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German Pages XVI, 586 [593] Year 2020
Christine W. Trültzsch-Wijnen
Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy
Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy
Christine W. Trültzsch-Wijnen
Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy
Christine W. Trültzsch-Wijnen Kompetenzzentrum für Medienpädagogik und E-Learning Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig Salzburg, Österreich
ISBN 978-3-658-29533-2 ISBN 978-3-658-29534-9 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Barbara Emig-Roller Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
für Emilia und Sascha
Danksagung
Wenn man die Früchte seiner Arbeit in Form eines Manuskripts in Händen hält, wird einem auch bewusst, wie viel Zeit darin „verschwunden“ ist. Zeit, die man nicht immer in der Form mit Familie, Freundinnen und Freunden verbringen konnte, wie man es vielleicht gerne getan hätte. Daher ist es mir wichtig, an dieser Stelle inne zu halten und jenen zu danken, die mich bei meiner Arbeit besonders unterstützt haben. Allen voran gilt dieser Dank meiner Familie: Ich danke meinem Mann Sascha Trültzsch-Wijnen, der mir nicht nur im alltäglichen Leben vieles abgenommen, sondern der mich auch mit fachlichen Diskussionen immer wieder herausgefordert hat, und unserer Tochter Emilia, die mich immer wieder daran erinnert, wie schön das Leben ist. Ich danke auch meinem Vater, der nie aufhört an mich zu glauben, und gedenke besonders jenen, die immer für mich da waren, denen ich aber nicht mehr dafür danken kann. Des Weiteren ist den vielen internationalen Kolleginnen und Kollegen zu danken, mit denen ich in den letzten Jahren auf Tagungen und im Rahmen von Forschungsprojekten das Thema media literacy sowie das alltägliche Medienhandeln Heranwachsender aus unterschiedlichen Perspektiven diskutieren konnte. Ein besonderer Dank gilt dabei Nico Carpentier und Alice Němcová Tejkalová. Zu guter Letzt gebührt mein Dank Lydia Schiffkorn, Anja Löbert und Nicola Barefoot für die gute Zusammenarbeit. Christine W. Trültzsch-Wijnen
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2
Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns. . . . . . . . . . . 7 2.1 Medienaneignung und Sozialisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.1.1 Soziologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.1.2 Psychologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1.3 Kommunikationswissenschaftliche Grundlagen. . . . . . . 37 2.1.4 Identitätsarbeit, Beziehungsmanagement und Orientierung in der Welt mithilfe von Medien. . . . . . . . . 47 2.2 Sozialisationserfahrungen und Mediennutzung. . . . . . . . . . . . . . . 58 2.2.1 Medienrepertoires und Kommunikationsmodi . . . . . . . . 59 2.2.2 Mediengenerationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.3 Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
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Feine Unterschiede im Medienhandeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.1 Sozialer Raum, Habitus und Distinktion bei Pierre Bourdieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.1.1 Zur Relation unterschiedlicher Kapitalien. . . . . . . . . . . . 85 3.1.2 Bildung als soziales (Spiel-)Feld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.2 Der Beitrag Bourdieus zur Erklärung des Medienhandelns. . . . . 93 3.2.1 Bourdieus Ansatz im Kontext kommunikationswissenschaftlicher Diskurse . . . . . . . . . 102 3.2.2 Medienpädagogische Diskurse über den medialen Habitus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3.3 Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
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Theoretische Annäherung an die Begriffe Kompetenz und Performanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4.1 Zur Relation von Kompetenz und Performanz . . . . . . . . . . . . . . . 119 4.1.1 Performanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4.1.2 Kompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 4.2 Kompetenz und Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.2.1 Kompetenz als Bildungsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4.2.2 Schlüsselqualifikation und Schlüsselkompetenz. . . . . . . 148 4.2.3 Kritik der Funktionalisierung und Weiterentwicklung eines pädagogischen Kompetenzbegriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4.3 Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
5
Kompetenz und Literacy im Umgang mit Medien . . . . . . . . . . . . . . . 173 5.1 Medienkompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5.1.1 Theoretische Wurzeln und Definition . . . . . . . . . . . . . . . 176 5.1.2 Aktuelle Diskurse und Versuche einer Operationalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5.2 Media Literacy. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 5.2.1 Theoretische Wurzeln und Definition . . . . . . . . . . . . . . . 199 5.2.2 Aktuelle Diskurse und Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . 233 5.3 Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
6
Resümee: Medienhandeln zwischen Kompetenz und Performanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 6.1 Der Mediale Habitus als Erklärung für den Zusammenhang zwischen Medienhandeln und sozialer Umwelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 6.2 Der Mehrwert einer Unterscheidung zwischen Kompetenz und Performanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 6.3 Die Beiträge von Pierre Bourdieu und Dieter Baacke zur Auseinandersetzung mit Media Literacy. . . . . . . . . . . . . . . . . 295
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Empirische Spurensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 7.1 Bildungsunterschiede im Umgang mit Model-Castingshows bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren . . . . . . . . . . . . . . 300 7.2 Methodische Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 7.3 Ergebnisse der qualitativen Sekundäranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . 303 7.4 Schlussfolgerungen für eine weitere Auseinandersetzung mit Medienkompetenz und Medienperformanz. . . . . . . . . . . . . . . 305
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Medienkompetenz und Medienperformanz im Kontext der Social Web-Nutzung zehn bis 18-Jähriger Kinder und Jugendlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 8.1 Einordnung in den aktuellen Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . 312 8.1.1 Allgemeine Befunde zur Internetnutzung Heranwachsender im europäischen Vergleich und im deutschen Sprachraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 8.1.2 Spezielle Befunde zu Social Network Sites (SNS). . . . . 324 8.1.3 Zusammenfassung und Einordnung der eigenen Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise. . . . . . . . . . . . . . . . 335 8.2.1 Quantitative Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 8.2.2 Qualitative Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 8.3.1 Allgemeine Nutzungsweisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 8.3.2 Produktive Internetnutzung und gesellschaftliche Partizipation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 8.3.3 Wissen, Selbsteinschätzung und elterliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 8.4 Nutzung von Social Network Sites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 8.4.1 Identitätsmanagement und Selbstpräsentation. . . . . . . . . 383 8.4.2 Beziehungsmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 8.4.3 Privatsphäremanagement und Einstellungen zu SNS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 8.5 Zwischenfazit der quantitativen Erhebung: Besonderheiten und Auffälligkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 8.5.1 Altersspezifische Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 8.5.2 Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts und der formalen Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 8.6 Medien im Kontext lebensweltlicher Hintergründe aus fallübergreifender Perspektive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 8.6.1 Allgemeiner Medienumgang und Medienbewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 8.6.2 Medienerziehung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 8.6.3 Fähigkeiten, Fertigkeiten und individuelle Handlungsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
XII
Inhaltsverzeichnis
8.7
9
Typisches Medienhandeln aus Perspektive individueller Handlungsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 8.7.1 Bestimmung von Milieu und lebensweltlicher Orientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 8.7.2 Medienhandlungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 8.7.3 Auffälligkeiten und Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 467 8.7.4 Individuelle Einflussfaktoren prägen das Medienhandeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
Bilanz und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
10 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 10.2 Erhebungsinstrumente der qualitative Teilstudie. . . . . . . . . . . . . . 514 10.2.1 Lautes Denken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 10.2.2 Interview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 10.2.3 Eigenschaften eines Freundes/einer Freundin. . . . . . . . . 526 10.2.4 Beobachtungsbogen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 10.3 Instrumente zur Datenauswertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 10.3.1 Kodewortbaum für Maxqda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 10.3.2 Matrix für Einzelfalldarstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 10.4 Politaritätsprofile (Einzelfälle). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5 Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 2.8 Abb. 2.9 Abb. 3.1 Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 4.4 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 6.1 Abb. 6.2
Der sozialökologische Ansatz Urie Bronfenbrenners . . . . . . . . 25 Der medienökologische Ansatz Dieter Baackes. . . . . . . . . . . . . 27 Entwicklungsstufen nach Piaget (1936/2002). . . . . . . . . . . . . . 31 Einflussfaktoren für die Mediensozialisation mit Schwerpunkt auf die Familie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 EU Kids Online revised model. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Model of generational identity-making. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Der praktische Sinn des Medienhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Verhältnis von Individuum und Umwelt aus sozial- und medienökologischer Perspektive. . . . . . . . . . . . . . . 73 Überlagerung sozialökologischer Ebenen durch die mediale Umwelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Mediales Feld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Kontextabhängiger Einsatz von Schlüsselkompetenzen . . . . . . 154 Theoretische Auseinandersetzungen mit Performanz . . . . . . . . 161 Theoretische Auseinandersetzungen mit Kompetenz . . . . . . . . 163 Bildungstheoretisches Kompetenzverständnis. . . . . . . . . . . . . . 168 Baackes Definition von Medienkompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . 180 Entwicklung von Literacy-Konzepten in Bezug auf Forschungsperspektiven und neue Medienkultur. . . . . . . . . . . . 229 Literacies nach dem Grad der Verallgemeinerung. . . . . . . . . . . 231 Strukture of Media Literacy Assessment Criteria . . . . . . . . . . . 259 Verhältnis von Medienkompetenz und Medienperformanz I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Verhältnis von Medienkompetenz und Medienperformanz II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
XIII
XIV
Abb. 8.1 Abb. 8.2 Abb. 8.3 Abb. 8.4 Abb. 8.5 Abb. 8.6 Abb. 8.7 Abb. 8.8 Abb. 8.9 Abb. 8.10 Abb. 8.11 Abb. 8.12 Abb. 8.13 Abb. 8.14 Abb. 8.15 Abb. 8.16 Abb. 8.17 Abb. 8.18 Abb. 8.19 Abb. 8.20
Abbildungsverzeichnis
Forschungsdesign. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Übersicht über die einzelnen Teilstudien. . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Schematischer Ablauf der qualitativen Teilstudie . . . . . . . . . . . 356 Intensivnutzung nach Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Nutzung von Wikis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Einschätzung des Internets. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Positive Einschätzung des Internets nach Alter und Nutzungsintensität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Vertrauen in Informationen aus dem Internet nach Alter und formaler Bildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Technische Fertigkeiten nach Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 Umgang mit Computerproblemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 SNS-Nutzung nach Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 Nutzung von SNS-Spielen nach Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Authentizität auf SNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Selbstpräsentation auf SNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Profilaktualisierung nach Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Hochgeladene Fotos auf SNS, auf denen man klar erkennbar ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Kommunikation mit engen Freunden im Internet . . . . . . . . . . . 393 Bedeutung der Teilhabe an anderen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Generelles stören an hochgeladenen Fotos . . . . . . . . . . . . . . . . 400 Übersicht Typenbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
Tabellenverzeichnis
Tab. 2.1 Tab. 4.1 Tab. 4.2 Tab. 5.1 Tab. 5.2 Tab. 5.3 Tab. 5.4 Tab. 5.5 Tab. 5.6 Tab. 5.7 Tab. 8.1 Tab. 8.2 Tab. 8.3 Tab. 8.4 Tab. 8.5 Tab. 8.6 Tab. 8.7 Tab. 8.8 Tab. 8.9 Tab. 8.10 Tab. 8.11 Tab. 8.12
Entwicklungsaufgaben nach Havighurst (1972). . . . . . . . . . . . . 34 Competence and Performance Factors in Intellectual Development. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Psychologische Kompetenzkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Dimensionen der Medienkompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Development of Literacy. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Informationsbasierte Literacies. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Medienbasierte Literacies. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Allumfassende multimediale Literacies. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Chancen und Risiken des Medienumgangs aus Perspektive 3 Ps der UN Kinderrechtskonvention . . . . . . . . . . . 239 Relevanz von Kinderrechten im Kontext von IKT und media literacy. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Stichprobenzusammensetzung nach formaler Bildung. . . . . . . . 340 Stichprobenzusammensetzung nach Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Zusammensetzung der qualitativen Stichprobe. . . . . . . . . . . . . . 348 Kategorien der teilnehmenden Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . 350 Eigenschaften eines idealen Freundes/einer idealen Freundin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Elementarkategorien der Habitushermeneutik. . . . . . . . . . . . . . 359 Elementarkategorien des medialen Habitus . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Elementarkategorien der Medienperformanz. . . . . . . . . . . . . . . 364 Dauer der Internetnutzung nach Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Aktivitäten im Internet allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Unterschreiben einer Online-Petition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Wissen über das Internet (Selbsteinschätzung). . . . . . . . . . . . . . 374
XV
XVI
Tab. 8.13 Tab. 8.14 Tab. 8.15 Tab. 8.16 Tab. 8.17 Tab. 8.18 Tab. 8.19 Tab. 8.20 Tab. 8.21 Tab. 8.22 Tab. 8.23 Tab. 8.24 Tab. 8.25 Tab. 8.26
Tabellenverzeichnis
Wissen über das Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Technische Fertigkeiten in Bezug auf das Internet. . . . . . . . . . . 379 Vergleich der Aktivitäten auf SNS und im Internet allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Nutzung von SNS-Spielen nach formaler Bildung. . . . . . . . . . . 384 Umgang mit Bildern auf SNS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Tätigkeiten in Bezug auf Fotos (SNS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Häufigkeit von Chatten und Schreiben von Privatnachrichten auf SNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Nutzung von Gruppen, Fan-Seiten und Veranstaltungseinladungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Sichtbarkeit von Profilinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Privatsphäremanagement bei gruppierten Kontakten. . . . . . . . . 396 Tendenzen hinsichtlich der Gruppe der extrem sensiblen SNS-NutzerInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Sichtbarkeit auf SNS nach Bildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Peinliche Veröffentlichungen auf SNS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Beschreibung von Bildungsmilieus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
1
Einleitung
Der Begriff media literacy zählt zu den wichtigsten Grundbegriffen der Medienpädagogik unabhängig davon, ob man sich aus wissenschaftlicher (Kommunikationswissenschaft, Bildungswissenschaft, Psychologie, Linguistik, Kulturwissenschaft etc.), praktischer (Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten), gesellschaftlicher (Partizipation, Wissenskluft, digitale Ungleichheit etc.) oder politischer Perspektive (Digitalisierung, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit etc.) der Frage eines sicheren und selbstbestimmten Umgangs mit Medien annähert. Lunt und Livingstone stellen fest, dass [m]edia education has been taught in schools in many countries for some decades sometimes as part of a protectionist agenda (teaching children to critique and by wary, the better to defend themselves against mass culture), sometimes as part of a creative agenda (teaching children to appreciate the cultural forms and genres, the better to extend their aesthetic and critical understanding), and more recently as part of an empowerment agenda (teaching children to use the technical tools of self-expression, the better to participate in modern society). The value of media literacy is also recognised by critical scholars and civil society advocates as part of a wider citizenship agenda, as a form of participation and inclusion, as a means of overcoming disadvantage, a means of community empowerment or, more tactically, as a preferable alternative to technical or regulatory content restrictions (Lunt und Livingstone 2012, S. 117).
Auch innerhalb der Kommunikationswissenschaft sind Diskurse um media literacy vor allem im Kontext der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen von Bedeutung. Zum Teil werden als Fazit empirischer Studien zum Medienumgang von Kindern und Jugendlichen Empfehlungen (policy recommendations) im Hinblick auf die Förderung von media literacy für verschiedene Zielgruppen
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. W. Trültzsch-Wijnen, Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9_1
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(z. B. Eltern, pädagogische Institutionen, Politik etc.) in unterschiedlichen Kontexten formuliert (z. B. Paus-Hasebrink et al. 2019; O’Neill und Staksrud 2014). Media literacy ist ebenso Bestandteil der Debatte um Chancen und Risiken des Internets (z. B. Livingstone et al. 2011) sowie der Online-Rechte von Kindern und Jugendlichen (Livingstone und Third 2017). Und schließlich setzt man sich vor dem Hintergrund einer zunehmenden Mediatisierung und Digitalisierung des Alltags mit dem frühen Erwerb digitaler Kompetenzen (z. B. Chaudron 2015, COST-Projekt DigiLitEY) auseinander. Betrachtet man unterschiedliche Studien zum Medienumgang und zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen, so lassen sich in zahlreichen Untersuchungen, die unabhängig voneinander, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedenen Ländern durchgeführt wurden, Indizien dafür erkennen, dass Kinder und Jugendliche aus bildungsnahen und sozialökonomisch höheren Milieus über ein vielfältigeres Medienrepertoire verfügen als Gleichaltrige aus bildungsferneren und sozialökonomisch schwächeren Milieus (z. B. Schmidt et al. 2011; Parycek et al. 2010; Steiner 2013, Behrens et al. 2014; Paus-Hasebrink et al. 2019). Auch die europaweit vergleichende Studie EU Kids Online (Livingstone et al. 2011) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis (Sonck et al. 2011) und Urbančíková et al. (2017) konnten vergleichbare Effekte im Hinblick auf Jugendliche (ab 14 Jahren) und Erwachsene (siehe auch Shala und Grajcevci 2018) feststellen. Ebenso betonen Sowka et al. (2015) Zusammenhänge zwischen dem Grad der Medienkritikfähigkeit, der formalen Bildung und des Alters. Es zeigt sich also eine Tendenz, dass soziale Unterschiede zu unterschiedlichen Medienumgangsweisen führen und daraus wiederum unterschiedliche Formen eines mehr oder minder kritischen, reflektierten und selbstbestimmten Medienhandelns resultieren. Nicht eingehend geklärt ist jedoch die Frage, wie soziale Unterschiede und Unterschiede im Mediengebrauch und Medienhandeln zusammenhängen. Dies bietet Anlass dafür, sich im Folgenden mit der sozialen und individuellen Bedingtheit von media literacy auseinanderzusetzen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich das Medienhandeln von Individuen im Hinblick auf deren media literacy, im Sinne eines sicheren und selbstbestimmten Handelns im Umgang mit Medien, erklären und beurteilen lässt. Das setzt eine Betrachtung des Medienhandelns vor dem Hintergrund der Beziehungen zwischen der Kompetenz zu Handeln, als Summe von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen sowie der kognitiven Beherrschung von Regeln des Verhaltens (moralische Regeln, rechtliche Regeln sowie Regeln der Klugheit), und der Performanz, als tatsächliches Handeln eines Individuums, voraus. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, zum einen auf theoretischer Ebene der Frage nach der sozialen
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Determinierung eines selbstbestimmten Handelns im Umgang mit Medien einschließlich dafür erforderlicher Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie des damit verbundenen Wissens nachzugehen. Zum anderen finden diese theoretischen Überlegungen auch eine empirische Anwendung in Form zweier Studien. Dabei wird zunächst eine Studie zum Umgang Jugendlicher mit Model-Castingshows und zur Alltagsrelevanz dieses Fernsehformats für Jungen und Mädchen einer Sekundäranalyse unterzogen. In einem weiteren Schritt wird eine umfangreiche Untersuchung zum Umgang von Kindern und Jugendlichen mit dem Social Web vorgestellt. Diese zweite Studie besteht aus einer quantitativen Erhebung der Internetnutzung bzw. der Social Web-Nutzung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 10 bis 30 Jahren sowie aus einer qualitativen Substichprobe im Umfang von fünfzig Jungen und Mädchen im Alter von 11 bis 19 Jahren. Die Ergebnisse der quantitativen Erhebungen wurden zum Teil bereits veröffentlicht (z. B. C. Trültzsch-Wijnen 2015, 2016; C. Trültzsch-Wijnen et al. 2015), die qualitativen Ergebnisse, welche die empirische Basis des vorliegenden Bandes darstellen, wurden bislang jedoch noch nicht publiziert und werden hier erstmals präsentiert und diskutiert. Ausgehend von einer möglichst breiten theoretischen Auseinandersetzung und Konzeptualisierung von Mediensozialisation, Medienkompetenz, Medienperformanz und media literacy wird im Folgenden die Frage einer angemessenen Beurteilung der Mediennutzung, des Medienumgangs sowie individueller Strategien des Medienhandelns von Kindern und Jugendlichen unter besonderer Berücksichtigung von Faktoren einer sozialen und individuellen Determinierung erörtert. In einer schrittweisen Bearbeitung der forschungsleitenden Frage werden zunächst soziale und individuelle Kontexte des Medienhandelns betrachtet (Kap. 2). Dabei geht es sowohl um die Bedeutung von Medien im Rahmen von Sozialisationsprozessen, als auch um die Frage, welche Rolle die Sozialisation in Bezug auf das Medienhandeln eines Individuums spielt. Mit Blick auf die soziale Determinierung wird nach sozialen, sozialökologischen und individuellen Faktoren gefragt, die das Medienhandeln beeinflussen können und nach Erklärungsmöglichkeiten für unterschiedliche Medienumgangsformen und Strategien des Medienhandelns gesucht. Darüber hinaus wird ausführlich auf die Theorie des Habitus, der sozialen Distinktion und der sozialen Felder von Pierre Bourdieu eingegangen (Kap. 3). Dies liefert fruchtbare theoretische Anknüpfungspunkte für eine Analyse des Medienhandelns als soziale Praxis. Als ein weiterer gewinnbringender theoretischer Anknüpfungspunkt erweist sich diesbezüglich ebenso das Konzept des medialen Habitus als eine Anwendung von Bourdieus Theorie auf das Medienhandeln.
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1 Einleitung
Nach der Klärung theoretischer Perspektiven auf das Phänomen des Medienhandelns und der Mediensozialisation erfolgt eine Annäherung an die Begriffe Kompetenz und Performanz (Kap. 4). Im Fokus steht hier die Frage nach der Relation von Kompetenz und Performanz sowie deren Bedeutung für eine Auseinandersetzung mit dem Medienhandeln von Individuen. Ausgehend von der, in Kap. 2 und 3 begründeten, Diskussion des Medienhandelns als soziale Praxis, wird in diesem Kapitel der Mehrwert einer theoretischen Trennung zwischen Kompetenz und Performanz hervorgehoben. Für eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage nach der Beurteilung und sozialen Determinierung des Medienhandelns vor dem Hintergrund der media literacy von Kindern und Jugendlichen bedarf es ebenso einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Begriff und der Definition von media literacy sowie dessen Beziehung zu ähnlichen Konzepten wie etwa jenem der Medienkompetenz. Dem wird in Kap. 5 nachgegangen. Hier wird auch auf Besonderheiten des deutschsprachigen Diskurses über Medienkompetenz und dessen Potentiale für eine Bereicherung des internationalen Diskurses über media literacy hingewiesen. Dabei wird nach den Definitionen von media literacy und Medienkompetenz gefragt und es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen beiden Konzepten sowie den damit verbundenen Diskursen erörtert. In Kap. 6 werden Schlussfolgerungen aus den zuvor angestellten theoretischen Auseinandersetzungen gezogen und es wird die Einbettung des Medienhandelns zwischen Kompetenz und Performanz diskutiert. Im Anschluss daran erfolgt die Darstellung der sekundäranalytischen Auswertung einer Studie zum Medienumgang Heranwachsender mit Model-Castingshows. Im Fokus dieser Sekundäranalyse stehen Zusammenhänge zwischen den Faktoren Bildung und Geschlecht mit unterschiedlichen Formen des Medienhandelns, der Reflexion des eigenen Medienhandelns, der Bewertung des Medieninhalts (Germany’s Next Topmodel und Austria’s Next Topmodel) sowie Indizien für sozial erwünschtes Antwortverhalten (Kap. 7). Diese Analyse erfolgt vor dem theoretischen Hintergrund der in den vorhergehenden Kapiteln angestellten Überlegungen und kommt zu dem Ergebnis, dass Unterschiede in der Medienperformanz sowohl auf kulturelles Kapital in Form familiärer Medienerziehung als auch auf die schulische Bildung und Medienerziehung zurückzuführen sind. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Sekundäranalyse wird in Kap. 8 die Studie zum Umgang von Kindern und Jugendlichen mit dem Social Web in den Mittelpunkt gerückt. Vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes zur Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen werden die Ergebnisse der quantitativen sowie der qualitativen Teilstudie präsentiert. Aus dem Blickpunkt
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der theoretischen Anlage dieser Arbeit sind die qualitativen Ergebnisse von besonderer Relevanz, denn sie verdeutlichen die Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Strategien des Medienhandelns und sozialer Herkunft, lebensweltlichen Hintergründen, individuellen Herausforderungen sowie Entwicklungsaufgaben. Die fünfzig untersuchten Einzelfälle werden zunächst einer fallübergreifenden Betrachtung unterzogen. Daran anschließend erfolgt eine tiefergehende Analyse, welche in einer qualitativen Typenbildung mündet. In Kap. 9 werden die empirischen Ergebnisse subsumiert und in Bezug auf die vorab dargestellten theoretischen Annahmen und Überlegungen diskutiert.
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Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
In der kommunikationswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Medienaneignung und Medienhandeln lassen sich zwei Traditionen ausmachen: jene der Medienwirkungsforschung und jene der Medienrezeptionsforschung. Während sich die Medienwirkungsforschung für die Effekte von Massenkommunikation und die Wirkung von Medieninhalten auf Rezipientinnen und Rezipienten interessiert, richtet die Medienrezeptionsforschung ihren Blick auf die Aneignung, Verarbeitung und das Erleben von Medien und medienvermittelten Inhalten (Bilandzic et al. 2015, S. 11). Waren die Anfänge der Medienwirkungsforschung stark von extern gesetzten Forschungsthemen, wie etwa die Beeinflussung von Meinungen, geprägt (Bonfadelli und Friemel 2014, S. 23; McQuail 2010, S. 52–59) und der Fokus auf die Durchsetzung der Intention der Kommunikatoren ausgerichtet (z. B. Stimulus-ResponseModell), so erlangte im Laufe der Zeit auch die Funktion der Rezipientinnen und Rezipienten, beispielsweise als MeinungsführerInnen (z. B. Two-Step-Flow of Communication; Lazarsfeld et al. 1944), und nicht zuletzt ihre Perspektive im Hinblick auf die mit der Mediennutzung verbundenen Bedürfnisse (z. B. Uses-and-Gratification-Approach, Katz et al. 1973), an Bedeutung. Bonfadelli und Friemel (2014, S. 25) zeichnen diese Entwicklung anhand des Wandels des Wirkungsbegriffs in der Medienforschung nach. Sind bei Berelson und Steiner (1972, S. 334, zit. nach Bonfadelli und Friemel 2014, S. 25) sowie bei Maletzke (1963, S. 190, zit. nach Bonfadelli und Friemel 2014, S. 25) noch sehr enge Wirkungsdefinitionen zu finden, so hat sich heute ein breites und umfassendes Verständnis von diversen Phänomenen der Medienwirkung durchgesetzt. Unter diesem breiten Wirkungsbegriff verschwimmen die Grenzen zwischen klassischer Wirkungs- und Rezeptionsforschung, da Wirkungen eng mit Rezeptionsprozessen verbunden sind. Daher wird die Auseinandersetzung mit © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. W. Trültzsch-Wijnen, Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9_2
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Medienrezeption heute vielfach als ein Teilbereich der Medienwirkungsforschung betrachtet (z. B. Bonfadelli und Friemel 2014); gleichzeitig rechtfertigt sich die Medienrezeptionsforschung aber auch als eigenständiger Bereich innerhalb der Kommunikationswissenschaft, indem sie über eine „Nebenbei-Betrachtung“ (Bilandzic et al. 2015, S. 15) im Rahmen des auf die (vielfach zeitlich deutlich nachgelagerten) Konsequenzen der Mediennutzung ausgerichteten Fokus der Medienwirkungsforschung (Wünsch et al. 2014, S. 5) hinausgeht und die unterschiedlichen Phänomene der Verarbeitung und des Erlebens ins Zentrum der Auseinandersetzung rückt. Einem ganzheitlichen Blick auf Rezipientinnen und Rezipienten folgend, werden die Medienrezeptions- und Wirkungsforschung durch die Mediennutzungsforschung, welche sich mit unterschiedlichen Gewohnheiten und Nutzungsmustern sowie der Einbindung von Medien in den Alltag auseinandersetzt (Bilandzic et al. 2015, S. 15), ergänzt. Die genannten Forschungsperspektiven lassen sich dahingehend unterscheiden, auf welchen Bereich innerhalb des Kommunikationsprozesses sie fokussiert sind. Die Auseinandersetzung mit der Mediennutzung bzw. der Auswahl von und Zuwendung zu bestimmten Medien bezieht sich auf die präkommunikative Phase (Bonfadelli und Friemel 2014, S. 26), die Medienrezeptionsforschung ist auf die kommunikative Phase fokussiert (ebd. S. 27) und die Medienwirkungsforschung beleuchtet die postkommunikative Phase (ebd. S. 27–28). Diese theoretische Abgrenzung zwischen unterschiedlichen Begrifflichkeiten ist hilfreich, um sich der unterschiedlichen Foci auf Medienhandeln und Medienaneignung bewusst zu machen; im Sinne einer ganzheitlich ausgerichteten audience research verschwimmen diese jedoch zwangsläufig ineinander. In Anbetracht der, im Zuge der Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien entstandenen, zahlreichen Möglichkeiten, ohne große Vorkenntnisse selbst Medieninhalte zu produzieren und mit anderen zu teilen, tauchen neue Termini für die Beschreibung nicht mehr nur aktiver, sondern auch produktiver und partizipativer audiences auf. So trifft man im Hinblick auf den Umgang mit dem Internet häufig auf die Bezeichnung Nutzerin bzw. Nutzer oder auch produser, als Zusammensetzung der englischen Begriffe producer (Produzent) und user (Nutzer). Sowohl Livingstone und Das (2013, S. 106–107; siehe auch Livingstone 2012) als auch Bilandzic et al. (2015) stehen dem NutzerBegriff jedoch kritisch gegenüber, wobei letztere mit Verweis auf die Medientypologie nach Beth und Pross (1976, S. 109–123) besonders betonen, dass in Bezug auf den technischen Wandel das tertiäre bzw. technische Medium heute zwar variabel sein mag, die (primären und sekundären) Vermittlungsmedien (Text, Bild, Ton) jedoch nach wie vor die gleichen sind und von den Rezipientinnen und Rezipienten als solche verarbeitet werden müssen (ebd. S. 23).
2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
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Um die Bedeutung eines Medienprodukts für ein Individuum angemessen verstehen zu können, bedarf es sowohl einer Auseinandersetzung mit dem Medieninhalt als auch mit subjektiven Interpretationsprozessen (S. Trültzsch-Wijnen 2018; Trültzsch 2009; Paus-Hasebrink et al. 2013; Fromme 2006, S. 21). Auch hierbei handelt es sich um unterschiedliche theoretische Blickwinkel, die in der empirischen Realität miteinander verschwimmen, analytisch jedoch nicht immer in einander ergänzender Weise betrachtet werden. In Abgrenzung von historischen Auseinandersetzungen mit Medienwirkungen wird heute davon ausgegangen, dass die Bedeutung eines Medieninhalts erst durch die Rezipierenden selbst konstruiert wird. Diese Bedeutungskonstruktion wird als Prozess aufgefasst, der in einer bestimmten Situation über eine bestimmte Zeit hinweg stattfindet. Darüber hinaus zeichnet sich jedes Rezeptionserlebnis durch eine bestimmte Intensität, als Stärke des Erlebens sowie der Verarbeitung, und eine bestimmte Beschaffenheit im Hinblick auf innere Zustände der Rezipierenden, die durch Bezüge zu persönlichen Erfahrungen, emotionalen Lagen etc. geprägt sind, aus (Bildandzic et al. 2015, S. 26). Im Folgenden liegt der Fokus jedoch nicht einzig auf Prozessen der Medienrezeption, sondern ist wesentlich breiter ausgerichtet und nimmt das allgemeine Medienhandeln und die Medienaneignung von Individuen vor dem Hintergrund einer zunehmenden Medialisierung bzw. Mediatisierung1 der Lebenswelt von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in den Blick. Unter der Annahme, dass der Aufbau von Medienkompetenz bzw. media literacy eng verbunden ist mit
1Die deutschen Begriffe ‚Medialiserung‘ und ‚Mediatisierung‘, ihre englischen Übersetzungen ‚mediatization‘ (z. B. Hepp 2012) und ‚medialisation‘ (z. B. Jackson et al. 2011) sowie der englische Begriff ‚mediation‘ werden innerhalb der Medien- und Kommunikationswissenschaft oft synonym verwendet (siehe dazu Krotz 2008 und Stöber 2008), wenngleich sich dahinter intensive theoretische Debatten (Steinmaurer 2016) sowie gegenseitige Abgrenzungsversuche und nicht nur Antworten auf diverse Fragen zu unterschiedlichen Dimensionen und Interrelationen des gesellschaftlichen und medialen Wandels verbergen. Die verschiedenen Positionierungen im deutschen Diskurs wurden von Michael Meyen (2009, S. 23–38) herausgearbeitet und zeitgleich setzte sich Sonia Livingstone (2009, S. 1–18) mit der ‚mediation of everything‘ sowie dem internationalen Diskurs über ‚mediatization‘ und ‚mediation‘ auseinander. Meyen (2009) tritt für den Begriff der ‚Medialisierung‘ ein, einerseits, weil der Begriff der ‚Mediatisierung‘ in den Sozialwissenschaften und im Besonderen in der Geschichtswissenschaft bereits anders belegt ist (ebd. S. 26; gemeint ist die Mediatisierung bestimmter Territorien im Heiligen Römischen Reich bzw. der völkerrechtliche Begriff der ‚Mediatisierung‘ als Vertretung innerstaatlicher Akteure durch den Staat), und andererseits, weil er sich mit einem dezidierten Fokus auf „den Strukturwandel und den
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dem tatsächlichen Medienhandeln bzw. der Medienperformanz eines Individuums werden soziale und individuelle Kontexte des Gebrauchs und der Aneignung von Medien diskutiert.
2.1 Medienaneignung und Sozialisation Der Begriff der Sozialisation bezeichnet den lebenslangen Prozess in dem sich Individuen vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Anlagen mit der sie umgebenden sozialen und physikalischen Umwelt auseinandersetzen. Sozialisationstheorien gehen der Frage nach, wie sich die menschliche Persönlichkeit entwickelt; die Identitätsgenese steht dabei im Mittelpunkt (Fromme 2006, S. 2; Wegener 2007, S. 44). In einer breiten Definition kann Sozialisation als
Bedeutungszuwachs von Massenmedienkommunikation als Motoren gesellschaftlicher Veränderungen“ (ebd. S. 35) von Vertreterinnen und Vertretern der Mediatisierungstheorie, die sich mit dem sozialen und kulturellen Wandel aus Perspektive immer komplexer werdender Kommunikationsumgebungen auseinandersetzen, abgrenzen will. Auch Livingstone (2009) nimmt die Feinheiten des deutschsprachigen (und zum Teil auch von skandinavischen Kolleginnen und Kollegen vorangetriebenen) Diskurses zur Kenntnis, verweist aber vor allem auf die internationale Herausforderung, dass diese unterschiedlichen Begrifflichkeiten nicht problemlos in alle Sprachen übersetzt werden können und plädiert schließlich für einen breiten Begriff der ‚mediation‘. „I suggest that in this semantic seeking after new formulations, scholars are selecting different starting points to reach the assertion of not one but two grand claims are being made: first, the media mediate entering into and shaping the mundane but ubiquitous relations among individuals and between individuals and society; and second, as a result, the media mediate, for better or for worse, more than ever before. Writing in English, I prefer to conceive both these claims as central to the theory of mediation for this permits us not only to examine the empirical support for each claims but, more especially, to recognize their mutual relations and interdependencies“ (Livingstone 2009, S. 7; Hervorhebung im Original). Im Rahmen der hier angestellten theoretischen Erörterungen werden ebenfalls beide Perspektiven auf die gesellschaftliche Relevanz von Medien als wichtig und einander ergänzend erachtet. Wenn im Folgenden die Begriffe ‚Medialisierung‘ oder ‚Mediatisierung‘ verwendet werden, werden diese nicht als einander ausschließend betrachtet, sondern vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Blicks auf die gesellschaftliche Relevanz von Medien als synonym behandelt. Dies geschieht allerdings immer vor dem Hintergrund einer Reflexion der theoretischen Konzepte, die mit den jeweiligen Begriffen verbunden sind.
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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alle Bereiche der Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit, die auf sozialen Einflüssen beruhen, bezeichnet werden. Dies umfasst informelles Lernen genauso wie bewusste pädagogische Interventionen (Schorb 2010, S. 381). Verbreiteter ist jedoch eine engere Definition von Sozialisation, welche sich auf informelle und außerinstitutionelle Lernprozesse bezieht, die unabhängig von pädagogisch gelenkten Einflussnahmen ablaufen. Allgemein versuchen Sozialisationstheorien spezifisches Verhalten von Individuen vor dem Hintergrund zuvor gemachter sozialer Erfahrungen zu erklären (Fromme 2006, S. 3). Sozialisationstheoretische Fragen werden sowohl in der Soziologie, der Kulturanthropologie und der Ethnologie, als auch in der Pädagogik und der Psychologie diskutiert. Daher hängt es von der Perspektive der jeweiligen Disziplin ab, wie Sozialisation tatsächlich theoretisch gefasst wird. Aufgrund dieser Interdisziplinarität finden sich unterschiedliche theoretische Herangehensweisen an das Phänomen Sozialisation. Von besonderer Bedeutung sind dabei psychologische (Lerntheorie, Psychoanalyse, Entwicklungstheorie) und soziologische (Systemtheorie, Handlungstheorie, Gesellschaftstheorie) Ansätze. Zentral für die Beschäftigung mit Sozialisation ist das Verhältnis von Individuum und Umwelt sowie die Frage nach dem Verhältnis von sozialer Determinierung und selbstbestimmten Handeln (ebd., S. 48). Zu heterogen ist jedoch dieses Forschungsfeld, um eine einheitliche Theorie identifizieren zu können. Nach Geulen (2004) können zwei Herangehensweisen festgemacht werden. Aus soziologischer Perspektive versteht man unter Sozialisationstheorie eine „Theorie des Zusammenhangs von Sozialcharakter, sozialem Handeln und gesellschaftlicher Struktur bzw. Entwicklung“ (ebd., S. 5), während aus psychologischer Perspektive darunter eine „Theorie der individuellen Epigenese unter gesellschaftlich gegebenen Umweltbedingungen“ (ebd., S. 5) verstanden wird. Während in der Psychologie die Persönlichkeitsentwicklung vor dem Hintergrund von Reifungsprozessen und individuellen Anlagen im Mittelpunkt steht, liegt der Fokus der Soziologie auf der Auseinandersetzung eines Individuums mit der Gesellschaft und der Übernahme von Werten, Normen und sozialen Rollen. Diese unterschiedlichen Blickwinkel auf das Phänomen Sozialisation sind allerdings nicht als Gegensätze, sondern als ein gemeinsames Ganzes innerhalb eines größeren Theoriezusammenhangs der Sozialisationstheorie und Sozialisationsforschung zu verstehen (ebd., S. 3–20). Die Herausforderung der Sozialisationsforschung […] liegt nicht allein darin, psychologisch oder soziologisch die eine Seite, das Subjekt, oder die andere Seite, seine objektiven sozialen Bedingungen, möglichst gut zu erfassen; die Herausforderung besteht vielmehr darin, die Interaktion zwischen ihnen, ihre Dialektik,
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns und damit speziell die Scharniere und wie diese im Alltag zusammenwirken, in den Blick zu nehmen und möglichst genau zu beschreiben (Paus-Hasebrink und Bichler 2008, S. 49).
Das Konzept der Sozialisation geht davon aus, dass angeborene Instinkte allein zu wenig sind, um das Überleben der Individuen in der sie umgebenden soziokulturellen Welt zu sichern. Daher müssen Heranwachsende Schritt für Schritt die Normen, Werte und Rollensysteme der gesellschaftlichen Umgebung, in die sie hineingeboren wurden, verinnerlichen und sich jene Fähigkeiten und Kenntnisse aneignen, die nötig sind, um sozial handeln zu können. Als erfolgreiche Sozialisation gilt, wenn ein hohes Maß an Symmetrie eines Individuums mit seiner sozialen und gesellschaftlichen Umwelt erreicht ist (Fromme 2006, S. 2). Das Ziel des lebenslangen Sozialisationsprozesses eines Individuums ist es, Handlungssicherheit in der Auseinandersetzung mit seiner sozialen Umwelt zu gewinnen (Grundmann 2004, S. 318) und auf diese Weise ein stabiles Selbstbild zu erwerben (Süss 2004, S. 33). Grusec und Hastings (2015, S. xi) betonen in der Definition von Sozialisation, dass darunter nie ein einseitiger Prozess zu verstehen ist, in welchem ältere Generationen die jüngeren Generationen sozialisieren, sondern dass sich jüngere Mitglieder einer sozialen Gruppe aktiv mit ihrer sozialen Umwelt auseinandersetzen und bewusst entscheiden, was sie von anderen (älteren) Mitgliedern dieser sozialen Gruppe annehmen und was nicht. Sozialisation erfolgt in unterschiedlichen sozialen Situationen und Kontexten und ist ein lebenslanger Prozess. Die Annahmen, dass Medien im Rahmen von Sozialisationsprozessen eine bestimmte Bedeutung zukommt und der Umgang mit Medien unter anderem durch Sozialisationsprozesse verinnerlicht wird, erfahren eine relativ breite Zustimmung. Allerdings ist es schwierig, potentielle Medieneffekte genau zu bestimmen. In whichever formulation, the general proposition that media have a socializing effect is clearly supported, but it is only indirectly founded on empirical evidence (McQuail 2010, S. 492–493).
Auseinandersetzungen mit Mediensozialisation bedienen sich eines unterschiedlichen theoretischen Repertoires und sind häufig interdisziplinär angelegt. Dabei liegt der Fokus auf der Frage, wie Medien von Heranwachsenden, jungen Erwachsenen und zunehmend auch älteren Bevölkerungsgruppen genutzt und angeeignet werden, welche Rolle Medien in den Alltags- und Lebenswelten der Individuen spielen und welche Bedeutung ihnen im Kontext der Persönlichkeitsentwicklung und der Sozialisation zukommt. Es wird von einem Wechselverhält-
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nis zwischen Individuum bzw. Subjekt und medialer Umwelt ausgegangen, nach dem Werden gesellschaftlicher Subjekte gefragt und deren damit verbundenen Partizipations- und Gestaltungsformen werden beleuchtet (Hoffmann et al. 2017b, S. 4). Dies ließe sich am besten mit Langzeitstudien untersuchen, jedoch existieren nur wenige Forschungsprojekte, in denen Heranwachsende über einen längeren Zeitraum untersucht wurden. Beispiele dafür sind eine Studie zur Mediensozialisation sozial benachteiligter Kinder in Österreich (Paus-Hasebrink und Bichler 2008; Paus-Hasebrink und Kulterer 2014; Paus-Hasebrink et al. 2019) eine Untersuchung einer britischen Schulklasse durch Livingstone und Sefton Green (2016), die Studien des Deutschen Jugendinstituts (DJI) (Barthelmes und Sander 1997, 2001) sowie die Langzeitstudie von Charlton und Neumann-Braun (1990). Wesentlich häufiger finden sich Studien aus dem Bereich der Kinder- und Jugendmedienforschung, in welchen bestimmte Mediengebrauchsformen, der Umgang mit bestimmten Medienangeboten oder auch Medienensembles untersucht und dann sozialisationstheoretisch eingeordnet und interpretiert werden (z. B. Wagner 2011; Wijnen 2011; Schmidt et al. 2011; Süss 2004; Mikos et al. 2007). Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die internationale Querschnittsstudie EU Kids Online (2014a, b), in welcher die Internetnutzungspraktiken Heranwachsender im Alter von neun bis 16 Jahren in 33 europäischen Ländern in Abhängigkeit von verschiedenen meso- (z. B. Medienerziehung in der Familie) und makrostrukturellen Faktoren (Internetdiffusion, politische Strategien etc.) untersucht wurden. Innerhalb der Mediengebrauchs- und Medienaneignungsforschung sowie der medienpädagogischen Forschung hat sich ein besonderer Diskurs über Mediensozialisation herausgebildet, der über rein empirische Betrachtungen hinausgeht und auch auf theoretischer Ebene (siehe Hoffmann 2013; Hoffmann und Mikos 2007; Hoffmann et al. 2017a) die Rolle von Medien im Rahmen von Sozialisationsprozessen beleuchtet. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung stehen zum einen die Annahme, dass Individuen in der Lage sind, sich aktiv mit Medien auseinanderzusetzen, und zum anderen die Auffassung von Handlungsfähigkeit als Ziel von Sozialisationsprozessen (Krotz 2017, S. 23). Aus dieser Perspektive ergibt sich sowohl auf theoretischer als auch empirischer Ebene eine Fokussierung auf Chancen und Risiken des Mediengebrauchs, auf den Erwerb von Medienkompetenz sowie auf jene Fähigkeiten, welche für die Medienaneignung von Bedeutung sind – und dies jeweils unter Berücksichtigung alltagsweltlicher und lebensweltlicher Bezüge. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach der Entwicklung und Aneignung von Handlungswissen sowie der Ausbildung sozial-kommunikativer Kompetenzen vor dem Hintergrund individueller und
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gesellschaftlicher Bedingungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Fragen der Persönlichkeitsentwicklung und der Identitätsbildung (Hoffmann et al. 2017b, S. 5–6). Dazu werden besonders im deutschen Sprachraum häufig sozial- und entwicklungspsychologische Ansätze wie etwa Havighursts Modell der Entwicklungsaufgaben (siehe Abschn. 2.1.2.2) herangezogen. Im internationalen Forschungsfeld der audience research mit besonderem Schwerpunkt auf Heranwachsende, das auch innerhalb internationaler Fachgesellschaften zunehmend Bedeutung erlangt (z. B. die Children Youth and Media Section in der ECREA oder die Children, Adolescents and Media Division inn der ICA), ist der Sozialisationsbegriff in Bezug auf Medien kaum verbreitet. Der Terminus media socialisation taucht als Übersetzung zumeist nur im Rahmen von Vorträgen oder Publikationen deutschsprachiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf. Allerdings setzt man sich auch auf internationaler Ebene mit ähnlichen Fragen auseinander, welche die deutschsprachige Mediensozialisationsforschung prägen. So werden auch dort Fragen der Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsbildung sowie Zuschreibungen der westlichen Moderne an die Lebensphasen Kindheit und Jugend diskutiert und kritisiert. Im Unterschied zur deutschsprachigen Mediensozialisationsforschung spielen auf internationaler Ebene theoretische Diskurse aus dem Umfeld der Cultural Studies eine größere Rolle in der Auseinandersetzung mit der Aneignung und dem Gebrauch von Medien (Hoffmann et al. 2017b, S. 6). Im Folgenden werden ausgehend von diesen Diskussionen verschiedene theoretische Bezugspunkte der Auseinandersetzung mit der Sozialisationsrelevanz von Medien beleuchtet, wenngleich auch nicht auf alle im Detail eingegangen werden kann, um schließlich Annahmen über die Bedeutung von Medien in Kontexten der Identitätsfindung, der Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt sowie der Orientierung in der Welt zu formulieren.
2.1.1 Soziologische Grundlagen Theorien über die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit spiegeln die Gesellschaft und das Selbstverständnis der in ihr lebenden Menschen jener Epoche wider, in der sie entstanden sind. Sie verweisen auf die gesellschaftliche Handlungspraxis einer bestimmten Zeit und die jeweils dominanten Epochenprobleme, die aber immer erst im Nachhinein als solche erkannt werden können (Veith 2004, S. 350–363). Grundsätzlich lassen sich ein strukturfunktionalistisches und ein interaktionistisches Verständnis von Sozialisation als
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gegensätzliche Pole identifizieren, zwischen welchen sich theoretische Ansätze einordnen lassen. Das klassische, auf Emile Durkheim (1893/2013a, 1895/2013b) zurückgehende, Konzept der Sozialisation beruft sich auf psychoanalytische Persönlichkeitstheorien im Sinne Sigmund Freuds und behavioristische Lerntheorien nach John B. Watson (1913; Watson und Rayner 1920) und begreift erfolgreiche Sozialisation als Anpassung des Individuums an Erwartungen und Notwendigkeiten der Gesellschaft (Süss 2004, S. 29; Maccoby 2015, S. 5–8). Diese Perspektive setzt sich fort in dem auf Talscott Parsons (1937/1949, 1991) zurückgehenden, strukturfunktionalistischen Ansatz der Sozialisation, in welchem das Individuum als Objekt äußerer, gesellschaftlich bestimmter Einflüsse betrachtet wird. Dies gilt mittlerweile als überholt und wurde abgelöst von einem, auf George H. Mead (1934/2015) zurückgehenden, interaktionistischen Verständnis von Sozialisation als Zusammenspiel zwischen der Übernahme und eigenständigen Definition sozialer Rollen als selbstbestimmter Prozess des Auf- und Hineinwachsens eines Individuums in die Gesellschaft (Fromme 2006, S. 7–8; Grundmann 2004, S. 322) vor dem Hintergrund des Wechselspiels zwischen Vergesellschaftung und Individuation (Süss 2004, S. 32). Die aktive Interaktion eines Individuums mit seiner Umwelt rückt ins Zentrum der Auseinandersetzung und es wird die Frage nach der Aneignung von Kultur gestellt. Individuen wird die Fähigkeit zugesprochen, Einstellungen, Werte und Normen, nicht einfach nur zu übernehmen, sondern aktiv zu konstruieren, zu interpretieren und zu verändern (Schorb 2010, S. 382). Menschen schreiben demgemäß Objekten und somit auch Medien bestimmte Bedeutungen zu und handeln aufgrund dieser zugeschriebenen Bedeutungen. Zentral für soziales Handeln im interaktionistischen Verständnis ist die Fähigkeit der Perspektivenübernahme, das heißt, die subjektive Handlungsorientierung anderer zu erkennen und mit dem eigenen Handeln in Beziehung zu setzen (Wagner 2011, S. 31–34). Das primäre Ziel dieser Auseinandersetzung ist es, gemeinsame Lösungen für widersprüchliche Bestrebungen zu finden und gleichzeitig Gestaltungsmöglichkeiten des Zusammenlebens bei Berücksichtigung individueller Besonderheiten zu ermöglichen (Grundmann 2004, S. 324). Grundvoraussetzung dafür ist die Identitätsgenese als Kern der Persönlichkeitsentwicklung unter dem wechselnden Einfluss entwicklungspsychologischer Faktoren und sozialisatorischer Bedingungen. Im Hinblick auf die Entwicklung eines stabilen Selbstbildes ist die Herstellung des Gleichgewichts zwischen persönlicher und sozialer Identität, als Ergebnis der Interaktion eines Individuums mit seiner sozialen Umwelt, Ziel einer erfolgreichen Identitätsgenese, die – wie Sozialisation überhaupt – als lebenslanger Prozess zu begreifen ist. Zentral
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dafür ist die Fähigkeit der Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und Reflexion der individuellen Handlungskompetenzen (Paus-Hasebrink und Bichler 2008, S. 57–59).
2.1.1.1 Lebenswelt und alltägliche Lebensführung Der, der deutschen Philosophie entstammende, Terminus Lebenswelt wird zumeist mit life-world ins Englische übersetzt. Besondere Bedeutung erlangte er in der Phänomenologie Edmund Husserls (Held 1986). In Kritik einer mangelnden Lebensnähe der Wissenschaft stehen die Phänomene menschlichen Bewusstseins im Mittelpunkt dessen philosophischer Alltagsbetrachtung. Zugleich weist er darauf hin, dass wissenschaftliche Theorien stets in der Erfahrung der alltäglichen Lebenswelt begründet bzw. ein Teil von ihr sind. Die Phänomenologie kann als Ansatz einer systematischen Analyse subjektiver Perspektiven auf und Erfahrung von Realität begriffen werden. Den Begriff der Lebenswelt, im Sinne einer natürlichen Einstellung oder eines natürlichen Weltbegriffs (Husserliana XIII, zit. nach Føllesdal 2014, S. 38) verwendet Husserl erst in seinem Spätwerk Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie, dennoch lassen sich die damit verbundenen Grundannahmen in seinem gesamten philosophischen Werk nachverfolgen (Føllesdal 2014, S. 27). Husserl geht davon aus, dass Individuen ihre Umwelt auf unterschiedliche Art und Weise wahrnehmen, da bei der Betrachtung eines bestimmten Objekts zu wenige Informationen gewonnen werden, um dieses in seiner Besonderheit genau identifizieren zu können. Um Objekte dennoch erkennen zu können, werden diese unvollständigen Informationen mit bereits vorhandenen, aus vorhergehenden Erfahrungen erworbenen, Wahrnehmungs- und Wissensstrukturen abgeglichen und vervollständigt. According to Husserl, our experience in a given situation can always in principle be structured in different ways; what reaches our senses is never sufficient to uniquely determine what we experience. […] Usually we are not even aware of any structuring going on; objects are simply experienced by us as having a structure (Føllesdal 2014, S. 29). […] when we intend an object, we co-intend at the same time the whole world to which that object belongs (ebd. S. 37).
Diese Subjektivität der Wahrnehmung bedeutet, dass verschiedene Menschen ein und denselben Gegenstand unterschiedlich wahrnehmen, selbst wenn sie sich im Großen und Ganzen über die Gestalt des betreffenden Gegenstandes einig sein mögen. Die individuelle Wahrnehmung ist eingebettet in Routinen, die wiederum geprägt sind von der Person und dem unmittelbaren Umfeld des bzw. der
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inzelnen. Dies betrifft die individuelle Einordnung von Vergangenheit, GegenE wart und Zukunft genauso wie die Verinnerlichung von Normen und Werten (Føllesdal 2014, S. 30–33). The life-world, for us who wakingly live in it, is always there, existing in advance for us, the „ground“ of all praxis, whether theoretical or extratheoretical. The world is pregiven to us, the waking, always somehow practically interested subjects, not occasionally but always and necessarily as the universal field of all actual and possible praxis, as horizon. To live is always to live in certainty of the world (Husserl, Crisis S. 37, zit. nach Føllesdal 2014, S. 40).
Alfred Schütz hat als Husserls Schüler und mit dem Ziel, den Weberschen Ansatz der verstehenden Soziologie theoretisch zu untermauern (Eberle 2012, S. 281), dessen Lebensweltbegriff weiterentwickelt und versteht darunter jenen „Wirklichkeitsbereich […] den der wache und normale Erwachsene in der Einstellung des gesunden Menschenverstandes als schlicht gegeben vorfindet“ (Schütz und Luckmann 2003, S. 29). Diese Definition muss aus heutiger Sicht kritisiert werden, da sie sich zum einen lediglich auf Erwachsene bezieht und zum anderen die Bezeichnung des „normalen“ Erwachsenen fragwürdig und definitionsbedürftig ist. Aktuelle Bezüge auf Schütz begreifen Lebenswelt als, das auf individuellen, sozialen und kulturellen Selbstverständlichkeiten basierende, für ein Individuum Gewisse und Vertraute. Es bildet die Grundlage für kommunikatives Handeln, die Konstruktion und Zuschreibung von Bedeutungen sowie die Entstehung von Einstellungen und Überzeugungen, die schließlich eine gemeinsame kommunikative Umwelt konstituieren. An dieser Stelle muss erklärend ergänzt werden, dass die Schütz’sche Lebensweltanalyse im deutschsprachigen Raum eine wesentlich stärkere Tradition als im angloamerikanischen Raum hat und dort bis heute – vor allem im Hinblick auf die Frage nach der Sozialisationskraft von Medien (z. B. Paus-Hasebrink und Kulterer 2014, S. 35; Paus-Hasebrink et al. 2013; Pfaff-Rüdiger 2011; Meyen und Pfaff-Rüdiger 2009; Röser et al. 2009; Paus-Hasebrink und Bichler 2008, S. 23; Krotz und Thomas 2007; Mikos 2005a; Kirchhöfer 2000). – nach wie vor große Aktualität besitzt. Following Luckmann, it is discussed as a protosociological foundation of the methodology of social sciences or, following Srubar, as a philosophical anthropology with two poles: a subjective and a social, pragmatic pole. [The focus lies on] the meaningful constitution of the social world, to serve as a foundation of sociological methodology and to provide guidelines for an ‘adequate’ sociology (Eberle 2012, S. 279).
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Daher lohnt es sich diesen Ansatz in der Diskussion soziologischer Grundlagen der Mediensozialisationsforschung näher zu beleuchten. Schütz geht es in seiner Theorie nicht um individuelle Besonderheiten, sondern um die Identifikation allgemeiner Strukturen des Denkens und Handelns. Lebenswelt versteht er sowohl als Handlungsraum der alltäglichen Lebenspraxis, als auch als Bewusstseinsstruktur in Form von durch Sozialisation erworbenem, praktischem Wissen im Sinne von Selbstverständlichkeiten. Die Lebenswelt ist der Inbegriff einer Wirklichkeit, die erlebt, erfahren und erlitten wird. Sie ist aber auch eine Wirklichkeit, die im Tun bewältigt wird, und die Wirklichkeit, in welcher – und an welcher – unser Tun scheitert. Vor allem für die Lebenswelt des Alltags gilt, daß wir in sie handelnd eingreifen und sie durch unser Tun verändern. Der Alltag ist jener Bereich der Wirklichkeit, in dem uns natürliche und gesellschaftliche Gegebenheiten als die Bedingung unseres Lebens unmittelbar begegnen (Schütz und Luckmann 2003, S. 447).
Das Individuum steht im Mittelpunkt seiner Lebenswelt, die wiederum eingebettet ist in eine soziale Welt, für die nach Schütz und Luckmann (2003, S. 31) folgende Grundannahmen gelten: Das Individuum erkennt die Existenz von Mitmenschen 1) und geht davon aus, dass diese über ein ähnliches Bewusstsein verfügen 2) und Dingen des Alltags eine ähnliche Bedeutung beimessen 3). Das Individuum kann mit seinen Mitmenschen in Beziehung treten 4) und sich mit ihnen verständigen 5). Es existiert eine soziale und kulturelle Umwelt, die für das Individuum und seine Mitmenschen als Bezugsrahmen gilt 6). Daraus folgt, dass soziale Situationen nicht von einem Individuum alleine erzeugt werden, sondern ein Produkt dessen Interaktion mit seinen Mitmenschen sind. Darüber hinaus sehen Schütz und Luckmann das alltägliche, lebensweltliche Handeln durch pragmatische Motive bestimmt (Schütz und Luckmann 2003, S. 33) und in einer subjektiven Sinngebung (ebd. S. 450–471), die abhängig ist von individuellen, gesellschaftlichen und kulturellen Relevanzsystemen, begründet. Demgemäß erhält eine Erfahrung dadurch subjektiven Sinn, indem sie anhand bestehender Erfahrungsschemata beurteilt und eingeordnet wird. Ein Individuum eignet sich seine Lebenswelt immer wieder neu an, indem es seine Erfahrungen reflektiert; dadurch erst entsteht der subjektive Sinn menschlichen Handelns. Dieses Handeln geschieht nicht von sich aus, sondern ist zielgerichtet. Wir nannten Handeln ein Sich-Verhalten auf Grund eines vorangegangenen Entwurfes. Insoferne ist jedes Handeln rationales Handeln, denn im Entwurf ist ja das Um-zu und das Worum-willen des Handelns bereits beschlossen. Liegt ein solcher Entwurf nicht vor, dann wird eben nicht „gehandelt“, dann „verhält“ sich der Betreffende nur (Schütz 1932, S. 273).
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Nach Schütz (1932, S. 273–274) ist die konkrete Sinnstruktur einer Handlung durch Um-zu-Motive, als Plan bzw. Handlungsentwurf, und Weil-Motive, als biografische Bedingtheit und lebensweltliche Verankerung einer Einstellung durch bereits gemachte Erfahrungen, bestimmt, die allerdings von einem Individuum nur rückblickend bewusstgemacht werden können. Trotz der Annahme, dass jegliches Handeln an sich zielgerichtet ist, kann bei Schütz dennoch zwischen definiert rationalem Handeln, als ein Handeln mit klar definierten, logischen Zwischenzielen und einem Routinehandeln bzw. habitualisierten Handeln, dass nicht weiter hinterfragt wird, unterschieden werden. Alltagshandeln ist zum großen Teil durch habitualisiertes Handeln geprägt (Pfaff-Rüdiger 2011, S. 74–75). Das Konzept der alltäglichen Lebensführung geht ebenfalls auf Husserls Überlegungen zurück. Es gehört zur „Familie soziologischer Praxistheorien“ (Lange 2002, S. 425) und verbindet sozialisationssoziologische mit lebenslaufsoziologischen Ansätzen. Unter alltäglicher Lebensführung wird die Summe und der Zusammenhang aller praktischen Tätigkeiten, die ein Individuum tagtäglich in verschiedenen Lebensbereichen ausführt, verstanden. Es ergänzt die wissenschaftliche Perspektive auf Lebenslauf und Biografie dadurch, dass die gesamte „Breite des Lebens“ (Jurczyk und Rerrich 1993) in den Mittelpunkt gerückt wird. Der Fokus liegt dabei nicht auf einer reinen Addition oder der Abfolge verschiedener Tätigkeiten, sondern auf der Art und Weise, wie sich diese zu einem kohärenten und konsistenten Ganzen zusammenfügen (Diezinger 2008, S. 221). Die Gestalt der alltäglichen Lebensführung ergibt sich aus der in unterschiedlichen Lebensbereichen gelebten Alltagspraxis (Lange 1997, S. 17). Sie wird maßgeblich dadurch bestimmt, wie ein Individuum die spezifischen Anforderungen in einzelnen Tätigkeitsfeldern zeitlich, räumlich, sachlich sozial und sinnhaft koordinieren und zu ihrem Alltag zusammenfügen. Das steht im Zentrum dieses soziologischen Ansatzes, der davon ausgeht, dass die Eigenheiten der alltäglichen Lebensführung bestimmen, wie sich Individuen mit ihren realen Lebensbedingungen auseinandersetzen. Demgemäß wird die alltägliche Lebensführung als aktive Leistung des Individuums und nicht lediglich als Folge sozialer Lebensbedingungen, die das Handeln des Individuums zwar beeinflussen, aber nicht bestimmen, aufgefasst (Diezinger 2008, S. 221). Aus der alltäglichen Lebensführung entstehen Handlungsroutinen, die das Individuum in täglich wiederkehrenden Entscheidungen entlasten. Im Mittelpunkt dieses Konzepts steht damit der Lebenszusammenhang aus dem heraus ein
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Individuum handelt. Dieser ist eng verbunden mit anderen Individuen, die Teil des alltäglichen Zusammenlebens sind (z. B. gemeinsamer Familienalltag). Diese Ordnung des Alltagslebens wird von den einzelnen Personen - basierend auf ihren idiosynkratischen Dispositionen und Motiven, Ansprüchen und Ressourcen, Plänen und Kalkülen, Erfahrungen und Kompetenzen - in einem lebenslangen Prozess von Selbst- und Fremddefinition, von Aneignung und Widerstand für sich oder in Verbindung mit anderen Personen produziert, reproduziert und transformiert (Kudera 2001, S. 51 zit. nach Lange 2002, S. 425).
Darüber hinaus wird die alltägliche Lebensführung bestimmt durch den Zugang zu und die Verfügung über materielle, kulturelle und soziale Ressourcen, die konkrete Ungleichheitserfahrungen prägen (Diezinger 2008, S. 222; Rerrich und Voß 1992). Lange (1997, 2002, 2003) führt diesen Ansatz in die Jugendforschung ein und betont die unterschiedlichen alltäglichen Aktivitäten Heranwachsender, die deren alltäglichem Handeln Sinn bzw. Richtung und ihrem Leben Stabilität und Kontinuität verleihen. Darauf verweist auch Pierre Bourdieus Feldtheorie (siehe dazu ausführlicher Kap. 3) mit besonderem Fokus auf soziale Milieus, welche der Ausprägung des Habitus, als Summe von Selbstverständlichkeiten, verinnerlichten Normen und kulturelle Praktiken, zugrunde liegen.
2.1.1.2 Neue Soziologie der Kindheit Eine scharfe Kritik an den Sozialisationstheorien, im Rahmen derer Kinder und Jugendliche als sich in Entwicklung befindliche Individuen betrachtet werden, kam in den 1990er Jahren mit der sogenannten „neuen“ Soziologie der Kindheit auf, die vor allem im skandinavischen und angelsächsischen Raum eine große Verbreitung fand (Bühler-Niederberger 2010, S. 437–438; Moran-Ellis 2010). Im Mittelpunkt steht hier die Auseinandersetzung mit Kindern als sozial gleichberechtigte Akteurinnen und Akteure (Tisdall und Punch 2012; Qvortrup 1993a, b; Raitelhuber 2016). Damit wird im Gegensatz zur sozialstrukturellen Sozialisationsforschung die Aufmerksamkeit nicht auf verschiedene Herkunftmilieus, sondern auf Unterschiede zwischen den Altersgruppen, zwischen Heranwachsenden und Erwachsenen sowie die soziale Konstruktion und Rekonstruktion von Kindheit gelenkt (James und Prout 1997; Baader 2016). Der wissenschaftliche Fokus wird auf die kulturellen Leistungen und sozialen Welten Heranwachsender gerichtet (Qvortrup 1993a, b). Dem klassischen Sozialisationskonzept wird vorgeworfen, Heranwachsende als unmündige Wesen anstatt als selbstständige Individuen mit eigenen kulturellen Praxen zu betrachten und gefordert, Kinder und Jugendlichen auch größere (politische) Rechte einzuräumen, um eigenständig ihren sozialen Status verbessern zu können. Damit
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verbunden ist eine intensive Auseinandersetzung mit soziostrukturellen und gesellschaftstheoretischen Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und Ordnung im Hinblick auf generationale Unterschiede und schlussendlich eine vollkommene Distanzierung vom klassischen Sozialisationsbegriff (Fromme 2006, S. 8; Bühler-Niederberger 2010, S. 438–439). Letzteres wurde zum Teil wieder verworfen (wie beispielsweise Fromme und Vollmer 1999 oder Prout 2004), dennoch hat diese Perspektive den sozialisationstheoretischen Diskurs maßgeblich beeinflusst. Diese „neue“ Soziologie der Kindheit hat insofern einen Perspektivenwechsel eingeleitet (Matthews 2007), als dass der Fokus auf die Selbstwirksamkeit Heranwachsender (agency) im Sinne eines selbstbestimmten und kompetenten Handelns als soziale Akteurinnen und Akteure sowie auf Prozesse des steten Ausarbeitens generationaler Kategorien in Hinblick auf gesellschaftliche Teilhabe gelenkt wird (Bollig und Kelle 2016). Von zentralem Interesse ist dabei, wie Kinder und Jugendliche mit sozialen Situationen umgehen und diese gestalten (Aushandlung von Konflikten, Interaktion in der Peer-Group, Geschlechterrollen etc.). Eine besondere Bedeutung erlangt in diesem Kontext auch der selbstbestimmte und kompetente Medienumgang (Bühler-Niederberger 2010, S. 443–444). Ebenso spielt die Auseinandersetzung mit Kinderrechten (Mayall 2000; Therborn 1993) und die Frage nach der Befähigung Heranwachsender zur Durchsetzung ihrer Rechte eine wichtige Rolle (Bühler-Niederberger 2010, S. 449). Aber nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch fallen etablierte soziologische Ansätze unter Kritik. So wird beispielsweise im Hinblick auf das Forschungsdesign soziologischer Studien auf die Notwendigkeit verwiesen, Heranwachsende selbst zu unterschiedlichen Bereichen ihres Lebens zu befragen und sich diesbezüglich nicht ausschließlich auf Auskünfte Erwachsener (z. B. Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen) zu verlassen (Spyrou 2016) sowie adäquate Forschungsmethoden zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu entwickeln (Warming 2016; Matthews 2007, S. 328; siehe auch Komulainen 2007; Cocks 2006; Greene und Hogan 2005; Christensen 2004; Alderson und Morrow 2004; Christensen und Prout 2002; Punch 2002; Davis 1998). Innerhalb der Soziologie wird allerdings kritisch diskutiert, ob es sich hierbei tatsächlich um einen Paradigmenwechsel handelt, oder ob dieser Ansatz nicht lediglich das Produkt einer konsequenten Weiterverfolgung historischer soziologischer, psychologischer und pädagogischer Theorien vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels ist. Das tatsächlich Neue an dieser „neuen“ Soziologie der Kindheit wird dabei infrage gestellt.
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns The road from Rousseau to Dewey, from G. H. Mead to Bluebond-Langner, and from Freud to Coles leads respectively from the authentic, the conditioned, and the developing child fully into a political child construed as a subject participating in the social construction of childhood. That this road was travelled prior to recent efforts to post flag for a new paradigm is hardly surprising; in Kuhnian terms, paradigm shifts are neither promissory, nor predictable (Ryan 2008, S. 574).
Ungeachtet der Kontroversen hinsichtlich der Originarität dieses Ansatzes ist der damit verbundene Diskurs auch für die Mediensozialisationsforschung von Bedeutung. Unter Einfluss des veränderten Blickwinkels auf Heranwachsende und vor dem Hintergrund, dass Individuen heute durch eine Vielfalt an Orientierungsangeboten zunehmend auf sich selbst gestellt sind, knüpfen aktuelle sozialisationstheoretische Debatten an interaktionistische Theorien an und rücken die Auseinandersetzung mit Individualisierung, Selbstorganisation und Selbstsozialisation in den Mittelpunkt (Veith 2004, S. 363–365; Honig et al. 1996; Zinnecker 1996, 2000). Die Bedeutung der Selbstsozialisation wird ebenso unter Rückgriff auf die Systemtheorie Luhmanns (1984) hervorgehoben: Da die Wirkungen des sozialen Umfelds letztendlich immer von den Individuen selbst gesteuert und Einflüsse von außen mehr oder minder stark zugelassen werden, betont diese Perspektive, dass Heranwachsende nicht nur sozialisiert werden, sondern sich in hohem Maße auch selbst sozialisieren (Süss 2004, S. 32). In aktuellen Ansätzen der Kindheitssoziologie wird davon ausgegangen, dass herkömmliche Sozialisationsinstanzen wie Familie, Nachbarschaft oder berufliches Umfeld heute für den Einzelnen bzw. die Einzelne immer weniger Orientierungskraft besitzen. Stattdessen eröffnen sich neue Handlungs- und Entscheidungsspielräume, wodurch soziale Rollen nicht mehr wie selbstverständlich übernommen werden, sondern selbstständig zwischen den Gruppen und Kulturen, denen man sich anschließen möchte, gewählt werden kann. Orientierung bieten neue, anonyme Sozialisationsinstanzen wie beispielsweise Medien, welche die Fähigkeit zur Selbststeuerung und Selbstorganisation voraussetzen, über die jedoch nicht alle Menschen gleichermaßen verfügen. Im Gegensatz zu früheren Generationen wird heutigen Heranwachsenden nicht nur in wesentlich breiterem Maße die Kompetenz zugeschrieben, selbst Entscheidungen treffen, sondern es wird auch von ihnen erwartet (Fromme 2006, S. 9, 22).
2.1.1.3 Medienökologie, Sozialökologie und die Aneignung von Welt In der ökologischen Betrachtungsweise von Medien lassen sich verschiedene Ansätze ausmachen, die sich darin unterscheiden inwieweit, der Fokus eher auf das Verhältnis von Medien und Gesellschaft oder das Individuum und sein
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soziales Umfeld ausgerichtet ist. Protagonisten und Protagonistinnen der Beschäftigung mit media ecology berufen sich auf Marshall McLuhan als Begründer dieser Forschungsrichtung (Gencarelli 2006a, S. 202; siehe auch Strate 2008; Lum 2006; Gronbeck 2006) und schreiben die Einführung dieses Begriffs Neil Postman (1970) zu, welcher media ecology als „the study of media as environments“ definiert (Lum 2006, S. 28; siehe auch Gencarelli 2006b). Ramos (2000, S. 46) geht in ihrer Einordnung dieser Forschungsrichtung weiter zurück. Sie verortet deren Anfänge in der medienphilosophischen Forschung von Harold Innis und nennt zudem Eric Havelock, Jack Goody und Elizabeth Eisenstein als wichtige WegbereiterInnen für Auseinandersetzungen mit dem Einfluss von Medien (als Mittel der Kommunikation) auf die Entwicklung von Kultur und Gesellschaft. Vor allem Nystrom (1973), Postmans Schülerin, leistete einen wichtigen Beitrag zur Etablierung von media ecology als anerkanntes Forschungsfeld (Milberry 2012). Der Begriff ecology bezieht sich hier auf das Umfeld, in welchem ein Medium genutzt wird. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei die Art und Weise, wie Medien den gesellschaftlichen Wandel beeinflussen. Simply put, theories of media ecology at the macro-level are focused on changes in human experience – often discussed at both society-wide and self-conscious or self-reflexive planes of experience – that follow or accompany shifts in the dominant media of collectivities (Gronbeck 2006, S. 340).
In Diskursen über media ecology werden Medien zum einen als sensorische Umwelt (z. B. McLuhan 1964) oder symbolische Umwelt (z. B. Doelker 2016) diskutiert, zum anderen finden sich aber ebenso Auseinandersetzungen mit Medien als Umwelt an sich (Lum 2006, S. 30–31). Gerade von frühen Vertreterinnen und Vertretern dieses Ansatzes werden Medien als Umwelt aufgefasst, in welcher sich gesellschaftlicher Wandel vollzieht. In der Weiterentwicklung dieses Ansatzes setzt man sich unter Bezug auf die Systemtheorie und die Kybernetik mit der Menschheitsentwicklung und der Entwicklung von Technologien sowie deren Zusammenspiel in der Hervorbringung von Kultur auseinander; der Fokus liegt auf den vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen, Technologien, Medien und Umwelt. Im Vergleich zu frühen Ansätzen stehen heute weniger monokausale Erklärungsversuche, sondern zunehmend die Dynamiken des Zusammenspiels von Kommunikation, Kultur und Bewusstsein im Mittelpunkt des Interesses. Darüber hinaus lässt sich neben einer technikdeterministischen Auffassung (Gronbeck 2006, S. 340–342; Lum 2006, S. 34) von media ecology, welche auf die Auseinandersetzung mit Medien als Umwelt
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fokussiert ist, auch eine eher poststrukturalistische Strömung ausmachen, die ebenso Fragen von Herrschaft und Macht reflektiert (z. B. Fuller 2007). Dabei steht die Beschäftigung mit Mediensystemen, als komplexe, dynamische Systeme, und deren Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Systemen wie etwa Politik und Bildung bzw. Erziehung vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen und medialen Wandels im Mittelpunkt. Zentral für den Ansatz der media ecology ist die Frage, wie das Medienumfeld die menschliche Entwicklung fördern oder behindern kann (O’Neill 2015, S. 34). Während media ecology einen explizit medienwissenschaftlichen Ansatz darstellt, entstammt die Sozialökologie primär der Soziologie und der Rolle von Medien wird (zumindest in der ursprünglichen Ausrichtung dieser Forschungsperspektive) nur peripher Bedeutung beigemessen. Sozialökologische Theorien beschäftigen sich mit dem Zusammenspiel unterschiedlicher individueller und gesellschaftlicher Faktoren hinsichtlich deren Einfluss auf die menschliche Entwicklung. Urie Bronfenbrenners (1979) Auseinandersetzung mit The Ecology of Human Development, welche er später zu einem Biopsychosocial ecological model (Bronfenbrenner und Ceci 1994) weiterentwickelte, erlangte die größte Bedeutung innerhalb dieser Forschungsrichtung und fand rasch Eingang in die Entwicklungspsychologie sowie die Kinder- und Jugendforschung (O’Neill 2015, S. 36; Chen et al. 2015, S. 453–454). Sein Modell der sozialökologischen Umwelt wird grafisch häufig mittels konzentrischer Kreise dargestellt (siehe Abb. 2.1). Im Mittelpunkt dieser sozialökologischen Theorie steht die Interaktion eines Individuums bzw. eines heranwachsenden Kindes mit dessen sozialer Umwelt. Seen in different contexts, human nature, which I had once thought of as a singular noun, turns out to be plural and pluralistic; for different environments produce discernible differences, not only across but within societies, in talent, temperament, human relations, and particularly in the ways in which each culture and subculture brings up the next generation (Bronfenbrenner 1979, S. xiii zit. nach ders. 1993, S. 43).
Als zentrale Annahmen des sozialökologischen Ansatzes gelten, dass sich a) ein Individuum in unterschiedlichen sozialen Kontexten wie der Familie, der Nachbarschaft, sozialer Gemeinschaften etc. entwickelt und dass b) diese unterschiedlichen Kontexte sowie die Beziehungen zwischen diesen unterschiedlichen Bereichen des sozialen Umfeldes die Entwicklung des Individuums maßgeblich beeinflussen. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass sich c) Individuen aktiv die sozialen Kontexte, in denen sie ihr Leben leben, aussuchen und dass
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Abb. 2.1 Der sozialökologische Ansatz Urie Bronfenbrenners (eigene Darstellung)
diese Wahl wiederum deren Entwicklung beeinflusst. Darüber hinaus werden zudem d) Erfahrungen von Bezugspersonen, welche diese in sozialen Kontexten sammeln, die dem Individuum nicht direkt zugänglich sind (z. B. Arbeitsplatz der Eltern), indirekt aber dessen Entwicklung beeinflussen können, berücksichtigt (Vandewater 2017, S. 47). Bronfenbrenner unterscheidet in seinem Modell (siehe Abb. 2.1) der sozialen Umwelt zwischen dem Microsystem, dem Mesosystem, dem Exosystem, dem Macrosystem und dem Chronosystem. Das Microsystem 1) bezeichnet zwischenmenschliche Beziehungen in der unmittelbaren Umgebung eines heranwachsenden Kindes im besonderen innerhalb der Familie, aber auch mit Freunden und Freundinnen, in einer Kinderbetreuungseinrichtung, oder in der Schule. Das Mesosystem 2) bezeichnet die Wechselbeziehungen zwischen zwei oder mehreren Microsystemen, an welchen das heranwachsende Kind aktiv beteiligt ist, wie etwa die Beziehung zwischen Kinderbetreuungseinrichtung oder Schule und Elternhaus. Das Exosystem 3) umfasst einen oder mehrere Lebensbereiche, an denen das heranwachsende Kind selbst nicht aktiv beteiligt
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ist, die jedoch einen Einfluss auf seinen oder ihren Lebensbereich haben (z. B. Arbeitsplatz oder Vereinsleben der Eltern, Lokalpolitik etc.). Das Macrosystem 4) bezeichnet die strukturelle Beschaffenheit einer Kultur oder einer Subkultur, innerhalb derer ein Kind aufwächst; diese zeigt sich in kulturellen und sozialen Kontexten, Einstellungen, Haltungen, ethnischen und religiösen Vorstellungen etc. Zu guter Letzt werden alle Beziehungen zwischen den genannten Systemen sowie Entwicklungen innerhalb eines Systems von der Dimension Zeit überlagert bzw. beeinflusst. Bronfenbrenner verbildlicht dies mit der Einführung des Chronosystems 5) als äußerste Ebene seines Modells (O’Neill 2015, S. 26–36). In seinem ursprünglichen Modell hat Bronfenbrenner Medien keine besondere Bedeutung beigemessen und so finden sich auch in der internationalen Mediengebrauchsforschung bzw. audience research selten dezidiert sozialökologische Perspektiven (Vandewater 2017, S. 50). Eine Ausnahme ist das internationale Projekt EU Kids Online, in welchem das ökologische Umfeld von Kindern und Jugendlichen, die in unterschiedlichen nationalen Kontexten aufwachsen, berücksichtigt wurde (O’Neill 2015). Etwas anders verlief die Entwicklung im deutschen Sprachraum durch die Einführung von Bronfenbrenners Modell in die deutsche Jugendforschung durch Dieter Baacke (1983, 2003). Dieser entwickelte den ursprünglichen sozialökologischen Ansatz als medienökologischen Ansatz weiter, welcher dadurch auch Eingang in die kommunikationswissenschaftliche Kinder- und Jugendmedienforschung sowie die Mediensozialisationsforschung fand. Baacke et al. (1990, S. 17) fordern mit ihrer sozial- und medienökologischen Betrachtungsweise, soziale Kontexte nicht isoliert zu betrachten, sondern mediale Umwelten als Ganzes zu analysieren. In enger Anlehnung an Bronfenbrenner entwirft Baacke (1980) ein ebenfalls in konzentrischen Kreisen angeordnetes Modell räumlich-sozialökologischer Zonen (siehe Abb. 2.2). Das ökologische Zentrum 1) bezeichnet die unmittelbare Umgebung, in die ein Kind hineingeboren wird (die Familie, das „Zuhause“) und ist durch enge emotionale Bindungen, starke Privatsphäre und eine große Abhängigkeit Heranwachsender von Älteren geprägt. Der ökologische Nahraum 2) steht für die unmittelbare Umgebung des ökologischen Zentrums, in dem Heranwachsende ihre ersten „Außenbeziehungen“ aufnehmen (Nachbarschaft). Hier sind Beziehungen diffus, wenig vorab geregelt und stark erlebnisoffen. Die ökologischen Ausschnitte 3) sind weniger zusammenhängend und definieren sich durch funktionsspezifische Beziehungen (z. B. Schule, Sportstätten, Arbeitsplatz). Widersprüche zur familiären und nachbarschaftlichen Umwelt werden von Heranwachsenden in diesen Bereichen am intensivsten erfahren. Ältere Heranwachsende entwickeln allerdings an den Rändern der ökologischen Ausschnitte
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Abb. 2.2 Der medienökologische Ansatz Dieter Baackes (eigene Darstellung)
ihre Peer-Beziehungen etwa mit Mitschülerinnen und Mitschülern oder Freunden und Freundinnen, die den gleichen Sport ausüben. Zur ökologischen Peripherie 4) finden nur gelegentliche Kontakte – oft auch als Alternativen zur alltäglichen Routine – statt (z. B. Urlaub, ferner gelegene Freizeitangebote, weiter entferntes Einkaufszentrum). Ältere Heranwachsende erweitern den Radius ihres Handelns und suchen Ausweichmöglichkeiten und Alternativen zur unmittelbaren Umwelt, um zum Beispiel widersprüchlichen Lebensverhältnissen zu entgehen, oder auch Handlungskompetenzen eigenverantwortlich auszuprobieren (Baacke 1989, S. 103; Vollbrecht 2007; Paus-Hasebrink und Bichler 2008, S. 53–54). In den beschriebenen Zonen agiert ein Individuum zwischen verschiedenen Medienwelten (Ganguin und Sander 2005). Der medienökologische Ansatz richtet den Blick daher nicht auf den Umgang mit einzelnen Medien, sondern auf räumlich-sozialökologisch bestimmte, mediale Umwelten als Kontexte für individuelle Handlungs- und Erfahrungsräume. Aus Perspektive dieses Ansatzes umfasst eine ganzheitliche Analyse räumlich-sozialökologisch bestimmter Medienwelten zum einen den sogenannten konkreten Lebenszusammenhang eines Individuums, als vom sozialökologischen Zentrum bis hin zur sozialökologischen Peripherie
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ineinander verwobene Sozialräume und subjektive, auf individuellen Erfahrungen beruhenden, Einschätzungen von Situationen. Zum anderen werden mit sozialökologischen Orten verbundene, spezifische Medienwelten, die durch eine mehr oder weniger bewusste Mediennutzung gekennzeichnet sind, einbezogen (Treumann et al. 2002, S. 29–31). Baacke et al. (1991) sprechen diesbezüglich auch von zentrierten und unzentrierten Medienumgebungen. Den medienökologischen Ansatz kennzeichnet, dass der Fokus nicht auf individuellen Bedürfnissen, sondern auf symbolischen Verweisen zwischen sozialen Welten und Medienwelten liegt. Seine Prämisse liegt darin, dass das medienbezogene Erleben und Verhalten von Kindern und Jugendlichen nur dann richtig interpretiert werden kann, wenn das sie umgebende soziale Umfeld und die damit zusammenhängenden unterschiedlichen sozialökologischen Bezüge angemessen berücksichtigt werden. In einer Betrachtung des medienökologischen Ansatzes vor dem Hintergrund aktueller medialer und gesellschaftlicher Entwicklungen stellen Dallmann et al. (2017) fest, dass dieser modifizierungsbedürftig ist, weil die von Baacke formulierten ökologischen Zonen heute weniger stark als früher mit einer spezifischen Mediennutzung verbunden sind, sondern diese ökologischen Räume über die Mediennutzung an sich zunehmend verschwimmen (siehe auch Brüggen und Wagner 2017). Dies führt zur Ausbildung neuer, relationaler ökologischer Nahräume (Dallmann et al. 2017, S. 200), in denen sich soziale Nähe sowohl über räumliche, als auch kommunikative Präsenz konstituieren kann. Oder im Sinne Bronfenbrenners formuliert: verschiedene Mesosysteme überlagern sich insofern, als dass gerade über die mobile Kommunikation zeitgleich verschiedene Mikrosysteme miteinander interagieren können. Eine analytische Trennung zwischen den sozialökologischen Zonen im Sinne Baackes erscheint jedoch nach wie vor sinnvoll, um diese hinsichtlich ihrer jeweiligen kommunikativen Spezifika betrachten zu können. Eine Integration von Bronfenbrenners ursprünglichem Ansatz würde Baackes Modell aber dahin gehend aufwerten, dass der Blick zusätzlich auf die Rolle von Medien innerhalb einzelner Mesosysteme gelenkt wird. Das Konzept der Aneignung von Welt ist auf die Verinnerlichung von sowie die Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Erfahrung ausgerichtet. Im Zentrum steht die Fähigkeit des Individuums, Gegenstände und andere Subjekte systematisch miteinander in Beziehung zu setzen. Als Gegenstände werden hier aus kulturhistorischer Perspektive im Sinne der Tätigkeitstheorie (CHAT: cultural-historical activity theory) (Yamagata-Lynch 2010; Foot 2001; Engeström 1987) sowohl von Menschen erschaffene Produkte im engeren Sinne, als auch Wissen als Produkt des Denkens betrachtet. Dieser Ansatz steht insofern in enger Beziehung zu sozialökologischen und medienökologischen Modellen als die
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Aneignung von Gegenständen und Wissen in sozialen Räumen stattfindet, welche gesellschaftliche Strukturen widerspiegeln. Der sozial-räumliche Kontext ist daher von zentraler Bedeutung für den Prozess der Sinngebung und subjektiven Aneignung von Gegenständen (Wagner 2011, S. 35–36; Deinet 2014). Auch die Aneignung von Medieninhalten, technischen Geräten zur rezeptiven und kommunikativen Nutzung von Medien, kommunikativen Strukturen sowie die eigene Ausgestaltung medialer Räume (bspw. das persönliche Profil auf einer auf einer Social Network Site) findet in verschiedenen sozial-räumlichen Kontexten statt. In der Medienaneignungsforschung (z. B. Kaiser 2015; Hacke 2012; Theunert und Schorb 2010; Wegener 2008) stehen diese sozial-räumlichen Aspekte der Sozialisation mit und über Medien im Mittelpunkt; ebenso sind Bezüge zu Theorien über die Domestizierung von Medien zu finden. Die Entwicklung des Internets als Sozialraum an sich sowie eine zunehmende Verbreitung mobiler Endgeräte fordern das Konzept der Medienaneignung insofern heraus, als dass sie zu einer stärkeren Vernetzung und Überlagerung sozialer und medialer Räume führen. Dennoch liefert diese Perspektive einen guten Ansatz für das Verständnis von Sinngebungsprozessen in der Mediensozialisation von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Zu kritisieren ist an der medienökologischen und sozialökologischen Perspektive, dass die Persönlichkeitsentwicklung als primär exogen gesteuerter Prozess aufgefasst wird und der subjektiven Wahrnehmung der sozialen Umwelt sowie dem Prozess der Aneignung von Kultur lediglich eine untergeordnete Bedeutung beigemessen wird (Süss 2004, S. 32).
2.1.2 Psychologische Grundlagen Die Persönlichkeitsentwicklung steht allerdings im Mittelpunkt psychologischer Betrachtungen des Heranwachsens von Kindern und Jugendlichen. Die Psychoanalyse prägte das Bild von Kindheit und Jugend als eine Phase der allmählichen Entwicklung der Persönlichkeit. Die extreme Vorstellung der frühen Psychoanalyse verfolgte dabei das Bild eines unfertigen und lediglich von Instinkten getriebenen Neugeborenen, das sich über Sozialisation zu einem „sozialen Wesen“ entwickelt. Das Menschenbild der Psychologie hat sich seither verändert, im Mittelpunkt psychologischer Auseinandersetzungen steht allerdings dennoch die Annahme, dass sich Kinder vor dem Hintergrund der Erfüllung von Wünschen und Bedürfnissen allmählich entwickeln – zentral ist dabei der Wunsch nach Anerkennung sowie die Entwicklung der Identität in Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt (Frønes 2016, S. 51–53).
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
So setzt sich die klassische Entwicklungspsychologie mit der Persönlichkeitsentwicklung anhand empirisch überprüfter Stufenkonzepte auseinander, wobei der Fokus auf der Unterscheidung eines gestörten von einem ungestörten Verlauf des Sozialisationsprozesses liegt (Heymans 1994, S. 3–8). Mittels strukturgenetischer Entwicklungstheorien werden Altersnormen bzw. -stufen formuliert, in denen bestimmte Entwicklungsaufgaben zu bewältigen sind (Süss et al. 2018, S. 33). In Bezug auf eine Auseinandersetzung mit Mediensozialisation können entwicklungspsychologische Ansätze als Erklärungshilfen für kindliches Medienhandeln und den Erwerb von Medienkompetenz dienen. Stufenmodelle der kindlichen Entwicklung werden zum Teil herangezogen, um das Medienhandeln von Kindern in unterschiedlichen Altersstufen zu erklären (z. B. Paus-Haase 1998). Aus Perspektive der Mediensozialisationsforschung lohnt sich also durchaus ein Blick auf kognitionspsychologische Konzepte, die davon ausgehen, dass ein Individuum seine Umwelt (zu der auch Medien gehören) in jenem Maße zu verstehen lernt, in dem es lernt, sich selbst zu verstehen. Das heißt Heranwachsende wenden ihre vorhandenen Denkstrukturen immer wieder auf ihre soziale Umwelt an und entwickeln sich auf diese Weise weiter (Paus-Hasebrink und Bichler 2008, S. 65). Situationsspezifische und lebensweltliche Bezüge werden aus entwicklungs- und kognitionspsychologischer Perspektive allerdings kaum berücksichtigt, weshalb solche Ansätze für die Mediensozialisationsforschung nur dann fruchtbar sind, wenn sie mit anderen theoretischen Zugängen kombiniert werden. Ebenfalls in den Bereich der psychologischen Grundlagen fallen Lerntheorien aus Perspektive der pädagogischen Psychologie. Ein Beispiel dafür wäre Banduras (1985, 1997, 1999) Social Cognitive Theory (SCT) und das Konzept der Selbstwirsamkeit als Überzeugung, auch große Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Im Hinblick auf den Medienumgang werden psychologische Lerntheorien vorrangig in der Mediendidaktik herangezogen. Da in den nachfolgenden Ausführungen das primäre Interesse aber der potentiellen Sozialisationsrelevanz von Medien gilt, wird nicht näher auf bildungspsychologische Ansätze eingegangen.
2.1.2.1 Klassische Stufenmodelle der kindlichen Entwicklung Im Mittelpunkt der Entwicklungspsychologie steht die Suche nach Prinzipien der kognitiven Entwicklung, die zu einer erfolgreichen Ausbildung der menschlichen Persönlichkeit sowie zu einer erfolgreichen Sozialisation beitragen. Häufig beruft man sich dabei auf die Arbeit Piagets (1936/2002). In dessen vierstufigem Modell kognitiver Leistungsniveaus (Abb. 2.3) wird der Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Assimilations- und Akkommodationsprozessen eine besondere
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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sensomotorische Stufe 0-2 Jahre Reflexe
präoperaonale Phase 2-7 Jahre
konkrete Operaonen
Koordinaon von begriffliches Denken 7-11 Jahre Handlungsschemata symbolische raonales Denken systemasche Repräsentaonen Intelligenz logische Operaonen
formale Operaonen ab 11 Jahren abstraktes und hypothesches Denken
Abb. 2.3 Entwicklungsstufen nach Piaget (1936/2002) (eigene Darstellung)
Rolle beigemessen (Sutter 2004, S. 98). Dabei spielt neben der biologischen Reife auch die Interaktion mit der sozialen Umwelt eine wichtige Rolle. Accommodation is the active organism’s cognitive adaption to new challenges, while assimilation means that the experiences are interpreted within the existing structures of cognition. The acquisition of culture is not driven by passive internalization, but by active subjects relating to their surroundings (Frønes 2016, S. 55).
Piaget beschreibt die Entwicklung verschiedener Fähigkeiten der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit, des Denkens und der Begriffsbildung (Schneider und Lindenberger 2012, S. 386–393). Während sich in den ersten beiden Lebensjahren die systematische Intelligenz entwickelt, bildet sich in der darauffolgenden Phase die Fähigkeit zu begrifflichem Denken heraus. Im zweiten bis zum siebten Lebensjahr gewinnen das Symbolspiel und der Umgang mit Fiktionen (so tun als ob) eine große Bedeutung. Das Weltbild ist in dieser Phase nach wie vor sehr egozentrisch, ebenso kann nicht eindeutig zwischen belebten und unbelebten Dingen unterschieden werden. Erst in der dritten Entwicklungsstufe lernen Heranwachsende rational zu denken. Voraussetzung dafür ist das Beherrschen der wesentlichen kognitiven Operationen, die zur Klassifikation von Objekten, zur Bildung von Hierarchien, zu Inklusionen, zu Begriffsdefinitionen und letztendlich elementaren logischen Operationen einschließlich der Kategorisierung von
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Zahlen befähigen. Dies wiederum ist Bedingung für den Übergang in die vierte Entwicklungsstufe und den Eintritt ins Jugendalter, in welchem das abstrakte und hypothetische Denken entwickelt wird (Siegler et al. 2011, S. 128–143; Paus-Hasebrink und Bichler 2008, S. 61). Ähnlich seines Modells zur Entwicklung der Intelligenz stellt Piaget (1932/1986) auch Überlegungen zur kindlichen Moralentwicklung an. Anhand der Untersuchung des Umgangs mit Spielregeln (Murmelspiel) definiert er vier Entwicklungsphasen (amoralisches Stadium, moralischer Realismus, heteronome Moral, autonome Moral), welche in etwa mit den zuvor beschriebenen Stufen der Intelligenzentwicklung korrespondieren. Kohlberg (1981, 1984) beruft sich auf Piagets Arbeit und entwirft ein sechsstufiges Modell der Moralentwicklung, in dem er nachzeichnet, dass Kinder soziale Konflikte zuerst nur aus egozentrischer Perspektive beurteilen können, sich dabei zunehmend an ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld orientieren und vorerst Regeln und Normen vorbehaltlos übernehmen, bis sie schließlich gesellschaftliche Normen und ethische Prinzipien infrage stellen und soziale Probleme aus unterschiedlichen Seiten betrachten können (Schneider und Lindenberger 2012, S. 527–530; Paus-Hasebrink und Bichler 2008, S. 62–63). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Selman (1984), siehe Dimitrova und Lüdmann (2014, S. 6). Modelle der Moralentwicklung verdeutlichen die Zusammenhänge zwischen dem sozialen und kulturellen Umfeld und der individuellen Selbstauseinandersetzung (Frønes 2016, S. 56). Erikson (1968) legt ein weiteres Stufenmodell vor in dessen Mittelpunkt die Entwicklung der Ich-Identität sowie die emotionale Entwicklung stehen. Er geht von einem epigenetisch vorbestimmten Konstruktionsplan der körperlichen Entwicklung aus und betrachtet Sozialisation als Abfolge psychosozialer Krisen. Basierend darauf formuliert er für jedes psychosoziale Stadium spezifische Entwicklungsaufgaben. Er verweist darauf, dass sich das Selbstkonzept Heranwachsender im Laufe ihres Aufwachsens stark verändert. Kleine Kinder neigen dazu, sich ausnahmslos positiv zu sehen sowie sich selbst zu überschätzen und beginnen erst allmählich, die Wahrnehmungen anderer in ihr Selbstbild zu integrieren. Der Adoleszenz kommt in Eriksons Theorie als Zeit der Identitätskrise und Rollendiffusion eine besondere Bedeutung zu. Wie und wann Jugendliche ihre Identität entwickeln, wird allerdings – genauso wie die Moralentwicklung – von unterschiedlichen persönlichen, familiären, sozialen und kulturellen Faktoren beeinflusst (Siegler et al. 2011, S. 439–440; Schneider und Lindenberger 2012, S. 53).
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2.1.2.2 Das Modell der Entwicklungsaufgaben Das Konzept der Entwicklungsaufgaben (developmental tasks) bzw. der life-span theory wurde 1948 von Havighurst (1972; siehe Tab. 2.1) eingeführt. Die Grundannahmen dieses Ansatzes sind, dass 1) die Entwicklung eines Individuums ein lebenslanger Prozess ist (life span development), dass 2) Individuen ihren Lebensweg durch bewusste Entscheidungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst gestalten (agency) und dass 3) diese Gestaltungsfreiheit durch historische und örtliche Gegebenheiten gerahmt ist (time and place). Darüber hinaus wird 4) davon ausgegangen, dass sich Individuen in ihrer Entwicklung im Hinblick auf den Zeitpunkten biografischer Übergänge unterscheiden (timing) und 5) dass sich Individuen nicht losgelöst von ihrer sozialen Umwelt, sondern eingebettet in einem sozialen Netzwerk entwickeln (linked lives) (Vandewater 2017, S. 48). Dieses Konzept passt grundsätzlich gut zu dem, in der Mediensozialisationsforschung verbreiteten, interaktionistischen Sozialisationsverständnis (Süss et al. 2018, S. 33). Unter Entwicklungsaufgaben versteht Havighurst Sozialisationsziele, die in bestimmten Altersabschnitten sowie bei bestimmten biografischen Übergängen bewältigt werden müssen. Ein Individuum wird demgemäß immer wieder mit neuen Situationen und spezifischen Entwicklungsaufgaben konfrontiert, in denen es seine Handlungskompetenz unter Beweis stellen muss. Diese Entwicklungsaufgaben sind durch soziale Kontexte normativ geprägt. So formuliert beispielsweise Heymans, welcher sich in den 1990er Jahren mit der Weiterentwicklung des Havighurst’schen Konzepts auseinandersetzte, eine Entwicklungsaufgabe folgendermaßen: A developmental task is a period or trajectory during which the individual has the opportunity to prove or to make plausible before a specific audience or jury that he is capable of performing certain actions. This capability is inferred from the controlled and goal directed use of personal, social and/or material resources available. If the audience or jury is persuaded that the individual is capable, then the individual is granted the right to act on its own account as if the individual has acquired a new competency (Heymans 1994, S. 8).
Als Jury oder Publikum wird hier das soziale Umfeld verstanden, das die Bedeutung einzelner Entwicklungsaufgaben bestimmt und den individuellen Spielraum in der Auseinandersetzung mit spezifischen Entwicklungsaufgaben vorgibt. Dennoch wird in diesem Ansatz dem Individuum eine aktive Rolle bei der Gestaltung seiner eigenen Entwicklung beigemessen (Süss et al. 2018, S. 33). Die Tab. 2.1 zeigt die von Havighurst definierten Entwicklungsaufgaben für die mittlere Kindheit, das Jugendalter sowie das junge und mittlere Erwachsenenalter.
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Tab. 2.1 Entwicklungsaufgaben nach Havighurst (1972) Lebensphase
Entwicklungsaufgaben nach Havighurst (1972)
Mittlere Kindheit (6–12 Jahre)
Learning physical skills necessary for ordinary games Building wholesome attitudes toward oneself as a growing organism Learning to get along with age-mates Learning an appropriate masculine or feminine social role Developing fundamental skills in reading, writing, and calculating Developing concepts necessary for everyday living Developing conscience morality and a scale of values Achieving personal independence Developing attitudes toward social groups and institutions
Jugendalter (13–18 Jahre)
Achieving new and more mature relations with age-mates of both sexes Achieving a masculine or feminine social role Accepting one’s physique and using the body effectively Achieving emotional independence of parents and other adults Preparing for marriage and family life Preparing for an economic career Acquiring a set of values and an ethical system as a guide to behaviour – developing an ideology Desiring and achieving socially responsible behaviour
Junges Erwachsenenalter (18–30 Jahre)
Selecting a mate Learning to live with a marriage partner Starting a family Rearing children Managing a home Getting started in an occupation Taking on civic responsibility Finding a congenial social group (together with the partner)
Mittleres Erwachsenenalter (30–60 Jahre)
Assisting teenage children to become responsible and happy adults Achieving adult social and civic responsibility Teaching and maintaining satisfactory performance in one’s occupational career Developing adult leisure-time activities To accept and adjust to the physiological changes of middle age Adjusting to aging parents
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Havighurst (1972) entwickelte sein Konzept für die amerikanische Gesellschaft der 1940er und 1950er Jahre und adaptierte dieses in einer späteren Auflage seiner Publikation für die 1970er Jahre.2 Spätere Auseinandersetzungen mit dieser Theorie finden sich beispielsweise bei Oerter (1986), Baltes (1987), Zirkel und Cantor (1990), Heymans (1990, 1992, 1994), Sugarman (2001), Steinberg et al. (2011), Hatherley (2014) oder Newman und Newman (2018). Vor allem die altersspezifische Definition des Erwachsenenalters hat sich heute verändert. Es existieren keine klaren Kriterien für die Unterteilung dieser Lebensspanne in konkrete Altersangaben. Allerdings zeigt sich im Vergleich zur Zeit von Havighursts Ausformulierung der Entwicklungsaufgaben in westlichen Gesellschaften ein Trend zu einer deutlich längeren Phase des aufkommenden Erwachsenenalters (emerging adulthood), das in etwa als Periode vom Erreichen der Volljährigkeit bis zu den späten 20er Jahren angesetzt wird, durch längere Ausbildungen sowie spätere Heirat und Familiengründung. Dieser verlängerte Übergang vom Jugend- in das Erwachsenenalter ist gekennzeichnet durch die Vorbereitung auf den Beruf bzw. Einstieg in den Arbeitsmarkt (oft verbunden mit häufig wechselnden Arbeitsstellen), einen intensiven Selbstfokus, eine langsame Loslösung von der Ursprungsfamilie bei gleichzeitig noch nicht vorhandener Verpflichtung zu einzelnen, engen Beziehungen oder einem bestimmten Lebensstil. Viele junge Erwachsene erleben ihre Zwanzigerjahre daher weder als Jugendliche noch als Erwachsene, sondern fühlen sich irgendwo dazwischen. Die daran anschließende Phase des jungen Erwachsenenalters, das von Ende 20 bis Mitte 30 anzusiedeln ist, wird dafür oftmals als herausfordernd erlebt, weil viele berufliche (Ausbildung, Berufseinstieg, Karriereplanung) und private Herausforderungen (Aufbau einer tragfähigen Partnerschaft und Lebensgemeinschaft, Familiengründung) zu meistern sind und durch eine stetige Verschiebung der Phase des aufkommenden Erwachsenenalters nach hinten, wenig Zeit für die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben des jungen Erwachsenenalters bleibt (Freund und Nikitin 2012, S. 260–264). Zudem muss davon ausgegangen werden, dass nicht alle Individuen der von Havighurst vorgeschlagenen bürgerlichen Idealbiografie folgen und die Auswahl und Abfolge von Entwicklungsaufgaben in unterschiedlichen sozialen Milieus und kulturellen Kontexten verschieden verläuft (Süss et al. 2018, S. 33). So haben beispielsweise Flammer und Alsaker (2002) das Konzept der Entwicklungsaufgaben
2Übersetzungen ins Deutsche finden sich bei Oerter und Dreher (2002, S. 270) für die mittlere Kindheit und das Jugendalter sowie bei Freund und Nikitin (2012, S. 262) für das junge bis mittlere Erwachsenenalter.
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
dahingehend erweitert, dass sie Fähigkeiten (F-Kompetenzen) von Berechtigungen (B-Kompetenzen) unterscheiden: Entwicklungsaufgaben verstehen sie als zu erwerbende Fähigkeiten und Berechtigungen, die basierend auf altersspezifisch festgelegten Übergängen durch die Gesellschaft zugewiesen werden (Süss et al. 2018, S. 34). Individuen lösen Entwicklungsaufgaben und erwerben Fähigkeiten in Auseinandersetzung mit ihrer sozialen Umwelt, in der heute auch Medien eine bedeutende Rolle zukommt. Daher bedarf es ebenso der Berücksichtigung kommunikationswissenschaftlicher Theorien, um die Bedeutung von Medien in Sozialisationsprozessen zu ergründen.
2.1.2.3 Medieneffekte Vor dem Hintergrund des hohen Zeitumfangs, den Kinder, Jugendliche und Erwachsene für die Nutzung von Medien aufwenden sowie einer steigenden Medialisierung und Mediatisierung der sozialen Umwelt, setzt man sich in der Psychologie auch mit potentiellen positiven und negativen Effekten der Mediennutzung und damit verbundenen moderierenden Einflussfaktoren auseinander (Dubow et al. 2008, S. 405). Die Rolle von Medien im Hinblick auf die Identitätsentwicklung oder die Interaktion mit der sozialen Umwelt spielt aus dieser Perspektive allerdings eine untergeordnete Rolle (Prot et al. 2015, S. 278). Dubow et al. (2008, S. 411–419) verweisen als Vertreter dieser Forschungsrichtung auf den Unterschied zwischen kurzzeitigen und langzeitigen psychologischen Effekten der Mediennutzung und bezeichnen letzteres als Mediensozialisation. Sie betonen die unterschiedlichen Faktoren, welche die Auswirkung von Medien auf die Wahrnehmung und Kognition, das Verhalten, sowie auf Emotionen beeinflussen. Dabei nennen sie an erster Stelle persönliche Merkmale der Rezipientinnen und Rezipienten (user’s characteristics), die sowohl soziodemografische Daten wie Alter, Geschlecht und sozialökonomischer Status (SES), als auch personelle Variablen wie bereits existierende Einstellungen oder Verhaltensschemata umfassen. Unter Verweis auf den Uses and Gratifications Approach (siehe Abschn. 2.1.3.1) betonen sie ebenso die Motivation (user’s motivation) im Hinblick auf erwartete Gratifikationen der Mediennutzung (z. B. Unterhaltung, Information, Eskapismus oder Langeweile) als einen wesentlichen Einflussfaktor. Hier zeigt sich die enge Verbindung zwischen der psychologischen Medienforschung und der sozialpsychologischen Rezeptions- und Wirkungsforschung, deren Fokus auf Phänomene wie Involvement, Unterhaltung, das Management von Emotionen, narratives Erleben und die Wahrnehmung sowie den Aufbau von Beziehungen zu Medienfiguren ausgerichtet ist. Dubow et al. (2008, S. 411–419) nennen im Hinblick auf die sozialpsychologische Erforschung
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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von Medieneffekten zudem kulturelle Faktoren wie etwa Werte und Normen sowie den Kontext der Mediennutzung (z. B. gemeinsame Mediennutzung in der Familie) als relevante Einflussgrößen. Nicht zuletzt wird in dieser Hinsicht auch dem Medieninhalt (z. B. Figuren, Handlung etc.) eine gewisse Bedeutung beigemessen. Es wird davon ausgegangen, dass sich all diese Faktoren in unterschiedlicher Intensität auf psychologische Prozesse, die potentiellen Medienwirkungen im Sinne von Medieneffekten zugrunde liegen, auswirken. Diese Forschungsrichtung hat nicht nur eine lange Tradition, sondern ist auch von hoher Aktualität und spielt eine wichtige Rolle innerhalb der Kommunikationswissenschaft. Die Frage nach der Sozialisationsrelevanz von Medien geht jedoch weit über die Erforschung mehr oder weniger verallgemeinerbarer Medieneffekte und den Blickwinkel der Medienwirkungsforschung hinaus, weshalb auf die damit verbundenen und dieser Forschungsperspektive zugrunde liegenden Ansätze hier nicht näher eingegangen wird, sondern der Fokus auf Prozesse der Selbst- und Fremdsozialisation mit und über Medien gelenkt wird.
