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German Pages 304 Year 2010
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 207
Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor Vorträge auf dem deutsch-koreanischen Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich 2009 vom 9. bis 13. September 2009 am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer
Herausgegeben von
Jong Hyun Seok und Jan Ziekow
Duncker & Humblot · Berlin
JONG HYUN SEOK/JAN ZIEKOW (Hrsg.)
Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 207
Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor Vorträge auf dem deutsch-koreanischen Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich 2009 vom 9. bis 13. September 2009 am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer
Herausgegeben von Jong Hyun Seok und Jan Ziekow
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 978-3-428-13442-7 (Print) ISBN 978-3-428-53442-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-83442-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Der vorliegende Band fasst die Beiträge zusammen, die im Rahmen des deutsch-koreanischen Symposiums zum Verwaltungsrechtsvergleich 2009 vorgetragen wurden. Die Bedeutung des Instruments der Mediation in beiden Ländern, in Korea und in Deutschland, wird unterschiedlich bewertet. Diesen Facetten im Kontext einer sich wandelnden Staatlichkeit nachzugehen hatte sich das vom 10. bis 12. Sept. 2009 vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer in Kooperation mit der Korea Public Land Law Association durchgeführte Symposium zum Ziel gesetzt. Die wissenschaftliche Leitung der Veranstaltung lag bei Prof. Dr. Dr. Jong Hyun Seok, Dankook Universität, und Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer. Neben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind die Veranstalter einer großen Zahl weiterer Personen, ohne deren Unterstützung das Symposium nicht hätte durchgeführt werden können, zu Dank verpflichtet. Das Tagungsbüro und dort insbesondere Herr Oberamtsrat Helmut Bucher, Frau Lioba Diehl und Frau Edith Göring haben jedes schwierige logistische Problem souverän gemeistert. Die Geschäftsführerin des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung Speyer, Frau Dr. Margrit Seckelmann, und ihr Stellvertreter Herr Andreas Jug, haben wichtige Unterstützung bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Tagung geleistet. Herr Dr. Alfred Debus, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, sowie Frau Dr. Corinna Sicko und Herr Dr. Alexander Windoffer, beide Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, haben nicht nur die Manuskripte aufbereitet, sondern – ebenso wie Herr Axel Piesker, M.A., Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer – das Tagungsgeschehen „vor Ort“ begleitet. Die Fertigstellung des Bandes für den Druck lag in den bewährten Händen von Frau Erika Kögel und Frau Ruth Nothnagel, beide Sekretärinnen am Lehrstuhl Ziekow. Die Veranstalter verknüpfen mit der Vorlage dieser Dokumentation die Hoffnung, dass die mit Veranstaltungen in Mannheim 2005, Seoul 2006 und Speyer 2007 begonnene und in Speyer 2009 fortgesetzte koreanisch-deutsche Kooperation auch in Zukunft ertragreich fortgeführt werden kann. Seoul und Speyer, im September 2010
Jong Hyun Seok Jan Ziekow
Inhaltsverzeichnis
Mediation im Kontext sich wandelnder Staatlichkeit Von Jong Hyun Seok, Seoul .............…..............................................................
9
Mediation im Kontext sich wandelnder Staatlichkeit Von Jan Ziekow, Speyer ……….........................................................................
19
Mediation im Kontext des Rechtsstaatsgebots der koreanischen Verfassung Von Sang-Kyum Kim, Seoul …….……………………………………………...
33
Mediation im Kontext von Demokratie- und Rechtsstaatsgebot Von Franz-Joseph Peine, Frankfurt/Oder ..........................................................
45
Entstaatlichung des Rechtsschutzes? Mediation vor der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährung Von Eun Soong Pyo, Gyeongbu .........................................................................
57
Entstaatlichung des Rechtsschutzes? Mediation vor der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährleistung Von Michael Ronellenfitsch, Tübingen ……………………...............................
71
Mediation und Gemeinwohl – eine Beziehungsanalyse Von Mario Martini, München ……....................................................................
81
Mediation und Vorverfahren nach koreanischem WVfG Von Hyun Ho Kang, Seoul ................................................................................. 105 Mediation und Vorverfahren Von Peter Baumeister, Heidelberg ……............................................................. 121
Inhaltsverzeichnis
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Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit – unter besonderer Berücksichtigung der koreanischen Erfahrung Von Sung-Soo Kim, Seoul …….......................................................................... 137 Mediation und verwaltungsgerichtliches Verfahren Von Wolf-Rüdiger Schenke, Mannheim ............................................................. 155 Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit – insbesondere zu der Möglichkeit der Einführung und deren Aufgabe Von Hee Gon Kim, Jeonbuk ...........................................................................… 171 Die Rechtswirkungen der Mediation im Bewirkungsspektrum kollaborativer Governance Von Rainer Pitschas, Speyer ……….................................................................. 199 Mediation im Umweltrecht – unter besonderer Berücksichtigung des koreanischen Umweltmediationsgesetzes Von Dongsoo Song, Chungchongnamdo …........................................................ 215 Mediation im Umweltrecht Von Annette Guckelberger, Saarbrücken ............................................................ 235 Mediation bei der Planung in Korea Von Hae Ryoung Kim, Seoul ………….............................................................. 273 Mediation in Planungsverfahren Von Thorsten Siegel, Speyer …………............................................................... 283 Verzeichnis der Autoren ........................................................................................... 303
Mediation im Kontext sich wandelnder Staatlichkeit Von Jong Hyun Seok
I. Einleitung Die heutzutage in der Gesellschaft auftretenden Konflikte haben ihre Ursache in sozialen Problemen. Diese Konflikte sind als Zeichen 1 dafür zu deuten, dass sich die Gesellschaft von der einseitigen obrigkeitlichen Politikstruktur früherer Zeiten zu einer pluralistischen Demokratie fortentwickelt hat. Diese Konflikte sind bereits in der pluralistischen Gesellschaftsform angelegt, da sie auf die unterschiedlichen, in der Gesellschaft vorhandenen Interessen zurückzuführen sind. Daher sollte man die Konflikte als natürliche Phänomene verstehen. Im öffentlichen Sektor entstehen solche Konflikte vor allem bei einseitig getroffenen Politikentscheidungen, wie der Durchführung von öffentlichen Vorhaben oder der Errichtung von öffentlichen Anlagen. Einerseits sind diese Konflikte positiv zu bewerten, da sie zur gesellschaftlichen Fortentwicklung beitragen. Andererseits können von diesen Konflikten negative Wirkungen ausgehen, wenn sie nicht zeitnah bewältigt werden, da es in diesem Fall zu zeitlichen Verzögerungen bei der Verwirklichung wichtiger öffentlicher Entscheidungen oder der Durchführung öffentlicher Vorhaben kommen kann. Im Rechtsstaat sind Konflikte grundsätzlich im Rahmen gerichtlicher Verfahren zu lösen. Bei der Lösung von Konflikten im öffentlichen Sektor unterliegen die Gerichte aber einigen Beschränkungen, da die gerichtliche Kontrolle nicht bezweckt, die Konflikte zu vermeiden oder abzumildern. Diese Aufgabe kommt vielmehr der vorgerichtlichen Konfliktmittlung zu, die eine zeitnahe Konfliktlösung gewährleisten oder sogar die Entstehung von Konflikten verhindern soll. Daher ist es erforderlich, dass man auf ein geordnetes Verfahren zur Vermittlung im Konfliktfall zurückgreifen kann. In diesem Sinne betrachtet ___________ 1 Yoo-Hwan Kim, Institutional Reform for Conflict Management in the Public Sector, in: Public Law, Vol. 33-1, S. 639 ff.
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man ADR (alternative dispute resolution) als außergerichtliche Methode und Instrument der Konfliktmittlung. Die ADR ist eine Erscheinungsform des sich langfristig vollziehenden Wandels 2 der Staatlichkeit, welcher sich sowohl auf der Makroebene des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft als auch auf der Mikroebene zwischen Behörden und Bürgern als gestaltenden Akteuren auswirkt. In diesem Sinne lässt sich Mediation im öffentlichen Sektor kennzeichnen als Ausprägung kooperativer Gemeinwohlkonkretisierung und gesellschaftlicher Selbstregulierung von Konflikten im Sinne der Leitbilder des kooperativen, des verhandelnden, des moderierenden und des Gewährleistungsstaats, der Bürgergesellschaft und Governance 3 .
II. Der Begriff der Mediation Das Zitat 4 „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, wird in Deutschland häufig verwendet. Mediation als konsensuale Konfliktlösungsmethode ist ein treffendes Beispiel für die Art von überzeugungskräftigen Ideen, die mit dem Zitat gemeint sind. Mediation ist ein Beispiel für die guten Ideen, für die ganz plötzlich die Zeit reif ist, die sozusagen in der Luft liegen, die sich nicht an Grenzen halten, sondern sich vor allem deshalb so blitzartig ausbreiten, weil sie sich nicht in einem bestimmten Kulturkreis entwickelt haben und sich dann jeweils zeitgleich – wenn auch mit Unterschieden im Detail – verbreiten 5 . Unter Mediation 6 versteht man in Deutschland ein Verfahren der Konfliktbeilegung, in dem die Parteien auf freiwilliger Basis in strukturierten Verhandlungen mit Unterstützung eines neutralen, nicht zur Streitentscheidung und auch nicht zur Unterbreitung von Lösungsvorschlägen befugten Dritten (Medi___________ 2
Ein Wandel der deutschen Streitkultur lässt sich feststellen – weg von der konfrontativen Auseinandersetzung hin zum kooperativen Interessenausgleich. Vgl. Ortloff, Europäische Streitkultur und Mediation im deutschen Verwaltungsrecht, in: NVwZ 2007, S. 33 f. 3 Diese Darstellung habe ich den Ausführungen von Prof. Ziekow entnommen. 4 Das geflügelte Wort wird einem französischen Schriftsteller zugeschrieben. Vgl. von Bargen, Außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren (Mediation) auf verwaltungsrechtlichem Gebiet in rechtsvergleichender Perspektive, in: EuR 2008 Heft 2. 5 Vgl. von Bargen, ebenda. 6 Mediation als eine Form der Streitbehandlung, in der der neutrale Dritte die Verhandlung zwischen den Streitbeteiligten nicht norm-, sondern interessenorientiert leitet. Vgl. Ortloff, a.a.O., in: NVwZ 2007, S. 33 f.
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ators) eine einvernehmliche und interessengerechte Lösung anstreben 7 . In Korea wird der Begriff „Mediation“ seit Anfang der 1980er Jahre in der Literatur im Rahmen der außergerichtlichen Streitbeilegung gebraucht. Dabei besteht Einigkeit darüber, das ADR als Alternative zu staatlichen Gerichtsverfahren, nämlich als eine alternative Form der Konfliktlösung zu verstehen ist. Wenn Mediation mit ADR gleichzusetzen ist, dann versteht man unter dem Begriff der Mediation die Einschaltung eines neutralen und allparteilichen Dritten zur Vermittlung in Zwei- und Mehrparteienkonflikten. So hat sich in Korea im Rahmen der ADR-Bewegung z. B. die Umweltmediation als eine spezielle Form alternativer Konfliktlösung im Bereich des Umweltrechts herausgebildet 8 . An dieser Stelle ist zu bemerken, dass man den Begriff Mediation in Korea im Grunde genommen genauso versteht wie in Deutschland, wobei in Korea Organe der Verwaltung die Rolle des Mediators übernehmen.
III. Die Arten der Mediation Bei der ADR wird zunächst zwischen der Zivilmediation durch ein Gericht, der Mediation durch Verwaltungsorgane und der Vermittlung, der Schlichtung und dem außergerichtlichen Haftungsurteil durch Einrichtungen, die nicht dem öffentlichen Sektor zuzurechnen sind, unterschieden 9 . Dabei war die zivilgerichtliche Mediation dominierend 10 . Gerichtliche Mediation wird gerichtsintern im anhängigen Prozess von richterlichen Mediatoren durchgeführt. Außergerichtliche Mediation wird entweder als gerichtsnahe, als gerichtsferne oder als nicht-richterliche Mediation praktiziert. Dagegen bezieht sich die Diskussion über außergerichtliche Methoden und Instrumente der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor auf öffentliche Kon___________ 7 Vgl. Rainer Pitschas, Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor, in: NVwZ 2004, S. 397 ff. 8 Vgl. eingehend Song, Dongsoo, Mediation im Umweltrecht, in diesem Band. 9 So z.B. die Kommission zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zahlreiche Bürger- oder Verbraucherzentralen. Dazu vgl. Chung Hae, Kang, Environmental Dispute resolution as an Alternative Dispute resolution and Environmental Litigation, in: Korean Environmental Law Review, Vol. 30 Nr. 3, S. 191 f. 10 Im Jahre 1990 wurde die Zivilmediation durch das Zivilmediationsgesetz vom 3. Jan. 1990 (Gesetz Nr. 4202) eingeführt. Zur Zeit gilt es i. d. F. der Bekanntmachung vom 6. Feb. 2009 (Gesetz Nr. 9417). Im Jahre 1990 wurde auch die familienrechtliche Mediation durch die Familienrechtliche Prozessordnung vom 31. Dez. 1990 (Gesetz Nr. 4300) eingeführt. Zur Zeit gilt sie i. d. F. der Bekanntmachung vom 8. Mai 2009 (Gesetz Nr. 9652).
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flikte. Die verwaltungsrechtliche Mediation ist eine außerstaatliche und freiwillige Vermittlung im eigentlichen Sinne. Im Rahmen dieses Verfahrens soll die Lösung eines zwischen verschiedenen Parteien bestehenden verwaltungsrechtlich relevanten Interessenkonflikts durch einen von den Parteien beauftragten neutralen Konfliktmittler, dessen Ziel die Herbeiführung einer Vereinbarung zwischen den Parteien ist, erreicht werden 11 . Als Beispiele für die Verwaltungsmediation sind zu nennen: die Mediation im Verwaltungsverfahren, die Umweltmediation durch Umweltmediationskomitees, die baurechtliche Mediation für Baustreitigkeiten und Streitigkeiten der Bauindustrie durch Baustreitigkeitsmediationskomitees und Bauindustriestreitigkeitsmediationskomitees, die kommunale Mediation in Streitigkeiten zwischen Selbstverwaltungskörperschaften durch Selbstverwaltungskörperschaftsmediationskomitees und in wasserrechtlichen Streitigkeiten die Mediation durch Flüssevermittlungskomitees. Diese Beispiele zeigen, dass Mediation in Korea von Verwaltungsorganen durchgeführt wird. Verwaltungsorganen, die Mediationen durchführen, wird, da es sich hier um administrative Komitees handelt 12 , die quasi judikative Funktionen erfüllen, per Gesetz sowohl Neutralität als auch Unabhängigkeit gegenüber anderen Ämtern und Ministerien garantiert. Im Folgenden wird beispielhaft auf die Mediation im Verwaltungsverfahren, im Umweltrecht und im Baurecht eingegangen. 1. Mediation im Verwaltungsverfahren Das Gesetz zur Einrichtung und zum Betrieb eines Antikorruptionsausschusses und eines Ausschusses für bürgerlichen Rechtsschutz (GEBAAR) schreibt die verwaltungsverfahrensrechtliche Mediation vor; der Ausschuss für bürgerlichen Rechtsschutz kann eine Mediation auf Antrag oder von Amts wegen durchführen, wenn ein solches Verfahren notwendig ist, um einem Bürgerwiderspruch (Gochungminwon) abzuhelfen und den zugrunde liegenden Konflikt einer gerechten Lösung zuzuführen. Der Bürgerwiderspruch bezieht sich auf Sachverhalte die einen großen Teil der Bevölkerung betreffen oder deren sozialen Auswirkungen als erheblich bezeichnet werden können. (§ 45 Abs. 1 GEBAAR). Die Mediation ist beendet, wenn die Parteien die gemeinsam erarbeitete Lösung in einer Mediationsvereinbarung fixieren und diese Vereinbarung namentlich unterzeichnen. Daraufhin stellt der Mediationsausschuss fest, ___________ 11
Vgl. eingehend Sung Soo, Kim, Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit – unter besonderer Berücksichtigung der koreanischen Erfahrung, in diesem Band. 12 Vgl. Si Cheol, Kim, A Discussion of the Dispute Resolution mechanism Based on the Environmental Dispute Adjustment Act in Regards to the General Principles of ADR, in: Environmental Law Review, Vol. 30 Nr. 3, 2008, S. 124 f.
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dass ein Mediationsergebnis vorliegt (§ 45 Abs. 2 GEBAAR). Diese Mediationsvereinbarung hat die gleichen Wirkungen wie ein Vergleich nach dem bürgerlichen Gesetzbuch (KBGB) (§ 45 Abs. 3 GEBAAR) 13 . 2. Mediation im Umweltrecht Im Rahmen der ADR-Bewegung hat sich in Korea die sog. Umweltmediation als eine spezielle Form alternativer Konfliktlösung im Umweltsektor herausgebildet. Als Rechtsgrundlage wurde das Umweltmediationsgesetz (i.d.F. vom 28. Aug. 1997, Gesetz Nr. 5393) 14 erlassen. § 2 Ziffer 1 UMG definiert den Begriff der Umweltschäden als eine Beeinträchtigung des Umweltschutzes, die durch Luftverschmutzung, nachteilige Veränderung der Wasserqualität, Bodenverschmutzung, Meeresverschmutzung, Lärm, Erschütterung, üble Gerüche, Störungen des natürlichen Sonnenlichteinfalls oder der Luftzirkulation und Schädigungen des Landschaftsbildes durch unternehmerische Aktivitäten oder andere menschliche Handlungen in den betroffenen Gebieten verursacht wird und in einem Schaden für die menschliche Gesundheit, das Eigentum oder das (psychische) Wohlbefinden resultiert. Bei der Umweltmediation fungiert ein Umweltmediationskomitee als Mediator, wobei in diesem Zusammenhang zwischen dem nationalen Umweltmediationskomitee und den Lokalen Umweltmediationskomitees zu unterscheiden ist. Das Umweltmediationsgesetz kennt drei verschiedene Arten der Umweltmediation, nämlich die Vermittlung, die Schlichtung sowie das außergerichtliche Haftungsurteil (§ 2 Ziffer 3 UMG). 15 3. Mediation im Baurecht Zum Zweck der Mediation in Baustreitigkeiten werden das zentrale Komitee zur Mediation in Baustreitigkeiten (Zentrales Baumediationskomitee) im Bauministerium und das Lokale Komitee zur Mediation in Baustreitigkeiten (Lokales Baumediationskomitee) bei Gebietskörperschaften eingerichtet (§ 88 Abs. 1 BauG). Das zentrale Baumediationskomitee besteht aus 15 oder weniger Mit-
___________ 13
Vgl. eingehend Hyun Ho, Kang, Mediation und Vorverfahren nach Koreanischem WVFG, Vortragsmanuskript in diesem Band. 14 Die alte Fassung des Umweltmediationsgesetzes trug den Titel UmweltschädenBeeinträchtigung Streitigkeitenmediationsgesetz vom 1. Aug. 1990 (Gesetz Nr. 4258). 15 Vgl. hierzu eingehend Dongsoo, Song, Mediation im Umweltrecht unter besonderer Berücksichtigung des koreanischen Umweltmediationsgesetzes, in diesem Band.
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gliedern einschließlich eines Vorsitzenden und eines Vizevorsitzenden (§ 89 Abs. 1 BauG). Baustreitigkeiten sind z.B. Streitigkeiten zwischen dem Bauherrn und betroffenen Nachbarn, denen durch die Errichtung des Bauwerks bestimmte Beeinträchtigungen zugemutet werden, Streitigkeiten zwischen baulichen Fachtechnikern und Nachbarn sowie Streitigkeiten der Nachbarn untereinander (§ 88 Abs. 1 Nr. 1-7 BauG). Das Schlichtungsverfahren und das außergerichtliche Haftungsurteilsverfahren werden nach Einreichen einer diesbezüglichen Antragsschrift dadurch eröffnet, dass zunächst seitens der Mitglieder des Baumediationskomitees drei oder fünf Personen ausgewählt werden, welche im konkreten Streitfall den Schlichtungsausschuss bzw. den Ausschuss für das außergerichtliche Haftungsurteilsverfahren bilden (§ 92 Abs. 1, § 94 Abs. BauG). Für die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ist es ausreichend, wenn nur eine von mehreren Parteien einen diesbezüglichen Antrag stellt. Dagegen wird die Haftungsmediation nur durchgeführt, wenn alle beteiligten Parteien übereinstimmend einen Antrag auf Durchführung dieses Verfahrens stellen (§ 92 Abs. 2 BauG). Das Baumediationskomitee soll das Verfahren nach der Annahme der Antragsschrift auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens innerhalb von 90 Tagen abschließen. Ein Haftungsmediationsverfahren soll innerhalb von 180 Tagen beendet werden, wobei diese Fristen durch Beschluss des Komitees verlängert werden können (§ 92 Abs. 3 BauG). Das Baumediationskomitee kann die Schlichtung ablehnen, wenn sich die zugrunde liegende Streitigkeit ihrer Natur nach nicht für eine Schlichtung eignet oder wenn der Antrag rechtsmissbräuchlich ist. In diesem Fall soll das Baumediationskomitee dem Antragsteller die Ablehnungsgründe mitteilen (§ 93 Abs. 1 BG). Auch wenn eine Partei während des laufenden Schlichtungsverfahrens Klage erhebt, kann das Komitee das Mediationsverfahren beenden; dies soll den Medianten mitgeteilt werden (§ 93 Abs. 2 BauG). Das Baumediationskomitee kann die Komiteemitglieder oder die komiteeangehörigen Beamten veranlassen, Dokumente zu prüfen oder Baustellen zu besichtigen und zu untersuchen (§ 95 Abs. 1 BauG). Das Baumediationskomitee kann die Parteien und die Betroffenen anhören, wenn es erforderlich erscheint (§ 95 Abs. 2 BauG). Das zuständige Baumediationskomitee muss nach der Prüfung des Sachverhalts innerhalb der für die Durchführung eines Mediationsverfahrens festgelegten Fristen einen Entwurf für eine Mediationsvereinbarung ausarbeiten (§ 95 Abs. 3 BauG). Dieser Entwurf der Mediationsvereinbarung muss den jeweiligen Parteien vorgelegt werden (§ 96 Abs. 1 BauG). Die Parteien müssen dem
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Baumediationskomitee innerhalb von 15 Tagen mitteilen, ob sie den Entwurf annehmen wollen oder nicht (§ 96 Abs. 2 BauG). Wenn die Parteien den Entwurf annehmen, dann soll das Komitee unverzüglich die Mediationsvereinbarung fertig stellen; diese Vereinbarung müssen die Komiteemitglieder und die Parteien namentlich unterzeichnen (§ 96 Abs. 3 BauG). In diesem Fall wird angenommen, dass Mediationsvereinbarung und Entwurf inhaltlich übereinstimmen (§ 96 Abs. 4 BauG). Der Haftungsurteilausschuss soll das Haftungsurteil mit der Urteilsschrift fällen. Die Urteilsschrift muss das Aktenzeichen, die Parteien sowie deren gewählte Vertreter, die Prozessbevollmächtigten sowie deren Anschrift und Namen, das Urteil, die Antragsbegründung, die Urteilsgründe und das Urteilsdatum enthalten (§ 97 Abs. 1 BauG). Der Haftungsurteilsausschuss muss unverzüglich die Urschrift des Schriftstücks an die Parteien oder die Bevollmächtigten zustellen (§ 97 Abs. 3 BauG). Wenn innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen, nachdem den Beteiligten die Urschrift des Schriftstücks über das Haftungsurteil zugestellt wurde, keine Klage vor Gericht eingeleitet wurde oder die Klage zurückgenommen wurde, so wird angenommen, dass die Vereinbarung inhaltlich mit dem Haftungsurteil übereinstimmt (§ 99 BauG). 4. Die Mediation im Recht der Bauindustrie Vorläufer des heutigen Bauindustriegrundgesetzes vom 30.12.1996 (Gesetz Nr. 5230, abgekürzt: BauiGG) war das Baugewerbegesetz vom 11.3.1958 (Gesetz Nr. 477). Die Mediation in Bauindustriestreitigkeiten wurde durch das Bauindustriegrundgesetz im Jahr 1996 eingeführt. Zum Zweck der Mediation in Streitigkeiten die Bauindustrie betreffend werden das zentrale Mediationskomitee für Bauindustriestreitigkeiten (Zentrales Bauindustriemediationskomitee) im Bauministerium und das Lokale Mediationskomitee in Bauindustriestreitigkeiten (Lokales Bauindustriemediationskomitee) bei Gebietskörperschaften eingerichtet (§ 69 Abs. 1 BauiGG). Das zentrale Bauindustriemediationskomitee besteht aus 15 oder weniger Mitgliedern einschließlich eines Vorsitzenden und eines Vizevorsitzenden (§ 70 Abs. 1 BauiGG). Unter Bauindustriestreitigkeiten versteht man Streitigkeiten zwischen den Bauvertragsparteien über die Durchführung der Baumaßnahmen, z. B. zwischen den am Bauentwurf, an der Durchführung der Baumaßnahmen und an der Bauaufsicht beteiligten Personen (§ 68 Abs. 2 BauiGG). Das Schlichtungsverfahren wird auf Antrag eröffnet. Der Antrag kann entweder von einer Partei alleine oder von beiden Parteien gemeinsam gestellt werden (§ 69 Abs. 1 BauiGG).
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Das Bauindustriemediationskomitee soll das Verfahren nach Annahme der Antragsschrift innerhalb von 60 Tagen beenden, wobei diese Frist durch Beschluss des Komitees um weitere 60 Tage verlängert werden kann (§ 74 Abs. 1 BauiGG). Das Bauindustriemediationskomitee kann die Schlichtung ablehnen, wenn sich die zugrunde liegende Streitigkeit ihrer Natur nach nicht für eine Schlichtung eignet oder wenn der Antrag rechtsmissbräuchlich ist. In diesem Fall soll das Bauindustriemediationskomitee dem Antragsteller die Ablehnungsgründe mitteilen (§ 73 Abs. 1 BauiGG). Auch wenn eine Partei während des laufenden Schlichtungsverfahrens Klage erhebt, kann das Komitee das Mediationsverfahren beenden; dies soll den Medianten mitgeteilt werden (§ 73 Abs. 3 BauiGG). Das Bauindustriemediationskomitee kann die Komiteemitglieder oder die komiteeangehörigen Beamten veranlassen, Dokumente zu prüfen oder Baustellen zu besichtigen und zu untersuchen (§ 75 Abs. 1 BauiGG). Das Bauindustriemediationskomitee kann die Parteien und die Betroffenen anhören, wenn es erforderlich erscheint (§ 75 Abs. 2 BauiGG). Wenn sich die beiden Parteien vor Durchführung des Mediationsverfahrens geeinigt haben, soll das Komitee das Schlichtungsverfahren beenden und den Inhalt der von den Parteien getroffenen Vereinbarung schriftlich fixieren. Dieses Schriftstück ist sowohl vom Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses als auch von den beiden beteiligten Parteien zu unterschreiben (§ 77 Abs. 1 BauiGG). Das Bauindustriemediationskomitee kann auch eine Schlichtungsabteilung einrichten, wenn diese für die effektive Schlichtungsarbeit erforderlich ist (§ 76 Abs. 1 BauiGG). Diese Schlichtungsabteilung soll die Abschlussvereinbarung nach vorheriger Prüfung ausarbeiten und diese auf einer Versammlung dem Komitee vorlegen (§ 76 Abs. 3 BauiGG). Wenn das Komitee den Entwurf der Mediationsvereinbarung ausgearbeitet hat, soll dieser unverzüglich den Medianten vorgelegt werden (§ 78 Abs. 1 BauiGG). Beide Parteien müssen innerhalb von 15 Tagen dem Bauindustriemediationskomitee mitteilen, ob sie den Entwurf annehmen oder nicht (§ 78 Abs. 2 BauiGG). Wenn die Parteien den Entwurf annehmen, dann muss das Komitee unverzüglich die Mediationsvereinbarung fertigstellen und sowohl der Vorsitzende als auch die Parteien müssen die Abschlussvereinbarung namentlich unterschreiben (§ 78 Abs. 3 BauiGG). In diesem Fall nimmt man an, dass Abschlussvereinbarung und Entwurf inhaltlich übereinstimmen (§ 78 Abs. 4 BauiGG).
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IV. Schlussbemerkung Die obigen Ausführungen belegen, dass in Korea die Mediation als Instrument der Konfliktmittlung durch zahlreiche Gesetze 16 , die die Durchführung eines Mediationsverfahrens verlangen, schon fest etabliert worden ist. Das bedeutet, dass man in Korea versucht, Streitigkeiten zunächst mit außergerichtlichen Methoden beizulegen. Dabei spielen die Komitees und die Ausschüsse als Verwaltungsorgane eine immer dominierendere Rolle, wobei die Komitees aus fachkundigen Personen, z. B. Rechts- oder sonstigen Wissenschaftlern, Rechtsanwälten und Beamten bestehen müssen. Daher ist anzumerken, dass die Mediation in Korea im Vergleich zur Mediation in Deutschland Besonderheiten aufweist.
___________ 16 Das Entschädigungsgesetz vom 4.5.2002 (Gesetz Nr. 6656) (auf koreanisch Gongiksaupuil uihan tojideungeui chidoeg mid bosange kwanboprul) schreibt in § 33 Abs. 1-3 die Mediation in Streitigkeiten über Entschädigungsbescheide und behördliche Genehmigungen in Enteignungsverfahren in der Form des Vergleichs vor. Zum koreanischen Planungssystem vgl. eingehend Jong Hyun, Seok, Aktuelle Probleme der Verkehrswegeplanung in Korea, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Luftverkehrs-, Fachplanungs- und Naturschutzrechts, 2006, S. 221 ff. Das kommunale Selbstverwaltungsgesetz i.d.F. vom 1.4.2009 (Gesetz Nr. 9577) schreibt die Mediation vor in Streitigkeiten zwischen Gebietskörperschaften (Großstädte und Provinzen) oder zwischen dem Bürgermeister einer Großstadt und einem Provinz-Chef (§§ 149, 150). Das Flüssegesetz i.d.F. vom 1.4.2009 (Gesetz Nr. 9605) schreibt in § 54 und § 55 die Mediation in Streitigkeiten über die Flusswassernutzung zwischen dem Dammerrichter und dem Inhaber der Wassernutzungsgenehmigung vor.
Mediation im Kontext sich wandelnder Staatlichkeit Von Jan Ziekow Beobachtet man die Entwicklung der letzten etwa 20 Jahre, so hat das Thema „Mediation“ eine interessante Entwicklung durchlaufen. Sicherlich ist es stark zugespitzt, wenn rückblickend zusammengefasst wird, Ende der 80er Jahre sei Mediation in Deutschland „fast nur als Familienmediation … und TäterOpfer-Ausgleich … in Erscheinung getreten“ 1 . Vielmehr finden sich zeitgleich intensive Befassungen mit dem Einsatz des Instruments „Mediation“ in Verwaltungsverfahren, damals noch unter dem Label „Konfliktmittlung“ 2 . Allerdings ändert diese Relativierung nur wenig an dem Ausgangsbefund, dass die neuere Implementation von Mediation in Deutschland im Kern als ein eher staatsferner Ansatz bürgerschaftlicher Selbstregulierung begann, der hoheitliche Konfliktentscheidungen durch die Gerichte gerade vermeiden, den Staat also gleichsam aus dem zu lösenden Konflikt „draußen“ halten wollte3 . Vor diesem Hintergrund ist es durchaus bemerkenswert, wenn in neueren Veröffentlichungen vom „Regieren mit Mediation“ 4 oder sogar dem „Mediationsstaat“ 5 gesprochen wird. Hier wird offensichtlich eine Entwicklung angenommen, die nicht nur zu einer Staatsnähe, sondern nachgerade zu einer Vereinnahmung von Mediation als Element der Staatlichkeit geführt hat. Da diese Entwicklung einen hohen Komplexitätsgrad aufweist, dürfte es sich empfehlen, sich ihr schrittweise zu nähern. Im Folgenden wird daher zunächst versucht, ___________ 1
So Katharina Gräfin von Schlieffen, Der Mediationsstaat, in: Gosewinkel/Schuppert (Hrsg.), Politische Kultur im Wandel von Staatlichkeit, 2008, S. 181 (184). 2 Vgl. nur Winfried Brohm, Verwaltungsverhandlungen mit Hilfe von Konfliktmittlern?, DVBl. 1990, S. 321 ff.; Wolfgang Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989; Bernd Holznagel, Konfliktlösung durch Verhandlungen, 1990; Oliver Passavant, Mittlerunterstützte Kooperation in komplexen Verwaltungsprojekten, DÖV 1987, S. 516 ff.; Michael Ronellenfitsch, Konfliktmittlung aus Anlaß von Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren, in: Konfliktmittlung durch Verhandlungen, Bd. 2, 1990, S. 185 ff. 3 Ivo Appel, Privatverfahren, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2008, § 32 Rdnr. 106. 4 Anna Geis, Regieren mit Mediation, 2005. 5 Katharina Gräfin von Schlieffen, Der Mediationsstaat, in: Gosewinkel/Schuppert (Hrsg.), Politische Kultur im Wandel von Staatlichkeit, 2008, S. 181 ff.
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wesentliche Elemente des Einsatzes von Mediation im öffentlichen Sektor zu identifizieren (unten I.). Anschließend soll der Frage nachgegangen werden, in welchen Beziehungen Mediation als Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor zu der Diskussion um einen „Wandel der Staatlichkeit“ steht (unten II.).
I. Mediation als Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor in Deutschland Der Einsatz von Mediation im öffentlichen Sektor ist zunächst von anderen Instrumenten zu unterscheiden, die ebenfalls staatliche Steuerungs- und Entscheidungszuständigkeiten flankieren oder entlasten. Hierfür bedarf es zunächst einer Vergewisserung über das in dieser Untersuchung verwendete Verständnis des Begriffs Mediation. Weithin akzeptiert sein dürfte ein Zugang, der folgende Elemente als wesentlich für das Mediationskonzept ansieht 6 : x Durchführung einer außergerichtlichen Streitbeilegung x durch einen allparteilich agierenden neutralen Mediator x bei Vorliegen oder im Vorfeld streitiger Verhandlungen x in Form einer Ermittlung und Ausgleichung der Interessen der Beteiligten x unter Beachtung des Prinzips der Freiwilligkeit x und unter Wahrung der Vertraulichkeit. 7 Hiervon zu unterscheiden sind zunächst Formen der Verfahrensprivatisierung, bei denen die Durchführung von bestimmten Teilen eines in staatlicher Verantwortung ablaufenden Verfahrens auf Private übertragen wird 8 . Beispiele sind das Projektmanagement, also die Bestellung eines Behördenexternen zur Organisation und Koordination von behördlichen Verfahren 9 , oder die Über___________ 6
Zu den Schwierigkeiten einer trennscharfen Definition von Mediation vgl. Stephan Breidenbach, Mediation, 1995, S. 137. 7 Rainer Pitschas, Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor, NVwZ 2004, S. 396 (397). 8 Dazu Udo Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt, JZ 1999, S. 585 (589 f.); Wolfgang Hoffmann-Riem, Verfahrensprivatisierung als Modernisierung, in: ders./ Schneider, Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996, S. 9 (12 ff.). 9 Vgl. DIN 69901-1:2009-01 (D): „Projektmanagement ist die Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mitteln für die Abwicklung eines Projektes.“
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tragung von Anhörungs- und Beteiligungsverfahren auf Private, wie sie beispielsweise in § 4b BauGB vorgesehen, aber auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zulässig und üblich ist. Da es sich beim Rückgriff auf diese oder andere Formen der Verfahrensprivatisierung um behördliche Entscheidungen handelt, denen sich die Verfahrensbeteiligten und -betroffenen regelmäßig nicht ohne Rechtsverlust entziehen können, fehlt es an wesentlichen der oben erwähnten Merkmale des Mediationskonzepts. Nicht vom Vorliegen von Mediation lässt sich auch in allen Konstellationen sprechen, in denen zwar ein Interessenausgleich der Parteien erfolgt, dieser jedoch auf Schaffung eines vertraglichen Rahmens für Leistungsbeziehungen gerichtet ist. So weisen Public Private Partnerships als langfristig angelegte und auf Vertrauen basierende Arrangements 10 verschiedene der oben als kennzeichnend für Mediation beschriebenen Elemente auf – insbesondere dann, wenn sie über Ausgleichsmechanismen verfügen, die gerichtliche Streitigkeiten nach Möglichkeit vermeiden sollen 11 . Die Übergänge sind allerdings fließend, können doch zum einen die Ergebnisse von Mediationsverfahren in die Form von Verträgen gegossen werden und zum anderen mediative Elemente Eingang in vertraglich konstituierte Leistungsbeziehungen finden. Abzugrenzen von der Durchführung einer Mediation sind schließlich Surrogationen staatlicher Entscheidungsgewalt wie Schiedsvereinbarungen o.ä. Wenngleich Schiedsverfahren selbstverständlich mediationsähnlich ausgestaltet sein können, kommt es nicht zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung, sondern zu einer Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht. Anders als Schiedsverfahren sind Güteverfahren zu beurteilen. Nach § 278 Abs. 2 ZPO geht im deutschen Zivilprozess der streitigen mündlichen Verhandlung eine Güteverhandlung voraus. Es handelt sich hierbei um eine Variante, die sich dem Typus der „prozessualen Entscheider-Mediation“ zuordnen lässt. Als eine solche „prozessuale Entscheider-Mediation“ lässt sich ein Vorgehen des zur Entscheidung berufenen Richters kennzeichnen, das mediative Elemente aufnimmt und für die Streitbeilegung fruchtbar macht. Da die Parteien durch ausdrücklichen Widerspruch gegen Einigungsbemühungen die Durchführung einer Güteverhandlung verhindern können, ist auch das Erfordernis der Freiwilligkeit gewahrt. 12 ___________ 10 Zur Bedeutung von Vertrauen in PPPs vgl. Birgit Grüb, Sozialkapital als Erfolgsfaktor von Public Private Partnership, 2007; Birgit Grüb/Dietrich Budäus, Ergebnisqualität und Vertrauen als kritische Erfolgsfaktoren von PPP im Gesundheits- und Sozialwesen, Sozialer Fortschritt 2007, S. 56 (61 ff.). 11 Bertelsmann Stiftung/Clifford Chance Pünder/Initiative D21 (Hrsg.), Prozessleitfaden Public Private Partnership, 2002, S. 77 f. 12 Jan Ziekow, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, S. 390 (392 f.).
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Vor dem Hintergrund dieser Abgrenzungen soll im Folgenden auf die zentralen Erscheinungsformen von Mediation im öffentlichen Sektor in Deutschland eingegangen werden. Kategorial unterscheiden kann man die behördeninitiierte Mediation und die Mediation als Angebot. Bei der behördeninitiierten Mediation geht der Impuls zur Durchführung einer Mediation von der verfahrensführenden Behörde aus, um Blockadepositionen im Verfahren von vornherein zu vermeiden oder aufzulösen und die Akzeptanz der verfahrensabschließenden Entscheidung zu sichern. Typisches Einsatzgebiet sind komplexe Verwaltungsverfahren im Planungs- und Umweltrecht mit einem multipolaren Geflecht betroffener Interessen 13 . Hier haben sich die verwaltungsrechtlichen Instrumente, die einen Interessenausgleich gewährleisten sollen, aus Sicht der verfahrensführenden Behörden als nicht ausreichend erwiesen. Nahezu ausnahmslos ist für Verfahren, die die Genehmigung von Großvorhaben wie Verkehrswege oder emittierende Anlagen zum Gegenstand haben, die Durchführung einer Betroffenenbeteiligung mit Termin zur mündlichen Erörterung vorgesehen (§ 73 Abs. 6 S. 1 VwVfG; §§ 14 ff. 9.BImSchV), wenngleich die Behörde seit einigen Jahren auch auf die Anberaumung ihres Erörterungstermins verzichten kann (vgl. nur § 17a Nr. 5 FStrG). Solche Erörterungen beziehen sich auf erhobene Einwendungen und setzen deshalb erst zu einem späten Zeitpunkt im Verfahren ein. Zu diesem Zeitpunkt sind die Fronten häufig schon verhärtet und gerichtliche Auseinandersetzungen in Vorbereitung, so dass ein Interessenausgleich kaum noch möglich ist. Dies hat dazu geführt, dass in neuerer Zeit Mediationsverfahren bereits vor Beginn des eigentlichen Verwaltungsverfahrens, d. h. bevor der Genehmigungs- oder Planfeststellungsantrag überhaupt gestellt worden ist, durchgeführt werden. Hiervon verspricht man sich, dass die verschiedenen Interessen bereits in die Erstellung des Antrags einfließen können und damit eine frühe Befriedungswirkung eintritt. Ob diese Ziele in der Praxis tatsächlich erreicht werden, ist hier nicht zu beurteilen. Eine vollständige Klaglosstellung der Projekte wird man sicherlich nicht erreichen können. Zu gelingen scheint hingegen nach den bisherigen Erfahrungen eine Rationalisierung der Interaktionen. Der frühe Aufbau von Kommunikationsarenen führt offenbar dazu, dass zumindest Fundamentalkonflikte vermieden werden können. Erkennbar scheint aber zu sein, dass eine Routinisierung der Mediation ihr ihren Charme und ihre Erfolgschancen nimmt. Werden Mediationen standardisiert vor Beginn jedes Großverfahrens durchgeführt, bevor Interessenkonflikte ___________ 13
Siehe dazu nur Annette Guckelberger und Dongsoo Song, Mediation im Umweltrecht, und Hae Ryoung Kim, Mediation bei der Planung in Korea, und Thorsten Siegel, Mediation in Planungsverfahren, in diesem Band.
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sich überhaupt konkretisiert haben, so fühlen sich in ihren Interessen Betroffene nicht mehr ernst genommen. Im Gegenteil kann der Eindruck entstehen, es handele sich statt um eine Mediation um ein Ausforschungsverfahren, das es dem Vorhabenträger erleichtern soll, sich auf eine Auseinandersetzung mit widerstreitenden Interessen vorzubereiten. Dies führt zu entsprechend taktisch geprägten Verhaltensweisen: Die Interessen werden nicht in der Mediation „auf den Tisch gelegt“, sondern als „Pfeile im Köcher“ belassen und erst später als Vetoposition eingesetzt. Von einer Mediation als Angebot lässt sich dann sprechen, wenn ein Mediationsverfahren nicht nur beim Auftreten von konkreten Interessenkollisionen in Erwägung gezogen wird – das ist selbstverständlich immer möglich – , sondern in institutionalisierter Form fakultativ nichts als Alternative, sondern als Ergänzung zu rechtsförmlichen Entscheidungsverfahren bereitgehalten wird. Hier liegt es bei den Beteiligten, ob sie von dem Angebot Gebrauch machen wollen oder nicht. Ohne Annahme des Angebots wird also überhaupt kein Mediationsverfahren durchgeführt. Ein in den letzten Jahren in der Rechtwissenschaft intensiv diskutierter Typus einer solchen Mediation als Angebot ist die an den Verwaltungsgerichten angesiedelte Mediation. Sie lässt sich zusammenfassend als Gerichtsmediation bezeichnen, während die weiteren Ausdifferenzierungen terminologisch uneinheitlich belegt sind. Insoweit gibt es zwei Grundformen, ohne dass an dieser Stelle auf Einzelheiten einzugehen wäre 14 : 1. In einem bereits anhängigen Verfahren wird seitens des Gerichts auf die Konfliktlösung in einem Mediationsverfahren hingewirkt. Die Mediation wird dann nicht durch einen Richter des zur Streitentscheidung berufenen Spruchkörpers, sondern durch einen speziell zum Mediator ausgebildeten anderen Richter desselben Gerichts oder externe Mediatoren durchgeführt. Dies wird in der Regel als „gerichtsnahe“ Mediation bezeichnet 15 , wobei teilweise noch eine Eingrenzung allein auf gerichtsexterne Personen vorgenommen wird 16 . 2. Uneinheitlich ist die Verwendung des Begriffs „gerichtsverbundene“ Mediation. Er wird teilweise entsprechend der Struktur der „gerichtsnahen“ Medi___________ 14 Claudia Kern, Mediation und Verwaltungsprozessrecht, in: Pitschas/Walther (Hrsg.), Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2005, S. 149 (157 ff.); Rainer Pitschas, Verwaltungsrechtsschutz durch Gerichtsmediatoren?, in: ders./Walther (Hrsg.), Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2005, S. 33 ff.; Jan Ziekow, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, S. 390 ff. 15 Jan Ziekow, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, S. 390 (392). 16 So vom Bundesministerium der Justiz, vgl. http://www.bmj.bund.de/enid/5990 ed11ea97e0a93c247b7cf5fb59fe,b4e868305f7472636964092d0935353530/Mediaton_al s_Verfahren_konsensualer_Streitbeilegung/Fakultative_Regelungsbereiche_1it. html.
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ation verwendet, wobei eine Fokussierung auf die Mediation durch andere Richter desselben Gerichts als diejenigen, die zur Streitentscheidung berufen sind, erfolgt 17 ; für diese Form findet sich auch die Bezeichnung „gerichtsinterne“ Mediation 18 . Andere verstehen unter der „gerichtsverbundenen“ Mediation eine solche, die von einem Richter des erkennenden Spruchkörpers in einem abgetrennten Zwischenverfahren durchgeführt wird. 19 Was lässt sich hieraus als Zwischenbilanz für das Thema „Mediation im Kontext sich wandelnder Staatlichkeit“ formulieren? Ohne anderen Beiträgen vorgreifen zu wollen, wird jedenfalls deutlich, dass der Mediation initiierende oder anbietende Staat der Leistungsfähigkeit seiner Institutionen nicht mehr so recht traut. Verwaltungsverfahrensrechtliche Sicherungen und verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzgewährung werden für zumindest ergänzungsbedürftig gehalten. Ist das das Ende des Rechtsstaats? Dazu ein Zitat aus einem 2008 erschienenen Beitrag: „Der alte okzidentale, durch Entscheidungen und Begründungen strukturierte, rechtlich und staatlich geordnete Zwischenraum bricht langsam weg … Die Aufgeklärten des 21. Jahrhunderts kennen Objektivität, Generalisierbarkeit und Dauer … nur noch als Aufführung von schlecht bezahlten Staatstheatertruppen … (Das) Konstrukt des demokratisch legitimierten, abstrakt-generellen, im Konkreten gleichmäßig gerecht anwendbaren Gesetzes (bricht) zusammen. Am Ende steht die permanente, mitlaufend protokollierte Mediation.“ 20
II. Mediation als Symptom einer Krise des Staates? Ist also die staatlicherseits initiierte oder bereitgestellte Mediation Ausdruck einer Krise des Staates? Der Frage, in welcher Beziehung der verstärkte Einsatz von Mediation im öffentlichen Sektor zu Wandlungen stattlicher Formiertheit, Leitideen und Aufgabenwahrnehmung steht, soll im Folgenden in aller Kürze nachgegangen werden. Dabei ist selbstbeschränkend von vornherein darauf hinzuweisen, dass der Stand der Großdiskussion über einen Wandel der Staatlichkeit und dessen Er___________ 17
Jan Ziekow, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, S. 390
(392). 18 http://www.bmj.bund.de/enid/5990ed11ea97e0a93c247b7cf5fb59fe,b4e868305f7 472636964092d0935353530/Mediation_als_Verfahren_konsensualer_Streitbeilegung/ Fakultative_Regelungsbereiche_1it.html. 19 Rainer Pitschas, Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor, NVwZ 2004, S. 396 (402). 20 Katharina Gräfin von Schlieffen, Der Mediationsstaat, in: Gosewinkel/Schuppert (Hrsg.), Politische Kultur im Wandel von Staatlichkeit, 2008, S. 181 (199).
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scheinungsformen hier nicht einmal im Ansatz referiert werden kann. Das Problem der Annahme eines Wandels der Staatlichkeit und seiner Auswirkungen besteht nicht nur zunächst, sondern vielmehr zentral, in der Messbarkeit des Wandels 21 . Verlaufsmodelle, selbst wenn sie multidimensional angelegt sind, bergen die Gefahr von Verengungen und konnotierten Wertungen. Sehr schön deutlich wird dies am Beispiel des im Sonderforschungsbereich „Staatlichkeit im Wandel“ gewählten Bildes vom sog. „Goldenen Zeitalter des Staates“ in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen der sog. „Demokratische Rechts- und Interventionsstaat“ die Letzt- und Alleinverantwortung für die Produktion normativer Güter getragen haben und deshalb ein „ganz besonderer Staat“ gewesen sein soll. 22 Die historische Richtigkeit dieser These braucht hier nicht kommentiert zu werden. Wichtiger ist das dann gewählte Bild des Wandels, der als „Zerfaserung von Staatlichkeit“ beschrieben wird. 23 Die Konsequenzen dieser Bilder hat Schuppert eindrücklich festgehalten: „Wenn die goldenen Zeiten unwiederbringlich vorbei sind, kann logischerweise alles nur schlechter werden als vorher“. 24 Im Rahmen des für den vorliegenden Beitrag zur Verfügung stehenden Raumes dürfte es daher weiterführender sein, den Gedanken der „Beleuchtungstechnik“ als Analyseinstrument 25 aufzugreifen und einzelne Schlaglichter auf neuere Tendenzen der Entwicklung von Staat und Verwaltung mit Blick auf die Verortung des Mediationsgedankens zu werfen. Zusammenfassen lassen sich diese Scheinwerfer unter den Schlagworten Verantwortungsentlastung, Bürgergesellschaft, Selbststeuerung, Kooperation, Kommunikation und Information. Zu beachten ist dabei, dass diese Begriffe nicht etwa voneinander separierte Sektoren bezeichnen. Vielmehr handelt es sich um Facetten eines weit ausgreifenden Prozesses, die in vielfältiger Weise miteinander verwoben sind und einander beeinflussen.
___________ 21 Zum Problem Gunnar Folke Schuppert, Was ist und wie misst man Wandel von Staatlichkeit?, Der Staat 47 (2008), S. 325 ff. 22 Philipp Genschel/Stephan Leibfried/Bernhard Zangl, Zerfaserung und Selbsttransformation – Das Forschungsprogramm „Staatlichkeit im Wandel“, TransState Working Papers 45, 2006, S. 3. 23 Philipp Genschel/Stephan Leibfried/Bernhard Zangl, Zerfaserung und Selbsttransformation – Das Forschungsprogramm „Staatlichkeit im Wandel“, TransState Working Papers 45, 2006, S. 22 ff. 24 Gunnar Folke Schuppert, Was ist und wie misst man Wandel von Staatlichkeit?, Der Staat 47 (2008), S. 325 (333). 25 Gunnar Folke Schuppert, Ist Verwaltungs(Staats-)wissenschaft möglich?, in: Ziekow (Hrsg.), Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft, 2003, S. 15 (27).
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Information Die sog. Informationskrise der Verwaltung vor dem Hintergrund der Notwendigkeiten komplexer Wissensgenerierung einerseits und deren Herausforderungen und Schwierigkeiten andererseits ist oft beschrieben worden. 26 Die Verwaltung ist weniger und weniger in der Lage, das für die Produktion einer Entscheidung notwendige Wissen in vollem Umfang selbst erwerben zu können. Als „Einbruchstelle für Subjektivität“ ist die Rekonstruktion des Sachverhalts in besonderem Maße auf Kommunikation und Informationsaustausch zwischen den Beteiligten angewiesen. 27 Durch kommunikative Interaktion vermittelte Intersubjektivität ist insoweit der Versuch der Herstellung von Objektivität. Mittlerweile findet sich eine ganze Reihe rechtlich geregelter Instrumente, die auf die erkannten Defizite behördlichen Wissens reagieren 28 . Eines der ältesten ist die Aktivierung von Gruppierungen, die über spezifische Kenntnisse verfügen, insbesondere von NGOs. Bekanntestes Beispiel sind die anerkannten Naturschutzvereine (§§ 58 ff. BNatSchG), die u.a. durch die Einbringung ihres Sachverstands zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage der federführenden Behörde beitragen sollen 29 . Weiter genannt werden kann die sog. kooperative Sachverhaltskonkretisierung, insbesondere in Form der sog. nachvollziehenden Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Hier hat der Vorhabensträger auf der Grundlage eigener Ermittlungen der Behörde zu Verfahrensbeginn die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens vorzulegen (§ 6 UVPG), wobei sich die Behörde bei der Prüfung der Angaben des Antragstellers auf stichprobenartige Kontrollermittlungen beschränken kann. 30 Ein neueres Beispiel ist der wettbewerbliche Dialog im Vergaberecht (vgl. § 101 Abs. 4 GWB), bei dem es um die Situation geht, dass die Verwaltung zwar ein Problem hat, jedoch die Mittel nicht kennt, ___________ 26 Siehe nur Andreas Voßkuhle, Der Wandel von Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozeßrecht in der Informationsgesellschaft, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, 2000, S. 349 (352 ff.). 27 Rainer Pitschas, Allgemeines Verwaltungsrecht als Teil der öffentlichen Informationsordnung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 219 (287). 28 Siehe Jan Ziekow, Inwieweit veranlasst das Neue Steuerungsmodell zu Änderungen des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsverfahrensgesetzes?, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, 2002, S. 349 (379 f.). 29 Vgl. nur Jan Ziekow/Thorsten Siegel, Anerkannte Naturschutzverbände als „Anwälte der Natur“, 2000, S. 35. 30 Jens-Peter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, 1991, S. 126 ff.; ders., Kooperative Verwaltungsverfahren, VerwArch 87 (1996), S. 38 (55 f.).
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um dieses Problem zu lösen, und deshalb keine normale Ausschreibung durchführen kann. Zur Behebung ihres Informationsdefizits führt sie ein mehrstufiges Verfahren durch, in dem sie von den Privaten zunächst einmal Informationen darüber einholt, welche Lösungen auf dem Markt überhaupt zur Verfügung stehen. 31 In den Kontext derartiger Verfahren zur behördlichen Wissensgenerierung lassen sich regelmäßig auch durch die Verwaltung initiierte Mediationen einordnen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Analysen von Mediationsverfahren, die herausgearbeitet haben, dass insbesondere die zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Verfahrens durchgeführten Mediationen zentral auf die Informationsbeschaffung und -verarbeitung und erst in zweiter Linie auf die konkrete Herstellung eines Interessenausgleichs abzielten 32 . Mediationsverfahrens dieses Typs lassen sich also durchaus auch als Reaktion auf Verschiebungen des Wissenszugangs zu Lasten des Staates deuten.
Kommunikation Von der steigenden Angewiesenheit der Verwaltung auf Informationsbeiträge anderer führt ein direkter Weg zu einem geänderten Kommunikationsverhalten. In einem anderen Zusammenhang ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Behörde die Alleinherrschaft über die Bestimmung der Kommunikationspartner und -wege in Verwaltungsverfahren ein gutes Stück weit eingebüsst hat. 33 Darüber hinaus ist ein Staat, der auf externe Informationsbeiträge angewiesen ist und kooperativ agieren will, auf die Organisation von Kommunikation existenziell angewiesen. Insbesondere die zunehmende Schwierigkeit des Staates, komplexe Informations- und Problemkonstellationen vollständig bewältigen zu können, und die Notwendigkeit, für das ausgewählte Entscheidungsszenario, dessen Alleinrichtigkeit nicht mehr abgesichert werden kann, Transparenz und Akzeptanz herzustellen, führen zu einem anwachsenden ___________ 31 Zum wettbewerblichen Dialog Dietrich Drömann, Wettbewerblicher Dialog und ÖPP-Beschaffungen, NZBau 2007, S. 751 ff.; Martin Meißner, Der Wettbewerbliche Dialog, in: Pitschas/Ziekow (Hrsg.), Vergaberecht im Wandel, 2006, S. 83 ff.; Hermann Müller/Winfried Veil, Wettbewerblicher Dialog und Verhandlungsverfahren im Vergleich, VergabeR 2007, S. 298 ff. 32 Vgl. nur Anna Geis, Regieren mit Mediation, 2005, S. 276 ff.; Hans-Joachim Fietkau, Kommunikationsmuster und Kommunikationserwartungen in Mediationsverfahren, in: van den Daele/Neidhardt (Hrsg.), Kommunikation und Entscheidung, 1996, S. 275 (286 f.). 33 Jan Ziekow, Neue Entwicklungstendenzen im Verhältnis zwischen öffentlicher Verwaltung und Privaten bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, in: Seok/Ziekow (Hrsg.), Die Einbeziehung Privater in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 2008, S. 23 ff.
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Kommunikationsbedarf des Staates. Ein verstärkter Einsatz von Kommunikationsarrangements entlastet in diesem Sinne den Staat von der Entwicklung und dem Einsatz anderer, möglicherweise ressourcenintensiverer und gleichzeitig steuerungsdefizitärer Problemlösungsstrategien. 34 Die Bedeutung von Mediation in diesen Zusammenhängen lässt sich besonders deutlich an neueren Mediationsverfahren eines neuen Typs aufzeigen, die wie im Falle des laufenden Ausbaus des Flughafens Frankfurt/Main von vornherein als langfristig angelegte Kommunikationsprozesse konzipiert sind. Hier wurde im Jahre 1998 eine Mediationsgruppe eingerichtet, die aus 20 in Betracht kommenden Varianten für neue Start- und Landebahnen drei Modelle herausarbeitete. Die im Jahr 2000 vorgelegten Empfehlungen enthielten auch die Einrichtung eines „Regionalen Dialogforums“, das den im Mediationsverfahren begonnenen Dialog fortsetzen und die Empfehlungen der Mediationsgruppe vertiefen und ergänzen sollte. 35 Dieses von 2000 bis 2008 arbeitende Dialogforum stellte in der Sache nichts anderes als eine Institutionalisierung und Perpetuierung des mit der Mediation eröffneten Kommunikationszusammenhangs dar.
Kooperation und regulierte Selbstregulierung Ist also Mediation unzweifelhaft auch eine Ausprägung des Kommunikationsarenen organisierenden und moderierenden Staates, so würde es zu kurz greifen und eine etwas überkonstruierte Abgrenzung bedeuten, Mediation exklusiv der Erscheinungsform „des moderierenden Staates“, nicht der des „kooperativen“ Staates zuzuordnen 36 . Es besteht vielmehr eine beträchtliche Einigkeit darin, dass Mediationsverfahren im öffentlichen Sektor dem Typus der regulierten Selbstregulierung im Rahmen einer zunehmenden Kooperation zwischen der Verwaltung und privaten Rechtssubjekten, seien es Bürger, seien es Wirtschaftsunternehmen zuzurechnen sind. 37
___________ 34 Vgl. Wolfgang van den Daele/Friedhelm Neidhardt, Regierung durch Diskussion – Über Versuche, mit Argumenten Politik zu machen, in: van den Daele/Neidhardt (Hrsg.), Kommunikation und Entscheidung, 1996, S. 9 (14 f.). 35 http://www.mediation-flughafen.de/ergebnisse.php3#dialogforum. 36 In diese Richtung aber Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 130 f. 37 Vgl. in diesem Zusammenhang Ivo Appel, Privatverfahren, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2008, § 32 Rdnr. 106; Ines Härtel, Mediation im Verwaltungsrecht, JZ 2005, S. 753 (754); Rainer Pitschas, Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor, NVwZ 2004, S. 396 (398).
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Regulierte Selbstregulierung meint dabei nicht den Steuerungsverzicht, sondern die bewusste Instrumentalisierung gesellschaftlicher Freiwilligkeit zur Erfüllung öffentlicher Zwecke. 38 Insoweit wirken Staat und Private bei der Zielerreichung zusammen, allerdings aus unterschiedlichen Motiven. Der Staat nutzt das Kooperationsverhältnis zur Realisierung öffentlicher Interessen, der Private zur Verfolgung eigennütziger Ziele. 39 Die Zusammenfügung unterschiedlicher Handlungsrationalitäten ermöglicht die Erbringung von Leistungen durch Private in einem staatlicherseits gesetzten Ordnungsrahmen. 40 Die Rollenverteilung differiert je nach der dem Staat verbliebenen Steuerungskapazität. Der Verzicht auf den Rückgriff auf imperative Handlungsoptionen als solcher indiziert keine Steuerungsdefizite. Kooperative Verwirklichungsmodi sind vielmehr Steuerungsstrategien, die aus staatlicher Sicht Ressourcen schonen und Private von staatlichem Regulierungsdruck entlasten. 41 Anders als die unter Privaten vereinbarte Mediation zur Lösung von Konflikten, die zwar ebenfalls zu einer Entlastung staatlicher Problemlösungskapazitäten beiträgt, wenn sie eine gerichtliche Streitentscheidung entbehrlich macht, gleichwohl dem Bereich der gesellschaftlichen Selbstregulierung zuzu-
___________ 38 Udo Di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 235 (238); Matthias Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (165); HansHeinrich Trute, Die Verwaltung und das Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, DVBl. 1996, S. 950 (955). 39 Matthias Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (166). Zur Diskussion um den „kooperativen Staat“ bzw. die „kooperative Verwaltung“ vgl. nur Peter Arnold, Kooperatives Handeln der nichthoheitlichen Verwaltung, in: Dose/Voigt (Hrsg.), Kooperatives Recht, 1995, S. 211 ff.; Arthur Benz, Kooperative Verwaltung, 1994; Otto Depenheuer, Der Gedanke der Kooperation von Staat und Gesellschaft, in: Huber (Hrsg.), Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1999, S. 17 ff.; Nicolai Dose, Die verhandelnde Verwaltung, 1997; Ernst-Hasso Ritter, Der kooperative Staat, AöR 104 (1979), S. 389 ff.; Helge Rossen, Vollzug und Verhandlung, 1999; Rüdiger Voigt, Der kooperative Staat, 1995 . 40 Zum Ganzen Martin Eifert, Regulierungsstrategien, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2006, § 19 Rdnr. 52 ff.; Eberhard Schmidt-Aßmann, Regulierte Selbstregulierung als Element verwaltungsrechtlicher Systembildung, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates, 2001, S. 253 ff.; Gunnar Folke Schuppert, Das Konzept der regulierten Selbstregulierung als Bestandteil einer als Regelungswissenschaft verstandenen Rechtswissenschaft, in: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates, 2001, S. 201 (214 ff.). 41 Matthias Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (170).
