391, hier S.390. 79 Anonymus, o.T., in: Neue Saarbrücker Zeitung, 27.8.1946 o. Nr., Titelseite. 80 Ebd. 81 SZ-Intern, 40 Jahre: Rückblick auf die Anfänge, in: SZ-Intern, Mitarbeitermagazin der Saarbrücker Zeitung, März 1988, Archiv der Saarbrücker Zeitung, Dossier SZ-Geschichte. 82 Vgl. dazu den Beitrag von Bernd Reichelt in diesem Band. 83 Aide-Mémoire concernant le Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H , PA Grandval, 11. 84 Ebd.
D i e Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1 9 4 5 - 1 9 5 5
Abb.
4:
Akzidenzdruckerei
unì
331
1955
tung in der G u t e n b e r g s t r a ß e soweit in Stand gesetzt, dass dort eine Zeitung gedruckt werden k o n n t e . 1947 war auch der Flügel Warndtstraße des ehemaligen Verlagshauses wieder renoviert, so dass die R e d a k t i o n s s i t z u n g e n dort stattfinden k o n n t e n . In den M o n a t e n z u v o r hatten diese im H i n t e r z i m mer des C a f é Fretters stattfinden müssen, das dafür notdürftig mit Brettern abgetrennt w o r d e n war. 8 "' N a c h und nach wurden auch die Maschinensäle renoviert. 1953 wurde der letzte B a u a b s c h n i t t des Verlagsgebäudes in der Eisenbahnstraße in A n g r i f f g e n o m m e n , so dass nun auch die B u c h h a n d l u n g sowie das Reisebüro, die bislang provisorisch im Europahaus untergebracht gewesen waren, unter einem D a c h am angestammten O r t angesiedelt waren. S i ' Seit Anfang der 1950er J a h r e verfügte der Verlag z u d e m über ein Ferienheim in Südfrankreich. A u f dem A n w e s e n in der N ä h e von C a n n e s k o n n t e n die K i n d e r der M i t a r b e i t e r auf K o s t e n des Verlages ihre Schulferien verbrin-
"·•' Louis K n a f f / P c t e r Lamar, W i r danken, in: 10 J a h r e Wiederaufbau, S o n d c r b e i l a g e der Saarbrücker Zeitung, 18.6. 1955, S. 13. s
'' Paul Peters, Vor vierzig J a h r e n : D i e erste S a a r b r ü c k e r Zeitung nach dem Krieg, in: S a a r b r ü c k e r
Zeitung, 2 7 . 8 . 1985 Nr. 197, S. 16.
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gen. Auch der Aufenthalt der Mitarbeiter in St. Fainéant wurde teilweise vom Arbeitgeber übernommen. Für die Unterhaltung des Ferienheims war der Betriebsrat der Zeitung verantwortlich. 87 Die Konsolidierung des Zeitungsverlages wurde Ende der 1940er Jahre jedoch von einer Restitutionsklage der ehemaligen Besitzer der Saarbrücker Zeitung überschattet. Bis 1921 war der Zeitungsverlag der Saarbrücker Zeitung als Gebr. Hofer A G in Besitz der Familie Hofer gewesen. Nachdem die Zeitung in den Nachkriegswirren des Ersten Weltkrieges mehrmals verboten worden war und die Geschäftsführer der Zeitung sowie ein Großteil der Redaktion ins Deutsche Reich geflohen waren, geriet die Zeitung in schwere wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Familie sah sich gezwungen, die Mehrheit der Verlagsanteile an die Saarländische Verlags-Aktiengesellschaft zu verkaufen, deren Mehrheitseigner die in Reichsbesitz befindliche Concordia G m b H war. 88 1936 wurden auf Grundlage der „Anordnung zur Wahrung der Unabhängigkeit des Zeitungsverlagswesen" auch die letzten Anteile, die sich noch im Besitz der Familie Hofer befanden, an die Cautio G m b H übertragen, eine Tochtergesellschaft der Concordia GmbH, die später in der reichseigenen Vera-Verlagsgesellschaft aufging. Die Änderung der Eigentumsverhältnisse wurde den Lesern durch das Impressum bekannt gemacht. Dort fand sich nun die Buchgewerbehaus Saarbrücken G m b H statt der Gebrüder Hofer GmbH. 8 9 Am 27. April 1949 erhoben die Erben der Gebrüder Hofer G m b H eine Restitutionsklage zur Rückgabe der 40 Prozent, die 1936 an die Vera-Verlagsgesellschaft übertragen worden waren. Daneben wollten die Kläger den gegen eine Ausgleichszahlung von 50 000 R M erklärten Verzicht auf etwaige Sonderrechte wie Tantiemen oder Wohnrechte für nichtig erklären lassen, weil dieser unter dem Druck des nationalsozialistischen Regimes erfolgt sei. 90 Im März 1950 einigten sich die Familie Hofer auf der einen und der Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung auf der anderen Seite auf einen Vergleich, der eine Zahlung von 17,25 Millionen Francs an die ehemaligen Inhaber vorsah sowie weitere 1,25 Millionen Francs zur Begleichung der Anwaltskosten. 91 Kurze Zeit später übertrug das Hohe Kommissariat die Anteile des Buchgewerbehauses an die saarländische Regierung. Auf der Grundlage der „Fünften Anordnung über die Zuweisung der Vermögenswerte der natioA i d e - M é m o i r e concernant le Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H , PA Grandval, 11. Schäfer, Zur Geschichte. Erster Teil, S. 3. Vgl. darüber hinaus den Beitrag von Andreas Merl in diesem Band. 8,) E b d . 9 0 Ebd., S. 13. 9 1 Ebd., S. 14. 87 88
Die Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955
333
nalsozialistischen Organisationen" wurden diese Anteile schließlich im Mai 1951 unentgeltlich an die Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H übertragen. Diese Transaktion war jedoch umstritten, weil es sich bei der Buchgewerbehaus G m b H nicht um eine Berufsvereinigung oder eine Organisation mit wohltätigen, religiösen, kulturellen oder sozialen Zielen, sondern um ein gewerbliches Unternehmen handelte. Dies sollte bei den Verhandlungen über die Uberführung der Saarbrücker Zeitung in saarländischen Besitz nach der Volksabstimmung 1955 zu Diskussionen um die zu zahlende Ablösesumme führen. 9 2 3.3 Neuordnung
der französischen
Teilhaberschaft
Wie dargelegt, hatte die französische Militärregierung bereits 1946, also vor dem wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes an Frankreich, dafür gesorgt, dass der französische Einfluss auf die Saarbrücker Zeitung durch eine indirekte Teilhaberschaft über saarländische Treuhänder gewahrt blieb. Grandval vertraute den saarländischen Treuhändern recht bald jedoch nicht mehr und bemühte sich um eine sichere und direktere Kontrollmöglichkeit für die Franzosen. In einem Brief an das französische Außenministerium entwickelte er 1949 zwei Vorschläge zur Neuorganisation der Saarbrücker Zeitung. 93 Als eine Möglichkeit war vorgesehen, die bestehende G m b H in französisches Staatseigentum bzw. eine Anstalt des öffentlichen Rechts zu überführen. Diese Lösung erschien jedoch als zu riskant, weil dafür auch die Zustimmung des französischen Parlaments notwendig gewesen wäre und dies eine heimliche Abwicklung der Angelegenheit verhindert hätte. Alternativ sollten die saarländischen Treuhänder durch vertrauenswürdige Franzosen, ehemalige hohe Beamte des französischen Außenministeriums, ersetzt werden, die jedoch nicht mit großer Verantwortung ausgestattet sein sollten. Ihre Aufgabe würde es lediglich sein, „d'excercer au nom des autorités françaises, et sous leur contrôle, un droit de regard sur la gestion de la société, l'emploi de ses revenus et l'orientation politique du journal." 9 4 In einem Telegramm an das Außenministerium Anfang März 1949 forderte Grandval eine möglichst schnelle Abwicklung der Angelegenheit, damit eine weitgehende Diskretion auch von Seiten der zu ersetzenden saarländischen Teilhaber gesichert blieb, rechnete er doch damit, dass sich diese nur widerwillig mit einer Verringerung ihres Einflusses auf die Zeitung abfinden und die indirekte Teilhaberschaft der Franzosen publik machen würden. Des
92 93 94
Ebd., S. 15 f. N o t e pour le cabinet du ministre, 1 0 . 2 . 1 9 4 9 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 67. Ebd.
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Weiteren hielt er es für wünschenswert, dass die als Treuhänder vorgesehenen Franzosen über gewisse betriebswirtschaftliche Kenntnisse verfügten, damit sie auch die Geschäftsführung der Zeitung im Auge behalten könnten. 95 Wenig später präzisierte Grandval gegenüber der Sous-Direction de la Sarre des Quai d'Orsay seine Vorstellungen. Die französischen Verbindungsmänner sollten nicht nur die französische Kontrolle über die Saarbrücker Zeitung sicherstellen, sondern auch aktiv in der Generalversammlung und im Aufsichtsrat der Zeitung mitarbeiten, weshalb er noch einmal finanzpolitische Kenntnisse als Auswahlkriterium für die französischen Treuhänder hervorhob. 96 Das Außenministerium konnte Grandvals Plänen jedoch nicht entsprechen, weil für eine Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrates die Statuten des Gesellschaftervertrages hätten geändert werden müssen. 97 In einem Vermerk vom 14. April 1949 wurde abschließend die Neuorganisation dargelegt und Außenminister Schuman zur Billigung unterbreitet: Es war nun vorgesehen, die saarländischen Treuhänder durch vertrauenswürdige Franzosen zu ersetzen, die mit nur geringer Verantwortung ausgestattet werden und die Geschäftsführung, den Einsatz des Kapitals sowie die politische Richtung der Gesellschaft kontrollieren sollten. 98 Auch dieser Plan wurde kurze Zeit später wieder verworfen, weil die damit verbundene Änderung des Handelsregisters die Aufmerksamkeit der saarländischen Öffentlichkeit erregt hätte. Stattdessen schlug Grandval im September 1949 die Umwandlung des Verlages in eine Aktiengesellschaft vor. Diese Aktion sollte die Öffentlichkeit von der vorgesehenen Umwandlung ablenken. Nach einer Aufstockung des Kapitals sollte der französische Staat schließlich 60 Prozent der Aktien besitzen. Daneben sollten die saarländischen Treuhänder einen gewissen Prozentsatz ihrer Anteile an die Bankengesellschaft Crédit Sarrois abtreten, die mehrheitlich einer französischen Bankengruppe gehörte. 99 Von den 300 000 RM Stammkapital übertrugen von ihren Anteilen: Josef Maria Feiten 60000 RM, Heinrich Zimmer und Alfons Diwo jeweils 45 000 RM, Anton Donie, Josef Roupp und Louis Knaff jeweils 10000 RM, insgesamt also eine Summe von 180000 R M und damit 60 Prozent des Gesamtkapitals, an die Crédit Sarrois. 100 Diese Abtretung geschah rückwirkend zum
Grandval an M A E , Télégramme, 4 . 3 . 1 9 4 9 , ebd. N o t e pour la Sous-Direction de la Sarre, 5 . 3 . 1 9 4 9 , ebd. 9 7 N o t e pour le H a u t Commissariat de la République française en Sarre, 5 . 3 . 1 9 4 9 , ebd. 9 8 N o t e pour le cabinet du Ministre, Direction d ' E u r o p e , Sous-Direction de la Sarre, 1 4 . 4 . 1 9 4 9 , ebd. 9 9 Réorganisation de la Société Presseverlag, 4 . 2 . 1 9 5 0 , M A E , E U 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 91. 1 0 0 Réorganisation de la Société Presseverlag, 4 . 2 . 1 9 5 0 , ebd.; Sociétaires sucessifs de la Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H , PA Grandval, 11. 95
96
D i e Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955
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1.Januar 1949 und sollte bis zum 31.Dezember 1959 gelten. Ferner übertrugen die Teilhaber dem Direktor der Crédit Sarrois, Eugène Rohmer, der französischer Staatsangehöriger war, eine Abstimmungsvollmacht und das Recht, die Dividenden der Anteile zu übernehmen. Zudem sollte Rohmer als Vertreter der Mehrheitseigner mit beratender Stimme Mitglied des Aufsichtsrates der Zeitung werden. 101
4. Neuordnung der Zeitung nach der Volksabstimmung 1955 4.1 Die Saarbrücker
Zeitung und das Saarstatut
Die Abstimmung über das Saarstatut warf im Sommer 1955 auch in den Redaktionsräumen der Saarbrücker Zeitung ihre Schatten voraus. Als sich mit Verabschiedung eines neuen Pressegesetzes die Zulassung eigener Zeitungen für die saarländische Opposition abzuzeichnen begann, sah sich die Geschäftsleitung des Presse-Verlages zum Handeln gezwungen, um eine Abwanderung vor allem des technischen Personals zu den neugegründeten Zeitungen zu verhindern. Als Anreiz, dem alten Arbeitgeber treu zu bleiben, wurden deshalb großzügig die Löhne erhöht. 1 0 2 Daneben traf man bereits erste Vorkehrungen für eine mögliche Neuordnung der Zeitung nach der Abstimmung. Im Sommer 1955 erhielten sämtliche Führungskräfte aus dem kaufmännischen, technischen und redaktionellen Bereich der Zeitung neue Arbeitsverträge mit großzügigen Zugeständnissen hinsichtlich der Höhe der Gehälter und der Kündigungsfristen. Die Änderungen waren notwendig, weil die Kündigungsfristen in den Arbeitsverträgen von Chefredakteur, Geschäftsführer und weiteren Ressortleitern bis zum 31.Dezember 1958 gelaufen wären und eine vorzeitige Kündigung in diesem Falle hohe Ablösungszahlungen bis hin zu einer Einigung vor dem Internationalen Gerichtshof, welcher die Saarabstimmung überwachte, nach sich gezogen hätte. 1 0 3 Im August 1955 erklärte Louis Knaff, ehemaliger Chefredakteur und damaliger Geschäftsführer des Presse-Verlages Saarbrücker Zeitung, seine Demission. Als einziger Nicht-Saarländer im Verlagshaus entschied er sich, wie er in einem Schreiben an Grandval darlegte, freiwillig „ä la veille d'une décision cruciale pour la Sarre" 1 0 4 , seinen Posten zu räumen. Mit seinem
101 102 103 104
Réorganisation de la Société Presseverlag, 4 . 2 . 1 9 5 0 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 91. Schmidt, Saarpolitik, S. 564. Schäfer, Zur Geschichte. Erster Teil, S. 17. Aide-Mémoire concernant le Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H , PA Grandval, 11.
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Weggang wollte er die politische Entwicklung an der Saar nicht weiter beeinflussen und so den Weg für eine Leitung des Presse-Verlages freimachen, die nur aus Saarländern bestand. 105 Ganz so freiwillig, wie Knaff seinen Abgang schilderte, scheint er jedoch nicht gewesen zu sein. In einem internen Dokument, in dem er die Entwicklung des Presse-Verlages unter seiner Verantwortung schildert, spricht er von der dringenden Bitte des neuen französischen Botschafters, Eric de Carbonnel, den Posten als Geschäftsführer so schnell wie möglich zu räumen. Diese Entscheidung stieß aber nicht nur auf Zustimmung, nach Aussage Knaffs kritisierten viele seiner „saarländischen Freunde" die Entscheidung de Carbonnels und hielten seine Demission für einen taktischen Fehler. 106 Es sei dahingestellt, ob - wie Knaff schreibt - tatsächlich Mitarbeiter der Zeitung für ihn in den Streik treten wollten, um bei den französischen Verantwortlichen doch noch sein Bleiben zu erreichen. In seiner Zeit bei der Saarbrücker Zeitung hatte sich Knaff bei der Belegschaft ein großes Ansehen erworben, und das, obwohl er „Mann der Franzosen" war. Rückblickend wurde er von vielen Mitarbeitern als „Glücksfall" gesehen, der mit seiner umgänglichen Art und seinem Verständnis für die Probleme der Zeit einen großen Beitrag zur Entwicklung der Zeitung geleistet hatte. 107 Trotz der finanziellen Anreize, die der Verlag seinen Mitarbeitern bot, entschieden sich einige von ihnen, die Saarbrücker Zeitung zu verlassen und sich von der Oppositionspresse anwerben zu lassen. Ein Großteil wechselte zu den „Neuesten Nachrichten", der Parteizeitung der Christlich-Demokratischen Union Saar (CDU-Saar). Ihre Redaktion bestand gänzlich aus ehemaligen Mitarbeitern der Saarbrücker Zeitung. Nachdem sich der Sturm nach der Abstimmung wieder gelegt hatte und die übrigen saarländischen Zeitungen aus wirtschaftlichen Gründen nach und nach ihr Erscheinen einstellen mussten, kehrten jedoch viele der ehemaligen Mitarbeiter zur Saarbrücker Zeitung zurück. 108 Auch im Vorfeld der Abstimmung um das Saarstatut blieb die Saarbrücker Zeitung ihrer Ausrichtung zugunsten Frankreichs treu und trat für eine Annahme des Statuts ein. Während sich der Abstimmungskampf weiter zuspitzte und die Zahl der Statutgegner immer weiter wuchs, geriet das Blatt gegenüber der Presse der saarländischen Opposition ins Hintertreffen und hatte durch die starke Konkurrenz schon bald mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zudem begannen die Zeitungen der Opposition eine Certificat de travail Louis Knaff, ebd. Aide-Mémoire concernant le Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung GmbH, ebd. 107 SZ-Intern, 40 Jahre: Rückblick auf die Anfänge, in: SZ-Intern, Mitarbeitermagazin der Saarbrücker Zeitung, März 1988, Archiv der Saarbrücker Zeitung, Dossier SZ-Geschichte. 108 Berwanger, Massenkommunikation, S. 246-248. Vgl. Interview mit Heinz Kölling, 12.8.2008. 105 106
Die Saarbriicker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1 9 4 5 - 1 9 5 5
Abb.
5:
Akzidenzsetzerei
um
337
1955
K a m p a g n e gegen die Saarbriicker Zeitung, indem sie diese als Besitz des Q u a i d ' O r s a y und als „ F r a n z o s e n z e i t u n g " titulierten, so dass i m m e r w e n i ger Saarländer den M u t hatten, sich als ihre Leser zu erkennen zu geben. 1 ·' 9 D o c h nicht nur die Leser hatten Probleme, zu ihrer Zeitung zu stehen. A u c h f ü h r e n d e M i t a r b e i t e r w i e der Pariser Korrespondent der Saarbriicker Zeitung, Rudolf Wolff, sahen nach A b l e h n u n g des Saarstatuts persönliche Nachteile durch ihr langjähriges E n g a g e m e n t f ü r die Saarbriicker Zeitung. Wolff w a n d t e sich deshalb an Gilbert Grandval, u m seine persönliche Situation abzusichern. Er hoffte auf einen Vertrag, der ihm mehrere J a h r e Schutz zusichern w ü r d e , fürchtete er doch a u f g r u n d seiner französischen Staatsbürgerschaft und seiner Tätigkeit f ü r die S a a r b r ü c k e r Zeitung den Beruf w e c h seln oder eine längere Arbeitslosigkeit in Kauf n e h m e n zu müssen. Daneben bat er auch f ü r w e i t e r e verdiente M i t a r b e i t e r der Zeitung um eine G r a t i f i k a tion. Grandval leitete seine Bitte an Botschafter de C a r b o n n e l weiter und bat diesen, sich für Wolff und seine Mitstreiter e i n z u s e t z e n . " 3 R e h m e r .in de C a r b o n n e l , Strictement c o n f i d e n t i e l , IC. 12.1955, M A K , KU 1944-1960. Sarre. 92. G i l b e r t G r a n d v a l an Eric de C a r b o n n e l , 2 2 . 1 1 . 1955, ebd.
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Die Krise der Saarbrücker Zeitung hielt nach der Abstimmung über das Saarstatut an, was auch an den rückläufigen Abonnements deutlich wird. Wurden im Juli 1955 noch 137000 Exemplare über Abonnement vertrieben, so waren es zum Zeitpunkt der Volksabstimmung im Oktober 1955 noch 122 000 Exemplare. Im Dezember 1955 war die Zahl der Abonnenten weiter bis auf 109000 zurückgegangen. Auch die Einnahmen des Verlages über Zeitungsanzeigen gingen zurück. Allein im November 1955 sanken die Einnahmen des Zeitungsverlages durch Inserate und Anzeigen um 26 Prozent. 111 Die sinkenden Absatzzahlen wurden dadurch potenziert, dass der PresseVerlag nach der Abstimmung befürchten musste, lukrative Aufträge wie den Druck des Amtsblatts des Saarlandes oder des Telefonbuchs zu verlieren. Auch die Druckkosten der „Sport-Welt" und von „Télé-Radio" waren noch nicht beglichen, weil weder die saarländische Regierung noch die Mission Diplomatique in Saarbrücken weiter über Mittel zur Finanzierung der Zeitungen verfügten. 112 Bis Dezember 1955 hatte sich die finanzielle Situation des Zeitungsverlages soweit zugespitzt, dass umgehend eine Finanzhilfe von 30 Millionen Francs nötig war, um die dringendsten anstehenden Kosten zu begleichen. Zudem erschien es notwendig, alle Verbindungen der Zeitung zur Mission Diplomatique in Saarbrücken zu kappen, um den saarländischen Oppositionszeitungen und ihrer Kampagne gegen die „Franzosenzeitung" den Wind aus den Segeln zu nehmen. Eine Übernahme der Zeitung, wie sie die CDUSaar plante, sollte auf alle Fälle vermieden werden. 113
4.2 Ubergang der Saarbrücker Zeitung in saarländischen
Besitz
In einem vertraulichen Brief an Botschafter de Carbonnel sprach Eugène Rohmer als Mitglied des Aufsichtsrates noch eine weitere Frage an, die es zu lösen galt. Mehrere saarländische Teilhaber der Saarbrücker Zeitung fühlten sich nach der Abstimmung im Oktober 1955 an der Saar bedroht, weil man sie in der Öffentlichkeit für französische Strohmänner hielt. Sie hofften daher auf eine schnelle Ablösung ihrer Anteile. Rohmer hatte bereits einige Saarländer ausfindig gemacht, die sich in dieser Situation bereit fanden, die Anteile zu übernehmen. Er riet de Carbonnel zu einer raschen Abwicklung der Angelegenheit, weil ein Scheitern der Pläne und der Konkurs des Verlages auch einen Schaden für das französische Außenministerium bedeutet
111 112 113
E. Rohmer an de Carbonnel, Objet: Presse-Verlag, 10.12.1955, ebd. Ebd. Rohmer an de Carbonnel, Strictement confidentiel, 10.12.1955, ebd.
D i e S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955
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hätte. 114 Der Plan der Mission Diplomatique sah im Folgenden vor, dass die früheren Teilhaber Heinrich Zimmer, Alfons Diwo, Frau Roupp und Anton Donie ihre Anteile veräußerten. Die französischen Anteile im Wert von 4,14 Millionen Francs würden von sieben Saarländern übernommen. 1 1 5 Nach Ansicht Rohmers sollten die Anteile an ihre neuen Eigentümer unentgeltlich oder gegen einen symbolischen Betrag übertragen werden, schließlich liefen die Geschäfte schlecht und das Außenministerium hätten die Anteile nichts gekostet. 1 1 6 Die Ubernahmepläne scheiterten jedoch, weil zum einen zu hohe Steuern beim Ubertrag fällig geworden wären, zum anderen erschienen die ausgewählten saarländischen Teilhaber der Mission Diplomatique kein hinreichendes Ansehen bei der saarländischen Opposition zu genießen, um den Attacken gegen die Saarbrücker Zeitung ein Ende zu bereiten. 1 1 7 Nach Verhandlungen mit Bonner Kreisen, die auch ihr Interesse an der Saarbrücker Zeitung angemeldet hatten, strebten die Franzosen folgende Einigung an: Mit 20 Prozent sollte Frankreich über eine halbstaatliche Organisation wie zum Beispiel Agence France Presse an dem Zeitungsverlag beteiligt werden, zehn Prozent der Anteile könne von Saarländern aus dem europäisch-christlichen Lager, zum Beispiel Mitgliedern der CVP, gehalten werden, weitere 30 Prozent waren politisch neutralen Saarländern vorbehalten. Die Anteilseigner weiterer zehn bis 15 Prozent würden von der Bundesregierung in Bonn ernannt werden. Die restlichen 25 bis 30 Prozent waren einer offiziellen Teilhaberschaft der Bundesrepublik vorbehalten. Darüber hinaus war eine deutsch-französische Redaktion vorgesehen, die weiterhin eine französische Kontrolle der Zeitung ermöglichte. 1 1 8 Den französischen Plänen wurde jedoch nicht entsprochen. Stattdessen meldete die saarländische Regierung ihr Interesse an einem Kauf der Saarbrücker Zeitung an. Anfang Juni 1956 brachten die „Heimatbundparteien" C D U , SPD und die Demokratische Partei Saar (DPS) einen Gesetzesentwurf im saarländischen Landtag ein, der vorsah, die Saarbrücker Zeitung und die „Saarländische Volkszeitung" in den Besitz des Landes zu überführen. 1 1 9 Parallel dazu hatten bereits Verhandlungen um die Zukunft der Saarbrücker Zeitung begonnen. Schon zu Beginn musste die französische Seite von ihren Forderungen Abstand nehmen. Weder auf die Besetzung der Redaktion
1 . 4 E. R o h m e r an de C a r b o n n e l , O b j e t : Presse-Verlag 1 0 . 1 2 . 1 9 5 5 , M A E , E U 1944-1960, Sarre, 92; R o h m e r an de C a r b o n n e l , Strictement confidentiel, 1 0 . 1 2 . 1 9 5 5 , ebd. 1 . 5 Mission D i p l o m a t i q u e Française en Sarre, C e s s i o n de la participation française à la société Presse-Verlag S a a r b r ü c k e r Zeitung, 1 0 . 1 2 . 1 9 5 5 , ebd. 1 . 6 R o h m e r an de C a r b o n n e l , Strictement confidentiel, 1 0 . 1 2 . 1 9 5 5 , ebd. 117 N o t e a [ u ] s[ujet] Presse-Verlag - S a a r b r ü c k e r Zeitung, 2 2 . 1 2 . 1 9 5 5 , ebd. 1 , 8 Ebd. 119 Schäfer, Z u r Geschichte. Erster Teil, S. 17f.
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noch auf die kulturelle Ausrichtung der Zeitung wollten ihnen die deutschen und saarländischen Verhandlungspartner eine Einflussnahme zugestehen. 120 In den offiziellen Verhandlungen, die am 22. September 1956 in Saarbrücken begannen, kam es vor allem hinsichtlich der Höhe des Kaufpreises zu Diskussionen. Die saarländische Regierung, vertreten durch die Verhandlungsträger Eduard Martin und Walter Senssfelder, bot den französischen Verhandlungsvertretern Eugène Rohmer, dem Pariser Rechtsanwalt Henry Monneray und Bernhard Riegler eine Ablösesumme in Höhe von 25 Millionen Francs als Entschädigung an. Die französische Seite konnte sich mit dem Angebot nicht zufrieden geben. Rohmer erklärte in seiner Antwort an Martin, dass die von den Saarländern gebotene Summe gerade einmal den Nominalwert der Anteile der Teilhaber am Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung decken würde, die Teilhaber jedoch gegenwärtig eine Vermögenssteuer auf der Basis von 3 000 Prozent bezahlen müssten. In den darauf folgenden Verhandlungen veranschlagten die Franzosen die Ablösesumme auf 500 bis 300 Millionen Francs. 121 Darüber hinaus war auch die unentgeltliche Übertragung der Buchgewerbehaus GmbH-Anteile auf die saarländische Regierung im Jahre 1951 Thema der Verhandlungen. Die französischen Verhandlungsführer mussten eingestehen, dass diese gesetzwidrig gewesen war. Dies bot der saarländischen Regierung die Möglichkeit, die Übernahme der Saarbrücker Zeitung nicht als rein kaufmännischen Akt zu sehen, sondern bei den Verhandlungen auch die drohenden Verfahren gegen die Geschäftsführung wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten einfließen zu lassen. 122 Zu Beginn der zweiten Verhandlungsrunde Ende September 1956 forderte die saarländische Seite den französischen Vertreter Rohmer auf, einen Gegenvorschlag zum saarländischen Angebot über 25 Millionen Francs abzugeben. Rohmer nannte einen Betrag von 150 Millionen Francs für 67 Prozent der Anteile der Gesellschaft, die sich nicht im Eigenbesitz der Gesellschaft befanden, wobei die laufenden Anstellungs- und Pensionsverträge und auch der SARAG-Vertrag vom Käufer übernommen werden müssten. 123 Für die Saarländer war dieser Vorschlag unannehmbar. Mit Beginn der dritten Verhandlungsrunde am 11. Oktober 1956 hatte sich der Kreis der Teilnehmer erweitert. Für die Franzosen waren nun Botschafter de Carbonnel, dessen juristischer Berater Gonzague Lessort, Rohmer, Monneray und Riegler zugegen. Für die Saarländer war zur bisherigen Verhandlungsgruppe
120 121 122 123
Ebd. Ebd., S. 18-20. Ebd., S. 22-24. Ebd., S. 26f.
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der Leiter der Staatskanzlei Gotthard Lorscheider hinzugekommen, Legationsrat Walter Böx war als Vertreter der Bundesrepublik nach Paris geschickt worden. Auch hier zeigte sich die französische Seite nicht bereit, von ihren Forderungen zurückzutreten. Vor allem an den bestehenden Verträgen, allen voran dem SARAG-Vertrag, ließen die Franzosen nicht rütteln. 124 Schon im August 1956 hatten sie ihren Unwillen erklärt, den SARAG-Vertrag aufzuheben, sei er doch von beiden Seiten abgeschlossen worden und bis 1961 gültig. Auch bei den weiteren Verhandlungen blieb die Übernahme des Vertrages eine französische Forderung. Im Rahmen des am 26. Oktober 1956 in Luxemburg abgeschlossenen Deutsch-Französischen Vertrages zur Regelung der Saarfrage wurde die Teilhabe an der Saarbrücker Zeitung schließlich neu geregelt. Für eine Summe von 110 Millionen Francs wurden die Anteile der Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H , die nicht der Gesellschaft gehörten, bis zu einer definitiven Regelung treuhänderisch an ein Bankenkonsortium aus der Saarländischen Kreditbank, der Landesbank und Girozentrale sowie der Bank für Gemeinwirtschaft übertragen. Daneben sollte ein Verwaltungsrat gegründet werden, der dem überparteilichen Charakter der Zeitung Rechnung zu tragen hatte. 125 Die endgültige Abwicklung der französischen Beteiligung an der Saarbrücker Zeitung wurde von der Lösung der Aufteilung des Kapitals zwischen SARAG und der Zeitung abhängig gemacht. Diese konnte nach langen Auseinandersetzungen erst im Juni 1962 vollzogen werden. 126
5. Z u s a m m e n f a s s u n g Die Krise, in der sich die Saarbrücker Zeitung 1955 befand, war nicht von Dauer. Nach einem Tiefststand 1956 mit einer durchschnittlichen Auflage von 119 724 Exemplaren erholte sich die Auflage der Zeitung im folgenden Jahr wieder und stieg auf durchschnittlich 130112 Exemplare. 127 Während die angestammten Parteizeitungen und die neugegründeten Zeitungen aus wirtschaftlichen Gründen nach und nach ihr Erscheinen einstellen mussten, verfügte die Saarbrücker Zeitung seit den 1970er Jahren über die Monopolstellung auf dem saarländischen Zeitungsmarkt. 128 124
Ebd., S.28f. Protokoll über die Regelung der Angelegenheit der Saarbrücker Zeitung, 26.10.1956, Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken (LA SB), StK 95. Vgl. auch den Beitrag von Tanja MoserPraefckc, Die Entwicklung der Zeitungslandschaft, in Bd. 2. 126 Schäfer, Z u r Geschichte. Zweiter Teil, S. 69. 127 Ebd., S. 54. 128 Siehe hierzu die weiteren Beiträge in diesem Werk. 125
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Erstes Ziel bei der Gründung der Saarbrücker Zeitung war es, ein Mittel zur Information der saarländischen Bevölkerung zu schaffen. Zum einen sollte sie einen Beitrag zur Demokratisierung der Saarländer leisten und ein Erstarken des deutschen Nationalismus verhindern, zum anderen aber auch von Beginn an für Frankreich und seine Kultur werben, ohne eine aggressive Propaganda zu betreiben. Praktisch aus dem .Nichts' begann 1945 mit Hilfe der französischen Militärregierung der Wiederaufbau der Saarbrücker Zeitung nach dem Zweiten Weltkrieg. Vielfach aus Eigeninitiative der Mitarbeiter und durch die Unterstützung der Franzosen konnte sich die Zeitung relativ schnell zur führenden Zeitung an der Saar entwickeln. Darüber hinaus bot die Anfangszeit jungen Saarländern die Möglichkeit, erste journalistische Erfahrungen zu sammeln. Auch wenn die Saarbrücker Zeitung nach dem Zweiten Weltkrieg dem Vorwurf ausgesetzt war, .Zeitung der Franzosen' zu sein, war sie dennoch unangefochten die auflagenstärkste Tageszeitung an der Saar. Grund dafür war, dass sie einen großen Wert auf die Lokalberichterstattung legte und ein umfassendes Netz aus Lokalredakteuren aufbaute, die von den Geschehnissen in den saarländischen Dörfern und Städten berichteten. 129 Dazu kamen auch noch zahlreiche Amateurreporter, welche die Zeitung zum Beispiel mit Vereinsberichten versorgten. Auch wenn der französische Einfluss auf die Eigentumsverhältnisse unbestritten ist, stellt sich die Frage, in welchem Maße die Franzosen auch auf die Berichterstattung und die Besetzung der Redaktion eingewirkt haben. Die schlechte Quellenlage lässt eine detaillierte Verfolgung dieser Problemkomplexe nur sehr begrenzt zu. Zieht man die Berichterstattung heran 130 , so bestätigt sich aber der aufgrund der Aktenlage gewonnene Eindruck, dass die Berichterstattung nicht in einem solchen Ausmaß beeinflusst wurde, wie es im politischen Tageskampf um 1955 vermutet wurde. Weit eher dürfte hier eine maßgebliche Rolle gespielt haben, dass - wie Paul Burgard es in diesem Buch für den Saarländischen Rundfunk aufzeigt - im Hinblick auf die europäische Öffnung und die Demokratisierung politischer Strukturen auf saarländischer und französischer Seite durchaus ähnliche Konzepte zugrunde lagen.
1 2 9 Vgl. dazu den Beitrag von Susanne Dengel, Regionalisierung als Grundstrategie der Saarbrücker Zeitung, in Bd. 3. 1 3 0 Vgl. dazu den Beitrag von Alexander König in diesem Band.
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6. Quellenverzeichnis Archive Archives du Ministère des Affaires étrangères (MAE), Paris: E U 1944-1960, Sarre, 67, 91, 92 MAE, Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche, (AOFAA) Colmar: Direction de l'Information, AP 131/4, AP 136/2, AP 138/1, AP 150/4 Affaires culturelles, A C 661/3 Privatarchiv Gilbert Grandval, Paris/St. Cloud (PA Grandval): 11 Privatarchiv Edgar Hector (PA Hector): Carton 8, Sd. 1 (Diese französischen Bestände sind auf Mikrofilm einsehbar am Historischen Institut der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl Rainer Hudemann)
Gedruckte Quellen Saarbrücker Zeitung 1945-1955
7. Ausgewählte Forschungsliteratur Klaus Altmeyer, Der „seidene Vorhang". Saarpresse 1945 bis 1959, in: Deutsches Zeitungsmuseum, Hg., Von der Mangelwirtschaft zur Massenauflage. Printmedien in den 50er Jahren. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Zeitungsmuseums in Wadgassen, Dillingen 2007, S. 85-103 Dietrich Berwanger, Massenkommunikation im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer Kontrolle", München 1969 Hans Bünte, Saarbrücker Zeitung. Begleiter der saarländischen Geschichte 17611986, Saarbrücken 1987 Hans-Walter Herrmann, Die saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre saarländischer Journalistenverband 1947-1972. Eine Dokumentation, Saarbrücken 1972, S. 46-58 Eduard Schäfer, Zur Geschichte der Saarbrücker Zeitung 1918-1968/69, Saarbrücken 1972
Alexander
König
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbriicker Zeitung 1947-1955 E i n e qualitativ-quantitative A n a l y s e v o n Inhalten u n d Sparten
1. Einleitung „Wer regiert die Saar?" 1 Dieser Frage ging Martin Hoffmeister in seiner gleichnamigen Schrift aus dem Jahr 1952 nach, die von der so genannten „prodeutschen" Opposition des „Deutschen Saarbundes" herausgegeben worden war. Diese Broschüre machte sich zum Ziel, das „profranzösische" und „separatistische" Netzwerk an der Saar aufzudecken. Neben dem politischen Vertreter der französischen Siegermacht vor Ort, dem „Haut C o m missaire de la République française en Sarre" Gilbert Grandval, standen deshalb die saarländische Bürokratie, das Bildungs-, Finanz-, Presse-, Verlags- und Filmwesen im Mittelpunkt der Betrachtung: „ E s zeigt sich, daß entscheidende politische und wirtschaftliche Positionen mit Personen französischer Staatsangehörigkeit besetzt sind. Soweit Saarländer in maßgebliche Stellen einrücken konnten, handelt es sich um solche, die die Zeit ihrer Emigration in Frankreich verbrachten, z u m Teil neben der saarländischen die französische Staatsangehörigkeit besitzen oder sich innerlich von Deutschland getrennt und Frankreich zugewandt haben." 2
Insbesondere die Presse wurde als eines der „betrüblichsten Kapitel" der Nachkriegszeit im Saarland bezeichnet. Aus Sicht der Opposition war die ehemals renommierte und traditionsreiche „Saarbrücker Zeitung", deren Anfänge bis ins Jahr 1761 zurückreichen, journalistisch längst „unter das Niveau eines ,Provinzblättchens'" abgesunken. Von einer unabhängigen Berichterstattung, der sich die Tageszeitung mit ihrem Neuerscheinen am 27. August 1945 verschrieben hatte, könne in keinem Falle gesprochen werden. Die Saarbrücker Zeitung sei vielmehr „praktisch im Eigentum des französischen Staates" bzw. „im treuhänderischen Besitz ihm besonders erge1 M a r t i n H o f f m e i s t e r , Wer regiert die S a a r ? , K ö l n 1952. Vgl. z u m S a a r b u n d das sich wesentlich auf Q u e l l e n m a t e r i a l deutscher P r o v e n i e n z s t ü t z e n d e und d e s h a l b d u r c h a u s kritisch z u lesende B u c h : H e r b e r t Elzer, D i e d e u t s c h e W i e d e r v e r e i n i g u n g an der Saar. D a s B u n d e s m i n i s t e r i u m f ü r g e s a m t d e u t s c h e F r a g e n und d a s N e t z w e r k der p r o d e u t s c h e n O p p o s i t i o n 1939 bis 1955, St. Ingbert 2007, S. 281-357. 2 H o f f m e i s t e r , Saar, S. 8.
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bener Diener". Der wahre Charakter des Blattes zeige sich in .antideutscher' Polemik: „Dementsprechend ist der Geist dieser Zeitung, die sich häufig in verleumderischen Artikeln gegen Deutschland, deutsche Persönlichkeiten und Zustände in Deutschland ergeht." 3 Die Lektüre dieser zeitgenössischen Kampf-, Streit- und Schmähschriften 4 lässt das Bild einer Zeitung entstehen 5 , die nach außen zwar den Anspruch vertrat, unabhängig und überparteilich zu sein 6 , diesem Ansinnen aber bei weitem nicht gerecht wurde. In den Jahren 1947 bis 1955 habe die Saarbrücker Zeitung als Sprachrohr der französischen Besatzungsmacht an der Saar und der „Partei des Ministerpräsidenten Hoffmann" 7 gedient. Zusammengefasst: Die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung sei lediglich Mittel der Propaganda gewesen.
2. F o r s c h u n g s ü b e r b l i c k Die nach 1955 vorgelegte Literatur zur Geschichte der Zeitung scheint diese Einschätzung auf den ersten Blick zu belegen. Zu nennen ist an dieser Stelle der oft als Referenz herangezogene historische Streifzug durch 200 Jahre .deutsche' Zeitungsgeschichte von Ludwig Bruch, der seine Ausführungen zur Geschichte des Blattes in den Jahren 1945 bis 1955 auf knapp zwei Seiten beschränkt. Des Weiteren ist das Buch von Eduard Schäfer zu zitieren, der eine Geschichte der Zeitung von 1918 bis 1969 zu geben versucht. 8 Ihre Ein-
Ebd., S. 22. Vgl. die Aufstellung bei: Heinrich Schneider, Das Wunder an der Saar, Stuttgart 1974, S. 372-379. 5 Vgl. unter anderem die Erinnerungen des ehemaligen Chefredakteurs der Saarbrücker Zeitung: Walter Eberhard [Pseudonym von Walter Schopen; Anm. d. Verf.], Wer kaufte J O H O ? Dreimal an der Saar, Selbstverlag des Verfassers [1951], S. 41 f.; Hans-Joachim Hagmann [Pseudonym von Helmut Lauk; Anm. d. Verf.], Die saarländischen Landtagswahlen vom 30. November 1952, Köln 1952, S. 40-43; Richard Becker, Freiheit für die Saar. Die Verletzung der Grundfreiheiten und Menschenrechte im Saarland, Saarbrücken 1951, S.20. Vgl. auch: Ludwig Brenner [Pseudonym von Ludwig Bruch; Anm. d. Verf.], Freie Wahlen? Ein Nachwort zu den saarländischen Landtagswahlen, Köln 1952. 6 Vgl. zum Beispiel: Anonymus, Die Pflicht der saarländischen Demokraten, in: Saarbrücker Zeitung, 29.7.1947 Nr. 88, Titelseite. 7 Nicolas Benckiser, Hg., Zeitungen in Deutschland. Sechsundfünfzig Porträts von deutschen Tageszeitungen, Frankfurt a . M . 1968, S. 11. 8 Ludwig Bruch wechselte 1958 wieder zur Saarbrücker Zeitung. Vgl. Ludwig Bruch, Weg und Schicksal einer deutschen Zeitung, in: Saarbrücker Zeitung, Hg., 200 Jahre Saarbrücker Zeitung 1761-1961, Saarbrücken 1961, S. 15-203. Vgl. zum Beispiel: Hans Bünte, Saarbrücker Zeitung. Begleiter der saarländischen Geschichte 1761-1986, Saarbrücken [1987], S. 40^11. Bünte übernimmt sogar die Klassifikation Bruchs, die Saarbrücker Zeitung sei eine „deutsche Zeitung" gewesen (vgl. ebd., S.43); in einer späteren Ausgabe relativiert er diese Einschätzung durch die Uberschrift „Deutsch? Französisch? Saarländisch?". Vgl. Hans Bünte, Saarbrücker Zeitung. 250 Jahre im 3 4
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Schätzungen sind ähnlich und lassen sich auf den von Ludwig Bruch formulierten Nenner bringen: Die Saarbrücker Zeitung war ein „französisches Blatt in deutscher Sprache". 9 Eine quellenkritische Prüfung lässt gleichwohl Zweifel an der Ausgewogenheit der dargebrachten Bewertung aufkommen. Es zeigt sich, dass Ludwig Bruch, 1918 bis 1945 für die Saarbrücker Zeitung schreibend, bereits zur Zeit des Völkerbundmandats an der Saar eine klare nationale, wenn nicht sogar nationalistische, Position vertrat 10 , ab 1940 als stellvertretender Chefredakteur in Erscheinung trat und im Jahr 1955 auf Seiten der Demokratischen Partei Saar (DPS) als Chefredakteur der „Deutschen Saar" den dezidierten Gegnern einer Europäisierung der Saar zuzurechnen ist.11 Im Fall des ehemaligen Chefredakteurs der „Saarländischen Volkszeitung" und prominenten saarländischen Journalisten Eduard Schäfer stellen wir fest, dass dieser 1950 in Ungnade fiel, da er in einem Artikel, der ausgerechnet zum denkwürdigen 13. Januar 1950 erschien - wie Klaus Altmeyer rückblickend festhält - , für „eine größere Selbstständigkeit der Wirtschaftsverwaltung" 1 2 eintrat und die Wirtschaftsunion französischem Machtstreben zuordnete. Daraufhin wurde er auf Drängen des französischen Ministerpräsidenten Georges Bidault und durch das Einwirken des Innenministers Edgar Hector entlassen. 13 Schäfer verließ, seiner Existenzgrundlage im Saarland beraubt, mehr oder minder freiwillig das Land, wechselte zur Deutschen Presse-Agentur (dpa) und wurde dort Leiter der Personalabteilung. Politisch hatte sich der einstige Befürworter einer saarländischen Autonomie vom Saarstaat abgewandt. Ein scharfer Dissens zu Johannes H o f f m a n n kennzeichnete von nun an sein Verhältnis zum Landesvater. 14 Erst nach 1955 Dienst der Information, Saarbrücken [1992], S.58-60; E d u a r d Schäfer, Z u r Geschichte der Saarbrücker Zeitung von 1918-1968/69, Saarbrücken 1972, hier Dritter Teil, S.4. 9 Bruch, Weg, S.200; ähnlich Schäfer, Z u r Geschichte. Dritter Teil, S. 34 und auch Paul Peters, Die Geschichte der Saarbrücker Zeitung, in: Rainer Müller, 225 Jahre Saarbrücker Zeitung. Saarbrücken 1986, S.5. 10 Vgl. L u d w i g Bruch, Die Franzosen im Saargebiet. Erinnerungen an die ersten saarländischen Besatzungsjahre, Saarbrücken 1934; ders., Jahrtausend-Feier der Rheinlande im Saargebiet. Eine Volksschrift, Saarbrücken/Völklingen 1925. 11 Vgl. Robert H . Schmidt, Saarpolitik 1945-1957, 3 Bde., Berlin 1959-1962, hier Bd. 1: Politische Struktur, S.562f. 12 Klaus Altmeyer, Pressefreiheit u n d Saarpolitik, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1947-1972, Saarbrücken 1972, S. 82-88, hier S. 85; Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S. 538. 13 Dass H e c t o r vor allem auch darauf bedacht war, jedem .Angriff' auf die Verfassung entschlossen zu begegnen, zeigt: Alexis Andres, Edgar H e c t o r u n d die Saarfrage, in: Rainer H u d e m a n n / Burkhard Jellonek/Bernd Rauls unter Mitarbeit von Marcus H a h n , Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, St. Ingbert 1997, S. 163-176. 14 Heinrich Küppers, Johannes H o f f m a n n (1890-1967). Biographie eines Deutschen, Düsseldorf 2008, S.410; Schmidt, Saarpolitik, Bd. 2: Entfaltung der Saarpolitik zwischen „Wirtschaftsanschluß und Europäisierung" 1945-1953, S. 304f.
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kehrte er zurück, besetzte den Posten eines Leiters des Presseamtes der neuen saarländischen Regierung und war wenige Jahre später, ab 1957, Direktor der Saarbrücker Zeitung. 15 Will der Historiker die angeführten Arbeiten für seine Forschungen heranziehen, so hat er ihre spezifische Prägung in Rechnung zu stellen. Als Referenzen müssen sie naturgemäß mit Vorsicht behandelt werden, steht ihre Darstellung doch zweifelsohne unter dem Eindruck individueller Einstellung und von Erfahrungen, die Perzeption und Deutung der erlebten Geschichte beeinflussten. Insgesamt stehen sie der Autobiographie oder dem Zeitzeugenbericht näher als der wissenschaftlichen Abhandlung. Bis zum heutigen Tag ist eine zusammenfassende wissenschaftlich fundierte Arbeit zur auflagenstärksten Zeitung der Jahre 1947 bis 1955, der Saarbrücker Zeitung, ein Desiderat der Forschung. Uberblickt man aber die verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen, die sich mit der Saarbrücker Zeitung beschäftigen, zeigen sich drei große Argumentationsmuster, welche die These von der Abhängigkeit und Parteilichkeit des Blattes bekräftigen. 16 Der erste Zugang zielt auf die ökonomische Basis der Saarbrücker Zeitung. Es begründet die von französischer Seite und der Regierung ausgeübte publizistische Kontrolle mit Hilfe der dem Blatt zugrunde liegenden Eigentumsverhältnisse. 17 Bereits der am 10. Oktober 1946 gegründete Saar-Presse-Verlag, dem als Gesellschafter der Hauptanteil am Geschäftskapital der Saarbrücker Zeitung zukam, bestand mit Josef Maria Feiten, Heinrich Zimmer, Josef Roupp, Kurt Hector sowie Fritz Klein zum größten Teil aus Treuhändern der französischen Militärregierung. Diese Konstellation änderte sich auch nicht, als am 10.Juni 1947 die Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung G m b H gegründet wurde. 1 8 Dietrich Berwanger nimmt an, dass sich gut 76 Prozent des Kapitals indirekt in französischem Besitz befanden. 19 Ein anderer Schlüssel zum Verständnis der Saarbrücker Zeitung und ihrer Berichterstattung wird in den personellen Konstellationen in der Redaktion gesucht. So war die Stelle des Chefredakteurs im Betrachtungszeitraum von
15
Schmidt, Saarpolitik, Bd.2, S.310. Vgl. zur Geschichte der Saarbrücker Zeitung und zur Pressepolitik an der Saar unter anderem: Dietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer Kontrolle", München 1969; Albert H. V. Kraus, Die Saarfrage (1945-1955) in der Publizistik. Die Diskussion um das Saarstatut vom 23.10.1954 und sein Scheitern in der deutschen, saarländischen und französischen Presse, Saarbrücken 1988; Natalie Pohl, Die französische Printmedienpolitik an der Saar nach dem Zweiten Weltkrieg, unveröffentlichte Diplomarbeit, Saarbrücken 2008, S.49. 17 Explizit Berwanger, Massenkommunikation, S. 5. 18 Hans-Walter Herrmann, Die saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer Journalistenverband, Menschen Medien Mächte, S. 46-58. 19 Berwanger, Massenkommunikation, S. 49-52. 16
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Abb. 1: Louis Knaff und Gilbert Grandval (rechts) auf Schloss Halberg 14. Juli 1949
zwei R e m i g r a n t e n besetzt, 1946 bis 1947 d u r c h Walter Schopen und 1953 bis 1955 d u r c h K u n z von K a u f f u n g e n . 2 0 Zeitweise, von 1947 bis 1952, hatte der bis 1955 a m t i e r e n d e G e n e r a l d i r e k t o r der S a a r b r ü c k e r Zeitung, Louis Knaff, M i t g l i e d der A m i c a l e des anciens légionnaires de la Sarre und luxemburgischer Staatsangehöriger, den Posten inne. Zu berücksichtigen bleibt, dass vor allem die Flucht aus H i t l e r d e u t s c h l a n d s o w i e die Zeit des Exils die Remigranten nachhaltig geprägt hatten. 2 1 Zuletzt w e r d e n auf der Ebene der M e d i e n p o l i t i k die tiefen Eingriffe der französischen M i l i t ä r r e g i e r u n g s o w i e - ab A n f a n g 1948 - der R e g i e r u n g K u n z v o n K a u f f u n g e n v e r s t a n d sich s e l b s t als . E u r o p ä e r ' , d e r d e m K o n z e p t d e r . N a t i o n ' n a c h d e n E r f a h r u n g e n d e s D r i t t e n R e i c h s a b l e h n e n d g e g e n ü b e r s t a n d . Er b e z e i c h n e t es in s e i n e n M e m o i r e n als „ A u s z e i c h n u n g " , d a s s s o w o h l J o h a n n e s H o f f m a n n als a u c h H e i n z B r a u n e i n e Ü b e r s i e d l u n g an d i e S a a r a n g e r e g t h a t t e n . V o n K a u f f u n g e n p o s i t i o n i e r t e sich g e g e n ü b e r d e n F r a n z o s e n , d e n e n er k o n s e q u e n t e n t g e g e n t r e t e n w o l l t e , „falls sie v e r s u c h e n s o l l t e n , an d e r S a a r ein n a t i o n a l i s t i s c h e s S ü p p c h e n zu k o c h e n . " V g l . K u n z v o n K a u f f u n g e n , O h n e M a u l k o r b . E r l e b n i s s e e i n e s N'onk o n f o r m i s t e n , B e r n 1964, S. 3 5 0 - 3 5 6 . D i e t e r M a r c S c h n e i d e r , S a a r p o l i t i k u n d Exil 1 9 3 3 - 1 9 5 5 , in: V i e r t e l j a h r s h e f t e f ü r Z e i t g e s c h i c h t e ( V f Z ) 25, 1977, S. 4 6 7 - 5 4 5 ; G e r h a r d P a u l , „ D i e S a a r l ä n d e r f ü h l t e n s i c h d u r c h s o l c h e L e u t e an F r a n k reich v e r k a u f t . " D i e s a a r l ä n d i s c h e n R e m i g r a n t e n u n d i h r g e s c h e i t e r t e r S t a a t , in: H u d c m a n n / J e l l o n e k / R a u l s , G r e n z - F a l l , S. 1 3 5 - 1 5 3 .
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Alexander König
Hoffmann in die redaktionelle und journalistische Arbeit angeführt. Grundsätzlich wurden für das Pressewesen mit der „Verordnung zur vorläufigen Regelung des Pressewesens" vom 9. März 1948 die bis zur Liberalisierung der Pressegesetzgebung am 8.Juli 1955 gültigen Rahmenbedingungen gesetzt. 22 Mit dieser Verordnung wurde die Ausübung des journalistischen Handwerks auf Redaktionsebene an konkrete Voraussetzungen gebunden. Redakteure mussten aus den im Zuge der Entnazifizierung durchgeführten Säuberungsverfahren 23 als unbelastet hervorgegangen sein, einen dauerhaften Wohnsitz im Saarland haben sowie die saarländische Staatsangehörigkeit, d. h. den Personalausweis A nachweisen. Zeitungsverbote wurden durch den saarländischen Innenminister ausgesprochen, der insbesondere auf die Wahrung der Integrität von Regierungsmitgliedern und staatlichen Institutionen achtete. Eine den Kriterien eines freien Journalismus folgende Berichterstattung war durch die faktisch bis Oktober 1947 ausgeübte Vorzensur sicherlich beeinträchtigt. Durch die Presseverordnung vom 9. März 1948 gingen die Kontrollvollmachten in Form der Nachzensur an die saarländische Regierung über. Durch das bei nonkonformistischer Berichterstattung mögliche Verbot einer Zeitung wurde Druck auf die Redaktionen ausgeübt. Eine allzu kritische öffentliche Äußerung konnte, wie unter anderem die prominenten Beispiele Heinrich Danzebrink und Heinz Voigt belegen, Konsequenzen nach sich ziehen, die bis zur Ausweisung der gesamten Familie reichen konnten. Sowohl Heinrich Danzebrink als auch Heinz Voigt sind der Opposition innerhalb der C V P zuzurechnen. Danzebrink war vor den Landtagswahlen 1947 als französischer Staatsbürger Direktor der Verwaltungskommission sowie bis zu seinem Mandatsverlust 1949 Abgeordneter der C V P im saarländischen Landtag. Trotz seiner Sympathien für den Wirtschaftsanschluss an Frankreich distanzierte er sich im Zuge der Ausweisung des bekannten katholischen Geistlichen Franz Bungarten von der Politik Hoffmanns. Danzebrink wurde schließlich am 16. Mai 1951 auf Geheiß Grandvals ausgewiesen. Voigt war ehemals der Landessekretär der CVP-Jugendorganisation Junge Generation, welche die außenpolitische Linie der C V P kritisierte. Er wurde am 27. Dezember 1950 mit dem Argument, ihm fehle die saarländische Staatsangehörigkeit, ausgewiesen. 24
Berwanger, Massenkommunikation, S. 76-79; Volker Mohr, Politische Kontrolle in der Innenpolitik des Saarlandes 1 9 5 0 - 1 9 5 2 , unveröffentlichte Staatsarbeit, Saarbrücken 2002, S. 16-24. 22
Rainer Möhler, Entnazifizierung in Rheinland-Pfalz und im Saarland unter französischer Besatzung von 1945 bis 1952, Mainz 1992. 2 4 Vgl. Schmidt, Saarpolitik, Bd. 2, S. 3 0 7 - 3 0 9 , 332. 23
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung 1947-1955
351
Obwohl angesichts der Zahlen diese Maßnahme nicht als ,die Waffe' der Regierung im Kampf gegen die Opposition zu bewerten ist25, mag dieses Vorgehen seine Wirkung in dem einen oder anderen Fall nicht verfehlt haben. Der freien Meinungsäußerung, wie sie die saarländische Verfassung in Artikel 4 vorsah26, war diese Kontrollpraxis sicher nicht zuträglich. Sie beförderte eher die berühmte .Schere im Kopf' als Form indirekter Zensur.