2.1.3 Kommunikationswissenschaftliche Grundlagen Die Mediensozialisationsforschung als interdisziplinär offenes Feld findet seine disziplinäre Anbindung besonders in der Kommunikations- und Medienwissenschaft, allen voran im Bereich der Medienrezeptions- und Nutzungsforschung und geht zugleich darüber hinaus, indem sie die Perspektive auf unterschiedliche soziale und kulturelle Kontexte der Medienaneignung und des Mediengebrauchs erweitert. Die klassische Medienrezeptionsforschung steht in enger Verbindung zur Medienwirkungsforschung und betrachtet die Auswahl und Verarbeitung von Medieninhalten vor allem aus sozialpsychologischer Perspektive. Soziale und (inter-)kulturelle Dimensionen des Mediengebrauchs sind allerdings ebenfalls ein Teilbereich der Medienrezeptionsforschung. Ihnen kommt eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Sozialisationsrelevanz von Medien zu, weshalb sie in der nachfolgenden Darstellung kommunikationswissenschaftlicher Grundlagen in den Mittelpunkt gerückt werden.
2.1.3.1 Gründe für die Nutzung von Medien Der Uses and Gratifications Approach hat eine lange Tradition innerhalb der psychologisch ausgerichteten Mediengebrauchsforschung. McQuail (2010, S. 432) spricht daher auch weniger von einem Forschungsansatz, sondern eher von einer Forschungsrichtung (research school), welche darauf fokussiert ist zu
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untersuchen, warum und zu welchem Zweck Menschen Medien nutzen. Im Hinblick auf die Mediensozialisation von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ist der Uses and Gratifications Approach vor allem durch seine beständige Weiterentwicklung und Adaption an neue Medienentwicklungen und Nutzungsformen von Bedeutung. Trotz mancher berechtigter Kritik hat er daher in der Medienpsychologie und in der Medienrezeptionsforschung bis heute wenig an Aktualität eingebüßt. A principal strength of the Uses and Gratifications approach is its inherent ability to interface interpersonal and mediated communication. […] With its developed repertoire of interpersonal and mediated motives, as well as social and psychological antecedents and possible communication outcomes, U&G is an ideal framework for the study of newer and convergent medium use (Papacharissi 2013, S. 109).
Die Stärke dieses Ansatzes liegt in seiner Anpassungsfähigkeit an aktuelle Medienentwicklungen und seiner Erklärungskraft für erwarteten Nutzen und erwartete Folgen individuellen Medienhandelns. Er ermöglicht die Auseinandersetzung mit Motiven, individuellen Dispositionen und Handlungsroutinen genauso wie mit möglichen Folgen im Hinblick auf Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhalten (Papacharissi 2013, S. 112). Der Ansatz wurde maßgeblich geprägt durch einen Aufsatz über Uses and Gratifications Research von Katz et al. (1973) in der amerikanischen Zeitschrift Public Opinion Quaterly. Die Autoren gelten heute als Begründer dieses Ansatzes, wenngleich Papacharissi (2013, S. 100) dessen Ursprünge bis zur Lasswell’schen Formel (1948) „Who says what in which channel to whom with what effect?“ zurückführt und die frühe Rezeptionsforschung (u. a. von Paul Lazarsfeld und Herta Herzog) als Beginn des Uses and Gratifications Research betrachtet. Katz, Blumler und Gurevitch wenden sich gegen behavioristische, monokausale Schlüsse von Medieninhalten zu deren Auswirkungen auf Rezipientinnen und Rezipienten und betonen im Sinne eines symmetrischen Modells der Massenkommunikation das aktiv handelnde Subjekt, das Medien hochselektiv zur Befriedigung individueller Bedürfnisse einsetzt und auswählt (Treumann et al. 2002, S. 23). [T]he approach simply represents an attempt to explain something of the way in which individuals use communications, among other resources in their environment, to satisfy their needs and to achieve their goals and to do so by simply asking them (Katz et al. 1973, S. 510).
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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Die Grundannahme des Uses and Gratifications Approach ist, dass Individuen bewusst Medien und Medieninhalte auswählen, um bestimmte Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Bedürfnisse äußern sich in den Motiven für die Auswahl und Nutzungsweise eines bestimmten Mediums bzw. eines bestimmten Medieninhalts, welche wiederum in engem Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld und der psychologischen Veranlagung eines betreffenden Individuums stehen (Rubin 2002, S. 527; Sundar und Limperos 2013, S. 504–505). Auf Grundlage der verspürten Bedürfnisse sowie der individuellen sozialen und psychologischen Voraussetzungen, wählen Individuen bewusst Medien aus, denen sie spezifische Eigenschaften zuschreiben und durch die sie bestimmte Gratifikationen erhalten bzw. Bedürfnisbefriedigungen erfahren. Auf diese Weise ermöglicht dieser Ansatz die Erforschung unterschiedlicher Mediengebrauchsweisen sowie des Medienhandelns von Individuen (Papacharissi 2013, S. 99). Treumann und andere (2002, S. 24–25) kritisieren am Uses and Gratifications Approach, dass dieser insofern funktionalistisch sei, als ihm die Annahme zugrunde liegt, dass die Auswahl des individuellen Medienmenüs lediglich auf dessen funktionalem Nutzen für das Subjekt (Wohlbefinden, Umweltanpassung, strukturelle Lebensumstände) basiert, dieses Medienhandeln jedoch nicht völlig frei und eigenverantwortlich passiert. Auch McQuail (2010, S. 425–426) unterstreicht diese Kritik und betont, dass dieser Ansatz den Zusammenhang zwischen einer Einstellung gegenüber Medien und der tatsächlichen Nutzungsweise nur unzureichend zu erklären vermag. Weitere Kritikpunkte sind die Frage nach dem Handlungsbegriff, der diesem Ansatz zugrunde liegt, inwiefern dieser die Beziehung zwischen Medienangebot und Mediennutzungsmotiven berücksichtigt, sowie eine fehlende Erklärung der soziologischen und psychologischen Ursprünge medienbezogener Bedürfnisse (Pfaff-Rüdiger 2011, S. 55–57; Ruggerio 2000, S. 5–6). Dennoch bzw. gerade deshalb hat sich der Uses and Gratifications Approach kontinuierlich weiterentwickelt (Ruggerio 2000). Als Reaktion auf die Kritik einer zu individualistischen Perspektive, welche wenig Erklärungsspielraum für Zusammenhänge zwischen individuellem Medienhandeln und kulturellen und gesellschaftlichen Strukturen sowie Machtverhältnissen lässt, einer ungenauen Definition zentraler Begrifflichkeiten, und vor allem einer mangelnden Unterscheidung zwischen erwarteten und tatsächlich erhaltenen Gratifikationen, entwickeln Palmgreen et al. (1980, 1981) den Gratifications Sought and Obtained Approach, in dem sie den ursprünglichen Ansatz mit der Erwartungswerttheorie verknüpfen. Sie bringen die erwarteten Gratifikationen in einen Zusammenhang mit den tatsächlich erhaltenen Bedürfnisbefriedigungen und versuchen damit die Zufriedenheit mit einem spezifischem Medienangebot zu erklären (McQuail
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
2010, S. 426–427). Weitere Überarbeitungen folgen und bringen den Mediengebrauch und das Medienhandeln in einen breiteren Zusammenhang mit Alltagsroutinen und der Lebenswelt von Individuen. Dies bildet die Grundlage des von Rubin und Windahl (1986) entwickelten Uses and Dependency Model, das davon ausgeht, das Individuen, denen ein breites Repertoire an Kommunikationskanälen zur Verfügung steht und welche diese auch nutzen, sich weniger stark auf ein spezifisches Medium konzentrieren, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, sondern verschiedene Alternativen persönlicher und medienvermittelter Kommunikation zur Erreichung unterschiedlicher Gratifikationen abwägen. Die Stärke dieses Modells ist es, dass es noch einmal mehr die Aktivität des Individuums betont und darauf verweist, dass unterschiedliche Kommunikationskanäle nicht nur parallel existieren, sondern gleichzeitig und einander ergänzend genutzt werden (Papacharissi 2013, S. 99–102; Ruggerio 2000, S. 9). Den aktuellen Uses and Gratification Approach, der nach wie vor häufig zur Untersuchung unterschiedlicher Kommunikationsphänomene herangezogen wird, leiten daher die Grundannahmen, dass Medienhandeln und Mediengebrauch zielgerichtet und von individuellen sozialen und psychologischen Faktoren beeinflusst sind, dass Medien und Medieninhalte zur Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen herangezogen werden (wobei zwischen erwarteten und tatsächlich erhaltenen Gratifikationen zu unterscheiden ist), und dass verschiedene medienvermittelte und persönliche Kommunikationskanäle gleichzeitig und in einander ergänzender Weise genutzt werden. Die Stärke dieses Ansatzes liegt in seiner Adaptionsfähigkeit und Anwendbarkeit auf eine Vielzahl unterschiedlicher Kontexte des Mediengebrauchs und des Medienhandelns von Individuen (Papacharissi 2013, S. 101–102; siehe auch Sundar und Limperos 2013; Papacharissi und Mendelson 2011; Papacharissi und Rubin 2000). Er eignet sich vor allem für eine vergleichende Mediengebrauchsforschung (McQuail 2010, S. 426). Darüber ergibt sich auch eine breite Anschlussfähigkeit an andere psychologische und sozialwissenschaftliche Theorien wie etwa Überlegungen zu Medienhandeln und sozialer Distinktion (siehe ausführlicher Kap. 3). In einer Kritik der Defizite des Uses and Gratification Approach vor dem Hintergrund möglicher Perspektiven für die Weiterentwicklung dieses Ansatzes, verweist Pfaff-Rüdiger (2011, S. 57–64) darauf, dass der Fokus vor allem auf der instrumentellen und weniger auf der ritualisierten bzw. habitualisierten Mediennutzung liegt, obwohl beide Nutzungsformen Teil des alltäglichen Medienhandelns von Individuen sind. Darüber hinaus fordert sie eine stärkere Berücksichtigung der Medieninhalte sowie der Art und Weise wie Medien genutzt und in den Alltag integriert werden. Wenn die mangelnde theoretische Ausdifferenzierung des Uses and Gratification Approach jedoch nicht als
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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Defizit, sondern als potentielle Offenheit für die Anknüpfung an andere sozialwissenschaftliche Theorien verstanden wird, lässt sich dieser Ansatz auf unterschiedliche theoretische Perspektiven hin erweitern und modifizieren (Ruggerio 2000). Ein Beispiel dafür wäre das Bestreben von LaRose et al. (2001; La Rose und Eastin 2004) die Social Cognition Theory mit dem Uses and Gratifications Approach zu verbinden, um im Hinblick auf die Nutzung des Internets präziser zwischen gesuchten und erhaltenen Gratifikationen unterscheiden zu können. Einen anderen Ansatz legt Meyen (2006, S. 15–37, 2007; Meyen und Pfaff-Rüdiger 2009) vor, indem er die Habitustheorie Bourdieus (1979) heranzieht, um den Uses and Gratification Approach sowohl handlungstheoretisch als auch gesellschaftstheoretisch aufzuwerten. Der primäre Fokus des Uses and Gratification Approach bleibt allerdings auf der funktionellen Perspektive des Medienhandelns, strukturelle Ansätze der Rezeptions- und Nutzungsforschung hingegen richten ihren Blick stärker auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Mediengebrauchs. Als Beispiel dafür gilt die strukturanalytische Rezeptionsforschung, welche Michael Charlton und Klaus Neumann-Braun in die qualitative Mediengebrauchsforschung einführten und die vor allem in die deutschsprachige medienpädagogische Forschung Eingang gefunden hat. Im Mittelpunkt des Interesses steht hier die Rolle von Medien im Familienalltag sowie deren Bedeutung für die Identitätsbildung. Dieser Ansatz schließt an den Uses and Gratifications Approach an, unterscheidet sich davon aber durch eine stärkere subjekt- und handlungstheoretische Orientierung. Die strukturanalytische Rezeptionsforschung geht insofern über den Uses and Gratification Approach hinaus, als dass Subjekt und Gesellschaft gleichermaßen berücksichtigt werden. Methodisch ist dieser Ansatz dezidiert qualitativ ausgerichtet und orientiert sich an der hermeneutischen Strukturanalyse (Aufenanger 1994, S. 403–412). Weibull (1985, zit. nach McQuail 2010, S. 421–422) führte ebenfalls einen strukturellen Ansatz zur Erklärung des Mediengebrauchs ein. Er unterscheidet die soziale Struktur, zu der er soziodemografische Daten wie Bildung, Einkommen, Wohnort, Geschlecht und Alter zählt, welche das soziale Verhalten eines Individuums sowie dessen generelle Perspektiven beeinflussen, von der Medienstruktur, mit der er das Mediensystem und die darüber angebotenen Kommunikationskanäle (z. B. Anzahl der Fernsehsender) sowie die, zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehenden, Medieninhalte bezeichnet. Die Stärke von Weibulls Modell ist, dass es die Beziehungen zwischen internalisierten Gewohnheiten des Medienhandelns und der tatsächlichen Mediennutzung an einem spezifischen Tag bzw. in einer konkreten Situation veranschaulicht. Ausschlaggebend für die Medienrezeption bzw. die Mediennutzung sind nach
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Weibull (McQuail 2010, S. 422) zum einen die individuellen Bedürfnisse wie beispielsweise die Suche nach Informationen, der Wunsch nach Unterhaltung und Entspannung oder das Herstellen sozialer Kontakte über Medien. Zum anderen beeinflussen das Mediensystem sowie die vorhandenen Medienangebote und potentiellen Nutzungsmöglichkeiten (z. B. Internetzugang, Fernsehkanäle, Besitz mobiler Endgeräte etc.) den Mediengebrauch. Die individuellen Bedürfnisse und das vorhandene Medienrepertoire führen zur Ausbildung individueller Gewohnheiten im Umgang mit Medien, die in weiterer Folge wiederum die Orientierung an bestimmten Medienangeboten bzw. individuelle Nutzungsmuster beeinflussen. Die tatsächliche Mediennutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt wird demnach von habituierten Mediengewohnheiten und individuellen Nutzungsmustern geprägt, gleichzeitig ist sie aber abhängig von den tatsächlichen Bedürfnissen eines Individuums in einer konkreten Situation sowie dem sozialen Kontext, in welchem sich das Individuum zu diesem bestimmten Zeitpunkt befindet. Darüber hinaus ist die Entscheidung für einen spezifischen Mediengebrauch auch abhängig von dem, in einer bestimmten sozialen Situation vorhandenen, Medienangebot (z. B. aktuelles Fernsehprogramm). Die tatsächlichen Gründe für individuelle Mediengebrauchsweisen sind sowohl empirisch als auch theoretisch schwer zu fassen. In Anlehnung an Webster und Wakshlag (1983, zit. nach McQuail 428), welche einen Ansatz zu Erklärung der Auswahl von Fernsehangeboten entwickelten, entwirft McQuail (2010, S. 427–430) ebenfalls ein strukturanalytisches Modell zur Erklärung der Auswahl von Medienangeboten. Er unterscheidet individuelle Einflüsse von Einflüssen des Mediensystems. Auf individueller Ebene stehen an erster Stelle die persönlichen Eigenschaften des Individuums. Dazu zählen soziodemografische Faktoren wie Alter, Geschlecht und Familienstand, aber auch Bildung, Arbeitssituation, Einkommen und Lebensstil. Eng verbunden damit ist der soziale Hintergrund bzw. das soziale Milieu, das sich durch einen bestimmten Habitus und ein spezifisches kulturelles Kapital auszeichnet (siehe dazu ausführlicher Abschn. 3.1). Daraus ergeben sich bestimmte Gewohnheiten der Mediennutzung, die Biermann (2009a, b) und Kommer (2010a, b) auch als medialen Habitus bezeichnen. Das Bewusstsein über potentielle Medienangebote beeinflusst ebenfalls die tatsächliche Auswahl des Medienangebots. McQuail (2010, S. 429) geht davon aus, dass sich eine Person umso bewusster und aktiver für ein spezifisches Medienangebot entscheidet, desto informierter sie oder er über das potentielle Medienangebot ist. Genauso misst er dem Kontext der Mediennutzung, das heißt, ob die Mediennutzung alleine oder in Gesellschaft bzw. im Austausch mit anderen erfolgt, und an welchem sozialen Ort (z. B. am Arbeitsplatz oder zuhause) ein Medienangebot genutzt wird, eine große Bedeutung bei.
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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Neben dem sozialen Umfeld bestimmen aber auch individuelle medienbezogene Bedürfnisse, wie sie im Rahmen des Uses and Gratifications Approach herausgearbeitet wurden, das Medienhandeln eines Individuums. Eng damit verbunden sind persönliche Vorlieben wie etwa bestimmte Genres, Formate oder Internetplattformen, die in Kombination mit medienbezogenen Bedürfnissen in einer Hinwendung zu bestimmten Medienangeboten resultieren, aus denen situationsspezifisch ein Medieninhalt oder ein Angebot ausgewählt wird, das abhängig von den zuvor genannten sozialen Einflussfaktoren zu einer ganz bestimmten Mediennutzung führt. Die Hinwendung zu Medienangeboten wird allerdings auch vom Mediensystem selbst und dem vorhandenen Medienangebot in einer bestimmten Gesellschaft bestimmt. Neben dem vorhandenen Medienangebot kann ebenso die Vermarktung bestimmter Medienprodukte, die Entscheidung für einen bestimmten Medieninhalt oder ein bestimmtes Medienangebot beeinflussen. Ein weiterer medienspezifischer Einflussfaktor auf die tatsächliche Medienauswahl und das tatsächliche Medienhandeln eines Individuums ist nach McQuail (2010, S. 429) der Zeitpunkt, zu dem bestimmte Medieninhalte zugänglich sind (z. B. durch die Programmstruktur von Fernsehsendern). Durch die zunehmende zeitunabhängige Verfügbarkeit von Medieninhalten über das Internet (z. B. über Mediatheken), verliert die zeitliche Positionierung allerdings an Bedeutung. Sowohl das Modell von Weilbull als auch jenes von McQuail bedürfen im Hinblick auf aktuelle Medienentwicklungen einer differenzierten Betrachtung. Vor allem die Verbreitung des Internets sowie mobiler Endgeräte und des damit verbundenen zeit- und ortsunabhängigen Zugangs zu vielen Medieninhalten wirkt sich relativierend auf den Einfluss des Medienangebots zu einem bestimmten Zeitpunkt aus bzw. steht den RezipientInnen und NutzerInnen ein immer größeres Angebot zur Verfügung, aus dem sie jederzeit gemäß ihrer Bedürfnislage wählen können. Strukturanalytische Modelle können die tatsächliche Mediennutzung eines Individuums nicht vorhersagen. Zu sehr sind die unterschiedlichen Faktoren miteinander verwoben, als dass man alle Einflussgrößen angemessen erfassen könnte. Chance often plays a part in media exposure, and its intervention reduces the ability to really explain choice or audience composition (McQuail 2010, S. 429; Hervorhebung im Original).
Nichtsdestotrotz kommt diesen Modellen durch ihre Handlungsorientierung eine große Bedeutung zu; daher eignen sie sich zur Veranschaulichung komplexer Prozesse des Medienhandelns und sind ebenso wichtig für das Begreifen von Prozessen der Mediensozialisation.
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
2.1.3.2 Kulturelle Dimensionen der Aneignung und des Gebrauchs von Medien Der sogenannte cultural turn innerhalb der Sozialwissenschaften (siehe auch Morley und Chen 1996) beeinflusst auch kommunikationswissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der Rezeption, der Nutzung und der Aneignung von Medien. Er steht für die in den 1970er Jahren einsetzende Abwendung eines reduktiven Objektivitätsbegriffs zugunsten einer stärkeren Hinwendung zur Analyse der Konstruktion von Sinn und Bedeutung sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene (Bennett 2008, S. 94–102). Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen die Komplexität sozialer Vorgänge sowie deren multidimensionale Betrachtung. Im Hinblick auf den Umgang mit Medien meint dies eine holistische Betrachtung des in soziale Kontexte eingebetteten Mediengebrauchs. Die Cultural Studies dürfen jedoch nicht einzig als ein Ansatz innerhalb der Medien- und Kommunikationswissenschaft begriffen werden, sondern verorten sich interdisziplinär mit Bezügen zur Sprach- und Literaturwissenschaft bis hin zur Anthropologie und Soziologie. Sie lassen sich schwer auf ein methodisches oder theoretisches Paradigma festlegen, sondern sind eher als inter- bzw. transdisziplinäres Projekt zu begreifen (Johnson et al. 2004, S. 9–25; Hepp 2010, S. 16–17). So bezeichnet beispielsweise auch Ang (2008, S. 240) die Cultural Studies als „postmodern (inter)discipline“. Zentral sind die Ablehnung des klassischen Begriffs der Hochkultur und ein Verständnis von Kultur als Alltagskultur, die in diskursiven Prozessen ausgehandelt wird. Diese Aushandlung von Bedeutungen verläuft jedoch nicht konfliktfrei, weshalb sich die Cultural Studies ebenso anhand zentraler Kategorien wie Gender, Ethnie oder sozialer Status mit unterschiedlichen Machtverhältnissen (Hepp 2010, S. 16, 21) zwischen verschiedenen sozialen Gruppen auseinandersetzen und durchweg eine politische Implikation verfolgen (Bilandzic et al. 2015, S. 222; Hepp 2010, S. 19; Ang 2008; Bennett 2008). Als Prämisse zeichnet die Cultural Studies eine ganzheitliche Betrachtung kultureller Prozesse sowie der Aneignung kultureller Produkte aus. Dem Begriff der Kulturpraktik, als konventionell vermittelte, in soziokulturelle und diskursive Kontexte eingebettete, komplexe Handlungsform, kommt diesbezüglich eine besondere Bedeutung zu. Kulturelle Produkte wie etwa Medieninhalte werden demgemäß durch spezifische kulturelle Praktiken hervorgebraucht; daher müssen für ihre Analyse die Produktionsbedingungen genauso wie die Kontexte des Gebrauchs und der Nutzung berücksichtigt werden (Hepp 2010, S. 47). Das Konzept der (Medien-)Aneignung, als komplexer soziokultureller Prozess der Einordnung von Medieninhalten in die Alltagswelt von Individuen (McQuail 2010, S. 405), spielt dabei eine zentrale Rolle. Es steht für den
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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Ansatz der Cultural Studies, dass die Mediennutzung nicht (wie der klassischen Rezeptionsforschung vorgeworfen wird) einen Prozess der Übernahme von oder der Assimilation an bestimmte Medieninhalte darstellt, sondern dass die aktive Rolle der Rezipientinnen und Rezipienten in der Aushandlung von Bedeutung, im Sinne eines „Sich-Zu-Eigen-Machens“ (Hepp 2010, S. 69, 165–197) im Mittelpunkt steht. Dieser Blickwinkel auf die Aneignung von Medieninhalten wird durch das Encoding-Decoding-Modell von Stuart Hall unterstützt (McQuail 2010, S. 73–74). Es veranschaulicht den Prozess der Produktion eines Medieninhalts durch die Kodierung bestimmter Bedeutungsstrukturen und deren Dekodierung seitens der Rezipientinnen und Rezipienten. Hall (1973/2007) leitet basierend auf dem Konzept der Aneignung kultureller Produkte drei Lesarten von Medieninhalten ab: Die dominante Position oder favorisierte Lesart übernimmt die ursprüngliche, von den Produzentinnen und Produzenten intendierte, Bedeutung eines Medieninhalts, während die oppositionelle Position bzw. Lesart dessen Bedeutung in einer bewusst widerständigen Art interpretiert. Die ausgehandelte Lesart oder Position erkennt zwar die ursprüngliche Bedeutung an, hinterfragt diese aber und gelangt zu einem Kompromiss zwischen Übernahme und Opposition zur ursprünglichen Bedeutung (Bildandzic et al. 2015, S. 227–229; Hepp 2010, S. 118–122). Unterschiedliche Lesarten gelten als soziokulturell vermittelt, allerdings wird zugleich betont, dass soziale Faktoren wie etwa das Milieu nicht zwangsläufig einen direkten Einfluss auf verschiedene Lesarten haben, sondern soziale Positionen erst in Kombination mit anderen Faktoren und diskursiven Positionen eine bestimmte Lesart hervorrufen können (Hepp 2010, S. 171). Die Perspektive der Cultural Studies unterscheidet sich von anderen kommunikationswissenschaftlichen Positionen dadurch, dass sowohl das encoding als auch das decoding als produktives Moment verstanden wird. Daraus lässt sich folgern, dass ein spezifischer Medieninhalt erst dann bestimmte Effekte bzw. Wirkungen erzielen, oder bestimmte Bedürfnisse befriedigen kann, wenn seine Botschaft durch die Rezipientinnen und Rezipienten in einer (für sie) sinnstiftenden Art und Weise angeeignet wurde. Medienspezifische Effekte, Nutzen und Gratifikationen werden aus Perspektive der Cultural Studies somit als durch spezifische Sinnstrukturen vermittelt betrachtet. Das heißt, dass zur Bestimmung des Bedeutungspotentials von Medientexten auch deren soziokultureller Rahmen mitreflektiert werden muss. Dieser Ansatz ist vor allem dann von Bedeutung, wenn interkulturelle und soziokulturelle Differenzen zwischen Produzierenden und Rezipierenden kultureller Produkte und damit verbundene unterschiedliche kulturelle Wissensvorräte sowie Machtverhältnisse in den Blick genommen werden (Hepp 2010, S. 117, 136).
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Das Modell des Circuit of Culture (du Gay et al. 1997; Johnson 1986, 1996) hat sich ebenfalls zu einem zentralen Ansatz der Medienkulturanalyse entwickelt. Im Zentrum steht die Auffassung von Kultur als Kreislauf der Produktion kultureller Produkte als bedeutungstragende Texte sowie deren Lesarten, Einbettung und Bedeutung in gelebte Kulturen. Dabei erscheint Kultur in der Produktion in einer anderen Form, denn als Produkt bzw. kultureller Text und dessen Lesarten bzw. Interpretationen im Alltag. Produktions- und Rezeptionsbedingungen unterscheiden sich demnach und müssen gemäß ihrer jeweiligen Spezifika gesondert untersucht und beschrieben werden. Sie lassen sich nicht voneinander ableiten, sind jedoch beide Teile eines größeren Ganzen: des Kreislaufs der Kultur (Hepp 2010, S. 75–80). Innerhalb der kommunikationswissenschaftlichen Rezeptionsforschung hat sich durch die kulturelle Wende in Ablehnung nicht nur des klassischen Stimulus-Response-Modells der Medienrezeption, sondern auch des Uses-and-Gratifications Approach (aufgrund seiner einseitigen Fokussierung auf individuelle Bedürfnisse der Mediennutzung) (Hepp 2010, S. 114–115, 167–168) eine neue bzw. ergänzende Forschungsperspektive aufgetan, die jedoch von machen als unüberwindbare Differenz betrachtet wird. So betonten beispielsweise Bilandzic et al. (2015, S. 226–227) als grundlegende Unterscheidung zwischen der sozialpsychologischen „Mainstream-Rezeptionsforschung“, die sie vertreten, und der „Cultural Media Studies“, dass die von ihnen definierte Rezeptionsforschung im Gegensatz zu den Cultural Studies auf Generalisierung und theoretische Strukturierung ausgerichtet sei und kritisieren am Kontextualismus der Cultural Studies, dass aus dieser Forschungsperspektive keine allgemeingültigen Aussagen über Medienrezeptions- und Wirkungsphänomene getroffen werden können. Trotz der empfundenen Inkompatibilität dieser beiden Ansätze erkennen sie jedoch die Produktion komplementärer Ergebnisse in der Erforschung des Phänomens der Medienrezeption an. Gerade aber ein multiperspektivischer und integrativer Blick auf das Phänomen der Medienaneignung und des Mediengebrauchs, welcher über die reine Rezeption und Nutzung hinausgeht, scheint für eine zukünftige Forschungsperspektive vielversprechend. Auch wenn innerhalb der Cultural Studies die Besonderheiten spezifischer Situationen des Mediengebrauchs betont werden und gegen eine dekontextualisierte Betrachtungsweise plädiert wird, ist ein gewisser Grad an Generalisierung und Strukturierung durchaus sinnvoll bzw. notwendig, um empirisch sowie theoretisch gehaltvolle Aussagen treffen zu können. Gleichzeitig darf diese Strukturierung nicht zu einem Reduktionismus führen, der soziale und kulturelle Kontexte der Medienaneignung und des Mediengebrauchs ausklammert, oder nur am Rande betrachtet. Zugunsten der empirischen
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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andhabbarkeit müssen manche Aspekte der sozialen Realität reduziert bzw. H vereinfacht werden. In der Interpretation und Einordnung empirischer Daten ist allerdings eine holistische Betrachtungsweise nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, um unikausale und monodirektionale Schlüsse zu vermeiden.
2.1.4 Identitätsarbeit, Beziehungsmanagement und Orientierung in der Welt mithilfe von Medien In Betrachtung der aktuellen medialen und gesellschaftlichen Veränderungen, die zumeist unter dem Begriff der Mediatisierung zusammengefasst werden, zeigt Krotz (2017, S. 33–34) damit verbundene sozialisationstheoretische Herausforderungen auf. Er betont, dass die Selbstreflexion als ein wesentlicher Bestandteil von Sozialisationsprozessen heute nicht mehr nur als innerer Dialog stattfindet, sondern insofern auch externalisiert wird, indem Menschen ihr persönliches Erleben als Geschichte über das Social Web (z. B. über Social Network Sites) präsentieren und auch darüber wieder Rückmeldungen aus ihrem sozialen Umfeld erhalten. Des Weiteren stellt er fest, dass ebenso die Wahrnehmung und das Erleben nicht naturgegeben sind, sondern in zunehmendem Maße durch die Aneignung von und den Umgang mit Medien geprägt werden. Dabei verweist er auf die Bedeutung der Zentralperspektive beim Sehen sowie musikalische Harmonien beim Hören. Dass der musikalische Harmoniebegriff ein Ergebnis von Sozialisationsprozessen ist, zeigt sich beispielsweise besonders deutlich in den Unterschieden zwischen traditioneller europäischer und ostasiatischer Musik. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass wie „man“ sieht und hört, heute auch durch Medien beeinflusst wird (z. B. Bedeutung der Klangqualität von Musikaufnahmen, die bei CD-Aufnahmen wesentlich höher als bei mp3-Dateien ist). Ebenso sind individuelle Vorstellungen über die Welt unter anderem auch medienvermittelt. Diesbezüglich werden in zukünftigen sozialisationstheoretischen Auseinandersetzungen besonders die Entwicklungen des Internet der Dinge von Bedeutung sein. Auf der Suche nach Möglichkeiten einer theoretischen Einordnung des komplexen Phänomens der Mediensozialisation lassen sich in der soziologischen, psychologischen, kulturwissenschaftlichen sowie medien- und kommunikationswissenschaftlichen Forschung verschiedene Ansätze identifizieren, die sich im Hinblick auf das Medienhandeln und den Medienumgang von Individuen als nützlich erwiesen haben. Jeweils für sich sind sie auf unterschiedliche Bereiche des menschlichen Lebens und Handelns ausgerichtet, in Summe können sie jedoch zu einem besseren Verständnis von Mediensozialisation beitragen. Bei den
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
vorgestellten Ansätzen handelt es sich um eine Auswahl möglicher Anknüpfungspunkte aus dem jeweils sehr breiten Theoriespektrum jeder einzelnen Disziplin. Diese Auswahl könnte um weitere Theoriestränge ergänzt werden, welche die hier gewählte Argumentationslinie zusätzlich stützen, oder ihren Fokus auch erweitern würden. Das Ziel der vorgenommenen Auswahl liegt darin, erste Ansatzpunkte für die weitere Diskussion der Sozialisationsrelevanz von Medien, für Medienhandeln im Hinblick auf Habitus und soziale Distinktion und letztendlich für die Frage nach einer sozialen Determinierung von Medienkompetenz bzw. media literacy zu finden. Im Hinblick auf den Umgang mit Medien hat sich generell ein interaktionistisches Sozialisationsverständnis durchgesetzt. Aus dem Bereich der Soziologie erweisen sich die Konzepte der Lebenswelt im Sinne Husserls und Schütz als gewinnbringend, weil sie den Fokus auf das alltägliche, lebensweltliche Handeln und den damit verbundenen subjektiven Sinn menschlichen Handelns richten. Die alltägliche Lebensführung wird als aktive Leistung des Individuums begriffen und die subjektive Sinngebung wird als abhängig von individuellen, gesellschaftlichen und kulturellen Relevanzsystemen betrachtet. Es wird davon ausgegangen, dass sich das kulturelle Handeln eines Individuums an jenen Herausforderungen und Themen, die im Kontext der alltäglichen Lebensführung und damit verbundenen Orientierungen und Anschauungsweisen für dieses Individuum lebenspraktisch Sinn ergeben, orientiert. Dieser subjektive praktische Sinn spielt auch für die Aneignung von und den Umgang mit Medien sowie die Bedeutungszuschreibung und Einordnung von Medieninhalten eine zentrale Rolle. Weiß (2000, S. 48–57) hat diesen Ansatz beispielsweise zur Untersuchung des Aufbaus von para-sozialen Beziehungen zu Medienfiguren herangezogen. Am Beispiel der Rezeption von Daily Soaps erklärt er den Aufbau para-sozialer Beziehungen zu Serienhelden und Serienheldinnen durch eine Übereinstimmung der Serieninhalte mit den subjektiven (unerfüllten) Vorstellungen und Wünschen Heranwachsender im Hinblick auf eine „perfekte Lebensführung“. In seinen Studien stellt er fest, dass die Medienrezeption diesen unerfüllten Wünschen und utopischen Lebensentwürfen vor dem Hintergrund ihrer alltäglichen Lebenspraxis subjektiven Sinn und symbolische Gestalt gibt (Weiß 2000, S. 59). Heranwachsende, die auf diese Weise para-soziale Beziehungen zu Medienfiguren aufbauen, versichern sich ihres Lebensentwurfs durch emotionales Erleben einer medialen Versinnbildlichung (Weiß 2000, S. 60). Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Sozialisationsrelevanz von Medien bieten Ansätze im Umfeld der sogenannten Neuen Soziologie der Kindheit, da diese vor allem die Selbstwirksamkeit
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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(agency) Heranwachsender in den Mittelpunkt stellen. Kinder und Jugendliche werden als sozial gleichberechtigte Akteurinnen und Akteure betrachtet und ihnen wird die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln zugesprochen. Das Interesse gilt der Frage, wie Heranwachsende soziale Situationen gestalten und dazu gehört auch eine kompetente und selbstbestimmte Mediennutzung. Darüber hinaus richtet die Neue Soziologie der Kindheit ihren Blick auf die Kinderrechte und die Art und Weise, wie Heranwachsende in der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt werden können. Diese Frage erlangt besondere Bedeutung in aktuellen Auseinandersetzungen in Bezug auf die Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen sowie den Aufbau von media literacy; dies wird in Abschn. 5.2.2.1 näher ausgeführt. Sozialökologische Ansätze leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Einordnung des Medienhandelns. Besondere Bedeutung erlangte diesbezüglich das Modell von Urie Bronfenbrenner, das auch in den Studien von EU Kids Online (2014a, b), Livingstone et al. (2015) zur Einordnung und Erklärung des Umgangs mit Chancen und Risiken der Internetnutzung herangezogen wurde, sowie dessen Adaption von Dieter Baacke, dessen medienökologisches Modell vor allem den deutschsprachigen Diskurs über Mediensozialisation geprägt hat. Der Beitrag der sozialökologischen Perspektive ist der Hinweis darauf, dass das medienbezogene Erleben und Verhalten Heranwachsender nur dann angemessen erforscht und interpretiert werden kann, wenn das soziale Umfeld sowie die damit verbundenen sozialökologischen Bezüge angemessen berücksichtigt werden. Anders als die Soziologie richtet die Psychologie ihre Aufmerksamkeit auf die individuelle Persönlichkeitsentwicklung; dem liegt – in besonderem Gegensatz zur Neuen Soziologie der Kindheit – die Annahme zugrunde, dass sich Kinder vor dem Hintergrund der Erfüllung von Wünschen und Bedürfnissen allmählich entwickeln. In der Entwicklungspsychologie wird Piagets Modell der stufenförmigen Entwicklung der Wahrnehmung, des Denkens und der Begriffsbildung sowie der Entwicklung der Moral eine besondere Bedeutung beigemessen. Kohlbergs und Selmans Modelle der Moralentwicklung werden ebenfalls herangezogen, um Zusammenhänge zwischen dem sozialen und kulturellen Umfeld und der individuellen Selbstauseinandersetzung zu verdeutlichen. Auch Eriksons Modell der Entwicklung der Ich-Identität wird zum Teil verwendet, um das medienbezogene Handeln Heranwachsender einzuordnen. Diese Theorien können in unterschiedlicher Weise dazu beitragen, die Medienaneignung von Jungen und Mädchen sowie deren Auseinandersetzung mit Medieninhalten zu begreifen. So ermöglicht Piagets Theorie zur kognitiven Entwicklung die aktive Verstehensleistung von Kindern im Hinblick auf mediale Inhalte und Präsentationsweisen einzuschätzen. Genauso eignen sich Selmans
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Überlegungen zur Fähigkeit der Perspektivenübernahme, um Wahrnehmungsund Verarbeitungsprozesse von Heranwachsenden in medialen Kontexten zu verstehen. Affektive Dimensionen der Rezeption werden in diesen beiden Ansätzen eher ausgeklammert, sie werden jedoch in Eriksons Modell der Entwicklung der Ich-Identität berücksichtigt (Paus-Haase 1998, S. 87–89). Die Bedeutung von Medien kann aber ebenso im Kontext der von Havinghurst definierten Entwicklungsaufgaben oder der Erklärung von Sozialisation als einer Reihe zu bewältigender Ablösungskrisen betrachtet werden (Vollbrecht 2007, S. 102). Paus-Haase (1998) hat diesbezüglich einige Ansatzpunkte für das kindliche Verstehen von Fernsehangeboten herausgearbeitet, die auch für aktuellere Formen der Video- und Filmrezeption über mobile Endgeräte angenommen werden können. Im Hinblick auf den Umgang Jugendlicher mit Angeboten des Social Web haben auch Schmidt et al. (2011, S. 27) gezeigt, wie sich das Konzept der Entwicklungsaufgaben auf das Medienhandeln übertragen lässt. In Anlehnung an Roths (1971) Pädagogische Anthropologie stellen sie die Selbstauseinandersetzung mit der handlungsleitenden Frage „Wer bin ich?“ dem Identitätsmanagement im Umgang mit Medien gegenüber und verweisen dabei auf die Gestaltung von Profilseiten auf Social Network Sites (SNS) oder die Veröffentlichung von persönlichen Fotos und Videos. Die Sozialauseinandersetzung mit der handlungsleitenden Frage nach der individuellen Positionierung in der sozialen Umwelt bzw. dem sozialen Netzwerk (Familie, Freunde, Peers etc.) stellen sie dem Beziehungsmanagement über Social Media gegenüber und nennen als Beispiele dafür Kontaktanfragen sowie öffentlich sichtbare und private Kommentare und Postings auf SNS. Und schließlich stellen sie die Sachauseinandersetzung mit der handlungsleitenden Frage nach der allgemeinen Orientierung in der Welt dem Informationsmanagement über Social Media gegenüber und nennen als Beispiele dafür die Informationssuche über Suchmaschinen sowie Wikis, Blogs, Videoplattformen und dergleichen. Die Medien- und Kommunikationswissenschaft ist jene wissenschaftliche Disziplin, in der Medien und der Umgang damit im Mittelpunkt stehen. Die klassische Rezeptionsforschung setzt sich vor allem aus sozialpsychologischer Perspektive mit der Auswahl und Verarbeitung von Medieninhalten auseinander, aber auch soziale und (inter-)kulturelle Dimensionen des Medienumgangs werden diskutiert. Der Uses and Gratifications Approach hat diesbezüglich besondere Bedeutung erlangt, da er die Aktivität des Individuums betont und darauf verweist, dass unterschiedliche Kommunikationskanäle parallel und in einander ergänzender Weise genutzt werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Mediennutzung zielgerichtet und abhängig von individuellen, sozialen und psychologischen Faktoren
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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ist. Eine breitere Perspektive, die über das rein funktionelle Medienhandeln hinausgeht, bieten strukturanalytische Ansätze, welche auf die Bezüge zwischen internalisierten Gewohnheiten des allgemeinen Medienhandelns und der tatsächlichen Mediennutzung zu einem spezifischen Zeitpunkt verweisen. Dabei werden sowohl individuelle Faktoren, als auch der Einfluss des Mediensystems sowie der Kontext der Mediennutzung berücksichtigt. Strukturanalytische Modelle eignen sich aufgrund ihrer Komplexität wenig zur Vorhersage der tatsächlichen Mediennutzung eines Individuums, aber sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Veranschaulichung komplexer Prozesse des Medienhandelns und bieten damit auch Ansatzpunkte für die Mediensozialisationsforschung – besonders aufgrund ihrer starken Handlungsorientierung. Die Cultural Studies als „interdisziplinäre Disziplin“ zeichnet eine holistische Betrachtung kultureller Prozesse im Allgemeinen und (aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive) des in soziale Kontexte eingebetteten Mediengebrauchs aus. Im Mittelpunkt steht die Medienaneignung als komplexer, soziokultureller Prozess der Einordnung von Medieninhalten in die Alltagsund Lebenswelt von Individuen. Zentrale Rolle spielt die Aushandlung von Bedeutung, wobei der Aktivität der Rezipientinnen und Rezipienten sowie der soziokulturellen Rahmung der Medienaneignung besondere Bedeutung beigemessen wird. Der Beitrag der Cultural Studies zur Erörterung der Sozialisationsrelevanz von Medien ist ihr multiperspektivischer und integrativer Blick auf das Phänomen der Medienaneignung und des Mediengebrauchs, der weit über eine singuläre Auseinandersetzung mit Medieninhalten und/oder deren Rezeption und Nutzung hinausgeht. Das Verhältnis von Medien und Sozialisation lässt sich nur mit einer derart integrativen Herangehensweise und unter Einbezug disziplinär verschiedener Perspektiven begreifen. Alle angesprochenen Ansätze besitzen unterschiedliche Erklärungskraft für diverse Phänomene der Medienaneignung und des Mediengebrauchs. Fest steht, dass die Lebenswelten Heranwachsender heute – zumindest in der Region des Global North – zu großen Teilen auch Medienwelten sind und Medienangebote neben anderen Sozialisationsinstanzen als Mittel zur Selbstvergewisserung sowie Auseinandersetzung mit sich selbst und der sozialen Umwelt dienen. Im Hinblick auf die Aneignung von Medien und deren Bedeutung für Sozialisationsprozesse lässt sich festhalten, dass Heranwachsende schon früh eine Art Medienwissen, wie etwa das Wiedererkennen und Einordnen von Figuren (z. B. Protagonisten aus Bilderbüchern oder Fernsehsendungen) und anderen Inhalten (z. B. Jingles) sowie Fähigkeiten in der Bedienung von Medien (z. B. Videos ansehen oder Spiele spielen auf dem Tablet) erwerben (Nieding und Ohler 2006, S. 46; im Hinblick auf das Medium Fernsehen siehe auch Barth 1995).
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Dieses Wissen, das mit zunehmendem Alter sukzessive wächst, bezeichnen Paus-Hasebrink und Bichler (2008, S. 69) in Anlehnung an Schmidt und Weischenberg (1994, S. 216) als Ansammlung von Medienschemata. Diese Medienschemata helfen Heranwachsenden, sowohl gewohnte, als auch neue, noch unüberschaubare, Situationen und Wahrnehmungen in Bezug auf Medien zu strukturieren und sich in der Fülle einzelner Medienangebote zurechtzufinden bzw. diese auch zu verarbeiten (z. B. Einordnung von Symbolen, Themen, Handlungsmustern etc.). Medienschemata helfen Kindern und Jugendlichen Medien zu verstehen und dieses Verständnis ist sowohl an die kognitive Entwicklung Heranwachsender gebunden als auch Bestandteil von Entwicklungsaufgaben im Kontext der allgemeinen Sozialisation (Paus-Hasebrink und Bichler 2008, S. 69). In einem zunehmend mediatisierten Umfeld, in welchem heutige Kinder und Jugendliche aufwachsen, kommt der Mediensymbolik von Beginn an eine besondere Bedeutung für die Selbst- und Sachauseinandersetzung sowie die Identitätskonstruktion zu (ebd., S. 75). Medieninhalte eröffnen Heranwachsenden eine Projektionsfläche für die Auseinandersetzung mit Wünschen und Fantasien, sie eröffnen potentielle Angebote zur Orientierung und Identifikation, die sowohl angenommen, als auch abgelehnt werden können, und können ebenso zum Management von Emotionen beitragen. Darüber hinaus kommt ihnen eine wichtige Funktion in der Kommunikation mit Gleichaltrigen und Familienmitgliedern zu. Darunter fallen sowohl die gemeinsame Mediennutzung, die medienbezogene Anschlusskommunikation und das soziale Aushandeln von Mediensymboliken sowie der direkte Einsatz als Kommunikationsmittel, beispielsweise über Messenger-Funktionen wie WhatsApp oder Social Network Sites. Darüber hinaus können Medienheldinnen und Medienhelden eine Möglichkeit zur Bearbeitung von Überlegenheitsund BeschützerInnenphantasien oder zur Auseinandersetzung mit noch nicht gemachten Erfahrungen wie etwa der ersten Liebe dienen. Schorb (2010, S. 386) weist Medien im Hinblick auf Sozialisationsprozesse drei wesentliche Funktionen zu: Als Faktoren der Sozialisation können sie Einstellungen, Urteile, Wissen und (besonders bei jüngeren Kindern) partiell auch das Verhalten im Kontext anderer Sozialisationsfaktoren beeinflussen, als Mittler der Sozialisation dienen sie im Zusammenhang mit bewusst intendiertem Lernen und als Instrumente in Sozialisationsprozessen unterstützen sie Heranwachsende bei der Auseinandersetzung mit sich selbst und ihrem sozialen und kulturellen Umfeld. Bei der Betrachtung des Medienumgangs von Kindern und Jugendlichen kommt vor allem der letztgenannten Funktion eine besondere Bedeutung zu, denn sie verweist auf lebenspraktische Zusammenhänge für das Rezeptionsverhalten und die Aneignung von Medieninhalten. Fromme (2006, S. 12) verweist
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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zudem darauf, dass Medien nicht nur Sozialisationsprozesse beeinflussen, sondern umgekehrt sich Sozialisationserfahrungen auch auf die Mediennutzung als soziokulturelle Aktivität auswirken. Wie soziale Regeln und Rollenbilder vor dem Hintergrund des sozialökologischen Umfeldes mit individuellen Lebenspraxen, Vorstellungen und Verhaltensweisen ausgehandelt werden, so ist auch Sozialisation mit und über Medien nicht als monokausaler Prozess zu verstehen. Medienstrukturen und Medieninhalte treffen auf individuelle Motive der Mediennutzung und damit verbundene Erwartungen sowie auf diverse soziokulturelle und soziostrukturelle Kontexte, innerhalb derer ein Individuum sich mit Medien auseinandersetzt. Auch wenn Einigkeit über die grundsätzliche Sozialisationsrelevanz von Medien besteht und insofern empirische Hinweise dafür existieren, als dass sich Daten zur Mediennutzung und zum Rezeptionsverhalten von Individuen auf unterschiedlichen Ebenen und aus Perspektive verschiedener Disziplinen daraufhin interpretieren lassen, ist dieses Feld nach wie vor nicht hinreichend erforscht. Thus, due to inadequacies of much of the research to date, we have gained little understanding of the developmental connections between media use and various developmental outcomes across childhood, the extent to which these developmental connections may be different for different groups of children, and the processes or mechanisms linking media use and developmental outcomes across childhood (Vandewater 2017, S. 51).
Die Sozialisation mit, über und durch Medien, oder nach Schorb deren Funktion als Faktor, Mittler und Instrument der Sozialisation, wird im Hinblick auf weitere Mediatisierungstendenzen, die zunehmende Vernetzung von Alltagsgegenständen (Internet of Things, Internet of Toys) und das Verschwimmen zwischen On- und Offline auch für die zukünftige Forschung noch viele Fragen aufwerfen. Von besonderer Bedeutung werden diesbezüglich Relationen zwischen (wahrgenommenen) Chancen und (potentiellen) Risiken, sowie zwischen Partizipation, Demokratisierung und Selbstbestimmung über bewusst und unbewusst erzeugte Informationen (Big Data) sein. Darüber gewinnt auch die Frage nach Medienkompetenz und media literacy sowie nach deren Entwicklung im Kontext von Sozialisationsprozessen zunehmend an Bedeutung und auch ethische Fragen wie jene nach den Menschenrechten rücken – nicht nur im Hinblick auf Heranwachsende, sondern in Bezug auf alle Generationen – in den Fokus der Mediensozialisationsforschung. Dies kann nur durch eine interdisziplinäre Forschungsperspektive eingelöst werden, die sowohl mikro-, meso- als auch makrosoziologische Aspekte der Medienaneignung und des Mediengebrauchs in den Blick nimmt.
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Medienhandeln und Medienaneignung sind komplexe Phänomene im Rahmen von Sozialisationsprozessen und können daher nicht aus dem Blickwinkel lediglich einer einzigen Disziplin erklärt werden: Auseinandersetzungen mit Fragen der Mediensozialisation bedürfen einer Integration soziologischer, psychologischer und kommunikationswissenschaftlicher Ansätze. Sutter (2007, S. 135), siehe auch Geulen (2004, S. 17–19) kritisiert an Auseinandersetzungen mit der Sozialisationsrelevanz von Medien, dass diese zumeist jeweils für sich entweder subjektive Rezeptionsprozesse, Prozesse der kommunikativen Aneignung von Medienangeboten, oder die Analyse von Sinnstrukturen der Medienangebote im Blick haben und nur selten all diese Bereiche in wechselseitigen Abhängigkeit betrachtet werden. Hoffmann (2007), Mikos et al. (2007) beanstandet in Bezug auf die zunehmende Mediatisierung, dass Medien in allgemeinen Sozialisationstheorien eine zu geringe Bedeutung beigemessen wird und diese eher als Randphänomene betrachtet werden und verweist zugleich gemeinsam mit Mikos auf das Fehlen eines komplexen Theoriemodells, das alle Parameter, die im Hinblick auf die Sozialisationsrelevanz von Medien von Bedeutung sind, berücksichtigt (Hoffmann und Mikos 2007, S. 9). Die Forderung nach einem derartigen theoretischen Modell, wird wahrscheinlich nie zur Gänze eingelöst werden können, da das Zusammenspiel von Mediengebrauch, Medienaneignung, Medienhandeln und unterschiedlichen Prozessen der Sozialisation zu vielschichtig ist, um alle wichtigen Einflussfaktoren umfassend berücksichtigen und vor allem deren komplexes Zusammenspiel im Detail erörtern zu können. Nichtsdestotrotz erscheint es sinnvoll, sich der wesentlichen Faktoren bewusst zu machen und diese aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, um Prozesse des Medienhandelns, der Medienaneignung und schließlich der Sozialisation mit und über Medien besser zu verstehen. Ein Vorschlag dazu wurde im Hinblick auf die familiäre Mediensozialisation von Paus-Hasebrink (2017, S. 107–110) eingebracht; in einer Langzeitstudie hat sie die Mediensozialisation von Kindern vor dem Hintergrund ihres sozialökologischen Umfelds untersucht und ein Modell zur Erklärung von Mediensozialisation entwickelt (siehe Abb. 2.4). Im Mittelpunkt, d. h. auf der soziologischen Mikro-Ebene, steht das einzelne Kind mit seinen jeweils spezifischen Entwicklungsaufgaben und Medienumgangsformen. Das Kind befindet sich in ständigem Austausch mit seiner unmittelbaren sozialen Umwelt, mit den Gleichaltrigen, Freundinnen und Freunden sowie anderen Familienmitgliedern, die auf der Meso-Ebene anzusiedeln sind. Für Heranwachsende sind geteilte Interessen mit Freundinnen und Freunden besonders wichtig, da sie die Gestaltung des eigenen Alltags prägen und in Peer-Beziehungen verhandelt werden. Auch der Familie mit ihren jeweils
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
Meso-Ebene Peers & Freunde
Eltern & Geschwister Lebensaufgaben Erziehungskonzepte der Eltern Medienumgang
Politische, wirtschaftliche,
Makro-
kulturelle, mediale Kontexte
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Mikro-Ebene Kind/ Jugendlicher Alter & Geschlecht Entwicklungsaufgaben Medienumgang
Lebensführung der Familie Familienklima Alltagsbewältigung Freizeitgestaltung Gemeinsame Mediennutzung
Soziale Lage Einkommen Beruf und/ oder Tätigkeit Formale Bildung Wohnumfeld
Ebene
Abb. 2.4 Einflussfaktoren für die Mediensozialisation mit Schwerpunkt auf die Familie (Paus-Hasebrink 2017, S. 109)
spezifischen Beziehungsstrukturen und sozialen Ressourcen kommt eine große Bedeutung zu. Im Mittelpunkt steht dabei die gemeinsame Lebensführung innerhalb der Familie, die durch ein bestimmtes Familienklima, durch die gemeinsame Alltagsbewältigung, zu der auch die Freizeitgestaltung und die gemeinsame Mediennutzung zählen, geprägt ist. Die familiäre Lebensführung wird beeinflusst von allen Familienmitgliedern sowie den allgemeinen Lebensaufgaben, mit denen die Eltern beschäftigt sind und die Familie insgesamt konfrontiert ist. Eng verbunden damit sind familiäre Erziehungskonzepte und der generelle Medienumgang innerhalb der Familie. In Bezug auf letzteres ist auch die Medienausstattung von Bedeutung sowie die Frage, in welchen Räumen sich bestimmte Mediengeräte befinden und in welchen sozialen Kontexten diese genutzt werden (z. B. Abendessen vor dem Fernseher oder Handyverbot beim Essen).
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Die gemeinsame Lebensführung innerhalb der Familie wird jedoch auch von makrosoziologischen Faktoren geprägt. Dazu gehört die generelle soziale Lage, welche abhängig ist von Bildung, Beruf und Einkommen der Eltern, und das soziale Milieu mitbestimmt. Auch die Wohngegend, in der ein Kind aufwächst, spiegelt sich in der sozialen Lage der Familie wider. Familien sind darüber hinaus abhängig von politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontexten eines Landes sowie eng damit verbundenen soziostrukturellen Kontexten wie das Bildungssystem, die Familienpolitik, den Zugang zu Betreuungs- und Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche, aber auch die technische Infrastruktur (z. B. Internetzugang) und das allgemeine Mediensystem. Die Summe all dieser Faktoren spiegelt sich letztendlich in der realen Lebenswelt jedes einzelnen Kindes und jedes einzelnen Jugendlichen wieder. Diese Lebenswelt prägt den Medienalltag und das Medienhandeln Heranwachsender. Aus Perspektive des Symbolischen Interaktionismus ist sie Grundlage für jegliches soziale Handeln aufgrund der Bedeutungen, die Individuen Objekten (einschließlich ihrer medialen Repräsentationen) zuschreiben. Das alltägliche Medienhandeln eines Individuums ist neben den lebensweltlichen Kontexten auch abhängig von biografischen Erfahrungen, von individuellen Auseinandersetzungen mit Identität und Subjektivität, von Norm- und Wertvorstellungen sowie ethischen Grundhaltungen (Mikos 2007, S. 36). Paus-Hasebrinks Modell verdeutlicht auch die Wechselseitigkeit der Beziehungen zwischen unterschiedlichen sozialen Ebenen und Akteuren, welche besonders auf der Meso-Ebene eine wichtige Rolle spielt. Jungen und Mädchen tauschen sich über gemeinsame und geteilte Medienerfahrungen aus und verhandeln die Bedeutung, die sie bestimmten Medieninhalten zuschreiben. Ebenso tauschen sie sich mit Geschwisterkindern aus und verhandeln mit ihren Eltern Regeln der häuslichen Mediennutzung, oder nehmen sich ein Vorbild an deren Medienumgang. Von Bedeutung ist in dieser Hinsicht auch, dass Sozialisation nicht mehr länger als einseitiger Prozess aufgefasst werden kann, da Heranwachsende eben nicht nur sozialisiert werden, sondern umgekehrt, auch ihr soziales Umfeld wie beispielsweise ihre Eltern sozialisieren (Süss 2004, S. 29–30). Diese reziproke Sozialisation verlangt gerade im Hinblick auf die Aneignung aktueller Entwicklungen der IKT eine besondere Beachtung. Ein anderer vielversprechender Vorschlag wurde im Kontext des multinationalen und interdisziplinären Forschungsnetzwerks EU Kids Online entwickelt (Livingstone et al. 2015, S. 10; siehe Abb. 2.5). Während sich Paus-Hasebrink am medienökologischen Ansatz Dieter Baackes orient, lehnt sich das Modell von EU Kids Online an den sozialökologischen Ansatz von Urie Bronfenbrenner an. EU Kids Online widmet sich der
2.1 Medienaneignung und Sozialisation
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Abb. 2.5 EU Kids Online revised model (Livingstone et al. 2015, S. 10)
ntersuchung der Internetnutzung Heranwachsender auf einer international verU gleichenden Ebene mit dem Ziel der Identifikation potientieller Chancen und Risiken sowie der Entwicklung von Empfehlungen für Politik und Industrie, für Familien sowie Akteurinnen und Akteuren in unterschiedlichen Feldern pädagogischer Praxis, um Kinder und Jugendliche in einem sicheren und selbstbestimmten Umgangs mit dem Internet zu unterstützen. Das in diesem Kontext entwickelte, mehrstufige Modell ist auf die Identifikation unterschiedlicher Einflussfaktoren für eine, für das Kind förderliche, Nutzung des Internets ausgerichtet. Im Zentrum steht die individuelle Ebene bzw. das jeweilige Kind mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten, psychologischen und soziodemografischen Besonderheiten und Erfahrungen. Diese persönlichen Voraussetzungen sowie die Zugangsmöglichkeiten zum Internet beeinflussen die jeweiligen Praktiken und erworbenen Fähigkeiten der Internetnutzung, welche wiederum die Erfahrung von sowie den Umgang mit Chancen und Risiken beeinflussen. Dies wiederum hat Auswirkungen darauf, ob das Internet zur Förderung des Wohlbefindens eines Kindes sowie der Durchsetzung seiner Rechte beiträgt (ebd., S. 11).
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Dieses Kind ist eingebettet in sein soziales Umfeld (Ebene 2), das sich aus der Familie, den Freundinnen und Freunden, dem schulischen Umfeld und unterschiedlichen sozialen Netzwerken zusammensetzt. Darüber hinaus ist auf dieser Ebene auch das digitale Umfeld (z. B. medienaffin oder abneigend, technologische Ausstattung etc.) innerhalb der Familie von Bedeutung. Abschließend spielen auf der dritten und nationalstaatlichen Ebene ebenso strukturelle Faktoren wie etwa die technologische Infrastruktur, soziale Ungleichheiten und der allgemeine gesellschaftliche Wohlstand, das Bildungssystem oder kulturelle Werte eine Rolle für die jeweiligen Erfahrungen und Praktiken eines Kindes im Umgang mit dem Internet (ebd., S. 12–13). Obwohl dieses Modell primär auf die Internetnutzung von Kindern und deren Umgang mit diesbezüglichen Chancen und Risiken fokussiert ist, kommt ihm eine besondere Bedeutung zu, da es nicht nur theoretisch entwickelt, sondern auch empirisch durch umfangreiche quantitative und qualitative Studien sowie Sekundäranalysen vorhandener Daten überprüft bzw. modifiziert wurde. Es ist auf den internationalen und interkulturellen Vergleich ausgerichtet, nimmt eine sozialökologische Perspektive ein und berücksichtigt zugleich sozialpsychologische Faktoren. Im Mittelpunkt steht vor allem das Wohlbefinden und Wohlergehen Heranwachsender im Zusammenhang mit ihrem Internetumgang. Es handelt sich hierbei um kein dezidiert mediensoziologisches Modell – zumindest wird es von den Autorinnen und Autoren nicht als solches bezeichnet –, aber es bietet einen guten Ansatzpunkt für die weitere mediensoziologische Forschung, da es wesentliche Akteurinnen und Akteure sowie Institutionen benennt und zugleich den bzw. die Heranwachsende mit ihrer oder seiner Identität sowie die Ressourcen, auf die das jeweilige Individuum zurückgreifen kann, ins Zentrum rückt.
2.2 Sozialisationserfahrungen und Mediennutzung Es zeigt sich also, dass die Aneignung von Medien ein fester Bestandteil von Sozialisationsprozessen in einer mediatisierten Gesellschaft ist. Diese erfolgt vor dem Hintergrund lebensweltlicher Erfahrungen und ist tief eingebettet in lebenspraktische Zusammenhänge. Es ist aber nicht nur davon auszugehen, dass Medien Sozialisationsprozesse beeinflussen, sondern umgekehrt, wirken sich Sozialisationserfahrungen auch auf die Nutzung von und den Umgang mit Medien als soziokulturelle Aktivität aus. Dies ist auch empirisch von Bedeutung und zeigt sich unter anderem in den Ansätzen zu Medienrepertoires, Kommunikationsmodi und Mediengenerationen, welche im Folgenden als
2.2 Sozialisationserfahrungen und Mediennutzung
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eispiele für Zusammenhänge zwischen Sozialisationserfahrungen und MedienB nutzung dienen sollen. Der Ansatz der Medienrepertoires richtet das Augenmerk nicht auf die Nutzung einzelner Medien, sondern nimmt die Gesamtheit der Medien, die ein Individuum verwendet sowie die Art und Weise, wie verschiedene Medien miteinander kombiniert werden, in den Blick. Unterschiede zwischen verschiedenen Medienrepertoires lassen sich auf Lebensphasen und lebensweltliche Zusammenhänge zurückführen und darin zeigt sich wiederum die Bedeutung des lebenspraktischen Sinns für die Mediennutzung eines Individuums. Auch das Konzept der Kommunikationsmodi verweist auf lebenspraktische Zusammenhänge der Mediennutzung, wenn der Frage nachgegangen wird, wie Individuen eine jeweils konkrete Mediennutzungssituation für sich definieren. Ein weiteres Beispiel, in welchem sich Zusammenhänge zwischen Medienpräferenzen und Sozialisationserfahrungen zeigen, sind Mediengenerationen. Dieses Konzept ist auf die Bedeutung von Medien für die gernerationelle Selbstverortung fokussiert. Unter Annahme, dass Medien sowohl als Plattform als auch Gegenstand von Vergemeinschaftungsprozessen dienen, wird der Blick darauf gelenkt, wie Individuen basierend auf ihren Sozialisationserfahrungen und Bedingungen der alltäglichen Lebensführung, die in Form eines generationellen sowie sozialen Habitus sichtbar werden, sich bestimmten Medien und Medieninhalten zuwenden bzw. sich diese aneignen.
2.2.1 Medienrepertoires und Kommunikationsmodi Die Entwicklung zu zunehmender Medienkonvergenz und Crossmedialität stellt die Mediengebrauchsforschung in mehrerlei Hinsicht vor neue Herausforderungen. Zum einen wird es schwieriger, Mediennutzung ausgehend vom jeweiligen Medium zu definieren, da potentiell von ein und demselben Endgerät sowohl Zeitung gelesen, Radio gehört, im Internet gesurft, ferngesehen oder Filme angesehen werden können und beispielsweise die Bezeichnung „ein Smartphone nutzen“ für eine Beschreibung der tatsächlich darüber erfolgten Mediennutzung unzulänglich wird. Auch auf inhaltlicher Ebene wird die Zuordnung schwieriger, da ein und derselbe Medieninhalt oft über unterschiedliche Plattformen bzw. über verschiedene Medien zugänglich gemacht wird und damit diverse Möglichkeiten eröffnet werden, um beispielsweise Nachrichten zu rezipieren. Um dem empirisch gerecht zu werden, wurden in der Medienund Kommunikationswissenschaft ab Mitte der 2000er Jahre unterschiedliche Ansätze entwickelt, um vor dem Hintergrund der medialen Veränderungen das
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Rezeptionsverhalten von Individuen aus einer ganzheitlichen Perspektive zu analysieren (Bjur et al. 2014; Schrøder 2011); damit hat sich der wissenschaftliche Fokus einmal mehr weg vom Massenpublikum hin zu einer stärkeren Betonung aktiver Selektion und Nutzung von Medien durch das Individuum verschoben. Ein Beispiel dafür ist die von Kim Christian Schrøder entwickelte Q-Method (2011, 2016), siehe auch Courtois et al. (2015) als Ansatz zur Quantifizierung und Erhöhung der Vergleichbarkeit qualitativer Daten mit dem Ziel einer Identifikation von Nutzungsmuster im Sinne spezifischer Medienrepertoires3 (Kobbernagel und Schrøder 2016). Im Hinblick auf die crossmediale Nachrichtenrezeption konnten Schrøder und Larsen (2010) sowie Schrøder und Kobbernagel (2010) damit sieben crossmediale Nachrichten-Repertoires innerhalb der dänischen Bevölkerung nachweisen (siehe auch Peters und Schrøder 2017; Schrøder 2016). Vergleichbar ist auch Westlunds und Bjurs (2013, 2014) Auseinandersetzung mit den „media lives“ schwedischer Jugendlicher im Alter von neun bis 16 Jahren. Auch sie gehen von einem repertoireorientierten Ansatz aus, um spezifische, medienübergreifende Nutzungsmuster festzustellen und zu untersuchen, in welchem Umfang die Lebenswelten Heranwachsender von der Nutzung digitaler Medien geprägt sind. Weitere Auseinandersetzungen mit Nutzungsmustern und Medienrepertoires finden sich unter anderem bei van Rees und van Eijk (2003, Nutzung spezifischer Medienangebote und inhaltliche Präferenzen), Yuan (2011, Fokus auf Nachrichtenrezeption) Webster und Ksiazek (2012, fragmentierte Publika durch die Nutzung digitaler Medien), Taneja et al. (2012, plattformübergreifende Mediennutzung) sowie Jung et al. (2014, Smartphone App-Repertoires). Am Leibniz-Institut für Medienforschung/Hans-Bredow-Institut wurde ebenfalls ein Ansatz der Medienrepertoires entwickelt, welcher auch international zunehmend Verbreitung findet (z. B. Kim 2016; Lepa und Hoklas 2015). Er
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repertoireorientierte Forschungsperspektive hat ihre Ursprünge in der Fernsehforschung (Taneja et al. 2012, S. 954) und der Untersuchung von channel repertoires wie beispielsweise bei Heeter (1985; Heeter et al. 1983), Lochte & Warren (1989) oder Ferguson (1992; Ferguson und Perse 1993, 2000 ;Ferguson und Melkote 1997). Dieser spezielle Fokus auf das Medium Fernsehen wurde in weiterer Folge auf andere Medien ausgeweitet (z. B. betrachteten Reagan et al. 1995 die komplementäre Nutzung von Radio und Zeitungen) und kontinuierlich zu einer crossmedialen Perspektive hin erweitert (Yuan 2011, S. 1002; Jung et al. 2014, S. 354–355). Unterschiede zwischen früheren und aktuellen Auseinandersetzungen mit Medienrepertoires ist, dass diese heute nicht mehr nur rein deduktiv konstruiert werden, sondern zunehmend auch die Perspektive der Rezipientinnen und Rezipienten berücksichtigt wird.
2.2 Sozialisationserfahrungen und Mediennutzung
61
zeichnet sich durch eine breite theoretische Einbettung sowie empirische Fundierung aus und liefert über die reine Beschreibung von Nutzungsmustern auch Anknüpfungspunkte für eine theoretische Auseinandersetzung mit sozialen und individuellen Kontexten des Medienhandelns und der Mediensozialisation. Diese Forschungsperspektive richtet den Fokus auf die Gesamtheit der Medien, die ein Individuum regelmäßig verwendet sowie die Art und Weise, wie Rezipientinnen und Rezipienten unterschiedliche Arten von Medien miteinander kombinieren und geht davon aus, dass gerade diese Kombination bzw. dieses „comprehensive pattern of exposure“ (Hasebrink und Popp 2006, S. 369; siehe auch Hasebrink 2010, S. 139) – also das spezifische Medienrepertoire bzw. die Gesamtheit der genutzten Medienangebote – von größerer Bedeutung als die Summe aller Einzelkontakte mit verschiedenen Medien ist (Hasebrink 2014, S. 15; Hasebrink und Hölig 2017). Unter Medienrepertoire wird ein relativ stabiles, individuelles und medienübergreifendes Nutzungsmuster verstanden; von besonderer Bedeutung sind dabei die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Komponenten der von den Nutzerinnen und Nutzern jeweils kombinierten Medienangebote (Hölig et al. 2011, S. 74). Es wird davon ausgegangen, dass sich Menschen in der Konstruktion ihres spezifischen Medienrepertoires an medienübergreifenden Prinzipien (z. B. Nützlichkeit, Involvement, ritualisierte Mediennutzung, Erweiterung des kulturellen Kapitals, legitime Mediennutzung etc.) orientieren, die ihnen die jeweils konkrete Medienauswahl erleichtern (Hasebrink 2014, S. 31). Theoretisch schießt dieser Ansatz unter anderem an den Uses-andGratification-Approach (siehe Abschn. 2.1.3.1) an und erweitert diesen zugleich durch die Frage, inwiefern unterschiedliche Nutzungsmotive zusammenhängen und ein Muster gesuchter Gratifikationen und medienbezogener Bedürfnisse ergeben, das sich wiederum in einer spezifischen Kombination einzelner Medienangebote bzw. dem Medienrepertoire widerspiegelt (Hasebrink 2014, S. 17; siehe Hasebrink und Popp 2006 zu weiteren theoretischen Bezügen). Ein weiterer fruchtbarer Anknüpfungspunkt des Ansatzes der Medienrepertoires liegt in der Lebensstilforschung und in der Auseinandersetzung mit sozialen Milieus aus Perspektive des sozialpraktischen Sinns (Le sens pratique, Bourdieu 1980). Dabei geht es um die Rekonstruktion der Art und Weise, wie Menschen ihrem alltäglichen Handeln praktischen Sinn verleihen und spezifische kommunikative Alltagspraxen entwickeln. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach dem sozialen Milieu eines Individuums und damit verbunden nach dessen Position im sozialen Raum und dem damit zusammenhängenden Vermögen sozialer, kultureller und ökonomischer Kapitalien. Diese sozialen Voraussetzungen prägen schließlich den Habitus, als Summe alltagskultureller Praxen und Methoden
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
alltäglicher L ebensführung, wozu letztlich auch die Gesamtheit der Nutzung und des Umgangs mit verschiedenen Medien zählt. Anknüpfend daran können Medienrepertoires als Ausdruck eines bestimmten medialen Habitus (siehe Abschn. 3.2.2) betrachtet werden (Hasebrink 2014, S. 20). Empirisch kennzeichnet das Konzept der Medienrepertoires, dass der Schwerpunkt nicht auf der Analyse und dem Verhältnis einzelner Variablen, sondern dem Erkennen spezifischer Nutzungsmuster liegt. The basic idea of a repertoire-oriented approach to media use does not specify on which level media use is described. There is just the abstract principle of analysis to search for patterns of exposure, for combinations of media behaviors. Thus, a repertoire can be made up by certain portions of use of media in general (e. g., TV, radio, newspapers, Internet etc.), or by certain topics used in any media (e. g., politics, economy, sports, culture etc.), or by certain genres (e.g., drama, comedy, action, romance etc.). In this respect, a repertoire-oriented approach is not exclusive; i. e., there are no theoretical arguments in favor or against one of these levels. As a consequence, any concrete research on media repertoires has to clarify the respective level of analysis it refers to (Hasebrink und Popp 2006, S. 375).
Hasebrink (2014, S. 23; Hasebrink und Domeyer 2012, S. 758–759) versteht diesen Ansatz auch als Bindeglied zwischen standardisierter und qualitativer Rezeptions- und Nutzungsforschung. Aus Perspektive der standardisierten Forschung geht es um die Untersuchung von Medienrepertoires als Verhaltensmuster (z. B. Art der genutzten Medieninhalte, Vorlieben, Einstellungen, relative Nutzungsanteile, Selektivität etc.) während aus Perspektive der qualitativen Forschung der Fokus auf dem dahinterliegenden alltagspraktischen Sinn (subjektive Theorien, sozialer Kontext, Alltagsroutinen, Gewohnheiten, persönliche Werte und Ambitionen etc.) liegt. Grundsätzlich kennzeichnet diesen Ansatz, dass verschiedene empirische Indikatoren und Komponenten der Mediennutzung nicht als Einzelelemente, sondern im Hinblick auf ihre Beziehung und Korrelationen untereinander untersucht werden (Hasebrink 2014, S. 27; Hasebrink und Domeyer 2012, S. 760; Hasebrink und Hölig 2013, S. 193– 196). Hölig et al. (2011, S. 75) formulieren für die Untersuchung von Medienrepertoires drei wesentliche Bereiche: Zum einen geht es um die Erhebung von Teilaspekten von Medienrepertoires, welche sowohl reine Medienkontakte als auch generelle Nutzungspräferenzen umfassen, als auch auf deren Einbettung in Alltagsstrukturen fokussiert sind. Zum anderen werden die Ebenen der Mediennutzung wie etwa Mediengattungen, Genres, Inhalte und Themen, Medienmarken und -anbieter erfasst. Und als dritte und wesentliche Komponente werden relationale Kriterien wie relative Nutzungsanteile, Relevanz, Vielfalt,
2.2 Sozialisationserfahrungen und Mediennutzung
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Komplementarität und Konkurrenz verschiedener Angebote analysiert, um die innere Struktur und die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Bestandteilen eines Medienrepertoires beschreiben zu können. Wie bereits angesprochen, kann eine repertoireorientierte Perspektive sowohl die gesamte Mediennutzung erfassen, als auch auf einen speziellen Teilbereich fokussiert sein. In Bezug auf letzteres findet die informationsorientierte Mediennutzung besonderes Interesse (Hasebrink 2017). Der damit verbundene Begriff des information repertoire wurde von Reagan (1996) in Zusammenhang mit einer Untersuchung zur informationsorientierten Nutzung von Radio und Zeitungen eingeführt; O’Keefe et al. (1998) entwickelten dieses Konzept aus Perspektive der Gesundheitskommunikation weiter (Yuan 2011, S. 1002). Aktuellere Untersuchungen zu Informationsrepertoires unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen wurden beispielsweise von Hasebrink und Schmidt (2013), Robinson (2014), Wolfsfeld et al. (2016) sowie Sin und Vakkari (2017) angestellt. Darüber hinaus analysiert Hasebrink (2017, S. 369–373) ausgehend vom Konzept der Medienrepertoires in theoretischer Anknüpfung an den Uses-And-Gratifications-Approach sowie Auseinandersetzungen zu information seeking und information needs (z. B. Bouwman und van de Wijngaert 2002; Case 2002) einerseits den Wandel von Informationsrepertoires in Bezug auf die Medienentwicklung seit den 1980er Jahren, andererseits den Wandel von Informationsrepertoires aus Perspektive des Lebenslaufs und damit verbundener, sich ändernder Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben für die jeweiligen Subjekte (Havighurst 1972). Neben der Fokussierung auf einen spezifischen inhaltlichen Bereich der Mediennutzung kann darüber hinaus auch das soziale Umfeld der Mediennutzung in den Blick genommen werden. So setzen sich beispielsweise Watson-Manheim und Bélanger (2007) aus Perspektive der Organisationskommunikation mit Medienrepertoires im beruflichen Umfeld auseinander. Dabei geht es um die Frage, welche Medien im Sinne einer gelebten sozialen Praxis innerhalb eines Unternehmens (als legitimes Medienrepertoire einer bestimmten Organisation) grundsätzlich zur Verfügung stehen und welcher Ausschnitt davon in unterschiedlichen Kontexten von den Beschäftigten tatsächlich genutzt wird. Ein ähnlicher Ansatz findet sich bei Robinson (2014, S. 509), die nach einem „media-information repertoire around the issue of homelessness“ fragt. Während in der Untersuchung von Medienrepertoires der Fokus auf allgemeine, alltagsstrukturierende und sozialintegrative Funktionen der Mediennutzung liegt, steht beim Konzept der Kommunikationsmodi (Hasebrink 2004; Hölig 2014) die Frage, wie Rezipientinnen und Rezipienten eine konkrete Mediennutzungssituation für sich definieren, im Mittelpunkt (Hasebrink und
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Hölig 2017). Hölig et al. (2011, S. 79) beschreiben einen Kommunikationsmodus als Muster von Erwartungen und Handlungsweisen in einer bestimmten Situation mit dem Ziel der Realisation einer spezifischen kommunikativen Funktion der Mediennutzung. Der hier eingeführte Begriff des Kommunikationsmodus unterscheidet sich damit grundlegend von dem in der Soziolinguistik (Halliday 1985/1999; Gee 2008) und Soziosemiotik (Kress und Van Leeuwen 1992; Kress 2000, 2003; Jewitt und Kress 2003a) sowie im Kontext der Cultural Studies (Norris 2004; Scollon und Wong-Scollon 2003; Lemke 2000; O’Halloran 2004; O’Halloran et al. 2009; Fairclough 2000) gebräuchlichen Begriff des medialen Modus im Sinne des Umgangs mit Text, Bild und Ton. Es wird davon ausgegangen, dass sich Rezipientinnen und Rezipienten zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Mediennutzung jeweils in einem ganz bestimmten Kommunikationsmodus befinden und dass ihnen dieser – wenngleich zumeist nur implizit – auch bewusst ist. This „becomes particularly obvious when there is a dis-match between the mode and the respective service: as soon as the ongoing interaction does not suit the current expectations, the user will reevaluate the situation and change the service (according to the function he or she would like to realize) and/or redefine the communication mode (according to the features offered by the respective service)“ (Hasebrink und Hölig 2013, S. 198). Der Fokus liegt also weniger darauf, welche Medien oder Medieninhalte genutzt werden, sondern auf der Einschätzung einer spezifischen Nutzungssituation durch einen bestimmten Nutzer oder eine bestimmte Nutzerin. Im Mittelpunkt steht daher die Unterscheidung kommunikativer Handlungen abseits einer angebots- oder endgerätespezifischen Perspektive und tatsächlich wahrgenommene Nutzungssituationen sowie ausgeführte kommunikative Handlungen und dadurch realisierte Funktionen der Mediennutzung. Es wird davon ausgegangen, dass ein und derselben Form der Mediennutzung unterschiedliche Kommunikationsmodi zugrunde liegen können und die Mediennutzung selbst für verschiedene Rezipientinnen und Rezipienten situationsspezifisch von unterschiedlicher Bedeutung sein kann. Damit rückt abermals der Zweck und subjektive Sinn der Mediennutzung (Hölig 2014, S. 86) in den Mittelpunkt und die Frage, anhand welcher Merkmalsebenen und -ausprägungen Rezipientinnen und Rezipienten ihr kommunikatives Handeln unterscheiden (Hölig et al. 2011, S. 80).
2.2 Sozialisationserfahrungen und Mediennutzung
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2.2.2 Mediengenerationen In der Auseinandersetzung mit der Sozialisationsrelevanz von Medien sind unterschiedliche Konzepte von Mediengenerationen zu finden, die sich zwar vorrangig in populärwissenschaftlichen Diskursen großer Beliebtheit erfreuen, jedoch auch in wissenschaftlichen Kontexten anzutreffen sind. Beispiele dafür sind etwa die Gamer Generation (Beck und Wade 2004), die Net Generation (Tapscott 1997; de Witt 2000; Oblinger und Oblinger 2005; Seufert 2007), die Millenials (Howe und Strauss 2000), die Generation @ (Opaschowski 1999) und nicht zuletzt die viel zitierten Digital Natives (Prensky 2001a, b; Palfrey und Gasser 2008). Diese Zuschreibungen werden von Schulmeister (2009) ausführlich kritisiert; auch Aroldi (2011, S. 51), Colombo (2011, S. 23–24) und Couldry (2016, S. 35) warnen vor einer zu starken Vereinfachung, die derartigen Etikettierungen innewohnt. Andò (2014, S. 157) bemängelt an solch populären Generationskonstrukten, dass diese oft ein Ergebnis von Marketingstrategien sind und zumeist lediglich aus Perspektive Erwachsener auf technologische Innovationen und den Umgang jüngerer Generationen mit diesen passieren. Soziologische Generationskonzepte hingegen schreiben einer Alterskohorte gemeinsame Eigenschaften zu und wählen ein bestimmtes Merkmal eines spezifischen Zeitabschnitts, um dieses als Metapher für die gesamte Kohorte zu verwenden (Schulmeister 2009, S. 47). Historisch gehen sie zurück auf Mannheims (1928) Aufsatz über „Das Problem der Generationen“ in den Kölner Vierteljahresheften für Soziologie, welcher 1952 auf Englisch veröffentlicht wurde. Obwohl Mannheims Konzept unter Kritik steht, da es primär auf politische Partizipation fokussiert ist, berufen sich soziologische, kulturwissenschaftliche und geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzungen mit Generation(en) vielfach bis heute darauf (Corsten 2011, S. 37; Bolin 2017; Gal-Ezer 2014). Mannheim (1928, 1952) geht von historischen Generationen aus (Frønes 2016, S. 72; siehe auch Bolin 2016a, b, S. 252–253), die er als eine Gruppe von Individuen beschreibt, die sich untereinander lose verbunden fühlen, ähnlich dem Phänomen der gesellschaftlichen Schicht oder Klassenlage. Diese Generationenlagerung eröffnet dem bzw. der Zugehörigen einer spezifischen Alterskohorte (in einem bestimmten kulturellen Umfeld) durch chronologische Gleichzeitigkeit und einer damit verbundenen gleichen Lebens- und Bewusstseinsschichtung potentiell ähnliche Möglichkeiten, aber auch Beschränkungen. Der auf diese Weise entstehende Generationszusammenhang kann wiederum zur Konstituierung besonderer Generationseinheiten, die sich durch einen bestimmten
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Umgang mit den potentiellen Möglichkeiten, Chancen und Grenzen einer spezifischen Generationenlagerung kennzeichnen, führen (Jureit 2011). Unterschiedliche Generationseinheiten einer historischen Generation basieren auf einem gemeinsamen Generationszusammenhang, können sich in ihren jeweils konkreten Ausdrucksformen aber sowohl ähneln, als auch widersprechen (z. B. unterschiedliche Jugendkulturen) (Corsten 2011, S. 41). Bolin (2014, S. 114; siehe auch Hepp et al. 2017a, S. 85) unterscheidet demgemäß Generation von Alter dadurch, dass das tatsächliche Alter eines Individuums stetiger Veränderung unterworfen ist, die Zugehörigkeit zu einer Generation jedoch über das Altern hinaus erhalten bleibt. Während Mannheims Theorie noch auf einen nationalen Rahmen beschränkt war, müssen Generationentheorien heute aufgrund sozialer, politischer, aber auch medialer Veränderungen, global angelegt sein bzw. weltweite Verflechtungen berücksichtigen. In Bezug auf den von Mannheim beschriebenen Generationszusammenhang rückt heute die generationelle Selbstverortung im Sinne eines „we-sense“ (Corsten 1999; siehe auch Colombo 2011, S. 31–32), als gemeinsames Lebensgefühl sowie eine gemeinsame Definition und Einordnung historischer Zusammenhänge durch eine Gruppe von Individuen, die sich selbst als einer Generation zugehörig begreift, zunehmend in den Mittelpunkt (Bolin 2017, S. 13–15, 2016b; Napoli 2014, S. 183–185). Besondere Bedeutung in der Entwicklung dieses Gemeinschaftsgefühls spielt die Adoleszenz, als Phase intensiver Selbstauseinandersetzung und Identitätssuche vor dem Hintergrund gemeinsamer historischer, sozialer und kultureller Kontexte innerhalb einer großen Gruppe von Gleichaltrigen, die über eine gemeinsame Semantik (als gemeinsame Sprache), gemeinsame diskursive Praktiken und ein gemeinsames „thematic repertoire“ (Aroldi 2011, S. 55) wie etwa Werthaltungen, Ideale, Vorlieben und Ausprägungen von Geschmack im Sinne eines Habitus einer Generation (ebd.) verfügen (siehe auch Abschn. 3.1). Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive lassen sich hier durchweg Ähnlichkeiten zwischen einem doing gender und einem doing generation, als Performanz und Aushandlung mit anderen, feststellen (Vittadini et al. 2014, S. 73; Hepp et al. 2017b, S. 111). The ‚Historical New‘ of a generation is not a substance, a thing in itself. The ‚Histrical New‘ is a perspective, a ‚practical sense‘ (Bourdieu 1980) for the new constellation shared by the members of the youngest generation. The shared awareness for the ‚Historical New‘ is also the ‚we-sense‘ of a generation with which they identify themselves by facing the meaning of ‚our time‘ (Corsten 2011, S. 48).
2.2 Sozialisationserfahrungen und Mediennutzung
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Aroldi (2011, S. 56–58) begreift Generationenbildung als einen Prozess, der sowohl von vergangenen als auch gegenwärtigen exogenen Faktoren geprägt ist (siehe Abb. 2.6). Generationelle Identität bildet sich unter Einfluss dieser Faktoren in Verbindung mit diskursiven und reflexiven Aushandlungsprozessen (oberes Feld), welche wiederum geformt werden von Ritualen und Narrativen, Selbstrepräsentationen der betreffenden Generation sowie Repräsentationen von und Zuschreibungen durch andere Generationen. Das linke Feld seiner Darstellung steht für prägende Erfahrungen der Vergangenheit (historische und politische Ereignisse, materielle und symbolische Bedingungen und Ressourcen, kulturelle Institutionen, Prozesse und Bedingungen (z. B. das Bildungssystem) sowie alltägliche Erfahrungen und soziale Praktiken, während sich das rechte Feld auf Bedingungen der Gegenwart (Alter, Lebenszyklus und biografische Faktoren, aktuelle Ereignisse, soziale und kulturelle Bedingungen und alltägliche Erfahrungen) bezieht. Das untere Feld von Aroldis Modell steht für das soziale Handeln (agency) einer Generation, das sich sowohl in unterschiedliche Formen politischer und sozialer Teilhabe als auch in bestimmten Lebensstilen, bevorzugten Gebrauchsgegenständen und Marken – oder zugespitzt: als ein spezifischer generationeller Habitus zeigt.
Abb. 2.6 Model of generational identity-making (Aroldi 2011, S. 56)
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Grundlage der hier beschriebenen Form der Generationenbildung ist ein, vorrangig im öffentlichen Raum stattfindender, Vergemeinschaftungsprozess. Als Gegenstand und Ergebnis kollektiver Verständigungen bedürfen solche Vergemeinschaftungsprozesse auch massenmedial verfügbarer Identifikationsobjekte zur Verhandlung und Tradierung potentieller Gemeinsamkeiten (Jureit 2011; Corsten 2011, S. 44–48; Napoli 2014, S. 183–185). Darüber hinaus dienen Medien nicht nur als Mittel, sondern auch als Plattform und Vermittler kollektiver Diskurse und Aushandlungsprozesse (Kortti 2011). Aroldi (2011, S. 58–59) schreibt Medien unterschiedliche Funktionen in der Bildung generationeller Identitäten zu: zum einen als Vermittler kultureller Werte (siehe auch Gillespie 2005, S. 3 und Landabidea Urresti 2014, S. 136) und Symbole sowie historischer Ereignisse, und zum anderen als domestizierter und fixer Bestandteil des sozialen Umfeldes sowie alltäglicher Lebensführung. Im Kontext prägender Erfahrungen der Vergangenheit (MEDIA 1) dienen Medien als Instrumente und Materialien der Bildung generationeller Semantiken. Als Vermittler von Informationen in Form von Berichten und Bildern, als Bühne für und Schöpfer von Berühmtheiten, sowie als Vermittler von Emotionen und von (Populär-)Kultur (z. B. Musik, Medienmarken, Rituale und Symbole) prägen sie sich in die geteilte Erinnerung einer Generation ein und beeinflussen auf diese Weise Geschmack, Haltungen und Erwartungen jener Individuen, die sich der betreffenden Generation zugehörig fühlen. Ebenso vermitteln und beeinflussen Medien (MEDIA 3) Erfahrungen der Gegenwart, welche wiederum von vergangenen medienvermittelten Erfahrungen beeinflusst werden. Im Kontext der alltäglichen Lebensführung bieten sie zudem ein Angebot, aus dem Individuen basierend auf deren generationellem wie sozialem Habitus bestimmte Medieninhalte auswählen und andere wiederum abwerten, bzw. aus dem Technologien und Medienprodukte in einer ganz bestimmten Art und Weise domestiziert werden. Medien sind zudem Teil diskursiver und reflexiver Aushandlungen generationeller Identität (MEDIA 2) und bilden eine Ressource und zugleich Plattform für Repräsentationen, Narrationen und diskursive Praktiken im Rahmen öffentlich stattfindender Vergemeinschaftungsprozesse. They contribute to establish (and sometimes they simply are) the meaningful rituals where generational contents are shared and interpreted, appropriated or contested; they are the stage where the mutual generational representations are acted out (Aroldi 2011, S. 59).
Nicht zuletzt zeigt sich soziales Handeln in Form einer alltäglichen Praxis im Umgang mit Medien (MEDIA 4), welche einer bestimmten Generation
2.2 Sozialisationserfahrungen und Mediennutzung
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gemeinsam ist (z. B. Art und Weise der politischen und sozialen Teilhabe über Medien, Ausbildung medienspezifischer Kompetenzen etc.) (Fromme 2006, S. 13). Daran anschließend lassen sich mit Hepp et al. (2017b, S. 111) Mediengenerationen als Verdichtungen einer Alterskohorte oder mehrerer Alterskohorten definieren „who in their media appropriation share a specific experience space of mediatization and subsequently, based on their personal media biografies, develop a shared self-image as a media generation.“ Das sozialwissenschaftliche Konzept der Mediengeneration(en) lenkt somit den Blick auf die potentielle Bedeutung von Medien für eine generationelle Selbstverortung und die Selbstkonstruktion von Generationen überhaupt. Es ist demnach anzunehmen, dass sich Individuen, die sich einer bestimmten (Medien-) Generation zugehörig fühlen, eher durch gemeinsame Mediennutzungsweisen, medienspezifische Praktiken, Motive und gesuchte Gratifikationen, als durch die Nutzung einer speziellen Technologie (wie einleitend genannte oberflächliche Zuschreibungen vermuten ließen) auszeichnen. In ähnlicher Weise lässt sich vermuten, dass spezifische Rezeptionsweisen, die in einem bestimmten, eine Mediengeneration prägenden, historischen medialen Umfeld erlernt wurden, auch auf deren Umgang mit neueren Medienentwicklungen einwirken (Hepp et al. 2017a, S. 85). So können etwa sowohl digitale Texte als auch klassische audiovisuelle und Printmedien in einer linearen (lineares Lesen von O nline-Nachrichten) oder hypertextuellen Lesart (z. B. Querverweise in einem Buch, schnelles Wechseln von Fernsehsendern) rezipiert werden (Vittadini et al. 2014, S. 77). Dennoch sollte das Generationenkonzept nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch innerhalb einer Generation gravierende Unterschiede in der Nutzung und Aneignung von Medien geben kann (Hepp et al. 2017a, S. 106–107). [G]enerations who are similarily located in the historical process and the technological media landscape need not necessarily develop the same kinds of responses to arriving or existing media due to historical and geo-political circumstance (Bolin 2017, S. 64).
Lepa et al. (2014, S. 211) verweisen außerdem auf die Bedeutung zusätzlicher sozialer Faktoren wie etwa das Milieu, Familientraditionen, Bildung oder Peer Groups, welche zu unterschiedlichen habitualisierten Mediennutzungsweisen beitragen können. Im Sinne Mannheims bietet dies eine Erklärungsmöglichkeit für die Ausbildung verschiedener Mediengenerationseinheiten, die sich trotz ihres gemeinsamen medienspezifischen Genrationszusammenhangs dennoch in ihren Ausdrucksformen und konkreten Medienumgangsweisen widersprechen (oder auch ähneln).
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
2.3 Zwischenbilanz Zusammenfassend wird deutlich, dass trotz der Schwierigkeit, potentielle Medieneffekte im Rahmen von Sozialisationsprozessen genau zu bestimmen, Medien diesbezüglich eine besondere Rolle zukommt. Aus Perspektive unterschiedlicher Disziplinen lässt sich ein Wechselverhältnis zwischen Individuum bzw. Subjekt und der medialen Umwelt festmachen. Im Zentrum jeglicher Sozialisationsprozesse steht das Individuum mit seinen jeweils persönlichen Anlagen und Voraussetzungen wie Alter, Geschlecht, Gender, Persönlichkeitsstruktur und persönliche Ressourcen. Bedeutend für die Persönlichkeitsentwicklung sind die Sozialauseinandersetzung und die Pflege von Beziehungen zu Mitmenschen, die Sachauseinandersetzung und Orientierung in der Welt und schließlich die Selbstauseinandersetzung und das Identitätsmanagement. Darüber hinaus ist das Individuum kontinuierlich mit Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen konfrontiert, die es im Laufe des Aufwachsens und des lebenslangen Aushandlungsprozesses zwischen Individuum und Gesellschaft zu meistern gilt. Bezeichnend für eine zunehmend mediatisierte Gesellschaft ist, dass die Selbstauseinandersetzung nicht mehr lediglich als innerer Dialog stattfindet, sondern über die Präsentation persönlicher Erlebnisse, Gedanken und Erfahrungen über soziale Medien zum Teil auch externalisiert wird. Ebenso erfolgen Sozial- und Sachauseinandersetzung unter anderem auch medienvermittelt bzw. schließen sie zum Teil eine Auseinandersetzung mit Medien ein. So können beispielsweise Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf Medien sowohl im Kontext der Sachauseinandersetzung, als auch über den sozialen Umgang mit Gleichaltrigen erlernt werden und auch die Aushandlung von Bedeutungen, die Medieninhalten beigemessen werden, erfolgt in unterschiedlichen Prozessen der Sozialauseinandersetzung. Genauso entwickeln Heranwachsende im Rahmen der Sachauseinandersetzung und Orientierung in und an ihrer sozialen Umwelt Medienschemata, die es ihnen ermöglichen, Medieninhalte zu verstehen und Medienerlebnisse einzuordnen. Im Kontext des komplexen Phänomens der Medienaneignung und Mediensozialisation erlangt der praktische Sinn des Medienhandelns (siehe Abb. 2.7) zentrale Bedeutung. Die subjektive Sinngebung alltäglichen Handelns ist das Produkt der Auseinandersetzung eines Individuums mit seiner sozialen Umwelt vor dem Hintergrund seiner persönlichen Anlagen im Kontext der Identitätsbildung und Persönlichkeitsentwicklung. Dabei habitualisieren sich zum einen Werte, Normen, persönliche Vorstellungen und Routinen, zum anderen entstehen ausgehend von Erfahrungen und Erlebnissen der alltäglichen Lebensrealität in
2.3 Zwischenbilanz
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Abb. 2.7 Der praktische Sinn des Medienhandelns (eigene Darstellung)
Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt Lebensentwürfe, Lebensziele und -wünsche. Diese Lebensentwürfe, -ziele und -wünsche sowie verinnerlichten Werte, Normen, Vorstellungen und Routinen sind gemeinsam mit Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen im Hinblick auf die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung Grundlage für das alltägliche Handeln eines Individuums und geben diesem Handeln praktischen Sinn. Auf dieser praktischen Sinngebung beruht auch das medienbezogene Handeln (media practices), das ebenso eingebettet ist in alltägliche Routinen und lebensweltliche Zusammenhänge. So entstehen Erwartungen und Handlungsweisen in konkreten Nutzungssituationen und begründen damit spezifische Kommunikationsmodi. Medienhandeln äußert sich darüber hinaus in der Ausbildung von Medienrepertoires als Ergebnis einer habitualisierten Mediennutzung, welche ebenfalls praktischen Sinn erhält aus dem Zusammenspiel von Routinen, Werten, Entwicklungsaufgaben usw. Auch eine persönliche Zuordnung bzw. bewusste Nicht-Zuordnung zu einer Mediengeneration begründet sich in dem alltagspraktischen Sinn, der einer solchen Zuordnung beigemessen wird. Ähnlich erfolgt die Domestizierung von Mediengeräten über den praktischen Sinn, welcher mit deren Nutzung verbunden wird. Das Medienhandeln eines Individuums ist aber kein einseitiger Prozess, sondern
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
wirkt ebenso auf dieses zurück, indem Medienerlebnisse und -erfahrungen, angeeignete Medieninhalte sowie über das Medienhandeln erworbene Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt und zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben herangezogen werden. Medien beeinflussen aber nicht nur Sozialisationsprozesse, sondern umgekehrt prägen Sozialisationserfahrungen auch die Mediennutzung als soziokulturelle Aktivität. Diese Sozialisationserfahrungen passieren in der Relation zu unterschiedlichen Sozialisationsagenten, die wiederum auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen anzusiedeln sind. Die besondere Rolle von Medien sowie die Einordnung ihrer Nutzung und Aneignung innerhalb dieses Wechselverhältnisses zwischen Individuum und sozialer Umwelt sind schwierig zu visualisieren. Aus sozialökologischer Perspektive wird das Wechselverhältnis zwischen Individuum und sozialer Umwelt oft in Anlehnung an Bronfenbrenner (1979) in Form konzentrischer Kreise dargestellt. Livingstone et al. (2015, S. 10) ziehen dieses Modell beispielsweise zur Darstellung unterschiedlicher Einflussfaktoren für den Umgang Heranwachsender mit Chancen und Risiken im Internet heran. In der deutschsprachigen Kinder- und Jugendmedienforschung hat sich – ebenfalls in Anlehnung an Bronfenbrenner – Baackes (1989) medienökologischer Ansatz durchgesetzt. Diese beiden Modelle unterscheiden sich dadurch, dass Bronfenbrenner den Blick für die Wechselbeziehungen zwischen Individuen und verschiedenen Bereichen der Gesellschaft schärft, während Baackes Konzept auf die sozial-räumliche Einordnung dieser Beziehungen fokussiert ist. Beide Ansätze sind allerdings potentiell missverständlich, da sie zum Teil von der, innerhalb der Soziologie verbreiteten Aufteilung in eine gesellschaftliche Mikroebene, auf der das soziale Handeln von Individuen und deren Interaktion mit anderen untersucht wird, eine Mesoebene, die auf Organisationen, Institutionen und Netzwerke fokussiert ist, und eine Makroebene, auf welcher Phänomene wie Gesellschaft, Kultur und Zivilisation analysiert werden, abweichen. Bronfenbrenner unterscheidet zwischen dem Microsystem (zwischenmenschliche Beziehungen in der unmittelbaren Umgebung), dem Mesosystem (Wechselbeziehungen zwischen zwei oder mehreren Microsystemen), dem Exosystem (Lebensbereiche, an denen Heranwachsende nicht aktiv beteiligt sind, die jedoch Einfluss auf ihre Lebenswelt haben), dem Macrosystem (Kultur) und dem Chronosystem (Zeit). Dem gegenüber steht Baackes Ansatz mit einer Unterscheidung in ökologisches Zentrum (Familie), ökologischer Nahraum (Nachbarschaft), ökologische Ausschnitte (funktionsspezifische Orte wie z. B. Schule) und ökologische Peripherie (nur gelegentliche Kontakte wie z. B. Urlaubsort, entferntes Einkaufszentrum etc.).
2.3 Zwischenbilanz
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Dennoch eignen sich beide Ansätze gut, um die Wechselbeziehungen zwischen Individuum und sozialer Umwelt darzustellen und zugleich die darin eingebettete Rolle von Medien zu analysieren. Im Folgenden wird versucht, die Vorteile beider Ansätze zu verbinden (Abb. 2.8). Im Mittelpunkt steht dabei das Individuum mit seinen jeweils spezifischen Entwicklungsaufgaben und Medienumgangsweisen, das sich in ständigem Austausch mit seiner sozialen Umwelt befindet. Baackes sozial-räumliche Differenzierung ermöglicht es besser, bedeutende Sozialisationsagenden wie Familie, Freunde und Gleichaltrige sowie Schule bzw. Kindergarten im Verhältnis zum Individuum anzusiedeln, während
Abb. 2.8 Verhältnis von Individuum und Umwelt aus sozial- und medienökologischer Perspektive (eigene Darstellung)
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Bronfenbrenner den Blick auf gesellschaftliche Kontexte (Macrosystem) sowie jene Lebensbereiche, an denen Heranwachsende nicht aktiv beteiligt sind (Exosystem), lenkt. Die Ebene der ökologischen Peripherie aus Baackes Modell wird dabei vernachlässigt, da sie soziale Räume umfasst, die, wie oben erwähnt, nur selten aufgesucht werden. Zudem verschmilzt diese Ebene über die mobile Mediennutzung zunehmend mit anderen ökologischen Ebenen (z. B. Austausch im Urlaub mit Freundinnen und Freunden von zuhause). Ähnlich wie Bronfenbrenner mit der Einführung des Chronosystems darauf verweist, dass alle Beziehungen zwischen sozialen Systemen sowie alle Entwicklungen innerhalb eines Sozialsystems von der Dimension Zeit überlagert werden, muss heute auch auf die zunehmende Medialisierung und Mediatisierung verwiesen werden. Daher wird das mediale Umfeld als äußerste Ebene dargestellt. Medien überlagern unterschiedliche sozialökologische Ebenen und prägen die Beziehungen und den Austausch zwischen einzelnen Micro- und Mesosystemen. Diese Überlagerung medialer und sozialer Räume führt in weiterer Folge zu einer zunehmenden Verschmelzung zwischen einzelnen ökologischen Zonen, gleichzeitig finden medienvermittelte Interaktionen verstärkt parallel auf mehreren ökologischen Ebenen statt (Abb. 2.9). Die unterschiedlichen ökologischen Ebenen sowie die darin eingebetteten Sozialisationsagenten, allen voran die Familie, Freundinnen und Freunde sowie Abb. 2.9 Überlagerung sozialökologischer Ebenen durch die mediale Umwelt (eigene Darstellung)
2.3 Zwischenbilanz
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Gleichaltrige (siehe Abb. 2.8), stehen in verschiedenen Beziehungen zueinander und haben unterschiedliche Bedeutung im Hinblick auf das Medienhandeln eines Individuums. Gerade für Heranwachsende spielt die gemeinsame Lebensführung in der Familie eine zentrale Rolle. Diese umfasst das Familienklima, familiäre Lebensentwürfe, die gemeinsame Alltagsbewältigung, die Freizeitgestaltung und die damit verbundene (gemeinsame) Mediennutzung, genauso wie allgemeine Erziehung und die Medienerziehung im Besonderen. Die gemeinsame Lebensführung wird geprägt vom sozialen Milieu und der sozialen Lage einer Familie, die wiederum abhängig ist von Bildung, Beruf und Einkommen der Eltern, und beeinflusst wird von gesellschaftlichen Kontexten wie den ökonomischen und politischen Gegebenheiten eines Landes, der sozialen Inklusion und dem Sozialsystem, dem Bildungssystem und kulturellen Besonderheiten wie gesellschaftliche Normen und Werte. Nicht zuletzt gehören auch die technische Infrastruktur und das Mediensystem (z. B. Medienregulierung) zu jenen makrosoziologischen Faktoren, welche die Lebensführung in einer Familie und im Besonderen auch den damit verbundenen Medienumgang beeinflussen. Gleichaltrige und vor allem die Freundinnen und Freunde spielen ebenfalls eine wichtige Rolle für Heranwachsende, da diese zum einen vor ähnlichen Herausforderungen stehen und zum anderen mit denselben Entwicklungsaufgaben und generationellen Besonderheiten bzw. Lagen konfrontiert sind. So werden gemeinsame Interessen geteilt und Bedeutungen – sowohl in Bezug auf Medien und Medieninhalte, aber auch darüber hinaus – ausgehandelt. Darüber werden Medien innerhalb der Gleichaltrigengruppe angeeignet, Medieninhalten Bedeutungen zugeschrieben sowie Fähigkeiten, Fertigkeiten und soziale Normen und Umgangsformen in Bezug auf Medien erlernt. In diesem Zusammenhang spielen Medien ebenso eine besondere Rolle als sogenannte Instrumente der Sozialisation (Schorb 2010, S. 386) beispielsweise im Hinblick auf die Sozialauseinandersetzung und das Beziehungsmanagement über Social Media oder hinsichtlich der Selbstauseinandersetzung und dem Identitätsmanagement in Form einer Selbstdarstellung auf Social Media Plattformen und Aushandlung derselben im Diskurs mit Gleichaltrigen. Andere Sozialisationsinstanzen wie Schule und Kindergarten, Jugendzentren und Freizeiteinrichtungen, Vereine und Glaubensgemeinschaften spielen ebenfalls eine wichtige Rolle in Sozialisationsprozessen. Einerseits finden gerade in diesen ökologischen Ausschnitten intensive Sozialkontakte zu Gleichaltrigen statt. Anderseits werden Heranwachsende in diesen Institutionen ebenso mit schulischen wie außerschulischen Konzepten der Medienerziehung und des Medienumgangs konfrontiert, die wiederum Erwartungen und konkrete Handlungsweisen im Umgang mit Medien beeinflussen.
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2 Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns
Wie die Sozialisation allgemein sind auch Prozesse der Mediensozialisation nicht lediglich ein Privileg von Kindern und Jugendlichen. Erwachsene setzen sich ähnlich mit ihrem sozialen Umfeld auseinander, wenn auch in anderen Abhängigkeitsverhältnissen, wie es etwa bei Heranwachsenden der Fall ist. Hier spielt ebenso die familiäre Mediensozialisation im Hinblick auf habitualisierte Medienumgangsformen eine Rolle; darüber hinaus sind Eltern mit Prozessen reziproker und gegenseitiger (Medien-)Sozialisation durch ihre Kinder konfrontiert. Erwachsene handeln Bedeutungszuschreibungen (z. B. in Bezug auf spezifische Medieninhalte oder Mediengeräte) im Austausch mit Familienmitgliedern, Freundinnen und Freunden sowie anderen Gleichaltrigen (z. B. Arbeitskolleginnen und -kollegen) aus und ordnen sich beispielsweise darüber einer bestimmten Mediengeneration zu.