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ordnen ist 42 , setzt die Mediation im öffentlichen Sektor eine Vereinbarung mit der Gesetzesbindung unterliegenden, gemeinwohlverpflichteten staatlichen Stellen voraus, die auch in mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnissen, bei denen im Kern der Ausgleich privater Interessen in Rede steht (Bsp.: Erteilung einer Baugenehmigung), Elemente staatlicher Gemeinwohlverpflichtung als Regulierungsrahmen implementieren. 43
Enthierarchisierung, Staatsentlastung Das Konzept der regulierten Selbstregulierung führt unmittelbar zum Gedanken einer Entlastung des Staates unter Aufrechterhaltung einer staatlichen Gewährleistungsverantwortung, einer Verantwortungsteilung zwischen öffentlichen Stellen und Privaten. 44 Der Einsatz von Mediation im öffentlichen Sektor ist des Öfteren mit der Konsequenz einer faktischen Verantwortungsentlastung des Staates verbunden worden. 45 Bürgergesellschaftliche Konzepte, die im politischen Raum in Deutschland von nahezu allen großen Parteien verfolgt werden, führen zu einer aktiv gestaltenden Rolle nichtsstaatlicher Akteure, die in unterschiedlichen Konstellationen agieren und dabei mit hierarchischen Steuerungs- und Entscheidungsmustern nur unzureichend koordiniert werden können. Hält man an einer zentralen Rolle des Staates in einer solchen Governancestruktur fest 46 , so fokussiert sich diese stärker auf die Bereitstellung und Administrierung adäquater Konfliktlösungskonzepte 47 . ___________ 42 Zur gesellschaftlichen Selbstregulierung Martin Eifert, Regulierungsstrategien, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2006, § 19 Rdnr. 144 ff. 43 Vgl. Ivo Appel, Privatverfahren, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2008, § 32 Rdnr. 106. 44 Vgl. nur statt vieler Martin Eifert, Regulierungsstrategien, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2006, § 19 Rdnr. 52 f. 45 Vgl. nur Wolfgang Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. I, 1990, S. 13 (31). 46 Zu Recht Margrit Seckelmann, Keine Alternative zur Staatlichkeit – Zum Konzept der „Global Governance“, VerwArch 98 (2007), S. 30 ff. Vgl. zu den unterschiedlichen Zugängen zum Thema „Governance“ etwa Arthur Benz (Hrsg.), Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen, 2004; Julia von Blumenthal, Governance – eine kritische Zwischenbilanz, ZfP 15 (2005), S. 1149 ff.; Claudio Franzius, Governance und Regelungsstrukturen, VerwArch 97 (2006), S. 186 ff.; Klaus König, Governance im Mehrebenensystem, in: Sommermann (Hrsg.), Aktuelle Fragen zu Verfassung und Verwaltung im europäischen Mehrebenensystem, Speyerer Forschungsberichte Nr. 230, 2003, S. 45 ff.; Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung, 2005; Margrit Seckelmann, Good Governance – Importe und Re-Importe, in: Duss/Linder u. a. (Hrsg.), Rechtstransfer in der Geschichte, 2006, S. 108 ff.; Hans-Heinrich Trute/Wolfgang
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Bleibt der Staat damit auch in Zukunft mehr als ein bloßer „Herrschaftsmanager“ 48 , so bleibt es im Kern bei der Richtigkeit des Konzepts des Gewährleistungsstaats, der die Steuerungs- und Regelungsbeiträge von staatlichen und privaten Akteuren in einer Rollenverteilung zu konkretisieren und dadurch die Governance-Aufgabe zu erfüllen hat 49 . Einzelheiten dieses Konzepts nachzugehen, ist hier nicht der Ort. Für die Zwecke des vorliegenden Beitrags gilt es zu notieren, dass Leitbilder wie die Bürgergesellschaft den Gewährleistungsstaat herausfordern, veränderten Rollenzuschreibungen durch ein Angebot neuer Informations-, Kommunikations- und Konfliktlösungsinstrumente gerecht zu werden. Der Einsatz fakultativer Mediationsverfahren im Verwaltungsbereich entlastet den Staat zwar nicht von seiner Verfahrens- und Entscheidungsverantwortung – insoweit konkretisiert sich die Gewährleistungsverantwortung –, eröffnet ihm aber neue Möglichkeiten der Einbeziehung nichtsstaatlicher Akteure.
Informalisierung Als letztes Stichwort zu nennen ist schließlich der Prozess einer Informalisierung von Staatshandeln, der in seinen Implikationen, Vorzügen und Nachteilen schon häufig beschrieben worden ist 50 . Stellt man für informelle Kooperationsverhältnisse eine Vorteils-/Nachteils-Relation auf, so wird deutlich, dass zentraler, weil nicht mit einer korrespondierenden Gefahr belegter Vorteil der Informalität ihre Flexibilität ist. 51 Am Beispiel der Mediation im öffentlichen
___________ Denkhaus/Doris Kühlers, Governance in der Verwaltungsrechtswissenschaft, Verw. 2004, S. 451 ff. 47 Vgl. Rainer Pitschas, Konflikte innerhalb und mit der öffentlichen Verwaltung, in: ders./Walther (Hrsg.), Mediation im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 2008, S. 163 (167 f.). 48 Anders Philipp Genschel/Bernhard Zangl, Metamorphosen des Staates – vom Herrschaftsmonopolisten zum Herrschaftsmanager, Leviathan 2008, S. 430 ff. 49 Zu den Zusammenhängen Wolfgang Hoffmann-Riem, Governance im Gewährleistungsstaat, in: Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung, 2006, S. 195 ff. 50 Siehe Hartmut Bauer, Informelles Verwaltungshandeln im öffentlichen Wirtschaftsrecht, VerwArch 78 (1987), S. 241 ff.; Eberhard Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981; ders., Informales Verwaltungs- und Regierungshandeln als Instrument des Umweltschutzes, VerwArch 75 (1984), S. 343 ff.; Michael Fehling, Informelles Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2008, § 38; Martin Kellner, Haftungsprobleme bei informellem Verwaltungshandeln, 2004. 51 Jan Ziekow, Verankerung verwaltungsrechtlicher Kooperationsverhältnisse (Public Private Partnership) im Verwaltungsverfahrensgesetz, 2001, S. 171 ff.
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Sektor 52 lässt sich dieser Befund durchaus verifizieren. Zwar bedarf es vor jedem Mediationsverfahren einer Einigung der Mediationsbeteiligten auf die Person des Mediators und die zentralen Eckpunkte des Verfahrens 53 , doch handelt es sich dabei um situationsbezogene Verfahrenseinhegungen. Das Mediationsverfahren soll gerade Flexibilitätsspielräume eröffnen, die das rechtlich geordnete Verwaltungsverfahren und der Verwaltungsprozess jedenfalls nicht ohne weiteres bieten. Ein routinisierter Einsatz von Mediation vor Beginn von Großverfahren führt hingegen zu Standardisierungen und erfolgshemmenden Inflexibilitäten. Was lässt sich nun als Ergebnis aus diesen Schlaglichtern mit Blick auf die eingangs dieses Abschnitts gestellte Frage, ob die staatlicherseits initiierte oder bereitgestellte Mediation Ausdruck einer Krise des Staates zu deuten ist, formulieren? Sicherlich wäre es eindeutig überzeichnet, diese Frage zu bejahen. Dass Mediation im Begriff ist, die rechtlich geordneten Verfahren staatlichen Handelns zu verdrängen, wird sich kaum behaupten lassen. Vielmehr lässt sich die verstärkte Hinwendung zu Mediationsverfahren im öffentlichen Sektor als Ansatz verstehen, erkannten Defiziten sowie Wandlungen im Verhältnis Staat/ Bürger instrumentell Rechnung zu tragen. Sie steht im Kontext verschiedener Trends, in die sie sich einordnet, die sie jedoch nicht dominiert. Ihre Bedeutung zu Wandlungsphänomenen ist daher ein instrumentelles: Mediation wird als zusätzliches Mittel eingesetzt, um veränderten Anforderungen an staatliches Handeln gerecht werden zu können. Von einem dem Verfall entgegen taumelnden „Mediationsstaat“ zu sprechen, ist deshalb verfehlt. Der Einsatz mediativer Elemente nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Stabilisierung von Primärinstitutionen ist ein Ausdruck eines intelligenten Instrumentenmixes im Gewährleistungsstaat.
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Zur Einordnung der Mediation als Form informellen Verwaltungshandelns Michael Fehling, Informelles Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2008, § 38 Rdnr. 30 ff. 53 Stefan Kessen, Phasen der Mediation – Interessen und Bedürfnisse als Kernelemente, in: Henssler/Koch (Hrsg.), Mediation in der Anwaltspraxis, 2. Aufl. 2004, § 9 Rdnrn. 3 ff.; Cristina Lenz, Mediation und ihre gesetzliche Verankerung in Deutschland, 2008, S. 13 ff.
Mediation im Kontext des Rechtsstaatsgebots der koreanischen Verfassung Von Sang-Kyum Kim
I. Problemstellung Die moderne Gesellschaft vollzieht einen andauernden Wandel zur Globalisierung und Informationsgesellschaft. Unsere Gesellschaft ist keine Ausnahme. Der Staat generiert ständig neue Rechtsnormen, um die schnell wechselnden Forderungen der Gesellschaft zu erfüllen. Der Erlass der zahlreichen Gesetze hat zum Rechtsschutz und zur rationellen Lösung der Rechtsstreitigkeiten beigetragen, gleichzeitig aber auch die zunehmende Zahl der Dispute verursacht, welche zu einer Last für die Rechtsprechung wurden. Deshalb ist es schwieriger geworden, einen zweckmäßigen Rechtschutz oder eine effektive Lösung zu ermöglichen. Seit 1948, wo die moderne, koreanische Verfassung erlassen wurde, haben wir eine verfassungsmäßige Ordnung, welche auf der Demokratie mit der Volkssouveränität und dem Rechtsstaatprinzip beruht. Das Rechtsstaatsprinzip bildet einen Schwerpunkt und bezweckt den Grundrechtsschutz und Rechtsschutz der Bürger, gegründet auf Gerechtigkeit und Legitimität. Der Rechtsstaat hat die Pflicht, ständig erforderliche Gesetze zu erlassen, um die große Auswahl von Forderungen zu erfüllen. Ein fehlerfreier Rechtsschutz, worauf das Rechtsstaatsprinzip abzielt, kann durch das positive Recht verwirklicht werden. Die gegenwärtige Verfassung gewährt einen Anspruch auf Rechtschutz, worin eine konkrete Basis für die Verwirklichung des Rechtsstaates liegt. Vor allem ist der Anspruch auf das gerichtliche Verfahren aus Art. 27 Abs. 1 Koreanischer Verfassung (KV) von großer Bedeutung. Dieser Artikel sichert allen Staatsbürgern das Recht auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren durch Richter, die durch die Verfassung und Gesetze bestimmt sind. Der Anspruch auf das gerichtliche Verfahren ist von wesentlicher Bedeutung, weil das Recht des Einzelnen nur durch das juristische Verfahren gesichert werden kann. Deshalb ist der Anspruch auf das gerichtliche Verfahren ein verfahrensrechtliches
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Grundrecht, welches für die konkrete Verwirklichung eines Rechtsstaates wichtig ist. Jedoch realisiert sich ein fehlerfreier Rechtschutz nicht nur durch die Festlegung des Verfahrensrechts. Eine Beilegung eines Streits durch die Rechtsprechung stellt kaum einen zeitlich passenden Schutz dar: Weil Zeit erforderlich ist für eine gesetzliche Interpretation, gibt es kaum eine schnelle Lösung. Die Entscheidung durch die Rechtsprechung schafft ein rationales Resultat, aber sie kann wegen der Zeitdauer der Lösung vergeblich sein. Wenn Rechtsstreitigkeiten nur von gerichtlichen Entscheidungen abhingen, würden sie wegen der Zeitdauer und der wirtschaftlichen Kosten den Bürgern keinen effektiven Rechtschutz bieten. Das würde kaum zum Frieden der Gesellschaft beitragen. Deshalb kamen Methoden für die Streitlösung wie ADR (Alternative Dispute Resolution) in 1960ern auf, die keine gerichtlichen Entscheidungen brauchen. Der moderne Rechtsstaat zielt auf einen fehlerfreien Rechtsschutz ab. Die Arbeit betrachtet in dieser Hinsicht zuerst den Rechtsschutz in den Rahmen des Anspruchs auf Rechtsschutz. Dann wird der Justizgewährungsanspruch als das Verfahrensrecht für den Rechtsschutz durch das Justizverfahren erklärt. Ein Nachdenken über den Rechtsschutzanspruch wird auch dazu präsentiert. Im Fazit betrachtet die Arbeit den Inhalt, die Arten und die verfassungsmäßigen Gründe für die ADR.
II. Rechtsschutz und Methoden der Streitlösung 1. Rechtsschutz als ein Ziel des Rechtsstaates a) Die Bedeutung und der Inhalt des Rechtsstaates in der modernen Verfassung Der Verfassungsstaat ist immer die Bedingung eines Rechtsstaates. Die Verfassung ist eine grundlegende gesetzliche Ordnung eines Staates, und der Staat ist eine Gemeinschaft aus einem politisch vereinbarten Volk. Der Rechtsstaat entstand im Prozess der Entwicklung der Verfassung. Der Begriff des Rechtsstaates ist eher dynamisch als statisch und in unterschiedlichen Verfassungsrealitäten entstanden. Im Rahmen des Zeitgeistes und der Verfassungsrealitäten werden bestehende Faktoren dazugetan und verwirklicht. Deshalb ist der Rechtsstaat als der nicht unter der Herrschaft des Menschen und der Gewalt, sondern unter der Herrschaft des Rechts stehende Staat, der auf Grund des Gesetzes, das die Legislative erlassen hat, tätig sein muss, definiert. Ausgangspunkt sind dabei die positiven Gesetze. Es ist ein Staat, der das Ziel hat, die
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Verwirklichung des gesetzlichen Friedens, der Einheit und der Justiz für die Gesellschaft zu ermöglichen. Die Verfassung verwendet den Begriff Rechtsstaat nicht in ihrem Text, aber die gesamte Gestalt des Rechtsstaates ergibt sich aus einer Kombination verschiedener Einzelregelungen der Verfassung. Weil das Recht im Rechtsstaat den Inhalt von Ideen wie Vernunft, Legitimität und Justiz als Kernpunkte hat, beherrscht das Primat des Rechts das gesamte Staatsleben. Der Rechtsstaat schützt Freiheit und Gleichheit sowie Gerechtigkeit durch zwei Säulen: Grundrechtschutz und Gewaltenteilung. b) Der Begriff und der rechtliche Grund des Rechtsschutzes Der Rechtsstaat hat die Pflicht, eine auf Gesetzen beruhende Justiz und passende Verfahrensrechte zu gestalten. Das Recht schließt Vorschriften als objektives Recht ein, das das gesellschaftliche Leben der Menschen regelt und den Einzelnen das subjektive Recht gewährt. Das Recht erlaubt den Menschen durch das Gesetz, dass man sich in bestimmter Weise verhalten darf. Dem Einzelnen können durch Gesetz Rechte gegenüber der Gesellschaft eingeräumt werden. Man kann Rechtsschutz als den Schutz der Rechtsgüter definieren, die durch Gesetze gesichert sind. Aber Rechtsschutz kann man auch von einer anderen Perspektive als einen gesetzlichen Schutz gegen die Verletzung des Rechts verstehen. Er bedeutet, dass das Recht vom Gericht als dem Staatsorgan für die Verwirklichung des Anspruchsrechts geschützt wird. Deshalb ist der gesetzliche Rechtsschutz Schutz durch Gerichte und Gesetze, die vom Staat gestaltet wurden. Vor allem ist die Wirkung des positiven Rechts von grundlegender Bedeutung für den vom Staat garantierten Rechtsschutz. Der gesetzliche Rechtsschutz ist nämlich erforderlich, um die Wirkung des positiven Rechts zu verwirklichen. Den oben beschriebenen Rechtsschutz kann man als verfahrensrechtlichen Schutz betrachten. Der Grund des verfahrensrechtlichen Schutzes liegt zuerst in dem Rechtssystem der Verfassung. Die Verfassung trägt mit Art. 27 Abs. 1 KV dazu bei, das rechtsstaatliche Justizverfahren zu sichern. Basierend auf der Verfassung funktionieren die Prozessrechte auch als wichtige gesetzliche Gründe. Die Unabhängigkeit der Richter, die Verbindlichkeit des Verfassungsrechts und der Gesetze, das Verbot der speziellen Gerichte, der Anspruch auf gerichtliches Gehör im Prozessverfahren, der Grundsatz der Waffengleichheit auf Grund des Grundrechts auf Gleichheit sind auch gefordert.
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2. Methode der Streitlösung für den Rechtsschutz Die vernünftige und friedliche Lösung eines Rechtsstreits ist eine Aufgabe und Pflicht des Rechtsstaates. Wenn eine Zustimmung zwischen den betroffenen Menschen erreicht werden kann, ist der Streit friedlich gelöst. Dieses Verfahren ist in der Streitschlichtung grundlegend und effizient, aber es erfordert einen neuen gerichtlichen Prozess, wenn die Verhandlungen scheitern. In diesem Fall hätte der Staat ein Justizverfahren infolge des positiven Rechts. Der Anspruch auf ein gerichtliches Verfahren oder jeweilige Anspruchsrechte gegen den Staat ist grundlegend für den auf der Verfassung basierenden Rechtsschutz. Aber diese Methode hat in der Praxis vielfältige Probleme, die den effektiven Rechtsschutz verhindern. Das gerichtliche Verfahren, der Kern des Justizverfahrens, hat an sich Grenzen, weil es dem Prozessrecht folgen muss. Bis die Entscheidung nach einem bestimmten Prozess und Verfahren erreicht ist, dauert es ziemlich viel Zeit. Außerdem gibt es auch wirtschaftliche Probleme, weil die Prozesskosten zu hoch sind, obwohl der Anspruch auf ein gerichtliches Verfahren ein Grundrecht der Bürger ist. Deshalb braucht man einen anderen Weg als eine Entscheidung durch ein Gericht. ADR ist in diesem Kontext eine Lösung unabhängig von Gerichtsentscheidungen. Mediation, Schiedsverfahren (Arbitration) und Verhandlung (Negotiation) sind die Varianten der ADR, und sie reflektieren den Willen der betroffenen Menschen anders als eine Gerichtsentscheidung.
III. Rechtsschutz und Anspruch auf Justizgewährleistung 1. Das Prozessgrundrecht in der Verfassung Das Prozessrecht basiert auf dem staatlichen Justizmonopol, dem Übereinkommen zwischen Bürgern und Staatsgewalt. Unsere gegenwärtige Verfassung sichert die wesentlichen Grundrechte ab, und definiert das Prozessgrundrecht, um die Wirksamkeit der Verfassung zu schützen. Verfahrensrechtliche Grundrechte auf Rechthilfe gegen Rechtsverletzungen von amtlicher Autorität sind das Petitionsrecht, das Ersatzanspruchsrecht in Strafsachen, das Entschädigungsanspruchsrecht gegen den Staat, das Anspruchsrecht auf Hilfe für Opfer von Straftaten. Dieses Grundrecht umfasst vor allem auch den Anspruch auf ein gerichtliches Verfahren. Das Prozessgrundrecht ermöglicht die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen des materiellen Rechts. Das Prozessgrundrecht ist ein formelles subjektives Recht, weil es an sich kein substantielles Recht gewährt. Man kann na-
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türlich nicht in Abrede stellen, dass der Inhalt des Justizgewährleistungsanspruchs als Prozessgrundrecht einen substantiellen Faktor im Verfahren des Gerichts darstellt. Der Umfang des Prozessgrundrechts ist nicht nur begrenzt durch die Gewährleistung für das Gerichtsverfahren und durch das Wesen des Gerichts. Die Gewährleistung des Prozessgrundrechts beeinflusst die Gestalt des Inhalts des Prozessrechts und sogar die Anwendung der prozessualen Regelungen durch die Justiz. Deshalb betrifft das Prozessgrundrecht nicht nur den effektiven und passenden Schutz durch das Gericht, sondern auch das rechtliche Gehör und das Prinzip der Waffengleichheit. Außerdem hat die Garantie des Prozessgrundrechts auch die Bedeutung, dass dadurch die Art der gerichtlichen Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht festgelegt wird. 2. Der Anspruch auf ein gerichtliches Verfahren als prozessuales Grundrecht Die gegenwärtige Verfassung schreibt einige Anforderungen für den umfassenden Rechtsschutz fest. Der Kern der verfahrensrechtlichen Gewährleistung ist der Anspruch auf ein gerichtliches Verfahren gemäß Art. 27 Abs. 1 KV. Basierend auf dem Schutzbereich, besteht der Anspruch auf gerichtliche Verfahren aus dem Recht, ein Gericht zu fordern, und aus dem Verfahrensgrundrecht. Unerheblich ist, ob um ein öffentliches Recht oder privates Recht gestritten wird. In diesem Artikel sind das Anspruchsrecht und das Recht auf ein gerichtliches Verfahren geregelt. Das Erstere ist das Recht zu fordern, dass das substantielle Recht ausgeübt werden kann. Es geht um die Einrichtung des Gerichts, das Sichern der Zugangsmöglichkeit. Das Letztere ist das Recht, ein gerechtes Gerichtsverfahren zu bekommen. Es geht um das Anspruchsrecht auf ein gerichtliches Verfahren, das Recht auf rechtliches Gehör, das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren. Die Garantie der Zugangsmöglichkeit wird auch als Justizhandlungsanspruchsrecht bezeichnet. Und der Anspruch auf ein gerichtliches Verfahren enthält das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren. Der Anspruch auf gerichtliche Verfahren als prozessuales Grundrecht bedeutet nicht nur das Recht, von dem Richter beurteilt zu werden, sondern auch das Recht auf einen gesetzlich bestimmten Richter. Das gesetzliche Verfahren bedeutet weiter, dass das Gericht an Gesetze gebunden ist. Das ist eine natürliche Forderung des Rechtsstaates. Ein Gericht auf der Grundlage von Gesetzen ist ein Gericht mit Verfahrensrecht. Deshalb übt der Gesetzgeber sein Gesetzgebungsrecht für gerichtliche Verfahren aus, und dadurch wird der Anspruch auf ein gerichtliches Verfahren konkretisiert. Weil nämlich der Anspruch auf gerichtliche Verfahren durch Gerichtsorganisationsgesetz und Prozessrecht realisiert wird, muss man die Bedingungen von Beteiligtenfähigkeiten, Prozessfähigkeiten etc. erfüllen.
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Jedoch bedeutet die Sicherstellung des Gerichts durch Verfahrensrecht nicht das ganze Anvertrauen des Verfahrens. Das hat eine bestimmte Grenze. Wenn das Rechtsschutzverfahren nur einfach ein formelles Recht wäre, würde der Anspruch auf gerichtliche Verfahren den Sinn als Grundrecht verlieren. Das staatliche Prozessrecht muss keine Vorschriften haben, die die Sicherheit des Anspruchs auf gerichtliche Verfahren ohne einen gerechten Grund verhindern. Im Sinne der Sicherstellung des Anspruchs auf gerichtliche Verfahren ist nicht nur die Sicherheit des Prozesses durch das Prozessrecht, sondern auch ein effizientes Verfahren und ein effektiver Rechtsschutz zu fördern. 3. Justizgewährleistungs- und Rechtsschutzanspruch Zur Gewährung eines effizienten Verfahrens und eines wirksamen Rechtsschutzes hat der Rechtsstaat die Pflicht zur Justizgewährung. Dies ergibt sich aus der Bestimmung der Verbindlichkeit der Staatsgewalt gegenüber dem Volk nach Art. 1 Abs. 2 VG (alles Recht geht vom Volk aus) sowie aus der Bestimmung der staatlichen Pflicht zum Grundrechtsschutz gemäß Art. 10 VG. Die staatliche Pflicht zum richterlichen Schutz der Grundrechte ist das verfassungsrechtliche Strukturprinzip des Staates und die von der Verfassung ausgehende oberste Grundbestimmung, und dies wird durch den wirksamen Verfahrensschutz durch die Gerichte konkretisiert. Als Justizstaat oder Rechtswegestaat, der das Prozesssystem als Lösungsmittel der Rechtsstreitigkeiten sowie die Struktur und Befugnis der für dessen Prozesse zuständigen Staatsorgane sicherstellt, muss der Rechtsstaat durch die Prozessordnung, die das Verfahren zur Lösung rechtlicher Streitigkeiten regelt, eine Entscheidung finden, die den Grundsätzen der formellen Gerechtigkeit treu ist und eine richtige Vereinbarung ermöglicht. Die staatliche Pflicht zur Justizgewährung und die Grundsätze der Prozessordnung dienen der Erreichung formeller Gerechtigkeit. Die verfassungsrechtliche Garantie der richterlichen Verfahren ist notwendiges Element zur Wahrung der Einheitlichkeit und Sicherheit der staatlichen Rechtsordnung und zum Schutz der Rechte des Volks. Als das subjektive öffentliche Recht der Individuen gegenüber dem Staat enthält der Justizgewährungsanspruch zwei Funktionen: Zum einen bedeutet sie, dass Individuen den Anspruch gewährleistet bekommen, von den schon bestehenden richterlichen Stellen die Erfüllung des gerichtlichen Aktes zu fordern, zum anderen ist sie die Verpflichtung des Staates, in dem gesamten Rechtsgebiet die verbindlichen Rechtsverfahren zur Entscheidung über die Streitigkeiten vorzubereiten. Diese zwei Funktionen verdeutlichen die Bedeutung des Justizgewährungsanspruchs. Denn die bloße Ausübung des Gerichtsanspruchs gegenüber den Gerichten als den schon eingerichteten richterlichen Stellen kann an ihrem Wert verlieren, wenn im Hinblick der rechtlichen Funk-
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tion wirksame Rechtsprechung nicht vorausgesetzt ist. Zwar gewährleistet dieser Anspruch die Möglichkeit der richterlichen Durchsetzung gegenüber dem materiellen Anspruch, deshalb wird aber von dem formellen, subjektiven öffentlichen Recht gesprochen, weil es innerhalb seines Bereichs keine Selbständigkeit gibt. Allerdings behält der Justizgewährleistungsanspruch im Zusammenhang mit den gerichtlichen Verfahren eine materielle Dimension. Also beschränkt sich diese Garantie nicht auf die bloße Gewährung der Anwesenheit der allgemeinen Gerichte oder des Zugangs zu den Gerichten, sondern sie beeinflusst auch die inhaltliche Entwicklung des formellen Rechts und die Anwendung der Verfahrensordnung durch die Richter. Der Justizgewährungsanspruch beinhaltet das Recht auf den richterlichen, wirksamen und rechtzeitigen Schutz und die rechtmäßigen Verfahren einschließlich des Waffengleichheitsprinzips zwischen den Betroffenen. In dem Fall der Bundesrepublik Deutschland entwickelt sich im richterlichen Bereich die Diskussion über den Rechtsschutzanspruch, der dem Justizgewährungsanspruch ähnlich ist. Als der vor dem Prozess schon bestehende Anspruch des Klägers gegenüber dem Staat und dem Beklagten umfasst der Rechtsschutzanspruch, der auf Wach, einen deutschen Zivilprozessrechtler, zurückgeht, das Recht auf die Entscheidung zugunsten des von dem materiellen und formellen Recht gerechtfertigten Interesses des Klägers. Nach Wach wird der Rechtsschutzanspruch als der ausschließliche Anspruch gegenüber dem Staat oder dessen Inhalt nicht mehr als das Recht auf die Entscheidung zugunsten des Klägers angesehen, vielmehr als das Recht, die nach dem rechtmäßigen Verfahren gerechte Entscheidung zwischen den Betroffenen zu fordern. Die Anerkennung des Rechtsschutzanspruchs war von vornherein umstritten, bis heute bleibt dessen rechtliche Grundlage unklar. Die rechtwissenschaftliche Welt hat sie in der Verfassung oder in den Gesetzen gesucht und ist im Allgemeinen der Meinung, dass er von den Grundrechten und dem Prinzip des Rechtsstaats ausgeht. Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen sind der Rechtsschutzanspruch und der Justizgewährungsanspruch gleichberechtigt. Wenn im Zusammenhang mit dem Rechtsstaatprinzip die Grundrechte nicht nur den Gerichten den Anspruch auf den richterlichen Akt sicherstellen, sondern sie ihnen auch den wirksamen Rechtsschutz geben, so kann die Gewährung des Anspruchs auf die richtige Entscheidung der Gerichte als in der logischen Entwicklung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs umfasst gesehen werden. Wenn die Gerichte keine Pflicht besitzen, richtige Entscheidungen gegenüber den Betroffenen zu treffen, wäre dies, von dem Standpunkt des Rechtsstaates aus betrachtet, nur schwer verständlich. Nur bedeutet das von dem Gesichtspunkt der objektiven Wertnormativität der Verfassung aus, in dem materiellen und formellen Recht des richterlichen Bereichs den Anspruch des Individuums, der von den Grundrechten gewährleistet wird, zu garantieren. Der Rechtsschutzanspruch ist, um ihn
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im Einzelnen von dem Justizgewährungsanspruch zu unterscheiden, eine ergänzende Garantie als dessen materielle Entwicklungsform. Deshalb ist das Bundesverfassungsgericht der Ausfassung, dass der Rechtsschutzanspruch auch von der Bundesverfassung gewährleistet wird und sich nicht von dem Justizgewährungsanspruch zu unterscheiden braucht.
IV. Mediation als eine Methode für den Rechtsschutz 1. Begriff und Grundlage der ADR Wenn Konflikte ausgelöst werden, steht es nicht nur im Interesse der Betroffenen, die effektivste Lösungsmethode zu wählen, sondern auch gesellschaftlich dient die schnelle und gerechte Konfliktlösung dem sozialen Frieden und ist auch von wirtschaftlichem Interesse. Außer den Konflikten bei Grundrechtsgarantien, die durch die gerichtliche Rechtsprechung gelöst werden müssen, muss das allerdings angenommen werden, wenn es im gesamten System des Rechtsschutzes effektiver ist, im Rahmen des Rechtsstaates eine selektive Methode der Konfliktlösung zu akzeptieren. Unter der ADR sind die Methoden der Konfliktlösung zu verstehen, die nicht durch eine gerichtliche Entscheidung erfolgen. Darunter fallen die gesamten Methoden, die Konflikte nicht nach dem Verfahren einer gerichtlichen Entscheidung lösen, sondern vielmehr die Konflikte durch Mediation, Vermittlung sowie Versöhnung durch eine Vereinbarung zwischen den Betroffenen oder durch die Vermittlung der Dritten lösen. Der Zweck der ADR besteht darin, die Verzögerung der Konfliktlösung wegen der steigenden Zahl der Prozesse zu verhindern, einen leicht zugänglichen Rechtsbehelf zu geben und eine effektivere Methode der Konfliktlösung bereitzustellen. In dem Punkt, dass es eine rationale und wirksame Methode sein soll, ohne zur gerichtlichen Entscheidung zu führen, wird das ADR-System dadurch gekennzeichnet, dass die Willensentscheidungen der Betroffenen schnell und mit wenigen Kosten beachtet werden und dass durch die nicht öffentlichen, persönlichen und nicht förmlichen Verfahren die Eingriffe der Gerichte möglichst ausgeschlossen werden. Die ADR beruht auf dem Prinzip der privaten Selbstverwaltung, in dem Sinne, dass sie nach ihrem Hauptzweck die freiwillige Mitwirkung der Betroffenen voraussetzt. Die Verfassung sieht zwar zum Rechtsschutz den Anspruch auf die Rechtsprechung vor, sie besitzt aber keine ausdrückliche Regelung über das Prinzip der privaten Selbstverwaltung. Anders als früher hat das Prinzip der privaten Selbstverwaltung heute unter dem Prinzip des Rechtsstaats nur eine relative Bedeutung. Daher wird die verfassungsrechtliche Grundlage der ADR als Methode des Rechtsschutzes aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet.
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Wenn das ADR-System im Rechtsstaatsprinzip seine verfassungsrechtliche Grundlage hat, lässt sich das ADR-System, das von diesem Prinzip abweicht, nach der Verfassung nicht akzeptieren. In dem Sinne muss es eine positivrechtliche Grundlage geben, obwohl das ADR-System die Methode der Konfliktlösung außerhalb der richterlichen Rechtsprechung ist. Daher haben die jeweiligen ADR-Systeme ihre positivrechtlichen Grundlagen. Zu den heute verrechtlichten ADR-Systemen gehören etwa die 1966 aufgestellte, vermittlungsrechtliche Vermittlung und die zivilmediationrechtliche Mediation, zu der 1990 die in bestehenden Gesetzen verstreuten Regelungen hinzugefügt wurden. 2. Arten und Inhalte der ADR (1) Die Arten der ADR als die Methode der Konfliktlösung außerhalb der richterlichen Rechtsprechung sind Verhandlung, Mediation und Vermittlung. Zunächst ist die Verhandlung als Gespräch mit dem Zweck der Überzeugung eine grundlegende und effiziente Methode, die aus den vergangen Sachverhältnissen entstandenen Konflikte zu lösen. Diese Art ist den USA am meisten verbreitet. In den USA ist die Verhandlung als die Methode der Konfliktlösung eine der wichtigen Aufgaben der Anwälte, und die meisten der Konflikte, die ihnen anvertraut werden, werden am Ende durch die Verhandlung gelöst, obwohl sie beim Gericht anhängig waren. (2) Die Mediation ist eine wirksame Methode der Konfliktlösung, in welcher der Mediator, ein neutraler Dritter, mit der Zustimmung der Betroffenen die Mediation leitet und den Betroffenen bei der Konfliktlösung hilft. Anders als Vermittler und Richter hilft der Mediator nur bei der Verhandlung, und er hat kein Recht, die Konflikte zu entscheiden. Die Mediation sucht nach einer Methode, bei der im Handel, in den Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnissen und den Familienbeziehungen rasch und mit geringen Kosten Konflikte gelöst und die Bedürfnisse der Betroffenen erfüllt werden können. Es sind ihre Vorteile, dass die Interessen der Betroffenen dadurch befriedigt werden, dass sie durch die Mediation selber die Konflikte lösen und den Folgen unterliegen. Außerdem können sie, ohne Eingriffe von Dritten, die Konflikte lösen, wenn in der Zukunft neue Konflikte entstehen werden. Aber die Mediation ist meines Erachtens dann nicht geeignet, wenn große Unterschiede in der wirtschaftlichen Kraft der Betroffenen bestehen, weil sie dann zum formellen Mittel verfallen kann, falls die sozial und wirtschaftlich Starken den Schwachen im Mediationsverfahren zurückdrängen. Als Mediation gibt es bei uns, außer der privaten durch die Betroffenen der Konflikte, die Regelungen in einigen Gesetzen über sie als Verfahren der ADR. Die meisten der Mediationen sind von den öffentlichen Stellen einschließlich
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der Gerichte nach den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt worden. Die einzelnen Gesetze über die Mediationsverfahren zur Aktualisierung der Zivilmediation wurden bis zur Aufstellung des Zivilmediationsgesetzes im Jahr 1990 praktisch fast nicht angewandt. Außerdem waren im Verbraucherschutzrecht, Medizinrecht, Urheberrecht und Umweltkonfliktmediationsrecht die Mediationsverfahren zur Lösung der in jeweiligen Bereichen passierenden Konflikte geregelt. Daneben fanden sich weitere gesetzliche Regelungen im Hinblick auf die Mediation im Haushaltsprozessrecht und im Recht über die Gewerkschaft und das Arbeitsverhältnis usw. Das 1990 erlassene Zivilmediationsrecht hat, so kann man sagen, in allen Zivilkonflikten außer den Konflikten betreffend Haushalt und Arbeit ein einheitliches Zivilmediationsverfahren begründet. Dieses Recht erweitert dadurch den Gegenstand der Zivilmediation auf die Zivilfälle insgesamt, einschließlich Unternehmenskonflikte, aber schließt Straf- oder Verwaltungsfälle aus. Das Recht prägt außerdem die Mediationüberweisung von Gerichts wegen, die Veröffentlichung der Mediationsverfahren und die Erteilung der Geltung der Versöhnung zur der Mediation entsprechenden Entscheidung des Schiedsrichters. Aber wenn es eine Entscheidung ohne Mediation gibt, wenn die Sache wegen des Nichtzustandekommens beendet wird, und wenn Einwand gegen die der Mediation entsprechenden Entscheidung von den Betroffenen vor der Übersendung der Ausfertigung der Klageschrift oder innerhalb von zwei Wochen nach dem Übersendungstag erhoben wird, gilt die Klage als zur Zeit des Mediationsan-trags vorgebracht (Art. 36). (3) Unter der Vermittlung ist die Methode der Konfliktlösung zu verstehen, die Konflikte nicht durch das staatliche Prozessverfahren zu lösen, sondern unter der Vereinbarung zwischen den Betroffenen den Schiedsrichter darüber entscheiden zu lassen, wenn Konflikte zwischen den Betroffenen geschehen. Der Schiedsrichter wird durch die Vereinbarung der Betroffenen beauftragt und erhält bestimmte Gebühren, und ihm können die Betroffenen beider Seiten in der Mediationsfrist die Begründung ihrer Behauptung vorlegen. Der Schiedsrichter darf daher gegen die Mediationsentscheidung keinen Einwand erheben, auf die anerkannten Sachverhältnisse die von den Betroffenen bereits vereinbarten Inhalte anzuwenden. Bei uns wurde das Vermittlungssystem 1912 zuerst eingeführt, als das japanische Zivilprozessrecht nach der Chosun-Zivilverordnung angewandt wurde. Als das geltende Zivilprozessrecht 1960 geändert wurde, wurden die Regelungen über die Vermittlung abgeschafft. Danach wurden 1966 das Vermittlungsrecht und die Unternehmensvermittlungsregelung erlassen, und das Unternehmensvermittlungssystem hat sich entwickelt. Bei uns erfolgen die meisten Vermittlungen bei Unternehmenskonflikten. Diese werden von dem koreanischen kommerziellen Vermittlungsausschuss, der nach dem Vermittlungsrecht einge-
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richteten privaten Körperschaft, geführt. Dieser behandelt Fälle mit inländischen und ausländischen Parteien. Anders als Mediation und Versöhnung ist die Vermittlung ein Verfahren, bei dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betroffenen bleiben. Besonders wichtig sind deshalb die Gerechtigkeit der Vermittlungsverfahren sowie die Fähigkeit des Schiedsrichters (Art. 12). Die Vermittlung ist ein Verfahren, das wegen ihrer Vertraulichkeit für die Bewahrung der Unternehmensgeheimnisse geeignet ist, und dabei muss die Vereinbarung schriftlich erfolgen (Art. 8 Abs. 2). Wenn trotz der Vermittlungsvereinbarung eine Klage eingereicht wird und wenn ein Betroffener mit Hinweis auf das Vorliegen der Vermittlungsvereinbarung widerspricht, müssen die Gerichte die Klage zurückweisen (Art. 9 Abs. 1).
V. Schlussbemerkung Wonach der Rechtsstaat strebt, kann der mangelfreie Rechtsschutz sein. Zum wirksamen Rechtsschutz ist der Rechtsstaat zur Justizgewährung verpflichtet. Die richterliche Schutzpflicht zur Grundrechtsgewährung und zum Rechtsschutz ist das verfassungsrechtliche Strukturprinzip des Staates und die von der Verfassung ausgehende oberste Grundbestimmung. Vorausgesetzt dafür werden das Prozesssystem und die Sicherstellung der Befugnis und Organisation der Staatsorgane, die allein für die Prozesse zuständig sein werden. Für den wirksamen Rechtsschutz sind deshalb, wie oben beschrieben, die institutionelle Verankerung des Bestehens und der Rechtsprechung durch die Gerichte auf Grund der Verfassung notwendig. Da der effektive Rechtsschutz von der Pflicht zur Justizgewährung und auf Grund der formellen Grundrechte für Rechtsbehelfe gegen die Eingriffe der öffentlichen Gewalt konkretisiert wird, spielt hier die Rechtsprechung eine große Rolle. Der wirksame Schutz des Rechts durch die Gerichte endet nicht mit dem Vorbringung der Klage vor die Gerichte, sondern er umfasst auch, dass er durch die schnellen und gerechten Verfahren innerhalb des zeitlich geeigneten Rahmens, wo der Wert des Rechtsschutzes nicht wertlos wird, geführt werden muss. Als das außergerichtliche Konfliktlösungsverfahren, das von der Verzögerung der Rechtsprechung, den hohen Kosten und den unwirksamen Verfahren ausgeht, wird daneben das ADR-System nun als das die bestehenden Rechte ergänzende Mittel aktualisiert. Besonders bei uns ist es, wie oben betrachtet, seit dem Jahr 1990 verrechtlicht und auf Grund des positiven Rechts danach aktiv angewendet worden. Aber wenn das verrechtlichte ADR-System, anders als die ursprüngliche Absicht, durch die Eingriffe der Gerichte betrieben wird, strebt es nicht nach dem effektiven Rechtsschutz durch die Betroffenen, sondern wie in dem Verfahren der Rechtsprechung werden die Gerichte eine große
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Rolle spielen. Im Jahr 2002 trat in Korea das Mediationsgesetz in Kraft. Trotz des Inkrafttretens des Gesetzes wird die Mediation im öffentlichen Bereich nicht aktiviert. Daher muss meines Erachtens ein Plan für den reibungslosen Betrieb der Mediation als Konfliktlösungsmethode zum Rechtsschutz in Korea berücksichtigt werden.
Mediation im Kontext von Demokratieund Rechtsstaatsgebot Von Franz-Joseph Peine Mediation bedeutet das Mitwirken des von einer zukünftigen behördlichen Entscheidung Betroffenen an der Entscheidungsfindung der Behörde in der Weise, dass ein privater Dritter – der Mediator – zwischen dem Betroffenen und der Behörde mit dem Ziel vermittelt, eine einvernehmliche Entscheidung zu erreichen. Öffentlicher Sektor bedeutet als Gegensatz zu „Privater Sektor“ der Bereich staatlichen Handelns, der vom Öffentlichen Recht formell und materiell geleitet wird. Das sind im Wesentlichen zwei Bereiche: die Relation Staat ./. Staat, die Relation Bürger ./. Staat. Die Relation Staat ./. Staat, soweit sie vom Verfassungsrecht rechtlich inhaltlich ausgestaltet wird, beispielsweise die Beziehung zwischen dem Bund und den Ländern, bleibe im Folgenden unberücksichtigt. Dieses Vorgehen legitimiert ein Blick auf die konkreten Bereiche, die im weiteren Verlauf des Symposions angesprochen werden: Vorverfahren Verwaltungsgerichtsbarkeit, Umweltrecht und Planungsrecht. Es geht also primär um die Mediation im materiellen Verwaltungsrecht einschließlich des Verwaltungsprozessrechts. Die Fragestellung dieses Vortrags lautet deshalb ein wenig schärfer gefasst: Welche Bedeutung besitzen das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip der Mediation im Verwaltungsverfahren, im verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren und im Verwaltungsprozess (im Folgenden kurz: Verwaltungsverfahren)? Unter I. werde die Bedeutung des Demokratieprinzips für die Mediation erarbeitet, unter II. die des Rechtsstaatsprinzips. Abschließend unter III. werden die Ergebnisse zusammengefasst und es wird ein knapper Ausblick versucht.
I. Das Demokratieprinzip Unter 1. wird gefragt, ob das Demokratieprinzip für die Mediation „positive“ Ergebnisse fordert, unter 2. wird nach den Ergebnissen gesucht, die sich
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aus einer grenzziehenden Funktion des Demokratieprinzips ergeben. Die Frage nach der grenzziehenden Bedeutung besitzt im Folgenden Vorrang. 1. a) Die überwiegende Behandlung der grenzziehenden Bedeutung des Demokratie- (und des Rechtsstaatsprinzips) für die Mediation bedeutet, dass ein breit diskutiertes Thema hier nicht ausführlich erörtert wird, nämlich das Problem, ob das Demokratieprinzip es gebietet, einvernehmliche Konfliktlösungen im Verwaltungsverfahren zu suchen 1 . Eine dahingehende Rechtspflicht wird hier nicht behauptet. Es existiert kein Verfassungsgebot, primär die hier behandelten Konflikte zwischen Bürger und Staat zu schlichten und sie erst sekundär nach einem Scheitern der Schlichtung einseitig zu lösen. Ein solches Gebot 2 lässt sich weder dem Demokratieprinzip (noch – hier unter Vorwegnahme einer dem zweiten Komplex des Vortrags zugehörenden Prüfung – dem Übermaßverbot als einem Element des Rechtsstaatsprinzips) entnehmen. Ferner muss davon ausgegangen werden, dass die Förderung der Akzeptanz einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Entscheidung deren demokratische Legitimation nicht erhöht 3 . Schließlich ist die Mitwirkung des von einer behördlichen Entscheidung Betroffenen (mit oder ohne privaten Vermittler/Mediator) aus Gründen der demokratischen Legitimation nicht geboten 4 . Diese Resultate ergeben sich als Folge der Erwägung, dass die herrschende Auffassung in der staatsrechtlichen Rechtsprechung 5 und Literatur 6 mit Recht Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in der Weise versteht, dass ausschließlich das im Parlament repräsentierte Staatsvolk Legitimationssubjekt ist. Bei diesem Ausgangspunkt vermag weder die Beteiligung des Bürgers an der Vorbereitung einer Verwaltungsentscheidung noch dessen ausdrückliches Einverständnis mit der Entscheidung eine legitimierende Wirkung zu entfalten. Volkssouveränität bedeutet demnach generell nicht, dass sich eine Entscheidung der Staatsgewalt von dem jeweils Betroffenen her zu legitimieren hat, speziell nicht, dass der Betroffene einer Verwaltungsentscheidung dieselbe legitimieren muss.
___________ 1 Dazu ausführlich und mit umfangreichen Nachweisen Markus Kaltenborn, Streitvermeidung und Streitbeilegung im Verwaltungsrecht, 2007, S. 124 ff. 2 Ein Gebot, ausschließlich einvernehmliche Lösungen zu suchen, ist unter der Geltung des Grundgesetzes undenkbar; dem steht der Justizgewähranspruch entgegen, dessen Normierung bei anderer Annahme sinnlos wäre. 3 Entgegen Thomas Würtenberger, NJW 1991, 257 (261) mit weiteren Nachweisen von Vertretern dieser These. 4 Das schließt nicht aus, sich aus einer Vielzahl von Gründen um eine Mitwirkung Betroffener an Entscheidungen zu bemühen. 5 BVerfGE 83, 37 (55). 6 Zusammenfassend Volker Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, S. 264 ff.
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b) Einerseits fordert das Demokratieprinzip die Mediation als Instrument seiner Verwirklichung nicht, andererseits zielt die Mediation als Instrument der Konfliktlösung nicht auf die Bürgerbeteiligung im Sinne der Demokratieverwirklichung. Es darf deshalb als ein erstes Zwischenergebnis als Folge der zuvor aufgestellten Behauptungen festgehalten werden, dass insoweit das Demokratieprinzip und die Mediation nichts miteinander zu tun haben. 2. a) Nach dem in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG normierten Demokratieprinzip geht alle Staatsgewalt vom Volke aus – Volkssouveränität. Staatsgewalt in diesem Sinne ist auch die Exekutive. Ausübung von Staatsgewalt bedeutet amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter – dazu zählt das Handeln der Behörde mit Außenwirkung, aber auch das diese Entscheidung vorbereitende Behördenhandeln. Im Zusammenhang der Relation Bürger ./. Staat – Mitwirken des Bürgers an einer Verwaltungsentscheidung – kann es zu einem Konflikt mit dem Gebot der demokratischen Legitimation kommen. Der Konflikt kann das binnenorientierte Handeln der Behörde und ihr außenorientiertes Handeln betreffen. Die Literatur erkennt durchgängig an, dass ein Mitwirken des Betroffenen am Entstehen einer Verwaltungsentscheidung nicht verboten ist. Sein Mitwirken bei der Entscheidungsfindung ist im Prinzip gestattet 7 . Die relevante Frage lautet: Wann ist die Grenze einer verfassungswidrigen Mitwirkung erreicht? Es besteht die Möglichkeit, eine am Gemeinwohl orientierte abstraktgenerelle Entscheidung des demokratischen Gesetzgebers zu konterkarieren durch die Teilhabe eines Betroffenen unter Mitwirkung eines Mediators an der das Gesetz „umsetzenden“ konkret-individuellen Entscheidung der Verwaltung 8 , und zwar mit Hilfe eines ausschließlich am Individualinteresse orientierten Handeln. Diese konterkarierende Entscheidung kann dadurch erzeugt werden, dass die Verwaltung durch das Mitwirken des Betroffenen dazu „bewegt“ wird, ihre Ermessens-, Beurteilungs- und Abwägungsspielräume spezifisch individualorientiert zu nutzen 9 . Das Ergebnis muss nicht zwingend rechtswidrig sein; es besteht die Möglichkeit, dass das Individualinteresse mit dem Interesse des Gemeinwohls übereinstimmt. Wenn das gefundene Ergebnis wegen fehlender Übereinstimmung rechtswidrig ist, ist über die Relevanz der hier betrachteten beiden verfassungsrechtlichen Prinzipien nicht mehr nachzudenken. Ist das Ergebnis einfach-rechtlich rechtmäßig, stellt sich die Frage nach seiner Verfassungswidrigkeit. ___________ 7
Es ist partiell aus Gründen des rechtlichen Gehörs sogar geboten; s. § 28 VwVfG. Zu der damit angesprochenen Umsetzungsfunktion des Verwaltungsakts s. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2008, RN 316. 9 Kaltenborn (Fn. 1), S. 136. 8
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Die Mediation als Versuch einer konsensualen Entscheidungsfindung verstößt gegen das Demokratieprinzip, wenn mit ihr ein Verlust an (repräsentativ-) demokratischer Legitimation staatlichen Handelns in einem Maße verbunden ist, welches zu einem Unterschreiten des verfassungsrechtlich geforderten Legitimationsniveaus führt 10 . Von einem Unterschreiten des geforderten Legitimationsniveaus ist in zwei Situationen auszugehen (mit Blick auf das gerade gefundene Ergebnis betreffend die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung sei betont, dass eine rechtswidrige Entscheidung niemals demokratisch legitimiert ist). Erste Situation: Die gefällte Entscheidung basiert nicht auf der Letztverantwortung des Staates für die Entscheidung 11 . Das Gebot der staatlichen Letztverantwortung ist verletzt, wenn: (1) die Behörde ihre Befugnis zu einseitiger Regelung eines Sachverhalts verliert; dieser Verlust tritt ein, wenn der Gesetzgeber die Behörde verpflichtet, den Erlass ihrer Maßnahme vom Einverständnis der Betroffenen abhängig zu machen; dieser Verlust tritt ferner ein, wenn der Behörde verboten wird, eine konsensual getroffene Problemlösung später zu verwerfen, wenn sich für die Lösung herausstellt, dass sie eindeutig öffentlichen Interessen zuwider läuft; und wenn (2) die Behörde ihre Befugnis zu eigenständiger Beurteilung des Sachverhalts verliert; dieser Verlust tritt ein, wenn die Behörde die von ihr selbst vorzunehmende Abwägung aller betroffenen Belange nicht mehr selbst vornimmt, sondern sich auf die Rolle eines mit den beteiligten Privaten gleichberechtigten Verhandlungspartners zurückzieht; dieser Verlust tritt ferner ein, wenn die Behörde die Position eines bloßen Konfliktmittlers, also die des Mediators, einnimmt; die Behörde ist Partei bzw. Beteiligte, die diese Position nicht aufgeben darf12 . Zweite Situation: Der private Konfliktmittler besitzt de facto eine derart starke Position, dass die Behörde das Ergebnis seiner vermittelten Tätigkeit bei Wahrung der dargelegten rechtlichen Eigenständigkeit nur noch übernimmt. Dieser Situation gleichzustellen ist die Situation, die kennzeichnet, dass sich die Beteiligten einem erzielten Kompromiss nicht mehr entziehen können als
___________ 10
Kaltenborn (Fn. 1), S. 219 mit ausführlichen weiteren Nachweisen. Zu diesem Grundsatz Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989, S. 57; in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Assmann (Hg.) (Fn. 1) folgende Autoren: Band 1: Hoffmann-Riem, S. 40, Kunig, S. 62; Band 2: Schuppert S. 50, SchulzeFielitz S. 60. Weitere Nachweise bei Kaltenborn (Fn. 1) S. 220 mit Fn. 17. 12 Nachweise dieser Resultate in Fn. 12. 11
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Folge eines hohen Erwartungsdrucks 13 . Diesen beiden Situationen muss die Behörde in spezifischer Weise vorbeugen: Sie muss sich über die die Ausübung von Steuerungs- und Kontrollrechten die ungeschmälerte Verfahrensherrschaft sichern. Wie diese Forderung im Einzelfall gesichert werden kann, ist eine Frage der Ausgestaltung des Verfahrens. Dem widmen sich spätere Vorträge. b) Es lässt sich zusammenfassend für die Beziehung Mediation zum Demokratieprinzip unter dem Aspekt der begrenzenden Wirkung des Demokratieprinzips festhalten: Zulässig ist eine Mediation, wenn sie sich nicht auf die Mitwirkung des Betroffenen auf die Letztentscheidung (Entscheidung mit Außenwirkung), sondern auf die Entscheidungsvorbereitung (Handlungen mit Binnenwirkung) bezieht. Im Verwaltungsverfahren ist die demokratierechtlich zulässige Mediation die Vermittlung zwischen differenten Ansichten Betroffener und der Behörde. Die Vermittlung lässt die demokratisch gebotene Verpflichtung der Behörde zum Treffen einer vom Ergebnis der Mediation unabhängigen Entscheidung unberührt. Mit anderen Worten werde als zweites Zwischenergebnis formuliert: Das Ergebnis einer Mediation darf die Behörde dann und nur dann als Entscheidung übernehmen, wenn die Behörde diese Entscheidung auch ohne die Durchführung einer Mediation als eine rechtmäßige Entscheidung hätte treffen können.
II. Das Rechtsstaatsprinzip Das Rechtsstaatsprinzip enthält eine Reihe von „Unterprinzipien“. Von diesen sind in unserem Zusammenhang bedeutungsvoll der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (dazu 1.) und der Grundsatz der Gewaltenteilung (dazu 2.). 1. Normativer Ausgangspunkt des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist Art. 20 Abs. 3 GG mit seinen Aussagen zum Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes. Deren Bedeutung bei konsensualem Verwaltungshandeln ist unter drei Aspekten zu erarbeiten: (a)) Welche Bedeutung kommt ihnen für den Einsatz konfliktvermeidender Handlungsformen überhaupt zu? (b)) Welche Anforderungen sind an den Einsatz von Mediatoren im Verwaltungsverfahren zu stellen? (c)) Welche Anforderungen sind bei der Lösung verwaltungsrechtlicher Konflikte an außergerichtliche Streitschlichtungsinstitutionen zu stellen? – Mein Hauptinteresse gilt dem zweiten Aspekt. ___________ 13 Zur Gefahr der faktischen Präjudizierung s. z.B. Brohm, DVBl 1990, 321; Martin Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 121.
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a) aa) Die Gesetzesbindung der Verwaltung ist (auch) beim Einsatz konfliktvermeidender Handlungsformen absolut 14 . Freilich besteht bei kooperativem Verwaltungshandeln die Gefahr, dass die Gesetzesbindung vernachlässigt oder sogar bewusst missachtet wird – in der Literatur finden sich zahlreiche Warnhinweise. Die Möglichkeit der Nichtbeachtung der Gesetzesbindung bedeutet indes nicht, dass sie nicht existiert. Rechtswidriges Handeln der Verwaltung vermag ihre Bindung an verfassungsrechtliche Gebote nicht zu lockern. Die mit der Kooperation zwischen Staat und Bürger verbundene Möglichkeit der Nichtbeachtung eines verfassungsrechtlichen Gebots führt aber nicht dazu, diese Kooperation für verfassungswidrig zu halten. Die Möglichkeit des Missbrauchs muss (lediglich) dazu führen, umso strenger die Gesetzesbindung zu beachten. Bei kooperativem Verwaltungshandeln muss die Behörde genauso wie beim Treffen einseitiger Entscheidungen prüfen, ob ihr Handeln dem Gesetz entspricht. Von dieser Bindung der Behörde macht die ihr kraft Gesetzes eingeräumte Möglichkeit, einen Vergleichsvertrag zu schließen (§ 55 VwVfG), nur scheinbar eine Ausnahme 15 . Die in Rechtsprechung und Literatur zu verzeichnenden Aussagen, dem Vergleich komme das „Privileg gesteigerter Unempfindlichkeit gegenüber Gesetzesverletzungen“ 16 zu oder ihm sei die „potentielle Gesetzesinkongruenz“ 17 immanent, sind falsch. In der Situation der Ungewissheit, die den Abschluss eines Vergleichsvertrags gestattet, darf die Behörde nicht einen beliebigen Vergleich abschließen, sondern nur einen solchen, der aus ihrer Sicht rechtmäßig ist. Das ist der Fall, wenn die Lösung auf einen Sachverhalt zutrifft, der potentiell vorliegt – ein rechtswidriger Vergleich liegt vor, wenn die Lösung nur für einen Sachverhalt zutrifft, der definitiv nicht gegeben ist. Damit ist das Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung gewahrt. Auf weitere in diesem Zusammenhang sich stellende Fragen wie die nach Vertragsformverboten (§ 54 Satz 1 VwVfG) und inhaltlichen Verboten (§ 59 VwVfG) sowie die nach Schriftform und Verfahrensbeteiligungen (§§ 57f.) kann aus Zeitgründen nicht eingegangen werden. bb) Für die Antwort auf die Frage nach der Reichweite des Gesetzesvorbehalts bei konsensulem Verwaltungshandeln sei auf die auf die wohl herrschende Meinung verwiesen, die annimmt, dass das Verwaltungsverfahrensrecht sowie das materielle Verwaltungsrecht mittlerweile eine hinreichende Rege___________ 14
Staat sehr vieler Nachweise Kunig/Rublack, Jura 1990, 7. Zu den Voraussetzungen eines rechtmäßigen Vergleichsvertrags s. Peine (Fn. 9), RN 800. 16 BVerwGE 49, 359 (364). 17 Hartmut Bauer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Assmann (Hg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, 1994, S. 245 (271). 15
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lungsdichte erreicht haben, um dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes zu genügen 18 . cc) Zusammenfassend dürfen zwei weitere Zwischenergebnisse formuliert werden: Das Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung gilt auch im Falle der Mediation absolut. Dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes genügt die erreichte Regelungsdichte des Verwaltungsrechts. b) aa) Benötigt die Entscheidungsvorbereitung durch Mediatoren eine gesetzliche Grundlage? Konkreter gefragt: Kann die Behörde einen Mediator beauftragen, wenn weder das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht noch das Fachrecht einen Anhaltspunkt dafür bieten, dass der Gesetzgeber von der Zulässigkeit einer durch Dritte vermittelten Streitbeilegung ausgegangen ist? Die Antwort auf die Frage ist abhängig von der organisatorischen Einordnung des Mediators. Handelt es sich bei der Einschaltung eines Mediators um eine Organisationsprivatisierung, das bedeutet: wird ihm die Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe übertragen, dann ist er ein so genannter Beliehener 19 ; eine Beleihung darf nur durch Gesetz oder auf der Grundlage eines Gesetzes ausgesprochen werden 20 . Handelt es sich bei der Einschaltung eines Mediators um eine funktionale Privatisierung, das bedeutet: wird ihm ein auf eine Staatsaufgabe bezogener Teilauftrag erteilt, ohne dass die Zuständigkeit zur Erfüllung der Aufgabe auf ihn übergeht, dann ist er ein so genannter Verwaltungshelfer 21 ; die Einschaltung eines Verwaltungshelfers ist ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung in aller Regel zulässig 22 . Was macht der Mediator? Erinnert sei an die eingangs vorgestellte Explikation von Mediation. Der Mediator vermittelt. Eine eigenständige, nach außen wirksame hoheitliche Entscheidung fällt er nicht – er darf eine Entscheidung dieser Rechtsqualität nicht treffen, weil, wie schon erarbeitet, dass Demokratieprinzip solches Handeln verbietet. Der beliehene Private wird entsprechend dem Wesen der Beleihung hoheitlich tätig; das hoheitliche Tätigwerden entfällt beim Mediator. Er ist deshalb kein Beliehener. Insoweit stellt sich für den Mediator die Frage nach einer gesetzlichen Grundlage seines Tätigwerdens nicht. Der Normalfall der Einschaltung eines Mediators sieht wie folgt aus: Er wird erstens unregelmäßig tätig. Er wird zweitens freiwillig tätig auf der Grundlage eines Vertrags. Seine vermittelnde Tätigkeit greift drittens in Grund___________ 18
Kaltenborn (Fn. 1), S. 167 f. Peine, DÖV 1997, 353 (362). 20 Statt vieler Udo Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 33 f.; Peine (Fn. 9), RN 332. 21 Peine (Fn. 20). 22 Ebenda, S. 357. 19
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rechte des Betroffenen nicht ein. Deshalb stellt sich auch insoweit die Frage nach dem Gesetzesvorbehalt nicht. Sollte eine faktische Grundrechtsbeeinträchtigung des Betroffenen vorkommen, ist diese dem Staat zuzurechnen und von der Eingriffsgrundlage gedeckt, die das staatliche Handeln auch ohne Einschaltung eines Mediators gestattet. Damit ist dem Gesetzesvorbehalt genügt 23 . Die Prüfung, ob der institutionelle Gesetzesvorbehalt zu beachten ist, fällt negativ aus. Voraussetzung für dessen Eingreifen ist, dass eine Organisationsveränderung stattfinden soll. Daran fehlt es. Die Bestellung eines Mediators als Verwaltungshelfers verändert die Organisationsstruktur nicht, sie verändert die Verantwortungsstruktur mit Blick auf die Wahrnehmung der Staatsaufgabe. Eine eigenständige organisationsrechtliche Regelung des Falles der Verwaltungshilfe ist nicht notwendig, weil die gesetzliche Bestimmung über die zu erfüllende Staatsaufgabe die gesetzliche Grundlage für die funktionale Privatisierung enthält 24 . Vom Normalfall der Einschaltung eines Mediators zu trennen ist der Fall, dass der Mediator regelmäßig oder sogar dauerhaft für die Verwaltung tätig werden soll. Die politische Entscheidung, ab einem bestimmten Zeitpunkt Teilbeiträge einer Verwaltungsentscheidung nicht mehr von der Verwaltung erbringen zu lassen, sondern von Privaten, verändert den Verwaltungsvollzug bedeutungsvoll. Die Entscheidung weicht vom Normalvollzug ab. Die auf Dauer angelegte Veränderung besitzt eine Qualität, die ein Einschreiten des Gesetzgebers erfordert, weil das vom Gesetzgeber vorgegebene Bild des Verwaltungsvollzugs sich ändert. Dieser Veränderung muss er zustimmen. Wenigstens die zentralen Rahmenvorgaben für eine derart einschneidende Privatisierung muss der Gesetzgeber selbst schaffen 25 . Zentrale Rahmenvorgaben sind 26 : die grundsätzliche Ermächtigung zum Einschalten von Verwaltungshelfern; die Festlegung der Anforderungen, die an eine Person zu stellen sind, die als Verwaltungshelfer fungieren soll; die Bestimmung von Verfahrensvorschriften, die der Verwaltungshelfer beachten muss, wenn er einen Betroffenen kontaktiert; die Normierung von Kontrollrechten der Verwaltung, die deren Verfahrensherrschaft sichert. bb) Mit Blick auf die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für das Einschalten eines Mediators sind nach alldem als weiteres Zwischenergebnis zwei Fälle zu unterschieden: Wird der Mediator unregelmäßig oder gelegentlich tätig, fordert der Gesetzesvorbehalt eine gesetzliche Grundlage für sein Handeln nicht. Wird der Mediator indes regelmäßig oder dauerhaft mit der Er___________ 23 24 25 26
Zum Vorstehenden Kaltenborn (Fn. 1), S. 176 f. Ebenda. Zu dieser These mit umfangreichen Nachweisen Kaltenborn (Fn. 1), S. 179 f. Andreas Voßkuhle, VVDStRL 62, 303 f.