3. Fragestellung und Methodik Es verwundert wenig, dass bei der Bewertung der Pressepolitik der Regierung des teilautonomen Saarlandes das Ideal der Pressefreiheit herangezogen und die Praxis im Pressewesen zum Teil scharf kritisiert wird. Ausgewogenere Interpretationen versuchen das Regierungshandeln der Zeit mit Hilfe historisierender Deutungsmuster zumindest verständlich zu machen. Die bekannteste Interpretation legte Armin Heinen mit der These der „Demokratie auf Bewährung" 27 vor. Die Regierung Hoffmann versuchte nach den Erfahrungen der NS-Diktatur in erzieherischer Absicht, die Saarländer an die Demokratie heranzuführen. Wird der Schwerpunkt der Untersuchung auf das Medium Saarbrücker Zeitung in den Jahren 1947 bis 1955 gelegt, stellen sich neben den skizzierten wirtschaftlichen, personellen und medienpolitischen Stellgrößen, die im vorliegenden Band an anderem Ort ausführlich behandelt werden, weiterführende Fragen. In methodischer Hinsicht wollen wir in der vorliegenden Abhandlung nachfragen, inwiefern die bisher vorgelegten Zugänge ausreichen, um zu einem adäquaten Urteil über die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung der Jahre 1947 bis 1955 zu kommen. Ist es möglich, das journalistische Profil eines Blattes zu beurteilen und das Medium als solches auszuklammern? Kann der Charakter einer Zeitung und ihre politische Position beschrieben werden, ohne die spezifische Struktur des Mediums in seinen Sparten und Inhalten zu berücksichtigen? Wie sind das Blatt und seine vermittelte Medienrealität in Bezug auf die Saarproblematik vor dem Hinter-
F ü r die Zeit der H o f f m a n n Regierung errechnete Volker M o h r auf der Grundlage der am Historischen Institut der Universität des Saarlandes auf Mikrofilm zugänglichen Akten des ehemaligen Staatssekretärs und Innenministers H e c t o r 149 Aufenthaltsverbote und 168 Aufenthaltsbefristungen zwischen 1948 und N o v e m b e r 1953. Aus politischen Gründen wurden bis 1953 34 Aufenthaltsverbote und Befristungen verhängt. Vgl. Mohr, Kontrolle, S. 104f., 108. 2 6 Vgl. Verfassung des Saarlandes vom 1 5 . D e z e m b e r 1947, abgedruckt in: Schmidt, Saarpolitik, Bd. 2, S. 6 7 0 - 6 8 0 . 27 Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945-1955, Stuttgart 1996, S . 2 2 5 . 25
352
Alexander K ö n i g
grund der neuesten Forschungsergebnisse zur Medien- und Kulturpolitik der Jahre 1947 bis 1955 einzuordnen?28 Diese Fragestellungen erscheinen legitim, hatte doch bereits Robert H. Schmidt 1959 bemerkt, dass das Blatt nicht plumpe Propaganda lieferte, sondern „geschickt redigiert wurde." 29 Zur Beantwortung der Fragen wird das methodische Instrumentarium der ursprünglich aus den Sozial- und Kommunikationswissenschaften stammenden Inhaltsanalyse herangezogen.30 Medieninhalte, d. h. in unserem Fall Texte, werden als Repräsentationen einer spezifischen Medienrealität verstanden, die nicht notwendigerweise mit der Realität in Einklang stehen muss und eingebettet ist in eine spezifische Medienstruktur, die sich in der Verteilung nach Inhalten und Sparten im Medium selbst widerspiegelt. Gegebenenfalls erfahren wir durch eine Analyse der im Medium repräsentierten Nachrichten und ihrer Gewichtung in den einzelnen Sparten etwas über die Funktion oder den Auftrag, den das Medium in den Jahren 1947 bis 1955 erfüllen sollte bzw. dem sich die Redaktion verschrieben hatte.31 Die Inhaltsforschung steht dabei immer vor dem gleichen Problem, dass große Informationsmengen untersucht werden und möglichst repräsentative, also generalisierbare, Aussagen getroffen werden sollen. Stichproben sind notwendig, um die Fülle des vorliegenden Materials bewältigen zu können. Aus diesem Grund beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf die Jahrgänge 1947, 1949, 1951, 1953 und 1955. Zur Analyse der Inhalts- und Spartenentwicklung wurden .künstliche Wochen' gebildet. Jedes Jahr ist daher
Marcus H a h n in Zusammenarbeit mit Johannes G r o ß m a n n , Rainer H u d e m a n n und Elisabeth Thalhofer, Das Saarland 1945-1957. Z u r Einführung in Grundprobleme und Forschungsstand, in: Rainer H u d e m a n n / A r m i n Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes G r o ß m a n n und Marcus H a h n , H g . , Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und E u r o p a 1945-1957. Ein Quellenund Arbeitsbuch. Mit einer C D - R o m zum Abstimmungskampf 1955 von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007, S. 17-93; Ludwig Linsmayer, Gründervisionen: Politik und Kultur ( 1 9 4 7 - 1 9 5 5 ) , in: Ders., Hg., Die G e b u r t des Saarlandes. Z u r Dramaturgie eines Sonderweges, 2. Aufl., Saarbrücken 2007, S. 19^15; Rainer Hudemann, Brücke oder Streitobjekt? Zu Frankreichs Saar-Politik 1 9 1 9 1959, in: Linsmayer, G e b u r t , S. 102-121; Karl August Schleiden, Aus provinzieller Enge zur Weltoffenheit. Kulturelle Entwicklung 1915-1957, in: Saarland - D e r C h e f der Staatskanzlei, Hg., Das Saarland. Politische wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen, Saarbrücken 1989, S. 8 3 - 1 1 0 . 28
Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S . 5 4 8 . Vgl. zur Inhaltsanalyse: Werner Früh, Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis. 6. Aufl., Konstanz 2007; Klaus Merten, Inhaltsanalyse. Einführung in Theorie, Methode und Praxis, 2. Aufl., O p l a den 1983; H e i n z Bonfadelli, Medieninhaltsforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Konstanz 2002. 29 30
Vgl. Clemens Zimmermann, Politischer Journalismus, Öffentlichkeit und Medien im 19. und 20. Jahrhundert, in: Ders., Hg., Politischer Journalismus, Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20.Jahrhundert, Ostfildern 2006, S . 9 - 2 3 . Vgl. zur Spartenentwicklung der Saarbrücker Zeitung auch den Beitrag von Susanne Dengel, Die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung im Wandel, in Bd. 3. 31
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung 1947-1955
353
mit zwölf Ausgaben vertreten. Jeder Tag und jeder Monat wird pro Jahr zweimal berücksichtigt. 32 In der Summe wurden 60 Ausgaben komplett vermessen. In einem ersten Untersuchungsschritt war die Seitenanzahl der einzelnen Ausgaben festzustellen. Anschließend wurden die einzelnen Artikel in Spaltenquadratzentimetern erfasst. War eine direkte Spartenzuordnung, zum Beispiel durch das Fehlen einer entsprechenden Spartenüberschrift, nicht möglich, entschied die Lektüre über die Kategorisierung. In einem zweiten Untersuchungsschritt wurde darauf aufbauend die Verteilung der Berichterstattung zur Saarproblematik im Einzelnen untersucht. Es fanden all jene Artikel Berücksichtigung, die das Saarland in seinem Verhältnis zu Frankreich, Deutschland oder Europa thematisieren. Maßstab für die Kategorisierung war die explizite Nennung der Territorien - auch in Form von Adjektiven oder Adverben - oder seiner politischen Vertreter (Grandval, Hoffmann etc.). Im Unterschied zu diesem eher empirisch-quantitativen Zugang wurde in einem dritten Untersuchungsschritt qualitativ vorgegangen. Diese Methodik versucht dem Einzelfall, d. h. dem einzelnen Text, in seiner Singularität und seinem spezifischen historischen Kontext, gerecht zu werden.33 Hierzu wurde die Berichterstattung zu .kritischen Ereignissen' der Saarproblematik untersucht. Zum einen wurde die Berichterstattung der Ausgaben der Jahrgänge 1947,1949,1951,1953 und 1955 zum 14. Juli, der vorübergehend auch an der teilautonomen Saar Feiertag war, verglichen. Sie besitzt vor allem in den ersten Jahren eine spezifische Prägung, da sie die Stellung des Saarlandes vor allem in seiner Beziehung zu Frankreich explizit thematisiert. Zum anderen wurden die Artikel der Saarbrücker Zeitung im Jahr 1949 zur Diskussion um die Aufnahme der Saar und der Bundesrepublik in den Europarat untersucht. Diese rücken die Saarproblematik in einen internationalen Zusammenhang und weisen die Saar im Spannungsfeld zwischen Deutschland und Frankreich aus. Zusätzlich wurden aussagekräftige Artikel und Kommentare, welche Aussagen über die politische Position des Blattes ermöglichten und Einzelstandpunkte konturierten, in die Auswahl einbezo-
Früh, Inhaltsanalyse, S. 109. Philipp Mayring, Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 10. Aufl., Weinheim/ Basel 2008, S. 16-23. 34 Leider stieß die Anwendung der historischen Methode bei einigen Artikeln an die Grenzen der Überlieferung, da eine eindeutige Zuordnung der Autorschaft nicht immer möglich war. 32
33
354
Alexander König
4. Die Medienstruktur des Blattes in den Jahren 1947 bis 1955 Noch 1947 publizierte die Saarbrücker Zeitung, als Informationsblatt unter Kontrolle des französischen Gouverneurs35 als „Neue Saarbrücker Zeitung" bereits 1945 gegründet, unter dem Zeichen von Versorgungsschwierigkeiten.36 Das Blatt erschien aufgrund der Papierknappheit unregelmäßig, im Jahresmittel aber vier Mal pro Woche und in einer Stärke von durchschnittlich vier Seiten im so genannten Berliner Format (470 mm χ 315 mm). Mit dem 1. Dezember 1948 konsolidierte die Saarbrücker Zeitung ihr Erscheinen. 37 Sechs Ausgaben pro Woche wurden für 1949 die Regel, während die Seitenanzahl auf durchschnittlich sieben anstieg. Bis 1955 vergrößerte sich das Volumen der größten saarländischen Zeitung weiter. 1951 wurden der Leserschaft im Jahresmittel neun, 1953 bereits zehn und 1955 schließlich zwölf Seiten geboten. Dem quantitativen Wachstum der Zeitung im Umfang stand in den Jahren 1947 bis 1955 der kontinuierliche Rückgang der Auflagenstärke von 225000 Exemplaren im Jahr 1947 auf 132 991 Exemplare im Jahr 1955 gegenüber.38 Setzt man 1947 als Bezugspunkt, wurden 1949 lediglich 65 Prozent der Auflage des Jahres 1947 produziert. 1955 unterschritt die Zeitung sogar die 60-Prozent-Marke. Die großen Verluste der ersten beiden Jahre sind gewiss auf die seit dem 18.Juni 1946 bestehende Konkurrenzsituation des Blattes zurückzuführen. Schon wenige Monate nach der Lizenzierung holte die Saarländische Volkszeitung, das Organ der Christlichen Volkspartei (CVP), beträchtlich auf. Ausgehend von einer Startauflage von 90000 Exemplaren im Juni 1946, konnte sie im August 1947 eine Auflage von 132000 Exemplaren vorweisen und sich als zweitstärkstes Blatt an der Saar etablieren. Es folgten die „Volksstimme", die Parteizeitung der Sozialdemokratischen Partei Saar (SPS) mit 60 000, die Zeitung der Kommunistischen Partei (KP) „Neue Zeit" mit 35 000, die „Neue Saar" des Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France (MRS) mit 50000 und das Blatt der Demokratischen Partei (DP) „Das Saarland" mit 30000 Stück. So hatte die Saarbrücker Zeitung bereits im Oktober 1946 ihre Führungsposition in der Presselandschaft Saar scheinbar verloren. Stephan Schölzel bemerkt allerdings hierzu: „Die Parteizeitungen erreichten rund 60 Prozent der Gesamt-
Directives particulières concernant la Sarre, 25.8.1945, abgedruckt in: Hudemann/Heinen, Das Saarland, S. 233-237, hier S.235. 3 6 Vgl. Stephan Schölzel, Die Pressepolitik in der französischen Besatzungszone 1945-1949, Mainz 1986, S. 183-203. 3 7 Schäfer, Zur Geschichte. Erster Teil, S. 54. 3 8 1949: 147785 Exemplare, 1951: 140966 Exemplare, 1953: 136983 Exemplare. Zahlen nach Auflagen-Entwicklung der Saarbrücker Zeitung von 1888-1970, abgedruckt in: Schäfer, Zur Geschichte. Erster Teil, S. 54, Dokument 12. 35
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung 1947-1955
355
auflage, die einzige überparteiliche Zeitung noch rund 40 Prozent." Allerdings erreichte die Saarbrücker Zeitung durch ihr häufigeres Erscheinen „bei den Lesern eine höhere Präsenz", so dass „die Zeitung fast 60 Prozent der Gesamtauflage erreichte, statt etwa 40 Prozent." 39 Der Einbruch der Auflage der Jahre 1946 bis 1949 lässt sich teilweise auch auf die mit der Einführung der Saarmark im Juni 1947 und der erneuten, für viele Saarländer in der zeitgenössischen Wahrnehmung verwirrenden Währungsumstellung am 20. November 1947 auf den französischen Franken zurückführen. Zwar füllten sich die Regale der Geschäfte mit Lebensmitteln und Konsumartikeln, aber die Preise stiegen. Inflationäre Tendenzen prägten das nächste Jahr. Erst im Januar 1949 fielen die Preise nominell wieder 40 , während die Lebenshaltungskosten zwischen 1948 und 1952 um über 70 Prozent stiegen. 41 Auch die Saarbrücker Zeitung wurde kontinuierlich teurer. 1947 kostete das Blatt 20 Pfennig, was nach dem Umtauschkurs vom 15. November 1947 vier Franken entsprechen sollte. Nach der Währungsumstellung kostete die Zeitung 1949 aber bereits acht Franken, 1951 zwölf und 1953 bis 1955 schließlich bis zu 15. Binnen weniger Jahre hatte sich der Preis fast verachtfacht. Trotz des frühen Wirtschaftswunders an der Saar muss dieser Faktor ebenso wie die Konkurrenzsituation für die Auflagenverluste in Rechnung gestellt werden. Tabelle 1: Verteilung nach Sparten in den Jahren 1947 bis 1955 in Prozent (in Klammem sener Gesamtumfang) 1947 1949 (91679,81 cm 2 ) (323 401 cm 2 )
1951 1953 (377542,5 cm 2 ) (215631 cm 2 )
1955 (281 391 cm 2 )
33,4
20,9
17,6
19,2
16,7
Kommentar
2,7
3,8
0,8
0,5
Wirtschaft
1
6,9
1,4 7,2
5,5
5,7
Leserbriefe
2,2
0,2
0
0,2
Feuilleton
6,3
0,1 12,2
9,3
Sport
8,9
8,5
Anzeigen
21,7
Sonstiges
4
Serien
0
Politik
12,3
7,9
8
8,7
5,8
22,3
21,9
27,8
21,7
4,5
6,8
6,8
6,7
4,4
3,3
3,1 1
2,2
Welt der Frau
0,5
Lokalberichte
17,8
1,9 12,1
1,7 13,7
12,6
1,2 19,8
1,5
2,2
8,7
2,6
11,5
Beilagen
gemes-
Schölzel, Pressepolitik, S. 221. Heinen, Saarjahre, S. 197-207: Der Umtauschkurs wurde am 15.11.1947 auf eine Saarmark zu 20 Franken festgesetzt. 41 Ebd., S. 264. 39
40
356
Alexander K ö n i g
Wenden wir uns nun der Spartenentwicklung zu, um einen spezifischeren Blick auf die interne Struktur des Printmediums zu erhalten. Im Jahr 1947 präsentierte sich die Saarbrücker Zeitung als eine Zeitung, deren journalistische Säulen neben der Information über das aktuelle internationale Zeitgeschehen in der Lokalberichterstattung bestanden (vgl. Tabelle 1). Bis 1955 konnte allerdings auch die Lokalberichterstattung nach einem Tief in den Jahren 1949 bis 1953 leicht, um zwei Prozentpunkte, im Rahmen der Gesamtberichterstattung an Bedeutung gewinnen. Insofern bezog sich die Saarbrücker Zeitung stärker als 1947 auf den lokalen Raum und berichtete aus den Ortschaften des teilautonomen Saarstaates. Offensichtlich reagierte die Redaktion auf die sinkende Auflage auch durch den Versuch, das Spektrum der Berichterstattung zu erweitern. So etablierten sich zwischen 1947 und 1955 die Rubrik „Handel und Wirtschaft" und eine eigene auf die Frauen unter der Leserschaft abzielende Sparte „Welt der Frau". Auch das Feuilleton konnte in einzelnen Jahren, 1949 und 1953, seinen Umfang zum Bezugspunkt 1947 verdoppeln. Hinzu traten ab 1948 Fortsetzungsgeschichten, die in Serienform kleinere Erzählungen für den Leser bereithielten. Relativ konstant blieb bei durchschnittlich 23 Prozent der Anzeigenteil. Der Bereich „Sonstiges" subsumiert in der vorliegenden Auflistung neben der „Saarbrücker Kinderzeitung" ab 1949 die bezeichnenderweise so genannte „Saarländische Familienchronik", die über Todesfälle in der Region Auskunft gab und gleichsam durch ihren Spartentitel den autonomen Saarstaat als eigenständigen Familienverband mit langer Tradition auszuweisen suchte. Ebenso bezogen sich einzelne Beilagen dezidiert auf die Region und versuchten derart, ihren Beitrag zur Identitätsbildung der Bewohner des Saarraums als Saarländer zu leisten. Erwähnenswert scheint in diesem Zusammenhang die vom späteren Redakteur der „Neuesten Nachrichten" der Christlich Demokratischen Union Saar ( C D U Saar) Erich Voltmer redigierte heimatkundliche Beilage „Geschichte und Landschaft an der Saar." Im Gegensatz zu den beobachtbaren Trends der journalistischen Fokussierung auf das Lokale und Regionale nahmen die Rubriken „Politik" und „Kommentar" im Lauf der Jahre deutlich ab. Besonders augenfällig erscheint die Entwicklung der Sparte „Politik". Sie halbierte sogar bis 1955 ihren Anteil am Gesamtumfang. Insofern kann anhand der quantitativen Befunde von einer Entpolitisierung der Saarbrücker Zeitung gesprochen werden. Sie stand zugleich - wie an anderer Stelle noch zu zeigen sein wird - in engem Zusammenhang mit den Grundlinien der Hoffmannschen Vision, das Saarland aus den französischen Abhängigkeiten herauszuführen. Den Schwerpunkt hatte die Berichterstattung zur Saarproblematik 1947 in den Sparten „Politik", „Kommentar" und „Lokales". Im Lokalteil gingen diejenigen Artikel, welche das teilautonome Saarland in einer Beziehung zu
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbriicker Zeitung 1947-1955
357
Frankreich, Deutschland oder Europa thematisierten, ebenso wie in der Sparte „Politik" allerdings nach 1951 bzw. 1953 deutlich zurück. Tabelle 2: Prozentuale Verteilung der Artikel ausgemessener Gesamtumfang)
zur Saarproblematik
1947 bis 1955 (in
1947 (13 673 cm 2 )
1949 1951 1953 (10 567,25 cm 2 ) (5 903,25 cm 2 ) (4600,5 cm 2 )
1955 (11509,5 cm 2 )
76,1
49,2
50,5
78,3
Kommentar
6,9
16,4
0
13,7
7
Wirtschaft
0
23
3,6
12,2
Politik
58,3
Leserbriefe
0,9
1,2 0
Feuilleton
6,3
12,2
Sport
1,5 0
4,7
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Serien
2,1 0
0
0
0
0
Welt der Frau
0
0
0
0
0
Lokalberichte
12,4
14,8
14,1
4,4
4,9
0
0
0
0
8,6
Anzeigen Sonstiges
Beilagen
0 9,3
0 12,3
Klammern
5 7,9
Setzt man die Zahlen in ein Verhältnis zur Gesamtberichterstattung, dann relativiert sich auch der Stellenwert, den dieses Sujet in der Saarbriicker Zeitung einnahm. 1947 befassten sich noch 15 Prozent aller Artikel mit der Saarfrage, 1949, zwei Jahre nach der Verabschiedung der Saarverfassung, waren es bereits nur noch 3,7 Prozent. Der Anteil sank 1951 sogar auf nur 1,6 Prozent, um in den beiden folgenden Jahren wieder anzusteigen. 1953 erreichte die Saarproblematik 2,1 Prozent. Im Zuge des Jahres 1955 und der beginnenden politischen Auseinandersetzung um das europäische Saarstatut stieg der Wert, trotz der politischen Brisanz, lediglich auf 4,1 Prozentpunkte. Es lässt sich also festhalten, dass der Saarproblematik in der Gesamtberichterstattung der Saarbriicker Zeitung bei weitem nicht die Bedeutung zukam, wie man anhand der eingangs geschilderten Forschungskontroversen zu vermuten geneigt war.
5. Medienrealitäten 1947 bis 1955: D a s Saarland - Vision u n d F u n k t i o n Der quantitative Blick auf die Entwicklung der Saarproblematik nach Sparten hat einige Tendenzen der Berichterstattung aufgezeigt. Im Folgenden soll er durch eine exemplarische Untersuchung der Berichte zum 14. Juli und zur Debatte um die Aufnahme des Saarlandes zum Europarat ergänzt werden. Die Inhalte der Berichterstattung zeigten, dass der Saar zunächst in Bezug auf Frankreich eine spezifische Aufgabe zugesprochen werden sollte. In aller
358
Abb. 2:
Alexander König
Abbildung
auf der Titelseite der Saarbrücker
Zeitung vom 14. Juli 1947
Deutlichkeit wurde der Leserschaft dies durch die Titelseite der Ausgabe vom 14. Juli 194742 in komplexer Bildersprache vor Augen geführt. Zentral im Bild war eine weiß strahlende Sonne zu sehen, welche die Lettern 14. Juli trug. Sie leuchtete hell über einer Brücke. Ein deutlicher und tiefer Graben sollte nunmehr überwunden sein. Er war durch die deutsch-französische Geschichte gezogen worden. Symbolisch standen einzelne Daten als Wegmarken in der Beziehung beider Länder: 1813 für die Völkerschlacht bei Leipzig und die Befreiungskriege von der napoleonischen Herrschaft, 1870 für den deutsch-französischen Krieg, der mit der Ausrufung des Deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal von Versailles endete, 1914 und 1940 markierte die deutsche Aggression in den beiden Weltkriegen. Die Brücke selbst war als Bindeglied zwischen der rechten und linken Bildhälfte konstruiert. Auf der einen Seite befand sich ein nach Westen blickender Bergmann erkennbar an einer Grubenlampe und Pickel. Im Hintergrund konnte der Betrachter schemenhaft Fördertürme sehen. Die Person stand breitbeinig und selbstbewusst wirkend auf einer Karte. Die Umrisse des Saarlandes, identifizierbar an Saar und Saarschleife, waren deutlich wahrnehmbar. 4 3 Links im Bild ragte der Körper der Marianne aus den Mauern einer Befestigungsanlage, der Pariser Bastille, hervor. Die Jakobinermütze tragend streckte sie mit geöffnetem Mund ihre rechte Faust geballt zum Himmel. In der anderen Hand konnte die Trikolore ausgemacht werden. Das Wort „Menschenrechte" prangte über der von den Flammen der Französischen Revolution bereits erfassten Bastille, dem Symbol der Tyrannei des Absolutismus.
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Anonymus, Gedenktag der Verbrüderung, in: Saarbrücker Zeitung, 14.7.1947 Nr. 82, Titelseite. Dieses hatte mit dem 6.6.1947 nach letzten Gebietsveränderungen seine territoriale Form erhalten; 61 Gemeinden wurden an Rheinland-Pfalz rück- und 13 an das Saarland angegliedert. Vgl. Pierre Koenig, Verlegung der Saarlandgrenze, in: Saarbrücker Zeitung, 10.7.1947 Nr. 67, Titelseite. 43
D i e S a a r p r o b l e m a t i k in der Berichterstattung der S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g 1947-1955
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Diese Darstellung hatte angesichts der Tatsache, dass der 14. Juli 1947 auch an der Saar zum ersten Mal als Feiertag gefeiert wurde, tiefe Bedeutung. In ihr traten gleichsam Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der französisch-saarländischen Beziehungen zutage. Darauf verwiesen auch die K o m mentatoren. Die Französische Revolution war, wie der französische G o u verneur Gilbert Grandval in der Ausgabe betonte, weniger ein nationales als vielmehr ein von humanistischen Vorstellungen angetriebenes und die Menschheit über Grenzen hinweg verbindendes Ereignis. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen des nationalsozialistischen Unrechtsregimes, seiner grausamen Folgen, der Kriegsniederlage Deutschlands und der sich daraus ergebenden - vor allem materiellen - Problemlagen in der Besatzungszone gelte es gerade jetzt an die freiheitlichen Traditionslinien der französischen Aufklärung anzuknüpfen. Grandval betonte: „In diesem Jahre 1947, w o uns noch so viele Ruinen die Aussicht versperren, w o so viele drohende Gewitter am H o r i z o n t stehen, w o die Macht des Guten mit so viel Schwierigkeiten über die des Uebels [sie!] triumphiert hat, kann ich es nicht verhindern, an jene glücklichen Zeiten zu denken, die das Aufblühen der Freiheit und der menschlichen H o f f n u n g erleben durften. Von neuem sehe ich Menschen in unseren europäischen Ländern, in Lyon und Brüssel, in Turin, in Saarbrücken und auch fast allen kleinsten Dörfern, welche die Bäume der Freiheit pflanzen." 4 4
Aus Sicht des Gouverneurs war die Saar durch ihr Bekenntnis zum 14. Juli gleichsam im Geiste 4 5 in den Kreis der europäischen Metropolen aufgenommen. Gleichwohl suggerierte die Zeichnung auch, dass die Verbindung zwischen Frankreich und der Saar noch fragil und zerbrechlich war. Gläsern wirkte die aufgespannte Brückenkonstruktion. Die Zukunft der Saar, d. h. die Regelung des Verhältnisses zu Frankreich, war aber schon in ihren U m rissen zu erkennen. Kulturell standen die Schule für Kunst und Handwerk 4 6 und das in H o m b u r g befindliche erste Institut der saarländischen Universität für diese, wie der stellvertretende Direktor Louis Guinet betonte, von „offenherziger Zusammenarbeit" getragene und „auf gegenseitiges Verständnis" zielende Bindung zwischen Frankreich und dem Saarland. 4 7 Versöhnung lautete die Losung! Während die Universität nach der Vorstellung von Gilbert Grandval der Ausbildung einer akademischen saarländischen Elite dienen sollte 4 8 , waren Ansätze zur Selbstständigkeit auch im politischen Bereich bereits erkennbar, wie der Vorsitzende der Verwaltungskommission G i l b e r t G r a n d v a l , 1789-1947, in: E b d . Peter Z i m m e r , Z u m F e i e r t a g der Freiheit, in: E b d . 4 6 Vgl. H e r m a n n H e n r y G o w a , Sinn u n d Wollen, in: E b d . 4 7 L o u i s G u i n e t , U n s e r e Universität, in: E b d . , S. l f . 4 8 G i l b e r t G r a n d v a l , D i e letzte E t a p p e z u r Freiheit, in: S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g , 4 . 1 0 . 1 9 4 7 N r . 117, Titelseite. 44
45
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Alexander K ö n i g
Erwin Müller herausstellte. Die Zielsetzungen für die bereits laufenden Verfassungsberatungen lauteten: „Wirtschaftlicher Anschluß im Rahmen einer eigenen Autonomie." 4 9 Wen mag es 1947 angesichts dieser Aussagen, der Kriegsniederlage und der Nichtexistenz eines deutschen Staates im Osten verwundert haben, dass die Zeichnung auf der Titelseite vom 14. Juli in der rechten Bildhälfte außer der Saar keine weiteren Territorien auswies? 50 Die Saarproblematik war 1947 eben als Beziehung Frankreichs zur Saar zu diskutieren, wobei sich das Verhältnis der beiden in der Nachkriegssituation spezifisch darstellte. Auf der einen Seite standen die 1940 Überfallene Grande Nation, die Kriegssieger und jetzigen Besatzer, auf der anderen Seite die Aggressoren von 1939/1940, die Kriegsverlierer und nun unter Besatzung lebenden Deutschen. Aus saarländischer Perspektive - und auch aus Sicht der Saarbrücker Zeitung - konnte es zunächst nur darum gehen, eine Basis zu schaffen, auf der neues Vertrauen erwachsen würde. Die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung setzte insofern, wie die führenden Politiker der Zeit 51 , sowohl in ihrem am 14. Juli 1947 dargebrachten Bildprogramm als auch in den zitierten Artikeln, durchaus getragen vom Optimismus, auf die Uberwindung des nationalstaatlichen Paradigmas, auf Wirtschaftsanschluss an Frankreich und politische Selbstständigkeit. Damit war die Separation von Deutschland bereits mitgedacht. 52 Es galt, ganz im Sinne des an der Saar sehr eigenständig agierenden Gouverneurs, die Saarländer für den französischen Standpunkt zu sensibilisieren und für Frankreich zu gewinnen. 53 Dies bedeutete Problemlagen, aber auch Handlungsfelder und Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. Klar war aber auch, dass die letztgültige völkerrechtlich verbindliche Regelung der Saarfrage nur durch ein eigenes Statut und einen Friedensvertrag festgelegt werden könnte. 54 Als bedeutsame Wegmarke zu Autonomie und wirtschaftlicher Gesundung galten für die Saarbrücker Zeitung die Wahlen im Oktober 1947, in deren Vorfeld sie sich als „überparteiliches Heimatblatt" 5 5 auswies. So fanden durchaus zum WirtErwin Müller, D e r 14. Juli und das Saarland, in: Saarbrücker Zeitung, 1 4 . 7 . 1 9 4 7 Nr. 82, S. 1-2. Vgl. Küppers, H o f f m a n n , S. 364. 51 Heinrich Küppers, Bildungspolitik im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , Saarbrücken 1984, S. 1 3 2 - 1 4 6 ; ders., H o f f m a n n , S. 4 0 6 - 4 0 9 . 5 2 Vgl. auch: Gilbert Grandval, Die letzte Etappe zur Freiheit, in: Saarbrücker Zeitung, 4 . 1 0 . 1 9 4 7 Nr. 117, Titelseite. 5 3 Vgl. zur Person Grandval: Dieter Marc Schneider, Gilbert Grandval. Frankreichs Prokonsul an der Saar 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , in: Stefan Martens, Hg., Vom „Erbfeind" zum „Erneuerer". Aspekte und M o tive der französischen Deutschlandpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg, Sigmaringen 1993, S . 2 0 1 243; auch Gilbert Grandval, Die letzte Etappe zur Freiheit, in: Saarbrücker Zeitung, 4 . 1 0 . 1 9 4 7 Nr. 117, Titelseite. 5 4 Vgl. A n o n y m u s , Klare Entscheidung, in: Saarbrücker Zeitung, 1 0 . 6 . 1 9 4 7 Nr. 67, Titelseite. 5 5 A n o n y m u s , D i e Pflicht der saarländischen D e m o k r a t e n , in: Saarbrücker Zeitung, 2 9 . 7 . 1 9 4 7 Nr. 88, Titelseite. 49 50
D i e S a a r p r o b l e m a t i k in der Berichterstattung d e r Saarbriicker Z e i t u n g 1947-1955
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schaftsanschluss abweichende Meinungen Eingang in die Berichterstattung zu den Landtagswahlen. 5 6 Daneben wurde an die demokratische Verantwortung der Saarländer appelliert, da die Mitgestaltung der Zukunft des Landes nur im Rahmen einer vom Volk legitimierten Regierung und der - wie betont wurde - ebenfalls zur Wahl stehenden Verfassung möglich erschien. 57 Handlungsspielräume waren nur durch den Beweis demokratischer Gesinnung zu erlangen. Zugleich wurden aber auch in die Wahlen Hoffnungen projiziert. Sollten nach dem 5. Oktober 1947 die Unterschiede zwischen Besatzungsregime und Autonomie direkt „fühlbar" sein - wie Jacques Freymond es formuliert hat? 5 8 Die Landtagswahlen vom Oktober 1947, aus der die Befürworter der geschilderten Linie mit 92 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 87 Prozent hervorgingen, schienen auf jeden Fall ein hinreichender Beleg dafür zu sein, dass die Saat der Saarbriicker Zeitung auf fruchtbaren Boden gefallen war. Die spätere - von ,pro-deutscher' Seite vorgebrachte - und bis heute von Teilen der Forschung vertretene Position, die Saarländer seien im Hinblick auf den Wirtschaftsanschluss und die sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht informiert worden 5 9 , entbehrt angesichts der gesichteten Medieninhalte der Saarbriicker Zeitung jeder Grundlage. 60 Die Idee der Wirtschaftsunion fußte auf einem breiten Rückhalt in der saarländischen Bevölkerung. Auch zwei Jahre später nahmen die Feierlichkeiten zum 14. Juli noch einigen Raum in den Ausgaben vom 13. und 15.Juli 1949 ein, wenn auch die Berichterstattung an sich nüchterner ausfiel. Obwohl die Ideen der Revolution von 1789: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, so der Kommentator, inzwischen allgemein anerkannt seien, stünden sie trotzdem im Widerstreit: „ W o l l t e je die f r a n z ö s i s c h e R e v o l u t i o n einen A b s o l u t i s m u s d u r c h einen a n d e r e n A b s o l u t i s m u s ersetzen? Soll nicht der s o u v e r ä n e B ü r g e r jedes öffentliche R e c h t geben, freiwillig an die v o n
i h m gewählten Vertreter? N i c h t Willkür soll
ver-
jemals
herrschen, s o n d e r n g e m e i n s a m e s Verstehen, Eintreten eines jeden für die N ö t e
der
Gesamtheit unter gleichen O p f e r n die Regel sein."61
V g l . z u m Beispiel: A n o n y m u s , 3:1 f ü r V e r f a s s u n g und wirtschaftlichen A n s c h l u s s . A l l e f ü r Frieden, D e m o k r a t i e und W i e d e r a u f b a u , in: Saarbriicker Z e i t u n g , 3 0 . 9 . 1 9 4 7 N r . 115, Titelseite; A n o n y m u s , I m Spiegel der S a a r p r e s s e : D i e Wahl gegen H u n g e r und N o t , in: E b d . , S . 2 . 56
A n o n y m u s , D i e Pflicht der saarländischen D e m o k r a t e n , in: S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g , 2 9 . 7 . 1 9 4 7 N r . 88, Titelseite und die A u f d r u c k e der A u s g a b e auf d e n Titelseiten der S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g der letzten T a g e im S e p t e m b e r 1947, z u m Beispiel: „ S t i m m a b g a b e = M i t b e s t i m m u n g s r e c h t " , „Wahlrecht = W a h l p f l i c h t " .
57
J a c q u e s F r e y m o n d , D i e Saar 1945-1955, M ü n c h e n 1961, S.67. Elzer, Wiedervereinigung, S. 48. 6 0 H e i n e n , Saarjahre, S . 9 9 f . 6 1 J a c q u e s Zenner, 1789-1949. H u n d e r t s e c h z i g J a h r e später, in: S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g , 13.7.1949 N r . 159, Titelseite; A n o n y m u s , D i e Feiern im Saarland, in: S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g , 1 5 . 7 . 1 9 4 9 N r . 160, S. 1-2. 58
59
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Abb. 3: Empfang des Hohen Kommissars Gilbert nalfeiertages auf Schloss Halberg 14. Juli 1949
Grandval
anlässlich
des französischen
Natio-
Wurde hier zwischen den Zeilen die Kritik an der Regierungspraxis des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann und am Handeln des H o h e n Kommissars Grandval thematisiert und mit dem Hinweis auf die in Gefahr befindlichen Ideale der französischen Revolution gerechtfertigt? Sollten die Auseinandersetzung mit Heinrich Danzebrink und sein Ausschluss aus der CVP, die nur unter vorgehaltener Hand geäußerte Kritik an der fortgesetzten Pressezensur, die Reglementierungen des Gemeinderatswahlkampfs des März 1949 als notwendige Zwischenschritte zur Etablierung einer demokratischen und an der Völkerverständigung orientierten Grundordnung ausgewiesen w e r d e n ? 6 2 Ein Analogieschluss legt eine derartige Interpretation nahe, obwohl sie anhand der reinen Betrachtung des Mediums spekulativ bleiben muss. Auf jeden Fall wurde hier keine offene Auseinandersetzung mit den Systemdefiziten geführt. Eine Problematisierung der in der Verfassung verankerten Werte, wie Pressefreiheit, und der Verfassungsrealität erfolgte nicht. Die Werte wurden der Völkerverständigung zwischen Saarländern und Franzosen untergeordnet, wobei im Unterschied zu 1947 der Tag auch eine neue Konnotation erhalten hatte. D e r Kommentator Jacques Zenner hielt fest: 62
Heinen, Saarjahre, S. 323.
D i e Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbriicker Zeitung 1947-1955
363
„Hundertundsechzig Jahre alt ist die grosse Revolution. Die Bewegung um ein geeintes E u r o p a setzt erst heute ein. D i e Voraussetzung aber für ihr Gelingen wurde am 14. Juli 1789 mit dem großen Leitgedanken von der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit erstritten." 6 3
Der 14.Juli als Symbol für die europäische Einigung, das war in dieser Weise in der Saarbriicker Zeitung neu und stellte eine Erweiterung der Motive von 1947 dar. Das Saarland wuchs semantisch langsam aus der Zweierbeziehung heraus. Eine neue Funktionsbestimmung war nun nur konsequent. Die Saar sollte die Brückenfunktion zwischen Frankreich und Deutschland erfüllen. Auf jeden Fall wurde in der Ausgabe des Folgetages der Feiertag in hergebrachter F o r m als großes saarländisches Medienereignis inszeniert: „Unter strahlendem Himmel fand am Rathausplatz in Saarbrücken die traditionelle Parade des 14.Juli statt." 6 4 Von Saarbrücken über Saarlouis und Merzig bis Neunkirchen und St. Wendel sollten die landesweiten Feierlichkeiten ins Bewusstsein der Leserschaft gebracht werden. Fotografien auf der Titelseite, der Abdruck der Festrede des Ministerpräsidenten sowie kleinere Berichte aus einzelnen saarländischen Städten sollten dies belegen. Die Feierlichkeiten wurden indes überschattet durch die sich in bundesdeutschen Zeitungen im Zuge des Wahlkampfes zum ersten Bundestag mehrenden Artikel, die mit Nachdruck auf den provisorischen Status der Saar und die noch ausstehende friedensvertragliche Regelung hinwiesen. 6 5 Des Weiteren wurde die sich ankündigende Debatte durch Robert Schumans Vorschlag ins mediale Blickfeld gerückt. Am 9. Juli hatte er als französischer Außenminister vor der französischen Nationalversammlung die Aufnahme des Saarlandes und der Bundesrepublik in den Europarat gefordert. Eine Reaktion aus Deutschland ließ nicht auf sich warten. Der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher machte den Beitritt der Bundesrepublik zum Europarat vom Fernbleiben der Saar abhängig. O b w o h l sich die bundesdeutsche Regierung unter Konrad Adenauer in der Öffentlichkeit noch zurückhaltend gab 6 6 , war die Saarproblematik nun als internationales Konfliktfeld zwischen Deutschland und Frankreich ins allgemeine Bewusstsein gerückt worden. Die Saar stand erneut zwischen Frankreich und Deutschland. Wo stand die Saarbriicker Zeitung? „Saarproblem längst gelöst!", formulierte die Redaktion bereits am 27. Juli und verwies auf die Wahlen vom 5. Oktober. In einer demokratischen Wahl Jacques Zenner, 1789-1949. Hundertsechzig Jahre später, in: Saarbriicker Zeitung, 1 3 . 7 . 1 9 4 9 Nr. 159, Titelseite. 6 4 Anonymus, Die Feiern im Saarland, in: Saarbriicker Zeitung, 1 5 . 7 . 1 9 4 9 Nr. 160, S. 1-2. 6 5 F r e y m o n d , Saar, S. 77. 6 6 Konrad Adenauer erwähnte in seiner ersten Regierungserklärung die Saar mit keinem Wort und sah Deutschland in „zwei Teile zerrissen". Konrad Adenauer, Regierungserklärung vom 20. September 1949, in: Klaus Stiiwe, Hg., Die großen Regierungserklärungen der deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Schröder, Opladen 2002, S. 33—47. 63
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habe sich die Saarbevölkerung eindeutig zu Wirtschaftsanschluss, Autonomie und der Trennung vom „ehemaligen Deutschen Reich" bekannt. 67 Diese Vorgänge seien von den Westalliierten, Frankreich, Amerika und England, gebilligt worden. 68 Frankreich strebe keine politische Annexion an. Die Einwände und Vorwürfe aus Deutschland wurden von Seiten der Saarbrücker Zeitung mit ungeheurer Schärfe als nationalistische „Wahlpropaganda" zurückgewiesen. Ja, man ging noch weiter und zeichnete ein sehr undifferenziertes Bild der jungen Republik im Osten: „Es scheint zum deutschen Nationalcharakter zu gehören, dass er den Nationalismus nicht lassen kann, und die Lehren des letzten grausamen Krieges scheinen hier auf wenig fruchtbaren Boden gefallen zu sein." 6 9 Zugleich trat die Saarbrücker Zeitung mit ihrer Berichterstattung für einen Ausbau der Selbstständigkeit des Saarlandes bis hin zu voller Autonomie ein. 70 Dies sei eine der wichtigsten Voraussetzungen, um der Aufgabe als Bindeglied zwischen Deutschland und Frankreich politisch gerecht werden zu können. Die Saar sollte als Region in Europa die ihr zugedachte internationale Vermittlerfunktion ausfüllen. Derweil war aber in der schwelenden Auseinandersetzung „vom Brückenbau nicht viel zu sehen." 71 Der Streit um den Status der Saar überlagere und verhindere sogar die Wahrnehmung der eigentlichen Pflicht des Saarstaats: nämlich gerade als eben dieser Mittler zwischen Frankreich und Deutschland auftreten zu können. Diese Mahnung war hoch gegriffen: Sowohl die Bevölkerung des Saarlandes als auch die Saarbrücker Zeitung hatten eine große Verantwortung. Die Saarfrage entwickelte sich in dieser Perspektive während der Auseinandersetzung auch medial zum Zünglein an der Waage für den Erfolg des europäischen Einigungsprozesses. 72 Robert Schuman vermittelte, die staatliche Regelung an der Saar sei „eine provisorische Lösung", auch wenn sie die Zustimmung der Bevölkerung habe. 73 Damit schienen die Wogen geglättet. Am 5. November verkündete die Saarbrücker Zeitung, dass das Saarland und Westdeutschland als assoziierte Mitglieder in den Europarat auf Beschluss des Ministerrates aufgenom67 68
A n o n y m u s , Saarproblem längst gelöst!, in: Saarbrücker Zeitung, 2 7 . 7 . 1 9 4 9 Nr. 170, Titelseite. Louis Knaff, D i e Alliierten und das Saarland, in: Saarbrücker Zeitung, 3 0 . 7 . 1 9 4 9 , Titelseite.
A n o n y m u s , Saarproblem längst gelöst!, in: Saarbrücker Zeitung, 2 7 . 7 . 1 9 4 9 Nr. 170, Titelseite. Johannes H o f f m a n , A u t o n o m i e des Saarlandes wird weiterentwickelt, in: Saarbrücker Zeitung, 1 . 8 . 1 9 4 9 Nr. 174, Titelseite. 7 1 A n o n y m u s , Das Saarland, Sprengstoff oder Bindeglied?, in: Saarbrücker Zeitung, 11.8.1949 Nr. 183, Titelseite. 7 2 A n o n y m u s , Eine Zwischenbilanz über Strassburg, in: Saarbrücker Zeitung, 2 6 . 8 . 1 9 4 9 Nr. 195, Titelseite. 7 3 A n o n y m u s , Frankreich verteidigt das Saarstatut, in: Saarbrücker Zeitung, 3 . 9 . 1 9 4 9 Nr. 202, T i telseite. 69 70
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung 1947-1955
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men würden. 7 4 Wenige Tage später stimmte der Lenkungsausschuss der Versammlung des Europarates zu. Die Saarbrücker Zeitung titelte: „Einschränkungslose Befürwortung der Aufnahme des Saarlandes." 7 5 Auch wenn dem Ministerkomitee bezüglich der Aufnahme in den Europarat das letzte Wort zukam, erklärte die Saarbrücker Zeitung in ihrer Berichterstattung mit Verweis auf Bidault die Saarfrage bereits im November 1949 als erledigt. 7 6 D e r bestehende Status der Saar war - wie man auch von offizieller Seite hören konnte - scheinbar durch die Aufnahme in den Europarat auch staatsrechtlich bestätigt. N u n sollte die Konzentration auf der Wahrnehmung der europäischen Vermittlerrolle zwischen Frankreich und Deutschland liegen. 77 D o c h die Auseinandersetzung hatte gerade erst begonnen. Die nächsten Jahre zeigten schnell, dass eine letztgültige und für alle Seiten befriedigende Regelung der Saarproblematik bei weitem noch nicht gefunden war. So wich die Euphorie von 1947 auch in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung der Ernüchterung. Dies belegt zumindest ein Blick auf die Berichte zum 14. Juli besonders deutlich. Nachdem der Tag im Jahr 1950 auf Beschluss des saarländischen Landtages als Festtag abgesetzt worden war, verlor das Symbol saarländisch-französischer Freundschaft und europäischer Einigung erheblich an Bedeutung. Im Rahmen der Zeitung wanderten im Jahr 1951 die übrig gebliebenen zwei Berichte von Seite eins auf Seite sechs. 1955 konnte der Leser nur noch einen kleinen Artikel auf Seite sieben finden. Wo war die Aufbruchstimmung, welche noch 1947 vermittelt worden war? Lediglich „Nachklänge zur Französischen Revolution" 7 8 waren vom Eifer, dem Wunsch nach Erneuerung und der selbstbewussten Übernahme neuer Aufgaben übrig geblieben. 7 9 Sicherlich hatten sich nach acht Jahren der Diskussion um die Saar in den verschiedenen nationalen, internationalen und europäischen Kontexten A b nutzungseffekte eingestellt, aber auch konzeptionell passte die Berichterstattung über den französischen Nationalfeiertag, wie zu zeigen sein wird, nicht mehr in das sich ausbildende supranationale Profil des Blattes. Auf jeden Fall hatte sich an der von der Saarbrücker Zeitung thematisierten A n o n y m u s , Saarland und Westdeutschland werden eingeladen, in: Saarbrücker Zeitung, 5 . 1 1 . 1 9 4 9 Nr. 255, Titelseite. 7 5 Anonymus, Einschränkungslose Befürwortung der Aufnahme des Saarlandes, in: Saarbrücker Zeitung, 1 0 . 1 1 . 1 9 4 9 Nr. 259, Titelseite. 7 6 A n o n y m u s , Bidault: Saarfrage endgültig geregelt, in: Saarbrücker Zeitung, 1 0 . 9 . 1 9 4 9 Nr. 208, Titelseite. 7 7 Heinz Braun, Historischer Tag für das Saarland, in: Saarbrücker Zeitung, 1 2 . 1 1 . 1 9 4 9 Nr. 261, Titelseite. 7 8 Anonymus, Nachklänge zur Französischen Revolution, in: Saarbrücker Zeitung, 14.7.1951 Nr. 161, S. 6. 7 9 Anonymus, 14.Juli. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, in: Saarbrücker Zeitung, 14.7.1955 Nr. 161, S. 7. 74
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Grundsatzfrage, welche staats- und völkerrechtliche Realität dem saarländischen Status seit 1947 zukomme, trotz der außenpolitischen Bemühungen der Regierung H o f f m a n n gegenüber dem französischen Partner wenig geändert. Die Saar blieb teilautonom, auch nach den Konventionen 1950, wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen. Die bundesrepublikanischen Diskussionen um die Saarkonventionen, die Dispute um die Aufnahme des Saarlandes in die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 80 , die Infragestellung der saarländischen Staatsbürgerschaft durch Deutschland, die sich wiederholenden Proteste der Bundesrepublik gegen die innenpolitischen Zustände sowie die ausbleibende völkerrechtliche Anerkennung zehrten am Optimismus von 1947. Aus journalistischer Sicht gab es bis 1952 eher wenig grundsätzlich Neues zu berichten. Nach Europa strebend, steckte die Saar irgendwie zwischen Deutschland und Frankreich fest. Den Grund für diese Misere verortete man in der Bundesrepublik. Die aus dem Osten nach Westen klingende Missbilligung der Situation, die Vorwürfe antidemokratischen Handelns sowie die steten Hinweise auf den provisorischen Charakter der Saar betrachtete man als unbotmäßige Einmischung von außen. Aus Sicht der Saarbrücker Zeitung störten sie mehr den Prozess der europäischen Einigung, als dass sie als bedenkenswerte Argumente angesehen wurden. Allerdings kam durch das Konzept des Niederländers Marinus van der Goes van Naters vom 24. September 1952, der eine Europäisierung der Saar vorschlug, wieder mehr Bewegung in die Saarfrage, und das im internationalen Kontext. Die schon vorher kursierenden, aber vage gehaltenen Europäisierungskonzepte Schumans und Adenauers, mit der zwischenzeitlich vorgetragenen Idee, Saarbrücken sogar zum Sitz der EGKS zu machen, nahmen plötzlich Konturen an - auch quantitativ nahm die Artikeldichte zur Saarproblematik bis 1953 wieder zu. Allerdings gab sich die Saarbrücker Zeitung reserviert. Die Position der Bundesrepublik und die wiederholte Anfechtung der Landtagswahlen von 1953 müssten insgesamt als Hinhaltetaktik bewertet werden. Geradezu störrisch verwies man erneut auf die am 15. Dezember 1947 in Kraft getretene Verfassung des Saarlandes und entgegnete: „Weil man auch in Bonn genau weiß, wie wenig sich an der Auffassung der saarländischen Bevölkerung jetzt und in Zukunft etwas ändert, deshalb legt man immer wieder die alte Schallplatte auf, wahrscheinlich mit der unausgesprochenen H o f f nung, nicht zu einer Einigung zu gelangen und eine Entscheidung möglichst lang hinauszuschieben." 8 1
80 81
Anonymus, Schuman-Plan und Saarland, in: Saarbrücker Zeitung, 19.4.1951 Nr.91, Titelseite. Anonymus, Der einzige Weg, in: Saarbrücker Zeitung, 23.4.1953 Nr. 94, Titelseite.
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung 1947-1955
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Indes war die erneute Auflage der Saarfrage ,νοη außen' an die Saarbevölkerung herangetragen worden. Uber Vision und Funktion der Saar in Europa herrschte aus Sicht der Saarbrücker Zeitung schon lange Klarheit. Vielmehr seien die vom Bundestag, und dort insbesondere den Sozialdemokraten und Liberalen, initiierten öffentlichen Debatten um den Status der Saar geprägt vom „wildesten Nationalismus". 8 2 Im Gegensatz dazu schien mit dem Plan von van Naters für die Saar endlich eine tragfähige Lösung in Sicht, die zudem mit den geschilderten Motivationen der Zeitung in Einklang stand. Deshalb musste nach Einschätzung der Zeitung die Saarproblematik nun endgültig gelöst werden. 83 Ohne in diesem Rahmen auf die Verwerfungen und Problemlagen der Jahre 1953 und 1954 genauer eingehen zu können, verwundert es angesichts dieser Medienrealitäten wenig, dass wir die Saarbrücker Zeitung im Abstimmungswahlkampf des Jahres 1955 auf der Seite der JA-Sager' wiederfinden. 84 Bereits im Januar des Jahres zog der Remigrant Rudolf Wolff 85 im Rückblick auf die Unterzeichnung der PariserVerträge am 23. Oktober 1954 sein Fazit zur Saardiskussion der Jahre 1947 bis 1955. Die vorgesehene Lösung, ein europäisches Statut für die Saar durch ein Referendum zur Abstimmung zu stellen, kommentierte der Pariser Korrespondent der Saarbrücker Zeitung: 86 „ N i c h t s w ä r e i n d i e s e m A u g e n b l i c k s c h l i m m e r als d a s d e u t s c h e U n v e r m ö g e n , s i c h in der n u n beginnenden historischen E p o c h e Europas über althergebrachte nationalist i s c h e N o r m e n h i n w e g z u s e t z e n . N i c h t s w ä r e b e d a u e r l i c h e r , als d i e F o r t s e t z u n g d e s Saarstreits ü b e r einen v o m B u n d e s k a n z l e r u n d v o m französischen
Ministerpräsi-
d e n t e n u n t e r z e i c h n e t e n Text, der o h n e Böswilligkeit n u n wirklich zu keiner verschiedenartigen Interpretation Anlass gibt."87
6. D i e S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g als ein s u p r a n a t i o n a l - e u r o p ä i s c h e s Blatt Ein Volksentscheid ohne Diskussion? In dieser Radikalität war dies gewiss nicht gedacht. Doch ganz in der Tradition der Zeitung argumentiert Wolff supranational, eben ganz europäisch. Die Saar war jetzt als Region auf dem Weg nach Europa. Das war eine Weiterentwicklung der Ansicht von 1947, 82
K u n z von Kauffungen, Missbrauchte Tradition, in: Saarbrücker Zeitung, 6.11.1953 Nr.258, Titelseite. 83 Walter Dirks, Die Lösung ist fällig, in: Saarbrücker Zeitung, 6.11.1953 Nr. 258, S.2. 84 Vgl. dazu den Beitrag von Susanne Dengel in diesem Band. 85 Martina Biller, Exilstationen. Eine empirische U n t e r s u c h u n g z u r Emigration und Remigration deutschsprachiger Journalisten und Publizisten, H a m b u r g 1994, S. 405. 86 Vgl. auch: A n o n y m u s , U n s e r Feld ist die Welt, in: Sonderbeilage der Saarbrücker Zeitung, 18.6.1955 N r . 139, S. 15. 87 Rudolf Wolff, Die Schlußfolgerung, in: Saarbrücker Zeitung, 3.1.1955 N r . 1, Titelseite.