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Feine Unterschiede im Medienhandeln
Pierre Bourdieus Theorie der sozialen Distinktion, die in zahlreichen Publikationen, vor allem aber in La distinction: critique sociale du jugement (Bourdieu 1979), das vielfach als dessen Hauptwerk betrachtet wird, veröffentlicht wurde, eignet sich in vielerlei Hinsicht zur Erklärung medienbezogenen Handelns. Dies wurde implizit bereits in den vorangegangenen Ausführungen deutlich, da in verschiedenen referierten Ansätzen zur Sozialisationsrelevanz von Medien und Erklärungsversuchen des Medienhandelns (z. B. Aroldi 2011; Hasebrink 2014, S. 20; Meyen und Pfaff-Rüdiger 2009; Paus-Hasebrink und Bichler 2008; Paus-Hasebrink und Kulterer, 2014; Schmidt et al. 2011; Weiß 2000) auf den praktischen Sinn und dessen theoretische Einführung durch Bourdieu (Le sens pratique, 1980) verwiesen wird. Bourdieus Theorie ist aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive unter anderem deshalb attraktiv, weil sich empirische Erkenntnisse der Rezeptions- und Nutzungsforschung, die auf Zusammenhänge zwischen bestimmten Medienpräferenzen und sozialer Herkunft verweisen, damit erklären lassen (Treumann et al. 2002, S. 25–29). Darüber hinaus bietet dieser Ansatz Anknüpfungspunkte für eine Diskussion von Medienkompetenz (Baacke 1999). Wiedemann und Meyen (2013, S. 10) stellen fest, dass Bourdieu in den letzten drei Jahrzehnten zum am häufigsten zitierten Sozialwissenschaftler avanciert ist. Hierbei beziehen sie sich auf dessen Reihung an zweiter Stelle nach Michel Foucault im Thomson Reuters ISI Web of Science Index 2007; damit werden beispielsweise Giddens, Habermas, Weber oder auch Beck deutlich übertroffen. Nevau (2013, S. 74) verweist auf international und interdisziplinär unterschiedliche Rezeptionsweisen, welche Bourdieu entweder als Kultursoziologen, Bildungssoziologen, Anthropologen, oder sogar als Begründer einer Soziologie der Eliten oder des Staates begreifen. Seltener werden Bourdieus Schriften jedoch © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. W. Trültzsch-Wijnen, Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9_3
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3 Feine Unterschiede im Medienhandeln
in der Auseinandersetzung mit Medien und öffentlichen Diskursen herangezogen. Allerdings beschäftigt sich Bourdieu in seinen sozialtheoretischen und kultursoziologischen Arbeiten sehr wohl mit Fragen der Sprache und Kommunikation, mit verschiedenen Formen der Rezeption medialer und pädagogischer Botschaften, sowie kultureller Güter im weitesten Sinne (zu denen auch Medien gehören) (Neveu 2013, S. 78). Er versteht Medien bzw. die Mediennutzung als ein Mittel zur bzw. Indikator für soziale Distinktion, auch wenn diese nicht primär im Zentrum seiner Analysen stehen (Beck et al. 2013, S. 234). Barberi (2013, 2014a, b, c) hat dies aus medienwissenschaftlicher Perspektive aufgearbeitet und versteht Bourdieus Bildungssoziologie als praxeologische Medientheorie. Wiedemann und Meyen (2013, S. 11) können in einer Analyse der kommunikationswissenschaftlichen Forschung international unterschiedliche Herangehensweisen an Bourdieus Theoriekorpus feststellen, die von einer zögerlichen Auseinandersetzung bis hin zu fachlichen Moden reichen. Gründe dafür liegen in verschiedenen Schwerpunktsetzungen, die angefangen von einer eher psychologischen Ausrichtung bis hin zu unterschiedlichen soziologischen und sozialphilosophischen Strömungen reichen (Wiedemann und Meyen 2013, S. 11). Vor allem im angloamerikanischen Raum gewinnen Bourdieus Schriften innerhalb kommunikationswissenschaftlicher Diskurse zunehmend an Bedeutung. Park (2014, S. 2) hebt diesbezüglich die Arbeiten von Benson und Neveu (2005) in der Journalismusforschung, Hesmondhalgh (2006, 2012) im Bereich der Medienproduktion, Thompson (1995, 2012) in der Auseinandersetzung mit symbolischer Macht und Mediensystemen sowie Couldry (2016; Couldry et al. 2010) im Hinblick auf das praktische Medienhandeln als besonders wegweisend hervor.
3.1 Sozialer Raum, Habitus und Distinktion bei Pierre Bourdieu Bourdieus (1980, S. 43–50) Ansatz der sozialen Praxis, mit der Konzeption des Habitus als zentrale Kategorie, entstand vor allem als Kritik an bis dahin die Soziologie dominierenden und primär auf materielle Ressourcen fokussierten, Klassen- und Schichttheorien und bedeutet eine Abkehr von der Vorstellung von sozialem Handeln als Resultat bewusster Entscheidungen und des Befolgens von Regeln (Krais und Gebauer 2013, S. 5). Er begreift Kapital nicht lediglich als ökonomische Größe, sondern führt auch soziale und kulturelle Ressourcen als Kapitalformen ein, welche die soziale Lage von Gruppen und Individuen
3.1 Sozialer Raum, Habitus und Distinktion bei Pierre Bourdieu
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bestimmen. Ferner geht Bourdieu nicht von einem vertikal angelegten Modell sozialer Lagen aus, sondern erweitert dieses mit der Einführung des sozialen Raumes, in welchem sich verschiedene soziale Positionen anhand der unterschiedlichen Verteilung sozialen, kulturellen und ökonomischen Kapitals bestimmen lassen. Das Konzept des sozialen Raumes entwickelt er in Anlehnung an und zugleich als Kritik der Marx’schen Klassentheorie sowie in Anknüpfung an Webers Überlegungen zur Lebensführung, indem er den Fokus auf die Lebensstile unterschiedlicher sozialer Milieus und im Besonderen auf deren soziale Praxis im Umgang mit Kultur und Bildung lenkt (Krais und Gebauer 2013, S. 9–10). Damit ist eine spezifische Vorstellung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft bzw. zwischen der sozialen Lage, damit verbundener Lebenschancen und einer diesbezüglich individuellen Art, die Welt wahrzunehmen und zu handeln, verbunden (Carnicer 2017, S. 29). Habitus begreift Bourdieu als ein “sozial konstituiertes System von strukturierten und strukturierenden Dispositionen, das durch Praxis erworben wird und konstant auf praktische Funktionen ausgerichtet ist” (Bourdieu und Wacquant 1996, S. 154). Der Habitus eines Individuums ist das Ergebnis vorangegangener Erfahrungen, die sich in Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata niederschlagen. Diese bestimmen die Wahrnehmung und Beurteilung der sozialen und gegenständlichen Welt und strukturieren individuelles sowie kollektives Handeln (Carnicer 2017, S. 33). Der Habitus ist jedoch kein starres Konstrukt, sondern durchweg veränderbar. Allerdings erfolgen derartige Veränderungen nur langsam, was Bourdieu als Hysteresis bzw. Trägheit des Habitus bezeichnet, welche dazu führen kann, dass Individuen oder soziale Gruppen über einen Habitus verfügen, der gewandelten, neuen gesellschaftlichen Verhältnissen, nicht mehr gerecht wird. Mit diesem Phänomen setzt er sich eingehend am Beispiel der kabylischen Landbevölkerung auseinander (Bourdieu 1972; Krais und Gebauer 2013, S. 18–22; Schultheis 2013). Diese hatte weitgehend eine vorkapitalistische Wirtschaftsform verinnerlicht, als sie mit dem utilitaristischen Wirtschaftsmodell moderner, westlicher Gesellschaften konfrontiert wurde. In ihrem Habitus zeigt sich die inkorporierte Vergangenheit bzw. das Wertesystem basierend auf den materiellen Lebensverhältnissen einer vorkapitalistischen Gesellschaft als strukturierte Struktur des Habitus (Bourdieu 1977). Anders als Weber führt Bourdieu somit den Habitus oder die innere Einstellung nicht auf religiöse Dogmen, sondern auf reale Lebensverhältnisse und Existenzbedingungen zurück (Krais und Gebauer 2013, S. 22). Bourdieus Übersetzung von Panofskys (1952; franz. durch Bourdieu 1967) Studie über Gothic Architecture and Scholasticism ist ebenso bedeutend für die Entwicklung des Habitus-Konzepts (Bourdieu 1974, S. 125–158; Schumacher
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3 Feine Unterschiede im Medienhandeln
2013). Panofsky übernahm den Habitusbegriff von Thomas von Aquin, der diesen als „dauerhafte Anlage eines Dinges zu etwas“ (Krais und Gebauer 2013, S. 26) bezeichnet und als Mittler zwischen reiner Potenz und reiner Handlung definiert. Thomas von Aquin greift dabei wiederum auf Aristoteles zurück, welcher im Gegensatz zu Platon die Bedeutung der Erfahrung, der Gewöhnung und der praktischen Erinnerung für das menschliche Handeln hervorhebt. Erfahrung entsteht demgemäß aus wiederholten Erinnerungen und befähigt sowohl zu praktischem Können, als auch zur Einsicht über die Praxis dieses Könnens. Aus der Erfahrung, die in einzelnen Handlungen gewonnen wird, entwickelt sich im Sinne Aristoteles der Habitus (griechisch hexis). Dies übernimmt Thomas von Aquin, wenn er zwischen unterschiedlichen Habitus differenziert und diese anhand daraus hervorgehender Tätigkeiten beschreibt. Das bedeutet, dass der Habitus eines Individuums anhand dessen Handlungen rekonstruiert werden kann (Krais und Gebauer 2013, S. 26–29). Panofsky erkennt darauf aufbauend in seiner kunsttheoretischen Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Architektur und Wissenschaft eine grundlegende Haltung, als Kollektivum einer Kultur, welche unterschiedlichen künstlerischen Produktionen einer bestimmten Epoche eine stilistische Einheit verleiht. Dies bietet Bourdieu Ansatzpunkt und Grundlage zur Definition des Habitus nicht nur als strukturierte, sondern auch als strukturierende Struktur (Krais und Gebauer 2013, S. 23–24). Den Habitus als strukturierende Struktur beschreibt Bourdieu (1974, S. 125– 158) in kritischer Anknüpfung an Chomskys Ansatz der generativen Grammatik (siehe Abschn. 3.1.2) auch als generatives Prinzip, indem er ihn als Grundlage der Fähigkeit eines Individuums begreift, sich – gleich dem Verhältnis von sprachlicher Äußerung und Grammatik – in Übereinstimmung mit gesellschaftlichen Regeln zu verhalten. Allerdings geht er nicht von einem System angeborener generativer Strukturen aus, das, wie in Chomskys Universalgrammatik, zu unendlich vielen grammatikalisch korrekten Äußerungen befähigt, sondern begreift die als Habitus verinnerlichte Verhaltensgrammatik als Produkt jener Erfahrungen, die ein Individuum von frühester Kindheit an in seiner sozialen Umwelt macht. Der Habitus als eine in diesem Sinne strukturierende Struktur ermöglicht es, in allen möglichen Situationen – sowohl im Hinblick auf die Situation als auch auf das handelnde Subjekt – adäquat zu handeln (Lenger et al. 2013, S. 19). Im Gegensatz zu Chomsky geht Bourdieu aber nicht von einer Grammatik als starre Struktur aus, sondern betont die Produktion der Struktur durch die Subjekte selbst. Gesellschaftliche Regeln sind demgemäß weder unveränderlich, noch abstrakt, sondern eng verbunden mit der gesellschaftlichen Tätigkeit der Subjekte. Die damit zusammenhängende soziale Ordnung wird entsprechend erst über das Handeln der Individuen wirksam (Krais und Gebauer 2013, S. 31–35).
3.1 Sozialer Raum, Habitus und Distinktion bei Pierre Bourdieu
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The habitus is not only a structuring structure, which organizes practices and the perception of practices, but also a structured structure: the principle of division into logical classes which organizes the perception of the social world is itself the product of internalization of the division into social classes (Bourdieu 1986, S. 170).
In seinen Auseinandersetzungen mit der sozialen Ordnung schließt Bourdieu zunächst an die marxistische Vorstellung der Klassengesellschaft an, geht aber insofern darüber hinaus, als er, mit Blick auf das Alltagshandeln und die soziale Praxis, die Klassenlage mit der alltäglichen Lebensführung verknüpft (Eder 2013). Die von Bourdieu konzipierte doppelte Funktion des Habitus als strukturierende und strukturierte Struktur kann damit sowohl als Handlungstheorie als auch als Struktur- bzw. Gesellschaftstheorie verstanden werden. Das Konzept des Habitus lässt sich als dispositionale Handlungstheorie formulieren, die davon ausgeht, dass frühe Sozialisationsinstanzen und spezifische Existenzbedingungen, die Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata eines Individuums bereits ab der frühsten Kindheit konditionieren. Daraus folgt, dass Individuen basierend auf diesen Primärerfahrungen in bestimmten Sozialräumen über eine Grundsicherheit (Handlungswissen, praktischer Sinn) verfügen (Bourdieu 1980, S. 87–110), die sie wie selbstverständlich sich darin bewegen lässt; während dies in Sozialräumen, welche weniger Nähe zum sozialen Umfeld der frühen Sozialisation haben, nicht im selben Maße gegeben ist. Eine strukturund gesellschaftstheoretische Funktion kommt dem Konzept des Habitus insofern zu, als es der Reproduktion materieller und sozialer Lebensverhältnisse dient, indem sich die historischen Bedingungen der Erzeugung sozialer Strukturen in den psychischen Dispositionen der Subjekte verankern. Soziale Handlungsfelder basieren in der Argumentation Bourdieus auf gesellschaftlichen Strukturen und rahmen das individuelle Handeln der Subjekte (Bauer und Bittlingmayer 2014, S. 63–64). Im Mittelpunkt seiner Analysen stehen diesbezüglich soziale Differenzen, die auf ungleich verteiltem ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital basieren. Individuen unterscheiden sich sowohl anhand der absoluten Menge sowie der Kombination dieser Kapitalien; des Weiteren ist für eine Verortung im sozialen Raum ebenso die relative Stellung der Subjekte zueinander von Bedeutung. Den sozialen Raum entwirft Bourdieu als ein Koordinatensystem basierend auf der unterschiedlichen Verteilung der einzelnen Kapitalien (Bourdieu 1979/1982, S. 171–209; 355–404). Das heißt, er erweitert den soziologischen Blick von einer rein vertikalen auf eine mehrdimensionale Perspektive. Er versteht damit unter Klassenzugehörigkeit kein äußeres Merkmal, sondern eine Summe von Dispositionen, die in den Köpfen und Körpern der Subjekte
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3 Feine Unterschiede im Medienhandeln
inkorporiert ist und sich in deren sozialem Handeln ausdrückt (Bremer 2008, S. 1532). Nähe und Distanz verschiedener sozialer Lagen resultieren in ähnlichen Lebensbedingungen, was wiederum zu ähnlichen Dispositionen, Interessen und sozialen Praktiken bzw. einem ähnlichen Habitus führt (Carnicer 2017, S. 30). Den Begriff des sozialen Feldes führt Bourdieu zur Beschreibung von Beziehungen zwischen den Positionen von Individuen und Institutionen innerhalb des sozialen Raumes ein. Soziale Felder wie etwa die Kunst oder die Wissenschaft versteht er als relativ autonome Bereiche, in denen jeweils eigene Regeln und Gesetzmäßigkeiten gelten. Die daraus entstehende innere Dynamik sozialer Felder beschreibt Bourdieu als Kampf oder Spiel einzelner Akteure in Konkurrenz um möglichst gute Positionen. Dabei geht es um den Einsatz unterschiedlicher Kapitalien, deren Wert je nach sozialem Feld variiert (Carnicer 2017, S. 31–32). Innerhalb eines sozialen Feldes wirken unterschiedliche Kräfte, welche sich anhand verschiedener Pole beschreiben lassen. Für die „Spieldynamik“ ist dabei auf horizontaler Ebene die Mischung unterschiedlicher Kapitalien, über die ein Akteur verfügt, von Bedeutung, während es auf vertikaler Ebene auf die Gesamtsumme des akkumulierten Kapitals, welche zur Ausübung von Macht und Herrschaft befähigt, ankommt (Beck et al. 2013, S. 236). Der Vorteil der Einführung des Feldbegriffs ist, dass soziale Beziehungen und potentielle Möglichkeiten für alltagspraktisches Handeln als relational gedacht werden (Park 2014, S. 7). Individuen bewegen sich kontinuierlich in verschiedenen sozialen Feldern, in denen sie unterschiedliche soziale Positionen innehaben. Als illusio bezeichnet Bourdieu den verinnerlichten Glauben an das jeweilige Spiel und dessen Regeln innerhalb eines sozialen Feldes. Bourdieu interessiert sich aber nicht nur für die aktuelle Positionierung der Individuen im sozialen Raum, sondern auch für deren soziale Laufbahn (trajectoire; z. B. in Bourdieu 1980, S. 101, 331; 1984, S. 14–15; Bourdieu und Passeron 1968, S. 247) und die Frage des sozialen Auf- oder Abstiegs. Schließlich richtet er sowohl theoretisch als auch empirisch seinen Blick darauf, inwiefern unterschiedliche Positionen im sozialen Raum sowie deren Relationen zueinander als Unterschiede in der alltäglichen Lebensführung zutage treten: Unterschiede des Geschmacks (Bourdieu und De Saint Martin 1976) und der Sichtweise der sozialen Welt erhalten damit ihren Sinn in der sozialen Praxis, in welcher als soziale Distinktion Unterscheidungen erst getroffen und bewertet werden (Bourdieu 1979/1982, S. 405–619, 756–783). Die Praxiswelt, die sich im Verhältnis zum Habitus als System kognitiver und motivierender Strukturen bildet, ist eine Welt von bereits realisierten Zwecken, Gebrauchsanleitungen oder Wegweisungen, und von Objekten, Werkzeugen oder
3.1 Sozialer Raum, Habitus und Distinktion bei Pierre Bourdieu
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Institutionen, die nach Husserl mit einem »dauerhaft teleologischen Charakter« ausgestattet sind. Dies, weil die einer (im Sinne von Saussure oder Mauss) willkürlichen Bedingung innewohnenden Regelmäßigkeiten deswegen eher als notwendig bzw. natürlich erscheinen, weil sie den Wahrnehmungs- und Beurteilungsschemata zugrunde liegen, mit denen sie erfaßt werden (Bourdieu 1987, S. 100).
Durch Sozialisation erworbene und über den Habitus verinnerlichte Prinzipien der Klassifikation, Unterscheidung, Bewertung und letztendlich des Denkens und Handelns zeigen sich in der Praxis alltäglicher Lebensführung und verweisen über Besitztümer, Statussymbole, Titel, Vorlieben, Einstellungen und dergleichen auf die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen sozialen Gruppe (Krais und Gebauer 2013, S. 35–37; Bourdieu 1979/1982, S. 25–27). Kurz, als Erzeugnis einer bestimmten Klasse objektiver Regelmäßigkeiten sucht der Habitus die »vernünftigen« Verhaltensweisen des »Alltagsverstandes« zu erzeugen, und nur diese, die in den Grenzen dieser Regelmäßigkeiten möglich sind und alle Aussicht auf Belohnung haben, weil sie objektiv der Logik angepaßt sind, die für ein bestimmtes Feld typisch ist, dessen objektive Zukunft sie vorwegnehmen. Zugleich trachtet der Habitus, »ohne Gewalt, List oder Streit« alle »Dummheiten« (»so etwas tut man nicht«), also alle Verhaltensweisen auszuschließen, die gemaßregelt werden müssen, weil sie mit den objektiven Bedingungen unvereinbar sind (Bourdieu 1987, S. 104; Hervorhebungen im Original).
Damit zeigt Bourdieu wie kulturelle Bedürfnisse und Praktiken in Zusammenhang mit der sozialen Herkunft sowie der formalen, non-formalen und informellen Bildung und Erziehung zu betrachten sind und unterscheidet beispielsweise im Hinblick auf den Umgang mit Kunst den legitimen vom populären Geschmack, der an elementaren, ökonomischen Zwängen und Notwendigkeiten verhaftet bleibt und (im Gegensatz zum legitimen Geschmack) nicht zu einer, als soziale Praxis erlernten, distanzierten und auf den ästhetischen Charakter eines Kunstwerks fokussierten, Betrachtungsweise fähig ist (Bourdieu 1979/1982, S. 405–499). Er illustriert dies unter anderem anhand der gesellschaftlichen Definition der Fotografie (Bourdieu 1983, S. 85–109; siehe auch P. Bourdieu und M.C. Bourdieu 1965). Ähnliche materielle Existenzbedingungen und Kontexte der sozialen Umwelt führen zu ähnlichen Formen der alltäglichen Lebensführung bzw. des Lebensstils, welcher in der äußeren Erscheinung, in Moralvorstellungen sowie ästhetischem Empfinden und kulturellen Praktiken zutage tritt (Krais und Gebauer 2013, S. 35–37). Soziale Unterschiede werden damit im Streben nach Distinktion symbolisch markiert. Bourdieu bezeichnet dies als Klassenhabitus, wobei er als Klasse eine Gruppe von Akteuren versteht, die eine ähnliche Position im
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sozialen Raum haben (Carnicer 2017, S. 33). Der in dieser Weise konzipierte Klassenhabitus fungiert somit als Bindeglied zwischen der Klassenlage und ihren objektiven Existenzbedingungen sowie der klassenspezifischen Lebensführung. [I]ndem im Habitus die Vergangenheit des Individuums fortwirkt, die den Habitus gestaltet und geformt hat, bringt er Orientierungen, Haltungen, Handlungsweisen hervor, die die Individuen an den ihrer Klasse vorgegebenen sozialen Ort zurückführt – sie bleiben ihrer Klasse verhaftet und reproduzieren sie in ihren Praxen (Krais und Gebauer 2013, S. 43).
Der Habitus eines Individuums ist damit immer auch eine spezielle Abwandlung des Habitus einer bestimmten sozialen Gruppe (Lenger et al. 2013, S. 22), welcher vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher und historischer Umstände jene Verhaltens- und Wahrnehmungsweisen hervorbringt, die dem betreffenden Milieu entsprechen und aus dessen Perspektive (im Sinne einer Distinktion von anderen Milieus) als angemessen erachtet werden. Ebenso ist es um das Verhältnis bestellt, in dem die Vertreter der verschiedenen sozialen Klassen zu diesem oder jenem „Kulturgut“ stehen, um die Bedeutung, die sie dieser oder jener Betätigung beimessen, die als „vulgär“ oder „distinguiert“, „vornehm“ oder „ungewöhnlich“ gilt (Bourdieu 1974, S. 20).
Damit werden im aktuellen Handeln eines Individuums (als Angehörige oder Angehöriger einer bestimmten sozialen Gruppe) jene sozialen Verhältnisse reproduziert, unter denen der jeweilige Habitus der betreffenden Klasse bzw. des sozialen Milieus erworben wurde. Das heißt, der durch gesellschaftliche Strukturen konditionierte Habitus erzeugt unter Einsatz verschiedener Kapitalsorten soziale Praktiken, welche die ursprünglichen gesellschaftlichen Strukturen abbilden, die wiederum den Habitus bestimmen. Diese Dialektik zwischen Habitus und sozialem Feld als Korrespondenz zwischen gesellschaftlichen Strukturen, mentalen Schemata, als Verinnerlichung sozialer Verhältnisse, und individuellem Handeln bilden den Kern von Bourdieus Überlegungen (Carnicer 2017, S. 34). Bourdieus Theorie lässt sich durchweg mit empirischen Erkenntnissen der heutigen Sozialpsychologie untermauern. So setzen sich beispielsweise Chen et al. (2015) ebenfalls mit dem Zusammenhang von Kultur und Sozialisation auseinander. Dies allerdings weniger aus Perspektive sozialer Milieus innerhalb einer Gesellschaft, sondern aus Perspektive der Unterschiede zwischen der Kultur des Global North (ökonomisch wohlhabende Staaten in Europa und Nordamerika) und Kulturen des Global South in Afrika, Asien sowie Zentral- und Mittelamerika
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im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen kultureller bzw. gesellschaftlicher Einflüsse und persönlicher Entwicklung. In Bourdieus Worten geht es dabei um die Relationen zwischen gesellschaftlichen Strukturen und individuellem Handeln, welche in verschiedenen Kulturen zu unterschiedlichen Ausprägungen des Habitus führen. Based on socioecological and sociocultural theories, X. Chen (2012) proposed a contextual-developmental perspective that stresses social interaction as a context for human development. This perspective indicates that parents and other socialization agents, particularly peers from middle childhood onward, evaluate and respond to children’s behaviors in interactions according to culturally based social expectations and standards. Adults’ and peers’ evaluations and responses during interaction in turn serve to regulate the development of behaviors. The valuation and regulation processes during social interaction constitute a major mechanism of cultural influence on development (Chen et al. 2015, S. 454).
3.1.1 Zur Relation unterschiedlicher Kapitalien Bourdieu (1983)1 begreift Kapital als eine Form sozialer Energie, „die ihrem eigenen Erhaltungsprinzip folgt“ (Carnicer 2017, S. 28) und sieht ökonomische Kräfte als treibenden Motor gesellschaftlicher Machtverhältnisse und sozialer Ordnung. Allerdings unterscheidet er neben dem ökonomischen ebenso zwischen einem kulturellen und einem sozialen Kapital; die Summe und unterschiedliche Verteilung dieser Kapitalien betrachtet er als Grundlage für die Ausprägung milieuspezifischer Besonderheiten und damit verbundener sozialer Unterschiede. Das kulturelle Kapital lässt sich in etwa mit dem deutschen Begriff der Bildung gleichsetzen. Bourdieu verweist explizit auf den deutschen Terminus, um die Weitergabe kulturellen Kapitals innerhalb der Familie und die damit verbundene ungleiche Verteilung von Bildungschancen sowie die Reproduktion sozialer Ungleichheit durch das System Schule zu unterstreichen. Er analysiert das kulturelle Kapital auf drei Ebenen: Das inkorporierte kulturelle Kapital zeigt
1Wenn nicht anders ausgewiesen, beziehen sich die Ausführungen zur Relation unterschiedlicher Kapitalien auf Bourdieus Originalbeitrag „Ökonomisches Kapital – Kulturelles Kapital – Soziales Kapital“, welcher 1983 in dem von Reinhard Kreckel herausgegebenen Sonderband „Soziale Ungleichheiten“ der Zeitschrift Soziale Welt erschien. Der Beitrag wurde von Richard Nice ins Englische übersetzt und erschien 1986 unter dem Titel „The Forms of Capital“ im Handbook of Theory and Research for the Sociology of Education (ed. Richardsen 1986).
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sich in Form dauerhafter Dispositionen des Organismus als akkumulierte Kultur bzw. Bildung, während das objektivierte kulturelle Kapital in kulturellen Gütern wie etwa Büchern, Bildern und Musikinstrumenten sichtbar wird. Besondere Bedeutung erlangt es in seiner institutionalisierten Form als Schulabschlüsse und universitäre Titel, welche als Zertifikate für den Besitz inkorporierten kulturellen Kapitals jenen Subjekten, die darüber verfügen, besondere Eigenschaften zuschreiben. Der Erwerb kulturellen Kapitals ist grundsätzlich körpergebunden, er setzt einen Verinnerlichungsprozess im Sinne von Bildungsarbeit voraus, die persönlich als Aufwendung von Zeit und Entbehrungen investiert werden muss. Das verinnerlichte kulturelle Kapital wird darüber zum Bestandteil eines Individuums und verfestigt sich in dessen Habitus.2 Inkorporiertes kulturelles Kapital ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht kurzfristig (z. B. im Tausch gegen ökonomisches Kapital) erworben, wohl aber (bis zu einem gewissen Grade) in Form familiärer Erziehung und Sozialisation sozial vererbt werden kann. Die damit einhergehenden ungleichen Startbedingungen zu Beginn einer schulischen Karriere bzw. die darauf beruhende ungleiche Verteilung von Bildungschancen ist Bourdieus zentrales Argument hinsichtlich einer Reproduktion sozialer Ungleichheit durch das System Schule (Bourdieu 1979/1982, S. 18–18). Auch die Primärerziehung in der Familie muß in Rechnung gestellt werden, und zwar je nach dem Abstand zu den Erfordernissen des schulischen Marktes entweder als positiver Wert, als gewonnene Zeit und Vorsprung, oder als negativer Faktor, als doppelt verlorene Zeit, weil zur Korrektur der negativen Folgen nochmals Zeit eingesetzt werden muß (Borudieu 1983, Hervorhebungen im Original).
Die diesbezügliche Bedeutung des kulturellen Kapitals verstärkt sich dadurch, dass neben einem unterschiedlichen Vermögen zu dessen Weitergabe innerhalb der Familie, auch nicht jede Familie über das ökonomische Kapital verfügt, Kindern eine Bildung über die Mindestschulzeit hinaus zu ermöglichen. Ungleiche Bildungschancen basieren nicht nur auf unterschiedlichen Startbedingungen bzw. Anstrengungen, die zu einem entsprechenden Ausgleich unternommen werden müssen, sondern auch auf der, durch familiäre Sozialisation
2Bourdieu
(1974, S. 41) merkt an, dass der Begriff der Bildung im Sinne von culture jenem des Habitus vorzuziehen wäre, weist aber zugleich darauf hin, dass dieser bereits mehrfach anderwärtig belegt ist, wodurch eine Gleichsetzung von Bildung und Habitus zu Missverständnissen führen würde.
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erworbenen und als Disposition des Habitus inkorporierten, Fähigkeit, den kulturellen Anforderungen eines lang andauernden Aneignungsprozesses von kulturellem Kapital gerecht zu werden. Im Gegensatz zu seiner inkorporierten Form lässt sich objektiviertes kulturelles Kapital in Form materieller Träger (z. B. Bücher, Gemälde etc.) übertragen und auch im Tausch gegen ökonomisches Kapital erwerben. Was mit einem derartigen Erwerb kultureller Güter allerdings nicht verbunden ist, ist die Kunst deren Aneignung (z. B. das Lesen und Verstehen von Büchern und die Rezeption bzw. Interpretation von Gemälden), die wiederum Teil des inkorporierten kulturellen Kapitals ist. So eröffnet beispielsweise ein Klavier als dekoratives Möbelstück zu besitzen noch nicht die Fähigkeit, dieses Instrument zu beherrschen und ihm Musik zu entlocken. In seiner Institutionalisierung in Schulabschlüsse und Titel wird kulturelles Kapital objektiviert. Titel schaffen einen Unterschied zwischen dem kulturellen Kapital des Autodidakten, das ständig unter Beweiszwang steht, und dem kulturellen Kapital, das durch Titel schulisch sanktioniert und rechtlich garantiert ist […]. Der schulische Titel ist ein Zeugnis für kulturelle Kompetenz, das seinem Inhaber einen dauerhaften und rechtlich garantierten konventionellen Wert überträgt. […] [unabhängig, CTW] von dem kulturellen Kapital, das dieser tatsächlich zu einem angegebenen Zeitpunkt besitzt (Bourdieu 1983).
Das soziale Kapital bezieht sich auf das Netz sozialer Beziehungen, über die ein Individuum in Form von Zugehörigkeiten zu bestimmten sozialen Gruppen verfügt. Diese Beziehungen beruhen auf gegenseitiger Anerkennung und können mehr oder minder institutionalisiert sein. Für den Wert des sozialen Kapitals ist jedoch von Bedeutung, inwiefern aus diesen Beziehungen und Gruppenzugehörigkeiten (z. B. Partei, Verein, Alumi-Club einer Schule oder Hochschule) symbolische und materielle Profite im Sinne dauerhafter nützlicher Verbindungen, Verpflichtungen und Gefälligkeiten gezogen werden können. Dabei ist sowohl die Dichte des Beziehungsnetzes als auch das ökonomische, kulturelle und soziale Kapital jener Personen, mit denen man auf diese Weise verbunden ist, von Bedeutung. Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe erfordert eine minimale Homogenität bezüglich des Kapitalbesitzes seiner Mitglieder und ermöglicht diesen zugleich eine Art sozialer Kreditwürdigkeit als Mitglied der betreffenden Gruppe. Für den Aufbau und den Erhalt des sozialen Kapitals bedarf es Beziehungsarbeit, die sowohl eine Aufwendung von Zeit (z. B. für ein Treffen) als auch die Investition von ökonomischem Kapital (z. B. gemeinsamer Restaurantbesuch, Geburtstagsgeschenk etc.) erfordert.
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Sowohl kulturelles als auch soziales Kapital können von einer Generation an die nachfolgende vererbt werden, allerdings ist diese Form der Vererbung im Gegensatz zur Vererbung ökonomischen Kapitals nicht unmittelbar möglich, sondern erfordert zumeist einen längeren Prozess der Aneignung kultureller Fähigkeiten oder der Festigung sozialer Beziehungen. Da die Weitergabe des kulturellen und sozialen Kapitals zumeist im Verborgenen erfolgt und die Natur kultureller Fähigkeiten oder sozialer Beziehungen als Kapital oft verdeckt bleibt, bezeichnet Bourdieu dies auch als symbolisches Kapital oder als symbolische Macht, welche besonders in jenen sozialen Feldern, in denen das ökonomische Kapital von geringerer Bedeutung ist, zum Tragen kommt. Eine Kapitalsorte verwandelt sich dann in symbolisches Kapital, wenn sie innerhalb eines sozialen Feldes (symbolische) Macht erhält, welche darauf beruht, dass ihre Legitimität oder die Zufälligkeit des Erwerbs als selbstverständlich gilt, also mit Bourdieus Worten „verschleiert“ und nicht mehr hinterfragt wird (Beck et al. 2013, S. 238). Bourdieu geht des Weiteren davon aus, dass das ökonomische Kapital dem kulturellen und sozialen Kapital zugrunde liegt, jedoch nie eins zu eins umgewandelt werden kann; dafür ist Transformationsarbeit nötig, die häufig in Form aufgewendeter Zeit (für Beziehungsarbeit oder für die Aneignung kulturellen Kapitals) oder eines Wertverlusts zu investieren ist. Diese Transformationsarbeit dient nach Bourdieu der Verschleierung der Dominanz des ökonomischen Kapitals im Rahmen dieser Umwandlungsprozesse, welche der meritokratischen Legitimation ökonomischer Unterschiede und sozialer Ungleichheiten dienen, indem beispielsweise „das je nach Schicht unterschiedlich vorhandene kulturelle Kapital als Begabung und Kompetenz neutralisiert wird“ (Carnicer 2017, S. 29).
3.1.2 Bildung als soziales (Spiel-)Feld Wie bereits erwähnt, versteht Bourdieu soziale Felder als durch Machtstrukturen geprägte gesellschaftliche Teilbereiche, in denen sich die Konkurrenz zwischen verschiedenen sozialen Akteuren zeigt, und beschreibt diese als ein Spiel um Macht und Einfluss. Um mitspielen zu können, bedarf es der Identifikation mit dem Spiel sowie des Verständnisses der Spielregeln und der Logik des Spiels (Bourdieu 1980). Spielerfahrung und verinnerlichte Spielregeln äußern sich wiederum als Teil des Habitus (Krais und Gebauer 2013, S. 58–60). Auch im Feld der Bildung erweist sich ein Verständnis der Spielregeln als verinnerlichtes kulturelles Kapital und eine Einsicht in die Logik des Spieles, wie etwa in die Institutionalisierung von Bildung durch die Vergabe von Zeugnissen,
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chulabschlüssen und Titeln, von strategischem Vorteil im kontinuierlichen Spiel S um Macht und Einfluss (z. B. in der Durchsetzung legitimer Bildungsziele). Dies steht im Zentrum von Bourdieus Bildungssoziologie, in welcher er aufzeigt, dass das Bildungssystem keineswegs zur Kompensation sozialer Ungleichheit, sondern zur Reproduktion ungleicher gesellschaftlicher Verhältnisse beiträgt. Damit kritisiert er zugleich andere soziologische und bildungswissenschaftliche Ansätze: Diese Theorien, die, wie wir bei Durkheim sehen, die Vorstellung der Kultur und der bei den Ethnologen am weitesten verbreiteten kulturellen Übermittlung nur auf Klassengesellschaften übertragen, gründen auf dem stillschweigenden Postulat, daß die verschiedenen PA [pädagogischen Aktionen, CTW], die in einer sozialen Formation zum Zuge kommen, harmonisch zur Reproduktion eines kulturellen Kapitals beitragen, das als ungeteiltes Eigentum der gesamten »Gesellschaft« betrachtet wird. In Wahrheit haben diese PA aufgrund der Tatsache, daß sie den materiellen und symbolischen Interessen der bezüglich der Kräfteverhältnisse unterschiedlich orientierten Gruppen oder Klassen entsprechen, stets die Tendenz, die Struktur der Verteilung des kulturellen Kapitals unter diesen Gruppen oder Klassen zu reproduzieren und gleichzeitig zur Reproduktion der Sozialstruktur beizutragen: denn tatsächlich konstituieren die Marktgesetzte, in denen sich der ökonomische oder symbolische Wert, d. h. der Wert als kulturelles Kapital, der von den verschiedenen PA reproduzierten Willkür und damit der Produkte dieser PA (erzogene Individuen), herausbildet, einen der je nach den Typen der sozialen Formation mehr oder weniger determinierenden Mechanismen, durch welche die soziale Reproduktion gesichert ist, eine Reproduktion, die sich als solche der Struktur der Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen definiert (Bourdieu und Passeron 1973, S. 20–21).
Die Beschreibung dieser Reproduktion sozialer und kultureller Ungleichheiten nimmt in seinen Schriften einen großen Raum ein, weshalb sie von Kritikern und Kritikerinnen zum Teil als reine Reproduktionssoziologie abgewertet wird. Bourdieu wehrt sich jedoch vehement gegen eine derartige Verkürzung seiner soziologischen Theorie, in der er gerade durch die Fokussierung auf verborgene Mechanismen der Reproduktion gesellschaftlicher Strukturen, Möglichkeiten zu einer Realisierung von Chancengleichheit abseits scheinbarer Gleichberechtigung, welche lediglich ökonomische Unterschiede im Blick hat (gleicher Zugang zu Bildungsinstitutionen), oder „Begabungsideologien“, die unterschiedliche schulische Leistungen lediglich auf verschiedene Begabungen und Lernbereitschaft reduzieren (und unterschiedliche milieuspezifische Voraussetzungen ignorieren), aufzeigen will (Bremer 2008, S. 1528–1530, Bauer et al. 2014, S. 13–14).
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In Les hériters. Les édtudiants et la culture (Bourdieu und Passeron 1964) und La reproduction. Élements pour une theorie du système d’enseignement (Bourdieu und Passeron 1970) analysiert Bourdieu gemeinsam mit Passeron, wie sich soziale Ungleichheiten im Schulsystem fortsetzen und in besseren Schulerfolgen und höheren Schullaufbahnen derjenigen resultieren, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft über ein höheres kulturelles Kapital bzw. kulturelles Erbe verfügen. Zentraler Ansatzpunkt dafür ist die Annahme, dass die Inkorporierung sozialer Praktiken nicht vorrangig über die schulische Erziehung, sondern vor allem über Sozialisation und familiäre Bildungs- und Erziehungsprozesse erfolgt; habitualisierte Dispositionen werden somit zur Grundlage der Rezeption der schulischen Botschaft (Bourdieu 1979/1982, S. 500–584). Jeder Unterricht, besonders in den Bildungsfächern (aber auch in den Naturwissenschaften) setzt implizit gewisse Grundkenntnisse, Techniken und vor allem Ausdrucksmöglichkeiten voraus, die das Privileg der gebildeten Klassen sind. Als Erziehung ad usum delphini vermittelt die humanistische Schulbildung ein Wissen zweiten Grades, das auf einem ganzen Schatz von Erfahrungen ersten Grades aufbaut, auf Lektüre, die durch die väterliche Bibliothek angeregt und ermöglicht wird, auf Theaterbesuch, bei dem einem die Wahl abgenommen ist, auf Reisen in Form kultureller Wallfahrten, auf Gesprächen voll von Andeutungen, die nur der bereits Gebildete versteht. […] Daß Kinder aus unterprivilegierten Klassen den Unterricht häufig als Schule der Unaufrichtigkeit und „dem Lehrer nach dem Munde reden“ empfinden, liegt genau daran, daß in ihrem Fall das angelernte Wissen den unmittelbaren Erfahrungen vorausgehen muß (Bourdieu und Passeron 1971a, S. 38–39; Hervorhebung im Original).
In der Schule treffen Heranwachsende mit verschiedenen kulturellen Gewohnheiten und unterschiedlichen Voraussetzungen aufeinander. Bourdieu und Passeron (1971, S. 39; 1973, S. 58–59) betonen daher mehrfach, dass die Aneignung schulischer Bildung für mittlere und untere soziale Milieus immer auch mit einem mehr oder minder hohen Grad der Akkulturation verbunden ist. Wie das obige Zitat verdeutlicht, kommt der familiären Sozialisation, im Rahmen derer nicht nur unterschiedliches Wissen, sondern auch verschiedene Einstellungen (als System impliziter und inkorporierter Normen und Werte in Bezug auf Bildung) vermittelt werden, eine besondere Bedeutung zu (Bourdieu und Passeron 1973, S. 43–44; Bourdieu 1973, S. 101–103). Dies bedingt unterschiedliche Zugänge zur schulischen und universitären Bildung. Bourdieu und Passeron (1964) veranschaulichen dies in einer Beschreibung, wie privilegierte Lebensbedingungen es ermöglichen, losgelöst von praktischen Zwängen, eine Distanz zum Bildungssystem zu entwickeln, welche eine freie, zwanglose, reflexive und kognitiv geprägte Einstellung zum Lernen fördert, während der Druck der
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otwendigkeit minder privilegierter Milieus zur Fokussierung auf den Erwerb N praktischen Wissens und kontextbezogenen Lernens führt. Unabhängig von Bourdieu wird dies unter Rückbezug auf Boudons (1974) Analysen zu Education, Opportunity, and Social Inequality auch unter primären und sekundären Effekten der sozialen Herkunft auf Bildungschancen und Bildungserfolge diskutiert (Becker und Lauterbach 2007; Mandl 2012; siehe auch Vester 2006). Als primäre Herkunftseffekte beschreibt Becker (2007, 2011) den Transfer kulturellen Kapitals innerhalb der Familie und deren Ausstattung an ökonomischem Kapital sowie deren Bereitschaft und Vermögen, dieses in den Erwerb kulturellen Kapitals in Form schulischer Bildung zu investieren. Damit verbunden ist eine grundsätzliche kulturelle Nähe oder Distanz zur Institution Schule bzw. zum Bildungswesen, die sich auf schulische Leistungen auswirkt. Heranwachsende, die über einen bestimmten Umfang an inkorporiertem kulturellem Kapital in Form habitualisierten Verhaltens (z. B. Lernmotivation, Lerngewohnheiten) verfügen und eine implizite Übereinstimmung (Passung) zwischen familiärer Erziehung (z. B. Sprache) und schulischen Anforderungen erfahren, erweisen sich damit gegenüber Kindern aus sogenannten „bildungsfernen“ Familien von Beginn an im Vorteil (Bourdieu 1983). Als sekundäre Herkunftseffekte werden weitere Bildungsbenachteiligungen bezeichnet, die auf elterlichen Entscheidungen im Hinblick auf die weiterführende schulische Ausbildung ihrer Kinder beruhen. Kulturelles und ökonomisches Kapital, Habitus und soziale Distinktion kommen dabei insofern zum Tragen, als dass die Wahl des Bildungsweges von der sozialen Position der Eltern und ihrer kulturellen Nähe zum Bildungssystem abhängt. Je größer die familiäre Ausstattung mit kulturellem Kapital, desto größer ist die Nähe zur legitimen Schulbildung und desto eher werden höhere Schulen und Universitäten besucht. Der elterlichen Abwägung verschiedener Bildungsmöglichkeiten liegen zum einen der Statuserhalt, zum anderen aber ebenso die Einschätzung des Einsatzes an ökonomischem Kapital (lange Bildungswege, ev. Nachhilfestunden) und kulturellem Kapital (vorhandenes oder nachzuholendes) und des potentiellen Nutzens dieser Kapitalanlage (z. B. kurze, zielgerichtete Berufsausbildung vs. Besuch eines Gymnasiums, oder tertiäre Ausbildung an einer Fachhochschule vs. Studium an einer Universität) zugrunde. Vor dem Hintergrund dieser soziokulturellen Einflussfaktoren auf Bildungserfolge und die Wahrnehmung von Bildungschancen wendet sich Bourdieu vehement gegen eine Hierarchisierung des Wissens, die das theoretische Wissen dem praktischen und angewandten Wissen gegenüber höher bewertet (Bremer 2008, S. 1533–1534).
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3 Feine Unterschiede im Medienhandeln So prädisponiert eine praktische Beherrschung, die auf die Manipulation der Dinge und das entsprechende Verhältnis zu den Wörtern ausgerichtet ist, weniger zur wissenschaftlichen Beherrschung der Regeln der literarischen Verbalisierung als eine praktische Beherrschung, die auf die Manipulation der Wörter und das Verhältnis zu den Wörtern und Dingen ausgerichtet ist, zu dem das Primat der Manipulation der Wörter befugt. […] In einer sekundären PAr [pädagogischen Arbeit, CTW], deren erklärte Funktion es ist, die praktische Beherrschung manueller Techniken einzuprägen (z.B. der technologische Unterricht in Berufsund Fachschulen), genügt schon die bloße Tatsache, daß in einer wissenschaftlichen Rede die Prinzipien von Techniken expliziert werden, die die Kinder aus den Volksschichten bereits praktisch beherrschen, um Rezepte und Handgriffe in die Illegitimität einer reinen »Handwerkelei« zu verweisen, so wie das allgemeine Bildungswesen ihre Sprache als Jargon, Argot oder Kauderwelsch denunziert. Dies ist eine der stärksten sozialen Auswirkungen der wissenschaftlichen Rede, die den Inhaber der Prinzipien (z. B. Ingenier) durch eine unüberwindbare Schranke vom bloßen Praktiker (z. B. Techniker) trennt (Bourdieu und Passeron 1973, S. 66–67).
Bourdieu (1974, S. 111) beschreibt in seinen Analysen das primäre Ziel des klassischen Schulsystems kritisch als Kanonisierung und Tradierung der Bildung einer Gesellschaft, welche zur Legitimation einer Monopolisierung symbolischer Gewalt in den oberen sozialen Milieus beträgt (Bourdieu und Passeron 1973, S. 14; Bourdieu 1973, S. 103). Die Schule ist in der Tat diejenige Institution, die mittels ihrer formal unanfechtbaren Urteilssprüche die sozial bedingten Unterschiede in Ungleichheiten des Erfolges verwandelt, welche als Ungleichheiten der Begabung, die ihrerseits zugleich Ungleichheiten des Verdienstes seien, interpretiert werden (Bourdieu 1974, S. 196).
Ursache dafür ist eine größere Ähnlichkeit zwischen dem Habitus der Lehrenden und dem Habitus der Lernenden höherer sozialer Milieus, als jenem niedriger sozialer Milieus, die über ein geringeres inkorporiertes kulturelles Kapital verfügen (Bourdieu 1973, S. 101–102). Dies äußert sich unter anderem in der Annahme der Lehrenden einer Gemeinsamkeit der Sprache und Kultur mit allen Lernenden und resultiert in einer unreflektierten „Begabungsideologie“, welche schulische Erfolge als Ergebnis von Leistung und Begabung, Misserfolge jedoch als persönliches Versagen, mangelnde Lernbereitschaft oder mangelnde Begabung definiert. Es kann vorkommen, daß ein Lehrer, der einen „brillanten“ oder „begabten“ Schüler einem „fleißigen“ vorzieht, vielfach nur die sozial bedingte Einstellung zur Bildung beurteilt (Bourdieu und Passeron 1971a, S. 40).
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Dies bedeutet allerdings nicht, dass Bourdieu schulischen Erfolg lediglich als Ergebnis des familiären, kulturellen Erbes betrachtet und Heranwachsenden aus sogenannten „bildungsferneren“ Milieus grundsätzlich wenige Bildungschancen zuspricht. Im Gegenteil plädiert er für eine rationale und reflexive Pädagogik, in dessen Zentrum nicht eine gleiche Behandlung aller, sondern eine angemessene Differenzierung und Individualisierung, welche die Erreichung gleicher Bildungsergebnisse fördert, steht. Als Grundlage dafür sieht er die Ermöglichung eines systematischen Lehrens und Lernens, welche allen die gleichen Bildungschancen eröffnet und gerade Heranwachsenden aus niedrigeren sozialen Milieus Bildungsaufstiege ermöglicht (Bremer 2008, S. 1530–1536; siehe auch Bohlmann 2015, S. 88–89).
3.2 Der Beitrag Bourdieus zur Erklärung des Medienhandelns Durch seine Vielschichtigkeit bietet der von Pierre Bourdieu hinterlassene Theoriekorpus unterschiedliche Anknüpfungspunkte für eine Diskussion und Analyse medialer und nicht-medialer Kommunikation. Eine umfangreiche Analyse und Übertragung von Bourdieus Theorie auf das Feld der Kommunikationswissenschaft hat Park (2014) vorgelegt. Er zeigt unter anderem wie die Feldtheorie auf die Medienproduktion, Medienökonomie und Journalismusforschung umgelegt werden kann und wie sich der praktische Sinn für die Erforschung des Mediengebrauchs sowie die Rezeptions- und Nutzungsforschung fruchtbar machen lässt. Park verdeutlicht ebenso den Mehrwert von Bourdieus Erörterungen über die symbolische Macht und die Macht der Sprache (z. B. Bourdieu und Boltanski 1975; Bourdieu und De Saint Martin 1978; Bourdieu 1990) für die Analyse öffentlicher Kommunikation (bspw. in Bezug auf strategische Kommunikation, Mediatisierung, Gender Studies etc.) sowie die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Zukunft des Fachs Medien- und Kommunikationswissenschaft. Ähnlich zeigen auch Wiedemann und Meyen (2013) mit einem internationalen Sammelband über Pierre Bourdieu und die Kommunikationswissenschaft die Möglichkeiten und Grenzen von Bourdieus Theorie für kommunikationswissenschaftliche Forschungsperspektiven auf. Im folgenden ist vor allem dessen Potential für eine Auseinandersetzung mit sozialen und individuellen Kontexten des Medienhandelns von Interesse. Dafür bietet sich besonders das Konzept des Habitus als strukturierte und strukturierende Struktur an. Es lenkt den Blick sowohl auf die subjektive
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Perspektive der RezipientInnen bzw. NutzerInnen als aktiv handelnde Individuen und betrachtet zugleich strukturierende äußere Faktoren, wie etwa das soziale Milieu, Gender oder das Alter, welche den Prozess der Mediennutzung prägen und beeinflussen. Habitus offers to the communication scholar a way to get beyond the now well-worn conflict between subjectivist and objectivist approaches to communication, between those attempting to understand human communication in terms of what goes on ‘inside’ people’s heads (subjective modes of understanding) and those who attempt to do the same thing through reference to ‘external’ forces (objective forces of our lives). […] Bourdieu’s idea of habitus offers us in communication an opportunity to bridge the agency/structure divide, to understand communication in terms of the intertwining of agency and structure, the elements of practice that bind agency and structure together (Park 2014, S. 6–7).
Mit dem Konzept des Habitus rücken habitualisierte und ritualisierte Formen des Medienhandelns (Beck et al. 2013, S. 253–254) sowie deren praktischer Sinn (Bourdieu 1980, S. 87–110) stärker in den Mittelpunkt. Auseinandersetzungen mit Medienbewertungen (persönliche Relevanz, Präferenzen, Funktionszuschreibungen, Wirkungsannahmen und Nutzenerwartungen), Medienrepertoires (siehe Abschn. 2.2.1), Mediengenerationen (siehe Abschn. 2.2.2) oder Medienstilen (Best und Engel 2011, S. 532), als Beschreibung raumzeitlicher und rezeptiver Qualitäten der Mediennutzung (z. B. Integration in den Alltag, parallele Nutzung mehrerer Medien, persönliche und soziale Normen/ Restriktionen etc.), gewinnen damit sowohl theoretisch als auch empirisch an Bedeutung. Bourdieus Theorie verweist darüber hinaus auf den Einfluss des jeweiligen sozialen Feldes, in dem sich das betreffende Individuum bewegt, für die Bedeutung und Relevanz, die spezifischen strukturierenden Faktoren in unterschiedlichen Kontexten zukommt. Diese Beziehung fordert positivistische Ansätze der Medienwirkungsforschung genauso heraus wie radikal-individualistische Ansätze der Medienrezeptionsforschung, da beide Perspektiven lediglich einen Teilbereich des komplexen Prozesses des Medienhandelns berücksichtigen (Park 2014, S. 11). Eine Annäherung an Bourdieu heißt aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive Medienhandeln nicht nur als performatives Ergebnis, sondern als soziale Praxis zu analysieren. Dies bedeutet, dass der Medienumgang eines Individuums abhängig ist von jenen Optionen, die ihm innerhalb des Feldes der Medien bzw. der medialen Kommunikation potentiell verfügbar sind. Und diese (Handlungs-)Optionen, welche die soziale Praxis bestimmen, sind nicht allen Menschen gleichermaßen zugänglich. Das im Habitus inkorporierte
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(unterschiedliche) Vorverständnis bringt das Individuum dazu, so zu handeln, wie es ihm als natürlich erscheint. For our purposes here, however, the key is that without le sens practique [sic!, CTW] as a backdrop, without a sense of the factors that make communication possible, without an emic sense of the precise nature of the situation, we will have relatively little to say about what audiences do, what their practices are (Park 2014, S. 57; Hervorhebung im Original).
Ähnlich kritisieren auch Beck et al. (2013, S. 235) an der medienpsychologischen Nutzungsforschung, dass das Medienhandeln nicht einzig anhand psychischer Faktoren analysierbar ist und dass Nutzungs- und Selektionsmotive, welche im Sinne der Theorie der rationalen Entscheidung (rational choice theory) ausschließlich von rationalem, nutzenmaximierendem Handeln ausgehen, zu wenig sind, um den Mediengebrauch und Medienumgang eines Individuums zu erklären. Sie verweisen diesbezüglich auf den symbolischen Interaktionismus nach Mead (1934/2015) und Blumer (1973; 1986/1969), den Sozialkonstruktivismus nach Schütz (1932); Schütz und Luckmann (2003/1973) bzw. Berger und Luckmann (2004/1966) und betonten auch netzwerk- und strukturationstheoretische Konzepte (Giddens 1984) als theoretische Ansatzpunkte und Möglichkeiten, um den praktischen Sinn des Medienhandelns aus kommunikationssoziologischer Perspektive besser auszuleuchten. Darüber hinaus sieht Michel aus medien- und bildwissenschaftlicher Perspektive den Vorteil von Bourdieus Habitus-Konzept darin, das Medienhandeln weder auf eine rationalistische Perspektive zu verengen (Michel 2006, S. 96–103), noch die individualistische Perspektive überzubetonen (ebd., S. 121–124), sondern Medienhandeln auch als kollektiven Prozess (ebd., S. 127–139), im Sinne einer gemeinschaftlichen Aushandlung von Bedeutung innerhalb einer bestimmten sozialen Gruppe, zu begreifen. Beck et al. (2013, S. 239–244); siehe hierzu auch Bennett et al. (2009, S. 132–151) und Couldry (2003, S. 657–658) versuchen auch Bourdieus Theorie des Habitus und der sozialen Felder auf das Feld der Medien zu übertragen. Dieses Feld der Medien schließt demgemäß sowohl den Bereich der Medienproduktion als auch der Rezeption ein und erstreckt sich auf horizontaler Ebene zwischen den Polen kommerziell und publizistisch. Da auch dieses Feld kein machtfreier Raum ist, wird auf vertikaler Ebene zwischen einer hohen und einer niedrigen Kommunikationsrepräsentanz bzw. Publikationsmacht unterschieden. Symbolische Macht erhält im Feld der Medien der publizistische Bereich des professionellen Qualitätsjournalismus, der Bildungsmedien und der
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nterhaltungsangebote aus dem Bereich der Hochkultur, welcher sich durch eine U Akkumulation an kulturellem Kapital auszeichnet. Die einzelnen Akteure verteilen sich wie auch in anderen Feldern gemäß ihrer unterschiedlichen Kapitalausstattung. Als Beispiele führen Beck et al. die Medienproduzenten und professionellen JournalistInnen im oberen Bereich an, Community Media, Social Web sowie LaienjournalistInnen positionieren sie im mittleren Bereich, und die MediennutzerInnen ordnen sie auf einer niedrigen Ebene an. Beck et al. (2013, S. 245–246) ergänzen ihre Überlegungen zum Feld der Medien mit der Einführung des Begriffs des medialen Kapitals (ebenfalls in Anlehnung an Bourdieu). Darunter verstehen sie eine spezifische Kapitalsorte, die sich aus ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital zusammensetzt, und durch die Transformation zu symbolischer Macht im Feld der Medien besondere Bedeutung erhält. In objektivierter Form äußert es sich im Besitz von Medien (z. B. Geräte oder Bücher) bzw. Zugängen zu Medien (PayTV, Internetverbindung, Zeitungsabo etc.), aber auch in Form von Anteilen an einem Medienunternehmen. In institutionalisierter Form zeigt es sich im Bereich der Medienproduktion als medienbezogene Bildungsabschlüsse (z. B. Volontariat, Fachhochschule etc.) und im Bereich der Mediennutzung in Form spezifischer Zertifikate wie der European Computer Driving Licence (ECDL) oder der European Pedagogical ICT Licence (EPICT). Als inkorporierte Form umfasst das mediale Kapital praktische Fertigkeiten im Umgang mit Medien sowie ein Wissen über Medien; als Voraussetzung für das alltägliche Handeln im Feld der Medien. Inkorporiertes mediales Kapital zeigt sich ebenso in Form eines medialen Habitus (siehe Abschn. 3.2.2). Diese Erörterung des medialen Feldes und des medialen Kapitals lässt Gemeinsamkeiten mit der Medientheorie Couldrys erkennen, der betont, dass „the key is to understand the many ways in which power is embedded, and so effectively enacted and installed, in practice“ (Couldry 2016, S. 65; Hervorhebung im Original). Allerdings orientiert sich Couldry in seiner Sozialtheorie digitaler Medienpraxis stärker an Schatzki als an Bourdieu und setzt sich in etwas anderer Art und Weise mit Machtverhältnissen in mediatisierten Gesellschaften auseinander. Die nachfolgende Abbildung stellt den Versuch dar, die Beschreibung von Beck et al. im Sinne Bourdieus zu visualisieren. Die tatsächliche Einordnung der MediennutzerInnen bzw. RezipientInnen ist jedoch abhängig von deren medialem Kapital und daher durchweg variabel. Dies entspricht auch der hohen Dynamik, die dem Feld der Medien zugrunde liegt: im publizistischen Bereich können RezipientInnen und NutzerInnen rasch zu ProduserInnen aufsteigen, im kommerziellen Bereich können sie beispielsweise über eine Beteiligung an
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Abb. 3.1 Mediales Feld (eigene Darstellung)
Reality TV-Formaten und Fernsehshows ebenfalls eine höhere Kommunikationsrepräsentanz erreichen (Abb. 3.1). Aus Bourdieus Perspektive lässt sich weiter argumentieren, dass das Medienhandeln von Rezipientinnen und Rezipienten bzw. Nutzerinnen und Nutzern weniger an expliziten Zielen, sondern an unausgesprochenen, praktischen Gewohnheiten orientiert ist. Für eine Untersuchung der Rezeption und Nutzung bzw. des Umgangs mit Medien heißt dies, den Fokus weniger auf den Prozess des Decodierens von Medienbotschaften und die Herstellung von Bedeutung sowie den Medientext an sich, sondern auf habitualisierte Formen der Mediennutzung zu legen.
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3 Feine Unterschiede im Medienhandeln
Damit soll aber keine Kritik an den Cultural Studies geübt werden, vielmehr geht es um eine Erweiterung der Perspektive von einem reinen „reading the social world as if it were ready for interpretation“ (Couldry 2016, S. 39) zu einer Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Medienhandelns als soziale Praxis. Bourdieus Theorie verweist darauf, dass die Konstruktion jener Bedeutung, die einem Medieninhalt oder Medienprodukt beigemessen wird, abhängig ist von unterschiedlichen Kontextfaktoren. Diese Bedeutung entsteht auf drei Ebenen: zum einen auf der Ebene der Produktion, als einem sozialen Feld der Kulturproduktion, zum anderen auf der Ebene der Materialität des Inhalts, der (Medien-)Bilder und ihrer zugrunde liegenden Grammatik, und schließlich auf der Ebene der Rezeption als soziale Praxis im Umgang mit Kulturprodukten (Park 2014, S. 54). Umgekehrt können Bourdieus Erörterungen aber auch kritisch aus Perspektive der Cultural Studies betrachtet werden. Ein Kritikpunkt ist, dass Bourdieu zwar die populäre Kultur untersucht, letztendlich aber stets gegenüber der bürgerlichen Kultur (als legetimer Geschmack) abgewertet und ihr daher in seinen Studien minder Aufmerksamkeit beigemessen hat. Dem kann entgegnet werden, dass es Bourdieu immer um die Reproduktion sozialer Ungleichheit ging und er daher der legitimen Kultur mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat, um Die Verborgenen Mechanismen der Macht (Bourdieu 2005)3 zu enthüllen. In seinem durchweg politischen Engagement gegen soziale Ungleichheit, welche in seinen Analysen des Bildungssystems besonders deutlich wird, lässt sich erkennen, dass er den populären Geschmack sehr wohl anerkennt, beispielsweise wenn er für eine gleichwertige Behandlung des theoretischen und des praktischen Wissens eintritt (Bourdieu und Passeron 1973, S. 66–67). Bourdieus Annahme, der Umgang mit und die Rezeptionsweise eines Kulturgutes (wie beispielsweise eines Medieninhalts) ist abhängig vom sozialen Milieu, lasst sich durch empirische Erkenntnisse der Rezeptionsforschung gut untermauern (z. B. Paus-Hasebrink und Kulterer 2014; Nikken und Opree 2018). Aus Perspektive der Cultural Studies wird der Rückgriff auf Bourdieu zuweilen mit dem Argument kritisiert, dass abgesehen vom sozialen Milieu durchaus
3Unter
dem Titel Die Verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik & Kultur 1 wurde von Margareta Steinrücke eine Reihe von Interviews mir Pierre Bourdieu, ausgewählte Zeitschriftenbeiträge sowie ein Brief des Autors an die Oberschüler von Mureaux zur Zeit der Schülerproteste im Jahr 1990 herausgegeben. Die Beiträge wurden von Jürgen Bolder und Ulrike Nordmann from Französischen ins Deutsche übersetzt.
3.2 Der Beitrag Bourdieus zur Erklärung des Medienhandelns
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andere Faktoren wie etwa das soziale Geschlecht oder der ethnische Hintergrund, welche die Rezeption bzw. Lesart eines Medieninhalts ebenfalls beeinflussen, zu berücksichtigen sind (Bennett et al. 2009, S. 22). Dieser Hinweis steht allerdings nicht im Widerspruch zur Konzeption des Habitus als strukturierte und strukturierende Struktur: Der Habitus bildet sich in Sozialisationsprozessen aus und wird von unterschiedlichen sozialen Einflussfaktoren (zu denen natürlich auch Gender, ethnische Herkunft, Migrationserfahrungen etc. gehören) geformt. Dieser Habitus prägt das Handeln eines Individuums, welches aber zugleich von anderen, beispielsweise psychischen, Faktoren bestimmt wird. Darüber hinaus begreift Bourdieu den Habitus zwar als träge, aber sehr wohl veränderbar, was auch im Hinblick auf das Medienhandeln aus biografischer oder generationaler Perspektive von Bedeutung ist. Das Konzept des Habitus und der sozialen Distinktion erweist sich also durchaus als hilfreich, wenn es um die Analyse verinnerlichter Rezeptionsmuster und Rezeptionserfahrungen geht. Ebenso gewinnbringend erscheint eine Auseinandersetzung mit der, der sozialen Praxis zugrunde liegenden, Strategie, welche sich als Überschneidung von Feld, sozialer Position und Kapital ergibt und sozial distinktiven Charakter hat. Der praktische Sinn des Medienhandelns zeigt sich unter anderem im Medienrepertoire der Nutzerinnen und Nutzer. Distinktion wird hier über die Nutzung von Medien und Medieninhalten mit unterschiedlichen Anteilen an symbolischem und kulturellem Kapital (beispielsweise QualitätsPrestige- und Bildungsmedien vs. Boulevard-, Unterhaltungs- und populäre Medien) erreicht. Aber nicht nur in Bezug auf das Medienprodukt und den Medieninhalt an sich, sondern auch hinsichtlich der Art und Weise seiner Rezeption bzw. Nutzung (z. B. parallele Nutzung mehrerer Medien) lässt sich soziale Distinktion festmachen, denn der Habitus determiniert die soziale Praxis sowohl inhaltlich, als auch in der Art ihrer Ausführung. Er ist eng verbunden mit der Kapitalausstattung eines Individuums; daher kann umgekehrt von einer spezifischen Kapitalausstattung auf einen bestimmten Lebensstil und den dahinterliegenden Habitus geschlossen werden. Geschmacksurteile sind also keineswegs subjektiv, sondern eine „sozialstrukturell bedingte Form ästhetischer Bewertung und unbewusstes strategisches Mittel zur Abgrenzung von anderen (>niederenParole< beschreibt keineswegs eine Sammlung eigenartiger Gebrauchsweisen einer Sprache bzw. eine mehr oder weniger gelungene oder legitime Umsetzung der Langue, sondern ist der Schlüssel zu jedem Verständnis sozialer Sprechweisen (Neveu 2013, S. 81).
Sprache und Sprechweisen sind wie die Aneignung und Nutzung von Medien und Medieninhalten verinnerlicht im (medialen) Habitus eines Individuums. Dieser äußert sich im (medialen) Geschmack sowie in mehr oder weniger legitimen
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6 Resümee: Medienhandeln zwischen Kompetenz und Performanz
Formen des Medienhandelns, welche zwischen verschiedenen sozialen Milieus, aber auch Kulturen und Subkulturen variieren. Zentral für die Wahrnehmung, Rezeption, Nutzung und Aneignung von Medien und Medieninhalten ist aus dieser Perspektive das Zusammenspiel von Habitus, kulturellem Kapital sowie persönlichen (z. B. kognitiven) Voraussetzungen und Faktoren des sozialökologischen Umfelds (siehe auch Neveu 2013, S. 93). Bourdieu (1979) verweist in seinem Habituskonzept direkt auf Chomskys Ansatz und versteht den Habitus als eine Art kulturelle Kompetenz, die ein Individuum aufgrund eines verinnerlichten Systems von Mustern sowie kulturellen Werten und Normen dazu befähigt, variabel Gedanken, Wahrnehmungen, Äußerungen und Handlungen eines kulturellen Raums zu erzeugen. Diese Kompetenz versteht er im Gegensatz zu Chomsky allerdings als ein soziales Produkt, das heißt unterschiedliche soziale Milieus eröffnen verschiedene Möglichkeiten, Kompetenz auszubilden. Wesentlich ist, dass Bourdieu (beispielsweise im Gegensatz zu den Vertretern der Frankfurter Schule) diesbezüglich keine „falschen Bedürfnisse“ kennt, sondern unterschiedliche Formen des Geschmacks beschreibt, die prinzipiell gleichwertig sind, wenngleich ihnen in einer bestimmten Gesellschaft ein unterschiedlich hoher Grad an Legitimität beigemessen wird. Die Arbeiten Baackes (Abschn. 4.1.2.2) dienen als zentrale Bezugsquellen für den Medienkompetenzdiskurs. In den meisten Auseinandersetzungen mit Medienkompetenz wird direkt oder zumindest indirekt auf seine Definition der Medienkompetenz verwiesen, jedoch häufig ohne die damit verbundenen theoretischen Grundlagen eingehend zu reflektieren. Über Baackes direkten Verweis auf das theoretische Konvolut Pierre Bourdieus und seine damit verbundene Abgrenzung von Chomsky und Habermas, welche in aktuellen Auseinandersetzungen mit Medienkompetenz allerdings vielfach vernachlässigt wird, kann seine Theorie der kommunikativen Kompetenz internationale Auseinandersetzungen mit media literacy bereichern. Baacke schließt aus dezidiert handlungspragmatischer Perspektive an Habermas an, löst das Konzept der kommunikativen Kompetenz jedoch aus seiner engen Verbindung mit Sprache und Kommunikation. In Anlehnung an Chomsky nimmt er eine implizite, universale Regelstruktur menschlichen Handelns und Verhaltens an, verweist aber zugleich auf das kreative Moment individuellen Kommunikationsverhaltens, das sich in kommunikativer Performanz zeigt. Zugleich sei hier allerdings angemerkt, dass Baacke den Begriff der Performanz selten verwendet, sondern eher von kommunikativem Handeln oder Handeln und Verhalten in Bezug auf Medien (z. B. Mediennutzung) spricht. Versteht man kommunikative Performanz aber im Sinne Baackes, so beruht diese nicht wie in
6.3 Die Beiträge von Pierre Bourdieu und Dieter Baacke …
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den Ansätzen von Chomsky und Habermas ausschließlich auf kommunikativer Kompetenz, sondern wird – und hier äußert sich Baackes Verweis auf Bourdieu – durch individuelle, soziale und kulturelle Faktoren beeinflusst. Baacke spricht allen Individuen kommunikative Kompetenz zu. Er begreift sie als Grundvoraussetzung des Mensch-Seins und zugleich aus biografischer Perspektive veränderbar. Das heißt, Individuen wird die Fähigkeit zugesprochen, Kompetenz zu entwickeln. In seiner Bourdieu-Rezeption betont Baacke, dass kommunikative Kompetenz und Medienkompetenz (als Spezifizierung kommunikativer Kompetenz im Hinblick auf den Umgang mit Medien) als kulturelles Kapital ungleich auf verschiedene Milieus verteilt und sowohl abhängig ist von familiärer Bildung und Sozialisation, als auch von der Förderung durch formale Schulbildung. Kommunikative Performanz oder kommunikatives Handeln als Realisierung von Kompetenz sieht er eng verbunden mit dem subjektiven Sinn, den ein Individuum mit einer konkreten Situation oder einer konkreten Handlung verbindet. Die Aneignung von Medienkompetenz schließt für Baacke auch persönliche Bildung im Sinne einer Verwirklichung und Auseinandersetzung des Individuums mit sich selbst und seinen unmittelbaren sozialen, kulturellen und medialen Lebensräumen ein. Selbstkritisch stellt er fest, dass medien- und kommunikationstheoretische Auseinandersetzungen mit (Medien-)Kompetenz häufig Interaktionen von Individuen als rationale, auf die Objektwelt bezogene Handlungen betrachten und das sinnlich wahrnehmende Subjekt zu wenig in den Blick nehmen. In seiner Betonung der sinnlichen Wahrnehmung (aisthesis) hebt er eine wesentlich emanzipiertere Sichtweise auf das Individuum hervor und spricht diesem nicht nur die Fähigkeit zu rationalem Handeln basierend auf seiner kommunikativen Kompetenz, sondern darüber hinaus auch die Fähigkeit des selbstbestimmten Erlebens zu. Zentral ist für seine Arbeit auch die intensive Auseinandersetzung mit Jugendkulturen und gesellschaftlichen Randgruppen. Sein besonderes Interesse gilt dabei den Aktionsräumen von Jugendlichen ihren Subkulturen zur Emanzipation im Sinne kritischer und politischer Partizipation an der Gesellschaft. Damit erweitert er den Blick von einer zu engen Fokussierung auf legitime Medienumgangsformen im Sinne erwünschter und erwarteter Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen und Handlungsweisen im Umgang mit Medien auf oppositionelle, randständige, innovative bzw. in irgendeiner Form „andere“ Medienumgangsformen als die primär erwarteten. Dies trifft sich wiederum mit der von Bourdieu eingeforderten Selbstreflektion der Wissenschaft sowie auf die illusio als Moment partieller Blindheit basierend auf der unbewussten Einschätzung der Welt aus Perspektive der eigenen Position im sozialen Feld. Dazu gehört ebenso die Auseinandersetzung mit Kompetenzdefinitionen bzw.
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6 Resümee: Medienhandeln zwischen Kompetenz und Performanz
usformulierungen von Medienkompetenz und media literacy, die eingebettet A sind in verschiedene Dispositive der Macht (z. B. (Bildungs-)Politik, Wirtschaft, Schule, Wissenschaftssystem etc.). Für die Auseinandersetzung mit dem Medienhandeln von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ergibt sich daraus die Herausforderung, dieses nicht unbewusst lediglich aus dem Blickwinkel des eigenen, als legitim empfundenen, Geschmacks zu interpretieren und zu beurteilen. Damit verbunden ist zudem ein Wechsel von einer rein intellektuellen Perspektive hin zur Perspektive des Subjekts, allerdings bei gleichzeitigem Anspruch der Vermeidung einer subjektiven Verkürzung. Die einleitende Frage, wie sich das Medienhandeln von Individuen im Hinblick auf deren media literacy bzw. Medienkompetenz, im Sinne eines sicheren und selbstbestimmten Handelns im Umgang mit Medien, beurteilen lässt, ist somit nicht einfach zu beantworten. Aus praxeologischer und handlungsorientierter Perspektive lässt sich allerdings festhalten, dass eine bestimmte Medienperformanz bzw. Art und Weise mit Medien umzugehen, dann als kompetent im Sinne von sicher und selbstbestimmt anzusehen ist, wenn sie im Hinblick auf die Herausforderungen der alltäglichen Lebensführung für ein Individuum praktisch Sinn ergibt. Einen sicheren und selbstbestimmtem Medienumgang zeichnet darüber hinaus auch aus, dass er dem Individuum Handlungsfähigkeit auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen und in verschiedenen sozialen Feldern ermöglicht. Die lebenspraktische Sinngebung des Medienhandelns und damit verbundene Herausforderungen können allerdings sehr unterschiedlich sein. So kann etwa eine visuell basierte Recherche (z. B. über Bilder in Google oder Videos auf YouTube) für ein Individuum mit Leseschwierigkeiten Zeugnis eines wesentlich medienkompetenteren Handelns sein, als eine klassische, textbasierte Recherche, welche auf den ersten Blick einem legitimen Medienumgang vielleicht näher kommt, denn auf diese Weise werden individuelle Schwächen durch alternative Problemlösestrategien kompensiert und ermöglichen einen selbstsicheren und selbstbestimmten Medienumgang. Zugleich ist die Bezeichnung einer bestimmten Form der Medienperformanz als „medienkompetentes Handeln“ wie in der obigen Formulierung ein Beispiel für begriffliche Schwierigkeiten in der Einordnung von Medienhandeln, da sie den unmöglichen Schluss von einer bestimmten Performanz auf die dahinterliegende Kompetenz(en) nahelegt. Daher scheint es in der Auseinandersetzung mit Medienhandeln sinnvoller, von „selbstsicher“, „selbstbestimmt“ oder auch literate, als von „kompetent“ zu sprechen.
7
Empirische Spurensuche
Die vorangegangenen theoretischen Überlegungen sind das Ergebnis eines längeren Prozesses in dessen Mittelpunkt die kritische Frage stand, wie medienbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Wissensbestände von Kindern und Jugendlichen in empirischen Studien ermittelt und beurteilt werden können. Ausgangspunkt dafür war die Wahrnehmung der Ergebnisse unterschiedlicher Studien, in denen formal höher gebildete Heranwachsende aus Milieus mit einem höheren sozialökonomischen Status als kritischer, selbstbestimmter – mithin „kompetenter“ – im Umgang mit Medien erscheinen und oft über ein vielfältigeres Medienrepertoire verfügen, als formal niedriger gebildete Gleichaltrige, die aus sozialökonomisch niedrigeren Milieus stammen (z. B. Schmidt et al. 2011; Parycek et al. 2010; Steiner 2013, Behrens et al. 2014; Paus-Hasebrink et al. 2019). Auch die europaweit vergleichende Studie EU Kids Online (Livingstone et al. 2011) kommt zu dem Ergebnis, dass „children from high SES households have a wider online repertoire (7.6 activities) compared to those from middle (7.3) and low status groups (6.7)“ (Sonck et al. 2011). Urbančíková et al. (2017) konnten ähnliche Effekte im Hinblick auf Jugendliche (ab 14 Jahren) und Erwachsene feststellen und auch Shala und Grajcevci (2018) kommen bei einer Untersuchung digitaler Kompetenzen von Studierenden zu ähnlichen Ergebnissen. Ebenso betonen Livingstone et al. (2005, S. 54) in einem Bericht zum Forschungsstand zur media literacy von Erwachsenen, dass „across most research domains, SES is a clear barrier, especially to the access but also to the understanding and creation dimensions of media literacy“. Sowka und andere (2015) können ebenfalls Zusammenhänge zwischen dem Grad der Medienkritikfähigkeit und der formalen Bildung sowie des Alters feststellen und Riesmeyer et al. (2016) beschreiben den sozialökonomischen Status einer Familie (SES)
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. W. Trültzsch-Wijnen, Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9_7
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7 Empirische Spurensuche
und das soziale Umfeld als wesentliche Faktoren für die Motivation Heranwachsender, medienkompetent (im Sinne von reflektiert) zu handeln. Es zeigt sich also eine Tendenz, dass soziale Unterschiede zu unterschiedlichen Medienumgangsweisen führen und daraus wiederum unterschiedliche Formen eines mehr oder minder kritischen, reflektierten und selbstbestimmten Medienhandelns resultieren. Nicht eingehend geklärt ist jedoch die Frage, wie soziale Unterschiede und Unterschiede im Mediengebrauch und Medienhandeln zusammenhängen (Abschn. 2.3 und 3.3). Die vorgelegten theoretischen Erörterungen legen die Annahme nahe, dass Unterschiede in der Medienperformanz nicht ausschließlich auf unterschiedliche Kompetenzen, sondern auf unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich des Besitzes und der Verteilung des ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitals im Sinne Bourdieus (Abschn. 3.1.1), auf unterschiedliche sozialökologische Einflussfaktoren (Abschn. 2.1.1.3) sowie auf Unterschiede im daraus resultierenden medienbezogenen Geschmack zurückzuführen und zugleich eng verbunden sind mit dem subjektiven Sinn (Abschn. 2.1 und 3.2), den das Medienhandeln für das jeweilige Individuum hat. In einem nächsten Schritt stehen nun empirische Ergebnisse zum Medienumgang Heranwachsender im Mittelpunkt, welche diese theoretischen Annahmen stützen. Die erste Studie zur Rezeption und Aneignung von Model-Castingshows wird im Sinne einer Pilotstudie eher kurz und sekundäranalytisch betrachtet (Kap. 7), während die Ergebnisse einer Studie zur Social Web Nutzung Heranwachsender in Kap. 8 ausführlich dargestellt und diskutiert werden.
7.1 Bildungsunterschiede im Umgang mit ModelCastingshows bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren Das erste Projekt ist ein Aktionsforschungsprojekt zum Thema M odelCastingshows, das 2010 gemeinsam mit Schülerinnen der zehnten Schulstufe durchgeführt wurde (Wijnen 2011). Es handelt sich hierbei um keine Pilotstudie im eigentlichen Sinne, da sie nicht in direktem Zusammenhang mit der zweiten Studie steht und auch der Fokus der Untersuchung auf den Umgang mit einem ganz anderen Medieninhalt ausgerichtet ist. In dieser Studie zeigen sich allerdings bildungsspezifische Unterschiede im Medienhandeln Jugendlicher, deren sekundäranalytische Betrachtung ein Anstoß war für weiterführende theoretische Überlegungen zum Verhältnis von Medienkompetenz und Medienperformanz. Diese Überlegungen waren wiederum entscheidend für die
7.2 Methodische Vorgehensweise
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theoretische Ausrichtung und das Design der zweiten Studie. Daher wird das Projekt zur Aneignung und zum Stellenwert von Model-Castingshows im Alltag von Jugendlichen kurz vorgestellt. Die Ergebnisse werden allerdings nicht zur Gänze präsentiert, denn der Fokus liegt auf der sekundäranalytischen Analyse der Zusammenhänge zwischen dem Medienhandeln und der formalen Bildung der Heranwachsenden. Im Mittelpunkt dieses Projekts stand die Bedeutung von Castingshows und im Besonderen der 2010 aktuellen Model-Castingshows Germany’s Next Topmodel und Austria’s Next Topmodel im Alltag von österreichischen Jugendlichen (Wijnen 2010, 2011, 2012a). Um dies zu erforschen, wurde allerdings nicht mit einem klassischen Forschungsdesign gearbeitet, sondern der Versuch unternommen, Elemente der partizipativen Forschung nach Lewin (2009, 2010; Anderson et al. 2007; Borda 2002) zu integrieren. Somit hatte dieses Projekt auch einen experimentellen Charakter. Zusätzlich zur inhaltlichen Forschungsfrage stellte sich daher ebenso die Frage, ob eine Integration Jugendlicher als Expertinnen und Experten für jugendliche Lebenswelten einen direkteren Zugang zu Prozessen der Medienaneignung junger Menschen und Aushandlung von Medieninhalten im Kontext von Gleichaltrigengruppen bietet. Damit verbunden war einerseits die Frage ob, wie und unter welchen Bedingungen eine derartige Integration Heranwachsender in den Forschungsprozess möglich ist. Andererseits galt es zu hinterfragen, inwiefern es ein derartiger Ansatz tatsächlich ermöglicht, zusätzliche, andere oder eine andere Qualität an Informationen über den Forschungsgegenstand zu erhalten. Diese Fragen sowie die durch dieses Projekt gewonnenen methodischen Erkenntnisse wurden an anderer Stelle (C. Trültzsch-Wijnen 2015; Wijnen und Trültzsch 2011, 2014) ausführlich diskutiert, sie werden im Folgenden jedoch nicht näher beschrieben, weil dies im Kontext der hier vorgenommenen Auseinandersetzung mit Medienperformanz und Medienkompetenz zu weit führen würde.
7.2 Methodische Vorgehensweise Die Studie „Model-Castingshows im Alltag 15- bis 19-Jähriger Jugendlicher in Österreich“ wurde gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der 10. Schulstufe (16–17 Jahre) durchgeführt, um das Medienhandeln Heranwachsender nicht nur aus Perspektive erwachsener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch aus dem Blickwinkel von Gesprächen zwischen Gleichaltrigen (als peer-to-peer Forschung) betrachten zu können. Für die sekundäranalytische Auswertung ist relevant, dass es sich hierbei um eine Klasse einer berufsbildenden höheren Schule handelte. Im Hinblick auf die formale Bildung ist
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7 Empirische Spurensuche
diese Schulform zwischen einer hohen formalen Bildung (allgemeinbildende höhere Schulen, Gymnasien) und einer niedrigen formalen Bildung (Lehre und direkter Einstieg in das Arbeitsleben nach der Pflichtschule) anzusiedeln. Das heißt die in das Forschungsprojekt involvierten Jungen und Mädchen konnten in Bezug auf ihren Bildungshintergrund sowohl mit formal höher gebildeten als auch mit formal niedriger gebildeten Gleichaltrigen mehr oder weniger auf Augenhöhe diskutieren. Die beteiligten Jungen und Mädchen wurden in den gesamten Forschungsprozess integriert. Sie brachten sich in die Formulierung der Forschungsfrage(n), die Leitfadenkonstruktion sowie die Interpretation der Ergebnisse ein und führten selbstständig Gruppendiskussionen mit Gleichaltrigen durch. Im Zentrum des Interesses stand die Aneignung von Model-Castingshows durch 15- bis 19-jährige Jugendliche vor dem Hintergrund lebensweltlicher Kontexte sowie deren Umgang mit über diese Castingshows vermittelte Vorbilder und (Schönheits-)Ideale. Anhand eines Screening-Fragebogens (n = 276) wurden Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren für acht Gruppendiskussionen (n = 51) rekrutiert. Es wurden geschlechtshomogene und geschlechtsgemischte sowie bildungshomogene und bildungsgemischte Gruppendiskussionen sowohl in einer urbanen als auch in einer ländlichen Gegend durchgeführt. Aus jeder Gruppe wurden wiederum besonders aussagekräftige Probandinnen und Probanden ausgewählt, um sie in Form eines Leitfadeninterviews (n = 17) tiefergehend zu befragen. Die Gruppendiskussionen wurden jeweils von zwei Jugendlichen durchgeführt, die Leitfadeninterviews jedoch von erwachsenen Forscherinnen und Forschern. Die Auswertung wurde ebenfalls von erwachsenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durchgeführt und erfolgte mittels thematischen Kodierens nach Strauss und Corbin (1998, 2008) bzw. Flick (2011, S. 402–409). Die Ergebnisse wurden jedoch gemeinsam mit den beteiligten Jugendlichen diskutiert und interpretiert. Diese gemeinsame Interpretation der Daten erwies sich als besonders fruchtbar, weil die Schülerinnen und Schüler bei scheinbaren Brüchen oder Unstimmigkeiten in den Aussagen der untersuchten Jungen und Mädchen versuchten, Erklärungsmöglichkeiten aus Perspektive ihrer (eigenen) jugendlichen Alltagsund Lebenswelt zu finden, die sehr aufschlussreich waren. In den Ergebnissen zeigten sich besondere Unterschiede in der Bewertung sowie der Aneignung von und dem Umgang mit Model-Castingshows vor allem im Hinblick auf das soziale Geschlecht und die formale Bildung der Heranwachsenden. In Bezug auf die, in den vorangegangenen Kapiteln ausgeführten, theoretischen Erörterungen bat dies Anlass dafür, die gesamten Daten im Rahmen einer Sekundäranalyse ein weiteres Mal mit speziellem Fokus auf die formale Bildung auszuwerten. Die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt.
7.3 Ergebnisse der qualitativen Sekundäranalyse
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7.3 Ergebnisse der qualitativen Sekundäranalyse Jungen scheint es im Gegensatz zu Mädchen oft peinlich, über Model-Castingshows zu sprechen bzw. überhaupt außerhalb ihres Freundes kreises zuzugeben, dass sie sich für so ein Sendeformat interessieren. Dies ist bei formal höher gebildeten Jungen wesentlich stärker ausgeprägt als bei formal niedriger gebildeten Jungen. Formal höher gebildete männliche Jugendliche verwenden große Energie darauf, sich als aufgeklärte junge Männer zu präsentieren. Zu diesem Selbstbild passt die Rezeption von Fernsehformaten, die aus Perspektive dieser Jugendlichen dem Boulevardfernsehen zuzurechnen sind und auf die Zielgruppe Frauen ausgerichtet sind, nicht. Daher fällt es diesen Jungen sehr schwer, sich in Gruppendiskussionen zu diesem Thema einzubringen und sie brauchen zumeist lange, um sich zum Mitreden zu überwinden, obwohl sich in ihren Diskussionsbeiträgen sowie in den Screening-Fragebögen zeigt, dass sie sich sehr gut mit Germany’s Next Topmodel und Austria’s Next Topmodel auskennen und diese Sendungen offensichtlich regelmäßig ansehen. In Einzelinterviews geben sie bereitwilliger Auskunft über ihre persönliche Nutzung und Aneignung dieser Sendungen. Die meisten der formal höher gebildeten Jungen distanzieren sich aber zugleich von ihrem Medienhandeln, indem sie vorgeben, diese Sendungen nur „gezwungener Maßen“ (z. B. weil sie mit weiblichen Familienmitgliedern ein Fernsehgerät teilen oder der Freundin imponieren wollen) oder „zum Spaß“ zu rezipieren und hervorheben, dass sie dies als gebildete und kritische Jungen ansonsten nicht machen würden. Darüber hinaus beurteilen formal höher gebildete Jungen das Format der Model-Castingshow, die Regie sowie das Verhalten der Jury und der Kandidatinnen im Vergleich zu formal niedriger gebildeten Jungen besonders kritisch. Auch formal niedriger gebildete Jungen geben an, Model-Castingshows vor allem deshalb anzusehen, weil diese von weiblichen Familienmitgliedern rezipiert werden. Allerdings scheint es diesen Jungen nicht sonderlich schwer zu fallen, dies auch zuzugeben. Sie betonen dabei nicht nur ein oberflächliches Interesse an „schönen Frauen“, sondern berichten auch über ein Mitfiebern mit einzelnen Kandidatinnen und ein entsprechendes Involvement bei der Nutzung dieser Sendungen. Oft fallen dabei Vergleiche mit populären Sportarten wie Fußball. Einerseits wird davon berichtet, dass im Freundeskreis Wetten auf einzelne Kandidatinnen abgeschlossen werden, andererseits werden die Körperbeherrschung, das Durchhaltevermögen und die sogenannte „Arbeit an sich selbst“ als Vergleichbar mit dem Training von Spitzensportlern bewundert. Dennoch sind diese formal niedriger gebildeten Jungen nicht unkritisch. Sie
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7 Empirische Spurensuche
verurteilen ein zu stark abwertendes Verhalten der Jurymitglieder gegenüber den Kandidatinnen, erkennen starke Inszenierungen einzelner Kandidatinnen und beurteilen dies zum Teil als zu oberflächlich. Diese Kritik wird aber nie vordergründig und direkt geäußert, sondern erscheint eher zwischen den Zeilen. Während formal höher gebildete Jungen sich in den Gruppendiskussionen entweder wenig bzw. wenn, dann extrem kritisch zu Wort melden, und eher in den Einzelinterviews bereit sind, allgemeiner über ihr persönliches Interesse an Model-Castingshows zu berichten, bringen sich formal niedriger gebildete Jungen intensiv in Gruppendiskussionen ein und berichten über persönliche Nutzungs- und Aneignungsweisen. Sie präsentieren sich dabei auch gerne als „Experten für (schöne) Frauen“. Eine reflexive Auseinandersetzung mit Model-Castingshows ist bei formal niedriger gebildeten Jungen eher in den Einzelinterviews zu erkennen, da sie sich dort weniger gegenüber gleichaltrigen Heranwachsenden profilieren müssen. Auch bei den Mädchen lassen sich Unterschiede zwischen formal höher und niedriger gebildeten Heranwachsenden ausmachen, wenngleich sich weibliche Jugendliche generell nicht so stark von ihrer Rezeption von Model-Castingshows distanzieren wie männliche Jugendliche. Wie unter den befragten Jungen finden sich auch unter den Mädchen solche, welche sich intensiv mit Model-Castingshows auseinandersetzen und stark mit einzelnen Kandidatinnen mitfühlen, und andere, die eher auf eine neutralere Art und Weise mit diesem Format umgehen. Für Mädchen hat es eine größere Bedeutung als für Jungen, im Freundeskreis über Model-Castingshows mitreden zu können und viele geben an, dass sie gerne Model-Castingshows sehen. Während sich formal höher gebildete Jungen eher bewusst abneigend geben, ist bei formal höher gebildeten Mädchen der Konflikt zwischen persönlichen Präferenzen und sozialer Erwünschtheit wesentlich stärker zu beobachten. Viele der formal höher gebildeten Mädchen zeigen genauso wie formal niedriger gebildete Mädchen eine große Faszination im Hinblick auf die Kandidatinnen von Model-Castingshows und wünschen sich häufig ähnliche Eigenschaften zu besitzen. Allerdings liegen bei den formal höher gebildeten Mädchen Mitgefühl, Faszination und Kritik zumeist sehr eng beieinander. Sie verweisen dabei auf öffentliche Diskurse zu medial vermittelten Schönheitsidealen sowie zu Diäten und Essstörungen und erwähnen, dass dies auch im Rahmen des Schulunterrichts behandelt wurde. Sie berufen sich diesbezüglich ebenso häufig auf eine allgemein abwertende Einstellung gegenüber „populären“, sowie eine positive Einstellung gegenüber „seriösen“ Medieninhalten innerhalb ihrer Familien. Auch ein kritischer Umgang der Familie mit medial vermittelten Schönheitsidealen wird betont. Dieser innere Konflikt mit dem legitimen Mediengeschmack in der Schule und in der
7.4 Schlussfolgerungen für eine weitere Auseinandersetzung …
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Familie und den eigenen Vorlieben zeigt sich besonders deutlich bei einer Gruppe formal höher gebildeten Mädchen, welche über ein starkes Miterleben mit den Kandidatinnen von Model-Castingshows berichten und besonders begeistert von einer Kandidatin sind, die angibt, an einer Universität zu studieren. Damit fühlen sich diese Mädchen in ihrer Bewunderung für die Model-Welt und ihrem Gefühl bestätigt, dass ein Studium bzw. Intelligenz und Emanzipation einer Frau, nicht im Widerspruch zu einer Model-Karriere stehen müssen. Bei formal niedriger gebildeten Mädchen äußern sich derartige Konflikte zwischen sozialer Erwünschtheit und persönlichem Medienhandeln nicht. Sie berichten bereitwillig über die Faszination von Model-Castingshows sowie über das Mitgefühl mit einzelnen Kandidatinnen. Auch wird des Öfteren darauf verwiesen, dass die Rezeption von Model-Castingshows gemeinsam mit anderen weiblichen Familienmitgliedern (Schwester, Cousine, Mutter) ein fester Bestandteil ihres Alltags ist. In den Gruppendiskussionen äußern diese Mädchen seltener Kritik als formal höher gebildete Mädchen. Dennoch zeigt sich, dass sie Unstimmigkeiten in der Inszenierung der Kandidatinnen bzw. der Sendung oder ein stark abwertendes Verhalten der Jury aufmerksam mitverfolgen und sich sehr wohl kritisch damit auseinandersetzen. Auch medial vermittelte Schönheitsideale werden durchaus kritisch betrachtet, allerdings zeigt sich dies nur bei näherem Nachfragen.
7.4 Schlussfolgerungen für eine weitere Auseinandersetzung mit Medienkompetenz und Medienperformanz In der sekundäranalytischen Betrachtung der Untersuchung zur Rezeption und Aneignung von Model-Castingshows durch österreichische Jugendliche zeigen sich zusammenfassend deutliche Unterschiede entlang der Kategorie der formalen Bildung. Formal höher gebildete Jungen und Mädchen äußern häufiger Kritik und erscheinen auf den ersten Blick deutlich reflektierter als formal niedriger gebildete Jugendliche. Es zeigt sich allerdings auch, dass diese kritisch-reflexive Position vielfach bewusst eingenommen wird, da formal höher gebildete Jugendliche offensichtlich einen legitimen Mediengeschmack verinnerlicht haben, der Formate wie Model-Castingshows ablehnt. Dies wird besonders in Konflikten zwischen sozialer Erwünschtheit und persönlichen Medienpräferenzen deutlich. So geben sich formal höher gebildete Heranwachsende in den Gruppendiskussionen kritischer, als in den Einzelinterviews, in denen bereitwilliger Einblicke in den persönlichen Umgang mit Model-Castingshows
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7 Empirische Spurensuche
gegeben werden. Darüber hinaus ist (basierend auf den Angaben der befragten Jugendlichen) anzunehmen, dass im Unterricht an höheren Schulen offensichtlich häufiger Medieninhalte im allgemeinen sowie medial vermittelte Schönheitsideale kritisch diskutiert werden als an niedrigeren Schulen. Formal höher gebildete Jungen und Mädchen berichten außerdem häufiger, dass populäre Fernsehinhalte wie etwa Model-Castingshows und medial vermittelte Schönheitsideale auch innerhalb der Familie kritisch betrachtet werden. Daraus lässt sich schließen, dass formal höher gebildete Heranwachsende sich nicht nur eines legitimen Mediengeschmacks bewusst sind, sondern dass diese gewöhnt sind, Medien kritisch zu reflektieren und diese Kritik auch entsprechend zu formulieren. Formal niedriger gebildete Jugendliche zeigen keine Konflikte zwischen einem legitimen und illegitimen Mediengeschmack oder dem Bedürfnis, sich sozial erwünscht zu verhalten. Sie geben bereitwillig Auskunft über ihren Umgang mit Model-Castingshows und ihre damit verbunden persönlichen Vorlieben und berichten weder, dass diese Fernsehformate sowie medial vermittelten Schönheitsideale in der Schule diskutiert, noch, dass diese in der Familie kritisch besprochen werden. Daraus lässt sich schließen, dass diese Jungen und Mädchen es weniger gewöhnt sind, sich kritisch mit Medieninhalten auseinanderzusetzen und dass sie keinen legitimen Mediengeschmack kennen, der die Rezeption von Model-Castingshows abwertet. Allerdings zeigt sich auch, dass formal niedriger gebildete Heranwachsende Model-Castingshows nicht unreflektiert rezipieren und sich durchaus kritisch mit Unstimmigkeiten auseinandersetzen. Jedoch fällt es ihnen schwer, diese Kritik in Worte zu fassen. Darüber hinaus zeigt sich, ganz anders als bei den formal höher Gebildeten, diese Kritik besonders in den Einzelinterviews und weniger in hitzigen Gruppendiskussionen mit Gleichaltrigen. Die nähere Analyse verdeutlicht auch, dass sich formal höher gebildete und formal niedriger gebildete Jugendliche in ihrem tatsächlichen Umgang mit Model-Castingshows wenig unterscheiden, aber dass formal höher gebildete Jungen und Mädchen besonders bemüht sind, sozial erwünscht zu antworten und sich als besonders distanziert und reflektiert zu präsentieren, während formal niedriger gebildete Heranwachsende wesentlich spontaner und offener über ihre Medienpräferenzen sprechen. Auch die Qualität der Kritik unterscheidet sich bei näherer Betrachtung nur unwesentlich. Sowohl bei formal höher als auch bei formal niedriger gebildeten Heranwachsenden liegen Kritik, Faszination und Mitgefühl mit den Kandidatinnen oft eng beieinander. Im Hinblick auf die vorangegangenen Erörterungen zeigt sich in der sekundäranalytischen Betrachtung dieser Studie, dass Differenzen zwischen dem Medienumgang formal höher gebildeter und formal niedriger gebildeter Jugendlicher,
7.4 Schlussfolgerungen für eine weitere Auseinandersetzung …
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welche auf den ersten Blick den Schluss auf eine höhere und niedrigere Kritikfähigkeit im Umgang mit Medien nahelegen, auf Unterschiede in Form eines inkorporierten kulturellen Kapitals zurückzuführen sind. Dieses kulturelle Kapital zeigt sich zum einen im Bewusstsein über einen bestimmten legitimen (medienbezogenen) Geschmack und zum anderen in der verinnerlichten Fähigkeit, Kritik zu formulieren. Dass dieses kulturelle Kapital vor allem über die Herkunftsfamilie vermittelt wird, zeigt sich darin, dass lediglich formal höher gebildete Jugendliche von einer kritischen Auseinandersetzung mit Medieninhalten und medial vermittelten Schönheitsidealen in der Familie berichten, und im Gegensatz dazu vor allem formal niedriger gebildete Mädchen eine ritualisierte gemeinsame Rezeption von Model-Castingshows mit anderen (weiblichen) Familienmitgliedern hervorheben. Darüber hinaus wird deutlich, dass diese Unterschiede offensichtlich durch das Schulsystem unterstützt werden, da nur formal höher gebildete Jugendliche davon berichten, dass Medieninhalte und medial vermittelte Schönheitsideale im Schulunterricht behandelt werden. Wenn es darum geht, im Rahmen einer Gruppendiskussion mit Gleichaltrigen ihren Umgang mit Model-Castingshows darzustellen sowie sich mit diesem Fernsehformat auseinanderzusetzen, zeigen die untersuchten formal höher gebildeten Jugendlichen eine andere Medienperformanz, als formal niedriger gebildete Gleichaltrige. Diese Performanz lässt sie auf den ersten Blick kritischer, reflektierter – vielleicht auch „kompetenter“ – im Umgang mit Medien erscheinen. Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass sowohl formal höher als auch formal niedriger gebildete Heranwachsende (im Sinne von Kompetenz) über ähnliche Fähigkeiten verfügen, sich kritisch mit Model-Castingshows auseinanderzusetzen. Der wesentliche Unterschied zeigt sich jedoch im Transfer dieser Fähigkeiten auf ihre Medienperformanz im Kontext der Gruppendiskussionen und Einzelinterviews. Die über Sozialisation und Erziehung erworbene familiäre Medienbildung in Form eines inkorporierten kulturellen Kapitals zeigt sich neben der schulischen Bildung und Erziehung diesbezüglich als ein zentraler moderierender Faktor.
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Medienkompetenz und Medienperformanz im Kontext der Social Web-Nutzung zehn bis 18-Jähriger Kinder und Jugendlicher
Die in Kap. 7 dargestellten Ergebnisse waren Anlass dafür, sich eingehend mit der Medienperformanz Heranwachsender vor dem Hintergrund individueller Handlungsstrategien und alltäglicher Herausforderungen sowie mit der Schwierigkeit einer angemessenen Beurteilung von Medienperformanz im Rahmen empirischer Studien auseinanderzusetzen. Dies bildete die Grundlage für ein weiteres Forschungsprojekt zum Umgang Heranwachsender mit Social Network Sites (SNS) bestehend aus einer breiten quantitativen Erhebung zur Social Web-Nutzung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von zehn bis 30 Jahren und zweier qualitativer Teilstudien. Eine dieser Teilstudien geht Konzepten von Privatheit und Öffentlichkeit im Umgang mit dem Social Web nach (S. Trültzsch-Wijnen 2018), während sich die andere Teilstudie den Fähigkeiten, Fertigkeiten und individuellen Handlungsstrategien Heranwachsender im Umgang mit dem Social Web widmet. In dieser zweiten Teilstudie, die nachfolgend im Detail dargestellt wird, steht die Frage im Mittelpunkt, ob und wie sich Relationen zwischen der Medienperformanz und der Medienkompetenz Heranwachsender vor dem Hintergrund individueller Handlungsstrategien am Beispiel des Umgangs mit dem Internet bzw. Social Web nachzeichnen lassen. Die Daten dafür wurden im Zeitraum 2012–2013 erhoben. Die Ergebnisse der quantitativen Studie wurden bereits mehrfach veröffentlicht und diskutiert (C. Trültzsch-Wijnen 2015, 2016; C. Trültzsch-Wijnen et al. 2015; Wijnen 2012b, 2013; Wijnen und Trültzsch 2012), sie sind aber durch ihre Einbettung in die hier vorgenommenen theoretischen Erörterungen nach wie vor aktuell und von besonderer Relevanz für die Frage nach der sozialen und individuellen Bedingtheit des Medienhandelns. Die Ergebnisse der qualitativen Teilstudie zu den Fähigkeiten, Fertigkeiten und individuellen Handlungsstrategien Heranwachsender im Social Web wurden bislang noch nicht veröffentlicht und © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. W. Trültzsch-Wijnen, Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9_8
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8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
werden hier erstmals vorgestellt und diskutiert. Sowohl die qualitativen als auch die quantitativen Ergebnisse sollen dazu dienen, die empirische Relevanz der in den vorhergehenden Kapiteln dargelegten theoretischen Überlegungen zu unterstreichen. Wie in Abschn. 5.1.2 ausgeführt, hat sich in aktuellen wissenschaftlichen Diskursen der Fokus von theoretischen Auseinandersetzungen mit der Definition und Dimensionierung von Medienkompetenz auf die Vermittlung von Medienkompetenz (z. B. Hoffmann et al. 2012; Marci-Boehncke und Rath 2013; Wahl et al. 2014) sowie auf die Messung und Operationalisierung von Medienkompetenz (z. B. Treumann et al. 2002, S. 33; 2007; Gapski 2006b; Herzig und Grafe 2009; Potter 2010; Friemel und Signer 2010; Livingstone 2011; Sowka et al. 2015; Riesmeyer et al. 2016) und digitaler Kompetenz (Vuorikari et al. 2016; Brečko und Ferrari 2016; Fielder et al. 2016; Carratero et al. 2017, S. 10–21) verschoben. In medienpsychologischen und mediensoziologischen Diskursen interessiert man sich vor allem für die Messung einzelner Teilbereiche von Medienkompetenz (z. B. Medienkritik als Fähigkeit zur Bewertung journalistischer Informationsangebote, Sowka et al. 2015). Darüber hinaus finden sich auch empirische Beschreibungen des Konstrukts Medienkompetenz (z. B. Riesmeyer et al. 2016; Pfaff-Rüdiger et al. 2012). Studien, in denen Aussagen zu verschiedenen Kompetenzniveaus getroffen werden, berufen sich vor allem auf Fragen zur allgemeinen Medienbewertung und Medienaffinität oder auf Selbsteinschätzungen technischer Fertigkeiten und Fähigkeiten im Umgang mit Medien (z. B. Behrens et al. 2014); seltener werden konkretes Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen in Bezug auf Medien abgefragt (z. B. DigComp-Kompetenzraster, Carratero et al. 2017, S. 10–21). Der Begriff Medienkompetenz wird in diesem Kontext zunehmend als ein Katalog von Fähigkeiten und Fertigkeiten, der in unterschiedlichen wissenschaftlichen und bildungspolitischen Diskursen variiert, aufgefasst. Dabei finden sozialökologische und lebensweltliche Hintergründe sowie unterschiedliche Kontexte der Mediensozialisation oft nur am Rande Berücksichtigung. Es werden Unterschiede zwischen mehr oder weniger medienkompetenten Menschen getroffen und zumeist erst in einem zweiten Schritt Überlegungen angestellt, woraus entsprechende Defizite resultieren und wie diese überwunden werden können. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit mit der Abfrage einer sicheren Handhabe normativer Regeln der Bewertung von Medieninhalten (wie etwa bei Sowka et al. 2015; Treumann et al. 2007 oder Potter 2010) oder des Wissens über Medien tatsächlich ein Teil von Medienkompetenz gemessen werden kann, oder ob es sich dabei nicht eher um einen Indikator für die Verinnerlichung von Normen und dessen zielsichere Anwendung in Testsituationen handelt. Ähnlich ist bei einer
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Abfrage von Einstellungen zu Medien oder Selbsteinschätzungen zu technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu hinterfragen, inwiefern hier der Fokus auf den Grad der Verinnerlichung eines legitimen (nach Bourdieu) bzw. eines sozial erwünschten Medienhandelns, oder auf tatsächliche Unterschiede in der Medienkompetenz gelenkt wird. Diese Überlegungen sind Ausgangspunkt der im Folgenden dargestellten Studie zur Social Web Nutzung von Kindern und Jugendlichen in Österreich. Theoretisch ist dieses Projekt nicht auf eine Operationalisierung, sondern auf eine empirische Beschreibung des Verhältnisses von Medienkompetenz und Medienperformanz ausgerichtet. Im Mittelpunkt steht daher die Frage, wie sich die Medienperformanz Heranwachsender vor dem Hintergrund individueller Handlungsstrategien im Umgang mit dem Social Web zeigt und inwiefern darüber Rückschlüsse auf deren Medienkompetenz sowie auf Faktoren, die den wechselseitigen Transfer zwischen Kompetenz und Performanz beeinflussen, möglich sind. Der Fokus liegt dabei auf den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Handlungsstrategien, die Heranwachsende im Umgang mit dem Social Web entwickeln, auf möglichen sozialen und individuellen Faktoren, die diese Fähigkeiten, Fertigkeiten und Handlungsstrategien beeinflussen sowie letztendlich auf der Frage, ob und wie sich diese beurteilen und vergleichen lassen. Das Medienhandeln von Kindern und Jugendlichen wird diesbezüglich im Kontext soziokultureller Rahmenbedingungen, lebensweltlicher Zusammenhänge, alltäglicher Routinen und des daraus resultierenden subjektiven, praktischen Sinns betrachtet. Der Blick liegt auf handlungsleitenden Orientierungen und dem Umgang mit dem Social Web und im Besonderen mit Social Network Sites (SNS) im Sinne eines Alltagshandelns, das eingebettet ist zwischen individuellen Einstellungen und soziokulturellen Normen. Im Einzelnen werden dabei folgende Aspekte untersucht: • die Selbstpräsentation auf SNS (bekanntgegebene Informationen, Fotos, Postings, subjektive Einschätzung von Authentizität) • das Beziehungsmanagement und die interpersonelle Kommunikation über SNS (Kontakte, Kommentare, Verlinkungen, Chat etc.) • das Management der Privatsphäre auf SNS (Gruppierung von Kontakten, Privatsphäreeinstellungen, Reflexion und Einschätzung des persönlichen Privatsphäremanagements) • das partizipative Medienhandeln über SNS und das Social Web allgemein (Erstellung von Gruppen/Fanseiten/Veranstaltungseinladungen, online Zusammenarbeit, öffentliche Meinungsäußerung, Teilnahme an O nline-Petitionen etc.) • die produktive Mediengestaltung im Social Web (Blogs, Videos etc.)