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arbeitung von Teilbeiträgen einer Verwaltungsentscheidung beauftragt, ist wegen der damit verbundenen Veränderung des Verwaltungsvollzugs eine gesetzliche Grundlage, die spezifische Inhalte besitzen muss, notwendig. c) Für den dritten hier zu behandelnden Aspekt, der Frage nach den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Anforderungen an außergerichtliche Streitlösungsstellen, können hier nur schlagwortartige Antworten geliefert werden 27 . Als erstes ist auf eine erste Gruppe von zu beachtenden Rechten bzw. Pflichten hinzuweisen, die als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips im Verwaltungsverfahrensrecht positiv-rechtlich normiert sind. Dazu zählen das zentrale Verfahrensrecht der Anhörung, die Pflicht der Behörde zur Beratung und Information der Verfahrensbeteiligten und die Pflicht zur Begründung von Entscheidungen. Eine zweite Gruppe von Rechten und Pflichten folgt aus der Pflicht zur Publikation administrativer Normen – jeder von einer Rechtsnorm Betroffene muss sich Kenntnis von der Grundlage, auf der eine ihn betreffende Entscheidung gefällt wird, verschaffen können. Mit dieser Pflicht verbunden ist das Verbot, es durch informale Vereinbarungen zu umgehen; dieses trifft insbesondere auf die so genannten normvermeidenden Absprachen zu. Das Publikationsgebot bei staatlich induzierten Selbstverpflichtungen ergibt sich mangels einer Spezialregelung direkt aus dem Rechtsstaatsprinzip. Die dritte Gruppe von Anforderungen bilden das Gebot der prozeduralen Waffengleichheit und mit ihm zusammenhängend die Forderung nach einem fairen Verwaltungsverfahren. Es geht sachlich darum, „Verfahrensbedingungen (zu gewährleisten), die die Verwirklichung des materiellen Rechts unterstützen, die beteiligten Parteien gegen Willkür und sonstiges Unrecht schützen und ihnen die Möglichkeit geben, zur Wahrung ihrer Rechte auf den Gang des Verfahrens hinreichend Einfluss zu nehmen.“ Eine vierte Gruppe bildet das Koppelungsverbot des § 56 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 2 VwVfG. Es ist aber wohl nur die Aussage des Absatzes 2 Folge des Rechtsstaatsprinzips. Es dürfen mithin bei einem Anspruch auf eine behördliche Leistung nur solche Gegenleistungen vereinbart werden, die bei Erlass eines Verwaltungsakts anstelle des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrags Inhalt einer Nebenbestimmung nach § 36 VwVfG hätten sein können. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass es gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, wenn ein Bürger, der einen Vertrag abschließt, mit einem Nachteil belastet wird, den er nicht hätte, erließe die Behörde einen Verwaltungsakt. ___________ 27 Auf Einzelnachweise sei im Folgenden verzichtet und pauschal auf Kaltenborn (Fn. 1), S. 202, verwiesen.
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Eine letzte Gruppe bildet das so genannte „Gebot rationaler Organisation“. Es soll zur Schaffung einer klaren Kompetenzordnung verpflichten und Vorhersehbarkeit, Kontrollierbarkeit und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns ermöglichen. Als Folge dieses Gebots ist für das Verwaltungsverfahren herausgestellt worden, dass grundsätzlich die Zuständigkeit für das Treffen einer Entscheidung und die Zuständigkeit für das die Entscheidung vorbereitende Verfahren/den Entscheidungsprozess in einer Hand liegen müssen. Da mit der Mediation eine (partielle) Zuständigkeitsverlagerung verbunden ist, könnte darin eine Kollision mit dem Rechtsstaatsprinzip liegen. Der Fall einer Kollision ist aber zu verneinen. Dieses deshalb, weil mit einer Teilentscheidung, die der Mediator im Falle erfolgreichen Tätigwerdens erarbeitet, noch keine Rechtswirkungen verbunden sind; der Mediator erarbeitet und darf auch nur als Folge der Geltung des Demokratieprinzips einen Vorschlag für eine Entscheidung erarbeiten, die die zuständige Behörde eigenständig treffen muss. Ganz knapp sei darauf hingewiesen, dass weiteren Versuchen, dem Rechtsstaatsprinzip Aussagen zu entnehmen, die hier potentiell eine Rolle spielen können, skeptisch zu begegnen ist. Es spricht einiges dafür, das Rechtsstaatsprinzip als Oberbegriff für diejenigen Einzelrechtsnormen zu sehen, die sich als typische Ausprägungen von Rechtsstaatlichkeit im Grundgesetz finden lassen: beispielsweise Grundrechte, Gewaltenteilung, Gesetzesbindung und Justizgarantien. Folgt man dieser Ansicht, die als „summatives Rechtsstaatsverständnis“ bezeichnet wird 28 , dann liegt auf der Hand, dass für ein verfassungsgewohnheitsrechtliches bzw. ein als allgemeiner Verfassungsgrundsatz geltendes ungeschriebenes Rechtsstaatsprinzip kein Platz mehr ist. Aus diesem können dann aber weitere, hier möglicherweise relevante Inhalte nicht abgeleitet werden. Für die aufgezählten Anforderungen an die Mediation ist darauf hinzuweisen, dass diese nicht spezifisch „mediationsorientiert“ sind, sondern dass es sich um Anforderungen handelt, die ganz allgemein für jedes Verwaltungsverfahren gelten. Es ging hier nur darum, festzustellen, dass diese auch bei der Mediation zu beachten sind. 2. a) Der Grundsatz der Gewaltenteilung besitzt eine besondere Bedeutung bei den so genannten normvermeidenden Absprachen als Ergebnis einer Konfliktmittlung 29 . Vereinbarungen, die eine staatliche Regelung eines Konflikts (entweder wirklich oder nur scheinbar) entbehrlich machen, können die grundgesetzlich vorgesehene Aufgabenverteilung zwischen den Staatsgewalten durchbrechen. Dieses ist evident, wenn eine parlamentsgesetzliche Regelung ___________ 28 Schmidt-Assmann, in: Josef Isensee/Paul Kirchhoff (Hg.), Handbuch des Staatsrechts, Band 2, 3. Aufl. 2004, § 26 RN 7. 29 Kaltenborn (Fn. 1), S. 197 f.
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eines Sachverhalts unterbleibt. Dieser Fall dürfte aber äußerst selten sein; ihm ist deshalb nicht weiter nachzugehen. Häufiger scheint die Situation denkbar, dass der Erlass einer Rechtsverordnung unterbleibt. Aus der Sicht der Gewaltenteilung ist das ein Problem, wenn auf diese Weise die in der Verordnungsermächtigung vorgesehene Mitwirkung parlamentarischer Gremien an einer Problemlösung entfällt: Mitwirkung des Bundesrats, Mitwirken des Bundestags in Form von Kenntnisnahme, Zustimmungs-, Aufhebungs- und Änderungsvorbehalten. Verstößt ein Außerachtlassen der parlamentarischen Mitwirkungsrechte bei einer rechtsverordnungsvermeidenden Absprache gegen das Prinzip der Gewaltenteilung? Das Grundgesetz kennt keine absolute Trennung der Gewalten, sondern es kennzeichnet ihre gegenseitige Kontrolle und Mäßigung. Die einzelnen Staatsfunktionen sind eng verschränkt. Zu dem System der Verschränkung zählt die Mitwirkung parlamentarischer Gremien bei der Verordnunggebung als Ausprägung der Kontrollfunktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes. Indes ist die Kontrolle der Verordnunggebung durch die parlamentarischen Gremien auf den Fall der normvermeidenden Absprache nicht anwendbar: weder direkt noch analog 30 . Direkt nicht, weil der Wortlaut des Grundgesetzes dem entgegensteht; analog nicht, weil eine planwidrige Regelungslücke nicht vorhanden ist: Es ist nicht davon auszugehen, dass der Verfassunggeber den Fall in der Weise gelöst hätte, dass ein Unterlaufen der parlamentarischen Mitwirkung verfassungswidrig wäre, wenn er an den Fall gedacht hätte. Für die Richtigkeit der Annahme spricht, dass der Verfassunggeber des Grundgesetzes es seit Jahrzehnten unterlässt, verordnungvermeidendes Handeln des Verordnunggebers wegen Verfassungswidrigkeit zu verbieten. Nimmt man entgegen dieser Auffassung an, die parlamentarischen Gremien müssten in die Verhandlungen betreffend die Absprache einbezogen werden, so wäre dieser Verpflichtung bereits dann genügt, wenn die Gremien über die Übereinkunft informiert werden. Wenn die Gremien mit dem Ergebnis nicht übereinstimmen, besitzen sie das Recht, durch ein Gesetz das Ergebnis aufzuheben. Sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat können insoweit initiativ werden. b) Der Grundsatz der Gewaltenteilung verbietet verordnungsersetzende Absprachen nicht.
___________ 30 Statt Vieler Thomas Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 21 ff.
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III. Schlussbetrachtung Die erarbeiteten Ergebnisse lassen sich in folgenden Aussagen zusammenfassen: 1. Das Demokratieprinzip fordert die Durchführung einer Mediation mit dem Ziel, eine Schlichtung zu ermöglichen, nicht. Insoweit haben das Demokratieprinzip und die Mediation nichts miteinander zu tun. 2. Das Demokratieprinzip fordert, dass die Behörde ihre Funktion niemals zu Gunsten des Mediators aufgeben darf. 3. Das Demokratieprinzip fordert, dass die Behörde das Ergebnis einer Mediation dann und nur dann als Entscheidung übernehmen darf, wenn die Behörde diese Entscheidung auch ohne die Durchführung einer Mediation als eine rechtmäßige Entscheidung hätte treffen können. 4. Das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Prinzip der Gesetzesbindung der Verwaltung fordert auch im Falle der Mediation absolute Geltung. 5. Das Rechtsstaatsprinzip fordert, dass dann, wenn der Mediator regelmäßig oder dauerhaft mit der Erarbeitung von Teilbeiträgen einer Verwaltungsentscheidung beauftragt wird, wegen der damit verbundenen Veränderung des Verwaltungsvollzugs eine gesetzliche Grundlage notwendig ist; die gesetzliche Grundlage muss spezifische Inhalte besitzen. 6. Das Rechtsstaatsprinzip fordert für die so genannten außergerichtlichen Streitschlichtungsstellen die Erfüllung einer Vielzahl von Anforderungen. 7. Der Grundsatz der Gewaltenteilung verbietet verordnungsersetzende Absprachen nicht. Das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip setzen nach alldem der Mediation im Verwaltungsrecht enge Grenzen. Die beiden wichtigsten scheinen zu sein: Die Mediation darf die zuständige Behörde niemals in ihren Rechten und Pflichten beschränken; in bestimmten Fällen benötigt der Einsatz eines Mediators eine gesetzliche Grundlage. Der letzte Fall bedingt, dass deshalb, weil das Gesetz fehlt, der Einsatz eines Mediators auf eine gelegentliche Streitschlichtung reduziert ist. Im Bereich des Verwaltungsrechts wird deshalb die Bedeutung der Mediation gewaltig überschätzt. Die praktisch geringe Bedeutung der Mediation korrespondiert mit der immer noch praktisch geringen Bedeutung des verwaltungsrechtlichen Vertrags: In der Verwaltung ist das Handlungsinstrument „einseitige Entscheidung“ derart tief verwurzelt, dass es auf absehbare Zeit an Bedeutung nicht verlieren wird; erst recht ist an eine Ersetzung dieses Instruments durch konsensuale Entscheidungsfindung überhaupt nicht zu denken.
Entstaatlichung des Rechtsschutzes? Mediation vor der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährung Von Eun Soong Pyo
I. Einführung der koreanischen gerichtlichen und außergerichtlichen Mediation In Korea hat sich die Mediation seit Anfang der 1980er Jahre innerhalb der kurzen Zeit von etwa 25 Jahren zu einem der bestimmenden Instrumente im Rahmen der außergerichtlichen Streiterledigung entwickelt. Wie sollten wir aber die Mediation definieren? Der entscheidende Unterschied zwischen der Mediation und einer gerichtlichen Auseinandersetzung liegt in einer anders gearteten Herangehensweise an den Konflikt. Prägend für die Auseinandersetzung im Gerichtsprozess sind rechtliche Positionen, um die gekämpft wird. In der Mediation wird das Augenmerk hingegen nicht auf die Positionen gerichtet, sondern auf die Interessen der Betroffenen. Kernstück der Mediation ist die Herausarbeitung der Interessen der Parteien. Hierauf aufbauend werden Lösungen gesucht, die den Interessen möglichst gerecht werden. Im Gerichtsverfahren kleidet der Kläger seine Position in einen bestimmten Antrag. Sein Anwalt wird (nur) das vortragen, was den aus dem materiellen Recht abgeleiteten Anspruch stützt. Die gerichtliche Streitentscheidung ist regelmäßig auf ein Entweder-Oder gerichtet: Der Gewinn des einen ist der Verlust des anderen. Und kommt es zu einem Vergleich, so wird er nicht selten als das erlebt, was oft über den Kompromiss gesagt wurde: Er ist die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen. Ziel der Mediation ist es hingegen, den Kuchen möglichst zu vergrößern und so variationsreich zu gestalten, dass jeder das Stück erhält, das seinen Interessen am besten entspricht, das also für ihn besonders geeignet ist. Begriffe der Mediation sollten jedoch aus sich heraus verständlich und deutlich gegeneinander abgegrenzt sein. Besser wäre es, hier zwischen gerichtlicher und außergerichtlicher Mediation zu unterscheiden. Gerichtliche Mediation
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wird gerichtsintern im anhängigen Prozess von richterlichen Mediatoren durchgeführt. Außergerichtliche Mediation wird entweder gerichtnah 1 oder gerichtsfern (vorgerichtlich § 220 KZPO, parallel zum Prozess, ohne jeden Bezug zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung) von der nichtrichterlichen Mediation praktiziert. Im öffentlich-rechtlichen Bereich gibt es eine Reihe unterschiedlicher Möglichkeiten außergerichtlicher Verwaltungskontrolle (z.B. Widerspruchsverfahren). Im Bereich des allgemeinen Zivilrechts stehen den Parteien z.B. bei Leistungsstörungen zunächst zahlreiche Gestaltungsrechte wie Kündigung, Rücktritt oder die Minderung zur Verfügung. Es kann aber auch hilfreich sein, Dritte einzuschalten, die das Gespräch unparteiisch wieder in Gang bringen, um Sichtweisen und Interessen zu klären, ohne den Streit vor ein Gericht zu bringen. Jederzeit möglich ist ein so genanntes freiwilliges Güteverfahren vor einer staatlich anerkannten Gütestelle, durch das die Verjährung von Ansprüchen gehemmt wird (§ 173 KBGB) und den Parteien die Möglichkeit verschafft wird, eine außergerichtliche Einigung mit dem Anspruchsgegner zu erarbeiten. Eine von der Gütestelle (Mediationsausschuss) schriftlich dokumentierte Einigung (Vergleich) der Parteien hat vollstreckungsrechtlich die gleiche Wirkung wie ein gerichtliches Urteil und eine gerichtliche Vermittlung (ein obligatorisches Güteverfahren, §§ 28 f. Koreanisches Zivilmediationsgesetz). Kommt es gleichwohl zur gerichtlichen Auseinandersetzung, so soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. In geeigneten Fällen kann das Gericht den Parteien eine außergerichtliche Streitschlichtung vorschlagen (§ 225 KZPO). Im Familienrecht soll in jedem ein Kind betreffenden Verfahren nach § 49 KFPO (Koreanische Familienrechtliche Prozessordnung) stets und so früh wie möglich auf eine einvernehmliche Regelung hingewirkt werden. Das Gleiche gilt für das Arbeitsrecht; hier ist (in § 33 KArbRG = Koreanisches Arbeitsrahmengesetz) ein obligatorisches Güteverfahren vor den Arbeitsgerichten nach Klageerhebung vorgesehen, um eine informelle Streiterledigung zu ermöglichen. Auch im kollektiven Arbeitsrecht gibt es Schlichtungsverfahren zur Vermeidung oder Beendigung von Arbeitskämpfen. Schließlich werden auch im Tarifrecht die allermeisten Verfahren informell, d.h. ohne ein Gerichtsverfahren (Koreanisches Mediationsgesetz für die Arbeitergewerkschaft und das Arbeitsverhältnis), erledigt; in Delikten mit persönlich betroffenen Opfern insbesondere durch den so genannten außergerichtlichen Tatausgleich/TäterOpfer-Ausgleich (§§ 750 ff. KBGB). 2 ___________ 1 Gerichtnah ist in Korea diejenige Mediation, die auf Anregung des Gerichts im anhängigen Prozess nach außen verlagert wird und damit zugleich einen Unterfall der vertragsautonomen Mediation bildet. In Korea werden die gerichtnahe und außergerichtliche Mediation jeweils in die drei Bereiche Verhandlung – Mediation (im engeren Sinn, Vermittlung) – Schiedsverfahren unterteilt. 2 KHGE (Koreanische Höchstgerichthofsentscheidung) 95da24821.
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Damit sieht das koreanische Recht ungeachtet der materiell-rechtlichen Regelung von Rechtsansprüchen eigentlich vielfältige Regelungen zu einer einvernehmlichen und informellen Streitentscheidung vor. Allerdings waren diese normativ vorgeschlagenen Alternativen zur justiziellen Streitentscheidung in Korea in der Praxis lange Zeit nicht mit Verfahren und Leistungsanbietern unterlegt, die über eine mit dem Gericht vergleichbare Professionalität und Akzeptanz in der Bevölkerung verfügen. Von den Streitparteien werden diese Möglichkeiten bislang – wenn überhaupt – zumeist zu spät wahrgenommen, häufig in einer Phase, in dem ein Konflikt bereits verhärtet und/oder bereits ein formelles, gerichtliches Verfahren in Gang gesetzt worden ist (dies ist aber heutzutage in Korea nicht immer der Fall).
II. Drei Bereiche der außergerichtlichen Konfliktregelung in Korea – sog. ADR In den letzten 25 Jahren haben in Korea außergerichtliche Konfliktregelungsverfahren auch an Bedeutung gewonnen, zunächst im so genannten TäterOpfer-Ausgleich, in Trennungs- und Scheidungsverfahren und vor allem im Unternehmens- und Wirtschaftsbereich. Unter dem Akronym ADR (für alternative dispute resolution) werden eine Reihe unterschiedlicher außergerichtlichen Verfahren zusammengefasst, die im Wesentlichen in die drei Bereiche Verhandlung – Mediation (im engeren Sinn, Vermittlung) – Schiedsverfahren unterteilt werden. Daneben gibt es noch weitere, hybride Formen außergerichtlicher Streiterledigung, die sich entsprechend der angelsächsischen Begriffskultur mehr oder weniger einer dieser drei Grundformen (im Hinblick auf diese drei Grundformen am ehesten der dritten Kategorie, dem schiedsgerichtlichen Verfahren) zuordnen lassen: 3 x Verhandlung o Facilitation: Prozessbegleitung und Moderation von Verhandlungen insbesondere in öffentlich-politischen Diskursen; Moderator interveniert verfahrensorientiert beziehungsweise schlägt Verfahrensalternativen vor. o Negotiation: Autonome Verhandlungen der Streitparteien ohne Unterstützung neutraler Dritter. x Mediation (im engeren Sinn, Vermittlung) o Vermittlung: Verhandlungen mit Unterstützung unparteilicher Dritter, ___________ 3
Näher dazu Lee Si Yun, Zivilprozessgesetz 2009, S. 15 ff.; Lee Suk Sun, Gerichtliche und außergerichtliche Lösungsmethode für die zivilrechtlichen Streitigkeiten, FS für Lee Si Yun (II), S. 1 ff.
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die sowohl personen- und kommunikationsorientiert intervenieren, aber inhaltlich keine Streitentscheidung treffen, o Conciliation: Häufig Vermittlungsgremium beziehungsweise Ausschuss, wird auch gestalterisch tätig, schlägt gegebenenfalls inhaltliche Alternativen vor, beziehungsweise führt normative Teilziele in das Verfahren ein; stärkere Rechtsgebundenheit als Mediation, häufig im Vorfeld administrativer oder (verwaltungs)gerichtlicher Entscheidungen. Schiedsverfahren o Arbitration: Verhandlungen mit einem neutralen Schlichter; sollten sich die Parteien während des Verfahrens nicht einigen, fällt der Schlichter als Schiedsrichter einen die Parteien bindenden Schiedsspruch. Hierzu gehören zum Beispiel die Verfahren durch Ausschüsse in verwaltungs- und sozialrechtlichen Streitigkeiten, insbesondere die Verfahren vor den Schiedsstellen im Sozialbereich und die privaten Schiedsgerichte. Auch im Arbeitsrecht gibt es Regelungen über ein Schiedsverfahren. Soweit eine Schiedsvereinbarung besteht, ist die Anrufung des Arbeitsgerichts unzulässig. Der Schiedsspruch hat unter den Tarifvertragsparteien dieselben Wirkungen wie ein rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts. o Non-Bindung-Arbitration/Case Appraisal: Schlichtungs- oder Sachverständigenverfahren, bei der die dritte Person am Ende des Verfahrens eine Bewertung des Sach- und Streitstands vornimmt, deren Bewertung (Schiedsspruch) die Konfliktparteien akzeptieren können, aber nicht müssen (z.B. Schlichtung im Tarifstreit). Hierzu gehören insbesondere die Güteverfahren vor den (z.B. Industrie- und Handels-, Handwerks-)Kammern und von Verbänden getragene Schlichtungsverfahren z.B. bei Verbraucherbeschwerden, o Ombudsmann: Durch öffentliche Träger oder Wirtschaftssysteme (z.B. Bank- und Versicherungswesen) beauftragte Mittler können den Parteien einen Lösungsvorschlag unterbreiten, der für die dem System angeschlossene Partei bindende Wirkung haben kann, nicht aber für den Verbraucher.
III. Grenzen der gerichtlichen Konfliktregelung: Mediation und Recht Die justizielle Bearbeitung von Konflikten stößt zunehmend an ihre Grenzen und lässt die Rechtsverfolgung mitunter als langwierig, teuer und nicht effizient erscheinen. „Richterliches Entscheiden ist, um es auf eine vereinfachte Formel zu bringen, in einer Vielzahl von Konflikten auf Grund ihrer strukturel-
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len Grenzen nicht zur Konfliktregelung geeignet, darüber hinaus sehr aufwendig und bis zu einem bestimmten Punkt mit Geschäftsanfall belastbar“. Die Kritik richtete sich insbesondere gegen: x
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Soziale und ökonomische Barrieren sowie durch die Rechtspflege bedingte Zugangshindernisse: o Kosten des Gerichtsverfahrens und der anwaltlichen Rechtsberatung, o lange Warte- und Verfahrenszeiten durch Geschäftanfall, o Scheu und Schwellenangst durch formalisierte Verfahrensweisen und Sprachcodes; Nachteile der Verrechtlichung des Konflikts: o fehlende Planbarkeit/unsicherer Ausgang, o mangelnde Flexibilität der Verfahrensgestaltung, o adversative (auf Gegnerschaft angelegte, kontradiktorische, widersprechende) Natur des gerichtlichen Streitverfahrens, o Komplexitätsreduktion unter Außerachtlassung der ökonomischen oder sozialen Betrachtungsweise (u.a. drohender Ansehensverlust, Gefahr der Zerstörung von Geschäfts- und sozialen Beziehungen), o mangelnde Zukunftsorientierung und binäre Struktur von Gerichtsentscheiden (Gewinner-Verlierer); Internationalisierung und Globalisierung des Dienstleistungs- und Warenverkehrs: o komplexe Normen- und Zuständigkeitskonflikte im Hinblick auf nationale Rechtssysteme, o geringer werdende Relevanz nationaler Rechtsordnungen.
Daher wurde die Frage über die Einführung der Mediation in Korea viel diskutiert. Das Verhältnis von Recht und Mediation in Korea war lange Zeit auch vor allem deshalb umstritten, weil nach den Vorschriften des KRaG (Koreanisches Rechtsanwaltgesetz) die „geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten“ nach §§ 3 und 21 ff. KRaG grundsätzlich den Rechtsanwälten vorbehalten war. Damit wären andere, zum Beispiel Ingenieure, Ökonomen oder psychosoziale Berufsgruppen, obwohl gerade diese entscheidend zur Entwicklung und Methodik der Mediation beigetragen haben, weitgehend aus dem Mediationsgeschäft gedrängt worden. Zwar geht es in der Mediation weniger um die Klärung rechtlicher Verhältnisse als um die Klärung der hinter den Rechtspositionen stehenden Interessen. Diese Interessen stehen in der Regel im Vordergrund, ganz gleich, ob es sich um eine Familienmediation, eine Wirtschaftsmediation, eine Finanzmediation oder um die Mediation in einem Nachbarstreit handelt. Der Schwerpunkt einer Mediation liegt damit nicht in der rechtlichen Bewertung oder Gestaltung. Auch deshalb wurde im § 1 des Koreanischen Zivilmediationsgesetzes klargestellt, dass Mediation als sachgemäße Lösung durch die Denkrichtigkeit zu qualifizieren ist (siehe noch koreanisches Verbraucherschutzgesetz). Andererseits wird es oft nicht ausbleiben, dass im
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Rahmen einer Mediation von den Parteien Rechtsfragen eingebracht werden. Dies ist zwar nicht immer der Fall – nicht jeder Konflikt ist ein Rechtsstreit –, es ist aber durchaus üblich, dass die Parteien zumindest zu Beginn eines Verfahrens auf Rechtspositionen bestehen, im Verlaufe des Verfahrens ihre Standpunkte überdenken und schließlich vor Abschluss einer Vereinbarung ihre (rechtlichen und sonstigen Nichteinigungs-)Alternativen (sog. BATNA) überdenken. Insoweit kommt es durchaus häufig vor, dass an Mediatoren Rechtsfragen herangetragen werden. Und schließlich mündet die erfolgreiche Mediation stets in eine Vereinbarung, deren Inhalt das wechselseitige Verhältnis der Parteien gegebenenfalls neu regelt. Freilich muss dieser Vertrag (Verhandlungsniederschrift) nicht von den Mediatoren formuliert werden, vielmehr wird die Vereinbarung inhaltlich von den Parteien selbst getroffen oder von den sie begleitenden Anwälten verfasst und sollte von den anwesenden Gerichtsbeamten (keine Mediatoren) lediglich protokolliert werden. Mediation findet nicht außerhalb der Rechtsordnung statt. Mediation erlaubt zwar eine außer-rechtliche (willkürliche) Konfliktbearbeitung. Das Recht setzt Grenzen, es wirkt als Orientierungs- und Ordnungsrahmen. Es schreibt zum Teil eben verbindlich, nicht-dispositiv fest, was Recht und Ordnung ist. Die Rechtskontrolle durch staatliche Gerichte ist unabdingbarer Teil des Rechtsstaates. Das Recht ist und bleibt Schutzgarant und wird im Hinblick auf die Nichteinigungsalternativen (sog. BATNA) vielfach ein latenter Entscheidungsund Kontrollmaßstab sein. Allerdings ist die Rechtsnorm eben nur eines von mehreren Kriterien, einen Streit verbindlich beizulegen.
IV. Kognitive oder normative Orientierung der Streiterledigung: Vertrag oder Recht Hier möchte ich nur auf die Notwendigkeit der Mediation infolge der Internationalisierung und Globalisierung des Dienstleistungs- und Warenverkehrs etwas näher eingehen. Dennoch kann die folgende Argumentation in der Sache auch auf andere Notwendigkeiten erweitert werden. Achtet man auf die Erwartungsstrukturen, an denen sich jene universell gewordenen Interaktionsfelder der Wissenschaft und der Technik, der Wirtschaft, der öffentlichen Kommunikation von Neuigkeiten und des Reiseverkehrs orientieren, dann fällt ein deutliches Vorherrschen kognitiver, adaptiver, lernbereiter Erwartungen auf, während normative, Moral prätendierende und vorschreibende Erwartungen zurücktreten. Selbst die internationale Politik hat, sofern man davon überhaupt reden kann, sich diesem Stil angepasst – abzulesen an symptomatischen Details, zum Beispiel an der Aufgabe des völkerrechtlichen Instituts der humanitären Intervention oder daran, dass das „Anerkennen der Realitäten“ in der Politik zu einem moralischen (!) Argument geworden ist. Deswegen sollte die EU
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nicht durch die EU-Verfassung, sondern durch die EU-Verträge allmählich vereinigt werden. Der durchgehende Grundzug dieser Präferenz für kognitive Erwartungen lässt vermuten, dass wir einem selektiven Prinzip auf der Spur sind; das heißt, dass die sog. Weltgesellschaft sich zunächst in Interaktionsbereichen konstituiert hat, in denen kognitives Erwarten in Bezug auf das Erwarten und Verhalten anderer stabilisiert werden kann. Solche Selektion scheint von der Struktur des Systems der Weltgesellschaft auszugehen. 4 Jene Präferenz zu verstehen, könnte daher etwas dazu beitragen, diese Struktur zu verstehen. Um den Gründen für diese auffällige, einseitige Entwicklung nachzuspüren, müssen wir zunächst die Differenz von normativem und kognitivem Erwarten klären. 5 Dabei interessiert nicht die Behauptung eines unüberbrückbaren logischen oder gar metaphysischen Gegensatzes von Sollen und Sein, sondern die Funktion der entsprechenden Erwartungsstile. Der Unterschied liegt im Verhalten angesichts von Enttäuschungen, genauer gesagt: in der Miterwartung der Möglichkeiten des Verhaltens angesichts von Enttäuschungen. Normatives Erwarten zeigt sich als entschlossen, die Erwartung auch im Enttäuschungsfalle festzuhalten, und stützt sich dabei auf entsprechende Ressourcen wie innere Überzeugung, Sanktionsmittel und Konsens. Kognitives Erwarten stilisiert sich dagegen lernbereit, es lässt sich durch Enttäuschungen korrigieren und stützt sich seinerseits auf entsprechende Ressourcen, vor allem auf die Erwartung, dass sich in Enttäuschungslagen die Richtung der Erwartungsänderung hinreichend rasch und hinreichend eindeutig ausmachen lässt. Kognitives Erwarten sucht sich selbst, normatives Erwarten sucht sein Objekt zu ändern. Lernen oder Nichtlernen, das ist der Unterschied. Beide Formen des Erwartens bilden im Hinblick auf das Enttäuschungsproblem funktional äquivalente Streitlösungen (auch Rechtsproblemlösungen) und können daher gegenseitig substituiert werden. Auf Situationen ohne rasche, eindeutige, sichere Lernmöglichkeit stellt man sich eher normierend ein; auf Situationen ohne Aussicht auf Hilfe für enttäuschte Erwartungen eher kognitiv. Und in Fällen, wo weder die Risiken des einen noch die Risiken des anderen Erwartungsstils getragen werden können, bleibt nur ein in dieser Frage diffuses, unentschieden normativ-kognitives Erwarten ohne Plan für den Enttäuschungsfall übrig. Diese Kurzanalyse soll andeuten, dass normatives und kognitives Erwarten in einem eigentümlich komplizierten Verhältnis zueinander stehen: Sie bilden direkte Gegensätze in der Art, wie sie eine Enttäuschungsabwicklung in Aussicht nehmen (und dieser Gegensatz wird durch die Unterscheidung von Sollen ___________ 4
Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M. 1997, S. 806 ff. Niklas Luhmann, „Normen in soziologischer Perspektive“, Soziale Welt 20 (1969), S. 28-48. 5
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und Sein symbolisiert). Sie bilden gleichwohl funktional äquivalente Strategien, dies aber mit sehr unterschiedlichen Erfolgsvoraussetzungen, Risiken und Folgelasten, so dass die Wahl zwischen beiden Möglichkeiten nicht beliebig erfolgen kann, sondern mit anderen Faktoren, namentlich mit Systemstruktur und Umweltsituation, korreliert. Darauf gründet sich die Vermutung, dass es kein Zufall ist, wenn man in bestimmten Interaktionsfeldern vorherrschend normative oder vorherrschend kognitive Erwartungsstrukturen antrifft, und dass auch einer Verschiebung vom einen zum anderen Erwartungsstil erforschbare Zusammenhänge zugrunde liegen. Es ist keine Frage, dass in allen Sozialsystemen 6 (insbesondere hier im Rechtssystem) normative und kognitive Erwartungen miteinander und nebeneinander bestehen. Aber die strukturelle Präferenz für normative Leitlinien der Erwartungsbildung auf der Ebene des Gesellschaftssystems tritt markant hervor und verlangt eine Erklärung. Diese liegt ganz einfach darin, dass ein normativer Erwartungsstil leichter institutionalisierbar ist als ein kognitiver. Für fest behauptete, durchzuhaltende Erwartungen oder für die solche Erwartungen organisierenden Symbole lassen sich leichter Mitengagements und Konsensaussichten beschaffen 7 als für lernbereit postulierte Erwartungen; denn im letzteren Falle der kognitiven Erwartungen müsste der Konsens gleichsam pauschal für eine noch unbestimmte Änderung erteilt werden. Zum Teil hängt das damit zusammen, dass man in Enttäuschungslagen schlecht lernen kann, zum Teil damit, dass man im voraus nicht ausmachen kann, wie die Erwartungen geändert werden. Angesichts dieses Unterschiedes der Institutionalisierungschancen werden die nicht ganz selbstverständlichen, riskanteren Verhaltenserwartungen eher enttäuschungsfest und nicht lernbereit, eher normativ und nicht kognitiv institutionalisiert; das gilt zumindest für strukturtragende Erwartungen, auf deren Enttäuschung man sich nicht ohne weitere Folgen einstellen kann. Dadurch kommt es, wie man in kleinen Gruppen täglich beobachten kann, zu Prozessen der „moralischen Selbstaufwertung“ des je eigenen Systems, die ins Irreale, 8 aber auch zu Innovationen führen können. Die bessere Generalisierbarkeit des Wünschbaren und Normativen 9 wird zur Abhebung sozialer Strukturen von der Wirklichkeit ausgenutzt. Im Aufbau von zunehmend „unnatürlichen“, nicht selbstverständlichen, zum Beispiel hochspezialisierten Erwartungen der mensch___________ 6
Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft A und B, Frankfurt/M. 1997. Peter M. Blau, „Patterns of Deviation in Work Groups“, Sociometry 23 (1960), S. 245 (258 ff.). 8 Claude C. Bowman, „Distortion of Reality as a Factor in Morale“, in: Arnold M. Rose und andere (Hrsg.), Mental Disorder, London 1956, S. 393-407. 9 Ralph M. Stogdill, Individual Behavior and Group Achievement, NY 1959, S. 59 ff. 7
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lichen Zivilisation übernimmt der normative Erwartungsstil zunächst die Führung. Evolutionär unwahrscheinliche Verhaltensweisen werden in normativen Erwartungsstrukturen zementiert. Belege dafür findet man gerade zu Beginn des Aufbaus der neuzeitlichen Gesellschaft, wo diese Problemlösung noch nahe liegt, aber schon keinen Erfolg mehr haben kann: in der religiösen Normierung des Wahrheitsgehaltes wissenschaftlicher Forschung, bevor diese im hypothetischen Charakter ihrer Theorien und in der vorläufigen Nichtfalsifizierung von Wahrheiten eine ausreichende Arbeitssicherheit findet; in den normativen Ordnungszielen der Wirtschaftspolitik, bevor die Wirtschaft das Risiko einer rein kognitiven Orientierung an Marktveränderungen inkorporiert; in den Versuchen einer naturrechtlichen Bindung der Rechtspolitik, bevor man das Risiko der Rechtsänderung in eine „demokratische“ Ordnung der Politik verlagert und dort stabilisiert. Vor diesen Wendungen zur Institutionalisierung neuartiger Risiken in ausdifferenzierten Teilsystemen der Gesellschaft waren stets die normativen Mechanismen, waren als sie organisierende Symbole Religion, Recht, Wirtschaft und Politik Risikoträger der gesellschaftlichen Evolution gewesen. Ihre Ausprägung entschied über die erreichbare Komplexität und damit über die Entwicklungschancen eines Gesellschaftssystems. Diese Leistung wurde im Denken über die Gesellschaft registriert, wurde in der alteuropäischen Tradition durch einen ethisch-politischen Gesellschaftsbegriff honoriert. Erst nach diesem Rückblick und nur mit Hilfe der verwendeten Distinktion von normativen und kognitiven Erwartungen können wir die volle Tragweite unserer Feststellung erkennen, dass im Bereich weltweit orientierter Interaktionen, also im Bereich dessen, was sich als sog. Weltgesellschaft konstituiert hat, der kognitive Erwartungsstil zu dominieren scheint. Dieser Befund wird gemeinhin als Mangel, als Fehlen welteinheitlicher Moral, Rechtsbildung und Politik, empfunden. Aber Weltgesellschaft ist ein evolutionär völlig neuartiges Phänomen. Die Erfolgsaussichten einer solchen Systembildung sind mit den vorhandenen Denkmitteln nicht abzuschätzen, und sie liegen vermutlich nicht in der Blickbahn derjenigen Kategorien, die für die traditionellen, politisch konstituierten Regionalgesellschaften adäquat werden. So gesehen, ist es bereits problematisch, die Weltgesellschaft, wie es zumeist geschieht, als „internationales“ System zu definieren und sie damit stillschweigend der Voraussetzung eines Primats der Politik zu unterstellen. 10 Über die Feststellung eines Systems von archaischer Primitivität 11 kommt man damit nicht hinaus. ___________ 10 Chadwick F. Alger, „Comparison of Intranational and International Politics“, The American Political Science Review 57 (1963), S. 406-419. 11 Roger D. Masters, „World Politics as a Primitive Political System“, World Politics 16 (1964), S. 595-619.
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Offensichtlich ist mit Hilfe der normativen Mechanismen, vor allem des Rechts, auf der Ebene politisch konstituierter Regionalgesellschaften eine evolutionär unwahrscheinliche Hochleistung stabilisiert und damit erwartbar gemacht worden – nämlich die verlässliche Motivation zu nahezu beliebig spezialisierbarem Handeln. Auf diese Weise konnte ungewöhnlich hohe Kontingenz und Komplexität in sozialen Beziehungen aufgebaut, strukturell stabilisiert und psychisch tragbar gemacht werden – aber in Abhängigkeit von regional konsolidierten politischen Mechanismen. Es könnte sein, dass diese eigentümliche Kombination von Recht und Politik gerade in ihrer besonderen Leistungsfähigkeit eine Fehlspezialisierung der Menschheitsentwicklung war, die sich, vorläufig jedenfalls, nicht auf das System der Weltgesellschaft übertragen lässt. Zumindest werden, ganz abgesehen von den augenblicklichen Realitäten, die eine politische Einigung der Menschheit verhindern, die Grenzen dieser Kombination von Recht und Politik sichtbar: Die Positivierung des Rechts erfordert den Einbau kognitiver, lernbereiter Mechanismen in den Prozess der Rechtsetzung, 12 und die Politik scheint nach wie vor darauf angewiesen zu sein, den benötigten Konsens aus „Gefahren“, Frontenbildungen und Interessengegensätzen zu gewinnen, die eigenen Mechanismen also in Bezug auf Grenzen zwischen Menschen zu stabilisieren. Die weitverbreiteten Bedenken gegen einen politisch konsolidierten Weltstaat ziehen ihre Nahrung aus einer vermuteten politischen Unfähigkeit. „Demokratisierung“ und „politische Einigung der Welt“ könnten sich als widerspruchsvolle Zielsetzungen entpuppen. Das lässt es fraglich erscheinen, ob Recht und Politik weiterhin die evolutionär führenden Risikoträger der Menschheitsentwicklung bleiben werden. Diese Zweifel verstärken sich, wenn man bedenkt, dass das klassische Modell des völkerrechtlich geregelten internationalen Systems das Einwirken gesellschaftlicher Kontrollen auf der Ebene des Nationalstaates voraussetzte. Die Weltgesellschaft war als „private world-society of individual interests“ 13 gedacht – von Interessen also, die sich als private und vor allem als wirtschaftliche auch in der staatlichen Politik Schutz und Gehör zu verschaffen wussten. Inzwischen sind die Prämissen dieses Modells durch die reale Entwicklung überholt. Die Probleme der Weltgesellschaft, wie immer sie liegen mögen, lassen sich nicht auf der Ebene einer nationalen Politik als private Interessen artikulieren; weder passen sie durch das Nadelöhr einer staatlich verstandenen Politik, noch lassen sie sich als private Interessen darstellen und motivieren. Und damit entfällt die weitreichende Ordnungsvorgabe und Entlastung, die das ___________ 12 Niklas Luhmann, „Positivität des Rechts als Voraussetzung einer modernen Gesellschaft“, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1 (1970), S. 175-202. 13 Gerhart Niemeyer, Law without Force: The Function of Politics in International Law, Prinston/London/Oxford 1941, S. 209.
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klassische Völkerrecht an jenem Vorgang einer zunächst dynastisch, dann kapitalistisch domestizierten nationalen Politik finden konnte. Mit all dem ist nicht notwendig ein Stagnieren der gesellschaftlichen Entwicklung vorausgesagt, wohl aber eine Verlagerung des evolutionären und funktionalen Primats auf andere Teilsysteme und Mechanismen der Gesellschaft. Heute definieren Wirtschaft, Wissenschaft und Technik die in der Gesellschaft zu lösenden Probleme mitsamt den Bedingungen und Grenzen ihrer Lösungsmöglichkeit, und der Rang einer Politik bestimmt sich nicht aus ihr selbst oder aus eigenen normativen Vorstellungen heraus, sondern aus dem Abstraktionsniveau und dem Weitblick, mit dem sie sich ändernde Lagen in Pläne fasst. Wirtschaft, Wissenschaft und Technik aber beruhen heute auf einem ausgeprägt kognitiven Erwartungsstil. Sie können und werden Enttäuschungsrisiken nicht durch normatives Durchhaltenwollen, sondern durch Lernen absorbieren. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, wissen wir nicht. Einige Vermutungen liegen auf der Hand. Lernen kann man nur (und kann man nur erwarten!), wenn Enttäuschungssituationen hinreichend strukturiert sind, so dass man rasch und sicher neue Erwartungen bilden kann. Dafür geeignete Schematisierungen, teils institutioneller, teils gedanklicher Art, sind in der Form von Märkten und Organisationen, 14 Plänen, Theorien und Modellen geschaffen und werden zunehmend als Variablenkombinationen begriffen, das heißt als Schemata für das Auffangen von Veränderungen. 15 Dazu kommen vergleichsweise höhere Anforderungen an Sicherheit, nämlich Sicherheit der Verfügung über Ressourcen und Substitutionsmöglichkeiten, die beim Sicheinlassen auf neue Erwartungen aktiviert werden können. Nicht zuletzt dürfte Lernfähigkeit von sehr weitgehender Differenzierung und Spezialisierung sozialer Systeme abhängen. Mit all dem sind nur Problemstellungen angedeutet und ist nichts darüber ausgemacht, ob und wie solche Einrichtungen über Lernfähigkeit zur Stabilisierung der Struktur eines Systems der Weltgesellschaft beitragen können. Diese Frage lässt sich heute nicht abschließend beantworten. Die Einseitigkeit der Gesichtpunkte legt die Bedingung dessen, was als möglich erscheint, so abstrakt fest, dass die Möglichkeitshorizonte der Teilsysteme immens erweitert und inkompatibel werden. Was z.B. passionierte Liebe von den Liebenden fordert, nimmt weder auf Beruf noch auf Wahrheit, weder auf Politik noch auf Recht noch auf verständiges Umgehen mit Geld ausreichend Rücksicht. So verlieren alte Institutionen ihr „inneres Maß“, das heißt ih___________ 14 Ernst B. Haars, Beyond the Nation-State: Functionalism and International Organisation, Stanford, Cal. 1964. 15 Hans K. Schneider, „Planung und Modell“, in: Zur Theorie der allgemeinen und regionalen Planung, Bielefeld 1969, S. 42 (51).
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ren Bezug auf geschichtlich ausgereifte, gesamtgesellschaftlich ausgeglichene und durch Normen geordnete Erfordernisse. Das sie ersetzende Leistungsstreben muss durch explizit gezogene Grenzen in Schranken gehalten werden – exemplarisch abzulesen an der Begrenzung der Politik durch Grundrechte und darüber hinaus auch an der deutschen Diskussion über sog. „Drittwirkung und Schutzpflicht“ der Grundrechte. 16
V. Schlussfolgerung: Entstaatlichung durch Mediation? In Korea ist heutzutage eine Mediation nicht durch die Gerichte, sondern durch die Verwaltungsgremien im Aufschwung: z.B. Mediationsgremium für Verbraucherstreite (§ 60 Koreanisches Rahmengesetz für die Verbraucher), Mediationsgremium für die Prüfung der ärztlichen Behandlung (§ 70 Koreanisches Gesetz für die ärztlichen Behandlung), Mediationsgremium für die Baustreite (§ 69 Koreanisches Bauindustrierahmengesetz), Mediationsgremium für die Umweltstreite (§ 4 Koreanisches Mediationsgesetz für Umweltstreite), Mediationsgremium für die Finanzstreite (§§ 51 ff. Koreanisches Gründungsgesetz der Finanzaufsichtsorgane u.a.), Mediationsgremium für Urheberrechtsstreite (§ 112 Koreanisches Urheberrechtsgesetz), Mediationsgremium für die Pressestreite (§§ 18 ff. Koreanisches Gesetz für Pressevermittlung und Schadenersatz u.a.). Die Streitlösung durch die Mediation, die die charakteristischen Merkmale no cost, no form, no lawyer zeigt, besitzt offenbar Vorteile. Die koreanische Literatur erhebt jedoch zahlreiche Einwände im Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit und auf den Rechtsschutz durch die Gerichte gegen die außergerichtliche Streiterledigung (z.B. übermäßige Erweiterung der Streiterledigung nicht durch die Gerichte, sondern durch die Verwaltungsorgane, insbesondere im Falle von notwendigen vorgerichtlichen Verfahren; Zwangsmediation durch die außergerichtlichen Mediatoren; die Rechtswirkung des außergerichtlichen Mediationsprotokolls im Verhältnis zur gerichtlichen Mediation oder zum Urteil). Ein Blick auf Staatswissenschaft, Staatslehre, Staatstheorie und politische Wissenschaft zeigt jedoch die Begriffe Staat und Politik in einer Gemengelage, die schwer zu entwirren ist 17 . Der alte Begriff des Politischen, der durch die Differenz zum Haus bestimmt war und annähernd mit dem des „Zivilen“ übereinkam (ja im 17. Jahrhundert in Europa zunächst auch entsprechend erweitert wurde), ist aufgegeben. Politisches hat, wenn nicht begrifflich, so doch um___________ 16 Matthias Ruffert, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Privatrecht, JZ 2009, 389 ff. 17 Niklas Luhmann, Society, Meaning, Religion – Based on Selfreference, Sociological Analysis 46 (1985), S. 5-20.
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gangssprachlich einen Bezug auf den Staat angenommen. Im Staat und auf den Staat konzentriert sich nach heutigem Verständnis die Politik. Die damit notwendige, weil zentrale, Klärung des Staatsbegriffs hat sich jedoch nicht erreichen lassen. Nach wie vor begnügt sich die Staatslehre mit der Trias Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt, ohne nach der Einheit dieser Dreifaltigkeit auch nur zu fragen. Das Fehlen einer genuin „trinitarischen“ Einheitskonzeption zementiert zugleich den „Rechtsstaat“; es ist nach der luhmannschen Formulierung ein verborgener Hinweis darauf, dass der Einheitsbegriff der Selbstbeschreibung des politischen Systems der Gesellschaft bei einem anderen Funktionssystem ausgeliehen werden muss, nämlich beim Rechtssystem. Er liegt im Begriff der juristischen Person. Die im 19. Jahrhundert ausgebildete Lehre von der Rechtspersönlichkeit des Staates ist der juristische Ausdruck dafür, dass im Verfassungsstaat Herrschaft nicht personal oder kraft Eigentums ausgeübt wird, sondern kraft eines Amtes und nach Maßgabe verfassungsrechtlich zugewiesener Kompetenzen. Staatsgewalt, umfassend Gebietshoheit und Personalhoheit, ist nun mehr staatliche Herrschaft als rechtlich geordnete Erscheinung. 18 Von „Selbstbeschreibung“ kann bei sozialen Systemen nur mit Bezug auf Kommunikation die Rede sein. Der Staat hat seine Realität mithin nicht, wie bei Max Weber, im Bewusstsein des Einzelmenschen, der den Sinn seines Handelns am Staat orientiert; sondern ein politisches System beschreibt sich selbst als Staat, wenn Kommunikationen, die diese Formel verwenden, als verstehbar eingeschätzt und verstanden werden (was immer konkret im Bewusstsein des Einzelnen dabei abläuft). Die Streitkultur in einer Gesellschaft ist eng mit den gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und kulturellen Entwicklungen verknüpft und hat in der Geschichte erhebliche Wandlungen vollzogen. Die grundsätzliche Neubewertung des Verhältnisses von Staat und Bürger betrifft auch die Funktion des Rechts in der Gesellschaft. Zivilgesellschaftliche Emanzipation sowie die Komplexität moderner Gesellschaften werden in einer globalisierten „digilog(digital+analog)isierten“ Welt schrittweise zu einer Auflösung des klassischen Hoheitsstaates führen. Damit einher geht ein Wandel der Funktionen der konsensualen Konfliktregelung, welcher ein Vorrang vor der kontradiktorischen Streitentscheidung gebührt. Der Staat selbst tritt zunehmend als Verhandlungspartner auf und verzichtet schrittweise auf klassische Konditionalprogramme (wenn-dann) und traditionale Eingriffsregelungen zugunsten neuerer Formen der politischen Steuerungen und kooperativer Entscheidungsprozesse; er wandelt sich vom Verwaltungs- zum Verhandlungsstaat. Parallel zur Wiederentdeckung der Zivilgesellschaft wird deshalb die Entstaatlichung und Informalisie___________ 18
Peter Badura, Staatsrecht, München 1986, S. 3.
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rung der Streitregelung unter unmittelbarer Beteiligung der Konfliktparteien wachsende Bedeutung gewinnen. Mag dies zunächst im geographischen Raum des common law vor allem in den USA der Fall gewesen sein, wird dies in einer globalisierten Welt auch in Korea und in der EU im Rahmen eines sich einigenden Europas nicht aufzuhalten sein. Man kann versuchen, dies zu ignorieren, sich dagegen zu stemmen oder sich darauf vorzubereiten. Chancen, diesen Prozess konstruktiv zum Wohle der Bürger zu gestalten, die Autonomie der Bürger in der Zivilgesellschaft zu fördern, ohne die Errungenschaften der Rechtsstaatlichkeit wegzuwerfen, gibt es allemal. Selbstverständlich wird es deswegen in der Mediation oft nicht ausbleiben, dass im Rahmen einer Mediation von den Parteien Rechtsfragen eingebracht werden. Mediation findet derentwegen nicht außerhalb der Rechtsordnung statt. Allerdings ist die Rechtsnorm eben nur eines von mehreren Kriterien, einen Streit verbindlich beizulegen. Die Mediation dürfte schließlich daher ein Instrument der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährung sein.
Entstaatlichung des Rechtsschutzes? Mediation vor der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährleistung Von Michael Ronellenfitsch
I. Zum Thema Als ich vor nahezu 10 Jahren auf der von Hoffmann-Riem und SchmidtAßmann durchgeführten Tagung „Konfliktbewältigung durch Verhandlungen“ über das Thema „Konfliktmittlung aus Anlass von Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren“ referierte, 1 gab ich gleich zum Anfang zu, dass ich mich mit dem Thema schwer tat. Das gilt auch noch heute. Abgesehen davon, dass dogmatische Reimporte aus den USA die Neigung steigern, die Imitation durch Exzesse auf die Spitze zu treiben, kann ich mit der im Thema unterschwellig zum Ausdruck gebrachten These nichts anfangen, durch die Mediation werde der staatliche effektive Rechtsschutz gefährdet. Gegenwärtig sehe ich diese Bedrohung nicht. Ein den gerichtlichen Rechtsschutz substituierendes Mediationsverfahren zeichnet sich gegenwärtig nicht ab. Über die „verfehlte These vom Ende der Staatlichkeit“ 2 ist kein Wort mehr zu verlieren. Effektiver Rechtsschutz bedeutet letztinstanzlich nationalstaatlicher Rechtsschutz, mag auch der EuGH im Vorlageverfahren gesetzlicher Richter i.S.v. Art. 101 GG sein. 3 Nach meinen eigenen Erfahrungen gibt eher das Dogma vom effektiven Rechtsschutz dem Mediationsverfahren keine Chance. Das ist zu bedauern, da das Mediationsverfahren einen Beitrag zur Entlastung der Gerichte leisten und dadurch mittelbar die institutionelle Garantie des effektiven Rechtsschutzes stabilisieren könnte.
___________ 1 Ronellenfitsch, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, 1990, S. 185 ff. 2 Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl., 2008, Rn 46. 3 BVerfGE 82, 159.
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II. Begriffe 1. Mediation „Mediation“ von lateinisch „medius“ stellt auf einen in der Mitte stehenden, einen Vermittler ab. Zu unterscheiden ist damit der Mediator von den Konfliktparteien (den Medianten). Obwohl der „Mediator“ eine schillernde Figur ist, die durch zahlreiche Fachdisziplinen vagabundiert, hat sich die Rechtsordnung dieses Begriffs angenommen. In § 2 Abs. 3 Nr. 4 RDG 4 ist geregelt, dass die Mediation und jede andere Form alternativer Streitbeilegung keine Rechtsdienstleistung ist, sofern die Tätigkeit nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift. Es kommt somit nicht darauf an, wer „Mediator“, sondern was „Mediation“ ist, nämlich eine Form alternativer Streitbeilegung. Die Alternative ist die staatlich-autoritative, regelmäßig gerichtliche Streitbeilegung. Dadurch gerät die Mediation in einen Gegensatz zum gerichtlichen Rechtsschutz. 2. Rechtsschutz Rechtsschutz ist eine Ausprägung des im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs. 5 Als soziale Funktion, als autoritative Entscheidung von Rechtsfällen in Anwendung rechtlicher Normen durch hierfür besonders eingerichtete Organe, ist der Rechtsschutz schon im Alten Testament nachgewiesen (König Salomon). 6 Spezifische unabhängige Rechtsschutzorgane bildeten sich jedoch erst zu Zeiten des aufgeklärten Absolutismus heraus. Die Reichshofräte 7 waren ebenso wie – formal – die Kammergerichtsräte Beamte des Kaisers, 8 d.h. keine unabhängigen Richter. Noch lange Zeit war die Trennung von Policey und Justiz schwierig. Immerhin fanden im Zivilund Strafrecht „ordentliche“ Richter ihren Einsatz, während sich die außeror___________ 4 Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz [RDG] vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840). 5 Vgl. BVerfGE 116, 69 (88). 6 Bibel, 1 Buch der Könige 3-16-28. 7 Die Reichshofratsordnung vom 16.3.1654 war vom Kaiser ohne Befragung der Reichsstände gegeben worden; vgl. Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, 6. Aufl., 1954, S. 48 ff. 8 Obwohl es im Namen des Kaisers Recht sprach, war das Reichskammergericht überwiegend ein ständisches Gericht. Die Hälfte der Beisitzer musste „der recht gelehrt und gewiridgt“ sein, womit die Kenntnis des römischen Rechts gemeint war. Dadurch war die Entwicklung eines Richterstandes vorgezeichnet. Zur Entwicklung des Richterstaats Ronellenfitsch, Moderne Justiz, Datenschutz und richterliche Unabhängigkeit, DuD 2005, 354 ff.
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dentlichen Rechtsschutzinstanzen auf den Verwaltungsbereich konzentrierten. Die Verwaltungsrechtspflege war zunächst für die interne Kontrolle des objektiven Rechts vorgesehen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip wurde dann aber die staatliche Justizgewährleistungspflicht, d.h. die Pflicht des Staates, für eine funktionsfähige Rechtspflege zu sorgen. Danach sind Gerichte einzurichten, die in richterlicher Unabhängigkeit alle Rechtspflegeaufgaben mit der gebotenen Sorgfalt bewältigen können. Verfassungsrechtliche Grundlage für die Organisation der Gerichtsbarkeit und die Stellung der Richter sowie das Verhältnis des Einzelnen zur rechtsprechenden Gewalt enthält der IX. Abschnitt des GG, der den Funktionsbereich der rechtsprechenden („Dritten“) Gewalt umfassend umschreibt. Rechtsprechung im materiellen Sinne ist die von vorausgehenden und nachfolgenden Vollziehungsakten abgetrennte rechtliche Beurteilung von Sachverhalten durch ein unabhängiges Staatsorgan. Das kann auch ein Verwaltungsorgan sein. Im formellen Sinn sind alle Akte der Gerichte Rechtsprechung. Da es keine materiellen trennscharfen Abgrenzungskriterien zwischen der rechtsprechenden und verwaltenden Funktion gibt, gibt es keinen rein materiellen Begriff der Staatsfunktion Rechtsprechung. Die rechtsprechende Funktion kann daher nur unter zusätzlicher Zuhilfenahme formaler Kriterien bestimmt werden (gesondertes Verfahren, Unabhängigkeit der Richter). Mediation lässt sich damit nur schwer von der Rechtsschutzfunktion abgrenzen. Festzuhalten ist gleichwohl, dass die Rechtsschutzfunktion einen Akt der richterlichen Gewalt (Art. 92 GG) erfordert. Hinzu kommt, dass Art. 19 Abs. 4 GG gegen jeden Akt der öffentlichen Gewalt gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass der deutsche Rechtsstaat in erster Linie Rechtswegestaat ist. Der Rechtswegestaat impliziert eine Gerichtsbarkeit durch unabhängige Richter. Das Thema muss daher klarstellend umformuliert werden in „Meditation vor der Garantie gerichtlicher Rechtsschutzgewährleistung“.