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die dem Gaullisten Grandval, dem französischen Botschafter an der Saar, sicher weniger behagte. Anfänglich hatte sich das Blatt in den Dienst der französischen Kulturpolitik gestellt. Den Saarländern sollten nach dem nationalsozialistischen Terror, Krieg und Zerstörung der Weg in die Demokratie gezeigt werden. Die Saarbrücker Zeitung übernahm die Aufgabe, den Blick zu weiten, die Saarbevölkerung an das globale Geschehen und die Komplexität der internationalen Politik heranzuführen. Zugleich verwies die Saarbrücker Zeitung aber auf die Konsequenzen einer Ubersteigerung nationalistischer Ideen, indem sie die Leserschaft mit den Gräueln der nationalsozialistischen Herrschaft konfrontierte. Dies war kein rein negativ formuliertes Programm. Perspektiven wurden aufgezeigt. Darauf weist nicht nur die quantitative Zunahme des Feuilletons in den Jahren 1947 bis 1955 hin. Auch politisch sollten unter den Saarländern die humanistischen Wurzeln Europas und die Ideen der französischen Aufklärung wiederbelebt werden. Die Saarbrücker Zeitung war ein Informationsblatt und das in der vollen Tragweite des Begriffs: Information über die Welt, die Demokratie und die ihr zugrunde liegenden Werte. Die Spartenverteilung verweist in ihren Quantitäten insofern auch - beispielsweise im hohen Stellenwert von Politik und Feuilleton, die 1947 fast 40 Prozent und in den nachfolgenden Jahren bis zu einem Drittel des Gesamtumfangs ausmachten (vgl. Tabelle 1) - auf das offizielle medienpolitische Programm der französischen Besatzungsmacht in den Jahren 1945 bis 1947. Die so genannte ,Entpreußung' galt als wichtiger Schritt zur Entnazifizierung der Deutschen - und eben gerade auch der Saarländer.88 Der Weg war die .pénétration pacifique'. Aufklärung im informationstechnischen und kommunikationstheoretischen Sinne konnte diesem Ziel nur zuträglich sein. Die Zeitung orientierte sich aus diesem Grund von 1947 an ganz ,nach Westen' zur neuzeitlichen Geburtsstätte von Demokratie und republikanischem Geist. In Anlehnung an Armin Heinen ist die Medienentwicklung der Saarbrücker Zeitung in enger Verbindung mit der gesamtgesellschaftlichen Atmosphäre jener Jahre zu sehen: „Die Saar geriet zu einer riesigen Erziehungsanstalt in Sachen Demokratie und Völkerfreundschaft." 89 Vor diesem Hintergrund greifen jene Interpretationen eindeutig zu kurz, welche die Saarbrücker Zeitung der Jahre 1947 bis 1955 ausschließlich als unter dem
Edgar Wolfrum, „La mission culturelle" - Medienpolitik der französischen Besatzungsmacht und die Rolle der Remigranten, in: Hans-Dieter Krohn, Hg., Zwischen den Stühlen? Remigranten und Remigration in der deutschen Medienöffentlichkeit der Nachkriegszeit, Hamburg 2002, S. 66-92. 8 9 Armin Heinen, Vom frühen Scheitern der französischen Saarpolitik. Politik und Ö k o n o m i e 1 9 4 5 - 1 9 5 0 , in: Stadtverband Saarbrücken, Hg., Von der .Stunde 0' zum ,Tag X ' . Das Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 9 . Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloss, Merzig 1990, S. 155-174, hier S. 166. 88
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Druck der Zensur und im Dienst offizieller Propaganda stehendes Printerzeugnis der französischen Besatzungsmacht respektive der Regierung Hoffmann werten. Sicherlich sind die gesamtgesellschaftlichen Zwangslagen der Zeit in Rechnung zu stellen. Die Analyse zeigte aber, dass sich die Zeitung in den Jahren 1947 bis 1949 durch ein eigenständiges Profil auszeichnete. Sowohl die Struktur des Mediums als auch die in ihm vermittelten Inhalte erweisen seinen Charakter als supranationales Blatt. Der Fixierung auf die saarländisch-französischen Beziehungen wurde über die Jahre hinweg zugunsten einer klaren medial vermittelten Wertehierarchie relativiert. Anknüpfend an die Werte der französischen Revolution, lautete spätestens ab 1949 die Wertepyramide: Europa, die Region, das Saarland. Das Paradigma der deutschen Kulturnation schien aus Sicht der Zeitung - auch konzeptionell - mit der Abstimmung von 1947 überwunden. Die Saarländer hatten sich eine zwar formal an deutsche Traditionen anknüpfende, aber der Völkerverständigung verschriebene Verfassung gegeben. 90 Insofern verstand sich die Saarbrücker Zeitung der Jahre 1947 bis 1955 als verfassungskonformes, wenn nicht gar staatstragendes Blatt - staatstragend in dem Sinne, dass sich die Zeitung der Verständigung zwischen den Völkern verschrieb. Konsequenterweise galten die sich in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit immer wieder artikulierenden Widerstände und auch die innenpolitische Kritik des Saarbundes als .nationalistisch motivierte' Angriffe, die nicht nur Europa, sondern auch die saarländische Vision der Brücke zwischen Deutschland und Frankreich gefährdeten. Eine ausufernde und im Medium der Saarbrücker Zeitung geführte Debatte der Saarproblematik wurde, sicher aufgrund der Erfahrungen von 1935, nicht zugelassen. Dies mag ein Erklärungsmuster für den geringen quantitativen Widerhall in den Sparten der Zeitung sein. Im Umfang nahm deshalb, wie wir darlegen konnten, die Saarfrage - abgesehen von einem kleinen Zwischenhoch nach Veröffentlichung des Vorschlags von van Naters 1952/1953 - kontinuierlich ab. Bezüglich der immer wieder aufflammenden Debatte um den Status der Saar, deren Ursache man in der Bundesrepublik und dem Nationalismus als Ideologie lokalisierte, reagierte man eher, als man agierte. Einen offensiv geführten Diskurs gab es nicht. Die Saarbrücker Zeitung berichtete insofern aus der Defensive, die den bestehenden Widerspruch zwischen den Appellen an Freiheit und Demokratie auf der einen und der innenpolitischen Realität des Saarstaats auf der anderen nicht löste. Zwischen Verfassungsan90
Michael Sander, Die Entstehung der Verfassung des Saarlandes, in: Präsident des Landtages des Saarlandes, Hg., 40 Jahre Landtag des Saarlandes 1947-1987, Saarbrücken 1987, S.9-42; Rainer H u d e m a n n , 50 Jahre Landtag - 40 Jahre Bundesland. N o t i z e n zur saarländischen Identität, in: 50 Jahre Landtag des Saarlandes. Protokoll der Sondersitzung des saarländischen Landtages aus Anlaß seines 50jährigen Bestehens am 12. September 1997, Sonderdruck, Saarbrücken 1997, S. 21-36.
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spruch und Verfassungsrealität klaffte bis 1955 eine Kluft, die auch medial nicht überwunden wurde. 1955 schien es, als ob die in der Medienrealität der Saarbrücker Zeitung formulierte europäische Vision Wirklichkeit werden könnte. Dass sie sich im Referendum am 23. Oktober 1955 erfüllen werde, stand für die Saarbrücker Zeitung fest. Erst spät ab Sommer 1955 reagierte das Blatt auf die sich auch innerhalb der Landesgrenzen immer vehementer artikulierende Opposition gegen eine Europäisierung und engagierte sich eingedenk ihres supranationalen Anspruchs für eine Annahme des Status. Die Saarbrücker Zeitung blickte aber bereits im Oktober 1955 in die Zukunft. Seine Aufgaben sah das Blatt in Europa und der Welt, eine moderne Zeitung als „Zentrum der Integration". 9 1 Im Gegensatz dazu standen die aus Sicht des Blattes anachronistischen Konzepte der ,pro-deutschen' Opposition. Das „starre nationalstaatliche Prinzip" 9 2 hatten insbesondere die Remigranten unter den Redakteuren nach den Erfahrungen von 1935 und der Emigration längst hinter sich gelassen.
7. Quellenverzeichnis Saarbrücker Zeitung J a h r g ä n g e 1947, 1949, 1951, 1953, 1955 Klaus Stüwe, Hg., Die großen Regierungserklärungen der deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Schröder, Opladen 2002
Autobiographisches und zeitgenössisches Schrifttum Richard Becker, Freiheit für die Saar. Die Verletzung der Grundfreiheiten und Menschenrechte im Saarland, Saarbrücken 1951 Nicolas Benckiser, Hg., Zeitungen in Deutschland. Sechsundfünfzig Porträts von deutschen Tageszeitungen, Frankfurt a.M. 1968 Ludwig Brenner [Pseudonym von Ludwig Bruch], Freie Wahlen? Ein N a c h w o r t zu den saarländischen Landtagswahlen, Köln 1952 Ludwig Bruch, Weg und Schicksal einer deutschen Zeitung, in: Saarbrücker Zeitung, Hg., 200 Jahre Saarbrücker Zeitung 1761-1961, Saarbrücken 1961 Ludwig Bruch, Die Franzosen im Saargebiet. Erinnerungen an die ersten saarländischen Besatzungsjahre, Saarbrücken 1934 Ludwig Bruch, Jahrtausend-Feier der Rheinlande im Saargebiet. Eine Volksschrift, Saarbrücken/Völklingen 1925 Walter Eberhard [Pseudonym von Walter Schopen], Wer kaufte J O H O ? Dreimal an der Saar, Selbstverlag des Verfassers [1951] A n o n y m u s , Aufgaben und Bedeutung der Zeitung, in: Sonderbeilage der Saarbrücker Zeitung, 1 8 . 6 . 1 9 5 5 Nr. 139, S. 15.
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A n o n y m u s , Separatist!, in: Saarbrücker Zeitung, 1 3 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 3 8 , Titelseite.
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung 1947-1955
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H a n s - J o a c h i m Hagmann [Pseudonym von Helmut Lauk], D i e saarländischen Landtagswahlen vom 30. N o v e m b e r 1952, K ö l n 1952 Martin Hofmeister, Wer regiert die Saar?, Köln 1952 K u n z von Kauffungen, O h n e Maulkorb. Erlebnisse eines N o n k o n f o r m i s t e n , Bern 1964. Eduard Schäfer, Z u r Geschichte der Saarbrücker Zeitung von 1 9 1 8 - 1 9 6 8 / 6 9 , Saarbrücken 1972 Heinrich Schneider, Das Wunder an der Saar, Stuttgart 1974
8. Ausgewählte Forschungsliteratur Klaus Altmeyer, Pressefreiheit und Saarpolitik, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1 9 4 7 - 1 9 7 2 , Saarbrücken 1972, S. 8 2 - 8 8 Alexis Andres, Edgar H e c t o r und die Saarfrage, in: Rainer Hudemann/Burkhard Jellonek/Bernd Rauls unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, St. Ingbert 1997, S. 163-176 Dietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer K o n t r o l l e " , München 1969 Martina Biller, Exilstationen. Eine empirische Untersuchung zur Emigration und Remigration deutschsprachiger Journalisten und Publizisten, H a m b u r g 1994 H e i n z Bonfadelli, Medieninhaltsforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen, K o n s t a n z 2002 Hans Bünte, Saarbrücker Zeitung. 250 Jahre im Dienst der Information, Saarbrücken [1992] Hans Bünte, Saarbrücker Zeitung. Begleiter der saarländischen Geschichte 1 7 6 1 1986, Saarbrücken [1987] H e r b e r t Elzer, D i e deutsche Wiedervereinigung an der Saar. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen und das N e t z w e r k der prodeutschen Opposition 1939 bis 1955, St. Ingbert 2 0 0 7 Jacques F r e y m o n d , D i e Saar 1945-1955, München 1961 Werner Früh, Inhaltsanalyse. T h e o r i e und Praxis. 6. Aufl., K o n s t a n z 2007 Marcus Hahn in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann, Rainer Hudemann und Elisabeth Thalhofer, Das Saarland 1945-1957. Zur Einführung in Grundprobleme und Forschungsstand, in: Rainer Hudemann/Armin Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann und Marcus Hahn, Hg., Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Mit einer C D R o m zum Abstimmungskampf von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007, S. 17-93 Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945-1955, Stuttgart 1996 Armin Heinen, V o m frühen Scheitern der französischen Saarpolitik. Politik und Ö k o n o m i e 1945-1950, in: Stadtverband Saarbrücken, Hg., Von der .Stunde 0' zum ,Tag X ' . Das Saarland 1945-1959. Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloss, Merzig 1990, S. 155-174
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Alexander König
Hans-Walter Herrmann, Die saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1947-1972, Saarbrücken 1972, S. 46-58 Albert H. V. Kraus, Die Saarfrage (1945-1955) in der Publizistik. Die Diskussion um das Saarstatut vom 23.10.1954 und sein Scheitern in der deutschen, saarländischen und französischen Presse, Saarbrücken 1988 Heinrich Küppers, Johannes Hoffmann (1890-1967). Biographie eines Deutschen, Düsseldorf 2008 Heinrich Küppers, Bildungspolitik im Saarland 1945-1955, Saarbrücken 1984 Ludwig Linsmayer, Hg., Die Geburt des Saarlandes. Zur Dramaturgie eines Sonderweges, 2. Aufl., Saarbrücken 2007 Philipp Mayring, Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 10. Aufl., Weinheim/Basel 2008 Klaus Merten, Inhaltsanalyse. Einführung in Theorie, Methode und Praxis, 2. Aufl., Opladen 1983 Rainer Möhler, Entnazifizierung in Rheinland-Pfalz und im Saarland unter französischer Besatzung von 1945 bis 1952, Mainz 1992 Volker Mohr, Politische Kontrolle in der Innenpolitik des Saarlandes 1950-1952, unveröffentlichte Staatsarbeit, Saarbrücken 2002 Rainer Müller, 225 Jahre Saarbrücker Zeitung, Saarbrücken 1986 Natalie Pohl, Die französische Printmedienpolitik an der Saar nach dem Zweiten Weltkrieg, unveröffentlichte Diplomarbeit, Saarbrücken 2008 Michael Sander, Die Entstehung der Verfassung des Saarlandes, in: Präsident des Landtages des Saarlandes, Hg., 40 Jahre Landtag des Saarlandes 1947-1987, Saarbrücken 1987, S. 9 ^ 2 Karl August Schleiden, Aus provinzieller Enge zur Weltoffenheit. Kulturelle Entwicklung 1915-1957, in: Saarland - Der Chef der Staatskanzlei, Hg., Das Saarland. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen, Saarbrücken 1989, S. 83110 Dieter Marc Schneider, Gilbert Grandval. Frankreichs Prokonsul an der Saar 19451955, in: Stefan Martens, Hg., Vom „Erbfeind" zum „Erneuerer". Aspekte und Motive der französischen Deutschlandpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg, Sigmaringen 1993, S. 201-243 Dieter Marc Schneider, Saarpolitik und Exil 1933-1955, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ) 25, 1977, S. 467-545 Stephan Schölzel, Die Pressepolitik in der französischen Besatzungszone 1945-1949, Mainz 1986 Edgar Wolfrum, „La mission culturelle" - Medienpolitik der französischen Besatzungsmacht und die Rolle der Remigranten, in: Hans-Dieter Krohn, Hg., Zwischen den Stühlen? Remigranten und Remigration in der deutschen Medienöffentlichkeit der Nachkriegszeit, Hamburg 2002, S. 66-92 Clemens Zimmermann, Politischer Journalismus, Öffentlichkeit und Medien im 19. und 20.Jahrhundert, in: Clemens Zimmermann, Hg., Politischer Journalismus, Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20. Jahrhundert, Ostfildern 2006, S.9-23
Ines H eisig
Parteipresse und Presselandschaft in der Autonomiezeit 1945-1955
1. E i n l e i t u n g Die politischen Publizisten des 19.Jahrhunderts gelten als Vorkämpfer für die Pressefreiheit. Sie nutzten die Zeitungen ihrer demokratischen Parteien als Plattformen für ihre Kritik an den herrschenden Verhältnissen und verbreiteten ihre Visionen von einer freieren Gesellschaft. Die Presseorgane der Parteien wurden somit eine Grundlage des deutschen Printmedienwesens. Sie prägten die Tradition des politischen Journalismus im 19. Jahrhundert durch ihre Opposition gegen die Monarchie und schufen eine enge Verbindung zwischen Journalismus und Politik. 1 Der Medienwissenschaftler Michael Haller charakterisiert die Parteipresse bis in die Zeit der Weimarer Republik hinein als einen „Streiter für Pressefreiheit", der unabhängig vom Kapital der Großindustrie und der Staatsbürokratie agiere. Den Untergang der freien Presse im Zuge der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten habe ja auch nicht die Parteipresse vorbereitet, sondern der Deutschnationale Hugenberg, dessen Pressekonzern mit Hilfe des Großindustriellen H u g o Stinnes ein Agentur- und Anzeigenmonopol errichtet und die übrige Presse systematisch ruiniert habe. Die Parteipresse sei im Idealfall allein von der jeweiligen politischen Gesinnung abhängig. 2 Diese Parteigebundenheit bedeutet, dass das jeweilige Presseorgan von der Partei getragen wird „oder effektiv und hauptsächlich als Parteiorgan fungiert und sich damit als Glied des Parteiorganismus erweist." 3 Als solches tritt die Parteipresse als Kommunikationselement innerhalb der Parteien auf und kommuniziert deren Ideen und Diskussionen auch extern. Sie sichert dementsprechend die innerparteiliche Demokratie, übt eine Kontroll- und gleichzeitig politische Sozialisationsfunktion aus und kann darüber hinaus, über die Herstellung eines öffentlichen Raumes, auf die demokra1 T h o m a s M e r g e l , Politischer J o u r n a l i s m u s und Politik in der B u n d e s r e p u b l i k , in: C l e m e n s Z i m m e r m a n n , H g . , Politischer J o u r n a l i s m u s , Ö f f e n t l i c h k e i t und M e d i e n im 19. u n d 20. J a h r h u n d e r t , O s t f i l d e r n 2006, S. 193-211, hier S. 194 f.
Michael Haller, Z u r gesellschaftlichen R o l l e der Parteipresse, in: 125 J a h r e v o r w ä r t s . S o n d e r b e i lage z u m V o r w ä r t s 10, 2001, O.S.
2
P r o d o m u s D a g t o g l o u , D i e Parteipresse. Ihr verfassungsrechtlicher und politischer S t a n d o r t , Berlin 1967, S. 18.
3
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tische Willensbildung im politischen Gesamtsystem bezogen werden. 4 Die Problematik der Parteipresse besteht in der Realisierung der journalistischen Objektivität. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnete sich ein Wandel in den Lesegewohnheiten ab. Die Leserschaft verlangte vermehrt die „journalistischhandwerklich vollgültige Tageszeitung" und weniger das „doktrinäre Parteiorgan herkömmlicher Art als tägliche Gesinnungsstütze." 5 Parteizeitungen gab es in allen Besatzungszonen Deutschlands bis Ende 1945 erst sehr wenige. Die Amerikaner ließen während ihrer gesamten Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg keine Parteiblätter zu. Es galt das Konzept der ,Gruppenzeitung', in der Personen mit unterschiedlicher weltanschaulicher Gesinnung zusammenarbeiteten. In der britischen Besatzungszone setzte sich nach dem Wahlsieg der Labourpartei zunächst die Vorgabe durch, parteinahe Zeitungen zu gründen. Die Parteien durften zwar selbst keine Zeitungen herausgeben, aber man garantierte die Nähe zu den Parteien über Lizenzvergaben an Parteimitglieder oder Sympathisanten. 6 Innerhalb der französischen Besatzungszone war das Saarland die erste Region, in welcher Parteizeitungen gegründet wurden. Das Comité de Direction de la Presse in Baden-Baden genehmigte am 12. Juni 1946 das Erscheinen der Organe der drei im Saarland zugelassenen Parteien: Für die Christliche Volkspartei die „Saarländische Volkszeitung", für die kommunistische Partei die „Neue Zeit" und für die Sozialdemokraten die „Volksstimme". Diese Zeitungen erschienen ab dem 22. Juni 1946 einmal wöchentlich. 7 In den Ländern Baden und Württemberg-Hohenzollern folgte die Gründung von Parteizeitungen ebenfalls im Sommer 1946. 8 Untersuchungen über die Geschichte der Presse an der Saar betonen vor allem die Kontrollpolitik durch die französische Militärregierung und später durch die saarländische Regierung unter Johannes Hoffmann. 9 Zunächst
N o r b e r t T h o m a s H o y e r , Innerparteiliche Demokratie und die Aufgabe der Mitgliederzeitschriften von Parteien. Grundsätzliche Überlegungen sowie eine vergleichende Untersuchung von Mitgliederzeitschriften von C D U und S P D , Diss. phil. B o n n 1976, S . 5 1 .
4
H e i n z - D i e t r i c h Fischer, Parteien und Presse in Deutschland seit 1945, München 1981, S. 31. Konrad Dussel, Deutsche Tagespresse im 19. und 20. Jahrhundert, Münster 2004, S . 2 1 4 f . 7 C o m p t e s rendus des séances du C o m i t é de Direction de la presse. Procès-verbal de la séance du 12 juin 1946, Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche, C o l m a r ( A O F A A ) : Direction de l'Information, A P 130/1. 5
6
Vgl. Gouvernement Militaire de la Zone Française d'Occupation. Direction de l'Information, Hg., La France en Allemagne, Juli 1946 Nr. 1, S. 57; Stephan Schölzel, D i e Pressepolitik in der französischen Besatzungszone 1945-1949, Mainz 1986, S. 113; Dussel, Deutsche Tagespresse, S . 2 1 9 . 9 Klaus Altmeyer, D e r „seidene Vorhang". Saarpresse 1945 bis 1959, in: Deutsches Zeitungsmuseum, Hg., Von der Mangelwirtschaft zur Massenauflage. Printmedien in den 50er Jahren. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Zeitungsmuseums in Wadgassen, Dillingen 2007, S. 8 5 - 1 0 3 ; ders., Massenmedien nach 1945 mit besonderem Blick auf die Volksbefragung 1955, in: Rainer H u d e m a n n / R a y m o n d Poidevin unter Mitarbeit von Annette Maas, Hg., D i e Saar 1945-1955. Ein P r o 8
Parteipresse u n d Presselandschaft in der A u t o n o m i e z e i t 1945-1955
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deutete alles darauf hin, dass die deutsche Presse niemals wieder frei sein werde: „Mais il ne faut pas se dissimuler qu'en dépit de tous les efforts, la presse allemande ne paraîtra jamais totalement libre et il n'est ni possible ni souhaitable qu'elle le soit trop vite." 10 Die weitere Entwicklung zeigte, dass die Franzosen ein breites Spektrum an Zeitungen und Zeitschriften unter ihrer Kontrolle schufen. Diese leisteten unter saarländischen Redaktionen einen Beitrag zur Demokratisierung nach dem Krieg. Nach der Verabschiedung der saarländischen Verfassung 1947 hielten sich die Franzosen mit Interventionen in der Pressepolitik weitgehend zurück. Vieles weist darauf hin, dass sie die rigide Pressepolitik der saarländischen Regierung eher kritisch betrachteten. 11 Die restriktiven Maßnahmen der Regierung Hoffmann im Hinblick auf die politische Mitbestimmung müssen im zeitgenössischen Kontext betrachtet werden, in dem ein Dilemma augenscheinlich wird: Das Ziel einer Umerziehung der Saarländer zu Demokraten unter „buchstabengetreuer Einhaltung der Gesetze", insbesondere der Verfassung mit ihren Bestimmungen über den Wirtschaftsanschluss an Frankreich, geriet in Widerspruch zu den angestrebten demokratischen Prinzipien, wenn damit beispielsweise das Verbot einer diesen Wirtschaftsanschluss ablehnenden Partei begründet wurde. 12 A r m i n Heinen fand dafür die häufig zitierte Formel der „Demokratie unter pädagogischem Vorbehalt": Das Saarland sei zu einer Erziehungsan-
blem der europäischen Geschichte/La Sarre 1945-1955. U n p r o b l è m e de l'histoire e u r o p é e n n e , 2. A u f l . , M ü n c h e n 1995, S. 405-408; ders., Pressefreiheit u n d Saarpolitik, Presse u n d R u n d f u n k im S p a n n u n g s f e l d des S a a r k o n f l i k t s 1945-1959, in: Saarländischer J o u r n a l i s t e n v e r b a n d , H g . , M e n schen M e d i e n Mächte. 50 J a h r e Saarländischer J o u r n a l i s t e n v e r b a n d 1947-1997. Eine D o k u m e n t a tion, S a a r b r ü c k e n 1997, S. 77-80; H a n s - W a l t e r H e r r m a n n , D i e saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer J o u r n a l i s t e n v e r b a n d , H g . , M e n s c h e n M e d i e n M ä c h t e . 25 J a h r e saarländischer J o u r nalistenverband 1947-1972. Eine D o k u m e n t a t i o n , S a a r b r ü c k e n 1972, S . 4 6 - 5 8 ; Karl A u g u s t Schleiden, A u s p r o v i n z i e l l e r Enge z u r Weltoffenheit. Kulturelle E n t w i c k l u n g 1815-1957, in: L a n d e s z e n t r a l e für politische B i l d u n g , H g . , Das Saarland. Politische, w i r t s c h a f t l i c h e und k u l t u relle E n t w i c k l u n g , S a a r b r ü c k e n 1989, S. 83-110; ders., M e d i e n im S p a n n u n g s f e l d von Politik und Geschichte, in: H a n s p e t e r Georgi, H g . , W i r t s c h a f t s r e g i o n Saarland, O l d e n b u r g 1998, S. 156-164; G e o r g Steigner, Presse z w i s c h e n R h e i n und Saar, Z w e i b r ü c k e n 1962. 10 O r i e n t a t i o n et organisation de la presse allemande, L a f f o n an D é l é g u é s supérieurs, 4 . 1 1 . 1 9 4 5 , Instructions confidentielles p o u r les c o m m i s s a i r e s - c e n s e u r s auprès des j o u r n a u x allemands, A O F A A , A P 138/2. " So warf G r a n d v a l der saarländischen R e g i e r u n g betreffend ihrer Pressepolitik einen „autoritarisme excessif" vor, u n v e r e i n b a r mit d e m o k r a t i s c h e n Prinzipien: G r a n d v a l an H o f f m a n n , 1 5 . 6 . 1 9 4 8 , L A SB, StK 4355. 12 M a r c u s H a h n in Z u s a m m e n a r b e i t mit J o h a n n e s G r o ß m a n n , R a i n e r H u d e m a n n und Elisabeth Thalhofer, Das Saarland 1945-1957. Z u r E i n f ü h r u n g in G r u n d p r o b l e m e und F o r s c h u n g s s t a n d , in: R a i n e r H u d e m a n n / A r m i n H e i n e n in Z u s a m m e n a r b e i t mit J o h a n n e s G r o ß m a n n und M a r c u s H a h n , H g . , Das Saarland z w i s c h e n F r a n k r e i c h , D e u t s c h l a n d und Europa 1945-1957. Ein Q u e l l e n und A r b e i t s b u c h . M i t einer C D - R o m z u m A b s t i m m u n g s k a m p f 1955 von Susanne Dengel, Saarb r ü c k e n 2007, S. 15-93, hier S . 8 1 f .
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stalt in Sachen Demokratie und Völkerfreundschaft geworden, in der schließlich die Erziehung über die demokratische Toleranz dominiert habe. 13 Für die Pressepolitik erwies sich auch die provisorische Gesetzesgrundlage in Form der „Verordnung betreffend der vorläufigen Regelung des Pressewesens" 14 als problematisch. Ein Blick in die frühe Bundesrepublik zeigt allerdings ebenfalls eine Politik, welche vom „Geist der Presselenkung" bestimmt war. 15 Nach der Lizenzierung von Parteiorganen im Sommer 1946 konnte von Pressefreiheit an der Saar noch nicht die Rede sein. Auch die spätere Gesetzgebung des teilautonomen Staats ließ dafür wenig Raum. Uber die saarländische Parteipresse liegt bisher noch keine eigenständige Studie vor. 16 Robert H. Schmidt widmete ihr 1959 ein Unterkapitel in seinem dreibändigen Werk „Saarpolitik 1945-1957". Darin gibt er einen Uberblick über die unterschiedlichen Zeitungen der zugelassenen Presse bis Juli 1955, der verbotenen Oppositionspresse vor dem 23. Juli 1955 und der zugelassenen Oppositionspresse aufgrund des Pariser Saarabkommens vom 23. Oktober 1954. Im Vordergrund der kurzen Porträts stehen die Lizenzierung der jeweiligen Zeitungen, ihre Gesellschafter, Chefredakteure und Auflagenzahlen sowie die jeweiligen Druckereien. 17 Zehn Jahre später folgte Dietrich Berwangers Dissertation „Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959". Auch er beschäftigte sich mit der Parteipresse in Kurzdarstellungen, wobei er sich vor allem auf das Handelsregister des Amtsgerichts Saarbrücken und Interviews stützte. 18 In den 1980er Jahren analysierte Albert H. V. Kraus die öffentliche Meinung in Deutschland, Frankreich und im Saarland zur Kontroverse um das Saarstatut auf der Pariser Konferenz vom 23. Oktober 1954 auf der Quellengrundlage von Zeitungen. Er zog hierbei auch saarländische Parteiorgane heran. 19 Die Entwicklung der poli-
A r m i n Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , Stuttgart 1996, S . 2 3 8 . Amtsblatt des Saarlandes, 1 6 . 3 . 1 9 4 8 Nr. 17, S . 2 7 8 f . 1 5 T h o m a s Mergel, Politischer Journalismus, S. 197; vgl. auch: Daniela Münkel, D i e Medienpolitik von Konrad Adenauer und Willy Brandt, in: Archiv für Sozialgeschichte (AfS) 41, 2001, S . 2 9 7 316; Karl G ü n t h e r von Hase, Hg., K o n r a d Adenauer und die Presse, B o n n 1988. 16 Zur Presse in den Jahren 1 9 1 8 - 1 9 4 5 siehe den Beitrag von Andreas Merl in diesem Band, zur Parteiengeschichte nach wie vor: Maria Zenner, Parteien und Politik im Saargebiet unter dem V ö l kerbundsregime 1 9 2 0 - 1 9 3 5 , Saarbrücken 1966; Ludwig Linsmayer, Politische Kultur im Saargebiet 1920-1932. Symbolische Politik, verhinderte Demokratisierung, nationalisiertes Kulturleben in einer abgetrennten Region, St. Ingbert 1992. 1 7 R o b e r t H . Schmidt, Saarpolitik 1945-1957, 3 Bde., Berlin 1 9 5 9 - 1 9 6 2 , hier B d . l : Politische Struktur, S. 537-565. 1 8 Dietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer K o n t r o l l e " , München 1969, S . 4 4 - 5 2 . 1 9 Albert H . V. Kraus, D i e Saarfrage ( 1 9 4 5 - 1 9 5 5 ) in der Publizistik. Die Diskussion um das Saarstatut vom 2 3 . 1 0 . 1 9 5 4 und sein Scheitern in der deutschen, saarländischen und französischen Presse, Saarbrücken 1988. 13
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tischen Parteien im Saarland 1945 bis 1955 fasste Winfried Becker auf Basis französischer Quellen zusammen. Er betont insbesondere das von 1946 bis 1952/1955 stabile politische Parteiensystem, welches durch die starke Positionierung der Christlichen Volkspartei (CVP) und die Einbeziehung der Sozialdemokratischen Partei des Saarlandes (SPS) in die Regierung bedingt gewesen sei: Die Regierungsbeteiligung der SPS habe Ministerpräsident Johannes H o f f m a n n vor der Konfrontation mit einer wirklichen Oppositionspartei bewahrt. 20 Ausführliche Beschreibungen der einzelnen Saar-Parteien unternahm Frank Dingel in Richard Stöss' Parteien-Handbuch. 2 1 Für die erste Zeit der saarländischen Parteipresse nach dem Zweiten Weltkrieg können Quellen aus den Beständen der 1947 im französischen Außenministerium eingerichteten Sous-direction de la Sarre herangezogen werden. 22 Außerdem finden sich Informationen über die französische Politik in den Akten des französischen Militärgouverneurs, Hochkommissars und späteren Botschafters an der Saar, Gilbert Grandval. 23 Für die Phase der Pressepolitik in saarländischer Verantwortung gelten als einschlägige Quellen die Bestände der Staatskanzlei 24 sowie die des Innenministeriums und Presse- und Informationsamtes 2 5 im Landesarchiv Saarbrücken. Zusätzlich finden die Nachlässe des Innenministers Edgar Hector 2 6 und des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann 2 7 für eine breitere Quellenbasis Verwendung. Im Sommer 2008 gab die Familie Edgar Hectors aus dessen Nachlass auch die Akten der Politischen Polizei P6 zur Durchsicht frei. Sie enthalten zwar nur einzelne Dossiers, sind aber gerade im Hinblick auf die Parteipresse, insbesondere für das Organ der Kommunistischen Partei, relevant. Die vorliegende Darstellung umreißt zunächst den politischen Neuanfang einer Parteipresse im Saarland unter französischer Regie. In der Anfangsphase nach Kriegsende hatten die verschiedenen politischen Ausrichtungen nur die Möglichkeit, ihre Positionen in der „Saarbrücker Zeitung" darzule20
Winfried Becker, Die Entwicklung der politischen Parteien im Saarland 1945 bis 1955 nach französischen Quellen, in: H u d e m a n n / P o i d e v i n , Die Saar, S. 253-296. 21 Richard Stöss, Hg., P a r t e i e n - H a n d b u c h . Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 19451980, O p l a d e n 1984. 22 Archives du Ministère des affaires étrangères (MAE), E U 1944-1960, Sarre, 66, 68, 91, 92. Auf Mikrofilm einsehbar am Historischen Institut der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl Rainer Hudemann. 23 Privatarchiv Gilbert Grandval, Paris/St. C l o u d (PA Grandval), 11. Auf Mikrofilm einsehbar am Historischen Institut der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl Rainer H u d e m a n n . 2 ·* Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken (LA SB), Bestand Staatskanzlei (StK) 95, 442, 827, 1215, 1520, 2321,4355. 25 LA SB, Bestand Presse- u n d I n f o r m a t i o n s a m t (InfA) 13, 72, 80, 144, 183, 233, 236, 445. 26 Privatarchiv Edgar H e c t o r (PA Hector), C a r t o n 29, Sd. 2; C a r t o n 63, Sd. 2. Auf Mikrofilm einsehbar am Historischen Institut der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl Rainer H u d e m a n n . 27 LA SB, Nachlass Johannes H o f f m a n n (HoffJ) 6.
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gen. Bis 1947 konnte sich eine Parteienlandschaft etablieren, die sich als VierParteien-System charakterisieren lässt. Um Aufschluss darüber zu gewinnen, wie sich die Parteipresse in dem geschilderten Spannungsfeld zwischen Restriktion und Demokratisierungsanspruch positionierte, ist es ist zunächst notwendig, die Bedingungen aufzuzeigen, unter denen die parteigebundenen Redaktionen arbeiteten. Sie setzen sich aus externen und internen Faktoren zusammen. Die Parteizeitungen waren abhängig von den Zielsetzungen und Vorgaben der französischen Militärregierung und der saarländischen Regierung sowie von materiellen Rahmenbedingungen. Intern bestand die Gebundenheit der Redakteure an die jeweilige Partei. Hierzu muss die interne Bedeutung bestimmt werden, welche die Parteien ihren jeweiligen Presseorganen beimaßen.
2. Der Neuanfang der saarländischen Parteipresse nach dem Zweiten Weltkrieg unter französischer Militäradministration Im Juli 1945 wurden die amerikanischen Besatzungstruppen in der Saarregion durch französische Truppen abgelöst. Die französische Besatzungsmacht ließ zunächst keine politischen Parteien zu: „Ii s'agissait de reconstituer de toutes pièces la vie politique sarroise."28 Das französische Hochkommissariat beschrieb 1948 diesen politischen Wiederaufbau in mehreren Etappen: In einer ersten Stufe etablierten sich politische Parteien, die im Januar 1946 zugelassen wurden. Die zweite Stufe führte zu den Landtagswahlen am 5. Oktober 1947. In diese Phase fällt auch die Zulassung der Parteiorgane. In einem dritten Schritt erfolgte zunächst die Arbeit des Verfassungsausschusses der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes. Am 8. November 1947 wurde die Verfassung von der Verfassunggebenden Versammlung angenommen. Schließlich bildete Johannes Hoffmann am 21. Dezember 1947 die saarländische Regierung. Damit begann die vierte und letzte Phase, in der das saarländische Parlament gesetzgebende Aufgaben zu erfüllen begann.29 2.1 Der Beginn eines neuen politischen Lebens an der Saar 1945 formierten sich die politischen Bewegungen, die bereits vor 1935 aktiv gewesen waren, neu. Viele Emigranten kehrten aus dem Exil zurück an die Saar, um ihre politische Tätigkeit wieder aufzunehmen. Prinzipiell unterH a u t Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'information, Hg., Trois ans de présence française en Sarre, Paris 1948, S. 5. 2 9 Vgl. ebd., S. 5-9.
28
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schied die französische Militärregierung zunächst drei verschiedene politische Tendenzen: katholisch (darunter wurden die Vertreter des ehemaligen Zentrums gefasst), sozialdemokratisch und kommunistisch. 30 Die Liberalen hatten zunächst Schwierigkeiten, sich in diesem vorgegebenen Spektrum zu konstituieren. Bereits im September 1945 organisierten die drei dominanten Parteirichtungen öffentliche Kundgebungen. Sie forderten eine demokratisch gewählte Regierung, ein Parlament und eine demokratische Organisation der Wirtschaftsverwaltung. 31 N o c h vor einer Rekonstituierung der saarländischen Parteienlandschaft fand sich in Paris bereits am 25. März 1945 eine Gruppe Saar-Emigranten zusammen, die sich unter dem Namen Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France (MRS) 32 zusammen schlossen. Die politische Bewegung war partei- und konfessionsübergreifend. Neben einem wirtschaftlichen Aufschwung versprach die Bewegung durch den Anschluss an Frankreich einen Neuanfang im Zeichen von Demokratie und Humanität. Ihr Anspruch scheiterte allerdings an inneren Differenzen und an der französischen Regierung, die - trotz der in Frankreich verbreiteten Forderung einer Annexion der Saar - eine rein ökonomische und keine politische Vereinigung mit dem Saarland wünschte. 33 1 950 löste sich die Gruppe offiziell auf. 34 Auch in der Parteipresse hatte der MRS seine Rolle - wenngleich sie in ihrer politischen Bedeutung randständiger war, als es in der aufgewühlten Stimmung der Zeit wahrgenommen wurde. Bereits im Juni 1945 produzierte der MRS ein Informationsorgan mit dem Titel „Weg und Ziel", das in deutscher Sprache in Paris herausgegeben wurde. 35 Am 29.Juli 1946 wurde es unter dem Namen „Die Neue Saar" durch den Gouverneur der Saar lizenziert. 36 Die französische Militärregierung führte das Blatt in der Liste der politischen Zeitungen. Im Juni 1946 erschien es wöchentlich mit einer Auflage von bis zu 60000 Exemplaren - eine Zahl, welche den hohen Rückhalt beleuchtet, den eine Anlehnung der Saar an Frankreich zu dieser Zeit in der Öffentlichkeit fand. Mit schwankender Auflagenhöhe hielt das Blatt sich
30
Ebd., S.5. Heinen, Saarjahre, S.63. 32 Zu Beginn der Initiative nannte sich die Vereinigung M o u v e m e n t p o u r la Libération de la Sarre (MLS). Die N a m e n s ä n d e r u n g fand im Februar 1946 statt. Vgl. Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S. 154. 33 Ebd., S.70f. 34 Ebd., S.72f. 35 Vgl. erste Ausgabe des Informationsorgans des M L S „Weg und Ziel", Juni 1945, M A E , E U 1944-1960, Sarre, 66. Als Directeur gérant wird Walter Gebelein angegeben. Die Redaktionsadresse lautete 22, rue d ' A u m a l e , Paris. 36 Die N e u e Saar, 29.7.1946, A O F A A , A C 921/5 31
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unter der Redaktion von Claus Becker bis zur Auflösung des MRS 1950.37 Gelder aus Frankreich halfen kurzfristig, bis die Zeitung 1952 von der französischen Régie des Mines de la Sarre aufgekauft wurde.38 2.2 Die Zulassung von Parteien und Parteizeitungen Militärregierung
durch die
französische
Die Stimmen der sich allmählich formierenden saarländischen Parteien erhielten in der „Neuen Saarbrücker Zeitung" eine Plattform. Jede politische Strömung erhielt jeweils eine Zeitungsspalte zur Eigendarstellung. Unter der Kontrolle eines Commisseur Censeur, dem Repräsentanten der französischen Militärregierung, sollte allerdings jegliche Polemik ausgeschlossen werden.39 Am 13. Dezember 1945 erteilte General Pierre Koenig als französischer Oberkommandierender in Deutschland mit der Ordonnance No. 23 die Erlaubnis zur Gründung von demokratischen und anti-nationalsozialistischen Parteien in der französischen Zone.40 Daraufhin wurden im Januar 1946 die CVP, die Kommunistische Partei, Bezirk Saar-Nahe und die SPS lizenziert. Die Zulassung der Demokratischen Vereinigung des Saarlandes (ab Februar 1947 Demokratische Partei Saar (DPS)) verzögerte sich bis zum 26. Oktober 1946. Ab 1947 etablierte sich ein Vier-Parteien-System, das weitgehend dem westdeutschen entsprach. Es lassen sich aber auch spezifisch saarländische Besonderheiten feststellen. Alle saarländischen Parteien mussten sich im Hinblick auf einen wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich positionieren und sprachen sich, mit Ausnahme der Kommunistischen Partei, zunächst öffentlich dafür aus. Innere Widerstände gegen den rattachement économique gab es allerdings über alle Parteiengrenzen hinweg. In der Christlichen Volkspartei, der führenden Partei des Saarlandes zwischen 1946 und 1955, waren diese am wenigsten spürbar. Die Sozialdemokraten mussten hingegen stärker gegen diese Widerstände ankämpfen. In der nationalliberalen Demokratischen Partei Saar etablierte sich ab 1950 eine ,pro-bundesdeutsche' Führung.41 Rapports des délégués supérieurs, J u i n 1946, A o û t / S e p t e m b r e / O c t o b r e 1946, Septembre 1946, N o v e m b r e / D é c e m b r e 1946, Janvier 1947, A O F A A , A C 6 6 1 / 3 . 3 8 Vgl. Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S. 5 5 0 f . 37
3 9 Henri-Jean Adam (Capitaine), Mission de prospection dans la zone N o r d pour la création de journaux allemands, Généralités, 2 0 . 8 . 1 9 4 5 , A O F A A , A P 138/1. Vgl. hierzu auch die Beiträge von Natalie Pohl in diesem Band.
O r d o n n a n c e N o . 23 du C o m m a n d a n t en C h e f relative à la constitution de partis politiques démocratiques et anti-nazis dans la Z o n e Française d'Occupation, abgedruckt in: Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S. 169.
40
41
F r a n k Dingel, D i e Demokratische Partei Saar, in: Stöss, Parteien-Handbuch, S. 769.
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Wie bereits erwähnt, erhielten die verschiedenen politischen Kräfte in der frühen Nachkriegsphase mit der Saarbrücker Zeitung ein gemeinsames, überparteiliches Presseorgan. Nach der Parteienzulassung nutzten die politisch gebundenen Redakteure allerdings zunehmend die ihnen zugedachten Zeitungsspalten zum Zwecke der Verbreitung ihrer jeweiligen Parteidoktrin. Das von den Franzosen verordnete „Polemikverbot" wurde häufig ignoriert. 42 Alle Parteien forderten alsbald kontinuierlich die Lizenzierung eigener Presseorgane. Die französische Militärregierung reagierte daraufhin recht schnell. Aus einem Bericht vom Februar 1946 geht bereits hervor, dass die Schaffung einer Parteipresse in Betracht gezogen wurde. 43 Am 12.Juni 1946 beschloss das Comité de Direction de la Presse in Baden-Baden schließlich die Lizenzierung von Parteiorganen für die drei bisher zugelassenen Parteien und den MRS. Der Zeitungsvertrieb sollte über Abonnements abgewickelt werden, der Direktverkauf von einzelnen Exemplaren war nicht zulässig. 44 Unter einem „titre provisoire" erschienen die Zeitungen ab 22. Juni 1946.45 Bis zur Landtagswahl im Dezember 1947 unterlagen sie einer Vorzensur, die von einem französischen Presseoffizier innerhalb der Redaktionen durchgeführt wurde. Nach der verspäteten Zulassung der DPS im Herbst 1946 konnte diese wegen der herrschenden Papierknappheit erst im Oktober 1947 mit der Produktion ihrer Parteizeitung „Das Saarland" beginnen. 46 Die drei Zeitungen der zuerst zugelassenen Parteien CVP, SPS und der Kommunistischen Partei Saar (KPS) wurden zunächst in der gleichen Druckerei hergestellt. 47 Nach den Kommunalwahlen am 15. September 1946 wurde die Auflagenzahl der Zeitungen an die Wahlergebnisse der jeweiligen Parteien angepasst. 48 Des Weiteren waren die Parteizeitungen nun nicht mehr allein über Abonnements zu beziehen, sondern konnten frei im Handel erworben werden. Zugleich kam die Direction de l'Information der französischen Militärregierung in Saarbrücken dem Wunsch der Parteien nach und ge-
G o u v e r n e m e n t M i l i t a i r e de la Sarre, R a p p o r t mensuel février 1946, A O F A A , A C 661/3. Ebd. 44 Die Vorschriften f ü r die P a r t e i z e i t u n g e n sind beispielsweise in einem Brief der f r a n z ö s i s c h e n M i l i t ä r r e g i e r u n g des Saargebiets/Abteilung I n f o r m a t i o n an die K o m m u n i s t i s c h e Partei/Basel v o m 18.Juni 1946 enthalten: L A SB, I n f A 85. 4 ' G o u v e r n e m e n t M i l i t a i r e de la Sarre, R a p p o r t mensuel juin 1946, A O F A A , A C 661/3. 4 6 G o u v e r n e m e n t Militaire de la Sarre, I n f o r m a t i o n , R a p p o r t mensuel n o v e m b r e 1946, ebd. 4 7 B e r w a n g e r , M a s s e n k o m m u n i k a t i o n , S. 45-47. 4 8 Vgl. zu den A u f l a g e n z a h l e n den Beitrag v o n Natalie Pohl, D e m o k r a t i s i e r u n g im inneren W i derspruch: F r a n z ö s i s c h e u n d saarländische P r i n t m e d i e n p o l i t i k 1945-1955, in diesem Band. 42
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SAARLÄNDISCHE
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Abb. 1:
nehmigte, ihre Parteiorgane zweimal wöchentlich erscheinen zu lassen. 49 Mit zwei Ausgaben pro Woche entsprach der Erscheinungsmodus der saarländischen Parteizeitungen nun dem der wenigen bereits zugelassenen Parteizeitungen in der westlichen Besatzungszone. Wegen des Papiermangels im Saarland konnte dieser Turnus jedoch erst im Januar 1947 verwirklicht werden. 50 Die Behandlung der Parteizeitungen an der Saar durch die französische Militärregierung zeigt eine Sonderentwicklung, die sich von den anderen Teilen der französischen Besatzungszone unterschied. Die Gründung von Parteizeitungen war in der übrigen französischen Besatzungszone Teil einer Pressereform im Frühjahr 1947, die auch den Ubergang von der Vor- zur Nachzensur verfügte. 51 Im Saarland blieb das Verfahren der Vorzensur bis zur Landtagswahl im Dezember 1947 bestehen.
3. D i e saarländische Parteipresse im teilautonomen Saarstaat Die saarländische Verfassung vom 17. Dezember 1947 schrieb in Artikel 5 Pressefreiheit vor: „Eine Pressezensur ist unstatthaft. Beschränkungen sind
Gouvernement Militaire de la Sarre, Information et propagande, Rapport mensuel août, septembre, o c t o b r e 1946, A O F A A , A C 6 6 1 / 3 ; H a u t Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'Information, Trois ans, S. 30; Schölzel, Pressepolitik, S. 221. 5 0 Gouvernement Militaire de la Sarre, Information, Rapport mensuel novembre 1946, A O F A A , A C 661/3. 49
51
Vgl. Schölzel, Pressepolitik, S. 108; Dussel, Deutsche Tagespresse, S . 2 1 9 .
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nur im Rahmen der Gesetze gestattet." 5 2 Ein saarländisches Pressegesetz wurde aber erst im Juli 1955 verabschiedet. 5 3 Vorerst galt ab März 1948 die „Verordnung betreffend die vorläufige Regelung des Pressewesens" 5 4 . Die hier festgelegten strengen Bestimmungen beinhalteten indirekt das Verfahren der Nachzensur, in dem jede N u m m e r einer periodischen Druckschrift an die Polizeibehörden des Erscheinungsortes und das Informationsamt der Landesregierung abzuliefern war. Es lag dann in der Verantwortung des saarländischen Innenministeriums, die Zeitung oder Zeitschrift bis zu einem Monat zu verbieten, wenn sie die saarländische Regierung oder das französische H o h e Kommissariat in irgendeiner F o r m verächtlich gemacht hatte. Im Parteiprogramm der Regierungspartei C V P heißt es unter Artikel 1 „Christlicher Staat freier Menschen" in Absatz 6: „Auf das öffentliche Wohl hin geordnete Pressefreiheit." 5 5 D e r Politiker und Journalist Johannes Hoffmann sorgte dafür, dass seine Christliche Volkspartei „über optimale Mittel, ihre Anschauungen propagandistisch zu verbreiten" 5 6 , verfügte. Eine wesentliche Plattform bildete das Parteiorgan Saarländische Volkszeitung, welches das Selbstverständnis einer christlichen Presse mit Führungsanspruch vertrat. 5 7 Es ist offensichtlich, dass die CVP, die den Ministerpräsidenten Hoffmann stellte, unmittelbaren Einfluss auf das Informationsamt der Regierung ausübte und die Pressepolitik im Interesse ihrer Partei und damit auch ihrer Parteizeitung lenkte. In diesen Zusammenhang fallen nicht allein Erscheinungsverbote von anderen Parteizeitungen und die Lizenzverweigerung an die Oppositionspresse, sondern auch die Ablehnung von Kreiszeitungen, um die Saarländische Volkszeitung nicht ihrer „publizistischen Stoßkraft" zu berauben. 5 8 Aufgrund des Pariser Saarabkommens vom 23. O k t o b e r 1954 kam es schließlich zu einer Erweiterung der Parteienlandschaft und, damit einhergehend, zur Verbreitung oppositioneller Parteiorgane.
Amtsblatt des Saarlandes, 1 7 . 1 2 . 1 9 4 7 N r . 6 7 , S. 1077-1092, hier S. 1078. Amtsblatt des Saarlandes, 2 3 . 7 . 1 9 5 5 Nr. 87, S. 1034-1036. 5 4 Amtsblatt des Saarlandes, 1 6 . 3 . 1 9 4 8 Nr. 17, S . 2 7 8 f . Vgl. zur rechtlichen Grundlage des Pressewesens und der Zensurpolitik der saarländischen Regierung den Beitrag von Natalie Pohl, D e m o kratisierung im inneren Widerspruch, in diesem Band. 52
53
Programm der Christlichen Volkspartei des Saarlandes, abgedruckt in: Schmidt, Saarpolitik. Bd. 1, S. 574. 55
Frank Dingel, Die Christliche Volkspartei des Saarlandes, in: Stöss, Parteien-Handbuch, S. 7 1 9 765, hier S. 761. 5 7 Vorschläge zu einer besseren journalistischen Gestaltung der „Saarbrücker Volkszeitung", 2 5 . 5 . 1 9 5 4 , PA Hector, C a r t o n 63. 56
58
Exposé zur Frage der Kreiszeitungen, 2 5 . 1 1 . 1 9 4 8 , L A SB, H o f f ] 6.
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3.1 Die Saarländische Volkszeitung: Organ der Christlichen Volkspartei (CVP) „Für Christentum und Demokratie" Die Saarländische Volkszeitung bestand vom 22.Juni 1946 bis zum 31.Juli 1958. Sie gilt als Nachfolgerin der „Saarländischen Landeszeitung", die vor 1935 als Parteiorgan des Zentrums fungierte. Zwischen 1929 und 1934 wurde diese Parteizeitung von Johannes Hoffmann als Chefredakteur geleitet. Dieser trat auch 1946 als Gesellschafter, Lizenzträger und bis 1948 als Chefredakteur der Saarländischen Volkszeitung auf. 59 Er war zugleich der erste Vorsitzende der CVP. Franz Singer, zweiter Vorsitzender der CVP, wurde ebenfalls Gesellschafter und Lizenzträger der Saarländischen Volkszeitung. 60 Die Anteile Hoffmanns und Singers wurden als Treuhandbesitz der Partei behandelt und die Gewinne der Zeitung für die Finanzierung der Partei eingesetzt. 61 Die Auflagenzahlen sind nur ungenau zu ermitteln. Aus den Berichten der französischen Militärregierung geht hervor, dass die Auflage in den Jahren 1946 und 1947 zwischen 90000 und 104000 Exemplaren schwankte. 62 Berwanger spricht für das Jahr 1949 von 85000 Exemplaren. 63 Schmidt nennt für das Jahr 1950 eine Auflagenhöhe von 40000. Anfang 1955 habe es ungefähr 28000 Festabonnements gegeben, bei einer Auflage von 30000 Exemplaren. 64 Die offizielle Gründung der Christlichen Volkspartei fand am 10. Januar 1946 statt. Die Partei setzte sich aus ehemaligen Zentrumsmitgliedern und Vertretern des katholischen Klerus zusammen. Zunächst legte man eine katholische Ausrichtung fest, öffnete sich aber schließlich allen christlichen Kräften. 65 Der erste Vorsitzende Johannes Hoffmann legte bereits im April 1946 gemeinsam mit dem Gesamtvorstand die Position der Partei fest: Um das Saarland vor Demontagen zu schützen, forcierte die CVP eine wirtschaftliche Angliederung an Frankreich. Weiterhin bestand die Idee, das Saarland in die Vereinigten Staaten von Europa zu integrieren. Die CVP er-
59 Aufstellung der Chefredakteure der Saarländischen Volkszeitung, abgedruckt in: Schmidt, Saarpolitik, B d . l , S.538. Zu Hoffmanns journalistischer Tätigkeit in den 1930er Jahren und seiner „Neuen Saar-Post" siehe den Beitrag von Andreas Merl in diesem Band. 6 0 Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S.53f. 61 Berwanger, Massenkommunikation, S . 4 5 f . 62 Rapports des délégués supérieurs, Gouvernement Militaire de la Sarre, Rapport détaillé, juin 1946-janvier 1947, A O F A A , A C 661/3. 63 Berwanger, Massenkommunikation, S. 84. 64 Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S. 537. 6 5 Heinen, Saarjahre, S. 63. Allgemein zu C V P und CDU-Saar: Markus Gestier, Die christlichen Parteien an der Saar und ihr Verhältnis zum deutschen Nationalstaat in den Abstimmungskämpfen 1935 und 1955, St. Ingbert 1991; ders., Hg., Auf dem (Rück-)Weg nach Deutschland. Beiträge zu Wurzeln und Wegmarken christlicher Politik im Saarland, Blieskastel 2006.