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• die allgemeine Einschätzung des Social Web im Hinblick auf Chancen und Risiken • die Selbsteinschätzung im Umgang mit dem Social Web (Beurteilung des eigenen Medienhandelns sowie von Fähigkeiten und Fertigkeiten) • tatsächliche Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Wissen im Umgang mit dem Social Web (rechtliche Grundlagen, Mediensystem, technische Fertigkeiten etc.) • die allgemeine Mediennutzung (Kontexte, Funktionen, dominante Nutzungsstrategien) • allgemeine habitualisierte Medienumgangsformen (verinnerlichte Normen und Werte, Bewertung von/Einstellungen zu spezifischen Medien/Medieninhalten, häusliche Medienerziehung, Einstellungen zu Medienerziehung, familiäre Mediennutzung/Routinen) • das soziale und familiäre Umfeld der Befragten (Freunde, Interessen, Routinen, Vorbilder, Lebensziele, Freizeitaktivitäten, Urlaubsziele/-formen, kulturelle Tätigkeiten, Einstellungen zur Schule, Wohlbefinden in der Schule, Wohnsituation) • die soziodemografischen Merkmale der Befragten (Alter, Geschlecht, formale Bildung, Migrationshintergrund) Bevor nun die methodische Vorgangsweise und das Forschungsdesign näher vorgestellt werden, wird zunächst der aktuelle Forschungsstand zur Nutzung von Social Web-Angeboten durch Heranwachsende beleuchtet, um die Studie und ihre Ergebnisse entsprechend einordnen zu können.
8.1 Einordnung in den aktuellen Forschungsstand Das Internet und das Social Web sind mittlerweile weit verbreitet und es wurden bereits zahlreiche Studien zu dessen Nutzung durchgeführt. Aktuelle Forschungsüberblicke finden sich unter anderem bei S. Trültzsch-Wijnen (2018), Einspänner-Pflock (2017), Niemann (2016), C. Trültzsch-Wijnen et al. (2015), Neuberger (2011) sowie Weissensteiner und Leiner (2011). In der empirischen Auseinandersetzung mit der Nutzung des Internets lässt sich zwischen standardisierten Fragebogenerhebungen (z. B. Anderson und Jiang 2018; Kreutzmann 2011; Nosoko et al. 2010; Tufekci 2008; Acquisti und Gross 2006; Jones und Soltren 2005), Interviewstudien (z. B. Miguel 2016; Marwick und Boyd 2014; Farquhar 2013; Siibak 2009), Inhaltsanalysen (z. B. Autenrieth
8.1 Einordnung in den aktuellen Forschungsstand
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2011; Trepte und Reinecke 2013; S. Trültzsch-Wijnen und Pscheida 2013; Dey et al. 2012; Winter et al. 2011; Astheimer et al. 2011; Pscheida und Trültzsch 2011; Nosko et al. 2010; Krämer und Winter 2008; Lampe et al. 2007) und Mixt Methods Designs (z. B. Livingstone et al. 2014; Autenrieth 2014; Niemann und Schenk 2012; Schmidt et al. 2011) unterscheiden. Die Untersuchungspopulation besteht zumeist aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in USAmerikanischen Studien häufig auch aus Studierenden (S. Trültzsch-Wijnen 2018, S. 197). International vergleichende Untersuchungen mit dem Fokus auf Kinder und Jugendliche finden sich bei Livingstone et al. (2011, 2014), Mascheroni und Cuman (2014) und Chaudron (2015). Im deutschen Sprachraum werden in Deutschland vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (JIM: 12 bis 19 Jahre, KIM: 6 bis 13 Jahre, miniKIM: 2 bis 5 Jahre und FIM: Familien mit Kindern zwischen 3 und 19 Jahren) und der ARD/ZDF-Medienforschung (ARD/ZDF-Onlinestudie: deutsche Bevölkerung ab 14 Jahren) sowie in der Schweiz von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (JAMES: 12 bis 19 Jahre und MIKE: 6 bis 13 Jahre) regelmäßig repräsentative Studien zur Mediennutzung Heranwachsender durchgeführt. Für Österreich existieren keine vergleichbaren Studien. Dort führt das Land Oberösterreich (Education Group) in Anlehnung an die Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest seit 2007 kleinere Erhebungen (Kinder-Medien-Studie: 6 bis 10 Jahre und Jugend-Medien-Studie: 11 bis 18 Jahre) durch, die allerdings nur für das Bundesland Oberösterreich repräsentativ sind. Darüber hinaus führt bitkom (Hoyer et al. 2011; bitkom 2013; Berg 2017) in unregelmäßigen Abständen repräsentative Studien zur Internetnutzung in Deutschland durch und in Österreich gibt Saferinternet.at/ÖIAT ebenfalls in unregelmäßigen Abständen Studien zu verschiedenen Themen bezüglich der Internetnutzung Heranwachsender (z. B. 2016: Jugendliche Bilderwelten, 2013: Internetnutzung und Digitale Kompetenz im Vorschulalter) sowie seit 2001 den jährlichen Jugend-Internet-Monitor in Auftrag. Die angeführten Studien bilden die Basis für die Einordnung der hier vorgestellten Untersuchung in den aktuellen Forschungsstand. Zusätzlich werden einige einmalig durchgeführte Studien zur Internetnutzung Heranwachsender (z. B. Zartler et al. 2018; Institut für Jugendkulturforschung 2010a, b; Wächter et al. 2011; Parycek et al. 2010) herangezogen und weitere Studien integriert, die sich auf besondere Aspekte der Social Web-Nutzung beziehen (z. B. Oberlinner et al. 2018; Wagner et al. 2016; Schmidt et al. 2011; Neumann-Braun und Autenrieth 2011a; Wagner et al. 2009, 2011).
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8.1.1 Allgemeine Befunde zur Internetnutzung Heranwachsender im europäischen Vergleich und im deutschen Sprachraum Im Jahr 2016 nutzen laut Eurostat (2016) 81 % der EU-Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren zumindest einmal pro Woche das Internet und mit 96 % nutzen die 16- bis 24-Jährigen das Internet am intensivsten. Europaweit vergleichende Daten für Heranwachsende von neun bis 16 Jahren wurden im Rahmen von EU Kids Online (Livingstone et al. 2011) und Net Children Go Mobile (Livingstone et al. 2014; Mascheroni und Cuman 2014) erhoben und die Internetnutzung nullbis achtjähriger Kinder wurde in einer qualitativen Studie des JRC erforscht (Chaudron 2015); jüngere Daten für die Altersgruppe unter 16 Jahren existieren auf europaweit vergleichender Ebene bislang nicht. In den nachfolgenden Ausführungen werden die Daten der europaweiten Erhebungen daher mit aktuelleren Erkenntnissen aus dem deutschen Sprachraum sowie dem jüngsten Bericht des Pew Research Center (Anderson und Jiang 2018) zur Social Web Nutzung 13- bis 17-Jähriger in den USA ergänzt. Es zeigt sich, dass das Internet ein fixer Bestandteil im Leben europäischer Kinder und Jugendlicher ist. Im Jahr 2010 gehen 93 % der Neun- bis 16-Jährigen, die das Internet nutzen, zumindest einmal pro Woche online und 60 % dieser Altersgruppe nutzen das Internet täglich oder zumindest fast jeden Tag (Livingstone et al. 2011, S. 5). In der Häufigkeit der Internetnutzung sind in der EU Kids Online-Studie kaum geschlechtsspezifische Unterschiede festzustellen, jedoch zeigt sich deutlich, dass Heranwachsende das Internet umso öfter nutzen, je älter sie werden. So surfen 33 % der Neun- bis Zehn-Jährigen täglich bis fast täglich im Internet, während dies bereits auf 80 % der 15- bis 16-Jährigen zutrifft. Durchschnittlich surfen Neun- bis 16-Jährige Europäerinnen und Europäer im Jahr 2010 anderthalb Stunden täglich im Internet. Die größten Unterschiede zeigen sich auch hier hinsichtlich des Alters: Neun- bis Zehnjährige sind täglich ca. eine Stunde online während die 15- bis 16-Jährigen nahezu zwei Stunden pro Tag im Internet verbringen. Jungen sind tendenziell etwas länger als Mädchen online; die soziale Herkunft der Heranwachsenden hat wenig Einfluss auf die tägliche Nutzungsdauer (Livingstone et al. 2011, S. 26). 2017 nutzen 97 % der Zwölf- bis 19-Jährigen in Deutschland zumindest fast täglich das Internet und sie sind im Schnitt über dreieinhalb Stunden online (mpfs 2017, S. 33). In Österreich trifft dies im Jahr 2018 auf 94 % der 14- bis 19-Jährigen zu (Austrian Internet Monitor/Barth und Cerny 2018). Auch im deutschen Sprachraum zeigen sich die deutlichsten Unterschiede hinsichtlich des Alters (mpfs 2017, S. 33; siehe auch Koch und Frees 2017, S. 435).
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Während Zwölf- bis 13-Jährige 2,3 h täglich online sind, sind es bei den 18bis 19-Jährigen 4,2 h pro Tag (mpfs 2017, S. 14, 30). Im Jahr 2017 nutzen zwei Drittel der sechs- bis 13-Jährigen Deutschen das Internet und sind zumeist jeden oder fast jeden Tag online (41 %). Die Nutzungsfrequenz steigt dabei mit dem Alter stark an (mpfs 2017, S. 33). In der Schweiz nutzen 2018 96 % der Zwölfbis 19-Jährigen das Internet täglich oder mehrmals pro Woche (Suter et al. 2018). Auch hier ist die Nutzungsfrequenz abhängig vom Alter. So sind 29 % der Sechsbis Siebenjährigen, 50 % der Acht- bis Neunjährigen, 71 % der Zehn- bis Elfjährigen und 87 % der Elf- bis 13-Jährigen mindestens einmal pro Woche online (Genner et al. 2017, S. 29). Null bis achtjährige Kinder wachsen 2014 in einem digitalen und vielfältigen Medienumfeld auf. Sie haben täglich Kontakt zu digitalen Medien, jedoch resultiert dies nicht zwangsläufig in einer intensiven Nutzung (Chaudron 2015, S. 13–15; mpfs 2014, S. 5–10). Das Smartphone der Eltern wird genutzt, um lange Wartezeiten (z. B. beim Arzt oder auf Reisen) zu überbrücken, oder wenn Mütter und Väter kurzfristig Zeit für andere Aktivitäten (z. B. Arbeit oder Kochen) brauchen. Das Tablet ist jedoch das beliebteste digitale Endgerät in dieser Altersgruppe, da es über Touchscreens einfach und intuitiv genutzt werden kann und vielfältige Nutzungsmöglichkeiten für junge Kinder bietet. Am liebsten sehen jüngere Kinder darauf Videos oder spielen Spiele. Manche Kinder Nutzen Tablets auch um zu zeichnen, um zu fotografieren oder um Fotos zu bearbeiten. Die Nutzung digitaler Medien ist in dieser Altersgruppe eher ausgewogen und erfolgt in Balance mit Spielen in der Offline-Welt und anderen non-medialen Aktivitäten (Chaudron 2015, S. 13–15). In Deutschland sehen sich 2016 ein Viertel der Dreibis Fünfjährigen regelmäßig Fotos und Videos auf einem Smartphone an und 10 % spielen mehrmals pro Woche Spiele auf PCs, Tablets oder andere digitalen Endgeräten, aber nur vier Prozent sehen sich laut Angaben der Eltern regelmäßig Videos auf Onlineplattformen wie YouTube an (mpfs 2016b, S. 55). Heranwachsende nutzen das Internet an unterschiedlichen Orten, am häufigsten wird es jedoch zu Hause genutzt. 87 % der in der EU Kids Online-Studie befragten Kinder und Jugendlichen geben an, von zu Hause aus online zu gehen; 63 % nutzen das Internet zudem regelmäßig in der Schule (Livingstone et al. 2011, S. 19–21). Auch 2016 gehen 99 % der Sechs- bis 13-jährigen Kinder in Deutschland von zuhause aus ins Internet und 37 % nutzen das Internet ebenso in der Schule (mpfs 2016, S. 30). In der Schweiz nutzen die Sechs- bis 13-Jährigen das Internet ebenfalls überwiegend von zuhause aus (Genner et al. 2017, S. 39). Zu Hause wird das Internet in unterschiedlichen Räumen genutzt. Wenn die Jungen und Mädchen zu Hause sind, nutzen sie das Internet durchschnittlich
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zu 49 % in ihrem eigenen Zimmer bzw. in einem privaten Raum, in dem sie ungestört von anderen Familienmitgliedern sind (Livingstone et al. 2011, S. 19–21). Im Vergleich zu 2010 zeigt sich 2014 ein Anstieg auf zwei Drittel der Heranwachsenden, die zumindest wöchentlich in ihrem eigenen Zimmer das Internet nutzen (Livingstone et al. 2014, S. 6; Mascheroni und Cuman 2014, S. 5). Bei genauerer Betrachtung der Internetnutzung zu Hause, zeigen sich Unterschiede im Hinblick auf das Alter und die soziale Herkunft der Heranwachsenden sowie Unterschiede zwischen einzelnen europäischen Ländern. Je älter die Jungen und Mädchen werden, desto eher verfügen sie über die Möglichkeit, das Internet in ihrem eigenen Zimmer zu nutzen. So können beispielsweise 2010 nur 30 % der 9- bis 10-Jährigen, aber 67 % der 15- bis 16-Jährigen ungestört in ihrem Zimmer surfen (Livingstone et al. 2011, S. 19–21); 2014 trifft dies nach wie vor auf ein Drittel der Neun- bis Zehnjährigen, aber auf vier Fünftel der 15- bis 16-Jährigen zu (Livingstone et al. 2014, S. 6; Mascheroni und Cuman 2014, S. 5). Ähnliches lässt sich 2017 in der Schweiz für die Gruppe der Sechs- bis 13-Jährigen feststellen. Dort geben 2017 28 % dieser Altersgruppe an, in ihrem eigenen Zimmer einen Internetzugang zu haben und mit zunehmendem Alter steigt die Verfügbarkeit eines Internetzugangs im eigenen Zimmer (Genner 2017, S. 22). Die mobile Internetnutzung ist 2010 unter europäischen Kindern und Jugendlichen noch nicht so stark verbreitet. Ein Großteil der Heranwachsenden nutzt einen Computer oder Laptop, der mit anderen Familienmitgliedern geteilt wird, oder einen eigenen Computer bzw. Laptop. Grundsätzlich ist die mobile Internetnutzung eher unter älteren Jugendlichen und unter Jungen und Mädchen aus sozial besser gestellten Familien zu finden (Livingstone et al. 2011, S. 21–23). Auch 2014 wird das Internet vorrangig zuhause genutzt, allerdings hat sich die Internetnutzung weg von PCs, die eventuell auch mit anderen Familienmitgliedern geteilt werden, hin zu privaten Laptops, Tablets oder Smartphones verschoben (Livingstone et al. 2014, S. 7). Es ist somit im Vergleich der Daten von 2010 und 2014 eine Privatisierung der Internetnutzung Heranwachsender zu beobachten: zum einen wird das Internet häufiger in der Privatsphäre des eigenen Zimmers genutzt und zum anderen werden häufiger private Geräte genutzt. Dieser Trend wird für Deutschland in der KIM-Studie 2016 (S. 32) bestätigt und für Österreich in der Kinder-Medien-Studie des Landes Oberösterreich (2018, S. 42 bestätigt). In den qualitativen Interviews der Net Children Go Online-Studie zeigt sich darüber hinaus, dass Kinder und Jugendliche an mobilen Geräten weniger die Mobilität der Nutzung, sondern die Privatheit und die Bequemlichkeit im Gegensatz zu PCs, die erst hochgefahren werden müssen und von allen Familienmitgliedern genutzt werden, schätzen (Mascheroni und Cuman 2014,
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S. 6). Tablets werden diesbezüglich eher mit mehreren Familienmitgliedern geteilt, während Smartphones wirklich der privaten Nutzung dienen. Hier fällt auf, dass ältere Heranwachsende (13 % der Neun- bis Zehnjährigen vs. 60 % der 15- bis 16-Jährigen) sowie Kinder und Jugendliche aus Familien mit einem höheren sozialökonomischen Status (36 % niedriger SES vs. 46 % hoher SES) eher ein eigenes Smartphone besitzen (Mascheroni und Cuman 2014, S. 6). Für Deutschland zeigt sich in den JIM-Studien, dass die Verbreitung von Smartphones unter Zwölf- bis 19-Jährigen von 88 % (2014) auf 97 % (2017) zugenommen hat, das heißt fast jeder bzw. jede deutsche Jugendliche besitzt heute über ein eigenes Smartphone und geht damit ins Internet (81 %; mpfs 2017; siehe auch Berg 2017, S. 2). Die Altersunterschiede sind diesbezüglich eher gering. So besitzen 92 % der Zwölf- bis 13-Jährigen ein eigenes Smartphone und ab 14 Jahren steigt dieser Anteil auf 98 % bis 99 %. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Schweiz, wo im Jahr 2018 99 % der Zwölf- bis 19-Jährigen ein eigenes Handy besitzen (Suter et al. 2018, S. 24). Unter den Sechs- bis Zwölfjährigen besitzen 2016 in Deutschland 51 % ein eigenes Handy, ca. 60 % davon sind Smartphones (mpfs 2016, S. 8–9; siehe auch Berg 2017, S. 16). In der Schweiz besitzen 2017 48 % der Sechs- bis Zwölfjährigen ein eigenes Handy oder Smartphone; der Besitz steigt mit dem Alter an (25 % der Sechs- bis Neunjährigen, 67 % der Zehn- bis Elfjährigen, über 75 % der Zwölf- bis 13-Jährigen; Genner et al. 2017, S. 25). Im Bundesland Oberösterreich besitzen 85 % der Elf- bis 18-Jährigen ein Smartphone und 78 % davon können sich nicht vorstellen, auf ihr Smartphone verzichten zu müssen (Education Group 2017, S. 9, 12). Darüber hinaus besitzen 2018 bereits 29 % der Sechs- bis Zehnjährigen in Oberösterreich ein Smartphone (Education Group 2018, S. 11). Auch in den USA besitzen 2018 95 % der Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren ein eigenes Smartphone oder haben zumindest Zugang zu einem (Anderson und Jing 2018, S. 2, 8). Bei dem Besitz von Tablets lassen sich keine Altersunterschiede feststellen (mpfs 2017, S. 8–9, 27), vielleicht auch, weil diese, wie die genannten Studien bestätigen, eher von mehreren Familienmitgliedern gemeinsam genutzt werden. Nur 5 % der Sechs- bis Zwölfjährigen Deutschen besitzen 2016 ein eigenes Tablet, während Tablets insgesamt in 28 % der Haushalte mit Kindern in diesem Alter anzutreffen sind. In der Schweiz besitzen 2017 hingegen 34 % derselben Altersgruppe ein eigenes Tablet. Wenn Tablets von dieser Altersgruppe genutzt werden, dann in erster Linie zum Spielen und zum Ansehen von Bildern und Videos (mpfs 2016a, S. 17, Genner et al. 2017, S. 36). Der Zeitpunkt, zu dem im Jahr 2010 Kinder das erste Mal ins Internet einsteigen, ist in Nordeuropa etwas früher (sieben Jahre in Dänemark und Schweden sowie acht Jahre in Norwegen, Finnland, Großbritannien und den Niederlanden)
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als in südeuropäischen Ländern (zehn Jahre). In Österreich und Deutschland beginnen Kinder ebenfalls im Alter von zehn Jahren das Internet zu nutzen (Livingstone et al. 2011, S. 23–24). 2014 zeigt sich bereits die Tendenz, dass europäische Kinder mit einem immer früheren Alter das erste Mal das Internet nutzen. Während die damals 15- bis 16-Jährigen davon berichten, mit zehn Jahren das erste Mal das Internet genutzt zu haben, waren die Neun- bis Zehnjährigen mit sieben Jahren das erste Mal online. Auch eigene Smartphones besaßen die 15- bis 16-Jährigen mit 14 Jahren, während die Neun- bis Zehnjährigen angeben, bereits mit acht Jahren ein Smartphone besessen haben (Mascheroni und Cuman 2014, S. 10). In Deutschland haben 2014 7 % der Zwei- bis Fünfjährigen bereits erste Erfahrungen mit dem Internet gemacht; bei ihrem ersten Kontakt waren diese Kinder durchschnittlich 3,8 Jahre alt (mpfs 2014, S. 21) und aus der deutschen bitkom-Studie geht hervor, dass im Jahr 2017 48 % der Sechs- bis Siebenjährigen und 81 % der Acht- bis Neunjährigen zumindest gelegentlich das Internet nutzen (Berg 2017, S. 6). Das Spektrum der Tätigkeiten Heranwachsender im Internet ist sehr breit. 2010 nutzen Elf- bis 16-Jährige in Europa das Internet am häufigsten zum Besuch einer SNS, für Instant Messaging und um sich Videos (z. B. über YouTube) anzusehen. Ein ähnliches Bild zeigt sich 2014, wobei Social Networking und das Ansehen von Videos weiter stark zugenommen hat, Instant Messaging aber leicht rückläufig ist. Die Nutzung des Internets für schulische Zwecke, das Teilen von Fotos und Videos sowie der Download von Inhalten haben im Vergleich zu 2010 ebenfalls zugenommen (Livingstone et al. 2014, S. 11). In der Net Children Go Mobile-Studie zeigt sich, dass 2014 die Kommunikation über SNS und mobile Endgeräte stark zugenommen hat und der Austausch mit anderen über das Internet weiter an Bedeutung gewinnt (Mascheroni und Cuman, S. 14). Abgesehen von der Kommunikation mit Freundinnen und Freunden und der Interaktion in Spielen beteiligen sich europäische Kinder und Jugendliche 2010 und 2014 allerdings relativ selten durch eine aktive Produktion von Inhalten im Internet. Des Weiteren zeigt sich, dass Heranwachsende mit zunehmendem Alter das Internet in allen Bereichen häufiger nutzen und sich das Spektrum ihrer Tätigkeiten ausdehnt. Die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen sind in dieser Hinsicht relativ gering. Männliche Heranwachsende verfügen generell über ein breiteres Spektrum an Onlineaktivitäten und spielen häufiger Onlinespiele als weibliche Heranwachsende (Livingstone et al. 2011, S. 33–34; Mascheroni und Cuman 2014, S. 12; Andrew und Lijang 2018, S. 9). Im Laufe der letzten Jahre hat sich zwar die Art der Angebote, nicht jedoch die Art und Weise der Social Web-Nutzung Heranwachsender geändert. Nach wie vor sind Social Networking, die Kommunikation mit anderen und die Nutzung von
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Videoplattformen besonders beliebt, allerdings hat sich die Nutzung von einer dominanten SNS (SchülerVZ/StudiVZ im deutschen Sprachraum und Facebook international) auf mehrere Angebote verteilt (Anderson und Jing 2018, S. 3–4). 2017 nutzen 94 % der 12- bis 19-Jährigen Deutschen WhatsApp (89 % tägliche Nutzung), 57 % Instagram (44 % tägliche Nutzung) sowie 49 % Snapchat (39 % tägliche Nutzung). An vierter Stelle steht weiterhin Facebook, das von 25 % der Jugendlichen regelmäßig (17 % tägliche Nutzung) genutzt wird. Andere Dienste wie etwa Twitter, Skype oder Tumblr spielen eine untergeordnete Rolle (mpfs 2017, S. 35; siehe auch Berg 2017, S. 8). Ein ähnliches Bild zeigt sich 2018 in der Schweiz. Hier nutzen 95 % der Zwölf- bis 19-Jährigen täglich bis mehrmals pro Woche WhatsApp (Suter et al. 2018, S. 67), 86 % Instagram und 81 % Snapchat; Facebook wird von 23 % zumindest mehrmals pro Woche genutzt (ebd., S. 46–27). 2017 ist YouTube ist nach wie vor die beliebteste Videoplattform und wird von 88 % der deutschen Jugendlichen zumindest mehrmals pro Woche genutzt; auch in der Schweiz erfreut sich YouTube ähnlicher Beliebtheit (Suter et al. 2018, S. 71). Ebenso zählen unter österreichischen Heranwachsenden im Alter von elf bis 17 Jahren 2018 Instagram (63 %), Snapchat (59 %) und Facebook (52 %) zu den beliebtesten SNS; WhatsApp (85 %) und YouTube (81 %) sind allerdings noch vor den SNS die beliebtesten Social Web-Angebote (Jugend-Internet-Monitor 2018). Hier unterscheiden sich europäische Heranwachsende kaum von Gleichaltrigen in den USA. 2018 nutzen 13- bis 17-Jährige dort ebenfalls vor allem YouTube (85 %), gefolgt von Instagram (72 %), Snapchat (69 % und Facebook (51 %); WhatsApp wurde im Bericht des Pew Research Center nicht berücksichtigt (Anderson und Jiang 2018, S. 2). Auch Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren nutzen in Deutschland im Jahr 2016 täglich zu 41 % WhatsApp, zu 24 % Suchmaschinen, zu 17 % YouTube und zu 17 % Facebook. Bei Tätigkeiten, die mindestens einmal pro Woche ausgeübt werden, steht das Recherchieren auf Suchmaschinen mit 70 % an erster Stelle, gefolgt vom Verschicken von WhatsApp-Nachrichten (58 %) und dem Ansehen von YouTube-Videos (50 %); spezielle Kinderseiten werden von 46 % der Sechs- bis Zwölfährigen regelmäßig besucht (mpfs 2016a, S. 34). Im Hinblick auf SNS zeigt sich wie in den Jahren davor, dass diese für die meisten Jungen und Mädchen erst ab zehn Jahren interessant werden: Facebook nutzen 8 % der Sechs- bis Siebenjährigen, 9 % der Acht- bis Neunjährigen, 24 % der Zehn- bis Elfjährigen und 51 % der Zwölf- bis 13-Jährigen in Deutschland (mpfs 2016b, S. 41). Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz und in Österreich ist die Anzahl jener, die bei mehr als einer SNS angemeldet sind, bei älteren Heranwachsenden höher als bei den Jüngeren (Autenrieth et al. 2011, S. 37–38; Waechter et al. 2011, S. 62). In der Schweizer MIKE-Studie 2017 fällt bei den
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Zehn- bis Zwölfjährigen im Vergleich zu ihren deutschen AltersgenossInnen auf, dass YouTube (53 % fast tägliche Nutzung), gefolgt von WhatsApp (41 % fast tägliche Nutzung) und Google (28 % fast tägliche Nutzung) das beliebteste Angebot im Social Web ist. SNS wie Instagram und Snapchat werden von 21 % bzw. 20 % der Heranwachsenden dieser Altersgruppe fast täglich genutzt (für Jüngere liegen diesbezüglich keine Daten vor; Genner et al. 2017, S. 38). In Österreich zeigt sich 2018 für das Bundesland Oberösterreich, dass YouTube und allgemein das Ansehen von Filmen im Internet, gefolgt von der Suche nach Informationen am beliebtesten unter den Sechs- bis Zehnjährigen ist (Education Group 2018, S. 46). Heranwachsende recherchieren auch häufig im Internet. 2017 geben in Deutschland 85 % der Zwölf- bis 19-Jährigen an, mindestens mehrmals pro Woche im Internet nach Informationen zu suchen (mpfs 2017, S. 47), in der Schweiz sind das 2018 81 % (Suter et al. 2018, S. 40). Zwei Drittel der deutschen Jugendlichen informieren sich vor allem über YouTube-Videos. Des Weiteren wird über Wikipedia, SNS oder Onlineausgaben von Zeitungen und Zeitschriften recherchiert, nur ein Fünftel nutzt Nachrichtenportale. Deutliche Unterschiede zeigen sich hier hinsichtlich des Alters: während Zwölf- bis 15-Jährige eher auf Informationen aus YouTube setzen, recherchieren 16- bis 19-Jährige vorrangig über Suchmaschinen wie Google (mpfs 2017, S. 47). Ähnliches kann auch in der Schweiz festgestellt werden. Hier nutzen die Zwölf- bis 13-Jährigen Suchmaschinen und SNS seltener zu Informationszwecken als ältere Jugendliche und je älter die Heranwachsenden werden, desto häufiger nutzen sie auch Onlinenachrichtenportale, um sich zu informieren (Suter et al. 2018, S. 40). In Deutschland nutzen 63 % der Zwölf- bis 19-Jährigen das Internet auch mindestens einmal pro Woche, um für die Schule zu lernen oder zu arbeiten und 13 % tun dies fast täglich. Diesbezüglich lassen sich keine Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung ausmachen (mpfs 2017, S. 52–53), allerdings kommt 2010 eine österreichische Studie hinsichtlich der Qualität der Recherchen zu dem Ergebnis, dass unter 14-jährigen Jugendlichen formal höher gebildete Jungen und Mädchen häufiger gezielt recherchieren als formal niedriger gebildete Heranwachsende (Parycek et al. 2010, S. 62). In der Schweiz zeigt sich 2018, dass formal niedriger gebildete Realschülerinnen und Realschüler häufiger Filme, Dokumentationen und Serien zur Information nutzen, als formal höher gebildete Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule oder des Gymnasiums; Onlineportale von Zeitschriften und Zeitungen werden häufiger von formal höher gebildeten Gymnasiastinnen und Gymnasiasten genutzt als von Jugendlichen, die andere Schulen besuchen (Suter et al. 2018, S. 41). Auch ein Viertel der jüngeren Internetnutzerinnen und Internetnutzer recherchiert in Deutschland jeden oder fast jeden Tag im Internet; 46 % der
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Sechs- bis 13-Jährigen tun dies ein- oder mehrmals pro Woche. Bereits die Hälfte der Sechs- bis Siebenjährigen und 83 % der Zwölf- bis 13-Jährigen nutzt mindestens einmal pro Woche eine Internetsuchmaschine (mpfs 2016b, S. 48). Als Gründe für ihre Recherchen gibt die Hälfte der Sechs- bis 13-Jährigen Themen aus dem Schulkontext sowie Hausaufgaben an, darüber hinaus wird häufig zum Thema Gaming (44 %) und Prominente (37 %) recherchiert (mpfs 2016b, S. 48). Mit zunehmendem Alter ändert sich jedoch der Umgang mit Informationen aus dem Internet. Während sich jüngere Kinder bei der Recherche in Suchmaschinen oft mit dem ersten Ergebnis zufrieden geben, gehen Heranwachsende ab 10 Jahren nach und nach differenzierter vor und sehen sich die einzelnen Treffer näher an, bis sie die für sie passenden Ergebnisse gefunden haben. Im Hinblick auf das Vertrauen in Informationen aus dem Internet geben 2010 78, 6 % der befragten Jugendlichen an, nicht alles zu glauben was sie im Internet finden, aber nur ein Drittel interessiert sich für die tatsächliche Quelle bzw. den Verfasser oder die Verfasserin von Informationen (Parycek et al. 2010, S. 79–80; Hoyer et al. 2011, S. 20). Ähnlich zeigt sich 2011 auch in Deutschland, dass rund 22 % der Zehn- bis 18-Jährigen dem Internet voll vertrauen und der Meinung sind, die dort auffindbaren Informationen seien in der Regel richtig. Dass für manche Kinder und Jugendliche die Frage nach der Herkunft diverser Informationen aus dem Internet sowie der korrekte Umgang mit Quellenangaben eine untergeordnete Rolle spielen, zeigt sich auch darin, dass 13 % der 10- bis 18-jährigen Deutschen zugeben, schon einmal ein ganzes Referat oder einen ganzen Aufsatz aus dem Internet kopiert und weiterverwendet zu haben (Hoyer et al. 2011, S. 33–34). Heranwachsende nutzen das Social Web eher rezeptiv, ihr aktives Engagement beschränkt sich in erster Linie auf SNS (Willemse et al. 2010, S. 29; Parycek et al. 2010, S. 53–59; Hasebrink und Rohde 2009, S. 93; Wagner et al. 2009, S. 79; Baumgarter und Morris 2010). Dies bestätigt auch die ARD/ZDF-Onlinestudie (Busemann und Gscheidle 2011, S. 361) aus der hervorgeht, dass im Jahr 2011 lediglich 16 % der 14- bis 19-jährigen Deutschen die Möglichkeit, eigene Beiträge zu verfassen und im Internet zu veröffentlichen, „sehr interessant“ finden. SNS werden von Heranwachsenden aber wesentlich produktiver genutzt. Sie kommunizieren über Privatnachrichten, Chat, schreiben Kommentare und Statusmeldungen, sie laden Bilder und Videos hoch und verlinken und kommentieren diese (Willemse et al. 2010, S. 33–34; Institut für Jugendkulturforschung 2010b, S. 7). In den aktuellen Studien zur Mediennutzung Heranwachsender, werden produktive Formen der Internetnutzung weniger stark abgefragt als noch vor einigen Jahren. In Deutschland sind Kinder und Jugendliche nach wie vor sehr aktiv auf SNS. So posten 2017 52 % der Zwölf- bis
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19-Jährigen zumindest gelegentlich ein Foto und 42 % kommentieren zumindest gelegentlich Bilder oder Videos von anderen (mpfs 2017). 73 % der Sechs- bis Zwölfjährige verschicken 2016 mindesten einmal pro Woche Nachrichten, 59 % posten regelmäßig was sie gerade machen, 56 % schreiben ebenso häufig anderen etwas auf die Pinnwand. 55 % dieser Altersgruppe laden mindestens einmal pro Woche Fotos und Videos hoch (mpfs 2016a, S. 42). In Österreich ist dieselbe Altersgruppe offenbar deutlich weniger aktiv. Für das Bundesland Oberösterreich lässt sich feststellen, dass 2018 nur 6 % der Sechs- bis Zehnjährigen überhaupt Fotos veröffentlichen, 3 % erstellen YouTube-Videos und 1 % arbeitet an einer eigenen Homepage (Education Group 2018, S. 46). Auch Schweizer Jugendliche scheinen weniger aktiv als Gleichaltrige in Deutschland. 2018 geben 9 % der Zwölf- bis 19-Jährigen an, zumindest mehrmals pro Woche Fotos hochzuladen. Ein Großteil tut dies allerdings weniger oft und rund ein Viertel veröffentlicht nie Fotos im Internet. Des Weiteren laden nur 4 % der Schweizer Heranwachsenden regelmäßig Audiodateien hoch und lediglich 5 % schreiben regelmäßig in Newsgroups (Suter et al. 2018, S. 42). Für Österreich liegen allerdings keine Daten für Kinder und Jugendliche vor, die älter als zehn Jahre sind, und sowohl in der Schweiz als auch in Österreich wurden im Gegensatz zur deutschen Studie Tätigkeiten auf SNS wie Pinnwandeinträge, Kommentare und Nachrichten schreiben nicht gesondert abgefragt. In der ersten EU Kids Online-Studie (Livingstone et al. 2011, S. 27–28) wurden unterschiedliche Fertigkeiten abgefragt, die im weitesten Sinne als Teil einer versierten Internetnutzung betrachtet werden können. Unter anderem zeigt sich in dieser Untersuchung, dass ein Großteil der Elf- bis 16-Jährigen (64 %) nach eigenen Angaben in der Lage ist, im Internetbrowser ein Lesezeichen zu setzen und unterschiedliche Webseiten zu vergleichen bzw. Informationen aus dem Internet zu beurteilen (56 %). Ungefähr die Hälfte kann ungewollte Emails blockieren und 64 % geben an zu wissen, wie man Nachrichten von ungewollten Kontakten im Internet blockiert. Des Weiteren geben 56 % an in der Lage zu sein, Privatsphäreeinstellungen auf SNS zu setzen und ca. die Hälfte weiß, wie man den Verlauf der besuchten Seiten im Internetbrowser löscht. Diese Ergebnisse spiegeln vor allem die Selbsteinschätzungen der befragten Kinder und Jugendlichen wider. Hier zeigt sich, dass Heranwachsende mit zunehmendem Alter und einer damit verbundenen längeren Erfahrung mit dem Internet sich auch mehr Fähigkeiten und Fertigkeiten aneignen. Unabhängig vom Alter der befragten Kinder und Jugendlichen fällt zudem auf, dass Jungen eher behaupten über gewisse Fertigkeiten zu verfügen als Mädchen. Darüber hinaus zeigt sich im Vergleich der Daten von 2010 und 2014, dass das Selbstbewusstsein der Jungen
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weiter angestiegen, während jenes der Mädchen deutlich zurückgegangen ist. Das Selbstbewusstsein im Umgang mit dem Internet steigt mit dem Alter der Heranwachsenden: 2014 glauben lediglich 10 % der 9- bis 10-Jährigen, aber 58 % der 15- bis 16-Jährigen, sich besser als ihre Eltern im Internet zurechtzufinden (Livingstone et al. 2014, S. 17). Es zeigt sich weiter, dass Heranwachsende ihre digitalen Fähigkeiten und Fertigkeiten allgemein 2014 etwas besser einschätzen als 2010. Die Mehrheit der europäischen Heranwachsenden gibt 2014 an in der Lage zu sein, Nachrichten von unerwünschten Personen zu blockieren (71 %), Lesezeichen zu setzen (69 %) und Privatsphäreeinstellungen auf SNS vornehmen zu können (67 %) (Livingstone et al. 2014, S. 18). Heranwachsende schätzen ihre persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht nur mit dem Internet, sondern auch allgemein mit dem Computer durchweg hoch ein. So hat 2011 auch in Deutschland mehr als die Hälfte der 10- bis 12-Jährigen das Gefühl, sich zumindest gleich gut oder sogar besser als ihre Mütter mit dem Computer auszukennen. Unter den 13- bis 15-Jährigen sind dies bereits 82 %. Diese Altersgruppe fühlt sich im Umgang mit dem Computer auch Großteils kompetenter als ihre Väter sowie Lehrerinnen und Lehrer. Bei den 16- bis 18-Jährigen ist diese Einschätzung noch deutlicher ausgeprägt (Hoyer et al. 2011, S. 16). Auch die Einschätzung der persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Suchmaschinen steigt mit dem Alter der Jungen und Mädchen. 2011 zeigt sich in Deutschland, dass unter den 12- bis 19-Jährigen mit zunehmendem Alter die Anzahl jener abnimmt, die nicht wissen, wo sie im Netz weiter recherchieren können, wenn sie bei einer Onlinesuche auf widersprüchliche Informationen stoßen. (mpfs 2011. S. 33); in jüngeren Studien wird die Selbsteinschätzung Heranwachsender im Umgang mit dem Internet weniger detailliert abgefragt. Die Ergebnisse aus dem deutschen Sprachraum, spiegeln sich auch auf internationaler Ebene wider. 2010 geben in Europa zwei Drittel der Neun- bis 16-Jährigen an, im Internet besser als ihre Eltern Bescheid zu wissen. Es zeigt sich ebenfalls, dass das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen mit zunehmendem Alter steigt: 63 % der Neun- bis Zehn-Jährigen glauben nicht besser als ihre Eltern Bescheid zu wissen, bei den 15- bis 16-Jährigen sind dies hingegen nur mehr 13 %. Im Hinblick auf die soziale Herkunft der Heranwachsenden zeigt sich eine schwache Tendenz, dass Jungen und Mädchen aus sozial besser gestellten Familien eher das Gefühl haben, besser als ihre Eltern mit dem Internet umgehen zu können, als Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem sozialökonomischem Status (Livingstone et al. 2011, S. 28–29).
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8.1.2 Spezielle Befunde zu Social Network Sites (SNS) Erste Formen von SNS gab es bereits Ende der 1990er Jahre, aber erst ab Mitte der 2000er Jahre haben sie zunehmend an Bedeutung gewonnen (Boyd und Ellison 2007, S. 214). Heute sind SNS besonders beliebt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Livingstone et al. 2011; Neumann-Braun und Autenrieth 2011a; Lenhart 2010; Wagner et al. 2009, 2010; Schmidt et al. 2011). Im Jahr 2010 geht aus der EU Kids Online-Studie hervor, dass 59 % der Neun- bis 16-Jährigen Internetnutzerinnen und -nutzer in Europa ein Profil auf einer SNS haben. Mit zunehmendem Alter der Heranwachsenden steigt auch die Beliebtheit dieser Social Web-Angebote. So haben 2010 durchschnittlich 26 % der Neun- bis Zehnjährigen ein eigenes Profil, während bereits 49 % der Elf- bis Zwölfjährigen, 73 % der 13- bis 14-Jährigen und 82 % der 15- bis 16-Jährigen auf einer SNS registriert sind (Livingstone et al. 2011, S. 5). In der Erhebung von 2014 besuchen 63 % der Elf- bis 14-Jährigen in Europa regelmäßig SNS, wobei die intensivsten Nutzerinnen und Nutzer unter den 15- bis 16-Jährigen zu finden sind (Livingstone et al. 2014). Wie oben ausgeführt, zeigt sich in Deutschland (mpfs 2017), in der Schweiz (Suter et al. 2018) und in Österreich (Jugend-Internet-Monitor 2018) auch aktuell ein ähnliches Bild. Damit kann mit S. Trültzsch-Wijnen (2018, S. 198) sowie Tippelt und Kupferschmitt (2015, S. 443) davon ausgegangen werden, dass die SNS-Nutzung bei diesen Werten stagniert und eine Sättigung des Marktes eingetreten ist. SNS werden vor allem zur Kommunikation mit Freunden, Freundinnen und Bekannten genutzt, weniger allerdings zum Knüpfen neuer Kontakte (Anderson und Jiang 2018, S. 6; bitkom 2013, S. 26; Young und Quan-Haase 2013; Niemann und Schenk 2012, S. 227; Hasebrink und Rohde 2011, S. 11; Autenrieth et al. 2011; Subrahmanyam et al. 2008; Ellison et al. 2007). Die Entscheidung für bzw. gegen die Nutzung einer bestimmten SNS hängt daher vorrangig von der Anzahl der Personen aus den realen sozialen Netzwerken Heranwachsender ab, die bereits ein Profil auf der entsprechenden Plattform besitzen (Institut für Jugendkulturforschung 2010b, S. 8; Waechter et al. 2011, S. 67). Online wie offline suchen Jugendliche und junge Erwachsene jene Orte auf, an denen sie ihre Freunde und Freundinnen treffen (Lampe et al. 2006, S. 170). Sie bewegen sich also kaum in tatsächlich virtuellen Netzwerken, sondern ihre Verbindungen auf SNS sind vielmehr eine Repräsentation persönlicher Netzwerke und sozialer Beziehungen der Offline-Welt. Für Heranwachsende ist die (mehr oder weniger öffentliche) Abbildung und Artikulation bereits offline existierender Beziehungen aber von großer Bedeutung. Boyd und Ellison (2007, S. 2) stellen fest, dass
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„the unique [of social network sites] is not that they allow individuals to meet strangers, but rather that they enable users to articulate and make visible their social networks.“ Dies spiegelt sich auch in der Anzahl der Kontakte der einzelnen SNS-Nutzerinnen und -nutzer wider. Diese Anzahl wird mit unterschiedlichen Mittelwerten empirisch erfasst. Zumeist werden Mittelwerte von 150 bis 200 Kontakte angegeben, nur wenige haben unter 50 oder mehr als 350 Kontakte (S. Trültzsch-Wijnen 2018, S. 200; Niemann und Schenk 2012, S. 233; Hasebrink und Rohde 2011, S. 109). In Studien, in denen SNS-Profile inhaltsanalytisch untersucht wurden, wird ebenfalls ein Durchschnitt von 130 bis 150 Kontakten angegeben (S. Trültzsch-Wijnen und Pscheida 2013; Pscheida und Trültzsch 2011; Winter et al. 2011; Nosko et al. 2010). Den meisten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ist die Anzahl ihrer Kontakte wichtig, denn sie repräsentiert auch einen gewissen sozialen Status im Sinne einer Sichtbarmachung von sozialem Kapital (S. Trültzsch-Wijnen 2018, S. 201; Uski und Lampinen 2016; Tong et al. 2008; Ellison et al. 2007, S. 1150; Boyd 2006). In der EU Kids Online-Studie zeigt sich, dass 2010 nur wenige Kinder und Jugendliche über mehr als 300 Kontakte verfügen; 20 % haben zwischen 100 und 300 Kontakte und die Hälfte der Jungen und Mädchen sind mit weniger als 50 Personen vernetzt (Livingstone et al. 2011, S. 37–38). Des Weiteren geben vier Fünftel der Elf- bis 16-Jährigen an, sich mit ihren realen Freundinnen und Freunden im Internet auszutauschen. Je älter die Heranwachsenden werden, desto größer wird der Kreis ihrer sozialen Kontakte und so vernetzen sich 39 % der Elf- bis 16-Jährigen online mit Personen aus ihrem weiteren sozialen Umfeld, wie beispielsweise mit Freundinnen, Freunden oder Familienangehörigen von Freundinnen und Freunden, die sie noch nicht persönlich kennengelernt haben. Ein Viertel gibt an, sich mit Personen zu vernetzen, die keine Verbindung zu ihrem sozialen Umfeld außerhalb des Internets haben; dieses Verhalten ist häufiger bei älteren als bei jüngeren Heranwachsenden und eher bei Jungen als bei Mädchen zu finden. Heranwachsende aus sozial besser gestellten Familien verfügen über größere Onlinenetzwerke und über mehr Kontakte, die sie aus dem Internet kennen, als jene aus sozial schwächeren Familien (Livingstone et al. 2011, S. 41–42). Des Weiteren zeigt sich 2010 in Österreich, dass formal höher gebildete Jugendliche im Vergleich zu formal niedriger gebildeten Heranwachsenden häufiger mit Ihren Freundinnen und Freunden online kommunizieren, jedoch seltener neue Kontakte über das Internet knüpfen (Parycek et al. 2010, S. 62). In aktuelleren Studien zur Mediennutzung Heranwachsender im deutschen Sprachraum wird die Anzahl der Kontakte nicht mehr miterhoben.
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Im Austausch mit Freunden, Freundinnen und Bekannten dienen Privatnachrichten und der Chat vor allem dem vertraulichen Austausch, während in Pinnwandeinträgen und Statusmeldungen eher vage und unkonkret kommuniziert wird (S. Trültzsch-Wijnen 2018, S. 200; Georgalou 2016; Waechter et al. S. 64). Zumeist bleibt aber die Kommunikation über SNS eher auf einer unverfänglichen Ebene, denn bei tiefer gehenden Angelegenheiten wie etwa die Klärung eines Streites oder von Beziehungsproblemen ziehen die meisten Jungen und Mädchen persönliche Treffen vor (Autenrieth et al. 2011, S. 50–51). Allerdings zeigt sich in der EU Kids Online-Studie von 2010 auch, dass es einigen Heranwachsenden leichter fällt, sich über das Internet als in einem persönlichen Gespräch zu äußern. Die Hälfte der Elf- bis 16-Jährigen gibt in dieser Erhebung an, in einer Online-Kommunikation eher sie selbst sein zu können als während eines direkten Gesprächs, drei Viertel geben an, im Internet über andere Dinge zu sprechen als in direkten Gesprächen und ca. ein Drittel unterhält sich im Internet über privatere Themen als im persönlichen Gespräch (Livingstone et al. 2011, S. 40–41). Diese Befunde können zum einen darauf hindeuten, dass Heranwachsende wenige Unterschiede zwischen einer Online- und einer Offline-Kommunikation empfinden, oder dass die Online-Kommunikation besonders jenen Jungen und Mädchen entgegen kommt, denen es schwer fällt, sich in direkten Gesprächen zu äußern. 2013 geben 80 % der deutschen SNS-Nutzerinnen und -Nutzer an, am häufigsten Privatnachrichten zu schreiben oder zu chatten, während wesentlich seltener Fotos hochgeladen oder Statusmeldungen geschrieben werden (bitkom 2013, S. 24–25; S. Trültzsch-Wijnen 2018, S. 200; siehe auch Niemann und Schenk 2012; Autenrieth et al. 2011). Darüber hinaus zeigt sich, dass SNS-Nutzerinnen und -Nutzer wesentlich öfter Neuigkeiten von anderen lesen und sich deren Profile und Fotos ansehen, als sie eigene Fotos hochladen oder Nachrichten posten (S. Trültzsch-Wijnen 2018, S. 200; Niemann 2016, S. 206; Niemann und Schenk 2012, S. 200; Hasebrink und Rohde 2011, S. 111–112; Neuberger 2011, S. 49). Wenn Bilder hochgeladen werden, stammen die Motive zumeist aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld der Heranwachsenden (Institut für Jugendkulturforschung 2010b, S. 13; Bildungsmedienzentrum 2011, S. 65).
8.1.2.1 Identitäts- und Beziehungsmanagement mittels SNS SNS kommen vor dem Hintergrund spezifischer Entwicklungsaufgaben dem jugendlichen Bedürfnis der Vernetzung und Kommunikation, der Beziehungspflege mit Freundinnen, Freunden und Bekannten sowie der Selbstpräsentation und des damit verbundenen Identitätsmanagements besonders entgegen (Schmidt et al. 2011). Sie bieten Heranwachsenden (Spiel-)Räume zur Aushandlung von
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Hierarchie und Status (Neumann-Braun und Autenrieth 2011b, S. 11; Autenrieth 2011; boyd 2008). Aus dem Blickwinkel der Mediensozialisation bieten SNS unterschiedliche Möglichkeiten der Selbst-, Sozial- und Sachauseinandersetzung (siehe Kap. 2). Dabei geht es um die persönliche Verortung in der Welt und im sozialen Umfeld sowie der zentralen Frage nach dem „wer bin ich?“ bzw. „wer möchte ich sein?“. Daher sind für Heranwachsende die Selbstdarstellung auf ihrer Profilseite sowie die Kontaktpflege innerhalb ihres Netzwerks von besonderer Bedeutung. Zu diesem Zweck nutzen sie häufig die Kommunikationsmöglichkeiten von Chat, Pinnwandeinträgen und privaten Nachrichten und stöbern gerne in den Profilen anderer Personen (Suter et al. 2018, S. 49). Urista et al. (2009) stellen bei der Frage nach den Gratifikationen, die junge Erwachsene in der Nutzung von SNS finden, fest, dass die Möglichkeit einer effizienten und bequemen Kommunikation mit anderen, das einfache Management von Beziehungen, die Teilhabe am Leben von Freundinnen, Freunden und Bekannten sowie die Möglichkeit zur Selbstpräsentation eine große Rolle spielen. Es ist anzunehmen, dass dies auch den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen entspricht. Neben Kommentaren und Pinnwandeinträgen nutzen Heranwachsende vor allem Bilder und erproben damit vielfältige Formen der Selbstdarstellung und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper (Kofoed und Larsen 2016). Sie inszenieren sich über die Auswahl der Bilder, die sie über sich veröffentlichen (Neumann-Braun und Astheimer 2010; Brunazzi et al. 2011; Astheimer et al. 2011; Autenrieth 2011). Diese können von körperbetonten Inszenierungen, über Ironisierungen (oft auch verbunden mit entsprechenden Kommentaren) bis hin zu bewussten Verfremdungen reichen (Wagner et al. 2009, S. 43). In einer Erhebung des österreichischen Instituts für Jugendkulturforschung (2016) zeigt sich, dass in Österreich 88 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von acht bis 17 Jahren wöchentlich zumindest ein Foto im Internet veröffentlichen und 35 % davon posten sogar mehr als zehn Bilder pro Woche. Am häufigsten wird im Jahr 2015 WhatsApp zum Teilen von Bildern genutzt (89 %), aber auch auf SNS wie Facebook (56 %), Instagram (51 %) und Snapchat (39 %) werden regelmäßig Fotos veröffentlicht; 13 % der österreichischen Heranwachsenden nutzen dafür auch YouTube (13 %). Zudem fällt auf, dass Instagram und Snapchat wesentlich häufiger von Mädchen als von Jungen genutzt werden. Des Weiteren zeigt diese Studie auf, dass Heranwachsende die Fotos nicht nur bewusst auswählen, sondern die Hälfte der Jungen und Mädchen bearbeitet auch regelmäßig Fotos und Videos bevor sie diese veröffentlichen. Die häufigsten Motive sind dabei Fotos von sich selbst (68 %), Freundinnen und Freunde (57 %), besondere Momente (49 %) und Lustiges oder Originelles (49 %).
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Authenrieth (2011, S. 143–145) findet in einer umfangreichen Untersuchung von Fotoalben, die Heranwachsende auf SNS veröffentlichen, deutliche Hinweise auf eine über die Veröffentlichung von Bildern erfolgende Selbst-, Sozialund Sachauseinandersetzung. Diese Fotos bieten Jungen und Mädchen eine Möglichkeit zur Selbstpräsentation, bei der sie den jeweiligen Außeneindruck durch eine gezielte Auswahl und Inszenierung von Fotos aktiv steuern können. Im Hinblick auf das Beziehungsmanagement und die Pflege von Freundschaften spielen Fotos und Fotoalben für Jugendliche ebenfalls eine große Rolle. So werden in besonderen Alben Bilder von Freundinnen und Freunden versammelt und damit die Bedeutung jener Personen, deren Bilder in diesen Alben vertreten sind, hervorgehoben. Außerdem dienen Fotografien der Dokumentation gemeinsamer Erlebnisse; diesbezüglich findet oft eine Anschlusskommunikation in Form von Kommentaren und Verlinkungen statt. Des Weiteren werden Fotos genutzt, um die Mitteilung von Neuigkeiten an Freunde und Bekannte visuell zu dokumentieren (z. B. der Kauf eines neuen Fahrrads oder eine Familienfeier) und diese damit auf dem Laufenden zu halten (Autenrieth 2011, S. 148–151). Autenrieth (2011, S. 130–141) identifiziert drei Kategorien von Fotoalben, die Heranwachsende auf SNS veröffentlichen: 1) Personenzentrierte Alben, die der Auseinandersetzung mit der eigenen Person (Ich-Alben) oder mit anderen Personen aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld (Friends-Alben, Family-Alben, Love-Alben) dienen und 2) anlasszentrierte Alben, die entweder Szenen aus dem Alltag (Alltag-Alben) oder besondere Ereignisse (EreignisAlben) dokumentieren. In 3) objektzentrierten Alben werden schließlich entweder Gegenstände aus dem persönlichen Umfeld wie zum Beispiel ein geliebtes Haustier (Privatobjekt-Alben) präsentiert, oder Bilder von Markenprodukten und Stars (Marktobjekt-Alben), die eine besondere Bedeutung für den jeweiligen Jugendlichen bzw. die jeweilige Jugendliche haben und mithilfe derer er bzw. sie sich in der Peer-Group verorten, gesammelt. In dieser Studie zeigt sich, dass auf den SNS-Profilen jüngerer Heranwachsender zwischen zwölf und 15 Jahren besonders häufig Ich-Alben zu finden sind und die Auseinandersetzung mit der eigenen Person sowie das Spiel mit der eigenen Identität von großer Bedeutung sind. Auch die Positionierung über marktzentrierte Objekte sowie das Finden eines eigenen Stils (Marktobjekt-Alben) ist für diese Altersgruppe deutlich wichtiger als für ältere Jungen und Mädchen bzw. junge Erwachsene. Für 16- bis 25-Jährige spielen Ich-Alben und Privatobjekt-Alben keine so große Rolle mehr und die Dokumentation besonderer Ereignisse rückt in den Mittelpunkt. Alben mit Fotos von Freundinnen und Freunden sind für alle Heranwachsenden und jungen Erwachsenen von Bedeutung; bei über 16-Jährigen sind sie jedoch noch häufiger als bei jüngeren Jugendlichen zu finden. Diese Alben unterstreichen die
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über SNS manifestierte Visualisierung von Freundschaftsbeziehungen. Autenrieth (2011, S. 144–146) kann mit ihrer Analyse von Fotoalben auf SNS feststellen, dass sich die Identitätsarbeit Heranwachsender auf SNS mit zunehmendem Alter von einer Ich-bezogenen hin zu einer gegenstandszentrierten Perspektive, in welcher der Verortung in der Peergroup eine noch zentralere Rolle zukommt, wandelt. Im Kontext des Identitäts- und Beziehungsmanagements wird der Authentizität der persönlichen Darstellung auf SNS eine besondere Rolle beigemessen (Niemann und Schenk 2012, S. 2003–204; Paus-Hasebrink et al. 2011, S. 127; Hasebrink und Rohde 2011, S. 14; siehe auch Farquhar 2013; boyd und Marwick 2011; Siibak 2009; Ellison et al. 2007). In der Selbstpräsentation auf SNS (S. Trültzsch-Wijnen 2018, S. 201) werden allerdings oft bestimmte Aspekte der eigenen Identität besonders betont, um bei der adressierten Zielgruppe einen guten Eindruck zu machen (Farquhar 2013; Siibak 2009; Krämer und Winter 2008; Lewis et al. 2008; Ellison et al. 2007). Zum Teil geht es dabei aber auch um das Vortäuschen von Authentizität (Uski und Lampinen 2016, S. 461) oder eine leichte Idealisierung des Selbstbildes (Haferkamp 2011, S. 192; Krämer und Haferkamp 2011); dies kann ebenso als Spiel und Ausprobieren von Identitäten oder Identitätsmanagement im Kontext von Entwicklungsaufgaben verstanden werden (Paus-Hasebrink et al. 2011; Krämer und Winter 2008). Die Selbstpräsentation Heranwachsender kann sich in einer eher innenweltorientierten und einer eher außenweltorientierten Selbstkonstruktion zeigen. Jungen und Mädchen, die über ihre Selbstpräsentation eine Art Selbstreflexion betreiben und dabei stärker Gefühle, persönliche Einstellungen und Werte sowie ihre Lebensziele fokussieren, betreiben eine eher innenweltorientierte Selbstkonstruktion. Eine eher außenweltorientierte Selbstkonstruktion ist hingegen durch eine stärkere Selbstpräsentation über thematische Bezüge zum Alltag und Lebensumfeld der Heranwachsenden gekennzeichnet (Wagner et al. 2009, S. 65–73). Selten lässt sich aber eine rein innenweltliche oder außenweltliche Orientierung der jugendlichen Social Web-Nutzerinnen und -nutzer ausmachen. Vielmehr vollführen diese in ihrer Selbstdarstellung sowie ihrer öffentlichen Kommunikation und Interaktion in ihrem Onlinenetzwerk einen Balanceakt zwischen diesen Extremen. Ob dabei das Informations-, Beziehungs- oder Identitätsmanagement im Vordergrund steht und welche Bedeutung dem Social Web tatsächlich im Kontext komplexer Sozialisationsprozesse und der Bewältigung unterschiedlicher Entwicklungsaufgaben spielt, ist jedoch stark abhängig von der individuellen Situation und dem sozialen Umfeld des bzw. der einzelnen Heranwachsenden (Hugger 2013; siehe auch Knautz und Baran 2016; Boz et al. 2016).
330
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
8.1.2.2 Privatsphäremanagement Heranwachsende nutzen das Social Web nicht unreflektiert und wollen gewisse Aspekte der eigenen Person vor dem Zugriff durch andere schützen. Wagner et al. können (2010, S. 23) für Deutschland feststellen, dass jungen Menschen die Vermeidung der Auffindbarkeit durch andere Personen wichtig ist. Allerdings ist der Spielraum dessen, was Heranwachsende als „sensible Daten“ ansehen, relativ groß und reicht vom Geburtsdatum über Adressangaben bis zur Bekanntgabe des richtigen Namens. Mit der Kontrollierbarkeit der Interaktionen auf Social Web Platformen, schwinden zugleich die Bedenken gegenüber der Preisgabe persönlicher Daten. So werden beispielsweise Pseudonyme für Instant M essaging-Dienste relativ bedenkenlos veröffentlicht, weil es dort sehr einfach ist, eine unerwünschte Kontaktanfrage abzulehnen bzw. eine Person zu blockieren. Emailadressen und umso mehr Telefonnummern werden hingegen wesentlich seltener angegeben, weil es über diese Kommunikationswege schwieriger ist, unerwünschte Kontaktaufnahmen zu vermeiden. In verschiedenen internationalen Studien zu Privatsphäre und Selbstoffenbarung auf SNS kristallisieren sich allerdings der Name, das Geschlecht, das Profilfoto und der Geburtstag als jene Informationen heraus, die von den meisten SNS-Nutzerinnen und -Nutzer angegeben werden. Außerdem werden von Jugendlichen und jungen Erwachsenen häufig persönliche Vorlieben, der Wohn- bzw. Studienort und der Beziehungsstatus angegeben; politische Einstellungen, sexuelle Orientierung, der aktuelle Standort oder die Handy- bzw. Telefonnummern werden hingegen selten veröffentlicht (S. Trültzsch-Wijnen 2018, S. 202). In der Studie von Wagner et al. (2010, S. 23) geben deutsche Jugendliche an, dass sie Informationen über die eigene Familie als sensible Daten empfinden. Dabei ist allerdings unklar, ob sich diese Aussagen lediglich auf die Angabe familiärer Verbindungen auf SNS, oder auch auf die Veröffentlichung von Bildern bezieht. Hinsichtlich der öffentlichen Präsentation von Freizeitbeschäftigungen, Interessen, Aktivitäten mit Freunden, Beziehungen, politischen Einstellungen und Angaben zur eigenen Biografie sind unter Heranwachsenden sehr unterschiedliche Einstellungen zu finden. Viele geben derartige Informationen bedenkenlos preis, andere wiederum möchten ihrem Onlinenetzwerk keine zu tiefen Einblicke in ihr Privatleben gewähren. Darüber hinaus ist es Jugendlichen wichtig, mit ihren veröffentlichten Informationen – beispielsweise durch freizügige Bilder oder peinliche Inhalte – keine Angriffsfläche für andere zu bieten. 2018 geben in der Schweiz drei Viertel jener Heranwachsenden zwischen zwölf und 19 Jahren, die zumindest eine SNS nutzen an, dass sie ihre Privatsphäre schützen und 31 % sorgen sich um die Sichtbarkeit persönlicher Informationen. Je älter die Jugendlichen sind, desto eher haben sie Privatsphäreeinstellungen
8.1 Einordnung in den aktuellen Forschungsstand
331
gesetzt (61 % der 12- bis 13-Jährigen und 81 % der 18- bis 19-Jährigen). Darüber hinaus fällt auf, dass deutlich weniger formal niedriger gebildete als formal höher gebildete Jungen und Mädchen ihre Privatsphäre auf SNS schützen (Suter et al. 2018, S. 51–53). Ähnliches kann auch auf europäischer Ebene festgestellt werden; 2010 zeigt sich, dass Heranwachsende aus sozial besser gestellten Familien sensibler mit ihren privaten Daten umgehen als Jungen und Mädchen aus sozial schwächeren Familien und dass Mädchen eher restriktivere Privatsphäreeinstellungen vornehmen als Jungen (Livintstone et al. 2011, S. 39). In Deutschland geben 2017 54 % der Zehn- bis 18-Jährigen an, darauf zu achten, welche Informationen sie über sich selbst (Fotos, Kommentare etc.) im Internet veröffentlichen (Berg 2017, S. 11). Dieses Bewusstsein steigt mit zunehmendem Alter. So haben 2016 die Hälfte der Zwölf- bis 13-Jährigen eigene Fotos und Videos veröffentlicht und 35 % geben an, dass darauf auch Freunde und Familienmitglieder zu sehen sind. Unter sechs- bis neunjährigen Kindern haben nur 18–20 % bereits Fotos oder Videos online gestellt. 17 % der Sechs- bis Zwölfjährigen hat ihre E-Mail-Adresse angegeben, aber nur 5 % ihre Telefon- bzw. Handynummer (mpfs 2016a, S. 66). In allgemeinen Studien zur SNS-Nutzung zeigt sich, dass Profile zumeist nicht öffentlich sind, die Nutzerinnen und Nutzer ihre Informationen aber in der Regel allen ihren Kontakten gleichermaßen zugänglich machen (S. Trültzsch-Wijnen 2018, S. 203; Niemann 2016, S. 244, 232; Young und Quan-Haase 2013, S. 487; Niemann und Schenk 2012, S. 221–222; boyd und Marwick 2011; Suh und Hargittai 2015). Dies bestätigt sich 2016 für jene sechs- bis zwölfjährigen deutschen Kinder, die im Internet private Informationen veröffentlicht haben. 80 % davon gibt an, dass diese Angaben nur für ihre Kontakte sichtbar sind, während 12 % ein öffentliches Profil haben; zugleich geben 8 % zu, dass sie mit der Differenzierung zwischen öffentlich und eingeschränkt zugänglichen Informationen Schwierigkeiten haben (mpfs 2016a, S. 66).
8.1.3 Zusammenfassung und Einordnung der eigenen Studie Das Internet ist ein fester Bestandteil im Leben von Kindern und Jugendlichen, mehr als 90 % der Heranwachsenden über 12 Jahren sind fast täglich online. Aber auch jüngere Kinder zwischen null und acht Jahren wachsen in einem digitalen und vielfältigen Medienumfeld auf und machen schon früh erste Erfahrungen mit dem Internet. Hier zeichnet sich eine Tendenz ab, dass Kinder
332
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
in einem zunehmend früheren Alter das erste Mal das Internet nutzen. In den letzten acht Jahren hat sich auch die mobile Internetnutzung stark verbreitet und ein Großteil der Jugendlichen hat Zugang zu einem Smartphone oder besitzt ein eigenes Gerät. Hier werden die altersspezifischen Unterschiede zunehmend geringer und auch unter Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren finden Smartphones eine immer größere Verbreitung. Heranwachsende aus Familien mit einem sozialökonomisch höheren und mittleren Status besitzen eher ein eigenes Smartphone als Kinder und Jugendliche aus sozial schlechter gestellten Familien. Trotz der starken Verbreitung mobiler Geräte wird das Internet zumeist von zuhause aus genutzt; zugleich ist dadurch eine stärkere Privatisierung der Internetnutzung, durch die Möglichkeit, sich in einen privaten Raum zurückzuziehen, festzustellen. Für SNS interessieren sich die meisten Heranwachsenden nach wie vor erst ab einem Alter von etwa zehn Jahren. In der im Folgenden dargestellten Studie wurden daher Kinder erst ab einem Alter von zehn Jahren berücksichtigt. Mit zunehmendem Alter steigt auch die Beliebtheit dieser Social Web-Angebote; Jungen und Mädchen im Alter von 15 bis 16 Jahren nutzen SNS am intensivsten. Durchschnittlich nutzen 70–80 % der Jugendlichen eine SNS und es zeigt sich, dass sich die Nutzungsrate in den letzten Jahren kaum verändert hat. Ebenso ist festzustellen, dass sich im Laufe der letzten Jahre zwar die Anzahl der Social Web-Angebote geändert hat, nicht jedoch die Art und Weise, wie Heranwachsende das Social Web nutzen. Nach wie vor sind Social Networking, die Kommunikation mit anderen und die Nutzung von Videoplattformen besonders beliebt. Die Nutzung hat sich jedoch von einer dominanten SNS (SchülerVZ/ StudiVZ im deutschen Sprachraum und Facebook international) auf mehrere Angebote verteilt (vor allem Instagram und Snapchat). SNS sind nach wie vor jene Orte, an dem sich Jungen und Mädchen am häufigsten produktiv am Social Web beteiligen. Die hier präsentierte Studie wurde zu einem Zeitpunkt durchgeführt, in der Facebook unter österreichischen Heranwachsenden besonders stark verbreitet war, Instagram und Snapchat wurden noch kaum genutzt. Da sich, wie aktuelle Untersuchungen bestätigen, die Nutzungsmotive sowie die bevorzugten Nutzungsweisen von SNS kaum verändert haben, sind die Ergebnisse der Studie zur Medienperformanz und zu individuellen Handlungsstrategien im Umgang mit dem Social Web nach wie vor relevant. SNS werden vor allem zur Kommunikation mit Freunden, Freundinnen und Bekannten genutzt; die Kontaktlisten repräsentieren in erster Linie persönliche Netzwerke und soziale Beziehungen der Offline-Welt. Je älter die Jungen und Mädchen werden, desto größer wird auch der Kreis ihrer sozialen Kontakte – sowohl online als auch offline. Den meisten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ist dabei die Anzahl ihrer Kontakte wichtig, denn diese
8.1 Einordnung in den aktuellen Forschungsstand
333
vergegenwärtigen auch einen gewissen sozialen Status im Sinne einer Sichtbarmachung von sozialem Kapital. Das Beziehungsmanagement und die interpersonelle Kommunikation über SNS werden daher in der nachfolgenden Studie näher untersucht. Die Beliebtheit von SNS lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass sie vor dem Hintergrund spezifischer Entwicklungsaufgaben (Abschn. 2.1.2) dem Bedürfnis der Heranwachsenden nach Vernetzung, Kommunikation, Beziehungspflege, Selbstpräsentation und Identitätsmanagement besonders entgegenkommen. Sie dienen als Instrument zur Aushandlung von Hierarchie und Status und bieten unterschiedliche Möglichkeiten der Selbst-, Sozial- und Sachauseinandersetzung (Kap. 2) sowie der persönlichen Verortung in der Welt und der sozialen Umwelt. So messen Jungen und Mädchen der Selbstdarstellung auf ihrer Profilseite, dem Beziehungsmanagement und der Kontaktpflege innerhalb ihres sozialen Netzwerks sowie der Teilhabe am Leben ihrer Freundinnen und Freunde eine besondere Bedeutung bei. Vor allem die Veröffentlichung von Fotos eröffnet Kinder und Jugendlichen vielfältige Möglichkeiten der Selbstdarstellung und Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Körper. Dabei wählen viele Heranwachsende nicht nur bewusst passende Fotos aus, sondern bearbeiten diese häufig vor dem Hochladen. Jungen und Mädchen messen diesbezüglich der Authentizität der Selbstdarstellung eine besondere Bedeutung bei; das Vortäuschen von Authentizität und leichte Idealisierungen können in diesem Kontext als Spiel und Ausprobieren von Identitäten oder Identitätsmanagement im Kontext von Entwicklungsaufgaben verstanden werden. Welche Bedeutung SNS und dem Social Web im Kontext komplexer Sozialisationsprozesse konkret zukommt, ist allerdings stark abhängig von individuellen Situationen und dem sozialen Umfeld der Heranwachsenden. Die Selbstpräsentation auf SNS wird daher in der hier vorgestellten Studie ebenfalls berücksichtigt. Auch wenn Kindern und Jugendlichen ihre Selbstpräsentation auf SNS sehr wichtig ist, gehen sie nicht unbekümmert mit ihrer Privatsphäre und Selbstoffenbarung im Internet um. Zumeist werden auf SNS-Profilen der Name, das Geschlecht, das Profilfoto und der Geburtstag angegeben; nähere Informationen über die eigene Familie empfinden jedoch viele als sensible Daten. Wichtig ist Heranwachsenden außerdem, nicht durch freizügige Bilder oder peinliche Inhalte eine Angriffsfläche für andere SNS-Nutzerinnen und -Nutzer zu bieten. Eine Sensibilität für die Reichweite im Internet angegebener Daten entwickeln Jungen und Mädchen mit zunehmendem Alter; sie haben desto eher Privatsphäreeinstellungen auf SNS gesetzt, desto älter sie sind. Außerdem ist festzustellen, dass formal niedrig gebildete wesentlich seltener als formal höher gebildete Heranwachsende ihre Privatsphäre auf SNS schützen und dass Jungen
334
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
und Mädchen aus sozial besser gestellten Familien sensibler mit privaten Daten umgehen als Gleichaltrige aus Familien mit einem geringeren sozialökonomischen Status. Auch nehmen Mädchen eher restriktivere Privatsphäreeinstellungen als Jungen vor. Heranwachsende, die Privatsphäreeinstellungen gesetzt haben, beschränken ihr Profil zumeist auf die Sichtbarkeit für alle ihre Kontakte und nur wenige nehmen verschiedene Einstellungen für unterschiedliche Kontakte vor. Dem Umgang mit Privatsphäreeinstellungen, als ein spezifischer Bereich der Medienperformanz, wird in der nachfolgend dargestellten Studie eine besondere Bedeutung beigemessen. Es stellt sich zum einen die Frage, ob sich diese Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung und des sozialökonomischen Status ebenfalls nachweisen lassen. Zum anderen wird aber ebenso der Frage nach den möglichen Ursachen für diese Unterschiede nachgegangen. Heranwachsende recherchieren auch oft im Internet. Hier lassen sich ebenfalls Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung der Jungen und Mädchen feststellen. Daher sind die Fähigkeiten und Fertigketen zur Onlinerecherche für eine Untersuchung individueller Handlungsstrategien im Umgang mit dem Social Web von Relevanz. Parycek et al. (2010) zeigen beispielsweise, dass formal höher gebildete Jugendliche häufiger gezielt recherchieren als formal niedriger gebildete Heranwachsende und in der aktuellen Schweizer JAMES-Studie (Suter et al. 2018) kristallisiert sich heraus, dass formal niedriger gebildete Schülerinnen und Schüler häufiger Filme, Dokumentationen und Serien zur Information nutzen, während formal höher gebildete Heranwachsende öfter Onlineportale von Zeitungen und Zeitschriften aufsuchen. Zudem zeigt sich, dass sich jüngere Kinder bei ihren Recherchen zumeist mit dem ersten Ergebnis zufriedengeben und Heranwachsende erst ab zehn Jahren mit zunehmendem Alter nach und nach differenzierter vorgehen und verschiedene Suchergebnisse vergleichen. Jungen geben sich hinsichtlich der Einschätzung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit dem Internet selbstbewusster als Mädchen; das Selbstbewusstsein steigt ebenso mit zunehmendem Alter. Darüber hinaus zeigt sich eine schwache Tendenz, dass Heranwachsende aus Familien mit einem höheren sozialökonomischen Status über ein stärkeres Selbstvertrauen im Umgang mit dem Internet haben als Kinder und Jugendliche aus Familien mit einem niedrigen sozialökonomischen Status. Aus diesem Grund interessiert sich die nachfolgend dargestellte Studie sowohl für die Selbsteinschätzung Heranwachsender im Umgang mit dem Social Web als auch für ihre tatsächlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie ihr Wissen im Umgang mit dem Social Web. Darüber hinaus werden die produktive Mediengestaltung im Social Web (beispielsweise über Blogs oder Videos) sowie das partizipative Medienhandeln (z. B. online
335
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
Zusammenarbeit, Teilnahme an Online-Petitionen etc.) abgefragt, auch wenn dies nur wenige Heranwachsende praktizieren. Aufgrund der Annahme, dass die Medienperformanz mit dem medialen Habitus zusammenhängt (Kap. 6), werden zudem Informationen über die allgemeine Mediennutzung und habitualisierte Medienumgangsformen, über das soziale und familiäre Umfeld der Befragten sowie soziodemografische Merkmale miterhoben.
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise Die Frage nach der Medienperformanz Heranwachsender vor dem Hintergrund individueller Handlungsstrategien legt einen qualitativen Zugang nahe, da die Frage nach individuellen Handlungsstrategien im Kontext von Medienperformanz und Medienkompetenz auf Prozesse der Medienaneignung abzielt, die nicht vordergründig als objektiv identifiziert werden können (Trültzsch et al. 2013, S. 111: Lamnek 2010, S. 6–8). Daher liegt dieser Studie ein integratives Forschungsdesign (Abb. 8.1) zugrunde, das sich sowohl qualitativer als auch quantitativer Methoden bedient, mit dem Ziel einer gegenseitigen Ergänzung unterschiedlicher Verfahren (Kelle 2007, S. 54; Lamnek 2010, S. 245–265).
Fallübergreifende Analyse der qualitaven Daten
Typenbildung Einzelfallanalysen
Quantave Teilstudie
Onlinefragebogen N = 2.491 Alter: 10 bis 30 Jahre Auswertung: deskripve Stask
Qualitave Teilstudie
Themasches Kodieren, hermeneusche Habitusanalyse
Lautes Denken, teilnehmende Beobachtung, Leiadeninterviews
Qualitave Daten unter Berücksichgung der Angaben aus dem Fragebogen
n = 50 Alter: 11 bis 19 Jahre
Abb. 8.1 Forschungsdesign (eigene Darstellung)
Integraon qualitaver und quantaver Daten
336
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Die Grundlage bildet eine quantitative Erhebung, welche einen Überblick über die Nutzung des Internets und im Besonderen des Social Web gibt. Daraus wird eine Teilstichprobe für eine vertiefende qualitative Untersuchung gezogen. Streng genommen handelt es sich hierbei nach Kelle (2007, S. 291) um eine Methodenintegration im weiteren Sinne, bei welcher angefangen von der Formulierung der Forschungsfrage, über die Anlage des Forschungsdesigns und Erstellung der Erhebungsinstrumente bis hin zur Datenauswertung und Theoriebildung, auf Herangehensweisen und Informationen aus jeweils unterschiedlichen Methodentraditionen zurückgegriffen wird. In der kommunikationswissenschaftlichen Rezeptions- und Nutzungsforschung sind viele Studien, die einen ähnlichen methodischen Ansatz verfolgen, wie Mayrings (2001, S. 24) Vertiefungsmodell angelegt. Dabei wird zumeist eine abgeschlossene quantitative Studie durch eine qualitative Studie ergänzt oder erweitert. In der vorliegenden Untersuchung wird jedoch triangulativ (Mayring, S. 25) gearbeitet, indem nicht zwei voneinander unabhängige Studien kombiniert werden, sondern eine Substichprobe der quantitativen Erhebung einer weiterführenden qualitativen Untersuchung unterzogen wird und in der Auswertung (bei der Typenbildung) qualitative und quantitative Ergebnisse kombiniert werden. Der Vorteil einer so verstandenen Triangulation (Flick 2012) ist, dass der Forschungsgegenstand aus mehreren Perspektiven, basierend auf einander ergänzenden theoretischen Grundlagen und methodischen Herangehensweisen, betrachtet wird (Trültzsch et al. 2013, S. 112). Der Ansatz der Triangulation geht zurück auf Denzin (1978; Lamnek 2010, S. 245–265; Hinblick auf Rezeptionsforschung siehe auch Paus-Hasebrink 2004). Dabei wird zwischen einer Triangulation auf theoretischer Ebene, auf der Ebene der Methoden, der Ebene der Daten und auf Untersucherebene unterschieden. Im Kontext der hier vorgestellten Untersuchung erfolgt auf theoretischer Ebene eine Triangulation soziologischer (Abschn. 2.1.1 und Kap. 3), psychologischer (Abschn. 2.1.2 und 4.1.2.3), kommunikationswissenschaftlicher (Abschn. 2.1.3, 2.2 und 4.1.2.2), linguistischer (Abschn. 4.1.2.1), kultur- (Abschn. 4.1.1.2) und literaturtheoretischer (Abschn. 4.1.1.1) Ansätze (Kap. 6). Auf der Ebene der Erhebungsmethoden wird eine quantitative Fragebogenerhebung mit der Methode des lauten Denkens und der teilnehmenden Beobachtung sowie mit Leitfadeninterviews kombiniert. Die daraus resultierenden Daten werden sowohl statistisch ausgewertet, als auch mittels thematischen Kodierens nach Strauss und Corbin (1998; Corbin und Strauss 2008) bzw. Flick (2011, S. 402–409) sowie der Habitus-Hermeneutik in Anlehnung an Bourdieu (1979) bzw. nach Bremer und Teiwes-Kügler (2013b, S. 93–129) einer qualitativen Analyse unterzogen. Um Interviewereffekte und Verzerrungen besonders hinsichtlich der
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
337
eitfadeninterviews und der teilnehmenden Beobachtungen zu vermeiden, L erfolgte auf der Untersucherebene ein ständiger, intensiver Austausch zwischen allen an der qualitativen Erhebung beteiligten Projektmitarbeiterinnen und Projektmitarbeitern.1 Im ersten Teil der Studie werden quantitative Daten zum Umgang mit dem Social Web und damit verbundenen Chancen und Risiken erhoben. Dabei wird auf die Social Web-Nutzung im Kontext der allgemeinen Mediennutzung eingegangen und spezielle Umgangsweisen und Handlungsstrategien in Bezug auf das Social Web und im Besonderen auf SNS werden abgefragt. Ein weiterer Schwerpunkt der quantitativen Erhebung liegt auf dem Wissen über Chancen und Risiken des Internets, dem Wissen über rechtliche Grundlagen (z. B. Urheberrecht, Recht am eigenen Bild etc.), dem persönlichen Umgang mit Privatsphäreeinstellungen, technischen Fertigkeiten und Fragen zur Internetnutzung im Kontext einer Partizipation an der Gesellschaft. Da diese quantitative Erhebung (Wijnen 2012b, 2013; Wijnen und Trültzsch 2012; C. Trültzsch-Wijnen et al. 2015) in Kooperation mit einem anderen Forschungsprojekt (S. Trültzsch-Wijnen 2018; Trültzsch et al. 2014) durchgeführt wurde, liegt der zweite Fokus dieser Erhebung auf Einstellungen zu Öffentlichkeit und Privatheit sowie dem Umgang mit Fotografien auf SNS. Der dieser Erhebung zugrunde liegende Onlinefragebogen richtet sich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 10 bis 30 Jahren und dient dazu, einen ersten Überblick über das Verhalten der Gruppe der 10- bis 30-Jährigen zu schaffen. Zudem erfüllt er die Funktion eines Screening-Instruments zur Stichprobenziehung für zwei weiterführende qualitative Teilstudien (Abb. 8.2). An die quantitative Erhebung schließen zwei voneinander unabhängige qualitative Teilstudien an. Jede dieser qualitativen Studien steht für sich und wurde in voneinander unabhängigen Projekten bearbeitet; die Forschungskooperation bezog sich lediglich auf die quantitative Erhebung. Die Untersuchungen unterscheiden sich nicht nur in ihrer thematischen Ausrichtung, sondern auch in der Auswahl der Stichprobe, die jeweils in den Ergebnissen der quantitativen Erhebung begründet ist. Teilstudie A, welche im Fokus der weiteren Ausführungen liegt, beschäftigt sich mit Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit dem Social Web und im Besonderen mit SNS vor dem Hintergrund der Mediensozialisation und aktueller Diskurse zur Medienkompetenz
1Vier
wissenschaftliche Hilfskräfte waren als Interviewer und Interviewerinnen beteiligt. Zum Teil wurden von diesen Personen auch Interviews transkribiert, die Datenaufbereitung und Datenauswertung erfolgte aber ausschließlich durch die Autorin.
338
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Teilstudie A Fähigkeiten, Fertigkeiten und individuelle Handlungsstrategien im Umgang mit dem Social Web Quantitative Studie: Onlinefragebogen
n = 50
N = 2.491
Teilstudie B Konzepte von Privatheit und Öffentlichkeit im Umgang mit dem Social Web n = 15
Lautes Denken Teilnehmende Beobachtung
Leitfadeninterviews
Leitfadeninterviews Inhaltsanalyse von SNS-Profilen Bildsortierung
Abb. 8.2 Übersicht über die einzelnen Teilstudien (eigene Darstellung)
(Wijnen 2012b, 2013; C. Trültzsch-Wijnen 2015, 2016). Hier stehen vor allem das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen und die damit verbundene Entwicklung dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten im Mittelpunkt. Daher konzentriert sich diese Studie auf Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 19 Jahren, junge Erwachsene werden dabei nicht berücksichtigt. Teilstudie B beschäftigt sich mit dem Umgang mit Privatsphäre und dem Wandel persönlicher Konzepte von Privatheit und Öffentlichkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Fokus dieser Untersuchung liegt auf jungen Frauen und Männern im Alter von 17 bis 30 Jahren (S. Trültzsch-Wijnen 2018; Trültzsch et al. 2014).
8.2.1 Quantitative Untersuchung Die Erhebung der quantitativen Daten erfolgte zwischen dem 15. Dezember 2011 und dem 15. Februar 2012 mittels Onlinefragebogen (Lime Survey). Der Schwerpunkt lag auf dem österreichischen Bundesland Salzburg, zum Teil nahmen auch Personen aus Niederösterreich (16,3 %), Wien (4,4 %) und Oberösterreich
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
339
(8,4 %) an der Befragung teil. Die Umfrage richtete sich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von zehn bis 30 Jahren. Das Ziel war es auf diese Weise auch die jüngsten Nutzerinnen und Nutzer zu erreichen. Im Hinblick auf eine durch eine längere Ausbildung bzw. ein Studium zunehmend ausgedehnte Jugendphase vor allem formal höher Gebildeter, die auch als Emerging Adulthood bezeichnet wird (Freund und Nikitin 2012, S. 263–264), wurde die obere Altersgrenze bei 30 Jahren angesetzt, da davon ausgegangen werden kann, dass ab diesem Alter auch in dieser Gruppe wesentliche Transformationsprozesse wie die Ablösung von der (v. a. finanziellen) Abhängigkeit der Eltern abgeschlossen sind und die eigene Familie sowie der Beruf in den Lebensmittelpunkt treten. Durch die Gegebenheiten von Onlinefragebögen ist diese Erhebung nicht repräsentativ für Österreich oder das Bundesland Salzburg. Dies wurde auch nicht angestrebt, sondern es ging darum, eine möglichst heterogene Stichprobe zu erzielen. Der Fragebogen wurde auf den Websites der Universität Salzburg und der Universität Wien veröffentlicht. Zusätzlich konnten nahezu alle Mittelschulen und Gymnasien sowie viele Berufsschulen, Polytechnische Schulen und andere weiterführende Schulen des Landes Salzburg zur Kooperation gewonnen und somit alle Schultypen des Sekundarbereichs abgedeckt werden. In allen Schulen wurde der Onlinefragebogen zumindest beworben, auf die Schulwebsite verlinkt und die Schülerinnen und Schüler wurden zur Teilnahme ermutigt. In einigen Schulen bekamen Schülerinnen und Schüler auch die Möglichkeit, den Fragebogen im Rahmen des Informatikunterrichts auszufüllen. Außerdem wurde der Onlinefragebogen über Jugendzentren und diverse andere Jugendeinrichtungen, über den Community-Radiosender Radiofabrik und das Institut für Medienbildung, das ebenfalls in der Jugendarbeit und der Erwachsenenbildung tätig war, verbreitet. Um vor allem auch ältere Jugendliche und junge Erwachsene zu erreichen, wurde der Fragebogen ebenso über die Österreichische Hochschülerschaft, über Gewerkschaften sowie andere Berufsverbände beworben. Manche der genannten Institutionen verlinkten diesen Fragebogen mit ihrer Website. Über SNS wurde bewusst nicht auf den Onlinefragebogen aufmerksam gemacht, um die Gefahr einer eventuellen Überrepräsentation von intensiven SNS-Nutzerinnen und -nutzern zu verhindern. Diese Vorgangsweise führte zu einer Zufallsstichprobe mit N = 2491 Fällen; ein Großteil der teilnehmenden Personen füllte den Fragebogen auch vollständig aus. Aufgrund mehrerer Filterfragen und teilweise durch fehlende Angaben, fällt die Zahl der gültigen Antworten bei einzelnen Fragen allerdings unterschiedlich aus. Insgesamt haben ca. ein Drittel männliche (36,5 %) und zwei Drittel
340
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.1 Stichprobenzusammensetzung nach formaler Bildung Stichprobenzusammensetzung nach formaler Bildung Häufigkeit Gültig
Prozent
Gültige Prozente
Formal niedrige Bildung
881
35,4
37,3
Formal höhere Bildung
1445
58,0
61,2
Sonstige
37
1,5
1,6
Fehlend
128
5,1
Gesamt
2491
100
eibliche Personen (63,5 %) den Onlinefragebogen ausgefüllt und überdurchw schnittlich viele davon (61,2 %) sind formal höher gebildet (Tab. 8.1).2 Vor allem unter jenen, die über 18 Jahre alt sind, haben sich besonders viele Studierende und vergleichsweise wenige formal niedriger Gebildete beteiligt. Des Weiteren sind in diesem Sample Heranwachsende zwischen 12 und 13 Jahren (16,73 %) sowie zwischen 14 und 15 Jahren (21,82 %) etwas überrepräsentiert (Tab. 8.2). Dieses Ungleichgewicht wurde, ebenso wie die ungleichmäßige Verteilung hinsichtlich des Geschlechts und der formalen Bildung, bei der weiteren Auswertung und Interpretation der Daten entsprechend berücksichtigt. Außerdem hatten 20,1 % der Befragten einen Migrationshintergrund (Abfrage des Herkunftslandes der Eltern), was zum Zeitpunkt der Erhebung in etwa dem Anteil der Migrantinnen und Migranten im Bundesland Salzburg (19,3 %; Jahresdurchschnitt 2013 laut Statistik Austria) sowie dem österreichischen Durchschnitt (19,4 %; Jahresdurchschnitt; Statistik Austria 2013) entspricht. Die Stadt-Land-Verteilung innerhalb der Stichprobe entspricht ebenfalls in etwa der tatsächlichen Bevölkerung im Land Salzburg zum Zeitpunkt der Erhebung: 55,8 % der Befragten lebten 2013 auf dem Lande, 23,4 % in einer Stadt und 20,7 % der Landeshauptstadt (Großstadt) (Kurz und Filipp 2013).
2Die
Befragten wurden gebeten, ihren höchsten Schulabschluss bzw. bei Schülerinnen und Schüler die derzeit besuchte Schulform anzugeben. Basierend darauf wurde zwischen formal höherer Bildung (zumindest Abitur oder Besuch einer Schule, die mit Abitur abschließt) und formal niedriger Bildung (kein Abitur oder Besuch einer Schule, die nicht mit Abitur abschließt) unterschieden. 37 Personen (1,6 % der Stichprobe) wählten die Option „sonstiges“ und 128 Personen gaben ihren Schulabschluss bzw. die besuchte Schule nicht bekannt.
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
341
Tab. 8.2 Stichprobenzusammensetzung nach Alter Stichprobenzusammensetzung nach Alter Alter
28
Prozent 5 (gerundet)
17
22
13
12
8
8
7
4
5
Um das Verständnis der Fragen zu erleichtern, wurde sowohl ein Fragebogen für Schülerinnen und Schüler mit zusätzlichen Erklärungen und zum Teil einfacheren Formulierungen als auch ein Fragebogen für Erwachsene erstellt; beide Fragebogenversionen wurden im Rahmen eines Pretests überprüft. Jeweils 15 Heranwachsende und Erwachsene testeten vorab den Onlinefragebogen. Im Folgenden werden die einzelnen Module des Onlinefragebogens (siehe Anhang) beschrieben; einzelne Fragen daraus entstanden in Anlehnung an die Studie „EU Kids Online“ (Livingstone et al. 2010) bzw. an die „Bielefelder Studie zum Medienhandeln Jugendlicher“ (Treumann et al. 2007). Der Fragebogen enthält sowohl Module, die für beide anschließenden qualitativen Studien von Belang sind, als auch Module, die besonders im Hinblick auf das Forschungsinteresse lediglich einer dieser Studien entwickelt wurden. Der Fragebogen setzt sich aus folgenden Themenblöcken zusammen: Allgemeine Mediennutzung a) Kontexte der Mediennutzung (Fragemodul Projekt A) b) Allgemeine Internetnutzung (gemeinsames Fragemodul) Umgang mit Social Network Sites c) Detailfragen zu Social Network Sites (gemeinsames Fragemodul) d) Beziehungsmanagement (Fragemodul Projekt A) e) Privatsphäre (gemeinsames Fragemodul) f) Fotografien auf Social Network Sites (Fragemodul Projekt B) Fähigkeiten und Fertigkeiten g) Persönliche Einschätzung des Internets und der eigenen Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet (Fragemodul Projekt A) h) Technische Fertigkeiten (Fragemodul Projekt A) i) Partizipation (Fragemodul Projekt A)
342
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Persönliche Informationen j) Soziodemografische Daten (gemeinsames Fragemodul) k) Initialen und Kontaktdaten (bei Einverständnis) (gemeinsames Fragemodul) ad a) Kontexte der Mediennutzung Zum Einstieg wird danach gefragt, welche Medien zum Beziehungsmanagement, zum Informationsmanagement und zur Unterhaltung bzw. Entspannung genutzt werden. Diese Fragen zielen auf ein allgemeines Bild der Mediennutzung und des Medienumgangs der Zehn- bis 30-Jährigen ab. Ein weiteres Ziel dieses Moduls ist es, dominante Nutzungsstrategien im Hinblick darauf, welche Medien in welchen Kontexten vorrangig zum Informationsmanagement, Beziehungsmanagement und zur Unterhaltung genutzt werden, festzustellen. ad b) Allgemeine Internetnutzung Im Anschluss daran werden die Dauer und Intensität der allgemeinen Internetnutzung sowie die Art und Intensität der Nutzung von Foto- und Videoplattformen sowie Weblogs, Wikis und Foren abgefragt (unter anderem auch in Anlehnung an den Fragebogen EU Kids Online 2010, Fragen 305–309). Des Weiteren wird nach dem Ein- und Verkaufen im Internet und der Nutzung von Filesharingplattformen gefragt. Der Fragebogen für Schülerinnen und Schüler beinhaltet außerdem die Frage, ob die Internetnutzung von den Eltern kontrolliert wird. In ähnlicher Absicht wie bei den Fragen zu den Kontexten der Mediennutzung liegt auch hier der Fokus auf unterschiedlichen Nutzungsstrategien mit besonderem Schwerpunkt auf den Umgang mit dem Internet. Diese Fragen sind darauf ausgelegt, unterschiedliche Gruppen hinsichtlich der Dauer, Intensität und Art der Internetnutzung zu identifizieren. Die darüber erhaltenen Informationen dienen unter anderem auch der Stichprobenziehung für die beiden anschließenden qualitativen Teilstudien A und B. ad c) Detailfragen zu Social Network Sites Hier liegt der Fokus darauf, welche SNS am häufigsten genutzt werden und wie lange sich die Befragten auf ihrer bevorzugten SNS aufhalten (in Anlehnung an EU Kids Online-Fragebogen 2010, Frage 315). Außerdem wird nach der Anzahl der Kontakte und veröffentlichten Bilder sowie der Intensität verschiedener Tätigkeiten auf SNS (z. B. Spiele spielen) und Formen der Selbstpräsentation (z. B. Profil aktualisieren) gefragt. Ein weiterer Fokus dieses
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
343
Moduls liegt auf Einstellungen zur Authentizität der eigenen Selbstpräsentation sowie der Selbstpräsentation anderer auf SNS. ad d) Beziehungsmanagement In diesem Modul stehen unterschiedliche Formen der Kontaktpflege sowie der Kommunikation mit engen Freunden, persönlichen Bekannten und Onlinebekanntschaften über unterschiedliche Kommunikationskanäle angefangen von Emails bis zu SNS im Mittelpunkt. Außerdem wird nach der Bedeutung gefragt, die aktuellen Informationen über das online abgebildete soziale Netzwerk beigemessen wird. Des Weiteren werden persönliche Einstellungen zur Sichtbarkeit privater Informationen, Einstellungen zu Kontaktanfragen (Annahme und Ablehnung von Kontaktanfragen, Löschung bzw. Blockierung von Kontakten etc.) sowie bevorzugte Kommunikationswege zum Austausch über persönliche Probleme ermittelt. Die hier abgefragten persönliche Einstellungen zum Beziehungsmanagement über SNS sowie die Differenzierung nach dem Umgang mit unterschiedlichen Kontakten sollen der Ermittlung unterschiedlicher Handlungsstrategien in Bezug auf spezifische Kommunikationssituationen sowie damit verbundener spezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten dienen. ad e) Privatsphäre In diesem Modul wird besonders genau nach Strategien der Bereitstellung und Sichtbarmachung unterschiedlicher persönlicher Angaben sowie nach dem Umgang mit Fotos gefragt. Es werden unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf das Privatsphäremanagement ermittelt und es wird detailliert nach der Gruppierung von Kontakten sowie der damit verbundenen Vergabe unterschiedlicher Zugriffsrechte auf das persönliche Profil, nach generellen Privatsphäreeinstellungen und dem Privatsphäremanagement bei jeder neuen Veröffentlichung (Statusmeldungen, Kommentare, Fotos etc.) gefragt. Darüber hinaus wird gefragt, ob entweder selbst eingestellte oder von anderen veröffentlichte Beiträge bzw. Fotos auf SNS existieren, die der befragten Person peinlich sind. Im Mittelpunkt stehen Strategien des Privatsphäremanagements, der Selbstpräsentation und der Selbstoffenbarung als Indizien für eine differenzierte Identitätsarbeit auf SNS. ad f) Fotografien auf SNS Hier wird danach gefragt, ob es stört, wenn andere Fotos hochladen bzw. ob schon einmal von einer anderen Person Fotos hochgeladen wurden, die als peinlich empfunden werden. Zudem sollen die Befragten aus einer Liste mit 14 Fotomotiven (z. B. Strandfoto, Küssende etc.) anhand einer fünfstufigen Likert-Skala
344
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
auswählen, welche Art von Fotos ihnen a) am besten gefallen und b) ob sie diese auch selbst hochladen würden. Die Auswahl dieser Motive basiert auf einer Pilotstudie, in der SNS-Profile im Hinblick auf veröffentlichte Fotos inhaltsanalytisch untersucht wurden (Pscheida und Trültzsch 2009, 2011; S. Trültzsch-Wijnen und Pscheida 2013). Dieses Modul verweist auf Strategien der Selbstpräsentation über die Veröffentlichung von Fotos. Die Ergebnisse dieses Moduls sind vor allem für das Forschungsinteresse der Teilstudie B und weniger für die im Folgenden diskutierte Teilstudie A von Relevanz. ad g) Persönliche Einschätzung des Internets und der eigenen Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet Hier werden das Wissen über rechtliche Grundlagen (Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht, AGBs von SNS), die allgemeine Einschätzung des Internets (z. B. Langlebigkeit von Informationen, Glaubwürdigkeit von Informationen etc.), die Einschätzung persönlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit dem Internet bzw. dem Social Web sowie persönliche Einstellungen hinsichtlich der Internetnutzung abgefragt. In diesem Kontext wird auch die persönliche Einschätzung von Chancen und Risiken ermittelt (in Anlehnung an den Fragebogen von EU Kids Online 2010, Frage 319). ad h) Technische Fertigkeiten In diesem Modul liegt der Fokus einerseits auf der Einschätzung der eigenen technischen Fertigkeiten, andererseits gilt das Interesse auch verschiedenen illegalen Verhaltensweisen im Internet. In Anlehnung an den Fragebogen von EU Kids Online 2010 (Fragen 320–321) wird danach gefragt, wie gut in einem Internetbrowser Lesezeichen angelegt und der Verlauf gelöscht werden kann. Des Weiteren wird ermittelt, inwiefern unerwünschte Personen blockiert werden können und es wird danach gefragt, ob ein Computer daran gehindert werden kann, automatisch online zu gehen, ob eine (z. B. von den Eltern eingestellte) Internetsicherung umgangen werden kann und wie man sich bei technischen Problemen verhält. Außerdem wird nach der Fähigkeit gefragt, illegale Dateien herunterzuladen, Viren zu erstellen und andere Computer zu hacken. Diese Fragen werden allerdings nicht direkt gestellt, sondern entsprechend umschrieben (siehe Fragebogen im Anhang). Den Abschluss dieses Moduls bilden Fragen danach, wie man sich verhält, wenn man mit einem Problem am Computer oder im Internet konfrontiert ist, bei dem man sich nicht auskennt (in Anlehnung an den Fragebogen des Bielefelder Medienkompetenzmodells von Treumann et al. 2007, S. 434).
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
345
ad i) Partizipation Hier geht es darum zu erörtern, inwieweit sich die befragten Personen sozial, gesellschaftlich oder politisch aktiv über Medien engagieren. Es wird danach gefragt ob und wenn ja wie oft Leserbriefe geschrieben werden, man sich über SMS, Anruf oder E-Mail an Radio- und Fernsehsendungen beteiligt, Onlinepetitionen unterschreibt, oder die eigene Meinung hinsichtlich sozialer, gesellschaftlicher oder politischer Themen im Internet veröffentlicht. Auch die Mitarbeit bei Community Medien wie Bürgerradios oder Bürgerfernsehsender wird abgefragt. ad j) Soziodemografische Daten Im Bereich der soziodemografischen Daten werden das Alter, das Geschlecht, die Größe des Wohnorts, die Wohnregion und das Herkunftsland der Eltern ermittelt. Die Schülerinnen und Schüler wurden nach dem besuchten Schultyp gefragt, während die Erwachsenen um die Angabe des höchsten Schulabschlusses und des Berufes gebeten wurden. Die Schülerinnen und Schüler wurden zudem nach ihrem Schulort, ihrer Schule und ihrer Klasse gefragt. Diese Daten wurden im Falle eines Einverständnisses der Befragten auch zur Identifikation der betreffenden Person zur weiteren Befragung im Rahmen der weiterführenden qualitativen Studien herangezogen. ad k) Initialen und Kontaktdaten Da die quantitative Erhebung neben einer ersten Information über die Internetnutzung der Zehn- bis 30-Jährigen auch als Screening für die Stichprobenziehung der qualitativen Studien A und B diente, war es nötig, einen Weg zu finden, der den Zugriff auf interessante Fälle ermöglicht, um entsprechende Samples für die qualitativen Untersuchungen zu erhalten. Daher wurde am Ende des Onlinefragebogens die Frage gestellt, ob die teilnehmenden Personen für weitere persönliche Befragungen zur Verfügung stehen. Erwachsene wurden im Falle eines Einverständnisses für weitere qualitative Befragungen darum gebeten, entweder eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer bekanntzugeben. Kinder und Jugendliche wurden im Falle einer positiven Antwort darum gebeten, ihre Initialen anzugeben. Die Identität der Schülerinnen und Schüler wurde, bei erfolgtem Einverständnis über die Kombination der Angaben zur Schule, zur Klasse und der Initialen ermittelt. Bei gleichen Initialen wurden darüber hinaus die Kategorien Geschlecht und Migrationshintergrund zur Identifizierung herangezogen. Hierbei muss erwähnt werden, dass an allen Schulen und Jugendzentren, an denen Kinder und Jugendliche an der Onlinebefragung teilnahmen, vorab die
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8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
inverständniserklärungen der Eltern sowohl für die Onlinebefragung als auch für E eventuelle persönliche Interviews eingeholt wurde. Schlussendlich erklärte sich sowohl ein Großteil der Erwachsenen als auch der Kinder und Jugendlichen dazu bereit, an weiteren Befragungen teilzunehmen.
8.2.2 Qualitative Untersuchung Die Ziehung der Stichprobe für die qualitative Studie A, die im Fokus der näheren Ausführungen steht, erfolgte nach dem auf Glaser und Strauss (1967) bzw. Strauss und Corbin (1998, S. 201; Corbin und Strauss 2008, S. 143–158) zurückgehenden Theoretical Sampling, der gezielten Fallauswahl auf Basis theoretischer Vorüberlegungen (Kelle und Kluge 2010, S. 50–55). Mit dieser Methode wurden aus der Grundgesamtheit des Onlinefragebogens (N = 2491) n = 50 Jungen und Mädchen im Alter von 11 bis 19 Jahren für eine tiefergehende qualitative Untersuchung ausgewählt. Die Beschränkung auf diese Altersgruppen lässt sich durch die Ergebnisse der quantitativen Erhebung begründen. Hier zeigt sich ab einem Alter von 12 Jahren ein deutlicher Anstieg in der Nutzungshäufigkeit. Die Gruppen der 14- bis 15-Jährigen, der 16- bis 17-Jährigen und der 18- bis 19-Jährigen nutzen das Social Web am häufigsten, bei den nachfolgenden Altersgruppen fällt die Nutzungsintensität im quantitativen Sample wieder deutlich ab. Damit lässt sich die obere Grenze des qualitativen Samples mit 19 Jahren begründen. Der Onlinefragebogen ist an Kinder ab 10 Jahren adressiert, eine regelmäßige Internetnutzung kann in den quantitativen Daten aber erst ab einem Alter von 11 Jahren festgestellt werden. Daher wurde die untere Altersgrenze der qualitativen Stichprobe auf ein Mindestalter von 11 Jahren festgesetzt. Neben den Ergebnissen der quantitativen Erhebung diente auch das auf Havighurst (1972; siehe auch Oerter und Montada 2008; Schneider und Lindenberger 2012) zurückgehende Konzept der Entwicklungsaufgaben als Grundlage für die Auswahl der Stichprobe, welche die Phase des mittleren Schulalters bzw. der späten Kindheit sowie die Phase der Adoleszenz bzw. Jugend umfasst (siehe Abschn. 2.1.2.2). Wichtige Entwicklungsaufgaben in der mittleren bis späten Kindheit sind die soziale Kooperation, die Entwicklung des Selbstbewusstseins, der Erwerb von Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben sowie das Spielen und Arbeiten im Team. In der Adoleszenz bzw. Jugend stehen neben der körperlichen Reifung die Gemeinschaft mit Gleichaltrigen und heterosexuelle Beziehungen im Mittelpunkt (Havighurst 1972, S. 43–82). Es wird davon ausgegangen, dass diese Herausforderungen einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie individuelle Handlungsstrategien im Umgang mit
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
347
dem Internet und im Besonderen mit dem Social Web haben (z. B. Schmidt et al. 2011; Livingstone et al. 2012; Storm und Storm 2009). Die ausgewählte Altersgruppe der Elf- bis 19-Jährigen betrifft also die mittlere Kindheit (6 bis 12 Jahre nach Havighurst 1972, S. 19) bzw. die mittlere und späte Kindheit (6 bis 11 Jahre nach Kray und Schaefer 2012, S. 211–233) sowie die Adoleszenz, mit der Havighurst (1972, S. 43) den Zeitraum von 13 bis 17 Jahren bezeichnet. Silbereisen und Weichold (2012, S. 235) setzen in einer aktuelleren, der heutigen Zeit angepassten, Einteilung die Zeit der Jugend für das Alter von 12 bis 19 Jahren fest. Dies liefert eine weitere Begründung für die Festlegung der Altersgrenzen des qualitativen Samples. Mit dem Ziel, eine möglichst heterogene Stichprobe zu erzeugen, wurde schließlich anhand folgender Kriterien eine Substichprobe aus dem quantitativen Sample gezogen (Tab. 8.3): Tab. 8.3 Zusammensetzung der qualitativen Stichprobe Formal höhere Bildung
Formal niedrige Bildung
Gesamt Alter
11 Jahre
1
3
4
12 Jahre
2
5
7
13 Jahre
3
9
12
14 Jahre
6
7
13
15 Jahre
3
2
5
16 Jahre
3
2
5
17 Jahre
1
1
2
18 Jahre
1
1
19 Jahre
1
1
Gesamt Gesamt Geschlecht Wohnort
Männlich
9
18
27
Weiblich
10
13
23
Gesamt Migrationshintergrund
Stadt
8
9
17
Land
11
22
33
3
9
12
16 Ohne Migrationshintergrund
22
38
Gesamt
31
Mit Migrationshintergrund
19
50
50
50
50
348
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
• Intensität der Internetnutzung (Berücksichtigung von Viel- und WenignutzerInnen) • Umgang mit dem Social Web und Verhalten auf SNS (Berücksichtigung unterschiedlicher Handlungsstrategien und Verhaltensweisen) • Einschätzung der persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten (sowohl positive als auch negative Selbsteinschätzung) • Soziodemografische Daten (Alter, Geschlecht, Wohnort, Migrationshintergrund, formale Bildung) Das Handeln der ausgewählten Heranwachsenden beim allgemeinen Surfen im Internet und beim Besuch ihres SNS-Profils wurde teilnehmend beobachtet (A). Zudem wurden den Kindern und Jugendlichen Aufgaben zur Suche im Internet und zur Beurteilung von Websites gestellt. Dies wurde mit der Methode des lauten Denkens (B) begleitet. In einem letzten Schritt wurden mit den Jungen und Mädchen Leitfadeninterviews (C) durchgeführt. Diese Methoden werden im Folgenden näher beschrieben und ihre Auswahl wird entsprechend begründet. Teilnehmende Beobachtung (A) Die teilnehmende Beobachtung bzw. Participant Observation (Spradley 2016/1980; Jorgensen 2015/1989; DeWalt und DeWalt 2011) kann als die ursprünglichste Methode der qualitativen Sozialforschung bezeichnet werden (Kawulich 2005, S. 3–4), da sie vor allem in der Pionierzeit der qualitativ ausgerichteten soziologischen bzw. soziografischen Forschung beispielsweise unter den Vertreterinnen und Vertretern der Chicago School (Kochinka 2010, S. 452), die sich in den 1920er und 1930er Jahren etablierte (z. B. Cressey 1932/2008), in den Studien zu den Berliner Großstadtdokumenten (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung 2004; ursprünglich 50 Bände in den Jahren 1904 bis 1908 veröffentlicht) oder im Rahmen der Marienthal-Studie (Jahoda et al. 1933/1975) angewandt wurde. Sowohl die qualitative als auch die quantitative Sozialforschung begannen sich erst Anfang des 20. Jahrhunderts methodologisch zu entwickeln. In der Blütezeit der Chicago School war die quantitative Sozialforschung allerdings bereits fundierter und hatte allgemeine Anerkennung gefunden, weshalb die sich gerade entwickelten qualitativen Methoden anfangs mit großer Skepsis betrachtet und zum Teil als zu wenig objektiv und somit unwissenschaftlich abgetan wurden. Die Teilnehmende Beobachtung ist allerdings bis heute eine der grundlegenden Methoden ethnografischer Forschung (Mikos 2005b, S. 315).