III. Gerichtlicher Rechtsschutz 1. Individualrechtsschutz und objektive Rechtskontrolle Während die Zivilgerichte auf der Grundlage des Aktionendenkens seit jeher Individualrechtsschutz gewähren, 9 diente die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit in ihrer historischen Entwicklung verschiedenen Zwecken. In diesem Zusammenhang wird regelmäßig das preußische Modell der objektiven Rechtskontrolle dem namentlich in Württemberg entwickelten subjektiven ___________ 9
Gaius, Institutionen, VI, 11, 12.
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Rechtsschutz gegenübergestellt. Dem folgt dann die Aussage, dass sich Art. 19 IV GG zugunsten des Individualrechtsschutzes entschieden habe. 10 Gerade die historischen Modelle zeigen aber bei näherer Betrachtung, dass sich objektive Rechtskontrolle und subjektiver Rechtsschutz in der Praxis häufig nur schwer trennen lassen. Verantwortlich hierfür dürften auch begriffliche Unklarheiten sein. Bei der objektiven Rechtskontrolle wird geprüft, ob die Verwaltung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen hat. Welche Rechtsnormen verletzt sein könnten, ist dabei unerheblich. Anders beim Individualrechtsschutz: Relevant ist nur der Verstoß gegen Rechtsnormen, die dem Individualschutz dienen (Schutznormen). Individuelle Rechte sind einem Rechtssubjekt zugeordnet, wobei auch ein Kollektiv das Rechtssubjekt sein kann. Das Rechtssubjekt hat die Verletzung eigener („seiner“), nicht jedoch fremder Rechte zu rügen. Schwierigkeiten entstehen nun dadurch, dass dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz gelegentlich – insbesondere auf dem Gebiet des Umweltschutzes – überhaupt keine subjektiven Rechte korrespondieren. Dann besteht für manche die Neigung, sich zum Wahrer des Allgemeininteresses zu bestellen. In Wahrheit geht es denjenigen, die solche Popularklagen erheben, jedoch nicht um die Einhaltung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Vielmehr soll der Vorrang partikulärer Belange durchgefochten werden; die Grenzen zur Interessendurchsetzung verfließen. Ist schon die Trennung von subjektiven Rechten und objektivem Recht schwierig, so erweist sich die Trennung von Individualinteressen und Interessen der Allgemeinheit noch komplizierter. Trotzdem darf nie vergessen werden, dass Art. 19 Abs. 4 GG nur individuellen Rechtsschutz garantiert. Das schließt eine objektive Rechtskontrolle nicht aus. Geboten ist sie nicht. 2. Effektiver Rechtsschutz Art. 19 IV GG gewährleistet umfassenden und damit effektiven Rechtsschutz auch auf dem Gebiet der Verwaltung. 11 Effizienz bedeutet, dass auf das Rechtsschutzziel abzustellen ist. Rechtsschutzziele können sein: x der Rechtsschutz als solcher, ___________ 10
Vgl. nur Krebs, Festschrift für Menger, S. 191. Zum effektiven (vorläufigen) Rechtsschutz BVerfGE 35, 263 (274); seither st. Rspr. vgl. etwa BVerfGE 94, 166 (216, 226); 97, 298, 315; KB vom 15.8.2002, DVBl. 2003, 257 (Vergabestreit) KB vom 17.5.2004, NJW 2004, 2297 (2298) (Grundwehrdienst); KB vom 19.3.2004, NJW 2004, 3100 (Vornahmesachen); vom 20.3.2009 http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20090320_1bvr241008.html; EuGH vom 11.8. 2003, DVBl.2004, 34 – Sfelero/Prefetto ie Genova.; LSAOVG vom 12.11.2008, NJW 2009, 1829. Allgemein Wilfinger, Das Gebot effektiven Rechtsschutzes in Grundgesetz und Europäischer Menschenrechtskonvention, 1995. 11
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x Zeitgewinn oder x eine inhaltliche „gerechte“ Entscheidung. Diese Ziele werden verwischt durch die Forderung nach einem (Grund-) Rechtsschutz durch Verfahren. 3. Rechtsschutz durch Verfahren Nicht zuletzt wegen des Mülheim-Kärlich-Beschlusses des BVerfG vom 20. 12. 1979 12 wurde der Grundrechtsschutz durch Gestaltung des Verwaltungsverfahrens in den 1980er Jahren zu einem Modethema, das allmählich ausdiskutiert schien, zuletzt aber unter gemeinschaftsrechtlichen Vorzeichen reanimiert wurde. 13 Bekanntlich haben nach Ansicht des BVerfG Verfahrensvorschriften, die nach dem Willen des Gesetzgebers ein Grundrecht grundlegend sichern, Verfassungsrang. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften soll sich auf das jeweilige Einzelgrundrecht auswirken. Im konkreten Fall kann mit solchen Aussagen indessen wenig angefangen werden. Ganz abgesehen davon, dass weder Anlass noch Notwendigkeit für die Hochstufung einfacher Verfahrensvorschriften auf die Ebene des Verfassungsrechts besteht, ließ das BVerfG selbst offen, welche Verfahrensvorschriften im Einzelnen grundrechtsrelevant sind. Offen blieb außerdem, welche Sanktionen an die Verletzung von Verfahrensvorschriften geknüpft sind. Auf den ersten Blick liegt die verbreitete Argumentation nahe, Verfahrensvorschriften seien grundrechtsrelevant und damit so wichtig, dass ihre Verletzung automatisch zur Aufhebung der späteren Verwaltungsentscheidung führen müsse. Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht. In den meisten Fällen stellen Verfahrensvorschriften nämlich lediglich den geordneten Ablauf des Verwaltungsverfahrens sicher. Sie haben dann nur komplementäre Bedeutung; denn allein maßgeblich ist die rechtmäßige Sachentscheidung. Letztlich kann also nur ein Verfahrensverstoß beachtlich sein, der die Sachentscheidung beeinflusst hat. Trennt man Verfahrensverstoß und Sachentscheidung, so wird die Verfahrenskontrolle zum Selbstzweck; genauer: Die Aufhebung der sachlich richtigen Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers dient der Disziplinierung der Verwaltungsbehörde. Mit Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung hat das in Wahrheit nichts mehr zu tun.
___________ 12 13
BVerfGE 53, 30. Vgl. Kahl, VerwArch 2004, 1.
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4. Materielle Gerechtigkeit Für den Grundrechtsschutz, wie allgemein für den Rechtsschutz, kommt es allein auf die materielle Rechtsbeeinträchtigung an. Daraus folgt zweierlei: Zum einen muss eine Verwaltungsentscheidung nicht aufgehoben werden, weil sie unter Verletzung von (nicht zwingenden) Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Zum anderen besteht für Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn sie zusammen mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden.
IV. Mediation 1. Merkmale Mediation ist an sich jegliche Form der Streitbeilegung in einem Rechtsstreit außerhalb des formalisierten gerichtlichen Verfahrens. Erscheinungsformen können insoweit nur im Hinblick auf die Auswirkungen der Mediation auf den gerichtlichen Rechtsstreit unterschieden werden. Jedoch hat sich zur Mediation schon eine eigene Terminologie und Branche herausgebildet, die der Mediation eine typische Struktur zuweist. Das berechtigt es, von Merkmalen der Mediation zu sprechen. Die Merkmale betreffen die Rollenverteilung der Akteure und den Verfahrensablauf. Zur Mediation wird eine Vermittlung in einem Rechtsstreit erst dann, wenn der Vermittler neutral ist und den Beteiligten die Lösung nicht vorgibt. Die beteiligten Konfliktparteien müssen die Lösung selbst erarbeiten. Der Mediator verfügt über keine Entscheidungskompetenz in der Sache und macht auch keine direkten Lösungsvorschläge. Der Verfahrensablauf vollzieht sich regelmäßig folgendermaßen: (1) Verfahrensabsprache (2) Erarbeitung der regelungsbedürftigen Fragestellungen (3) Streitanalyse (4) Lösungsmodelle (5) Abschließende Vereinbarung 2. Formen Zu unterscheiden sind den Rechtsstreit ersetzende und ergänzende Mediationen.
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a) Substituierende Mediation Die Mediation ist nur dann substituierend, wenn sie vollständig an die Stelle eines gerichtlichen Rechtsstreits tritt. Verfassungshistorisch kam die substituierende Mediation in Betracht, solange kein lückenloser Rechtsschutz eröffnet war. International besteht eine vergleichbare Lage. b) Ergänzende Mediation In laufenden gerichtlichen Verfahren ist in vielen Gerichten bereits ein Mediationsverfahren durch zu Mediatoren ausgebildete Verwaltungsrichter oder -richterinnen eingeführt. Eine derartige Mediation ist ein von dem anhängigen Rechtsstreit losgelöstes Verfahren, in dem die Beteiligten unter Leitung des Mediators eine einvernehmliche Lösung anstreben. Gelingt die Mediation und wird eine Lösung gefunden, wird auch das gerichtliche Verfahren einvernehmlich beendet. Wird in der Mediation keine Einigung erzielt, können die Beteiligten das (zwischenzeitlich ruhende) Verfahren wieder aufrufen. In beiden Fällen ergänzt die Mediation das gerichtliche Verfahren; denn auch bei einer einvernehmlichen Lösung muss das gerichtliche Verfahren förmlich beendet werden. 3. Historisches Vorbild: Austrägalverfahren Auf Betreiben Bayerns und Hessens wurde Art. 11 Abs. 4 in die Bundesakte vom 8. Juni 1815 eingefügt, der bei Streitigkeiten der Bundesmitglieder eine Vermittlung durch die Bundesversammlung vorsah. 14 Das Austrägalverfahren führte zu einer „Vergerichtlichung“, indem für derartige Streitigkeiten das Bundesverfassungsgericht zuständig wurde. Daraus lässt sich folgern: Substituierende Verfahren tendieren dazu, sich in gerichtliche Verfahren weiter zu entwickeln. 4. Internationale Parallele: Streitbeilegungsverfahren Internationale Streitbeilegungsverfahren mit Mediationscharakter sind verbreitet. Am bedeutsamsten ist das Streitbeilegungsverfahren nach dem WTORegelwerk. 15 Das Streitbeilegungsverfahren entwickelte sich auf der Grundla___________ 14
Florian Betz, Die Austrägalinstanz des Deutschen Bundes, 2007. Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten vom 15.4.1994 (BGBl. II S. 1749). 15
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ge von Art. XXII und Art. XXIII GATT 1947, bei dem seit 1952 unabhängige Panels eingesetzt wurden, die eine strikt regulierte Schlichtung vornehmen sollten. Eine Entscheidung über Einsetzung und Zusammensetzung eines Panels, seine Verfahren und die Annahme und der Panel-Bericht hatten durch Konsensbeschlüsse im GATT-Rat zu erfolgen, so dass auch der Staat, gegen den sich die Vorwürfe richteten, zustimmen musste. Er konnte durch seinen Einspruch den Konsens verhindern. Die Umsetzung von – nicht verhinderten – Panel-Berich-ten blieb offen. Faktisch bewirkte aber der Konformitätsdruck, dass sich die Staaten dem Streitschlichtungsverfahren nicht entzogen. Die meisten GATT-Berichte wurden daher angenommen. Jedoch wurden immer wieder Streitbeilegungsentscheidungen missachtet. Vor allem aber wurden zahlreiche Konflikte außerhalb des GATT ausgetragen. Zu den Erfolgen der Uruguay-Runde zählt die Vereinbarung über Regel und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (Dispute Settlement Understanding – DSU). Auch hier ist eine „Vergerichtlichung“ zu beobachten. Das führt in der Praxis allerdings dazu, dass sich die Streitenden häufig auf ein formloses Vorgehen einigen.
V. Juridifizierung der Mediation 1. Gerichtsförmiges Verfahren Beim Institut der Mediation zeichnet sich die Tendenz ab, die formlose Mediation einem formalisierten gerichtlichen Verfahren anzunähern. Zu einer Ersetzung des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Individualrechtsschutzes kann und darf das aber nicht führen. Als Surrogat für den Schutz subjektiver Rechte scheidet die Mediation aus. Nicht unter Art. 19 Abs. 4 GG fällt die objektive Rechtskontrolle einschließlich der Kontrolle des ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens. Objektivrechtliche Elemente des gerichtlichen Verfahrens könnten daher ausgeklammert und abschließend im Mediationsverfahren geklärt werden. Der gesamte „edukatorische“ Rechtsschutz ließe sich so in eine Selbstkontrolle der Verwaltung umgestalten. Den Anstoß für die Selbstkontrolle würden dann Private (z.B. NGOs) geben. Ob man dem deutschen Hang zum Verbandswesen und Denunziantentum auf diese Weise ein Betätigungsfeld schaffen sollte, sei dahingestellt. Der Weg erscheint immer noch besser, als den gerichtlichen Individualrechtsschutz durch extensive Handhabung der Verbandsklagerechte zu denaturieren. 2. Gerichtsähnliches Verfahren Die Ausgestaltung des Mediationsverfahrens ist eine Zweckmäßigkeitsfrage. Angesichts des hohen Ansehens der Gerichte in der Öffentlichkeit könnte man
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eine Akzeptanzverbesserung der Mediation durch Anleihen bei der gerichtlichen Verfahrensgestaltung anstreben. Sinnvoll wäre das nur bei der vorstehend behandelten substituierenden Mediation. Für die ergänzende Mediation gilt das nicht. In der Formlosigkeit und Distanzierung vom gerichtlichen Verfahren liegt gerade der Reiz der Mediation. Akzeptanz genießen die Richter, nicht die Gerichte. Die Gerichtähnlichkeit würde lediglich die irrige Annahme einer weiteren gerichtlichen Instanz bestärken. Eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte könnte die gerichtsähnliche Verfahrensgestaltung der Mediation nicht rechtfertigen.
VI. Ergebnis Das Mediationsverfahren versteht sich als Alternative zum gerichtlichen Rechtsschutz. Es kann diesen nicht ersetzen, soweit effektiver individueller Rechtsschutz geboten ist. Elemente der objektiven Rechtskontrolle einschließlich der Verfahrenskontrolle könnten aber in das Mediationsverfahren übertragen werden. Ob die Intention des Mediationsverfahrens, Streit zu schlichten, dagegen spricht, objektiv-rechtliche und „altruistische“ Fragestellungen aus dem Rechtsstreit zu eliminieren und sie neutral klären zu lassen, sei lediglich als Frage aufgeworfen. Die Frage muss politisch beantwortet werden. Der Gesetzgeber geht bislang offenbar davon aus, dass sich im Rechtsstreit mit allgemeinpolitischer Breitenwirkung objektivrechtliche Fragestellungen nicht ausblenden lassen. So wurde trotz § 47 Abs. 2 VwGO im Normenkontrollverfahren § 113 VwGO nicht für anwendbar erklärt. Das könnte allerdings nur ein Versehen gewesen sein. Die substituierende Mediation bedarf dennoch der Diskussion. Ihr ist jedoch allemal das ohne Not weitgehend abgeschaffte Widerspruchsverfahren vorzuziehen. Die ergänzende Mediation ist verfassungsrechtlich unproblematisch. Auch im Hinblick auf den subjektiven Rechtsschutz schließen sich Mediation und gerichtlicher Rechtsschutz nicht aus, sondern sind auf Ergänzung angelegt. Die Mediatoren müssen keine Richter sein, auch wenn das Richterimage für die Akzeptanz der Anregungen förderlich ist. Zur Vermeidung eines Rechtsstreits sollte aber nicht auf die Befähigung zum Richteramt verzichtet werden. Dies ist im Übrigen ein Argument, die Orientierung der Juristenausbildung an der richterlichen Tätigkeit (nicht das Amt!) zu verteidigen. Auf diese Weise bleiben Anwälte Organe der Rechtspflege und werden nicht zu Lohnempfängern ihrer Mandanten. Sie kommen damit ebenfalls als Mediatoren in Betracht.
Mediation und Gemeinwohl – eine Beziehungsanalyse Von Mario Martini Jüngst wurden wir Zeugen eines stillen Triumphes: Der Hessische VGH verlangt für den Frankfurter Flughafen eine striktere Nachtflugregelung 1 . Für die Anwohner ist das ein fulminanter Erfolg. Das Urteil hat noch einen stillen Sieger: die Mediation als Konfliktschlichtungsmechanismus. Das Urteil deckt sich mit dem Ergebnis, auf das sich das Flughafenmediationsverfahren bereits vor Jahren geeinigt hatte. Der Befund mag ein Zufall sein. Jedenfalls ist er ein Denkanstoß – ein Anlass nachzudenken über mögliche Gemeinwohlwirkungen und befriedende Chancen der Mediation. Stecken in ihr bereits die Auspizien des Gemeinwohls? Oder aber gefährdet sie die Gemeinwohlfindung? In der deutschen juristischen Literatur finden sich dazu interessanterweise bislang eher zahlreiche Mosaiksteine denn ein geschlossenes Bild. Ein solches will der Beitrag zeichnen. Zunächst fahndet er nach dem Proprium der Mediation, ihrem Mehrwert (unten I.). Auf dieser Grundlage untersucht er, unter welchen Voraussetzungen dieser Mehrwert im öffentlichen Recht fruchtbar gemacht werden kann und welche Grenzen die Gemeinwohlvorstellung des öffentlichen Rechts dem zieht (unten II. und III.). Der Belastungstauglichkeit der Mediationsidee sind im öffentlichen Recht – so wird sich zeigen – in erheblichem Umfang Schranken gesetzt (unten IV.).
I. Idee und Mehrwert der Mediation – spieltheoretische und ökonomische Grundlagen der Mediation Man mag es mit Unbehagen beobachten oder mit blankem Staunen: Mediation hat Konjunktur. Unter dem Banner „Kooperation statt Konfrontation“, „Mediation statt Eskalation“ angetreten, erobert ihre Gedankenwelt mit großen
___________ 1
HessVGH, Urt. v. 21.8.2009 – 11 C 227/08.T.
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Schritten unsere Kultur der Streitbeilegung 2 . Die Faszination, die von ihr ausgeht, lässt den Juristen etwas ratlos zurück. Für ihn stellt sich das Konfliktschlichtungsprogramm als binäres System dar: Entweder steht jemandem eine Rechtsposition zu; dann muss sie (notfalls gerichtlich) auch durchgesetzt werden können oder jemandem kommt keine Rechtsposition zu, dann soll er auch nicht mehr bekommen, als ihm zusteht. Wo kann dann noch eine Existenzberechtigung für eine Konfliktschlichtung durch Mediation liegen? Wozu namentlich eine Mediation, wo doch der unabhängige Richter und die auf das Gemeinwohl und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtete Behörde bereits hinreichend als Garanten einer interessengerechten Streitschlichtung bürgen? Den einen oder anderen beschleicht der Verdacht, es handele sich bei dem Siegeszug der Mediation schlicht um einen Marketingerfolg des amerikanischen Rechts, der unsere Rechtskultur mit markigen Losungen bedroht – einen Rückschritt hin zu materiell irrationaler Rechtsschöpfung, bei der nichtjuristische Berufsfelder Rechtsanwälten ihr angestammtes Berufsfeld streitig machen wollen. Lassen wir uns lediglich als Bewunderer des Kaisers neuer Kleider von einer Modeerscheinung blenden 3 ? Eine differenzierte Antwort erschließt sich erst bei einer interdisziplinären Öffnung des Blicks. Der Mediation geht es nicht um eine genaue Prognose eines Prozessausgangs, die rechtlich richtige Lösung, sondern um ein aliud. Sie will ein Konfliktschlichtungspotenzial befriedigen, das das juristische Programm nicht zu erfassen vermag. Das wird an einem Beispiel deutlich 4 . Zwei Schwestern streiten sich um eine Orange. Der Zivilrichter wird danach entscheiden, in wessen Eigentum die Orange steht. Das Mediationsverfahren nimmt einen Perspektivenwechsel vor. Es fragt nicht vorrangig nach den Rechtspositionen, sondern nach den Interessen der Parteien 5 , also konkret: ___________ 2 Einen rechtsvergleichenden Überblick über die internationale Verbreitung und Entwicklung der Mediationstechnik geben etwa Hellriegel, Mediation im Umweltrecht, 2002, S. 85 ff.; Karpe, ZfU 1999, 189 (194 ff.); Kunig/Rublack, Jura 1990, 1 (1 ff.) sowie die Länderberichte in Alexander, Global Trends in Mediation, 2003, S. 33 ff.; mit einem zivilrechtlichen Blickwinkel: Hess, Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streitbeilegung – Regelungsbedarf im Verfahrens- und Berufsrecht?, Gutachten F für den 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. 70 ff. 3 In diesem Sinne etwa die Befürchtung von Spellbrink, Mediation im sozialgerichtlichen Verfahren – Baustein für ein irrationales Rechtssystem, DRiZ 2006, 88 (90); zur Gefahr des Fortfalls der Leit(bild-) und Orientierungsfunktion der Rechtsprechung zur Auslegung und Fortbildung des Rechts vgl. Hess (Fn. 2), S. 102. 4 Vgl. zu dem Orangenbeispiel auch etwa Haft, Verhandeln – Die Alternative zum Rechtsstreit 1992, S. 107; Hoffmann-Riem, ZRP 2001, 190 (194 f.); Sebenius, Negotiating the Law of the Sea, 1984, S. 186. Der Urheber dieses bereits in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts verwendeten Beispiels lässt sich heute nicht mehr ausmachen. Vgl. Hauser, Eine ökonomische Theorie der Mediation, 2002, S. 33 mit Fn. 39. 5 Zwar findet sich neben der klassischen interested based-Mediation konstruktiv auch das Konzept einer auf die Bewertung der rechtlichen Positionen beschränkten Me-
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Welches Interesse haben die Schwestern jeweils an der Orange? Die eine Schwester – so stellt sich womöglich heraus – ist an dem Orangensaft interessiert, die andere an der Schale, um einen Kuchen zu backen. Die Mediation fördert damit eine Konfliktlösungsmöglichkeit zu Tage, die die Parteien durch interessengerichtetes Zusammenwirken Kooperationsgewinne erzielen lässt. Aus einem Nullsummenspiel, bei dem das, was eine Partei gewinnt, eine andere verliert, wird ein Positivsummenspiel, bei dem beide Seiten sich gegenüber der Situation ohne Einigung verbessern 6 . Die Ökonomen sprechen von einer Winwin-Lösung. Das Problemlösungspotenzial wird auf diese Weise in einem bisher unerschlossenen Bereich ausgeschöpft. Es kommt zu einer Erweiterung der Verhandlungsmasse durch Einbeziehung geeigneten Tausch- und Problemlösungspotenzials und damit zu einer Erhöhung der Allokationseffizienz 7 . Der Mediation geht es um die Ökonomie der Verständigung. Ihr Geheimnis liegt in der Entdeckung von Kooperationsgewinnen in der Streitbeilegung auf der Grundlage einer unterschiedlichen Gewichtung von Interessen – kurz: Unterschiedliche Wertschätzung ermöglicht – nach dem Grundgedanken „somebody’s trash and another one’s treasure“-Wertschöpfung 8 . Der – von Ronald Coase mit seinem Tausch-Theorem entwickelte – Gedanke der Tausch-Effizienz 9 wird so für die Konfliktlösung fruchtbar gemacht 10 . Spieltheoretische und ökonomische Erkenntnisse verbinden sich zu einem neuen Mechanismus der kooperativen Konfliktschlichtung. Der Grundgedanke der Mediation lässt sich insoweit mit der einfachen Formel erfassen: Nicht der Sieg, sondern der Gewinn soll das Ziel der Konfliktbewältigung sein. Im Blickpunkt steht also zunächst nicht, wie der Kuchen verteilt wird, sondern ob und wie der Kuchen vergrößert werden kann 11 . Aufgabe der Mediation ist es, dieses brachliegende konstruktive Potenzial des Konflikts im Interesse beider Seiten zu erschließen. Das setzt wiederum ___________ diation (right based-Mediation). Ihre praktische Bedeutung ist jedoch sehr gering. Vgl. zu den unterschiedlichen Typen der Mediation Breidenbach, Mediation, 1995, S. 13 ff.; Leiss, Zur Effizienz außergerichtlicher Verfahren im Wirtschaftsrecht, 2004, S. 87 ff. 6 Vgl. dazu im Einzelnen z.B. Breidenbach (Fn. 5), S. 69 ff.; Gaßner/Holznagel/ Lahl, Mediation, 1992, S. 53 f.; Karpe (Fn. 2), 190 f.; Klinger/Bierbrauer, Sozialpsychologie des Verhandelns, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, 2. Aufl. 2009, § 5 Rdnr. 61 ff. 7 Vgl. etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., 2008, Einl. Rdnr. 97. 8 Breidenbach (Fn. 5), S. 72; Leiss (Fn. 5), S. 11 ff. und 125 ff. 9 Coase, Journal of Law and Economics 3 (1960), S. 1 ff.; dazu etwa Martini, Der Markt als Instrument hoheitlicher Verteilungslenkung, 2008, S. 161 und 725 ff. 10 Vgl. auch Hauser (Fn. 4), S. 28 f. mit Fn. 26; Troja, Politische Legitimität und Mediation, in: Zillessen (Hrsg.), Mediation, 1998, 77 (88). 11 Die Frage, wie der Kooperationsgewinn verteilt wird, kann wiederum alle Schwierigkeiten eines als Null-Summen-Spiel empfundenen Konflikts mit sich bringen. Vgl. Breidenbach (Fn. 5), S. 73.
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voraus, dass die Parteien sich ihrer Interessen bewusst werden und diese offenbaren. Und dies ist die Hauptherausforderung der Mediation. Sie sucht nach Konfliktlösungsmöglichkeiten, die Kooperationsgewinne der Parteien sichtbar und einigungsfähig machen. Der Mediator wirkt dabei als ein neutraler Dritter ohne Entscheidungsgewalt oder Zwangsmittel mit, er versucht den Parteien auf dem Weg zu einer autonomen Einigung zu helfen – darin unterscheidet er sich auch von dem Streitschlichter, der einen eigenen Vorschlag zur Entscheidung des Streites unterbreitet. Bei der Mediation geht es mithin nicht darum, die Entscheidung eines Dritten herbeizuführen, sondern darum, gemeinsam eine Vereinbarung zu erzielen, und zwar mit Hilfe eines Dritten, der die Konfliktpartner darin unterstützt. Es handelt sich um Hilfe zur Selbsthilfe. Die Parteien bleiben für die Entscheidung ihrer Streitigkeit zuständig. Mediation ist insoweit verkürzt ausgedrückt assistiertes Verhandeln auf der Basis von Freiwilligkeit 12 . Nicht, dass das Konsensergebnis nicht auch im Wege gerichtlicher Vergleichsschlichtung denkbar wäre. Auch in Vergleichsverhandlungen lassen sich durch Hinwirken auf wechselseitiges Nachgeben und Kooperation ähnliche Ergebnisse erzielen 13 . Die Mediation nimmt für sich jedoch in Anspruch, dieses ___________ 12
Vgl. zu den unterschiedlichen Versuchen der Umschreibung des Mediationsbegriffs etwa Art. 3 lit. a der EG-Mediationsrichtlinie, Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG Nr. L 136, S. 3. Dort heißt es: „Mediation ist ein strukturiertes Verfahren, in dem zwei oder mehr Streitparteien mithilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu erzielen. Dieses Verfahren kann von den Parteien eingeleitet oder von einem Gericht vorgeschlagen oder angeordnet werden oder nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgeschrieben sein.“ Vgl. auch Grünbuch über alternative Verfahren der Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht, KOM 2002 (196) endg., S. 6; Hellriegel (Fn. 2), S. 23 ff.; Hess (Fn. 2), S. 15; Fest, Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streitbeilegung – Regelungsbedarf im Verfahrens- und Berufsrecht?, in: Verhandlungen zum 67. Deutschen Juristentag, 2008, O 54; Härtel, JZ 2005, 753 (754 ff.); Sünderhauf, Mediation bei der außergerichtlichen Lösung von Umweltkonflikten in Deutschland, 1997, S. 66 ff.; von Bargen, DVBl 2004, 468 (470); zu den Prinzipien der Mediation siehe bspw. Appel, Privatverfahren, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2008, § 32 Rdnr. 110 ff.; Hauser (Fn. 4), S. 220 ff.; Kracht, Rolle und Aufgabe des Mediators – Prinzipien der Mediation, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl. 2009, § 12 Rdnr. 9 ff. und 99 ff.; Perschel, Mediation im öffentlichen Bereich, in: Festschrift für Ekkehart Stein, 2002, S. 245 (255 ff.); Pitschas, NVwZ 2004, 396 (397); Ulrich/Vogt, DS 2009, 217 (221 f.); Voß, Mediation im Verwaltungsrecht, in: Münchener Anwaltshandbuch Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2003, § 3 Rn. 8 ff. 13 So kennt zum Beispiel § 86 Abs. 1 FGG die Vermittlung bei der Erbauseinandersetzung durch das Nachlassgericht auf Antrag eines Miterben. In § 52a FGG wird die Vermittlung bei Konflikten um das Umgangsrecht mit Kindern geregelt. Gemäß § 278 ZPO ist das Gericht gehalten, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht zu sein; auch dies stellt eine richterliche Vermittlungsaufgabe dar.
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Ergebnis methodisch zuverlässiger zu Tage zu fördern, indem sie gezielt nach gemeinsamen Interessen statt vorrangig nach Rechtspositionen fahndet und damit Kooperationspotenzial, das die Parteien nicht selbst fruchtbar zu machen in der Lage sind, konsequent erschließt. Warum diese Kooperationsgewinne sich nicht von selbst einstellen, sondern der Vermittlungshilfe eines Dritten bedürfen, kann die Spieltheorie erklären. Viele Konflikt- und Verhandlungssituationen weisen die strategischen Merkmale des Gefangenendilemmas 14 bzw. des Chicken-Race-Spiels 15 auf 16 : Die Beteiligten schädigen sich bei individuell rationalem und individuell nutzenmaximierendem Verhalten wechselseitig, obgleich sie durch Kooperation ihre Lage verbessern könnten. Die Mediation hat das Ziel, die Kooperationsbereitschaft der Akteure durch geschicktes Vermit___________ 14 Das Gefangenendilemma beschreibt die Dilemma-Situation zweier Gefangener, die gemeinsam eine Straftat begangen haben und in getrennten Verfahren vor der Wahl stehen, entweder zu gestehen oder zu leugnen. Das für beide optimale Ergebnis bestünde darin, dass beide leugnen. Das Leugnen ist für jeden Einzelnen aber mit dem Risiko behaftet, dass der jeweils andere ihn belastet, so dass er selbst die volle Strafe erhielte. Um des eigenen Schutzes willen besteht ein Anreiz, den anderen zu überführen, gleichgültig was der andere tut. Die rückhaltlose Offenbarung der eigenen Situation und Interessen birgt die Gefahr der Ausbeutung durch die andere Seite. Sie unterbleibt regelmäßig. Vgl. dazu insbesondere Eidenmüller, Ökonomische und spieltheoretische Grundlagen von Verhandlung/Mediation, in: Breidenbach/Henssler (Hrsg.), Mediation für Juristen, 1997, S. 31 ff.; Beck, Mediation und Vertraulichkeit, 2008, S. 57 ff.; Benz, Der Beitrag der Spieltheorie zur Analyse des kooperativen Verwaltungshandelns, in: Dose/Voigt (Hrsg.), Kooperatives Recht, 1995, S. 297 (304 ff.); Hager, Konflikt und Konsens, 2001, S. 64 f.; zum Gefangenendilemma allgemein Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 89; Holler/Illing, Einführung in die Spieltheorie, 6. Aufl. 2006, S. 2 ff.; Riechmann, Spieltheorie, 2. Aufl. 2008, S. 42 ff.; speziell zu den Auswirkungen von Kommunikation in derartigen Situationen auf das Verhalten Bohnet/Frey, Ist Reden Silber und Schweigen Gold?, ZWS 115 (1995), S. 169 (173 ff.). 15 Das Chicken-race-Spiel (Feigling-Spiel) beschreibt die Situation einer Mutprobe pubertierender Jugendlicher zur Lösung von Gruppen- bzw. Anführungskonflikten, wie sie durch den 1955 produzierten Film „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ („Rebel without a cause“) Berühmtheit erlangte. Zwei Autos fahren aufeinander bzw. auf einen steilen Abgrund zu. Derjenige Fahrer, der als erster aussteigt, gilt als Angsthase („chicken“). Weichen beide aus, bleibt der Kampf unentschieden. Wenn keiner von beiden ausweicht, endet das Spiel für beide tödlich. Wenn beide Fahrzeugführer die individuell präferierte Lösung (nicht als Angsthase dazustehen), verfolgen, tritt damit das Ergebnis ein, das für beide gemeinsam (und die Gesellschaft) am schlechtesten ist. Für beide ließe sich die Situation durch Verhandlungen oder Absprachen verbessern. Das Chickenrace-Spiel vermag zahlreiche politische Entscheidungsphänomene und politische Eskalationsmechanismen zu beschreiben. Die Kuba-Krise 1962 etwa wies die klassische Entscheidungsstruktur des chicken-races auf – ebenso wie das klassische (Ehren-)Duell, wie es etwa zwischen Crampas und Innstetten in Fontanes Roman Effi Briest literarische Berühmtheit erlangte. Zum chicken-race-Spiel aus spieltheoretischer Sicht etwa Riechman (Fn. 14), S. 44 f. 16 In Anlehnung an den Begriff des Gefangenendilemmas spricht die Mediationsliteratur daher auch vom Verhandlungsdilemma; vgl. etwa Hauser (Fn. 4), S. 123 ff., 128 ff.; Leiss (Fn. 5), S. 13 ff.
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teln zu befördern. Sie soll die Akteure aus der Sackgasse herausführen, in die sie die strategische Situation eines Interessenkonflikts bringen kann. Dort, wo individueller Nutzen und das Wohlergehen der Gesamtheit aufgrund einer (Gefangenen-)Dilemmastruktur systematisch nicht zueinander finden, baut sie zwischen beiden Brücken. Und dies zu einem Zeitpunkt, bevor sich die Positionen so verhärtet haben, dass zusätzlich Irrationalitätsfallen den Weg zu einer Einigung versperren: nämlich den Sieg als solchen zu einem Selbstzweck und das Nachgeben für die Beteiligten zum Eingeständnis einer Schwäche werden lassen. Die fehlende Identifikation von Kooperationsvorteilen zu Beginn des Verfahrens kann die Kontrahenten in eine Entscheidungssituation treiben, in der emotionale Aufladung oder die Höhe bereits getätigter Investitionen sie von rationalen Kooperationslösungen abhält. Dem Rüstungswettlauf, ruinösen Arbeitskämpfen, Rosenkriegen in Familienstreitigkeiten sowie vielen kostspieligen Gerichtsprozessen liegt ein solches strategisches Verhandlungs- und Eskalationsmuster zugrunde. Die Parteien haben zu viel investiert, um zu einer Kooperationslösung zu gelangen, sinnen nur noch auf die Vernichtung des Gegners und die Vermeidung von Gesichtsverlust, statt nach kooperativen Vorteilen zu suchen. Ambrose Bierce veranlasst dieser Befund im Hinblick auf Prozessparteien zu der ironisch-sarkastischen Begriffsbeschreibung: „Eine Prozesspartei ist jemand, der bereit ist, seine Haut zu opfern, in der Hoffnung, das Hemd behalten zu dürfen.“ Mit einer Dollar-Auktion lässt sich diese fatale Verstrickung 17 spieltheoretisch abbilden und in ihren strategischen Fehlsteuerungsanreizen erklären. Hier wird 1 $ in der Weise versteigert, dass nicht nur der Höchstbieter, sondern auch der Zweitbietende sein Gebot zahlen muss. Für die Bieter sieht es nach leicht verdientem Geld aus. Schließlich weiß jedermann, wie viel ein Dollar wert ist. Gleichwohl erlöst der Auktionator durchschnittlich 7 $. Der Grund: Die Auktionsgestaltung spielt die Teilnehmer gegeneinander aus und macht sie zu Kontrahenten, die den Auktionator und die Rationalität der Entscheidung aus dem Auge verlieren lassen. Ist der Bietprozess erst einmal in Gang gekommen, induziert die Furcht der Bieter als Zweitbieter und damit als Verlierer dazustehen, eine Eskalationsspirale, die bei einem irrational hohen Erlös endet 18 . Die Entscheidungspsychologie spielt der ___________ 17 Vgl. dazu Haft, Intuitive und rationale Verhandlung, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, 2. Aufl. 2009, § 4 Rdnr. 32; Klinger/Bierbrauer (Fn. 6), § 5 Rdnr. 87 ff. 18 Bei rationalem Verhalten müssten die Auktionsgebote spätestens bei 100 Cent enden. In dieser Situation weiß der Zweitbieter zugleich, dass er seine gebotenen 99 Cent bezahlen muss und als Verlierer nach Hause geht. Er wird lieber sein Gebot um 2 Cent erhöhen, um aktueller Höchstbieter zu werden, um seine Chance auf den Dollar zu wahren. Gleiches wird der bisherige Höchstbieter tun. Das fordert wiederum den Zweitbieter zu einem neuen Höchstgebot heraus. Eine Eskalationsspirale kommt in Gang, die in einem emotionalen Bietgefecht mit bisweilen heftigen Anfeindungen endet. Die Entscheidungsbedingungen induzieren eine Konfliktsituation zwischen den Bietern, das ur-
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Rationalität einen Streich 19 . Die beiden Bieter sind die Verlierer des Spiels. Zu spät stellt sich für sie – wie bisweilen in erbitterten Konflikten – die Erkenntnis ein: Es ist manchmal weiser, eine Schlacht zu verlieren, um den Krieg zu gewinnen. Die Eskalationsspirale 20 von Konflikten zu durchbrechen, die Logik der Unvernunft zu überlisten, ist die Idee und Aufgabe der Mediation. Sie soll die konstruktive, einvernehmliche Konfliktregelung im Interesse des gemeinsamen Vorteils katalysieren. Diese Idee ist auch unter dem Namen „HarvardKonzept der Verhandlung“ bekannt geworden 21 .
II. Mediation zwischen Gemeinwohlkonkretisierung und Gemeinwohlgefährdung Unbesehen lässt sich ihre Philosophie dem öffentlichen Recht freilich nicht überstülpen. Die Mediation lebt von der privatautonomen Gestaltungsfreiheit, Rechtsbeziehungen eigenverantwortlich zu gestalten und subjektive Interessen gegeneinander auszugleichen. In privatrechtlichen Streitigkeiten lassen sich ihre Synergien reibungslos und idealtypisch entfalten – insbesondere dann, wenn die Konflikte in langfristig fortbestehende Rechtsbeziehungen eingebettet sind. Die Durchsetzung hoheitlicher Rechte folgt grundsätzlich einem anderen Grundmuster. Sie lebt – insbesondere im Planungsrecht – von der Vorstellung, dass die Güter und Rechte des Einzelnen den Erfordernissen des Gemeinwohls im Einzelfall weichen müssen – nach dem Grundgedanken privatum incommodum publico bono pensatur 22 . Ihrer Struktur nach ist sie typischerweise nicht auf Win-win-Situationen, sondern auf Win-lose-Situationen angelegt – gleichsam Einbahnstraßen der Aufbürdung von Kosten auf individuell Betroffene zu Gunsten des Gemeinwohls 23 . Der Idee mittlergestützter Verhandlungen liegt ___________ sprüngliche Motiv der Gewinnmaximierung tritt in den Hintergrund; es wird abgelöst durch das Bemühen, nicht als Verlierer da zu stehen, sich im Konkurrenzkampf und Wettbewerb zu behaupten und einen Gesichtsverlust zu vermeiden. Vgl. dazu auch Klinger/Bierbrauer (Fn. 6), Rdnr. 87 ff. 19 Treffend Susskind/Cruikshank, Breaking the Impasse, 1989, S. 93 „But in the heat of an emotional dispute, common sense is often the first victim“. 20 Vgl. zu dem Modell der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl etwa die Darstellung bei Weihing, Mediation und Familienmediation – Partner statt Gegner beim Lösen von (familiären) Konflikten, 2007, S. 8 ff. 21 Fisher/Ury, Getting to Yes: Negotiating an agreement without giving in, 2. Aufl., 1999. 22 Vgl. Tacitus, Annalen 14, 44, 4 a.E.; ähnlich etwa „iura publica anteferenda privatis“ bzw. lex citius tolerare vult privatum damnum quam publicum malum; salus publica suprema lex, Cicero, de legibus 3 § 8 a.E. 23 Suhr, Die Bedeutung von Kompensationen und Entscheidungswirkungen, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen
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ein ökonomisches Wohlfahrtskonzept zugrunde, das sich einem umfassenden Nachteils- und Vorteilsausgleich im Sinne des gegenseitigen Nutzens verpflichtet weiß 24 . Es prallt auf ein etatistisches Gemeinwohlverständnis des öffentlichen Rechts, das es dem Einzelnen zumutet, Individualgüter bis zur Zumutbarkeitsschwelle auf dem Altar des Gemeinwohls darzubringen. Die Mediation orientiert sich am subjektiven Interesse, das öffentliche Recht jedoch am öffentlichen Interesse. Kann das bruchfrei zusammengehen? Anders gewendet: Ist dort, wo jeder an sich selbst denkt, sichergestellt, dass am Ende wirklich auch an alle gedacht ist? Die Ordnungsidee des öffentlichen Rechts ist nicht diejenige eines Basars subjektiver Interessen, sondern einer objektiven Normordnung, die einen Ausgleich zwischen öffentlichen und privaten Interessen durch das Gesetz als dem Herrschafts- und Steuerungsinstrument der Demokratie unternimmt. Unser Vorverständnis von Staat, Gemeinwohl und Rationalität pflanzt uns vor diesem Hintergrund ein tief sitzendes Unbehagen gegenüber mittlergestützten Verhandlungslösungen ein. „Nichts ist gefährlicher, als der Einfluss der Privatinteressen in den öffentlichen Angelegenheiten“, verleiht bereits Rousseau dieser Sorge Ausdruck 25 . 1. Mediation als Erscheinungsform der Ordnungsidee kooperativer Gemeinwohlkonkretisierung Die mediationstypische Freiheit, über Konfliktgegenstände verfügen zu können, ist im öffentlichen Recht seiner Natur nach eingeschränkt. Die Europäische Mediationsrichtlinie 26 nimmt übrigens exakt aus diesem Grund verwaltungsrechtliche Streitigkeiten aus ihrem Anwendungsbereich heraus 27 . Aber die Dispositionsfreiheit ist im öffentlichen Recht nicht auf Null reduziert. Das führt uns bereits das schillernde Konstrukt des öffentlich-rechtlichen Vertrages ___________ I, 1990, S. 113 (128 f.) zugleich kritisch zu dessen Rechtfertigung. In seinen Augen handelt es sich vielfach um eine „Gemeinwohlillusion“, der eine korrekturbedürftige, überkommene Opferideologie zugrunde liegt – eine „ziemlich willkürliche Privatisierung der Kosten von Privilegien durch Externalisierung auch zufällig betroffener Letztabnehmer“. Darin drückt sich zugleich die Skepsis von wohlfahrtsökonomischen gegenüber hoheitlichen Maßnahmen aus. Als rechtspolitische Idee kann den Ausführungen von Suhr Überzeugungskraft nicht abgesprochen werden. Allerdings decken sie sich nicht mit den gesetzlichen Leitvorstellungen, wie der Gesetzgeber sie gegenwärtig de lege lata angelegt hat. Hier werden dann auch zugleich die Grenzen des Mediationskonzepts als wohlfahrtstheoretisch motivierte Alternative zur herkömmlichen Lösung von Planungskonflikten deutlich. 24 Vgl. dazu im Einzelnen oben S. 83. 25 Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag oder Die Grundsätze des Staatsrechtes, 1758 (Ausgabe 2008, hrsg. von Nölle), 3. Buch, 4. Kapitel, S. 47. 26 RL 2008/52/EG (Fn. 12). 27 Art. 1 Satz 2 sowie Erwägungsgrund 10 S. 3 der EG-Mediationsrichtlinie (Fn. 12).
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vor Augen. Der Gedanke, Kooperationsvorteile nutzbar zu machen, ist dem öffentlichen Recht keineswegs fremd 28 . Immer häufiger macht der Staat von konsensualen Strukturen der Entscheidungsfindung Gebrauch 29 . Im Umweltrecht gehört das Kooperationsprinzip längst zu einem der zentralen Prinzipien. Soft procedure kann ius cogens nicht verdrängen. Aber sie kann bestehende Spielräume womöglich ausfüllen, namentlich dort, wo, wie im Planungsrecht, inhaltliche Richtigkeit nur beschränkt programmierbar ist und der Gesetzgeber daher behördliche Entscheidungs- und Abwägungsspielräume zuspricht. Der Gesetzgeber verschließt sich dem Gedanken der Mediation denn auch nicht30 . Er lässt Mediation an zahlreichen Stellen implizit zu 31 , etwa in der Bauleitpla___________ 28 Kooperationsgewinne, Win-win-Siuationen, sind insbesondere nicht auf privatrechtliche Beziehungen beschränkt. Sie lassen sich auch im öffentlichen Recht realisieren. Das illustriert etwa ein aktuelles Beispiel einer Mediation in Gau-Algesheim (Rheinland-Pfalz.) Dort führt der Sandabbau durch ein Unternehmen auf dem Laurenziberg zu Planungskonflikten und Rechtskonflikten. In der Mediation kommt die Idee auf das Tapet, dem Unternehmen Austauschflächen im Binger Wald zum Sandabbau zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen wird finanziell entschädigt, die Landschaftsbeeinträchtigung ist beendet. Es entsteht eine Win-win-Situation. Von einem ähnlichen Fall in Freiburg berichtet von Bargen, DVBl 2004, 468 (471). Dort hatte sich etwa eine Investorengruppe lange erfolglos um die Nutzung eines ihr gehörenden Grundstücks in städtischer Randlage als Einkaufscenter bemüht. Die Stadt verweigert sich dem. Sie sorgt sich um die Attraktivität der Innenstadt. In der Mediation entsteht die Idee eines Grundstückstauschs. Die Stadt übernimmt das Grundstück und nutzt es für die Ansiedlung von Handwerkern; die Investorengruppe erhält ein städtisches Grundstück in der Innenstadt, auf dem sie ihr Einkaufszentrum errichten kann. Es entsteht eine Win-winSituation. Zu weiteren praktischen Beispielen einer Mediation im öffentlichen Recht siehe Karpe (Fn. 2), 191; Ortloff, NVwZ 2006, 148 ff., 914 ff. und 1143 ff.; Seibert, NVwZ 2008, 365 (368); ferner die Praxisberichte in: Claus/Wiedemann (Hrsg.), Umweltkonflikte, 1994, S. 27 ff.; zu praktischen Beispielen aus den USA Susskind/Ozawa, American Behavioral Scientist 27 (1983), 255 (257 ff.). 29 Vgl. dazu etwa aus der reichhaltigen Literatur F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen der Normsetzung, 2005, 55 ff.; Benz, Kooperative Verwaltung, 1994, S. 41 ff.; 305 ff.; Dederer, Korporative Staatsgewalt, 2004; Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungshandlungen, 1989, S. 8 ff.; Ritter, AöR 104 (1979), 389 ff.; J. P. Schneider, Kooperative und konsensuale Formen administrativer Entscheidungsprozesse, in: Jahrbuch für neue Politische Ökonomie 15 (1996), 82 (84 ff.); ferner die Beiträge in: Dose/Voigt (Hrsg.), Kooperatives Recht, 1995. 30 Im Völkerrecht kann die Mediation ohnehin auf eine lange Tradition zurückblicken – angefangen mit den (mediationsnahen) solonischen Bemühungen zur Verhinderung eines drohenden Bürgerkriegs im antiken Griechenland, über den Westfälischen Frieden von 1648 bis hin zum Friedensschluss von Camp David 1979 als prominenten Beispielen. Vgl. dazu etwa Perschel (Fn. 12), 253 ff.; Pünder, Die Verwaltung 38 (2005), 1 (14 f.). Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als zentrales Ordnungsprinzip des Völkerrechts prädestiniert dieses Rechtsgebiet in besonderer Weise für die mediative Konfliktschlichtung. 31 Vgl. zu der (zu verneinenden) Frage, ob der Einsatz von Mediatoren bzw. von Konfliktmittlern in Verwaltungsverfahren vor dem Angesicht des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, siehe im Einzelnen Appel (Fn. 12), § 32
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nung nach § 4b BauGB 32 oder in der Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 5 Satz 4 UVPG 33 sowie im Planfeststellungsverfahren nach § 73 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 74 Abs. 2 S. 1 VwVfG (für die Entscheidung „über die Einwendungen, über die bei der Erörterung vor der Anhörungsbehörde keine Einigung 34 erzielt worden ist“) 35 . Noch deutlicher 36 wird das TKG. Es lässt die Mediation in seinem § 124 TKG explizit zu 37 . Damit zollt der Gesetzgeber nicht zuletzt der Erkenntnis Tribut, dass der Staat in einer komplexer werdenden Welt zusehends auf die durch Bürgerbeteiligung hervorgebrachte Informationsbeschaffung angewiesen ist, um die Steuerungsfähigkeit seiner Entscheidungen aufrechtzuerhalten. Insbesondere im Planungsrecht, wo sich kaum ein raumbedeutsames Vorhaben ohne die Einbeziehung Betroffener und die mühsame Bewältigung von NIMBY (not in my backyard)-Konflikten realisieren lässt 38 , ___________ Rdnr. 129; Kaltenborn, Streitvermeidung und Streitbeilegung im Verwaltungsrecht, 2007, S. 168 ff. m.w.N. 32 Aus den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 13/46392, S. 47) ergibt sich, dass die Möglichkeit der Übertragung und Vorbereitung von Verfahrensschritten nach den §§ 2a-4a BauGB auf einen Dritten eine gesetzliche Grundlage für die Anwendung der Mediationstechnik in dem begrenzten Bereich der bauplanungsrechtlichen Normsetzung schaffen sollte. Siehe zur Mediation in der Bauleitplanung kritisch etwa Köster, DVBl. 2002, 229 ff. 33 Danach können zum Scoping-Verfahren, also jenem Verfahrensabschnitt der Umweltverträglichkeitsprüfung, in dem die Behörde mit dem Vorhabenträger den voraussichtlichen Untersuchungsrahmen abstimmt – „Sachverständige und Dritte hinzugezogen werden“. Vgl. dazu Zilleßen, Umweltmediation, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, 2. Aufl. 2009, § 30 Rdnr. 46 f.; Holznagel/Ramsauer, Mediation im Verwaltungsrecht, a.a.O., § 28 Rdnr. 51 ff. 34 Hervorhebung des Verf. 35 Vgl. zu diesen Vorschriften und ihrer zum Teil umstrittenen Deutung ausführlich Kaltenborn (Fn. 31), S. 116 ff.; Hellriegel (Fn. 2), S. 145 ff. jeweils m.w.N. 36 Ebenso § 54 Abs. 4 UGB-KomE 1992 („die zuständige Behörde kann die Vorbereitung und Durchführung des Erörterungstermins unbeschadet ihrer Verfahrensverantwortung einem unbeteiligten Dritten (Konfliktmittler) anvertrauen“) sowie § 89 UGB des Entwurfs der unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch, die allerdings keine Gesetzeskraft erlangten: Die zuständige Behörde sollte danach im Rahmen einer Vorhabengenehmigung „die Durchführung einzelner Abschnitte des Verfahrens, insbesondere des Erörterungstermins, einem Verfahrensmittler übertragen“ können (Abs. 2). Dieser ist „in seiner Tätigkeit unabhängig und an Weisungen nicht gebunden“ (Abs. 3 Satz 1). Er bedient sich einer „von der Genehmigungsbehörde bestimmten Geschäftsstelle, die in Bezug auf das übertragene Verfahren nur seinen Weisungen unterliegt“ (Abs. 4). 37 Nennenswerte rechtspraktische Erfahrungen mit der telekommunikationsrechtlichen Mediation existieren bislang noch nicht. Immerhin lassen sich die in der jüngsten Vergangenheit geführten (und gescheiterten) Verhandlungen zwischen der Deutschen Telekom AG und ihren Wettbewerbern um die gemeinsame Nutzung von VDSL als eine solche Form der Mediation verstehen. Vgl. zu der Regelung des § 124 TKG Geppert, in: Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 124 TKG; Winkler, MMR 2005, X ff. 38 Suhr (Fn. 23), S. 119, sieht die Planungsbewältigungskonflikte und ihre „Durchsetzungsschwierigkeiten auch damit zusammenhängen, dass die einschlägigen umwelt-
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wird das in besonderer Weise sinnfällig. Das chancengerechte Interessenclearing stärkt die Informationsbasis, auf deren Grundlage die Entscheidungen getroffen werden, trägt zu einer Rationalisierung und Transparenz des Entscheidungsvorgangs bei und wirkt der Gefahr einer „regulatory capture“ sowie eines Ohnmachtgefühls der Normunterworfenen entgegen. Die mittelgestützte Verhandlungslösung der Mediation zielt auf eine alternative Rationalität bei der Bewältigung von Entscheidungskomplexität. Das Verwaltungsverfahren wird zum Entdeckungsverfahren. Das Interessenclearing kanalisiert und befriedet frühzeitig Protest 39 . Die Psychologie lehrt uns, dass die Akzeptanz einer Entscheidung, an deren Genese man selbst mitgewirkt hat oder hätte mitwirken können, ungleich größer ausfällt. Die Mediation setzt damit die Weisheit eines chinesischen Sprichwortes konsequent um: „Sage es mir, und ich werde es vergessen, zeige es mir und ich werde mich erinnern, beteilige mich und ich werde es verstehen.“ Diesen Kooperationsvorteilen kommen gemeinwohlfördernde Nebenwirkungen zu. Die Mediation versteht sich denn auch keineswegs als Widersacher der Gemeinwohlidee – vielmehr im Gegenteil als ihre Agentin. Sie begreift sich als Instrument der Mitwirkung an dem Prozess arbeitsteiliger Gemeinwohlkonkretisierung: Sie beteiligt sich an der Suche nach der gemeinwohlgerechten Ausfüllung von Entscheidungsspielräumen. Gemeinwohl ist in diesem Verständnis nichts Statisches, nichts Fertiges, sondern ein pluraler und arbeitsteiliger Findungs- und Schöpfungsprozess funktionsgerechten Zusammenwirkens von Staat und Gesellschaft. Mediation versteht die Gemeinwohlfindung nicht als Monopol staatlicher Organe, sondern auch als Kompetenz des partizipierenden Bürgers 40 . Ihr geht es um mehr governance und weniger govern___________ belastenden Vorhaben bei einer umfassenderen Betrachtungsweise nur noch dem Schein und Anspruch nach der Verwirklichung des Gemeinwohls dienen, während tatsächlich das Wohlfahrtoptimum verfehlt wird und womöglich sogar Wohlfahrtsverluste erwirtschaftet werden, die unter der Ideologie von demokratischen Entscheidungen und des staatlichen Gemeinwohls bei den zufälligen Letztbetroffenen willkürlich privatisiert werden.“ Das Nachdenken über Kompensationen führe also dazu, unsere überlieferte Lehre vom zumutbaren Aufwand für das Gemeinwohl als Opferideologie infrage zu stellen. Erscheint es auch rechtspolitisch plausibel, das dem Einzelnen zugunsten des Gemeinwohls Zumutbare durch tauschorientierte Kompensationsmodelle statt durch Dezision zu ermitteln, bedarf dies einer ausdrücklichen gesetzlichen Entscheidung des Gesetzgebers und einer Einbindung in das demokratische Legitimationsmodell der parlamentarischen Demokratie. Daran fehlt es bislang. 39 Vgl. dazu etwa Bullinger (Hrsg.), Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren, 1994, S. 78; Dederer (Fn. 29), S. 101; Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 6), S. 82 ff.; Würtenberger, NJW 1991, 257 (259 ff.); Zillessen, Demokratietheoretische Aspekte der Mediation, in: Falk/Heintel/Krainz (Hrsg.), Handbuch Mediation und Konfliktmanagement, 2005, S. 83 (84 ff.). 40 Schmitt Glaeser, Die Position der Bürger als Beteiligte im Entscheidungsverfahren gestaltender Verwaltung, in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 1984, S. 35 (61); Häberle, Öffentliches
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ment 41 . Die Verwaltung ist nicht mehr alleiniger Gralshüter des öffentlichen Interesses; privates und öffentliches Interesse sind zu einer gemeinsamen Sinnrichtung mit dem Ziel der materiell richtigen Entscheidung verbunden. Eine derartige osmotische Funktionsverschränkung von Staat und Gesellschaft wäre noch für die liberalistische Staatsidee im 19. Jahrhundert kaum vorstellbar gewesen 42 . Das Modell der Mediation steht insoweit Pate für die ein neues Staatsverständnis kennzeichnende Ordnungsidee kooperativer Gemeinwohlkonkretisierung 43 . Sie reiht sich ein in eine Vielzahl neuer Phänomene einer Institutionalisierung eines Ordnungsrahmens für eine gemeinwohlorientierte Kultur der Mitwirkung an rationalen Lösungen, die unter dem Dach der Idee regulierter Selbstregulierung in unser Staatsverständnis Einzug halten 44 , wie etwa auch die Akkreditierung und die zahlreichen Erscheinungsformen der Public Private Partnerships. Wie diese will die Mediation durch die Aktivierung selbstregulativer Beiträge der Rechtsgenossen eine Nutzung gesellschaftlicher Problemlösungskompetenz und gesellschaftlichen Innovationspotenzials ermöglichen. Der Staat induziert gemeinwohlfördernde Beiträge privater Wirtschaftsakteure und hofft, das freigesetzte individuelle Nutzenkalkül als Treibstoff für den Motor des Gemeinwohls einsetzen zu können. Für die Ökonomik sind Eigennutz und Gemeinwohl ohnehin schon seit eh und je kein Widerspruch. Sie definiert das Gemeinwohl ausschließlich von den Interessen der Gesellschaftsmitglieder her 45 . Bei Adam Smith klingt dies in seinem Wohlstand der Nationen bereits mit den Worten an: „(…) ja gerade dadurch, dass der Einzelne das eigene Interesse verfolgt, fördert er das der Gesellschaft nachhaltiger, als wenn er wirklich beabsichtigt, es zu tun“ 46 . In den ___________ Interesse als juristisches Problem, 2. Aufl., 2006, S. 32 ff.; Mayntz, Interessenverbände und Gemeinwohl, in: dies., Verbände zwischen Mitgliederinteressen und Gemeinwohl, 1992, S. 11 (32). 41 Meister, Institutionelle Verankerung von Dialog und Mediation, in: Wörner (Hrsg.), Das Beispiel Frankfurter Flughafen – Mediation und Dialog als institutionelle Chance, 2003, S. 241 (243); Pünder (Fn. 30), 34. 42 Schmitt Glaeser (Fn. 40), S. 59. 43 Vgl. zu ihr Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2004, S. 152; Schmitt Glaeser (Fn. 40), S. 53 ff.; Schuppert, Gemeinwohldefinition im kooperativen Staat, in: Münkler/Fischer (Hrsg.) Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, 2002, S. 67 (81 ff.); ders., Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 924 ff. 44 Vgl. dazu etwa Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160 (162 ff.); Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235 (240 ff.). 45 Sog. normativer und methodologischer Individualismus. Vgl. dazu im Einzelnen etwa Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, 1997, S. 18 f. und 20 f.; Martini (Fn. 9), S. 156 f. 46 Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1776 (Ausgabe 1993; hrsg. von Recktenwald), S. 371. Der Smithschen Konzeption vom durch Eigennutz gefütterten Nutzen der Gesellschaft hält Friedrich Hegel gleichsam als Antithese ein etatistisches Staatsmodell mit den Worten entgegen: „Der Staat dagegen kennt keine selbstständigen Individuen,
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Grundrechten als Freiheitsverbürgungen, etwa der Eigentums- und der Berufsfreiheit, findet dieser liberale Gedanke von dem Eigennutz als Vehikel des Gemeinwohls seinen normativen Niederschlag 47 . Der Staat hält die für die dezentrale, nichtstaatliche Gemeinwohlerbringung benötigten Entfaltungsräume vor. Als staatstheoretisches Legitimationsmuster für das liberale Konzept dezentraler Verwirklichung des Gemeinwohls wirkt dabei das Subsidiaritätsprinzip. Es spricht den Individuen und gesellschaftlichen Gruppen in der Wahrung des Wohls der Allgemeinheit den Vorrang zu 48 . Der Staat ist erst dann zum Handeln berufen, wenn die gesellschaftlichen Kräfte nicht ausreichen, um die Aufgaben zu erfüllen 49 . 2. Gefahren der Mediation für den Prozess der Gemeinwohlfindung Eine organisierte Einwirkung aus der Perspektive gesellschaftlicher Sonderinteressen erreicht freilich noch nicht selbstredend eine höhere Stufe eines Gemeinwohlkarmas. Einer einvernehmlichen prozeduralen Regelungsstruktur sind substanzielle Gefahren für die Unbefangenheit und Gemeinwohlorientierung der Entscheidungsfindung strukturell eigen. Diese bestehen aus meiner Sicht unter vier Gesichtspunkten: im Hinblick auf das Risiko der Interessenselektivität (unten a)), das Risiko der Externalisierung von Kosten und Risiken auf die Allgemeinheit (unten b)), verhandlungspsychologische Annäherungs- und Scheuklappeneffekte (unten c)) und gestörte Verhandlungsparität (unten d)). a) Unzureichende Öffentlichkeitsrepräsentanz – Interessenselektivität In der Mediation kann sich nur dasjenige Interesse artikulieren, das am Verhandlungstisch repräsentiert ist. Schon angesichts der Zahl der von öffentlichen Vorhaben, etwa Planfeststellungsprojekten, betroffenen Personen, ist eine vollständige Repräsentanz aller betroffenen Interessen nicht bereits von sich aus sichergestellt. Eine umfassende Informations- und Interessenverarbeitung als ___________ von denen jedes nur sein eigenes Wohl im Auge haben und verfolgen dürfte. Im Staate ist das Ganze Zweck und der Einzelne Mittel“. 47 Die Idee vom Eigennutz als Vehikel des Gemeinwohls benutzt auch Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rdnr. 119. 48 Vgl. Horn, Die Verwaltung 1993, 545 (568). 49 Das Gemeinwohlverständnis des Grundgesetzes macht dabei jedoch nicht Halt. Es versteht das Gemeinwohl als Grund, aber auch als Grenze der Grundrechte. Das Eigentum wird gewährleistet. Es soll jedoch zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen, heißt es etwa in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.