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hoffte sich im Gegenzug demokratische Partizipation sowie die Beibehaltung konfessioneller Schulen und der deutschen Sprache. 66 Als Ziel des Parteiorgans mit dem vollen Titel „Saarländische Volkszeitung. Organ der Christlichen Volkspartei des Saargebiets" galt es, den „allgemeinen staatspolitischen Notwendigkeiten einer ausreichenden politischen Orientierung ... im Sinne der christlichen Demokratie Rechnung zu tragen." Außerdem sollten die lokalen Interessen der Leser in Lokaleinlagen zur Sprache kommen. Die Saarländische Volkszeitung wurde in die Pflicht genommen, auch in ihrem Erscheinungsbild eine hochwertige Zeitung im Hinblick auf die bestehende Konkurrenz der Saarbrücker Zeitung zu sein. 67 Hoffmann betonte die christliche Ausrichtung der Zeitung im Leitartikel „Neues Beginnen!" der ersten Ausgabe am 22.Juni: Die neue Zeitung sollte einen Beitrag zum Wiederaufbau des Saarlandes „von unserem christlichen Ideengut her" 68 leisten. Gleichzeitig kommentierte er die bescheidene Aufmachung des Blatts, das zunächst im Umfang von vier bedruckten Seiten einmal wöchentlich erschien. Die Rubriken bestanden aus Allgemeinen Nachrichten und Kurzmeldungen, einer Weltpolitischen Rundschau, Saarbrücker Stadtnachrichten, Kirche und Welt, Wiederaufbau, Handel und Wirtschaft sowie amtlichen Mitteilungen und Anzeigen. Der Charakter einer Parteizeitung wurde durch einen Versammlungskalender der CVP unterstrichen. Erst ab Dezember 1948 erschien das Parteiorgan sechsmal in der Woche. Die Saarländische Volkszeitung erhielt ein festes Schema in der Sparteneinteilung. Man ging von einer vierseitigen .Grundzeitung' aus, bestehend aus zwei Seiten Politik sowie einer Seite mit Informationen aus Wirtschaft, Handel und Sozialem, die vierte Seite war für Anzeigen reserviert. Dazu kamen Lokalseiten für die Kreise Saarbrücken Land West, Merzig-Wadern, Saarbrücken Stadt, St. Wendel, Neunkirchen, Ottweiler, Homburg, St. Ingbert, Saarbrücken Land Ost, die sich aus einer Seite mit Lokalnachrichten und dem Fortsetzungsroman und einer zweiten Seite mit einer Umschau aus dem Saarland sowie Anzeigen des Kreises zusammensetzte. Außerdem gab es nun auch die Möglichkeit für Sportberichterstattung und Feuilleton. Die Lokal-Beilagen sollten die Lücke schließen, die durch die Nichtzulassung von Kreiszeitungen entstanden war. 69 Ein nun farbig gestaltetes grünes Logo der Saarländischen Volkszeitung betonte den Wandel der Zeitung, zu dem auch eine Änderung des Titels gehörte: „Saarländische Volkszeitung - SVZ 66
Becker, Entwicklung der politischen Parteien, S. 258 f. Exposé z u r Frage der Kreiszeitungen, 25.11.1948, L A SB, H o f f J 6. 68 Johannes H o f f m a n n , N e u e s Beginnen!, in: Saarländische Volkszeitung, 22.6.1946 N r . 1, Titelseite (s. Abb. 1). 69 Exposé zur Frage der Kreiszeitungen, 25.11.1948, LA SB, H o f f J 6. 67
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- Für Christentum und Demokratie. Organ der C V P " . Ab 11. Dezember 1948 entfiel die Untertitelung mit „Organ der C V P " vollständig. 1955 wurde der Kopf der Zeitung erneut verändert. Vom modernen grünen Logo ging man wieder zu einer konservativ wirkenden schwarzen Frakturschrift über. Ende 1953 zeichnete sich Unzufriedenheit mit der Gestaltung der Zeitung ab. Im November 1953 verfasste der damalige Chefredakteur Albert Dorscheid Vorschläge, um das Blatt weiter auszubauen. Dabei betonte er den grundlegenden Charakter der Zeitung als Parteiorgan der CVP, das christlich und an beiden Konfessionen orientiert sei. 70 Zu dieser Zeit erschien die Saarländische Volkszeitung montags bis donnerstags mit je acht Seiten, freitags mit zehn Seiten und samstags mit zwölf Seiten. Dorscheid schlug vor, die Seitenanzahl der Wochentage anzuheben. Eine Erhöhung der Seitenzahlen konnte erreicht werden. 1954 wurden außerdem weitere Rubriken in wechselndem Turnus eingeführt. Es gab nun spezielle Seiten zum Thema Frauenleben, Gesundheit, Stimmen der Heimat und Landwirtschaft/Gartenbau. Außerdem brachte eine Spalte „Bilder vom Tage", eine andere „Aktuelle Filmnotizen". Diese Erweiterungen sind wohl auch auf eine Redaktionskonferenz zurückzuführen, die am 8. Januar 1954 stattfand und sich ebenfalls mit dem Ausbau der Saarländischen Volkszeitung befasste. Hier wurde auch die Einsetzung einer Vertretung in Bonn diskutiert, da die Saarbrücker Zeitung bereits über eine solche verfüge. Chefredakteur Dorscheid meinte allerdings, dies sei eine „delikate politische und personelle Frage", die nur schwer gelöst werden könne. 71 Durch die Erweiterung der Zeitung stieg ihre Attraktivität. Sie glich nun eher einer Tageszeitung als einem Parteiorgan. Im Mai 1954 erhielt die Saarländische Volkszeitung ein Gutachten, das J o hannes Hoffmann in Auftrag gegeben hatte. Es verglich sie mit den anderen Zeitungen des Saarlandes, insbesondere aber der Saarbrücker Zeitung, und sollte der Redaktion Vorschläge zur Verbesserung des Parteiorgans vermitteln. 72 Der Gutachter gab ein ernüchterndes Urteil ab: Gegenüber dem äußeren Bild der Saarbrücker Zeitung wirke die Aufmachung der Saarländischen Volkszeitung langweilig und provinziell. Sie erscheine beliebig und weise keine klare Linie auf. Auch in der Beurteilung der Sparten durch den Gutachter kommt die Saarländische Volkszeitung „geradezu miserabel weg". In sämtlichen Sparten sei sie der Saarbrücker Zeitung unterlegen: Der poliAlbert Dorscheid, Abschrift Vorschläge für die Redaktion der Saarländischen Volkszeitung und für einen weiteren Ausbau des Blattes, 6 . 1 1 . 1 9 5 3 , P A Hector, Carton 63. 7 1 Umgestaltung der Saarländischen Volkszeitung, Redaktionskonferenz v o m 8 . 1 . 1 9 5 4 über den Ausbau der Saarländischen Volkszeitung, 1 4 . 1 . 1 9 5 4 , ebd. 70
7 2 Vorschläge zu einer besseren journalistischen Gestaltung der Saarländischen Volkszeitung, 2 5 . 5 . 1 9 5 4 , ebd.
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tische Teil zeige zu wenig das eigene Gesicht, eine Lokalspitze und eine Auseinandersetzung mit der Kommunalpolitik fehlten, der Wirtschaftsteil sei zu abstrakt gehalten. Außerdem brauche die Saarländische Volkszeitung als „Familienzeitung" ein stärkeres und ansprechender gestaltetes Feuilleton. 73 Mehrere Redakteure der Saarländischen Volkszeitung waren umstritten. Der Redakteur Adolf Franke, der mit der täglichen Bearbeitung des politischen Ressorts und der Organisation der politischen Berichterstattung im Saarland betraut war, hatte als NSDAP-Funktionär bereits journalistisch gearbeitet. In einem Bericht der Politischen Polizei heißt es: „Man versteht die loyale Haltung des Herrn Staatssekretärs [Hector, Anm. d. Verf.] nicht, insbesondere, da befürchtet wird, dass F R A N K E einen Auftrag von deutscher Seite hat, im geeigneten Moment seine Veröffentlichungen in der Presse von 1922-28 fortzusetzen." 7 4 Diese Befürchtungen hatten allerdings keine Folgen und erwiesen sich als unbegründet. Franke unterstützte aktiv die Politik Hoffmanns 7 5 und verblieb als einflussreicher Mitarbeiter in der Saarländischen Volkszeitung. Auch Albert Dorscheid, der zwischen 1950 und 1954 die Funktion des Chefredakteurs innehatte, und Eugen Becker 76 , wirtschaftspolitischer Redakteur der Saarländischen Volkszeitung, blieben trotz ihrer belasteten nationalsozialistischen Vergangenheit in die CVP und ihr Parteiorgan eingebunden. Gegen Peter Pfeiffer, 1954 bis 1955 Chefredakteur der Saarländischen Volkszeitung, führte die C D U in Trier 1955 eine Kampagne. Ihm wurde die Mitarbeit im Gleichschaltungsverlag Phönix-Gruppe vorgeworfen. Diese Vorwürfe hatten zwar für Pfeiffer keine Konsequenzen im Hinblick auf seine Position. Allerdings wurde er innerhalb der Redaktion der Saarländischen Volkszeitung zunehmend isoliert. Sein stärkster Gegner innerhalb der Redaktion soll Hubert Gänsen, der Chef vom Dienst, gewesen sein. 77 1956 löste dieser Pfeiffer als Chefredakteur ab. Die Redakteure waren fest an die Partei gebunden. Selbstständige Auseinandersetzungen mit der Politik der CVP, die nicht mit der Parteilinie konform gingen, waren nicht erwünscht. Eduard Schäfer, 1949 bis 1950 Chefredakteur der Saarländischen Volkszeitung, äußerte beispielsweise 1950 in einem Artikel der Saarländischen Volkszeitung Kritik an der französischen 73
Ebd. Bericht der Politischen Polizei über Adolf Franke, 10.10.1949, PA Hector, P6, C a r t o n 2. 75 Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S.537. 76 Eugen Becker w a r Mitarbeiter des N S D A P - G a u l e i t e r s Josef Biirckel in N e u s t a d t / P f a l z gewesen. Vgl. Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S. 538. 77 Berichte der Politischen Polizei über Peter Pfeiffer, 13.1.1955, PA Hector, P6, C a n o n 9. Pfeiffer war Verlagsleiter der 1940 auf Hitlers u n d Bürckels A n o r d n u n g aus fünf Zeitungen z u s a m m e n geschlossenen nationalsozialistischen „Saarländischen Tageszeitung" gewesen. Vgl. Dieter Muskalla, NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel. Gleichschaltung - N e u o r d n u n g - Verwaltung, Saarbrücken 1995, S.570f. 74
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Saarpolitik und musste daraufhin aufgrund der Intervention des französischen Außenministeriums, der SPS und des Innenministers Edgar Hector (CVP) als Chefredakteur zurücktreten. 7 8 Von einer Bevorteilung der Saarländischen Volkszeitung durch die Regierungsbehörden ist auszugehen. Im Dezemberl948 beschwerte sich beispielsweise die Redaktion der sozialdemokratischen Volksstimme bei Oberregierungsrat Albert Dorscheid darüber, dass die vom Informationsamt an die Presse geleiteten Mitteilungen bei der Volksstimme in fast allen Fällen einen Tag später einträfen als bei der Saarländischen Volkszeitung: „Wir kommen durch das verspätete Eintreffen der Meldungen immer in die unangenehme Situation, unsere Leser erst drei Tage später unterrichten zu können, als die anderen Zeitungen." 79 Eine ähnliche Beschwerde gab es auch seitens der Redaktion von Das Saarland. 80 Bis 1952 hatte die CVP eine annähernd unangefochtene Position inne. N o c h bei der Landtagswahl im November 1952 erhielt sie 54,7 Prozent der Stimmen. 81 Als „Massenlegitimationspartei" 82 des Saarlands sprach sie Menschen aller Gruppen an. Doch trotz der Zielsetzung, sowohl katholische als auch protestantische Bürger anzusprechen, fand die C V P ihre stärkste Anhängerschaft in den katholischen und ländlichen Kreisen. Dieser Klientel versuchte man im Parteiorgan unter anderem durch eine eigene Landwirtschafts- und Gartenbauseite, der Rubrik „Stimmen der Heimat" und religiös-kirchliche Themen gerecht zu werden. Die Stärke der Partei beruhte zunächst auf ihrer klaren Entscheidung für die saarländische Autonomie, welche günstigere wirtschaftliche Aussichten zu bieten schien als die Bundesrepublik. Hinzu kam die Hinwendung zu einer christlichen Soziallehre, der integrierende Funktion zukam. Das Scheitern ihrer Politik beruhte auf mehreren Faktoren. Wesentlich wirkte sich die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland aus. Ihr zunehmender Wohlstand ließ die Attraktivität einer saarländisch-französischen Wirtschaftsunion verblassen. Hinzu kamen vielerlei Widersprüchlichkeiten, in die sich die CVP nicht nur im Hinblick auf die Christdemokraten der Bundesrepublik und ab 1952 auf die ChristlichDemokratische Union Saar (CDU-Saar) verstrickte. Schwerwiegend wirkte sich auch die einleitend erläuterte autoritäre Regierungspraxis der CVP aus. Die Ausschaltung bzw. Nicht-Zulassung oppositioneller Parteien - die De78
Kraus, Saarfrage, S. 20. Brief der Redaktion Volksstimme an Oberregierungsrat Dorscheid, 23.12.1948, LA SB, InfA 89. 80 Brief der Redaktion der Zeitung Das Saarland an das Informationsamt/Dorscheid, 29.12.1948, LA SB, InfA 72. 81 Vgl. zu den Wahlergebnissen: Dingel, Christliche Volkspartei des Saarlandes, S. 751 f. 82 Ebd. 79
Parteipresse u n d P r e s s e l a n d s c h a f t in der A u t o n o m i e z e i t 1945-1955
Abb. 2:
Schaufenster
der Saarländischen
Volkszeitung
in Quierschied
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1955
mokratische Partei Saar w u r d e 1951 verboten, die 1952 gegründeten Parteien C D U - S a a r und Deutsche Sozialdemokratische Partei-Saar wurden nicht zugelassen 83 - fügten der Regierungspartei letztendlich mehr Schaden zu, als sie ihr Vorteile brachten. Die A b s t i m m u n g über das Saarstatut am 23. O k t o ber 1955 und die Landtagswahlen am 18. D e z e m b e r 1955 brachten der C V P eine deutliche Niederlage, f ü h r t e n aber nicht direkt zu ihrer Auflösung. Es folgte ein langwieriger Fusionierungsprozess mit der C D U , der erst 1959 z u m Abschluss kam. 8 4 In der Phase des Abstimmungskampfes im Jahr 1955 sank die Auflagenhöhe der Saarländischen Volkszeitung um mehr als die Hälfte. 8 5 Dies hing auch mit dem pro-bundesdeutschen Parteiorgan „Neueste Nachrichten" der C D U - S a a r zusammen, welches, analog zur Parteikonkurrenz, ab 26. Juli 1955 viele Leser bzw. Wähler f ü r sich gewinnen konnte. Beide Parteiorgane schlossen sich im August 1958 in der „Saarbrücker Landeszeitung" zusammen. 8 6
"
Ebd., S. 738. E b d . , 764f. ^ Kraus, Saarfrage, S. 20. 8,1 S c h m i d t , Saarpolitik, Bd. 1, S.560.
84
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3.2 Die Volksstimme: Organ der Sozialdemokratischen des Saarlandes (SPS)
Partei
„Unsere Zeitung ist unser Gesicht, mit dem wir die Bevölkerung ansehen."87 Die Bedeutung der parteigebundenen Presse ist mit der Tradition der deutschen Sozialdemokratie seit dem 19. Jahrhundert verbunden. Die SPD baute schon früh einen funktionierenden Apparat auf, aus dem ein größeres Pressewesen hervorging, das als Agitations- und Kampfmittel der Verbreitung sozialistischer Ideale diente. Sie sollte die räumliche und geistige Trennung des Arbeiters von seinen „Klassengenossen" überbrücken, das Proletariat politisch organisieren und sein „Klassenbewußtsein" stärken, den Kampf mit dem politischen Gegner führen, die öffentliche Meinung durch die Erörterung von Tagesfragen beeinflussen und die Orientierung der eigenen Parteimitglieder gewährleisten.88 Insgesamt galt als Richtschnur der parteigebundenen Presse die „strikte Einhaltung der Parteiprogrammatik". 89 Diese Auffassung wandelte sich, so Kurt Koszyk, um 1949. Die sozialdemokratische Presse musste zu diesem Zeitpunkt vermehrt um Leser werben und sah sich daher gezwungen, „Formen der bürgerlichen Presse" zu übernehmen. 90 An der Saar hatte die sozialdemokratische Presse eine alte Tradition, wenngleich mit schwierigen Anfängen. Versuche des Sozialdemokraten Harry Kaulitz, 1877 in St. Johann das sozialdemokratische Wochenblatt „Freie Volksstimme" herauszugeben, wurden durch das von Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg organisierte Komitee der Arbeitergeber zur Bekämpfung der Sozialdemokratie bald unterbunden. 91 Auch die „Saarwacht", 1905 von den saarländischen Sozialdemokraten herausgegeben, scheiterte unter diesen Bedingungen. Erst mit der Volksstimme gelang es, ein dauerhaftes sozialdemokratisches Parteiorgan an der Saar zu schaffen.92 Von 1908 bis 1918 erhielt das Saarland eine Ausgabe der Volksstimme aus Frankfurt am Main mit einer Lokalseite aus dem Saarrevier, ab Januar 1919 wurde eine eigenständige Ausgabe in Saarbrücken gedruckt. Im Juni 1920 wurde der Ver-
87
Dr. Hans-Peter Will, Vorsitzender der Pressekommission der SPS, in einer Rede auf der erweiterten Landesvorstandssitzung der SPS, 13.6.1949, PA Hector, P6, Carton 1. 88 Ludwig Kantorowicz, Die sozialdemokratische Presse Deutschlands. Eine soziologische Untersuchung, Tübingen 1922, S. 11. 89 Hoyer, Innerparteiliche Demokratie, S. 142. 90 Vgl. Kurt Koszyk, Grundzüge einer Geschichte der sozialdemokratischen Presse, in: Kurt Koszyk/Gerhard Eisfeld, Hg., Die Presse der deutschen Sozialdemokratie. Eine Bibliographie, Hannover 1966, S. 51. 91 Rudi Strumm, Hg., Daten und Fakten zur Geschichte sozialdemokratischer und sozialistischer Zeitungen im Saarland von 1877 bis 1967, Teil 1: Die Zeit von 1977 bis 1935, Saarbrücken 1997, S. 13. 92 Hans Bünte, Saarbrücker Zeitung. Begleiter der saarländischen Geschichte 1761-1986, Saarbrücken 1987, S. 14.
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Parteipresse und Presselandschaft in der A u t o n o m i e z e i t 1 9 4 5 - 1 9 5 5
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1946 Nr. 1)
lag Volksstimme G m b H Saarbrücken gegründet, die Volksstimme erschien nun unter der C h e f r e d a k t i o n von M a x Braun. W i e die k o m m u n i s t i s c h e „Arbeiter-Zeitung" und die „ N e u e Saar-Post" von Johannes H o f f m a n n , trat sie in den 1930er J a h r e n für die Beibehaltung des bisherigen Status des Saargebiets und gegen eine R ü c k g l i e d e r u n g an das Deutsche Reich ein. 93 Seit 1934 erschien sie unter d e m N a m e n „Saar-Volksstimme" mit der Beilage „ O . J a nuar - Bleib deutsch - Werde frei - N i e zu Hitler". Zusätzlich ließ der Verlag ab J u n i 1933 die Zeitung „Deutsche Freiheit. Einzige u n a b h ä n g i g e Zeitung Deutschlands" mit einer A u f l a g e n h ö h e von zunächst 3 0 0 0 0 Exemplaren drucken. Sie sollte das neue revolutionäre Verständnis der saarländischen Partei
R a l p h S c h o c k , „Schlagt H i t l e r an d e r S a a r ! " . F o r m e n k u l t u r e l l e r G e g e n ö f f e n t l i c h k e i t im A b s t i m m u n g s k a m p f , in: G e r h a r d A m e s , H g . , Z e h n statt t a u s e n d J a h r e . D i e Zeit des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s an der Saar ( 1 9 3 5 - 1 9 4 5 ) . K a t a l o g z u r A u s s t e l l u n g des R c g i o n a l g e s c h i c h t l i c h e n M u s e u m s im S a a r b r ü c k c r Schloss, M e r z i g 1988, S. 2 7 - 3 4 , hier S . 3 2 . V g l . z u r P r e s s c e n t w i c k l u n g 1 9 1 9 - 1 9 4 5 den B e i t r a g v o n A n d r e a s M e r l in d i e s e m B a n d .
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zum Ausdruck bringen. 94 Außerdem wurde die Status-quo-Bewegung journalistisch von qualitativ bedeutenden Emigranten-Zeitungen unterstützt. 95 Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte die SPD direkt an ihre Vorkriegstradition anzuknüpfen. Dies galt auch für den Bereich ihrer Parteipresse. An der Saar zeigten sich diese Bestrebungen unter anderem an der Übernahme des Titels Volksstimme. Die neue Parteizeitung mit dem Untertitel „Organ der sozialdemokratischen Partei für das Saargebiet" erschien wie die Saarländische Volkszeitung am 22. Juni 1946 zum ersten Mal und bestand bis zum 28. April 1956. Als Lizenzträger traten neben dem SPS-Vorsitzenden Richard Kirn, Johann Pitz und Georg Schulte an. Chefredakteur wurde zunächst Johann Pitz, der auch schon zwischen April 1923 und Januar 1935 als Redakteur der Volksstimme in Saarbrücken tätig gewesen war. 96 Im November 1946 wurde er von Ernst Roth, dem Generalsekretär der Partei, abgelöst. Roth hatte bereits zwischen 1924 und 1933 für die „Volksstimme Mannheim" gearbeitet. 97 Nach der Emigration Roths aus dem Saargebiet im September 1948 übernahm Pitz erneut die Position des Chefredakteurs bis zur Auflösung der Volksstimme. Obwohl die Volksstimme juristisch als G m b H bestand, war sie eindeutig das Organ der SPS. Die Gesellschafter waren Treuhänder der Partei und wurden von ihr bestimmt. 98 In der Redaktion arbeitete auch der spätere Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Alwin Brück mit, 1949-1951 als Volontär und sodann als Redakteur; 1953 wurde er vor die Alternative gestellt, sich offen für die autonomistische Linie der SPS zu erklären oder auszuscheiden, und er gab seine Stelle auf. Laut Dingel kannte keine Partei an der Saar zwischen 1945 und 1955 so lange und erbitterte innerparteiliche Konflikte wie die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes. 99 Der gewählte Parteivorstand setzte sich aus Richard Kirn 1 0 0 (Erster Vorsitzender), Georg Schulte (Zweiter Vorsitzender), Heinrich Wacker, Richard Rauch und Heinz Braun (Beisitzer) zusammen. Bereits im April hatte man sich auf die Parteilinie geeinigt, die ebenfalls einen fran-
Strumm, Daten, Teil 1, S. 18. Dieter Marc Schneider, Saarpolitik und Exil, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ) 25, 1977, S. 4 6 7 - 5 4 5 , hier S . 4 7 6 .
94
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Strumm, Daten, Teil 1, S. 13. H u d e m a n n / H e i n e n , Das Saarland, S. 642. 9 8 Eine Auflistung der Gesellschafter der Volksstimme findet sich in: Strumm, Daten, Teil 2: D i e Volksstimme von 1946 bis 1956, S . 4 , 6. 96 97
Dingel, D i e Sozialdemokratische Partei des Saarlandes, in: Stöss, Parteien-Handbuch, S. 2 2 1 6 2240, hier S . 2 2 2 6 . 99
1 0 0 Richard Kirn ( 1 9 0 2 - 1 9 8 8 ) ; seit 1919 SPD-Mitglied, Vertreter der Status-quo-Bewegung, 1935 Emigration nach Südfrankreich. 1941 wurde er an die deutschen Behörden ausgeliefert, bis 1945 inhaftiert, 1 9 4 6 - 1 9 5 5 Vorsitzender der SPS. Vgl. H u d e m a n n / H e i n e n , D a s Saarland, S. 629.
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zösisch-saarländischen Wirtschaftsverbund als Auftakt zur Bildung der Vereinigten Staaten von Europa und eine damit verbundene politische Autonomie des Saarlandes vorsah. 1 0 1 Diese Linie traf allerdings auf innerparteilichen Widerstand. Ein Teil der SPS-Politiker w a r zugleich im M R S organisiert und forderte eine politische Integration des Saarlandes in die französische Republik. Eine andere Gruppe kritisierte die separatistischen Ambitionen. W ä h rend das MRS-Engagement an der französischen Realität scheiterte, blieb der Konflikt zwischen den Autonomisten und den für eine Eingliederung in die Bundesrepublik eintretenden Sozialdemokraten bestehen. Sie führte 1952 zu einer Spaltung der Partei, aus der die Deutsche Sozialdemokratische Partei (DSP) unter der Führung von Kurt Conrad hervorging; sie wurde von der saarländischen Regierung nicht zugelassen. 1 0 2 Die innerparteilichen Spannungen wirkten sich auch auf das Parteiblatt aus, etwa im Fall von Ernst Roth, der im November 1948 aufgrund seiner oppositionellen Haltung zur Parteilinie neben seinem Posten als SPS-Generalsekretär auch seine Stelle als Chefredakteur der Volksstimme verlor und ausgewiesen wurde. 1 0 3 Zunächst befand sich die Redaktion der Volksstimme in der Brauerstraße. Ihren ursprünglichen Sitz in der Schützenstraße hatte sie am 17. Januar 1935 verlassen müssen. Da das Gebäude schwere Bombenschäden aufwies, bezogen Geschäftsführung, Redaktion und Expedition der Volksstimme das Anwesen in der Schützenstraße erst wieder im April 1947. Das Blatt erschien anfangs im Selbstverlag einmal wöchentlich mit je vier bedruckten Seiten. Im Vergleich zur Saarländischen Volkszeitung fiel die Auflagenhöhe der Volksstimme niedrig aus. Man begann mit einer Auflage von 52000 bis 60000 Exemplaren. 1 0 4 Durchschnittlich wurde schließlich eine Auflagenhöhe von 20000 Stück erreicht. 105 Zu Beginn des Jahres 1955 soll sie kaum höher als 7500 Exemplare gelegen haben. 1 0 6 Ab Februar 1948 konnte der Erscheinungsmodus auf drei Ausgaben in der Woche erhöht werden, und im M ä r z erhielt die Samstagszeitung z w i schen sechs und acht Seiten. Zum eigenen Profil der Zeitung gehörte die
Becker, E n t w i c k l u n g der politischen Parteien, S. 278. Ebd., S . 2 8 6 f . 103 Kraus, Saarfrage, S.22. Beschwerdebrief H o f f m a n n s , 5 . 2 . 1 9 4 8 , L A SB, I n f A 89: J o h a n n e s H o f f m a n n schrieb erstmals am 5 . 2 . 1 9 4 8 einen Beschwerdebrief ü b e r Ernst R o t h s Berichterstattung in der V o l k s s t i m m e an M i n i s t e r Kirn: „Sie w e r d e n verstehen, d a ß ich nach diesem Verhalten der R e d a k t i o n der V o l k s s t i m m e es ablehnen m u ß , die V o l k s s t i m m e zu weiteren B e s p r e c h u n g e n der Koalitionspresse - und Presseempfängen ü b e r h a u p t - noch h i n z u z u z i e h e n , solange die R e d a k tion der V o l k s s t i m m e nicht eine b e f r i e d i g e n d e E r k l ä r u n g öffentlich abgegeben hat." 101
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104 G o u v e r n e m e n t Militaire de la Sarre, R a p p o r t mensuel juin 1946, I n f o r m a t i o n et p r o p a g a n d e , A O F A A , A C 661/3. 105 Dingel, S o z i a l d e m o k r a t i s c h e Partei des Saarlandes, S.22. 106 S t r u m m , Daten, Teil 2, S . 4 .
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Rubrik „Berichte aus dem Landtag", die samstags erschien. Am 27. November 1948 konnte die Volksstimme schließlich wieder einen technischen Betrieb mit eigener Druckerei aufnehmen. 107 Ab November 1948 fiel der Untertitel „Organ der sozialdemokratischen Partei" weg. Analog zur Saarländischen Volkszeitung, die sich mit dem Untertitel „Für Christentum und Demokratie" profilierte, wurde der Untertitel „Für Sozialismus und Demokratie" eingeführt und bis zur Einstellung der Zeitung beibehalten. Diese Änderung sollte der Redaktion mehr Freiraum geben. 108 Ab Februar 1949 publizierte die SPS zusätzlich das Mitteilungsblatt „Unsere Welt", das der innerparteilichen Kommunikation diente und bis August 1954 bestand. 109 Ein Bericht der politischen Polizei gibt den Verlauf einer Landesvorstandssitzung der SPS vom 13.Juni 1949 wieder. 110 Das Protkoll schildert exemplarisch die teilweise konfliktreiche Beziehung zwischen Parteiführung und Parteiorgan. Außerdem dokumentiert er die schwierige Lage der Volksstimme, die von der Parteiführung sehr ernst genommen wurde. Der SPSVorsitzende Richard Kirn sprach auf dieser Sitzung von einer Beschwerdewelle, bei der sich Leser und Parteimitglieder über die mangelhafte äußere Aufmachung der Zeitung äußerten und diese vermehrt abbestellten. Außerdem konstatierte er Defizite der inhaltlichen Gestaltung. Die Zeitung sei ein besseres Lokalblatt, das nicht in der Lage sei, Mitglieder zu werben. Kirn stellte die zentrale Bedeutung der Zeitung für den Erfolg der Partei heraus: „Wenn wir bei den kommenden Wahlen ein gutes Resultat erzielen wollen, müssen wir die .Volksstimme' zu einer Tageszeitung machen." 1 1 1 Die Parteileitung hatte eine Pressekommission für die Qualitätssicherung der Volksstimme eingerichtet. Ihr Vorsitzender Hans-Peter Will betonte insbesondere die technischen, finanziellen und personellen Probleme der Zeitung. Chefredakteur Pitz sei überlastet, seine Mitarbeiter seien zu jung und unselbstständig. 112 Pitz selbst wies dies zurück. In seinem Redebeitrag konzentrierte er sich auf die technischen Probleme und erläuterte exemplarisch den Zwiespalt, in dem sich Redakteure von parteigebundenen Zeitungen allgemein befänden: Wie könne er schreiben, dass aller Besitz an die Saarbevölkerung zurückzugeben sei, wenn die Partei dies eigentlich nach außen gar nicht vertrete. Hierin kommt gleichzeitig die schwierige Situation der SPS zum Aus1 0 7 Ministerpräsident H o f f m a n n , Brief an Verlag und Redaktion der Volksstimme, 2 4 . 1 1 . 1 9 4 8 , L A SB, InfA 89. 1 0 8 Bericht der Politischen Polizei über die Landesvorstandssitzung der SPS am 1 0 . 6 . 1 9 4 9 , 1 3 . 6 . 1 9 4 9 , PA Hector, P6, C a r t o n 1. 1 0 9 Bericht der Politischen Polizei über eine KPS-Sitzung, 1 9 . 4 . 1 9 4 9 , ebd. 1 1 0 Bericht der Politischen Polizei über die Landesvorstandssitzung der SPS am 1 0 . 6 . 1 9 4 9 , 1 3 . 6 . 1 9 4 9 , ebd. 1 1 1 Richard Kirn auf der Landesvorstandssitzung der SPS am 1 0 . 6 . 1 9 4 9 , ebd. 1 1 2 Dr. H a n s - P e t e r Will auf der Landesvorstandssitzung der SPS am 1 0 . 6 . 1 9 4 9 , ebd.
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druck, die sich als Koalitionspartner der C V P kompromissbereit zeigen musste. 1 1 3 Dieses Dilemma wurde von einem Großteil der Redner thematisiert: „Sind wir überhaupt in der Lage, die Wahrheit zu schreiben oder nehmen w i r nicht all zu viele [sie!] Rücksicht?" 1 1 4 Es fiel gar der Kommentar, dass der Inhalt der Volksstimme weit in die C V P hinein Zustimmung erhalte. Die Genossen würden sich zwar mit den technischen Mängeln abfinden, forderten aber eine sozialistische Berichterstattung. 1 1 5 Landessekretär Peter Schattner fasste den Grundtenor vieler Redebeiträge zusammen: „Es wird höchste Zeit, dass auch wir hier machen können was w i r wollen und frei sprechen und schreiben können." Offensichtlich verbesserte sich die Volksstimme nach 1949 stetig. Im A u gust 1951 konnte eine Steigerung des Einzelverkaufs um 30 Prozent erzielt werden. In fast sämtlichen Dienststellen und hauptsächlich bei den höheren Beamten im Wirtschafts-, Finanz- und Justizministerium war die Volksstimme vorzufinden. 1 1 6 Seit November 1952 erschien sie täglich. Dadurch konnte sie mehr Abonnenten gewinnen. 1 1 7 Als der Volksstimme im Verlauf des Jahres 1953 vermehrt eine aktuelle Bebilderung gelang, sah sich der Chefredakteur der Saarländischen Volkszeitung Albert Dorscheid gezwungen, einen eigenen Redaktionsfotografen einzustellen. Die Volksstimme hatte den Klischeur der Saarländischen Volkszeitung abwerben können, der wegen seiner Doppelqualifikation als Druckvorlagenhersteller und Fotograf besonders wertvoll für die Produktion der Saarländischen Volkszeitung gewesen war. 1 1 8 Die Seitenzahlen erhöhten sich, bis man im Jahr 1954 wochentags jeweils acht Seiten und in der Samstagsausgabe teilweise zwölf Seiten liefern konnte. Der Inhalt wurde durch Unterhaltungsrubriken wie „Filmschau" und „Unterhaltung und Wissenschaft" angereichert. Außerdem konnten die grafische Gestaltung und das Druckbild verbessert werden. Im bereits zitierten Gutachten, das 1954 für die Saarländische Volkszeitung erstellt wurde, werden die anschaulichen und lebendigen Berichte der Volksstimme als beispielhaft hervor gehoben. 1 1 9 113 D e r S P S - L a n d e s v o r s t a n d hatte die R e d a k t e u r e Pitz ( V o l k s s t i m m e ) u n d Schattner ( U n s e r e W e l t ) a n g e w i e s e n , jegliche P o l e m i k gegen die Koalition zu unterlassen, u m die Koalition nicht zu gefährden. Vgl. Bericht der Politischen Polizei, 3 1 . 3 . 1 9 4 9 , P A Hector, P6, C a r t o n 1. 114 O b e r b a u r a t A r e n d t auf der L a n d e s v o r s t a n d s s i t z u n g der SPS a m 1 0 . 6 . 1 9 4 9 , ebd. 115 R e g i e r u n g s r a t L u d w i g Geibig auf der L a n d e s v o r s t a n d s s i t z u n g der SPS am 1 0 . 6 . 1 9 4 9 , ebd. 116 Bericht der Politischen Polizei, S a a r b r ü c k e n , 2 0 . 8 . 1 9 5 1 , P A Hector, P6, C a r t o n 4. 117 R i c h a r d Kirn in e i n e m R u n d s c h r e i b e n an die V o l k s s t i m m e , 17.1.1953, a b g e d r u c k t in: S t r u m m , Daten, Teil 2, S. 2. 118 A l b e r t Dorscheid, Vorschläge zu einem Geschäftsverteilungsplan f ü r die R e d a k t i o n der Saarländischen V o l k s z e i t u n g u n d f ü r einen w e i t e r e n A u s b a u des Blattes, 6 . 1 1 . 1 9 5 3 und Bericht z u m A u s b a u der Saarländischen Volkszeitung, 1 4 . 1 . 1 9 5 4 , PA Hector, C a r t o n 63. 119 Vorschläge zu einer besseren journalistischen G e s t a l t u n g der Saarländischen V o l k s z e i t u n g , 2 5 . 5 . 1 9 5 4 , PA Hector, C a r t o n 63.
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1952 kam es zur Entlassung von Redakteuren der Volksstimme. Der Redakteur Friedrich Regitz, der 1948 als Volontär der Volksstimme begonnen hatte und seit 1951 als Saarkorrespondent des SPD-Pressedienstes Bonn tätig war, trat im Kontext der innerparteilichen Opposition Kurt Conrads in Konflikt mit der Parteiführung. Ein Bericht der Politischen Polizei vom 16. April 1952 nennt die Absicht der SPS, Regitz und Conrad auszuschließen. Die Pressekommission der SPS wurde daraufhin vom Parteivorstand beauftragt, sofort eine Uberprüfung der Redakteure, die zu diesem Zeitpunkt bei der Volksstimme beschäftigt waren, vorzunehmen und diejenigen zu entlassen, die mit Regitz und Conrad in enger Verbindung standen. 120 Im Zuge der Zulassung oppositioneller, den Wirtschaftsanschluss ablehnender Parteien im Saarland nach Verabschiedung des Pariser Abkommens gab auch die DSP eine Zeitung mit dem Titel „Saarbrücker Allgemeine Zeitung - Unabhängige Zeitung für Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport" heraus, in der Regitz zunächst die Funktion des stellvertretenden Chefredakteurs übernahm. 121 Die Saarbrücker Allgemeine Zeitung ist allerdings nicht als Parteiorgan im engeren Sinn zu sehen, da der Titel „Unabhängige Zeitung" durchaus programmatisch gemeint war. 122 Nach der Auflösung der SPS am 18. März 1956 integrierte sie sich in den SPD-Landesverband Saar (zuvor DSP). Obwohl die Volksstimme zu Beginn des Jahres nur noch eine sehr niedrige Auflage druckte, war sie, als sie ihr Erscheinen einstellte, schuldenfrei. Die SPD konnte somit das Vermögen der SPS und damit auch das Parteiorgan Volksstimme einschließlich der dazugehörigen relativ leistungsfähigen Druckerei übernehmen. Am 13. April 1956 wurde der Handelsregistereintrag geändert: „Nachdem Redaktion und Verlag der .Saarbrücker Allgemeine Zeitung' in Dudweiler sowie der Volksstimme in Saarbrücken vereinigt worden sind, ändern wir die Firma der Gesellschaft in .Union Druck und Zeitungsverlag G m b H ' . " 1 2 3 Als Gesellschafter kamen nun Treuhänder des SPD-Parteivorstandes in Bonn hin-
Bericht der Politischen Partei, Saarbrücken, 16.4.1952, PA Hector, P6, Carton 5. Chefredakteur wurde Helmut Hoppenstädter, der in der Volksstimme zwischen 1.3.1948 und 10.7.1955 Chef vom Dienst gewesen war. Die weitere Redaktion setzte sich aus fünf früheren Redakteuren der Volksstimme zusammen. 1 2 2 Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S.563f. 123 Mitteilung an das Handelsregister Saarbrücken, 13.4.1956, abgedruckt in: Strumm, Daten, Teil 2, S.5. 124 Ebd., S. 7. 120 121
Parteipresse und Presselandschaft in der Autonomiezeit 1 9 4 5 - 1 9 5 5
3.3 Die Neue Zeit: Organ der Kommunistischen
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Partei Saar (KPS)
„Die Zeitung einer Partei ist ihre schärfste ideologische Waffe." 1 2 5 Die Neue Zeit erschien als Nachfolgerin der „Arbeiter-Zeitung", die vor 1935 von der Kommunistischen Partei des Saargebiets herausgegeben wurde. Sie bestand vom 22.Juni 1946 bis 9.April 1957. A m 18.Juni 1946 erteilte die französische Militärregierung den Parteifunktionären Fritz Bäsel und Fritz Nickolay eine kollektive Erlaubnis zur Herausgabe der Zeitung. Die Neue Zeit sollte zunächst jeden 15. und 30. des Monats auf vier Seiten mit der begrenzten Auflage von 25 000 Exemplaren erscheinen, bis die durch die K P S übermittelte Liste von 2 8 0 0 0 Abonnenten überprüft war. Gedruckt wurde die Zeitung zunächst, wie alle anderen Zeitungen, in der Saarländischen Verlagsanstalt. Durch einen Untertitel sollte die Neue Zeit als Organ der K P S kenntlich gemacht werden, so dass sie ab 22.Juni 1946 als „Neue Zeit. Zeitung des schaffenden Volkes an der Saar. Organ der Kommunistischen Partei, Landesverband Saar" herauskam. 1 2 6 Chefredakteur wurde Ernst Klitscher, der allerdings 1950 aus der K P S ausschied. Fritz Bäsel wird auch als Chefredakteur genannt. Nachfolger Klitschers wurde Walter Zimmer, bis Hugo Feld 1952 diese Position übernahm. 1953 begann die letzte Phase der Neuen Zeit unter der Leitung von Heinz Merkel. 1 2 7 Die Kommunistische Partei, Bezirk Saar-Nahe wurde am 10. Januar 1946 gegründet. Mit ihrer Namensgebung betonte sie ihr Selbstverständnis als Teil der K P D . Sie blieb die einzige zugelassene Partei im Saarland, die sich konsequent für eine Rückgliederung an Deutschland aussprach. Die K P S forderte eine Lösung der Saarfrage im Sinne einer gesamtdeutschen Wiedervereinigung, entsprechend dem gesamtdeutschen Anspruch der sowjetischen Politik. Es ging ihr also nicht um eine Angliederung an die westdeutsche Bundesrepublik. 1 2 8 Als führende Funktionäre der Anfangszeit gelten O s wald Weyrich (Erster Vorsitzender), Fritz Nickolay (stellvertretender Vorsitzender), Fritz Bäsel, Karl Hoppe und Erich Walch. 1 2 9 Analog zur Parteidoktrin wurden die Aufgaben der Neuen Zeit definiert: Sie habe „den Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse" und gegen „die reaktionären Kriegshetzer und Kriegstreiber" zu führen, indem sie „die Fronten der Imperialisten Fritz Bäsel, D e r Kampf einer Zeitung, in: N e u e Zeit, 1 . 8 . 1 9 4 9 Nr. 70, Titelseite. Brief der französischen Militärregierung/Abteilung Information an die K P S , 1 8 . 6 . 1 9 4 6 , L A SB, Inf A 85. 1 2 7 Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S . 5 4 1 . Frank Dingel nennt als ersten Chefredakteur Hermann Burkhardt, dies geht allerdings aus den für diesen Beitrag zugänglichen Quellen nicht hervor: Frank Dingel, Die Kommunistische Partei Saar, in: Stöss, Parteien-Handbuch, S. 1873. 1 2 8 Vgl. Memorandum der Bezirksleitung der Kommunistischen Partei, Bezirk Saar-Nahe, 1 7 . 1 2 . 1 9 4 6 , abgedruckt in: H u d e m a n n / H e i n e n , Das Saarland, S . 3 2 8 . 1 2 9 Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S . 2 4 1 - 2 4 3 . 125 126
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GEIST der
Z e l t u n g des s c h a f f e n d e n Volkes an der S a a r Organ der Kommunistisehen'Partei des Saargeßietes
HUMANITÄT
Der Weg zur Demokratie
Alles für die Sicherung unserer Ernährung!
Die Konferenz der Außenminister l ü Rückblick und Ausbilde mil die Arbeiten
Im Zeichen des Internationalismus für wahre Völkerverständigung Bine Adtrsie des 15.
Abb.
4:
Titelseite
der ersten Ausgabe
der Neuen
.. doi i n - · .:•.',!·. Volli
Zeit (22. Juni 1946 Nr. 1)
und der Friedensfreunde aufzeigt." Ferner sollte sie die Lehre des Marxismus-Leninismus vermitteln. Als Gesamtaufgabe galt die „Schaffung einer einheitlichen, demokratischen, unabhängigen, deutschen Republik." 1 3 0 Laut Frank Dingel erfüllte die K P S im Parteiensystem des Saarlandes eine Doppelrolle, da sie einerseits eine sozialistische Fundamentalopposition gegen die bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse ausgeübt und andererseits einen „pro-deutschen", „nationalen" Standpunkt vertreten habe. Tatsächlich hatte sie letztendlich nur einen begrenzten Erfolg. Dies führt Dingel auf das allgemein anti-kommunistische Klima im Ost-West-Konflikt und die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Regierung H o f f m a n n zurück. 1 3 1 In der Literatur wird die Bedeutung der K P S gemeinhin als unbedeutend eingestuft. Dieser These müssen die recht hohen Wahlergebnisse der K P S entgegen gesetzt werden. Bis zu ihrem Verbot nach der Integration des Saar130 131
Schulungsbrief der K P S „Politischer Z e i t u n g s o b m a n n " , 9 . 5 . 1 9 4 9 , L A S B , I n f A 85. Dingel, K o m m u n i s t i s c h e Partei Saar, S. 1877.
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landes in die Bundesrepublik konnte die K P S eine Wählerschaft von 3 0 0 0 0 Personen an sich binden. Ihre Bedeutung lag vor allem in ihrer konsequenten Opposition gegen die Autonomiebestrebungen der Regierung. Außerdem wird ihr eine systemstabilisierende Wirkung zugeschrieben, indem ihre „nationale" Position als nationalistisch-kommunistisch diskreditiert und einer freiheitlichen westlichen Integration gegenüber gestellt werden konnte. Indem die K P S Stimmen der SPS abschöpfte, schwächte sie die Sozialdemokratie an der Saar und nützte damit gleichzeitig der CVP. 1 3 2 Die K P S war von massiven Repressionsmaßnahmen durch die saarländische Regierung betroffen. Dabei sind Maßnahmen, die sich gegen oppositionelle Strömungen generell wandten wie Ausweisungen oder Verletzungen des Telefon- und Briefgeheimnisses, und allgemeiner Bestimmungen, welche eine demokratische Pluralität einschränkten, von Maßnahmen zu unterscheiden, welche einzig die K P S betrafen. Dazu gehörten ab 1947 einzelne Verbote von Versammlungen und Kundgebungen der KPS und ab 4. Mai 1950 ein generelles Verbot öffentlicher KPS-Versammlungen bis November 1952. Auffällig ist außerdem die Verbotspolitik der Regierung gegen das Parteiorgan Neue Zeit. Beginnend mit Verboten einzelner Ausgaben, kam es ab 1948 zu Erscheinungsverboten über jeweils vier Wochen. Pro Jahr sind ab 1948 Erscheinungsverbote von einer Gesamtdauer zwischen jeweils drei und sieben Monaten zu verzeichnen. 1954 gingen die Verbote zurück. 1 3 3 Die Publikationsverbote wurden stets mit „Paragraph zehn, Ziffer eins der Verordnung betreffend vorläufige Regelung des Pressewesens" begründet: Die Neue Zeit enthalte unwahre Angaben, die geeignet seien, die Regierung und den Landtag verächtlich zu machen. Die Parteileitung der K P S glaubte, dass es bei den Verboten nur vordergründig um einzelne Zeitungsartikel ging: Die Regierung bezwecke lediglich, die Neue Zeit zu ruinieren. 1 3 4 Bezeichnend ist die intensive Berichterstattung über die Arbeit der Neuen Zeit durch die Politische Polizei. Von den noch 102 erhaltenen Berichten über die Parteipresse im Zeitraum von 1949 bis 1955 beschäftigen sich allein 56 mit dem Verlag und der Redaktion der Neuen Zeit. Das Material besteht aus gesammelten Sitzungsprotokollen, Verlagsberichten und illegalen Flugblättern sowie Mitteilungen durch verdeckte Ermittler, die über Aktionspläne und Aktivitäten der K P S für ihr Parteiorgan berichten. Die Unterlagen dokumentieren ein intensives Interesse der Regierung an den Plänen der Neuen Zeit und reichen von der Information über die Einrichtung einer
Ebd., S. 1877-1879. Ebd., S. 1863 f. Hier findet sich auch eine vollständige Auflistung der Erscheinungsverbote. 1 3 4 Bericht des Justizministers Dr. Braun über eine Versammlung der K P S am 2 7 . 1 1 . 1 9 4 8 tur J o hannes H o f f m a n n , 1 0 . 1 . 1 9 4 9 , L A SB, S t K 1898. 132
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„Schachecke" in der Zeitung 135 bis zu Berichten über die Planung und Ausführung illegaler Tätigkeiten. 136 Fritz Bäsel fasste die Situation der Zeitung am 1. August 1949 unter dem Titel „Kampf einer Zeitung" folgendermaßen zusammen: „Von der Stunde ihrer ersten Ausgabe an war sie den größten Hemmungen durch Zensur, Beschlagnahmungen, Verboten und das Fehlen einer eigenen Druckerei unterworfen." 1 3 7 Das Zitat bezeugt, dass die Propaganda der KPS es durchaus verstand, „aus der Not eine Tugend zu machen", wie Dingel es nennt, und stets durch das Parteiorgan auf die Verbotspolitik der Regierung hinwies, um agitativ die Differenz zwischen dem demokratischen Anspruch der Regierung und tatsächlicher Einschränkung der Meinungsfreiheit zu betonen. Dies geschah auch mit zahlreichen illegalen Flugblättern und Briefen an die Leserschaft. 138 Die Partei setzte so genannte Zeitungsobmänner ein, welche für die Betreuung der Zeitungsträger, Werbung von Abonnenten und Beschwerdeaufnahmen verantwortlich waren. Sie waren auch damit betraut, das Vertrauen der Abonnenten und die weitere Bezahlung zu garantieren, wenn die Zeitung wegen eines Verbotes ausfiel. 139 U m das Selbstverständnis der Zeitung als einziges oppositionelles Presseorgan zu betonen, wurde am 1. August 1949 der Untertitel „Sprachrohr der Opposition" eingeführt. Gilbert Grandval kommentierte dies folgendermaßen: „Le journal produit fidèlement les consignes de M O S C O U ... Elle [die Neue Zeit; Anm. d. Verf.] cherche à obtenir le ralliement de toutes les forces de l'opposition en Sarre; son sous-titre est d'ailleurs: Porte-parole de l'opposition." 1 4 0 Ab März 1949 geriet die Neue Zeit auch aufgrund der zahlreichen Verbote in finanzielle Schwierigkeiten.141 Ein Wechsel zur Malstatter Handelsdruckerei 1 3 5 Brief des Geschäftsführers des Verlages N e u e Zeit Bernhard an den Vorsitzenden des Schachverbandes, 2 3 . 4 . 1 9 4 9 , PA Hector, P6, C a r t o n 1. 1 3 6 Bericht der Politischen Polizei über die Planung einer Verteilaktion der verbotenen N e u e n Zeit, 2 4 . 4 . 1 9 5 0 , PA Hector, P6, C a r t o n 3.
Fritz Bäsel, D e r Kampf einer Zeitung, in: N e u e Zeit, 1 . 8 . 1 9 4 9 Nr. 70, Titelseite. Wie zum Beispiel in einem Rundschreiben der N e u e n Zeit an ihre Leser vom 2 6 . 4 . 1 9 4 8 : „Die Regierung des Saarlandes hat das Erscheinen unserer Zeitung erneut auf die Dauer von vier Wochen verboten. Das Verbot erfolgte laut Erklärung des Ministerpräsidenten in seiner Eigenschaft als Innenminister unter Bezugnahme auf den Artikel in unserer Nr. 36 vom 20.4.,Teilstreik auf der V ö l k linger Hütte'. Die zugeleitete Verfügung lautet wörtlich: ,1m Interesse der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung wird hiermit die Zeitung N e u e Zeit ab sofort auf die Dauer von vier Wochen verboten.' ... Das vorige Verbot hat uns erfreulicherweise Ihre Anhänglichkeit und Treue zu unserer Zeitung bestätigt und demonstrativ eine beträchtliche Anzahl neuer Leser gebracht . . . " Anlage einer Mitteilung des Informationsamtes an Johannes Hoffmann. 2 9 . 4 . 1 9 4 8 , L A SB, S t K 1898. 137 138
Schulungsbrief der K P S „Politischer Zeitungsobmann", 9 . 5 . 1 9 4 9 , L A SB, InfA 85. Gilbert Grandval, Saarbrücken, an den französischen Außenminister R o b e r t Schuman, Paris, N o t e concernant les principaux journaux sarrois, 2 1 . 1 2 . 1 9 4 9 , M A E , E u r o p e 1 9 4 4 - 1 9 6 0 , Sarre, 91. 139 140
1 4 1 Bericht der Politischen Polizei über finanzielle Schwierigkeiten der N e u e n Zeit, 1 4 . 3 . 1 9 4 9 , PA Hector, P6, C a r t o n 1.
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sollte Kosten mindern und mehr Freiräume bringen. 1 4 2 Dennoch mussten die Angestellten teilweise auf ihren Lohn verzichten. 1 4 3 Das von Papst Pius X I I . am 30. Juni 1949 gebilligte Dekret des Heiligen Officiums, welches katholischen Parteigenossen der K P und Sympathisanten die Exkommunikation androhte 1 4 4 , erhöhte den Druck auf die Neue Zeit. Dadurch verlor sie nicht nur Abonnenten, sondern auch zahlreiche Zeitungsausträger. Am schwersten wirkte sich das Dekret auf den Anzeigenteil aus. Vor allem große katholische Firmen wollten nun nicht mehr im kommunistischen Parteiblatt inserieren. 1 4 5 Von den 14 063 Abonnenten des Jahres 1948 blieben bis Januar 1950 noch 1 1 4 6 7 übrig. 1 4 6 U m neue Leser zu werben, wurde die Zeitung bei verschiedenen Aktionen kostenlos verteilt. 1 4 7 Die festen Abonnenten erhielten als alternatives Angebot und Ersatz für verbotene Ausgaben der Neuen Zeit das Zentralorgan der Parti Communiste Français „L'Humanité" in der elsässisch-lothringischen, deutschsprachigen Version. Diese Möglichkeit verbot die saarländische Regierung allerdings im Dezember 1950. 1 4 8 Durch die Anweisung an alle Behörden, keine amtlichen Bekanntmachungen mehr in der Neuen Zeit drucken zu lassen, erzielte das Informationsamt im Mai 1950 eine zusätzliche Attraktivitätsminderung der Zeitung. 1 4 9 Bis Dezember 1952 sank der Abonnentenstand weiter auf 7 0 1 2 , viele Kunden weigerten sich, das Abonnement trotz der zahlreichen Verbote zu bezahlen. Die Verlagsleitung der Neuen Zeit wies darauf hin, dass jede Zeitung, wenn sie nicht mindestens 2 0 0 0 0 feste Abonnenten habe, ein Zuschussbetrieb sei. 1 5 0 Finanzielle Unterstützung fand der Verlag bei den Kommunistischen Parteien Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland. 1 5 1 Außerdem versuchte die Verlagsleitung die Ortsgruppen der K P S für die Abonnentenwerbung zu mobilisieren: Jedes KP-Mitglied, das 50 neue Abonnenten gewann, sollte in
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Bericht der Politischen Polizei über die N e u e Zeit, 3 0 . 5 . 1 9 4 9 , ebd.