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
349
Versteht man qualitative Sozialforschung als methodisch kontrolliertes Fremdverstehen, so wird deutlich, dass soziale Wirklichkeiten weniger auf eine naturhaft-objektive, sondern auf eine gesellschaftlich-intersubjektive, symbolisch vermittelte und kommunikativ bedingte Welt verweisen (Lamnek 2010, S. 498– 500; Bernard 2006; Agar 1996; van Manen 1990). In der qualitativen Sozialforschung und somit auch bei Anwendung der teilnehmenden Beobachtung als wissenschaftliche Methode ist daher vor allem die intersubjektive Nachvollziehbarkeit oberste Prämisse (Højholt und Kousholt 2014). Die teilnehmende Beobachtung wird zumeist eingesetzt, um Individuen in ihrem natürlichen Umfeld zu beforschen; das heißt Forscherinnen und Forscher nehmen am Alltagsleben dieser Personen teil, um unterschiedliche Formen sozialen Handelns wissenschaftlich zu dokumentieren und auf dieser Basis dessen subjektiven Sinn sowie objektive soziale Bedeutung zu erschließen. Die teilnehmende Beobachtung findet heute ihren Einsatz vor allem in jenen Forschungskontexten, bei denen der Fokus auf der Erfassung der sozialen Konstituierung von Wirklichkeit und auf Prozessen des Aushandelns von Situationsdefinitionen liegt. Zudem wird diese Methode bei neuen oder schwer zugänglichen Forschungsfeldern eingesetzt (Lamnek 2005, S. 546). Im Kontext der hier beschriebenen qualitativen Studie wurde die Methode der teilnehmenden Beobachtung eingesetzt, um das Verhalten von Heranwachsenden auf SNS als Form sozialen Handelns zu dokumentieren sowie deren subjektiven Sinn und die damit verbundene objektive soziale Bedeutung zu erörtern (Zahle 2012). Es handelt sich hierbei zwar um kein wissenschaftliches Neuland, allerdings um ein, vor allem aus ethischer Sicht, schwer zugängliches Forschungsfeld, nämlich private SNS-Profile, die durch entsprechende Privatsphäreeinstellungen nicht jedem Nutzer bzw. jeder Nutzerin der Plattform auf den ersten Blick zugänglich sind. Diese Profile können daher nicht ohne das Wissen ihrer Eigentümerinnen bzw. Eigentümer einer einfachen Inhaltsanalyse unterzogen werden, außer man bedient sich technischer Mittel, die gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen würden. Eine teilnehmende Beobachtung des Surfens auf dem persönlichen SNS-Profil ermöglicht zudem tiefere Einblicke in den Umgang mit diesem Angebot, als die Methode der Inhaltsanalyse, die sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgerichtet, lediglich das auf den ersten Blick Sichtbare erfassen kann. Welche Bereiche des SNS-Profils aber besonders genau studiert oder bearbeitet werden, welche Neuigkeiten gelesen oder ignoriert werden und welchen Links gefolgt wird, bleibt einer Inhaltsanalyse jedoch verborgen. Wie bereits in den Anfängen der qualitativen Sozialforschung, wurde auch in der vorliegenden Studie die teilnehmende Beobachtung nicht als alleinige
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8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Methode eingesetzt, sondern mit der Methode des lauten Denkens kombiniert sowie mit Leitfadeninterviews ergänzt (siehe nachfolgende Ausführungen), um einen umfassenderen Einblick in das Handeln und ein besseres Verständnis der SNS-Nutzung der untersuchten Individuen zu erlangen. Auch Mikos (2005, S. 318–320) und Kawulich (2005, S. 5) betonen, dass sich die Methode der teilnehmenden Beobachtung besonders fruchtbar in der Kombination mit anderen Erhebungsmethoden zeigt. Im vorliegenden Fall handelt es sich nach Kochinka (2010, S. 453–454) um eine unvermittelte, offene, teilnehmende und teilstandardisierte Form der Beobachtung. Das heißt, es wurden keine technischen Hilfsmittel wie etwa Videokameras verwendet, die beobachteten Heranwachsenden waren über die Vorgangsweise informiert und es wurde gemeinsam mit den Forscherinnen und Forschern im Internet gesurft. Die in Tab. 8.4 dargestellten grundlegenden Kategorien für die teilnehmende Beobachtung dienten zwar als Orientierung für die Datenerhebung, zugleich blieb die Erhebungssituation eher unstrukturiert und ließ die Dokumentation zusätzlicher Auffälligkeiten zu. Tab. 8.4 Kategorien der teilnehmenden Beobachtung Kategorien der Teilnehmenden Beobachtung Profilseite
• Profilbild • Art und Anzahl der eigenen Veröffentlichungen • Art und Anzahl der fremden Veröffentlichungen • Art und Anzahl der Kommentare • Links
Kontakte
• Anzahl der Kontakte • Gruppierung von Kontakten
Fotos/Fotoalben
• Geschätzte Anzahl der Fotos • Geschätzte Anzahl der Fotoalben • Art der Fotos • Art der Fotoalben • Kommentare • Verlinkungen
Privatsphäreeinstellungen
• Allgemein • Profilseite • Fotos • Gruppen • Veranstaltungseinladungen • Bei einer neuen Veröffentlichung
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
351
Die Beobachtungsbögen wurden während der Beobachtungssituation ausgefüllt und gleich im Anschluss an die Beobachtung um zusätzliche Auffälligkeiten ergänzt. Die Beobachterinnen und Beobachter wurden angehalten und gezielt darin geschult, sich nicht lediglich auf die vorab festgelegten Kategorien zu beschränken. Teilnehmende Beobachtungen sind am effektivsten in natürlichen Situationen, da hier das soziale Handeln von Individuen am wenigsten durch äußere Einflüsse gestört wird. Für die vorliegende Erhebung war es allerdings nötig, eine Laborsituation herbeizuführen, um überhaupt Zugang zu den untersuchten Heranwachsenden sowie zu deren SNS-Profilen zu erhalten. Die untersuchten Personen wurden dabei entweder zuhause oder an ihrer Schule besucht und darum gebeten, einen Einblick in Ihr SNS-Profil zu geben bzw. einige Aufgaben im Umgang mit dem Internet zu lösen (siehe untenstehende Ausführungen). Um die Heranwachsenden nicht zu verunsichern, wurde auf eine Videoaufzeichnung verzichtet. Lautes Denken (B) Die Methode des lauten Denkens entstand ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts und hat ihre Wurzeln in der psychologischen Methode der Selbstbeobachtung. Unter dem Vorwurf mangelnder intersubjektiver Nachvollziehbarkeit verschwand sie lange aus dem sozialwissenschaftlichen Methodenrepertoire; mit Beginn der 1970er Jahre wurde sie allerdings zunehmend in der psychologischen und computerwissenschaftlichen Problemlöseforschung eingesetzt (Konrad 2010, S. 477–478). Mit der Jahrtausendwende hat diese Methode, die heute besonders in der Usabilityforschung verbreitet ist, auch in der kommunikationswissenschaftlich ausgerichteten Rezeptions- und Nutzungsforschung Beachtung gefunden (z. B. Wirth und Brecht 1999; Bilandzic 2002; Rozendaal et al. 2012). Ihr Vorteil gegenüber der teilnehmenden Beobachtung ist, dass nicht nur das für den Forscher oder die Forscherin unmittelbar Sichtbare, sondern auch für außenstehende Personen verborgene Denkprozesse deutlich gemacht werden können, solange diese bewusst ablaufen und von den untersuchten Personen entsprechend artikuliert werden können. Im Vergleich zum Interview besteht der Vorteil dieser Methode vor allem in der Prozessorientierung und dem damit verbundenen Fokus auf spontane Reaktionen der untersuchten Personen. Auf diese Weise können situations- und kontextgebundene Phänomene, die für untersuchten Personen außerhalb eines spezifischen Kontextes nur schwer reproduzierbar sind, oder sogar als Denkkategorie gar nicht bewusst sind, empirisch erörtert werden (Bilandzic 2005, S. 362). Innerhalb dieser Methode unterschiedet man zwischen einem gleichzeitigen und einem nachträglichen lauten Denken (Konrad 2010, S. 481–482). Das gleichzeitige
352
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
laute Denken findet während der Ausführung der sogenannten Primäraufgabe statt, während das nachträgliche laute Denken im Anschluss daran erfolgt. Letzteres ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Primäraufgabe sehr komplex ist, eine hohe Konzentration erfordert, oder eine bestimmte Geschwindigkeit bzw. Reaktionszeit vorgibt, die durch eine gleichzeitige Verbalisierung der ablaufenden Gedanken beeinträchtigt werden könnte. Beispiele dafür sind das Spielen eines Computerspiels oder die Rezeption von Fernseh- oder Hörfunksendungen, die weiterlaufen unabhängig davon, ob die untersuchte Person mit der Formulierung ihrer Gedanken hinterherkommt oder nicht (Bilandzic 2005, S. 368). In der vorliegenden Untersuchung wurde die Methode des gleichzeitigen lauten Denkens eingesetzt und mit der oben beschriebenen teilnehmenden Beobachtung kombiniert. Dabei galt es von den untersuchten Personen hintereinander mehrere Primäraufgaben zu lösen: 1. Surfen auf dem eigenen SNS-Profil 2. Lösung konkreter Aufgabestellungen a) Privatsphäreeinstellungen des SNS-Profils verändern b) Internetrecherche c) Beurteilung vorgegebener Websites d) Chronik der Suchanfrage löschen e) Chronik bzw. Verlauf im Browser löschen Der genaue Ablauf der qualitativen Erhebung wird im Anschluss an die Beschreibung der Methoden genauer dargestellt. Während des lauten Denkens wurden die Äußerungen der untersuchten Personen mit einem digitalen Audioaufnahmegerät aufgezeichnet. Leitfadeninterview (C) Galt früher die Beobachtung als zentrale Methode der qualitativen Sozialforschung, so wird diese zunehmend von der Methode des qualitativen Interviews (King et al. 2019; Seidman 2006) in unterschiedlichen Ausprägungen wie etwa dem narrativen Interview, dem episodischen Interview, oder dem problemzentrierten Interview abgelöst (Lamnek 2010, S. 301). Es existieren unterschiedliche Arten qualitativer Interviews. Daher ist es nötig, die in dieser Studie angewandte Form des Leitfadeninterviews näher zu erläutern. Der Begriff Leitfadeninterview an sich ist ein Oberbegriff für alle Interviewformen, die mithilfe eines Leitfadens durchgeführt werden (Kruse 2014, S. 207; Kvale 2007). Die in der vorliegenden Studie verwendete Interviewform lehnt sich an das, ursprünglich
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
353
von Witzel (Witzel und Reiter 2012) entwickelte, problemzentrierte Interview an. Die in dieser Untersuchung durchgeführten Interviews können zwischen dem problemzentrierten und dem fokussierten Interview (Lamnek 2010, S. 337–339) eingeordnet werden. Im Gegensatz zum narrativen Interview, als ursprünglichste Form des qualitativen Interviews, bei dem der Forscher bzw. die Forscherin nur mit einem gewissen Vorwissen ausgestattet, aber ohne jegliches vorab festgelegtes theoretisches Konzept an das Interview herangeht und erst im Nachhinein und ausschließlich induktiv Themen strukturiert und Kategorien entwickelt, werden beim problemzentrierten Interview eine induktive und eine deduktive Vorgehensweise kombiniert. Im Ablauf ähnelt das problemzentrierte Interview zu Beginn noch dem narrativen Interview, da auch hier in der Phase der Einleitung und allgemeinen Sondierung der Erzählfluss der befragten Person durch ein Erzählbeispiel angeregt und den Ausführungen des Interviewpartners bzw. der Interviewpartnerin vorerst freier Lauf gelassen wird. Daran schließt eine Phase der spezifischen Sondierung an, in welcher der Forscher oder die Forscherin das Erzählte zusammenfasst und Verständnisfragen stellt. Erst in der letzten Phase dieses Interviews werden direkte Fragen im Hinblick auf den zu untersuchenden Problembereich gestellt (Lamnek 2010, S. 332–337; Witzel 2000). Während auch im problemzentrierten Interview eher die induktive Vorgehensweise dominiert, folgt das fokussierte Interview zur Gänze einer deduktiven, an der quantitativen Forschung orientierten, Logik. Hier geht es vor allem darum, durch gezielte Fragen, im Rahmen eines Experiments oder einer Beobachtung entstandene Hypothesen zu überprüfen (Lamnek 2010, S. 337–339). Das in der vorliegenden Untersuchung eingesetzte Leitfadeninterview basiert auf einem thematisch strukturierten Katalog offener Fragen, der sich ähnlich wie beim problemzentrierten Interview, auf eine vorab vorgenommene Eingrenzung und Analyse des interessierenden Problembereichs durch den Forscher bzw. die Forscherin stützt (siehe Leitfaden im Anhang). Dieser Fragenkatalog bzw. Leitfaden soll garantieren, dass alle relevanten Themenbereiche im Interview angesprochen werden. Gleichzeitig ist er so offen formuliert, dass das narrative Potential der befragten Person (Marotzki 2006, S. 114) genutzt werden kann und plötzlich auftauchende, nicht im Leitfaden berücksichtigte, Themenaspekte berücksichtigt werden können. Der Leitfaden ist hier als ein Instrument zur Unterstützung des Interviewablaufs zu betrachten und nicht wie im Falle des fokussierten Interviews als Fragenkatalog, der Schritt für Schritt abzuarbeiten ist. In diesem Sinne dient er einerseits als flexibel handhabbarer Orientierungsrahmen für den Interviewer bzw. die Interviewerin, andererseits wird durch die
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vorab festgelegte Strukturierung die Vergleichbarkeit der auf diese Weise durchgeführten Interviews erhöht. In der vorliegenden Studie wurde die Methode des Leitfadeninterviews als letzter Erhebungsschritt zur Ergänzung der teilnehmenden Beobachtung und des lauten Denkens eingesetzt, um die in den ersten Erhebungsschritten gesammelten Erkenntnisse abzusichern bzw. vertiefende und weiterführende Fragen stellen zu können. Daher wurde auf die Phase der Sondierung ähnlich dem problemzentrierten Interview verzichtet und nach einer kurzen Einleitung wurden sofort direkte Fragen gestellt. Allerdings wurden in Anlehnung an das problemzentrierte Interview und im Gegensatz zum fokussierten Interview, das ebenfalls sofort mit direkten Fragen einsteigt, sehr offene Fragen formuliert, die eine freie Gesprächssituation ermöglichten. Der Leitfaden gewährleistete aber eine bessere Vergleichbarkeit der gesammelten Daten als bei einem rein narrativen oder problemzentrieten Interview. In einer Schulung der Interviewerinnen und Interviewer wurden diese dahingehend trainiert, den Leitfaden zu verinnerlichen und ihn lediglich als Stütze möglichst frei und flexibel handhaben zu können. Sie wurden instruiert, dem Redefluss der Befragten freien Lauf zu lassen und nur im Bedarfsfall bzw. bei Unklarheiten oder zur näheren Spezifizierung der Aussagen, auf die Fragen im Leitfaden zurückzugreifen. Ablauf der qualitativen Datenerhebung Ziel der qualitativen Teilstudie ist es näher auf individuelle Handlungsstrategien einzugehen und diese vor allem vor dem Hintergrund der jeweiligen Lebenssituation der befragten Jugendlichen zu analysieren, um individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Defizite im Umgang mit dem Social Web und im Besonderen mit SNS herauszuarbeiten. Die Erhebung wurde im Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 28. Februar 2013 durchgeführt, der Ablauf war jeweils folgender: Phase 1 Die Person steigt ins Internet ein, geht auf ihre Lieblingsseite und erklärt was die betreffende Seite zu ihrer Lieblingsseite macht. Falls es sich bei dieser Seite nicht um eine SNS handelt, wird sie darum gebeten, ihr SNS-Profil aufzurufen und im Sinne der Methode des lauten Denkens zu erklären, wie sie Schritt für Schritt dabei vorgeht, was sie anklickt, was ihr besonders wichtig an ihrem Profil ist und was sie über ihr Profil kommuniziert. Mittels teilnehmender Beobachtung wird dabei gleichzeitig auf die Art der Selbstpräsentation (z. B. Anzahl und Art der Fotos, Kommentare und Verlinkungen etc.) und den Umgang mit Privatsphäreeinstellungen geachtet.
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Phase 2 Die Person bekommt konkrete Aufgabestellungen, die sie mithilfe des Social Web lösen soll (Privatsphäreeinstellungen auf dem eigenen SNS-Profil einstellen, Verlauf im Browser löschen, Chronik der Suchanfrage löschen, Recherche im Internet, Beurteilung von Websites). Anschließend werden die drei nachfolgenden Fragen gestellt, deren Antworten mithilfe einer Recherche im Internet gefunden werden sollen: 1. Hast du schon einmal von Gaza3 gehört? – Was ist Gaza? 2. Kannst du für mich nachsehen, wo Gaza liegt? 3. Was kannst du sonst noch über Gaza herausfinden? Nach dieser Rechercheaufgabe werden den Befragten mehrere Websites4 gezeigt, die hinsichtlich ihrer Seriosität und Qualität der Informationen zu beurteilen sind: http://orf.at/stories/2151888/ (Online-Nachrichten des ORF) http://www.sibilla-egen-schule.de/konflikt/israel/israel.htm (Website eines Projektes der Sibilla-Egen-Schule Schwäbisch Hall) http://wirsindeins.org/2012/11/18/gaza-konflikt-hamas-hilft-israel-beim-kampfgegen-palastinenserstaat/ (privater Blog mit einseitigen Themen v. a. hinsichtlich Verschwörungstheorien etc., auffällige Gestaltung) https://de.answers.yahoo.com/question/index?qid=20090122095433AAeZygM (Forum von Yahoo Clever mit viel Werbung) Sowohl während der Recherche als auch der Beurteilung der Internetseiten werden die Befragten gebeten, mittels lauten Denkens zu verbalisieren, wie sie jeweils vorgehen und welche Überlegungen sie anstellen. Zugleich wird mittels teilnehmender Beobachtung auf zusätzliche Auffälligkeiten (z. B. Schwierigkeiten und Probleme, besondere Herangehensweisen etc.) geachtet.
3Hierbei ist anzumerken, dass es zum Zeitpunkt der Erhebung militärische Auseinandersetzungen im Gazastreifen gab und der Begriff Gaza häufig in verschiedenen Medien auftauchte. Bei den gestellten Fragen ging es allerdings nicht darum, wieviel die Befragten bereits über Gaza wissen, sondern auf welche Art und Weise sie nach Informationen dazu recherchieren. Es war daher für die Untersuchung unerheblich, dass einige wenige der befragten Jungen und Mädchen noch nie etwas über Gaza gehört hatten. 4Die angegebenen Links sind mit Stand November 2019 nach wie vor noch aktuell, siehe auch Screenshots im Anhang.
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8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Phase 3 Die Person wird interviewt. Dabei wird einerseits auf einzelne Situationen während der Phase des lauten Denkens Bezug genommen, andererseits dient dieses Interview dazu, nähere Einblicke in das Medienhandeln der Familie, in die Beurteilung und den Stellenwert einzelner Medien sowie in individuelle Handlungsstrategien der befragten Personen zu bekommen (siehe Leitfaden im Anhang). Datenauswertung Wie aus Abb. 8.3 hervorgeht, erfolgte die Auswertung der auf diese Weise gesammelten Daten in mehreren Phasen. Zuerst wurden alle Interviews transkribiert. Da hier vor allem der Inhalt der Äußerungen und weniger die Sprache an sich (z. B. Lautgestaltung) im Mittelpunkt stand, auf besondere Satzstellungen und Formulierungen (z. B. Betonung eines Ereignisses oder einer Handlung durch spezielle Kraftausdrücke) aber nicht verzichtet werden sollte, wurde hierfür die literarische Umschrift gewählt (Dittmar 2009, S. 63–64). Daran anschließend erfolgte eine computerunterstützte Aufbereitung (MAXQDA) des gesamten Datenmaterials (Interviewtranskripte, Beobachtungsbögen, Notizen der InterviewerInnen während der Phase des lauten Denkens). Hierbei wurde das Material anhand eines
Datenerhebung
• Lautes Denken • Teilnehmende Beobachtung • Leiadeninterviews
• Transkripon
• Datenauereitung/ Kodierung Datenauereitung
Auswertungsschri I
Auswertungsschri II
Auswertungsschri III
• Fallübergreifende Analyse anhand spezifischer Themanaspekte
• Einzelfallanalysen • mi els themaschen Kodierens • mi els hermeneuscher Habitusanalyse (basierend auf qualitaven und quantaven Daten)
• Typenbildung
Abb. 8.3 Schematischer Ablauf der qualitativen Teilstudie. (Eigene Darstellung)
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
357
Kategoriensystems themen- und sinnspezifisch kodiert. Es wurde sowohl mit deduktiven als auch mit induktiv entwickelten Kategorien gearbeitet (siehe Anhang, Abschn. 10.3.1). Im Anschluss an die Datenaufbereitung wurden Textpassagen mit gemeinsamen Merkmalen synoptisch verglichen und analysiert (Kelle und Kluge 2010, S. 56–61). Um einen Überblick über das empirische Material zu erlangen, wurden die auf diese Weise aufbereiteten Daten zunächst fallübergreifend anhand folgender Themenaspekte ausgewertet: • • • • •
Allgemeine Mediennutzung Medienbewertung/Einstellungen in Bezug auf Medien Umgang mit dem Internet/Social Web Fähigkeiten und Fertigkeiten Familiäre Medienerziehung/Konzepte der Medienerziehung aus Perspektive der Heranwachsenden
Diese fallübergreifende Analyse erfolgte in einem hermeneutischen, an den Grundgedanken der Grounded Theory (Glaser und Strauss 1967) angelehnten Verfahren bei dem Gemeinsamkeiten ähnlicher Fälle zusammengefasst und gleichzeitig von mehr oder minder konträr dazu stehenden Aussagen bzw. Fällen differenziert wurden. Daran anschließend wurde eine Einzelfallanalyse in Anlehnung an das von Strauss und Corbin (1998, 2008) begründete und von Flick (2011, S. 402–409) weiterentwickelte, thematische Kodieren vorgenommen. Dabei wurde aus dem empirischen Material eine thematische Struktur entwickelt, entlang welcher alle Fälle analysiert wurden. Sie wurde als Folie über das gesamte Material gelegt, um auf diese Weise einerseits die Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten und andererseits die Besonderheiten des jeweils einzelnen Falles im Hinblick auf dessen lebensweltlichen Kontexte herausarbeiten zu können (siehe Auswertungsmatrix im Anhang). Dazu wurden auch die Angaben der jeweiligen Personen aus dem Onlinefragebogen berücksichtigt. Um wiederum eine bestmögliche Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden alle Einzelfallbeschreibungen gleichermaßen untergliedert: • familiäres und soziales Umfeld • allgemeine Mediennutzung und Medienbewertung der Heranwachsenden und ihrer Eltern (Gegenüberstellung) • Internet und SNS • Medienperformanz (Fähigkeiten und Fertigkeiten) • Fazit
358
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Diese Einzelfallanalysen wurden durch eine hermeneutische Habitusanalyse nach Bremer und Teiwes-Kügler (2013b, S. 94) ergänzt. Dabei wurde auf alle qualitativ und quantitativ erhobenen Daten zurückgegriffen, die für den jeweiligen Einzelfall vorlagen. Besondere Berücksichtigung fand diesbezüglich eine Aufgabe, die im Rahmen der Leitfadeninterviews gestellt wurde. Dabei wurden die Befragten analog zu Bourdieus (1979) Studie zur sozialen Distinktion gebeten, aus einer Liste von Eigenschaften (Tab. 8.5) jeweils drei auszuwählen, die ein idealer Freund oder eine ideale Freundin besitzen sollte. Im Anschluss daran wurden die Jungen und Mädchen gebeten, ihre Auswahl zu begründen und zu erklären. Der hermeneutischen Habitusanalyse liegt die Annahme zugrunde, dass sich der Habitus einer Person nicht aus seiner sozialen Position oder Kapitalkonfiguration ableiten lässt, sondern aus den Mustern der sozialen Praxis erschlossen werden muss. Im Zentrum der Analyse stehen somit Handlungsprinzipien und Handlungsstrategien, die im Habitus einer Person begründet sind. Dabei wird, ähnlich der Objektiven Hermeneutik (Oevermann et al. 1979; Wernet 2009), in mehreren Schritten sequenzanalytisch vorgegangen (Bremer und Teiwes-Kügler 2013b, S. 101–116), um aus manifesten Äußerungen, die in verschriftlichter Form als Datenmaterial vorliegen, latente Spuren von Habitusschemata zu ermitteln. Bremer und Teiwes-Kügler (2013b, S. 115) haben dafür in Anlehnung an Bourdieu ein Set gegensätzlicher Kategorienpaare (Tab. 8.6)
Tab. 8.5 Eigenschaften eines idealen Freundes/einer idealen Freundin Eigenschaften eines idealen Freundes/einer idealen Freundin (in Anlehnung an Bourdieu 1979/1982, S. 830–831) Lebensfroh Feinsinnig/feinfühlig Lustig Genießerisch (das Leben genießen) Gesellig/kommunikativ Dynamisch/sportlich Lebensbejahend Gewissenhaft/ordentlich Vornehm/kultiviert Intelligent Mitfühlend/sensibel Ehrgeizig Ausgeglichen Kreativ/künstlerisch
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
359
Tab. 8.6 Elementarkategorien der Habitushermeneutik Elementarkategorien der Habitushermeneutik (Bremer und Teiwes-Kügler 2013b, S. 115) Asketisch Methodisch, planend, Pflicht, (Trieb-) Verzicht steht vor Lust und Genuss, diszipliniert, Selbstbeherrschung
Hedonistisch Spontan, ungeplant, ungeregelt, lustbetont, Spaß, Lust und Genuss statt Pflicht und Verzicht, Erlebnisorientierung
Ideell Spirituell, metaphysisch, Neigung zur Abstrahierung von der dinglichen Realität, vergeistigt, intellektuell, idealistisch, Betonen des Anspruchs auf „Authentizität“
Materiell Körperbetont, weltlich, praktisch, Orientierung am konkret Fassbaren, verdinglicht, realistisch, Pragmatismus: Orientierung an Machbarkeit und Notwendigkeit
Hierarchisch Autoritätsorientiert bis autoritär, Statusdenken, positive Bewertung von Ordnung und Unterordnung, häufig Ressentiments
Egalitär Partnerschaftlich, demokratisch, gleichberechtigt, Anspruch auf Partizipation und Mitgestaltung, integrativ „leben und leben lassen“
Individuell Vorrang des Selbst vor der Gemeinschaft, Autonomie, Anspruch auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung (jeder ist für sich selbst verantwortlich), häufig Streben nach Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung, Neigung zur Egozentrik, abgrenzen von der Masse, Betonung von Unkonventionalität
Gemeinschaftlich Gemeinschaft steht vor individuellen Ansprüchen, Rücksichtnahme auf Konventionen, Bereitschaft zu Kompromissen, teilweise Anpassung und Konformismus, Geselligkeit, Sicherheit und Geborgenheit, bisweilen Anlehnung an bzw. Entlastung durch die Gemeinschaft
Ästhetisch Form steht vor Inhalt, Vorrang der Ästhetik vor Funktionalität, Distanzierung von unmittelbaren und direkten Ausdrucksformen, Stilisierung von Praktiken, Betonung des Schönen und Stilvollen gegenüber Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit, Feingeschmack
Funktional Inhalt ist wichtiger als Form, Orientierung an Funktionalität, Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit stehen im Vordergrund, unmittelbare und direkte Ausdrucksformen herrschen vor, Notwendigkeits- oder Grobgeschmack
Aufstiegsorientiert Streben nach Höherem, Karriere- und Statusorientierung, konkurrenzorientiert, z. T. kalkülbetontes Verhalten und Ellenbogenmentalität, z. T. Auf- bzw. Abstiegsängste
Sicherheitsorientiert Realistischer Sinn für die eigenen Grenzen, geringe Risikobereitschaft, Festhalten an Vertrautem und Gewohntem, „Jeder sollte an seinem Platz bleiben und das Beste daraus machen“ (Fortsetzung)
360
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.6 (Fortsetzung) Herrschend Machtansprüche, Dominanz, sozialer Blick von oben nach unten, z. T. karitativ, z. T. offen ausgrenzend und elitär, symbolische Formen der Herrschaft über hochkulturelle Muster
Ohnmächtig Fatalismus, sich dem Schicksal ausgeliefert fühlen, dichotomes Weltbild, sozialer Blick von unten nach oben
Selbstsicher selbstbewusst, Selbstgewissheit im Umgang mit Anforderungen, Anspruchshaltung, meist zielsicher, Zukunftsoptimismus
Unsicher Selbstzweifel und wenig Selbstvertrauen in nicht vertrauten Feldern, soziale Distanz zu Autoritäten, wenig Zuversicht, neue Anforderungen bewältigen können, häufig Skepsis bis Pessimismus hinsichtlich der eigenen Zukunft
entwickelt, die sie als Elementarkategorien bezeichnen und die sie ähnlich dem Kodierparadigma von Strauss und Corbin (Böhm 2005, S. 479) als Hilfestellung für die Habitusanalyse verstehen. Auch wenn die Autorinnen betonen, dass diese Elementarkategorien eher heuristischen Charakter besitzen und für jedes Untersuchungsfeld neu herausgearbeitet werden müssen, eignen sie sich gut, die Einzelfallanalysen der vorliegenden Studie zu vertiefen und zu ergänzen. Daher wurde jeder Einzelfall nach der ersten Analyse mittels thematischen Kodierens ein zweites Mal sequenzanalytisch untersucht. Die Elementarkategorien von Bremer und Teiwes-Kügler wurden in semantische Differenziale umgewandelt und für jeden Einzelfall wurde ein Polaritätsprofil erstellt; ein besonderer Fokus lag dabei auf jenen Eigenschaften, die in Tab. 8.6 kursiv geschrieben sind. Das ursprünglich einzelfallrekonstruktive Verfahren der Habitushermeneutik wird durch die Umwandlung in semantische Differenziale zu einem nachvollziehbaren, fallkontrastierenden Verfahren. Diese Vorgangsweise ermöglicht in der vorliegenden Studie eine dichte Beschreibung des Habitus der einzelnen Befragten bei gleichzeitiger Vergleichbarkeit der einzelnen Fälle. Da in der vorliegenden Studie nicht nur der allgemeine Habitus, sondern auch der mediale Habitus der befragten Heranwachsenden von Bedeutung ist, wurden die Kategorienpaare von Bremer und Teiwes-Kügler durch weitere Kategorien ergänzt, die sich besonders auf den Umgang mit Medien und Medieninhalten beziehen (siehe Tab. 8.7).
8.2 Methodische Grundlagen und Vorgangsweise
361
Tab. 8.7 Elementarkategorien des medialen Habitus Elementarkategorien des medialen Habitus Medienökonomisches Kapital hoch Menge der Mediengeräte (z. B. Anzahl der Computer oder Fernseher) und Qualität bzw. Aktualität der Mediengeräte (z. B. neueste Geräte, schnelles Internet, Pay TV-Abo etc.) im Besitz der Familie; Mediengeräte im Besitz der Kinder und Jugendlichen (Smartphone, Fernseher, Computer/Laptop, Internetzugang im eigenen Zimmer etc.)
Medienökonomisches Kapital niedrig Menge der Mediengeräte (z. B. Anzahl der Computer oder Fernseher) und Qualität bzw. Aktualität der Mediengeräte (z. B. ältere Geräte, Internetzugang etc.) im Besitz der Familie; Mediengeräte im Besitz der Kinder und Jugendlichen (Smartphone, Fernseher, Computer/Laptop, Internetzugang im eigenen Zimmer etc.)
Informationsorientierung (Kind) Unterschiedliche Informationen (z. B. privat, schulisch, gesellschaftlich) stehen im Mittelpunkt; über welche Medien (z. B. Internet, Fernsehen etc.) das Informationsinteresse befriedigt wird, ist unerheblich
Unterhaltungsorientierung (Kind) Bedürfnis nach Unterhaltung und Entspannung stehen im Mittelpunkt; über welche Medien (z. B. Spiele, Fernsehprogramme, Bücher etc.) dieses Bedürfnis befriedigt wird, ist unerheblich
Informationsorientierung (Eltern) Unterschiedliche Informationen (z. B. privat, beruflich, gesellschaftlich) stehen im Mittelpunkt; über welche Medien (z. B. Internet, Fernsehen etc.) das Informationsinteresse befriedigt wird, ist unerheblich
Unterhaltungsorientierung (Eltern) Bedürfnis nach Unterhaltung und Entspannung stehen im Mittelpunkt; über welche Medien (z. B. Spiele, Fernsehprogramme, Bücher etc.) dieses Bedürfnis befriedigt wird, ist unerheblich
Medialer Geschmack hochkulturell (Kind) Kulturell etablierte Medien (z. B. öffentlichrechtlicher Rundfunk, „Qualitätszeitungen“, bestimmte Websites) werden genutzt bzw. als wertvoll angesehen (z. B. Wertschätzung von Büchern), andere Medien und Medieninhalte werden bewusst abgewertet (Distinktion über Mediennutzung)
Medialer Geschmack populär (Kind) Weniger etablierte Medien (z. B. private Fernsehsender, „Boulevardzeitungen“, bestimmte Websites) werden genutzt, keine Unterscheidung zwischen mehr oder weniger wertvollen Medien oder Medieninhalten (keine Distinktion über Mediennutzung)
Medialer Geschmack hochkulturell (Eltern) Kulturell etablierte Medien (z. B. öffentlichrechtlicher Rundfunk, „Qualitätszeitungen“, bestimmte Websites) werden genutzt bzw. als wertvoll angesehen (z. B. Wertschätzung von Büchern), andere Medien und Medieninhalte werden bewusst abgewertet (Distinktion über Mediennutzung)
Medialer Geschmack populär (Eltern) Weniger etablierte Medien (z. B. private Fernsehsender, „Boulevardzeitungen“, bestimmte Websites) werden genutzt, keine Unterscheidung zwischen mehr oder weniger wertvollen Medien oder Medieninhalten (keine Distinktion über Mediennutzung) (Fortsetzung)
362
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.7 (Fortsetzung) Medienerziehung reglementiert Zeitliche Regulierung, inhaltliche Regulierung, gemeinsame Mediennutzung von Eltern und Kindern, Gespräche über Medieninhalte in der Familie (Verarbeitungshilfe)
Medienerziehung unreglementiert Keine zeitliche oder inhaltliche Regulierung, keine gemeinsame Mediennutzung, keine Gespräche über Medieninhalte in der Familie (keine Verarbeitungshilfe)
Qualitative Typenbildung Auf Basis dieser umfangreichen Einzelfallanalysen wurde in einem letzten Schritt eine Typenbildung vorgenommen. Die qualitative Typenbildung geht theoretisch unter anderem zurück auf Max Webers Begriff des Idealtypus sowie die Typisierung als Merkmal sozialen Handelns nach Alfred Schütz. Empirisch wurde sie bereits in der Pionierphase der qualitativen Sozialforschung, unter anderem von Jahoda et al. (1975) im Rahmen der Marienthalstudie, eingesetzt (Kelle und Kluge 2010, S. 83; Kluge 1999, S. 257–259). Sie steht methodisch zwischen der fallübergreifenden Analyse, die auf das Erkennen des Gemeinsamen bzw. Regelhaften abzielt und der Einzelfallanalyse, die auf das Besondere fokussiert ist. Der Begriff „Typ“ stellt gewissermaßen die Klammer zwischen diesen eigentlich auseinanderstrebenden Analysestrategien – hier die Besonderheit des Einzelfalls, dort Regelhaftes – dar. Einzelfall und Regelhaftes sind in der Suche nach dem Typischen miteinander verknüpft (Kuckartz 2010, S. 555).
Die qualitative Typenbildung ist ein fallbezogenes Auswertungsverfahren, das sich stark von der quantitativen Typen- oder Clusterbildung, als variablenbezogene Suche nach Regelhaftigkeiten, unterscheidet (Kuckartz 2010, S. 555). Dabei werden einzelne Fälle basierend auf Ähnlichkeiten zu einer Gruppe zusammengefasst, die sich in ihren Ausprägungen wiederum deutlich von anderen Gruppen differenziert. Kuckartz (2010, S. 558–560) unterscheidet eine monothetische Typenbildung, bei der alle Fälle eines Typus über identische Merkmale verfügen, eine Typenbildung durch Reduktion, bei der einzelne Merkmalausprägungen zusammengefasst werden, um die Anzahl der Typen zu verringern und auf diese Weise die Aussagekraft und Übersichtlichkeit der Typologie zu verbessern, und eine polythetische Typenbildung, bei der die Typen induktiv aus dem Material entwickelt werden. Im letztgenannten Ansatz, der auch in der vorliegenden Studie verfolgt wird, werden Einzelfälle zu Typen zusammengefasst, die in sich möglichst homogen und im Hinblick auf andere Typen möglichst heterogen sind.
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets
363
Ziel der Typenbildung in Anlehnung an Kuckartz (2010, S. 557) sowie Kelle und Kluge (2010, S. 91–92; Kluge 1999, S. 257–283) ist es Gruppen zu identifizieren, die sich durch jeweils spezifische Formen der Medienperformanz und Handlungsstrategien im Umgang mit dem Social Web auszeichnen. Dazu wurde sowohl das qualitative als auch das quantitative Datenmaterial herangezogen. Induktiv wurden folgende Dimensionen herausgearbeitet, anhand derer die Typenbildung und Zuordnung der Einzelfälle zu den jeweiligen Gruppen erfolgte: • • • • •
Wissen über das Internet Umgang mit Informationen/Recherche Einschätzung und Reflexion des eigenen Medienhandelns technische Fertigkeiten Anwendung und Umsetzung von Wissen und Fertigkeiten
Um die weitere Typenbildung zu erleichtern, wurden diese induktiv aus dem empirischen Material erarbeiteten Dimensionen ebenfalls in semantische Differenziale als Elementarkategorien der Medienperformanz umformuliert und das Polaritätsprofil jedes Einzelfalls wurde zur besseren Vergleichbarkeit um diese Kategorien ergänzt (Tab. 8.8). In einem weiteren Schritt folgte die Gruppierung der Einzelfälle anhand ihrer Medienperformanz und Einschätzung des eigenen Medienhandelns dem Prinzip der internen Homogenität (innerhalb eines Typus) und der externen Heterogenität (als Abgrenzung zwischen den einzelnen Typen). Anschließend wurden die auf diese Weise entstandenen Typen auf Gemeinsamkeiten hinsichtlich des sozialen Milieus, der lebensweltlichen Orientierung sowie des allgemeinen und medialen Habitus untersucht. In einem letzten Schritt wurden die einzelnen Typen beschrieben und typenbezogene Handlungsstrategien herausgearbeitet.
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse basieren auf der quantitativen Auswertung des Onlinefragebogens. Wie in Abschn. 8.2.1 ausgeführt, erfolgte die Datenerhebung für diese Studie zwischen dem 15. Dezember 2011 und dem 15. Februar 2012; die Zusammensetzung der Stichprobe (N = 2491 Personen zwischen zehn und dreißig Jahren) wird ebenso im genannten Kapitel beschrieben. In Abschn. 8.1 werden sowohl die Anlage als auch die E rgebnisse
364
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.8 Elementarkategorien der Medienperformanz Elementarkategorien der Medienperformanz Kritisch (im Hinblick auf Medien) Sich nicht mit schnellen Antworten zufriedengeben, recherchieren mit mehreren Quellen, hinterfragen von Informationen aus den Medien, kritische Beurteilung von Medieninhalten
Leichtgläubig (im Hinblick auf Medien) Sich schnell mit einfachen Antworten zufriedengeben, allgemeines Vertrauen in alle Medieninhalte, kaum hinterfragen von Informationen aus den Medien, Unsicherheit in der Beurteilung von Medieninhalten
Selbstsicher (im Hinblick auf Medien) Persönliche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden sehr hoch eingeschätzt, Gefühl der Sicherheit im Internet, dem Internet werden mehr Chancen als Risiken beigemessen
Unsicher (im Hinblick auf Medien) Persönliche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden niedrig eingeschätzt, Gefühl der Unsicherheit im Internet, dem Internet werden mehr Risiken als Chancen beigemessen
Soziale Erwünschtheit Orientierung an öffentlicher Meinung, der Meinung der Familie oder der PeerGroup (legitimer Mediengeschmack), eigene Vorstellung von einem reflektierten/ kompetenten und sozial angemessenen Medienumgang, eigene Vorstellung von einem sicheren und sozial angemessenen Verhalten im Internet
Keine soziale Erwünschtheit Keine Orientierung an öffentlicher Meinung, der Meinung der Familie oder der Peer-Group (legitimer Mediengeschmack), keine eigene Vorstellung von einem reflektierten/kompetenten und sozial angemessenen Medienumgang, keine eigene Vorstellung von einem sicheren und sozial angemessenen Verhalten im Internet
Wissen hoch Hohes Hintergrundwissen über Medien und das Mediensystem, Wissen über rechtliche Grundlagen (vor allem Urheberrechte, Persönlichkeitsrechte), Wissen über Normen und Werte in Bezug auf Medien, theoretisches Wissen über einen sicheren Umgang mit dem Internet (Privatsphäreeinstellungen, legale und illegale Praktiken im Internet, Reichweite und Langlebigkeit des Internets etc.)
Wissen gering Geringes Hintergrundwissen über Medien und das Mediensystem, geringes Wissen über rechtliche Grundlagen (vor allem Urheberrechte, Persönlichkeitsrechte), geringes Wissen über Normen und Werte in Bezug auf Medien, geringes theoretisches Wissen über einen sicheren Umgang mit dem Internet (Privatsphäreeinstellungen, legale und illegale Praktiken im Internet, Reichweite und Langlebigkeit des Internets etc.)
Informationssuche versiert Schnelle und gezielte Informationssuche, Kenntnis von Suchmaschinen, Suche mittels Stichworte, Variation der Suchstrategie (wenn beim ersten Versuch nicht erfolgreich), sichere Beurteilung von Suchergebnissen (Inhalte, weiterführende Links), Vergleich von Suchergebnissen
Informationssuche unsicher Langsam im Suchen von Informationen, keine zielgerichtete Suchstrategie, mangelnde Kenntnis von Suchmaschinen, Eingabe ganzer Fragen statt Suche mittels Stichworte, nicht in der Lage die Suchstrategie zu variieren, Unsicherheit in der Beurteilung von Suchergebnissen (Inhalte, weiterführende Links), kein Vergleich von Suchergebnissen (Fortsetzung)
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets
365
Tab. 8.8 (Fortsetzung) Reflektiert Reflexion des eigenen Medienumgangs, bewusstes Medienhandeln unter Abwägung möglicher Chancen und Risiken
Unreflektiert Kaum Reflexion des eigenen Medienumgangs, wenig Bewusstsein über mögliche Chancen und Risiken oder Ignorierung potentieller Gefahren
Technische Fertigkeiten hoch Sehr gute grundlegende technische Kenntnisse (z. B. Suchverlauf löschen, Lesezeichen anlegen, Privatsphäreeinstellungen vornehmen), Fähigkeit vorgegebene Nutzungsweisen zu umgehen (z. B. illegaler Download, Umgehung einer Firewall), problemorientierter Zugang zu technischen Problemen (ausprobieren, eigene Lösung finden)
Technische Fertigkeiten gering Geringe grundlegende technische Kenntnisse (z. B. Suchverlauf löschen, Lesezeichen anlegen, Privatsphäreeinstellungen vornehmen), nicht in der Lage vorgegebene Nutzungsweisen zu umgehen (z. B. illegaler Download, Umgehung einer Firewall), kein problemorientierter Zugang zu technischen Problemen (sofort aufgeben, Hilfe holen)
Anwendung Wissen/Können gut Guter Transfer des theoretischen Wissens in die Praxis (z. B. wissen um die Existenz von Privatsphäreeinstellungen und ihre Anwendung, Kenntnis rechtlicher Regeln und ihre Einhaltung), Fähigkeit routiniertes Können auf neue Herausforderungen anzuwenden (z. B. Bedienung eines neuen Programms, Navigation in einem Browser, den man nicht kennt, oder in einem unbekannten Betriebssystem)
Anwendung Wissen/Können schlecht Schwierigkeiten beim Transfer des theoretischen Wissens in die Praxis (z. B. wissen um die Existenz von Privatsphäreeinstellungen und ihre Anwendung, Kenntnis rechtlicher Regeln und ihre Einhaltung), Schwierigkeiten damit routiniertes Können auf neue Herausforderungen anzuwenden (z. B. Bedienung eines neuen Programms, Navigation in einem Browser, den man nicht kennt, oder in einem unbekannten Betriebssystem)
dieser Untersuchung in den aktuellen Forschungsstand zur Nutzung des Internets und im Besonderen zur Nutzung von SNS durch Heranwachsende eingeordnet. In der Ergebnisdarstellung wird daher auf entsprechende Verweise verzichtet, wenngleich anzumerken ist, dass sich viele Gemeinsamkeiten zwischen den Ergebnissen dieser Erhebung und aktuelleren Untersuchungen feststellen lassen; die Daten sind daher trotz der zeitlich etwas zurückliegenden Erhebung nach wie vor relevant und haben wenig an Aktualität verloren. Im Kontext der hier beschriebenen Studie dienen sie zum einen, um einen ersten Überblick über die Mediennutzung von Zehn- bis 30-Jährigen in Österreich zum Zeitpunkt der Erhebung zu erhalten. Zum anderen erfolgte die Stichprobenziehung für die qualitative Teilstudie basierend auf diesen Ergebnissen.
366
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
8.3.1 Allgemeine Nutzungsweisen Zunächst soll nun ein allgemeiner Überblick über die Nutzung von Medien und im Besonderen des Internets gegeben werden, bevor im Anschluss daran der Fokus auf die Nutzung von SNS gelenkt wird. Betrachtet man die Nutzung unterschiedlicher Medien, so zeigt sich, dass nur 10,2 % überhaupt keine Bücher nutzen. Wenn Bücher gelesen werden, so geschieht dies zumeist zur Entspannung und Unterhaltung (63,9 %). Diese Nutzungsform ist bei Mädchen und jungen Frauen (71 %) öfter anzutreffen, als bei Jungen und jungen Männern (50,5 %), die Bücher häufiger als Mädchen zur Information über private (14,2 %) und berufliche bzw. schulische Themen (16,3 %) nutzen.5 Dagegen dienen das Fernsehen (81,7 %) und das Radio (75,6 %) dem Großteil der Befragten in erster Linie zur Entspannung und Unterhaltung. Darüber hinaus nutzen 62,3 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen Spielkonsolen und Computerspiele; mehrheitlich steht hier ebenfalls das Motiv der Entspannung und Unterhaltung im Vordergrund (55,3 %). Dabei ist festzustellen, dass das Spielen auf Konsolen sowie die Nutzung von Computerspielen mit zunehmendem Alter stark zurückgeht6 und dass deutlich weniger Mädchen (52,6 % Nichtnutzerinnen) als Jungen (13 % Nichtnutzer)7 Computer- oder Konsolenspiele spielen. Das Handy dient in erster Linie dem Beziehungsmanagement: 87,8 % der Befragten nutzen es, um sich mit Freundinnen und Freunden auszutauschen. Die überwiegende Mehrheit (90,2 %) nutzt zum Zeitpunkt der Erhebung dafür SMS. Im Vergleich zur aktuellen Mediennutzung Heranwachsender und junger Erwachsener ist festzustellen, dass mittlerweile Smartphones und der mobile Internetzugang deutlich zugenommen haben und die SMS-Nutzung zugunsten von WhatsApp deutlich abgenommen hat (siehe Abschn. 8.1). Gleichgeblieben ist allerdings, dass das Handy bzw. Smartphone eine wichtige Rolle im Hinblick auf das Beziehungsmanagement einnimmt. Das Internet wird sowohl als Informations- als auch Unterhaltungsmedium betrachtet, 76 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen nutzen es jeden oder fast jeden Tag. Der Großteil ist dabei zwischen 30 und 60 min online. Geschlecht, Wohnort und Migrationshintergrund haben auf die Dauer
5Cramer’s V = 0,218
(p = 0,000). (p = 0,000). 7Cramer’s V = 0,403 (p = 0,000). 6Cramer’s V = 0,212
367
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets Tab. 8.9 Dauer der Internetnutzung nach Alter Dauer der Internetnutzung nach Alter Häufigkeiten in Prozent (gerundet) Alter
10–11 12–13 14–15 16–17
18–19 20–21 22–23 24–25 26–27 >28
60 min 29
36
50
65
67
69
72
73
69
77
der Internetnutzung keinen Einfluss, allerdings nimmt die Nutzungsdauer mit steigendem Alter signifikant zu (Tab. 8.9).8 Ähnliches zeigt sich in Hinblick auf die Nutzungsfrequenz. Zwar können unter den jüngsten Nutzerinnen und Nutzern im Alter von zehn bis elf Jahren 13,7 % nicht genau sagen, wie oft sie das Internet nutzen, aber bereits 33,9 % dieser Altersgruppe sind wöchentlich zumindest ein bis zwei Mal online und 39,5 % nutzen das Internet sogar täglich oder fast jeden Tag. Differenziert man zwischen einer (fast) täglichen Nutzung und einer Nutzungshäufigkeit von weniger als fast jeden Tag, werden die altersspezifischen Unterschiede umso deutlicher.9 Es zeigt sich, dass ab einem Alter von zwölf Jahren, die Nutzungsfrequenz stark ansteigt – 57 % der Zwölf- bis 13-Jährigen sind täglich oder fast jeden Tag online und ab einem Alter von 14 bis 15 Jahren bewegen sich bereits 86,2 % täglich oder fast jeden Tag im Internet. In der Gruppe der 16- bis 17-Jährigen steigt dieser Wert auf 94,3 % und nähert sich mit zunehmendem Alter kontinuierlich der 100 %-Marke. Ab einem Alter von 28 Jahren nimmt die Intensität der Internetnutzung wieder etwas ab (Abb. 8.4). Darüber hinaus zeigt sich, dass sich die Gruppe der Intensivnutzerinnen und Intensivnutzer zu zwei Drittel aus Personen mit formal höherer Bildung10 zusammensetzt; geschlechtsspezifische Unterschiede lassen sich diesbezüglich nicht feststellen. Außerdem besteht ein leichter Zusammenhang zwischen der Frequenz und der Dauer der Internetnutzung:11 73 % jener, die das Internet weniger als einmal im Monat nutzen, tun dies auch unter 30 min lang. Neben der Nutzung bestimmter Internetdienste zur Kommunikation, Information und Unterhaltung wird auch gerne ziellos herumgesurft. Dies
8Cramer’s V = 0,254
(p = 0,000). (p = 0,000). 10Cramer’s V = 0,271 (p = 0,000). 11Cramer’s V = 0,208 (p = 0,000). 9Cramer’s V = 0,495
368 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
≤ 11
12-13
14-15
16-17
18-19
20-21
22-23
24-25
26-27
≥ 28
IntensivnutzerInnen (täglich oder fast jeden Tag) Wenig-NutzerInnen (weniger als fast jeden Tag)
N = 2491
Abb. 8.4 Intensivnutzung nach Alter (eigene Darstellung)
geschieht entweder zur Entspannung (42,3 %), oder wenn man ganz allgemein auf der Suche nach Informationen sowohl für private als auch für berufliche bzw. schulische Interessen ist (49,2 %). Von den unterschiedlichen Funktionen und Angeboten des Internets sind RSS-Feeds (90,1 % kennen bzw. nutzen dieses Angebot nicht) und Twitter (87,4 % kennen bzw. nutzen dieses Angebot nicht) kaum bekannt und werden nur von einigen wenigen Befragten genutzt. Ebenso sind Filesharing-Plattformen12 über einem Drittel der Befragten unbekannt und ungefähr die Hälfte hat noch nie ein derartiges Angebot genutzt. Am ehesten bedienen sich Jungen und junge Männer des Filesharings;13 weitere Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung oder des Migrationshintergrundes sind diesbezüglich nicht erkennbar. Auch Blogs werden kaum genutzt (77,3 % kennen bzw. nutzen dieses Angebot nicht). Am häufigsten tun dies junge Erwachsene ab 28 Jahren (43,5 %), bei den Zehn- bis 19-Jährigen variiert die Blognutzung zwischen 16,2 % und 23,9 %. Diskussionsforen spielen ebenfalls eine untergeordnete Rolle (59,4 % kennen bzw. nutzen dieses Angebot nicht).
12Als
Beispiele wurden die zum Zeitpunkt der Erhebung in Österreich am häufigsten genutzten Filesharing-Plattformen angegeben: http://www.alexa.com/topsites/countries/AT. 13Cramer’s V = 0,210 (p = 0,000).
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets
369
Instant Messaging14 hingegen ist ein beliebtes Instrument des Beziehungsmanagements und 78,5 % der Befragten nutzen dies, um sich mit Freundinnen und Freunden auszutauschen. Ebenso dienen E-Mails dem Beziehungsmanagement. 55,8 % nutzen diese zur Kommunikation mit Freundinnen und Freunden und 35 % schreiben E-Mails, um Informationen für private Interessen oder für Beruf, Schule oder Weiterbildung zu finden. Hier zeigt sich ein schwacher Zusammenhang mit dem Alter:15 Generell steigt die Nutzungskurve bis zum Alter von 16 bis 17 Jahren stark an und ab diesem Alter nutzen alle regelmäßig E-Mails. Auffällig ist aber eine ähnliche Nutzungsweise von Jungen und Mädchen bis 13 Jahre und Erwachsenen ab 24 Jahren. Diese Gruppen nutzen E-Mails häufig zur Kommunikation mit Freundinnen und Freunden, während sich die dazwischenliegenden Altersgruppen dafür anderer Medien bedienen. Aus Perspektive der Mediensozialisation könnte diese Ähnlichkeit zwischen der E-Mail-Nutzung der jüngsten und ältesten Befragten, darin begründet sein, dass jüngere Heranwachsende zuerst gemeinsam mit ihren Eltern ins Internet einsteigen bzw. die Internetnutzung über ihre Eltern kennenlernen und es somit auch ähnlich wie die Generation ihrer Eltern nutzen, bis sie sich von ihren Eltern loslösen und eigene Nutzungsweisen entwickeln. Neben dem Beziehungsmanagement über Instant Messaging und SNS, sind Wikis besonders für das Informationsmanagement von Bedeutung. Ein Großteil der Befragten kennt Wikis. Allerdings ist zu vermuten, dass sich dabei die meisten auf Wikipedia beziehen, weil diese Online-Enzyklopädie im Fragebogen als Beispiel genannt wird und auch aus den im Anschluss an diese quantitative Befragung durchgeführten Interviews geht hervor, dass nur wenige andere Wikis außer Wikipedia kennen. Wikis werden vor allem für die private oder schulische bzw. berufliche Recherche nach Informationen genutzt. Als schwacher Zusammenhang mit dem Alter16 lässt sich feststellen, dass bis zu einem Alter von 17 Jahren Wikis (bzw. Wikipedia) vor allem zur Informationssuche für schulische oder berufliche Zwecke genutzt werden, danach fällt diese Form der Recherche mit zunehmendem Alter ab, während die Suche nach Informationen für private Zwecke zunimmt (Abb. 8.5).
14Unter
Instant Messaging werden in dieser Erhebung sowohl klassische Messanger (z. B. MSN, Skype etc.) als auch in SNS integrierte Angebote (Chat) zusammengefasst. 15Cramer’s V = 0,219 (p = 0,000). 16Cramer’s V = 0,210 (p = 0,000).
370
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Wikis nutze ich am häufigsten… 90.0% 80.0%
70.0% 60.0% 50.0% 40.0% 30.0% 20.0% 10.0% 0.0%
kenne/ nutze ich nicht zur Entspannung/ Unterhaltung zur Informaon (privat) zur Informaon (Schule, Beruf) zum Austausch mit FreundInnen
Abb. 8.5 Nutzung von Wikis (eigene Darstellung)
8.3.2 Produktive Internetnutzung und gesellschaftliche Partizipation Bei näherer Betrachtung was Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene tatsächlich im Internet machen, wird deutlich, dass eine rezeptive Nutzungsweise überwiegt. Fasst man die Nutzung von Blogs, Wikis und Foren zusammen, so geben 56 % der Befragten an, ein bis zweimal pro Woche darin zu lesen, ebenso viele haben aber noch nie selbst einen Beitrag verfasst. Nur 26,3 % der Zehnbis 30-Jährigen schreibt zumindest monatlich in einem Blog, einem Forum oder einem Wiki. Dabei zeigen sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts, des Alters oder der formalen Bildung. Allerdings fällt auf, dass formal höher Gebildete tendenziell eher in Blogs, Foren und Wikis lesen als formal niedriger Gebildete. Der Anteil der Nicht-Nutzerinnen und -Nutzer liegt bei ersteren nur bei 11 %, hingegen betrifft dies ein Viertel der formal niedriger Gebildeten. Im Hinblick auf die Nutzung von Foto- und Videoplattformen geben 77 % der Zehn- bis 30-Jährigen an, sich zumindest einmal pro Woche Fotos oder Videos anzusehen, jedoch hat etwas mehr als die Hälfte noch nie ein Foto oder Video auf eine entsprechende Plattform hochgeladen. Nur 17,1 % laden zumindest monatlich ein Foto oder Video hoch und 23,3 % tun dies seltener als einmal im Monat.
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets
371
Ebenso haben 46,7 % noch nie ein Foto oder Video auf einer Foto- bzw. Videoplattform bewertet, 27,5 % der Befragten tun dies zumindest einmal pro Woche. Der Marktplatz Internet erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Zum Erhebungszeitpunkt der quantitativen Studie haben nur 29,9 % der Zehn- bis 30-Jährigen noch nie etwas im Internet gekauft und 19,9 % kaufen sogar mindestens einmal im Monat im Internet ein. Es ist anzunehmen, dass sich diese Zahlen im Zuge des wachsenden Onlinehandels mittlerweile deutlich erhöht haben. Hinsichtlich des Ein- und Verkaufens im Internet zeigt sich allerdings auch eine eher konsumtive Haltung der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen, denn ein Großteil hat noch nie selbst etwas verkauft (84,4 %). Nachvollziehbar ist das Ergebnis, dass Heranwachsende mit zunehmendem Alter eher etwas im Internet kaufen17, da die finanzielle Abhängigkeit von den Eltern geringer wird. Außerdem kaufen formal höher Gebildete häufiger im Internet ein als formal niedriger Gebildete.18 Die Häufigkeit der genutzten Angebote und die Nutzungsaktivität hängt stark mit der Intensität der Internetnutzung zusammen: Intensivnutzerinnen und -nutzer,19 sehen sich öfter Fotos und Videos an, kommentieren diese häufiger und erstellen ebenso häufiger selbst Inhalte. Zudem lesen sie häufiger Beiträge auf Wikis, Blogs und Foren und schreiben auch eher einen eigenen Beitrag (Tab. 8.10).20 Aber nicht nur im Internet, sondern auch im Hinblick auf andere Medien verhalten sich die Heranwachsenden und jungen Erwachsenen eher rezeptiv und nur selten werden Möglichkeiten der Partizipation genutzt. Der Leserbrief, eines der ältesten Mittel der aktiven Teilnahme an öffentlicher Kommunikation, ist für die Zehn- bis 30-Jährigen kaum von Bedeutung – nur 18 % der Befragten haben schon einmal einen Leserbrief geschrieben. Ähnlich steht es um die aktive Beteiligung an Radio- oder Fernsehsendungen mittels SMS, E-Mail, Anruf oder Internet-Voting. Nur 10 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen hat sich schon einmal in irgendeiner Art und Weise in Radio- oder Fernsehsendungen eingebracht. So ist es wenig überraschend, dass eine aktive Beteiligung an einem
17Cramer’s V = 0,225
(p = 0,000). (p = 0,000). 19Intensivnutzerinnen und -nutzer nutzen das Internet täglich oder fast täglich. 20Videos ansehen: Cramer’s V = 0,356 (p = 0,000); Video hochladen: Cramer’s V = 0,202 (p = 0,000); Video kommentieren Cramer’s V = 0,241 (p = 0,000); Beiträge lesen: Cramer’s V = 0,369 (p = 0,000); Beitrag schreiben Cramer’s V = 0,215 (p = 0,000). 18Cramer’s V = 0,234
372
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.10 Aktivitäten im Internet allgemein Aktivitäten im Internet allgemein (ohne SNS) Häufigkeit in Prozent, gerundet Rezeptive Internetnutzung
Fotos/Videos ansehen
In Blog/Wiki/ Forum lesen
Produktive Internetnutzung
Nie
≥ Mehrmals pro Woche
3,1
77,0
16,3
Nie
≥ Mehrmals pro Woche
Fotos/Videos kommentieren
46,7
27,5
Fotos/Videos hochladen
55,4
8,2
In Blog/Wiki Forum schreiben
56,0
15,5
Im Internet einkaufen
33,4
2,2
Im Internet verkaufen
84,4
0,9
56,0
freien Radio oder Fernsehsender durch eine eigene Sendung ebenfalls sehr selten ist. 92 % haben noch nie eine eigene Radio- oder Fernsehsendung produziert. Wie Leserbriefe und andere Kommunikationsmöglichkeiten kaum genutzt werden, um sich aktiv an der Gesellschaft zu beteiligen und seine Meinung öffentlich kund zu tun, werden auch Online-Petitionen zumeist ignoriert. Insgesamt haben lediglich 27,3 % der Befragten schon einmal eine Online-Petition unterschrieben. Hier zeigt sich, dass formal höher Gebildete diesbezüglich deutlich aktiver sind als formal niedriger Gebildete21 und sich vor allem junge Erwachsene22 über Online-Petitionen engagieren (Tab. 8.11). Unabhängig vom genutzten Medium scheint das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Teilhabe unter Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen allgemein gering zu sein, denn auch die von vielen intensiv genutzten SNS werden in erster Linie zum privaten Vergnügen sowie zur Kommunikation mit Freundinnen und Freunden und kaum zu Zwecken gesellschaftlichen Engagements genutzt. So haben auch 76,5 % noch nie eine Aussage zu einem politischen,
21Cramer’s V = 0,315 22Cramer’s V = 0,
(p = 0,000). 566 (p = 0,000).
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets
373
Tab. 8.11 Unterschreiben einer Online-Petition Ich habe schon einmal eine Online-Petition unterschrieben… Häufigkeiten in Prozent Alter
Formale Bildung
≤11
8,0
12–13
9,3
14–15
9,1
16–17
12,0
18–19
22,9
20–21
48,3
22–23
65,0
24–25
73,4
26–27
78,2
≥28
75,3
Niedrig
38,0
Hoch
9,4
gesellschaftlichen oder sozialen Thema bzw. einen Unterstützungsaufruf von NGOs wie etwa Amnesty International oder diverse internationale Tierschutzvereine auf einer SNS veröffentlicht.
8.3.3 Wissen, Selbsteinschätzung und elterliche Kontrolle Die befragten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen schätzen ihr Wissen über das Internet insgesamt hoch ein; 71,1 % stimmen der Aussage, viel über das Internet zu wissen, zumindest eher zu. Unterschiede im Hinblick auf die formale Bildung und das Alter der Befragten sind nicht festzustellen, jedoch gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Selbsteinschätzung und dem Geschlecht der Befragten.23 Mädchen und junge Frauen haben zwar auch das Gefühl, viel über das Internet zu wissen, Jungen und junge Männer bewerten ihr Wissen aber deutlich besser: Während circa die Hälfte der Mädchen der Aussage, sehr viel
23Cramer’s V = 0,228
(p = 0,000).
374
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.12 Wissen über das Internet (Selbsteinschätzung) „Ich weiß sehr viel über das Internet“ Häufigkeiten in Prozent, gerundet Stimme zu
Stimme eher zu
Stimme eher nicht zu
Stimme nicht zu
Weiblich
28
53
16
3
Männlich
51
39
8
2
über das Internet zu wissen, nur eher zustimmt, behaupten ebenso viele Jungen, dass dies voll auf sie zuträfe (Tab. 8.12). Ein Großteil der Befragten fühlt sich im Internet sicher. So stimmen 41,6 % der Aussage, im Internet keine Angst zu haben, zu und 35,5 % würden dies eher bejahen. Das Internet wird mehrheitlich positiv bewertet. Fast die Hälfte der Befragten ist der festen Überzeugung, dass das Internet Chancen bietet. Zugleich ist sich die Mehrheit der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen bewusst (83,2 %), dass es im Internet auch Gefahren gibt, und stimmt dieser Aussage zur Gänze zu. Ebenso viele (81,7 %) haben aber (zumindest eher) das Gefühl, sich gegen mögliche Gefahren schützen zu können (Abb. 8.6). Die jüngsten Heranwachsenden sind sich der Chancen, die das Internet bietet, allerdings deutlich weniger sicher, als ältere Jugendliche und junge Erwachsene.24 Und gerade junge Erwachsene sind besonders davon überzeugt, dass das Internet Chancen bietet. Diese unterschiedliche Bewertung könnte damit zusammenhängen, dass jüngere Mädchen und Jungen noch ein geringeres Spektrum des Internets nutzen als die älteren Befragten. Ähnlich ließe sich wahrscheinlich erklären, warum jene Heranwachsenden und jungen Erwachsenen, die täglich oder fast täglich im Internet sind,25 eher angeben, viel über das Internet zu wissen (87,3 %)26 und dem Internet häufiger Chancen einräumen (88,2 %) (Abb. 8.7).27 Auch wenn die meisten davon überzeugt sind, dass das Internet Chancen bietet, ist sich ein Großteil ebenso der potentiellen Risiken bewusst. Unabhängig von Alter, Geschlecht oder formaler Bildung stimmen 83,2 % der Befragten der Aussage zu, dass es im Internet Gefahren gibt. Gleichzeitig sind sich aber 81,7 %
24Cramer’s V = 0,249
(p = 0,000). Definition von Viel-NutzerInnen und Wenig-NutzerInnen siehe Abb. 2.3 auf Seite 16. 26Cramer’s V = 0,214 (p = 0,000). 27Cramer’s V = 0,365 (p = 0,000). 25Zur
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets
375
100% 90% 80% 70% 60%
50% 40% 30% 20% 10% 0%
Ich weiß sehr viel Ich habe keine Das Internet bietet Im Internet gibt es Ich weiß genau, wie über das Internet. Angst, wenn ich im Chancen. Gefahren. ich mich gegen Internet bin. mögliche Gefahren schützen kann. smme nicht zu
smme eher nicht zu
smme eher zu
smme zu
Abb. 8.6 Einschätzung des Internets (eigene Darstellung)
Das Internet bietet Chancen... WenignutzerInnen IntensivnutzerInnen ≥ 28 26-27 24-25 22-23 20-21 18-19 16-17 14-15 12-13 ≤ 11 0
20
40
60
80
100
120
Abb. 8.7 Positive Einschätzung des Internets nach Alter und Nutzungsintensität (eigene Darstellung)
376
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.13 Wissen über das Internet Wissen über das Internet Häufigkeiten in Prozent Eher nein
Eher ja
Ja
Wenn man Fotos von anderen Personen veröffentlicht, 6,9 braucht man deren Zustimmung
Nein
5,6
18,3
69,2
Wenn man ein Foto im Internet löscht, kann man es nicht mehr finden
61,5
17,6
7,4
13,6
Wenn man sich auf einer Internetplattform anmeldet, sollte man die AGB durchlesen
4,1
7,3
26,9
61,7
Was im Internet steht, darf jeder verwenden
32,2
24,4
22,7
20,7
Was im Internet steht, stimmt immer
78,7
14,7
3,1
3,5
der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen sicher zu wissen, wie man sich gegenüber möglichen Gefahren schützen kann und nur wenige fühlen sich hilflos. In Bezug auf diese Selbsteinschätzung zeigen sich keinerlei Unterschiede hinsichtlich soziodemografischer Merkmale. Die Mädchen und jungen Frauen bzw. Jungen und jungen Männer wurden auch zu ihrem Wissen über das Internet sowie zur persönlichen Einschätzung ihrer technischen Fertigkeiten befragt. Die Mehrheit zeigt sich gut informiert. So wissen fast 70 % darüber Bescheid, dass die Veröffentlichung eines Fotos im Internet der Zustimmung der darauf abgebildeten Person(en) bedarf. Außerdem sind sich die meisten bewusst, wie schwierig es ist, ein einmal veröffentlichtes Foto wieder unauffindbar zu löschen. 61,5 % sind davon überzeugt, dass man ein gelöschtes Foto wiederfinden kann und 17,6 % stimmen dem zumindest eher zu. Hier sind allerdings jüngere Heranwachsende bis 13 Jahre eher der Überzeugung, man könne ein gelöschtes Foto nicht mehr wiederfinden, während ältere Heranwachsende und junge Erwachsene kein Vertrauen in das Löschen von Fotos im Internet haben (Tab. 8.13).28 Die meisten Befragten sind ebenso der Meinung, dass man sich vor der Anmeldung auf einer Internetplattform die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) durchlesen sollte; 88,6 % stimmen dieser Aussage zumindest eher zu. Außerdem existiert ein gewisses Bewusstsein hinsichtlich des Urheberrechts. Unabhängig von Alter und formaler Bildung ist etwas mehr als die Hälfte zumindest eher der Meinung, dass man Inhalte aus dem Internet nicht einfach
28Cramer’s V = 0,206
(p = 0,000).
377
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets
Was im Internet steht, smmt immer… 120 100 80 60 40
20 0
smme nicht zu
smme eher nicht zu
smme eher zu
smme zu
Abb. 8.8 Vertrauen in Informationen aus dem Internet nach Alter und formaler Bildung (eigene Darstellung)
weiterverwenden darf. Allerdings sind hier die allgemeinen Zustimmungswerte im Vergleich zu den anderen abgefragten Aussagen deutlich geringer. Die meisten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen (78,7 %) erweisen sich gegenüber Informationen aus dem Internet kritisch und meinen, dass nicht alles stimmt, was im Internet publiziert wird. Hier erweisen sich aber formal niedriger Gebildete, von denen 12,3 % eher der Meinung sind, dass Informationen aus dem Internet immer stimmen, etwas unkritischer als formal höher Gebildete,29 von denen nur 3 % ein entsprechendes Vertrauen ins Internet haben. Aber auch das Alter30 der Befragten spielt diesbezüglich eine Rolle. Jüngere Heranwachsende bis 13 Jahre glauben zwar ebenfalls eher, dass nicht alles stimmt, was im Internet zu finden ist, sind sich in ihrer Einschätzung aber deutlich unsicherer als ältere Personen, welche die Aussage „Was im Internet steht, stimmt immer“ mehrheitlich ablehnen (Abb. 8.8).
29Cramer’s V = 0,203 30Cramer’s V = 0,210
(p = 0,000). (p = 0,000).
378
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Hinsichtlich der Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit dem Internet fühlen sich 34,8 % der Befragten sehr gut darin, die Chronik ihres Internetaufenthalts zu löschen, ein Großteil ist dabei eher unsicher. Dagegen ist die Mehrheit in der Lage, andere Personen zu blockieren. 54 % geben an, dies sehr gut zu können und 24 % schätzen ihre diesbezüglichen Fähigkeiten zumindest gut ein. Offensichtlich wissen auch viele Jungen und Mädchen bzw. junge Frauen und Männer wie man illegal Filme und Musik herunterlädt; 43,4 % geben an, dies zumindest gut zu können. Automatische Updates oder Registrierungen, die vor allem bei der Verwendung illegal heruntergeladener Dateien oder Programme verhindert werden müssen, können von einem Großteil der Befragten jedoch nicht umgangen werden. Nur 17 % geben an, dies zumindest gut zu können. Außerdem geben immerhin 31,2 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen an, eine Internetsicherung zumindest gut umgehen zu können. Überraschender Weise zeigen sich diesbezüglich keine Unterschiede hinsichtlich des Alters. Wie erwartet sind nur einige wenige in der Lage, kleine Viren zu programmieren, jedoch geben immerhin 10,7 % an, dies zumindest gut zu können. Ebenso wenige Heranwachsende und junge Erwachsene fühlen sich in der Lage, sich in andere Netzwerke einzuschleichen. Dennoch geben 8,1 % der Befragten an, dies zumindest gut zu beherrschen (Tab. 8.14). Fast zwei Drittel der Befragten geben an, ein Lesezeichen im Internetbrowser anlegen zu können. Hier zeigen sich Unterschiede vor allem im Hinblick auf das Alter:31 Die jüngsten Heranwachsenden bis elf Jahre haben Schwierigkeiten damit, ein Lesezeichen zu setzen. Von den Zwölf- bis 13-Jährigen geben 17 % an, ein Lesezeichen setzen zu können und unter den 14- bis 15-Jährigen beherrschen dies 24 %. Unter Jugendlichen ab 16 Jahren können nur etwa 13 % ein Lesezeichen setzen und ab einem Alter von 20 Jahren nimmt diese Fähigkeit wieder rapide ab und nähert sich den Werten der jüngsten Internetnutzerinnen und Internetnutzer an. Hier zeigt sich vor allem, dass Intensivnutzerinnen und -nutzer deutlich häufiger in der Lage sind ein Lesezeichen zu setzen als Wenignutzerinnen und -nutzer.32 Generell lässt sich feststellen, dass Intensivnutzerinnen und Intensivnutzer ihre technischen Fertigkeiten allgemein deutlich besser einschätzen als Wenignutzerinnen und Wenignutzer.33 Ebenso geben sich männliche Befragte in
31Cramer’s V = 0,203 32Cramer’s
(p = 0,000). V = 0,381 (p = 0,000); IntensivnutzerInnen nutzen das Internet täglich oder fast
jeden Tag. 33Anonymes
surfen (Cramer’s V = 0,270/p = 0,000), blockieren anderer Personen (Cramer’s V = 0,337/p = 0,000), illegaler Download (Cramer’s V = 0,230/p = 0,000), Chronik löschen (Cramer’s V = 0,270/p = 0,000), Lesezeichen anlegen (Cramer’s V = 0,381/p = 0,000).
379
8.3 Allgemeiner Medienumgang und Nutzungsweisen des Internets Tab. 8.14 Technische Fertigkeiten in Bezug auf das Internet Technische Fertigkeiten: Kannst du… Häufigkeiten in Prozent Ja, gut
Ja, sehr gut
Die Chronik deines Internetaufenthalts löschen?
25,4
34,8
Im Browser ein Lesezeichen setzen?
19,0
61,1
25,4
34,8
24,0
54,0
Anonym
surfen?a
Andere Personen blockieren? Eine Internetsicherung umgehen?
13,7
17,5
Illegal downloaden?b
17,4
26,0
Kleine Viren erstellen?c
4,8
5,9
Dich in andere Computernetzwerke einschleichen?
3,7
4,4
Einen Computer/Laptop daran hindern, dass er online geht ohne dass du es mitbekommst?
7,3
10,2
aUrsprüngliche Frage: Kannst du dafür sorgen, dass niemand sehen kann, welche Websites du besucht hast? bUrsprüngliche Frage: Kannst du gratis Musik oder Filme herunterladen, für die man eigentlich bezahlen müsste? cUrsprüngliche Frage: Kannst du kleine Spaßprogramme erstellen und verschicken, die andere am Computer nerven?
ihrer Selbsteinschätzung deutlich selbstsicherer als weibliche Befragte und geben häufiger an, technische Fertigkeiten zumindest gut zu beherrschen (Abb. 8.9).34 Bei einem technischen Problem wendet sich fast die Hälfte der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen zuallererst an jemanden, der bzw. die sich auskennt. Lediglich 22,1 % recherchieren zuerst in Foren und nur 15,3 % versuchen selbst eine Lösung zu finden. Die formale Bildung und das Alter der Heranwachsenden haben keinen Einfluss auf den Umgang mit technischen Problemen. Deutliche Unterschiede zeigen sich wiederum hinsichtlich des Geschlechts:35 Jungen und junge Männer recherchieren häufiger als Mädchen und junge Frauen in Internetforen und versuchen eine eigene Lösung zu finden,
34Chronik löschen (Cramer’s V = 0,282/p = 0,000), Internetsperre umgehen (Cramer’s V = 0,279/p = 0,000), illegaler Download (Cramer’s V = 0,223/p = 0,000), Viren programmieren (Cramer’s V = 0,313/p = 0,000), in andere Netzwerke einschleichen (Cramer’s V = 0,293/p = 0,000), Verhinderung automatischer Updates und Registrierungen (Cramer’s V = 0,228/p = 0,000). 3535 Cramer’s V = 0,255 (p = 0,000).
380
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Updates/Regestrierungen verhindern in Netzwerke einschleichen Viren/Spaßprogramme erstellen illegaler Download Internetsperre umgehen Chronik löschen 0 sehr gut (weibl.)
10 gut (weibl.)
20
30
sehr gut (männl.)
40
50
60
gut (männl.)
Abb. 8.9 Technische Fertigkeiten nach Geschlecht (eigene Darstellung)
während die weiblichen Befragten nicht lange zögern und stattdessen lieber jemanden fragen, der oder die sich auskennt (Abb. 8.10). Ähnlich verhalten sich die Intensivnutzerinnen und Intensivnutzer: Bei einem technischen Problem recherchiert ein Viertel dieser Heranwachsenden und jungen Erwachsenen in Internetforen und 16,5 % tüfteln so lange herum, bis sie eine eigene Lösung gefunden haben. Jene, die das Internet nicht so häufig nutzen, wenden sich in solchen Situationen mehrheitlich an jemanden, der oder die sich auskennt (65,7 %).36 In jenem Fragebogen, der an Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre adressiert war,37 wurde auch die elterliche Kontrolle der Internetnutzung abgefragt (n = 1207). 20,5 % dieser Heranwachsenden bis 15 Jahre geben an, dass ihre Internetnutzung von den Eltern kontrolliert wird. Hier zeigen sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts und der formalen Bildung der Befragten, allerdings variiert die Kontrolle der Internetnutzung mit dem Alter der
36Cramer’s V = 0,225
(p = 0,000). in Du-Form, bei manchen Fragen z. T. einfachere Formulierungen und zusätzliche Erklärungen (siehe Anhang).
37Fragebogen
8.4 Nutzung von Social Network Sites
381
Abb. 8.10 Umgang mit Computerproblemen (eigene Darstellung)
Heranwachsenden.38 Vor allem die jüngsten Nutzerinnen und Nutzer bis zu einem Alter von 13 Jahren werden von ihren Eltern kontrolliert (51,6 % bis elf Jahre; 28,2 % zwölf bis 13 Jahre), aber auch unter den 14- bis 15-Jährigen geben einige an, dass ihre Internetnutzung zuhause überprüft wird. Bei den Jüngsten fällt auf, dass viele davon auch gar nicht wissen, ob ihre Eltern ihre Internetnutzung im Blick haben oder nicht (16,1 % bis elf Jahre; 23,2 % zwölf bis 13 Jahre). Außerdem zeigt sich, dass Intensivnutzerinnen und -Nutzer weniger stark von den Eltern kontrolliert werden als jene Heranwachsenden, die das Internet weniger häufig nutzen.39
8.4 Nutzung von Social Network Sites Neben der allgemeinen Erhebung des Medienumgangs sowie der Einstellungen zu sowie der Nutzung des Internets, liegt ein Schwerpunkt der quantitativen Erhebung auf der Nutzung von Social Network Sites (SNS). Diese entpuppen sich im Rahmen dieser Studie als die am häufigsten genutzten Social
38Cramer’s V = 0.266 39Cramer’s V = 0,289
(p = 0,000). (p = 0,000).
382
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
≤ 11
12-13
14-15
16-17
18-19
20-21
22-23
24-25
26-27
≥ 28
Abb. 8.11 SNS-Nutzung nach Alter (eigene Darstellung)
eb-Angebote: 83,1 % der Zehn- bis 30-Jährigen geben an, SNS zu nutzen. W Zum Zeitpunkt der Erhebung kristallisiert sich Facebook als die am häufigsten genutzte SNS heraus. Drei Viertel der Befragten nutzen Facebook, andere Plattformen werden nur vereinzelt genutzt und nur 17,6 % nutzen keine SNS (Abb. 8.11). Die Nicht-Nutzerinnen und -Nutzer sind vor allem unter den jüngsten Befragten zu finden.40 44,5 % der Jungen und Mädchen im Alter bis zu elf Jahren haben kein SNS-Profil, aber unter den Zwölf- bis 13-Jährigen finden sich nur mehr 25,8 %, die (noch) keine SNS nutzen. Jüngere Heranwachsende geben aber auch häufiger an, eine andere SNS als im Fragebogen angeführt41 zu nutzen.42 So meinen 28,1 % der Heranwachsenden bis zu einem Alter von elf Jahren und 22,1 % der Zwölf- bis 13-Jährigen eine andere SNS zu nutzen. Diese Antworten sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten, da womöglich
40Cramer’s V = 0,244
(p = 0,000). wurde nach jenen Social Network Sites gefragt, die zum Zeitpunkt der Befragung in Österreich am meisten verbreitet waren: Facebook, SchülerVZ/StudiVZ/MeinVZ, Netlog, MySpace, Lokalisten, Xing, LinkedIn, Badoo, Szene24. 42Cramer’s V = 0,213 (p = 0,000). 41Es
8.4 Nutzung von Social Network Sites
383
manche dieser Jungen und Mädchen noch nicht genau wissen, was eine SNS ist und daher andere Internetportale als SNS betrachten. Darüber hinaus fällt auf, dass Intensivnutzerinnen und Intensivnutzer, die das Internet zumindest fast jeden Tag nutzen, häufiger ein SNS-Profil haben (88,7 %), als Heranwachsende und junge Erwachsene, die seltener online sind (11,3 %).43 Die im Folgenden beschriebenen detaillierten Fragen zum Umgang mit SNS wurden nur jenen Befragten gestellt, die zumindest regelmäßig eine SNS nutzen (n = 1818). Wenn Heranwachsende und junge Erwachsende ihr SNS-Profil aufrufen, verweilt etwas mehr als ein Drittel weniger als 30 min dort und ungefähr gleich viele bleiben bis maximal eine Stunde auf ihrer SNS. Nur wenige halten sich deutlich länger als eine Stunde am Stück in ihrem Onlinenetzwerk auf. Auf SNS zeigen sich Jungen und Mädchen sowie junge Frauen und Männer wesentlich aktiver als im Internet allgemein. Es werden mehr Fotos hochgeladen, angesehen und auch deutlich öfter kommentiert. Zudem wird in Form von Statusmeldungen mehr geschrieben als beispielsweise in einem Blog, Wiki oder Onlineforum (Tab. 8.15). Auf SNS angebotene Spiele sind für Jungen, Mädchen sowie junge Erwachsene kaum von Interesse. Mehr als die Hälfte der Befragten hat noch nie ein derartiges Spiel gespielt und 12,5 % geben an, weniger als einmal im Monat ein Spiel auf einer SNS zu spielen. Dabei fällt auf, dass formal niedriger Gebildete häufiger SNS-Spiele spielen als formal höher Gebildete (Tab. 8.16).44 Außerdem werden diese Spiele tendenziell eher von jungen Nutzerinnen und Nutzern gespielt; für Personen ab 18 Jahren spielen diese Angebote eine untergeordnete Rolle.45 17,8 % der 14- bis 15-Jährigen und 15,1 % der 16- bis 17-Jährigen spielen weniger als einmal im Monat während 62,1 % der Zehn- bis Elfjährigen und 51,2 % der 12- bis 13-Jährigen zumindest einmal wöchentlich spielen (Abb. 8.12).
8.4.1 Identitätsmanagement und Selbstpräsentation Im Hinblick auf die Selbstpräsentation ist es den Jungen und Mädchen bzw. jungen Männer und Frauen wichtig, sich auf der eigenen Profilseite so zu zeigen, wie man wirklich ist; über 82,5 % stimmen dieser Aussage zu. Es überrascht
43Cramer’s V = 0,277
(p = 0,000). (p = 0,000). 45Cramer’s V = 0,222 (p = 0,000). 44Cramer’s V = 0,348
384
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.15 Vergleich der Aktivitäten auf SNS und im Internet allgemein Aktivitäten Internet allgemein N = 2235/Häufigkeit in Prozent Rezeptive Internetnutzung
Produktive Internetnutzung
Nie
≥ Mehrmals pro Woche
Fotos/Videos ansehen
3,1
77,0
In Blog/Wiki/ Forum lesen
16,3
56,0
Fotos/Videos kommentieren
Nie
≥ Mehrmals pro Woche
46,7
27,5
Fotos/Videos hochladen 55,4
8,2
In Blog/Wiki Forum schreiben
56,0
15,5
Im Internet einkaufen
33,4
2,2
Im Internet verkaufen
84,4
0,9
Aktivitäten auf SNS n = 1818a/Häufigkeiten in Prozent Rezeptive Internetnutzung
Fotos ansehen
Profile ansehen aDiese
Produktive Internetnutzung
Nie
≥ Mehrmals pro Woche
2,4
80
6,7
Nie
≥ Mehrmals pro Woche
Fotos kommentieren
9,8
52,9
Fotos hochladen
19,9
11
Personen auf Fotos ver- 37,7 linken/markieren
13,1
Statusmeldungen schreiben
43,6
12,2
69,3
Fragen wurden nur jenen vorgelegt, die zumindest regelmäßig eine SNS nutzen
Tab. 8.16 Nutzung von SNS-Spielen nach formaler Bildung Nutzung von SNS-Spielen nach formaler Bildung Häufigkeiten in Prozent Formal niedrige Bildung
Formal höhere Bildung
Nie
36,9
67,2
Weniger als einmal im Monat
13,7
11,6
1–2 Mal im Monat
12,1
6,3
1–2 Mal pro Woche
18,5
6,5
(Fast) täglich
18,7
8,4
385
8.4 Nutzung von Social Network Sites 100% 90%
80% 70% 60% 50% 40% 30%
20% 10% 0%
≤ 11 nie
12-13
14-15
≤ 1 Mal im Monat
16-17
18-19
1-2 Mal im Monat
20-21
22-23
24-25
1-2 Mal pro Woche
26-27
≥ 28
(fast) täglich
Abb. 8.12 Nutzung von SNS-Spielen nach Alter (eigene Darstellung)
nicht, dass die Heranwachsenden und jungen Erwachsenen dies auch von anderen erwarten. So wünschen sich über drei Viertel der Befragten, dass sich ihre Freundinnen und Freunde auf deren SNS-Profilen authentisch darstellen. Hier lässt sich ein deutlich signifikanter Zusammenhang zwischen dem Bedürfnis der eigenen authentischen Darstellung und der Erwartung einer authentischen Darstellung bei anderen feststellen (Abb. 8.13).46 Dass die Selbstpräsentation bei der Nutzung von SNS von zentraler Bedeutung ist, zeigt des Weiteren, dass es 40,9 % wichtig und 27,4 % sogar sehr wichtig ist, auf der eigenen Profilseite einen guten Eindruck zu machen. Ziel dieser Selbstpräsentation ist es natürlich auch, dass diese von anderen wahrgenommen wird und so befürworten 56,1 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen die Aussage, dass es wichtig ist, dass die eigenen Statusmeldungen gelesen und kommentiert werden. Nichtsdestotrotz ist den Jungen und Mädchen bzw. jungen Frauen und Männern insgesamt gesehen der Anspruch auf Authentizität wichtiger, als der Wunsch, sich gut zu präsentieren bzw. dass eigene Statusmeldungen gelesen und kommentiert werden (Abb. 8.14).
46Cramer’s V = 0,603
p = 0,000).
386
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Authenzität auf SNS: Es ist mir wichg... 23.1
…dass sich andere zeigen, wie sie sind.
76.9
17.5
…mich zu zeigen, wie ich bin.
82.5
0
10
20
smme (eher) nicht zu
30
40
50
60
70
80
90
smme (eher) zu
Abb. 8.13 Authentizität auf SNS (eigene Darstellung)
Selbstpräsentaon auf SNS: Es ist mir wichg...
…dass meine Statusmeldungen gelesen und kommenert werden
43.9 56.1
… auf meinem Profil gut rüberzukommen
31.8 68.3 0
10
smme (eher) nicht zu
20
30
40
smme (eher) zu
Abb. 8.14 Selbstpräsentation auf SNS (eigene Darstellung)
50
60
70
80
387
8.4 Nutzung von Social Network Sites 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
< 11
12-13
nicht bekannt
nie
14-15
16-17
< 1. Mal/Monat
18-19
20-21
1-2 Mal/Monat
22-23
24-25
1-2 Mal/ Woche
26-27
> 28
(fast) täglich
Abb. 8.15 Profilaktualisierung nach Alter (eigene Darstellung)
Änderungen auf dem SNS-Profil nehmen 28,6 % der Befragten zumindest wöchentlich vor, 22,9 % geben an, ein bis zweimal im Monat ihr Profil zu aktualisieren und 31,7 % tun dies weniger als einmal im Monat. Hier zeigen sich besonders Unterschiede im Hinblick auf das Alter:47 Die wenigen Kinder bis 13 Jahre, die bereits ein SNS-Profil haben, nutzen dessen Möglichkeiten offensichtlich noch nicht vollkommen aus. So beträgt unter jenen, denen die Möglichkeit, Aktualisierungen an seinem SNS-Profil vornehmen zu können, nicht bekannt ist, der Anteil dieser Altersgruppe 46,7 % und unter jenen SNS-Nutzerinnen und -Nutzer, die ihr Profil nie aktualisieren, finden sich 33,1 % Jungen und Mädchen im Alter bis zu 13 Jahren. Im Gegensatz dazu ist es den 14- bis 15-Jährigen sowie den 16- bis 17-Jährigen besonders wichtig, ihr Profil regelmäßig zu aktualisieren und auf diese Weise an ihrer Selbstpräsentation zu arbeiten: 44 % der 14- bis 15-Jährigen und ein Drittel der 16- bis 17-Jährigen tun dies zumindest wöchentlich. Für junge Erwachsene ab 20 Jahren übt die Arbeit an ihrer Profilseite keinen großen Reiz mehr aus. Innerhalb dieser Altersgruppen geben jeweils über 60 % an, weniger als einmal im Monat ihr Profil zu aktualisieren (Abb. 8.15).
47Cramer’s V = 0,210
(p = 0,000).
388
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Aber nicht nur die Arbeit an der eigenen Profilseite, sondern auch der Abgleich mit anderen ist im Hinblick auf das Identitätsmanagement der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen von Bedeutung. So geben 69,3 % an, zumindest ein bis zwei Mal pro Woche die Profile anderer zu durchstöbern. Hier zeigt sich ebenfalls, dass diese Tätigkeit vor allem für Pubertierende von Bedeutung ist und junge Erwachsene eher weniger Zeit damit verbringen.48 Besonders die Gruppe der 14- bis 15-Jährigen aber auch die Gruppe der Zwölfbis 13-Jährigen verbringt viel Zeit damit, sich die Profile anderer Nutzerinnen und Nutzer anzusehen. Ungefähr die Hälfte der Zwölf- bis 13-Jährigen und nahezu 80 % der 14- bis 15-Jährigen durchstöbert zumindest einmal pro Woche die Profile von Freundinnen, Freunden und Bekannten. Fotos spielen eine wichtige Rolle in der Selbstpräsentation auf SNS. 81 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen haben ein Profilfoto, auf dem sie klar erkennbar sind. Zudem haben 60 % der Befragten bis zu fünfzig Bilder auf der am häufigsten genutzten SNS gespeichert. Um die 14 % geben an, zwischen 51 und 100 Bilder hochgeladen zu haben, ebenso viele haben mehr als 100 Bilder auf ihrem SNS-Profil veröffentlicht. Allerdings hat sich auch die gleiche Anzahl dazu entschieden, gar keine Bilder hochzuladen. Hierbei äußern sich keine Unterschiede hinsichtlich, des Alters, des Geschlechts oder der formalen Bildung der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen (Tab. 8.17). Ein Großteil (83 %) gibt an, dass die abgebildeten Personen auf den hochgeladenen Fotos in der Regel klar zu erkennen sind und fast 60 % macht diese Fotos auch allen Kontakten zugänglich. Lediglich 15,5 % zeigen ihre Fotos nur ausgewählten Kontakten. Hier fällt auf, dass nur die Hälfte der zehn- bis elfjährigen SNS-Nutzerinnen und -Nutzer Fotos hochgeladen hat, auf denen sie selbst oder andere abgebildete Personen klar zu erkennen sind. Ab einem Alter von zwölf Jahren sind dies bereits 68 % und bis zur Altersgruppe der 16- bis 17-Jährigen, die zu 91,4 % Fotos hochgeladen haben, auf denen die abgebildeten Personen klar zu erkennen sind, steigt dieser Prozentsatz kontinuierlich an und pendelt sich bei den jungen Erwachsenen zwischen 80 % und 90 % ein (Abb. 8.16).49 Des Weiteren zeigt sich, dass männliche Heranwachsende und junge Männer hochgeladene Fotos eher allen oder allen Kontakten zugänglich machen, während Frauen diese häufiger nur ausgewählten Kontakten zugänglich machen.50 Überdies
48Cramer’s V = 0,215
(p = 0,000). (p = 0,000) für hochgeladene Fotos auf denen man klar erkennbar ist. 50Cramer’s V = 0,206 (p = 0,000). 49Cramer’s V = 0,284
8.4 Nutzung von Social Network Sites
389
Tab. 8.17 Umgang mit Bildern auf SNS Umgang mit Fotos auf SNSb Häufigkeiten in Prozent, gerundet Anzahl der Fotosa
Keine
Bis 50
51–100
101–200
201–300
Mehr als 300
14
60
14
7
3
2
Ja
Nein
81
19
Ja
Nein
83
17
Person auf Profilbild erkennbar Abgebildete Personen auf Fotos klar erkennbar aBezieht
sich auf die am meisten genutzte SNS bIn der quantitativen Erhebung wurden weitere Details zu den Inhalten der auf SNS veröffentlichten Fotos abgefragt. Diese Informationen sind in erster Line für Teilstudie B zu den „Konzepten von Privatheit und Öffentlichkeit im Social Web“ relevant, weniger jedoch für die hier vorgestellte Teilstudie A zu den „Fähigkeiten, Fertigkeiten und individuellen Handlungsstrategien mit dem Social Web“. Sie werden daher im Folgenden nicht näher behandelt 100 90 80 70 60 50 40
30 20 10 0
≤ 11
12-13
14-15
16-17
18-19
20-21
22-23
24-25
26-27
≥ 28
Abb. 8.16 Hochgeladene Fotos auf SNS, auf denen man klar erkennbar ist (nach Alter, eigene Darstellung)
390
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.18 Tätigkeiten in Bezug auf Fotos (SNS) Tätigkeiten in Bezug auf Fotos (SNS) Häufigkeiten in Prozent, gerundet Nie
Weniger als ein- 1–2 Mal im mal im Monat Monat
1–2 Mal pro Woche
Jeden/fast jeden Tag
Ansehen
3
5
12
31
49
Hochladen
21
40
28
8
3
Kommentieren 11
13
23
34
19
Verlinken
25
22
9
4
40
schränken WenignutzerInnen im Gegensatz zu den IntensivnutzerInnen die Sichtbarkeit hochgeladener Fotos eher ein.51 Im Hinblick auf die formale Bildung der Befragten lassen sich keine Besonderheiten identifizieren. Darüber hinaus ist festzustellen, dass zwar gerne Fotos anderer betrachtet, jedoch vergleichsweise selten eigene Fotos hochgeladen werden. 80 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen sehen sich zumindest ein bis zwei Mal pro Woche Fotos von anderen an und ein Drittel kommentiert auch ein bis zwei Mal pro Woche Fotos auf anderen Profilen. Jedoch laden nur 28 % der Befragten ein bis zweimal im Monat ein eigenes Foto hoch, 40 % tun dies weniger als einmal im Monat und 21 % geben an, noch nie ein Foto auf ihrem Profil veröffentlicht zu haben. Wenn neue Fotos hochgeladen werden, werden offensichtlich zugleich Verlinkungen vorgenommen, denn nahezu gleich viele Befragte geben an, ein bis zwei Mal im Monat Fotos zu veröffentlichen (28 %) sowie diese zu verlinken (22 %) (Tab. 8.18). Neben Fotos sind auch Statusmeldungen und Pinnwandeinträge ein wichtiges Instrument der Selbstpräsentation auf SNS. 12,9 % der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen schreibt täglich oder fast jeden Tag Statusmeldungen oder hinterlässt anderen Nachrichten auf deren Pinnwand; zwei Drittel tun dies zumindest ein bis zweimal im Monat. Sowohl im Hinblick auf die Selbstpräsentation als auch das Beziehungsmanagement zeigt sich auch ein Unterschied, zwischen den Intensivnutzerinnen und -Nutzern und jenen, die sich seltener im Internet aufhalten. Personen, die zumindest fast jeden Tag online sind, haben mehr Kontakte auf SNS52 und
51Cramer’s V = 0,243 52Cramer’s V = 0,285
(P = 0,000). (p = 0,000).
391
8.4 Nutzung von Social Network Sites Tab. 8.19 Häufigkeit von Chatten und Schreiben von Privatnachrichten auf SNS Häufigkeit von Chatten und Schreiben von Privatnachrichten auf SNS Häufigkeiten in Prozent, gerundet Nie
Weniger als ein- 1–2 Mal im mal im Monat Monat
1–2 Mal pro Woche
Jeden/fast jeden Tag
Privatnachrichten schreiben
6
8
15
36
35
Chatten
7
7
10
25
51
mehr Fotos hochgeladen.53 Außerdem aktualisieren diese Heranwachsenden und jungen Erwachsenen häufiger ihr Profil,54 schreiben häufiger Statusmeldungen und Pinnwandeinträge,55 durchstöbern häufiger Profile anderer56 und kommunizieren auch häufiger über Privatnachrichten57 und Chat.58
8.4.2 Beziehungsmanagement SNS werden von Heranwachsenden aber nicht nur zur Selbstpräsentation und zum Identitätsmanagement, sondern ebenso intensiv zum Beziehungsmanagement und Austausch mit Freundinnen und Freunden genutzt. Zwar nicht auf den ersten Blick nach außen hin sichtbar, aber dennoch von großer Bedeutung sind diesbezüglich Privatnachrichten. 35 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen tauscht sich jeden oder fast jeden Tag über private Nachrichten aus und 25 % schreiben immerhin ein bis zwei Mal pro Woche auf diesem Weg ihren Freundinnen und Freunden. Die beliebteste Kommunikationsform ist allerdings das Chatten: Die Hälfte der Jungen, Mädchen und jungen Erwachsenen chattet täglich oder fast täglich mit ihren Freundinnen und Freunden (Tab. 8.19). Hier lassen sich Unterschiede in Hinblick auf das Alter feststellen: 59 Mit Ausnahme jener, die älter als 26 Jahre alt sind, chatten alle Befragten regelmäßig. 53Cramer’s V = 0,285
(p = 0,000). (p = 0,000). 55Cramer’s V = 0,329 (p = 0,000). 56Cramer’s V = 0,434 (p = 0,000). 57Cramer’s V = 0,377 (p = 0,000). 58Cramer’s V = 0,268 (p = 0,000). 59Cramer’s V = 0,213 (p = 0,000). 54Cramer’s V = 0,314
392
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Bis zum Alter von 14 Jahren steigt die Häufigkeit des Chattens stetig an, aber ab einem Alter von 15 Jahren wird mit zunehmendem Alter wieder weniger häufig gechattet. Besonders wichtig ist diese Kommunikationsform für die Gruppe der 14- bis 15-Jährigen: 91,8 % dieser Altersgruppe unterhalten sich mindestens einmal pro Woche über eine SNS. Darüber hinaus zeigt sich, dass formal höher Gebildete tendenziell seltener den Chat nutzen als formal niedriger Gebildete. Daher ist es formal niedriger gebildeten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen auch signifikant wichtiger, dass andere sehen, wenn sie im Chat online sind (siehe Abschn. 8.4.3, Tab. 8.24).60 Bei näherer Betrachtung des Austauschs mit engen Freunden, mit persönlichen Bekannten sowie mit Personen, die man nur aus dem Internet kennt, zeigen sich keine großen Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunikationswegen: Egal mit wem man sich unterhält, werden Privatnachrichten (mit engen Freunden 25 %; mit persönlichen Bekannten 26 %; mit Internetbekanntschaften 17 %) und Chatnachrichten (mit engen Freunden 25 %; mit persönlichen Bekannten 39 %; mit Internetbekanntschaften 34 %) am häufigsten genutzt. Andere Kommunikationsmöglichkeiten wie Instant Messaging, Internettelefonie oder E-Mails spielen diesbezüglich eine untergeordnete Rolle. Im Hinblick auf den Kontakt mit Personen, die man nur aus dem Internet kennt, geben aber auch fast ein Drittel der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen an, dass sie sich generell nicht mit Unbekannten austauschen würden. Wenn Jungen und Mädchen bzw. junge Frauen und Männer allerdings über das Internet kommunizieren, so wird zumeist über Allgemeines geplaudert. Zur Besprechung von Problemen wird eher ein persönlicher Weg gewählt: 57,4 % der Befragten geben an, Probleme generell nicht über das Internet zu diskutieren und 41 % tauschen sich, wenn Schwierigkeiten zu besprechen sind, ausschließlich mit Freundinnen und Freunden aus dem realen Leben über das Internet aus. Nur 1,7 % vertrauen sich in solchen Situationen auch Bekannten an, die sie vorrangig aus dem Internet kennen. Im Austausch mit engen Freunden lassen sich allerdings altersspezifische Unterschiede erkennen61: Die Jüngsten nutzen das Internet noch seltener zur Kommunikation mit engen Freundinnen und Freunden und nehmen eher auf andere Weise Kontakt zu ihrem Freundeskreis auf. So geben 24,5 % der Zehn- bis Elfjährigen bzw. 14,7 % der Zwölf- bis 13-Jährigen an, sich überhaupt nicht mit engen Freunden über das Internet auszutauschen (Abb. 8.17).
60Cramer’s V = 0,293 61Cramer’s V = 0,213
(p = 0,000). (p = 0,000).
393
8.4 Nutzung von Social Network Sites 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Interneelefonie
10-11 12-13 14-15 16-17 18-19 20-21 22-23 24-25 26-27 28-30 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 6.4% 9.0% 9.6% 3.3% 5.9% 5.0% 8.2% 7.6% 12.0% 3.3%
Instant Messaging
5.3%
Chat
22.3% 38.9% 51.4% 56.5% 33.7% 18.1% 19.2% 8.3%
9.6%
2.2%
Pinnwandeinträge
2.1%
1.2%
1.1%
3.8% 1.9%
3.0% 0.4%
4.8% 0.0%
7.0% 1.5%
9.4% 14.4% 12.9% 15.7% 18.5% 1.3%
3.4%
1.5%
Privatnachrichten
5.3% 12.5% 20.8% 22.9% 33.3% 41.9% 41.1% 34.1% 25.3% 20.7%
E-Mail
34.0% 19.3% 8.8%
nicht über Internet 24.5% 14.7% 6.0%
7.0% 14.7% 20.0% 9.6% 31.8% 32.5% 48.9% 5.5%
4.0%
4.4%
4.1%
3.8%
3.6%
5.4%
Abb. 8.17 Kommunikation mit engen Freunden im Internet (eigene Darstellung)
Bei jungen Erwachsenen ab 24 Jahren ist die E-Mail-Kommunikation besonders beliebt. Es fällt aber auf, dass auch 34 % der Kinder unter elf Jahren angeben, sich mit engen Freunden am häufigsten über E-Mail auszutauschen. Dies könnte eventuell damit zusammenhängen, dass es in einigen Familien gemeinsame E-Mail-Adressen gibt, die auch von den Kindern genutzt werden dürfen, oder dass jüngere Kinder das Internet eher unter Aufsicht Erwachsener nutzen. Dies legt die Vermutung nahe, dass Kinder in der ersten Zeit ihrer Internetnutzung wahrscheinlich noch das Verhalten ihrer Eltern nachahmen und erst später andere Kommunikationskanäle im Internet entdecken. Privatnachrichten werden vor allem von der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen genutzt, um sich mit engen Freunden auszutauschen, und das Chatten ist die Domäne der Zwölf- bis 19-Jährigen, während Instant Messaging wiederum am häufigsten ab einem Alter von 22 Jahren genutzt wird. Selten erfolgt der Austausch über Internettelefonie; am ehesten tun dies die 26- bis 27-Jährigen. Die Gründung von offenen und geschlossenen Gruppen sowie die Erstellung von Veranstaltungseinladungen, sind ebenfalls Formen des Beziehungsmanagements; für Heranwachsende und junge Erwachsene spielen sie allerdings
394
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.20 Nutzung von Gruppen, Fan-Seiten und Veranstaltungseinladungen Nutzung von Gruppen, Fan-Seiten und Veranstaltungseinladungen Häufigkeiten in Prozent Gruppe/Fan-Seite beitreten
Gruppe/Fan-Seite gründen
Veranstaltungseinladung erstellen
Nie
21,4
75,2
57,8
weniger als einmal Monat
43,5
18,3
26,7
1–2 Mal im Monat
22,8
2,9
9,7
Zumindest einmal pro 10,9 Woche
2,1
4,9
eine untergeordnete Rolle. Über drei Viertel haben noch nie selbst eine Gruppe gegründet oder eine Fan-Seite erstellt aber auch einer Gruppe beizutreten ist offensichtlich wenig interessant. 43,5 % geben an, seltener als einmal im Monat einer Gruppe beizutreten. Noch seltener wird die Funktion der Veranstaltungseinladung genutzt: 57,8 % der Befragten haben noch nie eine Einladung erstellt (Tab. 8.20). Jungen und Mädchen bzw. junge Männer und Frauen unterscheiden sich nicht in ihrer Bereitschaft einer Gruppe beizutreten, jedoch gründen männliche Befragte tendenziell häufiger eine Gruppe oder erstellen eine Fan-Seite als weibliche Befragte.62 Außerdem treten formal niedriger Gebildete eher einer Gruppe bei als formal höher Gebildete.63
8.4.3 Privatsphäremanagement und Einstellungen zu SNS Da SNS von Heranwachsenden und jungen Erwachsenen intensiv zum Beziehungsmanagement genutzt werden und eine Bühne zur Selbstpräsentation und Selbstauseinandersetzung bieten, werden diese selten anonym genutzt. 79,3 % der Befragten verwenden den richtigen Vor- und Nachnamen, wenige sind nur mit dem Vornamen (8,7 %), einem Spitznamen (8,3 %) oder einem Fake-Namen (3,7 %) angemeldet und 85,5 % haben den tatsächlichen Geburtstag
62Cramer’s V = 0,201 63Cramer’s V = 0,205
(p = 0,000). (p = 0,000).