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Verfahrensziel wird nicht ohne weiteres erreicht 50 . Ihrer Konstruktion nach befindet sich die Mediation als Entscheidungsfindungsverfahren hier in einem Dilemma. Je kleiner die Zahl der Medianten, umso größer die Gefahr einer selektiven Interessenwahrnehmung. Je größer die Zahl der Medianten, umso weniger kann sie umgekehrt die Kooperationsvorteile generieren, die ihren Mehrwert konstituieren. Interessenverbände können zwar als auf den Posten gestellte Wahrer des Gemeinwohlinteresses einen Gegenpol bilden – dies jedoch notwendig nur bis zu einem gewissen Grade. Als Interessenverbände verfolgen auch sie spezifische Interessen, namentlich diejenigen ihrer Mitglieder. Sie mögen Abbild gebündelter Interessen zahlreicher Betroffener sein, mit den Interessen der Allgemeinheit übereinzustimmen braucht dieses Set an Interessen indes keineswegs. Das Maß einer Interessenberücksichtigung im Mediationsverfahren korreliert zudem mit der Vehemenz und Lautstärke, in der die Interessen von ihren Repräsentanten zur Geltung gebracht werden. Dem Gewicht der gesetzlichen Legitimation muss diese Maßgröße ebenfalls nicht entsprechen. Gut organisierte Partikularinteressen verdrängen mitunter schwach repräsentierte Allgemeininteressen. Manche Interessen sind gar nicht organisiert oder nur schwer personalisierbar 51 . Die Nachhaltigkeit der Entscheidung hängt dann von dem Zufall ab, ob sich ein Interessenträger findet, der sich des Interesses annimmt. Es droht eine Aristokratie der Engagierten 52 . b) Externalisierung von Kosten und Risiken auf die Allgemeinheit Können nicht alle Interessen in der Mediation repräsentiert werden, gewinnt die Versuchung an Attraktivität, verhandlungsbasierte Kooperationsvorteile auf Kosten Dritter zu erreichen 53 . Belastungen drohen auf unbeteiligte Dritte ex___________ 50
Vgl. zu Problematik und Begriff der Interessenselektivität: Hoffmann-Riem, Selbstbindungen der Verwaltung, VVDStRL 40 (1982), 187 (206); ders. (Fn. 29), S. 12; Holznagel, Konfliktlösung durch Verhandlungen, 1990, S. 276 ff.; Brohm, DVBl. 1990, 321 (322); Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 475; siehe auch zu der Problematik aus US-amerikanischer Sicht: Brown, Valparaiso University Law Review 34 (2000), 403 (404, 414 ff.); Harrison, Journal of Environmental Law 9 (1997), 79 (90 ff.); Susskind, Vermont Law Review 6 (1981), 7 ff.; aus kanadischer Sicht: Dyck, Journal of Environmental Law and Practice 13 (2004), 335 (347 ff.); aus neuseeländischer Sicht Higgs, Environmental Law 37 (2007), 61 (82 ff.). 51 Zu dem Problem verfahrensmäßiger Berücksichtigung nicht personalisierter Interessen Stone, Umwelt vor Gericht, 1987. 52 Kostka, Die Verwaltung 26 (1993), 87 (108). 53 Vgl. dazu etwa auch Hauser (Fn. 4), S. 208 ff. sowie aus neuseeländischer Perspektive Higgs (Fn. 50), 85. Das Verwaltungsverfahrensrecht reagiert auf diesen sich
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ternalisiert zu werden, sei es die Allgemeinheit, seien es künftige Generationen 54 . Mediationen im öffentlichen Sektor betreffen Entscheidungen, deren Auswirkungen erst nach Jahren zu Tage treten und den erlebbaren Planungshorizont vieler Gruppen überschreiten. Haushaltsnöte werden dann nur allzu gerne kooperativ, aber kurzsichtig auf Kosten der Lebenschancen künftiger Generationen gelöst 55 . Risiken werden sozialisiert, Kooperationsgewinne individualisiert. Auf fremde Kosten lebt man nicht unbedingt besser, aber immerhin günstiger, bringt ein Sprichwort die Problematik auf den Punkt. c) Verhandlungspsychologie Die Dynamik von Verhandlungsprozessen lässt persönliche Beziehungen zwischen den Teilnehmern wachsen. Sie entwickeln ein Eigenleben, das die Durchschlagskraft von Interessen verändert. Positionsbezogene Verhaltensmuster wandeln sich, wenn denn die Saat der Mediation auf fruchtbaren Boden fällt, in Verständigungsbereitschaft 56 . Von diesem schleichenden Annäherungsprozess ist auch die Behörde nicht frei. Sie steht dadurch in der Gefahr, einem Einigungssog zu erliegen, der sie ihren umfassenden Gemeinwohlauftrag aus den Augen verlieren lässt. Es kommt zu einem selektiven Verlust neutralitätssichernder Distanz 57 . Dessen Opfer sind schwach repräsentierte Allgemeininteressen, deren Schutz und Verteidigung die Aufgabe der Behörde als Gegenpol wäre. d) Verhandlungsparität und Gemeinwohlverträglichkeit Ein vierter Aspekt stellt die Eignung des Mediationskonzeptes für die Gemeinwohlfindung auf die Probe: Mediation zielt – wie das Vertragsrecht des ___________ auch im Recht des öffentlich-rechtlichen Vertrages stellenden Gefahrentatbestand mit der Vorschrift des § 58 VwVfG: Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in die Rechte eines Dritten eingreift, wird danach erst mit der schriftlichen Zustimmung des Dritten wirksam. 54 Darin spiegeln sich zugleich Durchsetzungsschwächen, die allerdings in der Rechtsordnung ohnehin angelegt sind. 55 Vgl. zu der Problematik aus der Sicht der ökonomischen Theorie Brennan/Buchanan, Die Begründung von Regeln: konstitutionelle politische Ökonomie, 1993, S. 124 f. 56 Amy, Ecology Law Quarterly 11 (1983), 1 (3 ff.); Benz (Fn. 29), S. 127 ff.; J. P. Schneider (Fn. 29), S. 96; ders., Die Verwaltung 87 (1996), S. 38 (61); zu dem Phänomen der Konflikttransformation in der Mediation allgemein etwa Bush/Folger, Konflikt – Mediation und Transformation, 2009, S. 34 ff. und 55 ff. 57 Vgl. Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 (209).
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BGB – auf die „soziale Selbstregulierung von Egoismen“. Sie ist dafür auf die Strukturvoraussetzung der Freiwilligkeit und Verhandlungsparität angewiesen. Nur auf der Grundlage gleichberechtigter Interaktionsbeziehungen sind die Kooperationsvorteile von Austauschbeziehungen von einem prozeduralen Gerechtigkeitsansatz legitimiert. Ungleiche Durchsetzungsmacht verleiht dem Ergebnis einseitiger Interessendurchsetzung unberechtigte Scheinlegitimität 58 . Ob ein Machtungleichgewicht besteht, hängt von den Alternativen der Parteien ab 59 . Die BATNA, also die „best alternative to a negotiated agreement“, hat in der zivilrechtlichen Mediation ein anderes Gesicht als in komplexen Verwaltungsentscheidungen. Anders als Bürger untereinander 60 begegnen sich Verwaltung und Bürger im öffentlichen Recht nicht auf der Grundlage privatautonomer Gleichheit. Die Verwaltung handelt im Schatten der Hierarchie. Ihr steht eine hoheitliche Handlungsform als Droh- und Tauschmacht zur Verfügung. Das Sonderrecht des Staates ist daher einer von Privatautonomie geprägten Richtigkeitsgarantie der Einigung nur begrenzt zugänglich. Der Mediator mag zwar verfahrensimmanente Wissensasymmetrien abbauen. Die strukturelle Machtasymmetrie bleibt jedoch erhalten 61 . Dies ist auch der Grund dafür, warum das Recht des öffentlich-rechtlichen Vertrages der Dispositionsbefugnis des Staates, etwa in § 56 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, bewusst besondere Grenzen setzt 62 . Er lässt den Vertrag als Handlungsinstrument zwar zu, stellt ihn aber unter Kautelen, insbesondere das Gebot der Angemes___________ 58 Vgl. dazu etwa BVerfGE 81, 242 (254 f.); Amy (Fn. 56), 10 ff.; Breidenbach (Fn. 5), S. 252 ff.; Harrison (Fn. 50), 96 ff.; Karpe, ZfU 1999, 189 (204 f.); sehr kritisch insoweit zur Mediation insgesamt etwa Bush/Folger, (Fn. 56), S. 28 (m.w.N.), die in der Mediation ein „Instrument der Unterdrückung“ angelegt sehen. 59 Auch bei rechtlich gleicher Verhandlungsmacht können faktische Ungleichheiten, insbesondere Wissensasymmetrien eine entscheidende Bedeutung erlangen. Der Arbeitnehmer beispielsweise, der über seine Rechtsstellung nicht informiert ist, insbesondere nicht durch einen Rechtsbeistand vertreten ist, wird sich womöglich mit einer Abfindung über 1000 € zufrieden geben, weil er 1000 € für einen hohen Geldbetrag hält, obwohl er bei einem Richterspruch 3000 € erhalten hätte. Es stellt sich dann die Frage, ob die strukturellen Voraussetzungen der Verfahrensgerechtigkeit gegeben sind. Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass besagte Wissensasymmetrien die Mediation nicht selten zu einem Machtinstrument der besser informierten Partei, typischerweise des Arbeitgebers, degenerieren, das zwar für (jedenfalls vorübergehende) Konfliktzufriedenheit sorgt, aber unserem Verständnis von materieller Gerechtigkeit nicht genügt und insoweit auch nicht zum Rechtsfrieden in überzeugender Weise beizutragen vermag. 60 Vgl. zur BATNA in derartigen Gleichordnungsverhältnissen etwa Hager (Fn. 14), S. 65 ff.; Breidenbach (Fn. 5), S. 73 und 248 ff. 61 Tendenziell m.E. (zu) optimistisch insoweit Holznagel (Fn. 50), S. 281; ders./Ramsauer (Fn. 33), Rdnr. 30 ff.; Pünder (Fn. 30), 27. 62 Ebenso § 58 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 55 Abs. 1 S. 2 SGB X, § 11 Abs. 2 BauGB und § 124 Abs. 3 S. 1 BauGB.
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senheit und der Konnexität von Leistung und Gegenleistung 63 . Die Zustimmung des Vertragspartners, der Gedanke eines „volenti non fit iniuria“, macht rechtsstaatliche Sicherungen nicht entbehrlich Vielmehr handelt es sich strukturell um eine coactus-volui-Situation 64 , in der faktische Zwangsmacht fortwirkt. Ein Machtgefälle besteht nicht allein zulasten der, sondern auch zwischen den (an multipolaren Verhandlungssituationen beteiligten) Privaten. Die Mittel zur erfolgreichen Interessendurchsetzung sind in der Gesellschaft nicht gleichmäßig verteilt. Zahlungskräftigen Interessen mit hoher Tauschmacht etwa kommt eine höhere Durchsetzungschance zu. Das Mediationsergebnis ist auch deren Spiegel. Systematisch verzerrte Wirkungschancen gefährden die Abgewogenheit und Fairness des als Interessenausgleich konzipierten Ergebnisses. Verstärkt wird diese Gefahr durch die Vertraulichkeit der Verhandlungen 65 als einem der Grundprinzipien der Mediation. Sie macht es der Öffentlichkeit nahezu unmöglich, Motive und Machtstrukturen in nachvollziehbarer Weise zu kontrollieren und das Geflecht von Abhängigkeiten zu entwirren. Sie erweist sich insoweit als Achillesferse der Mediation im öffentlichen Sektor. Die Schutznormorientierung des Prozessrechts, also die Beschränkung des Prüfungsradius auf subjektive Rechte, lässt objektive Rechtsfehler überdies durch die Maschen der gerichtlichen Kontrolle fallen. In der Sache kommt das einer Einladung an die Medianten gleich, einen Pakt zulasten solcher Gemeinwohlinteressen zu schließen, die nicht subjektiv-rechtlich wehrfähig sind 66 . e) Schlussfolgerungen Die Mediation leidet danach an einem strukturellen Gemeinwohldefizit. Sie vermag nicht nur, nicht alle Interessen abzubilden. Auch wenn sie es täte, muss sie sich die Frage gefallen lassen: Lässt sich überhaupt aus individuellen Präferenzen eine gesellschaftliche Präferenzordnung entwickeln, die das Gemeinwohl abbildet? – eine Idee, die in der Ökonomik unter dem Begriff der sozialen Wohlfahrtsfunktion firmiert. Die Ökonomik hat sich daran lange abgearbeitet. Kenneth Arrow fand eine einfache und ernüchternde Antwort. Es gibt eine solche soziale Wohlfahrtsfunktion nicht (sog. Arrow’sches Unmöglichkeitstheo___________ 63
Das Koppelungsverbot zieht auch der mediationseigenen Idee der „Vergrößerung des Kuchens“ durch die Einbeziehung von Interessenpositionen, die nicht unmittelbar im Streit stehen, Grenzen. Holznagel/Ramsauer (Fn. 33), Rdnr. 17; Pünder (Fn. 30), 27. 64 Vgl. dazu ausführlich Martini (Fn. 9), S. 459 f. (mit Fn. 692) m.w.N. 65 Dazu etwa Härtel (Fn. 12), 761; Beck, Mediation und Vertraulichkeit, 2008, S. 55 ff.; zu dem Parallelproblem im Falle von Absprachen im Strafverfahren (§ 257c StPO) im Hinblick auf den Öffentlichkeitsgrundsatz des § 169 GVG: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310, S. 7, 8 und 12; BGH, NJW 1998, 86 (88) m.w.N.; Schünemann, ZRP 2009, 104 (106). 66 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, (213).
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rem 67 ). Auf der Basis individueller Präferenzen lässt sich kein Entscheidungsverfahren hervorbringen, das widerspruchsfrei ein Gemeinwohl destilliert. Gemeinwohl ist auf inhaltliche Steuerungsvorgaben angewiesen, die das prozedurale Verfahren der Mediation nicht mitbringt. So ist denn auch der grundgesetzlichen Ordnung ein rein prozedurales Grundrechtsverständnis fremd. Sie erteilt keinen Blanko-Scheck, der nur noch durch Rekurs auf die subjektiven Interessen der Beteiligten ausgefüllt werden muss. Das Grundgesetz füllt den Begriff des Gemeinwohls insbesondere durch seine Staatszielbestimmungen inhaltlich aus. Sein Inhalt speist sich aus dem Inbegriff der materiellen Rechtssätze und ihrer Konkretisierungen durch Abwägung der in den Rechtsnormen artikulierten öffentlichen und privaten Interessen 68 .
III. Rechtliche Schranken der Gemeinwohlkonkretisierung in der Mediation Das heißt nicht, dass die Mediation keine gemeinwohlfähigen Ergebnisse hervorzubringen vermag. Sie stellt Gemeinwohlfähigkeit jedoch nicht aus sich selbst heraus sicher. Sie bedarf einer rechtlichen Korrektur, um im öffentlichen Recht als Konfliktlösungsmechanismus Bestand haben zu können. Als Steuerungsmittel ist, insbesondere in den USA, vorgeschlagen worden, die Defizite des Mediationsverfahrens durch eine inhaltliche Gemeinwohlprüfung des Mediators zu kompensieren 69 . Der Mediator erhält eine aktive Rolle im Entscheidungsprozess. Er wird zum Schlichter zwischen öffentlichen und privaten Interessen und Hüter des Gemeinwohls 70 . Eine solche Rolle des Mediators kontras___________ 67 Arrow, Social Choice and Individual Values, 1951; ders., Journal of Political Economy 58 (1959), 328 ff.; dazu etwa auch Behrens (Fn. 14), S. 280 ff.; Anderheiden, Gemeinwohl in Deutschland und Europa, 2006, S. 7 ff. 68 Vgl. dazu etwa Möllers, DÖV 2000, 667 (669 f.); Martini (Fn. 9), S. 230 f:; Uerpmann, Das öffentliche Interesse, 1999, S. 290; Viotto, Das öffentliche Interesse, 2009, S. 26 ff. jeweils m.w.N. 69 In diesem Sinne grundlegend Susskind/Weinstein, Boston College Environmental Affairs Law Review 9 (1980), 311; ferner etwa Brown (Fn. 50), 418 ff.; Dyck (Fn. 50), 350; Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 6), S. 24 ff. und 86; Higgs (Fn. 50), 86 ff. (zum „public interest mediator“ in Neuseeland); Holznagel (Fn. 50), S. 114 ff., 281; Riskin, Arizona Law Review 26 (1984), 329 (354); Susskind/Ozawa (Fn. 28 ), 267 ff.; Susskind, Vermont Law Review 1981, 1 (16 ff.); Sünderhauf (Fn. 12), S. 58, 233 und 257; Perschel (Fn. 12), 264; Stumpf, S. 296; zustimmend wohl auch Hager, Konflikt und Konsens, 2001, S. 134; zurückhaltender Weitz, Gerichtsnahe Mediation in der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit, 2008, S. 70 ff.; kritisch bzw. ablehnend Diop, Mediation im Gesetzgebungsverfahren, 2008, S. 128; Köper, Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren, 2003, S. 95. 70 Ein ähnlicher gedanklicher Ansatz liegt der Figur des Vertreters des öffentlichen Interesses im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Sinne des 36 VwGO zu Grunde.
Mediation und Gemeinwohl
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tiert jedoch nicht nur mit einem wichtigen Essenziale der Mediation: der Neutralität des Mediators 71 . Der Mediator ergreift nach diesem Modell (wenn auch für „das Gemeinwohl“, das per definitionem zum Aufgabenbereich der Behörde gehört) Partei. Vor allem ist die Lösung verfassungsrechtlich unzureichend. Sie setzt eine Übertragung der Entscheidungsverantwortung auf den Mittler voraus. Der Mediator ist aber kein Beliehener 72 . Er ist lediglich in die Vorbereitung der Entscheidung eingebunden. Ihm kommt keine Gemeinwohlkompetenz zu. 1. Letztverantwortung der handelnden Behörden Außerhalb der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung ist im Verfassungsstaat keine Instanz legitimiert, „wahre öffentliche“ Interessen, ein Gemeinwohl, festzustellen 73 . Die Zuständigkeitsordnung ist insoweit nicht nur abstraktes Zurechnungsrecht. Sie legt vielmehr rechtlich verbindlich die Strukturen der Interessenverarbeitung fest. Gemeinwohlverantwortung und Kompetenz sind untrennbar verzahnt 74 . Eine Übertragung der Entscheidungsmacht auf eine externe Konsensbildungsinstanz würde dem im Demokratie- und im Rechtsstaatsprinzip verankerten Verantwortungsmodell widersprechen 75 . Es ist der Staat, der durch institutionelle Vorkehrungen die Gemeinwohlfähigkeit kooperativ gefundener Ergebnisse sichern muss. Seine Organe treffen die Letztverantwortung 76 für die getroffenen Entscheidungen. Denn ihnen hat das Volk ___________ Seine Aufgabe ist es, dort schlichtend tätig zu werden, wo tatsächliche oder befürchtete Behördenegoismen eine Einigung zu verhindern drohen. 71 Vgl. zu den Prinzipien der Mediation die Nachweise oben Fn. 12 a.E. Zu der Problematik der Finanzierung des Mediators als zentraler Aufgabe der Neutralitätssicherung mit Blick auf die lebensnahe Gefahr „Wes´ Brot ich ess´, des´ Lied ich sing´“ etwa Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, 2001, S. 420 ff.; J. P. Schneider (Fn. 29), 100 f. 72 Vgl. etwa Pünder (Fn. 30), 21 f.; Hess (Fn. 2), S. 66 f. m.w.N.; Diop (Fn. 69), S. 135. 73 Uerpmann (Fn. 68), S. 12. 74 Pitschas (Fn. 12), 398; Appel (Fn. 12), § 32 Rdnr. 126. 75 Vgl. etwa Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung: Eine vergleichende Einführung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen I, 1990, S. 13 (40). 76 Vgl. zu ihr etwa Fehling (Fn. 70), 424 mit Fn. 340; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 176 ff.; Härtel (Fn. 12), 757; Hoffmann-Riem (Fn. 29), S. 57 f.; ders., in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 1, 1990, S. 13 (40); Holznagel (Fn. 50), S. 210 f. und 244 ff.; Kaltenborn (Fn. 31), S 218 ff.; Kunig/Rublack (Fn. 2), 8 f.; Kostka, ZKM 1999, 140 (142); Pitschas (Fn. 12), 399; Pünder (Fn. 30), 17 und 22; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160 (181 ff.); Schuppert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 2, 1990, S. 29 (50 ff.).
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Mario Martini
die Legitimation zu kompetenzgerechtem Verhalten anvertraut. Die Verwaltung darf sich dann nicht darauf zurückziehen, nur gleichberechtigter Partner des Mediationsprozesses oder lediglich Mittler zwischen konfliktbefangenen Interessen zu sein. Sie hat eigenverantwortlich eine Gesamtabwägung aller betroffenen Belange vorzunehmen 77 . Die Letztverantwortung sichert im Demokratiemodell des Grundgesetzes die Rückbindung an die Legitimationskette ab. Sie kann durch die Betroffenenzustimmung nicht ersetzt, allenfalls ergänzt werden. Letztverantwortung ist indisponibel. Demokratie ist ihrem Wesen nach als Konfliktschlichtungsinstrument divergierender Interessen konzipiert. Die Mediation tritt zu ihr in Konkurrenz. Sie darf die auf den Posten gestellten Schlichtungsstellen demokratischer Herrschaft aber nicht unterwandern, nur unterstützen. Ihre Effizienzrationalität genießt gegenüber den Wertentscheidungen der Verfassung keinen Vorrang. Aus der Letztverantwortung der Behörde ergeben sich für den ausgehandelten Mediationskompromiss elementare rechtliche Wirkungsschranken. Das Ergebnis der Mediation kann namentlich grundsätzlich nicht aus sich heraus unmittelbare Verbindlichkeit beanspruchen. Es bedarf, jedenfalls soweit das Gesetz (wie bei Planfeststellungsverfahren) eine bestimmte Handlungsform vorsieht, der Umsetzung durch behördliche Entscheidung. Regelmäßig beschränkt sich das Mediationsergebnis auf ein gentleman’s agreement 78 , eine Absichtserklärung der Parteien 79, 80 , deren Programmierungswirkung in nichtrechtlichen ___________ 77 Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (190 ff.); Hoffmann-Riem (Fn. 29), S. 58; ders., Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung: eine vergleichende Einführung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 1, 1990, S. 13 (40); Kaltenborn (Fn. 31), S. 222 f.; Hill, DVBl. 1993, 973 (979); Schmidt-Aßmann, Konfliktmittlung in der Dogmatik des deutschen Verwaltungsrechts, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 2, 1990, S. 9 (50); ders., Zur Gesetzesbindung der verhandelnden Verwaltung, in: Festschrift für Winfried Brohm, 2002, S. 546 (557). 78 Vgl. zu der Figur und den Wirkungen eines Letter of Intent im Zivilrecht etwa Beisel, in: Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, 6. Aufl., 2009, 1. Kapitel, Rn. 67 ff. 79 Holznagel/Ramsauer (Fn. 33), § 28 Rdnr. 4; Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung: eine vergleichende Einführung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 1, 1990, S. 13 (41); Kaltenborn (Fn. 31), S. 181; Pünder, Verwaltungsverfahren, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 15 Rdnr. 14. 80 Ausnahmsweise, soweit nicht das Gesetz eine bestimmte Handlungsform vorsieht, kommt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in Betracht (zu beachten ist dabei aber die bei der Vielzahl rechtlich Betroffener bestehende schwebende Unwirksamkeit nach § 58 Abs. 1 VwVfG). Vgl. etwa Hoffmann-Riem (Fn. 29), S. 61. Noch weiter gehend Stumpf, Alternative Streitbeilegung im Verwaltungsrecht, 2006, S. 292 f.; Hellriegel, (Fn. 2), S. 188 („Bei der Mediationsvereinbarung handelt es sich um einen Vertrag auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“). Empirische Daten bieten insoweit z. B. Troja/Meuer, Mediation im öffentlichen Bereich, in: Falk/Heintel/Krainz (Hrsg.), Handbuch Mediation und Konfliktmanagement, 2005, S. 219 (230 ff.). Nach den von ihnen vorgelegten
Mediation und Gemeinwohl
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Sanktionen liegt. Es ersetzt nicht ein späteres Verwaltungsverfahren. Es bereitet es vor. 2. Grenzen einer faktischen Vorabbindung Die Mediationsvereinbarung entfaltet für ein späteres Verwaltungsverfahren zwar regelmäßig keine rechtliche Bindungswirkung, eine faktische Vorabbindung lässt sich ihr aber nicht absprechen: Sie begründet eine Verhaltenserwartung der Medianten. Die Verwaltung, die sich auf eine Mediationsvereinbarung eingelassen hat, wird von ihr später im Verwaltungsverfahren nicht ohne Gesichtsverlust einfach abrücken können. Sie würde sich zu ihrem vorherigen eigenen Verhalten in Widerspruch setzen. Insoweit ist sie Gefangene ihrer eigenen Selbstprogrammierung. Der Schaden, der von einem solchen venire contra factum proprium ausgeht, ist jedenfalls beträchtlich. Faktischer und rechtlicher Druck der Öffentlichkeit ist ihr gewiss. Diese De facto-Bindungswirkung ist auch nicht atypisch. Sie ist gewollt. Denn nur im Hinblick auf die Verhaltenserwartung der Behörde nehmen die Medianten ihre eigenen Zugeständnisse vor. Klar ist: Ein Mediationsergebnis, das gegen materielles Recht verstößt, darf nicht umgesetzt werden. Aber damit nicht genug: Die Bindungswirkung droht Entscheidungsspielräume der Verwaltung so zu verengen, dass eine Verkürzung gesetzlich geforderter Abwägungsprozesse stattfindet oder Schutzbestimmungen des Verwaltungsverfahrens obsolet werden. Die Anhörung eines Betroffenen etwa, der nicht im Mediationsverfahren beteiligt wurde, wird zur Förmelei, wenn sich die Verwaltung schon auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt hat. Ihre Schutzfunktion kann die Anhörung faktisch kaum noch erfüllen 81 . Die Verwaltung muss daher Drittbetroffene notwendig bereits im Mediationsverfahren beteiligen. Sonst mutiert die faktische Bindungswirkung zur rechtlichen, sie wird rechtswidrig 82. In der Grauzone zwischen rechtlichen und fakti___________ Untersuchungen wurden 7 von 64 Mediationsverfahren im öffentlichen Bereich zwischen 1996 und 2002 mit einem verbindlichen Vertrag bzw. einer Vereinbarung, die die Verwaltung für sich als bindend ansah, beendet. Vgl. zu ähnlichen Formen einer Selbstprogrammierung der Verwaltungsentscheidung etwa durch Sanierungsabsprachen, Selbstbeschränkungsabkommen der Wirtschaft etc. Hoffmann-Riem, Selbstbindungen der Verwaltung, VVDStRL 40 (1982), 187 (194). 81 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 (211 f.); Holznagel/Ramsauer (Fn. 33), Rdnr. 5 und 18. 82 Treffend bereits Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 (219) „Innerhalb des Einschätzungs-, Ermessens-, bzw. Beurteilungsspielraums der Normen kann auf die „Richtigkeit“ nur im Zuge des Entscheidungsvorgangs der Verwaltung Einfluss genommen werden. Geboten ist die volle Anerkennung der Rechtserheblichkeit des komplexen Entscheidungsvorgangs als Element der Rechtmäßigkeit“; vgl. auch ders. (Fn. 29) S. 54 ff.; Appel (Fn. 12), Rdnr. 141; Holznagel (Fn. 50), S. 216 f.; Pünder (Fn. 30), 19 und 24 ff.; Stumpf (Fn. 80), S. 282 f. jeweils m.w.N.
102
Mario Martini
schen Bindungen kann eine rechtlich missbilligte Vorausprogrammierung durchaus schnell auf den Inhalt der Folgeentscheidung durchschlagen. Das heißt zugleich nicht, dass Vorabbindungen im Verwaltungsverfahren generell unzulässig sind. Für das Bauplanungsrecht hat das BVerwG das im Flachglasurteil 83 bereits festgehalten. Diese Grundsätze lassen sich auf die Mediation übertragen. Vorabbindungen sind danach nur unbedenklich, wenn sie 1. sachlich gerechtfertigt, 2. unter Wahrung der Zuständigkeitsordnung getroffen und 3. inhaltlich nicht zu beanstanden sind. Die Mediation kann diese Voraussetzungen erfüllen – dies jedoch nur, wenn sie Verfahrensrechte Drittbetroffener nicht abschneidet. Die Genehmigungsentscheidung muss rechtlich wie faktisch so lange offen gehalten werden, bis Drittbetroffene ausreichend Gelegenheit hatten, ihre Interessen im Entscheidungsprozess geltend zu machen. Wo eine faktische Vorabbindung die Entscheidungsfreiheit der Behörde beschränkt, ist als Kompensation eine Erhöhung der gerichtlichen Kontrolldichte angezeigt 84 .
IV. Fazit Mediation und Gemeinwohl sind keine unversöhnlichen Geschwister. Sie verstehen sich aber auch nicht blind. Ihr Beziehungsverhältnis ist komplex. Die Mediation darf sich zwar als Teil der Ordnungsidee kooperativer Gemeinwohlkonkretisierung verstehen. Sie aktiviert gesellschaftliche Beiträge der Rechtsgenossen zur Gemeinwohlfindung. Getragen von dem Leitmotiv „ein Frieden ist besser als zehn Siege“ schafft sie Akzeptanz, Planbarkeit und Vertrauen (insbesondere) in komplexen verwaltungsrechtlichen Problemlagen. Mediation ist dabei mehr als schlichte Versöhnungsromantik. Ihr liegt ein unnostalgisches, rationales Kalkül eines „working together to win“ zu Grunde. Dem Ergebnis des Mediationsverfahrens selbstredend Gemeinwohlcharakter zuzusprechen, hieße jedoch, den auf die Selbstregulierung von Egoismen abgerichteten Charakter von Mediation zu verkennen. Die Interessen Dritter, insbesondere künftiger Generationen und nicht tauschförmig eingebundener Individualinteressen droht sie unzureichend abzubilden. Die Verhandlungspsychologie lässt eine gemeinwohlvergessene Eigendynamik entstehen. Machtasymmetrien können die Gerechtigkeitsfunktion des Ergebnisses gefährden. Eine aktive Rolle des Mediators mag hier ein denkbares Gegengewicht bilden. Sie ist zur ___________ 83 BVerwGE 45, 309 (320); dazu etwa Fehling, Informelles Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2008, § 38 Rdnr. 8; Pünder (Fn. 79), § 15 Rdnr. 15; Hoffmann-Riem, Selbstbindungen der Verwaltung, VVdStRL 40 (1982), 187 (233). 84 In diesem Sinne auch Hoffmann-Riem, (Fn. 29), S. 64; J. P. Schneider (Fn. 29), S. 99.
Mediation und Gemeinwohl
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Sicherung des Gemeinwohls als solche aber unzureichend. Ohne Beleihung verpufft ihre Idee. Eine Beleihung wiederum würde den Mediator zum Repräsentanten des Staates machen und damit die neutrale, dezentrale Einigungssuche gefährden. Die Installierung eines Vertreters des öffentlichen Interesses nach dem Modell § 36 VwGO, der die Behördenegoismen und -verstrickungen überbrückt, wäre eher denkbar, aber gleichsam ein behördlicher Pleonasmus und insoweit nur beschränkt ein Gewinn. Der geborene und verantwortliche Vertreter des öffentlichen Interesses ist die Behörde. Die demokratische Ordnung hat sie als Gemeinwohlverantwortliche auf den Posten gestellt. Sie trägt die Letztverantwortung für die Entscheidung, ob und inwieweit die Mediationsergebnisse in die staatliche Rechtsordnung implementiert werden. Die Letztverantwortung und die Grenzen der Vorabbindung bilden die rechtsstaatlichen Sicherungsinstrumente gegen eine Unterwanderung demokratischer Gemeinwohlentscheidung. Gewiss: Auch staatliche Behörden können das Gemeinwohl verfehlen. Die Mediation kann ihnen aber nicht seine Konkretisierung abnehmen. Seine Kontrolle ist Aufgabe der Gerichte, nicht der Mediation. Insoweit ist das Urteil des HessVGH zum Frankfurter Flughafenausbau ebenso wie ein stiller Triumph der Mediation vielleicht auch ein Bewährungserfolg des Rechtsstaates und der Demokratie.
Mediation und Vorverfahren nach koreanischem WVfG Von Hyun Ho Kang
I. Einleitung Die Verwaltungstätigkeit hat sich in ihrem Schwerpunkt von der Eingriffshin zu einer Planungs-, Leistungs- und Förderungsverwaltung gewandelt, und es ist in ihrer Funktion eine Akzentverschiebung zugunsten der Akzeptanz verwaltungsrechtlicher Entscheidungen zu beobachten. Angesichts der gewandelten Aufgaben reicht das bestehende politisch-administrative Entscheidungsinstrumentarium nicht mehr aus. Um den immer komplexer werdenden sozialen Konflikten gerecht zu werden, werden alternative Formen zur Lösung mehr und mehr zur justizpolitischen Realität im öffentlichen Recht. Eine davon ist die Mediation. In den USA gibt es mehrere Versuche, das Mediationssystem als Problemlösung der rechtlichen Streitigkeiten einzuführen. Dieser Versuch beginnt mit der Erkenntnis, dass die Problemlösungen durch die Gerichtsentscheidung nicht immer für die Parteien gut sind. Anstatt der Gerichtsentscheidung könnte die Mediation für die Streitbeendigung viel effektiver und grundlegender sein, denn die Mediation basiert auf gegenseitigem Verständnis und Nachgeben. Die Ergebnisse des Mediationssystems in den USA zeigen ein effektives System der Problemlösung. Hiermit ist zu untersuchen, welche mediativen Elemente in das koreanische Widerspruchsverfahren eingefügt werden können. Als ein Ergebnis der Untersuchung kann man de lege ferenda ein neues Modell dafür postulieren, jedoch könnte es zu umfangreich und unrealistisch sein. Darum werde ich de lege lata versuchen, das gegenwärtige Widerspruchsverfahrensgesetz mediationsfreundlich auszulegen.
106
Hyun Ho Kang
II. Mediation Unter Mediation versteht man ein gewaltfreies Verfahren zur Konfliktbeilegung, in dem die Parteien auf freiwilliger Basis in strukturierten Verhandlungen mit Unterstützung eines neutralen Dritten (Mediators) eine einvernehmliche Lösung anstreben, die ihren eigenen Interessen optimal entspricht. Einfach gesagt basiert das Konfliktmittlungssystem durch Mediation auf der gegenseitigen Kommunikation zwischen den Streitenden, durch die sie zu gegenseitigem Verständnis und zur selbständigen Problembewältigung gelangen können. Bei der Problemlösung könnte die Mediation im Gegensatz zum gerichtlichen Urteil wegen der Informalität und Interessenorientiertheit viel effektiver und grundlegender sein. In Korea ist bis jetzt die Mediation für die Problembeilegung fast auf den Bereich der zivilrechtlichen Streitigkeiten beschränkt, in denen die Streitenden die Befugnis der freiwilligen Verfügung über den Streitgegenstand haben. Durch die Untersuchung der koreanischen Wissenschaftler wurde nachgewiesen, dass die Mediation ein nützliches System bei der Problemlösung in den zivilrechtlichen Bereichen ist. Jedoch ist das Ergebnis im öffentlichen Bereich noch nicht untersucht, weil es wenige Beispiele der Mediation in den öffentlichen Angelegenheiten gibt. Jedoch kommt nun deren Zeit durch den Wandel der Sozialgesellschaft und auch durch die neue Aufgabe der Verwaltung, die Mediation als Problemlösungsinstrumentarium zu gebrauchen. 1. Grundlage der Mediation Es gibt verschiedene Meinungen bezüglich der rechtlichen Grundlage der Mediation. M.E. liegt der Kernpunkt der Mediation in der Einmischung bzw. Einschaltung der Mediatoren, die die Fachkunde besitzen und einen angemessenen Vorschlag für die Problemlösung machen können. Darum könnte die rechtliche Grundlage in der Einschaltung der Fachleute als Mediatoren liegen. Dass die Fachleute sich in die Probleme der Anderen einmischen, basiert auf der Demokratie der Helfenden, die auch als eine kooperative Demokratie zu bezeichnen ist. Die Kooperation unter den Mitmenschen in der Gesellschaft ist notwendig für das Zusammenleben der Menschen. Die Grundlage der Mediation, nämlich die Akzeptierung der Vorschläge der Fachleute, stützt sich verfassungsrechtlich auf die Menschenwürde, auf das Recht zum Wohlstand und auch auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Diese Grundlage wird auch vom Rechtsstaatsprinzip beeinflusst, insbesondere vom materiellen Rechtsstaatsprinzip, das die Anpassung an die Verfassung nicht nur von der äußeren Form der Gesetze, sondern auch von den inneren Inhalten der Gesetze fordert. Das materielle Rechtsstaatsprinzip, das stark
Mediation und Vorverfahren nach koreanischem WVfG
107
nach dem effektiven Rechtsschutz der Bürger fragt, erweitert die verschiedenen Möglichkeiten bei der Problemlösung zwischen der Verwaltung und dem Bürger. Darunter fällt auch die Mediation, die die Probleme durch gegenseitiges Nachgeben grundlegend löst. Die rechtliche Grundlage der Mediation könnte auch eine Ergänzung für die Streitbeilegung durch die Gerichte sein. Die Gerichte existieren, weil die Bürger selbst ihre Probleme schwer lösen können. Das Rechtssystem des Gerichts verbietet jedoch nicht, dass andere effektive Problemlösungsmechanismen angewendet werden. Das Gericht besitzt von Natur aus wenig Flexibilität, darum werden die streitenden Parteien durch gerichtliche Handlungen leicht zu schärferen Agitationen gezwungen. Obwohl die Probleme durch die Gerichtsentscheidung beendet würden, können die Parteien – insbesondere die besiegte Partei – wegen der Grenzen des gerichtlichen Prozesses das Ergebnis nur schwer annehmen. Darum braucht man ein ergänzendes Konfliktmittlungssystem für das Gerichtssystem. Hierfür ist die Mediation eine gute Alternative. Die Mediation bezweckt vielmehr die Schonung der Interessen der Streitenden, anstatt mit einem rechtlichen Standard den Fall ohne Berücksichtigung der Hintergründe zu entscheiden. Durch die Mediation können die Streitenden ihr Verständnis mit Hilfe der Experten erweitern und viele rationale Alternativen finden. Bei der Mediation können die Streitenden als Problembesitzer aber auch als Problemlöser fungieren. 2. Mediation und Verwaltungssachen Es ist fraglich, ob die Mediation auch in den öffentlichen Bereichen zu gebrauchen ist, denn über den durch das öffentliche Interesse geprägten Streitgegenstand kann von der streitenden Partei nicht verfügt werden. Wenn die Mediation im Zivilrecht auf die selbstständige Verfügungsbefugnis der Bürger bezüglich der Streitgegenstände basiert, dann ist zu fragen, worauf sie im öffentlichen Bereich basiert. Diese Frage beinhaltet auch die Frage nach der Zulässigkeit der Mediation im öffentlichen Recht. Wenn sie zulässig ist, dann kann man fragen, in welchem Umfang sie zu gebrauchen ist. In Korea ist diese Frage im öffentlichen Bereich – im Gegensatz zum Zivilrecht – noch nicht eingehend diskutiert. Ein Streit im öffentlichen Sektor berührt das öffentliche Interesse; deswegen ist die Handlung der öffentlichen Verwaltung strikt der gesetzlichen Kontrolle unterzogen. Bei der Verwaltung ist das Rechtsstaatsprinzip vorherrschend, anders als bei privatrechtlichen Angelegenheiten. D.h. die Verwaltung muss gemäß den Gesetzen handeln. Je größer die Befugnis der Verwaltung ist, desto
108
Hyun Ho Kang
größer wird die Gefahr ihrer Ausnutzung und desto signifikanter wirken auch die Effekte des Fehlgebrauchs. Darum setzt die Legislative eine feste gesetzliche Grenze für die Verwaltung. Diese Einsicht gilt auch bei der Mediation. Es ist möglich, dass die Verwaltung durch die Mediation gegen die Anforderungen der Gesetze verstößt. Diesbezüglich entwickelt sich die Rechtslage sehr ähnlich wie bei dem Verwaltungsvertrag, bei dem es zwischen dem öffentlichen Verwaltungssubjekt und der privaten Person durch das gegenseitige Nachgeben zur Einigung kommt, obwohl das öffentliche Interesse durch den Verwaltungsvertrag tangiert wird. Darum ist die Zulässigkeit der Mediation im öffentlichen Sektor ebenso wenig wie die Zulässigkeit des Verwaltungsvertrags zu bezweifeln. Vielmehr sollte man sich darauf konzentrieren, die Richtlinien für die Mediation verfassungskonform zu gestalten. 3. Form und Zeit der Mediation Für die Form der Mediation kann man sich verschiedene Modelle vorstellen, aber es ist eine solche Form zu erwarten, bei der die Fachleute mit der Mediation am besten arbeiten können, denn m.E. liegt der Schwerpunkt der Mediation auf der Tätigkeit der Experten. Wenn man dieser Denkweise folgt, dann ist es zu empfehlen, dass solche Mediationsformen bevorzugt werden können, bei denen die Fachleute die Mediation im freien Raum betreiben können. Die privaten Initiativen können eher zur Schaffung einer effektiven Lösungsalternative beitragen, denn die öffentliche Verwaltung wird vielmehr von ihrer Förmlichkeit beeinflusst. Dies kann gerade durch die effektive Teilnahme der Experten als Mediator garantiert werden. Wenn man annimmt, dass die Mediation auf gegenseitigem Verständnis und Nachgeben basiert, dann kann man die Frage stellen, zu welchem Zeitpunkt sie am besten einzusetzen ist. Während des Vorverfahrens ist es m.E. am passendsten. Die Phase des Vorverfahrens ist sozusagen das beste Stadium für die Mediation. Die Verwaltungsverfahrensphase, deren Hauptziel in der Teilnahme der Betroffenen liegt, ist zu früh für die Mediation, weil die Bürger vor der Entscheidung der Verwaltung die von der Verwaltungshandlung betroffenen Interessen noch nicht klar erkennen können. In der Verwaltungsverfahrensphase wäre für die Mediation zu viel zu tun. Dagegen ist die Verwaltungsklagephase zu spät für die Mediation, weil sich schon das Verwaltungsgericht in das Problem eingemischt hat und die Problemsituation zwischen den Streitenden erheblich verschärft geworden ist. Darum ist die Vorverfahrensphase nach meiner Meinung die passendste Phase für die Mediation.
Mediation und Vorverfahren nach koreanischem WVfG
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4. Rechtswirkung der Mediationsvereinbarung Es ist ein schwieriges Thema bei der Mediation in öffentlichen Angelegenheiten, wie man die Rechtswirkung der Mediation gestaltet. Es gibt verschiedene Meinungen für die Mediationsvereinbarung, die von einer vertraglichen Wirkung nach dem bürgerlichen Gesetzbuch bis zur gerichtlichen Ausgleichswirkung reichen. Auf diese Frage ist hier nicht einzugehen. Es ist auch nicht zu fragen, welche Rechtswirkung entsteht, wenn die Folge der Mediation gegen Gesetze verstößt. Die Rechtswirkung könnte als eine einfache Rechtswidrigkeit oder als eine Unwirksamkeit bewertet werden. Für die Rechtswirkung der Mediation kann man sich verschiedene Konstellationen vorstellen.
III. Vorverfahren Das Vorverfahren dient den Zwecken der Selbstüberprüfung der Verwaltungsentscheidung, der Wahrnehmung von Rechtsschutz durch den Bürger und der Entlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Art. 107 Abs. 3 Satz 1 Koreanischer Verfassung (KV) ist das Widerspruchsverfahren als Vorverfahren des gerichtlichen Verfahrens durchzuführen. Nach Art. 107 Abs. 3 Satz 2 KV wird das Verfahren des Widerspruchs durch Gesetz geregelt und ist dabei entsprechend dem gerichtlichen Verfahren durchzuführen. Gemäß der KV wird das Widerspruchsverfahren nicht als ein Teil des Verwaltungsverfahrens gerechnet, sondern wird vielmehr als ein Kontrollverfahren gegen die Verwaltungshandlung verankert. Am Anfang war in Korea sowie in Deutschland ein zwingendes Vorverfahren durchzuführen, bevor man vor dem Gericht wegen der Verwaltungsverfügung klagte. Aber wegen des nicht zufriedenstellenden Durchführungsergebnisses des Vorverfahrens wurde es zum freiwilligen Verfahren. Das koreanische Widerspruchsverfahren nach dem KWVfG wurde in den letzten Jahren nicht sehr geschätzt und ist daher von geringer Bedeutung gewesen. Das Widerspruchsverfahren wurde oft wegen der niedrigen Erfolgsquote als überflüssiger Zwischenschritt betrachtet, obwohl es wegen der Möglichkeit der Berücksichtigung von Zweckmäßigkeitserwägungen für den Rechtsschutz der Bürger nützlich sein könnte. Dies ist auf die passive Haltung des Widerspruchsausschusses im Vorverfahren zurückzuführen. Der Ausschuss beschließt weniger für den Bürger als eher für die Verwaltung; deswegen wird das Vorverfahren für die Bürger als ein zeitlicher Verlust und auch als ein Hindernis für die schnelleren Rechtsbehelfe im Verwaltungsrechtsweg betrachtet. Die folgenden Diagramme zeigen den Zustand bei der Durchführung des Vorverfahrens in Korea.
Hyun Ho Kang
110
Alle Vorverfahren
Jahre
Beschluss
Zahl (Total)
Total
Annahme
Abweisung
Verwerfung
Siegesrate (%)
Rücknahme/Verweisung
1996
3.991
3.346
1.455
1.770
121
43,5
100
1997
8.131
7.231
2.779
4.102
350
38,4
85
1998
6.855
7.336
2.423
4.657
256
33,0
118
1999
8.028
8.055
2.066
5.589
400
25,6
76
2000
9.226
8.844
1.900
6.266
678
21,5
128
2001
12.692
12.252
2.891
8.624
737
23,6
106
2002
11.725
10.678
2.175
7.858
645
20,4
576
2003
13.831
13.165
2.501
10.028
636
18,9
281
2004
20.082
19.114
3.372
14.945
797
17,6
526
2005
22.292
21.131
3.102
17.157
872
14,6
884
2006
19.540
18.743
2.968
15.160
615
15,8
478
2007
23.326
23.178
3.719
18.818
641
16,0
527
2008
24.190
23.142
3.462
18.840
840
15,0
1.275
Fahrerlaubnis-Angelegenheiten Widersprüche in Beschluss
FahrerlaubnisAngelegenheiten (Anteil an allen Verfahren)
Total
Annahme (Erfolgsquote)
Abweisung
Verwerfung
1998
5.687
6.195
2.217 (35,8 %)
3.910
68
1999
6.126 (76,3 %)
6.402
1.839 (28,7 %)
4.409
154
2000
6.847 (74,2 %)
6.421
1.653 (25,7 %)
4.454
314
2001
9.333 (73,5 %)
9.079
2.570 (28,3 %)
6.080
429
2002
9.342 (67,5 %)
8.705
1.980 (22,7 %)
6.286
439
2003
11.737(84,8 %)
10.898
2.311 (21,2 %)
8.336
251
2004
17.875 (89,0 %)
17.071
3.160 (18,5 %)
13.378
533
Jahre
Mediation und Vorverfahren nach koreanischem WVfG
111
2005
19.412 (87,0 %)
18.530
2.905 (15,6 %)
15.064
561
2006
16.523 (84,6 %)
15.813
2.715 (17,2 %)
12.779
295
2007
19.993 (85,7 %)
20.589
3.543 (17,2 %)
16.745
301
2008
19.538 (80,8 %)
18.608
3.127 (16,8 %)
15.244
237
Von den gesamten 24.190 Widersprüchen im Jahr 2008 sind nur 3.462 Angelegenheiten als begründet angenommen worden. Von diesen gesamten 24.190 Angelegenheiten betreffen 19.538 Verfahren die Fahrerlaubnis. Wenn man die Fahrerlaubnis-Angelegenheiten aus den gesamten Angelegenheiten herausrechnet, dann sind nur 335 sonstige Angelegenheiten von dem Widerspruchsausschuss als begründet angenommen worden. Eine solch niedrige Erfolgsquote ist ein wichtiges Zeichen, warum die Bürger das Vorverfahren nicht benutzen wollen. Hiermit sind die Existenzgründe des Vorverfahrens und auch dessen Probleme wie folgt dargestellt: Erstens, der öffentliche Streit soll von der öffentlichen Verwaltung nochmals geprüft werden, denn die öffentliche Verwaltung ist ein Subjekt der öffentlichen Gewalt wie andere Gewalten, nämlich die Legislative und die Judikative. Darum ist es wünschenswert, dass die Verwaltung selbst ihre Handlung nochmals überprüfen kann, bevor andere Gewalten, insbesondere die Judikative, versuchen, die Verwaltungshandlung zu überprüfen. Jedoch vernachlässigt die Verwaltung die gegebene Selbstkontrolle. Obwohl sie die Selbstkontrollbefugnis wegen der hohen Verwaltungsgewalt hat, missachtet sie dieses Privileg und unternimmt keine ernsthafte Selbstkontrolle über eigene Handlungen. Darum soll die Verwaltung selbst versuchen, sich noch härter zu kontrollieren. Zweitens, die Verwaltungsbehörde beschäftigt Fachleute, darum ist es sehr nützlich, sie bei der Problemlösung einzusetzen. In dem Verwaltungszweig gibt es viele Fachleute im Vergleich zu anderen Gewalten, darum ist es sehr attraktiv, sie durch das Vorverfahren als Problemlöser zu nutzen. Aber dieser Vorteil funktioniert nicht gut genug, um die Interessen der Bürger durch ihre Fachkunde ausreichend zu befriedigen. Die Verwaltung bleibt weitgehend passiv, indem sie auf sich selbst vertraut. Die Verwaltung soll zu den Bürgern hingehen und bei ihrer Problemlösung ernsthaft kooperieren. Drittens, man kann das Rechtsschutzverfahren durch das Vorverfahren noch effektiver und ökonomischer gestalten. Die Gerichtsentscheidung bewirkt nicht nur einen schnellen Rechtschutz für die Bürger sondern auch eine Problemverschärfung wegen der formalen Verfahrensgestaltung. Das Vorverfahren kann durch eine flexible Regelung diese Formalität überwinden, trotzdem nutzt die Verwaltung ihre Vorteile nicht aktiv. Deswegen soll die Verwaltung ihre Fle-
112
Hyun Ho Kang
xibilität aktiv gebrauchen, um den effektiven Rechtsschutz der Bürger zu garantieren. 1. Arten des Widerspruchsverfahrens Gemäß dem § 4 KWVfG wird das koreanische Widerspruchsverfahren in die drei Arten eingeteilt: Es gibt Anfechtungswiderspruch, Widerspruch auf Feststellung der Nichtigkeit und u.a. sowie den Verpflichtungswiderspruch. Der Anfechtungswiderspruch ist ein Widerspruch gegen eine rechtswidrige sowie unzweckmäßige Verfügung der Verwaltungsbehörde. Aufgrund des Anfechtungswiderspruchs ist eine Verfügung der Verwaltungsbehörde zurückzunehmen, wenn sie rechtswidrig oder unzweckmäßig ist. Der Widerspruch auf Feststellung der Nichtigkeit u.a. ist ein Widerspruch auf Feststellung der Gültigkeit sowie Nichtigkeit oder Bestehen sowie Nichtbestehen der Verfügung. Der Verpflichtungswiderspruch ist ein Widerspruch, mit dem gegen eine rechtswidrige sowie unzweckmäßige Ablehnungsverfügung oder Unterlassung der Verwaltungsbehörde eine Verpflichtung zur Vornahme einer bestimmten Verfügung begehrt wird. Der Gegenstand des Widerspruchs richtet sich nach der Bedeutung der Verfügung. Obwohl es keinen Parteiwiderspruch gibt, kann man sagen, dass der Gegenstand des Widerspruchs ziemlich umfangreich ist. Durch die weite Auslegung der Bedeutung von Verfügung kann man verschiedene Verwaltungshandlungen unter dem Begriff „Verfügung“ subsumieren 2. Einlegung des Widerspruchs Gemäß § 9 KWVfG ist derjenige zur Erhebung des Widerspruchs befugt, der an dem betreffenden Widerspruchsbegehren ein rechtliches Interesse hat. Widerspruch einlegen kann also nicht nur der Adressat der Verfügung, sondern auch ein Dritter, soweit er daran ein rechtliches Interesse hat. Es gibt verschiedene Theorien bezüglich der Auslegung des Begriffs „ein rechtliches Interesse“. Nach der Rechtsprechung ist ein rechtliches Interesse das Interesse, das von dem Gesetz geschützt wird, aufgrund dessen der Inhalt der Verfügung erlassen wurde. Neuerdings ist auch solch ein Interesse erfasst, das vom einem Gesetz in verfahrensrechtlicher Hinsicht geschützt wird. Der Dritte kann daneben gemäß § 16 Abs. 1 KWVfG mit Erlaubnis des Widerspruchsausschusses zum Widerspruchsverfahren beigeladen werden, soweit das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens für ihn von Belang ist. Dazu kann der Ausschuss gemäß § 16 Abs. 2 KWVfG von Amts wegen einen Dritten oder eine Verwaltungsbehörde, der oder die an dem Ergebnis des Widerspruchs ein Interesse haben, beiladen, wenn er es für erforderlich hält.
Mediation und Vorverfahren nach koreanischem WVfG
113
Gemäß § 18 Abs. 1 KWVfG muss der Widerspruch innerhalb von 90 Tagen seit Kenntnis des Widerspruchführers vom Erlass der Verfügung erhoben werden. Ist der Widerspruchausschuss der Auffassung, dass ein bei ihm eingelegter Widerspruch zwar nicht zulässig, aber zu berichtigen ist, so muss er gemäß § 23 Abs. 1 KWVfG den Widerspruchsführer auffordern, ihn in angemessener Frist zu berichtigen. Er kann jedoch geringfügige Unrichtigkeiten von Amts wegen berichtigen. 3. Widerspruchsbehörde und Widerspruchsausschuss Früher war die Funktion zwischen der Widerspruchsbehörde und dem Widerspruchsausschuss getrennt, der mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens und der Entscheidung über den Widerspruch betraut war. Die Widerspruchsbehörde als Verwaltungsbehörde behielt zwar die Befugnis, den Widerspruchsbescheid zu erlassen, die Entscheidung lag aber beim Widerspruchsausschuss, wodurch die Objektivität und Neutralität des Widerspruchsverfahrens sichergestellt werden sollte. Aber durch die Gesetzesänderung des KWVfG vom 29. Feb. 2008 wurde die Widerspruchsbehörde in den Widerspruchsausschuss integriert, um die Durchführungszeit des Widerspruchsverfahrens abzukürzen. Gemäß § 5 Abs. 1 – außer in den Fällen nach § 5 Absatz 2, 3 und 4 – ist für den Widerspruch gegen eine Verfügung oder Unterlassung einer Verwaltungsbehörde der Widerspruchausschuss zuständig, der zu der unmittelbar nächsthöheren Behörde gehört. Der „Si-Do Widerspruchsausschuss“ ist zuständig für den Widerspruch gegen eine Verfügung oder Unterlassung der jeweiligen Staatsverwaltungsbehörden oder der Selbstverwaltungsorgane, die organisatorisch zu den Bürgermeistern der Sonderstadt Seoul und den von der Regierung direkt kontrollierten Städten oder den Gouverneuren der Provinzen einschließlich Jeju Sonderselbstverwaltungsprovinz gehören. Er besteht aus 15 Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden, und mindestens drei Mitglieder davon müssen eine nach § 6 Abs. 4 KWVfG vorgeschriebene Berechtigung besitzen. Der dem Staatskanzler zugehörige Widerspruchsausschuss – nämlich der Staatskanzlerwiderspruchsausschuss (SkWA) – besteht aus 50 Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden. Dieser SkWA ist gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 zuständig für den Widerspruch gegen eine Verfügung oder Unterlassung der Bürgermeister der Stadt Seoul, der von der Regierung direkt kontrollierten Städte oder der Gouverneure der Provinzen (einschließlich der Erziehungsausschüsse), für den Widerspruch gegen eine Verfügung oder Unterlassung der
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Hyun Ho Kang
regionalen Sonderstaatsverwaltungsbehörden sowie für den Widerspruch gegen eine Verfügung oder Unterlassung der Staatskanzler oder der Minister. Die Tagung des SkWAes findet mit 9 Mitgliedern statt, die den Vorsitzenden, die ständigen Mitgliedern und die von dem Vorsitzenden ernannten Mitgliedern einschließen. Darunter müssen mindestens 5 Personen sein, die gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 KWVfG ernannt sind. 4. Rechtswirkung der Einlegung des Widerspruchs Gemäß § 21 Abs. 1 KWVfG hemmt die Erhebung des Widerspruchs nicht die Wirksamkeit der Verfügung, ihre Vollziehung oder die Fortsetzung des Verfahrens. Ein Widerspruch besitzt keine aufschiebende Wirkung, was einen großen Gegensatz zu dem deutschen Recht darstellt. Jedoch kann der Widerspruchsausschuss gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 KWVfG auf Antrag oder von Amts wegen durch Beschluss die Wirksamkeit der Verfügung, ihre Vollziehung oder die Fortsetzung der Verfügung ganz oder teilweise aussetzen, soweit die Aussetzung dringend erforderlich ist, um einen schwer kompensierbaren Schaden zu vermeiden, der durch die Verfügung, ihre Vollziehung oder die Fortsetzung des Verfahrens entstehen würde. 5. Bewertung Das Vorverfahren bei Verwaltungsrechtsstreitigkeiten ist in Korea von relativ geringer Bedeutung. Obwohl das Vorverfahren für die Bürger sehr nützlich sein könnte, ist es traurigerweise dem Bürger wenig hilfreich. Dies ist auf die passive Haltung des Ausschusses im Vorverfahren zurückzuführen. Die meisten Widerspruchsanliegen beziehen sich auf Fahrerlaubnissachen. Als das Vorverfahren das Vertrauen der Bürger verlor, wurde es von dem notwendigen Verfahren zum entbehrlichen Verfahren. Die Verwaltungsgewalt, der die Selbstkontrollbefugnis wegen der hohen Gewalt zuerkannt ist, hat sich selbst noch schärfer zu überprüfen, als sie andere Organe kontrolliert. Es gibt ein koreanisches Sprichwort: Gegen eine andere Partei weitherzig, gegen sich selbst strengherzig. Darum ist es notwendig, dass das Vorverfahren den Interessen der Bürger ausreichend Rechnung tragen kann, auch wenn das Gericht ihnen nicht helfen kann. Für diesen Zweck ist ein mediatives Widerspruchsverfahren dringend geboten, das durch die Auslegung des gegenwärtigen KWVfGes die mediative Funktion zu maximieren versucht.