Bericht der Politischen Polizei über die N e u e Zeit, 8 . 6 . 1 9 4 9 , ebd. 1 4 4 Deutscher Text in: Keesings Archiv der Gegenwart 19, 1949, S . 2 0 0 8 . 1 4 5 Verlagsbericht N e u e Zeit, 4 . 1 0 . 1 9 4 9 , PA Hector, P6, C a r t o n 2. 1 4 6 Abschrift des Monatsberichts der Verlagsleitung N e u e Zeit vom 1 . 1 . - 3 1 . 1 . 1 9 5 0 durch die P o litische Polizei, PA Hector, P6, C a r t o n 3. 1 4 7 Bericht der Politischen Polizei über die kostenlose Verteilung der Neuen Zeit an Arbeiter der Backsteinfabrik Ranker, 2 7 . 7 . 1 9 5 0 , ebd. 1 4 8 Bericht über die N e u e Zeit der Politischen Polizei, 2 1 . 1 2 . 1 9 5 0 , ebd. 1 4 9 Mitteilung des InfA an alle Ministerien, Personal- und Organisationsamt und an die Abteilung Wiederaufbau, 2 0 . 6 . 1 9 5 0 , L A S B , I n f A 85. 1 5 0 Vgl. Monatsbericht der Verlagsleitung N e u e Zeit für die Monate O k t o b e r , November, D e z e m ber 1952, abgedruckt in: Schmidt, Saarpolitik, Bd. 2: Entfaltung der Saarpolitik zwischen „Wirtschaftsanschluß und Europäisierung" 1 9 4 5 - 1 9 5 3 , S. 5 4 1 - 5 4 6 . 1 5 1 Bericht der Politischen Polizei über Geldanweisungen an die N e u e Zeit aus Frankreich, 2 6 . 7 . 1 9 5 0 , PA Hector, P6, Carton 3; Bericht der Politischen Polizei über ein K o n t o der N e u e n Zeit in Frankfurt, ebd. 143
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den Genuss einer kostenlosen Ostseebadreise kommen. 1 5 2 Die KPS-Mitglieder wurden auf einer Funktionärssitzung verpflichtet, die Neue Zeit zu abonnieren. Wer dies nicht tat, bekam 1953 kein neues Parteibuch. 153 Obwohl die Neue Zeit stets durch finanzielle Krisen und interne Konflikte beeinträchtigt war und unter dem konstantem Druck der Regierung und der katholischen Kirche stand, beschritt sie in ihrer Gestaltung einen ähnlichen Weg wie die anderen Parteizeitungen. Die „ideologische Waffe" wurde mit unterhaltenden Rubriken wie dem „Lachenden Wochenausklang" und Berichten aus Sport und Film angereichert. Jugend- und Kinderseiten kamen hinzu. Außerdem wurde die Reportagenreihe „Rund um den Erdball" reich bebildert. Natürlich sprach auch aus diesen Seiten die kommunistische Propaganda, wenn beispielsweise über drogenabhängige US-Amerikaner anhand drastischer Abbildungen berichtet wurde. Die zahlreichen und aufwändigen Unternehmungen der Parteiführung, ihre Zeitung über die Verbote hinweg zu retten, ist nicht allein mit der Stellung der Neuen Zeit als wichtiges Propagandainstrument zu erklären. Sie diente der Partei vor allem als Finanzquelle zur Durchführung ihrer Politik und der Erhaltung ihres umfangreichen Funktionärsapparates. So wies Bäsel auf einer Sitzung der KPS-Bezirksleitung darauf hin, dass die Neue Zeit der Partei durch erhebliche Zuschüsse einen großen Funktionärskörper ermögliche, wie ihn keine andere Partei aufweise. Deshalb forderte er von den Redakteuren der Zeitung eine zurückhaltendere Vorgehensweise, um das Erscheinen des Parteiblattes nicht ständig zu gefährden. Aufgrund dieser Einstellung geriet Bäsel wiederholt in Konflikte mit Nickolay 1 5 4 , der einen kompromissloseren Kurs befürwortete und mit aggressiven Artikeln häufig Verbote durch die Regierung provozierte. 155 Bäsel wurde 1950 nach Differenzen mit Nickolay aller Ämter der KPS enthoben und verließ das Saarland. 1954 kehrte er zurück und wurde zum ersten Landesvorsitzenden der KPS gewählt. 156 Nach ihrem Verbot 1957 betätigte sich die KPS weiterhin propagandistisch. Vermutlich wurde die Neue Zeit bis 1960 in Elsass-Lothringen gedruckt und dann in unregelmäßigen Abständen über die französisch-saarländische Grenze gebracht. 157
152 Bericht der Politischen Polizei über eine Werbekampagne der Neuen Zeit, 15.1.1952, PA Hector, P6, Carton 5. 153 Bericht der Politischen Polizei über die Bedeutung der Neuen Zeit für die KPS, 3.12.1953, ebd. 154 Fritz Nickolay verließ 1951 das Saarland und starb nach langer Krankheit 1953 in Berlin. Vgl. Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S.242. 155 Lagebericht über die KP der Politischen Polizei, 25.3.1949, PA Hector, P6, Carton 1. 156 Vgl. Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S.242. 157 Ders., Saarpolitik, Bd. 3: Entfaltung der Saarpolitik vom Scheitern der EVG bis zur Wiedervereinigung, S. 637f.
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3.4 Das Saarland: Organ der Demokratischen
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Partei Saar (DPS)
Die D P S verfügte ab 1. August 1947 über das Parteiblatt „Das Saarland. Zeitung der Demokratischen Partei des Saarlandes", das aus finanziellen Gründen nur bis zum 21. Mai 1949 bestand. Für den Inhalt zeichnete Hans Drexler verantwortlich, der im Frühjahr 1949 aus dem Saarland ausgewiesen wurde. 1949 wurde der Untertitel in: „Demokratische Zeitung für Politik und Wirtschaft" geändert. Von 23. Mai 1949 bis 29. September 1949 gab die Partei das Blatt „Saarland-Abendpost" heraus. 1 5 8 Bis 1955 blieb die D P S ohne eigenes Parteiorgan, da zunächst keine Neulizenzierung gewährt wurde. Wegen des Parteiverbots 1951 erschien am 6. Mai nur eine Probenummer ihrer „Demokratischen Zeitung an der Saar". 1 5 9 Die Demokratische Partei Saar wurde am 26. O k t o b e r 1946 zunächst als Demokratische Vereinigung des Saarlandes zugelassen. Sie stand in der Nachfolge der nationalliberalen Deutsch-Saarländischen Volkspartei. Als zentrale Gründungspersönlichkeit gilt der Regierungsdirektor und Rechtsanwalt Fritz Kuhring. Im November 1945 kam Richard Radziewsky 1 6 0 , der einen frankophilen Kurs verfolgte, in die Führungsgruppe der D P S . 1 6 1 Die Urabenennung in Demokratische Partei Saar fand im Februar 1947 statt. Die Zulassung der Partei gestaltete sich schwierig. Zunächst passte sie nicht in das von der Militärregierung 1945 vorgegebene Parteiprofil, das ausschließlich die Zulassung christlicher, sozialdemokratischer und kommunistischer Parteien vorsah. Marcus Hahn sieht den Grund für die Verzögerung darin, dass eine Zulassung der D P S erst durch eine besondere Begründung durchgesetzt werden konnte. 1 6 2 Die D P S übernahm das Programm der Liberaldemokratischen Partei Frankfurt am Main und wurde zugelassen, nachdem sie das Adjektiv .deutsch' aus dem Programm gestrichen hatte. 1 6 3 Zu den Parteizielen gehörte der wirtschaftliche Anschluss an Frankreich, welchen sie bis 1950 vertrat. Problematisch erscheint die geringe Aufarbeitungsleistung der Partei, die sich im Vergleich zu den anderen Parteien nur ungenügend von ihren personellen und inhaltlichen Strukturen der Zwischenkriegszeit abgrenzte. 1 6 4 Ih158 Deckblatt des Dossiers des Informationsamtes, Angelegenheiten Das Saarland - Zeitung der Demokratischen Partei des Saarlandes, L A SB, InfA 72. Dingel, Demokratische Partei Saar, S . 8 0 3 . Richard Radziewsky war zu dieser Zeit der Betriebschef der Völklinger Hütte. 1 6 1 Schmidt, Saarpolitik, Bd. 1, S . 2 5 8 . 1 6 2 Marcus Hahn, Die D P S . Liberaler Neuanfang im deutsch-französischen Spannungsfeld, in: Rainer H u d e m a n n / B u r k h a r d J e l l o n n e k / B e r n d Rauls unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, St. Ingbert 1997, S. 199-224, hier S . 2 0 4 . 1 6 3 Becker, Entwicklung der politischen Parteien, S . 2 6 9 . 1 6 4 Hahn, Das Saarland 1945-1957, S . 7 0 f . 159 160
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rer traditionellen Ausrichtung gemäß wandte sich die DPS zunächst an eine im Großbürger- und Unternehmertum ansässige, städtische Wählerschaft sowie an mittelständische Handwerker. Sie sprach außerdem besser verdienende Protestanten an, welche wegen ihrer Konfession die C V P ablehnten. 165 Anfang 1950 kam es zu einem Führungswechsel innerhalb der Partei, der eine entscheidende Wende einleitete. Der Großhandelskaufmann Richard Becker und der Jurist Heinrich Schneider verdrängten die Vertreter des frankophilen Kurses und setzten eine - wie sie es künftig nannten - ,pro-deutsche' Politik durch. Die .neue' DPS wollte alle nationalen' und oppositionellen Kräfte gegen die Regierung Hoffmann vereinen. 166 Nachdem auch der französische Außenminister Robert Schuman eine Bedrohung durch die DPS gesehen hatte, stimmte er einem Verbot der Partei zu. Am 21. Mai 1951 erließ das saarländische Innenministerium dieses Verbot mit der Begründung, dass die DPS gegen die saarländische Verfassung verstoße. 167 Die Parteizeitung Das Saarland trug die loyale Haltung der frühen DPS zur Autonomiepolitik der saarländischen Regierung mit. So hieß es am 10. Oktober 1947: „Die Wahl vom 5. Oktober hat dem Wunsch der Saarbevölkerung nach dem wirtschaftlichen Zusammenschluß mit Frankreich so unzweideutig Ausdruck gegeben, daß dessen Verwirklichung mit Rücksicht auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker stattgegeben werden muss." 1 6 8 Dennoch war auch dieses Parteiorgan von der Verbotspolitik der saarländischen Regierung betroffen. Chefredakteur Drexler erhielt im Februar 1948 einen unmissverständlichen Brief von Johannes Hoffmann, in dem dieser sich zu einer Darstellung der Zeitung 169 über eine Hausdurchsuchung äußerte: „Ich bemühe mich in jeder Weise, zwischen den Zeitungen und den Regierungsstellen ein gutes Verhältnis vertrauensvoller Zusammenarbeit herzustellen, muss Ihnen aber gestehen, dass ich durch den mangelnden guten Willen, der in einzelnen Publikationen immer wieder zutage tritt, in meinen Bestrebungen sehr enttäuscht werde. Pressefreiheit bedeutet noch lange nicht Freiheit zur unrichtigen Darstellung. Eine derartige Auslegung des Begrifes [sie!] der Pressefreiheit kann höchstens zu unangenehmen Konsequenzen führen." 1 7 0
Becker, Entwicklung der politischen Parteien, S. 270. Dingel, Demokratische Partei Saar, S . 7 7 2 . 1 6 7 Becker, Entwicklung der politischen Parteien, S. 276. Z u m Medienumfeld siehe auch den Beitrag von Paul Burgard in diesem Band. 1 6 8 A n o n y m u s , H i e r spricht die D P S . Wähler und Gewählte, in: Das Saarland, 1 0 . 1 0 . 1 9 4 7 Nr. 20, Titelseite. 165
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A n o n y m u s , H i e r spricht die D P S . „ D e m o k r a t i e " im neuen Saarland, in: Das Saarland, 1 2 . 2 . 1 9 4 8 Nr. 13, Titelseite. 1 7 0 Johannes H o f f m a n n in einem Brief an den Chefredakteur der Zeitung Das Saarland, 1 4 . 2 . 1 9 4 8 , L A S B , InfA 72. 169
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Abb. 5: Titelseite des Tintenfisch (November 1949) „... wenns man nur kein Sechsmonatskind wird..." „... hm, -wissen Sie, Herr Kollege bei Geburten verrechnet man sich immer ein bisschen ..."
V e r b o t e u n d E r s c h e i n u n g s s p e r r e n der Z e i t u n g „ w e g e n u n w a h r e r u n d irref ü h r e n d e r A n g a b e n , die geeignet sind, die L a n d e s r e g i e r u n g verächtlich zu machen"171, folgten. 1949 geriet die Z e i t u n g in e r h e b l i c h e finanzielle Schwierigkeiten, o b w o h l sie sehr b e s c h e i d e n mit n u r einem V o l l r e d a k t e u r u n d zwei H a l b t a g s k r ä f t e n arbeitete. I h r e A u f l a g e b e t r u g im Vergleich z u ihrer A n f a n g s a u f l a g e v o n 30 000 gerade n o c h 6 1 0 0 E x e m p l a r e . D a b e i beliefen sich ihre D r u c k s c h u l d e n bei der M a l s t a t t - B u r b a c h e r H a n d e l s d r u c k e r e i auf e t w a zwei M i l l i o n e n Francs. 1 7 2 D a s f r a n z ö s i s c h e H o c h k o m m i s s a r i a t soll, n a c h einem Bericht d e r P o l i t i s c h e n Polizei, einen Teil d e r S c h u l d e n gedeckt h a b e n . Als G e g e n l e i s t u n g v e r p f l i c h t e t e sich die D P S , in ihrer Politik d e m H o h e n K o m m i s s a r i a t e n t g e g e n zu k o m m e n . 1 7 3 Als w e i t e r e S a n i e r u n g s m a ß n a h m e w u r d e die Parteiz e i t u n g D a s Saarland z u r S a a r l a n d - A b e n d p o s t u m g e b i l d e t , u m k o n k u r r e n z 1,1 V e r f ü g u n g des M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n H o f f m a n n ü b e r das V e r b o t d e r n ä c h s t e n A u s g a b e D a s S a a r l a n d , 2 . 4 . Ί 948, e b d .
B e r i c h t des I n f o r m a t i o n s a m t s 26.4.1949. ebd.
ü b e r die Z e i t u n g
D a s Saarland
für Johannes
•'·* B e r i c h t d e r P o l i t i s c h e n P o l i z e i ü b e r die D P S , 17.3.1949, PA H e c t o r , P6, C a r t o n 1.
Hoffmann,
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Ines Heisig
fähiger zu werden. Ein entsprechender Antrag beim Informationsamt wurde durch Johannes H o f f m a n n am 23. Mai 1949 mit der Begründung abgelehnt, dass die Zeitung als Abendzeitung erscheine, ihre Erscheinungsweise aber derjenigen der anderen politischen Tageszeitungen gleichgestellt werden müsse. 174 Die Abendpost bestand dennoch zwischen Mai und September 1949. In ihrer Aufmachung unterschied sie sich wesentlich von der Parteizeitung Das Saarland, die sich durch eine klare Aufteilung und ihre sachliche graphische Gestaltung von den übrigen Parteiorganen abgehoben hatte. Die Abendpost hingegen verfolgte einen modernen und jugendlichen Stil. Ihr Schwerpunkt lag auf unterhaltenden Beiträgen mit zahlreichen Fotos. Ab August brachte sie sogar einen amerikanisch anmutenden Comicstrip „Rip Korby, der Meisterdetektiv". Wahrscheinlich sollte sie eher als .Finanzspritze' dienen. Erst am 28.Juli 1955 publizierte die DPS unter der Chefredaktion von Ludwig Bruch wieder ein Parteiorgan. Die „Deutsche Saar. Stimmen der Demokratischen Partei Saar" erschien zweimal in der Woche. Albert Kraus charakterisiert diese Zeitung als „ausgesprochenes Kampfblatt", das sich fast vollständig auf aktuelle, politisch relevante Ereignisse an der Saar spezialisierte und keinen Sport- oder Feuilletonteil aufwies. Ihre Auflage während des Abstimmungskampfes soll zwischen 40000 und 50000 Exemplaren betragen haben. 175
4. Z u s a m m e n f a s s u n g Die vorliegende Darstellung ist eine ausschnittsweise Betrachtung der saarländischen Parteipresse zwischen 1945 und 1955. Erst nach dem Pariser Abkommen und letztendlich nach dem 23.Juli 1955 konnte sich tatsächlich ein pluralistisches Zeitungsangebot im Saarland etablieren. Doch auch die bereits vorher zugelassene Parteipresse hatte trotz zahlreicher Beeinträchtigungen einen öffentlichen Raum zur demokratischen Willensbildung geschaffen. Die Porträts der vier Parteizeitungen Saarländische Volkszeitung, Volksstimme, Neue Zeit und Das Saarland stehen für das Vier-Parteiensystem, das sich nach der Teilautonomie des Saarlandes etablierte. Sie spiegeln die Spannungsfelder der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Situation im teilautonomen Saarland wider. Neben den externen, kriegsbedingten Beein174
Brief Johannes Hoffmanns an die Redaktion der Zeitung Das Saarland, 23.5.1949, LA SB, InfA
13. 175
Kraus, Saarfrage, S. 25.
Parteipresse und Presselandschaft in der Autonomiezeit 1945-1955
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trächtigungen wie der Papierknappheit, den mangelhaften technischen und räumlichen Möglichkeiten und der Schwierigkeit, unbelastetes Personal zu gewinnen, waren die einzelnen Redaktionen von den Vorgaben der französischen Militäradministration und der saarländischen Regierung abhängig. Hier mussten sie stets die Möglichkeiten zwischen einer zwar formal gewährten, aber de facto stets gefährdeten Pressefreiheit ausloten. Intern standen sie häufig vor der Herausforderung, der hohen Bedeutung gerecht zu werden, welche ihre Parteien ihnen beimaßen. Nicht selten führte das zu Konflikten. Eine weitere H ü r d e stellte die Finanzierung der Zeitungen dar. Obwohl die Möglichkeit bestand, Zuschüsse und finanzielle Hilfen durch die jeweilige Partei zu erhalten, waren die Organe dennoch - als Produkte wirtschaftlich arbeitender Verlage - dem Gebot der Wirtschaftlichkeit unterworfen. Dies widersprach jedoch in manchen Fällen der inhaltlich ideologischen Arbeit. Die Betrachtung der einzelnen Parteizeitungen bestätigt Fischers Einschätzung, dass die Leserschaft nach 1945 zunehmend anspruchsvoller wurde, das rein „doktrinäre Parteiorgan" ablehnte und stattdessen eine Tageszeitung verlangte, welche neben der Information auch Unterhaltung und eine ansprechende Gestaltung bot. 1 7 6 Die Redaktionen aller Parteizeitungen bemühten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten, dieser Nachfrage zu entsprechen, und lieferten ein breites Angebot an Sparten. Hinzu kam die Ausgestaltung der Zeitungen mit grafischen sowie fotografischen Elementen. Eine wesentliche Rolle innerhalb dieser Entwicklung spielte die starke Konkurrenzsituation unter den einzelnen Zeitungen, welche die Redaktionen zwang, kontinuierlich die Qualität ihres Blattes zu steigern. Lediglich in der Zeit des Abstimmungskampfes zeigt sich am Beispiel der Parteizeitung Deutsche Saar. Stimmen der Demokratischen Partei Saar eine Unterbrechung dieser Entwicklung, die allein mit der politischen Brisanz dieser Phase zu erklären ist. Trotz der Kontrollpolitik bleibt festzuhalten, dass sich eine breiter gefächerte regionale Parteipresse nach der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik nicht mehr dauerhaft halten konnte.
5. A u s g e w ä h l t e F o r s c h u n g s l i t e r a t u r Klaus Altmeyer, D e r „seidene Vorhang". Saarpresse 1945 bis 1959, in: Deutsches Zeitungsmuseum, Hg., Von der Mangelwirtschaft zur Massenauflage. Printmedien in den 50er Jahren. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Zeitungsmuseums in Wadgassen, Dillingen 2007, S. 85-103
176
Fischer, Parteien und Presse, S.31.
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Ines H e i s i g
Winfried Becker, Die Entwicklung der politischen Parteien im Saarland 1945 bis 1955 nach französischen Quellen, in: Rainer Hudemann/Raymond Poidevin unter Mitarbeit von Annette Maas, Hg., Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte/La Sarre 1945-1955. Un problème de l'histoire européenne, 2. Aufl., München 1995, S. 253-296 Dietrich Berwanger, Massenkommunikation und Politik im Saarland 1945-1959. Ein Beitrag zur Untersuchung „publizistischer Kontrolle", München 1969 Konrad Dussel, Deutsche Tagespresse im 19. und 20. Jahrhundert, Münster 2004 Heinz-Dietrich Fischer, Parteien und Presse in Deutschland seit 1945, München 1981 Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945-1955, Stuttgart 1996 Norbert Thomas Hoyer, Innerparteiliche Demokratie und die Aufgabe der Mitgliederzeitschriften von Parteien. Grundsätzliche Überlegungen sowie eine vergleichende Untersuchung von Mitgliederzeitschriften von C D U und SPD, Diss. phil. Bonn 1976 Albert H. V. Kraus, Die Saarfrage (1945-1955) in der Publizistik. Die Diskussion um das Saarstatut vom 23.10.1954 und sein Scheitern in der deutschen, saarländischen und französischen Presse, Saarbrücken 1988 Thomas Mergel, Politischer Journalismus und Politik in der Bundesrepublik, in: Clemens Zimmermann, Hg., Politischer Journalismus, Öffentlichkeit und Medien im 19. und 20. Jahrhundert, Ostfildern 2006, S. 193-211 Robert H. Schmidt, Saarpolitik 1945-1957, 3 Bde., Berlin 1959-1962
Bernd Reichelt Die saarländische Sportpresse im Spannungsfeld von Politik, Identität und Selbstbehauptung 1 9 4 5 - 1 9 6 0
1. E i n l e i t u n g A m 13.Juli 1962 erschien im saarländischen Sportmagazin „Fußball" ein Nachruf auf den Sportjournalisten Erich Menzel. Wie kaum ein anderer hatte er die saarländische Sportpresse über Jahrzehnte hinweg geprägt. N u r einen Monat zuvor hatte Menzel noch in derselben Zeitschrift die letzten Jahrzehnte der saarländischen Sportpresse mit einem langen Artikel Revue passieren lassen. E r hatte einen Bogen gespannt von der Gründung der ersten Vereinszeitschriften über die von Max Harig in der Zwischenkriegszeit gegründete „Südwestdeutsche Sportzeitung" bis hin zu den Sportzeitschriften der Nachkriegszeit und zur letztlich einzig verbliebenen Verbandszeitschrift Fußball Anfang der 1960er Jahre. Regionale Sportzeitschriften, so sein Fazit, hätten heute angesichts der Konkurrenz durch die Sportberichterstattung in den Tageszeitungen, in Rundfunk und Fernsehen einen schweren Stand. 1 Menzel verzichtete darauf, seine eigene Rolle in der saarländischen Sportpresse seit den 1920er Jahren zu erwähnen, und ging auch auf die Besonderheiten der Sportpresse nach 1945 nur knapp ein. Dies ist zwar typisch für einen Sportjournalisten, der gerne das .Unpolitische' am Sport betont, ist jedoch auch verwunderlich, da gerade in der Zeit der saarländischen Teilautonomie der Sport einen hohen Stellenwert einnahm. Die Auftritte eines glorreichen 1. F C Saarbrücken oder die Olympiateilnahme in Helsinki sind , O r t e ' der saarländischen Erinnerungskultur geworden. Dabei dominiert noch immer das Bild eines Saarsports, der aller französischen Einflussnahme getrotzt und stets seine .Treue' zu Deutschland bewiesen habe. Dass die Realität eine andere war, ist durch die historische Forschung inzwischen dargelegt worden. 2
1 Erich Menzel, Fußball und Presse im Laufe der Jahrzehnte, in: Fußball, 1 8 . 6 . 1 9 6 2 Nr. 6, S. 5; vgl. den von seinem Bruder Albrecht Menzel verfassten Nachruf in: Fußball, 13.7.1962 Nr. 7, S. 2. 2 Vgl. zuletzt: Bernd Reichelt, Fußball und regionale Identität im Saarland der 1950er und 1960er Jahre, unveröffentlichte Diplomarbeit, Saarbrücken 2007; Bronson Long, Saarlanders into Germans. T h e R o l e of Football in the Formation of National Identity in Post-war Europe, in: F o o t ball Studies 9:2, 2006, S. 5 2 - 6 6 ; Johannes G r o ß m a n n , Sportpolitik im Saarland 1945-1954, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 31, 2005, S. 5 0 9 - 5 3 0 ; Wolfgang Harres, Sportpolitik an der Saar 1945-1957, Saarbrücken 1997.
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Bernd Reichelt
Aufgezeigt werden soll, dass die Entwicklung der Sportpresse zwar untrennbar mit dem saarländischen „Sonderweg" 3 verflochten war, jedoch auch den strukturellen Veränderungen in der Sportpublizistik unterworfen war. Dem begrenzten Umfang dieser Studie ist geschuldet, dass auf eine Analyse der Sportressorts der Tageszeitungen und der Vereinszeitschriften verzichtet wurde. Gegenstand sind die saarländischen Sportfachzeitschriften nach 1945. Gewählt wurde ein biographischer Zugriff, da dieser die regionalspezifischen und zugleich wechselnden Verflechtungen und Konstellationen zwischen Personen, Verbänden und Institutionen darzustellen vermag, wie sie im Saarland anzutreffen sind. Die Studie stützt sich auf Akten des französischen H o h e n Kommissariats, der saarländischen Regierung und auf die Sportzeitschriften selbst. Ergänzt wurden die schriftlichen Quellen durch ein Zeitzeugengespräch mit dem ehemaligen Sportjournalisten Fritz Winners. 4
2. Die Presse als Wegbegleiter des modernen Sports Moderne Sportarten wie Hockey und Fußball verkörperten für die neuen industriellen Eliten im ,Fin de siècle' den .English Way of Life'. 5 In den seit den 1880er Jahren aufkommenden Sportfachzeitschriften spiegelten sich die Internationalität und der britische Einfluss auf die Anfänge des modernen Sports in Deutschland wider. So war es kein Zufall, dass Sportzeitschriften wie „Spiel und Sport" (1891) von Briten gegründet wurden. 6 In dem Maße wie sich der Sport in Form von Vereins- und Fachverbandsgründungen institutionalisierte, kam es zur engen Partnerschaft von Sport
3
Die politische Entwicklung an der Saar von 1918 bis 1959 wird als „Sonderweg" bezeichnet, so zuletzt bei: Marcus Hahn in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann, Rainer Hudemann und Elisabeth Thalhofer, Das Saarland 1945-1957. Zur Einführung in Grundprobleme und Forschungsstand, in: Rainer Hudemann/Armin Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann und Marcus Hahn, Hg., Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Mit einer C D - R o m zum Abstimmungskampf 1955 von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007, S. 15-93, hier S.68. 4 Der 1914 in St. Ingbert geborene Fritz Winners war von 1948 bis 1951 Chefredakteur des SportEcho, von 1952 bis 1955 Redakteur der Sport-Welt. Als freier Journalist war er später unter anderem für die „WELT" tätig. Er wurde an seinem Wohnsitz in Blieskastel-Lautzkirchen interviewt. 5 Fabian Brändle/Christian Koller, Goal! Kultur- und Sozialgeschichte des modernen Fussballs, Zürich 2002, S.33f. 6 Vgl. zu diesem Abschnitt: Erik Eggers, Die Geschichte der Sportpublizistik (bis 1945). Von der Turnpresse im 19.Jahrhundert zur gleichgeschalteten Sportpresse im „Dritten Reich", in: Thomas Schierl, Hg., Handbuch Medien, Kommunikation und Sport, Schorndorf 2007, S. 10-24, hier S. 13. Vgl. außerdem: Heiner Gillmeister, English Editors of German Sporting Journals at the Turn of the Century, in: The Sports Historian 13, 1993, S. 42-65.
Die saarländische Sportpresse 1 9 4 5 - 1 9 6 0
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und Presse. Nicht zuletzt bildeten die Vereine das Reservoir, aus dem sich die Sportjournalisten rekrutierten. Zugute kamen der auf Aktualität angewiesenen Sportpresse die technischen Innovationen wie Telegraf und Telefon, die damit indirekt zur Popularisierung des Sports in der Presse beitrugen. 7 Mit dem Durchbruch des Sports als gesellschaftliches Massenphänomen nach dem Ersten Weltkrieg kam es daher auch zu einer Aufwärtsentwicklung in der Sportpresse. Gab es 1920 noch 160 Sportfachzeitungen, so wurden acht Jahre später bereits 380 gezählt. 8 Walther Bensemann schuf 1920 mit dem „Kicker" den Prototyp der verkaufsintensiven allgemeinen Sportund Unterhaltungszeitschrift. 9 Auch in den Tageszeitungen war dem Sport der Durchbruch gelungen. Bis Mitte der 1920er Jahre hatte sich das Sportressort in allen Zeitungen fest etabliert. 1 0 Die Verwaltung des Saargebiets unter einem Mandat des Völkerbundes seit 1920 bedeutete für den saarländischen Sport keine größeren Einschnitte. Die sportlichen Beziehungen nach Deutschland blieben intakt. Die erste regelmäßig erscheinende Sportzeitung im Saargebiet wurde 1921 der „Sport an der Saar", herausgegeben auf Initiative des Rasensportverbandes Saarbrücken. 1924 ging das Blatt an Max Harig über, der das Verbreitungsgebiet des Blattes unter dem Namen „Südwestdeutsche Sportzeitung" bis an Rhein und Mosel ausdehnte. 1 1 Die Zeitung erschien im Verlagshaus der katholischen „Saarbrücker Landes-Zeitung", der Saarbrücker Druckerei und Verlag A G (SDV). 1 2 Neben Max Harig war als zweiter Redakteur der eng mit Borussia Neunkirchen verbundene Erich Menzel angestellt. 13 In den 1930er Jahren geriet das Blatt in wirtschaftliche Schwierigkeiten. D e r Aufsichtsrat sah die Rentabilität des Blattes durch das begrenzte Verbreitungsgebiet und die Konkurrenz der Tagespresse gefährdet. 1 4 Zudem war es dem stärker werdenden Konkurrenzdruck der seit 1933 .gleichgeschalteten' reichsdeutschen
H a n s - D i e t e r Krebs, Zurückhaltung oder Furcht vor der eigenen Geschichte? Anmerkungen zur frühen Vergangenheit des Sportjournalismus, in: SportZeiten 7:3, 2007, S . 4 1 - 5 1 , hier S . 4 4 f . 7
Eggers, Geschichte, S. 16. Siegfried Weischenberg, D i e Außenseiter der Redaktion. Struktur, Funktion und Bedingungen des Sportjournalismus, B o c h u m 1976, S. 132. 13 J a k o b Zündorf, Vom Sportfunktionär zum Sportjournalisten, in: D e r deutsche Sportjournalist 1952/53, S . 2 0 - 2 3 , hier S . 2 3 . 11 Erich Menzel, Fußball und Presse im Laufe der Jahrzehnte, in: Fußball, 1 8 . 6 . 1 9 6 2 Nr. 6, S. 5. 12 Vgl. zur Saarbrücker Druckerei und Verlag A G : Andreas Merl, „In jedes Haus - auch in die ärmlichste Hütte - eine katholische Zeitung!" Katholisches Milieu und Tagespresse im Saargebiet der Völkerbundszeit ( 1 9 2 0 - 1 9 3 5 ) am Beispiel der Saarbrücker Landes-Zeitung, in: Eckstein 12, 2008, S . 2 6 - 3 5 . 13 Personalakten der Südwestdeutschen Sportzeitung, Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken ( L A SB), Bestand Saarbrücker Druckerei und Verlag A G ( S D V ) 157. 14 Protokollbuch der Aufsichtsratssitzungen, 8 . 1 1 . 1 9 2 8 bis 1 2 . 5 . 1 9 3 9 , 186. A R - S i t z u n g vom 7 . 1 1 . 1 9 3 3 , L A SB, S D V 4. F ü r den Hinweis sei an dieser Stelle Andreas Merl gedankt. 8
9
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Bernd Reichelt
Sportpresse ausgesetzt15, deren „Scheinblüte" 16 im Zeichen eines Konzentrationsprozesses stand, einer stetigen Zusammenfassung unter Aufsicht von Staat und Partei. 17 Die nach der Volksabstimmung am l.März 1935 erfolgte .Rückkehr' der Saar in das Deutsche Reich hatte für die Südwestdeutsche Sportzeitung durch die schrittweise Zerschlagung der Saarbrücker Druckerei und Verlag A G durch die Nationalsozialisten unmittelbare Folgen. Zum 1. Januar 1936 übernahm Max Harig das Blatt in eigener Regie. 18 Ihr Ende kam mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und der Evakuierung Saarbrückens im September 1939, als auf behördliche Anweisung der Druck vieler saarländischer Zeitungen eingestellt wurde.
3. Zwischen Kontrolle und Demokratisierung ( 1 9 4 5 - 1 9 4 7 ) Die Entwicklung der saarländischen Sportpresse nach 1945 ist nur vor dem Hintergrund der französischen Sport- und Medienpolitik an der Saar zu verstehen. Die Neuordnungsansätze für den Sport bewegten sich „zwischen Kontrolle und Demokratisierung" und hatten eine Entmilitarisierung und Entpolitisierung zum Ziel. 19 Die Sportpolitik des Militärgouverneurs Gilbert Grandval setzte an der Saar selbstständige Akzente und basierte auf dessen grundlegender Auffassung, dass eine Autonomie des Saarlandes Voraussetzung für die Wirtschaftsunion mit Frankreich sei. Um die Unabhängigkeit von Deutschland auf Dauer zu sichern, war für ihn die Loslösung aller Bindungen nach Deutschland absolut notwendig. In diesen Kontext ordnete er auch das Ziel einer völligen Trennung des Saarsports von Deutschland ein. So stand der Wiederaufbau sportorganisatorischer Strukturen unter französischen Vorzeichen. Pfeiler waren das Omnisport-Prinzip und der Schreiben Hall an Harig, 2 6 . 3 . 1 9 3 5 , L A S B , S D V 157. E r i k Eggers, „Deutsch wie der Sport, so auch das W o r t ! " Zur Scheinblüte der Fußballpublizistik im Dritten Reich, in: Markwart H e r z o g , Hg., Fußball zur Zeit des Nationalsozialismus. Alltag - Medien - Künste - Stars, Stuttgart 2008, S. 161-181. 15 16
Führendes O r g a n wurde das Reichssportblatt. Vgl. zur Sportpresse im Dritten Reich: H a j o B e r n e « , Sportpublizistik im totalitären Staat 1 9 3 3 - 1 9 4 5 , in: Stadion 11, 1985, S . 2 6 3 - 2 9 5 , hier S . 2 7 0 f . Inwiefern die saarländische Sportpresse den nationalsozialistischen Vorgaben folgte, muss hier offen bleiben. Festzuhalten ist, dass Menzel seit 1937, Harig seit 1938 N S D A P - M i t g l i e d waren. Dass dies weniger eine Frage der Gesinnung als vielmehr der beruflichen Zukunft war, dafür spricht bei Menzel, dass er während des Krieges wegen einer Diffamierung Hitlers zwischenzeitlich inhaftiert war und seine Stellung als politischer Schriftleiter verlor. Vgl. Erfassung der im Saarland lebenden Journalisten L - O : Akten Harig und Menzel, L A S B , I n f A 378. 17
Übernahmevertrag M. Harig, 1 9 . 1 2 . 1 9 3 5 , L A S B , S D V 229. Stefanie Woite-Wehle, Zwischen Kontrolle und Demokratisierung. D i e Sportpolitik der französischen Besatzungsmacht in Südwestdeutschland, Schorndorf 2001, S. 38^16, 5 2 - 5 9 , 3 8 7 - 3 9 3 . 18
19
D i e saarländische Sportpresse 1 9 4 5 - 1 9 6 0
* • Abb. 1: Fahrzeug Jahre/Anfang der
-
413
n'êëmmKBSBÊSlKKBMXÊÊBmKIÎ^
der Saarbrücker Zeitung 1950er Jahre im gleichen
mit Haus
der Aufschrift herausgegeben
„Sport Echo wurde
zentrale L a n d e s s p o r t a u s s c h u s s ( L S A ) , d e m die Sportvereine unterstellt w a ren. 2 0 Die L e i t u n g des Landessportausschusses w u r d e H a n s H e l m e r übertragen. Helmer, M i t g l i e d der „ S o z i a l d e m o k r a t i s c h e n Partei Saar" (SPS) und Präsident des 1. F C Saarbrücken, w u r d e a u ß e r d e m im J u l i 1946 von G r a n d val persönlich mit der H e r a u s g a b e des „Sport-Echo" beauftragt. 2 1 Die erste A u s g a b e der zunächst w ö c h e n t l i c h erscheinenden Zeitung erschien am 9. Juli 1946. Sie w a r die erste lizenzierte nichtpolitische Publikation an der Saar und d a r ü b e r hinaus die erste deutschsprachige Sportzeitschrift nach d e m Krieg auf d e m Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches. 2 2 H e l mer w u r d e Vorsitzender des Aufsichtsrates des J u g e n d - und Sportverlags, später Sport-Echo-Verlag G m b H , s o w i e einer der Gesellschafter mit einem Anteil von 20 Prozent. Weitere Gesellschafter w a r e n M i n i s t e r p r ä s i d e n t J o -
" D e r L a n d c s s p o r t a u s s c h u s s w u r d e a m 1 4 . 5 . 1 9 4 8 in L a n d e s s p o r t v e r b a n d S a a r ( L S Y S ) u m b e n a n n t . N a c h d e m O m n i s p o r t - G c s e t z d u r f t e es in j e d e m O r t n u r e i n e n S p o r t v e r e i n f ü r a l l e n a c h g e f r a g t e n S p o r t a r t e n g e b e n . V g l . H a r r c s , S p o r t p o l t t i k , S. 4 3 - 6 1 . 21 L i z e n z i e r u n g s a a r l ä n d i s c h e r S p o r t - Z e i t s c h r i f t e n u n d S c h r i f t w e c h s e l : S c h r e i b e n G r a n d v . i l an H e l i n c r , 13. 7 . 1 9 4 6 , L A S B , I n f A 4 0 1 . " Vgl. hierzu: Dietrich Bcrwanger, M a s s e n k o m m u n i k a t i o n und Politik im Saarland 1945-1959. Ein B e i t r a g z u r U n t e r s u c h u n g „ p u b l i z i s t i s c h e r K o n t r o l l e " , M ü n c h e n 1969, S. 5 0 - 5 3 .
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Bernd Reichelt
hannes Hoffmann mit 10 Prozent sowie der Chefredakteur Erich Menzel mit 5 Prozent. Die Mehrheit im Aufsichtsrat sicherte sich die Saar-PresseVerlag G m b H mit einer Kapitaleinlage von 11000 Francs und einem Gesellschafteranteil von 55 Prozent. Damit lag die Mehrheit bei dem von der Militärregierung abhängigen Saar-Presse-Verlag, durch welchen diese auf die Gestaltung der Sportzeitung Einfluss nehmen konnte. 23 Federführend war auf Seiten der Militärregierung die Section Jeunesse et Sports. Das Sport-Echo mit seinem programmatischen Untertitel „Wochenzeitschrift für Jugend und Sport" sollte einer doppelten Zielsetzung dienen. Einerseits sollte das Sportblatt die .Rééducation' der Jugend unterstützen und andererseits den französischen Einfluss im Saarsport stärken. In einem Rückblick auf drei Jahre Militärregierung an der Saar wurde von französischer Seite dem Sport-Echo attestiert, dass die Kolumnen dem französischen Sport großen Raum gaben und viele Artikel den „esprit sportif" aufgegriffen hätten, wie er in Frankreich und anderen demokratischen Ländern vorherrsche. Ganz diesem Konzept der Demokratisierung entsprach seit Juni 1947 die an die Jugend gerichtete Beilage „Der Neue Weg". 2 4 Insgesamt nahm die Fußballberichterstattung im Sport-Echo den mit Abstand größten Raum ein. Die ausführlichen Spielberichte, in welchen auch die unteren Spielklassen im Saarland in hohem Maße berücksichtigt wurden, spiegeln den Stellenwert der ,Leitsportart' Fußball wider, die jedes Wochenende tausende Anhänger in die Stadien und auf die Sportplätze lockte. Zum großen Teil beschränkten sich die Artikel auf die reine Spielberichterstattung, Kommentaren und Hintergrundberichten wurde relativ wenig Platz eingeräumt.25 Uber die anderen Sportarten - vom Radsport bis zum Ringen - wurde meist anlässlich von Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen oder der alljährlich stattfindenden Tour de France berichtet. Der Logik des Sportjahres folgend nahm die Berichterstattung zu anderen Sportarten während der Fußball-Sommerpause einen größeren Umfang ein. D i e Gesellschafter des 1946 gegründeten Verlages waren zum großen Teil Treuhänder der französischen Militärregierung. Sein Nachfolger, die Presse-Verlag G m b H , übernahm 1948 denselben Anteil. Vgl. Berwanger, Massenkommunikation, S. 5 0 - 5 4 . Angelegenheiten des Presse-Verlags Saarbrücker Zeitung, A k t e Sport-Echo-Verlag G m b H : Sitzungsprotokoll der Gesellschafterversammlung der S p o r t - E c h o G m b H , 1 6 . 7 . 1 9 4 8 , L A S B , S t K 4355. J o h a n n e s H o f f m a n n war zu dieser Zeit Redakteur der „Neuen Saarbrücker Zeitung" und Vorsitzender der Christlichen Volkspartei ( C V P ) , ab 2 1 . 1 2 . 1 9 4 7 Ministerpräsident, vor seinem zeitweisen Exil in Frankreich C h e f redakteur der Saarbrücker Landes-Zeitung (1929-1934). 2 4 H a u t Commissariat de la République française en Sarre. Direction de l'information, Hg., Trois ans de présence française en Sarre, Paris 1948, S. 2 6 - 2 9 . 2 5 D e r ehemalige Redakteur Fritz Winners bemängelte im Nachhinein das Fehlen einer meinungsbildenden K o m p o n e n t e . E r hätte sich mehr feuilletonistische Elemente gewünscht und weniger einfache Berichterstattung. Vgl. Interview mit Fritz Winners (ehemaliger Chefredakteur des SportEcho), 24.6.2008.
23
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Eine besondere Bevorzugung des französischen Sports kann für das SportEcho nicht festgestellt werden. Dies wird bestätigt durch Aussagen des ehemaligen Sportjournalisten Fritz Winners, der ab Dezember 1948 als Chefredakteur verantwortlich zeichnete. Es habe zwar der französische Wunsch bestanden, auch über den Ligafußball Frankreichs zu berichten, dies sei aber meistens „in Kurzform" geschehen. Zu keiner Zeit, so Winners, sei auf ihn und die Redaktion Druck ausgeübt worden, in der Berichterstattung bestimmte Tendenzen zu verfolgen. 26 Tatsächlich nahm die Berichterstattung über den britischen und deutschen Fußball deutlich mehr Raum ein. So wurde auch nach dem im Sommer 1948 erfolgten Abbruch der sportlichen Kontakte mit deutschen Mannschaften weiterhin über den süddeutschen Fußball, zum Teil in ausführlichen Reportagen, berichtet. Dass in der folgenden Spielzeit auch der Anteil der Berichterstattung über den französischen Fußball zunahm, hing damit zusammen, dass der 1. F C Saarbrücken in der Spielzeit 1948/1949 ausnahmsweise und inoffiziell in der Zweiten Französischen Division spielte. Die Spiel- und Reiseberichte wurden von den Offiziellen des Vereins selbst verfasst. Der Saarbrücker Trainer Ossi Müller beispielsweise beschrieb seine Erlebnisse in Frankreich in seiner eigenen Kolumne „Ossi Müllers Tagebuch". Auch Vereinsfunktionäre wie Bill Groenke und Hermann Neuberger stellten sich als Autoren zur Verfügung. Sie zeichneten ein positives Frankreichbild, lobten die französischen Gastgeber sowie ihr eigenes Auftreten. Interessanterweise wurden jedoch in der französischen Sportpresse die erfolgreichen Darbietungen der saarländischen Mannschaft - die Malstat ter wurden inoffizieller Meister - so gut wie überhaupt nicht erwähnt. 27 Die Rubriken im Sport-Echo wechselten und veränderten sich fortlaufend. Uber einen längeren Zeitraum erschien das „allwöchentliche Résumé" des Chefredakteurs Erich Menzel oder auch „Unsere allwöchentliche Kurzgeschichte", die sogar die ganze letzte Seite einnahm. Die Kurzgeschichten stammten des Öfteren vom bekannten Sportjournalisten Richard Kirn und hatten meistens einen sportlichen Hintergrund. So nannte sich eine von ihm im März 1948 publizierte Kurzgeschichte „Der F A L S C H E Torwart. Eine phantastische Erzählung". Gelegentlich wurden auch Gedichte und Leserbriefe publiziert. Mit wachsenden Anteilen wurde in unregelmäßiger Folge auch eine Rubrik mit KleinVgl. Interview mit Fritz Winners, 2 4 . 6 . 2 0 0 8 . Vgl. zur Darstellung des Saarbrücker „Gastspiels" aktuell: T h o m a s Weißmann, Gastspiel. D e r 1. F C Saarbrücken in der Zweiten Französischen Division. Unveröffentlichte B.A.-Thesis - M é moire de Licence. Saarbrücken 2008, S. 16-20. Die Spielzeit des 1. F C Saarbrücken wurde auch in der Fußballkulturzeitschrift „11 F r e u n d e " thematisiert. Vgl. Ulrich von Berg, Ein Jahr beim E r b feind - die unglaubliche Nachkriegsgeschichte des 1. F C Saarbrücken, in: 11 Freunde. Magazin für Fußballkultur 80, 2008, S. 6 4 - 6 9 . 26 27
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anzeigen veröffentlicht, die in Unterrubriken wie Automarkt, Privatverkäufe, Heiratsanzeigen und Geschäftsempfehlungen unterteilt war. Ebenso wie die Anzeigen stieg im Lauf der Jahre auch der Anteil an Produktanzeigen. Noch im Jahr 1948 spärlich gesät und meist auf Herrenmode beschränkt, nahm die Reklame stetig zu, wobei zunehmend kleine Inserate als Blöcke die einzelnen Artikel voneinander trennten oder diese auch unterbrachen. Der Umfang der bis Oktober 1948 wöchentlich erscheinenden Zeitschrift betrug in der Regel zwölf Seiten. Mithin erschienen jedoch auch Ausgaben mit acht oder 16 Seiten Umfang. Ab 1. November 1948 erschien das SportEcho zwei Mal wöchentlich, montags und donnerstags. Der Verkaufspreis musste ab 1. November 1950 von zehn auf 15 Franken erhöht werden. Der Preisanstieg um 50 Prozent wurde mit fortgesetzten Erhöhungen der Papierpreise sowie der sonstigen Kosten begründet. Das mit der Gründung des Sport-Echo vertretene Selbstverständnis als Wochenzeitschrift für die Jugend wurde insbesondere durch die meist zweiseitige Rubrik „Blätter des Neuen Weg" [sie!] gepflegt, die sich vornehmlich an die männliche Jugend wandte. Hier wurden unter anderem Jugendsportbücher vorgestellt und auch Fortsetzungsromane wie „Emil und die Detektive. Ein Roman für Buben von Erich Kästner" fanden hier ihren Platz. Im dritten Erscheinungsjahr des Sport-Echo wandelte sich die Orientierung der Zeitschrift jedoch von einer Jugend- hin zu einer reinen Sportfachzeitschrift. Im Sommer 1948 wurde zunächst die Rubrik des „Neuen Weges" aufgegeben. Vermehrt kam es zu einer .Verspottung' der jugendlichen Themen. Fortsetzungsromane mussten nun Artikeln wie „Jugend hofft auf Olympia" Platz machen. Einen Abschluss fand diese Entwicklung schließlich in der Umbenennung der Zeitschrift: Ab November 1948 fiel der Untertitel „Wochenzeitschrift für Jugend und Sport" der Zeile „Mit amtlichen Mitteilungen des Landessportverbandes" zum Opfer.
4. Sportpresse als identitätsstiftender F a k t o r (1946-1948) Das Sport-Echo unterstützte die Autonomiepolitik publizistisch. Als am 27. April 1947 auf dem Saarbrücker Kieselhumes erstmals wieder ein Fußballspiel zwischen einem saarländischen und einem französischen Team stattfand, begrüßte Sport-Echo-Redakteur Lothar Krämer nicht nur den 5:3-Sieg der Saarländer, sondern schrieb auch von einer „Botschaft des Friedens, welche ein spielerischer Streit und ein versöhnender Händedruck zugleich war." 28 Lothar Krämer, Fußballbotschaft an der Saar, in: Sport-Echo, 28.4.1947 Nr. 17, Titelseite. In derselben Ausgabe erfuhr „Das große Treffen" durch ein Gedicht sogar eine poetische Würdigung. 28
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Die Bestimmung des 14.Juli zum offiziellen Feiertag 2 9 wurde vom SportE c h o ebenso begrüßt. Die im Rahmen der Feierlichkeiten stattfindenden Wettkämpfe bezeichnete Erich Menzel als „Sport unter den Fahnen des 14.Juli". Die Militärparade war für ihn ein „festliches Schauspiel". 3 0 Mit dem Antritt der saarländischen Regierung unter Johannes Hoffmann kurz vor Weihnachten 1947 stellte Menzel eine Kontinuität zur Zeit des Völkerbundmandats her, seiner Meinung nach „15 Jahre der wirtschaftlichen und kulturellen Zufriedenheit", während die Zeit des Nationalsozialismus „das immerwährende Drangsal unseres Lebens" gewesen sei. 31 Das Bekenntnis stützte jedoch nicht einfach die Geschichts- und Erinnerungspolitik des „Saarstaats", sondern entsprach auch dem zu Ende der 1940er Jahre vorherrschenden Lebensgefühl an der Saar und der breiten öffentlichen Zustimmung gegenüber der Hoffmann-Regierung. Ausschlaggebend waren die materiellen Vorteile, die das wirtschaftlich an Frankreich angeschlossene Saargebiet gegenüber der übrigen französischen Besatzungszone hatte. 3 2 So formulierte Menzel: „Nun haben wir wieder unsere Weihnachtsgans in der Casserole und wenn sie nur aus Horse Meat besteht, so ist allein der Gedanke, du kannst deinen Lieben wieder etwas zum Fest schenken, für das Gemüt und das Glück der Familie Gold wert." 3 3 Die französische Doppelstrategie von „Kontrolle und Demokratisierung" hatte jedoch auch zu einer zunehmenden ,,demokratische[n] Eigendynamik des saarländischen Sports" geführt 3 4 , die in den entstehenden Fachverbänden ihren Ausdruck fand und vor allem beim Saarländischen Fußballbund (SFB) zu wachsendem Selbstbewusstsein führte. Die Forderungen nach Zurückdrängen des politischen Einflusses im Sport und nach größerer Eigenständigkeit der Fachverbände schlugen sich zunehmend auch in der Sportpresse nieder. Anfang 1948 entzündete sich die Kritik der Leserschaft am Sport-Echo an der Person Hans Helmers, der sowohl dem 1. F C Saarbrücken als auch dem Landessportausschuss vorstand und zugleich als Aufsichtsratsvorsitzender des Sport-Echo fungierte. So sah sich Chefredakteur Erich Menzel im
D e r 14.Juli verlor rasch an Bedeutung. Vgl. Armin Flender, Öffentliche Erinnerungskultur im Saarland nach dem Zweiten Weltkrieg. Untersuchungen über den Zusammenhang von Geschichte und Identität, Baden-Baden 1996, S . 4 8 .
29
Erich Menzel, D e r Sport unter den Fahnen des 14. Juli, in: S p o r t - E c h o , 1 5 . 7 . 1 9 4 7 Nr. 28, Titelseite. 30
Ders., Vor den Festtagen, in: S p o r t - E c h o , 2 2 . 1 2 . 1 9 4 7 Nr. 51, Titelseite. Armin Heinen datiert einen Stimmungswechsel erst auf die Zeit ab 1953, als das bundesdeutsche ,Wirtschaftswunder' alles zu überstrahlen begann. Vgl. zu dieser auch von Rainer Hudemann unterstützten Position: Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945-1955, Stuttgart 1996, S . 2 6 5 f . , 470. 31
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33 34
Erich Menzel, Vor den Festtagen, in: S p o r t - E c h o , 2 2 . 1 2 . 1 9 4 7 Nr. 51, Titelseite. G r o ß m a n n , Sportpolitik, S. 516.
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Februar 1948 gezwungen, die Neutralität des Blattes zu betonen. 35 Im Frühling 1948 unterstützte das Sport-Echo offen die vom Landessportausschuss favorisierte Affiliation, den Anschluss des Saarsports an die französischen Sportverbände. Dazu sollte es jedoch vorerst nicht kommen. Nach Verhandlungen in Paris wurde der Saarfußball zwar indirekt in die FIFA aufgenommen, musste im Gegenzug jedoch den Spielverkehr mit deutschen Mannschaften abbrechen. Dies führte zu weiterer Kritik am Landessportausschuss.36 Auch Chefredakteur Menzel entfremdete sich zunehmend von Helmer und dessen Sportpolitik, wenn er auch am 3. Mai 1948 in einem Kommentar noch einmal die Vorzüge der „Pariser Beschlüsse" betonte. 37
5. Sport und Politik: Die .Affäre Menzel' Am 1 O.Juni 1948 bat Erich Menzel den Ministerpräsidenten um eine Unterredung. Noch am selben Tag verfasste Hoffmann ein Schreiben an Helmer, in welchem er sich empörte, dass dieser „und einige Freunde" die Abberufung Erich Menzels deshalb betrieben, weil jener ein Bild des Kultusministers Emil Straus im Sport-Echo veröffentlicht habe und seinerzeit Erwin Müller und nicht Hans Helmer als Kandidaten für den Vorsitz des Landessportausschusses propagiert haben sollte. 38 Hoffmann sandte eine Kopie des Schreibens an Grandval. Einen Tag später präzisierte Menzel in einem Schreiben an Hoffmann seine Vorwürfe und warnte außerdem vor einem jungen Redakteur namens Hermann Neuberger: „Ich bitte darum um Ihren Schutz für den Fall, dass der LSV bei seiner Forderung bleibt und dem Jargon des HJ-Führers die Spalten des bisher von mir geleiteten Blattes öffnen will. Es geht ja nicht nur um meine Person sondern um die Ausschaltung unduldsamer Elemente, welchen die Presse nicht überantwortet werden darf."39 Eine Woche später erhielt Hoffmann Helmers Antwort, der ein Schreiben der Gesellschafter und der Aufsichtsratsmitglieder beigelegt wurde. Helmer führte aus, dass Hoffmann „anscheinend von einer interessierten Seite wissentlich falsch informiert" worden sei. Im beiliegenden Schreiben, das von allen Gesellschaftern des Sport-Echo-Verlags, auch von Menzel, unterschrieErich Menzel, In eigener Sache, in: Sport-Echo, 23.2.1948 Nr. 8, Titelseite. Harres, Sportpolitik, S. 66-69. 3 7 Erich Menzel, Mit Frankreich verbunden, in: Sport-Echo, 3.5.1948 Nr. 18, S.4. 3 8 Bei der Wahl am 14.3.1948 hatte sich Helmer durchsetzen können. Während dieser die Affiliation propagierte, warnte Müller, Fraktionsvorsitzender der Christlichen Volkspartei (CVP) vor dem Abbruch der sportlichen Beziehungen nach Deutschland. Vgl. Harres, Sportpolitik, S. 77f. 3 9 Angelegenheiten des Presse-Verlags Saarbrücker Zeitung, L A SB, StK 4355. Zum Zitat: Schreiben Menzel an Hoff mann, 11.6.1948, ebd. 35
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ben war, wurden Helmers Vorwürfe, die er während einer zwei Wochen zurückliegenden Gesellschafterversammlung erhoben hatte, konkretisiert. Menzel habe, so der Vorwurf des Aufsichtsratsvorsitzenden, die Zeitung nicht mehr im Sinne des Landessportausschusses und auch nicht mehr überparteilich redigiert. Außerdem habe er Menzels „tendenziöse Berichterstattung" zur Wahl zum Vorsitzenden des Landessportausschusses zugunsten Müllers nicht gutheißen können. 40 Mit der Gesellschafterversammlung des Sport-Echo am 16.Juli 1948 erfuhr die .Affäre Menzel' einen vorläufigen Abschluss. Gegen die Stimme von Hoffmann wurde beschlossen, das Sport-Echo in Zukunft beim Presse-Verlag drucken zu lassen. Außerdem wurden mit Louis Knaff und Josef Maria Feiten hochrangige Vertreter des Presse-Verlags als neue Geschäftsführer bestellt. Hoffmann konnte durchsetzen, dass Erich Menzel vorläufig Chefredakteur blieb. 41 Die .Affäre Menzel' zeigt nicht nur in Bezug auf die Beziehung zwischen Hoffmann und Menzel interessante personelle Kontinuitäten zur Völkerbundszeit auf - Menzel arbeitete in den 1930er Jahren bereits für die Saarbrücker Landes-Zeitung, deren langjähriger Chefredakteur der spätere Ministerpräsident war. Auch offenbarte die Affäre nur ein halbes Jahr nach Antritt der Regierung Hoffmann wachsende Gräben zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Hohen Kommissar. In einem Schreiben an Hoffmann vom 15.Juni 1948 stellte sich Grandval auf die Seite der Mehrheit der Gesellschafter, die das Recht hätten, Menzel als Chefredakteur abzusetzen. Außerdem nahm er die Affäre zum Anlass, generell die Medienpolitik der Hoffmann-Regierung scharf zu kritisieren: „Mon opinion est que le Gouvernement que vous présidiez fait preuve d'un autoritarisme excessif et bien peu compatible avec les principes démocratiques dont nous avons vous et moi à coeur d'assurer la propagation en Sarre. Les interdictions de paraître se font de plus en plus fréquentes et pour des durées de plus en plus longues, et pour des raisons qui dans la majeure partie des cas, ne font pas apparaître les rédacteurs en chef comme étant sortis des limites qui peuvent normalement être imparties à la presse libre d'un pays démocratique." 4 2
Trotz der Kompromisslösung waren die Tage Menzels beim Sport-Echo gezählt. Im Herbst gründete er mit Max Harig den „Sport-Expreß". Die neue Sportzeitung erschien erstmals am 17. Oktober 1948. Menzel rechtfertigte die Neugründung damit, dass es Zeit geworden sei, wieder ein unabhängiges Sportblatt zu schaffen. Beim Sport-Echo sei es zu Versuchen gekommen, das Schreiben H e l m e r an Hoffmann, 1 7 . 6 . 1 9 4 8 , ebd.; Schreiben Sport-Echo-Verlag an Hoffmann, 1 5 . 6 . 1 9 4 8 , ebd. 41 S i K u n g s - P r o t o k o l l der Gesellschafterversammlung des Sport-Echo-Verlags, 1 6 . 7 . 1 9 4 8 , ebd. 4 2 Schreiben Grandval an Hoffmann, 1 5 . 6 . 1 9 4 8 , ebd. 40
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B e r n d Reichelt
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Volkssport Fußball mächtiger als je zuvor
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des Sport Express (17. Oktober
Läulerpaar JulUard-Voisembert w a r i n r e u u n d D e c h e n gleich ν üglicb. teidiger. besonde-" herrsch'»- "
1948 Nr. 1)
Blatt politisch einzuspannen. Auch lehne er eine Überwachung der Zeitschrift durch den Landessportverband ab. Tatsächlich wurde das Sport-Echo ab N o v e m b e r 1948 amtliches O r g a n des Landessportverbandes Saar - für Menzel ein Zeichen, dass der Wert der Sportzeitung „auf das Niveau eines gefügigen Sprachrohrs und Mitteilungsblattes" sank. 43 Als neuer Chefredak43
Erich M e n z e l , U n s e r e P o l e m i k . D i e M o t i v e d e r N e u g r ü n d u n g , in: S p o r t - E x p r e ß , 2 4 . 1 0 . 1 9 4 8 N r . 2, Titelseite.