8.4 Nutzung von Social Network Sites
395
angegeben. 53,9 % haben den Geburtstag für alle Kontakte sichtbar eingestellt, lediglich 10,8 % machen diese Information nur ausgewählten Kontakte zugänglich und 3,2 % verbergen den Geburtstag gänzlich vor anderen SNS-Nutzerinnen und -Nutzern. Der Arbeitsplatz und die Schule werden von 71,8 % der Befragten angegeben und 45,3 % machen dies auch für alle Kontakte sichtbar. Vorsichtiger gehen Jungen, Mädchen und junge Erwachsenen mit der Bekanntgabe ihres Wohnorts um. Nur mehr die Hälfte hat auch diese Information angegeben und 31,4 % macht sie für alle Kontakte sichtbar. Die volle Anschrift geben nur 8,7 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen an. Ebenso nutzen nur 14,9 % der Befragten die Möglichkeit, den Ort anzugeben, an dem sie sich gerade befinden (Tab. 8.21). Während etwas mehr als die Hälfte der Befragten ihre E-Mail-Adresse angeben, veröffentlichen nur einzelne ihre Festnetznummer (2,6 %) bzw. Handynummer (5,2 %). Persönliche Vorlieben haben nur etwa die Hälfte der Befragten angegeben. 61,9 % sind unterschiedlichen Gruppen beigetreten; diese Information ist zumeist für alle Kontakte sichtbar (43 %). Hier fällt auf, dass die meisten Heranwachsenden und Erwachsenen die Strategie verfolgen, die von Tab. 8.21 Sichtbarkeit von Profilinformationen Sichtbarkeit von Profilinformationen Häufigkeiten in Prozent
Geburtstag
Angegeben
Sichtbar für Alle
Alle Kontakte
Ausgewählte Kontakte
Nicht sichtbar
85,5
16,6
53,9
10,8
3,2
Arbeit/Schule 71,8
17,0
45,3
7,8
0,5
Gruppen
61,9
8,8
43,0
7,1
2,1
E-MailAdresse
57,6
7,3
31,4
7,5
10,3
Wohnort
50,2
9,9
31,7
6,8
1,1
Beziehung
49,0
8,5
32,4
6,1
1,1
Vorlieben
45,4
7,1
30,5
6,6
0,8
Aktueller Ort 14,9
2,2
9,4
2,4
0,5
Anschrift
2,8
3,8
1,2
0,6
8,7
Handynummer 5,2
0,9
1,7
0,9
1,7
Telefonnummer
0,5
0,9
0,3
0,8
2,6
396
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
ihnen angegebenen Informationen all ihren Kontakten zugänglich zu machen und kaum mehr zwischen einzelnen Gruppen von Kontakten differenzieren. Dies widerspricht ein wenig dem Ergebnis, dass 39,5 % der Befragten betonen, ihre Kontakte gruppiert und mit unterschiedlichen Rechten versehen zu haben.; zugleich erachten dies 43,3 % als unwichtig und 17,2 % wissen nicht, wie man differenzierte Privatsphäreeinstellungen vornimmt. Diese Widersprüche zeigen sich ebenso in der qualitativen Erhebung und werden daher in den Abschn. 8.6 und 8.7 nochmals aufgegriffen und diskutiert. Wichtiger als die Sichtbarkeit angegebener Daten ist für Heranwachsende und junge Erwachsene die Frage, wer Nachrichten lesen oder Kommentare auf Profilseiten veröffentlichen kann. Hier geben 76,7 % an, genau festgelegt zu haben, welchen Kontakten dies erlaubt ist und nur 15,8 % erachten das als nicht notwendig. Außerdem geben nur 6 % an nicht zu wissen, wie man diesbezüglich unterschiedliche Berechtigungen einsetzt. Signifikante soziodemografische Unterschiede zeigen sich hier nicht. Da ein gründliches Privatsphäremanagement de facto nur möglich ist, wenn die Kontakte vorab gruppiert werden, wurden auch nur jene Heranwachsenden und jungen Erwachsenen, die angaben, entsprechende Einteilungen vorgenommen zu haben, detaillierter nach ihren Privatsphäreeinstellungen befragt (n = 643). Die meisten davon (91,3 %) haben vorab eingestellt, wer ihre Statusmeldungen lesen kann. Ähnlich wie in Bezug auf das Lesen von Statusmeldungen haben 85,6 % jener, die ihre Kontakte gruppiert haben, eingestellt, wer auf die Pinnwand schreiben darf. Auch Fotoalben werden nicht allen zugänglich gemacht; 95,5 % geben an, diesbezüglich entsprechende Einstellungen vorgenommen zu haben (Tab. 8.22). Tab. 8.22 Privatsphäremanagement bei gruppierten Kontakten Privatsphäremanagement bei gruppierten Kontakten n = 643/Häufigkeiten in Prozent gerundet Vorab Berechtigung für Bei jeder Veröffentlichung wird eingestellt, Kontakte eingestellt wer diese sehen darf Nein
Nicht immer
Immer
Status8,7 meldungen lesen
Nein
91,3
Ja Statusmeldung
29,7
41,1
29,2
Auf Pinnwand schreiben
14,4
85,6
Fotoalbum
26,5
30,9
42,6
Fotoalben ansehen
4,5
95,5
8.4 Nutzung von Social Network Sites
397
Ein Großteil jener Befragten, die ihre Kontakte gruppiert haben, weiß darüber Bescheid, dass man bei jeder neuen Veröffentlichung extra Privatsphäreeinstellungen vornehmen kann. Entsprechend wird diese Möglichkeit von einem Großteil dieser Heranwachsenden und jungen Erwachsenen genutzt: 91,3 % haben vorab eingestellt, wer ihre Statusmeldungen lesen darf, 85,6 % haben differenzierte Schreibberechtigungen für ihre Pinnwand eingestellt und 95,5 % gestattet nur ausgewählten Kontakten einen Zugang zu ihren Fotoalben. Zum Teil werden auch bei jeder einzelnen Veröffentlichung Privatsphäreeinstellungen gesetzt. Dies trifft vor allem auf die Veröffentlichung von Fotoalben zu, denn 42,6 % setzen bei jedem neu publizierten Album spezifische Privatsphäreeinstellungen. Bei Statusmeldungen tun dies nur 29,2 %. Während die Gruppe jener, die ihre Kontakte gruppiert und mit unterschiedlichen Rechten versehen haben (n = 643) bereits als sensibel in ihrem Privatsphäremanagement eingestuft werden kann, so können jene, die nicht nur ihre Kontakte gruppieren und mit unterschiedlichen Rechten versehen haben, sondern zusätzlich bei jeder Veröffentlichung genau überprüfen und einstellen, wer die entsprechenden Informationen sehen darf, als extrem sensibel betrachtet werden. Die Gruppe der extrem Sensiblen (n = 266) ist relativ klein und unterscheidet sich nicht signifikant von der Gesamtstichprobe. Tendenziell sind in dieser Gruppe aber eher weibliche, formal höher gebildete, in einem städtischen Umfeld wohnende Personen sowie Intensivnutzerinnen und -nutzer zu finden (Tab. 8.23). Alle SNS-Nutzerinnen und SNS-Nutzer (n = 1818) wurden nach ihren Einstellungen zu Social Network Sites befragt. Hier zeigen sich zum Teil Unterschiede Tab. 8.23 Tendenzen hinsichtlich der Gruppe der extrem sensiblen SNS-NutzerInnen Tendenzen hinsichtlich der Gruppe der extrem sensiblen SNS-NutzerInnen Häufigkeiten in Prozent Merkmal
In extrem sensible SNS-NutzerInnen (n = 266)
In Gesamtstichprobe (N = 2491)
Geschlecht
Weiblich
63,5
Männlich
30,5
36,5
Formale Bildung
Hoch
71,8
61,2
Niedrig
27,1
37,3
Wohnort
Land
48,5
55,8
Nutzungsintensität
69,5
Stadt
27,1
23,4
Großstadt
24,4
20,7
Wenig
6,4
16
Intensiv
93,6
84
398
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
Tab. 8.24 Sichtbarkeit auf SNS nach Bildung Sichtbarkeit auf SNS nach Bildung Häufigkeiten in Prozent, gerundet Es ist mir wichtig, dass man im Chat sieht, wenn ich online bin
Formal höhere Bildung
Formal niedrige Bildung
Stimme (Eher) zu
Stimme (Eher) nicht zu
Stimme (Eher) zu
Stimme (Eher nicht zu
36
64
68
32
hinsichtlich der formalen Bildung und des Alters der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen. So stimmt zwar über die Hälfte der Befragten der Aussage „Es ist mir wichtig, dass man im Chat sieht, wenn ich online bin.“ eher nicht zu, allerdings ist es formal niedriger Gebildeten wesentlich wichtiger, sich zu zeigen als formal höher Gebildeten.64 68 % der formal niedriger Gebildeten stimmt der oben zitierten Aussage zumindest eher zu, während dies nur auf 36 % der formal höher gebildeten Jungen, Mädchen und jungen Erwachsenen zutrifft (Tab. 8.24). Im Hinblick auf die Bedeutung der Kontakte zeigt sich das Alter als wichtiger Einflussfaktor.65 Während die Anzahl der Kontakte ab einem Alter von 18 Jahren für über 70 % keine Bedeutung hat, ist sie für 44 % der Zehn- bis Elfjährigen zumindest eher wichtig. Ebenso zeigt sich, dass die Anzahl der Kontakte auf dem SNS-Profil formal niedriger gebildeten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen (29,9 % stufen dies als zumindest eher wichtig ein) signifikant wichtiger ist, als formal höher gebildeten Befragten (10,1 % betrachten dies als zumindest eher wichtig).66 Unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildung empfinden es aber nur 11,6 % der SNS-Nutzerinnen und -nutzer als Beleidigung, wenn man aus einer Kontaktliste entfernt wird. Die Ablehnung einer Kontaktanfrage fasst allerdings circa die Hälfte der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen als Beleidigung auf. Ebenfalls unabhängig von soziodemografischen Merkmalen geben 90,5 % der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen an, dass es ihnen nicht wichtig ist, dass man sieht was sie gerade machen. Zugleich ist es 62,4 % der SNS-Nutzerinnen und -Nutzer unwichtig zu sehen, was ihre Freundinnen und Freunde gerade machen. Außerdem ist es 77,1 % nicht wichtig, dass andere sehen, dass man in einer Beziehung ist, obwohl die Hälfte der Befragten ihren Beziehungsstatus angegeben hat (Abb. 8.18).
64Cramer’s V = 0,293
(p = 0,000). 0,259 (p = 0,000). 66Cramer’s V = 0,201 (p = 0,000). 65Cramer’s V
8.4 Nutzung von Social Network Sites
399
"Es ist mir wichg, dass andere sehen..." 100
90
90.5 77.1
80 70
62.4
60
50
37.5
40 30 20 10 0
22.8 9.5
was ich gerade mache
was Freunde ger. machen
smme (eher) nicht zu
Beziehung
smme (eher) zu
Abb. 8.18 Bedeutung der Teilhabe an anderen (eigene Darstellung) Tab. 8.25 Peinliche Veröffentlichungen auf SNS Peinliche Veröffentlichungen auf SNS Häufigkeiten in Prozent, gerundet Keine Pinnwandeinträge, Statusmeldungen, Kommentare Fotos
Einzelne
Einige/viele
Selbst erstellt
76
18
6
Von anderen erstellt
52
29
19
Selbst hochgeladen
81
15
4
Andere hochgeladen
55
35
10
Nur selten bereuen die befragten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ihr Verhalten auf SNS. Über drei Viertel geben an, dass sie noch nie einen Pinnwandeintrag oder einen Kommentar verfasst haben, der ihnen nachträglich peinlich war. Der Hälfte der Befragten sind auch die Pinnwandeinträge oder Kommentare, die andere auf deren Profil hinterlassen, nicht peinlich. Allerdings geben 29 % an, dass ihnen zumindest einzelne Einträge peinlich sind und 19 % berichten sogar von einigen bis vielen Einträgen anderer, die sie als peinlich empfinden (Tab. 8.25).
400
8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
33.30% 30.60%
30.20% 25.80% 21.30%
19.90% 15.20% 10.30%
9.60%
6.60%
≤ 11
Dez.13
14-15
16-17
18-19
20-21
22-23
24-25
26-27
≥ 28
Abb. 8.19 Generelles stören an hochgeladenen Fotos (eigene Darstellung)
In Bezug auf Fotos zeigt sich ein ähnliches Bild: 81 % haben bislang keine Fotos hochgeladen, die ihnen im Nachhinein zu privat oder zu peinlich erschienen. Allerdings geben 35 % der Jungen, Mädchen und jungen Erwachsenen an, dass einzelne peinliche Fotos auf SNS existieren, die von anderen hochgeladen wurden und 10 % berichten darüber, dass einige bzw. viele unangenehmer Fotos von anderen hochgeladen wurden (Abb. 8.19). Unterschiede hinsichtlich des Alters lassen sich dahin gehend feststellen, dass es jüngere Heranwachsende und Personen über zwanzig Jahre häufiger generell stört, wenn andere Fotos von ihnen hochladen.67 Ein Drittel der Kinder unter elf Jahren, die bereits ein SNS-Profil haben, und nahezu ebenso viele der jungen Erwachsenen ab 24 Jahren mögen es nicht, wenn andere Fotos von ihnen veröffentlichen. Unter den 14- bis 19-Jährigen finden sich hingegen nur wenige, die sich generell an der Veröffentlichung von Fotos stören.
67Cramer’s V = 0,201
(p = 0,000).
8.5 Zwischenfazit der quantitativen Erhebung …
401
8.5 Zwischenfazit der quantitativen Erhebung: Besonderheiten und Auffälligkeiten Es zeigt sich, dass Heranwachsende und junge Erwachsene Medien vor allem zur Entspannung und Unterhaltung, zur Information und zum Beziehungsmanagement nutzen. Zur Entspannung und Unterhaltung dienen Bücher, das Fernsehen, das Radio sowie Computer- und Konsolenspiele. Bücher werden zum Teil auch zur Information über private oder schulische bzw. berufliche Themen genutzt und das Handy bzw. Smartphone dient der Kommunikation mit Freundinnen und Freunden. Zum Zeitpunkt der Erhebung der quantitativen Daten geschieht dies häufig über SMS. Für die aktuelle Situation, in der Smartphones eine noch größere Verbreitung unter Heranwachsenden und jungen Erwachsenen haben und (zumindest für Österreich) viele Angebote günstiger Internet Flatrates für Smartphones existieren, kann davon ausgegangen werden, dass das Schreiben von SMS durch Nachrichten über WhatsApp oder ähnliche Apps, die der Kommunikation dienen, abgelöst wurde. Dies ändert allerdings nichts an der Bedeutung des Handys bzw. Smartphones für den Austausch mit Freundinnen und Freunden, da das Internet zunehmend zur Kommunikation über mobile Geräte genutzt wird. Das Internet hat für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unterschiedliche Funktionen und dient neben der Kommunikation ebenso der Information und der Unterhaltung. Viele Heranwachsende nutzen fast täglich das Internet und sind dabei durchschnittlich zwischen 30 und 60 min online. Heranwachsende und junge Erwachsene verhalten sich in ihrem gesamten Medienumgang eher rezeptiv. Im Internet werden wesentlich häufiger Fotos und Videos angesehen bzw. wird häufiger in Blogs, Wikis oder Foren gelesen als aktiv Inhalte geschrieben, kommentiert oder hochgeladen werden. Auch Leserbriefe an Zeitungen sowie Rundfunkanstalten werden kaum als Mittel der Partizipation genutzt. Ebenso beteiligen sich Jungen, Mädchen und junge Erwachsene selten über SMS, Email, Anruf oder Internet-Voting an einer Radiosendung oder einer Fernsehsendung. Außerdem nutzen sie kaum Community Media, um eigene Radio- oder Fernsehsendungen zu produzieren. Auch Online-Petitionen werden von Kindern und Jugendlichen häufig ignoriert; junge Erwachsene hingegen unterzeichnen diese häufiger. Es fällt allerdings auf, dass Heranwachsende und junge Erwachsene auf SNS wesentlich produktiver sind als im Internet allgemein. Dort werden deutlich mehr Fotos hochgeladen, angesehen und kommentiert und es wird häufiger in Form von Statusmeldungen etwas im Internet geschrieben als vergleichsweise dazu in Blogs, Wikis oder Onlineforen. In der Datenauswertung wurde zwischen Intensivnutzerinnen bzw. -nutzern, die das Internet täglich oder fast jeden Tag nutzen, und Wenignutzerinnen bzw.
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8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
-nutzern, die weniger häufig online sind, unterschieden. Hier fällt besonders auf, dass zwei Drittel der Intensivnutzerinnen und Intensivnutzer über eine formal höhere Bildung verfügen. Heranwachsende und junge Erwachsene, die das Internet intensiv nutzen, schätzen ihr Wissen über das Internet sowie ihre technischen Fertigkeiten deutlich höher ein, als Wenignutzerinnen bzw. -nutzer und räumen dem Internet auch häufiger Chancen ein. Bei technischen Problemen versuchen Intensivnutzerinnen und-nutzer eher eine eigene Lösung zu finden oder recherchieren in Internetforen, während Wenignutzerinnen bzw. Wenignutzer sich mehrheitlich an eine andere Person wenden, die sich auskennt. Intensivnutzerinnen und -nutzer genießen auch ein größeres Vertrauen ihrer Eltern im Umgang mit dem Internet und werden weniger häufig kontrolliert als jene, die seltener online sind. Sie haben auch häufiger ein SNS-Profil und dort mehr Kontakte und mehr hochgeladene Fotos als Wenignutzerinnen und Wenignutzer. Darüber hinaus machen sie ihre hochgeladenen Fotos zumeist all ihren Kontakten zugänglich, während Wenignutzerinnen bzw. -nutzer eher dazu tendieren, ihre Fotos nur für eingeschränkte Kontakte sichtbar zu machen. Zugleich finden sich unter den extrem sensiblen SNS-Nutzerinnen bzw. nutzern, die nicht nur ihre Kontakte gruppiert und vorab eingestellt haben, wer Fotos, Statusmeldungen usw. sehen kann, sondern auch bei jeder neuen Veröffentlichung genau überprüfen bzw. einstellen, wer die entsprechende Information sehen darf, mehr Intensivnutzerinnen bzw. -nutzer als Wenignutzerinnen bzw. -nutzer. Intensivnutzerinnen und Intensivnutzer aktualisieren häufiger ihr Profil und sehen sich öfter die Profile anderer an, sie schreiben auch mehr Statusmeldungen und Pinnwandeinträge und kommunizieren häufiger über Chat oder Privatnachrichten. Bei Intensivnutzerinnen bzw. -nutzern scheinen sich also Chancen und Risiken die Waage zu halten: Sie zeigen sich reflektiert und selbstsicher und scheinen die potentiellen Chancen des Internets stärker zu nutzen, zugleich äußern sie ein potentiell risikoreicheres Verhalten, indem sie mehr Informationen von sich veröffentlichen und diese einem größeren Personenkreis zugänglich machen als Wenignutzerinnen und Wenignutzer.
8.5.1 Altersspezifische Unterschiede Sowohl die Dauer der Internetnutzung als auch die Nutzungsfrequenz nehmen ab einem Alter von zwölf Jahren deutlich zu; jüngere Heranwachsende nutzen das Internet seltener und sind auch weniger lange online. Jungen und Mädchen bis zu einem Alter von 13 Jahren werden zumeist in ihrer Internetnutzung von den Eltern kontrolliert, aber auch unter den 14- bis 15-Jährigen finden sich einige, deren Eltern die Internetnutzung überprüfen.
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Des Weiteren fällt auf, dass Jungen und Mädchen bis zu einem Alter von 13 Jahren ebenso wie junge Entwachsene ab 24 Jahren Emails häufig zur Kommunikation mit Freundinnen und Freunden nutzen, während die dazwischenliegenden Altersgruppen dafür andere Kommunikationswege bevorzugen. Aus mediensoziologischer Perspektive lässt sich vermuten, dass diese ähnlichen Nutzungsweisen zwischen Kindern und Erwachsenen darauf zurückzuführen sind, dass Jungen und Mädchen ihre ersten Interneterfahrungen gemeinsam mit Erwachsenen bzw. unter Anleitung ihrer Eltern sammeln. Je älter sie werden und je mehr Erfahrungen sie mit dem Internet sammeln, desto selbstbestimmter und eigenständiger werden auch ihre Nutzungsweisen. Im Hinblick auf das Beziehungsmanagement ist außerdem anzunehmen, dass im Kontext der Entwicklung eigener Nutzungsweisen die Peergroup mit zunehmendem Alter eine größere Bedeutung erlangt und sich Heranwachsende verstärkt über jene Kommunikationswege austauschen, die auch von ihren Freundinnen und Freunden genutzt werden. In Bezug auf Wikis bzw. im Besonderen auf Wikipedia zeigt sich, dass Heranwachsende bis zu einem Alter von 17 Jahren diese vorrangig zur Recherche nach schulischen bzw. beruflichen Informationen nutzen. Ab diesem Alter fällt die schulische bzw. berufliche Nutzung sukzessive ab, während die private Nutzung in den Vordergrund tritt. Ab dem Alter von 21 bis 22 Jahren, werden Wikis in erster Linie für private Interessen genutzt. Offensichtlich ist Wikipedia ein beliebtes Nachschlagwerk für schulische Aufgaben (z. B. Hausaufgaben, Vorbereitungen für Referate etc.) und wird bereits von jungen Schülerinnen und Schülern häufig genutzt. Nach Abschluss der Schule verliert diese Onlineenzyklopädie an Bedeutung und wird nur mehr als schnelles Nachschlagewerk für private Interessen genutzt; für berufliche Belange oder das Studium werden dann andere Informationsquellen herangezogen. Dass Heranwachsende mit zunehmendem Alter häufiger etwas im Internet einkaufen bzw. dies unter jungen Erwachsenen am häufigsten vorkommt, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass erst ältere Heranwachsende und junge Erwachsene eigenes Geld zur Verfügung haben bzw. bis 14 Jahre auch rechtlich nur beschränkt geschäftsfähig sind, d. h. nur kleine Geschäfte des alltäglichen Lebens (z. B. Süßigkeiten) abschließen dürfen, wenn auch dies im Internet leicht umgangen werden kann. In der Beurteilung des Internets zeigt sich, dass junge Erwachsene und ältere Jugendliche ab 16 Jahren besonders davon überzeugt sind, dass das Internet Chancen bietet; Kinder bis zu einem Alter von elf Jahren sind hier eher skeptisch und nur etwa die Hälfte ist davon überzeugt, dass das Internet Chancen bietet. Allerdings steigt die positive Bewertung des Internets mit zunehmendem Alter
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8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
sehr stark an. Ein Erklärungsansatz dafür findet sich darin, dass Heranwachsende im Zuge ihrer Mediensozialisation Medienschemata entwickeln, die ihnen den Umgang mit sowie die Einschätzung von Medien und Medieninhalten ermöglichen. Diese Medienschemata helfen Kindern sowohl gewohnte, als auch neue Situationen und Wahrnehmungen in Bezug auf Medien zu strukturieren und zu verarbeiten (Abschn. 2.1.4). Medienschemata sind sowohl abhängig von der kognitiven Entwicklung Heranwachsender, als auch Bestandteil von Entwicklungsaufgaben (Abschn. 2.1.2). Daher lässt sich vermuten, dass Kinder und Jugendliche dem Internet desto mehr Chancen zuschreiben, je länger sie Erfahrung damit haben, je öfter und länger sie das Internet nutzen und je breiter ihr Nutzungsspektrum wird, denn sowohl die Nutzungshäufigkeit und -intensität als auch das Spektrum der genutzten Anwendungen steigen ebenfalls mit zunehmendem Alter. Ähnlich lässt sich erklären, warum jüngere Heranwachsende unsicherer in der Einschätzung der Reichweite, der Langlebigkeit und der Glaubhaftigkeit des Internets sind. So sind Jungen und Mädchen bis 13 Jahre eher der Überzeugung, man könne ein im Internet gelöschtes Foto nicht mehr wiederfinden und sind in der Einschätzung der Richtigkeit von Informationen aus dem Internet unschlüssiger. Auch in Bezug auf technische Fertigkeiten haben jüngere Heranwachsende nach eigenen Angaben eher Schwierigkeiten, im Browser ein Lesezeichen zu setzen als ältere Heranwachsende. Der Aufbau von Kompetenzen in Form von Kenntnissen und Wissen über das Internet genauso wie die damit zusammenhängende Medienperformanz in Form von Selbsteinschätzung und der allgemeinen Einschätzung von Medien und hier im Besonderen des Internets zeigt sich also auch empirisch abhängig von Prozessen der Mediensozialisation und der Entwicklung von Medienschemata. Diese Entwicklungsprozesse sind zum einen von individuellen Faktoren wie der kognitiven Entwicklung abhängig, entstehen aber auch durch Lernprozesse innerhalb des sozialen Umfelds der Heranwachsenden (Schule, Familie, Freunde). Vor allem die diesbezüglichen Einflüsse des sozialen Umfeldes werden in der weiterführenden qualitativen Untersuchung (Abschn. 8.6 und 8.7) näher beleuchtet. Nur wenige Kinder bis zu einem Alter von elf Jahren haben ein SNS-Profil, ab zwölf bzw. 13 Jahren steigt allerdings die SNS-Nutzung mit zunehmendem Alter stark an. Jene Kinder, die im Alter von zehn bis 13 Jahren bereits ein SNS-Profil haben, aktualisieren dieses entweder selten oder gar nicht und viele kennen in diesem Alter den Ausdruck, sein Profil zu aktualisieren, nicht. Im Gegensatz dazu ist es Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren besonders wichtig, regelmäßig ihr Profil zu überarbeiten. Junge Erwachsene ab 20 Jahren messen der Aktualisierung ihres Profils wiederum wenig Bedeutung bei. Die Gruppe der 14- bis 15-Jährigen Jugendlichen sieht sich außerdem besonders gerne die Profile ihrer Freundinnen und Freunde bzw. anderer SNS-Nutzerinnen
8.5 Zwischenfazit der quantitativen Erhebung …
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und -Nutzer an, aber auch die Zwölf- bis 13-Jährigen interessieren sich sehr für die Profile anderer. Im Hinblick auf das Hochladen von Fotos zeigen sich ebenfalls klare Unterschiede bezüglich des Alters der Heranwachsenden. Während nur etwa die Hälfte der zehn- bis elfjährigen SNS-Nutzerinnen und Nutzer auf ihrem Profil Fotos hochgeladen hat, auf denen die abgebildeten Personen klar erkennbar sind, sind dies unter den Zwölf- bis 13-Jährigen bereits knapp 70 % und unter Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren über 90 %. Diese Fotos sind zumeist allen Kontakten zugänglich und nur wenige haben die Ansicht von Fotos nur auf spezielle Kontakte eingeschränkt. Hier fällt allerdings auf, dass wesentlich häufiger Fotos anderer betrachtet, als eigene Fotos hochgeladen werden. Aus diesen Ergebnissen lässt sich schließen, dass der Selbstpräsentation als ein Teil der Identitätsentwicklung und wichtige Entwicklungsaufgabe (Abschn. 2.1.2.2) für Jugendliche in der Hochphase ihrer Pubertät nicht nur offline, sondern auch online eine besondere Bedeutung zukommt. Nach Schmidt, Paus-Hasebrink und Hasebrink (2011, S. 27) steht für die Heranwachsenden die Selbstfindung mit der handlungsleitenden Frage nach dem „wer bin ich?“ bzw. „wer möchte ich sein bzw. werden?“ im Mittelpunkt. Daher ist es Heranwachsenden in diesem Alter wichtig, sich auf ihren SNS-Profilen authentisch darzustellen, gleichzeitig wollen sie sich gut präsentieren. Dabei orientieren sich die Jugendlichen auch daran, wie sich andere auf SNS darstellen und arbeiten durch regelmäßige Profilaktualisierungen und das Hochladen von Fotos kontinuierlich an ihrer eigenen Selbstpräsentation. SNS bieten dafür eine einfache Möglichkeit, mit unterschiedlichen Formen der Selbstdarstellung zu experimentieren. Für jüngere Heranwachsende spielt diese intensive Auseinandersetzung mit ihrem Selbst- und Fremdbild sowie ihrer Selbstpräsentation eine geringere Rolle; da sie noch mit anderen Entwicklungsaufgaben konfrontiert sind. Junge Erwachsene, die sich nicht mehr so stark in der Phase der Identitätsfindung befinden, messen dem ebenfalls eine geringere Bedeutung bei. SNS werden aber auch zum Management von Beziehungen und zur Kommunikation mit Freundinnen und Freunden herangezogen – dabei steht vor allem in der Pubertät die individuelle Positionierung in der sozialen Umwelt und dem persönlichen sozialen Netzwerk im Mittelpunkt. So steigt die Häufigkeit des Chattens auf SNS bis zu einem Alter von 14 Jahren stetig an und ist für die Gruppe der 14- bis 15-Jährigen von besonderer Relevanz: über 90 % dieser Heranwachsenden chatten mindestens einmal pro Woche mit ihren Freundinnen und Freunden. Bei älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen nimmt die Häufigkeit dieser Kommunikationsform wieder ab. In Bezug auf den Austausch mit engen Freundinnen und Freunden fällt auf, dass vor allem Kinder bis 13 Jahre diesbezüglich deutlich seltener das Internet
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8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
nutzen, oder aber über Emails kommunizieren. Es ist zu vermuten, dass das Internet für diese Kinder noch nicht so relevant ist, dass sie es für die Kommunikation mit engen Freundinnen und Freunden in Betracht ziehen und dass sich die engen Freunde bzw. Freundinnen wahrscheinlich in einem örtlich näheren Umfeld befinden, als bei älteren Heranwachsenden, die beispielsweise eine entferntere weiterführende Schule besuchen, oder Mitglied in einem bestimmten Kultur- oder Sportverein sind, der über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus tätig ist. Junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren nutzen neben Emails vor allem Privatnachrichten, um sich mit engen Freundinnen und Freunden auszutauschen. Ein möglicher Erklärungsansatz dafür ist, dass Emails genauso wie Privatnachrichten eine asynchrone Kommunikationsform darstellen, das heißt sie können gelesen und beantwortet werden, auch wenn nicht beide Kommunikationspartner gleichzeitig online sind. Daher werden in Emails und Privatnachrichten zumeist etwas längere und ausführlichere Texte geschrieben, als es bei der synchronen Onlinekommunikation der Fall ist. Dies kommt wahrscheinlich jenen entgegen, die ihr SNS-Profil weniger häufig aufsuchen als Jugendliche, die sich in einer Phase befinden, in der sie ihrer Selbstpräsentation sowie dem Abgleich und der Kommunikation mit anderen auf SNS eine besonders hohe Bedeutung beimessen, und daher häufiger ihr SNS-Profil aufrufen. Instant Messaging ist wahrscheinlich aus ähnlichen Gründen stärker unter jungen Erwachsenen verbreitet. Die auf SNS angebotenen Spiele werden deutlich häufiger von Kindern zwischen elf und 13 Jahren genutzt, als von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich dafür kaum interessieren. Über die Hälfte der jüngsten SNS-Nutzerinnen und -Nutzer spielt zumindest einmal pro Woche ein Spiel. Diese Form der SNS-Nutzung korrespondiert eher mit den Bedürfnissen und Entwicklungsaufgaben der späten Kindheit bzw. frühen Adoleszenz, als mit jenen der mittleren und späten Jugendphase oder des frühen Erwachsenenalters (Abschn. 2.1.2). Da aber in der hier beschriebenen Untersuchung unter den Elfbis 13-Jährigen nur wenige überhaupt SNS nutzen, wäre dies als Erklärungsansatz zu wenig und müsste eingehender erforscht werden.
8.5.2 Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts und der formalen Bildung Vergleicht man die Medienperformanz von Mädchen und jungen Frauen im Gegensatz zu Jungen und jungen Männern basierend auf deren Selbsteinschätzung und Selbstauskünften im Onlinefragebogen so zeigen sich weibliche Befragte deutlich weniger selbstsicher und legen zugleich ein stärkeres
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ewusstsein hinsichtlich der Reichweite des Internets an den Tag: Während B über die Hälfte der weiblichen Befragten angibt, viel über das Internet zu wissen träfe nur eher auf sie zu, sind ebenso viele männliche Befragte davon überzeugt, dass diese Beschreibung sehr gut auf sie zutrifft. Im Vergleich dazu stimmen nur 28 % der Mädchen und jungen Frauen der Aussage, viel über das Internet zu wissen, voll zu. Ebenso schätzen Jungen und junge Männer ihre technischen Fertigkeiten durchgängig wesentlich besser ein als Mädchen und junge Frauen. Bei der Konfrontation mit einem technischen Problem recherchieren Internetnutzer wesentlich häufiger in Internetforen oder versuchen eine eigene Lösung zu finden, während Internetnutzerinnen stattdessen lieber jemanden fragen, der oder die sich auskennt. Neben der Selbsteinschätzung und dem Umgang mit technischen Problemen zeigen sich weitere geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf den Umgang mit hochgeladenen Fotos auf SNS-Profilen. Diese Fotos machen Jungen und junge Männer in der Regel allen oder all ihren Kontakten zugänglich, während Mädchen und junge Frauen die Sichtbarkeit ihrer Fotos häufiger auf ausgewählte Kontakte beschränken. Ähnliche Genderunterschiede lassen sich in vielen anderen Studien zur Social Web-Nutzung feststellen (für einen aktuellen Forschungsüberblick siehe Webb und Temple 2016). Mädchen und junge Frauen scheinen in ihrem Selbstbild klassische Genderstereotype zu verinnerlichen und auch entsprechend zu handeln etwa indem sie entsprechende Genderstereotype in ihrer Selbstpräsentation pflegen, oder – als Ergebnis der vorliegenden Studie – indem sie aus mangelndem Selbstvertrauen und zu geringer Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten gar nicht erst versuchen, ein technisches Problem zu lösen, sondern sofort Hilfe bei anderen suchen. Aber auch bei Jungen und jungen Männern zeigen sich stereotype Verhaltensformen, indem sie als „männliche Experten für Technik“ eher dazu tendieren, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu überschätzen. Aus Perspektive der kulturtheoretischen Performancetheorie (Abschn. 4.1.1.2) bzw. der Theorie der Gender Performativity im Sinne Butlers (1993) kann diese unterschiedliche Selbsteinschätzung auch als performativer Akt im Rahmen der Konstitution von Geschlechteridentität betrachtet werden (Bell 2006). Genderstereotypes Handeln und Verhalten wird in Prozessen der allgemeinen Sozialisation bzw. auch der Mediensozialisation verinnerlicht. Webb und Temple (2016) stellen hier etwa die These auf, dass SNS an sich zwar neutrale Plattformen zur Selbstpräsentation darstellen, aber zugleich die darüber angebotene personalisierte Werbung mit Stereotypen spielt bzw. stereotype Zuschreibungen an Männlichkeit und Weiblichkeit propagiert und Jugendliche und junge Erwachsene daher eher in genderstereotypen Präsentationsweisen bestärkt
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8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
werden. Inwiefern dies tatsächlich der Fall ist, wäre noch näher zu untersuchen. Fest steht, dass Prozesse der Sach- und Sozialauseinandersetzung (Abschn. 4.2.1) im Sinne der Aushandlung von Bedeutungen, Normen und Werten sowie der Selbstauseinandersetzung und Selbstreflexion durch das Social Web als Dokumentation des persönlichen Erlebens (beispielsweise über ein SNS-Profil) zunehmend externalisiert werden (Abschn. 2.1.4) – unterschiedliche Formen des Medienumgangs, der Einschätzung von Medien sowie der Selbsteinschätzung und Selbstdarstellung im Hinblick auf die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten erlangen darüber für den Einzelnen und die Einzelne in seiner bzw. ihrer Selbstdefinition als männlich oder weiblich praktischen Sinn. Wenn sich Mädchen und junge Frauen also insgesamt kritischer (beispielsweise hinsichtlich der Veröffentlichung von Fotos) und damit auch selbstkritischer darstellen und Jungen und junge Männer sich eher als tolle Alleskönner präsentieren, sagt dies weniger über deren tatsächliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern mehr über ihre Selbstreflexion und ihr (erwünschtes) Selbstbild aus. Inwiefern Selbstauskünfte zum eigenen Medienumgang als eine Form der Medienperformanz mit dem Bedürfnis der positiven Selbstpräsentation zusammenhängen, wird sich noch deutlicher in der weiterführenden qualitativen Untersuchung (Abschn. 8.6 und 8.7) zeigen. Wie in der vorangegangenen Studie zur Rezeption und Aneignung von Model-Castingshows (Kap. 7) zeigen sich auch in der quantitativen Untersuchung zur Social Web-Nutzung deutliche Unterschiede entlang der Kategorie der formalen Bildung. Formal höher gebildete Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zeigen in ihren Selbstauskünften zur allgemeinen Mediennutzung und zu ihrem Umgang mit dem Social Web auf den ersten Blick eine gänzlich andere Medienperformanz als formal niedrigere gebildete Gleichaltrige. Formal höher Gebildete gehören eher zu den Intensivnutzerinnen bzw. -intensivnutzern, die auch versierter mit dem Internet umgehen. Sie legen im Vergleich zu formal niedriger Gebildeten eher eine informationsorientierte als eine unterhaltungsorientierte Nutzung an den Tag und erweisen sich insgesamt als kritischer, reflektierter und vorsichtiger. In der Gruppe der jungen Erwachsenen zeigen formal höher Gebildete zudem ein höheres Interesse an gesellschaftlicher Partizipation über Medien (beispielsweise über eine Beteiligung an OnlinePetitionen). Im Gegensatz dazu liegt der Fokus der formal niedriger Gebildeten eher auf der Unterhaltung und der Kommunikation mit anderen. Konkret fällt in den quantitativen Ergebnissen auf, dass formal höher Gebildete tendenziell eher in Blogs, Foren und Wikis lesen als formal niedriger Gebildete. Formal höher Gebildete kaufen auch häufiger im Internet ein als
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formal niedriger Gebildete. Auch im Hinblick auf das Unterschreiben von Online-Petitionen zeigt sich, dass formal höher Gebildete hier signifikant deutlich aktiver sind und häufiger Online-Petitionen unterscheiben. Dies betrifft aber eher ältere Jugendliche und vor allem junge Erwachsene; die Jüngeren interessieren sich noch nicht für Online-Petitionen. Im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit von Informationen aus dem Internet zeigen sich formal niedriger Gebildete unkritischer als formal höher Gebildete. 12,3 % der formal niedriger Gebildeten denken, dass Informationen aus dem Internet immer stimmen, während dies nur auf 3 % der formal höher Gebildeten zutrifft. SNS-Spiele werden vor allem von jüngeren SNS-Nutzerinnen und -nutzern gespielt. Hier spielen allerdings formal niedriger gebildete häufiger als formal höher gebildete Heranwachsende. Darüber hinaus zeigt sich, dass formal niedriger Gebildete tendenziell häufiger den S NS-Chat nutzen als formal höher Gebildete. Daher ist es ihnen auch signifikant wichtiger, dass andere sehen, wenn sie im Chat online sind. Außerdem zeigt sich, dass die Anzahl der Kontakte auf dem SNS-Profil formal niedriger Gebildeten signifikant wichtiger ist als formal höher gebildeten Befragten. In der Gruppe der extrem sensiblen SNS-Nutzerinnen und -nutzern, die nicht nur ihre Kontakte gruppiert und mit unterschiedlichen Rechten versehen haben, sondern auch bei jeder Veröffentlichung genau kontrollieren, wer diesen Inhalt sehen kann, sind eher Mädchen und junge Frauen und vor allem formal höher gebildete als formal niedriger gebildete Heranwachsende und junge Erwachsene zu finden. Derartige Unterschiede in Bezug auf die formale Bildung oder den sozialökonomischen Status sind, wie in Kap. 7 dargestellt, auch in anderen Studien zu finden. Soziale Unterschiede scheinen vor allem zu Unterschieden in der Medienkritikfähigkeit sowie in der Bereitschaft, über das Social Web an der Gesellschaft zu partizipieren, zu führen. In der Studie zur jugendlichen Aneignung von Model-Castingshows zeigt sich allerdings auch, dass diese, auf den ersten Blick, hervorstechenden Auffälligkeiten einer näheren Betrachtung bedürfen und es wird angenommen, dass diese bildungsspezifischen Unterschiede in enger Verbindung zu anderen sozialen (Abschn. 3.1.1) sowie sozialökologischen (Abschn. 2.1.1.3) Faktoren stehen und zusammenhängen mit Unterschieden hinsichtlich des medienbezogenen Geschmacks sowie des subjektiven Sinns (Abschn. 2.1 und 3.2), den Heranwachsende und junge Erwachsene mit ihrer Mediennutzung verbinden. Diesen Vermutungen wird im Rahmen der qualitativen Erhebung, deren Ergebnisse im anschließenden Kapitel näher ausgeführt werden, weiter nachgegangen.
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8 Medienkompetenz und Medienperformanz …
8.6 Medien im Kontext lebensweltlicher Hintergründe aus fallübergreifender Perspektive Die in den vorangegangenen Kapiteln dargestellten Ergebnisse dienten als Basis für eine tiefergehende qualitative Untersuchung des Medienumgangs von Kindern und Jugendlichen mit einem stärkeren Fokus auf deren lebensweltliche Hintergründe. Die genaue Vorgangsweise bei der Stichprobenziehung sowie die Zusammensetzung des qualitativen Samples wird in Abschn. 8.2.2 beschrieben; es handelt sich hierbei um eine Substichprobe (n = 50) aus der quantitativen Hauptstichprobe. Hinsichtlich des Alters wurde dabei der Fokus auf die Gruppe der Elf- bis 19-Jährigen verengt, während die ursprüngliche quantitative Stichprobe Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von zehn bis 30 Jahren umfasst. Es wurden 27 Jungen und 23 Mädchen aus dem ursprünglichen Sample für die qualitative Erhebung ausgewählt; zwölf davon haben einen Migrationshintergrund. Die Kinder und Jugendlichen wurden aufgrund ihrer Antworten im Fragebogen ausgewählt. Dabei wurden in den unterschiedlichen Altersgruppen sowohl Heranwachsende, die sich in ihrer Internetnutzung als sehr geübt einschätzen, als auch Jungen und Mädchen, die eher unsicher sind, berücksichtigt. Ein weiteres Auswahlkriterium war der jeweilige Umgang mit SNS. In der qualitativen Untersuchung wurden die Kinder und Jugendlichen beim Surfen im Netz und auf ihrer bevorzugten SNS teilnehmend beobachtet. Zusätzlich wurden ihnen spezielle Aufgaben gestellt (Onlinerecherche, Beurteilung von Websites), die sie mittels lauten Denkens kommentierten und abschließend wurde ein Leitfadeninterview durchgeführt;68 die genaue Vorgangsweise sowie die jeweils konkreten Aufgabenstellungen werden ebenfalls in Abschn. 8.2.2 näher ausgeführt. In den Leitfadeninterviews wurden neben den alltäglichen Routinen im Umgang mit Medien sowie den persönlichen Medienpräferenzen, Einstellungen und Werthaltungen auch Medienpräferenzen und Medienumgangsformen der anderen Familienmitglieder, Medienerziehungskonzepte der Eltern und familiäre Routinen in Bezug auf Medien sowie darüber hinaus (z. B. sportliche oder kulturelle Tätigkeiten) abgefragt. Die Darstellung der qualitativen Ergebnisse erfolgt ausgehend von den quantitativen Ergebnissen der Logik der zunehmenden Fokussierung vom Allgemeinen zum Individuellen. Zunächst werden daher fallübergreifende Besonderheiten des Medienumgangs und der Medienbewertung dargestellt (Abschn. 8.6), die über die Ergebnisse der quantitativen Erhebung hinausgehen bzw. diese
68Beobachtungsbogen
und Leitfaden finden sich im Anhang.
8.6 Medien im Kontext lebensweltlicher Hintergründe …
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vertiefen und ergänzen. In einem weiteren Schritt steht die Betrachtung der jeweiligen Besonderheiten der Einzelfälle im Mittelpunkt, die zu einer qualitativen Typenbildung verdichtet wird (Abschn. 8.7). Da sich in der quantitativen Erhebung das Alter, das Geschlecht und die formale Bildung als besondere Einflussfaktoren herauskristallisiert haben, wurden auch die qualitativen Daten entlang dieser Kategorien analysiert. Darüber hinaus wurden bei der fallübergreifenden Betrachtung der Migrationshintergrund und das Wohnumfeld (Größe des Wohnorts, eigenes Haus oder Wohnung, Nachbarschaft) als mögliche Einflussfaktoren einbezogen. Das Wohnumfeld stellt sich allerdings nicht als relevanter Faktor heraus und auch der Migrationshintergrund zeigt sich nur als bedingt relevant. Im Hinblick auf das Alter und das Geschlecht bestätigen sich in der qualitativen Untersuchung die Ergebnisse der quantitativen Befragung. Auch die vorgeschlagenen Erklärungsansätze für Auffälligkeiten in den quantitativen Daten können durch die ergänzende qualitative Erhebung gestützt werden. In Bezug auf das Geschlecht bestätigt sich, dass Frauen (Mädchen sowie Mütter der befragten Heranwachsenden) wesentlich leseaffiner als Männer (Jungen und Väter der befragten Heranwachsenden) sind und dass Onlinespiele vor allem eine Domäne der Jungen sind. Ebenso sind jene Heranwachsenden, die sich im Umgang mit dem Internet als technisch versiert zeigen, vorrangig männlich, jedoch zeigen insgesamt nur wenige überdurchschnittlich hohe technische Fertigkeiten. Unter Rückbezug auf die Ergebnisse der quantitativen Erhebung lässt sich also feststellen, dass sich Jungen in ihrer Medienperformanz als selbstsicherer im technischen Umgang mit dem Internet sowie in der Beurteilung des eigenen Verhaltens im Social Web darstellen. Ein Großteil der männlichen Heranwachsenden verfügt jedoch nicht über eine höhere Kompetenz im Sinne besserer technischer Kenntnisse und Fertigkeiten als gleichaltrige Mädchen. Ein höheres Selbstbewusstsein und eine positivere Selbsteinschätzung scheinen allerdings die Aneignung technischer Kompetenzen zu begünstigen, was unter anderem auch darin seine Bestätigung findet, dass Mädchen (aufgrund mangelnden Selbstbewusstseins) im Gegensatz zu Jungen deutlich seltener versuchen, auf eigene Faust eine Lösung für ein technisches Problem mit dem Computer bzw. Internet zu finden. Die sich aus den quantitativen Daten herauskristallisierenden altersspezifischen Unterschiede werden in der qualitativen Erhebung weiter bestätigt. Hier zeigt sich noch deutlicher ein Bruch zwischen Kindern, die sich in ihrer psychologischen Entwicklung noch eher in der Phase der späten Kindheit bzw. in der frühen Adoleszenz befinden und jenen, die sich in der mittleren und späten Adoleszenz befinden. Elf- bis 14-Jährige zeigen im Vergleich zu den 15- bis
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19-Jährigen zum Teil eine andere Medienperformanz, die sich, wie bereits im Rahmen der quantitativen Auswertung beschrieben, vielfach dadurch begründen lässt, dass die jüngeren Heranwachsenden noch mehr mit der Entwicklung und der Festigung von Medienschemata beschäftigt und daher noch nicht so versiert oder selbstsicher im Umgang mit dem Social Web sind, als ältere Heranwachsende. Am deutlichsten kristallisierte sich in der qualitativen Erhebung jedoch der Faktor der formalen Bildung als Unterscheidungsmerkmal heraus. Im Gegensatz zur quantitativen Erhebung wurden hierbei nicht nur die besuchte Schule der Kinder und Jugendlichen, sondern auch der höchste Bildungsabschluss und der aktuell ausgeübte Beruf beider Eltern zur Bestimmung der formalen Bildung bzw. Bildungsnähe der Familie einbezogen. Damit konnten im Sinne Bourdieus auch sogenannte „Bildungsaufsteiger“ und „Bildungsaufsteigerinnen“ identifiziert werden, die eine Schule besuchen, die zu einem höheren Bildungsabschluss als jener der Eltern führt. Der formalen Bildung kommt im Kontext der qualitativen Analyse darüber hinaus eine besondere Bedeutung zu, weil, wie auch Benett et al. (2009) für die britische Gesellschaft feststellen, sich soziale Milieus heute nicht mehr so einfach unterscheiden lassen wie zu jener Zeit, als Bourdieu seine empirischen Arbeiten durchführte. In der vorliegenden Studie lässt sich daher kulturelles Kapital vor allem durch die formale Bildung und „Bildungsnähe“ der Herkunftsfamilie identifizieren, wenngleich (besonders in den Einzelfallanalysen) auch zusätzliche Faktoren einbezogen wurden (siehe Abschn. 8.7). Dass sich die formale Bildung als so deutliches Unterscheidungskriterium herausstellt, birgt allerdings auch Schwierigkeiten für eine angemessene Auswertung und Interpretation der Ergebnisse – vor allem Eingedenk Bourdieus Kritik einer aus seiner Perspektive willkürlichen Grenzziehung zwischen mehr oder weniger „Gebildeten“ bzw. „bildungsnahen“ und „bildungsfernen“ Milieus (Abschn. 3.1.2). Die Herausforderung besteht darin, nicht dem „intellektuellen Snobismus“ nach Bourdieu zu verfallen und eine Analyse anhand der Kategorie der formalen Bildung implizit von vorne herein wertend im Sinne eines mehr oder weniger legitimen Medienumgangs oder Mediengeschmacks anzulegen. Daher wurde in der fallübergreifenden Analyse auf eine besonders neutrale Ergebnisdarstellung geachtet und in den Einzelfallanalysen wurde versucht, unterschiedliche Handlungsstrategien unter Einbezug weiterer Faktoren vor dem Hintergrund des subjektiven Sinns des bzw. der jeweiligen Heranwachsenden zu verstehen und zu erklären (siehe Abschn. 8.7).
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8.6.1 Allgemeiner Medienumgang und Medienbewertung Unter den Elf- bis 14-Jährigen formal höher Gebildeten betont ein Großteil gerne zu lesen und nur wenige geben an, dies nicht so gerne zu tun. Letzteres trifft allerdings auf den Großteil der formal niedriger Gebildeten zu. Allerdings finden sich auch unter formal niedriger gebildeten Kindern und Jugendlichen Leseratten, für die Bücher auch eine große Bedeutung haben. Jedoch sind Bücher für diese jüngeren formal niedriger Gebildeten einzig und alleine deshalb wichtig, weil sie gerne lesen und nicht, um sich von anderen abzugrenzen oder sich über den Besitz von Büchern zu profilieren, was für formal höher Gebildete des gleichen Alters eine wesentlich größere Bedeutung hat. So erachtet ein Großteil der formal niedriger gebildeten Elf- bis 14-Jährigen Bücher als nicht sonderlich wichtig; die gleichaltrigen formal höher Gebildeten finden Bücher jedoch größtenteils wichtig. Hier fällt auf, dass es dabei in erster Linie um den Besitz von Büchern als Symbol für Bildung geht unabhängig davon, wie gerne man liest. Das heißt auch jene formal höher gebildeten Heranwachsenden, die angeben, weniger gerne zu lesen, betonen, dass sie Bücher als wichtig erachten. Daraus lässt sich schließen, dass Bücher für diese Kinder und Jugendlichen zwar kein bewusstes Statussymbol sind, aber zumindest unbewusst kulturelles Kapital markieren und als Symbol zur Abgrenzung von anderen, die den Wert von Büchern nicht schätzen, dienen. Ähnliches zeigt sich im Hinblick auf Zeitungen, die formal niedriger gebildeten Elf- bis 14-Jährigen eher unwichtig erscheinen und von diesen auch kaum gelesen werden. Gleichaltrige formal höher Gebildete kennen Zeitungen in der Regel von zuhause und betrachten dieses Medium daher als wichtig zur Information über aktuelle Ereignisse, obwohl auch sie kaum Zeitungen lesen. Generell sind in dieser Altersgruppe Mädchen wesentlich begeistertere Leserinnen als Jungen. Bei formal höher gebildeten Mädchen und zum Teil auch bei Jungen, deren Eltern nicht über eine höhere schulische Bildung verfügen und die im Sinne Bourdieus somit als Bildungsaufsteigerinnen bzw. -aufsteiger betrachtet werden können, fällt zudem auf, dass sie zumeist sehr gerne und viel lesen, Bücher aber ähnlich wie formal niedriger gebildete Gleichaltrige als unwichtig erachten. Diese Kinder und Jugendlichen sind zwar formal höher gebildet und werden in ihrem schulischen Umfeld auch entsprechend sozialisiert, sie unterscheiden sich allerdings, obwohl sie gerne lesen, in der Beurteilung von Büchern von jenen Heranwachsenden, die über die familiäre Sozialisation die Bedeutung von Büchern als Symbol für kulturelles Kapital verinnerlicht haben. Bei den 15- bis 19-Jährigen sind die Unterschiede deutlicher. Ein Großteil der formal niedriger Gebildeten liest nicht gerne und findet Bücher unwichtig,
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ebenso werden Zeitungen nicht als sonderlich wichtig erachtet. Manche lesen aber regelmäßig in der Kronenzeitung, der größten und politisch sehr einflussreichen Boulevardzeitung Österreichs. Diese Heranwachsenden schätzen Zeitungen als Informationsmedien, wobei nicht dezidiert zwischen sogenannten Boulevard- und Qualitätszeitungen unterschieden wird. Zumeist beziehen sich diese formal niedriger gebildeten Jugendlichen dabei aber auf die Kronenzeitung und begründen dies damit, dass sie diese Zeitung von zuhause oder ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen kennen. Formal höher gebildete Jugendliche und junge Erwachsene betonen hingegen wie wichtig das Lesen für Schule und Beruf sei und nennen häufig Lesen als Hobby. Manche lesen aus Leidenschaft – Mädchen und jungen Frauen eher Belletristik, Jungen und jungen Männer eher Fachbücher. Bücher werden von diesen formal höher gebildeten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ebenso wie Zeitungen und Zeitschriften als sehr wichtig erachtet. In der Bewertung von Zeitungen wird von diesen jungen Menschen stark zwischen (aus ihrer Perspektive) Boulevard- und Qualitätszeitungen differenziert und das Lesen von sogenannten Qualitätszeitungen wird (mit besonderem Verweis auf LeserInnen der Kronenzeitung) als ein Mittel der Abgrenzung von anderen betont. Hier fällt auf, dass diese Abgrenzung nur aus der Position formal höher Gebildeter erfolgt, formal niedriger Gebildete grenzen sich nicht bewusst dadurch von anderen ab, dass sie keine Zeitung oder aber eine andere Zeitung lesen. Sie tun dies lediglich, weil sie diese Form der Mediennutzung aus ihrem sozialen Umfeld kennen und deshalb schätzen. Bei den Eltern der formal höher Gebildeten zeigt sich ebenfalls, dass zumeist viele Bücher besessen werden und diese einen hohen Stellenwert haben; oft liest die ganze Familie gerne und viel. Am meisten lesen die Mütter. Migrantinnen und Migranten lesen häufig Bücher in der Herkunftssprache, um den Kontakt zum Heimatland nicht zu verlieren. Selten lesen formal höher gebildete Eltern wenig und wenn, dann meistens aus Zeitmangel, was zum Teil im Urlaub kompensiert wird. Eltern von Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteigern sind, wie ihren Kindern, Bücher zumeist unwichtig. Viele formal höher gebildete Familien haben ein Zeitungsabo, in der Regel eine sogenannte Qualitätszeitung. In manchen Familien werden sowohl Qualitäts- als auch Boulevardzeitungen abonniert. Die Eltern der formal niedriger Gebildeten besitzen wenige Bücher und diese werden auch als unwichtig erachtet. Bücher sind für diese Menschen kein Statussymbol. Wenn gerne gelesen wird, besitzt man auch entsprechend viele Bücher, betont dies aber nicht sonderlich. Auch unter den formal niedriger Gebildeten lesen am häufigsten die Frauen – am liebsten Romane und Ratgeberliteratur. Nur ein Teil der formal niedriger gebildeten Familien hat ein Zeitungsabo und wenn, dann wird eine sogenannte Boulevardzeitung abonniert. Diese dient neben
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dem Regionalradio zumeist als wichtigste Informationsquelle über aktuelle Geschehnisse. In Bezug auf das Lesen zeigt sich die Bedeutung der familiären Mediensozialisation: Sowohl in formal höher als auch in formal niedriger gebildeten Familien zeigen Kinder, Jugendliche und ihre Eltern eine ähnliche Bewertung und Nutzung von Büchern und Zeitungen. Im Mediengeschmack formal höher Gebildeter haben Bücher als Kulturgut sowie das Lesen an sich einen sehr hohen Stellenwert und auch Zeitungen wird als Informationsmedium eine große Bedeutung beigemessen. Im, aus Perspektive formal höher Gebildeter als legitim empfundenen, Mediengeschmack spielt die Unterscheidung zwischen hochwertigen und als weniger qualitätsvoll erachteten Zeitungen eine besondere Rolle. Im Mediengeschmack formal niedriger Gebildeter wird Büchern keine besondere Bedeutung beigemessen und ihre Bewertung scheint eher zweckgebunden (man besitzt nur Bücher, wenn man gerne liest). Auch wird das Lesen nicht als wichtiger als andere Formen der Mediennutzung erachtet: Wenn gelesen wird, steht das Motiv der Unterhaltung und weniger jenes der Bildung im Mittelpunkt. Wie in der Medienbewertung formal höher Gebildeter, werden Zeitungen auch von formal niedriger Gebildeten als Informationsmedien betrachtet. Aber auch Zeitungen wird keine besondere Bedeutung beigemessen, sondern sie dienen als Mittel zum Zweck. Im Mediengeschmack formal niedriger Gebildeter ist es daher unwesentlich, sich über die Zeitungslektüre von anderen abzugrenzen. Formal höher gebildete Elf- bis 14-Jährige nutzen das Internet als Recherchemedium und Arbeitsgerät (z. B. Skype für Hausübungen), aber ebenso zur Kommunikation und zur Unterhaltung (YouTube, Facebook, Spiele). Gleichaltrigen formal niedriger Gebildeten dient das Internet in erster Linie der Unterhaltung mittels Facebook, YouTube und über Spiele. Einige jüngere formal niedrig gebildete Jungen und Mädchen bezeichnen aber auch die Möglichkeit der Recherche als das beste am Internet. Diese Heranwachsenden sind jedoch in der Regel auf der Suche nach privaten Informationen und vor allem nach O nline-Tutorials, was für formal höher Gebildete im selben Alter, die eher für schulische Zwecke und vor allem textbasiert recherchieren, weniger von Bedeutung ist. Diese Nutzungsunterschiede bleiben mit zunehmendem Alter gleich. Das Internet wird von älteren formal niedriger Gebildeten in erster Linie zur Unterhaltung genutzt. Nur wenige nutzen es beruflich und auch für die Berufsschule wird das Internet in der Regel nicht herangezogen. Für 15- bis 19-jährige formal höher Gebildete gewinnt hingegen das Internet als Recherchemedium noch mehr an Bedeutung; Google und Wikipedia werden als Lieblingsseiten genannt. SNS, und hier vor allem Facebook, sind für diese Heranwachsenden aber ebenfalls von großer Bedeutung. Die Internetnutzung
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der älteren formal höher Gebildeten ist im Vergleich zu den gleichaltrigen formal niedriger Gebildeten, die zur Unterhaltung oft auch ziellos umhersurfen, sehr gezielt: Recherche, Kommunikation und Unterhaltung stehen im Mittelpunkt. Inwiefern diese Unterschiede mit der schulischen Medienerziehung zusammenhängen, kann nur vermutet werden. Vor allem unter den jüngeren Jungen und Mädchen geben formal höher Gebildete häufiger als formal niedriger Gebildete an, das Internet für Hausübungen zu benötigen. Dies kann darin begründet sein, dass Lehrende höherer Schulen ihren Schülerinnen und Schülern häufiger Rechercheaufträge im Internet erteilen, oder aber, dass formal höher gebildete Kinder und Jugendliche das Internet von zuhause eher als Arbeitsmedium kennen und daher bei ihren Schulaufgaben öfter darauf zurückgreifen. Bestätigungen für letzteres finden sich, wenn man die Internetnutzung der Eltern näher betrachtet. In der Bewertung und Nutzung des Internets durch die Eltern fällt bei formal höher Gebildeten auf, dass das Internet entweder kaum genutzt bzw. aus ideologischen Gründen regelrecht vermieden, oder aber intensiv genutzt wird. Das heißt, es finden sich unter den formal höher Gebildeten sowohl kulturkritische Familien, in denen das Lesen hochgehalten und Bildschirmmedien skeptisch betrachtet werden, als auch medieneuphorische Familien, in denen aktuelle Medienentwicklungen sowohl beruflich als auch privat intensiv für unterschiedliche Zwecke genutzt werden. Formal höher gebildeten Eltern mit Migrationshintergrund dient das Internet der Information über und der Aufrechterhaltung des Kontakts zum Herkunftsland: Es wird Musik gehört, über Skype kommuniziert, es werden Streamingangebote genutzt, Onlinezeitungen gelesen und manche sind auch über Facebook mit entfernten Freundinnen und Freunden sowie Familienmitgliedern verbunden. Formal niedriger gebildete Eltern nutzen das Internet jedoch kaum und auch die formal niedriger gebildeten Migrantinnen und Migranten weichen eher auf die Nutzung von Fernsehsendern aus dem Herkunftsland aus, als das Internet als Kontakt zur entfernten Heimat zu nutzen. Am ehesten wird noch über Skype mit der Familie im Ausland telefoniert. Eltern, deren Kinder als Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger betrachtet werden können, nutzen das Internet häufiger als andere formal niedriger gebildete Eltern. Sie tun dies allerdings im Gegensatz zu formal höher gebildeten Eltern Großteils zur Unterhaltung und weniger zur Information. Diese Ähnlichkeiten zwischen Eltern und Kindern sind abermals ein Hinweis auf, die Bedeutung der familiären Mediensozialisation für die Medienperformanz im Sinne unterschiedlicher Bewertungen und Nutzungsweisen des Internets. Im Mediengeschmack formal höher Gebildeter zeigt sich, dass das Internet, falls es nicht aus ideologischen Gründen abgelehnt wird, als Arbeits- und Informationsmedium betrachtet wird – eine informations- und kommunikationsorientierte
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Internetnutzung wird daher als eher legitim als eine unterhaltungsorientierte Nutzung des Internets betrachtet. Aus Perspektive formal niedriger Gebildeter ist das Internet jedoch ein Freizeit- und Unterhaltungsmedium – eine unterhaltungsorientierte Nutzung wird also als legitim betrachtet und der Information für schulische oder berufliche Interessen wird weniger Bedeutung beigemessen. In der Handynutzung zeigen sich weniger Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung. Für alle Elf- bis 14-Jährigen ist das Smartphone unabdingbar für die Nutzung von YouTube, Facebook, Musik, diversen Apps, Spielen und zur Kommunikation mit anderen. Einige jüngere formal höher Gebildete finden Handys zwar praktisch, aber nicht wichtig und manche nutzen es nur für SMS und Telefonie, was in der Regel darin begründet ist, dass diese keinen Mobilfunkvertrag mit inkludierter Internetnutzung haben. Manche jüngere formal niedriger Gebildete kompensieren mit dem Smartphone ihre Fernsehnutzung; unter diesen Heranwachsenden haben auch die meisten ein internetfähiges Handy. Für ältere Jugendliche ist das Smartphone ebenfalls sehr wichtig. Formal höher Gebildete geben an, es in erster Linie zur Kommunikation zu nutzen, während formal niedriger Gebildete neben der Kommunikation auch die Funktion der Unterhaltung durch die Nutzung von Spielen und unterschiedliche Apps nennen. Hier zeigt sich ebenfalls, dass eine unterhaltungsorientierte Mediennutzung weniger dem, von formal höher Gebildeten als legitim empfundenen, Mediengeschmack entspricht, als jenem, der von formal niedriger Gebildeten, als angemessen erachtet wird. Für formal niedriger gebildete Elf- bis 14-Jährige ist das Fernsehen in ihrem Medienalltag von großer Bedeutung, dabei zeigen sie auf der Programmebene eine Vorliebe für Privatsender und inhaltlich für Sitcoms und Serien. Manche formal niedriger gebildete Jungen sehen zudem gerne Edutainmentsendungen wie Galileo; Nachrichtensendungen werden von dieser Gruppe kaum rezipiert. Jüngere formal niedriger Gebildete schätzen das Fernsehen oft auch als gemeinsame Abendbeschäftigung der Familie. Unter den gleichaltrigen formal höher Gebildeten finden sich nur wenige, die angeben, dass für sie das Fernsehen eine große Rolle spielt. Manche berichten, dass sie das Fernsehen täglich als Hintergrundmedium nutzen, andere geben wiederum an, es generell selten und unregelmäßig zu nutzen. Allerdings sehen sich auch formal höher gebildete Kinder und Jugendliche regelmäßig Sitcoms an. Darüber hinaus werden Sportsendungen genannt und manche berichten davon, sich regelmäßig gemeinsam mit den Eltern die Nachrichten anzusehen. In Bezug auf die formale Bildung ist allerdings weniger die tatsächliche Fernsehnutzung, sondern die Bewertung dieses Mediums interessant. Sowohl formal höher als auch niedriger gebildete Kinder und Jugendliche sehen viel fern. Während allerdings formal niedriger Gebildete betonen, wie wichtig ihnen das Fernsehen ist, betonen formal höher
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Gebildete, dass es für sie weniger von Bedeutung ist bzw. wird die eigene Fernsehnutzung heruntergespielt. Noch stärker lässt sich dieses Phänomen bei der Gruppe der 15- bis 19-Jährigen beobachten. In dieser Altersgruppe betont die Mehrheit der formal höher Gebildeten, dass sie das Fernsehen als unwichtig erachtet und gibt an, dieses lediglich als Hintergrundmedium zu nutzen. Im Gegensatz dazu heben formal niedriger Gebildete im gleichen Alter hervor, wie wichtig ihnen das Fernsehen zur Unterhaltung und Entspannung ist. Allerdings favorisieren sowohl formal niedriger als auch höher gebildete Jugendliche und junge Erwachsene die gleichen Fernsehformate: Scripted Reality, Serien und Castingshows. Auch bei den Eltern zeigt sich ein ähnliches Bild. Viele der formal niedriger gebildeten Eltern sind sehr fernsehfokussiert, während formal höher Gebildete das Fernsehen eher als zweitrangig einschätzen und angeben, nur zur täglichen Information (Nachrichten, Sport) fernzusehen oder ab und an einen Spielfilm anzusehen. Während formal höher gebildete Eltern eher öffentlich-rechtliche Fernsehsender bevorzugen, sind dies bei formal niedriger gebildete Eltern vor allem regionale Sender und Privatsender; formal niedriger gebildete Migrantinnen und Migranten orientieren sich dabei auch stark an Angeboten aus dem Herkunftsland. Zum einen zeigt sich hier ähnlich wie hinsichtlich der Bewertung und Nutzung des Internets wie stark die familiäre Mediensozialisation den medienbezogenen Geschmack und die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen beeinflusst, denn sowohl formal höher gebildete als auch formal niedriger gebildete Heranwachsende bewerten das Fernsehen gleich wie ihre Eltern und zeigen auch ähnliche Präferenzen und Nutzungsweisen; inhaltliche Differenzen hinsichtlich der bevorzugten Fernsehangebote zwischen jüngeren und älteren Heranwachsenden sowie ihren Eltern sind eher auf das unterschiedliche Alter zurückzuführen. Zum anderen zeigt sich in der Bewertung des Fernsehens analog zur Einschätzung anderer Medien ein weiteres Indiz für eine bestimmte Form eines verinnerlichten legitimen Mediengeschmacks bei formal höher gebildeten Heranwachsenden. Das Fernsehen und vor allem seine Unterhaltungsfunktion werden offensichtlich abgewertet bzw. versucht man sich von jenen abzugrenzen, die viel fernsehen bzw. dem Fernsehen eine große Bedeutung beimessen. Unter formal niedriger gebildeten Kindern und Jugendlichen ist dies nicht festzustellen. Dies legt die Vermutung nahe, dass formal niedriger Gebildete stärker zu ihren Fernsehvorlieben stehen als formal höher Gebildete, die bemüht sind, ihre Fernsehnutzung vor dem Hintergrund des, aus ihrer Perspektive angenommenen, legitimen Mediengeschmacks, herunterzuspielen. Formal niedriger Gebildete kennen diesen „legitimen“ Mediengeschmack offenbar nicht, oder sie messen diesem eine geringere Bedeutung bei und orientieren sich weniger stark daran. Sie haben
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einen anderen, eigenen Mediengeschmack ausgebildet, in dem das Fernsehen als Unterhaltungsmedium positiv konnotiert ist. Konsolen-, Computer- und Onlinespiele sind vor allem für formal niedriger gebildete elf- bis 14-jährige Jungen von großer Bedeutung. Gleichaltrige formal höher gebildete Jungen spielen ebenso gerne, schätzen Spiele aber insgesamt als weniger wichtig ein. Während Konsolen-, Computer und Onlinespiele für 15- bis 19-Jährige formal höher Gebildete keine Rolle mehr spielen, sind sie für gleichaltrige formal niedriger Gebildete zum Teil noch sehr wichtig. Unabhängig von der formalen Bildung sind diese Spiele für Mädchen und junge Frauen uninteressant. Es fällt auf, dass auch hier eine unterhaltungsorientierte Mediennutzung von formal höher Gebildeten eher abgewertet wird. Im Gegensatz dazu erweisen sich im Mediengeschmack formal niedrig Gebildeter Unterhaltung und Entspannung als legitime Motive der Mediennutzung. Musik ist für alle Heranwachsenden von großer Bedeutung, oft wird über das Smartphone und den Computer Musik gehört und viele nutzen einen Konvertierer, um sich Musik aus YouTube herunterzuladen. Formal niedriger Gebildete hören aber öfter Radio als formal höher Gebildete; dies ähnelt wiederum dem Verhalten der Eltern. Für formal niedriger gebildete Eltern ist das Radio ein wichtiges Hintergrundmedium, wobei zumeist volkstümliche Musik und Regionalsender gehört werden. Formal höher gebildete Eltern hören kaum Radio, und wenn, dann meistens im Auto. Hier zeigt sich ebenfalls, wie eng Medienpräferenzen und Nutzungsroutinen mit der familiären Mediensozialisation verbunden sind.
8.6.2 Medienerziehung Im Hinblick auf die Medienerziehung zeigt sich bei den Elf- bis 14-Jährigen, dass die formal höher Gebildeten eher einen eigenen Laptop haben, während formal niedriger Gebildete eher einen eigenen Fernseher besitzen. Aber auch einige formal höher Gebildete haben einen eigenen Fernseher. Computer und Laptop werden in formal höher gebildeten Familien eher als Arbeitsgeräte betrachtet, während der Fernseher der Unterhaltung dient. In formal höher gebildeten Familien herrschen viele Regeln – Medien werden sowohl zeitlich als auch inhaltlich reguliert. Zum Teil haben die Eltern aber auch ein großes Vertrauen in ihre Kinder, dass sie durch regelmäßige Gespräche über Medien festigen. Formal niedriger gebildete Kinder werden, wenn dann nur zeitlich (vor allem hinsichtlich des Fernsehens und der Internetnutzung) kontrolliert. Im Hinblick auf das Handy bzw. Smartphone steht für formal niedriger gebildete Eltern einzig und allein die Kontrolle der Kosten im Mittelpunkt unabhängig davon, wozu es genutzt wird.
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Während formal höher Gebildete das Internet zuhause als Informations- und Arbeitsmedium kennenlernen und sich die Vermittlung zusätzlicher technischer Fertigkeiten sowie einen forcierten Umgang mit dem Internet in der Schule wünschen, bringen sich formal niedriger Gebildete den Umgang mit dem Internet selbst durch selbstständiges Handeln und Ausprobieren bei. Dabei entwickeln sie allerdings häufig diffuse Ängste wie vor unbekannten Personen oder vor „gefährlichen Links“. Von der Schule erwarten sich formal niedriger gebildete Kinder und Jugendliche weniger Unterstützung als formal höher Gebildete bzw. sind sie weniger fordernd. Aber auch sie wünschen sich in der Schule über potentielle Gefahren, die ihnen Angst machen, aufgeklärt zu werden und möchten Unterstützung dabei zu lernen, die „richtige Seiten“ zu nutzen. Jüngere formal höher Gebildete würden für ihre eigenen Kinder in der Regel die Medienerziehung der Eltern übernehmen. Gleichaltrige formal niedriger Gebildete haben keine Vorstellung von Medienerziehung und scheinen mit der Frage, was sie ihren Kindern vermitteln würden, teilweise überfordert, weil sie aus ihren eigenen Erfahrungen weniger Regeln und Unterstützungsangebote kennen. Sie geben bewahrpädagogische Diskurse aus den Medien wieder. Dies korrespondiert mit den oben genannten diffusen Ängsten jener Kinder und Jugendlichen, die sich das Internet auf eigene Faust und mit weniger elterlicher Unterstützung aneignen. Auch ältere formal niedriger Gebildete Heranwachsende berufen sich eher auf allgemeine bewahrpädagogische Diskurse und nennen wenig konkrete Maßnahmen, welche sie in der Medienerziehung ihrer eigenen Kinder anwenden würden. Gleichaltrige formal höher Gebildete betonen hier die gemeinsame Mediennutzung, Gespräche über Medieninhalte, altersgerechte Computerspiele und dass in der Schule ein reflektiertes Verhalten im Internet vermittelt werden sollte. Auch in der Medienerziehung zeigt sich somit ein Unterschied zwischen formal höher gebildeten und formal niedriger gebildeten Familien. Formal höher gebildete Eltern vermitteln ihren Kindern kulturelles Kapital, indem sie ihren Nachwuchs an die Nutzung des Internets als Informations- und Arbeitsmedium heranführen. Sie formulieren sowohl zeitliche als auch inhaltliche Regeln der Mediennutzung, die ihren Kindern eine Orientierung geben und sie bieten ihrem Nachwuchs verschiedene Angebote der Unterstützung in der Aneignung unterschiedlicher Medien und Medienangebote wie beispielsweise eine gemeinsame Mediennutzung und Gespräche über Medieninhalte. Dies bietet formal höher gebildeten Kindern und Jugendlichen Selbstsicherheit, auch dahingehend, was sie sich von der schulischen Medienerziehung erwarten bzw. wahrscheinlich auch, wie sie diese nutzen. Formal niedriger gebildete Eltern verfolgen eher eine zweckorientierte anstatt eine inhaltlich orientierte M edienerziehung, in der die
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Mediennutzung vor allem zeitlich kontrolliert wird. Wie weiter oben beschrieben, nutzen formal niedriger gebildete Eltern das Internet allgemein weniger als formal höher gebildete Eltern und können ihren Kindern daher weniger Unterstützung anbieten. Daher sind formal niedriger gebildete Kinder und Jugendliche in ihrer Aneignung des Internets häufiger auf sich allein gestellt. Sie eignen sich eigenständig viele Fähigkeiten und Fertigkeiten an, erweisen sich dadurch aber als deutlich unsicherer vor allem hinsichtlich der Formulierung potentieller Gefahren des Internets (und wahrscheinlich auch möglicher Umgangsweisen damit). Da sie von zuhause weniger Unterstützung erfahren, erwarten sie sich vermutlich auch von der Schule weniger konkrete Maßnahmen; trotzdem möchten sie in der Schule aufgeklärt werden. Vor allem jüngere Heranwachsende übernehmen bei der Frage nach ihren eigenen Vorstellungen einer förderlichen Medienerziehung, das, was sie von zuhause kennen. Daher haben formal höher Gebildete hier in der Regel konkretere Vorstellungen als formal niedriger Gebildete. Hier zeigt sich, dass mit der familiären Medienerziehung nicht nur kulturelles Kapital im Sinne medienspezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie eines selbstbestimmten Medienumgangs vermittelt wird, sondern auch kulturelles Kapital im Sinne einer bestimmter Vorstellung von Medienerziehung, die an nachfolgende Generationen weitergegeben wird. Formal niedriger Gebildete finden sich diesbezüglich also doppelt im Nachteil – einerseits hinsichtlich der selbst erfahrenen Medienerziehung und andererseits im Hinblick darauf, was sie selbst ihren Kindern weitergeben können bzw. wie sie die Medienerziehung ihrer zukünftigen Kinder gestalten.
8.6.3 Fähigkeiten, Fertigkeiten und individuelle Handlungsstrategien Auch in Bezug auf die individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Handlungsstrategien zeigen sich die größten Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung der Kinder und Jugendlichen. So können beispielsweise jüngere formal höher Gebildete das in der Schule gelernte Wissen gut wiedergeben und die an vielen Schulen durchgeführten Saferinternet69-Schulungen scheinen auf den 69Saferinternet.at ist die österreichische Awareness Node des Insafe-Projekts der Europäischen Kommission. Auf nationaler Ebene wird dieses Projekt vom Österreichischen Institut für Angewandte Telekommunikation (ÖIAT) geleitet. Über Saferinternet.at wurden und werden an vielen Schulen Workshops für Schulerinnen und Schüler, für Lehrpersonen sowie für Eltern durchgeführt.
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ersten Blick erfolgreich. Gleichaltrige formal niedriger Gebildete sind eher unsicher und scheinen sich nicht so gut auszukennen, auch wenn sie einen Saferinternet-Workshop absolviert haben. Bei ihnen stehen die Gefahren im Mittelpunkt und sie fühlen sich unsicher im Umgang mit dem Internet, wenn auch ohne Begründung. Sie lassen sich häufiger durch negative Medienberichte verunsichern und geben im Versuch, die „richtigen“ Antworten hinsichtlich potentieller Gefahren des Internets zu geben, diese Berichte wieder. Formal höher Gebildete haben aber tatsächlich wenig Wissen, das über die Schule hinausgeht. Sie kennen sich nur oberflächlich mit Privatsphäreeinstellungen aus, haben rechtliche Grundlagen kennengelernt und antworten eher sozial erwünscht hinsichtlich eines aus ihrer Perspektive als legitim empfundenen Medienhandelns. Auch formal höher Gebildete sehen mehr Gefahren als Chancen, wirken aber in ihrem Antwortverhalten weniger unsicher als formal niedriger gebildete Gleichaltrige und geben eher klassische kulturkritische Diskurse anstatt diffuser Medienängste wieder. Ältere formal höher Gebildete verfügen über ein umfangreiches – auch juristisch fundiertes – Wissen, das in der Schule vermittelt wurde. Sie sehen im Internet mehr Chancen als Gefahren und fürchten sich am ehesten vor Identitätsraub oder falschen Identitäten im Internet. Formal niedriger gebildete 15bis 19-Jährige haben kaum rechtliches oder anderes Wissen, fühlen sich aber dennoch im Internet sicher. Gefahren gehen für sie lediglich von Hackern aus, wenn auch dies nicht weiter spezifiziert wird. Insgesamt haben formal niedriger Gebildete ein geringeres Wissen über das Internet und haben Schwierigkeiten damit, sowohl Informationen aus den Medien, als auch das in der Schule Gehörte, einzuordnen. Bereits jüngere formal höher Gebildete sind in der Lage, schnell und gezielt zu suchen und sind sehr gut in der Recherche und Beurteilung von Medieninhalten. Links werden bewusst ausgewählt und Informationen aus Wikipedia werden zum Teil mit anderen Seiten verglichen bzw. sind sich diese Kinder und Jugendlichen bewusst, dass ein Vergleich von Informationen sinnvoll wäre und antwortet entsprechend sozial erwünscht. Gefundene Seiten werden genau durchgelesen und nach Inhalt und Informationsgehalt beurteilt. Ein oberflächlicher und unübersichtlicher Stil wird als schlecht empfunden. Es herrscht ein begründetes Vertrauen in Wikipedia, die als kollaboratives Produkt als vertrauenswürdig eingestuft wird, da man sich dadurch eine automatische Kontrolle des Geschriebenen durch die Zusammenarbeit vieler Autorinnen und Autoren erwartet. Gleichaltrige formal niedriger Gebildete surfen hingegen oft ziellos im Internet umher und haben Probleme mit Google und anderen Suchmaschinen; oft wird bei der Recherche wortwörtlich die ganze Frage eingegeben, anstatt
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mit Stichwörtern gesucht. Außerdem haben diese Heranwachsenden häufig Schwierigkeiten, Texte in Wikipedia zu verstehen und vertrauen dieser Onlineenzyklopädie daher nicht immer. Generell werden Seiten mit viel Text gemieden, weil die Texte als zu schwierig empfunden und zumeist nicht verstanden werden. Für diese formal niedriger gebildeten Kinder und Jugendlichen ist eine Seite umso besser, desto mehr Bilder sie hat. Daher verwenden diese Heranwachsenden im Vergleich zu formal höher gebildeten Gleichaltrigen noch häufig Kindersuchmaschinen wie etwa Blinde Kuh, da sie diese als verständlicher und übersichtlicher empfinden. Viele formal niedriger gebildete Jungen und Mädchen sind nicht in der Lage, Kriterien für eine Einordnung und Beurteilung von Informationen festzulegen. 15- bis 19-jährige formal höher Gebildete sind in ihrer Suche zumeist noch schneller und gezielter als die jüngeren formal höher Gebildeten. Auch sie lesen sich Informationen genau durch und haben neben Wikipedia ein großes Vertrauen in Onlinezeitungen. Sie beurteilen Websites nach ihrem Aufbau und der enthaltenen Information. Daneben betonen diese formal höher gebildeten Jungen und Mädchen, dass sie bei Recherchen nicht nur unterschiedliche Quellen vergleichen, sondern auch Ergebnisse aus dem Internet mit Informationen aus Büchern abgleichen würden. Inwiefern dies tatsächlich der Fall ist, oder es sich hierbei um ein sozial erwünschtes Antwortverhalten vor dem Hintergrund eines, aus Perspektive dieser Heranwachsenden, legitimen Mediengeschmacks handelt, sei dahingestellt. Des Weiteren fällt bei älteren formal höher gebildeten Jugendlichen auf, dass Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger, deren Eltern über eine niedrigere formale Bildung verfügen als sie selbst, unsicherer sind. Sie gehen bei ihren Recherchen willkürlicher und weniger gezielt vor, haben ein eher unbegründetes Vertrauen in Wikipedia, während andere hier die immanente Selbstkontrolle durch unterschiedliche Autorinnen und Autoren betonen, und scheinen in ihren Antworten besonders bemüht, den legetimen Mediengeschmack zu treffen (z. B. Abgleich von Informationen aus dem Internet mit Büchern). Ältere formal niedriger Gebildete geben sich bei ihren Recherchen schnell zufrieden und am meisten schätzen sie Seiten mit wenig Text. Zur Recherche ziehen diese Jugendlichen ausschließlich die Onlineenzyklopädie Wikipedia heran. Die Informationen auf Wikipedia werden aber zumeist nur überflogen und nicht richtig gelesen, denn die Texte empfinden sie häufig als zu lange und zu schwierig, um sie eingehend zu studieren. Viele betrachten die Sprache in Wikipedia als zu komplex, da sie nicht ihrem Wortschatz entspricht, und daher schwer verständlich ist. Zum Teil brauchen auch ältere formal niedriger gebildete Jugendliche bei den, in der qualitativen Erhebung durchgeführten, Rechercheaufgaben (siehe Abschn. 8.2.2) Unterstützung in der Rechtschreibung. Viele dieser
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formal niedriger gebildeten Jugendlichen sind unsicher in der Absolvierung dieser Rechercheaufgaben. Oft wird dabei die vollständige Frage eingegeben, anstatt mit Stichwörtern gesucht. Häufig erfolgt die Suche wenig zielgerichtet und erscheint eher unkoordiniert und oft wird versucht, die Antwort zu erraten, ohne genau zu recherchieren. Websites werden von diesen Jungen und Mädchen lediglich nach ihrem Design beurteilt und viele lassen sich schnell durch Werbung ablenken. Generell werden Websites mit vielen Informationen als schlecht und solche mit wenigen Informationen als gut betrachtet. Manche vertrauen – verständlicher Weise – nur Seiten, die ihrem Wortschatz entsprechen; andere wirken generell hilflos bei der Beurteilung von Internetseiten. In Bezug auf die technischen Fertigkeiten zeigt sich, dass viele jüngere formal höher Gebildete die Chronik ihres Internetbesuchs nicht löschen können. Gleichaltrige formal niedrig Gebildete haben damit dieselben Probleme, versuchen aber mehrheitlich kreative Lösungen zu finden und sind letztendlich durch das einzelne Löschen jeder besuchten Seite im Verlauf des Browsers erfolgreicher als formal höher gebildete Jungen und Mädchen. Formal niedriger gebildete Elf- bis 14-Jährige wissen mehrheitlich wie man über einen Konvertierer Musik aus dem Internet herunterlädt; unter formal höher Gebildeten ist dieses Wissen in diesem Alter noch nicht so verbreitet. Im Gegensatz dazu kennen sich bereits jüngere formal höher Gebildete gut mit Privatsphäreeinstellungen auf SNS aus bzw. sind sie in der Lage, das in der Schule Gelernte wiederzugeben, was auf formal niedriger Gebildete im gleichen Alter seltener zutrifft. Beide Gruppen achten allerdings bewusst darauf, dass ihre Passwörter nicht gespeichert werden. 15- bis 19-Jährige formal höher Gebildete können die Chronik ihres Internetbesuchs problemlos löschen. Gleichaltrige formal niedriger Gebildete geben an, diese Funktion für ihre Bedürfnisse nicht zu brauchen, und wissen daher nicht auf Anhieb, wie das geht. Durch Ausprobieren schaffen es aber die meisten der älteren formal niedriger Gebildeten die Chronik ihres Internetbesuchs zu löschen bzw. wenden sie, falls sie nicht erfolgreich sind, die gleiche Methode wie die Elf- bis 14-Jährigen formal niedriger Gebildeten an. Manche dieser Jugendlichen wissen zwar theoretisch wie man die Chronik löscht, nutzen diese Funktion allerdings nie und sind dadurch unsicher, wenn sie darum gebeten werden, zu zeigen, wie sie dabei vorgehen. Gerade männliche formal niedriger Gebildete laden gerne illegal und über unterschiedliche Wege wie etwa Peer-to-Peer-Plattformen Musik und Filme aus dem Internet herunter. In dieser Hinsicht erweisen sich vor allem unter den älteren formal niedriger Gebildeten einige als sehr versiert; mögliche rechtliche Konsequenzen und damit verbundene Risiken werden dabei allerdings nicht
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reflektiert. Formal höher Gebildete nutzen wider besseres Wissen ebenfalls einen YouTube-Konvertierer, andere Downloads werden allerdings vermieden. Einige formal höher gebildete Jungen erweisen sich als technisch sehr versiert und können beispielsweise die Firewall des Schulservers umgehen (und führen dies im Rahmen der qualitativen Befragung auch vor). Stellt man sich die Frage nach der Umsetzung und Anwendung des vorhandenen Wissens und der technischen Fertigkeiten und gleicht die Antworten aus dem Fragebogen mit den Ergebnissen der qualitativen Erhebung ab, so fällt auf, dass gerade formal höher gebildete Kinder und Jugendliche eher sozial erwünscht antworten, wenn sie das Gefühl haben, sich nicht konform zu verhalten, und ihr Wissen nicht immer umsetzen können. Dies zeigt sich beispielsweise in der Handhabung der Privatsphäreeinstellungen auf SNS, die zumeist nur in der Theorie beherrscht werden. Viele scheitern an der praktischen Umsetzung bzw. nutzen sie diese Funktionen wider besseren Wissens in ihrer täglichen Nutzung nicht. Selbiges zeigt sich im Hinblick auf rechtliche Grundlagen, wie den Umgang mit geistigem Eigentum (Urheberrecht, Plagiate) oder das Recht am eigenen Bild. Auch dies wird im tatsächlichen Verhalten zumeist ignoriert. Ebenso entpuppt sich ein aktives politisches und gesellschaftliches Engagement im Hinblick auf die allgemeine Internetnutzung der (vor allem älteren) formal höher Gebildeten als sozial erwünschte Selbstdarstellung, die nicht in die Realität umgesetzt wird. Unter formal niedriger Gebildeten sind weniger starke Abweichungen zwischen den theoretischen Fähigkeiten und Fertigkeiten und dem tatsächlichen Verhalten im Internet zu beobachten. Sie wissen und können das, was sie für ihre tägliche Internetnutzung brauchen und begnügen sich auch damit. Sie finden es nicht nötig, sich durch ein sozial erwünschtes Antwortverhalten als besonders reflektiert oder kompetent zu präsentieren. Wenn sie allerdings vor einem Problem stehen, versuchen sie dieses – anders als formal höher Gebildete, die in solchen Fällen eher scheitern und schnell aufgeben – durch einen anderen, manchmal auch umständlicheren, Weg zu umgehen, oder durch Ausprobieren kreativ zu lösen. Bei manchen jüngeren formal niedriger Gebildeten fällt der Widerspruch auf, dass sie im Fragebogen zwar angeben, sich auf SNS und im Internet generell sicher und privat zu fühlen, jedoch bei näherer Betrachtung in ihrem Profil keine Privatsphäreeinstellungen gesetzt haben, viele ihrer Kontakte nicht kennen und des Öfteren negative Erfahrungen mit Werbelinks oder sogenannten „Abzockseiten“ gemacht haben. Zusammenfassend zeigen formal höher gebildete und formal niedriger gebildete Kinder und Jugendliche eine unterschiedliche Medienperformanz. Auf den ersten Blick scheinen formal höher Gebildete allgemein als sicherer
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und reflektierter im Umgang mit dem Internet, über mehr Wissen zu verfügen und besser im Internet recherchieren zu können und wirken somit insgesamt kompetenter als formal niedriger Gebildete im gleichen Alter. In ihrer Medienperformanz zeigt sich, dass sie in der Schule erworbenes Wissen zum Privatsphäremanagement und zu rechtlichen Rahmenbedingungen der Internetnutzung sehr gut wiedergeben können und einen (legitimen) Mediengeschmack habitualisiert haben, der auf abstraktes Wissen, eine informationsorientierte Mediennutzung sowie eine textbasierte, reflektierte und partizipative Internetnutzung ausgerichtet ist. Der Mediengeschmack formal niedriger gebildeter Kinder und Jugendlicher ist stärker auf eine unterhaltungsorientierte Mediennutzung, auf eine weniger text- sondern bildbasierte Internetnutzung und in geringerem Maße auf abstraktes Wissen, sondern auf den praktischen Bedarf ausgerichtet. In der Medienperformanz zeigt sich, dass formal höher gebildete Kinder und Jugendliche über die familiäre Mediensozialisation kulturelles Kapital in Form von Wissen, der Vertrautheit mit einer informationsorientierten Mediennutzung sowie des Umgangs mit Sprache und textbasierten Medieninhalten akkumuliert haben, über die formal niedriger gebildete Kinder nicht in gleichem Maße verfügen. Daher sind sie besser in der Lage, das in der Schule gelernte Wissen über Privatsphäreeinstellungen oder potentielle Gefahren des Internets wiederzugeben. Formal niedriger Gebildete haben größere Schwierigkeiten damit und haben Probleme, ihr Wissen über potentielle Gefahren auch sprachlich zu formulieren. Formal niedriger gebildete Heranwachsende fühlen sich im Gespräch über diese Themen im Rahmen der (im schulischen Umfeld durchgeführten) Leitfadeninterviews eher in einer Testsituation in der sie bemüht sind, „richtige“ Antworten zu geben und dennoch unsicher sind, während formal höher gebildete Gleichaltrige eine genaue Vorstellung von einem legitimen Mediengeschmack haben und wissen, welche Antworten von ihnen als „medienkompetente“ Heranwachsende erwartet werden. Dieses sozial erwünschte Antwortverhalten bei formal höher gebildeten Jungen und Mädchen entpuppt sich vor allem im Vergleich zwischen ihrem Wissen und ihrem tatsächlichen Handeln in Bezug auf Privatsphäreeinstellungen, eine partizipative Mediennutzung, oder rechtliche Rahmenbedingungen des Internets. Vor allem jüngere Heranwachsende können ihr theoretisches Wissen häufig praktisch nicht umsetzen. Vor allem im Hinblick auf die Rechercheaufgaben zeigt sich die Medienperformanz formal niedriger gebildeter Kinder und Jugendlicher als deutlich schwächer. Dies begründet sich aber vor allem darin, dass ihnen diese Aufgaben im Sinne habitualisierter Dispositionen weniger vertraut sind und sie
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im Vergleich zu formal höher gebildeten Heranwachsenden auch nicht über dieselbe Sprache im Sinne eines inkorporierten kulturellen Kapitals verfügen. Textbasierte Internetseiten wie beispielsweise Wikipedia, die nicht ihrem Wortschatz entsprechen, werden so weniger gut verstanden und daher nur überflogen und stattdessen andere Internetseiten bevorzugt. Ebenso lassen sich Schwierigkeiten in der Suche mit Stichworten dadurch erklären, dass eine derartige Recherche diesen Jungen und Mädchen nicht nur weniger vertraut ist, sondern sie auch weniger geübt im Umgang mit Sprache sind. Trotz dieser Schwierigkeiten lässt sich bei diesen Kindern und Jugendlichen eine, sich aus der konkreten praktischen Sinnhaftigkeit erschießende, überlegte, und somit in ihrer Form auch kompetente, Herangehensweise feststellen. Internetseiten, die dem eigenen Wortschatz oder der eigenen Sprache nicht entsprechen, wird weniger Vertrauen entgegengebracht als solchen, deren Inhalte auch verstanden und beurteilt werden können (z. B. Kindersuchmaschinen) und es wird eine eher visuell orientierte Suchstrategie verwendet. Das heißt eine schwächere Medienperformanz hinsichtlich einer textbasierten Recherche muss nicht von vorne herein auf geringere Kompetenzen im Recherchieren hindeuten, denn diese Schwächen können durchaus mittels einer visuell orientierte Recherchestrategie, die sowohl Bilder als auch Videos einschließt, kompensiert werden. Im Hinblick auf technische Fertigkeiten, die weniger über abstraktes Wissen kompensiert werden können und die einen stärkeren Bezug zu alltagspraktischen Herausforderungen haben zeigen sich formal höher Gebildete unsicherer als formal niedriger Gebildete. Wenn formal höher gebildete Jungen und Mädchen mit einer technischen Herausforderung konfrontiert sind, die sie nicht auf Anhieb lösen können, belassen sie es in der Regel dabei bzw. geben sie früh auf, während formal niedriger gebildete Kinder und Jugendliche mehrheitlich versuchen, kreative und andere Lösungen zu finden, wenn sie bei ihrem ersten Versuch scheitern. Damit sind sie oft erfolgreich. Formal niedriger gebildete Heranwachsende sind im Vergleich zu den jeweils formal höher gebildeten Gleichaltrigen häufig versierter im Download urheberrechtlich geschützter Inhalte (v. a. Musik) aus dem Internet. In ihrer technischen Medienperformanz zeigen sie sich also besser als formal höher gebildete Heranwachsende, allerdings erfahren diese Fertigkeiten vor dem Hintergrund jenes legitimen Mediengeschmacks, den formal höher Gebildete wesentlich stärker verinnerlicht haben als formal niedriger Gebildete, eine geringere Anerkennung als Vergleichsweise die textbasierte Recherche nach Informationen.
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8.7 Typisches Medienhandeln aus Perspektive individueller Handlungsstrategien Wie in Abschn. 8.2.2 dargestellt, wurden in der qualitativen Teilstudie nach einer allgemeineren fallübergreifenden Analyse ebenso detaillierte Einzelfallanalysen vorgenommen. Zudem wurde jeder Einzelfall einer hermeneutischen Habitusanalyse unterzogen. Dabei wurden die Elementarkategorien der Habitushermeneutik nach Bremer und Teiwes-Kügler (2013b, Tab. 8.6) in semantische Differenziale umgewandelt und zusätzliche Kategorien formuliert, die sich auf Spezifika des medialen Habitus (Tab. 8.6) sowie auf die Medienperformanz (Tab. 8.8) beziehen. Auf dieser Grundlage wurde für jeden Einzelfall ein Polaritätsprofil erstellt (siehe Anhang). Basierend auf diesen Polaritätsprofilen sowie zusätzlichen Informationen aus der qualitativen sowie der quantitativen Erhebung wurde eine qualitative Typenbildung vorgenommen. Dabei wurden die 50 Einzelfälle anhand ihrer Medienperformanz und Einschätzung des eigenen Medienhandelns zu Typen zusammengefasst, die in sich möglichst homogen und zugleich im Hinblick auf den Vergleich mit anderen Typen möglichst heterogen sind. Die auf diese Weise entstandenen Typen wurden hinsichtlich des sozialen Milieus, der lebensweltlichen Orientierung sowie des allgemeinen und medialen Habitus untersucht und es wurden typenbezogene Handlungsstrategien im Umgang mit dem Internet im Allgemeinen und dem Social Web im Besonderen herausgearbeitet.
8.7.1 Bestimmung von Milieu und lebensweltlicher Orientierung Bevor die einzelnen Typen näher beschrieben werden, muss zunächst der in dieser Studie verwendete Begriff des sozialen Milieus sowie der lebensweltlichen Orientierung geklärt werden. Grundsätzlich entstammt der Milieubegriff der soziologischen Forschung zur sozialen Ungleichheit. Soziale Beziehungsgefüge und deren innewohnenden sozialen Ungleichheiten erweisen sich heute als sehr komplex und vieldimensional strukturiert. Verschiedene theoretische Ansätze versuchen sich dem Phänomen der sozialen Schichtung und den damit verbundenen Ausprägungen sozialer Ungleichheit anzunähern. Grundlegende Ansätze zur Klassen- und Ständegesellschaft finden sich im streng dichotomen Klassenmodell von Marx (Marx und Engels 2006/1848), das primär auf der Stellung der Individuen im Produktionsprozess aufbaut (Kapitalisten versus Proletariat) (Groß 2015, S. 16–24), und in der Gesellschaftstheorie Webers (1922),
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in dessen Zentrum nicht der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital, sondern die rationale Organisation des Wirtschaftens steht (Groß 2015, S. 29–30). Weber geht davon aus, dass soziale Ungleichheit nicht auf Ausbeutung und inneren Widersprüchen der Produktionsverhältnisse, sondern auf der Verwertung von Ressourcen auf dem Markt basiert, was Marxs ökonomischen Determinismus überwindet und eine tiefergehende Betrachtung des sozialen Gefüges ermöglicht, die auch innerhalb der Herrschenden (Kapitalisten) und der Unterdrückten (Proletariat) differenziert. Zentral sind die Chancen des bzw. der Einzelnen auf dem Markt. Eine wichtige Ressource ist der Besitz in Form materieller Güter bzw. die Besitzlosigkeit (Thieme 2000, S. 186–187). Arbeiterinnen und Arbeiter unterscheiden sich nach Weber über ihre Qualifikation, die zu Vor- bzw. Nachteilen auf dem Arbeitsmarkt führt. Unterschiedliche Lebensumstände beruhen demnach auch auf Bildungsunterschieden. Neben dem Begriff der Klasse verwendet Weber auch jenen des Standes. Während Klassen sich auf die wirtschaftliche Ordnung beziehen, beziehen sich Stände auf die soziale Ordnung und legitimieren sich durch Tradition; sie zeichnen sich durch Gemeinsamkeit in der Lebensführung aus (ebd., S. 175). Als Weiterführung dieser historischen Ansätze entwirft Parkin (1979) eine Klassentheorie, die Marxs Ansatz mit Webers Schließungsbegriff, welcher die Abgrenzung sozialer Klassen untereinander durch Ausschluss bzw. Exklusivität bezeichnet, kombiniert. Ausschließungsprozesse (etwa durch juristische oder politische Regulierung) beziehen sich in modernen Gesellschaften vorrangig auf Besitz (Zugang zu Produktionsmitteln und produzierten Produkten) und Bildung (manifestiert durch Bildungsabschlüsse und Zertifikate) (Groß 2015, S. 55–58). Differenzierungen innerhalb gesellschaftlicher Klassen basieren auf unterschiedlichen Strategien der Schließung und der Auflehnung dagegen. Ausschließungsprozesse sind nach Parkin Ursache sozialer Ungleichheit; das Aufbegehren dagegen führt zu Konflikten, die wiederum zu sozialem Wandel führen können (ebd., S. 58–62). Eine andere Weiterentwicklung der historischen Klassentheorie wurde von Erikson et al. (1979; Erikson und Goldthorpe 1992) vorgelegt; das sogenannte EPG-Schema oder Goldthorpe Class Scheme ist allerdings weniger stark als Parkins Theorie auf diverse Schließungsprozesse ausgerichtet (Groß 2015, S. 69–86). Andere Ansätze stellen sogenannte Status- oder Presigeskalen dar, in welchen die Wertschätzung einer beruflichen Position bzw. Tätigkeit (Prestige) und andere Merkmale einer gesellschaftlichen Position bzw. beruflichen Stellung wie Einkommen und Bildung (Status) quantifiziert und in einer hierarchischen Skala dargestellt werden (Hradil 2000, S. 204). Beispiele dafür sind Boltes Zwiebelmodell (Bolte und Hradil 1988), Dahrendorfs Hausmodell (Burzan 2011), oder das Modell von Geißler (1994, S. 74–194). Diese Ansätze eignen sich jedoch weniger
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zur Erklärung von Zusammenhängen zwischen sozialem Handeln und sozialen Strukturen. Für die vorliegende Studie dient daher die Theorie Bourdieus (1979) als zentraler Anknüpfungspunkt. Gemäß diesem Ansatz liegt die Ursache sozialer Ungleichheit in Ausschließungsprozessen bzw. der Distinktion, also der bewussten Abgrenzung zwischen sozialen Gruppen. Bourdieu unterteilt die Gesellschaft in drei soziale Klassen: die herrschende Klasse, die mittlere Klasse und die Volksklasse. Auf diesen drei vertikal ausgerichteten Ebenen ordnet er soziale Milieus an, die sich durch unterschiedlich verteilte Kapitalien und einen bestimmten Habitus auszeichnen bzw. einer bewussten Distinktion voneinander unterscheiden und als Ergebnis dessen verschiedene Positionen im sozialen Raum, der durch Kapitalstruktur und Kapitalvolumen als zentrale Bezugsachsen strukturiert ist, einnehmen. Dabei geht er von der Annahme aus, dass sich soziale Milieus durch spezifische kulturelle Praktiken und einen ganz bestimmten Lebensstil auszeichnen, die wiederum Grundlage der Reproduktion der gegebenen Klassenstruktur sind. Hier zeigen sich ebenso Ähnlichkeiten mit der Soziologie Giddens, welcher betont, dass „[s]ociety only has form, and that form only has effects on people, insofar as structure is produced and reproduced in what people do“ (Giddens und Pierson 1998, S. 77). Dass Bourdieus Unterscheidung sozialer Milieus anhand ungleich verteilter Kapitalien und daraus resultierender unterschiedlicher milieuspezifischer Handlungs- und Verhaltensweisen auch aktuell anwendbar ist, haben Bennett et al. (2009) im Hinblick auf die britische Gesellschaft gezeigt. Der Milieubegriff nach Bourdieu geht insofern über eine reine Beschreibung der sozialen Lage gesellschaftlicher Klassen hinaus, als er ebenso Einstellungen, Werte und Mentalitäten einbezieht (siehe Kap. 3). In diesem Sinne beschreiben Milieus soziale Gruppen, die sich durch einen bestimmten Lebensstil auszeichnen, der sowohl durch objektive Lebensbedingungen als auch subjektive Faktoren sowie subjektive Auseinandersetzungen und Interpretationen der äußeren Lebensbedingungen bestimmt ist. In gleichen sozialen Lagen sind daher verschiedene gemeinsame Lebensstile unterschiedlicher sozialer Milieus genauso möglich, wie sich soziale Milieus über verschiedene soziale Lagen erstrecken können (Groß 2015, S. 105–107; Hradil 2000, S. 210). Auch das Marktforschungsinstitut Sinus Sociovision (Becker und Nowak 1985) knüpfte bei der Entwicklung des 41 Komponenten umfassenden Sinus-Milieu-Indikators an diesen Milieubegriff an. Basierend auf dem Sinus-Milieu-Indikator definierte Sinus Sociovision anhand der Achsen Soziale Lage und Lebensweltliche Grundorientierung acht soziale Milieus, deren aktuelle Ausrichtung und Orientierung für die Zwecke der Marktforschung über regelmäßige Erhebungen laufend aktualisiert werden.
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Der in der vorliegenden Studie verwendete Milieubegriff orientiert sich stark an Bourdieu und berücksichtigt zudem die lebensweltliche Grundorientierung ähnlich den Sinus Milieus von Sinus Sociovision. Allerdings erfolgte die Milieuzuordnung nicht über die quantitative, sondern über die qualitative Datenerhebung. Ein Hauptgrund für diese Entscheidung liegt darin, dass der Sinus-Milieu-Indikator für Erwachsene und vor dem Hintergrund der Marktforschung entwickelt wurde und auch Bourdieu widmete sich in seiner Forschung primär Erwachsenen. In der quantitativen Studie wurden aber nicht nur junge Erwachsene bis 30 Jahre, sondern auch Jugendliche und Kinder ab einem Alter von zehn Jahren befragt; welche besonders im Fokus der daran anschließenden qualitativen Untersuchung standen. Es war daher davon auszugehen, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen Fragen zu ihrer sozialen Lage und ihrer lebensweltlichen Orientierung gleichermaßen verstehen, interpretieren und beantworten hätten können. Darüber hinaus diente die quantitative Erhebung als Screening für zwei weiterführende qualitative Studien (siehe Abschn. 8.2) und war daher an sich schon relativ lang; zusätzliche Fragebatterien hätten die Rücklaufquote wahrscheinlich stark reduziert. Daher wurden stattdessen in den qualitativen Leitfadeninterviews Fragen gestellt, die sowohl an die Sinus-Typologie als auch an Bourdieus Milieubeschreibungen angelehnt waren. Im Mittelpunkt stand dabei vor allem die Kategorie Bildung, weil sich diese sowohl in der eigenen Vorläuferstudie zu Model-Castingshows (Kap. 7) als auch in anderen Studien (Abschn. 8.1) als ein besonderer Einflussfaktor im Hinblick auf Unterschiede von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Medien herausgestellt hat. Folgende Indikatoren wurden dafür herangezogen: • Formale Bildung der Eltern*) • Formale Bildung der Kinder (Konstanz, Aufstieg, Abstieg im Vergleich zu den Eltern) • Beruf der Eltern • Bewertung schulischer Erfolg/Ausbildung durch Kinder • Bewertung schulischer Erfolg/Ausbildung durch Eltern *)Die Angaben über die Eltern stammen von den befragten Heranwachsenden. Für die Einordnung der Heranwachsenden und ihrer Familien wurden auch der Migrationshintergrund und die Wohnregion (Stadt/Land) abgefragt. Dies stellte sich allerdings nicht als relevant für die soziale Einordnung der Familien dar; die größten Unterschiede zeigten sich entlang der formalen Bildung sowie des Berufs der Eltern.
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Daher wurden mit Fokus auf die genannten Indikatoren und in Anlehnung an Bourdieu induktiv aus dem empirischen Material heraus sechs Bildungsmilieus definiert und folgende Milieubeschreibungen entwickelt: Etablierte Intellektuelle finden sich in gehobenen Akademikerberufen (z. B. Arzt/Ärztin, Hochschulprofessor/Hochschulprofessorin), entweder in einem Anstellungsverhältnis, oder sie sind freiberuflich tätig. Dem schulischen Erfolg bzw. der (universitären) Ausbildung wird eine große Bedeutung beigemessen. Etablierte Unternehmer führen einen großen Betrieb mit vielen Angestellten und verfügen zum Teil über ein (Fach-)Abitur oder eine Ausbildung in einem Lehrberuf. Dem schulischen Erfolg wird nur bedingt Bedeutung beigemessen, essenzielle Kompetenzen für den Beruf werden außerhalb der Schule (im Berufsleben) gesammelt. Mittlere Unselbstständige verfügen über ein (Fach-)Abitur mit einer anschließenden mittleren oder höheren Ausbildung an einer Akademie oder (Fach-)Hochschule, oder sind direkt nach dem Abitur ins Arbeitsleben eingestiegen (z. B. Bankangestellte). Dem schulischen Erfolg bzw. der Ausbildung wird zum Teil eine große Bedeutung beigemessen, vor allem, wenn man sich daraus einen gesellschaftlichen Aufstieg erhofft. Allerdings ist dies nicht das Maß aller Dinge („man muss nicht unbedingt studiert haben, um erfolgreich zu sein“). Mittlere Selbstständige verfügen über ein (Fach-)Abitur mit einer anschließenden mittleren oder höheren Ausbildung an einer Akademie oder (Fach-)Hochschule, oder sind direkt nach dem Abitur ins Arbeitsleben eingestiegen. Sie sind freiberuflich tätig oder haben einen eigenen Betrieb. Dem schulischen Erfolg bzw. der Ausbildung wird zwar eine gewisse Bedeutung beigemessen, aber die wesentlichen Kompetenzen für einen beruflichen (und somit auch gesellschaftlichen) Erfolg lernt man außerhalb der Schule. Niedrige Unselbstständige haben keinen Schulabschluss oder verfügen maximal über einen Pflichtschulabschluss mit anschließender Lehre. Sie sind in Lehrberufen oder als ungelernte Arbeiterinnen und Arbeiter tätig. Dem schulischen Erfolg bzw. der Ausbildung wird eine geringe Bedeutung beigemessen; zum Teil wird eine abgeschlossene Berufsausbildung als wichtig erachtet, vor allem, wenn man sich daraus einen gesellschaftlichen Aufstieg erhofft.