Mediation und Vorverfahren nach koreanischem WVfG
115
IV. Mediatives Widerspruchsverfahren Man kann sich zwei Wege vorstellen, wenn man an das mediative Widerspruchsverfahren denkt. Erstens, man kann de lege ferenda an den Erlass eines neuen mediativen Widerspruchsverfahrensgesetzes denken, jedoch ist dieser Weg in der Tat sehr schwierig und unrealistisch. Zweitens, man kann de lege lata an die mediationsfreundliche Auslegung des gegenwärtigen KWVfG denken. Der zweite Weg ist viel realistischer und in diesem Aufsatz werde ich dem zweiten Weg folgen. 1. Einlegung des Widerspruchs Wenn man einen Widerspruch einlegen will, muss man ein rechtliches Interesse besitzen. Es gibt Meinungsstreitigkeiten darüber, ob diese Forderung für die Einlegung des Widerspruchs passend ist. Wegen dieser Forderung ist der Zugang zum Widerspruchsverfahren zu sehr begrenzt. Zum Beispiel hat man keine Widerspruchsbefugnis, wenn man durch die Verfügung der Verwaltung in seinem reflexiven Recht verletzt ist, obwohl das KWVfG einen Widerspruch gegen die unzweckmäßige Verfügung zulässt. Im Hinblick auf das mediative Widerspruchsverfahren ist die Strenge der Regelung über die Widerspruchsbefugnis abzuschwächen, damit der Zugang zum Widerspruch weit geöffnet werden kann. M.E. ist es ausreichend, wenn ein berechtigtes Interesse für die Widerspruchsbefugnis erforderlich wird. 2. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens Gegenstand des Widerspruchs ist gemäß § 3 Abs. 1 KWVfG die Verfügung oder Unterlassung einer Verwaltungsbehörde, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Der Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ist im Gegensatz zur Situation in Deutschland sehr weit; darum kann das Widerspruchsverfahren als ein umfassendes Interessenausgleichsverfahren im öffentlichen Bereich funktionieren. Die Breite des Gegenstandes des Widerspruchsverfahrens, die die verschiedenen Verwaltungshandlungen in das mediative Verfahren einschließen kann, bedeutet, dass das mediative Widerspruchsverfahren auch weit in verschiedenen Verwaltungshandlungen angewendet werden kann. Die Bedeutung der Verfügung und der Unterlassung ist gesetzlich bestimmt, nämlich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KWVfG heißt Verfügung jede Ausübung der öffentlichen Gewalt, die eine Verwaltungsbehörde zur Regelung des konkreten Sachverhaltes vornimmt oder deren Verweigerung sowie die sonstige dementsprechende Verwaltungshandlung. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 ist Unterlassung die
Hyun Ho Kang
116
Nichterfüllung der gesetzlichen Pflicht, auf Antrag eines Betroffenen innerhalb angemessener Frist eine bestimmte Verfügung zu treffen. Die Gegenstände des mediativen Verfahrens sind durch das Diagramm wie folgt zu kategorisieren:
Mediationsgeeignete bzw. ungeeignete Gegenstände Merkmale von Verwaltungshandlungen
Geeignet für das mediative Verfahren
Nicht geeignet für das mediative Verfahren
Rechtswirkung
Gebend
Eingreifend
Bezug zum Geld
Geld bezogen
Nicht Geld bezogen
Verwaltungsspielraum
Ermessensverwaltung
Gebundene Verwaltung
Öffentlichkeit
Nicht öffentlich
Öffentlich
Betroffene
Wenig oder sehr viele
Mittel viele
Die Weite des Gegenstandes des Widerspruchsverfahrens kann man für die Mediation gut nutzen. Fast alle Angelegenheiten des öffentlichen Konflikts können vom Widerspruchsausschuss behandelt werden. Wenn der Widerspruchsausschuss mehrere Anliegen für Bürger sehr effektiv und befriedigend löst, dann können die Bürger auf den Ausschuss vertrauen und die Konflikte vor den Ausschuss bringen. 3. Widerspruchsausschuss als Mediator Zum großen Teil ist der Erfolg des mediativen Widerspruchsverfahrens von der Objektivierung sowie Billigkeit des Widerspruchsausschusses abhängig. Das gegenwärtige koreanische Widerspruchsverfahren nach dem KWVfG ist ein relativ passendes System für das mediative Widerspruchsverfahren, weil der Widerspruchsausschuss ein von der Ausgangsbehörde völlig separates Organ ist und auch der Widerspruchsausschuss im Gegensatz zu Deutschland aus den verschiedenen Gruppen von Mitgliedern besteht, die gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 KWVfG die privaten Personen außerhalb der Verwaltung einschließen. In Korea bestehen die Mitglieder des Widerspruchsausschusses zum Teil auch aus den Personen, die die Berechtigung als Rechtsanwalt besitzen und die an einer Hochschule als Professor für Rechtswissenschaft tätig sind. Wegen der Neutralität und Billigkeit der privaten Mitglieder kann der Widerspruchsaus-
Mediation und Vorverfahren nach koreanischem WVfG
117
schuss sehr leicht als Mediator fungieren. Wenn diese Mitglieder des Ausschusses so wie Mediatoren tätig werden, dann wird das Widerspruchsverfahren dem mediativen Verfahren sehr ähnlich, obwohl die Widerspruchsverhandlung durch Beschluss des Ausschusses enden mag. Dazu nehmen an der Sitzung des Widerspruchsausschusses mehr als die Hälfte Personen teil, die außerhalb der Verwaltung stehen. In der koreanischen Situation soll der Mediator sich viel mehr aus dem Kreis der Experten rekrutieren. Um dies zu ermöglichen, sind die folgenden Dinge zu sagen: Erstens, unsere Gesellschaft soll die Fachleute in verschiedenen Bereichen noch mehr ausbilden und sie als Mediator für die Problemlösung aktiv einsetzen. Zweitens, der Widerspruchsausschuss soll mehr zivile Fachleute als Mitglieder annehmen, damit die Objektivität bzw. Billigkeit der Widerspruchsverhandlung erhöht werden kann. Jetzt gibt es zwar einige private Mitglieder im Ausschuss, aber die Zahl ist zu niedrig und auch die Personenschicht ist zu begrenzt. Wenn man den Streitenden tiefer ins Herz blickt, dann kann man oft die Gründe des Streites in gegenseitigen Missverständnissen finden, die von der Unwissenheit über die Lage der anderen Partei stammen. Um diese Missverständnisse zu beseitigen, hat die Gestaltung des Widerspruchsausschusses aus Sicht der Bürger zu erfolgen, weil dadurch das gegenseitige Verständnis erhöht werden kann. Es scheint auch eine gute Idee, dass der Widerspruchsführer die Mitglieder der Sitzung des Widerspruchsausschusses wählen kann, damit dadurch die Akzeptanz der Widerspruchsverhandlung gesteigert wird. 4. Prüfungsmaßstab und Prüfungsumfang Angesichts der Erstreckung des Prüfungsmaßstabs auf Zweckmäßigkeitserwägungen gemäß § 4 KWVfG eröffnen sich bei der Durchführung des Widerspruchsverfahrens weite Spielräume des Widerspruchsausschusses für interessenorientierte Verhandlungen anstelle rein rechtspositionsbezogener Verhandlungen. Nach dem KWVfG kann der Widerspruchsausschuss die Verfügung annullieren oder ändern, soweit sie rechtswidrig oder unzweckmäßig ist. Der Ausschuss kann die Unzweckmäßigkeit der Verfügung bzw. der Verwaltungshandlung weitgehend anerkennen und den Interessen der Bürger ausreichend abhelfen, obwohl es bis jetzt kein Beispiel dafür geben mag. Durch die Anwendung des Prüfungsmaßstabs der Unzweckmäßigkeit kann der Widerspruchsausschuss ein angemessenes Resultat für den Streitgegenstand heraus-
118
Hyun Ho Kang
suchen. In dieser Situation kann der Ausschuss eine Rolle als Mediator spielen anstatt als Richter. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 KWVfG kann die Widerspruchsbehörde den Widerspruch, auch wenn er begründet ist, abweisen, wenn die Aufhebung einer Verfügung das Gemeinwohl erheblich beeinträchtigen sollte. In einem solchen Falle hat der Widerspruchsausschuss gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 KWVfG im Tenor des Bescheides die Rechtswidrigkeit oder Unzweckmäßigkeit der Verfügung auszusprechen. Gemäß § 36 Abs. 1 KWVfG darf der Widerspruchsausschuss nicht über die Verfügung oder Unterlassung, gegen die der Widerspruch gerichtet worden ist, hinaus entscheiden. Und gemäß § 36 Abs. 2 KWVfG darf der Widerspruchsausschuss durch den Widerspruchsbescheid die betreffende Verfügung oder Unterlassung nicht zu Ungunsten des Widerspruchsführers ändern. Der Widerspruchsausschuss besitzt die obengenannten Regelungsvarianten, die für die Rolle als Mediator sehr nützlich sein können. 5. Amtsermittlungsgrundsatz Der Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 26 Abs. 1 KWVwfG, aufgrund dessen der Widerspruchsausschuss erforderlichenfalls auch den von den Beteiligten nicht behaupteten Sachverhalt ermitteln kann, ist für die kooperative Informationsbeschaffung zu instrumentalisieren. In der Realität wird dieser Grundsatz zu passiv benutzt. Dies ist auf die zurückhaltende Haltung des Gerichts zurückzuführen. Nach der Rechtsprechung kann dieser Grundsatz nur in dem Fall angewandt werden, dass der Widerspruchsführer bestimmte Tatsache behauptet hat, aber diese Behauptung nicht ausreichend bewiesen ist. Aber der Ausschuss kann durch diese Befugnis die Gründe des Konflikts ans Licht bringen, die im Verborgen bleiben. Dann können die streitenden Parteien sich noch leichter verständigen, weil sie solche verborgenen Tatsachen klar erkennen können. Darum ist es geboten, dass der Ausschuss diese Regelung aktiv einsetzt und die notwendigen Tatsachen für die Mediation möglichst viel erforscht. 6. Rechtswirkung des mediativen Widerspruchsverfahrens Das Ergebnis des mediativen Widerspruchsverfahrens in Korea wird durch den Beschluss des Widerspruchsausschusses festgelegt. Im KWVfG gibt es keine Regelung bezüglich der Mediation, jedoch gibt es glücklicherweise eine relevante Regelung, die die Durchführung der Mediation in der öffentlichen Ebene ermöglicht und auch die Wirkung der Mediationsvereinbarung in der öf-
Mediation und Vorverfahren nach koreanischem WVfG
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fentlichen Ebene betrifft. Es gibt ein Sondergesetz, nämlich das Gesetz zur Einrichtung und zum Betrieb eines Antikorruptionsausschusses und eines Ausschusses für bürgerlichen Rechtsschutz (GEBAAR), das eine rechtliche Grundlage für die Mediation und auch die Rechtsfolgen der Mediationsvereinbarung enthält. Gemäß § 45 Abs. 1 GEBAAR kann der Ausschuss des bürgerlichen Rechtsschutzes dann eine Mediation auf Antrag oder von Amts wegen durchführen, wenn es für die Lösung des öffentlichen Konflikts notwendig ist, der eine große Anzahl der Bevölkerung betrifft oder einen großen sozialen Einfluss ausübt. Gemäß § 45 Abs. 3 GEBAAR hat die Mediationsvereinbarung eine Ausgleichswirkung nach dem bürgerlichen Gesetzbuch. Aber im GEBAAR gibt es keine Vorschrift, die die analoge Anwendung dieser Regelung für das Widerspruchsverfahren ermöglicht. Auf jeden Fall ist diese Regelung dafür von Bedeutung, dass das Mediationssystem für die Lösung des öffentlichen Konflikts zu gebrauchen ist und auch eine rechtliche Grundlage geschaffen worden ist. Es ist wünschenswert, dass die Rechtswirkung des mediativen Widerspruchsverfahrens im KWVfG geregelt wird, und zwar ist es m.E. zu empfehlen, dass das Ergebnis des mediativen Widerspruchsverfahrens eine gerichtliche Ausgleichswirkung hat, damit der Konflikt dadurch endgültig beendet werden kann. Natürlich ist es in diesem Fall zu regeln, wie die Durchführung des mediativen Widerspruchsverfahrens erfolgt und abgeschlossen wird. Diesbezüglich ist die Meinung sehr attraktiv, dass das mediative Vorverfahren nicht durch den Beschluss, sondern durch einen Mediationsvertrag zu beenden ist. In diesem Fall ist zu fragen, ob der Dritte auch an das Ergebnis gebunden ist. Der Mediationsvertrag sollte grundsätzlich eine verbindliche Wirkung sowohl für die Teilnehmer am Verfahren als auch für die Dritten entfalten, wenn diese über das Verfahren benachrichtigt worden sind.
V. Ausblick Es ist ein schwieriges Thema, einen kleinen Aufsatz bezüglich Mediation und Vorverfahren zu schreiben, weil die beiden Elemente schwer zusammenzubringen sind. Trotzdem kann man versuchen, die mediativen Elemente in das Widerspruchsverfahren hineinzubringen. Für das mediative Widerspruchsverfahren ist das koreanische Widerspruchsverfahren mehr als das deutsche Widerspruchsverfahren schon gerüstet. Das koreanische Widerspruchsverfahren hat einen weiten Zugang zum Widerspruchsverfahren, weil das koreanische WVfG den Gegenstand des Verfahrens breit eröffnet hat. Dazu führt der Widerspruchsausschuss eine Zweckmäßigkeitskontrolle durch, die einen weiten Spielraum für den Widerspruchsausschuss garantiert. Die Mitglieder des Wi-
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Hyun Ho Kang
derspruchsausschusses bestehen auch aus den Personen, die auch private Experten einschließen, und dadurch werden die Objektivität und Billigkeit des Widerspruchsausschusses garantiert. In der Tat führt der Widerspruchsausschuss eine tatsächliche Mediation ohne gesetzliche Grundlage durch. Darum ist es schwer, aus den Statistiken zu erkennen, wie viele Mediationen tatsächlich durchgeführt worden sind, weil solche tatsächlichen Mediationen nicht von der Statistik erfasst werden können. Es ist darum wünschenswert, eine rechtliche Grundlage für die Mediation de lege ferenda zu schaffen. Dazu brauchen für das mediative Verfahren nur einige Regelungen getroffen zu werden, die die Klagefrist und die Rechtswirkung des Antrages der Mediation sowie die Rechtswirkung der Vereinbarung als Folge des mediativen Widerspruchsverfahrens festlegen.
Mediation und Vorverfahren Von Peter Baumeister
I. Einleitung Öffentlichrechtliche Streitigkeiten sind nicht der klassische Standort für den Einsatz der Mediation. Diese Form der alternativen Streitbeilegung ist typischerweise im Privatrecht und hier vor allem im Familienrecht oder auch im Bereich des Wirtschaftsprivatrechtsrechts anzusiedeln. Gleichwohl hält sich das Thema „Mediation im öffentlichen Recht“ seit Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts kontinuierlich in der deutschen rechtswissenschaftlichen Diskussion 1 . Von seiner Aktualität hat es bis heute nichts eingebüßt und kann angesichts der langen Zeitspanne der Diskussionen auch keineswegs mehr als Modethema eingestuft werden. Trotz der beachtlichen Dauer und des beachtlichen Umfangs der Diskussion sind viele Fragen bis heute kaum geklärt. Die Praxis hat eine solche Klärung erst gar nicht abgewartet, sondern stattdessen das Thema insbesondere in der
___________ 1 S. stellv. I. Appel, Privatverfahren, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann/A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 2008, § 32 Rdnr. 102 ff.; W. Brohm, Verwaltungsverhandlungen mit Hilfe von Konfliktmittlern, DVBl. 1990, 321; I. Härtel, Mediation im Verwaltungsrecht, JZ 2005, 753; W. Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989; B. Holznagel/U. Ramsauer, Mediation im Verwaltungsrecht, in: F. Haft/K. v. Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl., 2009, § 28; ders./E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktlösung durch Verhandlungen, 2 Bände, 1990; R. Pitschas, Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor, NVwZ 2004, 396; H. Pünder, Mediation in Verwaltungsverfahren, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl., 2006, § 15; C. A. Stumpf, Alternative Streitbeilegung im Verwaltungsrecht, 2006; J. Ziekow, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – Möglichkeiten der Implementierung und rechtliche Folgen, NVwZ 2004, 390; ders./Th. Siegel, Gesetzliche Regelungen der Verfahrenskooperation von Behörden und Trägern öffentlicher Belange, 2001; zuletzt mit ausführlichen Nachweisen J. F. Bader, Gerichtsnahe Mediation am Verwaltungsgericht, 2009.
122
Peter Baumeister
Verwaltungsgerichtsbarkeit rasch aufgegriffen und umgesetzt 2 . Über die Hintergründe dieser Entwicklung soll hier nicht spekuliert werden. Der Mediation im öffentlichen Recht sind aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings zahlreiche Grenzen gesetzt 3 . Schon aus diesem Grund kann die Mediation im öffentlichen Recht nie einen vergleichbaren Stellenwert wie im Privatrecht erreichen. Unabhängig davon lohnt die Mühe der wissenschaftlichen Diskussion um den Einsatz dieser alternativen Form der Streitbeilegung. Während sich die Praxis bisher vor allem mit dem Thema der Mediation im Kontext des (Ausgangs-)Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beschäftigt, richtet sich mein Blick vielmehr auf das Vorverfahren, also das Verfahren, das dem gerichtlichen Verfahren nach den §§ 68 ff. VwGO – oder für das Sozialrecht nach den §§ 78 ff. SGG bzw. für das Steuerrecht nach den §§ 44 ff. FGO, §§ 347 f. AO – vorgeschaltet ist. Auch das Vorverfahren (oder Widerspruchsverfahren) ist in den vergangenen Jahren vermehrt in den Fokus der wissenschaftlichen Diskussion geraten. Im Vergleich zur Mediation findet diese Diskussion aber mit umgekehrten Vorzeichen statt: Während hinsichtlich der Mediation die Möglichkeiten des Ausbaus mediativer Elemente zur Konfliktlösung im Vordergrund standen, konzentriert sich die Diskussion bezüglich des Vorverfahrens seit Jahren auf dessen Reduzierung und Abschaffung. Diese erkennbar gegenläufigen Tendenzen in den beiden Themenfeldern erschweren in praxi eine Verbindung, wie sie im Titel des Referats angelegt ist. Je stärker das Vorverfahren in Bedrängnis gerät und an Relevanz verliert, umso schwerer fallen die Versuche zur Integration der Mediation in das Vorverfahren. Gleichwohl kann eine Beschäftigung mit Sinn und Zweck des Einsatzes der Mediation in Zusammenhang mit dem Vorverfahren nicht jede landesrechtliche Sonderregelung in den Blick nehmen. Überlegungen zur Verbindung der Mediation mit dem Vorverfahren stehen unter der Prämisse der Existenz eines Vorverfahrens. Grundlage der Betrachtung ist folglich die Regel des § 68 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO, nach der bestimmten Klagearten ein Vorverfahren vorgeschaltet werden muss. Nach einem Überblick über die aktuelle Bedeutung des Vorverfahrens (dazu II.) werden die Möglichkeiten der Verknüpfung von Mediation und Vorverfah___________ 2 Vgl. etwa die Darstellungen aus der Richterschaft von K.-M. Ortloff, Mediation außerhalb und innerhalb des Verwaltungsprozesses, NVwZ 2004, 385; ders., Europäische Streitkultur und Mediation im deutschen Verwaltungsrecht, NVwZ 2007, 33; M.-J. Seibert, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – Erfahrungen und Überlegungen zu einer alternativen Streitbeilegung, NVwZ 2008, 365. 3 Näher dazu F.-J. Peine, Mediation im Kontext von Demokratie- und Rechtsstaatsgebot, in diesem Band; ausführlich M. Kaltenborn, Streitvermeidung und Streitbeilegung im Verwaltungsrecht, 2007, insbes. S. 144 ff., 217 ff.
Mediation und Vorverfahren
123
ren in drei Fallgruppen dargestellt (III.), bevor ein kurzes Fazit zu ziehen ist (IV.).
II. Die aktuelle Bedeutung des Vorverfahrens Die deutsche allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit kennt ebenso wie die besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeiten der Sozial- und der Finanzgerichtsbarkeit das Erfordernis eines Vorverfahrens als Zulässigkeits- oder Sachurteilsvoraussetzung vor Erhebung bestimmter gerichtlicher Klagen 4 . So lautet die vorausgehend bereits erwähnte Grundregelung des § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO: „Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen.“ Nach § 68 Abs. 2 VwGO gilt dieser Grundsatz auch für die Verpflichtungsklage. Trotz der durch die §§ 68 ff. VwGO bewirkten Einbeziehung des Vorverfahrens in den Kontext des gerichtlichen Verfahrens handelt es sich beim Vorverfahren um ein (dem gerichtlichen Verfahren regelmäßig zeitlich vorgelagertes) Verwaltungsverfahren 5 , das im Anschluss an das Ausgangsverwaltungsverfahren stattfindet. Aus diesem Doppelcharakter (prozessuale Sachentscheidungsvoraussetzung und Verwaltungsverfahren) resultiert auch die Möglichkeit der analogen Anwendung von Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts. Das Erfordernis des Vorverfahrens versperrt den unmittelbaren Zugang zum Gericht. Die damit verbundene Beschränkung der Rechtsschutzgarantie ist im Ergebnis allerdings nach allgemeiner Auffassung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, weil das Vorverfahren seinerseits ebenfalls Rechtsschutzziele verfolgt 6 . Beispielsweise ermöglicht auch nur das Vorverfahren eine Zweckmäßigkeitskontrolle von Entscheidungen, bei denen ___________ 4
Im Weiteren konzentriert sich die Darstellung auf die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit; die Ausführungen gelten aber mit Ausnahme derjenigen zum Abbau des Vorverfahrens auch für das Sozial- und das Steuerrecht. 5 Vgl. stellv. K.-P. Dolde/W. Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Vorb. § 68 Rdnr. 2 (Stand März 2008); H. Hofmann, Das Widerspruchsverfahren als Sachentscheidungsvoraussetzung und als Verwaltungsverfahren, in: H.-U. Erichsen/W. Hoppe/A. v. Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Menger, 1985, S. 605; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, vor § 68 Rdnr. 2; A. v. Mutius, Das Widerspruchsverfahren der VwGO als Verwaltungsverfahren und als Prozessvoraussetzung, 1969, S. 21 ff. 6 Vgl. BVerfG, Beschl. vom 9.5.1973 – 2 BvL 44/71, BVerfGE 35, 65 (72 f.); Beschl. vom 28.10.1975 – 2 BvR 883/73 u. a., BVerfGE 40, 237 (256); K.-P. Dolde/ W. Porsch (o. Fußn. 5), Vorb. § 68 Rdnr. 12, Kopp/Schenke (o. Fußn. 5), vor § 68 Rdnr. 1.
124
Peter Baumeister
die Ausgangsbehörde über einen gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Ermessens-, Abwägungs- oder Beurteilungsspielraum verfügt. Die praktische Bedeutung des Vorverfahrens nimmt seit geraumer Zeit infolge gesetzgeberischer Aktivitäten erheblich ab. So haben der Bund und vor allem die Länder in den vergangenen Jahren generell oder in vielen Sachbereichen das Vorverfahren abgeschafft oder doch erheblich eingeschränkt 7 . In Bayern wurde mit Wirkung vom 1.7.2007 das Widerspruchsverfahren als obligatorisches Vorverfahren abgeschafft; in einzelnen Sachbereichen wurde es zugleich für fakultativ erklärt 8 . Niedersachsen hat das Vorverfahren bereits zum 1.1.2005 grundsätzlich abgeschafft und nur für einzelne Rechtsgebiete aufrechterhalten 9 ; diese Regelungen sind aber (vorläufig) noch auf das Jahresende 2009 befristet. Eine mit der niedersächsischen Regelung weitgehend vergleichbare Vorschrift kennt mittlerweile auch Nordrhein-Westfalen, das seinen grundsätzlichen Ausschluss vorerst bis zum 31.10.2012 befristet hat 10 . Erhebliche Beschränkungen hat das Vorverfahren auch in Mecklenburg-Vorpommern erfahren. Hier wurde das Vorverfahren in einigen wichtigen Bereichen (wie dem Bau- und Umweltrecht) grundsätzlich als fakultatives Verfahren ausgestaltet, in einigen wenigen Fällen sogar ganz abgeschafft 11 . Im Ergebnis wohl noch weitreichendere Eingriffe in die Grundregel des § 68 Abs. 1 VwGO hat auch Hessen vorgenommen; so enthält das Hessische Ausführungsgesetz zur VwGO einen umfangreichen Katalog von Fällen, in denen das Vorverfahren entfällt 12 . In Baden-Württemberg 13 und Sachsen-Anhalt 14 wurde das Vorverfahren nicht bereichsspezifisch, sondern vollständig bei Ausgangsentscheidungen von Mittelbehörden abgeschafft. Schließlich enthalten die Landesregelungen von Ber-
___________ 7
Vgl. zu den Landesregelungen etwa H. Biermann, Das Widerspruchsverfahren unter Reformdruck, DÖV 2008, 395; C. Steinbeiß-Winkelmann, Abschaffung des Widerspruchsverfahrens – ein Fortschritt?, NVwZ 2009, 686. 8 S. Art. § 15 BayAGVwGO, eingef. durch G. vom 22.6.2007, BayGVBl. S. 390; fakultativ ist das Vorverfahren in den Bereichen Kommunalabgabenrecht, Landwirtschaftsrecht, Schulrecht, Sozialrecht (bei Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte), Beamtenrecht und Prüfungsentscheidungen (Art. 15 Abs. 1 BayAGVwGO). 9 S. § 8a NdsAGVwGO, eingef. durch G. vom 5.11.2004, NdsGVBl. S. 394. 10 S. § 6 NRWAGVwGO, eingef. durch G. vom 9.10.2007, GV. NRW S. 393. 11 S. § 13a, § 13b MVAGGerStrG, eingef. durch G. vom 1.8.2006, GVOBl. M-V S. 500; die Regelungen gelten vorerst bis zum 1.7.2011. 12 S. § 16a HessAGVwGO i.V.m. der Anlage zum HessAGVwGO, eingef. durch G. vom 20.6.2002, GVBl. I S. 342; insgesamt enthält die Anlage 56 Bereiche oder Fallgruppen. 13 S. § 6a BWAGVwGO, eingef. durch G. vom 10.5.1999, GBl. S. 173. 14 S. § 8a LSAAGVwGO, GVBl. 2003, 158.
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lin 15 , Hamburg 16 und Thüringen 17 in einigen wenigen Bereichen einen Ausschluss des Vorverfahrens. Von Beschränkungen abgesehen haben mit Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein (bislang noch) sechs Bundesländer. Diese Gesetzesänderungen aus den letzten Jahren verdeutlichen die aktuelle Krise des Vorverfahrens und den damit verbundenen Trend zur Reduzierung der Bedeutung des Vorverfahrens. Zur besseren Einschätzung dieser Entwicklung sollen hier kurz die zentralen Erwägungen der Landesgesetzgeber dargestellt werden. Die gesetzgeberischen Aktivitäten resultieren vor allem aus Bedenken gegen die Effizienz des Vorverfahrens im Hinblick auf die mit ihm verfolgten Ziele. Diese werden traditionell in einer Entlastung der Gerichte, in der Gewährung zusätzlichen Rechtsschutzes für den Bürger sowie in der Selbstkontrolle der Verwaltung gesehen 18 . So entspricht es heute durchaus verbreiteter Ansicht, dass das Vorverfahren die ihm zugedachten Ziele jedenfalls teilweise nicht mehr erfüllt 19 . Werden diese Ziele nicht oder nur unvollständig erreicht, so wird das Vorverfahren vor allem als zeitliche Verzögerung begriffen. Die Regelungen über das Vorverfahren bewirken die Notwendigkeit für den Klagewilligen, vor Klageerhebung ein zusätzliches Verwaltungsverfahren zu absolvieren. Im Fall eines ablehnenden Widerspruchsbescheids stellt sich das Vorverfahren aus der Sicht des Betroffenen als (zumindest vorübergehende) Vorenthaltung des eigentlichen Ziels, des gerichtlichen Rechtsschutzes dar. In den Fällen der Verwaltungsakte mit Doppel- oder Drittwirkung kann unter Umständen auch der Begünstigte ein besonderes Interesse an einer zügigen gerichtlichen Klärung der Einwände der belasteten Dritten haben und das Vorverfahren als überflüssige Verzögerung auf dem Weg zu einem bestandskräftigen Bescheid begreifen. Interessanterweise ist es gerade auch die Richterschaft, aus der entsprechende Einschätzungen zu Fehlentwicklungen im Vorverfahren zu vernehmen sind. Nicht wenige Stimmen wollen in den Widerspruchsverfahren ein bürokrati___________ 15 S. Übergangsregelung in Art. II des 5. AGVwGOÄndG, eingef. durch G. vom 8.4.2004, GVBl. S. 175; außerdem § 26 Abs. 2, 3 AZG, zul. geänd. d. G. vom 4.5.2005, GVBl. S. 282. 16 S. § 6 Abs. 2 HambAGVwGO, zul. geänd. d. G. vom 18.2.2004, GVBl. S. 69. 17 S. §§ 8a, 8b ThürAGVwGO, zul. geänd. d. G. vom 18.12.2002, GVBl. S. 480. 18 S. auch K.-P. Dolde/W. Porsch, Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens – ein bedauernswerter Abbruch eines Grundpfeilers der VwGO?, VBlBW 2008, 428. 19 Vgl. z. B. K.-P. Dolde/W. Porsch (o. Fußn. 5), Vorb. § 68 Rdnr. 16, 16a m. w. Nachw.; differenzierend C. Steinbeiß-Winkelmann (o. Fußn. 7), NVwZ 2009, 686 (687 ff.).
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sches Hemmnis für Unternehmen erkannt haben. Entsprechend gilt die Abschaffung der Vorverfahren als eine Maßnahme zum Bürokratieabbau 20 . Für die Abschaffung der Vorverfahren werden weitere Erwägungen angeführt, die sich im Zusammenspiel mit anderen Regelungen ergeben. So gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Rechtsbereichen, in denen die nach § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich geltende aufschiebende Wirkung beseitigt worden ist. In anderen Fällen ordnen die Verwaltungsbehörden gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO systematisch den Sofortvollzug an. In diesen Konstellationen kann es der Betroffene nicht bei der Einlegung des Widerspruchs belassen, sondern muss sofort das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (nach § 80 Abs. 5 VwGO) initiieren. Über den parallel eingelegten Widerspruch wird nach der Verwaltungspraxis bis zur Entscheidung des Gerichts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht entschieden, anschließend werden typischerweise die gerichtlichen Erwägungen in den Widerspruchsbescheid übernommen. Im Ergebnis erweisen sich Vorverfahren in diesen Fachbereichen als weitgehend funktionslos. Als typische Fallkonstellationen, in denen dem Vorverfahren keine adäquate Funktion zukommt, können auch die Sonderfälle angesehen werden, in denen die Widerspruchsbehörde keine Berechtigung besitzt, dem Widerspruch stattzugeben, wie dies etwa im Fall des verweigerten gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB angenommen wird. Darüber hinaus wurde verschiedentlich konstatiert, dass die Ausgangsbehörden beim Erlass von Verwaltungsakten eine größere Sorgfalt walten lassen, wenn ein Widerspruchsverfahren nicht stattfindet. Inwieweit diese Einschätzung zu überzeugen vermag, mag hier dahinstehen. Wenig Rücksicht nimmt die Gesetzgebung grundsätzlich auf praktische Erfahrungen mit der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens. Dabei sind durchaus beachtliche Untersuchungen angestellt worden. Die wohl umfangreichsten Ergebnisse liefert der Abschlussbericht zum Pilotprojekt „Probeweise Abschaffung des Widerspruchsverfahrens im Regierungsbezirk Mittelfranken“ aus dem Jahre 2007 21 . Ein Ergebnis der Studie bezog sich auf den Entlastungseffekt, der mit dem Widerspruchsverfahren für das gerichtliche Verfahren verbunden sein kann. Die Studie kam hier zu dem Ergebnis, dass bei einer dauerhaften Abschaffung des Widerspruchsverfahrens mit einer erheblichen Erhöhung der ge___________ 20 So trägt das Gesetz zur weitgehenden Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Nordrhein-Westfalen den bezeichnenden Namen „Zweites Gesetz zum Bürokratieabbau (Bürokratieabbaugesetz II)“, G. vom 9.10.2007, GV. NRW S. 393. 21 Abschlussbericht der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern zur Evaluierung eingesetzten Arbeitsgruppe „Widerspruchsverfahren“, als Download abrufbar unter http://www.stmi.bayern.de/service/gesetzesentwuerfe/detail/16688/.
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richtlichen Arbeitsbelastung zu rechnen sei 22 . Allerdings zeigt die detaillierte Betrachtung einzelner Rechtsgebiete, dass der insgesamt erkennbare Entlastungseffekt keinesfalls in allen Rechtsbereichen gleichermaßen auftritt. Als Bereiche mit erheblichem Entlastungseffekt wurden das Handwerksrecht, das Verkehrsrecht, das Wohngeldrecht, das Baurecht und das Abgabenrecht ermittelt 23 . Zahlreiche Diskussionen ranken sich um die Zulässigkeit der landesgesetzlichen Abschaffung des Vorverfahrens. Nicht wenige halten nach der Gesetzesänderung des § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO durch das 6. VwGOÄndG (Streichung der Wörter „für besondere Fälle“) einen vollständigen oder zumindest weitgehenden Verzicht auf ein Vorverfahren durch landesgesetzliche Regelung für möglich 24 . Jenseits aller Diskussion um die rechtliche Zulässigkeit entsprechender gesetzlicher Ausschlussregelungen im Landesrecht sind die in vielen Bundesländern erkennbaren Entwicklungen hin zu einem zunehmenden Ausschluss des Vorverfahrens auch als rechtspolitisch bedenklich anzusehen. Weshalb die Reaktion auf einen (angenommenen) Funktionsverlust nicht in Bemühungen um die Stärkung des Vorverfahrens mündet, bleibt weitgehend unklar. Auffällig ist zum anderen, dass gerade in Rheinland-Pfalz und Saarland, die mit den Rechtsausschüssen über ein besonders ausgestaltetes Widerspruchsverfahren verfügen, tendenziell eher über eine weitere Stärkung des Vorverfahrens diskutiert wird. Mit der Abschaffung werden die Möglichkeiten des Vorverfahrens zu einer Selbstkontrolle der Verwaltung und zur Entlastung der Gerichte aufgegeben. In den Fällen einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle infolge von Ermessens-, Abwägungs- oder Beurteilungsspielräumen wird der Rechtsschutz des Bürgers durch den Wegfall des Vorverfahrens und damit auch der Zweckmä___________ 22
S. Abschlussbericht (o. Fußn. 21), S. 12. Trotz dieses Befundes hat sich der Gesetzgeber über die in dem Bericht ausgesprochenen Empfehlungen zur Beibehaltung des Widerspruchsverfahrens hinweggesetzt; entsprechende Kritik etwa bei S. Müller-Grune/J. Grune, Abschaffung des Widerspruchsverfahrens, BayVBl. 2007, 65; G. Heiß/T. Schreiner, Zum fakultativen Vorverfahren nach Art. 15 Abs. 1 BayAGVwGO, BayVBl. 2007, 616. 24 S. etwa G. Beaucamp/P. Ringermuth, Empfiehlt sich die Beseitigung des Widerspruchsverfahrens?, DVBl. 2008, 426 (427 f.); K.-P. Dolde/W. Porsch (o. Fußn. 5), § 68 Rdnr. 12; M. Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO, 4. Aufl., 2007, § 68 Rdnr. 18; R. Pietzner/M. Ronellenfitsch, Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl., 2008, § 31 Rdnr. 13; krit. dagegen etwa H. Geiger, Die Neuregelung des Widerspruchsverfahrens durch das AGVwGO, BayVBl. 2008, 161; M. Holzner, Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens, DÖV 2008, 217 (224); Kopp/Schenke (o. Fußn. 5), § 68 Rdnr. 17a; C. Meissner, Die Novellierung des Verwaltungsprozeßrechts durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, VBlBW 1997, 81 (86); K. Meier, Das 6. VwGO-Änderungsgesetz und seine Folgen aus erstinstanzlicher Sicht, NVwZ 1998, 688 (693); K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., 2006, § 68 Rdnr. 24. 23
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ßigkeitskontrolle zusätzlich eingeschränkt. Insgesamt kann einem Vorverfahren selbst dann eine Befriedungsfunktion zukommen, wenn der Widerspruch zurückgewiesen wird. Auch in einem solchen Fall macht eine überzeugende Begründung die möglicherweise geringen Erfolgsaussichten einer Klage deutlich. Schließlich entfällt mit dem Vorverfahren eine einfache Möglichkeit zur Akteneinsicht, aus der sich ebenfalls die Aussichtslosigkeit einer Klage ergeben kann. Diese Akteneinsicht muss bei fehlendem Vorverfahren über die Klageerhebung erreicht werden, wie mir aus eigener anwaltlicher Tätigkeit leidvoll bekannt ist 25 .
III. Mediation und Vorverfahren – zwei Verfahren zur Konfliktlösung und die Möglichkeiten ihrer Verknüpfung Zum Begriff der Mediation hat sich noch keine Definition allgemein durchgesetzt. Erst seit kurzem handelt es sich auch um einen normativen Begriff 26 , wodurch die Definitionsbildung beschleunigt werden dürfte. Angesichts dieser Ausgangslage erscheint es sinnvoll, auf das europäische Verständnis zurückzugreifen, wie es in der EG-Richtlinie vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen 27 zum Ausdruck kommt. In Art. 3 lit. a der Richtlinie wird die Mediation folgendermaßen definiert: „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck ... ‚Mediationǥ ein strukturiertes Verfahren unabhängig von seiner Bezeichnung, in dem zwei oder mehr Streitparteien mit Hilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu erzielen. Dieses Verfahren kann von den Parteien eingeleitet oder von einem Gericht vorgeschlagen oder angeordnet werden oder nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgeschrieben sein.“ Die Richtlinie gilt (aufgrund der begrenzten Rechtsetzungskompetenz aus Art. 61 lit. c, 67 Abs. 5 EGV) nur für Zivil- und Handelssachen 28 . Gleichzeitig ___________ 25 Eine solche Situation des Bedürfnisses einer Akteneinsicht zur Abschätzung der Erfolgsaussichten von Rechtsmitteln tritt in der praktischen anwaltlichen Tätigkeit nicht selten ein. 26 Erst mit den Regelungen der § 34 RVG, § 2 Abs. 3 RDG, § 124 TKG sowie zuletzt mit §§ 135, 156 Abs. 1 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) vom 17.12.2008, BGBl. I S. 2586, hat sich dies geändert. 27 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlament und des Rates, ABl. EG vom 24.5.2008, L 136/3. 28 Die Richtlinie steht im Kontext der Bemühungen um eine Vereinheitlichung des Zivilverfahrensrechts; s. dazu P. Baumeister, Rechtsentwicklungen in Europa – Auf
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wird sie aber auch darüber hinaus faktische Bedeutung erlangen. Entsprechend kann die Definition auch für die Mediation im öffentlichen Recht als Grundlage genommen werden. Wie die Mediation in Verbindung mit dem Vorverfahren gebracht werden könnte, kann nicht ohne weiteres beantwortet werden. Auch das Vorverfahren mit der behördlichen Entscheidungsbefugnis dient schließlich selbst der Konfliktlösung und steht damit in einer gewissen Konkurrenzsituation zu Verfahren wie dem der Mediation. Eine Mediation im Verwaltungsrecht kann selbstverständlich auch ganz unabhängig von einem Vorverfahren durchgeführt werden. So wird die Mediation im Verwaltungsrecht in der Praxis bisher stets im zeitlichen und/oder inhaltlichen Kontext mit dem Ausgangsverfahren oder mit dem gerichtlichen Verfahren durchgeführt. Hier stellt sich die Frage, ob die Mediation auch in Verbindung zum Vorverfahren gebracht werden kann. Solche Verbindungen können abstrakt betrachtet in mindestens dreierlei Weise hergestellt werden. Die erste denkbare Möglichkeit besteht in einer der gerichtsnahen Mediation entsprechenden Form. Nach Erhebung des Widerspruchs wird – wie nach der Klageerhebung bei der gerichtsnahen Mediation – das laufende Vorverfahren zum Zweck der Durchführung einer Mediation ausgesetzt. Die Rechtsgrundlage der Aussetzung des Vorverfahrens folgt aus § 79 VwVfG i.V. mit § 10 S. 2 VwVfG. Diese Form der Verbindung von Vorverfahren und Mediation wird im Folgenden als vorverfahrensnahe Mediation bezeichnet (1). Die zweite Variante besteht in einer Verbindung des Vorverfahrens mit dem Verfahren der Mediation oder mit Bausteinen aus diesem. Hier wären innerhalb der rechtlichen Vorgaben für das Vorverfahren, wie sie in den §§ 68 ff. VwGO enthalten sind, Elemente der Mediation einzubringen (zum mediativ angereicherten Vorverfahren unter 2.). Schließlich soll noch eine dritte denkbare Variante untersucht werden, bei der die Mediation selbst das Vorverfahren bildet. Eine solche Form der Verbindung wird nachfolgend als mediatives Vorverfahren bezeichnet (3). Diese auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Möglichkeit bewegt sich erkennbar außerhalb des aktuell geltenden Rechts. Dies ändert jedoch nichts an der Möglichkeit der Untersuchung. Vorab sei (noch einmal) darauf hingewiesen, dass diese drei Formen der Verbindung von Vorverfahren und Mediation nicht mit der typischen Verankerung der Mediation im Kontext des Verwaltungsverfahrens oder des gerichtlichen Verfahrens im Einklang stehen. Alle Formen der Mediation im Verwal___________ dem Weg zu einem einheitlichen „Europäischen Zivilprozessgesetz“?, in: W. Hahn (Hrsg.), Forderungsbeitreibung in Europa – Debt Recovery in Europe, 2007, S. 7 ff.
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tungsverfahren (sog. vorlaufende, mitlaufende oder selbstlaufende Mediation 29 ) sind ebenso wie die gerichtliche, gerichtsnahe oder gerichtsverbundene Mediation zeitlich und inhaltlich nicht an das Vorverfahren angebunden. Entsprechend werden nachfolgend solche Verbindungsmöglichkeiten mit dem Vorverfahren betrachtet. 1. Die vorverfahrensnahe Mediation Richtet man den Blick zunächst auf die erste Möglichkeit, die vorverfahrensnahe Mediation, also eine Mediation im zeitlichen Rahmen eines ausgesetzten Widerspruchsverfahrens, so lassen sich zunächst einige Aspekte anführen, die diese Variante vorzugswürdig machen könnte. Positiv erscheint einmal die mit dieser Variante verbundene klare Trennung zwischen dem Verwaltungsverfahren in Form des Vorverfahrens mit hoheitlichen Entscheidungsbefugnissen der Widerspruchsbehörde und dem Mediationsverfahren, das ganz im Sinn der oben angeführten Kriterien für die Mediation durch einen Mediator ohne Entscheidungskompetenz geleitet werden kann. Eine der wiederholt angesprochenen Anforderungen an die Mediation ist gerade die, dass der Mediator keine Streitentscheidungskompetenz besitzen darf. Hat er dagegen eine entsprechende Kompetenz, kann sich dieser Umstand erheblich auf das durch die Mediation gemeinsam erarbeitete Ergebnis der Konfliktlösung auswirken. Entsprechend wird die fehlende Befugnis zur Entscheidung des Konflikts teilweise zu den Essentialia der Mediation gerechnet. Die Aussetzung des Vorverfahrens und die während dieser Zeit durchgeführte Mediation schaffen die Grundlage für eine derartige Mediation. Gleichfalls als positiv zu betrachten an der Verbindung von Vorverfahren und Mediation durch die Aussetzung des Vorverfahrens ist ihre Durchführungsmöglichkeit ohne das Erfordernis zu Gesetzesänderungen. Das bestehende Recht ermöglicht diese Form der Verbindung ohne jede Einschränkung. Gleichzeitig ist diese Lösung aber auch mit deutlichen praktischen Nachteilen verbunden, die im Ergebnis erheblich dazu beigetragen haben dürften, dass die Mediation im Verwaltungsrecht in der Phase des Vorverfahrens bisher praktisch keine Rolle gespielt hat. Diese Nachteile hängen zum einen mit dem Zeitpunkt der Mediation zusammen. Das Vorverfahren schließt sich aufgrund der Widerspruchsfrist regelmäßig unmittelbar an das Ende des Verwaltungsverfahrens an, das mit dem Erlass eines (jedenfalls teilweise) belastenden Verwaltungsakts abgeschlossen wurde. Es hat typischerweise einerseits die – verwaltungsinterne – Nachprüfung der Rechtmäßigkeit und andererseits in den ___________ 29
S. dazu etwa B. Holznagel/U. Ramsauer (o. Fußn. 1), § 28 Rdnr. 20.
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Fällen mit Ermessens- und Beurteilungsspielräumen zudem die Zweckmäßigkeitsprüfung zum Gegenstand. Ist ein solches Verfahren vorgeschrieben vor Erhebung einer Klage, so fehlt dem Widerspruchsführer regelmäßig die Motivation, vor oder während der Durchführung des Vorverfahrens mit der Mediation ein weiteres Verfahren zu beginnen, das in seinem Nutzen völlig ungewiss ist und sich zusätzlich als zeitaufwendig erweisen kann. Da die Kosten des Widerspruchsverfahrens für den Widerspruchsführer selbst bei einem Scheitern regelmäßig sehr gering ausfallen, folgt auch aus diesem Gesichtspunkt kein wirklich relevantes Argument für die vorausgehende Durchführung einer Mediation. Erst nach erfolglosem Abschluss des Vorverfahrens stellt sich die Frage einer Alternative zur gerichtlichen Streitentscheidung. Zuvor besteht noch die Chance, dass die Ausgangs- oder die Widerspruchsbehörde bei ihrer Prüfung zur Rechts- oder Zweckwidrigkeit des Verwaltungsakts kommen könnten. Anders als das Widerspruchsverfahren verlangt die Mediation zudem eine deutlich größere Eigeninitiative von den Beteiligten. Sie müssen sich stärker inhaltlich und zeitlich in die Suche nach einer Konfliktlösung einbringen. Das damit nötige Engagement sichert zwar einerseits eine stärkere Identifikation mit der Lösung des Streits, andererseits verlangt die Mediation von den Beteiligten deutlich mehr als das traditionelle Vorverfahren und schafft dadurch eine Hürde zu ihrer Inanspruchnahme. Eine andere Situation ergibt sich erst im Verhältnis zum gerichtlichen Verfahren, das typischerweise mit einem deutlich höheren Kostenrisiko und einer wesentlich längeren Verfahrensdauer einhergeht. Soweit ein Vorverfahren vorausgegangen ist, ist sich der Kläger angesichts der Zurückweisung des Widerspruchs um so mehr bewusst, dass der Erfolg in einem Klageverfahren fraglich sein kann. Die erhöhte Bereitschaft zu einem alternativen Lösungsversuch über den Weg der Mediation ist deshalb das Ergebnis einer schlichten Bewertung von Chancen und Risiken der verschiedenen Verfahrensmöglichkeiten. Im Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs fällt diese Bewertung noch regelmäßig zugunsten einer Durchführung eines Widerspruchsverfahrens aus. Erst im Anschluss an einen – für den Betroffenen – negativen Ausgang des Widerspruchsverfahrens ändern sich die maßgeblichen Bewertungsgrundlagen. Gegenüber einem Gerichtsverfahren weist die Mediation einige Vorteile auf, die zeitlich vor einem Widerspruchsverfahren noch nicht gegeben sind. Aus diesen Überlegungen heraus lässt sich nicht nur die deutlich intensivere Diskussion um die gerichtliche oder gerichtsnahe Mediation, sondern auch die praktische Irrelevanz der Mediation vor einem obligatorischen oder fakultativen Vorverfahren erklären. Eine nähere Befassung mit der Mediation während des ausgesetzten Vorverfahrens erscheint deshalb im Ergebnis wenig sinnvoll.
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2. Das mediativ angereicherte Vorverfahren Das zweite Konzept zur Einbindung der Mediation in das Vorverfahren basiert im praktischen Ergebnis auf einer Ausgestaltung des Vorverfahrens, wie es etwa in Rheinland-Pfalz und dem Saarland in Form der Verfahren von Kreis- und Stadtrechtsausschüssen stattfindet. Die Besonderheit dieser Art des Vorverfahrens besteht gerade darin, dass das Vorverfahren sehr gerichtsähnlich vor den genannten Ausschüssen durchgeführt wird. Im Anschluss an ein erfolgloses Abhilfeverfahren vor der Ausgangsbehörde wird der Widerspruch von den Rechtsausschüssen behandelt, die aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern gebildet werden. Vorsitzender ist der Landrat (bzw. beim Stadtrechtsausschuss der Oberbürgermeister) oder ein von diesem bestellter Vertreter mit der Befähigung zum Richteramt. Die Beisitzer werden durch den Kreistag (bzw. den Stadtrat) aus den bei den Kommunalwahlen wählbaren Bürgern gewählt. Diese Rechtsausschüsse erlassen den Widerspruchsbescheid, der vor seinem Erlass mit den Beteiligten mündlich zu erörtern ist. Gerade dieser Termin vor dem Rechtsausschuss macht die Sonderstellung der entsprechenden landesgesetzlichen Regelung aus. Auffällig ist, dass weder Rheinland-Pfalz noch das Saarland, die dieses Verfahren kennen, bislang gesetzgeberische Maßnahmen zur Abschaffung oder Reduzierung des Vorverfahrens unternommen haben, wie sie oben bereits für die meisten anderen Bundesländer erwähnt wurden. Gleichwohl wird auch in diesen Ländern eine intensive Diskussion geführt. Offenbar sind die Erfahrungen mit dieser Form der Konfliktlösung aber deutlich besser als bei einem „herkömmlichen“ Vorverfahren. Die Kernelemente und die Erfolge dieser Art des Vorverfahrens bestehen erkennbar in der durch die mündliche Verhandlung ermöglichten Kommunikation zwischen den Beteiligten, die in den vorausgehenden Verwaltungsverfahren meist zu kurz kommt. Es erscheint allerdings überaus fraglich, ob der Weg, die möglichen Defizite des Ausgangsverfahrens durch die Einführung eines gerichtsähnlichen Vorverfahrens auszugleichen, überzeugen kann. Die mündlichen Erörterungstermine führen nicht selten zu großen zeitlichen Verzögerungen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Daher erscheint es sinnvoll, das Augenmerk verstärkt auf eine tatsächliche Verbesserung der Beteiligung im Ausgangsverfahren zu richten. Soweit die Einlegung des Widerspruchs durch den Bürger Ausdruck einer ungerechten Behandlung ist, die auf die seiner Ansicht nach ungenügende Beachtung seiner Interessen zurückzuführen ist, so dürfte die nahe liegende Lösung in einer Behebung der Ursache und nicht in der Schaffung eines zeit- und kostenaufwendigeren Verfahrens zu suchen sein. Ähnlich zu beurteilen sind aus meiner Sicht alle Bemühungen, die bestehenden Vorverfahren mit einer stärkeren Beteiligung der Betroffenen anzurei-
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chern. Solange diese Anreicherung nicht mit gravierenden Verlängerungen der Verfahrensdauer einhergeht, ist gegen sie im Grundsatz nichts einzuwenden. Doch sollte zunächst die Verbesserung des Ausgangsverfahrens angestrebt werden. 3. Das mediative Vorverfahren Ganz anders könnte die Bewertung ausfallen, wenn der Blick auf die dritte hier zu betrachtende Möglichkeit einer Verbindung von Mediation und Vorverfahren gerichtet wird. Diese Möglichkeit ist näher ausgeführt worden in einer Arbeit von Stefan Vetter aus dem Jahre 2004 30 . In seiner Bayreuther Dissertation schlägt er eine Reform des Vorverfahrens hin zu einem mediativen Vorverfahren vor. An die Stelle des bisherigen Vorverfahrens tritt das obligatorische mediative Vorverfahren. Dabei hat der Bürger wie bei der bisherigen Einlegung des Widerspruchs einen Antrag auf Durchführung des mediativen Vorverfahrens innerhalb einer bestimmten Frist unter Beachtung von Formvorschriften mit der Auswahl des gewünschten Mediators bei der zuständigen Stelle einzureichen. Im Unterschied zum herkömmlichen Vorverfahren sind lediglich zusätzlich der gewünschte Mediator (bzw. eine kurze Auswahlliste für die Behörde) zu benennen. Sind die formellen Voraussetzungen eingehalten, hat die Ausgangsbehörde den Mediator über seine Bestellung zu informieren. Dieser wiederum legt mit den Beteiligten schnellstmöglich einen ersten Termin fest. Kommt es in dem folgenden Verfahren zu einer Säumnis des Antragstellers, so soll der Antrag als zurückgenommen gelten mit der Folge, dass der angegriffene Verwaltungsakt damit bestandskräftig wird. Beteiligt sich dagegen die Behörde nicht entsprechend am Verfahren, so wird das Scheitern der Mediation durch den Mediator bescheinigt, was die Klageerhebung ermöglicht. Dieser Vorschlag verändert das derzeit noch existierende Modell des Vorverfahrens grundlegend. Überzeugend erscheint einerseits die Konsequenz der Umsetzung der Grundgedanken der Mediation. Es handelt sich um eine radikale Abschaffung des aktuell bestehenden Vorverfahrens kombiniert mit der Neukonstruktion eines Vorverfahrens in Form einer Mediation. Der Entwurf eines derart neuen Vorverfahrens hat den Vorteil, dass er eine der Grundideen der Mediation, die Konfliktvermittlung durch einen neutralen Außenstehenden ohne Entscheidungsbefugnis, uneingeschränkt umsetzt. Anders als gelegentlich angesprochene, regelmäßig aber nicht weiter verfolgte Anregungen, das bestehende Vorverfahren mit mehr mediativen Elementen anzureichern, ohne die ___________ 30
S. Vetter, Mediation und Vorverfahren, 2004, S. 131 ff.
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Grundstruktur der Verfahrensleitung durch die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde anzutasten, bleibt dieses Konzept der Mediationsidee treu. Bedenken bestehen freilich auch bei diesem Versuch. Ohne nachfolgend ausführlich Stellung nehmen zu können, sollen zumindest einzelne Aspekte dazu angesprochen werden. Eine gewisse offene Flanke des Konzepts stellen die aktuellen Regelungen zur sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts trotz eingelegten Widerspruchs dar. Diese entwerten faktisch massiv das Vorverfahren und würden bei ihrer Fortdauer auch die Effektivität des vorgeschlagenen mediativen Vorverfahrens grundlegend schwächen. Vetter hat diese Schwäche erkannt und fordert daher auch eine weitgehende Rückkehr zur Grundregel des § 80 Abs. 1 VwGO. Gegen seine Ansicht ließe sich aber einwenden, dass der Wegfall der aufschiebenden Wirkung in vielen Bereichen wirtschaftlichen Zwängen oder zumindest entsprechenden Erwägungen geschuldet ist, die eine weitgehende Rückkehr zum Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO als illusorisch erscheinen lassen. Eine Reihe möglicher Einwände, wie etwa der Zwangscharakter des mediativen Vorverfahrens, hat Vetter überzeugend oder doch zumindest gut vertretbar zurückgewiesen 31 . Fraglich erscheint darüber hinaus aber die ausnahmslose Einführung des mediativen Vorverfahrens ohne Berücksichtigung der fall- oder bereichsspezifischen Geeignetheit der Mediation. Bekanntermaßen gibt es bereits diverse Diskussionen in der Literatur über die Einschätzung der Geeignetheit von Verfahren für eine Mediation. Dieser Aspekt wird von Vetter erkannt, aber für nicht regelbar erachtet 32 . Diese Einschätzung erscheint zutreffend, ändert aber nichts an dem Problem, dass den Beteiligten ein praktisch sinnloses Verfahren aufgezwungen wird. Auch ist die Behörde durch eine kategorisch ablehnende Haltung in der Lage, das Vorverfahren weitgehend bedeutungslos zu machen. In diesen Konstellationen stellte sich die Einführung des mediativen Vorverfahrens faktisch als Abschaffung des Vorverfahrens dar. Schließlich ist die Widerspruchsbehörde auf der Grundlage des geltenden Rechts bei Existenz eines herkömmlichen Verfahrens in jedem Fall zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Ausgangsbescheid unter den Gesichtspunkten der Recht- und der Zweckmäßigkeit und auch zu einer Begründung ihres Bescheides gezwungen. Dies ermöglicht dem Betroffenen – jedenfalls nach der gesetzlichen Konzeption – eine deutlich bessere Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Klage. Im Fall des gescheiterten mediativen Vorverfahrens fehlt diese ___________ 31
S. zum Konflikt zwischen obligatorischer Voraussetzung und grundsätzlicher Freiwilligkeit des Mediationsverfahrens S. Vetter (o. Fußn. 30), S. 194 ff.; dass in diesem Konflikt kein Widerspruch zu liegen braucht, macht auch die oben (Fußn. 26) zitierte Definition von Mediation in der Richtlinie 2008/52/EG deutlich. 32 Vetter (o. Fußn. 30), S. 201.
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Einschätzungsgrundlage völlig, was dem Betroffenen eine begründete Entscheidung über die Klageerhebung erheblich erschwert. Die vorausgehenden Überlegungen lassen zugleich erkennen, dass eine Fokussierung auf die Chancen der Mediation die mit ihr gegebenenfalls einhergehenden Nachteile und Gefahren für die Rechtsschutzeffektivität nicht aus dem Blick verlieren sollte. Gerade das Konzept des mediativen Vorverfahrens, bei dem die Mediation an die Stelle des Vorverfahrens treten soll, schätzt die Funktion des Vorverfahrens als Gewährleistung von Rechtsschutz, gerade auch im Fall der Zurückweisung des Widerspruchs, als viel zu gering ein.
IV. Fazit Das Thema „Mediation und Vorverfahren“ bewegt sich auf schwierigem Terrain. Es ist nicht nur eingebettet in einen gesetzlichen Rahmen, in dem die Bedeutung des Vorverfahrens kontinuierlich abgesenkt wird. Es bieten sich damit nur begrenzte Möglichkeiten zur Stärkung der Mediation zu diesem Zeitpunkt, weil jede dieser Stärkungen zugleich mit bedenklichen Nachteilen verbunden ist. Daraus lässt sich folgende Schlussthese ableiten: Mediation und mediative Elemente haben wenig Platz im zeitlichen und/oder inhaltlichen Kontext mit dem Vorverfahren. Sie sind stärker im vorausgehenden Ausgangsverfahren oder in Zusammenhang mit dem gerichtlichen Streitverfahren zu verankern.
Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit – unter besonderer Berücksichtigung der koreanischen Erfahrung Von Sung-Soo Kim
I. Problemstellung Die alternative Streitbeilegung durch Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die im Verhältnis zum Bereich des Zivilrechts eher eine relativ neue Erscheinung darstellt, gewinnt in mehreren Ländern zunehmend an Bedeutung, sei es durch außergerichtliche Mediation oder durch gerichtsinterne bzw. -verbundene Mediation. 1 Diese Feststellung gilt in beschränktem Maße auch für Korea. Ein wesentlicher Grund für das Vordringen alternativer Streitbeilegungsformen wie Mediation liegt im Streben nach Entlastung der staatlichen Gerichtsbarkeit; diese hat schon die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit überschritten und lässt einen Mangel an flächendeckendem Rechtsschutz auch im Zweig der Verwaltungsgerichtsbarkeit erkennen. Einen anderen wesentlichen Faktor stellt die öffentliche Wahrnehmung des staatlichen Rechtssprechungsangebots dar, das oft zu starr, langwierig und teilweise auch sachfremd erscheint; es kann häufig nicht mehr den modernen Ansprüchen an Flexibilität, Verfahrensgeschwindigkeit und einen an Interessen orientierten Ausgleich zwischen Beteiligten gerecht werden. 2 Trotz der Tatsache, dass die alternative Streitbeilegung durch Mediation im oben genannten Sinne im Verhältnis zur klassischen Gerichtsbarkeit den Beteiligten viele Vorteile vermittelt, wirft sie einige rechtliche Fragen auf. Vor allem ___________ 1 Als Mittel der alternativen Konfliktbeilegung bzw. Streitbewältigung stammt die Mediation zwar aus den USA und wird in jüngster Zeit weltweit diskutiert. Aber auch Deutschland hat eine längere Tradition. Dazu näher Stumpf, Alternative Streitbeilegung im Verwaltungsrecht. Schiedsgerichtsbarkeit – Schiedsgutachten – Mediation – Schlichtung, S. 273, 288 ff. 2 Dieser Entwicklung wirken die Methoden alternativer Streitbeilegung in verschiedener Weise entgegen: Sie lassen die Streitentscheidung oder Streitschlichtung durch Spezialisten zu, sie können ad hoc auf die Bedürfnisse der Beteiligten zugeschnitten werden und in verhältnismäßig kurzer Zeit praktikable Ergebnisse liefern.