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teur des Sport-Echo wurde Fritz Winners eingestellt, der von Helmer bereits im Frühjahr in Stuttgart angeworben worden war und der nach eigenen A n gaben als „nicht politisch vorbelastet" galt. 44 Die Lizenzierung des Sport-Expreß durch das Informationsamt erfolgte am 5. O k t o b e r 1948. Als Lizenzträger wird in den Akten Erwin Müller angegeben. 4 5 Dies ist insofern interessant, als der Fraktionsvorsitzende der C V P als .Gegenspieler' des Sozialdemokraten Helmers eine vom Landessportverband unabhängige Sportzeitung gründete. N o c h bemerkenswerter ist, dass das H o h e Kommissariat nicht konsultiert worden war. Acht W o chen später traf bei Hoffmann ein Schreiben Grandvals ein, in welchem dieser sich über die „Orientierung der Zeitung S P O R T E X P R E S S " beschwerte. 46 Grandval wies auf die „eigentümlichen Umstände" der Gründung hin, „ohne daß die Dienststellen des H o h e n Kommissariats oder ich selbst von dieser Neuerscheinung benachrichtigt worden sind." Auch habe ihm missfallen, dass „eine erhebliche Anzahl von Redakteuren des Sport-Echos" berufen worden seien, „von welchen sich gewisse Redakteure durch ihre feindliche Haltung gegen die französisch-saarländische Politik hervorgetan haben und zwar derart, daß die Entlassung eines derselben sogar im Prinzip beschlossen war." Im weiteren Verlauf zählte Grandval einige Artikel der Sportzeitung auf, die seiner Meinung nach die saarländische Verfassung verletzten und die gemeinsamen sportpolitischen Ziele untergruben. Der SportExpreß, so Grandval, verbreite nationalistische Ideen und lehne sich gegen alles auf, „was wir seit langen Monaten unternommen haben, um eine Annäherung zwischen dem saarländischen und französischen Sport herbeizuführen." Interessant ist, dass Grandval Hoffmann dieses Mal nicht vorwirft, demokratische Grundfreiheiten zu missachten, sondern „eine tiefgehende Änderung in der Richtung und im Tone des Sport-Expreß" fordert. Die Reaktion Hoffmanns auf das Schreiben ließ indes auf sich warten. Erst Ende Januar 1949 antwortete Hoffmann nach wiederholter Anfrage, dass er die Zeitung auf mögliche Konsequenzen hingewiesen habe, bisher aber keinen Anlass zum Einschreiten gesehen habe. 4 7
Vgl. Interview mit Fritz Winners, 2 4 . 6 . 2 0 0 8 . Von der .Affäre Menzel' habe er damals nichts erfahren; Schreiben Presse-Verlag an Winners, 1 7 . 3 . 1 9 4 8 , im Privatbesitz von Fritz Winners. 4 5 Lizenzierung Sport-Expreß, L A SB, InfA 401. 4 6 Schriftverkehr mit dem H o h e n Kommissar über Presseangelegenheiten: Schreiben Grandval an Hoffmann, 3 . 1 2 . 1 9 4 8 , L A S B S t K 1215; zitiert wird aus der deutschen Ubersetzung. 4 7 Schreiben Grandval an H o f f m a n n , 2 7 . 1 . 1 9 4 9 , ebd.; Schreiben H o f f m a n n an Grandval, 5 . 2 . 1 9 4 9 , ebd.; zitiert wird aus der deutschen Ubersetzung. 44
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6. Sport und regionale Identität im ,Saarstaat' Wie aufgezeigt werden konnte, hatte es die enge Verflechtung der Sportpresse mit ihrem Gegenstand mit sich gebracht, dass die Diskurse über den Saarsport auch in den Sportzeitschriften reflektiert und die Positionen der Saarregierung von Sportjournalisten wie auch von Sportfunktionären teilweise kritisch hinterfragt wurden. Seit Gründung des autonomen Saarlandes war es das Ziel der Regierung, über den Sport eine exklusiv-saarländische Identität zu transportieren, um der staatlichen Autonomie eine mentale Basis zu verschaffen. Verflochten mit der europäischen Idee, sollte sich die saarländische von der deutschen Identität abgrenzen. Als Musterbeispiel, wie der gesellschaftliche Bereich des Sports als ,Bedeutungsraum' symbolisch aufgeladen werden konnte, können die Olympischen Spiele in Helsinki im Sommer 1952 gelten. Mit der Aufstellung einer saarländischen Olympia-Auswahl gelang die Außendarstellung des autonomen Saarlandes in vorzüglicher Weise. Als .olympic country' wurde das Saarland auf eine Stufe mit den anderen Nationen gestellt. Dokumentiert wurde dies bei der Eröffnungszeremonie im Olympiastadion, als die saarländische Delegation - die Saarflagge voraus - noch vor der deutschen Auswahl einmarschierte. Für den saarländischen Sporthistoriker Harres war dies der „Höhepunkt der politischen Manifestation saarländischer Autonomie vor der Weltöffentlichkeit". 48 Dass auch der seit 1936 obligatorische Fackellauf als »nationales' Werbemittel eingesetzt wurde, zeigte sich daran, dass die olympische Flamme auf ihrem Flug von Athen in das dänische Aalborg in einer saarländischen Grubenlampe befördert wurde. Doch selbstverständlich waren es nicht nur die Olympischen Spiele, die sich für solch eine staatliche Instrumentalisierung eigneten. Im Prinzip konnte jeder internationale Wettkampf in den Dienst der saarländischen Souveränität gestellt werden. Die im Bereich des Sports obligatorischen staatlichen Symbole demonstrierten für jeden ersichtlich die Autonomie des Saarlandes. Das Hissen der Landesflagge bei internationalen Begegnungen und das Landeswappen auf der Sportkleidung machten das Werden einer selbstständigen Nation für jeden greifbar. Dass die saarländische Landeshymne nicht bei einem Staatsempfang, sondern erstmals bei einem sportlichen Ereignis intoniert wurde - anlässlich des Fußballländerspiels gegen die Schweiz im November 1950 - , überrascht daher nicht. Es verdeutlicht einmal mehr, welche Bedeutung dem Sport von Seiten der saarländischen Regierung zugemessen wurde.
Harres, Sportpolitik, S. 160. Vgl. Volker Bernardi/Martina Fischer/Peter Meyer, Olympische Geschichte des Saarlandes, Blieskastel 2004.
48
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Abb. 3: Ellenfeld-Stadion 1950er Jahre - zahlreiche
Neunkirchen: Spiel einer französischen Zuschauer sitzen in den Bäumen
Auswahlmannschaft
Mitte
der
D i e erfolgreiche Darstellung der saarländischen A u t o n o m i e nach außen ging j e d o c h nicht einher mit einer ähnlich erfolgreichen W i r k u n g nach innen. D a s s die konstruierte, sich selbst tragende exklusiv-saarländische I d e n tität von der B e v ö l k e r u n g nicht wie erwünscht rezipiert wurde, zeigte sich abermals im B e r e i c h des Sports und insbesondere im F u ß b a l l . So wurde von den Sportvereinen zwar einerseits die staatliche U n t e r s t ü t z u n g gerne in A n spruch g e n o m m e n , w e n n es darum ging, internationale Freundschaftsspiele oder J u g e n d t u r n i e r e zu veranstalten. Z w a r stärkte das B e t o n e n des eigenständigen Saarlands das W i r - G e f ü h l . Andererseits wurde das ,SaarländischSein' nicht als exklusiv-national begriffen. G e r a d e die Identitätsmuster, die bei der bereits beschriebenen R ü c k k e h r der Fußballvereine in den westdeutschen O b e r l i g a f u ß b a l l reaktiviert w u r d e n , deuteten auf eine saarländische Identität hin, die zwar regional an der Saar verankert war, j e d o c h gleichzeitig auch auf die deutsche Identität angewiesen b l i e b . 4 9 D o c h dass der a u t o n o m e Saarsport bis heute als saarländischer E r i n n e r u n g s o r t n a c h w i r k t - die A u f tritte bei O l y m p i a und die Spiele der eigenen
Fußballnationalmannschaft
werden wohl auch n o c h in der nächsten G e n e r a t i o n erzählt werden - , verdeutlicht einmal m e h r die S y m b o l k r a f t des B e d e u t u n g s r a u m s Sport. I n s o fern hatten die B e m ü h u n g e n um I n d i e n s t n a h m e des Saarsports Erfolg. Z w a r k o n n t e mit H i l f e des Sports keine eigenständige saarländische N a t i o n beIn d i e s e m S i n n e a u c h : H e i n c n , S a a r j a h r e , S. 5 1 8 .
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gründet werden. Eine Festigung des kollektiven Sonderbewusstseins an der Saar dürfte damit jedoch zweifellos einhergegangen sein.
7. Sportpresse und Sportemanzipation ( 1 9 4 8 - 1 9 5 1 ) Mit der Emanzipation des Saarsports, die sich in der Demokratisierung der zunehmend selbstständigen Sportfachverbände widerspiegelte, ging auch eine Emanzipation der Sportpresse einher. Auf dem Höhepunkt der „Krise im Saarsport" 50 - im Juli 1949 lehnten die Mitgliederversammlungen sowohl des saarländischen als auch des französischen Fußballverbandes den sportlichen Anschluss an Frankreich ab - sorgte die für alle sichtbare Pressezensur für Empörung. Das Hohe Kommissariat ließ im Vorfeld der Abstimmung beim Saarländischen Fußballbund im Sport-Echo einen Artikel einschwärzen, der über die negativen Beschlüsse des elsässischen Fußballverbandes in Colmar berichtet hatte. 51 Bei der zwei Tage später stattfindenden Sondersitzung des Landessportverbandes wurde die Zensur von Helmer und Neuberger, damals Redakteur im Sport-Echo, damit gerechtfertigt, dass die Affiliation nicht gefährdet werden sollte. Obwohl sich der Landessportverband Saar bei der Sitzung mit großer Mehrheit für die Affiliationspolitik aussprach, empörte viele, unter ihnen auch den Vorsitzenden des Landessportverbandes Saar, Carl Rupp, die „Massnahme, die in einem demokratischen Staat unverständlich ist und die Freiheit stark einschränkt." 52 Hermann Neuberger, der sich noch im Juli 1949 aus sportpragmatischen Gründen für die Affiliation aussprach und sich deshalb selbst als einzigen „Realpolitiker" bezeichnet hatte 53 , sollte dennoch gerade aufgrund seiner pragmatisch-flexiblen Haltung zu einer schwer berechenbaren Größe für die Saarregierung werden. Dies zeigte sich im Januar 1951, als Kultusminister Emil Straus den Präsidenten des Saarländischen Fußbalibundes in einem Schreiben an Hoffmann als „treibende Kraft" darstellte, die durch eine Pressekampagne eine „prodeutsche Stimmung" erzeugen wolle, um den Saarfußball wieder an Deutschland heranzuführen. Unterstützt werde Neuberger, so Straus in seinem Schreiben, durch den Chefredakteur des Sport-Expreß, Menzel. 54 Letzterer propagierte ebenso wie Neuberger offen die Rückkehr Vgl. Kapitel bei: Harres, Sportpolitik, S. 9 0 - 1 1 2 . A n o n y m u s , Amtliches, in: S p o r t - E c h o , 1 . 7 . 1 9 4 9 Nr. 53, Titelseite. 5 2 Protokoll der Sondersitzung des Landessportverbandes Saar, 3 . 7 . 1 9 4 9 , Archives de l ' O c c u p a tion française en Allemagne et en Autriche, C o l m a r ( A O F A A ) : Haut Commissariat de la R é p u blique française en Sarre, Cabinet politique ( H C Sarre, C a b ) , 100, doc. 117. 50 51
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Ebd. Schreiben Straus an H o f f m a n n , 1 2 . 1 . 1 9 5 1 , L A SB, S t K 2420.
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der saarländischen Vereine in die deutsche Südwestliga. 5 5 Die Artikel der Sportjournalisten reflektierten einen Stimmungswandel bei vielen Vereinen, wie er sich seit der gescheiterten Affiliation angebahnt hatte. Zuvor waren die innovativen Konzepte des H o h e n Kommissariats, die Isolation insbesondere des Volkssports Fußball zu durchbrechen, an der Durchführbarkeit und an der mangelnden Zuschauerresonanz gescheitert. 5 6 Letztlich konnte die Rückkehr des 1. F C Saarbrücken und Borussia Neunkirchens in die deutsche Südwestliga nicht verhindert werden. A m 22. April 1951 verkündete der Saarländische Fußballbund im Sport-Expreß in einer Pressemitteilung die offizielle „Rückkehr". 5 7 Anders als zwei Jahre zuvor fand dieses Mal keine Zensur statt. Die Regierung und Grandval sprachen sich in einer eilig anberaumten Krisensitzung gegen Sanktionen aus, da sonst innenpolitische Konsequenzen befürchtet wurden. 5 8 Die Rolle, welche die Sportpresse in diesem turbulenten Frühling des Jahres 1951 spielte, zeigte sich nicht nur in den personellen Verflechtungen zwischen Presse und Sport. So nutzte Neuberger als Präsident des Saarländischen Fußballbundes die Sportpresse offensichtlich als Kommunikationsplattform. Die Redakteure wurden in ihrer Eigenschaft als Journalisten auch selbst tätig. Im Januar 1951 kontaktierte Fritz Winners vom Sport-Echo die F I F A , um auszuloten, inwieweit grundsätzlich rechtliche Voraussetzungen bestünden, grenzüberschreitende Meisterschaftsrunden auszuspielen. 5 9 Das Antwortschreiben der F I F A , aus dem hervorging, dass bei einem Einverständnis beider Landesverbände grundsätzlich keine Einwände vorzubringen seien, spielte den Unterstützern einer .Rückkehr' in die Hände. Die Aussage wurde auf die Teilnahme saarländischer Vereine am deutschen Spielverkehr umgemünzt und im Sport-Echo veröffentlicht. 6 0 Am 1. August 1951 erschien erstmals die „Sport-Welt" als Nachfolgerin sowohl des Sport-Echo als auch des Sport-Expreß. Begründet wurde die Fusion mit einer neuen Entwicklungsphase des saarländischen Sports, weswegen sich die Redaktionen beider Blätter vereinigt hätten. 6 1 Die Gründe
5 5 Vgl. Erich Menzel, Zwei Wünsche für 1951, in: Sport-Expreß, 2 6 . 1 2 . 1 9 5 0 Nr. 51, Titelseite; ders., Rubrik: Zwischen den Sonntagen, in: Sport-Expreß, 7 . 1 . 1 9 5 1 Nr. 2, Titelseite. 5 6 Vgl. zu den Konzepten: G r o ß m a n n , Sportpolitik, S. 522 f. 5 7 Vgl. Saarländischer Fußballbund, Saarvereine in der Südwestliga!, in: Sport-Expreß, 2 2 . 4 . 1 9 5 1 Nr. 17, Titelseite; Amtliche Mitteilungen des L S V S : Fußball, Vorstand, in: S p o r t - E c h o , 2 2 . 4 . 1 9 5 1 N r . 3 3 , O.S. 5 8 Vermerk einer Besprechung im B ü r o des Ministerpräsidenten, 2 5 . 4 . 1 9 5 1 , L A SB, S t K 2420. 5 9 Schreiben Winners (Sport-Echo) an die F I F A , 2 6 . 1 . 1 9 5 1 , A O F A A , H C Sarre, Cab, 101, doc. 218. 6 0 Schreiben der F I F A an das S p o r t - E c h o , 5 . 2 . 1 9 5 1 und 9 . 2 . 1 9 5 1 , ebd., doc. 226, 233. 6 1 A b 1.August: Aus Sport-Expreß wird Sport-Welt, in: Sport-Expreß, 2 8 . 7 . 1 9 5 1 N r . 3 1 , Titelseite. Die Lizenzierung der im West-Ost-Verlag erscheinenden Zeitung erfolgte am 1 8 . 9 . 1 9 5 1 . Lizenzierung Sport-Welt, L A SB, InfA 401.
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Bernd Reichelt
sind nicht eindeutig und dürften sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich liegen. Kultusminister Straus hatte bereits im Januar 1951 von Hoffmann gefordert, beide Sportzeitschriften zusammenzufassen: „Das politische Moment ist im vorliegenden Falle derart erheblich, dass geschäftliche Rücksichten m.E. schweigen müssen. Nach aussen hin wäre die Zusammenlegung mit finanziellen Erwägungen zu begründen." 62 Andererseits waren die Absatzschwierigkeiten beider Blätter Anfang der 1950er Jahre ein offenes Geheimnis, weswegen wohl letztlich eine Vermengung beider Gründe anzunehmen ist. 63 Auch wenn Neuberger nicht weiter beschäftigt wurde, so blieben dem Sportmagazin Redakteure wie Menzel und Winners erhalten. Winners erhielt Ende Juli 1951 vom Presse-Verlag die knappe Mitteilung, er werde „zum 1.8.51 vom West-Ost-Verlag als Chef vom Dienst zu denselben Bezügen übernommen." 6 4 Dass die Personalpolitik der neuen Sportzeitschrift vom Presse-Verlag betrieben wurde, zeigt die weiterhin bestehende französische Einflussnahme. Als Chefredakteur wurde Ernst Meyer eingestellt, zeitweilig Chef der Informationsabteilung der französischen Militärregierung in Wien. 65 Finanziert wurde die Sport-Welt zum Teil durch französische Stellen. 66
8. Entpolitisierung und Niedergang (1951-1960) Grundsätzlich ist für die Phase nach dem Sommer 1951 eine Entpolitisierung der Sportpresse festzustellen. Am Aufbau einer saarländischen Fußballnationalmannschaft und einer Teilnahme an den Olympischen Spielen hatten der Sport und seine Fachpresse nichts auszusetzen. Letztlich unterstützte der Saarsport in dieser Phase den Autonomiekurs wie kein anderer gesellschaftlicher Bereich. Die Sportpresse selbst hatte dagegen zunehmend mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Am 7. März 1955 stellte die Sport-Welt ihr Erscheinen ein und teilte damit das Schicksal anderer saarländischer Publikumszeitschriften, für welche der Markt in den frühen 1950er Jahren immer Schreiben Straus an Hoffmann, 12.1.1951, L A SB, S t K 2420. So auch Harres. Berwanger sieht die Fusion als Zeichen eines wirtschaftlichen Niedergangs. Vgl. Harres, Sportpolitik, S.138f.; Berwanger, Massenkommunikation, S.209-211. 6 4 Schreiben Presse-Verlag an Winners, 31.7.1951. D a s Schreiben befindet sich im Privatbesitz von Fritz Winners. N a c h Angaben von Fritz Winners war die Gründung der Sport-Welt eine „nebulose Geschichte", von den politischen Hintergründen habe er damals nichts erfahren. Vgl. Interview mit Fritz Winners, 24.6.2008. 6 5 Harres, Sportpolitik, S. 140; Akte Dr. Ernst Meyer, L A SB, InfA 378. 6 6 Natalie Pohl, Die französische Printmedienpolitik an der Saar nach dem Zweiten Weltkrieg, unveröffentlichte Diplomarbeit, Saarbrücken 2008, S. 84. 62
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Abb. 4: Die saarländische Ersatzbank mit Trainer Helmut Schön (zweiter von rechts) beim Auswahlspiel der saarländischen Mannschaft gegen Frankreichs B-Mannschaft in Straßburg 5. Oktober 1952; Saarland gewinnt mit 3:1
enger geworden war. Einerseits hatte die S p o r t - W e l t mit der bundesdeutschen K o n k u r r e n z zu kämpfen. Andererseits verfügten viele lokale und regionale O r g a n i s a t i o n e n ü b e r eigene V e r b a n d s o r g a n e . 6 7 Z u d e m hatten die R e dakteure der S p o r t - W e l t ab 1954 verstärkt mit politischem G e g e n w i n d zu kämpfen. D i e , p r o - d e u t s c h e ' O p p o s i t i o n in F o r m der D e u t s c h e n Saar-Zeitung hatte die B e r i c h t e r s t a t t u n g der S p o r t - W e l t zur F u ß b a l l - W e l t m e i s t e r schaft 1954 zum Anlass g e n o m m e n , sie als „franco-saarländische P r o p a g a n da" anzuprangern und z u m B o y k o t t aufzurufen. D i e Agitation richtete sich insbesondere gegen den R e d a k t e u r F r i t z W i n n e r s , der den neuen Weltmeister D e u t s c h l a n d im Endspiel angeblich des D o p i n g s bezichtigt hatte. 6 8 M i t dem am 3. M ä r z 1955 lizenzierten „ T o t o - S p o r t " , dem Mitteilungsblatt der Saarländischen S p o r t t o t o - G m b H , k o n n t e die saarländische S p o r t f a c h -
Berwanger, Massenkommunikation, S.209. Ab 1950 wurden zahlreiche Sportverbands- und Vereinszeitschriften lizenziert. L A SB, Inf A 401. Der Verein Saarländischer Sportjournalisten gründete sich erst am 14.6.1956. Ebenso spät wurden die saarländischen Sportjournalisten auf der Hauptversammlung des Verbandes Deutscher Sportpresse in Koblenz am 20. bis 2 2 . 3 . 1 9 5 6 in den Verband aufgenommen. Vgl. Verband Deutscher Sportjournalisten, Hg., 1927-2002. Jubiläumsbuch 75 Jahre V D S Verband Deutscher Sportjournalisten e. V., Springe 2002, S. 33, 245. ''8 Vgl. Anonvmus, Massenboykott gegen die Sport-Welt, in: Deutsche Saar-Zeitung, Juli 1954 o.Nr., S.3. Tatsächlich erhielt Winners nach eigenen Angaben einen „Waschkorb voller Briefe" empörter Leser. Vgl. Interview mit Fritz Winners, 2 4 . 6 . 2 0 0 8 . Auch ein 1955 in der D D R publizierter Aufsatz sprach von einem Boykott, der das Blatt zu Fall gebracht hätte. Vgl. Anonymus, Die Entwicklung und Lage der Sportbewegung im deutschen Saargebiet seit dem Jahre 1945, Teile I - I I I , in: Theorie und Praxis der Körperkultur 4:10-12, 1955, S.887. h7
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presse ihr publizistisches Ende noch einmal hinauszögern. Dass der Chefredakteur Hermann Neuberger hieß, deutet an, dass sich die einst verhärteten Fronten aufgeweicht hatten. In der ersten Ausgabe bemerkte dieser, dass er mit dieser Zeitschrift auch die „übrigen Lesenden" der Familie gewinnen wolle, durch Fortsetzungsromane, Humorrubriken, „Film- und Rätselecken". 69 Trotz einer sehr auf den Sport konzentrierten Darstellung diente die Sportzeitschrift in erster Linie dem Saarländischen Fußballbund und seinem Vorsitzenden als Mitteilungsplattform. Neuberger, später langjähriger Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), formulierte in Leitartikeln seine Forderungen nach „absoluter Selbstverwaltung des Sports" 70 , nach Gleichberechtigung des zukünftigen saarländischen Fußballverbandes innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes sowie nach einer eingleisigen Bundesliga. Mit der Eingliederung des Saartotos in den deutschen Totoblock musste die Publikation ihr Erscheinen im Sommer 1957 einstellen. Der seit August 1958 erscheinende Fußball, die „offizielle Monatsschrift des Saarländischen Fußballverbandes", wurde in den 1960er Jahren die einzige periodische Sportzeitung an der Saar. Als Verbandsorgan hatte sie zwar eine verhältnismäßig hohe Auflage, als Alternative zu den Sportteilen der Tageszeitungen konnte der Fußball jedoch nicht gelten. Lediglich die freie Mitarbeit alter .Sportnestoren' wie des 1962 verstorbenen Erich Menzel sorgte mit inzwischen eher retrospektiven Beiträgen für eine gewisse Kontinuität.
9. Zusammenfassung Nirgendwo im ehemaligen Deutschen Reich kam es in der Sportpresse nach 1945 so früh zu einem Neuanfang wie an der Saar. Die Gründe dafür sind in der französischen Saarpolitik zu finden, für deren Ziele sie instrumentalisiert wurde. In den ersten Jahren bemühte sich das Hohe Kommissariat, über das Sport-Echo im französischen Sinne erzieherisch und mit einem .esprit sportif' insbesondere auf die Jugend einzuwirken. Darüber hinaus sollte die Sportpresse den Saarsport publizistisch dabei unterstützen, den Autonomiegedanken auf sportlicher Ebene in den Köpfen der Saarländer zu verankern. Uber Verlagsbeteiligungen und schlichte Personalpolitik konnte die Militärregierung und später das Hohe Kommissariat auf die Gestaltung der Sportzeitschrift Einfluss nehmen. Mit der Sportemanzipation ging auch eine Emanzipation der Sportpresse einher, wie die eigenwillige Gründung des Sport-Expreß zeigt. Spätestens 69 70
Hermann Neuberger, Was wir w o l l e n . . . , in: Toto-Sport, 1 4 . 3 . 1 9 5 5 Nr. 1, S . 2 . Ders., Saarfußball mit klaren Zielpunkten!, in: T o t o - S p o r t , 2 7 . 1 2 . 1 9 5 5 N r . 4 2 , S . 2 .
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seit Herbst 1950 machten sich außerdem Sportredakteure wie Menzel, Winners und Neuberger sportpolitische Positionen zu eigen, welche die Autonomiepolitik des Hohen Kommissariats und der Saarregierung konterkarierten. In den sich wandelnden Standpunkten wird der prozessuale Charakter vermeintlich feststehender Wertvorstellungen und Positionen deutlich. Traten Menzel und Neuberger bis 1949 noch für die Affiliation des Saarsports ein, so forderten sie nur ein Jahr später vehement die Rückkehr des Saarfußballs nach Deutschland. Ebenso wenig wie im Saarsport gab es folglich in der Sportpresse von Anfang an so etwas wie eine genuine ,pro-deutsche' Gesinnung. Ihr Handeln wurde von einem Pragmatismus gesteuert, der je nach Konstellation und Ausgangslage zu anderen Ergebnissen führte. Schließlich ist der Niedergang der regionalen Sportfachpresse seit 1951 weniger auf das Ende des saarländischen Sonderwegs zurückzuführen, als vielmehr auf strukturelle Veränderungen innerhalb der Sportpublizistik. Durch die Konkurrenz sowohl mit der Tagespresse und dem neuen Medium Fernsehen als auch mit der bundesdeutschen Sportpresse und den lokalen Verbands- und Vereinsmitteilungen war für eine saarländische Sportfachzeitschrift auf Jahre hinaus kein Platz mehr.
10. A u s g e w ä h l t e F o r s c h u n g s l i t e r a t u r V o l k e r B e r n a r d i / M a r t i n a F i s c h e r / P e t e r M e y e r , O l y m p i s c h e G e s c h i c h t e d e s Saarlandes, Blieskastel 2004 Dietrich Berwanger, M a s s e n k o m m u n i k a t i o n u n d Politik im Saarland 1945-1959. Ein B e i t r a g z u r U n t e r s u c h u n g „ p u b l i z i s t i s c h e r K o n t r o l l e " , M ü n c h e n 1969 E r i k E g g e r s , D i e G e s c h i c h t e d e r S p o r t p u b l i z i s t i k in D e u t s c h l a n d , in: T h o m a s Schierl, H g . , H a n d b u c h M e d i e n , K o m m u n i k a t i o n u n d S p o r t , S c h o r n d o r f 2 0 0 7 , S. 10-41 J o h a n n e s G r o ß m a n n , S p o r t p o l i t i k i m S a a r l a n d 1 9 4 5 - 1 9 5 4 , in: J a h r b u c h f ü r w e s t d e u t s c h e L a n d e s g e s c h i c h t e 31, 2 0 0 5 , S. 5 0 9 - 5 3 0 W o l f g a n g H a r r e s , S p o r t p o l i t i k an d e r S a a r 1 9 4 5 - 1 9 5 7 , S a a r b r ü c k e n 1 9 9 7 L u d w i g L i n s m a y e r , H g . , D i e G e b u r t d e s S a a r l a n d e s . Z u r D r a m a t u r g i e eines S o n d e r weges, Saarbrücken 2007 B e r n d R e i c h e l t , F u ß b a l l u n d r e g i o n a l e I d e n t i t ä t i m S a a r l a n d d e r 1 9 5 0 e r u n d 1960er J a h r e . E n t w i c k l u n g u n d A n p a s s u n g eines F u ß b a l l v e r e i n s in Z e i t e n d e s b e s c h l e u nigten Wandels a m Beispiel B o r u s s i a N e u n k i r c h e n . Unveröffentlichte D i p l o m a r beit, S a a r b r ü c k e n 2 0 0 7 Siegfried Weischenberg, D i e Außenseiter der Redaktion. Struktur, Funktion und Bed i n g u n g e n d e s S p o r t j o u r n a l i s m u s , B o c h u m 1976
Susanne Dengel
Ja oder Nein? Die saarländischen Zeitungen im Abstimmungskampf 1955
1. Einleitung Im Jahr 2007 feierten die Saarländerinnen und Saarländer den 50. Geburtstag ihres Bundeslandes. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident H o r s t Köhler besuchten als Ehrengäste die Feierlichkeiten, die Post brachte eine Sonderbriefmarke heraus und der saarländische Musicalkomponist Frank Nimsgern komponierte eine Saarlandhymne mit dem Titel „Das Wasser der Saar". 50 Jahre zuvor wurde das Gebiet in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert, nachdem die Saarländer bei der Saarabstimmung am 23. O k t o b e r 1955 dagegen gestimmt hatten, der Saar ein europäisches Statut zu geben. 1 Das Saarstatut war zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Ministerpräsidenten Pierre Mendès France im Rahmen der Pariser Verträge im Herbst 1954 ausgehandelt worden und sah vor, der Saar politische Autonomie zuzusichern. Dieser Kompromiss sollte die so genannte Saarfrage, also die Frage um die Zukunft der Saar, lösen, die schon ab 1950 das deutsch-französische Verhältnis belastete. Bei der Unterzeichnung des Saarabkommens glaubte weder die französische noch die deutsche Regierung, dass die Saarländer die vorgeschlagene Europäisierung ablehnen würden. D o c h die Haltung der Saarländer war weniger eindeutig, als die Politiker dies angenommen hatten. Bei einer ersten Meinungsumfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach im April 1955 äußerten sich 59 Prozent unentschieden, 20 Prozent wollten gegen das Statut stimmen und nur 21 Prozent erklärten, mit J a ' stimmen zu wollen. 2 A m 23.Juli 1955 begann die offizielle Abstimmungskampagne: Die bis dahin verbotenen Parteien, die Demokratische Partei Saar (DPS), die Christlich Demokratische U n i o n ( C D U ) und die Deutsche Sozialdemokratische Partei ( D S P ) gründeten sich neu, schlossen sich zum Heimatbund zusammen und mobilisierten gegen die Annahme des Statuts. Ihnen gegenüber standen die Anhänger des 1 Wilfried Busemann, D e r 23. O k t o b e r 1955 - 50 Jahre danach, Saarbrücken 2007; Paul Burgard, Die G e b u r t eines Landes im Konflikt, in: Ludwig Linsmayer, Hg., Die Geburt des Saarlandes. Zur Dramaturgie eines Sonderweges, Saarbrücken 2007, S. 149-183.
Heribert Schwan, D e r Rundfunk als Instrument der Politik im Saarland 1945-1955, Berlin 1974, S.34f. 2
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Susanne Dengel
Saarstatuts, die Christliche Volkspartei (CVP) des Ministerpräsidenten J o hannes Hoffmann und die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes (SPS). In den zum Teil neu gegründeten Zeitungen 3 trugen die beiden Seiten die Propagandaschlacht aus. Die in diesen Zeitungen vorgebrachten Argumente sollen im Folgenden vorgestellt werden. Zu den Forschungsarbeiten, die wichtige Hinweise für die Untersuchung liefern, gehören die Studien des Forscherteams um Rainer Hudemann und Armin Heinen. Dazu zählt unter anderem der Band „Grenz-Fall", der mit zahlreichen Forschungsaufsätzen zu Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft einen guten Uberblick über die Entwicklung des Saarlandes von 1945 bis 1960 bietet und Forschungsansätze und -Schwerpunkte verdeutlicht. 4 Auch die Studie „Saarjahre", die die Politik und Wirtschaft im Saarland zwischen 1945 und 1955 beleuchtet und bei der Analyse auch Artikel aus den saarländischen Zeitungen berücksichtigt, liefert zentrale Hinweise. 5 Detaillierte Informationen zur saarländischen Pressegeschichte bietet die Studie von Albert H. V. Kraus „Die Saarfrage (1945-1955) in der Publizistik" aus dem Jahr 1988. 6 Kraus zeichnet die Argumentation der Anhänger und Gegner des Statuts anhand ihrer Zeitungen nach. Er verzichtet dabei auf eine klassische Inhaltsanalyse und zeigt stattdessen den argumentativen Verlauf der Abstimmungskampagne am Beispiel zeitgenössischer Schlagworte wie dem des „Separatismus" auf. Die Ergebnisse dieser Studien lassen erwarten, dass sich die Zeitungen im Abstimmungskampf deutlich positionierten. Davon ausgehend wird vorliegender Aufsatz eine Auswahl wiederholt vorgebrachter Argumente ermitteln und vorstellen. Um die Berichterstattung möglichst breit zu erfassen, wurden die auflagenstärksten Zeitungen an der Saar ausgewählt: die „Saar-
Vgl. dazu im Einzelnen den Beitrag von Ines Heisig in diesem Band. Rainer H u d e m a n n / B u r k h a r d J e l l o n n e k / B e r n d Rauls, Hg., Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, St. Ingbert 1997. Vgl. auch: Rainer H u d e m a n n / A r m i n Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes G r o ß m a n n und Marcus H a h n , Hg., Das Saarland zwischen Frankreich und E u r o p a 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Mit einer C D - R o m zum Abstimmungskampf 1955 von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007; Rainer H u d e m a n n / R a y m o n d Poidevin unter Mitarbeit von Annette Maas, Hg., D i e Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte/La Sarre 1945-1955. U n problème de l'histoire européenne, 2. Aufl., München 1995. 3 4
Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1 9 4 5 - 1 9 5 5 , Stuttgart 1996. Vgl. zur internationalen Perspektive: Ulrich Pohlmann, D i e Saarfrage und die Alliierten 1 9 4 2 - 1 9 4 8 , F r a n k furt a. M. 1993; Martin Kerkhoff, Großbritannien, die Vereinigten Staaten und die Saarfrage 1945 bis 1954, Stuttgart 1996. 5
Albert H . V. Kraus, D i e Saarfrage ( 1 9 4 5 - 1 9 5 5 ) in der Publizistik. Die Diskussion um das Saarstatut vom 2 3 . 1 0 . 1 9 5 4 und sein Scheitern in der deutschen, saarländischen und französischen Presse, Saarbrücken 1988. Vgl. auch: Stephan Schölzel, D i e Pressepolitik in der französischen Besatzungszone, 1 9 4 5 - 1 9 4 9 , Mainz 1986, S . 2 1 8 - 2 2 4 . 6
Ja o d e r N e i n ?
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Neueste Nachrichten Die deutsche Heimatzeitung der Saar DUCtMTAO; 34 J Ü M I U I
Für die gerechte Sache im Wahlkampf E Abb.
1:
Titelkopf
der Neuesten
Nachrichten
(26. Juli 1955 Nr. 1)
brücker Zeitung", die „Volksstimme", die „Saarländische Volkszeitung", die „Neuesten N a c h r i c h t e n " , die „Saarbrücker Allgemeine Zeitung" und die „Deutsche Saar". D a nicht alle Ausgaben aus der Zeit des A b s t i m m u n g s kampfes untersucht werden können, beschränkt sich die Analyse auf die letzten beiden Wochen vor der A b s t i m m u n g . Mittels einer Inhaltsanalyse werden alle Darstellungen untersucht, die sich (über eine k u r z e Benennung hinausgehend) auf die Saarabstimmung 1955 bezogen. 7 D u r c h diese zeitliche Begrenzung k ö n n e n zwar n u r Aussagen über die letzte Phase des Abstimmungskampfes getroffen werden, dennoch ermöglicht dieses Vorgehen, G r u n d z ü g e der Berichterstattung herauszustellen und auf allgemeine Tendenzen hinzuweisen.
2. D i e Z e i t u n g s l a n d s c h a f t i m H e r b s t 1955 Das Zeitungsangebot an der Saar war nie so groß wie im Vorfeld der Saarabs t i m m u n g im H e r b s t 1955. Die hier untersuchten sechs Zeitungen gehörten zu den auflagenstärksten an der Saar: Drei sprachen sich f ü r das Saarstatut aus (Saarbrücker Zeitung, Saarländische Volkszeitung, Volksstimme) und drei dagegen (Neueste Nachrichten, Deutsche Saar, Saarbrücker Allgemeine Zeitung). 8 N e b e n diesen Zeitungen erschien w ä h r e n d des A b s t i m m u n g s kampfes die „ N e u e Zeit" der Kommunistischen Partei, die die Pariser Ver7 s
Vgl. W e r n e r F r ü h , Inhaltsanalvse. T h e o r i e u n d Praxis, 6. Aufl., K o n s t a n z 2007. Kraus, Saarfrage, S. 16-25.
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Susanne Dengel
träge aus dem Herbst 1954 einschließlich des Statuts ablehnte. Die übrigen im Sommer 1955 entstandenen kleineren Parteien brachten keine eigenen Blätter heraus. Von anderen Zeitungen wie dem „Saar-Express" erschienen nur wenige Ausgaben. Allerdings gab es in der Bundesrepublik zwei Zeitungen, die sich als oppositionelle Presse an der Saar verstanden: Die in Bad Kreuznach erschienene „Deutsche Saar-Zeitung" thematisierte ausschließlich die Saarfrage. Doch mit Einführung der uneingeschränkten Pressefreiheit an der Saar wurde diese nicht länger als Sprachrohr benötigt. Daneben erschien von 1953 bis 1955 die in Mannheim gedruckte „Freie Saarpresse". 9
3. "Wir sagen J A zum Statut! Die Saarbrücker Zeitung, die unter starkem französischem Einfluss stand, die Saarländische Volkszeitung als Parteiorgan der CVP des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann und die Volksstimme der SPS stellten die publizistische Ja'-Front im Abstimmungskampf dar. Alle drei Zeitungen erschienen sechsmal wöchentlich und gliederten sich in die klassischen Sparten Politik, Wirtschaft, Feuilleton, Sport, Lokales und Sonderseiten zu Themen wie Unterhaltung, Kino, Jugend und Frauen. Ihre Seitenumfänge variierten zum Teil deutlich. Eine Ausgabe der Saarbrücker Zeitung umfasste etwa zehn bis zwölf Seiten, in den Tagen vor der Abstimmung bis zu 22 Seiten. Die Saarländische Volkszeitung war zwischen zehn und 24 Seiten stark. Die Volkstimme erschien werktags mit einem Umfang von acht Seiten, am Wochenende und an den Tagen vor der Abstimmung mit bis zu 20 Seiten. Angesichts des politischen Hintergrundes der Zeitungen überrascht nicht, dass sie ihren Lesern eine Annahme des Statuts empfahlen. Die Inhaltsanalyse der Berichterstattung zeigte, dass neutrale Presseberichte über die Vor- und Nachteile der Saarregelung fehlten und die Zeitungen in (fast) jedem Artikel zur Saarabstimmung eine Wahlempfehlung abgaben. Entgegen der tatsächlichen Stimmungslage an der Saar (laut unabhängiger Umfragen sprachen sich im Oktober 1955 fast zwei Drittel der Befragten gegen das Statut aus 10 ), versuchten die Saarbrücker Zeitung, die Saarländische Volkszeitung und die Volkstimme ihren Lesern zu vermitteln, dass eine Annahme des Statuts wahrHans Walter Herrmann, Die saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 50 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1947-1997, Saarbrücken 1997, S. 41-48; Klaus Altmeyer, Pressefreiheit und Saarpolitik, Presse und Rundfunk im Spannungsfeld des Saarkonflikts 1 9 4 5 - 1 9 5 9 , in: Ebd., S. 77-80. 10 Schwan, Rundfunk, S. 35; Klaus Altmeyer, Die Volksbefragung an der Saar vom 23. Oktober 1955. Entscheidung über das deutsch-französische A b k o m m e n vom 23. Oktober 1954, in: Europa-Archiv 11, 1956, S. 9049-9060, hier S. 9055 f.
9
435
Ja o d e r Nein?
scheinlich sei: „Ablehnung des Statuts nicht zu erwarten", so die Saarbriicker Zeitung vom 13. O k t o b e r 1955." Volksstimme und Saarländische Volkszeitung berichteten am 22. O k t o b e r von einer Befragung eines „anerkannten Fachmanns für Demoskopie", der festgestellt haben sollte, dass 62,4 Prozent der Saarländer mit J a ' , also für die Annahme stimmen wollten. 12 Der N a m e des Fachmanns oder eines Meinungsumfrage-Instituts wurde nicht genannt. Die Journalisten beschrieben die eigenen Wahlveranstaltungen entsprechend als erfolgreich mit einer „überall zahlreich erschienenen Bevölkerung" und „bis auf den letzten Platz" gefüllten Sälen. 13 U n d auch die zu Wort kommenden Leser unterstützten den politischen Kurs: Die Saarbriicker Zeitung enthielt, im Gegensatz zu den beiden anderen Zeitungen, in den beiden Wochen vor der Abstimmung auch Leserbriefe, die sie unter dem Titel „Ja oder Nein - U n sere Leser haben das Wort" abdruckte. Alle Leserbriefe (insgesamt 36) sprachen sich für eine Annahme des Statuts aus. Was waren die Argumente der Statutanhänger? In einer vergleichenden Betrachtung fällt auf, dass die Argumentationen in den Zeitungen der J a ' Presse ähnlich waren. Die Saarbriicker Zeitung, die Saarländische Volkszeitung und die Volksstimme stützten ihre Argumentation auf die deutschfranzösische Aussöhnung und die Förderung der europäischen Integration als von ihnen postulierte Folgen der Statutregelung. Außerdem argumentierten sie mit wirtschaftlichen und sozialen Vorteilen, die sich aus der A n nahme des Statuts ergäben. Entsprechend unterstützten sie den H o f f m a n n Kurs und kritisierten die ,pro-deutschen' Parteien. Wie die drei Zeitungen über die Saarabstimmung im O k t o b e r 1955 berichteten und wie sie ihre Argumente f ü r die Annahme des Statuts in den Presseberichten präsentierten, wird im Folgenden erläutert.
Aussöhnung zwischen Deutschland
und Frankreich
Die Saarbriicker Zeitung, die Saarländische Volkszeitung und die Volksstimme wiesen in zahlreichen Artikeln vor der Abstimmung darauf hin, dass die ,pro-deutschen' Parteien die Abstimmung umdeuteten. „Es stimmt nicht, daß es bei der Volksbefragung u m die Rückgliederung der Saar an Deutschland oder gar eine Angliederung an Frankreich gehe. Diese Frage wird erst
11 A n o n y m u s , A b l e h n u n g des Statuts nicht zu erwarten, in: Saarbriicker Zeitung, 13.10.1955 N r . 238, Titelseite. 12 A n o n y m u s , 62,4 P r o z e n t f ü r JA!, in: Volksstimme, 22.10.1955 Nr.246, S. 17. 13 A n o n y m u s , H o f f m a n n und Z i m m e r auf Wahlversammlungen am Sonntag, in: Saarbriicker Zeitung, 18.10.1955 Nr.242, S.2. Vgl. auch: A n o n y m u s , D e r nationalistische Rausch ist verflogen, in: Volksstimme, 18.10.1955 Nr.242, S.2.
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beim Abschluß des Friedensvertrages geregelt werden." 1 4 Es gehe nur um die Frage, ob die Saarländer das Statut annehmen oder ablehnen würden. Die Journalisten der drei Zeitungen betonten, eine Annahme des Statuts sei entscheidend für die deutsche Aussöhnung mit Frankreich und damit Kernstück der europäischen Einigung, ein ,Nein' hingegen zerstöre die „EuropaHoffnung". 1 5 Im „Aufruf an die Saarbevölkerung" des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, abgedruckt in der Saarländischen Volkszeitung und der Saarbrücker Zeitung am Vortag der Abstimmung, schrieb Hoffmann dazu: „Haltet Euch vor Augen, daß von unserer Antwort auf die uns von Deutschland und Frankreich gestellte Frage das künftige deutsch-französische Verhältnis und der Fortschritt aller europäischen Einigungsbemühungen bestimmt wird." 1 6 Auch in den Artikeln der Volksstimme wurde die Saarabstimmung in erster Linie als Teil der Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich beschrieben. Am 22. Oktober 1955 hieß es in dem auf der Titelseite veröffentlichten Artikel „Europa erwartet von der Saar ein Ja!", die Abstimmung entscheide „nicht nur über das Schicksal des Saarlandes, sondern auch über die deutsch-französische Zusammenarbeit und die Entwicklung der europäischen Sammlung". 17 Häufig verglichen die Presseberichte die Saarabstimmung mit der Abstimmung im Jahr 1935 (bei der sich eine Mehrheit der Saarländer für einen Anschluss an Hitler-Deutschland entschieden hatte) und warfen den ,pro-deutschen' Parteien entsprechend eine nationalistische Gesinnung vor. 18 In zahlreichen Artikeln sprachen die Journalisten auch die Rolle der Kirche und des Glaubens an. Dazu hieß es in der Saarländischen Volkszeitung: „Bei der Abstimmung am Sonntag besteht vom christlichen Gewissen her absolute Freiheit für jeden Abstimmungsberechtigten. Diese Gewissensfreiheit wurde von zuständiger kirchlicher Seite ausdrücklich erklärt. Von gleicher Seite wurde ebenso klar festgestellt, daß es religiöse Pflicht ist, die Rechte der Kirche zu schützen und bei seiner Entscheidung an das Wohl seiner Heimat zu denken. Es gilt also für jeden, sein Gewissen ernsthaft zu prüfen, ob er den Versöhnungsvorschlag der Bundesrepublik und Frankreichs zur Saarfrage annehmen möchte oder nicht." 1 9 1 4 A n o n y m u s , Die Europa-Bewegungen des Saarlandes, U m was geht es bei der Volksbefragung?, in: Saarbrücker Zeitung, 1 5 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 4 0 , S . 3 . 15 A n o n y m u s , N e i n zerstört E u r o p a - H o f f n u n g , in: Saarländische Volkszeitung, 2 1 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 245, Titelseite. 1 6 Johannes H o f f m a n n , Aufruf an die Saarbevölkerung!, in: Saarbrücker Zeitung, 22.10.1955 Nr. 2 4 6 , Titelseite. 1 7 A n o n y m u s , Europa erwartet von der Saar ein J A ! , in: Volksstimme, 2 2 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 4 6 , Titelseite. 1 8 A n o n y m u s , Jungwähler, Jungwählerinnen!, in: Saarländische Volkszeitung, 1 8 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 242, S.6. 19 A n o n y m u s , Ist die Abstimmung eine Gewissensfrage?, in: Saarländische Volkszeitung, 1 8 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 242, S . 6 .
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Ja oder Nein?
Abb. 2: Ja zu Europa: Grafik aus der Saarbriicker Zeitung im Vorfeld der Saarabstimmung im Oktober 1955 (22. Oktober 195Ï Nr. 246, S. 9)
D i e I n h a l t s a n a l y s e zeigte, dass die S t a t u t a n h ä n g e r sich in d e r B e r i c h t e r s t a t t u n g a u c h auf A d e n a u e r b e z o g e n u n d ihn als K r o n z e u g e n f ü r i h r e A r g u m e n t a t i o n n u t z t e n . D a d e r B u n d e s k a n z l e r das S t a t u t ö f f e n t l i c h u n t e r s t ü t z t e , k o n n t e n sie ihn d i r e k t f ü r ihre W a h l w e r b u n g e i n s e t z e n . Sie v e r s c h w i e g e n dabei j e d o c h A d e n a u e r s negative B e u r t e i l u n g d e r H o f f m a n n - R e g i e r u n g . 2 C D i e Journalisten zogen neben A d e n a u e r auch weitere bundesdeutsche Politiker als A r g u m e n t a t i o n s s t ü t z e n h e r a n . D i e S a a r b r ü c k e r Z e i t u n g v e r f ü g t e s o g a r ü b e r eine eigene R u b r i k m i t d e m T i t e l „ B o n n e r P o l i t i k e r z u m S t a t u t " , die o f t m a l s auf der T i t e l s e i t e e r s c h i e n . 2 1 B e v o r erläutert w i r d , w i e die Z e i t u n g e n die w i r t s c h a f t l i c h e n u n d s o z i a l e n F o l g e n e i n e r A n n a h m e des S t a t u t s b e s c h r i e b e n , soll auf e i n e M e i n u n g s u m frage des W i c k e r t - I n s t i t u t s in T ü b i n g e n h i n g e w i e s e n w e r d e n , die k u r z e Z e i t
Vgl. zum Beispiel: A n o n y m u s , S t i m m e n der G r o s s e n 2 2 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 4 6 , S. 16. 21
Vgl. Saarbrücker Zeitung, 1 9 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 4 3 , Titelseite.
zur Abstimmung,
in:
Volksstimme,
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nach der Saarabstimmung durchgeführt wurde. Die Umfrage kam zu dem Ergebnis, dass einer Mehrheit von 70 Prozent der ,Nein-Sager' das Statut zu französisch geprägt gewesen war, nur sechs Prozent nannten eine enge gefühlsmäßige Bindung zu Deutschland als Grund. 22 Entsprechend kann angenommen werden, dass die Saarländer die versprochene Autonomie im Rahmen einer europäischen Konstruktion (insbesondere nach Wegfall einer Europäischen Politischen Gemeinschaft, wie sie in der 1954 gescheiterten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft noch vorgesehen war) als ungewiss wahrgenommen hatten. 23 Wirtschaftliche und soziale Faktoren In der Berichterstattung standen neben der Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland wirtschaftliche und soziale Aspekte im Vordergrund der Argumentation für eine Annahme des Statuts. Die Journalisten der Saarbrücker Zeitung schrieben, das Statut fördere „Verständigung und den Frieden" und das sei wiederum gleichbedeutend mit der Förderung der saarländischen Wirtschaft. 24 In einem Beitrag, der im Vorfeld der Abstimmung in allen drei Zeitungen abgedruckt war, hieß es: „Nicht nur aus politischen Gründen, sondern aus mindestens ebenso starken wirtschaftlichen Gründen muss das Europäische Saarstatut bejaht werden." 2 5 Immer wieder zeigten Berichte anhand zahlreicher Grafiken zu jedem Wirtschaftszweig auf, dass der Export nach Frankreich überlebensnotwendig für die saarländischen Unternehmen sei. Eine Beilage zur Saarwirtschaft der Saarbrücker Zeitung thematisierte die enge wirtschaftliche Verbindung zwischen Saar und Frankreich hinsichtlich der Stahlindustrie und der Bergwerke. 26 Diese habe wiederum positive Auswirkungen auf kleinere und mittlere Unternehmen, also auf Gewerbe, Handel und Handwerk. In einzelnen Artikeln wurden eine Reihe von gesellschaftlichen Gruppen wie Berg- und Kaufleute, Handwer-
Armin Heinen, Politische, kulturelle und ökonomische Voraussetzungen wirtschaftlicher Integration. Das Saarland im französischen Wirtschaftsraum 1 9 4 5 - 1 9 5 6 , in: Rainer H u d e m a n n / H a r t mut Kaelble/Klaus Schwabe, Hg., Europa im Blick der Historiker, München 1995, S. 129-142, hier S. 141.
22
Vgl. weiterführend zum Projekt der Europäischen Politischen Gemeinschaft: Ulrich Lappenküper, Die deutsch-französischen Beziehungen 1949-1963: Von der „Erbfeindschaft" zur „Entente élémentaire", Bd. 1, München 2001, S . 2 7 7 - 3 1 5 . 2 4 Anonymus, Hoffmann und Zimmer auf Wahlversammlungen am Sonntag, in: Saarbrücker Zeitung, 1 8 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 242, S.2. 2 5 Franz Ruland, Die einmalige Chance. Die Bundesrepublik und Frankreich reichen uns mit dem Statut die Hand, in: Saarbrücker Zeitung, 2 0 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 4 4 , S. 13-15. 2 6 Vgl. Beilage „Die Saarwirtschaft ist unser Schicksal", in: Saarbrücker Zeitung, 20.10.1955 Nr.244. 23
Ja oder N e i n ?