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Niedrige Selbständige haben keinen Schulabschluss oder verfügen maximal über einen Pflichtschulabschluss mit anschließender Lehre. Sie sind freiberuflich tätig (oft in prekären beruflichen Situationen, z. B. private Paketzusteller oder Reinigungskräfte) oder haben einen eigenen Betrieb (z. B. Bauernhof, Frühstückspension oder kleiner Handwerksbetrieb). Dem schulischen Erfolg bzw. der Ausbildung wird eine geringe Bedeutung beigemessen. Zusätzlich zu den soziodemografischen Daten Beruf und formale Bildung sowie der Bewertung des schulischen Erfolgs bzw. der Ausbildung wurden auch Fragen zur allgemeinen Lebenseinstellung gestellt. Dazu gehören die Wohnsituation und die Einrichtung der Wohnung bzw. des eigenen Hauses, die Freizeitgestaltung der Eltern sowie gemeinsame Unternehmungen der Familie (z. B. Urlaub, Ausflüge, kulturelle Aktivitäten, sportliche Aktivitäten etc.). Um eine, über den Faktor Bildung hinausgehende Beschreibung sozialer Milieus zu erhalten, wurden – abermals induktiv aus dem empirischen Material heraus – in Anlehnung an die Sinus Milieus folgende Ausprägungen hinsichtlich der lebensweltlichen Orientierung formuliert: weltoffen Hier stehen eine große Offenheit gegenüber Neuem und eine internationale Orientierung im Mittelpunkt. In der Familie wird über Politik und aktuelle Entwicklungen diskutiert. Die Eltern besuchen oft alleine kulturelle Veranstaltungen und auch als gesamte Familie werden Museen und kulturelle Veranstaltungen besucht. Häufig werden Musikinstrumente gespielt, seltener wird diese Tätigkeit aber in einem Verein ausgeübt. Gemeinsame Urlaube sind sehr unterschiedlich und reichen vom Städte-/Bildungsurlaub bis zum Badeurlaub. Kennzeichnend ist hier, dass dabei zumeist unterschiedliche Länder besucht und verschiedene Formen des Urlaubs kombiniert werden; selten wird der Familienurlaub wiederholt am selben Ort verbracht. mainstream/modern Diese lebensweltliche Orientierung kann als Mittelmaß zwischen einer weltoffenen bzw. traditionellen Ausrichtung verstanden werden. Im Mittelpunkt stehen Genuss und Selbstverwirklichung, die einerseits ein gewisses Maß an Weltoffenheit verlangen und insofern durch einen modernen Lebensstil gekennzeichnet sind, als dass man immer versucht, up to date zu sein und zeitgemäße Freizeitbeschäftigungen, Kleidungsstile, technische Ausstattungen etc. bis hin zu gerade „angesagten“ Lebenseinstellungen bzw. -vorstellungen mitzumachen. Andererseits endet diese Offenheit, sobald man sich zu viel auf Unbekanntes einlassen muss; dann orientiert man sich doch eher an traditionellen Werten. Selten werden mit der Familie (hoch-)kulturelle Veranstaltungen besucht;
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lieber geht man gemeinsam ins Kino, Essen oder besucht ein Einkaufszentrum. Die häufigste Form des gemeinsamen Familienurlaubs ist ein Badeurlaub in klassischen Tourismusregionen am Meer. traditionell Diese lebensweltliche Orientierung ist von traditionellen Werten, und einem „geordneten, bodenständigen Leben“ geprägt. In der Freizeit werden keine großen Unternehmungen gemacht, oft ist man Mitglied in einem Verein (z. B. Blasmusik, Trachtenverein, Fußballverein etc.). Als Familienunternehmungen werden Wandern, Schwimmen, Schifahren und der Besuch von Einkaufszentren bevorzugt. Gerade ein Ausflug in ein Einkaufszentrum in der nächsten größeren Stadt bedeutet für diese Gruppe bereits einen Hauch von großer Welt zu spüren und damit gibt man sich in der Regel auch schon zufrieden. Der Urlaub wird entweder bewusst zuhause, oder zumindest im Heimatland verbracht oder in einer klassischen Tourismusregion am Meer. Bezeichnend ist die Tendenz, den Urlaub wiederholt am selben Ort zu verbringen – Vertrautes wird Neuem vorgezogen. Die Fragen zur lebensweltlichen Orientierung wurden ebenfalls aus Perspektive der Heranwachsenden beantwortet, da eine gleichzeitige Befragung der Eltern nicht möglich war. Die Milieubeschreibungen müssen insgesamt eher oberflächlich bleiben, da tiefergehende Informationen zur lebensweltlichen Orientierung der Familie oder der Heranwachsenden fehlen. Da in der vorliegenden Studie nicht in erster Linie eine genaue Einordnung verschiedener Milieus im Sinne der Sinus-Kartoffelgrafik, sondern vor allem die Herausarbeitung von Bildungsmilieus im Mittelpunkt steht, ist diese einfache Milieubeschreibung jedoch ausreichend. In einem weiteren Schritt wurden die einzelnen Milieus im Hinblick auf das Vermögen an unterschiedlichen Kapitalien beschrieben (Tab. 8.26); diese Beschreibungen wurden ebenfalls induktiv aus dem Material abgeleitet. Daraus ergeben sich folgende Milieubeschreibungen: Etablierte Intellektuelle sind vorwiegend weltoffen und haben eine generell hohe Kapitalausstattung. Sie verfügen vor allem über hohes kulturelles und soziales Kapital und in vielen Fällen auch über ein hohes oder zumindest mittleres ökonomisches Kapital. Etablierte Unternehmer sind hingegen in erster Linie durch ein hohes ökonomisches Kapital gekennzeichnet und verfügen über ein hohes bis mittleres soziales Kapital und zumeist über wenig oder maximal mittleres kulturelles Kapital. In ihrem Lebensstil orientieren sie sich besonders am sogenannten Mainstream und sie können sich einen modernen und genussorientierten Lebensstil auch leisten. Die Selbstverwirklichung steht sowohl
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Tab. 8.26 Beschreibung von Bildungsmilieus Bildungsmilieu
Ökonomisches Kapital
Soziales Kapital Kulturelles Lebensweltliche Kapital Orientierung
Etablierte Intellektuelle
Hoch bis mittel
Hoch
Hoch
Vorwiegend weltoffen, z. T. auch mainstream/modern
Etablierte Unter- Hoch nehmer
Hoch bis mittel
Mittel bis wenig
Vorwiegend mainstream/modern, z. T. auch traditionell
Mittlere Mittel Unselbstständige
Mittel
Hoch bis mittel
Vorwiegend mainstream/modern, selten weltoffen, z. T. auch traditionell
Mittlere Selbstständige
Mittel
Mittel
Mittel
Vorwiegend mainstream/modern, z. T. auch traditionell
Niedrige Wenig Unselbstständige
Wenig
Wenig
Eher traditionell, z. T. mainstream/ modern
Niedrige Selbst- Wenig ständige
Mittel bis wenig Wenig
Eher traditionell, z. T. mainstream/ modern
beruflich als auch privat im Mittelpunkt. Manchmal trifft man in diesem Milieu auch auf eine Orientierung an traditionellen Werten und einem „geordneten Leben“. Mittlere Unselbstständige besitzen ein mittleres ökonomisches und soziales Kapital sowie über ein mittleres und teilweise auch hohes kulturelles Kapital; zumeist ist eine Orientierung am Mainstream, seltener eine weltoffene Einstellung anzutreffen. Mittlere Selbstständige verfügen generell über eine mittlere Kapitalausstattung, sind ebenfalls vorwiegend am Mainstream orientiert und nur selten von Weltoffenheit geprägt. Niedrige Unselbstständige sind mit allen Kapitalien gering ausgestattet und klammern oft am Vertrauten und Traditionellen. Teilweise sind sie auch am Mainstream orientiert und versuchen, soweit es vor allem auch ihre ökonomische Ausstattung erlaubt, aktuelle und moderne Entwicklungen mitzuleben. Niedrige Selbstständige verfügen über ein sehr begrenztes ökonomisches Kapital und auch wenig kulturelles Kapital. Die Ausstattung mit sozialem Kapital ist in der Regel ebenfalls eher wenig bis mittel. Die lebensweltliche Orientierung reicht von mainstream/modern bis zu traditionell.
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8.7.2 Medienhandlungstypen Die Bestimmung der Medienhandlungstypen basiert auf 50 Einzelfallanalysen, bei denen wie oben beschrieben vorgegangen wurde. Es lassen sich bei den Untersuchten Kindern und Jugendlichen fünf typische Formen des Medienhandelns mit besonderem Fokus auf das Internet feststellen, welche nachfolgend im Detail beschrieben werden. Für jeden Einzelfall wurde ein Polaritätsprofil im Hinblick auf den allgemeinen Habitus, den medialen Habitus und die Medienperformanz erstellt. Ermittelt man pro Medienhandlungstyp die Mittelwerte der jeweiligen Kategorien und stellt sie einander gegenüber, so lassen sich bereits deutliche Unterschiede feststellen (Abb. 8.20): Typ 1 (Angepasste) und Typ 3 (Experten) tendieren im Polaritätsprofil deutlich nach links, während Typ 5 (Reflektierte) im Hinblick auf den allgemeinen Habitus und den medialen Habitus eher in der Mitte angesiedelt ist und lediglich im Bereich der Medienperformanz teilweise nach links tendiert. Typ 4 (unterteilt in jüngere [4a] und ältere [4b] Unsichere) und Typ 2 (intuitive Techniker) tendieren deutlich nach rechts. Kinder und Jugendliche, die den links angeordneten Typen angehören, gehören eher zu den mittleren und oberen Bildungsmilieus, orientieren sich eher an einem legitimen Mediengeschmack und erweisen sich in ihrer Medienperformanz als selbstsicherer, versierter in der Informationssuche sowie kritischer und reflektierter. Heranwachsende, die den rechts angeordneten Typen angehören, gehören eher zu den mittleren und unteren Bildungsmilieus, orientieren sich weniger an einem legitimen Mediengeschmack und erweisen sich in ihrer Medienperformanz als weniger selbstsicher, unsicherer in der Informationssuche sowie (zumindest auf den ersten Blick) als weniger kritisch und reflektiert. Somit kristallisieren sich auf vielfältige Weise Zusammenhänge zwischen Habitus, medialem Habitus und Medienperformanz heraus, auf die in den Beschreibungen der jeweiligen Medienhandlungstypen näher eingegangen wird. Zur Illustration der einzelnen Typen wird pro Typ ein Einzelfall genauer dargestellt; im Anhang finden sich die Polaritätsprofile aller untersuchten Kinder und Jugendlichen. Typ 1: Angepasste (4 Mädchen, 4 Jungen) Alle Heranwachsenden, die diesem Typus zugeordnet werden können, sind zwischen 14 und 16 Jahre alt und formal höher gebildet. Sie besuchen allesamt ein Gymnasium und die Mehrheit entstammt dem Milieu der Etablierten Intellektuellen. Zumindest ein Elternteil dieser Jungen und Mädchen hat einen Universitätsabschluss und/oder beruflich eine leitende Position inne. Zwei dieser Jugendlichen kommen aber auch aus dem Milieu der Niedrigen Unselbstständigen.
Abb. 8.20 Übersicht Typenbildung (eigene Darstellung)
gelb: Elementarkategorien der Medienperformanz
grün: Elementarkategorien des medialen Habitus
blau: Elementarkategorien der Habitushermeneutik
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Sie repräsentieren den Typus des klassischen Aufsteigers bzw. der klassischen Aufsteigerin im Sinne Bourdieus und haben sich nach der Mittelschule70 den Aufstieg ins Gymnasium erkämpft. Beide haben sich trotz geringer Unterstützung aus ihrem familiären Umfeld bewusst für diesen Weg entschieden, weil sie einen Beruf anstreben, der ein Universitätsstudium erfordert. Sie sind bemüht, sich dem sozialen Umfeld der Schule sowie dem Milieu ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler zu assimilieren. Daher sind sie in ihrer Medienperformanz besonders angepasst und bemüht, sozial erwünscht zu antworten, um damit dem angenommenen legitimen Mediengeschmack zu entsprechen. Die Jugendlichen befinden sich in einer Phase, in der endgültig die Weichen für ihr zukünftiges Berufsleben gestellt werden.71 Sie sind sich dessen bewusst und streben das Abitur und ein anschließendes Studium an, um eine gute Position in der Gesellschaft zu erreichen. Im Hinblick auf ihre Entwicklungsaufgaben spielt daher auch die Sachauseinandersetzung mit der handlungsleitenden Frage einer allgemeinen Orientierung in der Welt eine besondere Rolle und auch in ihrer Mediennutzung ist die Suche nach Informationen von Bedeutung. Zugleich befinden sich diese Jugendlichen in der Hochphase der Pubertät, in der die Selbstauseinandersetzung und das Identitätsmanagement sowie die Sozialauseinandersetzung und das Management von Beziehungen eine zentrale Rolle spielen. Medial nutzen die Jungen und Mädchen, die diesem Typ zugeordnet werden, dafür auch SNS, um sich über die Selbstpräsentation auf der Profilseite auszuprobieren und Beziehungen zu Freundinnen und Freunden zu pflegen. In ihrem allgemeinen Habitus zeigen sich diese Jugendlichen ausgesprochen selbstsicher und entweder aufstiegsorientiert oder (wenn sie bereits dem obersten Bildungsmilieu entstammen) auf ihre gesellschaftliche und berufliche Karriere fokussiert. Dennoch sind sie nicht hierarchisch, sondern eher egalitär und gemeinschaftsorientiert eingestellt. Sie zeigen sich intellektuell orientiert
70Anmerkung zum österreichischen Schulsystem: Nach vier Jahren Volksschule haben Heranwachsende die Möglichkeit entweder die Mittelschule oder das Gymnasium zu besuchen. Das Gymnasium ist eine achtjährige allgemeinbildende höhere Schule, die mit dem Abitur abschließt. Nach der Mittelschule besteht die Möglichkeit, ein Jahr die Polytechnische Schule zu besuchen und danach eine Lehre zu machen, oder als ungelernte Arbeitskraft ins Berufsleben einzusteigen. Schülerinnen und Schüler mit guten Leistungen in der Mittelschule haben die Möglichkeit auf ein Oberstufengymnasium zu wechseln (vierjährige allgemeinbildende höhere Schule, die mit Abitur abschließt). Darüber hinaus können nach der Mittelschule berufsbildende mittlere und höhere Schulen besucht werden, die z. T. mit einem Fachabitur abschließen (z. B. im Bereich Technik, Handel, Tourismus etc.). 71Siehe vorhergehende Fußnote.
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und weisen der Ästhetik eher eine größere Bedeutung als der Funktionalität zu, dennoch steht aus ihrer Perspektive die Form nicht zwangsläufig über dem Inhalt. In den Familien dieser Jungen und Mädchen ist das medienökonomische Kapital eher hoch und viele besitzen einen eigenen Computer oder Laptop und haben einen Internetzugang in ihrem eigenen Zimmer. Sowohl die Heranwachsenden als auch ihre Eltern zeichnen sich durch eine primär informationsorientierte Mediennutzung aus und die Jungen und Mädchen erweisen sich – mehr noch als ihre Eltern – an einem hochkulturellen medialen Geschmack orientiert. Alle berichten davon, dass ihre Mediennutzung sowohl inhaltlich als auch zeitlich reguliert wurde, als sie noch jünger waren. Jetzt vertrauen ihnen ihre Eltern zumeist und gestatten ihnen eine selbstbestimmte Mediennutzung; Gespräche über Medien und Medieninhalte finden aber dennoch in den Familien statt. Dabei zeigt sich, dass die Medienerziehungskonzepte der Eltern stark an medienkritischen Diskursen orientiert sind (z. B. keine zu frühe Internetnutzung, Spiele im Freien sind besser als Bildschirmmedien, Förderung eines kritischen Medienumgangs und Schutz der Privatsphäre). Diese Orientierung wurde von den Jungen und Mädchen verinnerlicht, denn auch sie geben ähnliche Ansätze wieder, wenn sie nach Vorstellungen zur Medienerziehung jüngerer Kinder oder gar zukünftiger eigener Kinder gefragt werden. Das Lesen ist sowohl für die Heranwachsenden als auch ihre Familien von zentraler Bedeutung und Bücher an sich bzw. auch der Besitz von Büchern werden als äußerst wichtig erachtet. Das Fernsehen und zum Teil auch das Internet nutzen diese Jungen und Mädchen ähnlich wie ihre Eltern sehr gezielt und die Rezeption von Nachrichten über das Fernsehen oder über Printmedien spielt ebenso eine große Rolle. Viele dieser Familien haben eine sogenannte Qualitätszeitung abonniert, wodurch diese Jungen und Mädchen einen leichten Zugang dazu haben. Daher zeigen sich diese Heranwachsenden versiert in der textbasierten Recherche nach Informationen und auch in der Beurteilung von Websites erweisen sie sich ebenfalls als kritisch und sicher Des Weiteren zeichnen sie sich durch ein hohes Wissen über Medien und das Mediensystem und besonders im Hinblick auf potentielle Risiken des Internets aus. Sie geben in den Interviews einwandfrei jenes Wissen wieder, das ihnen in der Schule vermittelt wurde (z. B. zu Urheberrechten, Persönlichkeitsrechten, der Reichweite und Langlebigkeit des Internets und dem Schutz der Privatsphäre). Zum Teil ist hier aber auch ein sozial erwünschtes Antwortverhalten durch Widersprüche zwischen den Angaben im Fragebogen und in den Interviews oder durch Widersprüche zwischen dem wiedergegebenen Wissen und dem tatsächlichen Handeln erkennbar. Besonders deutlich zeigt sich dies bei jenen beiden
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eranwachsenden, die als Bildungsaufsteiger dem Milieu der niedrigen UnselbstH ständigen entstammen. Widersprüche zeigen sich vor allem zwischen dem wiedergegebenen Wissen und dessen praktischer Umsetzung in alltägliches Handeln. Obwohl diese Heranwachsenden betonen, wie wichtig der Schutz der Privatsphäre sei, dass man genau überlegen solle was man im Internet veröffentlicht, dass man wenige Bilder von sich selbst veröffentlichen solle und vor allem bei der Veröffentlichung von Fotos darauf achten solle, dass diese möglichst neutral sind, handeln sie auf ihren SNS-Profilen gänzlich anders. So hat beispielsweise die Mehrheit dieser Jungen und Mädchen technische Schwierigkeiten damit, in ihrem SNS-Profil zu zeigen, wie und wo Privatsphäreeinstellungen vorgenommen, oder wie Kontakte gruppiert und mit unterschiedlichen Rechten ausgestattet werden können, obwohl sie angeben, dies regelmäßig zu tun. Daher hat auch keiner dieser Heranwachsenden genaue Privatsphäreeinstellungen definiert, obwohl dies als besondere Vorsichtsmaßnahme im Umgang mit SNS hervorgehoben wird. Ebenso finden sich vor allem auf den Profilen der Mädchen viele Fotos in modelhaften und teilweise sogar aufreizenden Posen, obwohl dies in den Fragebögen nicht angegeben und in den Interviews (z. T. in deutlicher Abgrenzung von anderen sozialen Milieus) verurteilt wird. Auch peinliche Pinnwandeinträge oder Kommentare werden nicht gelöscht, obwohl die Heranwachsenden dazu in der Lage wären, weil ihnen offensichtlich die Selbstpräsentation darüber wichtiger ist. Hier zeigt sich ein deutlicher Konflikt in der Medienperformanz dieser Heranwachsenden. In der Phase der Pubertät fühlen sie sich besonders zu SNS hingezogen, um sich mit Gleichaltrigen auszutauschen. Die Selbstpräsentation ist ihnen dabei im Rahmen ihres Identitätsmanagements und ihrer Selbstauseinandersetzung besonders wichtig. Privatsphäreeinstellungen sind ihnen dabei nicht wichtig, weil sie das Gefühl haben, sich auf SNS ohnehin nur mit FreundInnen und persönlichen Bekannten auszutauschen, daher hat ein intensives Privatsphäremanagement für sie keinen praktischen Sinn und würde lediglich einen zusätzlichen Aufwand bedeuten. Zugleich haben diese Jungen und Mädchen einen legitimen Mediengeschmack verinnerlicht, demgemäß ein derartiges Handeln und Verhalten nicht angemessen ist. Zudem wissen sie genau, was in der Schule als medienkompetentes Handeln betrachtet wird. Sie sind aus dem Schulunterricht mit der Aufgabe vertraut, „richtiges Verhalten bzw. Handeln“ im Internet zu diskutieren und sich als kritisch und reflektiert im Umgang mit Medien zu präsentieren. Daher wissen sie auch bei der Beantwortung des Fragebogens, sich als medienkompetent zu präsentieren und antworten daher vielfach sozial erwünscht. Wenn ihnen in den Interviews bewusst wird, dass ihr tatsächliches Medienhandeln zutage tritt, werten sie zumeist SNS
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ab indem sie betonen, dass ihnen ihre SNS-Profile ohnehin nicht so wichtig wären und sie diese „nur zum Spaß“ nutzen würden. Damit versuchen sie sich von anderen, besonders von formal niedriger Gebildeten, abzugrenzen. Diese Jungen und Mädchen erweisen sich technisch generell unsicherer, als es der erste Eindruck erwarten lässt. Oft sind sie nicht in der Lage, ihr erworbenes theoretisches Wissen sowie im Unterricht geübte Fertigkeiten in ihre alltägliche Nutzungspraxis umzusetzen. Viele haben beispielsweise Probleme den Verlauf einer Suchanfrage zu löschen oder sich in einem unbekannten Internetbrowser zurechtzufinden. Die meisten haben Schwierigkeiten mit dem legalen sowie illegalen Download von Inhalten aus dem Internet. Zum einen sind diese Probleme rein technischer Natur (z. B. Wiederfinden der heruntergeladenen Datei auf dem Computer), zum anderen können sie in der Praxis nicht genau zwischen einer legalen und einer illegalen Anwendung unterscheiden. So nutzen manche einen YouTube-mp3-Konvertierer, ohne dass ihnen bewusst ist, dass sie mit dieser Art des Downloads gegen das Urheberrecht verstoßen. Jenen, denen die Urheberrechtsverletzung bewusst ist, bagatellisieren zumeist ihre Nutzung („eigentlich mache ich das ohnehin fast nie“). Zusammenfassend verfügen diese Jungen und Mädchen über ein hohes Wissen über das Internet, können es aber nicht immer in die Praxis umsetzen. Sie sind technisch eher unsicher, dafür erweisen sie sich als gut und sicher in der Recherche nach und in der Beurteilung von Informationen. Sie haben eine konkrete Vorstellung von einem legitimen Medienumgang, sind es aus der Schule gewohnt, über ein angemessenes Verhalten im Umgang mit Medien zu diskutieren, und wissen wie sich diesbezüglich gut präsentieren. Fallbeispiel Said72 (Typ 1 „Angepasste“)
Familiäres und soziales Umfeld Said ist 16 Jahre alt, lebt mit seinen Eltern und zwei Brüdern in einer Wohnung in einer Großstadt und besucht ein Gymnasium. Die Familie kommt ursprünglich aus der Türkei und verbringt auch den Sommer in der Regel bei der Familie im Herkunftsland. Der Schüler fühlt sich zuhause wohl und kann über alle Probleme sprechen. Selten werden gemeinsam kulturelle Veranstaltungen besucht, jedoch legen Saids Eltern Wert darauf, belesen und kulturell gebildet zu sein. Said, sein Vater und seine Brüder versuchen sich so gut wie möglich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und
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Namen der befragten Kinder und Jugendlichen sind anonymisiert.
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zu assimilieren. Die Mutter ist weniger integriert, da sie weniger Kontakte außerhalb der Familie hat. Grundsätzlich ist die Familie weltoffen eingestellt. Saids Familie lebt streng den muslimischen Glauben und gehört in ihrem Herkunftsland zu den etablierten Intellektuellen. In Österreich hat sie Fuß gefasst, da der gut ausgebildete Vater eine adäquate Stelle gefunden hat, dennoch muss sie ihre soziale Stellung noch behaupten. Said geht gerne zur Schule und fühlt sich dort wohl. Nach dem Gymnasium möchte er Kieferorthopäde werden. Schulische Leistungen sind sowohl ihm als auch seinen Eltern äußerst wichtig. Der Junge hat an der Schule viele Freunde und auch seine drei besten Freunde besuchen dieselbe Schule. Mit diesen trifft er sich manchmal zum Billardspielen und kann mit ihnen über alles reden. Zudem hat Said viele Freunde im Ausland, mit denen er sich über Email, Telefon und Facebook regelmäßig austauscht. Für Said und seine Familie sind Zielstrebigkeit und Selbstbeherrschung wichtig. Er strebt nach Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung, zugleich ist er gemeinschaftlich orientiert. In seinem kulturellen Geschmack stehen Ästhetik und die Betonung des Schönen und Stilvollen im Mittelpunkt. Er ist aufstiegsorientiert, eher herrschend und präsentiert sich äußerst selbstsicher. Allgemeine Mediennutzung und Medienbewertung Den Erziehungsstil seiner Eltern bezeichnet Said als eher streng und so wurde auch seine Mediennutzung früher sowohl zeitlich als auch inhaltlich entsprechend limitiert. Mittlerweile haben seine Eltern aber ein großes Vertrauen in ihn und er darf zuhause selbstbestimmt Medien nutzen. Er würde dies bei eigenen Kindern ebenfalls so handhaben und betont zusätzlich, dass jüngere Kinder nur eingeschränkt Zugang zum Internet haben und auch nur altersgerechte Inhalte nutzen sollten. Said hat den Medienumgang seiner Eltern verinnerlicht. Die Familie besitzt viele Bücher und Said liest wie die anderen Familienmitglieder gerne und viel. Wie sein Vater findet auch Said Zeitungen wichtig, um sich über politische und gesellschaftliche Vorgänge zu informieren und sich darüber auch besser in die österreichische Gesellschaft integrieren zu können. Deshalb hat die Familie eine Qualitätszeitung abonniert. Die Familie besitzt einen gemeinsamen Fernseher, den vor allem die Mutter nutzt. Said ist das Fernsehen nicht wichtig; er sieht maximal dreimal pro Woche eine halbe Stunde fern. Wenn er fernsieht, dann am liebsten Sitcoms und Comedies. Ähnlich wie Saids Vater, der auf dem Weg in die Arbeit im Auto Radio hört, hört der Junge auf dem Schulweg über sein Smartphone Musik. Des Weiteren nutzt er es, um im Internet zu surfen und mit Freunden und Freundinnen in Kontakt zu
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bleiben. Said besitzt einen eigenen Computer, der ihm auch sehr wichtig ist. Gerne spielt er darauf Abenteuerspiele und surft im Internet. Das Wichtigste am Internet ist für ihn, dass man schnell und einfach mit weit entfernten Personen kommunizieren kann. Saids Eltern nutzen das Internet vor allem zur Recherche. Der mediale Geschmack der gesamten Familie ist deutlich hochkulturell orientiert. Internet und SNS Said nutzt Facebook in erster Linie, um Kontakte zu Freunden und Freundinnen zu pflegen und sich mit diesen auszutauschen. Ihm ist bewusst, dass er sich dabei in einem öffentlichen Raum befindet. Daher benutzt er vor allem Privatnachrichten und selten den Chat, den er auf dem Smartphone auch ausgeschaltet hat. Er hat 170 Kontakte, die er in Klassenkameraden und andere Kontakte unterteilt hat, auf seine Pinnwand kann aber jeder zugreifen. Dies ist Said egal, denn er nutzt die Funktion der Statusmeldungen kaum. Seine Kontakte sind bewusst ausgewählt und er hat auch des Öfteren Freundschaftsanfragen abgelehnt. Fotos sind ihm ebenfalls weniger wichtig. Er selbst kommentiert keine Fotos und es ist ihm gleichgültig, ob seine Fotos von anderen kommentiert werden. Obwohl er aber angibt, dass ihm seine Fotos egal sind, handelt es sich dabei ausschließlich um Posing-Fotos, auf denen er sich in unterschiedlichen Weisen selbst inszeniert. Dies ist ihm sichtlich peinlich und er bagatellisiert diese Fotos sofort mit der Ausrede, dass diese aus einer Zeit stammen würden, als er „neu auf Facebook“ war und als er noch einiges ausprobiert habe. Fähigkeiten und Fertigkeiten Obwohl Said einen eigenen Computer hat und er diesen auch als wichtigsten Gegenstand in seinem Zimmer bezeichnet, nutzt er das Internet in erster Linie über sein Smartphone und ist nicht in der Lage, die technische Vorgangsweise der Internetnutzung vom Smartphone auf einen Laptop zu übertragen. So hat er auch Probleme, den Verlauf einer Internetrecherche zu löschen und betont gleichzeitig, dass er dies auf seinem Smartphone regelmäßig machen würde. Inwiefern dies zutrifft, konnte allerdings nicht überprüft werden. In seiner Einschätzung des Internets gibt Said kulturkritische Diskurse aus den Medien wieder (Computerspielsucht, Cybermobbing, Betrug über Internet). Daher ist er auch äußerst skeptisch gegenüber Wikipedia und erklärt, dass er sich bei Recherchen sowohl der Suchmaschine Google als auch Lexika bedient und die Ergebnisse miteinander vergleichen würde. Wikipedia würde er nur nutzten, wenn er keine anderen Informationen findet und selbst dann
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würde er die Inhalte auf Wikipedia mit anderen Rechercheergebnissen vergleichen. Bei der Aufgabe, Informationen über Gaza zu finden, geht er gezielt auf Google und gibt „gaza information“ an. Er ist unzufrieden damit, dass die ersten Treffer allesamt englischsprachig sind. Auch mit dem zweiten Versuch „gaza information german“ ist er wenig erfolgreich und recherchiert daraufhin direkt in Wikipedia. Hier erkennt er nicht die Möglichkeit, über die Sprachauswahl schnell vom Englischen ins Deutsche wechseln zu können. Letztendlich findet er einen deutschen Wikipedia-Eintrag zu Gaza, ist aber mit seinem Rechercheergebnis nicht ganz zufrieden. In der Beurteilung von Informationen aus dem Internet zeigt sich Said schnell und relativ sicher. So vertraut er der ORF-Seite mit der Begründung, dass er den österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk kennt. Die Schulseite identifiziert er sofort als das Produkt einer Schule. Diesen Inhalten würde er jedoch nur vertrauen, wenn er wüsste, dass sie nicht von den Schülerinnen und Schülern, sondern einer Lehrperson stammen. Zudem würde er diese Informationen mit anderen Quellen abgleichen. Dem Blog Wir sind eins misstraut er aufgrund des Namens. Des Weiteren irritieren ihn daran fehlende Quellenangaben sowie das Layout und die gesamte Aufmachung. Obwohl er persönliche Kommentare und Meinungen im Hinblick auf die kollaborative Enzyklopädie Wikipedia als nicht per se vertrauenswürdig verurteilt, bezeichnet er das Forum Yahoo!Clever sowie die darin enthaltenen Kommentare als vertrauenswürdig, weil er die Marke Yahoo! kennt und ihr vertraut. Sehr gut weiß Said über das Urheberrecht sowie das Recht am eigenen Bild Bescheid und er verhält sich auch entsprechend. Zudem erkennt er sichere Seiten an dem Adresszusatz „https“ und achtet darauf, auf fremden Computern das Häkchen „Passwort merken“ nicht zu setzen. Seine politische Meinung würde er nicht im Internet veröffentlichen, weil er denkt, dass dies führ ihn ein Sicherheitsrisiko wäre. Fazit Said entstammt dem Milieu der etablierten Intellektuellen, auch wenn sich die Familie in ihrer neuen Heimat erst in die Gesellschaft einfinden muss. Den Medienumgang der Eltern und besonders des Vaters hat er stark verinnerlicht; er legt ein nahezu identisches Verhalten an den Tag. Zeitungen und Bücher sowie ein generell kritischer Umgang mit Medieninhalten und Informationen sowie eine informationsorientierte Mediennutzung stehen dabei im Mittelpunkt, wenngleich Said zusätzlich Facebook für das persönliche Beziehungsund Identitätsmanagement nutzt. Said weiß gut darüber Bescheid, wie man
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Informationen kritisch beurteilt. Dabei orientiert er sich – wie auch im Hinblick auf die allgemeine Einschätzung von Chancen und Risiken des Internets – stark an öffentlichen Diskursen über Medien, weshalb er auch ein großes Misstrauen gegenüber Wikipedia hat. Generell verfügt er über beschränkte technische Fertigkeiten im Gegensatz zu einem sehr hohen Wissen. Beim Transfer dieses Wissens auf den praktischen Umgang mit dem Internet sind ebenfalls Schwächen erkennbar. Typ 2: Intuitive Techniker (2 Mädchen, 3 Jungen) Die Kinder und Jugendlichen, die diesem Typus zugeordnet werden können, sind formal niedriger gebildet. Sie besuchen die Mittelschule und entstammen dem Milieu der Niedrigen Selbstständigen oder der Niedrigen Unselbstständigen. Die Eltern verfügen allesamt über eine niedrige formale Bildung, haben einen Beruf erlernt, oder sind ungelernte Arbeiter. Die Jungen und Mädchen sind zwischen zwölf und 14 Jahre alt und somit deutlich jünger als die Heranwachsenden aus Typ 1. Sie müssen sich noch nicht so konkret mit ihrem zukünftigen beruflichen Werdegang auseinandersetzen und theoretisch stehen ihnen noch alle Möglichkeiten offen – sowohl hinsichtlich der Berufswahl, als auch in Bezug auf einen Wechsel von der Mittelschule in die Oberstufe eines Gymnasiums. Sie befinden sich in der Vorpubertät bzw. sind sie gerade in die Pubertät gekommen. Die Sozial- und Selbstauseinandersetzung ist zwar wichtig, steht aber noch nicht so sehr im Zentrum wie bei den Jugendlichen aus Typ 1. Die Jungen und Mädchen haben im Hinblick auf ihre zukünftige Entwicklung noch viel mehr Möglichkeiten sich auszuprobieren und dies zeigt sich auch in ihrem Umgang mit dem Internet. Sie nutzen es nicht immer gezielt, sondern surfen oft einfach „drauf los“ und probieren vieles aus. Diejenigen, die ein SNS-Profil haben, nutzen es vorrangig zur Pflege ihrer Kontakte, die Selbstpräsentation steht nicht so sehr im Mittelpunkt. In ihrem allgemeinen Habitus zeigen sich diese Kinder und Jugendlichen eher unsicher. Sie sind mit ihrer sozialen Stellung zufrieden und möchten später einen ähnlichen Lebensweg wie ihre Eltern einschlagen. Ihr Leben ist stark gemeinschaftlich ausgerichtet. Sie sind eher sicherheitsorientiert und halten am Vertrauten und Gewohnten fest. Sie sind sehr pragmatisch und insgesamt stark auf Machbarkeit und Notwendigkeit ausgerichtet, die ästhetische Orientierung ist funktional und eher körperbetont. Das medienökonomische Kapital der Familien, aus denen die Heranwachsenden dieses Typs stammen, ist eher durchschnittlich. Oft teilt sich die Familie einen internetfähigen Computer, der allerdings gut ausgestattet ist. Manche der Jungen und Mädchen verfügen über ein eigenes Fernsehgerät. Der
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mediale Habitus der Eltern ist eher unterhaltungsorientiert, wobei das Fernsehen auch zur Rezeption von Nachrichten genutzt wird. Die Heranwachsenden zeichnen sich durch eine noch stärkere unterhaltungsorientierte Mediennutzung mit Fokus auf Fernsehen und Internet aus. Bücher spielen sowohl für die Eltern als auch ihre Kinder keine Rolle; die meisten Jungen und Mädchen lesen nicht gerne. Wenn allerdings gelesen wird, dann zur Unterhaltung und nicht, um sich über den Besitz von Büchern oder darüber, belesen zu sein, zu profilieren und als gebildet darzustellen. In ihrem medialen Geschmack zeigen sich sowohl die Eltern als auch ihre Kinder stark populär orientiert. Die Eltern dieser Heranwachsenden achten vor allem auf die zeitliche Kontrolle der Mediennutzung und orientieren sich ähnlich wie die Eltern der Jugendlichen aus Typ 1 an öffentlichen Diskursen, messen aber dem Internet eine größere Bedeutung bei, auch wenn sie sich selbst nicht sonderlich gut damit auskennen. Diese Einstellung haben ihre Kinder verinnerlicht. Daher betonen die Jungen und Mädchen in ihrer Vorstellung von Medienerziehung, dass der Umgang mit dem Internet mehr als bisher in der Schule vermittelt werden sollte. Die Jungen und Mädchen bewegen sich eher intuitiv im Internet, was offensichtlich damit zusammenhängt, dass sie weder zuhause noch in der Schule genügend Unterstützung im Umgang damit erfahren. Sie haben geringe Kenntnisse über Urheber- und Persönlichkeitsrechte und wurden offensichtlich weder zuhause noch in der Schule darüber aufgeklärt. Über ihre intuitive Internetnutzung eignen sie sich jedoch zum Teil hohe technische Fertigkeiten an. Sie verfügen über ein angemessenes Wissen über die Chancen und Risiken des Internets, was sich in ihrem intuitiven Medienhandeln zeigt. Dennoch sind sie eher leichtgläubig im Hinblick auf Informationen aus dem Internet bzw. fällt es ihnen schwer, Kategorien zur Beurteilung von Websites zu definieren. Daher wirken sie trotz ihrer technischen Fertigkeiten eher unsicher. Sie sind nur schwer in der Lage, ihr intuitiv erworbenes Wissen sowie ihre technischen Fertigkeiten in Form präziser Antworten im Fragebogen sowie in den Interviews darzustellen. So werden sie auch sofort sehr unsicher, sobald sie erklären sollen, was sie im Internet machen, oder wenn sie beispielsweise ihre Vorgangsweise bei der Recherche im Internet oder hinsichtlich des Privatsphäremanagements auf SNS beschreiben sollen. Dies fällt vor allem auf, wenn sie im Interview weiterführende Fragen gestellt bekommen, die sie in der Regel kaum beantworten können. Intuitiv wägen diese Jungen und Mädchen nach ihrem Ermessen allerdings sehr wohl potentielle Chancen und Risiken ab und handeln auf ihre Weise reflektiert. Sie sind in ihrem Handeln selbstbewusst, solange sie sich nicht rechtfertigen müssen. Bei näherer Betrachtung wird ebenso deutlich, dass die
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Entscheidung dieser Heranwachsenden für oder gegen die Nutzung einer SNS eng mit ihren alltäglichen Bedürfnissen zusammenhängt, allerdings ohne dass diese Entscheidung als eine bewusste artikuliert wird. Dies trifft auch auf den Umgang mit Privatsphäreeinstellungen und die damit verbundene gezielte, aber ebenso wenig bewusst formulierte, Nutzung von SNS für das Beziehungs- bzw. das Identitätsmanagement zu. Da sich diese Jungen und Mädchen ihr hohes technisches Können in der Regel selbst angeeignet haben, hängt es stark von ihren persönlichen Bedürfnissen und Herausforderungen ab, welche Fertigkeiten sie beherrschen. So haben bereits viele eigene Videos produziert und bei YouTube hochgeladen und auch im illegalen Download von Musik und Filmen sind diese Kinder und Jugendlichen zum Teil sehr versiert. Manche haben sich zudem sehr spezielle Kenntnisse, wie etwa die Wartung von Websites, beigebracht. Zusammenfassend zeigt sich als größte Schwäche der Kinder und Jugendlichen aus Typ 2, dass sie nicht in der Lage sind, ihr zum Teil hohes technisches Können aber auch ihr allgemeines Wissen wiederzugeben. Sie agieren im Internet spontan und problemorientiert, dennoch zeigen sich Schwierigkeiten, wenn mehr als intuitives Handeln gefragt ist. Einen „legitimen“ Mediengeschmack kennen diese Jungen und Mädchen nicht und sie versuchen auch nicht, sich über ihren Medienumgang zu profilieren. Fallbeispiel Robert (Typ 2, „Intuitive Techniker“)
Familiäres und soziales Umfeld Robert ist 14 Jahre alt und wohnt mit seinen Eltern, zwei jüngeren Geschwistern und den Großeltern auf einem Bauernhof, der schon seit Generationen im Familienbesitz ist. Die Familie bewirtschaftet den Hof und vermietet zusätzlich Fremdenzimmer. Robert fühlt sich zuhause wohl und kann mit seiner Familie über alles reden. Nach der Mittelschule möchte er die Landwirtschaftsschule besuchen und wie sein Vater, den er sehr bewundert, Landmaschinentechniker werden und später den elterlichen Hof übernehmen. Robert bezeichnet sich als ehrgeizig, da ihm gute Schulnoten wichtig sind. Seinen Eltern ist sein schulischer Erfolg weniger wichtig, da ohnehin feststeht, dass der Sohn den Hof übernehmen wird. Robert hat auch zwei gute Freunde, die in die gleiche Schule gehen und in der Nachbarschaft wohnen; den Großteil ihrer Freizeit verbringen die drei Jungen zusammen. Die Familie entstammt dem Milieu der Niedrigen Selbstständigen und hat eine ausgeprägt traditionelle lebensweltliche Orientierung. Der Alltag ist durch die Landwirtschaft geprägt und so bleibt keine Zeit für einen
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gemeinsamen Urlaub, gemeinsame Unternehmungen oder gar kulturelle Veranstaltungen. Auch an den Wochenenden wartet viel Arbeit auf dem Hof und Robert hilft regelmäßig mit. In Roberts Familie ist es wichtig, dass jeder seine Pflichten und die am Hof anfallende Arbeit erfüllt. Pragmatismus, Funktionalität und die Orientierung an Machbarkeit und Notwendigkeit stehen im Mittelpunkt. Robert ist gemeinschaftlich orientiert, sein Lebensweg ist durch den elterlichen Hof bereits vorgezeichnet, was ihm auch Sicherheit gibt. Sein sozialer Blick ist eher von unten nach oben gerichtet, aber er fühlt sich in seiner sozialen Position genau richtig. Er wirkt selbstbestimmt und selbstsicher. Allgemeine Mediennutzung und Medienbewertung Roberts Eltern lesen keine Bücher, haben aber eine sogenannte Boulevardzeitung abonniert. Der regionale Radiosender läuft regelmäßig als Hintergrundmedium und abends werden im Fernsehen ebenfalls die Regionalnachrichten rezipiert. Die Mediennutzung ist weder dezidiert informationsnoch unterhaltungsorientiert, aber, abgesehen von der Nutzung des Radios als Hintergrundmedium, zielgerichtet. Der mediale Geschmack der Familie ist stark populär. Die Familie verfügt über wenig ökonomisches Kapital. Sie besitzt einen gemeinsamen Computer, einen gemeinsamen Fernseher und es werden nur die österreichischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sowie ein österreichischer Privatsender (ATV) empfangen. Der Vater nutzt das Internet lediglich für elektronische Bankgeschäfte, die Mutter ist nie online. Die Eltern sind technisch wenig versiert und so wird der Internetauftritt für die Vermietung der Fremdenzimmer von Robert betreut. Roberts Mediennutzung wird nicht kontrolliert und er findet den Erziehungsstil seiner Eltern generell eher locker. Da er von zuhause wenig Unterstützung erfährt und einige technische Fertigkeiten in der Schule erworben hat, ist er davon überzeugt, dass man einen selbstbestimmten Medienumgang nur in der Schule und nicht zuhause lernen kann. Der Junge hat die Nutzung des Radios als Hintergrundmedium von seinen Eltern übernommen, manchmal wirft er auch einen Blick in die abonnierte Boulevardzeitung und wie seine Eltern sieht er zwar täglich, aber jeweils nur ungefähr eine halbe Stunde fern. Im Fernsehen mag er vor allem Sitcoms. Des Weiteren liest er gerne Krimis und spielt Computerspiele. Wie bei seinen Eltern zeigt sich auch bei Robert, dass das gesamte Leben durch die Arbeit auf dem Hof geprägt ist. Daher bleibt Robert wenig Zeit für eine intensive Mediennutzung. Seine Mediennutzung ist wie die seiner Eltern stark auf alltägliche Bedürfnisse wie die Information über Neuigkeiten aus der unmittel-
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baren Umgebung (z. B. Regionalnachrichten in Zeitung und Fernsehen) oder berufliche Interessen (z. B. Website zur Bewerbung der Fremdenzimmer) fokussiert. Sein medialer Geschmack ist aber wie der seiner Eltern vorrangig populär. Internet und SNS Robert hat zwar noch andere Interessen als seine Eltern, aber auch für ihn ist der elterliche Betrieb immer präsent – auch in seiner Mediennutzung. So spielt er beispielsweise gerne Simulationsspiele am Computer, eines seiner Lieblingsspiele ist dabei ein Landwitschaftssimulator. Er hat ein F acebook-Profil und ein YouTube-Konto und hat auch schon einmal ein eigenes Video erstellt, auf YouTube hochgeladen und dieses auf sein Facebook-Profil verlinkt. Der Inhalt war die Bewerbung des Urlaubs auf dem elterlichen Bauernhof. Da Robert in der Schule gelernt hat, dass viele Unternehmen einen Internetauftritt haben, hat er sich selbst den Umgang mit Wordpress beigebracht und damit eine Website zur Bewerbung der Fremdenzimmer, die auf dem Hof vermietet werden, angelegt. Er wartet die Website regelmäßig und hat auch eine eigene E-Mail-Adresse angelegt, über die er mit den Urlaubsgästen kommunizieren kann. Er macht all dies ganz selbstständig, da sich seine Eltern nicht gut genug mit dem Internet auskennen und auch zu wenig Zeit dafür nehmen. Auf die Frage, ob er schon einmal darüber nachgedacht habe, auf Wordpress einen privaten Blog anzulegen, reagiert Robert verwundert. Eine private Nutzung könnte er sich nicht vorstellen. Auch Roberts Facebook-Nutzung ist sehr zielgerichtet. Er hat ca. 50 Kontakte, die er alle persönlich kennt und daher nicht gruppiert hat. Die Selbstdarstellung auf seiner Profilseite ist ihm nicht wichtig, er nutzt die SNS zum gezielten Beziehungsmanagement mit Freundinnen und Freunden. So hat er nur wenige Profilbilder hochgeladen, da seine Bekannten ja wissen würden, wie er aussehe. Er verlinkt keine Fotos und kommentiert auch nur selten Fotos von anderen. Zugleich geht Robert davon aus, dass sein SNS-Profil öffentlich ist. Aus seiner Perspektive dient es zur Beantwortung von Anfragen zum elterlichen Hof, zu Fremdenzimmern, oder konkret zu seiner Person. Daher ist ihm wichtig, dass andere seine Kontaktdaten sehen; er hat Geburtsdatum, Wohnort und E-Mail-Adresse angegeben. Die Privatspähreeinstellungen hat er nicht verändert und er geht davon aus, dass seine Kontakte alles sehen können. Im Chat ist er meistens offline, weil ihm die persönliche Kommunikation mit seinen Freundinnen und Freunden lieber ist. Generell nutzt Robert sein SNS-Profil viel seltener als seine Freunde und Freundinnen. Er meldet sich maximal einmal pro Woche an, um gezielt
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nachzusehen, ob er eine Nachricht bekommen hat oder ob sich etwas Neues getan hat. Seine politische Meinung hat er auf Facebook noch nie geäußert, was vor allem auch damit zusammenhängt, dass er politisch nicht interessiert ist. Aufrufe von NGOs würde er nicht weiterleiten, weil er Facebook letztendlich doch nicht ganz vertraut, ohne es begründen zu können. Dennoch fühlt er sich dort sicher. Robert lädt sich aus dem Internet auch Musik herunter. Er kennt den Apple-Store, nutzt dieses Angebot jedoch nicht, weil es ihm zu teuer ist. Deshalb nutzt er einen YouTube-Konvertierer und ist der Meinung, dass dies auch erlaubt sei. Als einzige Herausforderung bei Downloads aus dem Internet sieht er die Vermeidung von Werbung, Spam und Viren. Fähigkeiten und Fertigkeiten Robert weiß wenig über das Internet Bescheid und hat vor allem von rechtlichen Rahmenbedingungen wie dem Urheberrecht oder Persönlichkeitsrechten noch nie etwas gehört. Beim Recherchieren im Internet ist er ebenfalls wenig versiert, da er sowohl für persönliche als auch schulische Belange selten Informationen aus dem Internet braucht. Er kennt die Suchmaschine Google, gibt bei der Rechercheaufgabe den Begriff „gaza“ ein und folgt dem ersten Link auf Wikipedia. Er ist es nicht gewohnt, die Vertrauenswürdigkeit von Informationen zu beurteilen und deshalb vertraut er dem ersten Link („weil es halt der erste Link ist“) und gibt sich damit zufrieden. Er weiß nicht wer hinter Wikipedia steht und vertraut diesem Angebot blind. Allerdings hat er Verständnisprobleme, da der Text für ihn zu schwierig ist. Mithilfe des Interviewers kann er die Rechercheaufgabe lösen und die Stadt Gaza auch geografisch einordnen, obwohl er noch nie davon gehört hat. Wenn er für persönliche Belange nach Informationen recherchieren würde, würde er allerdings nicht auf Wikipedia bleiben, sondern nach einer Seite mit einem für ihn verständlicheren Text suchen. Da er allerdings nicht sehr geübt im Recherchieren ist, bleibt offen, wie er es anstellen würde „einfach woanders nach[zu]schauen“. Er hat auch große Schwierigkeiten mit der Beurteilung von Internetseiten. Im Übungsbeispiel hat er das meiste Vertrauen in die ORF-Seite, da er die Fernsehsender des ORF (österreichischer öffentlich-rechtlicher Rundfunk) kennt und weil es auf dieser Seite keine Werbeeinschaltungen gibt. Daher findet er auch die Schulseite vertrauenswürdig, weil dort ebenfalls keine Anzeigen zu sehen sind. Yahoo!Clever erkennt er als Forum, da er bei technischen Herausforderungen bereits des Öfteren in Foren recherchiert hat. Den Blog Wir sind eins kann er nicht einordnen. Bei den beiden letztgenannten Angeboten ist er nicht sicher, ob er den Inhalten vertrauen kann. Andere Kriterien für die
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Beurteilung von Informationen außer der Existenz von Werbeeinschaltungen kennt er keine. Technisch kennt sich Robert sehr gut aus. Er kann illegal Musik und Videos aus dem Internet herunterladen, weil ihm die offiziellen Plattformen zu teuer sind und weiß dabei genau, wie man offizielle Wege umgehen kann. Er kann seine Vorgangsweise dabei aber schlecht in Worten beschreiben. Robert weiß außerdem wie man den Verlauf einer Suche löscht, findet sich schnell auf unterschiedlichen Browsern zurecht und kennt sich auch intuitiv sofort bei den Facebook-Privatsphäreeinstellungen aus, obwohl er diese bislang noch nie genützt hat, da er sie für seine Bedürfnisse nicht braucht. Auch erkennt er schnell wie man Gruppen und Veranstaltungseinladungen erstellt, was er ebenfalls noch nie zuvor gemacht hat. Er ist in der Lage, selbstständig kleine Videos zu erstellen, zu schneiden und mit Musik zu unterlegen und sie auf YouTube hochzuladen. Auch die Website für den elterlichen Hof hat er selbst erstellt und er wartet sie eigenständig. Diese Fertigkeiten hat er sich im Internet selbstständig beigebracht, er kann aber nicht genau erklären, wie er dabei vorgegangen ist. Er ist technisch sehr versiert, aber sobald er sein Wissen und Können verbalisieren muss, wird er äußerst unsicher und zieht sich hinter einem „weiß ich nicht mehr“ zurück. Fazit Robert hat von seinen Eltern eine äußerst bedarfsorientierte Mediennutzung übernommen und setzt das Internet bewusst für seine Bedürfnisse ein: Er lädt sich Musik und Filme herunter und bringt sich selbst die Erstellung von Websites und Videos bei. Abseits dieser pragmatischen Herangehensweise nutzt er das Internet kaum zur Unterhaltung. Das Recherchieren nach und Beurteilen von Informationen braucht er für seine Bedürfnisse nicht, daher kennt er sich auch wenig damit aus. Er weiß ebenso wenig über rechtliche Grundlagen des Internets Bescheid, weil ihn dies in seiner Nutzung nicht berührt. Wie er sich seine technischen Fertigkeiten angeeignet hat, kann er nicht beschreiben. Generell hat er Probleme, sein Verhalten im Internet zu artikulieren, dafür kann er sein Können und Wissen unmittelbar in die Praxis transferieren. ◄ Typ 3: Experten (2 Mädchen, 3 Jungen) Heranwachsende, die diesem Typus zugeordnet werden können, verfügen über eine hohe formale Bildung und kommen eher aus bildungsnahen Familien. Sie entstammen vorrangig dem Milieu der Mittleren Unselbstständigen oder der Mittleren Selbstständigen, einige wenige sind den Etablierten Intellektuellen zuzurechnen. Zumindest ein Elternteil hat einen Hochschulabschluss (eher
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achhochschule als Universität), oder beruflich eine leitende Position inne. AufF fällig ist, dass ein Großteil dieser Jungen und Mädchen einen Migrationshintergrund hat. Die Kinder und Jugendlichen, die diesem Typ zugeordnet wurden, sind zwischen 13 und 17 Jahre alt. Diese Jungen und Mädchen sind daher mit sehr unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben (frühe Pubertät, späte Pubertät) und gesellschaftlichen Herausforderungen (schulische Laufbahn, Berufswahl) konfrontiert. Obwohl das Alter wenig Einfluss auf die Zugehörigkeit zu diesem Typus zu haben scheint, zeigt sich bei allen Heranwachsenden aus dieser Gruppe, dass sie Medien und im Besonderen das Social Web sehr gezielt zur Erreichung ihrer, von Alter und Entwicklungsaufgaben abhängigen, persönlichen Wünsche und Ziele sowie zur Befriedigung ihrer damit verbundenen Bedürfnisse einsetzen. Dies zeigt sich in den SNS-Profilen durch die Gruppierung von Kontakten und einer damit verbundenen Zuweisung unterschiedlicher Rechte und Privatsphäreeinstellungen, in gezielten und überlegten Veröffentlichungen vor allem im Kontext des Identitätsmanagements und der Selbstpräsentation (z. B. Statusmeldungen als Werbung für den eigenen YouTube-Kanal), in einem überlegten und ebenfalls gezielten Umgang mit persönlichen Fotos sowie in der bewussten Nutzung verschiedener SNS-Anwendungen für unterschiedliche Zwecke (z. B. Unterscheidung von Chat und Privatnachrichten). Die Jungen und Mädchen zeigen sich eher lustbetont und erlebnisorientiert als diszipliniert und pflichtbewusst. Sie sind intellektuell orientiert und ausgesprochen egalitär eingestellt. Dennoch verorten sie sich nicht primär in der Gemeinschaft, sondern streben nach Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung und gesellschaftlichem Aufstieg. In ihrem kulturellen Geschmack tendieren sie zur Stilisierung von Praktiken und sind eher hochkulturell als populär orientiert. Die Familien dieser Kinder und Jugendlichen verfügen über ein hohes medienökonomisches Kapital und sind technisch sehr gut ausgestattet. Die Eltern nutzen Medien stark informationsorientiert und sind in ihrem medialen Geschmack hochkulturell orientiert; letzteres haben auch ihre Kinder verinnerlicht. Von den Heranwachsenden aus Typ 1 (Angepasste) unterscheiden sich diese Jungen und Mädchen (Typ 3: Experten) durch eine informations- und unterhaltungsorientierte Mediennutzung mit Fokus auf Internet. Büchern wird eine große Bedeutung beigemessen und auch das Fernsehen ist für sie wichtig, dennoch ist das Internet das zentrale Informations- und Unterhaltungsmedium; dies spiegelt sich zum Teil auch in der Mediennutzung ihrer Eltern wieder. Die Eltern interessieren sich nicht nur für den zeitlichen Umfang der Mediennutzung ihrer Kinder, sondern setzen sich auch mit den genutzten Inhalten auseinander; je nach Alter wird der Medienumgang mehr oder weniger stark reglementiert.
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Die Jugendlichen würden diese Form der Medienerziehung zwar übernehmen, betonen aber zusätzlich die Bedeutung des eigenständigen, entdeckenden Lernens im Umgang mit dem Internet sowie die Verantwortung der Schule in der Vermittlung eines sicheren Verhaltens im Internet. Zusammengefasst haben diese Jungen und Mädchen sowohl sehr hohe technische Fertigkeiten, als auch ein großes Wissen im Umgang mit Medien allgemein und vor allem hinsichtlich des Internets. Sie wägen sehr reflektiert die jeweiligen Chancen und Risiken ab und äußern sich zudem kritisch zu einseitigen und zum Teil unsachlichen öffentlichen Diskursen über Medien. Sie sind schnell und zielsicher bei der Recherche im Internet sowie in der Beurteilung von Informationen. Ebenso gezielt setzen sie unterschiedliche Social Web-Anwendungen für ihr Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement ein. Von den Heranwachsenden aus den beiden zuvor beschriebenen Typen unterscheiden sie sich vor allem dadurch, dass sie einerseits in der Lage sind, ihr theoretisches Wissen sehr gut in ihre alltägliche Nutzungspraxis umzusetzen und sich andererseits ihre technischen Fertigkeiten bewusst und überlegt zunutze machen. So wissen beispielsweise zwar alle Jungen und Mädchen aus dieser Gruppe ganz genau wie man Musik und Filme illegal herunterlädt und welche Herausforderungen damit verbunden sind, allerdings bedienen sie sich lieber bei den illegalen Downloads ihrer Freundinnen und Freunde, um das Risiko zu minimieren, bei der illegalen Nutzung ertappt zu werden. Sie haben eine Vorstellung von einem „legitimen“ Mediengeschmack, aber fühlen sich in ihrem Handeln und Verhalten darüberstehend (z. B. Wertschätzung von Büchern, aber keine Abwertung von Bildschirmmedien). Sie empfinden sich selbst als Expertinnen und Experten und finden keinen Anlass, sich sozial erwünscht zu präsentieren. Fallbeispiel Marius (Typ 3, „Experten“)
Familiäres und soziales Umfeld Die Eltern des 13-jährigen Marius sind geschieden und so lebt der Junge seit fünf Jahren bei seiner Mutter und deren Lebensgefährten in einer großen Wohnung. Er hat ein eigenes Zimmer, das er sein Reich nennt und in dem er sich sehr wohl fühlt. Er entstammt dem Milieu der mittleren Unselbstständigen, die lebensweltliche Orientierung der Familie kann als modern bezeichnet werden. Marius’ Vater und Stiefvater haben nach dem Abitur einen Beruf erlernt. Seine Mutter ist Arzthelferin und holt gerade über die Abendschule das Abitur nach, um anschließend ein Lehramtsstudium zu beginnen. Marius’ Muttter und ihr Lebensgefährte besuchen gerne Lesungen und Vor-
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führungen im Programmkino. Der Junge interessiert sich weniger fürs Programmkino, aber nutzt manchmal die Chance von seiner Mutter ins Kino mitgenommen zu werden und zeitgleich mit seinen Freundinnen und Freunden einen anderen Film ansehen zu können. Am Wochenende unternimmt die Familie gemeinsame Ausflüge und besucht des Öfteren Museen. Die Familie besitzt ein eigenes Boot in Kroatien und verbringt den jährlichen Sommerurlaub im Mittelmeerraum. Marius ist hochbegabt, fühlt sich aber dennoch in der Schule wohl. Später möchte er Informatik, Psychologie und Philosophie studieren. Marius hat durch seine Internetnutzung einen großen internationalen Freundeskreis mit Personen unterschiedlichen Alters (von 13 bis 45 Jahren). Mit zwei seiner Internetfreunde hat er seit zwei Jahren einen sehr engen Kontakt, aber es ergab sich noch keine Gelegenheit zu einem persönlichen Treffen, da diese Jungen in anderen österreichischen Bundesländern leben. Marius zeigt sich in seinem Habitus erlebnisorientiert und äußerst intellektuell. Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentwicklung haben für ihn einen hohen Stellenwert und er neigt zur Egozentrik. Er ist aufstiegsorientiert und zugleich sehr egalitär eingestellt. Allgemeine Mediennutzung und Medienbewertung Marius’ Eltern besitzen sehr viele Bücher, lesen häufig Zeitungen und Zeitschriften und sind in ihrem medialen Geschmack eher hochkulturell orientiert. Der leibliche Vater hat eine eigene Bibliothek, in welcher der Junge gerne in Sachbüchern schmökert. Marius liest ebenfalls gerne und in seinem Zimmer befinden sich nach seinen Angaben um die 200 Bücher, aber es ist ihm nicht wichtig, sich darüber zu profilieren. Ebenso liest er häufig Zeitungen, weil er es wichtig findet, über aktuelle Geschehnisse informiert zu sein. Dem fügt er aber hinzu, dass es des Öfteren der Fall ist, dass er über seine weit verbreiteten Kontakte im Internet schneller informiert ist, als über Nachrichtenagenturen. Das Handy findet Marius nicht wichtig, aber praktisch für den Kontakt mit Freundinnen und Freunden. Ebenso wenig schätzt er das Fernsehgerät, das in seinem Zimmer steht. Generell wird in der Familie wenig und wenn, dann sehr gezielt ferngesehen. Seinen PC nutzt Marius intensiv als Universalmedium zum Streaming von Fernsehsendungen, zum Spielen, Musizieren und Programmieren. Marius ist sehr musikalisch und komponiert eigene Musik am PC und am Klavier. Dabei handelt es sich aber nicht um einfache Melodien, sondern um komplexe mehrstimmige Werke wie etwa eine Symphonie (Anm.: wird im Interview vorgeführt). Den Musikgeschmack seiner Mutter, die eine Vorliebe für Abba und allgemein für populäre Musik aus jener Zeit hat, schätzt
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er nicht sonderlich. Er ist im Hinblick auf Musik und Kunst primär hochkulturell orientiert. Internet und SNS Marius hat einen Blog, den er aber nicht häufig nutzt. Dort schreibt er philosophische Texte zu Politik, über die Welt oder Abstraktes wie die Definition von Unendlichkeit. Vor einem halben Jahr hat er damit begonnen, selbst komponierte Musik über einen eigenen YouTube-Kanal zu veröffentlichen. Er lädt ungefähr ein Video pro Woche hoch und ist damit so erfolgreich (über 15.000 views), dass innerhalb kurzer Zeit 55 Personen seinen YouTube-Kanal abonniert haben. Sein Facebook-Profil nutzt er als reine Werbeoberfläche für den YouTube-Kanal. Den Chat nutzt er selten, da er mit seinen Freundinnen und Freunden vor allem über Teamspeak kommuniziert. Allerdings sieht man dort nicht immer wer aller online ist, weshalb der Facebook-Chat manchmal der Verabredung auf Teamspeak dient. Des Weiteren nutzt er ebenso Twitter und Netgrounds (Portal für Flash-Filme und Flash-Spiele) für seine Werbezwecke. Marius spielt auch in der österreichischen E-Sports Leage und trainiert dafür regelmäßig Counterstrike und Leage of Legends. Generell spielt er gerne Onlinespiele; seinen Angaben zufolge spielt er fast alles von Strategie bis Fantasy, über Shooter-Spiele bis hin zu Sandbox-Games. Darüber hinaus programmiert er gerne und ist Mitglied in einigen Programmierer- und Hacker-Clubs. Er hat bereits einige Apps programmiert und interessiert sich für die Entwicklung einer neuen Programmiersprache. Ohne den Namen der Organisation zu nennen, zeigen sich im Interview viele Hinweise, dass Marius für Anonymous oder eine ähnliche Organisation tätig ist. Dass dahinter mehr als die Angeberei eines Pubertierenden steckt, beweist sein umfassendes und detailliertes Wissen sowie die Tatsache, dass er diese Aktivitäten nicht an die große Glocke hängt und im Gegenteil eher umschreibt oder verheimlichen möchte, auch wenn ihm im Gespräch der eine oder andere Hinweis darauf herausrutscht. Politisch steht er der Piratenpartei nahe und hat deren Facebook-Auftritt „geliked“, ansonsten nutzt er das Internet jedoch nicht für politische Zwecke. Fähigkeiten und Fertigkeiten Marius kennt sich exzellent im Internet aus, er verfügt über ein großes Wissen und ist auch technisch sehr versiert. Er kennt viele Wege für den illegalen Download von Filmen und Musik (z. B. Movie2k oder BitTorrent), nutzt diese aber selten, da er nach eigenen Angaben „keine M ainstream-Musik“ hört und sich das meiste über Creative Commons-Lizenzen kostenlos herunterlädt. Die
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Anwendungsaufgaben aus dem Interview sind für ihn zu einfach und er hat sie schnell gelöst. Er weiß auch gut über rechtliche Grauzonen des Internets Bescheid und weiß wie er sich verhalten muss, damit seine Spuren nicht nachvollziehbar sind. Fazit Marius lebt seine überdurchschnittliche Begabung in der Musik und im Umgang mit dem Computer aus, sei es durch Programmieren und Hacken, die Komposition von Musik, das Betreiben eines YouTube-Kanals, das Schreiben eines Blogs oder im E-Sport. Dadurch verfügt er über exzellente technische Fertigkeiten und ein umfassendes Wissen, das er auch entsprechend in die Praxis umsetzen kann. ◄ Typ 4: Unsichere Heranwachsende, die diesem Typ zugeordnet werden, sind in der Regel wie ihre Eltern formal niedrig gebildet. Sie entstammen dem Milieu der Niedrigen Unselbstständigen und Niedrigen Selbstständigen. Diese Kinder und Jugendlichen erweisen sich als lustbetont und spontan sowie in ihrem Geschmack am konkret Machbaren orientiert; unmittelbare und direkte Ausdrucksformen werden bevorzugt. Vor allem die älteren Jungen und Mädchen zeigen sich zudem sehr körperbetont. Sie suchen Sicherheit und Geborgenheit in der Gemeinschaft und haben eher ein dichotomes Weltbild mit Blick von unten nach oben. Sie halten am Gewohnten fest und akzeptieren ihren Platz in der Gesellschaft. Sie haben ein eher unsicheres Auftreten und zeigen Distanz zu Autoritäten. Die medienökonomische Ausstattung der Familien, aus denen diese Jungen und Mädchen kommen, ist eher schlecht. Dies betrifft noch stärker die jüngeren Heranwachsenden, da die älteren bereits ihr erstes Geld verdienen und sich damit zum Teil eigene Mediengeräte angeschafft haben. Sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch ihre Eltern zeichnen sich durch eine stark unterhaltungsorientierte Mediennutzung und einen populären medialen Geschmack aus. Der Fokus liegt dabei auf dem Fernsehen als zentrales Unterhaltungsmedium. Bücher spielen sowohl für die Jungen und Mädchen als auch ihre Eltern keine Rolle und auch das Internet wird nicht als wichtig erachtet, auch wenn es von den älteren Heranwachsenden regelmäßig genutzt wird. Die Eltern kümmern sich nicht um die Medienerziehung ihrer Kinder, weshalb jüngere Heranwachsende gar keine Vorstellungen haben, wie man die Medienerziehung jüngerer Geschwister oder zukünftiger eigener Kinder gestalten könnte. Die älteren Heranwachsenden sind diesbezüglich ähnlich unsicher und betrachten
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die Medienerziehung daher eher als eine Aufgabe der Schule als des Elternhauses. Insgesamt zeigen sich die Kinder und Jugendlichen aus der Gruppe der Unsicheren als leichtgläubig und unsicher im Umgang mit dem Internet. Sie haben ein geringes Wissen und verfügen auch über geringe technische Fertigkeiten. Obwohl alle Jungen und Mädchen, die in diesem Typ vereint sind, sowohl in ihrem Medienumgang als auch hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft große Gemeinsamkeiten haben, muss zusätzlich nach Alter differenziert werden, da sich deutliche Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Heranwachsenden zeigen. Daher wird im Folgenden zwischen jüngeren Unsicheren (11 bis 13 Jahre) und älteren Unsicheren (14 bis 16 Jahre) unterschieden. Typ 4a: Jüngere Unsichere (4 Mädchen, 9 Jungen im Alter von 11 bis 13 Jahren) Diese Jungen und Mädchen befinden sich in der Phase der späten Kindheit bzw. der Vorpubertät oder frühen Pubertät. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit sowie die allgemeine Orientierung in der Welt haben für sie noch eine geringere Bedeutung. Ihre Beziehungen pflegen sie eher offline und sie zeigen wenig Interesse an der Selbstpräsentation und Selbstdarstellung mithilfe von Medien. Daher hat die Hälfte dieser Kinder noch kein Profil auf einer SNS und auch diejenigen, die sich (zumeist mithilfe von Geschwistern oder Freundinnen bzw. Freunden) auf einer SNS angemeldet haben, erweisen sich als eher ungeübt im Umgang damit. Des Weiteren haben diese Jungen und Mädchen Schwierigkeiten im Internet zu recherchieren und Medieninhalte zu beurteilen. Auch technisch sind sie eher unbeholfen und scheitern zumeist an der Aufgabe, den Verlauf einer Internetsuche zu löschen. Sie wissen mehrheitlich nicht, wie man Dateien (sowohl legal als auch illegal) aus dem Internet herunterlädt. Obwohl in der Schule die Nutzung des Internets verlangt wird (z. B. für Hausübungen), versuchen sie dies möglichst zu vermeiden. Ein Grund dafür ist, dass diese Jungen und Mädchen häufig Probleme im Umgang mit Texten und Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben. Da der schulische Einsatz des Internets aber in erster Linie textbasiert ist, fühlen sie sich sehr unsicher und zum Teil überfordert mit der Bewältigung dieser Aufgaben. Diese Kinder wissen außerdem wenig über das Internet bescheid (z. B. rechtliche Rahmenbedingungen, Privatsphäre etc.) und können dessen Chancen und Risiken nicht einschätzen. Da sie sich im schulischen Umgang mit dem Internet unsicher fühlen, versuchen sie die Internetnutzung generell eher zu vermeiden, als dass sie bestrebt wären, sich neue Fähigkeiten und Fertigkeiten anzueignen.
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Typ 4b: Ältere Unsichere (6 Mädchen, 5 Jungen im Alter von 14 bis 16 Jahren) Die Älteren in der Gruppe der Unsicheren befinden sich in der Hochphase der Pubertät, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und dem anderen Geschlecht sind wie die Selbstfindung und das Identitätsmanagement für diese Heranwachsenden ein zentrales Thema. Alle haben ein SNS-Profil, auf dem sie intensiv unterschiedliche Formen und Möglichkeiten der Selbstpräsentation ausleben. Darüber hinaus nutzen sie SNS als Kontaktbörse sowohl mit bekannten als auch unbekannten Personen und so finden sich auf den SNS-Profilen dieser Jugendlichen häufig Fotos von Partys oder mit betont anzüglichen Posen. Mädchen nutzen SNS stärker zur Kommunikation als Jungen. Manche Jungen kritisieren die textbasierte Kommunikation auf SNS, da sie das Schreiben als anstrengend empfinden und es ihnen zum Teil tatsächlich schwerfällt, sich schriftlich auszudrücken. Die Jugendlichen nutzen das Internet regelmäßig sowohl für private als auch berufliche73 bzw. schulische Zwecke. Daher sind sie in ihrem Internetumgang versierter als die Jungen und Mädchen aus der Gruppe der Jungen Unsicheren. Dennoch wissen diese Heranwachsenden ebenfalls wenig über die Chancen und Risiken des Internets bescheid und verfügen nur über grundlegende technische Kenntnisse. Zudem haben sie Schwierigkeiten mit der Beurteilung textbasierter Informationen – sowohl im Internet als auch darüber hinaus. Wenn sie nach Informationen suchen, dann eher über Bilder und Videos. Diese Jungen und Mädchen scheitern an der Aufgabe, den Verlauf einer Suche zu löschen und viele wissen zumindest nicht explizit, wie man Dateien aus dem Internet herunterlädt. Auffällig ist, dass viele einen YouTube-mp3-Konvertierer auf ihrem Smartphone installiert haben und diesen auch regelmäßig nutzen. Sie wissen allerdings weder, dass sie damit Dateien herunterladen, noch dass dies nicht nur über das Smartphone sondern auch über den Computer möglich ist. Dass sie damit das Urheberrecht verletzen, ist ihnen nicht bekannt. Wie bei den Jüngeren Unsicheren fällt auch hier auf, dass diese Heranwachsenden kein Interesse zeigen, ihre Fertigkeiten zu verbessern, um das Internet sowohl für private als auch berufliche Zwecke besser nutzen zu können, oder eine größere Sicherheit im Umgang mit potentiellen Risiken (z. B. im Umgang mit SNS)
73Alle
Jugendliche aus dieser Gruppe haben sich dazu entschieden, nach dem Pflichtschulabschluss bzw. ab einem Alter von 15 Jahren entweder als Lehrling in einem Handwerksberuf oder als ungelernte Arbeitskraft zu arbeiten.
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zu erreichen. Sie begründen dies damit, dass sie sich mit jenen Aspekten des Internets, die sie nutzen, zufriedengeben und sich für andere Möglichkeiten der Internetnutzung nicht interessieren. Fallbeispiel Ferdinand (Typ 4, „Unsichere“)
Familiäres und soziales Umfeld Ferdinand ist 14 Jahre alt und wohnt mit seinen Eltern, seiner Großmutter, einer Tante und vielen Tieren in einem Haus am Stadtrand. Der Vater ist Handwerker und hat eine eigene Werkstatt. Die Familie kann dem Milieu der niedrigen Selbstständigen zugeordnet werden und hat eine traditionelle lebensweltliche Orientierung. Es werden keine kulturellen Veranstaltungen besucht und der Urlaub wird jedes Jahr am selben Ort am Mittelmeer verbracht. Ferdinand ist Mitglied in einer Krampus Pass (Verein zur Pflege eines speziellen alpenländischen Brauches) sowie in einem Scooter Tuning-Club und nimmt an Kart-Meisterschaften teil. Ferdinand hat sieben Freunde, die er aus den genannten Clubs kennt. Sein bester Freund wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft und besucht das Gymnasium. Ferdinand geht nicht gerne zur Schule, weil er ein schlechter Schüler ist und eine starke Lese-Rechtschreib-Schwäche hat. Auch mit den Mitschülerinnen und Mit schülern verträgt er sich nicht sonderlich gut. Ferdinand sind der Spaß am Leben sowie das Erlebnis von Gemeinschaft sehr wichtig. Gemeinsam mit seinen Freundinnen und Freunden zeigt er sich gesellschaftlich engagiert. Zum Teil wird dafür auch das Internet herangezogen; beispielsweise, um per Email Kontakt mit einem Regionalpolitiker aufzunehmen und für einen eigenen Fußballplatz zu kämpfen, oder um Aufrufe von Tierschutzorganisationen auf dem eigenen Facebook-Profil zu veröffentlichen. Ferdinand selbst ist dabei allerdings nicht die treibende Kraft, sondern lässt sich von seinen Freundinnen und Freunden mitreißen. Sein kultureller Geschmack orientiert sich eher an Funktionalität, Zweckmäßigkeit sowie am konkret Machbaren. Ferdinand hält gerne am Gewohnten und Vertrauten fest und ist zufrieden mit seiner gesellschaftlichen Position. In seinem Auftreten wirkt er allerdings eher unsicher. Allgemeine Mediennutzung und Medienbewertung Ferdinands Eltern lesen wenig, sie haben eine Boulevardzeitung abonniert und besitzen nur wenige Bücher. Tagsüber wird vor allem Radio gehört, abends findet sich die Familie vor dem Fernseher ein. Die Mediennutzung der gesamten Familie ist eher unterhaltungsorientiert und der mediale Geschmack
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kann als populär bezeichnet werden. Die Mutter braucht das Internet beruflich, der Vater nutzt es selten. Die medienökonomische Ausstattung der Familie ist relativ gut. Ferdinand hat einen eigenen Fernseher und auch der gemeinsame Computer steht in seinem Zimmer. Ferdinands Mediennutzung wird von seinen Eltern nicht kontrolliert, er orientiert sich aber stark an ihnen und es ist ihm sehr wichtig, abends mit den Eltern fernzusehen. Er gibt an, dass ihm das Fernsehen nur bedingt wichtig sei, dennoch nutzt er es in seinem Zimmer häufig als Hintergrundmedium. Seiner Playstation misst er allerdings eine wesentlich größere Bedeutung bei, am liebsten spielt er Call of Duty. Wie seine Eltern hört er gerne nebenbei Musik. Ferdinand liest nicht gerne, findet es aber wichtig, lesen und schreiben zu können. Internet und SNS Ferdinand nutzt das Internet hauptsächlich, um sich auf YouTube Videos über Autos und Autotuning anzusehen. Er hat ein Facebook-Profil und ruft dieses zwei bis dreimal pro Woche auf, um mit entfernten Freundinnen und Freunden zu kommunizieren. Die Selbstpräsentation spielt für ihn dabei eine untergeordnete Rolle. Er hat lediglich ein Profilfoto und einige wenige Urlaubsfotos hochgeladen. Er möchte auf seinem SNS-Profil authentisch sein und es ist ihm wichtig, dass seine Statusmeldungen von anderen gelesen werden. Ferdinand kennt alle seine Kontakte persönlich und hat die voreingestellten Privatsphäreeinstellungen nicht verändert, da er auch nicht weiß, wie das geht. Die Möglichkeit, Kontakte in Gruppen einzuteilen, ist ihm unbekannt. Allerdings unterscheidet er zwischen einer privaten und einer schulischen Facebook-Nutzung und hat ein zweites Profil angelegt, über das er ausschließlich mit Bekannten aus der Schule, die ihm weniger nahe stehen als seine Freundinnen und Freunde, kommuniziert. Fähigkeiten und Fertigkeiten Ferdinands technische Fertigkeiten sind, ebenso wie sein Wissen über das Internet, eher schlecht: Er lädt keine Musik oder Filme herunter, weil er nicht weiß, wie das geht. Er fühlt sich im Internet auch nicht sicher und weiß bis zum Zeitpunkt des Interviews nicht, dass man auf SNS Privatsphäreeinstellungen setzen kann. Wenn sich Ferdinand im Internet bewegt, hat er immer Angst, jemand könnte ihn „abzapfen“ oder etwas Dummes machen. Deshalb hat er in seinem SNS-Profil einen falschen Namen und eine falsche E-Mail-Adresse angegeben. Außerdem nutzt er es nur von zuhause aus und weder im Jugendzentrum, noch in der Schule. Seine Angst rührt vor allem daher, dass er von einem Lehrer wegen einem Facebook-Eintrag gerügt wurde, obwohl er sich nicht erklären
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kann, wie dieser seine Statusmeldung überhaupt lesen konnte. Außerdem hat er irrtümlich ein kostenpflichtiges Spiel auf sein Handy geladen und konnte auch dabei seinen Fehler nicht nachvollziehen. Ferdinand recherchiert nur im Internet, wenn er dies für Schulaufgaben unbedingt muss. Google nutzt er dabei nur in der Schule, zuhause vertraut er lieber auf kindgerechte Suchmaschinen wie Blinde Kuh, da er dort Ergebnisse in einer für ihn verständlicheren Sprache erhält. Daher fällt es ihm auch schwer, die Rechercheaufgabe im Rahmen des Interviews zu lösen. Er verwendet dafür Google und klickt wahllos zwischen einzelnen Links herum, ohne erfolgreich Informationen zu finden. Nach längerer Suche landet er eher zufällig auf einem Wikipedia-Eintrag, mit dem er allerdings nichts anfangen kann, da er ihn nicht versteht. Da ihm die Sprache auf Wikipedia zu komplex ist, versucht er diese Onlineenzyklopädie generell zu meiden. Er kann keine Kriterien zur Beurteilung von Informationen aus dem Internet angeben. Er beurteilt Internetseiten danach, ob Bilder vorhanden sind oder nicht. Seiten mit zu viel Text meidet er. Je mehr Bilder und je weniger Text vorhanden sind, desto besser und informativer findet er eine Seite. Mit dieser Strategie und mit der Verwendung kindgerechter Suchmaschinen hat er aber für sich einen Weg gefunden, mit seiner Lese-RechtschreibSchwäche zurechtzukommen. Auch YouTube schätzt er als Möglichkeit, sich über Videos – und eben nicht textbasiert – hinsichtlich privater Interessen zu informieren. Fazit Ferdinand fühlt sich im Internet unsicher, er hat wenig Wissen darüber und verfügt über ebenso geringe technische Fertigkeiten. Durch seine starke LeseRechtschreib-Schwäche fällt ihm der Umgang mit Texten und somit auch die Recherche im Internet sowie die Beurteilung von Informationen schwer. Für seine privaten Interessen hat er aber über die Suche nach visuellen Informationen und die Nutzung kindgerechter Suchmaschinen einen Weg gefunden, dies zu kompensieren. Typ 5: Reflektierte (7 Mädchen, 3 Jungen) Die Heranwachsenden, die diesem Typ zugeordnet werden, kommen aus dem Milieu der Niedrigen Selbstständigen und Niedrigen Unselbstständigen oder der Mittleren Unselbstständigen. Ihre Eltern verfügen mehrheitlich über eine formal niedrigere Bildung und auch die Kinder und Jugendlichen sind eher formal niedriger gebildet. Einige haben aber den Sprung ins Gymnasium geschafft und verkörpern damit den klassischen Typus des Bildungsaufsteigers. Alle Jungen
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und Mädchen sowie ihre Eltern sind aufstiegsorientiert und wollen sich in ihrem Leben verbessern bzw. wollen die Eltern, dass es ihre Kinder einmal besser haben als sie selbst. Bei diesen Jungen und Mädchen lässt sich keine Einheit bezüglich des Alters feststellen. Sie sind zwischen 11 und 16 Jahre alt und dadurch mit sehr unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben konfrontiert. Je nach ihren individuellen Herausforderungen machen sie sich Medien und vor allem das Internet zunutze und legen dabei einen besonderen Schwerpunkt auf das Beziehungsmanagement mit Freundinnen, Freunden und Familienmitgliedern. Sie orientieren sich in der Welt indem sie sich über verschiedene Wege informieren (z. B. auch über alternative Suchmaschinen) und gefundene Informationen kritisch reflektieren und vergleichen. Wenn sie sich Medien für ihr Identitätsmanagement und ihre Selbstpräsentation zunutze machen, tun sie dies ebenfalls unter kritischer Abwägung möglicher Chancen und Risiken sowie durch eine gezielte Auseinandersetzung damit, welche Aspekte ihrer Persönlichkeit sie welchen Personengruppen zugänglich machen. In ihrem allgemeinen Habitus sind diese Kinder und Jugendlichen lustbetont und eher gemeinschaftlich orientiert. Sie sind relativ selbstsicher und sind bestrebt, in der Schule gute Leistungen zu erbringen. In ihrem kulturellen Geschmack favorisieren sie eher unmittelbare und direkte Ausdrucksformen und orientieren sich am konkret Fassbaren und Machbaren. Manche haben sich über den Besuch einer höheren Schule auch Zugang zu hochkulturellen Ausdrucksformen angeeignet und betonen dies in den Interviews besonders. Das medienökonomische Kapital der Familien aus denen diese Jungen und Mädchen stammen ist insgesamt eher durchschnittlich, jedoch besitzen alle Heranwachsenden ein eigenes Smartphone. Manche können damit nur zuhause oder in der Schule über W-Lan ins Internet einsteigen, andere haben einen Handyvertrag mit mobiler Internetverbindung. Die Mediennutzung der Kinder ist wie die ihrer Eltern eher informationsorientiert, ihr medialer Geschmack ist allerdings eher populär als hochkulturell. Ein Großteil der Eltern dieser Jugendlichen kontrolliert die zeitliche Intensität der Mediennutzung (vor allem hinsichtlich potentiell anfallender Kosten für das Smartphone), kaum wird jedoch die inhaltliche Qualität kontrolliert oder zuhause diskutiert. Daher betonen diese Kinder und Jugendlichen häufig, dass man einen sicheren Medienumgang einerseits in der Schule erlernen und sich andererseits durch Erfahrung selbst aneignen muss. Die Heranwachsenden, die Typ 5 zugeordnet werden, unterscheiden sie sich von den Jungen und Mädchen aus den zuvor beschriebenen Typen durch eine stark kommunikationsorientierte Mediennutzung. Dem Lesen messen sie eine
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große Bedeutung bei, ohne sich aber über den Besitz bzw. das Lesen von Büchern zu inszenieren. Zugleich spielt das Internet eine zentrale Rolle in ihrem Medienrepertoire und im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Heranwachsenden nutzen es diese Jungen und Mädchen fast ausschließlich über ihre Smartphones. Das klassische Fernsehen spielt eher eine untergeordnete Rolle, denn auch Fernsehserien werden vorrangig über das Smartphone rezipiert. Bis auf eine Ausnahme haben alle ein Profil auf einer SNS, das auch regelmäßig genutzt wird. In ihrem allgemeinen Medienumgang und besonders hinsichtlich des Internets zeigen diese Heranwachsenden ein sehr reflektiertes Verhalten. Bewusst setzten sie unterschiedliche Social Web-Angebote zur Erreichung ihrer Ziele ein und wägen deren Chancen und Risiken ab. Die SNS-Profile dieser Gruppe zeichnen sich durch viele Kontakte aus, allerdings werden auch bewusst Privatsphäreeinstellungen bzw. Chat-Einstellungen gesetzt. Auch hier finden sich bei manchen Mädchen Fotos in modelhaften und zuweilen auch anzüglichen Posen, aber es wird darauf geachtet, wer diese Fotos sehen kann. Auch in der Beurteilung von Informationen aus dem Internet zeigen sich diese Jungen und Mädchen sehr reflektiert. Sie gehen bei der Recherche sehr gezielt vor und nutzen dafür zum Teil parallel mehrere Suchmaschinen. Sie vergleichen die gefundenen Seiten miteinander und beurteilen diese nach ihrer inhaltlichen Qualität. Bei der Aufgabenstellung im Rahmen des Interviews lesen sie sich die Informationen auf den einzelnen Websites genau durch, bevor sie zu einem Urteil gelangen – sie achten dabei auf den Schreibstil sowie auf vorhandene Quellenangaben, visuellen Informationen messen sie weniger Bedeutung bei. Obwohl sie gut über das Internet bescheid wissen und ihr Wissen besser als die Heranwachsenden aus Typ 1 in die Praxis umsetzen können, werden diese Jungen und Mädchen sofort unsicher, sobald ihr Wissen mittels Fragebogen abgefragt wird, oder sie ihr Handeln im Internet beschreiben bzw. begründen sollen. Daher verkaufen sie sich oft unter ihrem Wert, obwohl sie sich sehr reflektiert im Internet bewegen. Im Hinblick auf technische Fertigkeiten ist aber auch diese Gruppe eher unsicher. Die Kinder und Jugendlichen wissen zwar, dass man den Verlauf einer Suchanfrage löschen kann, können dies aber oft nicht auf Anhieb vorführen. Aber sie geben im Gegensatz zu den Heranwachsenden aus den zuvor beschriebenen Handlungstypen, nicht beim ersten Versuch auf, sondern versuchen diese Aufgabe durch kreative Lösungswege zu meistern. Manche finden beim zweiten Versuch den richtigen Weg, andere lösen die Aufgabe letztendlich erfolgreich durch das Löschen einzelner besuchter Seiten. Die meisten haben über ihren Freundeskreis einen YouTube-mp3-Konvertierer kennengelernt. Sie nutzen diese Angebote auch, obwohl ihnen bewusst ist, dass sie damit eine Urheberrechtsverletzung begehen. Im Gegensatz zu anderen treffen
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sie diese Entscheidung aber in bewusster Abwägung möglicher Chancen und Risiken und schätzen die Gefahr, tatsächlich kontrolliert und ertappt zu werden, als gering ein. Fallbeispiel Clarissa (Typ 5, „Reflektierte“)
Familiäres und soziales Umfeld Clarissa ist 13 Jahre alt, besucht ein Gymnasium und lebt mit ihren Eltern, zwei jüngeren Brüdern und einer älteren Schwester in einem Haus auf dem Lande. Die Eltern besitzen eine kleine Gärtnerei und kommen aus dem Milieu der niedrigen Selbstständigen. Die lebensweltliche Orientierung der Familie kann als modern und dem Mainstream folgend bezeichnet werden. Kulturelle Veranstaltungen werden selten besucht, manchmal besuchen die Eltern jedoch ein Konzert. Jedes Wochenende unternimmt die Familie etwas gemeinsam, der Familienurlaub wird am Mittelmeer verbracht. Clarissa fühlt sich zuhause wohl und kann über alles reden. Ihre drei besten Freundinnen besuchen die gleiche Schule und deshalb geht auch Clarissa sehr gerne zur Schule. Die Eltern sind stolz, dass ihre Tochter als einzige in der Familie das Gymnasium besucht. Clarissa möchte nach dem Abitur Volksschullehrerin werden, daher ist es ihr persönlich wichtig, gute Noten zu haben. In ihrem Habitus ist Clarissa einerseits erlebnisorientiert, gleichzeitig ist sie aber sehr diszipliniert, wenn es um ihren schulischen und den späteren beruflichen Erfolg geht. Sie ist eher gemeinschaftlich orientiert und der gesellschaftliche Aufstieg ist ihr wichtig, denn sie schlägt zielstrebig den Weg zum Beruf der Lehrerin ein. In ihrem kulturellen Geschmack steht für Clarissa wie für ihre Eltern das Praktische und konkret Fassbare im Mittelpunkt. Die Funktionalität und der Inhalt sind ihr wichtiger als äußere Formen. Allgemeine Mediennutzung und Medienbewertung Das medienökonomische Kapital der Familie ist eher hoch und Clarissa besitzt sowohl einen eigenen Laptop als auch ein eigenes Smartphone. Computer und Internet betrachten Clarissas Eltern aber in erster Linie als Arbeitsinstrumente. Die Mediennutzung der Familie ist eher informations- als unterhaltungsorientiert und der mediale Geschmack ist in vielen Bereichen populär (z. B. Art der gelesenen Bücher, genutzte Radiosender), im Hinblick auf die informative Mediennutzung jedoch eher hochkulturell orientiert (z. B. Art der Zeitung und Fernsehnachrichten). Alle Familienmitglieder lesen gerne. Daher besitzt die Familie viele Bücher; Clarissa erachtet dies allerdings nicht als besonders oder wichtig.
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Darüber hinaus haben die Eltern eine sogenannte Qualitätszeitung abonniert, welche auch Clarissa gerne und regelmäßig liest. Sie findet Zeitungen wichtiger als Bücher, da sie über aktuelle Geschehnisse informieren. In Clarissas Familie läuft zum Frühstück das Radio als Hintergrundmedium; tagsüber hört das Mädchen entweder über ihren Laptop oder über ihr Smartphone Musik. Die Eltern sehen jeden Abend sowohl zur Information als auch zur Unterhaltung fern; dabei nutzen sie primär das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Clarissa sieht hingegen selten und selektiv fern und tut dies nur, wenn sie eine Sendung besonders interessiert. Wesentlich wichtiger ist ihr das Internet, das sie teilweise über ihren Laptop, zumeist aber über ihr Smartphone nutzt. Ihre Eltern kontrollieren ihre Mediennutzung nicht inhaltlich, aber zeitlich. Internet und SNS Die Internetnutzung über ihr Smartphone gestattet Clarissa gewisse Freiräume, da ihre Eltern auf diese Weise nicht genau mitbekommen wann und wie lange sie im Internet surft. Am liebsten nutzt sie YouTube um sich Musikvideos anzusehen, aber auch Facebook nutzt sie gerne und regelmäßig. Vor zwei Jahren hat sie sich gemeinsam mit einer Freundin auf Twitter angemeldet. Sie nutzt dieses Angebot aber nicht mehr, weil sie es langweilig findet. Manchmal surft Clarissa auch einfach nur zum Spaß ziellos im Internet. Sie schätzt am Internet besonders, dass man schnell Informationen finden und sich mit Freundinnen und Freunden austauschen kann. Clarissa hat 150 Kontakte auf ihrem SNS-Profil, die sie allerdings nicht alle persönlich kennt (entfernte Bekannte). Daher hat sie einige Kontakte wieder gelöscht und nutzt gezielt Privatsphäreeinstellungen, um diesen Personen nur wenig von sich preiszugeben. Sie verwendet ihr SNS-Profil vor allem zum Austausch mit Familienmitgliedern, die in einem anderen Bundesland leben, und zur Kommunikation mit Freundinnen und Freunden. Zur Gruppierung ihrer Kontakte nutzt sie die Voreinstellungen „Familie“ und „enge Freunde“ und stattet diese bewusst mit unterschiedlichen Rechten aus. Zum Teil stellt sie auch bei einzelnen Statusmeldungen genau ein, wer diese lesen kann. Sie ist Mitglied in zwei Facebook-Gruppen ihrer Klasse. Die Chat-Funktion hat sie bewusst deaktiviert. Sie aktiviert diese nur, wenn sie auch wirklich mit jemandem chatten will und sich vorab dazu verabredet hat. Clarissa hat ungefähr zwanzig Fotos hochgeladen, die alle unverfänglich sind und sie zumeist gemeinsam mit Freundinnen und Freunden zeigen.
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Fähigkeiten und Fertigkeiten Clarissa hat den Umgang mit Privatsphäreeinstellungen in der Schule gelernt, ebenso weiß sie über Persönlichkeits- und Urheberrechte bescheid und verhält sich auch entsprechend. Wenn sie aber aufgefordert wird, dies genau zu erklären, wird sie sofort unsicher und kann ihre Aussagen nicht richtig festmachen. Sie nutzt keinen YouTube-mp3-Konvertierer, weil sie einerseits nicht weiß, wie das geht, andererseits vermutet sie, dass dies gegen das Urheberrecht verstoßen würde und bittet daher lieber ihre Freundinnen und Freunde darum, für sie Musik herunterzuladen. Dabei hat sie aber offensichtlich keine Skrupel. Für Referate übernimmt sie Inhalte aus dem Internet zum Teil ohne Quellenangaben. Sie weiß, dass dies nicht ganz richtig ist, schätzt aber das Risiko, dafür in der Schule bestraft zu werden, als gering ein, da sie die Texte jeweils umformuliert. Das Recht am eigenen Bild nimmt sie allerdings sehr ernst und fragt ihre Freundinnen und Freunde immer, bevor sie ein Bild veröffentlicht und erwartet dies auch umgekehrt. Für die Rechercheaufgabe im Kontext des Interviews nutzt Clarissa bewusst nicht Google, sondern die alternative Suchmaschine Ecosia. Da sie damit allerdings meistens auf Wikipedia landet, nimmt sie parallel zwei andere Suchmaschinen zur Hilfe. Wikipedia vertraut sie zwar, aber sie vergleicht dennoch unterschiedliche Suchergebnisse und gibt an, immer so vorzugehen. Dass sie dies öfter tut, zeigt sich darin, dass sie sich die Trefferliste ihrer Suchanfrage genau durchliest und auch bei der Beurteilung von Websites stark nach deren inhaltlicher Struktur und Aussagekraft geht. So kann sie auch in der Anwendungsaufgabe im Interview gut argumentieren, welche Seiten sie als besonders glaubwürdig einstuft. Genauso begründet sie ihre Skepsis gegenüber Yahoo!Clever, da sie die Richtigkeit und Aussagekraft der einzelnen Forenbeiträge nicht einschätzen kann. Technisch ist Clarissa nicht so versiert. Sie weiß, dass man den Verlauf einer Suchanfrage löschen kann, braucht diese Funktion allerdings für ihre Bedürfnisse nicht. Sie scheitert daher zu Beginn auch an dieser Aufgabe, probiert allerdings so lange, bis sie es schafft, die jeweiligen Links einzeln zu löschen. Fazit Clarissa hat in weiten Teilen den Medienumgang ihrer Eltern übernommen, allerdings spielt für sie, im Gegensatz zu ihren Eltern, das Internet eine zentrale Rolle als Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsmedium. Sie nutzt es vor allem über ihr Smartphone, da ihre Internetnutzung dadurch schwerer zu kontrollieren ist. Ihre technischen Fertigkeiten sind
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eher durchschnittlich, aber Clarissa hat ein großes Wissen über das Internet. Sie kann dieses Wissen gut in die Praxis transferieren und handelt daher sehr reflektiert und wiegt vor allem genau potentielle Chancen und Risiken ab. Allerdings hat sie Schwierigkeiten, dieses Wissen gezielt zu formulieren. Erst nach und nach gibt sie die Gründe für ihr Handeln preis und eröffnet darüber erst Einblicke in ihr tatsächliches Wissen. Sie hat eine Vorstellung von einem „legitimen“ Medienumgang, aber sie versucht sich nicht durch sozial erwünschte Antworten besonders zu profilieren. ◄
8.7.3 Auffälligkeiten und Besonderheiten Bereits in der Grafik zur Einordnung der verschiedenen Typen anhand von Polaritätsprofilen (Abb. 8.20) zeigen sich Unterschiede hinsichtlich des allgemeinen Habitus, des medialen Habitus und der Medienperformanz der Kinder und Jugendlichen. Jene Heranwachsenden, die dem Typ der Angepassten (Typ 1) entsprechen, entstammen mehrheitlich dem Milieu der Etablierten Intellektuellen. Einige wenige kommen auch aus dem Milieu der Niedrigen Unselbstständigen und verkörpern den Typus des Bildungsaufsteigers bzw. der Bildungsaufsteigerin. Diese sind besonders bemüht, sich höheren, bildungsnahen Milieus oder auch den Erwartungen höherer Schulen zu assimilieren und handeln daher besonders angepasst. Alle Jungen und Mädchen aus diesem Typ sind formal höher gebildet und besuchen ein Gymnasium. Sie verfügen über ein großes Wissen über das Internet, können dieses aber nicht immer in die Praxis umsetzen. Sie erweisen sich als technisch eher unsicher, aber sehr gut und sicher in der Recherche nach und der Beurteilung von Informationen. Sie haben einen legitimen Mediengeschmack verinnerlicht bzw. eine konkrete Vorstellung von einem legitimen Medienumgang und sind bestrebt, sich darüber auch zu profilieren und von anderen (besonders formal niedriger Gebildeten), die diesem legitimen Medienumgang bzw. -geschmack nicht entsprechen, zu distinguieren. Treten Konflikte zwischen ihrem tatsächlichen Medienhandeln und ihrem Bild eines legitimen Medienumgangs auf, tendieren sie zu sozial erwünschtem Antwortverhalten und es ist ihnen deutlich unangenehm, wenn diesbezügliche Unstimmigkeiten in den Interviews zutage treten. Heranwachsende, die dem Typ der Experten (Typ 3) entsprechen, sind ebenfalls formal höher gebildet. Sie entstammen Familien aus dem Milieu der Mittleren Unselbstständigen oder Mittleren Selbstständigen und nur einige wenige aus dieser Gruppe gehören den Etablierten Intellektuellen an. Zudem fällt auf, dass überdurchschnittlich viele dieser Jungen und Mädchen einen
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Migrationshintergrund haben. Sie verfügen sowohl über hohe technische Fertigkeiten, als auch über ein großes Wissen im Umgang mit Medien allgemein und im Hinblick auf das Internet. Sie wägen die Chancen und Risiken des Internets ab und äußern sich kritisch zu einseitigen öffentlichen Diskursen über Medien. Sie sind schnell und zielsicher im Recherchieren nach und der Beurteilung von Informationen aus dem Internet und setzen das Social Web reflektiert und gezielt für ihr Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement ein. Im Unterschied zu Heranwachsenden, die anderen Typen zugeordnet wurden, können diese Jungen und Mädchen ihr theoretisches Wissen sehr gut in ihre alltägliche Nutzungspraxis transferieren und ihre technischen Fertigkeiten bewusst und überlegt einsetzen. Im Vergleich zu den Jugendlichen aus dem Typ der Angepassten (Typ 1) kennen diese Heranwachsenden zwar einen legitimen Mediengeschmack bzw. legitime Medienumgangsformen, sie fühlen sich aber in ihrem Handeln darüberstehend: als äußerst selbstbewusste Expertinnen und Experten sehen sie keinen Anlass, sich sozial erwünscht zu präsentieren bzw. über ihr Medienhandeln zu distinguieren. So beurteilen sie beispielsweise ähnlich wie die Heranwachsenden aus dem Typ der Angepassten (Typ 1) Bücher und Zeitungen als wichtig, bewerten diese allerdings nicht besser als Bildschirmmedien. Die Unterschiede im Medienhandeln und der daraus resultierenden Medienperformanz dieser beiden formal höher gebildeten Gruppen (Angepasste und Experten) lässt sich auf ihre Mediensozialisation und den in der Familie erworbenen allgemeinen sowie medialen Habitus zurückführen. Alle Heranwachsende stammen aus bildungsnahen Familien, verfügen über ein hohes kulturelles Kapital und sind intellektuell orientiert. Für die aus dem Milieu der Etablierten Intellektuellen stammenden Angepassten hat die schulische Bildung einen sehr hohen Stellenwert und sie sind stark auf ihre berufliche und gesellschaftliche Karriere (durch Bildung) fokussiert. Für die Experten hat die schulische Bildung auch eine große Bedeutung, vor allem, wenn sie zu gesellschaftlichem Aufstieg verhilft, sie ist allerdings nicht das Maß aller Dinge. Sie leben im Vergleich zu den Angepassten wesentlich lustbetonter und erlebnisorientierter als pflichtbewusst und diszipliniert und haben ein noch stärker egalitäres Weltbild. Vor allem aus letzterem erschließt sich, dass es für diese Heranwachsenden nicht von Belang ist, sich über ihren Medienumgang zu distinguieren, wenngleich sie über das kulturelle Kapital verfügen, ein legitimes Medienhandeln bzw. einen legitimen Mediengeschmack zu kennen. Die Heranwachsenden beider Gruppen sowie ihre Eltern orientieren sich am hochkulturellen medialen Geschmack und zeigen eine vorrangig informationsorientierte Mediennutzung. Die Experten und ihre Eltern nutzen Medien allerdings zugleich unterhaltungsorientiert bzw. ist eine unterhaltungs-
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orientierte Mediennutzung für diese Personen kein Widerspruch, während die Angepassten sowie ihre Eltern eine unterhaltungsorientierte Mediennutzung abwerten. Und auch wenn die Heranwachsenden aus beiden Gruppen innerhalb der Familie sowohl eine zeitliche Kontrolle als auch eine inhaltlich orientierte Medienerziehung erfahren bzw. erfahren haben, so orientieren sich die Eltern der Angepassten dabei vorwiegend an medien- und kulturkritischen Diskursen, während sich die Eltern der Experten weniger medienkritisch zeigen. Außerdem ist das Internet nicht nur für die Jungen und Mädchen aus dem Typ der Experten, sondern zum Teil auch für deren Eltern ein wichtiges Informations- und Unterhaltungsmedium, während die Eltern der Angepassten das Internet primär als Informations- und Arbeitsmedium betrachten. Dies erklärt zum einen, dass die Heranwachsenden beider Gruppen das Internet bereits in ihrer Familie als Informations- und Recherchemedium kennengelernt haben und dadurch diesbezüglich über ein großes Wissen sowie entsprechende Fertigkeiten (Recherche, Beurteilung von Informationen etc.) erworben haben. Zum anderen erklärt es aber auch den spielerischen, lustbetonten und erlebnisorientierten Umgang der Experten mit dem Internet vor dem Hintergrund eines Strebens nach Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung. Über ein breiteres Spektrum an Nutzungsweisen haben diese Jungen und Mädchen auch viele praktische und technische Fertigkeiten erworben und können ihr Wissen im Vergleich zu den Angepassten besser in die Praxis transferieren bzw. über ihre Nutzungsweisen leichter zusätzliche Kenntnisse erwerben, als jene Heranwachsenden, die das Internet primär als Informationsmedium betrachten und andere Nutzungsweisen (auch die eigene SNS-Nutzung) abwerten. Jungen und Mädchen, die dem Typ der Reflektierten (Typ 5) entsprechen, sind mehrheitlich formal niedriger gebildet; einzelne haben als Bildungsaufsteiger den Sprung von der Mittelschule ins Gymnasium geschafft. Sie entstammen vor allem dem Milieu der Niedrigen Selbstständigen oder Niedrigen Unselbstständigen und manche kommen auch aus dem Milieu der Mittleren Unselbstständigen. Obwohl diese Heranwachsenden sehr gut über das Internet bescheid wissen und ihr Wissen besser als die Angepassten in die Praxis transferieren können, werden sie sofort unsicher, sobald ihr Wissen mittels Fragebogen abgefragt wird, oder sie ihr Handeln im Internet beschreiben bzw. begründen sollen. Daher präsentieren sie sich vielfach unter ihrem Wert, obwohl sie sich äußerst reflektiert im Internet bewegen. Wie die Angepassten verfügen auch die Reflektierten eher über weniger technische Fertigkeiten. Allerdings geben sie im Vergleich dazu bei Problemen mit dem Computer oder dem Internet nicht beim ersten Versuch auf, sondern versuchen kreative Lösungswege zu finden, mit denen sie häufig erfolgreich sind (z. B. Suchverlauf durch Löschen einzelner Seiten eliminieren).