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zeigt sich der Begriff der Mediation als unklar und vieldeutig. Wenn man Mediation als Konfliktmittlung zwischen verschiedenen Parteien durch einen unbeteiligten Dritten bezeichnet, 3 ist dieser Begriff so umfassend, dass er letztlich alle Methoden alternativer und herkömmlicher Streitbeilegung umfasst. Im Prinzip vermittelt in einem Konflikt der staatliche Richter ebenso wie der Schiedsrichter, der Schiedsbeamte wie der Schlichter, und der Schiedsgutachter ebenso wie der Konfliktmittler bei der Mediation im eigentlichen Sinne. Um so schwieriger scheint es, den Begriff der Mediation in Korea zu definieren, und zwar deswegen, weil er nur der gerichtlichen Praxis bekannt und damit bislang kaum wissenschaftlich auseinandergesetzt ist. Um hier eine sinnvolle Abgrenzung der Mediation im eigentlichen Sinne zu anderen Streitbeilegungsinstrumenten zu finden, sollte zunächst eine Definition des Begriffs der Mediation aufgestellt werden. Damit eng verbunden ist die Frage, wo die Ursachen dieser „kleinen Justizreform“ durch Einführung der Mediation liegen, also ob sie eine Folge der neuen Entwicklung darstellt, die Erledigung öffentlicher Aufgaben hinsichtlich ihrer Art und Weise für kooperative Handlungsformen zu öffnen, und damit einen entsprechenden Richtungswandel im Bereich der gerichtlichen Streitbeilegung symbolisiert. 4 Bevor man auf die weiteren Probleme der Mediation eingeht, ist insbesondere bezüglich der gerichtsinternen Mediation die Frage zu beantworten, ob ein Richter überhaupt verfassungsrechtlich befugt ist, eine Mediation durchzuführen. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der richterlichen Mediation besteht nicht. Im Schrifttum und in der Praxis der Gerichte haben sich deshalb zwei unterschiedliche Sichtweisen herausgebildet, die den Blick auf den verfassungsrechtlichen Rahmen richterlicher Mediation lenken. Verschiedentlich wird Mediation als Verwaltungstätigkeit angesehen. Es handle sich um eine Aufgabe der Gerichtsverwaltung, die der Richter neben den Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt wahrnehmen dürfe. 5 Wenn dagegen der Gesetzgeber ___________ 3 Zum Begriff siehe Holznagel, Mediation im Verwaltungsrecht, in: Breidenbach/Henseller (Hrsg.), Mediation für Juristen, S. 149 f.; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Einführung Rn. 87, 90 ff. 4 Jeong Hoon Park, Struktur und Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Verwaltungsakt, 2006, aber vor allem zur Frage des gerichtlichen Vergleichs, S. 613 ff. 5 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 2 Rn. 3; nach Raimund Wimmer und Ulrich Wimmer, Verfassungsrechtliche Aspekte richterlicher Mediation, NJW 2007, 3244, handelt es sich bei richterlicher Mediation offensichtlich nicht um Rechtsprechung im materiellen Sinne. Weder weise die Verfassung den Richtern diese Aufgabe ausdrücklich zu, noch gehe es um richterliche Streitentscheidung und gehöre Mediation zum traditionellen Kernbereich richterlicher Aufgaben. Dem Gesetzgeber sei es aus inhaltlichen Gründen auch verwehrt, den Richtern Mediation als Rechtsprechung zu übertragen. Denn nach ihrem fachlichen Selbstverständnis bedeute Mediation Verfahrensbegleitung zu einer autonomen Entscheidung der Parteien und damit gerade nicht Streitbeilegung durch hoheitliche Fallentscheidung.
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für Mediation eine gerichtliche Zuständigkeit begründet und sie als Aufgabe der Rechtsprechung eingeführt habe, sei sie als Rechtsprechung zu qualifizieren. 6 Uneingeschränkt hat der Gesetzgeber die jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten, wenn er Mediation durch den Richter einführt, sei es als Rechtsprechung oder als Verwaltungstätigkeit. Was Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit von Korea anbelangt, wird nur die prozessuale gerichtsinterne Mediation anerkannt. Unter prozessualer Mediation wird in Korea verstanden, dass Mediation nicht durch einen speziell zum Mediator ausgebildeten anderen Richter desselben Gerichts oder externe Mediatoren, beispielsweise Rechtsanwälte, sondern durch alle Richter des zur Streitentscheidung berufenen Spruchkörpers durchgeführt wird. 7 Zu untersuchen sind die betroffenen einzelnen Bereiche, wobei die gerichtsverbundene Mediation in der Praxis der koreanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit am häufigsten eingesetzt wird. Dennoch wirft ein neuartiges Streitbeilegungsverfahren wie die Mediation einige rechtspolitische Fragen auf, denn sie ist bislang im koreanischen Verwaltungsprozessrecht nicht gesetzlich geregelt. 8 Insbesondere findet sich keine explizite Ermächtigung zur Mediation im Bereich der koreanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Mediation im öffentlich-rechtlichen Bereich zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus, die ihren Ursprung in der strikten Gesetzesund Gemeinwohlbindung der öffentlichen Hand haben. Dies führt dazu, dass nur bei Ermessens- oder Handlungsspielräumen eine Mediation überhaupt in Betracht kommt, die zudem nicht immer mit einer titulierten Vereinbarung endet, sondern mit einem Verwaltungsakt oder einer Normsetzung, die ihrerseits von einem Dritten angegriffen werden könnte. Daher besteht auch im Verwaltungsprozessrecht aufgrund der anders gearteten Rolle des Mediators und der weitaus stärkeren Bindung an Gesetz und Gemeinwohl ein Regelungsbedarf in Gestalt einer gesetzgeberischen Klarstellung. ___________ 6 Seibert, Mediation in der Verwaltunsgerichtsbarkeit – Erfahrungen und Überlegungen zu einer alternativen Streitbeilegung, NVwZ 2008, 367, meint, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gehindert sei, den Richtern Mediation als Teil der Rechtsprechungsaufgabe zuzuweisen. Denn der richterliche Mediator werde in seiner Funktion als unbeteiligter Streitbeileger ausschließlich im Zusammenhang mit einem konkreten, anhängigen Rechtsstreit tätig, um diesen einer Beendigung zuzuführen. Deshalb könne seine Aufgabe funktionell der Rechtsprechungstätigkeit zugeordnet werden. 7 In der Praxis der koreanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die Mediation solcher Art mit dem Begriff der sog. Mediationsempfehlung zu bezeichnen, und zwar in dem Sinne, dass die zur Mediation berufenen Richter den Streitbeteiligten einen Entwurf der dem konkreten Fall entsprechenden Mediationslösung empfehlen. 8 Zu erwähnen wäre die einzige gesetzliche Regelung in § 8 Abs. 2 der Koreanischen Verwaltungsgerichtsordnung, die die analoge Anwendung der Zivilprozessordnung vorsieht. § 225 Abs. 1 der Koreanischen Zivilprozessordnung regelt ausdrücklich die gerichtsinterne Mediationsempfehlung.
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II. Mediation: Begriff und Bedeutung als Instrument der Konfliktbeilegung im öffentlichen Bereich 1. Begriff der gerichtsbezogenen Mediation Verwaltungsrechtliche Mediation ist im eigentlichen Sinne die außerstaatliche und freiwillige Vermittlung zwischen verschiedenen Parteien in einem verwaltungsrechtlich relevanten Interessenkonflikt durch einen von den Parteien beauftragten neutralen Konfliktmittler mit dem Ziel, eine Vereinbarung zwischen den Parteien herbeizuführen. Diese Definition enthält verschiedene Elemente, die im Hinblick auf die Abgrenzung der alternativen Streitbeilegung relevant werden: Zunächst einmal ist Mediation eine außerstaatliche und freiwillige Vermittlung. Dies bedeutet, dass sie nicht obligatorisch ist und nicht vom Staat organisiert wird. 9 Sie ist also von einem Mandat durch die Parteien abhängig. An dem Konflikt sind mehrere Parteien beteiligt, die sich über verwaltungsrechtlich relevante Fragen streiten. Der Begriff der Parteien ist hier bewusst offen definiert, so dass potentiell sämtliche an einer Streitlösung interessierten Privatpersonen und Hoheitsträger in Betracht kommen. Der Konflikt zwischen den Parteien ist ein Interessenkonflikt. Es ist nicht notwendig, dass sich die Parteien hier über jeweils eigene subjektive Rechtspositionen streiten; vielmehr reichen objektiv verwaltungsrechtlich relevante Interessen aus, unabhängig davon, ob und wie sich diese zugleich in individuellen Rechtspositionen der Parteien niederschlagen oder ob sie lediglich als objektive öffentliche Interessen abstrakt verfolgt werden. Letzteres ist z. B. bei Umweltverbänden der Fall, welche Interessen des Umweltschutzes ohne eigene rechtliche Betroffenheit verfolgen. Ein zentrales Element der hier aufgestellten Definition der verwaltungsrechtlichen Mediation bildet schließlich das Ziel der Herbeiführung einer Einigung zwischen den Parteien. Der Konfliktmittler entscheidet also nicht über den Streit und trifft auch selbst keine Entscheidung im Sinne einer Feststellung der Berechtigung gewisser Interessen der Parteien. Er soll lediglich als Katalysator fungieren, der den Parteien die Verhandlungen erleichtert und eine mehr oder weniger aktive Rolle als ehrlicher Makler der Interessen der beteiligten Parteien einnimmt. Verantwortlich für die Entscheidung der Streitigkeiten bleiben die Parteien. 10 Mediation lässt sich als konsensuale Streitbeilegung beschreiben, die jenseits tradierter prozessualer Schlichtungsinstrumente, wie etwa dem richterlich angeregten Vergleich, durch Einbeziehung aller Aspekte eines Konflikts, ins___________ 9 Prütting, Verfahrensrecht und Mediation, in: Breidenbach/Henseller (Hrsg.), Mediation für Juristen, S. 61 ff. 10 Stumpf, a.a.O. (Fn. 1), S. 274.
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besondere der emotionalen und psychologischen Momente, eine dauerhafte Lösung zu finden sucht. 11 Der Vorteil solcher Mediationslösungen liegt auf der Hand, da sie anders als die nur auf einen bestimmten Streitgegenstand bezogenen Vereinbarungen im Rahmen eines Prozesses einen umfassenden Interessenausgleich ermöglichen. Der erfolgreiche Abschluss eines Mediationsverfahrens wird regelmäßig in einen Vertrag der beteiligten Parteien oder in eine Absprache über Verhaltensweisen der Parteien beispielsweise im Zusammenhang mit einem Verfahren münden, nicht jedoch in eine rechtlich verbindliche Entscheidung durch einen Dritten bzw. durch den Konfliktmittler. Als Ausprägungen von Mediation kommen hier die in der Praxis häufig vorzufindenden Grundtypen der sog. außergerichtlichen Mediation einerseits und der gerichtsbezogenen Mediation andererseits in Betracht. Derartige Verfahren finden also entweder außerhalb der Gerichte oder im Zusammenhang mit einem gerichtbezogenen Verfahren statt. 12 Damit unterscheidet man die vertragsautonome Mediation, die außerhalb des Gerichtsverfahrens auf der Basis einer privatautonomen Mediationsabrede stattfindet, von der gerichtsbezogenen Mediation, die gerichtsintern oder gerichtsnah durchgeführt wird. 13 Die Initiative für eine gerichtsinterne Mediation geht von dem zur Entscheidung berufenen Richter oder von einem Prozessbeteiligten aus. Ein ersuchter Richter ist ein Richter, der einem anderen Gericht angehört. Der entscheidungsbefugte Richter sollte möglichst frühzeitig nach Eingang der verfahrenseröffnenden Eingabe die Mediationseignung prüfen. Die Parteien werden schriftlich – unter Beifügung eines Merkblatts – darüber informiert, dass ihr Fall für eine Mediation in Betracht kommen könnte. Erklären die Parteien ihre Zustimmung zur Mediation, beschließt der zuständige Spruchkörper das Ruhen des Verfahrens und gibt das Verfahren an den zuständigen Mediator ab. Zugleich wird der Mediator ausdrücklich ersucht, gegebenenfalls einen gerichtlichen Vergleich abzuschließen. 14 Die Mediation wird entweder dadurch beendet, dass die Beteiligten eine Einigung, z.B. durch einen Vergleich erzielen, oder die Mediation scheitert; dann werden die Ver___________ 11 Breidenbach, Mediation. Struktur, Chancen und Risiken von Vermittlung im Konflikt, S. 137 ff. 12 Ortloff, Mediation – Regelungsbedarf?, NJW 2008, 2544. 13 Genau genommen muss zwischen der gerichtsnahen Mediation, die mit Hilfe von Anwalts- oder anderen Mediatoren stattfindet, und der gerichtsinternen Mediation, die ausschließlich mit Hilfe von Richtermediatoren durchgeführt wird, unterschieden werden. Da sich für beide Formen aber der Begriff der gerichtsnahen Mediation eingebürgert hat, was gerade auch im Hinblick auf den privaten Charakter der Mediation gerechtfertigt ist, wird der Begriff „gerichtsnahe Mediation“ als Oberbegriff verwendet, vgl. Spindler, Mediation – Alternative zur justizförmigen Streiterledigung und rechtspolitischer Handlungsbedarf, DVBl. 2008, 1020, Fn. 56. 14 Seibert, a.a.O. (Fn. 6), S. 367.
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gleichsakten an den zuständigen Spruchkörper zurückgegeben und der Prozess wird fortgeführt. Der zuständige Spruchkörper wird nicht darüber informiert, was während des Mediationsverfahrens besprochen und vereinbart wurde und warum die Mediation gescheitert ist, es sei denn alle Beteiligten stimmen ausdrücklich zu. Unter dem Begriff der gerichtsnahen Mediation wird, wie bereits dargestellt, im allgemeinen ein Verfahren verstanden, in dem die Mediation nicht durch einen Richter des zur Streitentscheidung berufenen Spruchkörpers, sondern durch einen speziell zum Mediator ausgebildeten anderen Richter desselben Gerichts oder externe Mediatoren, insbesondere Rechtsanwälte, durchgeführt wird. 15 Die gerichtsnahe Mediation ist damit dergestalt zu charakterisieren, dass sie auf Anregung des Gerichts im anhängigen Prozess nach außen verlagert wird und damit zugleich einen Unterfall der vertragsautonomen Mediation darstellt. In Deutschland findet derzeit überwiegend die gerichtsinterne Mediation statt. Ähnliches gilt auch für Korea, wo die Initiative zur Mediation ausschließlich von dem zur Entscheidung berufenen Spruchkörper, nicht von einem speziell zum Mediator ausgebildeten anderen Richter desselben Gerichts oder externen Mediatoren ausgeht. Hierbei handelt es sich um eine gerichtsinterne Mediation im engeren Sinne. Von daher soll die Erörterung des Themas Mediation und der damit verbundenen rechtlichen Probleme in den beiden Ländern vorliegend auf die gerichtsinterne, bezüglich Koreas zudem auf die gerichtsinterne Mediation im engeren Sinne, beschränkt werden. 2. Mediation als Mittel der Konfliktlösung im Zeitalter von gesellschaftlicher Selbststeuerung und Entlastungsstrategie der Justiz Zunächst stellt sich die eigentliche Frage, welche Ursachen auf die Entwicklung in Richtung Mediation im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit als ein wirksames bzw. notwendiges Streitbeilegungsinstrumentarium Einfluss genommen haben. Hierzu ist zu bemerken, dass sich insgesamt ein Wandel hin zu einer zunehmend konsensualen und kooperativen Erledigungsweise öffentlicher Aufgaben im Verhältnis von öffentlicher Verwaltung und Bürgern voll___________ 15 Ziekow, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – Möglichkeiten der Implementation und rechtliche Folgerungen, NVwZ 2004, 393. Hierbei unterscheidet Ziekow zwischen der gerichtsinternen Mediation und der sog. gerichtsverbundenen Mediation, wobei eine Fokussierung auf die Mediation durch andere Richter desselben Gerichts erfolgt.
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zieht und die Beteiligten an einer schnellen, zufriedenstellenden und nachhaltigen Lösung ihres Konflikts interessiert sind. Dieses neue Phänomen des Kooperationsgedankens holt die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein. Das Vertrauen in ihre Streitschlichtungskompetenz wird gestärkt, wenn die Beteiligten, die auch sonst mehr und mehr kooperative Wege gehen, auch vor den Verwaltungsgerichten auf diese Wege zurückgreifen können. Anders ausgedrückt, bildet das Angebot der kooperativen Streitbeilegung einen Teil der seit einigen Jahren verstärkten Bemühungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit ab, die Qualität der eigenen Arbeit kontinuierlich zu reflektieren und zu steigern. Es handelt sich also darum, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit sich stärker an den Kunden orientiert 16 und im Zuge ihrer Modernisierung die Verantwortung für die Streitschlichtung zunehmend vom Staat in den Bereich gesellschaftlicher Selbststeuerung übergeht. 17 Denkt man daran, heutzutage auch die rechtsprechende Gewalt als einen Dienstleister im Wettbewerb verschiedener Angebote an den Bürger, seine Interessen zu realisieren, anzusehen, darf sie dementsprechend nicht vor der auf eine gesellschaftliche Nachfrage ausgerichteten Strategie der Streitschlichtung die Augen verschließen. 18 Nicht zuletzt reagiert die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf den Paradigmenwechsel im Verwaltungsrecht im Sinne der gesellschaftlichen Selbststeuerung bzw. Selbstregulierung. Wenn sich das Verwaltungshandeln in wichtigen Teilbereichen kooperativen Handlungsformen eröffnet, reicht es nicht, sich auf eine reine Rechtskontrolle zu beschränken. Im Falle eines unterbliebenen oder gescheiterten Dialogs im Verwaltungsverfahren kann sich eben auch die Wiederaufnahme des kooperativen Weges vor den Verwaltungsgerichten unter Einsatz eines Mediators anbieten. 19 Gerade Verwaltungsrichter haben sich deshalb relativ zahlreich für die Mediation engagiert, weil es ihnen in manchen Fällen unzureichend erschien, die jenseits des Rechts erkennbaren Spielräume für eine Konfliktlösung nicht zu nutzen. Da Mediation nicht daran orientiert ist, rückwärts gewandt Probleme aufzuarbeiten, sondern zukunftsgerichtet nach einer Lösung zu suchen, tritt das gestalterische Element stärker in den Vordergrund.
___________ 16
Ziekow, a.a.O. (Fn. 15), S. 392. Pitschas, Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor, NVwZ 2004, 398. 18 Außer der hohen „Kundenzufriedenheit“ unter den Rechtsschutzsuchenden sollen durch die dauerhafte Beilegung von Konflikten künftige Auseinandersetzungen vermieden und dadurch ein Entlastungseffekt für die Justiz herbeigeführt werden. In diesem Sinne könnte neben „Lean management“ und „Lean public administration“ auch von „Lean Justice“ durch Mediation gesprochen werden, vgl. Pitschas/Walther (Hrsg.), Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Speyerer Arbeitsheft Nr. 173, Vorwort. 19 Seibert, a.a.O. (Fn. 6), S. 370. 17
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Außer den oben dargelegten Gründen für die kooperative Erledigungsweise der gesellschaftlichen Konflikte durch Mediation spielt in der gerichtlichen Praxis ihre Einführung eine nicht unbedeutende Rolle für die Entlastung der Justiz. Das gilt insbesondere für Korea. Für die Justizverwaltung ist die gerichtsbezogene Mediation vor allem deswegen ein Erfolg, weil sie zu einer solchen Entlastung beiträgt. Letztere stellt sich ein, wenn anhängige Verfahren mit geringerem Zeitaufwand erledigt und weniger Prozesse anhängig gemacht werden. Diese Beurteilung gestaltet sich allerdings sehr schwierig, weil sie von zahlreichen, teils hypothetischen Faktoren abhängt. Vergleicht man ausschließlich den zeitlichen Einsatz in erfolgreichen Mediationsverfahren mit dem hypothetischen Zeitaufwand bei Fortführung der gerichtlichen Verfahren, wird das Mediationsverfahren häufiger, aber nicht immer weniger aufwändig sein. Den größten Zeitvorteil versprechen Mediationen bei komplexen, verwickelten Rechtsstreiten oder in den Fällen, in denen über den Streitgegenstand hinaus weiterer Konfliktstoff oder andere Fälle miterledigt werden müssen. Beträchtliche Entlastungen der Justiz ergeben sich auch dort, wo durch die Mediation weitere Rechtsstreitigkeiten vermieden werden und damit ein Aufwand erst gar nicht entsteht. 20 In allererster Linie kommt die gerichtsinterne Mediation in Korea als eine Entlastungsstrategie der Justiz in Betracht. In Wirklichkeit liegt der praktische Vorteil der gerichtsinternen Mediation nämlich darin, dass die anhängigen Verfahren und rechtlichen Streitigkeiten relativ früh abgeschlossen werden können und damit die Zufriedenheit der Bürger als Verbraucher der Justiz gesteigert werden kann. In der gerichtlichen Praxis in Korea wird die gerichtsinterne Mediation in dem Sinne vorgezogen, dass der grundlegende Konflikt zwischen dem Rechtsschutz des Einzelnen und der Verwirklichung der öffentlichen Interessen durch die Verwaltung sogar im anhängigen Verwaltungsprozess angemessen ausgeglichen werden kann. Damit erlangt die sog. gerichtsinterne Mediationsempfehlung in Korea besondere Bedeutung, auch wenn sie bislang nicht gesetzlich geregelt ist.
___________ 20 Zu dem vermiedenen Aufwand zählt ferner, dass die Konfliktbeilegung den Rechtsstreit nicht nur in der Instanz, sondern endgültig, also ohne sich anschließende Rechtsmittelverfahren beendet. Schließlich besteht die begründete Hoffnung, dass die Mediationserfahrung in außergerichtlichen Bereichen dazu beiträgt, dass Anwälte in mehr Fällen eine außergerichtliche Lösung in Erwägung ziehen. Noch weitergehend ist zu erhoffen, dass die gescheiterte Mediation positive Auswirkungen auf das Gerichtsverfahren haben kann und es dennoch zu einem gerichtlichen Vergleich kommen wird.
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III. Die sog. Mediationsempfehlung in der koreanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit 1. Einführung „Schlichten ist besser als Richten“ oder „Ein magerer Vergleich ist besser als ein fetter Prozess“ ist dahingehend zu verstehen, dass ein Prozess bei der Beilegung rechtlicher Streitigkeiten die ultima ratio darstellt. Mit anderen Worten: Rechtsfrieden lässt sich weniger mit gerichtlichen Prozessverfahren als viel mehr oder vor allem durch gegenseitige Zugeständnisse und Kompromisse erzielen. Das gilt zunächst einmal für den Zivilprozess, wobei das Gericht nach § 145 Abs. 1 der Koreanischen Zivilprozessordnung den Parteien in jeder Stufe des Prozesses einen Vergleich empfehlen muss. Übrigens wird das Vergleichsprotokoll nach § 220 der Koreanischen Zivilprozessordnung dem rechtskräftigen Urteil des Gerichts gleichgestellt. Dagegen kennt die Koreanische Verwaltungsprozessordnung keinen gerichtlichen Vergleich, geschweige denn eine gerichtsinterne Mediation, die die Gerichte bislang ohne gesetzliche Grundlage in einigen Bereichen praxisbezogen angewendet haben. Dies ergibt sich daraus, dass der Vergleich im Verwaltungsprozess im Gegensatz zum Zivilprozess dem Wesen der Verwaltungsgerichtsbarkeit entgegensteht und insbesondere die Verwaltung nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit streng an Recht und Gesetz gebunden ist. 21 Damit verneint die bisherige herrschende Lehre in der koreanischen juristischen Literatur bezüglich der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Möglichkeit der gerichtsinternen Mediation. 22 Einige Gründe sprechen gegen den praxisbezogenen Einsatz der gerichtsinternen Mediationsempfehlung. Erstens gilt für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Untersuchungsgrundsatz, wobei die Konfliktlösung durch ein gütliches und informelles Verfahren zwischen den Beteiligten naturgemäß von Anfang an ausscheidet. Zweitens kann die Verwaltungsverfügung als eine hoheitliche Regelung der Verwaltungsbehörde nicht Gegenstand einer Vereinbarung zwischen Beteiligten sein. Drittens fällt die Verwaltungsverfügung als ein Mittel zur Verwirklichung der öffentlichen Interessen nicht dem Ermessen der Beteiligten durch konsensualen Dialog anheim. Viertens erzeugt der gerichtliche Vergleich die gleiche Rechtswirkung wie ein rechtskräftiges Urteil, womit er zugleich eine sog. allgemeinverbindliche Wirkung entfaltet, so dass er nicht durch eine Mediationsvereinbarung zwischen Beteiligten ersetzt werden darf. ___________ 21
Joon Hyung Hong, Treatise on Administrative Law, Part II, S. 677. Joon Hyung Hong, a.a.O. (Fn. 21), S. 676 Fn. 481, 482 mit weiteren Nachweisen; Jeong Hoon Park, a.a.O. (Fn. 4), S. 614. 22
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Daraus resultiert allerdings nicht die prinzipielle Unzulässigkeit der gerichtsinternen Mediation, da alle Rechtsbegriffe und Rechtsinstitute ihrem Wesen und ihrer Spezifikation nach nicht a priori mit Ewigkeitsstatus versehen sind, und es steht fest, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit hiervon keine Ausnahme bilden kann. Sie dienen letztlich bestimmten Zwecken und erfüllen Funktionen, die im Laufe der geschichtlichen Entwicklungen entstanden und damit gegebenenfalls Veränderungen unterworfen sind. Unter dem liberalen und bürgerlichen Rechtsstaatsprinzip, welches den gerichtlichen Schutz der Rechte des Einzelnen einschließt, wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu dem Zweck eingerichtet, dass sich die Bürger zum Schutz ihrer Rechte und Freiheiten gegen Verwaltungsmaßnahmen zur Wehr setzen können. Vor diesem Hintergrund wird die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage als ein Ausnahmefall in Gestalt eines „Kampfes gegen den Staat“ ohne gerechten und zweckmäßigen Ausgleich verstanden. In diesem Sinne bedeutete eine Klageerhebung „alles oder nichts“, womit ein gerichtlicher Ausgleich durch einen Kompromiss von Anfang an ausschied. Diese Rechtslage hat sich mittlerweile grundsätzlich geändert. Mit der zwischenzeitlichen Festigung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratieprinzip fungiert die Verwaltungsgerichtsbarkeit als eine gesellschaftliche Strategie bzw. als ein Rechtsinstitut, durch welches die durch den Rechtsstreit veranlassten Rechtsunsicherheiten zwischen Beteiligten beseitigt und im Übrigen ein Ausgleich zwischen den geltend gemachten Rechten des Bürgers und der Verwirklichung der öffentlichen Belange erzielt wird. 23 Die Art der Streitkultur, das sachbezogene Kommunizieren oder auch bloß eine Wiederaufnahme von Kommunikation werden als sehr hilfreich angesehen, auch in den Fällen einer gescheiterten Mediationsempfehlung. An der erfolgreich ergangenen Mediationsempfehlung wird die schnelle Konfliktlösung ohne weiteren Instanzenzug als großer Vorzug geschätzt. Allein diese Befriedungswirkung, die zu den zentralen Aufgaben der Justiz gehört, rechtfertigt das Mediationsangebot in ausgewählten Fällen. Mit der Verrechtlichung der Verwaltung geht eine Zunahme der Konfliktpotentiale zwischen Verwaltung und Bürger einher, so dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht als Arena für einen rechtlichen Wettkampf zwischen den Beteiligten, sondern vielmehr als eine Dienstleistung des Staates zugunsten der zunehmend auf Konfliktbeilegung durch informelle Mittel bedachten Bürger angesehen wird. ___________ 23 Nach den bisherigen Erfahrungen in der koreanischen gerichtlichen Praxis mit der Mediationsempfehlung herrscht ein sehr hohes Maß an Zufriedenheit der Beteiligten darüber vor, dass ihr Rechtsstreit durch Mediationsempfehlung befriedigend gelöst werden konnte. Sie empfinden es als höchst vorteilhaft, dass ihr Konflikt ohne Sieger und Besiegte beigelegt wurde und sie eine nachhaltige Lösung gefunden haben.
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Aus Sicht der Verwaltung erweist sich der Verwaltungsprozess als eines der aufeinander folgenden „Verwaltungsverfahren“, das der Erfüllung der öffentlichen Interessen dient. Daraus ergibt sich die Möglichkeit der Beilegung des Rechtstreits durch gegenseitige Zugeständnisse der Beteiligten, damit der Verwaltung die sachgerechte und flexible Verwirklichung der öffentlichen Belange gelingt, während den Bürgern eine schnelle gerichtliche Dienstleistung durch Mediation angeboten werden kann. 24 Trotz der grundlegenden, nicht völlig beiseite zu schiebenden Kritik an den Nebenwirkungen der Mediationsempfehlung sowie an der „Korruption durch Kooperation“ zwischen Beteiligten, ferner trotz Unzufriedenheiten bzw. Vorwürfen an die Gerichte wegen gescheiterter Mediation spiegelt die aktive Haltung der Gerichte mit der Mediationsempfehlung durch gegenseitige Zugeständnisse der Beteiligten eine neue Dimension des auf Autorität und Unabhängigkeit gegründeten Erscheinungsbilds der koreanischen Gerichtsbarkeit wider, die gerne die Hauptrolle des Mediators für gesellschaftliche Konflikte übernimmt. Mit Blick auf den historischen und ideologischen Kontext der Einführung und Entwicklung der Mediationsempfehlung lässt sich dieser als ein alternatives Mittel der gesellschaftlichen Konfliktbeilegung in der koreanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit vorbehaltlos eine erfolgreiche Zukunft voraussagen.
IV. Einzelne Bereiche 1. Gaststättengesetz a) Möglichkeit der Erhebung einer Sanktionsabgabe Grundsätzlich stellt zwar das Gericht, bei dem eine Anfechtungsklage anhängig ist, vor der Mediationsempfehlung fest, ob der Kläger zur gerichtsinternen Mediation bereit ist. Lehnt der Kläger jedoch ausdrücklich ab, das Mediationsverfahren eröffnen zu lassen, enthält sich das Gericht des Beginns der Mediation. In der gerichtlichen Praxis in Korea nimmt das Gericht nicht bloß passiv den Kompromiss der Beteiligten hin, sondern legt den Beteiligten viel___________ 24 Seit der Entstehung des Seoul Verwaltungsgerichts von Seoul 1998 in Korea vermehren sich die gesellschaftlichen Bedürfnisse nach gerichtlichem Ausgleich bzw. der Mediationsempfehlung, und in diesem Zusammenhang neigen die Gerichte dazu, eine aktive Haltung zugunsten der gerichtsinternen Mediationsempfehlung einzunehmen. Dies beruht, wie bereits dargestellt, in erster Linie auf der praxisbezogenen Notwendigkeit der Entlastung der Justiz und der Veränderung des Wesens und der Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die sich aus der Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Korea ergibt.
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mehr den sog. Mediationsentwurf unter Berücksichtigung sowohl des Ausgleichs zwischen öffentlichen und privaten Interessen als auch der Auffassungen der Beteiligten vor. Im Bereich des Gaststättengesetzes handelt es sich vor allem um die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der das zeitweilige Gewerbeverbot bezweckt. Nach der einschlägigen Ministerverordnung ist die Erhebung einer Sanktionsabgabe 25 ausgeschlossen, wenn Jugendlichen Alkoholgetränke in Gaststätten verkauft worden sind. Dies wirft die Frage auf, ob trotz der oben dargestellten Rechtslage auch in diesem Fall eine Mediationsempfehlung möglich wäre, die entweder anstatt des zeitweiligen Gewerbeverbots die Sanktionsabgabe erhebt oder mit der Verminderung der Gewerbeverbotsfrist gleichzeitig die Sanktionsabgabe zu erheben erwägt. Nach der Rechtsprechung hat die Richtlinie der Ministerverordnung für den Erlass der Verwaltungsverfügung keine Rechtsverbindlichkeit nach außen, da sie nur die Beziehungen innerhalb einer Behörde regelt. 26 Anderenfalls wäre auch das Gericht daran gebunden, was dazu führen würde, den Rechtsschutz des Bürgers zu erschweren und die Verwaltungsbehörde dazu zu veranlassen, entsprechende Sachverhalte durch die Ministerverordnung zu regeln und ihr damit Rechtsverbindlichkeit nach außen zu verleihen, obwohl sie eigentlich als verwaltungsinterne Verwaltungsvorschrift zu dienen bestimmt ist. Daraus folgt die Fragestellung, ob die die Sanktionsabgaben regelnde Ministerverordnung bloß verwaltungsinterne Wirkung hat oder nach außen Rechtsverbindlichkeit gegenüber den Einzelnen entfaltet. Nach der sog. formellen Theorie, die zwischen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften anhand der Rechtswirkung nach außen unterscheidet, kommt ersteren Rechtsverbindlichkeit für den Einzelnen zu, da sie eine Ermächtigungsgrundlage in § 65 Abs. 1 Gaststättengesetz finden. Ebenso wie nach der materiellen Theorie, die nach dem materiellen Gehalt einer rechtlichen Regelung gegebenenfalls Verwaltungsvorschriften Rechtsverbindlichkeit verleiht und umgekehrt Rechtsverordnungen Rechtswirkung nach außen aberkennt, besitzen die Ministerverordnungen Rechtsverbindlichkeit, da sie entweder durch die auf sie gestützte Erhebung von Sanktionsabgaben oder belastende ___________ 25 Normalerweise werden die Sanktionsabgaben dadurch charakterisiert, dass die zuständige Verwaltungsbehörde sie entweder anstatt der belastenden Verwaltungsakte in Reaktion auf die Verletzung der gesetzlichen Verpflichtungen oder zum Ausgleich der ungerechtfertigten Bereicherung des Einzelnen erhebt. Nach der Rechtsprechung haben sie eine sanktionierende Funktion wie Strafgelder, so das Koreanische Oberste Gericht mit Entscheidung vom 28. Mai 1999. 26 S. beispielhaft die Entscheidungen des Koreanischen Obersten Gerichts vom 20. September 2007; 22. Juni 2006.
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Verwaltungsakte wie das zeitweilige Gewerbeverbot in die Rechte des Einzelnen eingreifen. Dennoch scheint eine Mediationsempfehlung gesetzmäßig zu sein, die mit dem zeitweiligen Gewerbeverbot zugleich Sanktionsabgaben erhebt, obgleich die Ministerverordnung im obigen Fall eine äußere Rechtsverbindlichkeit hat.27 Grundlegende Bedenken werden hiergegen insofern erhoben, als die Mediationsempfehlung möglicherweise gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, denn die Ministerverordnung schließt die Erhebung der Sanktionsabgabe aus. Die staatliche Verwaltung ist jederzeit an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden. Damit ist auch die Marschroute für die staatliche Verwaltung als Teilnehmerin im verwaltungsrechtlichen Mediationsverfahren grundsätzlich festgelegt. So hat die Bindung der staatlichen Verwaltung an die Gesetze nicht nur zur Folge, dass sie selbst zwecks Herstellung eines Interessenausgleichs innerhalb des Mediationsverfahrens keine rechtswidrigen Zugeständnisse machen darf. Vielmehr darf sie sich auch nicht an einem rechtswidrigen Mediationsverfahren beteiligen; sie darf Gesetzesverstöße von Seiten der nichtstaatlichen Teilnehmer am verwaltungsrechtlichen Mediationsverfahren nicht durch ihre eigene mitwirkende Teilnahme adeln. Als noch problematischer erweist sich die Rolle eines Gerichts, das den Beteiligten einen gesetzwidrigen Mediationsentwurf empfiehlt. Dieser grundlegende Widerspruch zwischen dem Rechtsstaatsprinzip und der sachgerechten und flexiblen Problemlösung durch Mediationsempfehlung kann erst mit einer gesetzlichen Änderung des Gaststättengesetzes und auch der Ministerverordnung ausgeräumt werden, die mit der Verkürzung der Verbotsfrist des betroffenen Gewerbes auch zugleich die Erhebung der Sanktionsabgabe zulässt. b) Mediationsempfehlung für unzweckmäßige Verwaltungsakte und Bemessung der Sanktionsabgabe Im Unterschied zum Widerspruchsverfahren, in dem der Widerspruchsführer nicht nur die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auch dessen Unzweckmäßigkeit oder Zweckwidrigkeit geltend machen und überprüfen lassen kann, erstreckt sich der Prüfungsumfang im Verwaltungsprozess nur auf die Rechtswidrigkeit. In der gerichtlichen Praxis in Korea ist die Mediationsempfehlung jedoch auch für zweckwidrige Verwaltungsakte einzusetzen, und zwar deswegen, weil einerseits die Unparteiligkeit und Transparenz der Ver___________ 27
Chul Sang Ahn, Vorbeugender Rechtsschutz und Mediationsempfehlung, Theorie und Praxis der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Forschungsgruppe des Verwaltungsgerichts von Seoul, Januar 2008, S. 191.
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waltung in Korea in gewissem Maße bereits verwurzelt sind und andererseits das Zugeständnis der Verwaltung gegenüber den Einzelnen nicht immer zur Korruption führt. Außerdem wird in der modernen und komplexen Gesellschaft die Notwendigkeit der verschiedenen Handlungsformen der Verwaltung im Allgemeinen anerkannt, was die Problemlösung im Einzelfall nicht ausschließlich durch ein striktes gerichtliches Urteil, sondern auch durch mediative Empfehlung ermöglicht. In Hinblick darauf kann das Gericht davon ausgehen, dass es unter gerechter Berücksichtigung der betroffenen öffentlichen und privaten Interessen nicht gehindert ist, die Erhebung einer Sanktionsabgabe entweder anstelle eines eigentlich gesetzlich gebotenen zeitweiligen Gewerbeverbots oder in Verbindung mit einer in ihrer Belastungswirkung reduzierten Verwaltungsverfügung zu empfehlen. Bei der Bemessung der Höhe der Sanktionsabgabe kommen im Blick auf die betroffenen Verwaltungsvorschriften der Gesamtumsatz des Gewerbes pro Monat, die Größe des Geschäftes, die Zahl der Beschäftigten sowie das Ausmaß der Verstöße in Betracht. In der gerichtlichen Praxis des Verwaltungsgerichts von Seoul empfiehlt die Hälfte der insgesamt 9 Kammern die Erhebung der Sanktionsabgabe neben dem Erlass des belastungsreduzierten Verwaltungsakts, auch wenn nach der Ministerverordnung die Erhebung der Sanktionsabgabe gesetzlich ausgeschlossen ist. 28 Dagegen verzichtet das Verwaltungsgericht von Seoul darauf, ohne gleichzeitigen Erlass des belastenden Verwaltungsakts die Sanktionsabgabe allein zu erheben, wenn die betroffene Ministerverordnung dies nicht vorsieht. Normalerweise legen die Kammern des Seouler Verwaltungsgerichts beim ersten Verstoß des Gewerbebetreibenden Mediationsentwürfe vor, die eine um die Hälfte oder ein Drittel reduzierte Gewerbeverbotsfrist in Verbindung mit einer der verringerten Belastung entsprechenden Sanktionsabgabe vorsehen. Wünschenswert wäre eine Beseitigung der unterschiedlichen Spruchpraxis der Kammern, die dadurch entstehen kann, dass einige Kammern von der Mediationsempfehlung völlig absehen, weil sie die Erhebung der Sanktionsabgabe gesetzlich für unzulässig halten. Diese Asymmetrie könnte dadurch aufgehoben werden, dass diejenigen Kammern im Ausmaß der Verringerung der Gewerbeverbotsfrist großzügiger sind, die von der begleitenden Erhebung der Sanktionsabgabe total absehen. Im Falle des zweiten Verstoßes des Gewerbebetreibenden sehen alle Kammern von der Vorlage eines Mediationsentwurf ab und weisen darüber hinaus Anträge auf einstweilige Anordnung nach § 23 Abs. 1 der Koreanischen Verwaltungsgerichtsordnung, der diesbezüglich die aufschiebende Wirkung der Verwaltungsakte vorsieht, zurück. ___________ 28
Chul Sang Ahn, a.a.O. (Fn. 27), S. 192.
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2. Karaoken- und Spielgewerbe Im Verhältnis zum Gaststättengesetz, bei dem das Gericht die Nebenerhebung der Sanktionsabgabe nach der gerichtlichen Praxis ohne gesetzliche Grundlage für möglich hält und dafür den Beteiligten den Mediationsentwurf vorlegt, sehen die betreffenden Gesetze im Bereich der Karaoken- und Spielgewerbe überhaupt keine Regelung zur Erhebung der Sanktionsabgabe vor. Deshalb sind die auf eine solche Abgabe gerichteten Verwaltungsakte rechtswidrig und nichtig, wenn die Gesetze dies ausschließen. Beim Verwaltungsgericht von Seoul herrscht die Meinung vor, dass das Gericht gegen die Gesetze verstoßende Verwaltungsakte nicht mediativ empfehlen darf und insoweit die Nebenerhebung der Sanktionsabgabe oder ihre alleinige Erhebung statt des Erlasses der belastenden Verwaltungsakte unzulässig ist. Einige Kammern des Verwaltungsgerichts von Seoul empfehlen dennoch im Falle des Alkoholgetränkeverkaufs des Karaokengewerbebetreibers an Jugendliche die Nebenerhebung von Sanktionsabgaben. Dies folgt weniger daraus, dass die Ministerverordnung Rechtsverbindlichkeit nach außen entfaltet, als vielmehr aus der rechtlichen Charakterisierung der Verwaltungsakte, aufgrund deren das Gericht den Beteiligten den Mediationsentwurf vorlegt. Nach Auffassung der Richter, die sich tatsächlich an der Mediation beteiligen, wird die Mediationsempfehlung als rechtswidrig angesehen, wenn sie die betroffenen Einzelnen belastet und ihre Rechte verletzt. Dagegen könnten Mediationsempfehlungen zugelassen werden, wenn das Gericht unter gerechtem und zweckmäßigem Ausgleich zwischen öffentlichen und privaten Interessen den Mediationsentwurf vorlege und sie die betroffenen Bürger begünstigten. 29 Unter besonderer Berücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauens des Einzelnen werden die Verwaltungsakte bzw. die Erhebung von Sanktionsabgaben als rechtmäßig angesehen, wenn die Mediationsempfehlung sachgerecht und zweckmäßig erscheint. Im Prinzip wird die Erhebung der Sanktionsabgaben ausgeschlossen, wenn sie keine gesetzliche Grundlage hat. Nur ausnahmsweise wird sie jedoch erlaubt, vorausgesetzt, dass sie in geeigneten Fällen entweder anstatt der belastenden Verwaltungsakte oder daneben zugleich erhoben wird. Beim Karaoken- und Spielgewerbe legen die Kammern des Verwaltungsgerichts von Seoul beim ersten Verstoß des Gewerbetreibenden einen Mediationsentwurf vor, der eine Verringerung der Gewerbeverbotsfrist um die Hälfte oder ein Drittel vorsieht. Wenn aber das Spielgewerbe in der Tat mit einer Spielbank oder einem Kasino gleichzusetzen und die rechtswidrige Haltung des Gewerbebetreibenden zweifellos festgestellt ist, dann versuchen alle Kammern keinen Mediationsentwurf vorzulegen und weisen darüber hinaus den Antrag ___________ 29
Chul Sang Ahn, a.a.O. (Fn. 27), S. 195.
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auf einstweilige Anordnung nach § 23 Abs. 1 der Koreanischen Verwaltungsgerichtsordnung, der die aufschiebende Wirkung der Verwaltungsakte regelt, zurück. 3. Straßenverkehrsgesetz: Fahrerlaubnisfälle Die Ministerverordnung, die aufgrund der Ermächtigung des Straßenverkehrsgesetzes die konkreten Inhalte der Fahrerlaubnis regelt, sieht die Möglichkeit vor, die belastenden Rechtsfolgen des die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnenden Verwaltungsakts oder die Frist der zeitweiligen Fahrerlaubnisbeschränkung zu vermindern bzw. zu verkürzen, wenn der Erlass solcher belastender Verwaltungsakte erheblich unzweckmäßig oder sinnwidrig wäre. Zu erwähnen ist die Regelung der Ministerverordnung, nach der die Entziehung oder Beschränkung der Fahrerlaubnis auch im Falle des Alkoholgenusses vermindert werden kann, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. die Promillegrenze von 0,12 ‰ wurde nicht überschritten; 2. die Trunkenheitsfahrt hat keinen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht; 3. der Kontrollierte hat bei der Alkoholkontrolle weder die Flucht ergriffen noch gegen Polizisten Gewalt ausgeübt; 4. in den letzten 5 Jahren liegt kein mehr als drei Personen schädigender Verkehrsunfall vor, und 5. in den letzten 5 Jahren liegt keine Trunkenheitsfahrt vor. Danach empfiehlt das Verwaltungsgericht von Seoul, wenn weder eine Trunkenheitsfahrt noch ein Verkehrsunfall des Fahrerlaubnisinhabers vorliegen, anstatt der Fahrerlaubnisentziehung einen Mediationsentwurf zu unterbreiten, der eine Fahrerlaubnisbeschränkung von 110 Tagen vorsieht. Im Übrigen versucht das Verwaltungsgericht von Seoul auch über 0,12 Promille hinaus bis zur 0,15-Promillegrenze unter Berücksichtigung der Begleitumstände der Trunkenheitsfahrt, der Fahrtstrecke und der persönlichen Umstände (z. B. ob der Autofahrer gewerblicher Taxifahrer ist) der zuständigen Verkehrsbehörde einen Mediationsentwurf vorzulegen. Was soll das Gericht tun, wenn der Kläger seine Klage nicht zurücknimmt, obgleich die beklagte Verkehrsbehörde nach der Mediationsempfehlung schon den geänderten Verwaltungsakt erlassen hat? In diesem Fall weist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts von Seoul die Klage zurück, und zwar deswegen, weil keine offenkundige Erhebung des Widerspruchs des Klägers mit der Rücknahme der Klage gleichgesetzt werden kann. 4. Umsetzung der Mediationsempfehlung Die oben dargelegte Feststellung, dass der Kläger nach der Annahme der gerichtsinternen Mediationsempfehlung seine Klage nicht zurücknimmt, weist auf
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die unvollkommene gesetzliche Umsetzung der Mediationsempfehlung in Korea hin. Im Gegensatz zu § 231 der Koreanischen Zivilprozessordnung, der der sog. Vergleichsempfehlung die Rechtswirkung eines rechtskräftigen Urteils verleiht, kennt die Koreanische Verwaltungsgerichtsordnung eine solche Regelung nicht. Bei der Annahme der gerichtsinternen Mediationsempfehlung zwischen Beteiligten handelt es sich lediglich um eine faktische Vereinbarung, die bislang keine konkreten Rechtsfolgen entfaltet. In Hinblick auf die gerichtsinterne Umsetzung der Mediationsempfehlung stehen im Allgemeinen folgende Möglichkeiten zur Verfügung: Zum einen können die Teilnehmer einer erfolgreich durchgeführten Mediationsempfehlung sich entschließen, die Ergebnisse vertraglich zu fixieren; dies ist, wenn die Ergebnisse der Mediationsempfehlung lediglich privatrechtlicher Natur sind, entweder im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrags oder, wenn der Vertragsgegenstand öffentlichrechtlich bestimmt ist, als öffentlichrechtlicher Vertrag möglich. Als zweite Möglichkeit ist denkbar, dass lediglich die Genehmigungsbehörde als Teil der staatlichen Verwaltung den Ergebnissen der Mediationsempfehlung dadurch Rechnung trägt, dass sie die gegebenenfalls zu gewährende Genehmigung in der Form erteilt, wie sie durch die Mediation geprägt wurde. Dies kann beispielsweise unter Auflagen, Bedingungen, Befristungen oder ähnlichen Nebenbestimmungen geschehen. 30 Als dritte Möglichkeit kommt, wie die koreanische gerichtliche Praxis zeigt, die Erhebung der Sanktionsabgabe gleichzeitig mit dem Erlass einer verringerten Gewerbeverbotsfrist in Betracht.
V. Schlussfolgerung Die Streitbeilegung durch Mediation fasst in der gerichtlichen Praxis sowohl in Deutschland als auch in Ostasien wie in Korea zunehmend Fuß, sei es in Form außergerichtlicher Mediation oder gerichtsnaher bzw. -interner Mediation. Aus dem Kreis der Handlungsformen der Mediation kommt in Korea nur die gerichtsinterne Mediationsempfehlung im engeren Sinne in Betracht, bei der die Initiative zur Mediation ausschließlich von dem zur Entscheidung berufenen Spruchkörper, nicht von einem speziell zum Mediator ausgebildeten anderen Richter desselben Gerichts oder externen Mediator ausgeht. Die Einführung und Entwicklung der gerichtsinternen Mediation erfolgte zunächst zur Entlastung der Justiz, die in Korea praktisch das Hauptmotiv für Mediation darstellt. Außerdem führt das Wachstum individueller wie gesamtgesellschaftlicher Eigenverantwortung für die Lösung von Konflikten zwischen ___________ 30
Stumpf, a.a.O. (Fn. 2), S. 291.
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Staat und Bürger zur Veränderung der hoheitlichen Aufgaben- und Rollenverhältnisse, die im Hinblick auf gesellschaftliche Selbststeuerung einen Strukturwandel der Erledigungsweise gesellschaftlicher Konflikte unausweichlich macht. Dessen ungeachtet stellt sich die verfassungsrechtlich grundlegende Frage, wie sich das Rechtsstaatsprinzip und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zur Mediation verhalten. Besonders aktuell ist diese Frage in Korea, und zwar deswegen, weil die Gerichte in manchen Fällen Mediationsentwürfe empfehlen, die sich auf keine gesetzliche Grundlage stützen können. Um den oben genannten verfassungsrechtlichen Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit gerecht zu werden, wäre in einzelnen Bereichen die Änderung der betroffenen Rechtsverordnungen der jeweiligen Minister erforderlich, um den Umfang der gerichtsinternen Mediationsempfehlung zu erweitern.
Mediation und verwaltungsgerichtliches Verfahren Von Wolf-Rüdiger Schenke
I. Einführung in die Problematik Die Thematik „Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit“ wird in der deutschen Verwaltungsprozessrechtslehre schon seit einiger Zeit intensiv diskutiert. Die ihr gewidmeten Stellungnahmen sind kaum noch überschaubar 1 . Ihr kommt auch in der Praxis eine wachsende Bedeutung zu. Nahezu alle Bundesländer erproben heute diverse Modelle, die eine Beilegung öffentlichrechtlicher Konflikte mittels einer richterlichen Mediation zum Gegenstand haben. In diesem Zusammenhang ergeben sich vornehmlich zwei Probleme: Einmal ist zu klären, in welchem Umfang die Mediation in der Lage ist, eine Bewältigung verwaltungsrechtlicher Konflikte in dem herkömmlichen streitigen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten partiell zu substituieren bzw. zumindest zu ergänzen. Zum anderen bedarf es aber auch einer Klärung, welche Rolle den Verwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsrichtern innerhalb des Mediationsverfahrens zukommen kann und soll. Unter Mediation soll hier im Einklang mit der überwiegenden Meinung eine an den Interessen der Beteiligten orientierte Beilegung von Konflikten durch diese selbst unter Hilfestellung eines neutralen Dritten (des Mediators) verstanden werden 2 . Über die konkrete Ausgestaltung der Hilfestellung ist damit noch keine Aussage getroffen. Denkbar ist hier, dass der Mediator im Wesentlichen nur auf eine Moderation der Verhandlung beschränkt wird. Ihm obliegt dann ___________ 1
S. hierzu statt vieler z. B. Pitschas, NVwZ 2004, 396 ff.; Pitschas/Walther (Hrsg.), Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2005; Schenke, Mediation und verwaltungsgerichtliches Verfahren, in: Festschrift für v. Zezschwitz, 2005, S. 130 ff., Seibert, NVwZ 2008, 365 ff.; Ziekow, NVwZ 2004, 390 ff.; weitere umfangreiche Nachweise zum Thema neuestens bei Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, 2009; s. auch allgemein Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. I, 1990 und dies.; Konfliktbewältigung durch Verhandlungen – Konfliktmittler im Verwaltungsverfahren Bd. II, 1990; s. auch schon früher HoffmannRiem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989. 2 So z. B. Schenke, in: Festschrift für v. Zezschwitz, 2005, 130 (133).
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nur die formale Verfahrensleitung und die Sorge für die Einhaltung der von den Konfliktbeteiligten vereinbarten Verfahrensregeln. Möglich ist aber auch eine darüber hinausreichende Hilfestellung bei der gütlichen Beilegung der Streitigkeit, etwa indem er die Beteiligten auf rechtliche Grenzen einer von ihnen angestrebten einvernehmlichen Lösung hinweist oder indem er – noch weiterreichend – deren Blick für mögliche Lösungen des zwischen ihnen bestehenden Interessenkonflikts schärft oder die Konfliktbeteiligten auf deren Bestehen hinweist. Wichtig bleibt dabei freilich stets, dass die Beilegung von Konflikten durch die Beteiligten und nicht durch den Mediator erfolgt und dass letzterem selbst beim Fehlschlagen seiner Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung keine Kompetenz zur autoritativen Entscheidung des Konflikts zukommt. Deshalb beinhaltet eine vor dem erkennenden Gericht oder einzelnen seiner Mitglieder durchgeführte Güteverhandlung, wie sie § 278 Abs. 5 S. 1 Alternative 1 ZPO durch den beauftragten Richter vorsieht, keine Mediation 3 . Eine solche Güteverhandlung aus dem Begriff der Mediation auszuklammern, ist deshalb wichtig, weil sich bei ihr die Verhandlungssituation wesentlich von der einer echten Mediation unterscheidet. Hat nämlich der zur Konfliktbeilegung herangezogene Dritte im Fall des Fehlschlagens seiner Vermittlungsbemühungen den Streit selbst (mit) zu entscheiden, werden sich die Konfliktbeteiligten aus taktischen Gründen häufig ganz anders verhalten als bei einer echten Mediation. Bei letzterer müssen sie nicht befürchten, dass ihnen aus ihrem Verhalten im Mediationsverfahren bei einer späteren gerichtlichen Entscheidung Nachteile erwachsen könnten, die sie einzukalkulieren haben, und die ihre Freiheit bei der Konfliktbewältigung einschränken.
II. Anwendungsbereiche der Mediation im öffentlichen Recht Die Mediation wurde in Deutschland bekanntlich aus den USA importiert. Dabei wurde ihr zunächst vor allem im Zivilrecht Beachtung geschenkt. Da dieses vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt war, bot sich hier ein besonders günstiges Anwendungsfeld für die Mediation. Im öffentlichen Recht vermochte die Mediation erst später Fuß zu fassen. Das war kein Zufall, sondern ergab sich daraus, dass das öffentlich-rechtliche Verhalten der Verwaltung durch das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und den in ihm angelegten Grundsatz des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes gesteuert wurde. Für eine Konfliktbeilegung durch Mediation ergeben sich damit zwangsläufig spezifische Einschränkungen. Dies bedeutet, dass sich eine Mediation damit ___________ 3
Dagegen geht etwa Millgramm, SächsVBl. 2003, 104 (108) auf der Basis eines weiten Mediationsbegriffs davon aus, dass auch eine Güteverhandlung vor dem beauftragten Richter als Mediation zu qualifizieren sei.
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vor allem dort anbietet, wo für die Konfliktbeteiligten – ähnlich wie im Zivilrecht – Handlungs- und Gestaltungsspielräume bei der Beilegung ihres Konflikts bestehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verwaltung durch das Gesetz Ermessens- und Beurteilungsspielräume eingeräumt werden. Diese Voraussetzung ist vornehmlich im Bereich des Planungsrechts gegeben 4 . Der final programmierten staatlichen Planung ist ein Gestaltungsspielraum – wie immer man diesen auch dogmatisch verortet – wesensimmanent. Ein Anwendungsbereich für die Mediation ergibt sich ferner für die verwaltungsrechtlichen Bereiche, in denen das Handeln der Verwaltung nicht dem Vorbehalt des Gesetzes unterfällt und der Gesetzgeber von einer Normierung der Verwaltungstätigkeit abgesehen hat. Mit der partiellen Ausdehnung des Vorbehalts des Gesetzes auf die Leistungsverwaltung verengte sich allerdings der Bereich der gesetzesfreien Verwaltung. Selbst im Bereich der gesetzlich gebundenen Verwaltung ist aber jedenfalls insoweit Raum für eine Mediation, als die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Vergleich 5 vorlagen. Sie kommt ferner dort in Betracht, wo die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns mittelbar von durch die Verwaltung steuerbaren Faktoren 6 abhängig ist. Schließlich kommt eine Konfliktbeilegung durch Mediation auch dann infrage, wenn zwar das umstrittene Handeln der Verwaltung rechtlich voll gebunden ist, den Interessen der Konfliktbeteiligten aber durch andere rechtlich zulässige Ersatzlösungen Rechnung getragen werden kann. Entzündet sich beispielsweise eine Nachbarstreitigkeit an der Frage, ob von einem genehmigungspflichtigen Bauvorhaben unzumutbare Immissionen ausgehen, so lässt sich der Konflikt möglicherweise dadurch in einer interessengerechten Weise lösen, dass die Lärmquelle an eine andere Stelle des Baugrundstücks verlagert und damit eine für Bauherrn und Nachbarn gleichermaßen akzeptable Lösung erreicht wird. Rechtsstaatliche Barrieren für im Wege der Mediation erzielbare Lösungen ergeben sich allerdings aus dem Verbot der Koppelung sachfremder Zwecke. Ein solches Koppelungsverbot verlangt entgegen einer im rechtswissenschaftlichen Schrifttum z. B. bei Hoffmann-Riem und Schmidt-Aßmann anklingenden Ansicht 7 auch in Verbindung mit der Mediation strikte Beachtung. ___________ 4
S. dazu z. B. Ronellenfitsch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. II, S. 185 ff.; Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 ff. 5 S. dazu näher Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2009, § 106, Rdnrn. 3 ff. 6 Zur sogenannten Faktorenlehre s. näher Schenke, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Drittbearb.), 2009, Art. 19 Abs. 4, Rdnrn. 579 ff. 7 So Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, S. 66 und Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. II, S. 9 (24); krit. hierzu Schenke, in: Festschrift für v. Zezschwitz, S. 140 f.
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Die Vorteile einer Konfliktbewältigung durch Mediation liegen auf der Hand. Anders als ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit, der häufig nur einen Sieger und einen Verlierer kennt, trägt eine im Wege der Mediation herbeigeführte Lösung eines öffentlich-rechtlichen Konflikts den Interessen aller am Konflikt Beteiligten Rechnung, wenn auch möglicherweise in unterschiedlichem Umfang. Da von allen Konfliktbeteiligten getragen, erfreut sie sich damit einer größeren Akzeptanz als eine von einem Dritten oktroyierte Lösung. Eine durch die Beteiligten konsensual erarbeitete Lösung wird auch der veränderten Stellung des Bürgers in der grundgesetzlich geprägten Verfassungslandschaft in besonderer Weise gerecht. Sie macht diesen nicht zum Objekt staatlichen Handelns, sondern betont dessen Subjektstellung. Die Mediation liefert damit einen Beitrag zur Überwindung obrigkeitsstaatlicher Vorstellungen. Sie ermöglicht wegen der größeren Offenheit und Elastizität des Mediationsverfahrens zudem regelmäßig eine schnellere Konfliktbewältigung als das weit stärker formalisierte verwaltungsgerichtliche Streitverfahren und entlastet auch insoweit die Verwaltungsgerichte. Außerdem ist sie in der Regel kostengünstiger. Die – wenn auch unter Beachtung rechtlicher Vorgaben – primär an den Interessen der Konfliktbeteiligten orientierte Konfliktbeilegung trägt schließlich auch dem Unbehagen des Bürgers an dem modernen Gesetzesstaat Rechnung. Dessen durch den Richter strikt zu beachtende gesetzliche Lösung eines Interessenkonflikts wird durch die Beteiligten oft als zu starr und in ihrer Generalität als dem Einzelfall nicht angemessen empfunden und provoziert eine Suche nach Ersatzlösungen. Aus dem vorher Gesagten ergeben sich freilich zugleich auch Grenzen für einen sinnvollen Einsatz der Mediation als eines Instruments zur Bewältigung öffentlich-rechtlicher Konflikte. Diese Grenzen bestehen keineswegs nur dort, wo wegen der Engmaschigkeit gesetzlicher Regelungen kein Raum mehr für einen dem Interessenausgleich dienenden Handlungsspielraum der Konfliktbeteiligten bleibt und sich auch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine alternativen Lösungen für eine Konfliktbeilegung anbieten. Eine Mediation erscheint auch dann nicht sinnvoll, wenn ein Konflikt sich derart verhärtet hat, dass eine einvernehmliche Konfliktlösung von vorneherein als ausgeschlossen erscheint. Das trifft etwa dann zu, wenn der Konflikt wesentlich durch persönliche Feindschaften oder durch ideologische, fest fixierte Standpunkte eines Konfliktbeteiligten geprägt wird. In Fällen dieser Art erscheint die Durchführung eines Mediationsverfahrens als reine Zeitverschwendung, die eine autoritative Lösung des Konflikts durch einen Richterspruch nur weiter in die Ferne schiebt und dabei nicht selten sogar eine Verschärfung des Konflikts zur Folge hat. Hier die Durchführung eines dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgelagerten Mediationsverfahrens verbindlich vorzuschreiben, begegnet sogar unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Bedenken. Es könnte jedenfalls im Einzelfall zu einer mit dem Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes und damit mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbaren Verzögerung des Rechtsschutzes führen.