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ker, Bauern, Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, Hausbesitzer, Frauen und Rentner explizit angesprochen. So hieß es zum Beispiel in der Volksstimme unter dem Titel „Frauen, verteidigt Eure soziale Gerechtigkeit": „Daß all diese Frauen und Kinder im Saarland in eine bis jetzt ζ. B. von keinem Land der Bundesrepublik erreichte staatliche Betreuung genommen worden sind, ist unbestrittene Tatsache. Für 98 Prozent der Witwen (insbesondere für die unter 40 Jahren) und 99 Prozent der Waisen gilt der große Vorsprung der saarländischen Hinterbliebenenrente. Das gleiche trifft übrigens zu für die Alterszulagen, Frauen- und Kinderzulagen." 2 7
Die Journalisten erwähnten allerdings nicht den Wirtschaftsaufschwung in der Bundesrepublik, der anziehend auf die saarländische Bevölkerung wirkte. Wenn sie die deutsche Wirtschaft thematisierten, bewerteten sie diese als negativ. Die Volksstimme kommentierte die wirtschaftliche Situation Deutschlands zum Beispiel wie folgt: „Das deutsche Wirtschaftswunder zeigt seine Kehrseite - Die wirtschaftliche Euphorie der Bundesrepublik hat sicherlich ihren Höhepunkt erreicht, und das Wirtschaftswunder bedarf jetzt einiger Korrekturen, damit es nicht zum Schluß ins Gegenteil umschlägt." 28
Unter der Uberschrift „Westdeutschlands Lage sehr ernst" beschrieb die Saarländische Volkszeitung am 20. Oktober 1955 die wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik als beunruhigend. 2 9 Wie realitätsnah war diese Beschreibung der wirtschaftlichen Situation in der Presse der Statutanhänger? In der Tat war es so, dass die Saar nach 1945 im Hinblick auf die zu erwartende wirtschaftliche Fusion mit Frankreich eine Vorzugsbehandlung in der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Rohstoffen und industriellen Zwischenprodukten genoss. Und sicherlich verband der gemeinsame Markt nach Vollendung der französisch-saarländischen Wirtschaftsunion am 1. April 1948, so wie die ,Ja-Sager'-Zeitungen es beschrieben, die Saar mit Frankreich. Der Historiker Armin Heinen vertritt allerdings die These, dass trotz des gemeinsamen Marktes die Wirtschaftsunion scheiterte, weil eine Verflechtung der Unternehmensstrukturen misslang und zu viele ökonomische Sachverhalte der politischen Regelung bedurften. Eine Saareingliederung hatte, so Heinen, nur in einer Zeit der Mangelwirtschaft und des staatlichen Dirigismus Sinn gemacht. 30 Heinen weist 27
A n o n y m u s , Frauen, verteidigt Eure soziale Gerechtigkeit, in: Volksstimme 15.10.1955 N r . 240, S.6. 28 A n o n y m u s , „Weltwoche" sagt Exportschwierigkeiten f ü r Bundesrepublik voraus, in: Volksstimme, 15.10.1955 Nr.240, S.2. 29 A n o n y m u s , Westdeutschlands Lage sehr ernst, in: Saarländische Volkszeitung, 20.10.1955 N r . 244, S. 22. 30 Heinen, Politische, kulturelle u n d ö k o n o m i s c h e Voraussetzungen, S. 133 f.
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auch darauf hin, dass die personelle Kontrolle sowohl der Gruben als auch der sequestrierten Unternehmen an der Saar deren relativ schwache Einbindung in den französischen Wirtschaftskreislauf zeigte. Von Autonomie konnte laut Heinen nicht die Rede sein, solange die Warndtfelder in französischer Hand blieben und das Völklinger Hüttenwerk in deutsch-französischen Besitz überging. 31 Die Folgen einer Ablehnung
des Statuts
Wie schätzten die Journalisten die möglichen Folgen einer Ablehnung des Statuts ein? Die drei Zeitungen beschrieben die Folgen des Neins als chaotisch. So schrieb die Volksstimme am 20. Oktober 1955: „Nein-Mehrheit brächte Chaos". 3 2 Die Saarländische Volkszeitung warnte sogar vor „bürgerkriegsähnlichen Zuständen". Denn eine Ablehnung des Statuts führe nicht zu einer Eingliederung in die Bundesrepublik. 33 Die Saarbrücker Zeitung schätzte die politische Situation vergleichbar ein: „Wer aber an der Saar sich einreden lässt, ein Nein, also eine Ablehnung des Europäischen Statuts für die Saar, sei gleichbedeutend mit der baldigen Rückgliederung seiner engeren Heimat an Deutschland, würde im Falle einer Ablehnung bittere Enttäuschung erleben." 3 4
Vielmehr vermittelten die Zeitungen dem Leser, ein ,Nein' bedeute die Beibehaltung des Status quo und auf absehbare Zeit keine neuen Verhandlungen. 35 In einem Sonderblatt zur Saarabstimmung hieß es in der Saarländischen Volkszeitung auf die Frage, welches die Folgen des Neins wären: „1. Unfriede zwischen Deutschland und Frankreich, Scheitern der europäischen Versöhnungspolitik! 2. Triumph der Nationalisten in Deutschland und in Frankreich. Dadurch Triumph Moskaus, das die Ablehnung des Saarstatuts sehnlichst herbeiwünscht! 3. Politische Unsicherheit an der Saar selbst. Vermutlich Unruhen, Streiks usw.! 4. Als Folge davon eine schwere Wirtschaftskrise mit all ihren Folgen: Produktionsrückgang, Arbeitslosigkeit usw." 3 6 Ders., D i e Saarfrage und das E u r o p a der Vaterländer. Diskurslogiken, gesellschaftliche Veränderungen und die Pariser Außenministerkonferenz, in: Hélène Miard-Delacroix/Rainer H u d e mann, Hg., Wandel und Integration. Deutsch-französische Annäherungen der fünfziger J a h r e / Mutations et Intégration. Les rapprochements franco-allemands dans les années cinquante, M ü n chen 2005, S. 125-137, hier S. 134f. 31
A n o n y m u s , N e i n - M e h r h e i t brächte „ C h a o s " , in: Volksstimme, 2 0 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 4 4 , Titelseite. Peter Pfeiffer, Letzter Appell, in: Saarländische Volkszeitung, 2 2 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 246, Titelseite. 3 4 A n o n y m u s , Das ist der Sinn der Abstimmung, in: Saarbrücker Zeitung. 1 7 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 4 1 , S.2. 35 Ebd. 32
33
A n o n y m u s , Saarländische Männer und Frauen: Wir beantworten Eure Fragen!, in: Saarländische Volkszeitung, 1 8 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 242, S . 5 . 36
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Ja oder Nein?
So sieht Dein Stimmzettel am 23. Oktober aus: Stimmzettel für die Volksbefragung über das Europäische Statut für das Saarland am 23. Oktober 1955
Billigen Sie das mit Zustimmung der Regierung des Saarlandes zwischen der Regierung der
Ja
Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik am Î3. Oktober 1954
Nein
^
^
vereinbarte Europäische Statut für das Saarland! Keine Streichungl Keine Bemerkungl Kein Zusatz! W e d e r auf dem Stimmzettel noch auf dem Umschlag. Dein Kreuz in den oberen Kreis neben d a s Jol D a n n wählst D u richtigl W ä h l t alle gültig)
Abb. 3: Ein angekreuzter Stimmzettel, wie er in allen Ja-Sager'-Zeitungen abstimmung im Oktober 1955 abgedruckt war
im Vorfeld der Saar-
N a c h d e m die Berichterstattung der Statutanhänger im Herbst 1955 erläutert wurde, stehen im nächsten Kapitel die Ergebnisse der Inhaltsanalyse der Zeitungen der ,Nein-Sager' im Vordergrund. Dabei zeigen sich in den Argumentationsformen deutliche Parallelen.
4. W i r sagen N E I N z u m Statut! Die Neuesten Nachrichten der CDU-Saar, die Saarbriicker Allgemeine Zeitung der DSP und die Deutsche Saar der DPS gehörten zur ,Nein'-Front im Abstimmungskampf. Die drei Zeitungen unterschieden sich zum Teil deutlich in Aufbau, Themenspektrum und Schreibstil: Die Neuesten Nachrichten erschienen sechsmal wöchentlich. Eine Ausgabe umfasste an Werktagen im Schnitt zehn bis zwölf Seiten, an den Wochenenden 16 Seiten. Die Berichterstattung gliederte sich in Politik, Wirtschaft, Feuilleton, Sport, Regionales und Lokales. Darüber hinaus gab es Sonderseiten wie „für Sie, liebe
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Leserin". Die Saarbrücker Allgemeine Zeitung brachte an den Werktagen täglich eine Ausgabe von acht Seiten heraus. Die Wochenendausgabe der Zeitung war zwischen zwölf und 16 Seiten stark. Die Saarbriicker Allgemeine Zeitung verfügte über eine ausdifferenzierte Spartengliederung und ein breites Themenspektrum. Die Deutsche Saar erschien hingegen nur zweibis viermal wöchentlich. Bei den etwa vier bis acht Seiten umfassenden Ausgaben entfiel jede Spartentrennung: Das Blatt widmete sich in vollster Breite dem Kampf gegen die Annahme des Statuts. Grafiken, Bilder und Karikaturen gehörten zum festen Bestandteil der Zeitungsseiten. Große Uberschriften, Artikelumrahmungen und Hervorhebungen innerhalb von Textpassagen lockerten die Seiten weiter auf. Die Inhaltsanalyse ergab, dass die drei Zeitungen wie erwartet nicht neutral über die Abstimmung berichteten, sondern den Lesern eine Ablehnung des Saarstatuts empfahlen. Trotz der aufgezeigten Unterschiede zwischen den drei Zeitungen zeichneten sie sich hinsichtlich ihrer Haltung zur Saarabstimmung durch ähnliche Argumentationslinien aus. Eine Reihe von Beiträgen und Grafiken wie die bereits mit Nein angekreuzten Stimmzettel wurden in allen drei Zeitungen abgedruckt. Der systematische Vergleich der Zeitungen zeigte auch, dass die ,Nein'-Front im Abstimmungskampf die gleichen argumentativen Mittel einsetzte wie die Befürworter des Statuts: Auch sie versuchte dem Leser im Vorfeld der Abstimmung zu vermitteln, dass ihre Haltung von der Mehrheit der Saarländer geteilt werde. Entsprechend gaben die Saarbriicker Allgemeine Zeitung, die Neuesten Nachrichten und die Deutsche Saar an, dass eine Ablehnung des Statuts zu erwarten sei. Zahlreiche Artikel berichteten über erfolgreiche Wahlveranstaltungen der ,Nein-Sager' an der Saar. Typische Uberschriften von Artikeln lauteten zum Beispiel „Die Röchling-Stadt sagt .Nein' zum Saarstatut. 2000 begeisterte Teilnehmer an einer Kundgebung des Heimatbundes", „Alle sagen .Nein'" und „Saarbergleute sagen Nein". 3 7 Demgegenüber beschrieben die Journalisten die Veranstaltungen der gegnerischen Parteien ausnahmslos als schlecht besucht. Die Saarbriicker Allgemeine Zeitung bezeichnete eine Versammlung der ,Ja'-Sager wenige Tage vor der Abstimmung als „Separatistenpleite"; es seien weniger als 80 Zuhörer anwesend gewesen. 38 Die Leserbriefe vervollständigten das Bild. Denn alle Verfasser von Leserzuschriften sprachen sich gegen die Annahme des Statuts aus. Gegenstimmen gab es keine. Die Neuesten Nachrichten präsentierten die Leserbriefe unter dem eindeuAnonymus, Die Röchling-Stadt sagt Nein zum Saarstatut, in: Neueste Nachrichten, 22.10.1955 Nr. 76, S. 6; Anonymus, Alle sagen „Nein", in: Saarbriicker Allgemeine Zeitung, 21.10.1955 Nr. 57, S.2; Anonymus, Saarbergleute sagen N E I N , in: Deutsche Saar, 11.10.1955 Nr. 23, S.2. 3 8 Anonymus, Separatistenpleite in Dillingen, in: Saarbriicker Allgemeine Zeitung, 20.10.1955 Nr. 56, S. 6. 37
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tigen Titel „Sie sagen alle Nein". 3 9 U m zu überprüfen, inwieweit das in den Zeitungen gegebene Stimmungsbild mit der tatsächlichen Haltung der Saarländer zur Saarabstimmung übereinstimmte, dient ein Vergleich mit Umfrageergebnissen aus dem September und Oktober 1955. Diese deuten darauf hin, dass das mediale Bild zwar in der Tendenz richtig, aber dennoch deutlich überzogen war. Denn wie bereits erwähnt, lehnten laut den Umfrageergebnissen nur knapp zwei Drittel der Befragten das Statut ab. 40 Die Saarbrücker Allgemeine Zeitung, die Neuesten Nachrichten und die Deutsche Saar besetzten innerhalb der publizistischen Diskussion um das Saarstatut gemeinsame Themen: Häufig verknüpften die Journalisten ihre Kritik am Statut mit einer Kritik an der saarländischen Regierung unter Johannes Hoffmann, die das Statut unterstützte. Sie argumentierten mit wirtschaftlichen und sozialen Vorteilen, die sich aus der Ablehnung des Statuts ergäben, und betonten die Zugehörigkeit der Saar zu Deutschland. Wie die drei Zeitungen diese Argumente präsentierten und welches Bild sie von der Saarabstimmung im Oktober 1955 zeichneten, behandeln die folgenden Abschnitte.
Die Saar und Deutschland Zahlreiche Artikel in den drei Zeitungen befassten sich mit den Folgen einer Ablehnung des Statuts. Immer wieder wurde den Lesern versichert, dass ein ,Nein' zum Statut gleichbedeutend mit der Abwahl der saarländischen Regierung sei. Die Neuesten Nachrichten schrieben zum Beispiel „Wir sagen .Nein' zum Saarstatut, weil wir damit der Regierung Hoffmann-Hector, die zehn Jahre lang jede Freiheitsregung unterdrückte, die Grundlage entziehen". 41 Die Deutsche Saar setzte im Vergleich zu den beiden anderen Zeitungen verstärkt grafische Elemente ein und druckte zahlreiche Karikaturen ab, die Hoffmann als Ausbeuter der Saar im Auftrag Frankreichs darstellten. 42 Die Journalisten der drei Zeitungen folgerten gleichermaßen, dass es nach der Ablehnung des Statuts zu neuen Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich kommen werde, die schließlich in einem Anschluss der Saar an die Bundesrepublik mündeten. 4 3 „Bei Ablehnung des Statuts neue Verhandlungen!" so die Schlagzeile der Saarbrücker Allgemeinen Zeitung 39
Neueste Nachrichten, 19.10.1955 N r . 73, S.4. Schwan, R u n d f u n k , S.35; Altmeyer, Volksbefragung, S. 9055 f. 41 Deutscher H e i m a t b u n d , W a r u m „ N e i n " z u m Saar-Statut?, in: Neueste Nachrichten, 22.10.1955 Nr. 76, Titelseite. 42 Stellvertretend f ü r andere: A n o n y m u s , o.T., in: Deutsche Saar, 18.10.1955 Nr.27, S.3. 43 A n o n y m u s , Politische Freiheiten auch beim N E I N garantiert, in: Deutsche Saar, 22.10.1955 N r . 29, S. 2. 40
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am 11. Oktober 1955. 44 Die Neuesten Nachrichten analysierten die politische Lage vergleichbar: „Nach dem .Nein' neue Verhandlungen. In der Politik darf es kein .Niemals' geben - Saarfrage nicht dramatisieren", hieß es auf der Titelseite der Ausgabe vom 17. Oktober 1955. 45 Die drei Zeitungen befürworteten einen Anschluss an die Bundesrepublik, denn die Saar sei ein Teil des Volks-, Sprach-, Kultur- und Geschichtsraums von Deutschland. 46 Die Journalisten appellierten wiederholt an das .christliche Bewusstsein' und versuchten mit dem Schlagwort des Vaterlandes an die Zugehörigkeit zu Deutschland zu erinnern. Die Saarbrücker Allgemeine Zeitung schrieb zum Beispiel in Großbuchstaben „Beweise Deine Treue zum deutschen Vaterland durch ein Nein" 4 7 und die Deutsche Saar druckte ein Gebet mit dem Titel „Verbinde, was getrennt ist" und ergänzte es durch ein Bild von Bundesrepublik, D D R und der Saar.48 An anderer Stelle zitierte die Deutsche Saar das Hirtenwort des Erzbischof Rudolf Bornewasser vom März 1947, in dem es hieß: „Die Vaterlandsliebe ist der Kindesliebe zu den Eltern verwandt. Gott hat sie an die erste Stelle auf die zweite Tafel der zehn Gebote geschrieben. Es steht dem Menschen also nicht frei, ob er sein Vaterland lieben will oder nicht. Vaterlandsliebe ist keine Nützlichkeitserwägung, sondern eine religiöse Pflicht." 4 9
Die drei Zeitungen wiesen die Vorhaltung der Gegner, Vaterlandsliebe komme Nationalismus gleich, zurück. Den Vorwurf der Unterstützung des Kommunismus drehten sie um und schrieben, dass allein ein ,Ja' den Kommunisten helfe, denn es verbessere die Stellung der Sowjetunion in einem kommenden Friedens vertrag. 50 Bemerkenswert ist, dass auch die Statutgegner Adenauer als Kronzeuge für ihre Argumentation nutzten. Obwohl sie sich kaum auf seine öffentliche Darstellung berufen konnten, benannten die Journalisten der drei Zeitungen den Kanzler als ihren Unterstützer oder zitierten einzelne seiner Aussagen. Auf diese Weise griffen sie auch die Diskussion um Adenauers vermeintliche Doppelstrategie auf und suggerierten dem Leser, der Kanzler hoffe heimlich auf eine Ablehnung des Statuts. Der A n o n y m u s , Bei Ablehnung des Statuts neue Verhandlungen!, in: Saarbrücker Allgemeine Zeitung, 1 1 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 48, Titelseite. 4 5 A n o n y m u s , N a c h dem .Nein' neue Verhandlungen, in: Neueste Nachrichten, 1 7 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 71, Titelseite. 4 6 H e r b e r t Hoppstädter, Die Saar gehört zu Deutschland, in: Saarbrücker Allgemeine Zeitung, 14.10.1955 Nr.51, S.2. 4 7 A n o n y m u s , o . T . , in: Saarbrücker Allgemeine Zeitung, 2 0 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 56, S. 5. 4 8 A n o n y m u s , „Verbinde, was getrennt ist", in: Deutsche Saar, 1 1 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 23, S. 8. 4 9 Aus dem Hirtenwort des H . H . Erzbischofs Rudolf Bornewasser vom M ä r z 1947, abgedruckt in: Deutsche Saar, 1 8 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 7 , Titelseite. 5 0 Deutscher Heimatbund, 15 Lügen um das „europäische" Statut: Lüge 13: „ N e i n " hilft den Kommunisten, in: Neueste Nachrichten 1 8 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 72, S . 2 . 44
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Abb. 4: Karikatur aus der Deutschen Saar (11. Oktober 1955 Nr. 23, S. Í)
Bezug auf Adenauer ermöglichte gleichzeitig, dessen Kritik an der Hoffmann-Regierung in Erinnerung zu rufen. 51 Betrachtet man die Schilderung der Folgen einer Ablehnung des Saarstatuts in der ,Nein-Sager' Presse zusammenfassend, zeigt sich, dass die Journalisten der Saarbrücker Allgemeinen Zeitung, der Neuesten Nachrichten und der Deutschen Saar die Abstimmung umgedeutet hatten: Gegenstand der Abstimmung war ausschließlich die Frage der Annahme oder Ablehnung des Statuts. O b die Saarländer eine Eingliederung in die Bundesrepublik wünschten, darüber wurde nicht abgestimmt. 52 Wirtschaftliche und soziale Fragen Auch bei den Statutgegnern standen soziale und wirtschaftliche Fragen der Statutsregelung im Zentrum der Berichterstattung: In zahlreichen Beiträgen 51 Vgl. zur Debatte um Adenauers vermeintliche Doppelstrategie: Winfried Schumacher, Konrad Adenauer und die Saar, in: Hudemann/Poidevin, Die Saar, S . 6 7 - 7 4 ; Albert H . V. Kraus, Konrad Adenauer und die Saarfrage in der Entscheidungsphase 1954/55, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 29, 1981, S . 2 1 7 - 2 4 2 , hier S . 2 2 4 - 2 3 7 ; B r u n o T h o s s , Die Lösung der Saarfrage 1954/55, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ) 38, 1990, S . 2 2 5 - 2 8 8 .
Das deutsch-französische A b k o m m e n über das Statut der Saar ist abgedruckt in: Europa Archiv 9, 1954, S. 7 0 2 0 - 7 0 2 2 . 52
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verknüpften die Journalisten diese beiden Aspekte miteinander, so hieß es in den Neuesten Nachrichten zum Beispiel: „Was ihr braucht - Was alle brauchen ist soziale Sicherheit. Unter Hoffmann und Hector ist keine Sicherheit möglich. Auch das Saar-Statut verlängert den Zustand der Ungewissheit und Unsicherheit bis zu einem zweifelhaften Friedensvertrag. Was Ihr braucht - was unsere Wirtschaft braucht, sind klare Verhältnisse. Sie alleine sind die Voraussetzung dafür - dass ausreichend Kapital an die Saar fließt - und unsere Wirtschaft modernisiert werden kann - dass unsere Betriebe konkurrenzfähig werden und die Arbeitsplätze erhalten werden können. Nur eine konkurrenzfähige Wirtschaft kann soziale Sicherheit garantieren, denn an sozialen Leistungen kann nur das verausgabt werden, was die Wirtschaft erarbeitet." 53
Neueste Nachrichten, Saarbrücker Allgemeine Zeitung und Deutsche Saar argumentierten, ein .Nein' zum Saarstatut sei für die Saar wirtschaftlich besser. Sie gaben vor, die Industrie und insbesondere die Gruben seien vollkommen veraltet und notwendige Investitionen, durch die die Saarwirtschaft konkurrenzfähig werde, würden von Frankreich nicht aufgebracht. 54 Die saarländischen Wirtschaftsbeziehungen zu Frankreich deuteten die Journalisten als Abhängigkeit und leiteten in einigen Presseberichten aus der starken personellen Repräsentanz Frankreichs in der saarländischen Wirtschaft eine koloniale Situation ab. 55 In dieser Diskussion nahm das Warndtproblem einen besonderen Stellenwert ein. Die ,pro-deutschen' Parteien nahmen Bezug auf die französisch-saarländischen Konventionen aus dem Jahr 1950, die eine Verpachtung der Warndtfelder an den lothringischen Kohlebergbau vorsahen, und warfen Johannes Hoffmann vor, er lasse zu, dass die Saar von den Franzosen ausgebeutet werde. 56 Die Deutsche Saar druckte zum Beispiel eine Karikatur ab, die den saarländischen Ministerpräsidenten als Bergmannssohn darstellte, der die Kohle aus dem Warndt verkauft. 57 Eine Reihe von Artikeln versuchte zu vermitteln, die Bundesrepublik (nicht Frankreich) sei aufgrund des westdeutschen Wirtschaftswunders der bessere Partner für die Saar.58 So seien zum Beispiel die Renten der Bergleute in der Bundesrepublik höher als an der Saar. Die von der gegnerischen Presse angeführte Gefahr des Verlustes von Arbeitsstellen sei nicht realistisch. Bei kurzzeitig auftretenden wirtschaftlichen Problemen würde die Bundesrepublik Wirtschaftshilfe leisten. Die Presseberichte charakterisierten FrankAnonymus, o.T., in: Neueste Nachrichten, 1 9 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 78, S. 7. Anonymus, Kohlechemie wurde an der Saar nicht entwickelt, in: Saarbrücker Allgemeine Zeitung, 1 3 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 50, S. 7. 5 5 Anonymus, Das ist Wehrpflicht für die Saar!, in: Deutsche Saar, 1 8 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr.27, Titelseite. 56 Anonymus, Kohlenklau im Warndt, in: Deutsche Saar, 1 5 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 25, S.3f. 5 7 Anonymus, o.T., in: Deutsche Saar, 1 1 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr.23, Titelseite. 5 8 Vgl. dazu stellvertretend für andere die Beilage „Saarstatut bedeutet Saarfiasko", in: Saarbrücker Allgemeinen Zeitung, 1 5 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr.52. 53
54
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Abb. 5: Die Demonstrationen men an: Die Pressefotografen
gegen das europäische Statut nahmen teilweise handgreifliche Formit Stahlhelm gaben sich deutlich als Pressevertreter zu erkennen
reichs R e g i e r u n g hingegen als instabil und wiesen häufig auf die G e f a h r einer Inflation hin. 5 9 U n t e r dem Titel „ D a s müssen wir F r a u e n wissen! Stabile R e n t e n - G e s u n d e Lohnverhältnisse - Bdiigere L e b e n s m i t t e l in D e u t s c h land" war in den N e u e s t e n N a c h r i c h t e n zu lesen: „ D a s w i r d j e d e r v e r n ü n f t i g d e n k e n d e n H a u s f r a u b e w e i s e n , d a ß sie u n d ihre F a m i l i e in d e r B u n d e s r e p u b l i k m i t i h r e r s t a b i l e r e n W ä h r u n g , i h r e m h ö h e r e n
Lohnniveau,
der billigeren L e b e n s h a l t u n g und ihren wirtschaftlichen Sicherungen am besten aufg e h o b e n ist . . . I n d e r B u n d e s r e p u b l i k l i e g e n d i e P r e i s e d u r c h s c h n i t t l i c h 2 0 bis 6 0 % unter den Verbraucherpreisen
des Saargebietes
...
Weitere
gewaltige
Preisunter-
schiede zu G u n s t e n des B u n d e s d e u t s c h e n liegen v o r bei: M e h l , Käse, H ü l s e n f r ü c h ten, F l e i s c h - und W u r s t w a r e n , O b s t - und G e m ü s e k o n s e r v e n . " 6 3
D i e s e Presseberichte schilderten die wirtschaftliche Situation in der B u n d e s republik t r o t z aller Einseitigkeit realitätsnah: Z e h n J a h r e nach Kriegsende florierte die deutsche Wirtschaft, der Lebensstandard erreichte französisches Niveau und die Arbeitslosigkeit schien besiegt. D a s W i r t s c h a f t s w a c h s t u m
^ Vgl. A n o n y m u s , D i e f r a n z ö s i s c h e W ä h r u n g , in: N e u e s t e N a c h r i c h t e n , 2 0 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 74, S.6. A n o n y m u s , D a s m ü s s e n w i r F r a u e n wissen!, in: E b d . , S.7.
6i
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Susanne Dengel
und die Exportüberschüsse stärkten das Vertrauen in die Stabilität der deutschen Währung. 61 Folgen einer Annahme des Statuts Wie schätzten die Journalisten die möglichen Folgen einer Annahme des Statuts ein? Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse zeigen, dass die drei ,prodeutschen' Zeitungen die dauerhafte Trennung der Saar von Deutschland als Hauptfolge der Annahme des Statuts ausmachten. Die Deutsche Saar schrieb zum Beispiel: „Niemals wird es eine Rückkehr zu Deutschland geben", da Frankreich die Unterzeichnung des Friedensvertrages davon abhängig machen werde, dass die Trennung der Saar von Deutschland dauerhaft sei. 62 Die Zukunft im Rahmen des europäischen Statuts stellten die Journalisten als ungewiss dar. Die Neuesten Nachrichten beschrieben zum Beispiel das Statut als „ein Buch mit sieben wachsweichen Siegeln". Es sei unklar, vieldeutig und widersprüchlich. Die Saar werde durch die Statutregelung kein Bindeglied zwischen Deutschland und Frankreich, sondern ein Gummiband, an dem hin- und hergezogen werde. 63 Alle drei Zeitungen begrüßten ein Entstehen eines vereinten Europas, sahen aber als Bedingung den Anschluss der Saar an die Bundesrepublik an. Aus heutiger Sicht ist schwer zu beurteilen, was aus der Saar nach Annahme des Statuts geworden wäre. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass Bundeskanzler Adenauer durch seine konsequente Politik der Europäisierung eine dauerhafte Abtrennung der Saar zwar nicht beabsichtigt, aber zumindest riskiert hatte. 64
5. Zusammenfassung Die Untersuchung der Medieninhalte zeigte, dass sich die sechs Zeitungen im Abstimmungskampf klar positionierten. Beide Seiten besetzten die gleichen Themen und nutzten ähnliche Argumente für die jeweils eigene Position. Die Statutgegner - die Neuesten Nachrichten, die Saarbrücker Allgemeine Zeitung und die Deutsche Saar - betonten die Zugehörigkeit der Saar Heinen, Saarjahre, S. 2 5 8 - 2 6 6 ; G e r d Hardach, Die R ü c k k e h r zum Weltmarkt, in: Axel Schildt/ Arnold Sywottek, Hg., Modernisierung im Wiederaufbau. D i e westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, B o n n 1998, S. 8 0 - 1 0 4 , hier S . 9 9 . 6 2 Deutscher Heimatbund, 15 Lügen um das „europäische" Statut: Lüge 15: J a heißt „ Z u - D e u t s c h l a n d - H i n " , in: Deutsche Saar, 2 2 . 1 0 . 1 9 5 5 N r . 2 9 , S . 2 . 6 3 A n o n y m u s , Das N e i n kann nicht laut genug sein, in: Neueste Nachrichten, 2 2 . 1 0 . 1 9 5 5 Nr. 76, Titelseite. 6 4 Vgl. Winfried Schumacher, Konrad Adenauer und die Saar, in: Hudemann/Poidevin, D i e Saar, S. 4 9 - 7 4 . 61
J a oder Nein?
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zu Deutschland und kritisierten die saarländische Regierung unter Johannes Hoffmann. Die Statutanhänger - die Saarbrücker Zeitung, die Saarländische Volkszeitung und die Volksstimme - stützten ihre Argumentation auf die deutsch-französische Aussöhnung und die Förderung der europäischen Integration als von ihnen postulierte Folgen der Statutregelung. Entsprechend fand der Hoffmann-Kurs Unterstützung und die ,pro-deutschen' Parteien wurden kritisiert. Beide Seiten, Befürworter wie Gegner des Statuts, argumentierten mit wirtschaftlichen und sozialen Vorteilen, die sich aus der Annahme bzw. der Ablehnung des Statuts für die Saar ergäben. Die Inhaltsanalyse belegte, dass sowohl die ,Ja-Sager' als auch die ,Nein-Sager' die Prominenz Adenauers für sich einsetzten und ihn als Kronzeugen für ihre Argumentation nutzten. Schließlich zeigte die Analyse an Beispielen wie diesem, dass das mediale Bild zum Teil konstruiert war: Die Berichterstattung in allen sechs Zeitungen war nicht nur völlig einseitig, an einigen Stellen verschwiegen die Journalisten unerwünschte Informationen und deuteten andere zu ihren Gunsten um. Wie sich die Berichterstattung und die darin vorgebrachten Argumente auf das Abstimmungsverhalten der Saarländer auswirkten, ist kaum zu bestimmen. Bei einer Wahlbeteiligung von 97,5 Prozent stimmten am 23. O k t o b e r 1955 schließlich 67,7 Prozent der Saarländerinnen und Saarländer gegen das Statut. Nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses trat Ministerpräsident Hoffmann zurück. Konrad Adenauer und der französische Ministerpräsident Edgar Faure beteuerten in einem Telegrammwechsel, dass das inzwischen gute deutsch-französische Verhältnis nicht durch das Abstimmungsergebnis belastet werden dürfe. Die französische Öffentlichkeit akzeptierte das ,Nein' der Saarländer, womit die Saarfrage schon im Herbst 1955 ihre hemmende Wirkung auf die westliche Sicherheits- und Deutschlandpolitik verloren hatte. Die deutsche und die französische Regierung handelten im Laufe des folgenden Jahres die Modalitäten der Saareingliederung aus. Am 1. Januar 1957 wurde das Saarland als elftes Bundesland in die Bundesrepublik eingegliedert. Der wirtschaftliche Anschluss erfolgte am 5. Juli 1959. 6 5
6. A u s g e w ä h l t e F o r s c h u n g s l i t e r a t u r Wilfried Busemann, Der 23. Oktober 1955 - 50 Jahre danach, Saarbrücken 2 0 0 7 Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945-1955, Stuttgart 1996
Heinen, Saarjahre, S . 5 1 2 f . ; Lappenküper, Die deutsch-französischen Beziehungen, S. 10981138.
65
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Susanne Dengel
Hans-Walter Herrmann, Die saarländische Presse ab 1945, in: Saarländischer Journalistenverband, Hg., Menschen Medien Mächte. 25 Jahre Saarländischer Journalistenverband 1947-1972. Eine Dokumentation, Saarbrücken 1972, S. 46-58 Rainer Hudemann/Armin Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann und Marcus Hahn, Hg., Das Saarland zwischen Frankreich und Europa 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Mit einer CD-Rom zum Abstimmungskampf 1955 von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007 Rainer Hudemann/Raymond Poidevin unter Mitarbeit von Annette Maas, Hg., Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte/La Sarre 1945-1955. Un problème de l'histoire européenne, 2. Aufl., München 1995 Albert H. V. Kraus, Die Saarfrage (1945-1955) in der Publizistik. Die Diskussion um das Saarstatut vom 23.10.1954 und sein Scheitern in der deutschen, saarländischen und französischen Presse, Saarbrücken 1988 Ludwig Linsmayer, Hg., Die Geburt des Saarlandes. Zur Dramaturgie eines Sonderweges, Saarbrücken 2007
Rainer
Hudemann
Resümee Die Medienlandschaft an der Saar entwickelte im Nachkriegsjahrzehnt unter ihren besonderen Wiederaufbaubedingungen ein eigenständiges Profil, welches seine Wirkungen langfristig entfaltete. Die Autorinnen und Autoren haben gezeigt, wie das internationale Umfeld der journalistischen Arbeit trotz der Einschränkungen zugleich breitgefächerte Möglichkeiten eröffnete. Anders, als es ausgehend vom aufgewühlten politischen Kampf vor der Abstimmung über die Zukunft des Landes 1955 in Teilen der kollektiven Erinnerung und der Medienforschung weiterwirkte, bildeten Kontrolle und Demokratisierungsanspruch zwar einen scharfen Gegensatz, doch bedeuteten Aufsicht und Einwirkung immer auch Interaktion. U n d aus der Interaktion erwuchsen Formen der Vernetzung und Zusammenarbeit, welche sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht zu Strukturen werden konnten. Durchgehend erweisen die unabhängig voneinander durchgeführten Analysen dieses Bandes, auf die im Schlussresümee des Gesamtwerkes zusammenhängend zurückzukommen ist, dass in Rundfunk und Printmedien eine phantasievolle und innovative journalistische Arbeit geleistet wurde. Eine Vorherrschaft französischer Inhalte in propagandistischer F o r m konnte nirgends als grundsätzliche Linie bestätigt werden. Allerdings zeigte sich überall eine bemerkenswerte Öffnung zu internationalen und europäischen Themen mit einem gewissen, aber durch die Situation des Landes gerechtfertigten deutsch-französischen Schwerpunkt. Dazu trugen die Chancen zu Auslandsaufenthalten bei, welche angehende Journalisten an der Saar im Rahmen einer aktiven Nachwuchspolitik oder ihres Studiums - etwa in dem Austauschprogramm der neuen Universität des Saarlandes mit Sciences Po Paris - schon rasch nach Kriegsende auch dann lebhaft nutzten, wenn sie im Gegensatz zur Regierung standen. D e r gemeinsame Kampf gegen tatsächlichen oder vermuteten, neu aufkeimenden deutschen Nationalismus verband auch in der politischen Berichterstattung deutsche und französische Journalisten. Dieses Gesamtbild entspricht den vielfältigen Ergebnissen der Forschung der letzten beiden Jahrzehnte, welche sowohl für die Saar wie für die französische Besatzungsherrschaft in Südwestdeutschland allgemein eine Fülle von Aufbaumaßnahmen analysierte und die Strukturen herausarbeitete. In konfliktreicher Zeit entstanden, schufen sie die Grundlagen für die Vertiefung der Annäherung in den 1960er und 1970er Jahren. Das bestätigt sich hier auch im Medienbereich. Dabei waren die französischen und regierungsamtlichen saarländischen Einwirkungsmöglichkeiten
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in den wichtigen Medieninstanzen über die Eigentumsverhältnisse und die Personalpolitik gut abgesichert, und es spitzten sich ab 1952/1953 die aus dem Verfassungsrang der Wirtschaftsunion mit Frankreich resultierenden Konflikte gerade im Medienbereich besonders zu. Es erweist sich aber als ein Irrtum, aus den Möglichkeiten der Eingriffe direkt auf die tatsächliche journalistische Arbeit zu schließen: Diese hatte ihr eigenes Gewicht und ihre eigenen Gesetze. Sie schufen an der Saar, dauerhafter noch im Bereich von Rundfunk und Fernsehen als in den Printmedien, eine Internationalisierung der Medienarbeit, die in der Bundesrepublik ihresgleichen suchte: Kooperationen mit französischen Partnern in Strukturen und Produktion waren an der Saar an der Tagesordnung und blieben es über Jahrzehnte in allen Sparten. N u r scheinbar paradox, trugen gerade die harten Konflikte der 1950er Jahre dazu bei, dass sich das eigenständige Profil dieser Medienlandschaft so internationalisierte, eben weil es durch Kämpfe und schwierige Zeiten hindurchgegangen war. Das prägt das Saarland insgesamt in einer Fülle von Institutionen bis in das neue Jahrtausend, und es gab der Medienlandschaft Saar im Rahmen der anderen Länder der Bundesrepublik ihr besonderes Gewicht. Sowohl mit eigenen Sendungen als auch mit regelmässigen deutsch-französischen Inhalten auf allgemeineren Sendeplätzen behielten internationale Inhalte mit deutsch-französischem Schwerpunkt im Saarländischen Rundfunk nach der Eingliederung in die Bundesrepublik langfristig eine herausragende Position, die in vielfacher Weise noch weiter ausgebaut wurde. Manche Sendungen laufen seit der Nachkriegszeit bis heute durch, so die gemeinsam mit „France Musique" produzierten „Deutsch-Französischen Konzerte", die dank Kooperationen in ganz Mitteleuropa zu hören sind. Zahlreiche weitere Fernseh- und Rundfunksendungen wurden transnational produziert. Regelmäßige Informationsprogramme wie „antenne saar" und Frankreich-Magazine widmeten und widmen sich Frankreich insgesamt oder, wie „Diagonale" oder „SaarLorLüx", dem deutsch-französischen Grenzraum unter Einbeziehung Luxemburgs. Seit den Nachkriegsjahren behielt der „Saarländische R u n d f u n k " (SR) die Federführung für die deutsche Berichterstattung über die Tour de France. Bis zum Beginn des neuen Jahrtausends produzierte er über 100 Hörspiele französischer Autoren. Das französische Chanson machte er in wöchentlichen Sendungen seit den 1960er Jahren bundesweit bekannt. Lange Jahre veranstalteten „Radio France" und SR in Saarbrücken gemeinsam die mehrtägigen Deutsch-Französischen Gespräche, Mitschnitte anderer deutsch-französischer Diskussionsrunden ergänzten dieses Konzept. Im 1983 geschaffenen Deutsch-Französischen Journalistenpreis hat der SR die Federführung inne, in der Deutsch-Französischen Hörfunkkommission hält er den Vorsitz, zum deutsch-französischen Fernsehsender „Arte" trägt der SR regelmäßig Produktionen bei. Die Reihe
Resümee
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der Beispiele, welche die Strukturen bildende Funktion der Nachkriegsjahre über ein halbes Jahrhundert und auf manchen Sendeplätzen in Rundfunk und Fernsehen bis in die Gegenwart widerspiegeln, ist beeindruckend. In den weiteren Bänden ist auf diese langfristigen Wirkungen zurückzukommen. Wie weit sich dieses Engagement in einer aus medien- und allgemeinpolitischen Gründen im Umbruch befindlichen Rundfunklandschaft weiter halten wird, ist zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Werkes noch nicht voll absehbar. In diesem ersten Band belegte Andreas Merl im Uberblick über die Presselandschaft 1919-1945 die starke nationale Prägung der Medien, wie sie aus der deutsch-französischen Frontstellung unter der Völkerbundsverwaltung erwuchs. Zur Erklärung des Aufflammens nationalistischer Parolen in den letzten drei Jahren der Ära Hoffmann trägt dieser Hintergrund, welchen der größte Teil der Bevölkerung miterlebt und oft mitgetragen hatte, maßgeblich bei. Natalie Pohl arbeitete heraus, wie die Presselandschaft von französischer Seite intensiv gefördert wurde als Instrument der Demokratisierung und gegen deutschen Nationalismus. Die Werbung für französische Kultur w a r in Konzeption und Durchführung damit eng vernetzt. Im Rahmen der französischen Autonomiepläne für die Saar w a r die personelle Verknüpfung der Presse mit der Saar-Regierung bereits angelegt, bevor 1948 die Pressepolitik in saarländische Verantwortung überging. Je stärker die saarländische Position wurde, desto heftiger reagierte Ministerpräsident Johannes Hoffmann auf Kritik und unterminierte durch seine Disziplinierungsmaßnahmen die eigene politische Position sowie die des französischen Hochkommissars. Gilbert Grandval geriet auf diesem Feld mit Hoffmann wiederholt hart aneinander, wenn er ihn zu demokratischerem Verhalten ermahnte. Das wirkungsvollste Forum für eine Gegenöffentlichkeit bildeten an der Saar die Kirchen. Judith Hüser arbeitete die enge Verflechtung der Politik des Vatikans und der beteiligten Bischöfe mit der Politik der saarländischen Regierung in ihren hoch komplexen Facetten heraus, welche sich auf den Print- und Funkmedienbereich unmittelbar auswirkten. Die protestantische Kirche war in der Saarfrage gleichfalls geteilt. Aber die katholische Kirche spielte auf dem größeren Register der Staatsbildung, und dies auch in den Medien, zu deren kunstvollem Geflecht Hüser auch Hirtenbriefe und Kanzelabkündigungen zählt. Skandale wie um den Studenten- und späteren Rundfunkpfarrer Peter Jung skandierten die Politisierungsetappen. Zwischen den verschiedenen Positionen zur Zukunft des Landes war eine Linie schwierig zu finden, zwischen Partizipation, Kontrolle und Selbstkontrolle steuerten die Kirchen daher einen komplizierten Kurs und demonstrierten zugleich über die Medienlandschaft ihren mächtigen Einfluss.
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Rainer H u d e m a n n
Im zweiten Teil, der Rundfunk und Fernsehen gewidmet ist, beschäftigen sich drei Beiträge mit „Radio Saarbrücken" und dem SR. Paul Burgard wies nach, dass das Bild des Senders als Instrument französischer Beherrschung und Manipulation einer genauen Uberprüfung nicht standhält. Auch unter Einbeziehung der schwierigen Quellenlage ist klar zu ersehen, dass hier ein medial und in der Information breit gefächertes Programm geboten wurde. Besonders vehemente politischen Positionen stammten zudem mitunter aus offiziell als solche gekennzeichneten Sendungen von Regierungsvertretern. In der deutsch-französischen und zunehmend europäischen Zielsetzung herrschte grundsätzlich Einvernehmen zwischen deutschen und französischen Journalisten. Missgeschicke in der frühen Personalpolitik trugen zur baldigen Professionalisierung des Funks bei. Die Sendesparten differenzierten sich früh aus, und früher als in anderen Funkhäusern wurde an der Saar der Werbefunk entwickelt. Das Spannungsverhältnis in einem international orientierten Funkhaus, das sich zugleich im Rahmen der Autonomievorgaben auf die Region einzustellen hatte, ging der SR schon früh mit einer breiten Palette von Medienstrategien an. Anette Kührmeyer zeigte, wie das Hörspiel zur Profilierung des SR beitrug. Die Programmanalyse erweist auch hier ein breites Spektrum von Autoren und einen hohen Anteil an Eigenproduktionen. Deutsch-französische Frontstellungen werden aber auch hier der tatsächlichen Situation nicht gerecht: Die große Wirkung französischer Literatur im Nachkriegseuropa schlug sich auch in der Arbeit deutscher Autoren nieder, nationale Gegensätze spielten in der Produktion praktisch keine Rolle. Begründet wurde hier eine bedeutende Medientradition, welche ihren Aufschwung nach 1955 beständig fortsetzte. Ein ähnliches Bild bot die ernste Musik, in der Charles Scheel die Programme der Nachkriegsjahre im Detail nach Komponisten und teils auch nach ausübenden Musikern aufschlüsselte. Das hohe internationale Ansehen, welches sich das Sinfonieorchester und etwas später das Kammerorchester unter Karl Ristenpart erwarben, ließ sich nur durch die Breite und das Niveau seiner Arbeit gewinnen. Soweit Druck ausgeübt wurde, ging er mehr auf die Saar-Regierung zurück als auf Frankreich, das stark auf die Förderung von Kultur im Allgemeinen setzte. Erfüllten Radio Saarbrücken und SR in Programm und Vernetzung gutenteils den europäischen Anspruch, mit dem sie auftraten, so erfolgte dies in einem weiteren Sinn mit dem Aufbau der ersten Privatsender. Gerade die spezifische regionale Ebene der Saar-Problematik wirkte hier transnational. Andreas Fickers hat dieses an medialen und kommerziellen Abenteuern reiche Feld aufgearbeitet. Er zeichnete die verschlungenen Wege der frühen Finanzierungsquellen und Lizenzierungsmodalitäten nach, die nach Monaco und Frankreich führen. „Tele-Saar" wurde als Werbesender medienge-
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schichtlich ein kleiner Pionier einer bald großen Teil-Branche des Fernsehens. D e r S R wurde in die Konkurrenzanstalt von Anfang an eingebunden; diese Struktur wirkt in „Radio Salü" noch heute fort. „Europe N o . 1" war das Instrument, um in Frankreich, in dem Privatsender verboten waren, den östlichen Nachbarn als Sprungbrett zu nutzen und von seinem Territorium aus nach Frankreich hinein zu senden - und das unter aktiver Mitwirkung des französischen Staates und in der Gründungszeit auch des SR. Vernetzt war der ganze Komplex mit dem technologischen Wettstreit um die europäische Durchsetzung französischer Fernsehnormen im Schwarzweiß- und im Farbfernsehen und mit dem europaweiten Kampf um die Sendefrequenzen. Fickers belegte im Detail die persönlichen und unternehmerischen Verflechtungen und umriss die Konsequenzen, welche die Saar-Konstellation nach 1957/1959 für die Entwicklung der Privatsender in der bundesdeutschen Medienlandschaft mit sich brachte. D e r dritte Teil dieses Bandes war den Printmedien gewidmet. Die „Saarbrücker Zeitung", so zeigte Natalie Pohl, entstand als ein sorgfältig parteiübergreifend austariertes Blatt mit der Aufgabe breiter Information der Bevölkerung. Sie setzte sich bald aufgrund ihrer journalistischen Qualität im Lande durch. Früh differenzierten sich die einzelnen Sparten heraus, und Lokalausgaben verankerten die Zeitung in den einzelnen Landesteilen. D e tailliert rekonstruierte Pohl die Entwicklung der Eigentums- und Finanzierungsverhältnisse. Seine Qualität behielt das Blatt auch, als nach 1948 die französische Beteiligung durch Eigentumskonstruktionen über saarländische Persönlichkeiten verschleiert und der Einfluss der saarländischen Regierung in der Organisationsstruktur abgesichert wurde. Alexander König erwies, in sorgfältiger Auseinandersetzung mit der Forschung, in einer breit angelegten Inhaltsanalyse die Spannbreite der Themen der Berichterstattung. Ein Propagandablatt war die Zeitung nicht, aber sie trug offensiv die Werte vor, welche für eine Demokratisierung standen. Frankreich nahm dabei eine wichtige Position ein, jedoch im Sinne dieser Werbung für N o r m e n , die es seit 1789 zu vertreten beansprucht, und nicht als vordergründige Propagandaquelle. Das spiegelte sich nicht zuletzt im frühen Ausbau des Feuilletons und dem großen Umfang der politischen Teile wider. Von den Inhalten her bestätigt sich also die Substanz, über welche Demokratisierungspolitik und Völkerverständigung auch unter Kontrollbedingungen verfügten. Dass die Saarbrücker Zeitung nach 1946 zwar überparteilich im Anspruch war, die Austarierung der Redaktion jedoch zurückging, beruhte teilweise auf der frühen Zulassung und nachhaltigen Förderung einer Parteipresse, in welche die Redakteure teilweise überwechselten. Ines Heisig zeigte in ihrer Analyse der vier wichtigen Parteizeitungen die Möglichkeiten und Grenzen
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der Presse- und Gestaltungsfreiheit der Journalisten. Das Privatarchiv von Innenminister Edgar Hector erlaubt dabei eine besonders genaue Rekonstruktion der Situation der kommunistischen „Neuen Zeit". Obwohl in scharfer Opposition gegen die Regierung Hoffmann stehend, wurde die Zeitung zwar immer von neuem zeitweise verboten, aber nicht gänzlich; erst nach der Eingliederung der Bundesrepublik fiel sie 1957 unter das generelle bundesdeutsche KPD-Verbot. Der frühe publizistische Wettbewerb unter den zahlreichen Blättern steigerte die journalistische Qualität an der Saar weiter. Eine parteipolitische Polemik konstatierte Heisig vor allem in der heißen Phase des Abstimmungskampfes 1955, in dem auch Zeitungen der gegen den Wirtschaftsanschluss eintretenden Opposition zugelassen wurden. Nach 1957 starb diese sehr lebendige regionale Parteipresse aber bald aus, ebenso wie in der Bundesrepublik schon um 1949. Sie hatte sich vor allem dank der französischen Medienpolitik und der deutschen wie französischen Querfinanzierungen so lange halten können. An der Saar gab es weiterhin eine breite Fächerung von Wochen- und Spartenzeitschriften. Am bekanntesten wurde die hoch politisierte satirische Zeitschrift „Tintenfisch". Aber zahlreiche speziellere Publikumssegmente wurden bedient, von der Gewerkschaftspresse über Mode- und Frauenzeitschriften bis zum Sport. Sie konnten hier nur exemplarisch dargestellt werden. Die Sportpresse, auch sie die früheste im Nachkriegsdeutschland, hat Bernd Reichelt auf ihre mediale Ausformung, politischen Vernetzungen und identitätsstiftenden Funktionen hin untersucht. In den Sportzeitungen und den - mitunter raschen - Wandlungen ihrer Positionen spiegelt sich die Orientierungssuche zwischen saarländisch-autonomistischen, saarländisch-französischen und saarländisch-deutschen Zielprojektionen wider, aufgrund derer sich sowohl das Hochkommissariat als auch der Ministerpräsident dieser hoch publikumswirksamen Sparte direkt annahmen. Pragmatismus und nicht nationale Ziele, so Reichelt, charakterisierten die Reaktionen und Orientierungen der Verbände und ihrer Medien. Langfristig schwächte die Modernisierung und Spartendifferenzierung der großen Blätter aber auch diese Spartenpresse. Susanne Dengel widmete sich abschließend den Medienfronten, wie sie im heißen Abstimmungssommer 1955 aufbrachen, als die Kontrollrestriktionen unter Aufsicht der Westeuropäischen Union ( W E U ) gefallen waren. Im immer schärferen Aufeinanderprallen der Positionen trat der eigentliche Abstimmungsgegenstand eines europäischen Statuts gegenüber deutsch-französischen, zum Teil medial erst konstruierten Gegensätzen in den Hintergrund. Auch die Gegner des Statuts waren zu großem Teil aber keineswegs Gegner einer deutsch-französischen Kooperation. Deutschland und Frankreich als Kern europäischer Integration mochten als klares Konzept erscheinen - tat-
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sächlich bildeten sich viele der Konflikte auf dem Weg dorthin an der Saar ab. Dass die europäische Integration kurz nach der Ablehnung des EuropaStatuts für die Saar wieder in Gang kam und schon 1957/1958 zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) als nächster bedeutender Integrationsetappe führen sollte, war 1955 nicht absehbar. Doch es war gerade die Lösung der Saarfrage als letztem großem Konfliktherd zwischen der Bundesrepublik und Frankreich, welche dieser neuen Dynamik den Weg freigab. In der scharfen Zuspitzung der Argumente seit 1952/1953 und in der zunehmenden Polemik spiegelte die Medienlandschaft Saar exemplarisch die Schwierigkeiten des Weges nach Europa und seiner konkreten Definition wider. Doch sie demonstriert gleichermaßen, auf welche Weise sich aus Konfliktsituationen Vernetzungen entwickeln können.
Abkürzungsverzeichnis AA ACDP AEKR/B AFP AMEFA AN AOFAA AP ARD
Auswärtiges Amt, Berlin Archiv für Christlich-Demokratische Politik der KonradAdenauer-Stiftung Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Außenstelle Boppard Agence France Presse Association Musicale d'Études Franco-Allemandes Archives Nationales Archives de l'Occupation française en Allemagne et en Autriche, M A E Colmar/Paris Associated Press Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland
BASp BATr BO BR
Bistumsarchiv Speyer Bistumsarchiv Trier Bischöfliches Ordinariat Bayerischer R u n d f u n k
CAC CDU C D U Saar CFT CSF CVP
Centre des Archives Contemporaines, Fontainebleau Christlich Demokratische Union Deutschlands Christlich Demokratische Union Saar Compagnie Française de Télévision Compagnie Générale de Télégraphie Sans Fil Christliche Volkspartei des Saarlandes
DFB DP dpa DPS DRA DSP DVP
Deutscher Fußball-Bund Demokratische Partei Deutsche Presse-Agentur Demokratische Partei des Saarlandes Deutsches Rundfunkarchiv Deutsche Sozialdemokratische Partei Deutsche Volkspartei
EBU EGKS ERFAG
European Broadcasting Union/Europäische Rundfunkunion Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäische R u n d f u n k und Fernseh A G
FDP FC FIFA
Freie Demokratische Partei Fußballclub Fédération Internationale de Football Association
460
Abkürzungsverzeichnis
FRAG
Freie Rundfunk AG
H C Sarre HR
Haut Commissariat de la République française en Sarre Hessischer Rundfunk
IFRB ITU
Internationales Frequenzregistrierungsbüro Internationale Telekommunikationsunion
KP KPD KPS
Kommunistische Partei Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei Saar
LA SB LPM LSA LSVS
Landesarchiv des Saarlandes Saarbrücken Landesinstitut für Pädagogik und Medien Landessportausschuss Landessportverband Saar
MAE MdB MdL MLS MRS
Ministère des Affaires étrangères Mitglied des Bundestages Mitglied des Landtages Mouvement pour la Libération de la Sarre Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France
NL NSDAP NSZ NSZ-Rheinfront NSZ-Westmark NWDR
Nachlass Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neue Saarbrücker Zeitung Nationalsozialistische Zeitung - Rheinfront Nationalsozialistische Zeitung - Westmark Nordwestdeutscher Rundfunk
ORTF
Office de Radiodiffusion Télévision Française
PA PA AA PTT
Privatarchiv Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin Poste - Télégraphe - Téléphone
RHEINA RIAS RS RSO RTF
Rheinische Nachrichtenagentur Rundfunk im amerikanischen Sektor Radio Saarbrücken Rundfunk-Sinfonieorchester Radio Télévision Française
SARAG Sd.