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Die Reflektierten (Typ 5) unterscheiden sich von den Angepassten (Typ 1) und den Experten (Typ 3) durch eine geringere Bildungsnähe. Der schulischen Bildung wird etwas weniger Bedeutung beigemessen, als dies bei Heranwachsenden aus den zuvor beschriebenen Typen der Fall ist (Angepasste und Experten). Allerdings erhofft man sich durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder sogar den Besuch einer weiterführenden Schule einen gesellschaftlichen Aufstieg. Sowohl die Heranwachsenden als auch ihre Eltern sind daher aufstiegsorientiert und wollen sich in ihrem Leben verbessern bzw. wollen die Eltern, dass es ihre Kinder einmal besser haben als sie selbst. Allerdings zeigen sich diesbezüglich Unstimmigkeiten hinsichtlich der kulturellen Passung mit der schulischen bzw. hochkulturellen Bildung, sind sie doch wesentlich stärker an unmittelbaren und direkten Ausdrucksformen und vor allem am konkret Fassbaren und Machbaren, als an abstraktem Wissen orientiert. Dennoch sind diese Jungen und Mädchen besonders bemüht, in der Schule gute Leistungen zu erbringen und wirken durchweg selbstsicher. Durch die geringere kulturelle Passung mit der schulischen Bildung bewirken Situationen der Abfrage von Wissen allerdings schnell Unsicherheit im Bemühen, die „richtigen“ Antworten zu geben. Dies zeigt sich auch in den Ergebnissen der qualitativen Befragung, welche diese Heranwachsenden offenbar mit einer schulischen Wissensabfrage assoziieren (vermutlich auch, weil die Interviews in der Schule stattfanden). Auch im Hinblick auf ihren Medienumgang, sind diese Jungen und Mädchen bemüht, die „richtigen“ Antworten zu geben. Anders als die Heranwachsenden aus Typ 1 (Angepasste) fehlt ihnen allerdings aufgrund mangelnden kulturellen Kapitals die Kenntnis eines legitimen Mediengeschmacks bzw. Medienumgangs und sie können sich nicht sozial erwünscht präsentieren. Dies resultiert in Unsicherheit, wodurch sie im Umgang mit dem Internet auf den ersten Blick einen schwächeren Eindruck machen, obwohl sie sich durch eine äußerst reflektierte Nutzungsweise auszeichnen und sehr gut über das Internet bescheid wissen. Die Eltern dieser Jungen und Mädchen kontrollieren den Medienumgang ihrer Kinder zeitlich, jedoch nicht inhaltlich und in der Familie finden kaum Gespräche über Medien statt bzw. sind die Heranwachsenden in ihrer Mediennutzung zumeist auf sich alleine gestellt. Daher sind sie, anders als die Angepassten, davon überzeugt, dass man zwar in der Schule über einen sicheren Medienumgang aufgeklärt werden kann, sich die wesentlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten aber durch eigene Erfahrung selbst aneignen muss. Dadurch erweisen sie sich im Umgang mit Problemen lösungsorientiert und finden im Gegensatz zu den Angepassten, die mit ähnlichen technischen Fertigkeiten ausgestattet sofort aufgeben, kreative und alternative Wege, die entsprechenden Herausforderungen zu meistern (z. B. Löschen einzelner Links, um den Suchverlauf im Internet nicht mehr nach-
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vollziehbar zu machen.). Die Mediennutzung der Jungen und Mädchen sowie der ihrer Eltern ist informationsorientiert, allerdings mit vorrangig populärem medialem Geschmack. Das heißt, dass diese Heranwachsenden und ihre Eltern sich im Vergleich zu den Familien der Angepassten und Experten eher über Boulevardzeitungen oder private Radio- und Fernsehsender informieren, als über sogenannte Qualitätszeitungen oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Diese Informationsorientierung haben sie allerdings in ihrem medialen Habitus verinnerlicht, daher sind sie es gewohnt gezielt zu recherchieren sowie gefundene Informationen zu vergleichen und zu beurteilen. Wie die Angepassten und die Experten recherchieren auch die Reflektierten textbasiert und messen visuellen Informationen eine geringere Bedeutung bei. Allerdings fällt auch hier ein deutliches Bemühen, schulischen Ansprüchen gerecht zu werden, auf, denn im Gegensatz zu den anderen beiden Gruppen lesen sich die Reflektierten die Kurzbeschreibung von Links sowie den Text von Internetseiten sorgfältig durch, bevor sie diese beurteilen. Auch in ihrer SNS-Nutzung erweisen sie sich im Vergleich zu den Angepassten und den Experten als besonders überlegt und zeigen ein bewusstes Management ihrer Privatsphäre. Jungen und Mädchen, die dem Typ der Intuitiven Techniker (Typ 2) entsprechen, sind formal niedriger gebildet und entstammen dem Milieu der Niedrigen Selbstständigen oder der Niedrigen Unselbstständigen. Ihre Familien sind eher bildungsfern, denn dem schulischen Erfolg bzw. der Ausbildung wird eine geringe Bedeutung beigemessen. Die Eltern beschäftigen sich kaum mit der Medienerziehung ihrer Kinder und wenn, dann kontrollieren sie die Mediennutzung lediglich zeitlich, aber nicht inhaltlich und es finden auch keine Gespräche über Medien statt. Die Jungen und Mädchen sind in ihrer Mediennutzung auf sich alleine gestellt, weil sich die Eltern selbst nicht sonderlich gut mit Medien und im Besonderen mit dem Internet auskennen. Daher wünschen sich die Heranwachsenden, dass in der Schule ein sicherer Umgang mit dem Internet vermittelt wird. Der mediale Habitus der Familien ist stark unterhaltungsorientiert und so surfen auch die Jungen und Mädchen in erster Linie zur Unterhaltung und auf der Suche nach neuen Erlebnissen im Internet. Sie bewegen sich dabei intuitiv und haben sich darüber viele und sehr gute technische Fertigkeiten angeeignet. Ihre Mediennutzung ist des Weiteren stark auf das Fernsehen und das Internet ausgerichtet; das Lesen von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften ist wie für ihre Eltern von untergeordneter Bedeutung. In ihrem allgemeinen Habitus zeigen sie sich pragmatisch sowie auf Machbarkeit, Notwendigkeit und Funktionalität ausgerichtet. Dies zeigt sich auch in ihrem Medienumgang, der stark geprägt ist vom alltagspraktischen Sinn, den sie damit verbinden. Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie sich im Internet angeeignet
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haben, hängt daher stark von den persönlichen Herausforderungen und Handlungsstrategien ab, die ihre Mediennutzung leiten. Weil sie beispielsweise eine textbasierte und informationsorientierte Internetnutzung nicht gewohnt sind bzw. diese für ihre Bedürfnisse selten brauchen, haben sie Probleme in der Definition von Kategorien zur Beurteilung von Websites. Sie wirken daher eher leichtgläubig, sind aber in ihrer Internetnutzung dennoch nicht unreflektiert und wägen nach ihrem eigenen Ermessen potentielle Chancen und Risiken ab. Im Gegensatz zu den Experten (Typ 3) sind die Intuitiven Techniker (Typ 2) in ihrem Medienhandeln nur solange selbstbewusst, bis sie sich dafür rechtfertigen oder ihr Handeln erklären müssen. Dies hängt allerdings auch mit einem geringeren kulturellen Kapital hinsichtlich des Umgangs mit Sprache zusammen. Sie sind nicht in der Lage, ihr Handeln bzw. ihre Vorgangsweise sowie dieser zugrunde liegende Überlegungen zu verbalisieren. Da sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht in Form präziser Antworten beschreiben können, wirken sie aber ähnlich wie die Reflektierten (Typ 5) auf den ersten Blick wesentlich unsicherer im Umgang mit dem Internet, als es ihrem tatsächlichen Können entspricht. Ihrem allgemeinen Habitus entsprechend handeln sie auch im Internet spontan und problemorientiert (wodurch sie sich technische Fertigkeiten aneignen), zeigen allerdings Schwierigkeiten, wenn mehr als intuitives Handeln gefragt ist. Jene Heranwachsenden, die dem Typ der Unsicheren (4a und 4b) zugeordnet werden, sind ebenfalls formal niedriger gebildet und entstammen dem Milieu der Niedrigen Selbstständigen oder Niedrigen Unselbstständigen. Sie kommen aus bildungsfernen Familien, die der schulischen Bildung eine geringe Bedeutung beimessen. Sie orientieren sich im Vergleich zu den, ebenfalls formal niedriger gebildeten, Reflektierten und Intuitiven Technikern stärker an traditionellen Werten und ihr sozialer Blick ist eher von unten nach oben gerichtet. Sie sind pragmatisch am konkret Fassbaren und Machbaren orientiert und mit dem zufrieden, was sie mit ihren Mitteln erreichen können. Vor allem die jüngeren Unsicheren (Typ 4a) sind medienökonomisch zumeist schlecht ausgestattet, die älteren Unsicheren (Typ 4b) verfügen bereits über eigenes Geld, da sie gleich nach der Schule in den Arbeitsmarkt eingestiegen und hinsichtlich ihrer medienökonomischen Ausstattung weniger abhängig von ihren Eltern sind. Die Eltern regulieren die Mediennutzung ihrer Kinder weder zeitlich, noch können sie diese inhaltlich im Umgang mit medienspezifischen Herausforderungen unterstützen, da sie selbst nicht über entsprechende Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen. Aber auch auf medienpädagogische Hilfestellungen in der Schule sprechen diese Kinder und Jugendlichen im Vergleich zu den Heranwachsenden aus den anderen Gruppen (v. a. den Intuitiven Technikern (Typ 2) und Reflektierten (Typ 5)) wenig an, was auf eine mangelnde kulturelle Passung zurückgeführt werden kann. Diese
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Heranwachsenden verfügen ähnlich wie die Intuitiven Techniker (Typ 2) über ein mangelndes kulturelles Kapital im Umgang mit Texten und Sprache, haben aber noch größere Schwierigkeiten damit. Sie sprechen anders als in der Schule gesprochen wird (zum Teil starker Dialekt, einfacherer Satzbau) und haben generell Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben. Die textbasierte Mediennutzung in der Schule entspricht weder ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten noch ihrem medialen Habitus, der unterhaltungsorientiert und auf visuelle Medien ausgerichtet ist. Daher sind sie äußerst unsicher bei der Recherche im Internet und in der Beurteilung von Informationen. Sie verfügen sowohl über ein geringes Wissen über das Internet als auch über geringe technische Fertigkeiten. Die jüngeren Unsicheren (Typ 4a) versuchen die Internetnutzung daher so gut es geht generell zu vermeiden, weil diese für ihre Bedürfnisse keinen praktischen Sinn ergibt, und tun dies nur, wenn sie in der Schule dazu gedrängt werden. Die älteren Unsicheren (Typ 4b) nutzen das Internet für private Bedürfnisse wie etwa dem Identitäts- und Beziehungsmanagement auf SNS. Sie sind ebenso unsicher in der Beurteilung von Informationen und verfügen über ein geringeres Wissen sowie weniger technische Fertigkeiten als Gleichaltrige aus den anderen Gruppen. Bei vielen zeigt sich aber eine, gemäß ihren Bedürfnissen äußerst überlegte Internetnutzung, mittels derer persönliche Defizite durch alternative Nutzungsweisen kompensiert werden. Die Verwendung von Kindersuchmaschinen, eine bildbasierte Recherche oder die Nutzung von Erklär-Videos oder Tutorials auf YouTube zeugen damit von der Fähigkeit dieser Jugendlichen, das Internet selbstbestimmt zu nutzen. Diese Nutzungsweisen sind vor dem Hintergrund ihrer alltagspraktischen Bedürfnisse wesentlich sinnvoller, als textbasierte Nutzungsstrategien. Allerdings entsprechen diese alternativen Nutzungsformen nur marginal dem sogenannten legitimen Mediengeschmack oder einer aus hochkultureller Perspektive legitimen Mediennutzung. Da sich diese Jugendlichen sehr stark am unmittelbar Machbaren orientieren, zeigen sie kein Interesse daran, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit dem Internet zu verbessern – weder für berufliche, noch für private Zwecke. Sie begnügen sich mit jenen Ausschnitten des Internets, die sie nutzen und die für sie praktisch Sinn ergeben und interessieren sich nicht für andere Nutzungsmöglichkeiten.
8.7.4 Individuelle Einflussfaktoren prägen das Medienhandeln Über den Vergleich der fünf unterschiedlichen Medienhandlungstypen hinaus stellt sich die Frage, inwiefern individuelle Faktoren, soziokulturelle Normen
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und handlungsleitende Orientierungen das Medienhandeln bzw. die Medienperformanz Heranwachsender beeinflussen können. Erste Hinweise auf relevante Faktoren zeigen sich bereits in der Gegenüberstellung der Medienhandlungstypen. Insgesamt kristallisieren sich 1. die psychische und körperliche Reife sowie damit verbundene Entwicklungsaufgaben; 2. alltägliche Bedürfnisse und Herausforderungen der Lebenswelt; 3. der mediale Habitus der Familie und die Vermittlung von kulturellem Kapital durch Medienerziehung sowie 4. die kulturelle Passung und soziale Distinktion als bedeutsam heraus. Im Folgenden werden diese Faktoren mit Verweisen auf Ergebnisse der Einzelfallanalysen sowie typenspezifischer Besonderheiten genauer beleuchtet. Die psychische Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ist von besonderer Bedeutung in Bezug auf die Entwicklung von Medienschemata (Abschn. 2.1.4), welche zentral für das Medienhandeln eines Individuums sind. Heranwachsende bauen mit zunehmendem Alter gefestigte Medienschemata auf, die ihnen zu Selbstsicherheit und Selbstbestimmtheit im Umgang mit Medien verhelfen. Eine empirische Bestätigung für den Einfluss von Medienschemata auf das Medienhandeln findet sich in der fallübergreifenden Analyse (Abschn. 8.5.1). Ebenso bedeutend für das Medienhandeln und die Entwicklung medienbezogener Fähigkeiten und Fertigkeiten sind klassische Entwicklungsaufgaben. So wird beispielsweise das Beziehungsmanagement über Medien in dem Maße wichtiger, wie die Peergroup an Bedeutung erlangt. In der Pubertät, in der die individuelle Positionierung in der sozialen Umwelt und dem persönlichen sozialen Netzwerk eine zentrale Rolle spielt, ist das Beziehungsmanagement von besonderer Bedeutung. Ebenso sind die Selbstpräsentation und das Identitätsmanagement sowohl auf non-medialer Ebene als auch mithilfe von Medien genauso wie das Informationsmanagement und die allgemeine Orientierung in der Welt besonders wichtig für Pubertierende. Dies zeigt sich beispielsweise im Vergleich zwischen den Heranwachsenden aus Typ 1 (Angepasste, 14 bis 16 Jahre) und Typ 4b (ältere Unsichere, 14 bis 16 Jahre) mit jenen aus Typ 2 (Intuitive Techniker, 12 bis 14 Jahre) und Typ 4a (jüngere Unsichere, 11 bis 13 Jahre). Sowohl die Angepassten als auch die älteren Unsicheren befinden sich in der Hochphase der Pubertät und die Selbstauseinandersetzung und Identitätsfindung, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und dem anderen Geschlecht spielen für sie eine große Rolle. Daher nutzen beide Gruppen SNS, um sich auf ihren Profilen im
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Spiel mit der eigenen Identität und der Selbstpräsentation auszuprobieren. Ebenso ist die Orientierung an und die Kontaktpflege mit der Peergroup für diese Jugendlichen sehr wichtig und so werden SNS auch intensiv zum Beziehungsmanagement genutzt. Da sie in einem unterschiedlichen sozialen Umfeld verwurzelt sind, verfolgen die beiden Gruppen dabei jedoch unterschiedliche Strategien. Während sich die älteren Unsicheren über Fotos mit anzüglichen Posen und Partyfotos inszenieren und SNS als Kontaktbörse mit Bekannten und Unbekannten nutzen, sind die Angepassten weniger freizügig. Aber auch sie versuchen sich durch Fotos von sich selbst sowie mit Freunden und Freundinnen zu inszenieren und probieren sich ebenfalls in unterschiedlichen Posen aus; ebenso nutzen sie SNS zum intensiven Beziehungsmanagement. Sie sind aber insgesamt vorsichtiger mit ihrer öffentlichen Selbstpräsentation, da die Nutzung von SNS mit ihrer Vorstellung eines „legitimen“ Mediengeschmacks konfligiert. Im Gegensatz zu den beiden älteren Gruppen befinden sich die jungen Unsicheren noch in der Phase der späten Kindheit bzw. im Übergang in die frühe Pubertät. Für sie ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit noch von geringerer Bedeutung. Sie zeigen daher wenig Interesse an einer Selbstinszenierung über Medien und auch ihre Beziehungen pflegen sie eher offline. Der Großteil dieser Jungen und Mädchen hat daher noch kein SNS-Profil und wenn doch, wird es kaum genutzt. Ähnliches zeigt sich bei den Intuitiven Technikern, die sich in der Vorpubertät befinden bzw. gerade in die Pubertät gekommen sind. Die Selbstauseinandersetzung steht auch für sie noch weniger stark im Zentrum. Auch in dieser Gruppe spielen SNS für einige noch keine Rolle Diejenigen, die bereits ein SNS-Profil haben, nutzen es vorrangig zur Pflege ihrer Kontakte und kaum zur Selbstpräsentation. Ebenso wichtig wie Entwicklungsaufgaben sind alltägliche Bedürfnisse und Herausforderungen der Lebenswelt, die das Medienhandeln beeinflussen indem sie diesem praktischen Sinn verleihen. Ein Beispiel dafür sind familiäre Routinen wie etwa das gemeinsame Fernsehen am Abend, das für Kinder und Eltern praktischen Sinn erlangt durch das Erleben gemeinsam verbrachter Zeit. Ein weiteres Beispiel findet sich bei den Heranwachsenden aus Typ 1 (Angepasste). Sie nutzen die Möglichkeit der Gruppierung von Kontakten oder des gezielten Privatsphäremanagements auf SNS nicht, obwohl sie wissen, dass es diese Funktionen gibt. Sie tun dies, weil sie sich auf SNS gezielt und ausschließlich mit Freundinnen, Freunden und persönlichen Bekannten austauschen und deshalb das Gefühl haben, diese Funktionen nicht zu brauchen, weil sie aus ihrer Perspektive keinen praktischen Mehrwert bringen. Ähnlich verwendet auch Clarissa (Reflektierte/Typ 5) für Referate Informationen aus dem Internet ohne diese zu zitieren, obwohl sie gut über das Urheberrecht bescheid weiß. Sie schätzt allerdings das Risiko, in der Schule dabei ertappt zu werden, gering
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ein, da sie die Texte umformuliert. Im Gegensatz dazu nimmt sie das Recht am eigenen Bild besonders ernst, wenn es um Bilder ihrer Freundinnen oder um eigene Bilder geht, da ihr dies persönlich wichtig ist. Der unterschiedliche Umgang mit rechtlichen Rahmenbedingungen beruht ebenfalls auf dem dahinterstehenden praktischen Sinn, der sich aus dem Zusammenspiel von persönlichen Bedürfnissen mit alltäglichen Herausforderungen ergibt. Anders zeigt sich der alltagspraktische Sinn bei Said (Typ 1, Angepasste), ein Jugendlicher, der ursprünglich aus der Türkei stammt und mit seiner Familie nun in Österreich lebt. Er hat Familie und viele Freunde in seiner alten Heimat, weshalb für ihn die schnelle und einfache Kommunikation mit weit entfernten Personen das größte Potential des Internets ist – die Nutzung von SNS und Voice-Over-IP-Angeboten erhält dadurch für ihn praktischen Sinn. Darüber hinaus ist Said politisch sehr interessiert. Dennoch würde er seine politische Meinung nicht im Internet veröffentlichen, da er (aufgrund der politischen Situation seines Herkunftslandes) denkt, dies könnte für ihn ein Sicherheitsrisiko darstellen. Auch hier zeigt sich, dass sich der praktische Sinn des Medienhandelns aus den Herausforderungen der Lebenswelt erschießt. Bei den Intuitiven Technikern (Typ 2) lässt sich eine andere Form des praktischen Sinns erkennen. Ihr alltägliches Handeln ist generell pragmatisch und insgesamt stark auf Machbarkeit und Notwendigkeit ausgerichtet. Praktischer Sinn meint hier die Lösung konkreter Herausforderungen des Alltags und dies spiegelt sich auch in ihrem Medienhandeln wider. Da sie sich viele technische Kompetenzen selbst beigebracht haben, hängt es auch stark von ihren persönlichen Bedürfnissen und ihren alltagspraktischen Herausforderungen ab, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie sich angeeignet haben. Ein Beispiel dafür ist Robert (Typ 2, Intuitive Techniker) dessen Leben geprägt ist von der Arbeit auf dem Bauernhof, zu der von den Großeltern bis zu den Kindern alle ihren Teil beitragen. Roberts Lebensziel ist es später einmal den elterlichen Hof weiterzuführen. In seiner Mediennutzung zeigt sich dies, beispielsweise darin, dass sein Lieblingscomputerspiel ein Landwirtschaftssimulator ist, oder dass er sich zwar umfangreiche Kenntnisse in der Erstellung und Wartung einer auf Wordpress basierenden Internetseite sowie in der Erstellung und Veröffentlichung von Videos auf YouTube angeeignet hat, diese aber zielgerichtet und ausschließlich für die Bewerbung der Fremdenzimmer auf dem Bauernhof anwendet. Diese Fertigkeiten auch für private Interessen (z. B. eigener YouTube-Kanal oder eigner Blog) einzusetzen, ist für ihn unvorstellbar, denn eine Mediennutzung, die aus seiner Perspektive nicht zielgerichtet bzw. nicht an alltäglichen Aufgaben oder Herausforderungen orientiert ist, würde für ihn keinen Sinn ergeben. Aus denselben Gründen hat Robert auf seinem Facebook-Profil ähnlich wie in einem
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elefonbuch Wohnort und E-Mail-Adresse angegeben, obwohl er weiß, dass sein T Profil öffentlich sichtbar ist, denn auch hier erschießt sich für ihn der praktische Sinn der SNS-Nutzung lediglich aus der zielgerichteten Kommunikation. Der praktische Sinn des Medienhandelns kann aber auch bedeuten, dass für manche Menschen bestimmte Nutzungsweisen eben gerade keinen Sinn ergeben, obwohl sie für andere zur alltäglichen Routine gehören. Beispiele dafür finden sich vor allem in der Gruppe der Unsicheren (Typ 4a und 4b). So versuchen beispielsweise die jüngeren Unsicheren (Typ 4a) die Internetnutzung generell zu vermeiden, obwohl diese in der Schule verlangt wird. Da die schulische Internetnutzung allerdings sehr textbasiert ist und diese Jungen und Mädchen Defizite im Lesen und Schreiben haben, sind sie damit überfordert und die Internetnutzung ergibt für sie keinen Sinn, weil sie viele Texte nicht verstehen. Ähnliches ist bei manchen männlichen Jugendlichen aus der Gruppe der älteren Unsicheren (Typ 4b) festzustellen, die nicht gerne SNS nutzen, weil sie ebenfalls Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben. Weil die schriftliche Kommunikation für sie schwieriger und zeitaufwendiger als die mündliche Kommunikation ist, ergibt die SNS-Nutzung für sie kaum praktischen Sinn. Ähnlich wie die jüngeren Unsicheren (Typ 4a) das Internet generell lieber vermeiden, geben sich die älteren Unsicheren (Typ 4b) mit jenen Aspekten des Internets, die sie nutzen (vorrangig SNS und Videoplattformen) zufrieden und sind nicht bestrebt, sich neue Fertigkeiten anzueignen. Sie interessieren sich ebenso wenig für andere Möglichkeiten des Internets, da diese im Hinblick auf ihre alltäglichen Herausforderungen weder beruflich noch privat einen Mehrwert bringen bzw. keinen praktischen Sinn ergeben würden. Der alltagspraktische Sinn meint im Hinblick auf das Medienhandeln allerdings mehr als eine Einteilung von Medien in mehr oder weniger sinnvolle oder hilfreiche Angebote. Der praktische Sinn leitet das alltägliche Handeln, in das ebenso das Medienhandeln eingebettet ist. Er kann ein Individuum auch zu einem alternativen Medienhandeln bzw. zu „eigensinnigen“, als dem eigenen praktischen Sinn entsprechenden, Nutzungsweisen und Medienumgangsformen anstoßen. So entwickeln beispielsweise viele ältere Unsichere (Typ 4b) alternative Nutzungsweisen des Internets, um persönliche Defizite zu kompensieren. Beispiele dafür sind bild- und videobasierte (z. B. mit Google Bilder oder auf YouTube) anstatt textbasierter Suchstrategien und die Verwendung von kindgerechten Suchmaschinen mit einfachen Texten; diese alternativen Suchstrategien erhalten vor dem Hintergrund von Lese- und Schreibschwächen einen besonderen alltagspraktischen Sinn. Ein anderes Beispiel findet sich bei Ferdinand, der ebenfalls zur Gruppe der älteren Unsicheren gehört. Er weiß nicht, dass man auf SNS seine Kontakte gruppieren und entsprechende Privatsphäreeinstellungen
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vornehmen kann, obwohl er aufgrund seiner alltäglichen lebensweltlichen Erfahrungen das Bedürfnis hat, zwischen unterschiedlichen Kontakten zu differenzieren. Daher hat er zwei unterschiedliche Facebook-Profile angelegt: eines für die Kommunikation mit engen, privaten Freunden und ein anderes für den Austausch mit Bekannten aus der Schule, die ihm weniger nahe stehen. Clarissa (Reflektierte/Typ 5) hat ähnliche Bedürfnisse, da sie ihr SNS-Profil sowohl zur Kommunikation mit entfernten Familienmitgliedern, als auch mit Freundinnen und Freunden nutzt. Sie hat dementsprechend ihre Kontakte in enge Freunde und Familie gruppiert und mit unterschiedlichen Rechten ausgestalten. Clarissa betreibt damit ein sehr ausdifferenziertes Privatsphäremanagement und kontrolliert bei jeder Veröffentlichung, wer diese sehen darf. Das Medienhandeln von Clarissa und Ferdinand erschließt sich einerseits aus ihren persönlichen Bedürfnissen und andererseits aus individuellen Herausforderungen im Umgang mit dem Internet; beide Nutzungsweisen von SNS erhalten aus der Perspektive der Jugendlichen alltagspraktischen Sinn. Diese Beispiele zeigen wie alltägliche Bedürfnisse und lebensweltliche Herausforderungen dem Medienhandeln praktischen Sinn verleihen. Darüber hinaus prägt aber auch der mediale Habitus eines Individuums nicht nur die Art und Weise des Medienumgangs, sondern auch Einstellungen gegenüber Medien sowie das Selbstbewusstsein im Medienhandeln und die Selbstpräsentation im Hinblick auf den persönlichen Medienumgang. Der mediale Habitus steht in engem Zusammenhang mit dem allgemeinen Habitus und dem medialen Habitus der Herkunftsfamilie. So zeigt sich durchgängig bei allen 50 Einzelfällen, dass Heranwachsende einen ähnlichen medialen Habitus haben als ihre Eltern (siehe Polaritätsprofile im Anhang). Über die familiäre Mediensozialisation sowie die bewusste Medienerziehung in der Familie inkorporieren Kinder und Jugendliche unterschiedliche Formen an kulturellem Kapital wie etwa das Wissen über einen legitimen Mediengeschmack und ein legitimes Medienhandeln, eine informationsorientierte und textbasierte Mediennutzung (Textverständnis, Fähigkeit zu recherchieren und kritische Auseinandersetzung mit Medieninhalten), sprachliche Bildung (Wiedergabe von Wissen, Formulierung von Kritik), Wissen zur Einschätzung der Reichweite, Öffentlichkeit und Langlebigkeit des Internets, aber ebenso technische Fertigkeiten. Das sozial unterschiedlich verteilte kulturelle Kapital führt wiederum zu verschiedenen Medienhandlungsweisen und darüber wirken sich eine unterschiedliche Bildungsnähe sowie ein unterschiedlicher sozialökonomischer Status auf das Medienhandeln von Jungen und Mädchen aus. So kennen beispielsweise die Unsicheren aus ihrem familiären Umfeld keine informationsorientierte und textbasiere Mediennutzung. Ihnen fehlt nicht nur das Textverständnis und die Fähigkeit zur Recherche und
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kritischen Auseinandersetzung mit Medieninhalten, sondern auch eine grundlegende sprachliche Bildung. Sie kommen aus Milieus in denen stark Dialekt gesprochen wird und die Hochsprache (in der Texte zumeist verfasst sind) ist für sie ungewohnt, sie haben deutliche Schwächen im Lesen und Schreiben sowie Schwierigkeiten im Verständnis von Texten – deshalb fällt es ihnen schwer, textbasiert im Internet zu recherchieren oder die inhaltliche Qualität von Websites zu beurteilen. Eltern sozial besser gestellter und formal höher gebildeter Heranwachsender kontrollieren die Mediennutzung ihrer Kinder nicht nur zeitlich, sondern setzen sich auch inhaltlich mit deren Mediennutzung auseinander und führen sie beispielsweise durch eine gemeinsame Mediennutzung oder Gespräche über Medienerlebnisse an einen selbstbestimmten Medienumgang heran. Formal niedriger gebildete Jungen und Mädchen aus sozial schlechter gestellten Familien werden zumeist lediglich zeitlich oder gar nicht in ihrer Mediennutzung kontrolliert und sie erhalten kaum Unterstützung bei inhaltlichen oder technischen Herausforderungen. Daher entwickeln Heranwachsende, die sich den Umgang mit dem Internet selbst beigebracht haben, eher diffuse Ängste wie beispielsweise die Gruppe der Unsicheren (Typ 4a und 4b) und einige der Intuitiven Techniker (Typ 2) und sehen im Internet mehr Gefahren als Chancen (v. a. Unsichere, Typ 4 a und 4b). Sie lernen im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen aus bildungsnahen Familien mit einem sozialökonomisch höheren Status (z. B. Angepasste, Typ 1 und Experten, Typ 3) weniger die Chancen des Internet zu nutzen und sind dadurch in ihrem Medienhandeln sozial benachteiligt. So zeigt beispielsweise gerade die Gruppe der Angepassten (Typ 1) ein starkes Bewusstsein hinsichtlich eines legitimen Mediengeschmacks bzw. Medienhandelns und kann sich im schulischen Umfeld bzw. im Rahmen von Tests oder Befragungen selbstbewusst mit einer vorbildlichen Medienperformanz präsentieren und durch geschicktes oder sozial erwünschtes Antwortverhalten jenen Teil ihres Medienhandelns, der dem legitimen Geschmack weniger entspricht, verbergen. Formal niedriger gebildeten Heranwachsenden aus Familien mit mittlerem und niedrigem sozialen Status, wie etwa die Intuitiven Techniker (Typ 2) oder die Reflektierten (Typ 5), fällt dies wesentlich schwerer und so präsentieren sie sich in ähnlichen Situationen häufig unter dem Wert ihres tatsächlichen Wissens sowie ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten. Formal niedriger Gebildete und sozial Schwächere sind zudem häufig in doppelter Weise benachteiligt, da sie einerseits selbst unsicher sind, weil sie in ihrer Familie keine entsprechende Medienerziehung erfahren haben, und andererseits nicht in der Lage sind, jene Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie sich im Umgang mit Medien eigenständig angeeignet haben, an ihre eigenen Kinder
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zu vermitteln, da sie kaum Konzepte der Medienerziehung kennen. Formal höher Gebildete und sozial besser Gestellte haben hingegen zumeist die selbst erfahrene familiäre Medienerziehung verinnerlicht und haben dadurch mehr Sicherheit in der Medienerziehung der eigenen Kinder. Dies zeigt sich auch unter den befragten Kindern und Jugendlichen: Jene, die sich Medien ohne elterliche Unterstützung angeeignet haben, wie etwa die Intuitiven Techniker (Typ 2) oder die Unsicheren (Typ 4a und 4b), haben nur geringe Vorstellungen davon, wie sie jüngere Geschwister oder eigene Kinder in ihrem Medienumgang unterstützen könnten. Jene, die wie die Angepassten (Typ 1) und die Experten (Typ 3) eine inhaltsorientierte familiäre Medienerziehung genossen haben, übernehmen die Medienerziehungskonzepte ihrer Eltern. Der im familiären Umfeld durch Sozialisation und bewusst intendierte Medienerziehung erworbene mediale Habitus und die damit verbundenen inkorporierten Dispositionen wirken sich auch auf die kulturelle Passung des individuellen Medienhandelns mit den Anforderungen der Schule aus. Wie bereits oben ausgeführt, zeichnet sich die Medienperformanz formal höher gebildeter und sozial besser gestellter Heranwachsender durch die Fähigkeit einer überaus guten Präsentation des angeeigneten Wissens über Medien sowie der eigenen medienbezogenen Fähigkeiten und Fertigkeiten aus, während formal niedriger gebildete Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Milieus ihr Wissen sowie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht so gut darstellen können. Darüber hinaus haben in der Schule der Umgang mit schriftlichen Texten (textbasierte Recherche, kritische Analyse von Medieninhalten) sowie die Aneignung und Wiedergabe von abstraktem Wissen einen hohen Stellenwert. Dies entspricht in erster Linie jenen Bereichen der Medienperformanz, in denen formal höher gebildete Heranwachsende wie die Angepassten (Typ 1) und die Experten (Typ 3) besondere Stärken haben, während die Medienperformanz der formal niedriger gebildeten Intuitiven Techniker (Typ 2) und Unsicheren (Typ 4a und 4b) weniger dem schulischen Ideal entspricht. Ihre technischen Fertigkeiten und ihr anwendungsorientiertes Wissen sind im sozialen Feld der Schule weniger von Bedeutung, oder werden wie etwa die Fähigkeit des illegalen Downloads von Musik und Videos sogar verurteilt. Auch alternative Strategien des Medienhandelns wie etwa die unter den älteren Unsicheren (Typ 4b) verbreitete visuelle und videobasierte Suche und die damit verbundene Beurteilung von Websites nach ihrem visuellen Informationsgehalt sowie der Verständlichkeit von Texten wird im schulischen Kontext wenig geschätzt, obwohl die Fähigkeit zur Kompensation persönlicher Schwächen über eine alternative Mediennutzung von einer hohen Medienkompetenz zeugt. Dass die formal höher gebildeten Angepassten (Typ 1) in Bezug auf technische Fertigkeiten, die weniger über abstraktes Wissen
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kompensiert werden können und die einen starken praktischen Bezug haben, wesentlich unsicherer sind als etwa die formal niedriger gebildeten Intuitiven Techniker (Typ 2) und dass sie große Schwächen in der praktischen Umsetzung ihres theoretischen Wissens haben, ist im Hinblick auf die schulische Bildung kaum relevant. Die technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der mediale Geschmack formal niedriger gebildeter und sozial schwächerer Heranwachsender ist im Gegensatz dazu jedoch deutlich weniger anerkannt. Eng verbunden mit der kulturellen Passung des Medienhandelns ist auch die über den eigenen Medienumgang festgemachte Distinktion von anderen sozialen Milieus. Dabei fällt auf, dass eine bewusste Distinktion nur bei den Jungen und Mädchen aus der Gruppe der Angepassten (Typ 1) feststellbar ist. Diese Jugendlichen kommen mehrheitlich aus dem Milieu der Etablierten Intellektuellen und sind allesamt formal höher gebildet. Sie distanzieren sich von Heranwachsenden aus niedrigeren sozialen Milieus über eine besondere Wertschätzung des Besitzes von Büchern, der Zeitungslektüre und des Lesens allgemein, eine informationsorientierte und an hochkulturellen Medienangeboten (z. B. sogenannte Qualitätszeitungen) orientierte Mediennutzung sowie über eine Abwertung von Bildschirmmedien und einer unterhaltungsorientierten Mediennutzung besonders im Hinblick auf das Fernsehen. Sie haben in ihrem medialen Habitus einen legitimen bzw. hochkulturellen Mediengeschmack und einen entsprechend legitimen Medienumgang verinnerlicht. In ihrer Medienperformanz zeigt sich dies einerseits indem sie tatsächlich gerne und viel lesen und die informationsorientierte Mediennutzung in ihrem Alltag mehr Raum einnimmt, als die unterhaltungsorientierte Mediennutzung. Andererseits bagatellisieren sie die unterhaltungsorientierten Anteile ihres Medienhandelns, obwohl sie ähnlich wie gleichaltrige SNS nutzen und auch im Fernsehen ähnliche Angebote nutzen (z. B. Sitcoms). Für Kinder und Jugendliche aus anderen sozialen Milieus ist die soziale Distinktion über das eigene Medienhandeln weniger von Bedeutung.
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Bilanz und Schlussfolgerungen
Abschließend gilt es Bilanz zu ziehen aus den empirischen Ergebnissen sowie den theoretischen Erörterungen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich das Medienhandeln von Individuen im Hinblick auf deren media literacy beurteilen lässt. Media literacy wird diesbezüglich als sicheres und selbstbestimmtes Handeln im Umgang mit Medien begriffen. Dies verlangt nach einer Betrachtung des Medienhandelns vor dem Hintergrund der Beziehung zwischen der Kompetenz zu Handeln, als Summe von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen sowie der kognitiven Beherrschung von Regeln des Verhaltens (moralische Regeln, rechtliche Regeln sowie Regeln der Klugheit), und der Performanz, als tatsächliches Handeln eines Individuums, welche im Zentrum der theoretischen Auseinandersetzungen steht. Der Fokus liegt dabei auf dem Medienhandeln von Kindern und Jugendlichen. In einer schrittweisen Bearbeitung der forschungsleitenden Frage wurden zunächst soziale und individuelle Kontexte des Medienhandelns vor dem Hintergrund von Prozessen der Mediensozialisation betrachtet (Kap. 2). Als Ergebnis zeigt sich, dass das Medienhandeln eines Individuums kein einseitiger Prozess ist, sondern zugleich auf dieses zurückwirkt, indem Medienerlebnisse und -erfahrungen sowie angeeignete Medieninhalte zur Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt herangezogen werden und etwa zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, aber auch zum Erwerb medienspezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie zu einem Aufbau von Wissen über Medien beitragen. Das Medienhandeln eines Individuums wird aber ebenso durch Sozialisationsprozesse beeinflusst und ist abhängig von individuellen Reifungsprozessen, von Sozialisationserfahrungen und dem sozialökologischen Umfeld. Lebensweltlichen Bezügen und alltäglichen Routinen kommt vor dem Hintergrund des subjektiven Sinns einer Handlung, als Produkt der Auseinandersetzung © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. W. Trültzsch-Wijnen, Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9_9
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des Individuums mit seiner sozialen Umwelt, eine besondere Bedeutung zu. Sie bilden den Hintergrund für die Entstehung von Erwartungen in Bezug auf Medien, spezifischen Medienumgangsformen und habitualisierten Nutzungsweisen. Aus Perspektive der Mediensozialisation ist die Familie eine zentrale Sozialisationsinstanz, denn das Familienklima, familiäre Lebensentwürfe, die gemeinsame Alltagsbewältigung, die gemeinsame Freizeitgestaltung und Mediennutzung, Konzepte der Medienerziehung sowie familiäre Vorbilder im Umgang mit Medien prägen das Medienhandeln Heranwachsender in besonderer Weise. Die familiäre Mediensozialisation ist ein inhärenter Teil der gemeinsamen Lebensführung der Familie, die sowohl vom sozialen Milieu und der sozialen Lage der Familie, als auch von größeren gesellschaftlichen Kontexten (politische und ökonomische Gegebenheiten eines Landes, soziale Inklusion, technische Infrastruktur, Mediensystem, Bildungssystem, gesellschaftliche Normen und Werte, kulturelle Besonderheiten etc.) abhängig ist. Darüber hinaus beeinflusst die Orientierung an Gleichaltrigen bzw. Freundinnen und Freunden das Medienhandeln Heranwachsender, aber auch andere Sozialisationsinstanzen wie Bildungsinstitutionen (Schule, Kindergarten), Jugendzentren, Freizeiteinrichtungen, Vereine sowie kulturelle oder religiöse Gemeinschaften können in verschiedener Weise Bedeutung erlangen. Es lässt sich also feststellen, dass das Medienhandeln von Kindern und Jugendlichen in hohem Maße sozial determiniert ist, zugleich stellt sich aber die Frage nach einer Erklärung unterschiedlicher Medienumgangsformen und Strategien des Medienhandelns. In den weiteren theoretischen Auseinandersetzungen erweist sich Bourdieus Habitustheorie als fruchtbarer Anknüpfungspunkt (Kap. 3) da sie es ermöglicht, das Medienhandeln als soziale Praxis zu analysieren. Der Habitus eines Individuums ist als strukturierte Struktur das Ergebnis von Sozialisationsprozessen und wird von unterschiedlichen sozialen und individuellen Faktoren beeinflusst. Zugleich prägt er als strukturierende Struktur und verinnerlichte Erfahrungen das Handeln eines Individuums. Bourdieu verweist hier besonders auf den Einfluss des jeweiligen sozialen Feldes, in dem sich ein Individuum bewegt, für die Bedeutung und Relevanz, die spezifischen strukturierenden Faktoren in unterschiedlichen Kontexten zukommt. Aus dieser Perspektive lassen sich unterschiedliche Medienumgangsformen und Strategien des Medienhandelns insofern erklären, als sie abhängig sind von jenen Optionen, die einem Individuum innerhalb des Feldes der medialen Kommunikation potentiell verfügbar sind. Diese Handlungsoptionen sind jedoch nicht allen Menschen gleichermaßen zugänglich, denn das im Habitus inkorporierte unterschiedliche Vorverständnis (als praktischer Sinn) bringt das Individuum dazu, so zu handeln, wie es ihm natürlich erscheint. Das Medien-
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handeln wird aus dieser Perspektive also weniger an expliziten Zielen, sondern an unausgesprochenen, praktischen Gewohnheiten orientiert, betrachtet. In Bourdieus Werk spielen die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen sozialen Milieus sowie die soziale Distinktion über verschiedene Einstellungen, Normen, Werte und Handlungsweisen eine zentrale Rolle. Es wird davon ausgegangen, dass der sozialen Praxis eine besondere Strategie zugrunde liegt, die in der Position eines Individuums in einem sozialen Feld und dem Umfang sowie der Kombination an kulturellem, sozialem und ökonomischem Kapital, über das die betreffende Person verfügt, begründet ist. Bourdieu geht davon aus, dass durch Sozialisation erworbene und über den Habitus verinnerlichte Prinzipien der Klassifikation, Unterscheidung, Bewertung und letztendlich des Denkens und Handelns in der Praxis der alltäglichen Lebensführung sichtbar werden; Unterschiede des Geschmacks, unterschiedliche Vorstellungen und Werte sowie Sichtweisen der sozialen Welt sind daher eng mit unterschiedlichen Positionen eines Individuums im sozialen Raum verknüpft. Vor dem Hintergrund der Theorie Bourdieus sind daher verschiedene kulturelle Bedürfnisse und Praktiken in Bezug auf Medien, verschiedene Medienumgangsformen und Strategien des Medienhandelns sowie ein unterschiedlicher Geschmack in Bezug auf Medien immer auch im Hinblick auf die soziale Herkunft sowie die formale, non-formale und informelle Bildung und Erziehung eines Individuums zu betrachteten. Aus Perspektive dieser Theorie wird des Weiteren davon ausgegangen, dass ähnliche materielle Existenzbedingungen und Kontexte der sozialen Umwelt in ähnlichen Formen der alltäglichen Lebensführung resultieren. Für die weitere Auseinandersetzung mit dem Medienhandeln von Heranwachsenden heißt dies, dass sich Kinder und Jugendliche Medien in jener Art und Weise aneignen und in ihren Alltag integrieren, die ihnen vor dem Hintergrund verinnerlichter Denk- und Handlungsschemata als natürlich, angemessen und sinnvoll erscheint. Als ein weiterer gewinnbringender theoretischer Anknüpfungspunkt erweist sich hier das Konzept des medialen Habitus als eine Anwendung von Bourdieus Theorie auf das Medienhandeln aus Perspektive der Medienpädagogik (Biermann und Kommer 2007; Swertz 2012, 2013; Mutsch 2012). Der mediale Habitus gilt als Teil des allgemeinen Habitus eines Individuums und umfasst all jene Dispositionen, Bewertungen, Erfahrungen und Erwartungen, die auf das alltägliche Medienhandeln ausgerichtet sind. Er entwickelt sich im Zusammenspiel von Mediensozialisation sowie medienbiografischen, medialen und medienpädagogischen Erfahrungen und beeinflusst als strukturierende Struktur das Medienhandeln eines Individuums in allen sozialen Feldern, in denen es sich bewegt und prägt sowohl den Umgang mit bekannten als auch neuen Medien und Medieninhalten. Ausgehend von Bourdieus Theorie sowie des Konzepts des
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medialen Habitus lässt sich Medienbildung als kulturelles Kapital beschreiben, dass sowohl durch familiäre Mediensozialisation und Medienerziehung vererbt, als auch über Mediensozialisation und Medienerziehung im schulischen und außerschulischen Umfeld sowie durch Selbstsozialisation über das eigene Medienhandeln erworben wird. Media literacy, im Sinne von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen in Bezug auf Medien, kann aus dieser Perspektive als inkorporiertes kulturelles Kapital und zugleich strukturierende Struktur des medialen Habitus begriffen werden. Der mediale Habitus eines Individuums sowie die Medienbildung als kulturelles Kapital werden also sichtbar in Einstellungen zu und Bewertungen von Medien im Alltag, als medialer Geschmack sowie in Form von Motiven und Zwecken der Mediennutzung. Bourdieus Habitustheorie sowie das Konzept des medialen Habitus geben Hinweise auf mögliche Ursachen unterschiedlicher Medienumgangsformen bzw. Strategien des Medienhandelns. Für eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage nach der Beurteilung des Medienhandelns von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf deren media literacy bedarf es aber ebenso einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Begriff und der Definition von media literacy sowie dessen Beziehung zu ähnlichen Konzepten wie etwa jenem der Medienkompetenz (Kap. 5). Media literacy wird in sehr unterschiedlichen Kontexten und aus Perspektive verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen diskutiert und es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen. Als besonders brauchbar für die Analyse und das Verstehen des Medienhandelns von Kindern und Jugendlichen erweist sich die Paris Declaration on Media and Information Literacy in the Digital Era (UNESCO, Frau-Meigs et al. 2014). Die in dieser Deklaration definierte media and information literacy bezieht sich auf alle digitalen und nicht-digitalen Medien, sie schließt alle Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Medien und Informationen ein und betont darüber hinaus die Fähigkeit, Medien zur Erreichung persönlicher, die individuelle Selbsterfüllung ermöglichender bzw. unterstützender Ziele einzusetzen. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf technischen Fertigkeiten und Fähigkeiten eines kritischen Medienumgangs, sondern ebenso auf individuellem Wachstum im Hinblick auf den Umgang mit und die Meisterung von Entwicklungsaufgaben, Herausforderungen der Identitätsentwicklung, des Beziehungs- und Informationsmanagements sowie des lebenslangen Lernens. Gerade letzteres ist wichtig, wenn media literacy nicht nur als ein Set normativer Fertigkeiten betrachtet, sondern vor dem Hintergrund des medialen Habitus und des praktischen Sinns des Medienhandelns von Kindern und Jugendlichen diskutiert werden soll. Jedoch bleibt auch die Paris Declaration trotz ihrer holistischen Perspektive normativ solange media literacy nicht auch aus Perspektive der sozialen Praxis betrachtet wird. Dieser Aspekt wird von den
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New Literacy Studies (NLS) betont. Sie lenken den Fokus auf literacy practices als Medienhandeln, das eng verwoben ist mit sozialen Prozessen, Kontexten, Diskursen und kulturellen Normen – damit rücken die soziale Determinierung, die lebensweltlichen Kontexte und der praktische Sinn in den Mittelpunkt. Media literacy wird damit nicht lediglich auf operationaler, sondern auch auf kultureller und kritischer Ebene betrachtet und auch unterschiedliche Formen sozialer Benachteiligung finden darüber angemessen Berücksichtigung. Für die Beantwortung der forschungsleitenden Frage lässt sich also festhalten, dass eine Beurteilung des Medienhandelns Heranwachsender im Hinblick auf deren media literacy nur dann angemessen diskutiert werden kann, wenn media literacy nicht nur als eine Summe spezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten definiert wird, sondern ebenso individuelle Herausforderungen berücksichtigt werden und media literacy als soziale Praxis betrachtet wird. Neben dem Begriff der media literacy ist auch international zunehmend jener der Kompetenz anzutreffen. Dies zeigt sich vor allem dann, wenn Fähigkeiten und Fertigkeiten im Hinblick auf eine Mediatisierung und Digitalisierung der Gesellschaft diskutiert werden (z. B. DigComp 2.1; Carretero et al. 2017). Kompetenz bzw. Medienkompetenz ist auch ein zentraler Begriff der deutschsprachigen Medienpädagogik. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum Begriff der media literacy sind in Kap. 5 detailliert ausgearbeitet und werden an dieser Stelle nicht mehr wiederholt. Wenn es allerdings um die Betrachtung von media literacy als soziale Praxis geht, bietet der deutschsprachige Diskurs theoretische Anknüpfungspunkte, welche sich für eine weitere Diskussion der empirischen Ergebnisse ebenfalls als fruchtbar erweisen. Kompetenz wird dabei im Humboldschen Sinne als Handlungskompetenz betrachtet und schließt neben motivationalen und kognitiven Aspekten menschlicher Intelligenz, die im Mittelpunkt des psychologischen Kompetenzbegriffs stehen, ebenso soziale Bedingungen für erfolgreiches Handeln ein. Die Stärke des Kompetenzbegriffs (Kap. 4) liegt in seinem theoretischen Ursprung in der linguistischen Theorie, in der ausgehend von de Saussure und weiter bei Chomsky zwischen einer (angeborenen) Kompetenz als natürlicher Sprachkenntnis und der Performanz, als tatsächlicher Sprachgebrauch, unterschieden wird. Habermas führte dieses Konzept in die Soziologie ein und erweiterte es auf unterschiedliche Arten des Verhaltens und Handelns. Eine theoretische Trennung zwischen Kompetenz und Performanz, die dem Konzept der Kompetenz innewohnt, ermöglicht es zu verstehen, warum verschiedene Individuen unterschiedlich handeln, auch wenn sie über eine ähnliche Kompetenz in Form von Wissen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Medien verfügen. Diese ursprüngliche theoretische Stärke
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geht in Diskursen über Medienkompetenz und digitale Kompetenz jedoch häufig verloren und oft wird Kompetenz mit Performanz gleichgesetzt. Für die weitere Diskussion des Medienhandelns als soziale Praxis, wird diese theoretische Trennung zwischen Kompetenz und Performanz in den Mittelpunkt gerückt. Aus dieser Perspektive stehen Medienkompetenz und Medienperformanz oder anders ausgedrückt medienspezifische Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie medienbezogenes Wissen und selbstbestimmtes Medienhandeln als media literacy practice bzw. als Medienperformanz in enger Beziehung zu einander: Die Medienkompetenz ist Grundlage für das Medienhandeln als Medienperformanz. Die Medienperformanz im Sinne des Medienhandelns und Medienerlebens eines Individuums wirkt aber ebenso auf die Medienkompetenz zurück, indem sie zur Aneignung von Medien und den Aufbau von Medienkompetenz in Prozessen der Selbstsozialisation, aber auch im Austausch mit der sozialen Umwelt beiträgt. Des Weiteren wird angenommen, dass der wechselseitige Transfer zwischen Medienkompetenz und Medienperformanz von verschiedenen individuellen, sozialen und medienökologischen Faktoren moderiert wird, die allerdings noch nicht ausreichend erforscht sind. Basierend auf diesen Überlegungen wird davon ausgegangen, dass die Medienperformanz in engem Zusammenhang mit dem praktischen Sinn des Medienhandelns steht. Dies lenkt den Blick auf handlungsleitende Orientierungen, die eingebettet sind zwischen individuellen Einstellungen und Bedürfnissen sowie soziokulturellen Werten und Normen. Als nächster Schritt ist nun von Interesse, inwiefern sich diese Überlegungen auch auf empirischer Ebene nachweisen lassen. Ausgangspunkt für die exemplarisch vorgestellten empirischen Untersuchungen ist die Wahrnehmung aus Ergebnissen unterschiedlicher Studien, dass sich formal höher gebildete Kinder und Jugendliche, die aus Milieus mit einem höheren sozialökonomischen Status stammen, im Umgang mit Medien oft als kritischer und reflektierter zeigen als formal niedriger gebildete Gleichaltrige aus sozialökonomisch niedrigeren Milieus. Dies legt den Schluss nahe, dass soziale Unterschiede zu unterschiedlichen Medienumgangsweisen und Strategien des Medienhandelns führen. In den hier beschriebenen Studien steht ausgehend von den zuvor angestellten theoretischen Überlegungen die Frage im Mittelpunkt, wie soziale Unterschiede und Unterschiede im Mediengebrauch und Medienhandeln zusammenhängen. Dabei wird davon ausgegangen, dass Unterschiede in der Medienperformanz nicht ausschließlich auf unterschiedliche Kompetenzen, sondern auf unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich des Besitzes und der Verteilung des ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitals, auf unterschiedliche sozialökologische Einflussfaktoren sowie auf Unterschiede hinsichtlich des daraus
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resultierenden medienbezogenen Geschmacks und subjektiven Sinns des Medienhandelns zurückzuführen sind. Mit diesem Forschungsinteresse wurde im Sinne einer Pilotstudie zuerst eine Sekundäranalyse einer Studie zur Rezeption und Aneignung von Model-Castingshows vorgenommen (Kap. 7). Auch hier zeigen sich auf der Ebene der Medienperformanz Unterschiede zwischen formal höher gebildeten und formal niedriger gebildeten Jugendlichen. Formal höher Gebildete erscheinen in ihrem Medienumgang zunächst kritischer und reflektierter, allerdings erweist sich bei näherer Betrachtung, dass formal höher gebildete und formal niedriger gebildete Heranwachsende über ähnliche Fähigkeiten (im Sinne von Medienkompetenz) verfügen. Im Hinblick auf die Relation zwischen Medienkompetenz und Medienperformanz zeigen sich in dieser Sekundäranalyse die familiäre Medienbildung in Form eines inkorporierten kulturellen Kapitals sowie die schulische Bildung als moderierende Faktoren. So nehmen formal höher gebildete Jugendliche bewusst eine kritisch-reflexive Position gegenüber Model-Castingshows ein, weil sie einen legitimen Mediengeschmack verinnerlicht haben, der unterhaltungsorientierte Reality TV-Formate ablehnt. Besonders offensichtlich wird dies bei Konflikten zwischen einem sozial erwünschten Antwortverhalten und den tatsächlichen persönlichen Medienpräferenzen. Zudem berichten formal höher gebildete Heranwachsende, dass populäre Fernsehinhalte sowie über Model-Castingshows vermittelte Schönheitsideale sowohl in der Familie als auch in der Schule kritisch diskutiert werden. Daraus lässt sich schließen, dass formal höher gebildete Jugendliche nicht nur einen spezifischen legitimen Mediengeschmack verinnerlicht haben, sondern es gewöhnt sind, Medien im privaten sowie schulischen Kontext kritisch zu reflektieren und diese Kritik entsprechend zu formulieren. Formal niedriger gebildete Heranwachsende zeigen im Vergleich dazu einen gänzlich anderen verinnerlichten Mediengeschmack, der populären und unterhaltungsorientierten Medienangeboten deutlich weniger kritisch gegenübersteht. Außerdem sind es diese Jugendlichen weder im privaten noch im schulischen Kontext gewöhnt, kritisch über Medieninhalte zu diskutieren. Dennoch äußern sie sich nicht minder kritisch zu Model-Castingshows, allerdings tun sie dies eher indirekt und es fällt ihnen schwer, ihre Kritik in Worte zu fassen. Ihnen fehlt offensichtlich kulturelles Kapital in mehrfacher Hinsicht: als familiäre und schulische Medienbildung, als Verinnerlichung eines legitimen Mediengeschmacks und als sprachliche Bildung in Bezug auf die Formulierung von Kritik. In Bezug auf die Frage nach einer Beurteilung des Medienhandelns Heranwachsender im Hinblick auf deren Medienkompetenz, zeigt diese Sekundäranalyse, dass eine unterschiedliche Medienperformanz auf Unterschiede im Umfang
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und in der Art des kulturellen Kapitals sowie – eng verbunden damit – auf Unterschiede hinsichtlich der familiären und schulischen Sozialisation zurückgeführt werden kann. Es kann allerdings wenig darüber ausgesagt werden, wie diese Faktoren vor dem Hintergrund des subjektiven Sinns des Medienhandelns zusammenwirken. Basierend auf den Erkenntnissen dieser Sekundäranalyse wurde daher eine weitere Studie zum Umgang von Kindern und Jugendlichen mit dem Internet bzw. dem Social Web durchgeführt. Der Fokus lagt hier auf individuellen Handlungsstrategien und handlungsleitenden Orientierungen des Umgangs mit und der Aneignung von Medien. Dazu wurde eine umfangreiche quantitative Studie durchgeführt und eine Teilstichprobe aus diesem quantitativen Sample wurde einer tiefergehenden qualitativen Untersuchung unterzogen. Gerade die qualitative Analyse von 50 Einzelfällen liefert besonders aufschlussreiche Ergebnisse. Als Faktoren, die individuelle Handlungsstrategien im Hinblick auf Medien leiten und somit die Medienperformanz Heranwachsender beeinflussen, können die psychische und körperliche Reife sowie damit verbundene Entwicklungsaufgaben, alltägliche Bedürfnisse und Herausforderungen der Lebenswelt, der mediale Habitus der Familie und die Vermittlung von kulturellem Kapital durch Medienerziehung sowie die kulturelle Passung und die soziale Distinktion ermittelt werden (Abschn. 8.7.3 und 8.7.4). Dabei kommt es auf das soziale Umfeld, die alltäglichen Bedürfnisse sowie die lebensweltlichen Orientierungen und Herausforderungen an, inwiefern und in welchem Maße diese Faktoren hinsichtlich der Medienperformanz eines oder einer spezifischen Heranwachsenden wirksam werden. Oft sind Gleichaltrige mit denselben Entwicklungsaufgaben konfrontiert und verbinden deshalb ähnliche Bedürfnisse mit ihrem Medienumgang. Dennoch können sich die jeweiligen Strategien des Medienhandelns deutlich unterscheiden, weil sie in ihrem sozialen Umfeld eine andere Mediensozialisation oder Medienerziehung erfahren und einen anderen medialen Habitus sowie medienbezogenen Geschmack verinnerlicht haben. Entscheidend ist dabei jeweils der praktische Sinn, der mit ihrem Medienhandeln verbunden ist. Im Hinblick auf die Relation zwischen Medienkompetenz und Medienperformanz zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche durchaus über ähnliche Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie über ein vergleichbares Wissen in Bezug auf Medien verfügen und sich trotzdem in ihrer Medienperformanz unterscheiden können. Dies ist von besonderer Bedeutung hinsichtlich der forschungsleitenden Frage, wie sich das Medienhandeln Heranwachsender im Hinblick auf deren Medienkompetenz oder media literacy beurteilen lässt. Vor dem Hintergrund der empirischen Daten muss die Antwort darauf lauten, dass eine objektive Beurteilung basierend auf standardisierten Erhebungsinstrumenten nur schwer
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möglich ist und auch auf qualitativer Ebene erfordert dies einen hohen Grad an Sensibilität. Als besonderes Problem zeigt sich hier auf mehreren Ebenen die kulturelle Passung, die auf ein unterschiedlich verteiltes kulturelles Kapital zurückzuführen ist. Formal höher gebildete Kinder und Jugendliche aus sozial höheren Milieus befinden sich diesbezüglich gegenüber formal niedriger gebildeten Gleichaltrigen aus sozial schwächeren Milieus deutlich im Vorteil. Sie haben in ihrem sozialen Umfeld und vor allem innerhalb der Familie einen medialen Habitus verinnerlicht, der stärker informations- als unterhaltungsorientiert und eher an hochkulturellen denn an populären Medien und Medieninhalten orientiert ist. Darüber hinaus erfahren sie eine familiäre Medienerziehung, die nicht nur auf eine zeitliche Kontrolle der Mediennutzung, sondern vor allem auch auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Medien ausgerichtet ist, während die Eltern formal niedrig Gebildeter und sozial Schwächerer zumeist lediglich auf die zeitliche Dauer der Mediennutzung achten. Formal höher gebildete Jungen und Mädchen erwerben darüber kulturelles Kapital in Form eines verinnerlichten legitimen Mediengeschmacks, der Fähigkeit abstraktes Wissen über Medien wiederzugeben, einer Gewandtheit im Umgang mit schriftlichen Texten sowie einer Gewandtheit in der Formulierung von Kritik und der Beurteilung von Medieninhalten. Formal niedriger gebildete Heranwachsende haben ihre Stärken in anwendungsorientiertem Wissen und technischen Fertigkeiten, die allerdings im Feld der Schule weniger von Bedeutung sind, oder gar verurteilt werden, wenn sie entweder nicht dem legitimen Mediengeschmack entsprechen, oder gegen rechtliche Vorgaben verstoßen. Diese formal niedriger gebildeten und sozial schwächeren Kinder und Jugendlichen haben Schwierigkeiten bei Aufgaben, bei denen sie nicht wie formal höher gebildete Heranwachsende aus sozial höheren Milieus schnell auf ein inkorporiertes kulturelles Kapital zurückgreifen können. Dies äußerst sich entweder darin, dass sie mit einer bestimmten Aufgabe weniger vertraut sind und nicht in ausreichendem Maße über das verlangte Wissen oder die verlangten Fähigkeiten oder Fertigkeiten in Bezug auf Medien verfügen, oder dass sie zwar ein ähnliches Wissen oder ähnliche Fähigkeiten und Fertigkeiten haben, diese aber weniger gut in Situationen der Wissensabfrage zeigen können. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Medienhandeln von Kindern und Jugendlichen, die über eine reine Befragung hinausgeht und (wie in der vorgestellten Studie) ebenso stärker auf das praktische Handeln ausgerichtete Methoden wie die teilnehmende Beobachtung oder das laute Denken einschließt, ermöglicht es auf den ersten Blick verborgene Fähigkeiten und Fertigkeiten sozial schwächerer und bildungsfernerer Heranwachsender zu entdecken. Im konkreten Fall erweisen sich alternative Strategien des Medienhandelns jener Kinder und
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Jugendlichen, die mit generellen Defiziten im Lesen und Schreiben konfrontiert und mit einer textbasierten Mediennutzung überfordert sind, als besonders interessant. Gerade vor dem Hintergrund der Paris Decleration on Media and Information Literacy in the Digital Era, in der die Fähigkeit, Medien zur Erreichung persönlicher, die individuelle Selbsterfüllung ermöglichender bzw. unterstützender Ziele einzusetzen, betont wird, zeigt sich hier ein Medienhandeln, das sich als besonders selbstbestimmt und literate erweist, da persönliche Defizite durch alternative und kreative Medienumgangsformen überwunden werden. Aus den theoretischen Erörterungen und den empirischen Ergebnissen lässt sich für eine zukünftige Auseinandersetzung mit der Medienkompetenz oder der media literacy von Kindern und Jugendlichen, genauso wie von Erwachsenen festhalten, dass medienbezogenen Handlungspraxen einschließlich des medienbezogenen Geschmacks in Prozessen sozialer Distinktion ein unterschiedlicher „Marktwert“ beigemessen wird, welcher in verschiedenen sozialen Feldern variiert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten sich dessen genauso wie Pädagoginnen, Pädagogen und andere Stakeholder, die sich um die Bewertung und Vermittlung von Medienkompetenz bemühen, bewusst sein und sich davor hüten, das Medienhandeln anderer nicht lediglich aus der Perspektive eigener Vorstellungen, Werte, Normen, Ziele oder der eigenen, persönlich als legitim empfundenen, Form des Medienhandelns bzw. des als legitim empfundenen Mediengeschmacks zu beurteilen. Da diese Vorstellungen, Werte und Normen allerdings im eigenen Habitus inkorporiert sind, können sie nicht einfach „ausgeschaltet“ werden. So ist es beispielsweise schwierig – und vielleicht auch unmöglich – ein Design einer wissenschaftlichen Erhebung zu konzipieren, das für alle sozialen Milieus und kulturellen Hintergründe passt. Auch in der hier vorgestellten Studie stellte sich erst in der Erhebung selbst heraus, dass manche der gestellten Aufgaben nicht für alle Heranwachsenden gleichermaßen kulturell passend waren (textbasierte Recherche, Beurteilung von textlastigen Websites). Dies lässt sich allerdings durch eine Kombination verschiedener Erhebungs- und Auswertungsmethoden, die es ermöglichen den Forschungsgegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, sowie eine angemessene Offenheit in der Datenanalyse kompensieren. Hinsichtlich der Interpretation der Daten ist eine ebensolche Offenheit vonnöten, die den eigenen Standpunkt kritisch hinterfragt und stärker an induktiven Analysen und dem Verstehen anstatt an deduktiven Herangehensweisen und Vorannahmen orientiert ist. Wenn ungewohnte Strategien des Medienhandelns entsprechend hinterfragt werden, lässt sich damit auch die von Bourdieu angeprangerte partielle Blindheit aus Perspektive der eigenen Position überwinden.
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Ähnlich ist es auch in Kontexten der medienpädagogischen Praxis wichtig, nicht nur einseitig jenes Medienhandeln zu fördern, dass dem legitimen oder gewohnten Mediengeschmack entspricht, sondern auch offen für andere Bedürfnisse und Strategien des Medienhandelns zu sein. Wichtig ist auch hier, dass der Fokus nicht auf eine rein intellektuelle Perspektive, sondern auf die Sichtweise des Subjekts gerichtet wird. Wenn Medienkompetenz bzw. media literacy, wie in Abschn. 5.2.2.1 gefordert, als ein Kinderrecht bzw. ein Menschenrecht betrachtet wird, stellt sich auch die Frage nach einer sozial angemessenen Medienerziehung, die gerade jenen zugutekommt, die durch eine mangelnde familiäre Medienerziehung benachteiligt sind. Dabei ist im Besonderen auf die kulturelle Passung zu achten, denn wie sich in der präsentierten Studie bei Typ 4a der jüngeren Unsicheren gezeigt hat, können Heranwachsende keinen Gewinn aus der schulischen Auseinandersetzung mit Medien ziehen, wenn diese zu weit entfernt ist von ihrem medialen Habitus und ihren Vorlieben, Bedürfnissen und alltagspraktischen Herausforderungen. Auch hier bedarf es besonderer Sensibilität, damit Medienerziehung in außerfamiliären Kontexten (in der Schule oder in außerschulischen Organisationen und Institutionen) tatsächlich zur Verringerung und nicht zu einer weiteren Vergrößerung sozial bedingter medialer bzw. digitaler Klüfte beiträgt.
Anhang
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10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Hinweis: In der quantitativen Erhebung wurden Kinder ab 10 Jahren, Jugendliche und junge Erwachsene bis 30 Jahre befragt. Daher gab es zwei getrennte Fragebogen-Versionen: Eine für Kinder und jüngere Jugendliche bis 15 Jahre und einen für ältere Jugendliche und junge Erwachsene ab 15 Jahren. Der Fragebogen für die jüngere Altersgruppe war in Du-Form formuliert und jener für die ältere Altersgruppe in Sie-Form. Bei einigen wenigen Fragen gab es kleinere Unterschiede in der Fragestellung, die vor allem darin resultieren, dass bei manchen Fragen dem Wortschatz und Verständnis der jüngeren Altersgruppe entsprechend formuliert wurde. Hier wird der Fragebogen für Kinder und jüngere Jugendliche dargestellt; Differenzen mit dem Fragebogen für ältere Heranwachsende und junge Erwachsene sind ausgewiesen. Die Befragung wurde online über Lime Servy durchgeführt, die Fragen erschienen nacheinander und in einer grafisch ansprechenderen Aufmachung als sie hier mittels Word möglich ist. Startbildschirm Vielen Dank, dass Du Dich an unserer Umfrage beteiligst. Dieser Onlinefragebogen wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes an den Universitäten in Salzburg und Wien zur Untersuchung der Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen entwickelt. Die Auswertung des Fragebogens erfolgt vollkommen Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht. https://doi.org/10.1007/9783-658-29534-9_10 © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. W. Trültzsch-Wijnen, Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9_10
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anonym und die erhobenen Daten werden ausschließlich im Rahmen dieses Projektes genutzt und auch nicht an Dritte weitergegeben. Für das Ausfüllen wirst Du etwa 20 min brauchen. Am Ende wartet ein Spiel auf Dich. Diese Umfrage enthält 48 Fragen. [Kontaktinformationen der Wissenschaftler und der Universitäten] 1. Soziodemografische Daten 1.1 Wie alt bist Du? Bitte gib Dein Alter in Jahren an: (Alter in Jahren) 1.2 Bitte gib Dein Geschlecht an: (Auswahl) 1.3 Wo wohnst Du? □ Burgenland □ Kärnten □ Niederösterreich □ Oberösterreich □ Salzburg □ Steiermark □ Tirol □ Vorarlberg □ Wien □ andere 1.4 Herkunftsland der Eltern Aus welchem Land (Staat) kommen Deine Eltern ursprünglich? Falls nur ein Elternteil ursprünglich aus einem anderen Land als Österreich kommt, dann gib bitte dieses Land an. Falls Deine Eltern aus unterschiedlichen Ländern außerhalb von Österreich kommen, kannst Du Dir eines von beiden aussuchen. [Drop-Down Auswahlmenu]
10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern …
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1.5a Besuchter Schultyp: Nur für Schülerinnen und Schüler, Erwachsene erhalten Frage 1.5b. Welche Schule besuchst Du derzeit? □ Hauptschule □ Neue Mittelschule □ Polytechnische Schule □ Berufsschule □ Berufsbildende höhere Schule ohne Matura (Z. B. HAS) □ Berufsbildende höhere Schule mit Matura (z. B. BAKIP, HAK, HLW, HTL) □ Gymnasium (AHS) □ Sonstiges □ Keine Angabe 1.5b Höchster Abschluss Nur Erwachsene Nennen Sie bitte Ihren höchsten Schulabschluss: □ Hauptschulabschluss/Abschluss Neue Mittelschule □ Berufsbildende höhere Schule (BHS) □ Berufsschulabschluss □ Matura (BHS, AHS) □ Universitätsabschluss □ Sonstiges □ Keine Angabe 1.5c Welchen Beruf üben Sie derzeit aus? Nur Erwachsene □ ich bin in Ausbildung/Umschulung/Studium □ ungelernte Aushilfe □ Arbeiter/in □ Angestellte/r □ leitende/r Angestellte/r □ Beamte/r □ Selbstständig □ keinen, ich bin arbeitslos □ sonstiges □ keine Angabe
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1.6 Wie groß ist der Ort in dem Du lebst? Ich lebe in… □ einem Dorf □ einer Stadt □ einer Landeshauptstadt □ in der Bundeshauptstadt 2. Allgemeine Freizeitbeschäftigungen und generelle Mediennutzung 2.1 Welches Medium nutzt Du am häufigsten in folgenden Situationen? Dieses Medium nutze ich am häufigsten, um… Mich mit FreundInnen auszutauschen. Social Network Seite (z. B. Facebook) Weblog Wiki (z. B. Wikipedia) Diskussionsforum Twitter Kurze online Textnachrichten (z. B. MSN, Skype, FacebookChat) RSS-Feeds Onlinespiele Internet allgemein (einfach herumsurfen) E-Mail
Informationen für d. Schule/ für d. Beruf zu suchen
Informationen Mich zu entspannen/zur Kenne ich für private Interessen zu Unterhaltung nicht/nutze ich nicht suchen
10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern …
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2.1 Welches Medium nutzt Du am häufigsten in folgenden Situationen? Dieses Medium nutze ich am häufigsten, um… Mich mit FreundInnen auszutauschen.
Informationen für d. Schule/ für d. Beruf zu suchen
Informationen Mich zu entspannen/zur Kenne ich für private Interessen zu Unterhaltung nicht/nutze ich nicht suchen
Spielkonsole/ Computerspiele SMS Handy/Telefon Fernsehen Radio Zeitung/Zeitschrift Buch In Anlehnung an JIM-Studie (2010, S. 9–15) sowie JAMES-Studie (2011, S. 8–22)
3. Allgemeine Fragen zur Internetnutzung 3.1 Wie oft nutzt Du das Internet? □ weniger als zweimal im Monat □ weniger als zweimal im Monat □ ein- bis zweimal im Monat □ ein- bis zweimal pro Woche □ jeden Tag oder fast jeden Tag □ weiß nicht 3.2 Wenn Du das Internet nutzt, wie lange machst Du das? (Hinweis im Fragebogen: Mit „nutzen“ ist hier gemeint, dass Du aktiv etwas im Internet machst. Dazu zählt nicht, wenn Du zwar mit dem Internet verbunden bist, aber eigentlich etwas ganz anderes machst.) □ bis 30 min □ bis 1 h (31–60 min) □ bis 2 h (61–120 min)
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□ bis 3 h (121–180 min) □ bis 4 h (181–240 min) □ über 4 h (ab 241 min) 3.4 Kontrollieren Deine Eltern, was Du im Internet machst? (nur für Kinder und jüngere Jugendliche) □ Ja □ Nein □ Weiß ich nicht □ Keine Angabe 3.3 [Nutzungsformen – keine Zwischeüberschrift im Fragebogen] 3.3.1 Wie häufig machst Du die folgenden Dinge auf einer Foto-/Videoplattform (z. B. FlickR oder YouTube)?* Jeden Tag oder fast jeden Tag
Ein bis zwei Ein bis zwei Weniger als Nie zwei Mal im Mal im Mal pro Monat Monat Woche
Fotos/Videos ansehen Fotos/Videos hochladen Fotos/Videos kommentieren und bewerten 3.3.2 Wie häufig machst Du folgendes in Blogs, Foren und Wikis?* Beiträge anderer lesen Einen eigenen Beitrag schreiben 3.3.3 Wie häufig… Kaufst Du etwas im Internet (z. B. bei Amazon)
Kenne ich nicht
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3.3.1 Wie häufig machst Du die folgenden Dinge auf einer Foto-/Videoplattform (z. B. FlickR oder YouTube)?* Jeden Tag oder fast jeden Tag
Ein bis zwei Ein bis zwei Weniger als Nie zwei Mal im Mal im Mal pro Monat Monat Woche
Verkaufst Du etwas im Internet (z. B. eBay) Nutzt du Filesharing-Plattformen (z. B. eDonkey, Gnutella) (*In Anlehnung an EU Kids Online Fragebogen, Fragen 306–309)
4. Detailfragen zu Social Network Seites 4.1 Welche SNS nutzt Du am häufigsten? Mehrfachantwort möglich □ Facebook □ SchülerVZ, StudiVZ, MeinVZ □ Netlog □ Myspace □ Lokalisten □ Xing □ LinkedIn □ Badoo □ ein Partybilderportal (z. B. Szene24) □ eine andere □ Keine 4.2 Wie viele Minuten nutzt Du diese SNS-Plattform/en pro Tag? □ bis 30 min □ bis 1 h (31–60 min) □ bis 2 h (61–120 min)
Kenne ich nicht
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□ bis 3 h (121–180 min) □ bis 4 h (181–240 min) □ über 4 h (ab 241 min) 4.4 Wie viele Kontakte hast Du auf der Social Network Seite die Du am häufigsten nutzt? □ bis zu 10 □ 11–50 □ 51–100 □ 101–300 □ Mehr als 300 □ Weiß ich nicht 4.5 Wie viele Bilder hast Du in Deinen eigenen Alben bei der Social Network Seite, die Du am häufigsten nutzt? □ bis zu 10 □ 11–50 □ 51–100 □ 101–300 □ mehr als 300 □ weiß nicht 4.6 Die nachfolgenden Aussagen beziehen sich auf jene Social Network Site, die Du am häufigsten nutzt. Wie sehr stimmst Du diesen Aussagen zu? Stimme sehr zu Es ist mir wichtig, mich auf meiner Profilseite so zu zeigen, wie ich wirklich bin. Es ist mir wichtig, dass sich meine FreundInnen auf ihren Profilseiten so zeigen, wie sie wirklich sind.
Stimme eher zu
Stimme eher nicht zu
Stimme nicht zu
10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern …
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4.6 Die nachfolgenden Aussagen beziehen sich auf jene Social Network Site, die Du am häufigsten nutzt. Wie sehr stimmst Du diesen Aussagen zu? Stimme sehr zu
Stimme eher zu
Stimme eher nicht zu
Stimme nicht zu
Es ist mir wichtig, mit meinem Profil gut rüberzukommen. Es ist mir wichtig, dass meine Statusmeldungen gelesen/ kommentiert werden.
4.7 Wie oft machst Du folgendes auf Social Network Sites? Jeden Tag oder fast jeden Tag Mein Profil aktualisieren Statusmeldungen/ Pinnwandeinträge schreiben Profile anderer ansehen Privatnachrichten schreiben Chatten Einer Gruppe beitreten Eine Gruppe gründen/Fanpage erstellen FreundInnen zu einer Veranstaltung einladen Fotos ansehen Fotos hochladen
Ein bis zwei Ein bis zwei Weniger als Nie zwei Mal im Mal im Mal pro Monat Monat Woche
Kenne ich nicht
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10 Anhang Jeden Tag oder fast jeden Tag
Ein bis zwei Ein bis zwei Weniger als Nie zwei Mal im Mal im Mal pro Monat Monat Woche
Kenne ich nicht
Statusmeldung schreiben Fotos kommentieren Personen auf Fotos verlinken Spiele spielen
5. Familie, Freunde, Freundinnen und Bekannte 5.1 bevorzugte Kommunikationsdienste Hier wollen wir wissen, welche Internet-Anwendung Du im Umgang mit verschiedenen Menschen am häufigsten benutzt. Daher kannst Du jeweils nur eine auswählen. 5.1.1 Wenn ich mich mit engen FreundInnen im Internet austausche, nutze ich am häufigsten… □ E-Mail □ Privatnachrichten auf Social Network Sites (z. B. Facebook) □ Pinnwandeinträge auf Social Network Sites (z. B. Facebook) □ Chat-Nachrichten über Social Network Sites (z. B. Facebook) □ Textnachrichten über andere Anbieter (z. B. MSN, Skype) □ Telefonieren per Internet/Videogespräch per Internet (z. B. MSN, Skype) □ keines davon □ keine Angabe 5.1.2 Wenn ich mich mit persönlichen Bekannten im Internet austausche, nutze ich am häufigsten… □ E-Mail □ Privatnachrichten auf Social Network Sites (z. B. Facebook) □ Pinnwandeinträge auf Social Network Sites (z. B. Facebook)
10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern …
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□ Chat-Nachrichten über Social Network Sites (z. B. Facebook) □ Textnachrichten über andere Anbieter (z. B. MSN, Skype) □ Telefonieren per Internet/Videogespräch per Internet (z. B. MSN, Skype) □ keines davon □ keine Angabe 5.1.3 Wenn ich mich mit Personen, die ich nur aus dem Internet kenne im Internet austausche, nutze ich am häufigsten… □ E-Mail □ Privatnachrichten auf Social Network Sites (z. B. Facebook) □ Pinnwandeinträge auf Social Network Sites (z. B. Facebook) □ Chat-Nachrichten über Social Network Sites (z. B. Facebook) □ Textnachrichten über andere Anbieter (z. B. MSN, Skype) □ Telefonieren per Internet/Videogespräch per Internet (z. B. MSN, Skype) □ keines davon □ keine Angabe 5.2 Hast Du Freundinnen oder Freunde, die Du online kennengelernt hast? □ Ja, einige (etwa die Hälfte meiner Kontakte) □ Ja, wenige (etwa ein Viertel meiner Kontakte) □ Ja, einzelne □ Nein, keine □ keine Angabe 5.3 Nutzt Du Social Network Sites auch, um Dich über persönliche Probleme auszutauschen? □ Ja, mit FreundInnen die ich hauptsächlich im realen Leben kenne und treffe □ Ja, mit FreundInnen die ich hauptsächlich online kenne und treffe □ Nein □ keine Angabe
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5.4 Die nachfolgenden Aussagen beziehen sich auf jene Social Network Site, die Du am häufigsten nutzt. Wie sehr stimmst Du diesen Aussagen zu? 5.4.1 Es ist mir wichtig,… Stimme sehr zu
Stimme eher zu
Stimme eher nicht zu
Stimme nicht zu
…dass man im Chat sieht, wenn ich online bin. …dass man sieht, was ich gerade mache. …zu sehen, was meine FreundInnen machen. …dass andere sehen, mit wem ich in einer Beziehung bin. …dass andere sehen, wie viele Kontakte ich habe 5.4.2 Es ist eine Beleidigung für mich, wenn… Mich jemand aus seinen/ ihren Kontakten entfernt. Jemand, den/die ich kenne, meine Kontaktanfrage ablehnt.
6. Profil auf einer Social Network Site 6.1 Hast Du im Profil Deinen richtigen, realen Namen angegeben? □ Ja, meinen Vor- und Nachnamen □ Ja, nur meinen Vornamen □ Nein, ich verwende einen Spitznamen, den nur Freunde kennen □ Nein, ich habe einen Fake-Namen □ keine Angabe
10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern …
507
6.2 Hast Du eingestellt, wer Nachrichten oder Kommentare auf Deiner Profilseite hinterlassen kann? □ Ja □ Nein, benötige ich nicht □ Nein, weiß nicht wie es geht □ Hat jemand für mich eingestellt □ keine Angabe 6.3 Hast Du Deine Kontakte in Gruppen oder Circles/Kreise eingeteilt? (die unterschiedlich viel von Dir sehen können/Für Erwachsene: mit unterschiedlichen Zugriffsrechten auf Ihr Profil) □ Ja □ Nein, benötige ich nicht □ Nein, weiß nicht wie es geht □ keine Angabe 6.3.1 Ich habe vorab eingestellt Ja
Nein, benötige ich nicht
Nein, weiß nicht wie es geht
…wer meine Statusmeldungen lesen kann …wer auf meine Pinnwand/Profilseite schreiben kann. …wer meine Fotoalben sehen kann 6.3.2 Wenn Du etwas auf Deine Seite stellst, stellst Du dann extra noch einmal ein Ja, immer …wer eine neue Statusmeldungen lesen kann …wer ein neues Fotoalbum sehen kann
Ja, aber nicht immer
Nein, benötige ich Nein, weiß nicht nicht wie es geht
508
10 Anhang
6.4 Welche Informationen hast Du angegeben und wer kann sie sehen? Hast Du das angegeben?
Wer kann diese Information sehen?
Ja
Alle
Nein
Ich habe etwas Falsches angegeben (Fake)
Alle meine AusKontakte gewählte Kontakte
Niemand
Geburtstag Schule/Arbeitsplatz Wohnort Anschrift E-Mail-Adresse Telefonnummer Handynummer Meinen Beziehungsstatus Meine Vorlieben Meine Gruppen Profilfoto, auf dem ich klar zu erkennen bin Fotos, auf denen ich klar zu erkennen bin Ort, an dem ich mich gerade befinde
6.5 Gibt es Pinnwand-Einträge und/oder Kommentare, die Dir peinlich sind? …die ich selbst geschrieben habe: □ Ja, viele □ Ja, einige □ Ja, einzelne □ Nein, keine …die andere geschrieben haben: □ Ja, viele □ Ja, einige □ Ja, einzelne □ Nein, keine
10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern …
509
6.6 Stört es Dich, wenn andere Bilder von Dir einstellen? □ Ja, generell □ Ja, wenn ich die Fotos nicht mag □ Nein 6.7 Gibt oder gab es Fotos von Dir auf einer Social Network Site, die Dir (später) peinlich oder zu privat waren? …die ich selbst eingestellt habe: □ Ja, viele □ Ja, einige □ Ja, einzelne □ Nein, keine …die andere eingestellt haben: □ Ja, viele □ Ja, einige □ Ja, einzelne □ Nein, keine 6.8 Welche Fotos gefallen Dir auf Social Network Sites und welche hast Du selbst hochgeladen? Gefällt mir…
Sehr gut Professionelle Fotos Selbstportraits Fotos von Partys Fotos auf denen Leute Alkohol trinken Urlaubsfotos Fotos von Freizeitaktivitäten/Hobbys Fotos aus der Schule/aus der Arbeit Fotos am Strand oder im Schwimmbad Fotos von Schlafenden Posing-Fotos Fotos von Menschen, die Grimassen schneiden Fotos von Küssenden Familienfotos
Gut
Würde ich hochladen/Habe ich hochgeladen Weniger gut
Gar nicht
Ja
Nein
510
10 Anhang
7. Persönliche Einschätzung des Internets und der eigenen Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet 7.1 Wie sehr stimmst Du folgenden Aussagen zu? Stimme sehr zu
Stimme eher zu
Stimme eher nicht zu
Stimme nicht zu
Stimme eher nicht zu
Stimme nicht zu
Ich weiß sehr viel über das Internet.* Ich habe keine Angst, wenn ich mich im Internet bewege. Das Internet bietet viele Chancen.* Es gibt im Internet Gefahren. Ich weiß genau, wie ich mich gegenüber möglichen Gefahren im Internet schützen kann. (*in Anlehnung an EU Kids Online Fragebogen, Frage 319) 7.2 Wie sehr stimmst Du folgenden Aussagen zu? Stimme sehr zu Wenn man Fotos von anderen Personen im Internet veröffentlicht, braucht man deren Zustimmung. Wenn man im Internet ein Foto löscht, kann man es auch nicht mehr dort auffinden. Wenn man sich auf einer Plattform im Internet anmeldet, sollte man vorher die AGBs lesen. Was im Internet steht, darf jeder verwenden. Was im Internet steht, stimmt immer.
Stimme eher zu
10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern …
511
8. Technische Fertigkeiten 8.1 Wie gut kannst Du … Sehr gut
Gut
Weniger gut
Kann ich nicht
… im Internet ein Lesezeichen (Favoriten) anlegen* … dafür sorgen, dass andere nicht sehen, welche Webseiten Du besucht hast* … Nachrichten einer Person blockieren, mit der Du keinen Kontakt haben willst* … Filme und Musik herunterladen, für die man eigentlich bezahlen müsste … kleine Spaßprogramme erstellen und verschicken, die andere Computernutzer nerven. … Dich in andere Computernetzwerke einschleichen … einen Computer/Laptop daran hindern, dass er online geht, ohne dass Du es mitkriegst. … eine Internetsicherung, die Deine Eltern eingestellt haben, umgehen (nur für Kinder/jüngere Jugendliche) (mit * in Anlehnung an EU Kids Online-Fragebogen, Fragen 320–321)
8.2 Was machst Du als erstes, wenn Du Dich irgendwo am Computer nicht auskennst oder Probleme hast? □ Ich benutze die Hilfe-Funktion. □ Ich recherchiere in Internetforen. □ Ich tüftle so lange herum, bis ich eine Lösung gefunden habe. □ Ich frage jemanden, der sich auskennt. □ Ich rufe eine Hotline an. □ Ich mache nichts und warte ab, bis sich das Problem von selbst löst. (in Anlehnung an Treumann et al. 2002, S. 434)
512
10 Anhang
9. Partizipation 9.1 Partizipation über Medien Hast Du schon schon einmal… Und wenn ja, wie oft? Mehrmals im Jahr
… einen Leserbrief (als Brief oder E-mail) geschrieben, um Deine Meinung zu sagen. … während einer Sendung im Radio/TV angerufen/eine E-Mail geschrieben/eine SMS geschickt, um Deine Meinung zu sagen. … eine eigene Sendung bei einem Bürgerradio oder Bürger-TV gestaltet (z. B. Radiofabrik, Orange 94.0, Okto). … eine Online-Petition unterschrieben. … auf Deinem Social Network Profil Deine politische Meinung geäußert.
Einmal im Jahr
Habe ich Noch nie insgesamt 1–2 Mal gemacht
Kenne ich nicht
10.1 Fragebogen: Social Web im Alltag von Kindern …
513
10. Kontaktdaten (freiwillige Angabe) Abschluss 1 Vielen Dank, dass Du an unserer Umfrage teilgenommen hast! Mit einigen Personen würden wir auch gerne ein persönliches Interview durchführen, dass natürlich auch völlig freiwillig ist und ebenfalls unabhängig vom Schulunterricht stattfindet. Bitte teile uns mit, ob wir Dich für ein persönliches Interview kontaktieren dürfen. Das geht selbstverständlich nur, wenn Deine Eltern ihr Einverständnis dazu gegeben haben – es ist eine rein private und völlig freiwillige Zustimmung. Gib nur in diesem Fall unten Deine Initialen (auf keinen Fall Deinen Namen) an. Dies ist völlig freiwillig und hat nichts mit den Angaben im Fragebogen zu tun. Wir sichern Dir erneut zu, dass sämtliche Daten streng vertraulich behandelt werden. Für das Interview bekommst Du 10 € als Aufwandsentschädigung. Ich stehe für ein Interview zur Verfügung: □ ja □ nein Bei „ja“: Bitte gib die Nummer rechts oben auf der Einverständniserklärung Deiner Eltern an:___________ Die Minderjährigen füllten den Onlinefragebogen in der Schule oder im Jugendzentrum aus. Über diese Institutionen wurden sie gebeten, vor der Teilnahme von den Eltern eine Einverständniserklärung unterschreiben zu lassen. Nur jene Kinder und Jugendlichen, die das Einverständnis ihrer Eltern hatten, durften an der Befragung teilnehmen. Abschluss 2 Nur für die Personen, die für ein Interview zur Verfügung stehen: Bitte habe Verständnis dafür, dass wir nur mit wenigen Kindern und Jugendlichen Interviews durchführen können. Die Auswahl ist dabei selbstverständlich keine Bewertung Deiner Angaben im Fragebogen.
514
10 Anhang
10.2 Erhebungsinstrumente der qualitative Teilstudie 10.2.1 Lautes Denken a) Einleitung (während der Laptop hochfährt): Was machst du als erstes, wenn du den Computer einschaltest? Was machst du am liebsten im Internet? (zeigen lassen) Welche Seiten besuchst du am liebsten im Internet? (zeigen lassen) Wenn du etwas für die Schule oder aus privaten Interessen wissen willst, was machst du dann? – Suchst du auch außerhalb des Internets? b) Recherche 1) Bitte suche folgendes im Internet: Wo liegt Gaza? Bitte erkläre mir dabei Schritt für Schritt, wie du bei der Suche vorgehst und warum du was machst. – Im Beobachtungsboten notieren, wie vorgegangen wird (z. B. eintippen in Google – gleich dem ersten Link folgen… usw.) – Im Beobachtungsbogen notieren, welche Seiten gefunden werden. – Die SchülerInnen immer zum Sprechen animieren – falls sie selber nicht gesprächig sind, Fragen zum Suchverlauf stellen (Warum gehst du jetzt auf Google? etc.) 2) Wenn eine Seite gefunden wurde: Wie beurteilst du die Information auf dieser Seite? – Bist du zufrieden mit den Informationen, die du gefunden hast? – Woran erkennst du, dass du dieser Seite vertrauen kannst? – Woran würdest du eine Seite erkennen, der man nicht vertrauen kann? – Was würdest du machen, wenn du nicht ganz sicher wärst, ob die Informationen auf dieser Seite stimmen? 3) Ich zeige dir jetzt unterschiedliche Seiten in denen es darum geht, was die Ursachen des aktuellen Konflikts in Israel sein könnten. Bitte sag mir bei jedem Beispiel, ob du findest, dass man dieser Seite vertrauen kann, oder nicht. – Nachfragen woran man genau erkennt, ob die betreffende Seite vertrauenswürdig ist oder nicht.
10.2 Erhebungsinstrumente der qualitative Teilstudie
515
Beispiele: Yahoo Clever: http://de.answers.yahoo.com/question/index?qid=2009012209543 3AAeZygM
Schulwebsite: http://www.sibilla-egen-schule.de/konflikt/israel/israel.htm
516
10 Anhang
Wir sind eins: http://wirsindeins.wordpress.com/2012/11/18/gaza-konflikt-hamas-hilft-israelbeim-kampf-gegen-palastinenserstaat/
ORF (hier auf „Lesen Sie mehr“ klicken): http://orf.at/stories/2151888/
10.2 Erhebungsinstrumente der qualitative Teilstudie
517
4) Weißt du wo man Musik und Filme herunterladen kann? – Wenn ja: Kannst du mir das bitte im Internet zeigen? – Weißt du auch wie man das Downloaden hier genau macht? – Worauf muss man denn Acht geben, wenn man etwas aus dem Internet herunterlädt? (Vor allem wenn illegale Seiten angesteuert werden ins Detail gehen hinsichtlich Verschleierung der IP-Adresse etc.) – Im Beobachtungsbogen notieren welche Seiten besucht werden. c) Social Network Sites Hast du ein Profil auf einer Social Network Site? Was ist für dich das wichtigste an deinem Profil? Magst du mir einmal dein Profil zeigen? (bei mehreren Profilen auf das meistgenutzte eingehen) Folgende Dinge erklären/beschreiben lassen: Kontakte – Hast du deine Kontakte in Gruppen unterteilt? (zeigen lassen) – Wenn ja, haben diese Gruppen unterschiedliche Rechte? – Kennst du alle deine Facebook-Freunde persönlich? – Wie findest du das, wenn jemand deine Freundesanfrage ablehnt? – Hast du auch schon einmal Freundesanfragen abgelehnt? Privatsphäreeinstellungen Kannst du mir bitte deine Privatsphäreeinstellungen zeigen? (permanente Einstellungen – bitte auch alles zeigen lassen!) – Wer darf denn aller auf deine Pinnwand schreiben? – Wer kann denn aller lesen, was auf deiner Pinnwand steht? – Wie ist denn das, wenn du etwas auf deiner Pinnwand postest, stellst du dann jedes Mal extra noch einmal ein, wer das sehen kann? – Weißt du wie man bei jedem neuen Posting noch einmal einstellen kann, wer das sehen darf? (zeigen lassen) – Wenn du dich mit deinen Freundinnen und Freunden auf Facebook austauschst, wie ist das für dich? Ist das als ob du dich mit ihnen in deinem Zimmer unterhalten würdest, oder in einer abgeschirmten Ecke auf dem Schulhof oder auf einem öffentlichen Platz? Fotos (im Protokollbogen festhalten: Art der Fotos, viele/wenige Verlinkungen, viele/wenige Kommentare) – Wer kann deine Fotos sehen? – Welche Bedeutung haben diese Fotos für dich? – Ist es für dich wichtig, dass deine Fotos kommentiert werden?
518
10 Anhang
– Kommentierst du gerne Fotos von anderen? – Wie wichtig ist dir, dass du auf Fotos verlinkt wirst? – Verlinkst du auch andere auf deine Fotos? – Ist dir wichtig, dass du gut dabei rüberkommst? – Ist dir wichtig, dass die Fotos deiner Persönlichkeit/der Persönlichkeit deiner Freunde/Freundinnen entsprechen? Chat – Hast du den Facebook-Chat aktiviert? – Hast du den Chat für alle deine Freundinnen und Freunde aktiviert oder nur für bestimmte Leute? – Kannst du mir bitte einmal deine Chat-Einstellungen zeigen? Partizipation – Bist du Fan von bestimmten Seiten?/Welche Seiten sind das? – Bist du Mitglied einer Facebook-Gruppe?/Warum bist du in dieser Gruppe? – Weißt du wie man eine Gruppe/Fanseite erstellt? (zeigen lassen) – Hast du schon mal selber eine Gruppe/Fanseite erstellt? – Weißt du wie man eine Veranstaltungseinladung erstellt? (zeigen lassen) – Hast du schon einmal eine Veranstaltungseinladung gemacht? d) Ausstieg lautes Denken – Überleitung Interview: Jetzt sind wir mit dem Internet fertig: Kannst du bitte einstellen, dass jemand, der nach dir diesen Laptop benutzt, nicht mehr sieht, welche Seiten wir uns angesehen haben? (Verlauf im Browser löschen) Wir haben ja auch ein paar Sachen mit Google gesucht: Kannst Du da bitte auch einstellen, dass man nicht mehr sieht was wir gesucht haben? (Suchverlauf löschen)
10.2.2 Interview a) Weitere Fragen zu SNS Fühlst du dich auf deiner Profilseite sicher?
10.2 Erhebungsinstrumente der qualitative Teilstudie
519
Wozu nutzt du hauptsächlich dein Profil? – Wie wichtig ist dir dabei der Austausch mit deinen Freundinnen und Freunden? – Ist es dir wichtig, darüber informiert zu sein was deine Freundinnen und Freunde gerade machen? – Nutzt du dein Profil auch, um mit Freundinnen und Freunden zusammenzuarbeiten? (z. B. gemeinsame Hausübungen) Hast du auf deinem Profil schon einmal deine politische/gesellschaftliche Meinung geäußert? Wenn es von Greenpeace, Amnesty International oder einer ähnlichen Einrichtung einen Aufruf gibt, würdest du ein Posting dazu auf deiner Pinnwand zu veröffentlichen? – Warum würdest du das machen/nicht machen? – Hast du so etwas schon einmal gemacht? US-Präsident Obama1 ist im Internet sehr aktiv; über Facebook, Twitter und andere Seiten erklärt er der Öffentlichkeit seine Ziele und man kann seine Postings auch öffentlich kommentieren. Wie findest Du das? Würdest du dir so etwas auch von österreichischen Politikern und Politikerinnen wünschen? – Wenn du die Möglichkeit hättest, würdest du denen gerne einmal über Internet deine Meinung sagen oder sie etwas fragen? Weißt du eigentlich, dass die Salzburger Landeshauptfrau und auch andere LandespolitikerInnen ein eigenes Facebookprofil haben? – Hast du dir schon einmal so ein Profil angeschaut? – Hast du so ein Profil auch schon einmal kommentiert?
1Zum
Zeitpunkt der Erhebung wurde Barack Obama zum zweiten Mal zum Präsidenten der USA gewählt.
520
10 Anhang
b) Internet allgemein Schreibst du einen Blog? – Worüber schreibst du da? – Wie häufig veröffentlichst du etwas auf deinem Blog? – Ist es dir wichtig, dass dein Blog von anderen gelesen wird? Nutzt du Twitter? – – – – –
Zu welchen Themen twitterst du? Wie häufig postest du etwas auf Twitter? Ist es dir wichtig, dass deine Tweets von anderen gelesen werden? Wie viele Follower hast du? Ist dir die Anzahl deiner Follower wichtig?
Jetzt noch einmal zusammenfassend: Was ist für dich das Beste am Internet? – Wo liegen für dich die Chancen? Wie findest du das, dass man über das Internet mit anderen zusammenarbeiten kann (z. B. Google Docs)? – Hast du schon einmal mit anderen über das Internet zusammengearbeitet? (erklären lassen wie das genau abgelaufen ist) – Machst du das häufiger? Hast du manchmal das Gefühl, dass das Internet auch gefährlich sein kann? – Wo liegen für dich die Risiken? Was ist deiner Meinung nach im Internet erlaubt? – Darf man alles, was man im Internet findet, einfach so verwenden? (z. B. Musik, Filme) (nachfragen: warum?) – Darf man einfach so Fotos von anderen Personen veröffentlichen? (nachfragen: warum?)
10.2 Erhebungsinstrumente der qualitative Teilstudie
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c) Indizien für medialen Habitus Liest du gerne? – Wenn ja, welche Bücher/Zeitungen/Zeitschriften? Wie wichtig findest du Bücher? Wie wichtig findest du Zeitungen und Zeitschriften? Wie wichtig ist dir Musik? – Über welches Gerät hörst du am meisten Musik? – Nutzt du auch Onlineradio? – Welche Musikrichtung hörst du am liebsten? Wie wichtig ist dir dein Handy? – Wozu nutzt du es am häufigsten? Wie wichtig findest du Fernsehen? – Wie häufig nutzt du das Fernsehen? – Was schaust du am liebsten? (nachfragen hinsichtlich Sender und Formate) – Hast du einen eigenen Fernseher? d) Einstellung zur Medienerziehung Erwachsene schimpfen manchmal über Computerspiele – wie findest du das? – Welche persönlichen Erfahrungen hast du damit gemacht (was ist gut, was ist schlecht)? Wenn du selber Kinder hättest, worauf würdest du im Hinblick auf Medien achten? – – – – –
Was ist deiner Meinung nach wichtig, Kindern mitzugeben? Wo muss man Kinder unterstützen? Welche Medien sind besonders gut für Kinder? Welche Medien sind nicht so gut für Kinder? Wie lernt man am besten einen sicheren Umgang mit dem Internet?
522
10 Anhang
Wenn du UnterrichtsministerIn wärst und entscheiden könntest, was in den Schulen über Medien unterrichtet werden soll, was wäre für Dich wichtig? – Was sollte man in der Schule über Medien lernen? (nachfragen hinsichtlich unterschiedlicher Medien) e) Alltag Beschreibe doch einmal, wie ein typischer Tag bei dir so aussieht? Was machst du speziell in deiner Freizeit? (nachfragen: Hobbys, Vereine, lieber Tätigkeiten alleine oder mit anderen zusammen etc.) Welche Medien nutzt du im Laufe eines Tages? Wie lange? f) Vorbilder/Zukunftsperspektiven Hast Du ein Vorbild? – Warum ist diese Person/Figur für dich ein Vorbild? – Welche besonderen Eigenschaften hat diese Person/Figur? (nachfragen hinsichtlich Stars, Medienfiguren und Personen aus dem alltäglichen Umfeld) Was willst du einmal in deinem Leben erreichen? – Wie sieht dein ideales Leben in der Zukunft aus? – Welchen Beruf möchtest du einmal ausüben? – Warum? g) Wohnsituation Wie wohnst du (Wohnung/Haus, eigenes Zimmer etc.)? – Wie ist eure Wohnung/euer Haus eingerichtet? (traditionell, modern… etc.) Wie ist dein Zimmer eingerichtet? – Was ist für dich das wichtigste in deinem Zimmer? – Würdest du gerne etwas daran ändern?
10.2 Erhebungsinstrumente der qualitative Teilstudie
523
Bist du mit deiner Wohnsituation zufrieden? Fühlst du dich zuhause wohl? h) Freunde Wie groß ist ungefähr dein Freundeskreis? – Habt ihr eine feste Clique? Wie viel seid ihr da? Sind deine Freunde und Freundinnen gleich alt wie du, eher älter oder eher jünger? Gehen deine Freundinnen und Freunde in die gleiche Schule wie du oder geht ihr in unterschiedliche Schulen? Was machst du so, wenn du dich mit deinen Freunden und Freundinnen triffst? Kannst du mit deinen Freunden und Freundinnen über Probleme reden? – Was sind das für Themen, über die ihr dann sprecht? Fühlst du dich bei deinen Freunden und Freundinnen akzeptiert/aufgehoben? Hast du einen besten Freund oder eine beste Freundin? – Wohnt dieser Freund/diese Freundin in deiner Nähe? – Geht dieser Freund/diese Freundin mit dir in die Schule? Welche Eigenschaften machen für dich einen idealen Freund oder eine ideale Freundin aus? Bourdieus Liste mit Eigenschaften vorlegen: – Welche dieser Eigenschaften findest Du in Bezug auf einen idealen Freund oder eine ideale Freundin besonders wichtig? Warum? – Welche Eigenschaften sind für Dich eher unwichtig? Warum? i) Familie Aus welchen Mitgliedern setzt sich deine Familie zusammen? – Wie würdest du dein Verhältnis zu den unterschiedlichen Familienmitgliedern beschreiben? (Ausführen lassen! Wo liegen Probleme/Konflikte) – Kannst du in deiner Familie über deine Probleme reden? – Fühlst du dich in deiner Familie akzeptiert/aufgehoben?
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Macht ihr auch manchmal etwas gemeinsam in der Familie? (nachfragen hinsichtlich Ausflüge, Aufenthalt/Bewegung in der Natur, Museum, Theater, Kino, Konzerte) – Ist deinen Eltern wichtig, dass dabei alle mitmachen? Wie sieht bei euch ein klassischer Familienurlaub aus? Wie sieht in eurer Familie ein klassisches Wochenende aus? Werden in eurer Familie auch Musikinstrumente gespielt? – Wer spielt welche Instrumente? – Spielst du ein Instrument? Welches? j) Einstellungen/Medienumgang der Eltern Welchen Stellenwert haben Medien für deine Eltern? Lesen deine Eltern gerne? – Wenn ja, was lesen deine Eltern am liebsten? – Habt ihr zuhause eine Zeitung/Zeitschrift abonniert? Welche? – Gibt es bei euch zuhause viele Bücher? Wie viele Fernseher habt ihr zuhause? – Sehen deine Eltern viel fern? – Welche Sender/Programme nutzen deine Eltern? Nutzen deine Eltern zuhause das Internet? – Wozu nutzen deine Eltern das Internet? Hören deine Eltern gerne Radio? – Welche Sender hören deine Eltern am liebsten? Welche Musik hören deine Eltern am liebsten? Gehen deine Eltern regelmäßig ins Kino/Theater/Konzert/Museum/Literaturhaus/öffentliche Bibliothek? – Kommst du da manchmal mit?
10.2 Erhebungsinstrumente der qualitative Teilstudie
525
Sind deine Eltern sportlich? – Wenn ja, welchen Sport üben deine Eltern aus? – Animieren dich deine Eltern dazu, Sport zu machen? k) Erziehungsfragen Gibt es bei euch zuhause viele Regeln? – Wenn ja, welche? Kontrollieren deine Eltern deine Fernsehnutzung? Kontrollieren deine Eltern deine Internetnutzung? Kontrollieren deine Eltern deine Handynutzung? Haben dich deine Eltern früher mehr kontrolliert? (auch nachfragen hinsichtlich der Medienerziehung jüngerer Geschwister) Wird bei euch zuhause manchmal über Dinge, die du im Internet, im Fernsehen oder in der Zeitung gesehen bzw. gelesen hast, gesprochen? Findest du den Erziehungsstil deiner Eltern eher streng oder eher locker? l) Schule Gehst du gerne in die Schule? Fühlst du dich wohl in der Schule? – Wie ist dein Verhältnis zu deinen Mitschülern und Mitschülerinnen? – Wie ist dein Verhältnis zu deinen Lehrerinnen und Lehrern? Wie wichtig ist es für Dich in der Schule eine gute Leistung zu erbringen? Wie wichtig ist es für Deine Eltern, dass Du in der Schule gut bist? Würdest du gerne in eine andere Schule gehen als in die, die du jetzt besuchst? – Warum? Was möchtest du nach der Schule machen? (studieren, eine Ausbildung, sofort arbeiten gehen etc.)
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10.2.3 Eigenschaften eines Freundes/einer Freundin Diese Liste wurde den Befragten im Rahmen des Interviews vorgelegt. lebensfroh feinsinnig/feinfühlig lustig genießerisch (das Leben genießen) gesellig/kommunikativ dynamisch/sportlich lebensbejahend gewissenhaft/ordentlich vornehm/kultiviert intelligent mitfühlend/sensibel ehrgeizig ausgeglichen kreativ/künstlerisch
10.2.4 Beobachtungsbogen a) Recherche „Wo liegt Gaza?“ Vorgangsweise beim Suchen: Welche Seiten werden gefunden? b) Download von Musik und Filmen Welche Seiten werden besucht? 3) Fotos auf SNS Art der Fotos (Familie, Party, Strandfotos, Posing-Fotos… etc.): Verlinkungen (viel/wenig): Kommentare (viel/wenig):
10 Anhang
10.3 Instrumente zur Datenauswertung
10.3 Instrumente zur Datenauswertung 10.3.1 Kodewortbaum für Maxqda Mediennutzung allgemein Bücher, Zeitungen, Zeitschriften Musik, Radio Handy TV PC Spiele/Spielkonsole Medienbewertung allgemein Bücher, Zeitungen, Zeitschriften Musik, Radio Handy TV PC Spiele/Spielkonsole Internet Lieblingstätigkeit Einschätzung Zusammenarbeit Blog Twitter SNS allgemein Beziehungsmanagement Selbstdarstellung/Identitätsmanagement Partizipation
527
528
„Kompetenz“ Inhalt Recherche Beurteilung Information Technik Download Kommunikation Umgang mit Kontakten Privatsphäreeinstellungen Wissen Kreativität Einstellung Medienerziehung (Kinder) Alltag/Freizeit Vorbilder Zukunftsperspektiven Freunde Familie gemeinsame Mediennutzung Medienbesitz gemeinsame Unternehmungen Hobbys/Musik Wohnsituation Eltern Mediennutzung Bücher, Zeitungen, Zeitschriften Musik, Radio Internet TV PC Spiele/Spielkonsole
10 Anhang
10.3 Instrumente zur Datenauswertung
Medienbewertung Bücher, Zeitungen, Zeitschriften Musik, Radio Internet TV PC Spiele/Spielkonsole Freizeitbeschäftigung Erziehung Schule allgemein Einstellung Schüler Einstellung Eltern
10.3.2 Matrix für Einzelfalldarstellungen Name Pseudonym Soziodemografische Informationen Allgemeine Mediennutzung und Bewertung des Kindes Allgemeine Mediennutzung und Bewertung der Eltern (Medien-)Erziehung Umgang mit SNS Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen Alltag und Freizeit Familie FreundInnen Schule, Vorbilder und Zukunftsperspektiven
529
530
10 Anhang
10.4 Politaritätsprofile (Einzelfälle) Die Polaritätsprofile sind online abrufbar unter: https://doi.org/10.1007/978-3658-29534-9_10
Literatur
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© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. W. Trültzsch-Wijnen, Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9
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