Saarländische Annoncen und Reklameagentur Sous-Dossier
Abkürzungsverzeichnis
SDR SED SFB SKO SLII SOFIRAD SPD SPS SR SRP StK SWF
Süddeutscher R u n d f u n k Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Saarländischer Fußballbund Saarländisches Kammerorchester Service de Liaison Interministérielle pour l'Information Société financière de Radiodiffusion Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sozialdemokratische Partei des Saarlandes Saarländischer R u n d f u n k Sozialistische Reichspartei Staatskanzlei Südwestfunk
UKW
Ultrakurzwelle
WDR WEU
Westdeutscher Rundfunk Westeuropäische Union
ZDF
Zweites Deutsches Fernsehen
461
Abbildungsnachweis Seite 49 56 67 69 71 78 84 87 107 115 121 131 137 141 146 154 155 160 170 172 179 183 188 189 196 204 206 221 225 249 251 258 262 263 265 267 273 277 279 281
Quelle Landesarchiv Saarland Landesbildstelle Saarland im LPM/Max Wentz Landesarchiv Saarland/Presse-Foto-Actuelle Stadtarchiv Saarbrücken Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland/Presse-Foto-Actuelle Landesarchiv Saarland/Presse-Foto-Actuelle Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland/Slg. GRusZ Saarländischer Rundfunk Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland Saarländischer Rundfunk Saarländischer Rundfunk Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland Saarländischer Rundfunk Saarländischer Rundfunk Landesarchiv Saarland Saarländischer Rundfunk Saarländischer Rundfunk Landesarchiv Saarland Stadtarchiv Saarbrücken Saarländischer Rundfunk Saarländischer Rundfunk Landesarchiv Saarland Saarländischer Rundfunk Saarländischer Rundfunk/Richard Kirst Saarländischer Rundfunk Landesarchiv Saarland/Walter Barbian Saarländischer Rundfunk/Richard Kirst Saarländischer Rundfunk/Richard Kirst Saarländischer Rundfunk Landesarchiv Saarland/Presse-Foto-Actuelle Saarländischer Rundfunk/Richard Kirst Saarländischer Rundfunk Saarländischer Rundfunk/Richard Kirst Landesbildstelle Saarland im LPM/Gerhard Heisler
464 Seite 314 316 326 331 337 349 358 362 382 389 391 398 405 413 420 423 427 433 437 441 445 447
Abbildungsnachweis Quelle Saarbriicker Zeitung Saarbrücker Zeitung Landesarchiv Saarland/Presse-Foto-Actuelle Landesarchiv Saarland/Presse-Foto-Actuelle Saarbrücker Zeitung Landesarchiv Saarland/Presse-Foto-Actuelle Saarbrücker Zeitung Landesarchiv Saarland/Presse-Foto-Actuelle Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland/Bildersammlung Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland/Walter Barbian Landesarchiv Saarland/Walter Barbian Landesarchiv Saarland Saarbrücker Zeitung Landesarchiv Saarland Landesarchiv Saarland Saarbrücker Zeitung
Personen- und Medienregister Aufgrund der Bedeutung der regionalen Parteipresse, welche nach 1955/57 verschwand, erfasst das Register zu Bd. 1 - abweichend von den Folgebänden - auch politische Parteien. Regierungsinstitutionen sowie Institutionen der französischen Militärregierung bzw. des Hochkommissariates werden aufgrund der Begriffsvielfalt nur aufgenommen, soweit Medienpolitik ihre Hauptaufgabe war.
1. F C Saarbrücken
415, 417, 425
Abendpost, Die s. Saarland-Abendpost, Die Ackermann, Werner 229 Adam, Henri-Jean 65,313-315 Adenauer, Konrad 26 f., 86,134, 298, 300, 363,366, 376,431,437,444f., 448f. Agence France Presse (AFP) 72,150, 208,213, 318f., 325, 339 Agence Havas s. Havas Aholming [Sender] 291 Aigle-Azur [Fluggesellschaft] 272 Alain, Marie-Claire 208,210 Alegiani, Graf 162 Allfunk 302 Allouis [Sender] 291 Als, Robert 287 Altmeyer, Klaus 132, 158, 347 Am Herd [Kalender] 106 Amann, Max 55 AMEFA e.V. 206, 208 Amicale des anciens légionnaires de la Sarre 349 Amtsanzeiger 106, 108 Andlauer, Joseph 40 Angel, Yves 245 Ankara [Sender] 288, 290 Anouilh, Jean 223 AntenneSaarbrücken 175 Antes, O t h o n 72 f., 318 Arbeiter-Zeitung 47 f., 53 f., 391, 397 Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der
Bundesrepublik Deutschland (ARD) 2,195, 214, 274, 298-301 Arend, Louis 328 Arnaud, Jean 68 Arte 452 Associated Press (AP) 325 Austen, Jane 231 Bach, Carl Philipp Emanuel 209 Bach, Johann Christian 209 Bach, Johann Sebastian 195, 207-209, 214 Bader, Heinz 161,223 Badische Zeitung 24 Baer 159 Baldauf, Heinrich 37 Balzac, H o n o r é de 142 Bank für Gemeinwirtschaft 301,341 Banque des Métaux Précieux 271 Barbizet, Pierre 195 Barthélémy, René 244 Bäsel, Friedrich (Fritz) 74, 397, 400, 402 Bastide, François-Régis 197-201, 212214 Baur, Raymond 89 f. Bausch, Hans 300, 304 Bayerischer Rundfunk (BR) 158, 229 f., 299 Becker, Alexandra 231 Becker, Alois 302 Becker, Claus 67, 76, 92, 324, 326, 380 Becker, Eugen 387 Becker, Richard 181,404
466
Personen- und Medienregister
Becker, Rolf 231 Becker, Winfried 377 Beethoven, Ludwig van 200-202, 205 Bensemann, Walther 411 Berg, Alban 204 Bergarbeiterverband, Bochum 315 Bergbauindustrie, Die [Zeitschrift] 65 Bergweiler, Helmut 116 Berliner Zeitung 317 Bernard, Guy 203 Bernard, Luc 243,253,291,294 Bernarding, Bernard 5 Bernhard, Rudolph 4 Berwanger, Dietrich 88, 376, 384, 426 Betzner, Anton 233 f., 236 Bezias, Jean-Rémy 271 Bidault, Georges 347, 365 Biedermann, Adolf 13 6, 13 8 f. Bild [Zeitung] 4 Billmann, Frédéric 64, 79, 116, 161, 164 f., 171 f., 176 f., 187, 197, 207 f., 211, 218, 226, 230, 234-236, 238, 247-257, 259, 261, 265 f., 270,278 f., 288, 301 f., 306 Bingen, Ernst 261 Binger, Gilbert 243, 282, 297 Birkelbach, Richard 136 Bistum Speyer 102-105 Bistum Trier 70, 102-105,111 Bizet, Georges 203 Bleymehl, Hans 162 Bloch, Ernest 205 Bock, Christian 229 Böcklin, Arnold 205 Boeckmann, Harald 155-157, 164, 176-180 Boegner, Philippe 260 Boieldieu, François Adrien 203 Bonaparte, Napoleon s. Napoleon Bonjour [Zeitschrift] 94 f. Bonner Generalanzeiger 144 Borchert, Wolfgang 231 Borne, Petrus 112
Bornewasser, Franz Rudolf 31, 70, 102-104,106-108,110,113 f., 117, 119 f., 120, 123, 444 Borodin, Alexander 204 Borussia Neunkirchen 411,425 Botticelli [Commandant] 316 Bourdeille, Henri Chassin de 64, 93, 316,319, 322 Bourgeois, Pierre 260 Bourgès-Maunoury, Maurice 294 Boutry, Roger 210 Böx, Walter 270,341 Brahms, Johannes 201-204,213 Braun, Angelika 76, 326 Braun, Eva 95 Braun, Heinz 86 f., 169-171,187, 349, 392 Braun, Max 326, 391 Brecht, Bertolt 226 Bretz 158 Brill, Walter 136 Bruch, Ludwig 38, 346f., 406 Bruch, Walter 328 Brück, Alwin 392 Bruckner, Ferdinand 233 Buchgewerbehaus 332 f., 340 Bund der Saarvereine 45 Bund, Hans 163 Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger 302 Bundesvorstand des Deutschen Journalistenverbandes 324 Bungarten, Franz 52, 350 Bünte, Hans 130, 144, 346 Bürckel, Josef 53, 55-57, 387 Burgard, Paul 27, 32, 454 Burin des Roziers, Etienne 248 Burkhardt, Hermann 66, 77, 317 Buxtehude, Dietrich 212 Café Fretter 331 Caquot, Albert 281 Carbonnel, Eric de 97, 336-338, 340 Carls, Carl Dietrich 233
Personen- und Medienregister
Cautio G m b H 55, 332 Chabrier, Emanuel 195 Charme [Zeitschrift] 69 f., 76, 326, 330 Charmy, Roland 195 Charpentier, Marc-Antoine 203,210 Charrin, Emanuel 138, 150, 156, 196 Chausson, Ernest 203 Chaynes, Charles 210 Chazelle, Jacques 171 Chevalier de St. Georges 210 Christlich Demokratische Union Saar (CDU-Saar) 114,116,119 f., 300 f., 336, 338 f., 356, 388 f., 431,441 Christliche Pilger, Der [Zeitschrift] 70 Christliche Volkspartei des Saarlandes (CVP) 52, 55, 66-68, 74, 83 f., 94, 102, 107, 109 f., 112 f., 116-120, 143, 171, 213, 317, 339, 350, 354, 362, 377, 380f., 383-389, 395, 399, 404, 414, 418, 421, 432, 434 Chronik [Zeitschrift] 46, 53 Chronique Sarroise [Zeitschrift] 87 f. Clappier, Louis 233 Claudel, Paul 225, 232 Closel, Jacques de 287 Cocteau, Jean 228, 232 Collande, Volker de 222, 224 Comes, Peter 273 Comité de Presse, Baden-Baden 66, 374, 381 Compagnie Européenne de Radiodiffusion et Télévision (CERT) 242; s. auch ERFAG Compagnie Française de Télévision (CFT) 272,297 Compagnie Générale de Télégraphie sans Fil (CSF) 244 f , 298 Compagnie Générale de Télévision 245 Concordia G m b H 332 Conrad, Kurt 168, 393, 396 Couperin, François 210 Couperin, Louis 210 Coursier, Gilbert 210
467
Courson de la Villeneuve, Tanguy de 270 Crédit Lyonnais 92, 260 Crédit Sarrois 88, 334 f. D'Indy, Vincent 203 Dadder, Ernst 205, 213 Damase, Jean-Michel 210 Dänischer Rundfunk/Danmarks Radio 283 Danzebrink, Heinrich 350, 362 Debré, Michel 22, 328, 330 Debussy, Claude 195,197,201,203,210 Decke, Willi 82 Defferre Porché, Gaston 245 Delalande, Michel-Richard 210 Delibes, Léo 203 Demokratische Partei des Saarlandes (DPS) 2 3 , 5 1 , 6 9 , 7 5 , 8 3 - 8 5 , 9 2 , 116f., 167,180f., 276, 339, 347, 380f., 403-406,431,441 Dernières Nouvelles d'Alsace 318 Desgranges, Ilka 3 Deutsche Bischofskonferenz 117 Deutsche Front 52, 54 Deutsche Presse-Agentur (dpa) 325, 347 Deutsche Saar 275, 406f., 433, 441444, 446, 448 Deutsche Saar-Zeitung 86, 434 Deutsche Sozialdemokratische Partei (DSP) 393,396,431,441 Deutsche Volkspartei (DVP) 47, 50 Deutscher Fußball-Bund (DFB) 428 Deutscher Journalistenverband 334 Deutscher Katholik an der Saar [Zeitschrift] 53 Deutscher Saarbund 86, 345, 369 Dingel, Frank 377, 392, 397 f., 400 Direction de l'Information, Saarbrücken 63 f., 66, 68, 72, 76 f , 79, 93, 212, 316, 318 f., 321,381 Direction de la Presse, Baden-Baden 63 f., 66, 68, 318 f., 374, 381
468
Personen- und Medienregister
Discophiles Français, Les [Plattenlabel] 207 Diwo, Alfons 329, 334, 339 Dohm, Alfred 171 Domb 274 Donebach [Sender] 291 Donie, Anton 329, 334, 339 Dorscheid, Albert 67, 78, 157, 161, 163, 386-388, 395 Drexler, Hans 83, 85, 403 f. Dudweiler Zeitung 47, 57 Dufour, Jean 260 Dumas, Alexandre 232 Dupuy, Marc 272 Durbridge, Francis 228, 231 Eberhard, Walter 76, 322 f. Eckhard, Peter 104 Eckhardt, Werner 164 Eckhardt, Wilhelm 182 Ehrenburg, Ilya 54 Ehringer, Lucien 72, 95, 150, 235, 318 Eich, Günter 227, 229 f. Einem, Gottfried von 204 Electricité de France 283 f. Elisabeth II. 226 Elzer, Herbert 86,181 Est Républicain, L' 79, 323 Europäische Rundfunk und Fernseh AG (ERFAG) 242, 295,297, 302, 305 Europäische Rundfunkunion/European Broadcasting Union (EBU) 266, 268, 287 Europa-Union 116,323 Europe No. 1 /Europe 1 11, 27, 29, 32, 135, 241-243, 249, 253, 259, 265, 268, 270-272, 274, 276, 280-292, 294-297, 299, 302, 305, 454 Eurovision 266-268 Faure, Edgar 449 Fauré, Gabriel 203 Faure, Maurice 272
Feien, Eugen 65,315 Feld, Hugo 397 Feiten, Josef Maria 324, 329, 334, 348, 419 Fernseharbeitsgemeinschaft Saar 275 Ferras, Christian 204 Filmvertriebsgesellschaft Saar 330 Floirat, Sylvain 259 f , 271 f., 294-297, 301,306 Fortner, Wolfgang 205 Françaix, Jean 210 France Inter 291 France Soir [Zeitschrift] 95 France, Henri de 244-246, 250 f., 256, 259f., 286, 291,297,306 François-Poncet, André 86, 284 f. Franke, Adolf 387 Frankfurter Zeitung 5 f., 24 Frankfurter Allgemeine Zeitung 24 Französischer Journalistenverband (SNJ) 96 Freiberger, Heinz 196 Freie Demokratische Partei (FDP) 51, 300 f. Freie Rundfunk AG (FRAG) 302, 304 Freies Deutschland 324 Freymond, Jacques 361 Freyssinet, Eugène 282 Fuchs, Angela 234 f. Funk, Alois 103,302 Funkwoche [Zeitschrift] 220-224, 227-229, 231,235 Furkel, Rüdiger 243, 291, 301 Gänsen, Hubert 387 Gasper 132 Gaulle, Charles de 6, 19, 21, 24,135, 142 f., 248, 296-298, 320 Gaveau, Salle 206, 208 Gebelein, Walter 76f., 379 Gendron, Maurice 204 f., 210 Generalanzeiger, Saarlouis 65,315 Genty, Jacques 210 Gieseking, Walter 197, 214
469
Personen- und Medienregister
Giraudoux, Jean 233 Giscard d'Estaing, Valéry 298 Glasow, Ferdinand 257 Goebbels, Josef 19 Goes van Naters, Marinus van der 366 Görgen, Hermann Mathias 25, 116 f., 122, 133, 191,237 Gorki, Maxim 227 Gounod, Charles 142, 203 Grampp, Carl 174, 182 Grandval, Gilbert 22, 28, 30, 63 f., 70 f., 7 6 f , 79, 83-89, 91-95, 9 7 f , 103-105, 112, 123, 137, 140, 142-145, 147 f., 150, 1 5 9 , 1 6 6 f , 171, 1 9 3 f , 2 1 7 f . , 242, 247, 249, 251, 266 f., 270, 285, 306, 312, 316, 323 f., 329, 333-335, 337, 345, 349 f., 353, 359, 362, 368, 375, 377, 400, 412 f., 418 f., 421,425, 453 Graßhoff, Fritz 225 Grégoire, Général 40 Grehling, Ulrich 208 Griebler, Leo 152 Gries, Wilhelm 55 Grillparzer, Franz 225 Groenke, Bill 415 Groh, Hans 171 Großes Radio-Orchester von Radio Saarbrücken 195,205 Gründgens, Gustav 164 Guédy, Jean François 281 f. Guinet, Louis 359 Haaf, Wilm ten 164, 229-231 Hahn, Robert 202 Halenke, Gusti 237 Haller, Michael 373 Händel, Georg Friedrich 208 f. Harig, Ludwig 2 Harig, Max 409, 411 f., 419 Havas [Nachrichtenagentur] 41, 328 Haydn, Joseph 208 f. Hector, Edgar 30, 63, 347, 377, 387f., 443, 446, 456
Hector, Kurt 329, 348 Heim, Emil Peter 137 Heinau, Eduard 269 Heinen, Armin 23,170,180, 351, 368, 375,417,432, 439 Held, Heinrich 118 Hellbrück, August 55 Helmer, Hans 184, 413, 417-419, 421, 424 Hesselbachs [Rundfunkserie] 231 Hessischer R u n d f u n k (HR) 134,148 Hindemith, Paul 203-205 Hinzmann, Kurt 246 Hitler, Adolf 31, 37, 50, 57, 117, 316, 349,387,391,412, 436 Hoerschelmann, Fred von 231 Hofer, Gruppe/Gebr. H o f e r A G 45, 48 f., 56, 332 Hofer, Richard 40, 45 Hoffmann, Johannes 25 f., 52-54, 61, 63, 65-67, 74, 76, 83 f., 86, 89 f., 95, 99, 107-109, 112 f., 116,122,132 f., 142, 159, 163, 166 f., 171, 173-175, 181, 187, 193 f., 205 f , 208, 213, 251-253, 255, 261, 266-268, 306, 315, 317, 320, 323, 346 f., 350 f., 353, 356, 360, 362, 366, 369, 374 f., 377f., 383-387, 391, 393 f., 398, 404, 406, 414, 417-419, 421, 426, 432, 434-437, 443, 445 f., 449, 453, 456 Hoffmeister, Martin 345 Holzamer, Karl 300 Honegger, Arthur 210 Hongne, Paul 210 Hoppe, Karl 77f., 83, 166, 176, 180f., 213,397 Hoppenstädter, Helmut 396 Hüchel, Peter 231 Huck, Frank Rainer 202 f. Hugo, Victor 142 Hurrle, Rüdiger 302 Hüser, Dietmar 20 Ibert, Jacques 203 Ihre Mode [Zeitschrift]
91 f.
470
Personen- und Medienregister
Illus [Zeitschrift] 72, 75 Image et Son S.A. 259,271-273, 276, 294, 296 Informationsabteilung s. Direction de l'Information Informationsamt s. Presse- und Informationsamt Informationsministerium, Paris 242, 246, 268, 286, 296-298, 302 Institut Français 79 Institut für Demoskopie, Allensbach 431, 435 Internationales Frequenzregistrierungsbüro ( I F R B ) 283 Internationale Telekommunikationsunion ( I T U ) 257 Jacoby, Fritz 39 Jansen, Theodor 252 Jary, Michael 163 Journal d'Alsace 323 Journal de Sarre 46 Joxe, Louis 270 Jung, Peter 111,113 Kabalewsky, Dimitri 205 Kalbfuß, Heinrich 163 Kammerorchester des Saarländischen Rundfunks 209 Kästner, Erich 228, 416 Katholischer Rundfunk 101 Kauffungen, Kunz von 76, 324, 349 Kaulitz, Harry 390 Kicker [Zeitschrift] 411 Kinderpost [Zeitschrift] 70, 330 Kirchenfunk [Sendung] 109-112 Kirchlicher Amtsanzeiger 106, 108 Kirn, Richard 74, 392-394, 415 Kirschweng, Johannes 109, 111, 164 Klein, Fritz 198, 329, 348 Klein, Hanns 39 Klein, Norbert 5 Klimmt, Reinhard 4 Klitscher, Ernst 397
Knaff, Louis 61, 97, 323 f., 329, 334-336, 3 4 9 , 4 1 9 Knist, Volker 243, 288, 303 Knox, Geoffrey George 44 Koenig, Pierre 22, 147,197, 247, 380 Köhler, Horst 431 Kölling, Heinz 327 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 48,401 Kommunistische Partei Saar (KPS) 23, 66f., 354, 377, 380f., 3 9 7 , 4 0 1 , 4 3 3 Konietzny, Heinrich 203 f. Königswusterhausen [Sender] 288 Konkordia Literarische Anstalt G m b H 45,51 Konzentrations A G 54 Korth, Clemens 158,160 f. Korum, Michael Felix 119 Koßmann, Bartholomäus 163 Koszyk, Kurt 390 Kotzebue, August von 235 Krämer, Lothar 416 Kraus, Albert H. V. 61, 376, 406, 432 Kremp, Walter 257 Kühn, Heinz 301 Kuhring, Fritz 403 Kunz, Robert 328 Laffaille, Bernard 282 Laffon, Emile 322 Lafontaine, Oskar 2 Laforge 139 f. Lamar, Peter 324 Lancelot, Jacques 210 Landesbank 56,341 Landespressekonferenz 5 , 1 1 , 16 Landes-Zeitung für Merzig, St. Wendel und St. Ingbert 57 Landes-Zeitung für Saarbrücken s. Saarbrücker Landes-Zeitung Lauer, Gustav 109f., 112,114 Lawall 156 Le Monde 93 Lebacher Anzeiger 47-49
Personen- und Medienregister
Leclair, Jean-Marie 210 Leduc, Simon 210 Lehmann, Maurice 260 Lehrmann, J o 159 Lemmer, Ernst 274 f. Lempert, Peter 39, 59 Leschi, Marien 250 Lessort, Gonzague 340 Levy, Gustav 269 Linsenmeier, Erhard 95 Lorscheider, Gotthard 341, 257, 260, 270, 275 f., 306 Losson, Gérard 155f., 160f., 163, 175, 196, 226 Lotar, Peter 234 Maeterlinck, Maurice 219 Mahler, Gustav 204 Mai, Franz 214, 278 Mailänder, Herbert 226 Mainzer Allgemeine Zeitung 24 Malburg, Fritz 156,163 Mannheimer Volksstimme 6 5 , 3 1 5 Marivaux, Pierre de 233 Markscheffel, Günther 97 Martin, Eduard 340 Massenet, Jules 203 Maupaussant, Guy de 228, 230 Mendelssohn-Bartholdy, Felix 195, 203 Mendès France, Pierre 266, 286, 306, 431 Menzel, Erich 409, 411 f., 414 f., 417420, 424, 426, 428 f. Mérimée, Prosper 233 Merivale, Bernard 233 Merkel, Angela 431 Merkel, Heinz 397 Merlin, Louis 243, 259 f., 264, 280 f., 291 f., 308 Merziger, Anton 207 Meyer, Ernst 426 Meyer, Eugen 189,276 Meyer, Jacques 165
471
Michels, Leni 198 Michelson, Charles 252-256, 258-272, 280, 292, 294, 306 Michl, Rudolf 155 Milhaud, Darius 2 0 3 , 2 1 0 Mission Diplomatique 88, 160 f., 338 f. Mitterrand, François 2 0 1 , 2 4 6 Möbius, Oskar 163 Möhler, Philipp 205 Monneray, Henry 340 Mössinger-Schiffgens, Luise 171 Mouvement pour la Libération de la Sarre (MLS) 379 Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France (MRS) 21, 67,102, 143, 324, 354, 379 Mozart, Wolfgang Amadeus 195,202, 208 f. Müller, Albert Arthur 129, 193 f. Müller, Edwin 138, 155, 165 Müller, Erwin 145, 360, 418f„ 421 Müller, Ossi 415 Müller, O t t o Karl 262 Murville, Couve de 298 Musikhochschule, Saarbrücken 197, 200 Muskalla, Dieter 39, 59 Musset, Alfred de 232 Nach der Schicht [Zeitschrift] 70, 102 Nagra [Firma] 293 Napoleon I. 233 f. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ( N S D A P ) 25, 50-52, 55, 181,199f., 387, 412 Nestroy, Johann 225 Neuberger, Hermann 415,418, 424-426, 428f. Neue Rundfunk A G 302 Neue Saar, Die 92, 324, 354, 379 Neue Saarbrücker Zeitung (NSZ) 76, 316, 318f., 321 f., 354 Neue Saar-Post 40, 53, 65, 315, 322f., 391
472
Personen- und Medienregister
Neue Weg, Der 414 Neue Woche, Die 324 Neue Zeit 68, 75, 82 f., 354, 374, 397, 399-^02, 406, 433 Neuer Saar-Kurier/Le Nouveau Courrier de la Sarre 42, 46 Neueste Nachrichten 48,114,116, 336, 356, 389, 433, 441-448 Neumeyer, Fritz 208 Neunkirchener Zeitung 47, 51, 57 Neureuter, Hans 137f. New York Herald Tribune 329 Ney, Hubert 116, 119, 274, 276 Nickolay, Fritz 74, 397, 402 Nimsgern, Frank 431 Nolte, Ernst 132 Norddeutscher Rundfunk (NDR) 299 Nordwestdeutscher Rundfunk (NWDR) 28,134,148,229 Nouvelles de France 93 f. NSZ-Rheinfront 55-57,322 NSZ-Westmark 57,64 Nys, Carl de 197, 207f., 214 Oboler, Archibald 231 Odnoposoff, Ricardo 205 Office de Radiodiffusion Télévision Française (ORTF) 27, 304 Ollendorf, Anne-Lise 221 f. Olympia 39, 409, 416, 422f. Oranienburg [Sender] 288, 290 Orchester des Senders Saarbrücken s. Sinfonieorchester Osenberg, Hans-Dieter 101, 125 Oulmán, Gaston 156, 158-161, 164 Pagnol, Marcel 233 Papen, Franz von 52 Paris-Match 260 Pathé-Marconi 260 Paulinus, Paulinus-Blatt 109, 120 f. Peller-Séguy, Irmengard 233, 235f, 239
70, 102-105, 220, 226, 230,
Pelletier, Emile 271 Petit, Zanie 195 Petto, Alfred 236 Peyrefitte, Alain 242, 296-298 Pfeiffer, Peter 387 Phönix 55f., 387 Pierné, Gabriel 203 Pilger [Zeitschrift] 70,102-104, 120 Pinay, Antoine 268, 306 P i t z j o h a n n 74,382 Pius VII. 234 Pius XII. 401 Pompidou, Georges 296, 298 Ponnelle, Pierre 218 Poot, Marcel 203 Porché, Wladimir 245 Poulenc, Francis 203 Powell, Lester 231 Presse de l'Est 96 Presse- und Informationsamt der Regierung des Saarlandes 63, 77f., 82f., 89f., 157,161,164,174f, 177,181,198, 213, 236, 283, 288, 401, 406, 421 Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung 75, 88, 328-330, 332f, 340f., 348 Prokofjew, Sergej 203 f. Puget, Claude-André 232 Pünter, Otto 183 Quai d'Orsay 30, 86, 91 f., 94, 270, 272, 287, 289, 334, 337 Radio Andorra 249, 286, 297 Radio Bremen 162, 299 Radio France 142, 207, 213, 232, 452 Radio Impérial, Tanger 252 Radio Koblenz 156 Radio Luxembourg 193, 285 Radio Monte Carlo 249, 252, 255 Radio Reklame GmbH 186f., 190,254f. Radio Saarbrücken (RS) 79, 93, 101, 108f, 129f., 132, 134-145, 148-152, 156-159, 161-167, 170, 172-175, 178f., 181,191,193-195, 200, 202f., 205-207,
Personen- und Medienregister
212f., 217f., 220f., 225f., 233-235, 237, 247f., 252-257, 260f., 321, 330, 454 Radio Salü 4, 243, 302, 305, 455 Radio Strasbourg 22, 211, 247 Radiodiffusion Télévision Française (RTF) 246 Radio-Industrie [Firma] 245f., 251, 256, 2 5 9 f , 271, 294 Radziewsky, Richard 403 Rainier III., Fürst von Monaco 252, 259,271 Rameau, Jean-Philippe 200, 210 Rampal, Jean-Pierre 208, 210, 214 Rasensportverband Saarbrücken 411 Rauch, Richard 292 Rault, Victor 43 f. Raveaud [Capitaine] 136 Ravel, Maurice 142, 201-203, 210, 213 Reger, Max 205 Régie des Mines de la Sarre 380 Reichert, Josef 111,196, 212f. Reichspressekammer 55,57 Reichssender Saarbrücken 108,130, 135 f., 162, 211 f. Reichssportblatt 412 Remer, O t t o 167, 180f. Respighi, Ottorino 205 Réunion des théâtres lyriques nationaux 260 Rheinische Nachrichtenagentur ( R H E I N A ) 319 Rheinland-Pfälzischer Journalistenverband 97 Richter, Theo 237 Riegler, Bernhardt 328, 340 Ristenpart, Karl 32, 185, 197, 205-212, 214f., 454 Rivier, Jean 210 Rocard, Yves 246 Röder, Franz Josef 1, 213, 301, 303f., 306 Rohmer, Eugène 88, 335, 338, 340 Rolland, Romain 232 Roth, Ernst 25, 65, 76f., 95
473
Rother, Michael 244-246, 308 Roupp, Josef 329,334,348 Roussel, Albert 203 RSO-Saarbrücken 205 Rudelle, Yves 197,207 Rufer im Warndt [Zeitschrift] 53 Rumann, Maria 151, 154, 187 Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS) 173 Rundfunkamt für das Saargebiet 108, 145-147,217,250, 253 Rundfunkkommission 166f. Rupp, Carl 424 Saar- und Blies-Zeitung 47f., 57 Saar-Archiv G m b H 89f. Saarbrücker Abendblatt 47, 49, 51 Saarbrücker Abendblatt Verlag 46 Saarbrücker Allgemeine Zeitung 396, 433, 441-446, 448 Saarbrücker Bergmannskalender 46 Saarbrücker Druckerei und Verlag 39, 48, 52, 55, 411 f. Saarbrücker Landes-Zeitung 24, 47-49, 5 2 f , 55-57, 65, 120, 3 1 4 f , 322, 411, 414,419 Saarbrücker Landeszeitung [1958] 389 Saarbrücker Rundfunkhaus 136,139, 165,187,191 Saarbrücker Volkszeitung 68, 72, 74, 78 Saarbrücker Zeitung 3-5, 11, 28 f., 32, 38, 40, 45, 47-51, 55, 5 7 f , 61 f , 64-66, 70, 72-76, 79, 88 f., 91, 96-98, 102,121, 140, 152, 189, 202, 220, 222, 239, 261, 302, 305, 311-314, 316f., 322-330, 332-342, 345-349, 351, 353-358, 360f., 363-370, 377, 381, 385f., 413, 433-438, 440, 449, 455 Saar-Chronik 46,53 Saardeutsche Verlagsanstalt und Druckerei 56 Saarland, Das [Zeitschrift] 69, 75, 83 f., 354,381,388,403-406
474
Personen- und Medienregister
Saarland-Abendpost 403-406 Saarländische Annoncen- und Reklame Agentur (SARAG) 186, 328, 340f. Saarländische Fernseh AG 171 Saarländische Kreditbank 341 Saarländische Landeszeitung 120 Saarländische Post- und Kommunikationsbehörde 288 Saarländische Rundfunkanstalt 130 Saarländische Rundfunkverwaltung 252-254 Saarländische Tageszeitung 57 Saarländische Verlags-AG 332 Saarländischer Rundfunk (SR) 2-5, 25, 32,129-134,142,148 f., 152,158, 160f., 164, 170-173, 175, 178-180, 184187,190f., 195-197, 202f., 205-214, 229, 242, 250, 254, 274-278, 298f„ 452, 454f. Saarländisches Kammerorchester (SKO) 32,185,197, 205-207, 209-211, 454 Saarländisches Kammerorchester Saarlouis 207 Saarländisches Presse- und Informationsamt s. Presse- und Informationsamt Saarlouiser Journal 42,46-48,53,66 Saarlouiser Tagesblatt 42 Saar-Paulinus s. Paulinus Saar-Presse-Verlag 328f., 348, 414 Saar-Verlag 92, 220 Saar-Volksstimme 391 Saarwacht [Zeitschrift] 390 Saar-Zeitung 47, 55, 57, 85-87, 427, 434 Saar-Zentrum 49 Sabbagh, Pierre 291 Saint-Saëns, Camille 195,203 Salomé, Hélène 210 Sarger, René 282 Sartre, Jean-Paul 228 Sauerwein, Christian R. 328 Sauguet, Henri 210 Schaeffer, Fritz 162 Schäfer, Eduard 343, 346f., 371 Schattner, Peter 395
Schellhaaß, Otto 136 Schenk, Heinz 157,264 Schiff, Jean Bernard 155, 158, 192 Schiller, Friedrich von 223, 225, 237 Schimmel, Cläre 229 Schlachter, Ernest 252, 256 Schlachter, Frédéric 171, 252, 260, 328 Schlehofer, Franz 22,174 Schlich, Johann Ludger 52 Schmidt, Peter (Zack) 151 Schmidt, Robert H. 352, 376, 384 Schmidthenner, Rudi 187 Schmitz, Jakob 110 Schneider, Heinrich 25, 50f., 117, 371, 404 Schneiderhan, Wolfgang 205 Schnitzler, Karl-Eduard von 173 Scholl 278 Scholl-Latour, Peter 326 Scholz, Charly 183 f. Schönthan, Franz von 225 Schopen, Walter 349, 370 Schroeder 198 f. Schröter, Fritz 244 Schubert, Franz 201, 208f. Schulbuchverlag 330 Schuhen, Michael 108 Schüller, Wilhelm 137f., 140,198 Schulte, Georg 65, 74,136,139,145, 315,392 Schum, Alexander 122, 164f„ 178-180, 235 Schuman, Robert 8, 167f., 334, 363f, 366, 404 Schumann, Robert 87 Schütz, Paul 257 Schwan, Heribert 111,130-134,137, 149-151,158,167f., 174,181,193f., 218, 235, 248 Schwarzwälder Bote 324 Schweitzer, Maria 171, 236 Schwitzke, Heinz 229 Screpel, Henri 207 Section Télécommunications 136
Personen- und Medienregister
Séguy, Pierre 155-158, 161, 164, 196f., 233 Simson, Fred 174 Sinfonie-Orchester des Saarländischen Rundfunks, Großes Radio-Orchester Radio Saarbrücken, RSO-Saarbrücken 32, 172, 185, 194-208, 211 f., 454 Sinfonie-Orchester Metz 144,195 Singer, Franz 55, 74, 171, 3 84 Skohoutil, Hans 220, 274 Société de Radiodiffusion et Télévision 260 Société financière de radiodiffusion (SOFIRAD) 168, 249f., 272, 286, 295-298 Société Monégasque de Banque de Métaux Précieux 294 Société Nouvelle de l'Outillage R.B.V. 259 Société Sarroise de Télévision 254, 257 Société Spéciale d'Entreprises 259 Solovieff, Myriam 204 Sonntagsglocken, Die 105 Sonntagsgruß, Der 4, 70,102, 105, 120 Sozialdemokratische Partei des Saarlandes (SPS) 6 7 f , 74,136,143,159, 168, 171, 180, 317, 354, 377, 380, 388, 390, 392-396, 399, 413, 432, 434 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 2, 4, 17, 29, 47, 49f., 300f., 315, 317, 324, 339, 363, 374, 390, 392, 396 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 181,317 Sozialistische Reichspartei (SRP) 180f. Sparkassenverband 302 Spiegel, Der 2,158 f. Spiel und Sport [Zeitschrift] 410 Sport an der Saar [Zeitschrift] 411 Sport-Echo [Zeitschrift] 70, 73, 75, 83, 330, 410, 413-421, 424 f., 428 Sport-Welt [Zeitschrift] 338,410, 425-427 Stadttheater-Orchester 200
475
Staël, Madame de 233 Stamitz, Carl 209 Steigner, Max 55 Steinkrüger, Martin 205 Steinschneider, O t t o Robert 156 Stephens, George W. 44 Stern, August Peter 145, 158 Stiller, Peter Albert 2 3 0 f , 233, 235 Stinnes, H u g o 373 Storm, Theodor 227 Straus, Emil 201, 208, 418, 424, 426 Strauss, Richard 202, 212 Strawinsky, Igor 203, 205 Stücklen, Richard 277-279, 306 Studtmann, O . W. 162 Stumm-Halberg, Carl Ferdinand von 390 Sturm, Marcel 105 Süddeutscher Rundfunk (SDR) 156, 173, 227-230, 232f„ 237f., 299f. Südwestdeutsche Sportzeitung 409, 411 f. Südwestfunk (SWF) 24, 101, 135, 143 f., 148-151,173 f., 217, 222, 227, 330, 232, 238, 299 Südwestliga 425 Suk, Joseph 205 Taladone, Barthélémy 233 T E L E Bild mit Radio 264 Télé Monte Carlo 249, 265, 272, 286, 297 Tele-Bild 220 Tele-Funk 220 Telefunken 244,246 Telemann, Georg Philipp 209, 214 Télé-Radio 338 Tele-Saar 32, 157, 188, 241-243, 249, 251, 258, 260-268, 271, 273-280, 295, 298, 306, 455 Thalheimer, Siegfried 53 Theis, Sebastian 171 Thomé 275 T h o m s o n - H o u s t o n 260
476
Personen- und Medienregister
Thürnagel, Wolfgang 172 Tintenfisch [Zeitschrift] 103,189, 330, 405, 456 Toto-Sport 427 Tour de France 146, 414, 425 Trierische Landeszeitung 92, 121 Trolley de Prévaux 171 Truppenzeitung 64,313 Tseng Ou 282 Ullmann, Walter 158f. Union der deutschen Sozialisten in der Schweiz 324 Union Druck und Zeitungsverlag 396 Unsere Welt 3 94 f. Vaillant, Ludovic 210 Vera-Verlagsgesellschaft 332 Vivaldi, Antonio 208 f. Vogel, Heinz 350 Volksstimme 25, 47-49, 53 f., 65, 67f., 74, 317, 326, 354, 374, 388, 390-396, 406, 433-436, 439f„ 449 Voltmer, Erich 356 Vorms, Armand 245, 259, 287 Vorwärts 317 Wacker, Heinrich 74, 392 Walch, Erich 397 Wallenborn, Fritz Wim 164 f. Wallenreiter, Christian 300 Walter, Fritz 189 Wandenberghe, Jan 232 Wartburg [Funkhaus] 108, 136-140, 144, 158, 163 f., 167, 170, 174, 177, 179, 182, 184, 191, 195f., 198-200, 202f., 213,217,222, 224 Weber, Carl Maria von 150,195 Weber, Emil 300 Weber, Wilhelm 226 Wehner, Herbert 301 Wehr, Matthias 102, 108, 111, 114, 120
Wehr, Otto 102,105,110,112,118, 122 Weiland, Albert Carl 220, 223 f., 226-232,235-237, 239 Weißenbach, Fritz (Zick) 151-154, 187, 189 Wendeljosef 102,114,124 Westdeutscher Rundfunk (WDR) 28, 299 Westeuropäische Union (WEU) 26, 102, 116, 124, 456 West-Ost-Verlag 330, 425f. Wettmann, Hans 171 f., 186 Weyrich, Oswald 397 Will, Hans-Peter 390, 394 Wilton, Ernest 44 Winkler, Max 45, 51, 55f. Winners, Fritz 410, 414f., 421, 425-427, 429 Wirbel, Henri 40, 300 Wobido, Hans 164 Wochenspiegel 4,305 Wolf, Louis de 260 Wolff, Rudolf 337,367 Wolff'sches Telegraphisches Bureau Wolfskeil, Karl 300 Wust, Karl 300 Wüst, Philipp 198, 200
41
Zbinden, Julien-François 203 Zeit im Bild 71, 95 Zeller, Carl 200 Zenner, Jacques 323, 362 Zentralkomitee der deutschen Katholiken 120 Zentrumspartei, Saarland 40, 47-49, 52, 55, 72, 107, 379, 384 Zimmer, Heinrich 329, 334, 339, 348 Zimmer, Peter 65,75,193,315,317, 320, 328 f. Zimmer, Walter 397 Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) 158,300
Detailliertes Inhaltsverzeichnis Clemens Zimmermann/Rainer
Hudemann/Michael
Kuderna
Einführung in das Gesamtprojekt
1
Rainer Hudemann Einführung in den Band 1
19
Medienpolitik im Zeichen von Demokratisierung, Kontrolle und Teilautonomie
Andreas Merl Tagespresse im Saargebiet 1918-1945
37
1. 2.
Einleitung Presse während der Herrschaft der Arbeiter- und Soldatenräte und der französischen Militärverwaltung (1918-1920)
37
3.
Presse in der Zeit des Völkerbundmandates (1920-1932)
42
4. 5.
Struktur des Zeitungsmarktes im Saargebiet (Stand 1930) Presse im Saarkampf (1933-1935)
46 50
6. 7. 8.
Presse im Nationalsozialismus (1935-1945) Quellenverzeichnis Ausgewählte Forschungsliteratur
54 58 58
39
Natalie Pohl Demokratisierung im inneren Widerspruch. Französische und saarländische Printmedienpolitik 1945-1955
61
1.
Einleitung
61
2.
Pressepolitik in französischer Verantwortung Neubeginn der Presse an der Saar (63) Lizenzierung von Parteizeitungen und Zeitschriften (66) Die französische Pressezensur (72) Auswahl der Lizenzträger (74) Auswahl der Redakteure (75) Pressepolitik in saarländischer Verantwortung Rechtlicher und institutioneller Rahmen der saarländischen Pressepolitik (77) Die Saarländische Pressezensur (82) Französische Kontrolle des saarländischen Zeitungsmarktes (88) Französische Wirtschafts- und Finanzhilfen für saarländische Zeitungen (90) Kontakte zwischen saarländischen und französischen Journalisten (95)
63
3.
4. 5. 6.
Zusammenfassung Quellenverzeichnis Ausgewählte Forschungsliteratur
77
97 99 99
478 Judith
Detailliertes Inhaltsverzeichnis
Hüser
Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten. Eine medienpolitische Kirchengeschichte der Saarautonomie 1945-1959 1. Das Saarland - Eine kirchlich-konfessionelle Medienlandschaft? 2. ,Saarbistumspresse': Autonomiestärkung oder Grenzerfahrung? Katholische ,Saarausgaben' (103) Evangelisches ,Alleinstcllungsmerkmal' (105) Mediale Debattenkultur zwischen Hirtenbrief und Politikerwort (106) 3. Die Kirchen auf Sendung Ein saarländischer Ressortzuschnitt (108) Hohe Präsenz mit loyalen Größen (111) Eine Radiopredigt - Intra- und intermediale ProtestInszenierung (113) 4. Zur Medialität der ,Gewissensfrage' vom 23. Oktober 1955 5. ,Kleine Wiedervereinigung im W e s t e n ' - Dissensmanagement 6. Zusammenfassung - Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten und europäische Bewusstseinsbildung 7. Quellenverzeichnis 8. Ausgewählte Forschungsliteratur
101 101 102
108
118 119 123 124 125
Rundfunk und Fernsehen Paul Burgard Die Saarlandmacher. Der Aufbau des Saarländischen Rundfunks und die Autonomie des Landes 1946-1955 1. Fragen an den Autor 2. Bevor Saarbrücken spricht 3. Französischer Sender in deutscher Sprache? 4. Der SR den Saarländern! Durch die „Saarlandbrille" (152) ,Saarlandisierung' des Personals (157) Gesetz oder Konvention? (165) 5. Politik in der Wartburg 6. „Das Saarland ist ein Beispiel dafür, wie es in der Welt einmal werden könnte": Die perfekte Werbe-Welle 7. Zusammenfassung 8. Ausgewählte Forschungsliteratur
129 129 135 141 152
170 182 190 191
Charles Scheel Musik als Anker politischer und medialer Attraktivität. Umfang und Grenzen der französischen Impulse in der musikalischen Programmgestaltung des Rundfunks an der Saar 1945-1957 1. Einleitung 2. .Lieutenant' François-Régis Bastide, der Wiederaufbau eines Sinfonieorchesters für den Rundfunk in Saarbrücken 1946 und die .Épuration' . . . 3. Rudolf Michl und das Repertoire des Sinfonieorchesters in öffentlichen Konzerten des Rundfunks an der Saar
193 193 197 201
Detailliertes Inhaltsverzeichnis
4.
5. 6. 7.
Die S R - G m b H , ein neues Saarländisches Kammerorchester unter dem Berliner Karl Ristenpart und die Autonomiestrategie der H o f f m a n n Regierung Epilog: Frankreich als weiterer Schwerpunkt der musikalischen Produktion des SR nach 1957 Quellenverzeichnis Ausgewählte Forschungsliteratur
Anette
479
205 211 214 215
Kührmeyer
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955 1. Wiederaufnahme des Sendebetriebs von Radio Saarbrücken unter französischer Besatzung 2. Fragestellung und methodisches Vorgehen 3. Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955 Hörspiel- und hörspielähnliche Sendungen bis 1948 (221) Hörspielprogramm ab 1948 (222) Französischer Einfluss (232) Saarländischer Einfluss (235) 4. Zusammenfassung 5. Quellenverzeichnis 6. Ausgewählte Forschungsliteratur
217 217 219 221
237 238 239
Andreas Fickers Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland. Die Geschichte der Saarländischen Fernseh A G (Tele-Saar und Europe N o . 1) 1. Einleitung 2. Das Saarland im Kontext der deutsch-französischen R u n d f u n k geschichte 3. Die Gründung der Saarländischen Fernseh A G Die Umstrukturierung des Saarländischen Rundfunks (247) Die Verhandlungen zur Gründung der Saarländischen Fernseh A G (250) Planung und Realisierung der technischen Infrastruktur (256) 4. Tele-Saar: Der erste kommerzielle Fernsehsender Europas Liquidieren oder subventionieren? Tele-Saar im Kreuzfeuer deutschfranzösischer Interessen (268) Bundesdeutsche und saarländische Widerstände gegen die Tele-Saar (273) 5. Europe N o . 1: Ein .Piratensender'erhitzt die Gemüter Internationale Beschwerden und heiteres Frequenzraten (282) Deutschfranzösische Frequenzdiplomatie (289) „Vous êtes formidables!": Auf dem Weg zur N u m m e r 1 in Frankreich (291) 6. Die rundfunkpolitischen Nachwehen von Europe N o . 1 im Saarland Zensur oder Zaster? Frankreichs ambivalente Politik gegenüber Europe N o . 1 (295) Saarländische Joker im bundespolitischen Rundfunkpoker (298) Warten auf Godot? Von der Freien R u n d f u n k A G (FRAG) zu Radio Salü (302)
241 241 244 247
260
280
295
480
Detailliertes Inhaltsverzeichnis
7.
Zusammenfassung: Geschichte als ,soap opera'
305
8.
Ausgewählte Forschungsliteratur
307
Zeitungslandschaft
Natalie Pohl Die Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955 . 1. Einleitung 2. Neubeginn unter französischer Kontrolle Die Gründung der Neuen Saarbrücker Zeitung (313) Neubeginn der Berichterstattung (319) Besetzung der Redaktion (322) 3. Entwicklung der Zeitung bis zum Vorabend der Saarabstimmung 1955 . . . Französische Beteiligung an der Saarbrücker Zeitung (327) Konsolidierung der Saarbrücker Zeitung bis Mitte der 1950er Jahre (330) Neuordnung der französischen Teilhaberschaft (333) 4. Neuordnung der Zeitung nach der Volksabstimmung 1955 Die Saarbrücker Zeitung und das Saarstatut (335) Übergang der Saarbrücker Zeitung in saarländischen Besitz (338) 5. Zusammenfassung 6. Quellenverzeichnis 7. Ausgewählte Forschungsliteratur
Alexander
311 311 313
327
335
341 343 343
König
Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung 1947-1955. Eine qualitativ-quantitative Analyse von Inhalten und Sparten . . . . 1. Einleitung 2. Forschungsüberblick 3. Fragestellung und Methodik 4. Die Medienstruktur des Blattes in den Jahren 1947 bis 1955 5. Medienrealitäten 1947 bis 1955: Das Saarland - Vision und Funktion 6. Die Saarbrücker Zeitung als ein supranational-europäisches Blatt 7. Quellenverzeichnis 8. Ausgewählte Forschungsliteratur
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Ines Heisig Parteipresse und Presselandschaft in der Autonomiezeit 1945-1955 1. Einleitung 2. Der Neuanfang der saarländischen Parteipresse nach dem Zweiten Weltkrieg unter französischer Militäradministration Der Beginn eines neuen politischen Lebens an der Saar (378) Die Zulassung von Parteien und Parteizeitungen durch die französische Militärregierung (380) 3. Die saarländische Parteipresse im teilautonomen Saarstaat
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382
Detailliertes Inhaltsverzeichnis
481
Die Saarländische Volkszeitung: Organ der Christlichen Volkspartei (CVP) (384) Die Volksstimme: Organ der Sozialdemokratischen Partei des Saarlandes (SPS) (390) Die Neue Zeit: Organ der Kommunistischen Partei Saar (KPS) (397) Das Saarland: Organ der Demokratischen Partei Saar (DPS) (403) 4. Zusammenfassung 406 5. Ausgewählte Forschungsliteratur 407 Bernd Reichelt Die saarländische Sportpresse im Spannungsfeld von Politik, Identität und Selbstbehauptung 1945-1960 1. Einleitung 2. Die Presse als Wegbegleiter des modernen Sports 3. Zwischen Kontrolle und Demokratisierung (1945-1947) 4. Sportpresse als identitätsstiftender Faktor (1946-1948) 5. Sport und Politik: Die .Affäre Menzel' 6. Sport und regionale Identität im ,Saarstaat' 7. Sportpresse und Sportemanzipation (1948-1951) 8. Entpolitisierung und Niedergang (1951-1960) 9. Zusammenfassung 10. Ausgewählte Forschungsliteratur
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Susanne Dengel Ja oder Nein? Die saarländischen Zeitungen im Abstimmungskampf 1955 . . . . 1. Einleitung 2. Die Zeitungslandschaft im Herbst 1955 3. Wir sagen J A zum Statut! 4. Wir sagen N E I N zum Statut! 5. Zusammenfassung 6. Ausgewählte Forschungsliteratur Rainer
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Hudemann
Resümee
451
Übersicht über das Gesamtwerk Band 1: Medien zwischen Demokratisierung und Kontrolle (1945-1955) Herausgegeben von Rainer Hudemann Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Einführung in das Gesamtprojekt
Kuderna
Rainer Hudemann Einführung in den Band 1 Medienpolitik im Zeichen von Demokratisierung, Kontrolle und Teilautonomie Andreas
Merl
Tagespresse im Saargebiet 1918-1945 Natalie
Pohl
Demokratisierung im inneren Widerspruch. Französische und saarländische Printmedienpolitik 1945-1955 Judith Hiiser Kirchen, Medien, Öffentlichkeiten. Eine medienpolitische Kirchengeschichte der Saarautonomie 1945-1959 Rundfunk und Fernsehen Paul Burgard Die Saarlandmacher. Der Aufbau des Saarländischen Rundfunks und die Autonomie des Landes 1946-1955 Charles Scheel Musik als Anker politischer und medialer Attraktivität. Umfang und Grenzen der französischen Impulse in der musikalischen Programmgestaltung des Rundfunks an der Saar 1945-1957 Anette
Kührmeyer
Hörspiel bei Radio Saarbrücken von 1946 bis 1955 Andreas
Fickers
Die Anfänge des kommerziellen Rundfunks im Saarland. Die Geschichte der Saarländischen Fernseh A G (Tele-Saar und Europe No. 1)
484
Übersicht über das Gesamtwerk
Zeitungslandschaft Natalie Pohl Die Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955 Alexander König Die Saarproblematik in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung 1947-1955. Eine qualitativ-quantitative Analyse von Inhalten und Sparten Ines H eisig Parteipresse und Presselandschaft in der Autonomiezeit 1945-1955 Bernd
Reichelt
Die saarländische Sportpresse im Spannungsfeld von Politik, Identität und Selbstbehauptung 1945-1960 Susanne Dengel Ja oder Nein? Die saarländischen Zeitungen im Abstimmungskampf 1955 Rainer Hudemann Resümee
Band 2: Medienpolitik und mediale Strukturen (1955-2005) Herausgegeben von Clemens Zimmermann Clemens Zimmermann Einführung in den Band 2 Grundzüge und Strukturen Tanja
Moser-Praefcke
Entscheidungssituationen saarländischer Medienpolitik Tanja Moser-Praefcke Die Struktur der saarländischen Hörfunk- und Fernsehinstitutionen Tanja Moser-Praefcke Die Entwicklung der Zeitungslandschaft Aline Maldener Monopole, Marktverstopfer, Mitbewerber. Die Landschaft der Zeitschriften und Anzeigenblätter
Übersicht über das Gesamtwerk
485
Organisations- und Kommunikationsprozesse Stephan
Rosenke
Binnen- und Außenkommunikation beim Saarländischen Rundfunk Stephan
Rosenke
Binnen- und Außenkommunikation bei der Saarbrücker Zeitung Sabine
Schmitt
Öffentlichkeitsarbeit und öffentliche Aktionen: Saarländischer Rundfunk, Radio Salü und Saarbrücker Zeitung seit den 1970er Jahren Astrid Felsner Hörerforschung beim Saarländischen Rundfunk Berufsorganisation und Berufsbilder Tina Raubenheimer Die Entwicklung der Berufsbilder im Hörfunk. Der Saarländische Rundfunk Barbara Granitz Die Entwicklung der Berufsbilder im Fernsehjournalismus. Der Saarländische Rundfunk Mareike Egnolff Die Veränderungen der Berufsbilder in der Printpresse. Die Saarbrücker Zeitung Peter Wettmann-Jungblut Soziale Kommunikation und politische Organisation im saarländischen Journalismus 1947-2008 Clemens Resümee
Zimmermann
486
Übersicht über das Gesamtwerk
Band 3: Mediale Inhalte, Programme und Region (1955-2005) Herausgegeben von Clemens Zimmermann Clemens Zimmermann Einführung in den Band 3 Programme und Angebote im Rundfunk Jochen Taßler Mehr Programm, weniger Inhalt? Zur Programmgeschichte der Hörfunksparte des Saarländischen Rundfunks Barbara Duttenhöfer Ein Land - ein Sender. 50 Jahre Programmgeschichte des saarländischen Fernsehens Yvonne Alisa-Maria Schieinhege Der „Aktuelle Bericht" im Fernsehen des Saarländischen Rundfunks 1994-2006 Inhalte und Angebote in der Printpresse Susanne
Dengel
Die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung im Wandel Nicole
Hoppe
Visualisierungsstrategien in der Printpresse. Eine quantitative Analyse des Bildmaterials der Saarbrücker Zeitung Judith Hayer Die Wahrnehmung der italienischen .Gastarbeiter' in der saarländischen Presse von den 1950ern bis in die 1970er Jahre Katrin Schmäl Die Wahrnehmung von Migranten in der regionalen Presse. Die Saarbrücker Zeitung in den 1980er Jahren Elena Kreutzer Die Einwanderer in der Wahrnehmung der regionalen Presse des Saarlandes 1990-2005 Merle Schmidt .Halbstarke' und ,Bk>usons-Noirs'. Die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung über ein Jugendphänomen im deutsch-französischen Vergleich
Übersicht über das Gesamtwerk
Medien und Region
Sven Adrian Zwischen Programmauftrag und medialer Strategie - Das Regionalprogramm des SR Fernsehens zwischen 1961 und 2003
Susanne Dengel Regionalisierung als Grundstrategie der Saarbrücker Zeitung
Johannes Kloth Kommunikations- und Medialisierungsprozesse der Neuen Sozialen Bewegungen im Saarland in den 1970er und 1980er Jahren
Clemens Zimmermann Resümee
Clemens Zimmermann/Rainer
Hudemann/Michael
Kuderna
Gesamtresümee des Forschungsprojektes und Forschungsfragen