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Nicht mediationstauglich sind ferner solche rechtlichen Konflikte, die von allgemeiner Bedeutung sind und sich in einer Vielzahl von Fällen in derselben Weise stellen. Bei einer derartigen Konstellation kommt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung eines Konflikts eine ungleich größere Befriedungsfunktion zu als einer Konfliktlösung mittels eines Mediationsverfahrens. Letzteres bewirkt keine grundsätzliche Klärung einer Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, sondern weicht deren Lösung gerade aus. Bei Durchführung eines Mediationsverfahrens wird ja auf die rechtskonkretisierende Wirkung eines Richterspruchs verzichtet, dem faktisch weit über den entschiedenen Fall hinaus rechtliche Bedeutung zukommt und der zu einer Verstetigung und Stabilisierung des Rechts führt. Dieser Effekt ist gerade unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit hoch zu veranschlagen. Bedeutsam wird dies speziell, wenn es um die richterliche Konkretisierung von durch den Gesetzgeber verwandten unbestimmten Rechtsbegriffen geht. Die richterliche Entscheidung besitzt hier oftmals eine präjudizierende Bedeutung für andere vergleichbare Konflikte und führt nach gerichtlicher Klärung der sich in diesem Zusammenhang jeweils stellenden gleichgelagerten Rechtsfragen meist zu einer Vermeidung weiterer gerichtlicher Verfahren. Das dient der Entlastung der Gerichte und damit der Verfahrensökonomie. Die Einsparung personeller Ressourcen der Judikative bewirkt zugleich eine Steigerung der Effektivität des Rechtsschutzes. Noch andere Gesichtspunkte sprechen gegen die Mediation von Konflikten, die rechtliche Fragen von allgemeiner Bedeutung aufwerfen. Deren Bewältigung mittels einer Mediation kann auch unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes verfassungsrechtliche Bedenken provozieren. Grenzen für eine Mediation können sich schließlich auch aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip in den Fällen ergeben, in denen es um die Beilegung eines Konflikts geht, der Fragen betrifft, die für Allgemeinheit von wesentlicher Bedeutung sind. Eine mittels der Wesentlichkeitstheorie 8 erfolgte Konturierung des Vorbehalts des Gesetzes durch das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip kann hier zwingend eine Umsetzung der gesetzgeberischen Entscheidung erfordern und verbietet damit eine diesbezügliche Mediation.
III. Richterliche Mediation Als Mediator kommen verschiedene Personen in Betracht. Unerlässlich für den Erfolg einer Mediation ist jedoch, dass sie von den Konfliktbeteiligten als Autorität anerkannt werden und die für eine Mediation erforderliche Neutralität ___________ 8 S. hierzu z. B. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, Art. 20, Rdnr. 46 m.w.N.
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aufweisen. Zudem sollten sie möglichst auch das für eine Mediation erforderliche Verhandlungsgeschick besitzen und auf dem öffentlich-rechtlichen Sektor über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen. Diese Voraussetzungen erfüllen zwar keineswegs ausschließlich – aber doch in besonderer Weise – die in der Verwaltungsgerichtsbarkeit tätigen Richter. Diesen kommt schon kraft ihrer beruflichen Stellung besondere Autorität zu. Der Autoritätsverlust, wie er heute vielfach in Bezug auf die Repräsentanten anderer staatlicher Gewalten zu verzeichnen ist, betrifft die Judikative und ihre Vertreter jedenfalls nicht in derselben Weise. Die dritte Gewalt wird im modernen pluralistischen Staat jedenfalls in verstärktem Maße als Gegengewicht zu den anderen staatlichen Gewalten empfunden und als objektiver Walter des Gemeinwohls wahrgenommen. Die grundgesetzliche Aufwertung der richterlichen Gewalt, wie sie insbesondere in der verfassungsgesetzlichen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ihren Ausdruck gefunden hat, hat das Ansehen der Verwaltungsrichterschaft zusätzlich verstärkt. Die für eine Konfliktbewältigung notwendige Neutralität ist dem Richter wesenseigen und befähigt diesen als eine beruflich lange eingeübte Haltung zu einer Lösung von Konflikten nicht nur in Verbindung mit der autoritativen Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, sondern auch im Rahmen einer Mediation. Insofern bietet sich der Richter von Berufs wegen als „ehrlicher Makler“ an, der das Vertrauen aller Konfliktbeteiligten besitzt. Ebenso kommt ihm typischerweise das Verhandlungsgeschick zu, das eine erfolgreiche Mediation verlangt. Auch im Rahmen der herkömmlichen streitigen Gerichtsbarkeit sehen die Verfahrensordnungen vor, dass sich der Richter – soweit dies möglich ist – um eine gütliche Lösung der bei ihm anhängig gemachten verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten zu bemühen hat. So regelt beispielsweise § 87 Abs. 1 S. 2 VwGO, dass der Richter die Beteiligten in einem vorbereitenden Verfahren zur Erörterung des Sach- und Streitstands und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits laden kann. Einem hierbei erworbenen Verhandlungsgeschick und Fingerspitzengefühl kommt gerade in Verbindung mit dem Mediationsverfahren eine ganz spezifische Bedeutung zu und vermag sich in diesem voll zu entfalten. Einen besonderen Vorteil einer verwaltungsrichterlich geleiteten Mediation begründen vor allem aber auch die spezifischen rechtlichen Kenntnisse, die einem Verwaltungsrichter hinsichtlich der Konfliktmaterie zukommen. Der Umstand, dass die Mediation verwaltungsrechtlicher Konflikte primär interessenund nicht gesetzesgeleitet ist, darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass dem Recht keine Bedeutung für das Mediationsverfahren zukommt 9 . ___________ 9
Nicht überzeugend, zumindest aber missverständlich deshalb Ortloff, NVwZ 2002, 1310 (1316), und ders., in Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, 2003, S. 727
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Der im Wege der Mediation herbeizuführende Interessenausgleich hat im Rahmen der Rechtsordnung zu erfolgen und kann nicht losgelöst von diesem bewerkstelligt werden. Die Mediation entbindet daher nicht von dem Erfordernis, bei der anzustrebenden Konfliktlösung normative Grenzen zu beachten. Deshalb ist der Mediator gehalten, auf deren Beachtung hinzuwirken. Mit seinen Pflichten wäre es jedenfalls sicher unvereinbar, sich an einer Konfliktlösung zu beteiligen, die auf eine offensichtlich rechtswidrige Übereinkunft hinauszulaufen droht. Das gilt nicht nur – aber doch in besonderer Weise – für einen Richter, bei dem es zusätzlich mit seinen Standespflichten kollidierte, wenn er bei der Vereinbarung einer rechtswidrigen Konfliktlösung „mediative Beihilfe“ leistete. Er kann sich der ihm insoweit obliegenden Verantwortung nicht entziehen, indem er sich auf den Standpunkt stellt, er sei nicht Partner einer getroffenen rechtswidrigen Vereinbarung und habe deshalb einen Rechtsverstoß nicht zu verantworten. Das gilt umso mehr, als bei Zugrundelegung einer anderen Auffassung die mit der Durchführung eines Mediationsverfahrens verfolgte Zielsetzung häufig gefährdet würde. Die Mediation drohte hier zu keiner endgültigen Beilegung des Konflikts zu führen, sondern ließe diesen in einem späteren Verfahrensstadium erneut aufflammen. Damit würde aber letztlich die ganze vorherige Mediation in Frage gestellt und die Konfliktbeilegung vereitelt werden. Eine solche Gefahr ist durchaus konkret. Sie resultiert vor allem daraus, dass eine im Wege der Mediation erzielte Konfliktlösung vielfach einer späteren Umsetzung durch die Konfliktbeteiligten bedarf 10 . Diese ist aber bei der Rechtswidrigkeit der vereinbarten Lösung in besonderer Weise anfechtbar und kann damit die Quelle für neue Streitigkeiten bilden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil einer richterlichen Mediation beruht schließlich darauf, dass bei ihr der Mediator den Blick der Konfliktbeteiligten für mögliche und sich anbietende Konfliktlösungen in besonderer Weise zu schärfen und zu öffnen vermag. Das ist deshalb wichtig, weil bei öffentlichrechtlichen Konflikten die öffentliche Hand meist einen erheblichen rechtlichen Wissensvorsprung vor dem Bürger besitzt und dies die Gewinnung eines ausbalancierten Interessenausgleichs zwischen den Parteien nicht selten gefährdet. Anders als bei der Mediation eines zivilrechtlichen Konflikts besteht bei den Beteiligten eines öffentlich-rechtlichen Konflikts typischerweise ein u. a. durch den Wissensvorsprung der Exekutive begründetes erhebliches Machtgefälle. Der Richter vermag dem entgegenzuwirken, indem er – unter Wahrung seiner Neutralität – für die Herstellung eines Informationsgleichgewichts sorgt und damit eine günstige Voraussetzung für die Gewinnung eines ausbalancierten ___________ (731), wonach sich der Richter nur um einen gesetzesunabhängigen Interessenausgleich bemühen soll; s. demgegenüber aber zu Recht Pitschas, NVwZ 2004, 396 (400). 10 S. zur Umsetzung von Mediationsergebnissen in die Praxis näher Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, S. 212 ff.
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Interessenausgleichs zwischen den Beteiligten schafft. Eine solche mediative Hilfestellung ist freilich in der Regel dann entbehrlich, wenn der konfliktbeteiligte Bürger im Mediationsverfahren anwaltlich vertreten ist.
IV. Richterliche Mediation nach geltendem Recht Mit der dargelegten besonderen Eignung eines Verwaltungsrichters als Mediator ist freilich noch nicht die Frage beantwortet, ob und unter welchen Voraussetzungen auf der Basis der derzeitigen Rechtslage eine richterliche Mediation zulässig ist. 1. § 173 S. 1 VwGO i. V. mit § 278 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 ZPO als Basis richterlicher Mediation In der Praxis wird diese Mediation in den Bundesländern, in denen bereits heute eine verwaltungsrichterliche Mediation stattfindet, regelmäßig auf § 173 VwGO in Verbindung mit § 278 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 ZPO gestützt 11 . Dieser Ansatz begegnet freilich dogmatischen Bedenken. Die Vorschrift des § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO steht in engem Zusammenhang mit der Regelung des § 278 Abs. 2 S. 1 ZPO, die bindend vorsieht, dass der mündlichen Verhandlung grundsätzlich eine Güteverhandlung voranzugehen hat und gestattet, diese Güterverhandlung an einen beauftragten oder ersuchten Richter zu verweisen. Da aber die verwaltungsprozessuale Regelung des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO eine lex specialis zu § 278 Abs. 2 S. 1 ZPO darstellt und deshalb für verwaltungsgerichtliche Verfahren eine Güteverhandlung nicht obligatorisch vorgesehen ist, kommt hier auch über § 173 S. 1 VwGO nicht die mit § 278 Abs. 2 S. 1 ZPO in systematisch-funktionalem Zusammenhang stehende Regelung des § 278 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO zum Tragen. Vielmehr bleibt es bei der Normierung des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO, nach der zwar die Verfahrensbeteiligten zu einer Erörterung des Sach- und Streitstands und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits geladen werden können. Für die Anordnung eines Termins und dessen Durchführung ist aber nur der Vorsitzende oder der Berichterstatter zuständig. Ein beauftragter und insbesondere ein dem Spruchkörper nicht angehörender ersuchter Richter kann damit nicht zu einer Güteverhandlung angehalten werden. Nur die Durchführung einer Güteverhandlung durch einen dem Spruchkörper nicht angehörenden ersuchten Richter beinhaltete eine Mediation. ___________ 11
So z. B. v. Bargen, DVBl. 2004, 468 (475); Seibert, NVwZ 2008, 366; a. A. Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2008, § 173, Rdnr. 204; Pitschas, NVwZ 2004, 396 (402); Schenke, in: Festschrift für v. Zezschwitz, S. 148.
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Selbst wenn man die Anwendung des § 278 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 ZPO i. V. mit § 173 S. 1 VwGO mit der Maßgabe befürwortete, dass auch bei verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten ein ersuchter Richter die Güteverhandlung durchführen kann, ließe sich auf diese Weise die Durchführung eines Mediationsverfahrens aber jedenfalls erst nach der Rechtshängigkeit einer Klage legitimieren. Für eine dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelagerte öffentlichrechtliche Mediation fehlte es damit an einer normativen Grundlage. Dabei kann die Durchführung eines Mediationsverfahrens bereits in diesem Konfliktstadium rechtspolitisch durchaus sinnvoll sein. Sie trägt zu einer rascheren Bewältigung des Konflikts bei als eine Mediation, die erst nach der Absolvierung eines oft zeitaufwendigen Vorverfahrens in Verbindung mit einem beim Verwaltungsgericht bereits rechtshängig gemachten Konflikt durchgeführt wird. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang ferner, dass eine Mediation, die von der vorherigen Erhebung einer Klage abhängt, mit besonderen Kosten verbunden ist. Nicht übersehen werden sollte zudem, dass es bei einer erst in einem solch späten Zeitpunkt einsetzenden Mediation oft schon zu einer Verhärtung der Standpunkte der Konfliktbeteiligten gekommen sein wird. Damit verschlechtern sich jedoch die Chancen zu einer gütlichen Beilegung des Konflikts erheblich. Eine dennoch erfolgende Durchführung des Mediationsverfahrens hat zudem eine bedenkliche Verfahrenshypertrophie zur Folge. An das Verwaltungsverfahren schließt sich dann das Vorverfahren an, an dieses ein Mediationsverfahren und bei dessen Erfolglosigkeit schließlich ein der autoritativen Entscheidung des Rechtsstreits dienendes verwaltungsgerichtliches Verfahren. In dieser Hinsicht besteht – was nicht immer ausreichend gewürdigt wird – ein gewichtiger Unterschied zu einem der Beilegung eines privatrechtlichen Konflikts dienenden Mediationsverfahren, dem eine derartige Verfahrenshäufung fremd ist. Der Versuch, der geschilderten Verfahrenskumulation in Bezug auf öffentlich-rechtliche Konflikte entgegenzuwirken, indem man das Vorverfahren abschafft und an seine Stelle ein Mediationsverfahren treten lässt 12 , wie dies z. T. erwogen wird, scheint mir allerdings nicht überzeugend. Ihm steht insbesondere entgegen, dass das Mediationsverfahren nicht in der Lage ist, die einem Vorverfahren zukommenden Funktionen 13 in vollem Umfang zu substituieren. Erwägenswert ist jedoch eine gesetzliche Regelung, die es dem Rechtsschutzberechtigten nach seiner Wahl erlaubt, das Vorverfahren durch ein Mediationsverfahren zu ersetzen. ___________ 12
So Vetter, Mediation und Vorverfahren, 2004, passim, der sich de lege ferenda allgemein für eine Ersetzung des Widerspruchsverfahrens durch ein Mediationsverfahren ausspricht. 13 S. zu diesen Funktionen Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl. 2009, Rdnrn. 645 ff.
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Spricht man sich entgegen den hier geäußerten Bedenken für eine über § 173 S. 1 VwGO i. V. mit § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO zulässige Durchführung eines Mediationsverfahrens vor einem ersuchten Richter aus, so begegnet eine solche Verfahrensweise unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keinen durchschlagenden Bedenken. Eine in Verbindung mit einer bereits rechtshängigen Klage auf richterliche Anordnung erfolgende richterliche Mediation verstößt insbesondere nicht gegen das Gewaltenteilungsprinzip. Es handelt sich nämlich bei einer solchen auf der Basis von Sondergesetzen erfolgenden Mediation um eine rechtsprechende bzw. dieser sehr verwandte Tätigkeit 14 und nicht – wie verschiedentlich angenommen 15 – um Verwaltungshandeln. Ebenso wie eine richterliche Streitentscheidung sich als Rechtsprechung im materiellen Sinn darstellt, ist auch eine solche gleichfalls der Konfliktbewältigung dienende richterliche Mediation als Rechtsprechung im materiellen Sinn zu qualifizieren, zumindest ist sie dieser eng verwandt. Das wird bereits daran deutlich, dass das gerichtliche Hinwirken auf eine gütliche Einigung der Konfliktparteien eines bei ihm anhängigen Verfahrens zu den typischen Aufgaben des Richters gehört und als solches in den gerichtlichen Verfahrensordnungen ausdrücklich anerkannt wird. Dass die autoritative Entscheidung von Streitigkeiten den Begriff der Rechtsprechung im materiellen Sinn nicht erschöpft, zeigt auch das Institut des Prozessvergleichs. Zwar erfolgt eine richterliche Mediation nicht durch das für eine streitige Entscheidung zuständige Gericht; sie beinhaltet aber – da auf dessen Anordnung erfolgend – einen Annex zu diesem Verfahren und ist deshalb jedenfalls unter dem Gesichtspunkt gleichfalls als Rechtsprechung im materiellen Sinn zu qualifizieren. Wie später noch zu zeigen sein wird (s. im folgenden unter 2), bestehen gegen § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO bzw. eine dieser Vorschrift entsprechende Regelung auch unter dem Aspekt des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG keine durchschlagenden Bedenken. Sie lassen sich auch nicht darauf stützen, dass § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO keine nähere Regelung darüber enthält, welcher Richter um eine Mediation ersucht werden kann.
___________ 14 So z. B. v. Bargen, DVBl. 2004, 468 (474); Seibert, NVwZ 2008, 365, 367; a. A. Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, S. 128 ff. 15 So für die Qualifikation als Gerichtsverwaltung z. B. Klose, ZKM 2005, 146 (147); Ortloff, NVwZ 2004, 385 (389).
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2. Richterliche Mediation bei Unanwendbarkeit des § 278 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 ZPO a) Das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für eine staatliche richterliche Mediation Lehnt man die Heranziehung des § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO auf eine Mediation ab, so erscheint die Durchführung einer auf einer öffentlich-rechtlichen Basis erfolgenden richterlichen Mediation als rechtlich problematisch. Bedenken ergeben sich hiergegen nicht nur wegen der abschließenden verwaltungsprozessualen Regelung des § 87 Abs. 1 S. 2 VwGO. Sie erscheint hiervon abgesehen auch vor dem Hintergrund der Wesentlichkeitstheorie fragwürdig, da eine so grundsätzliche Frage wie die Eröffnung eines durch die Verwaltungsrichter durchführbaren, dem Staat zuzurechnenden Mediationsverfahrens einer gesetzlichen Regelung bedarf. Davon kann auch nicht unter Hinweis darauf dispensiert werden, dass der Richter als Mediator keine Entscheidungsbefugnis besitzt und nur als neutraler Konfliktmittler tätig ist. Für das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung einer richterlichen Mediation spricht überdies der Gesichtspunkt, dass diese, jedenfalls wenn sie den Charakter eines Modellversuchs abstreift und flächendeckend praktiziert wird, in ein Konkurrenzverhältnis zu einer Mediation durch andere Personengruppen – insbesondere zur Anwaltschaft – gerät und deren durch Art. 12 GG geschützte Berufsausübung tangieren kann 16 . Damit kommt aber der grundrechtlich gebotene Gesetzesvorbehalt zum Tragen. Zwingend erforderlich ist eine gesetzliche Regelung für eine richterliche Mediation ohnehin dann, wenn diese im Rahmen eines bereits anhängig gemachten gerichtlichen Verfahrens richterlich angeordnet wird, wie dies in § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO für den Bereich des Zivilprozesses vorgesehen ist. Das ergibt sich schon daraus, dass durch eine solche richterliche Anordnung einer Mediation in Verbindung mit einer bereits anhängigen verwaltungsrechtlichen Streitigkeit der durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete gerichtliche Rechtsschutz betroffen ist. Damit werden sowohl Art. 19 Abs. 4 GG wie auch Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG 17 tangiert. Das gilt sogar unabhängig davon, wie man die Tätigkeit des um Mediation ersuchten Richters qualifiziert. Ob auf dessen mediative Tätigkeit Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG unmittelbar anwendbar ist, erscheint hingegen zweifelhaft. Diese Vorschrift dürfte ihrer ratio ___________ 16
S. zu dieser Wettbewerbssituation näher Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, S. 185 ff. 17 S. dazu, dass für alle richterlichen Tätigkeiten im Rahmen eines anhängig gemachten gerichtlichen Verfahrens Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gilt, s. z. B. Maunz, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetz, Art. 101, Rdnr. 16.
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nach wohl nur auf den zur Streitentscheidung befugten Richter anwendbar sein. Sie passt hingegen nicht (jedenfalls nicht uneingeschränkt) auf einen lediglich als Mediator fungierenden Richter, da bei einer Mediation die Konfliktbeteiligten ihren Streit selbst beilegen und der Richter hierbei lediglich Hilfestellung leistet. Damit besteht hier nicht dasselbe Schutzbedürfnis wie hinsichtlich der Bestimmung eines auch gegen den Willen von Streitbeteiligten entscheidungsbefugten Gerichts 18 . Deshalb kann für die Bestimmung eines aufgrund gerichtlicher Anordnung mediationsbefugten Richters jedenfalls nicht dieselbe gesetzliche Regelungsdichte gefordert werden, wie sie sonst nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG geboten ist. Legte man die strengen Maßstäbe an, wie sie sonst durch Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gefordert werden 19 , wäre § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO jedenfalls erheblichen Zweifeln ausgesetzt. Wer der durch das Gericht ersuchte Richter ist, lässt sich der Vorschrift nämlich nicht entnehmen. Vielmehr obliegt dessen Bestimmung dem gesetzlich nicht näher determinierten gerichtlichen Ermessen. Eine Anwendung der strikten verfassungsgesetzlichen Vorgaben des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG auf die Begründung der Zuständigkeit eines richterlichen Mediators wird nach dem vorher Gesagten aber nicht nur der ratio des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nicht gerecht. Sie erschiene auch rechtspolitisch sehr problematisch, weil eine solche organisationsrechtliche Verengung des Mediations zu einer Formalisierung führen müsste, die dessen Flexibilität erheblich einschränkte und damit zusammenhängend die Möglichkeit zur informellen Beilegung von Konflikten erheblich beeinträchtigte. Sie träfe eine richterliche Mediation damit im Mark. Für diese ist von entscheidender Bedeutung, dass der Richter das Vertrauen der Konfliktbeteiligten besitzt. Eine normative Verengung des Kreises möglicher richterlicher Mediatoren wäre dabei aber nur hinderlich. Auch wenn man den dem Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG wegen der Verwandtschaft der Mediation mit der Rechtsprechungsfunktion der Gerichte auf einer höheren Abstraktionsstufe zusätzliche Ansatzpunkte für das Erfordernis einer grundsätzlichen gesetzlichen Regelung richterlichen Mediation entnehmen mag, bedarf es jedenfalls keiner näheren Konkretisierung der Mediationszuständigkeit. Dafür spricht beispielsweise auch, dass selbst ein richterliches Schiedsverfahren, bei dem der Richter mit wesentlich weiterreichenden Befug___________ 18
Dazu, dass Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG bezweckt, die Handlungsfreiheit staatlicher Organe einzuschränken, nicht aber als Barriere für eine vom Willen der Konfliktbeteiligten getragene Einschaltung eines Richters wirken soll, s. Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 101, Rdnr. 22. 19 Zur Notwendigkeit einer näheren gesetzlichen Konkretisierung der richterlichen Zuständigkeit Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 101, Rdnr. 25; Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 101, Rdnrn. 5 ff.
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nissen ausgestattet ist als ein richterlicher Mediator, nach ganz h. M. 20 nicht dem Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG unterfällt. Es fehlt deshalb in der ZPO an gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen, ohne dass dies verfassungsrechtlich beanstandet wird. Aus diesem Grund sind erst recht keine Zuständigkeitsbestimmungen für eine richterliche Mediation geboten, bei der dem Richter eine weit bescheidenere Funktion zukommt als bei einem Schiedsverfahren. Das gilt in besonderem Maße für eine richterliche Mediation, die nicht in Verbindung mit einem bereits anhängig gemachten gerichtlichen Verfahren erfolgt und insofern keinen Annexcharakter aufweist. Hier scheidet damit selbst eine nur partielle Anwendung des Art. 19 Abs. 4 GG und des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG aus. Geht man davon aus, dass die grundsätzliche Zulassung einer richterlichen Mediation auch im Verwaltungsprozess einer gesetzlichen Regelung bedarf, so ist die derzeit unter fälschlicher Berufung auf § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO durch die Verwaltungsgerichte vielfach praktizierte Mediation – jedenfalls wegen Fehlens einer gesetzlichen Grundlage rechtswidrig. Dies änderte freilich nichts daran, dass eine (wenn auch zu Unrecht) auf § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO gestützte richterliche Mediation als öffentlich-rechtlich anzusehen ist. Die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme und deren Rechtsnatur gilt es auch hier streng zu trennen. b) Private richterliche Mediation Nicht ausgeschlossen wird durch das vorher Gesagte eine privatrechtliche Beauftragung eines Richters als Mediator eines öffentlich-rechtlichen Konflikts, die von diesem nicht in seiner amtlichen Eigenschaft, sondern als Privatperson durchgeführt wird. Diese kommt nicht nur vor Rechtshängigkeit des Konflikts, sondern auch dann noch in Betracht, wenn bereits Klage beim Verwaltungsgericht erhoben worden ist. Aus der Pflicht des Gerichts, sich um eine einvernehmliche Beilegung verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten zu bemühen (s. z. B. § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO), ergibt sich, dass dieses, falls sich die Möglichkeit einer Konfliktbeilegung mittels einer von den Beteiligten gewünschten Mediation abzeichnet, diesen die Gelegenheit hierzu grundsätzlich einzuräumen hat. Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung bzw. einer streitigen Entscheidung ist deshalb zunächst abzusehen. Erreicht wird dies durch eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens gem. § 173 S. 1 VwGO i. V. mit § 251 ZPO. Das Recht zu einer solchen Anordnung steht dem Gericht immer dann zu, wenn eine außergerichtliche Streitbeilegung möglich erscheint und von den Beteiligten gewünscht wird. Das muss damit aber auch im Falle einer von den Beteiligten mittels einer Mediation angestrebten Konfliktbeile___________ 20
S. statt vieler z. B. Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 101, Rdnr. 22.
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gung gelten. Dabei braucht diese Mediation zwar keineswegs durch einen richterlichen Mediator zu erfolgen. Wird aber die Mediation durch einen Richter gewünscht und ist dieser hierzu bereit, so besteht kein Grund, hier anders zu verfahren als in anderen Fällen außergerichtlicher Streitbeilegung. Das gilt umso mehr, als eine richterliche Mediation, auch wenn sie durch den Richter als Privater durchgeführt wird, in der Regel in besonderem Maße zur Konfliktbeilegung geeignet erscheint. Einer über § 173 S. 1 VwGO bewirkten entsprechenden Anwendung des § 278 Abs. 5 S. 2 und 3 ZPO 21 bedarf es zur Begründung dieses Ergebnisses nicht einmal. Die hier getroffenen Regelungen vermögen dieses aber zusätzlich zu stützen. Nach ihnen kann das Gericht zum Zwecke einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung eines bei ihm anhängigen Rechtsstreits das Ruhen des Verfahrens anordnen. Eine entsprechende Verfahrensweise war aber schon vor Erlass des § 278 Abs. 5 ZPO zulässig. Hier veranlassten die Gerichte im Falle einer sich abzeichnenden Möglichkeit zur außergerichtlichen Beilegung des Rechtsstreits regelmäßig das Ruhen eines bei ihnen anhängigen Verfahrens. Die von den Konfliktbeteiligten vereinbarte Mediation erfolgt unabhängig davon, wen sie als Mediator bestimmen, auf privatrechtlicher Grundlage. Das gilt auch dann, wenn sie als Mediator einen Richter vorsehen. Am privatrechtlichen Charakter der Mediation 22 ändert auch der Umstand nichts, dass es um die Beilegung eines öffentlich-rechtlichen Konflikts geht. Einer solchen Mediation durch einen Verwaltungsrichter steht § 4 DRiG nicht entgegen. Dieser beinhaltet nur Begrenzungen des Richters bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben 23 . Die auf einer privaten Vereinbarung beruhende Mediation eines Richters, die dieser in seiner Eigenschaft als Privater wahrnimmt, ist keine staatliche Tätigkeit. Sie ist deshalb auch keine Rechtsprechung i. S. des Art. 92 GG, obschon sie wie diese der Konfliktbewältigung dient. Auch die Anwendung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verbietet sich schon aus diesem Grund. Begrenzungen einer richterlichen Mediation, wie sie früher z. T. im Hinblick auf das Rechtsberatungsgesetz vertreten wurden, scheiden nach dessen Ersetzung durch das am 1.7.2008 in Kraft getretene Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) aus 24 . Das RDG erstreckt sich nicht auf die Mediation. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 4 RDG ist ___________ 21
Für eine entsprechende Anwendung des § 278 Abs. 5 S. 2 und 3 ZPO Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 173, Rdnr. 206. 22 So neben Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2009, § 1, Rdnr. 45 z. B. auch Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, S. 135; Gornig, in: Festschrift für Haase, 2006, S. 243 (245); Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, Einführung, Rdnr. 101. 23 Dazu, dass Tätigkeiten, die keiner Staatsgewalt zugeordnet werden können, nicht von § 4 DRiG erfasst werden, s. Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2009, § 4, Rdnr. 15. 24 S. dazu Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, S. 191.
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die Mediation und jede vergleichbare Form der alternativen Streitbeilegung, sofern die Tätigkeit nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift, keine Rechtsdienstleistung i. S. des RDG. Für eine privatrechtliche richterliche Mediation kann freilich nach näherer Maßgabe der in den einzelnen Bundesländern differierenden Nebentätigkeitsverordnungen eine Nebentätigkeitsgenehmigung erforderlich sein. Wenn durch die von dem Richter durchgeführte Mediation dienstliche Belange nicht beeinträchtigt werden und auch keine Interessenkollisionen zu befürchten sind, sollte eine erforderliche Nebentätigkeitsgenehmigung – solang eine öffentlich-rechtliche richterliche Mediation noch nicht vorgesehen ist – in der Regel erteilt werden.
V. Richterliche Mediation de lege ferenda Aufgrund der positiven Erfahrungen, die bereits jetzt mit einer sich an das Zivilprozessrecht anlehnenden öffentlich-rechtlichen richterlichen Mediation gemacht wurden, spricht viel dafür, die Mediation öffentlich-rechtlicher Konflikte durch einen Richter einer gesetzlichen Regelung zuführen. Damit erledigte sich dann auch die Streitfrage, die in Bezug auf die Anwendbarkeit des § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO auf eine Mediation verwaltungsrechtlicher Konflikte derzeit noch besteht. Ebenso entfallen dann auch auf § 4 DRiG gestützte Einwände gegen eine richterliche Mediation. Zudem könnte durch eine solche Normierung auch eine Basis für eine dem Staat zurechenbare richterliche Mediation solcher öffentlich-rechtlicher Konflikte geschaffen werden, die noch nicht rechtshängig gemacht worden sind und bei denen eine Konfliktbeilegung durch richterliche Mediation – wie oben schon dargelegt – im Einzelfall durchaus schon sinnvoll sein kann. Freilich müsste bei einer gesetzlichen Regelung berücksichtigt werden, dass sich vor allem bei einer zeitlichen Vorverlegung der richterlichen Mediation eine Konkurrenz zu durch andere Mediatoren – insbesondere durch Anwälte – betriebenen Mediationsverfahren ergeben kann und es hier unter Kostengesichtspunkten nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen darf. Diesem Gesichtspunkt kommt naturgemäß in dem Maße steigende Bedeutung zu, in dem die richterliche Mediation aus einem Experimentier- und Versuchsstadium heraustritt und ihr – wie dies sich heute schon anbahnt – ein fester Platz bei der Konfliktbeilegung eingeräumt wird. Durchschlagende Einwände gegen eine bereits vor Rechtshängigkeit einer Klage erfolgende richterliche Mediation bestehen unter dem Gesichtspunkt des Gewaltenteilungsprinzipes selbst dann nicht, wenn man diese nicht als Rechtsprechung im materiellen Sinn qualifiziert. Sie weist jedenfalls enge Verwandtschaft mit der Rechtsprechung auf und ist – wie diese – auf eine Konfliktbeilegung durch einen sachlich und persönlich unabhängigen sowie neutralen Richter gerichtet. Deshalb erscheint die ge-
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setzliche Statuierung eines richterlichen Mediationsverfahrens auch vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsprinzips gerechtfertigt, zumal dieses – wie u. a. § 4 Abs. 2 DRiG zeigt – nicht idealtypisch zu verstehen ist. Wie immer der Gesetzgeber die Ausgestaltung der richterlichen Mediation dabei auch im Einzelnen vornehmen mag, scheint mir jedenfalls eine wichtige Forderung, dass sie nicht allein in der Sphäre des Privaten verbleiben darf. Dies festzuhalten, ist gerade in Bezug auf die Beilegung öffentlich-rechtlicher Konflikte wichtig, bei deren mediativer Bewältigung gegenwärtig noch normative Defizite zu verzeichnen sind. Die Konfliktbewältigung durch richterliche Mediation ist ein zu bedeutsames staatliches Instrument zur Erfüllung der dem Rechtsstaat obliegenden Schutz- und Befriedungsfunktion, um sie nur der Regie Privater zu überlassen. Eine gesetzliche Regelung sollte im Übrigen dazu benutzt werden, ein Mindestmaß an verfahrensrechtlichen Regelungen für das durch einen Richter durchzuführende Mediationsverfahren aufzustellen, deren Beachtung Voraussetzung für eine erfolgversprechende Mediation ist. Bedeutsam erscheint mir hier insbesondere die Abschottung des richterlichen Mediationsverfahrens von dem streitigen gerichtlichen Verfahren, die durch entsprechende Auskunftsund Zeugnisverweigerungsrechte des Mediators abzusichern ist 25 , sowie die Einbindung aller durch die Konfliktlösung Betroffenen in das Mediationsverfahren 26 . Zu warnen ist freilich vor einer zu starren verfahrensrechtlichen Formalisierung des Mediationsverfahrens, denn durch die Formalisierung des Informalen droht das Mediationsverfahren gerade jene Dynamik und Flexibilität einzubüßen, die sein Wesenselement ausmacht und Bedingung einer schnellen und erfolgreichen Konfliktbeilegung ist.
___________ 25 Zur Bedeutung der Vertraulichkeit der Mediationskommunikation s. näher Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, S. 156 ff. sowie zur Notwendigkeit derartiger Regelungen de lege ferenda Bader, a. a. O., S. 274 ff. 26 S, dazu näher Schenke, in: Festschrift für v. Zezschwitz, S. 142.
Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit – insbesondere zu der Möglichkeit der Einführung und deren Aufgabe Von Hee Gon Kim
I. Einleitung Das Sprichwort „In jeder Gesellschaft gibt es Recht“ setzt voraus, dass „es Streitigkeiten in jeder Gesellschaft gibt“. Die einzige, effektive und endgültige Lösung für diese Konflikte war und ist die gerichtliche Streitbeilegung, d. h. die durch gerichtliches Urteil oder Beschluss. Sie spielt auch heute eine zentrale Rolle. Dadurch können jedoch nicht alle Konflikte gelöst werden. Neben dem ordentlichen Gerichtsverfahren gab es vorher andere Verfahren über familiäre, gemeindliche oder religiöse Streitbeilegungen 1 , die wohl als Urformen der ADR (Alternative Dispute Resolution) angesehen werden können. Besonders in einer modernen Gesellschaft, in welcher die zunehmende Zahl von Streitigkeiten zwischen Privaten, deren Komplizierung und neue Formen der Streitigkeiten zwischen mehreren Personen bei der Entwicklung der Industriegesellschaft in Betracht kommen, liegt ein Defizit im System des staatlichen Gerichtsverfahrens vor. Als ergänzendes und alternatives Mittel zur Schließung von Lücken im staatlichen Gerichtsverfahren erschien erstmals in den USA das Rechtsinstitut der heutigen ADR in den 70er Jahren 2 . In Korea ist zwar Mediation im zivilrechtlichen Verfahren weit verbreitet, aber noch nicht im öffentlich-rechtlichen Bereich. Der Grund dafür liegt in den ___________ 1 Z. B. Streitbeilegungen von Zünften/Gilden in mittelalterlichen Freistädten. Eine Entscheidung der Zunft/Gilde in Lübeck konnte in fast allen Hansestädten bestätigt und durchgesetzt werden. Dazu K. H. Sohn, Die Rolle der Juristen bei ADR, Chonbuk Law Review, Bd. 26 (Juni 2008), The Law Research Institute Chonbuk National University, S. 3. 2 Zum Hintergrund und Entwicklung der ADR in den USA Jacqueline M. NolanHaley, Alternative Dispute Resolution in a nutshell, West Publishing Co., St. Paul, Minnesota, 2002, pp. 4-9.
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öffentlich-rechtlichen Besonderheiten. Je verschiedener die öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten sind, desto mehr gewinnt aber das Bedürfnis nach einer Einführung der ADR in das Verwaltungsrecht an Aktualität. Dabei kann wohl vertreten werden, dass es der rechtlichen Gerechtigkeit widerspräche, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten durch die ADR zu lösen, weil Vereinbarung oder Mediation zwischen Betroffenen im öffentlichen Recht nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar seien. Von hier aus befasst sich dieser Aufsatz mit der Möglichkeit einer Einführung der Mediation in der koreanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei sollen zunächst Grundzüge der Mediation, anschließend die dogmatische Frage zur Einführung der Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und letztlich die bei der Einführung zu erfüllende Aufgabe untersucht werden.
II. Grundzüge der Mediation 1. Begriff der Mediation Zu nichtstreitigen Streitbeilegungen im Verwaltungsrecht zählen nicht nur die in dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsverfahren, sondern auch die in vielen Verwaltungsausschüssen zur Streitbeilegung 3 . Als wichtige nichtstreitige Streitbeilegungen im Verwaltungsgericht kommen vor allem der Vergleich und die Mediation im Verwaltungsprozess in Betracht. Liegt im gerichtlichen Prozess ein Vergleich zwischen den Parteien vor, der vor einem Gericht während eines anhängigen Verfahrens geschlossen wurde, wird der Rechtsstreit dadurch in dem von ihm erfassten Umfang beendet. Dabei entsteht eine schriftliche Anlage zum Vergleich, die eine gleiche Wirkung wie ein Urteil entfaltet. Unter Mediation im gerichtlichen Prozess wird die Tätigkeit eines neutralen und unparteiischen Dritten (Mediator oder Ausschuss zur Mediation) verstanden, die dem Ziel dient, die Parteien bei ihrer Suche nach einer Lösung ihres Konfliktes zu unterstützen, ohne jedoch über eine Entscheidungskompetenz zu verfügen. Der Begriff „Mediation“ lässt sich von dem lateinischen Verb „mederi“, welches „heilen, kurieren, abhelfen“ bedeutet, ableiten 4 . Unter Mediation wird ___________ 3
Y. S. Kim, Die Mediation als Konfliktsbeilegungsmittel im Verwaltungsrecht, The Justice Bd. 81 (Okt. 2004), Korea Regal Center, S. 21-22. 4 Von diesem stammen wiederum das mittelalterlich-lateinische Substantiv „mediatio“ (= Vermittlung) und das Adjektiv „medius“ (= zwischen zwei Ansichten oder Parteien die Mitte haltend, einen Mittelweg einschlagend, sich neutral, unparteiisch verhalten). Vgl. Langenscheidts Großwörterlexikon Teil 1: Lateinisch-Deutsch: unter Berück-
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heute in der Regel eine Methode der außergerichtlichen Streitbeilegung verstanden, die im Rahmen streitiger Verhandlungen über einen Entscheidungsgegenstand durch einen neutralen Mediator benutzt wird. Er übt seine Tätigkeit als Dienstleistung aus 5 . Er verhilft den Kontrahenten zu einer Konsensfindung über den streitigen Sachverhalt i. S. einer Konfliktlösung. Mediation beruht deshalb in ihrem Kern auf einem Interessenausgleich der Beteiligten durch Verhandeln. In dessen Verlauf unterstützt ein neutraler Dritter, eben der Mediator, die streitenden Parteien darin, eigenständig zur einvernehmlichen Auflösung ihrer vermeintlichen Interessengegensätze zu gelangen 6 . Dementsprechend gestalten sich die Grundsätze des Verfahrens der Mediation: Absolute Freiwilligkeit der Teilnahme, Allparteilichkeit und Neutralität des Mediators 7 . 2. Art der Mediation In Deutschland unterscheidet sich zuerst die Mediation im öffentlichen Recht von der im Privatrecht 8 , und nach dem Anwendungsbereich unterscheidet sich die Umweltmediation von der Wirtschaftsmediation usw. Außerdem kann man differenzieren zwischen vorprozessualer/prozessualer Mediation 9 und außergerichtlicher/gerichtlicher Mediation 10 . Bezüglich der Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt es eine Unterscheidung zwischen der Mediation außerhalb und der innerhalb des Verwaltungsprozesses 11 . Rainer Pitschas unterscheidet zwischen Verwaltungsmediation und der Gerichtsmediation, welche gerichtliche (Richtermediation oder erkennende Medi___________ sichtigung der Etymologie, 23. Aufl., 1988; Hehn, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, 2002, § 6 Rdnr. 6 m.w.N.; Ines Härtel, Mediation im Verwaltungsrecht, JZ 2005, S. 754. 5 Haft, in: ders./Schlieffen (Hrsg.), a.a.O., § 2 Rdnrn. 1 und 11; R. Pitschas, Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor, NVwZ 2004, S. 397. 6 R. Pitschas, a.a.O., S. 397; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005, § 1 Rdnr. 34. So orientiert sich die Mediation an einer friedlichen Lösung der Streitigkeiten nicht unter der rechtspositionsbezogenen Perspektive, sondern unter Anlegung der interessenorientierten Perspektive. 7 Dazu ausführlich R. Pitschas, a.a.O., S. 397. Zum Mediationsverfahren s. auch Kopp/Schenke, a.a.O., § 1 Rdnr. 34. 8 R. Pitschas, a.a.O., S. 396. 9 J. Ziekow, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – Möglichkeiten der Implementation und rechtliche Folgerungen, NVwZ 2004, S. 392. 10 K.-M. Ortloff, Mediation außerhalb und innerhalb des Verwaltungsprozesses, NVwZ 2004, S. 387. 11 K.-M. Ortloff, a.a.O., S. 385.
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ationskammer) und gerichtsverbundene 12 – u. U. noch gerichtsnahe 13 – Mediation umfasst 14 . In Korea gibt es zwar ähnliche Kategorisierungen wie in Deutschland, aber man unterscheidet normalerweise je nach dem zuständigen Subjekt die Gerichts- von der Verwaltungs- oder Bürgermediation. Zu der Gerichtsmediation zählen zivil- und familiengerichtliche – und u. U. verwaltungsgerichtliche 15 – Mediation. Die Verwaltungsmediation wird in der Regel von dem sog. Verwaltungssausschuss für Mediation 16 , dagegen die Bürgermediation von einer NGO oder einem Verbraucherverband 17 durchgeführt 18 . 3. Funktion der Mediation Unabhängig davon, ob eine Gerichtsmediation oder eine Mediation außerhalb des Gerichts vorliegt, hat die Mediation nicht nur viele Vorteile, sondern auch einige Nachteile (Risiken). a) Vorteile Der erste Vorzug der Mediation ist die Möglichkeit der autonomen Lösung durch Verständigung zwischen den Betroffenen. Die Verständigung zwischen Bürger und Verwaltung unter dem tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkt beseitigt die bisherige Unbestimmtheit. So führt die sich daraus ergebende Möglichkeit, einander zu verstehen, zur autonomen Streitbeilegung. ___________ 12 Gerichtsverbundene Mediation stellt eine Mediation bei dem erkennenden Gericht durch einen ihm angehörigen Richter in einem abgetrennten Zwischenverfahren dar. 13 Dazu s. J. Ziekow, a.a.O., S. 392. 14 R. Pitschas, a.a.O., S. 402. 15 Die sog. Verwaltungsgerichtliche Mediation ist zwar noch nicht ausdrücklich in VwGO geregelt, aber in der Praxis in Form einer tatsächlichen Mediation (eines sog. tatsächlichen Mediationsvorschlags) verallgemeinert worden. 16 Z. B. Mediationsausschuss für Umweltprobleme (§§ 4, 5 Gesetz zur Mediation über Umweltprobleme), Mediationsausschuss für Verbraucherprobleme (§ 60 Rahmengesetz für Verbraucher), Ausschuss über Urheberrecht (§ 112 Gesetz über Urheberrecht). 17 Z. B. freiwilliger Mediationsausschuss des Verbraucherverbandes (§ 31 Rahmengesetz für Verbraucher, § 24 deren Rechtsverordnung), Mediationsausschuss für Probleme bei baurechtlicher Untervergabe (§ 24 Gesetz für sachgerechte baurechtliche Untervergabe und § 7 deren Rechtsverordnung Anhang 1) und Mediationsausschuss für den Rückanspruch bei Verkehrsunfall u.s.w. 18 N. C. Chung, Die Mediation im Verwaltungsprozess als alternative Konfliktsbeilegungsmittel, Justizverwaltung, Bd. 46-4 (April 2005), S. 10.
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Der zweite Vorteil der Mediation ist die zukunftsorientierte Grundlösung der Streitigkeiten. Die Mediation zielt darauf ab, Konflikte in toto zu lösen. Während sich der Gerichtsprozess vergangenheitsbewältigend nur auf den Streitgegenstand bezieht, kann die Mediation flexibler bei einer Konfliktlösung agieren, weil Gründe und Entwicklungsgeschichte der betroffenen Streitigkeiten bei der Mediation berücksichtigt werden müssen 19 . Zum Dritten versucht die Mediation „win-win“-Lösung aufspüren. Anders als der Gerichtsprozess, in welchem es jedenfalls einen Sieger und einen Besiegten gibt, kann diese „win-win“-Lösung bei der Mediation gefunden werden, weil beide Betroffene durch gegenseitiges Nachgeben und Vereinbarung per Saldo mehr gewinnen können als beim Gerichtsprozess. Der vierte Vorteil der Mediation ist die Zeit- und Kostenersparnis der Betroffenen. Die Mediation kann wesentlich weniger Kosten und Zeit als ein Gerichtsverfahren in Anspruch nehmen, weil ihr die Vereinbarung und die Kooperation i. S. eines gütlichen Ausgleiches zwischen Parteien zugrunde liegt20 . Schließlich kann man als einen Vorteil die Entlastung des Gerichts nennen. Beim Erfolg der Mediation wird nicht nur ein Gerichtsverfahren beendet, sondern auch eine Möglichkeit zur Berufungsklage vermieden 21 . b) Nachteile Zum Ersten können bei vorzeitiger Vereinbarung oder einem Mediationszwang eine Vernachlässigung justizieller Gerechtigkeit und eine Verbreitung des sog. „second class justice“ in Betracht kommen 22 . Dies kann auch zur Schwächung des Rechtsstaatsprinzips führen. Zum Zweiten kann bei einem nichttransparenten Verfahren eine Gefahr entstehen, Rechtspositionen von Betroffenen oder Dritten zu beeinträchtigen, weil das Mediationsverfahren „in camera“ strukturiert ist. Das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit kann im Ergebnis zum Vereinbarungs- oder Mediationszwang, der als solcher eine Verletzung der Rechte von Betroffenen und betroffenen Dritten darstellt, führen.
___________ 19
W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 2004, § 1 II 1, Rdnr. 12b; Kopp/Schenke, a.a.O., § 1 Rdnr. 35; K.-M. Ortloff, a.a.O., S. 389. 20 W.-R. Schenke, a.a.O., § 1 II 1, Rdnr. 12b; Kopp/Schenke, a.a.O., § 1 Rdnr. 35. 21 I. Härtel, a.a.O., S. 756 f.; K. S. Park, Gesichtspunkte über Klagebefugnis und Anfechtungsklage, in: Material zur Änderung der Verwaltungsprozessordnung II, National Court Administration, März 2007, S. 882. 22 N. C. Chung, a.a.O., S. 18.
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Zum Dritten kann sich die strikte Neutralitätspflicht der Mediatoren als Nachteil erweisen, wenn eine stärkere Partei einer Schwächeren gegenübersteht. Im Gerichtsprozess bietet die richterliche Fürsorgepflicht für Schwächere einen gewissen Machtausgleich, während der Mediator hierzu nicht die gleiche Pflicht hat. Viertens kann bei dem Scheitern einer Mediation die Streiterledigung in Verzug geraten. Dann kehrt sich der vermeintliche Vorteil einer Zeit- und Kostenersparnis der Mediation um. Dies gilt auch für die emotionalen Kosten von Betroffenen 23 . Fünftens besteht bei dem Scheitern einer Mediation die Gefahr des Informationsmissbrauchs. Unlautere Parteien können die Mediation strategisch zur Informationsgewinnung und damit zur Vorbereitung eines von vornherein geplanten Anschlussprozesses einsetzen 24 .
III. Problematik der Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit Es kann vertreten werden, dass die in der Mediation ausgehandelten Konfliktlösungen als Ergebnisse einer freien vertraglichen Vereinbarung im Prozess der Verwaltungsgerichte wegen deren Besonderheiten u. a. nicht unmittelbar wirksam werden können, während sie im Prozess der Zivilgerichte ohne weiteres wirksam werden. Daher sollen als Problematik zur Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit zunächst 1. das Verhältnis zwischen Rechtsstaatsprinzip und Mediation, 2. das Verhältnis zwischen Justizgewähr und Mediation, 3. die Besonderheit der Verwaltungsgerichtsbarkeit und Mediation sowie 4. die Qualifikation und Einordnung der Mediation untersucht werden. 1. Rechtsstaatsprinzip und Mediation Das Verwaltungshandeln, welches i. d. R. zur Verwirklichung des Staatsziels bzw. Allgemeinwohls gestaltend gehandhabt wird, muss dem Rechtsstaatsprinzip und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unterliegen. Bei einer Verletzung von subjektiven öffentlichen Rechten durch rechtswidriges oder unzweckmäßiges Verwaltungshandeln, also bei den verwal___________ 23 24
N. C. Chung, a.a.O., S. 18. Vgl. I. Härtel, a.a.O., S. 757.
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tungsgerichtlichen Streitigkeiten, werden diese Grundsätze noch stärker angewandt. Daher stellt sich die Frage, ob die Mediation als eine freie vertragliche Vereinbarung zwischen Bürgern und Verwaltung auch im Verwaltungsprozess möglich ist. Im modernen Demokratiestaat wollte das Rechtsstaatsprinzip (der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) durch Vermeidung freiwilliger Ausübung der Staatsmacht Grundrechte der Bürger gewährleisten, und dies ist noch immer gültig. Anders als das formelle Rechtsstaatsprinzip (des kontinentaleuropäischen Rechtssystems wie in Deutschland im 19. Jahrhundert) wird das gegenwärtige Rechtsstaatsprinzip als ein materielles Rechtsstaatsprinzip zur Gewährleistung der Grundrechte von Bürgern verstanden 25 . Dies bestätigt das Verfassungsgericht in Korea 26 . Daher soll die Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit dann zur Verstärkung des materiellen Rechtsstaatsprinzips 27 zulässig sein, wenn sie sich für den Rechtsschutz der Bürger effektiver und kostengünstiger auswirkt. 2. Justizgewähr und Mediation Bei der Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit stellt sich die Frage, ob sie mit der Justizgewährleistung vereinbar ist. Durch Art. 27 Abs. 1 der koreanischen Verfassung („Alle Bürger haben nicht nur das Recht auf den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Richter, sondern auch das Recht auf den gesetzlichen Gerichtsprozess.“) wird der Anspruch des Bürgers auf Justizgewähr sichergestellt. Nach der Rechtsprechung des koreanischen Verfassungsgerichts bedeutet die Justizgewähr, dass alle Gerichtsverfahren nach Inhalt und Verfahren der verfassungsmäßigen Gesetze von Richtern, die sachlich bzw. persönlich unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind, durchgeführt werden müssen 28 . Außerdem umfasst sie nicht nur eine Möglich___________ 25
J. H. Seok/D. S. Song, Allgemeines Verwaltungsrecht I, 2009, S. 30 ff.; C. Y. Kim, Verwaltungsrecht I, 2009, S. 28; N. J. Kim/Y. T. Kim, Verwaltungsrecht I, 2009, S. 31; Y. H. Park, Neues Verwaltungsrecht I, 2009, S. 30 f.; D. H. Kim, Verwaltungsrecht I, 2008, S. 33 f.; K. S. Park, Verwaltungsrecht, 2009, S. 16; Jee-Tai Ryu/J.-S. Park, Neues Verwaltungsrecht, 2009, S. 53; H. G. Kim, Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2008, S. 22 und 24. Z. T. wird das Rechtsstaatsprinzip als nicht nur materielles, sondern auch formelles Prinzip verstanden. S. dazu Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5, Rn. 18; J. S. Hong, Verwaltungsrecht I, 2009, S. 44; T. J. Jang, Grundlage des Verwaltungsrechts, 2009, S. 33. 26 KVerfG, vom 30.6.1996, Az: 93 Hunba 9; vom 16.7.1997, Az: 96 Hunba 36/49. 27 Y. S. Kim, a.a.O., S. 8. 28 KVerfG, vom 29.7.1993, Az: 90 Hunba 35; vom 25.11.1993, Az: 91 Hunba 8; vom 31.10.2002, Az: 2001 Hunba 40; Tscholsu Kim, Verfassungsrecht, 2008, S. 1278 f.; Y. S. Kwon, Verfassungsrecht, 2009, S. 605 ff.; Y. Huh, Koreanisches Verfassungsrecht,
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keit zur Klageerhebung, sondern auch ein Gebot effektiven Rechtsschutzes, weshalb die dafür erforderlichen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen in Gestalt des Prozessrechts erfüllt werden müssen 29 . Die verfassungsrechtlich garantierte Justizgewähr zielt m. E. darauf ab, den Betroffenen effektive Konfliktlösung durch ein neutrales und gerechtes Gerichtsverfahren zu gewährleisten. Sie geht aber nicht davon aus, dass sich jede Lösungsphase der Streitigkeiten an der Initiative unabhängiger Richter orientieren muss. So kann ja die Mediation, welche unabhängige Richter zur Erzielung einer „win-win Konfliktlösung“ durchführen, ein nützliches Mittel zur Verwirklichung des Anspruchs auf die materielle und gerechte Justizgewähr sein. Deshalb hat die Justizgewähr keine Sperrwirkung für die Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit. 3. Besonderheit der Verwaltungsgerichtsbarkeit und Mediation Anders als die Zivilgerichte muss das Verwaltungsgericht den Prozessstoff von Amts wegen erforschen; es ist nicht an das Vorbringen oder die Beweisanträge der Parteien gebunden. Wegen dieses Untersuchungsgrundsatzes wird sich gegen die Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgesprochen. Der Verwaltungsprozess ist im Wesentlichen eine Art von Zivilprozess 30 , so dass die Dispositionsmaxime oder der Verfügungsgrundsatz auch im Verwaltungsprozessrecht maßgeblich sind. Die Bedeutung des Untersuchungsgrundsatzes im Verwaltungsprozessrecht liegt nur darin, dass den verwaltungsgerichtlichen Richtern zusätzliche Spielräume zur tatkräftigen Ermittlung eingeräumt werden, um das Ziel der Einhaltung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu erreichen. Nach der Rechtsprechung 31 und der h. M. 32 in Korea wird die Regelung des Untersuchungsgrundsatzes i. S. des § 26 KVwGO nicht als eine Ausnahme vom Verhandlungsgrundsatz, sondern nur als eine subsidiäre Rege___________ 2009, S. 369 ff.; N. I. Seong, Verfassungsrecht, 2009, S. 742 ff.; S.-B. Hong, Verfassungsrecht, 2009, S. 657 f.; K.-K. Kang, Verfassungsrecht, 2002, S. 634 f. 29 KVerfG, vom 31.10.2002, Az: 2001 Hunba 40. 30 Oberstes Gericht, vom 19.6.1952, Az: 4285 Haengsang 20; D. H. Kim, Verwaltungsrecht I, 2008, S. 655; H.-J. Chung, Grundlage des Verwaltungsrechts, 2008, S. 707; J. H. Seok/D. S. Song, Allgemeines Verwaltungsrecht I, 2009, S. 836. 31 Oberstes Gericht, vom 10.3.1992, Az: 91 Nu 6030; vom 11.10.1994, Az: 94 Nu 4820; vom 16.1.2001, Az: 99 Du 8107. 32 Statt vieler S. G. Lee, Verwaltungsprozessrecht, 2000, S. 459; N. J. Kim/Y. T. Kim, Verwaltungsrecht I, 2009, S. 728 f.
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lung für den Beibringungsgrundsatz verstanden. Abgesehen von der sich aus dem Unterschied des Streitgegenstandes ergebenden Besonderheit besteht kein großer Unterschied zwischen dem Verwaltungsprozessrecht und dem Zivilprozessrecht, insbesondere unter dem verfahrensrechtlichen Gesichtpunkten 33 . Deshalb soll die Mediation im Verwaltungsprozessrecht unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zulässig sein. Auch tatsächlich kommt die ADR wie die Mediation bzw. der Vergleich im Verwaltungsprozess in der Praxis schon längst vor. So hat die Frage, ob diese tatsächliche Vornahme der ADR im Verwaltungsprozess verfassungswidrig ist, keine praktische Bedeutung mehr. Erforderlich ist aber nun die Beantwortung der weiteren Frage, wie und inwieweit die „tatsächliche ADR“ im Verwaltungsprozess kodifiziert werden muss 34 . 4. Qualifikation und Einordnung der Mediation Es handelt sich um die Frage, ob die Mediation eine rechtsprechende Tätigkeit oder eine Tätigkeit der Justizverwaltung ist. a) In Deutschland Ohne offenkundige Rechtsgrundlage ist zwar die Zulässigkeit der Mediation im Verwaltungsprozessrecht nicht zu beanstanden. Deren implizite Rechtsgrundlage ist aber umstritten 35 . Z. T. wird die Mediation als die Tätigkeit der Justizverwaltung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG bewertet. Nach anderer Ansicht wird die Mediation als Rechtsprechung verstanden, weil die Ermächtigung zur Mediation aus einer doppelten Analogie, d. h. aus einer entsprechenden Anwendung von § 278 ZPO i.V.m. § 173 VwGO 36 , hergeleitet wird 37 . ___________ 33
C. Y. Kim, Verwaltungsrecht I, 2009, S. 605. Y. S. Kim, in: Zusammenfassung der Diskussion, The Justice Bd. 81 (Okt. 2004), Korea Regal Center, S. 87. 35 Dabei stellt sich die Frage, ob es Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt oder der Justizverwaltung ist, und ob die Rechtsgrundlage aus Analogie oder Einzelgesetz oder unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet wird. Dazu s. J. von Bargen, Mediation im Verwaltungsprozess, DVBl 2004, S. 474; I. Härtel, a.a.O., S. 760. 36 § 173 VwGO: „Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.“ 34
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1) Ortloff sieht die Mediation als eine Tätigkeit der Justizverwaltung 38 nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG an 39 . Dies wird auch von dem Justizministerium des Landes Baden-Württemberg bestätigt. § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG wird auch im „Berliner Modellversuch“ für die Tätigkeit von Gerichts-Mediatoren als deren Rechtsgrundlage benannt. 2) Nach Meinung von von Bargen sei konsensuale Streitbeilegung weder eine Tätigkeit der Justizverwaltung noch eine Voraussetzung für die Vornahme von gerichtlichen Prozessgeschäften. Die Auffassung, nach welcher konsensuale Streitbeilegung durch die Mediation, die ein Gerichts-Mediator ohne Entscheidungsmacht durchführt, als eine originäre Obliegenheit der dritten Gewalt angesehen wird 40 , hat viel Zustimmung in der Literatur gefunden. Danach hat eine Qualifikation richterlicher Tätigkeit i. S. des Art. 92 GG und des § 4 Abs. 1 DRiG keinen Zusammenhang mit dem Mangel an der richterlichen Entscheidungsmacht bei der echten Mediation 41 . Bei Kopp/Schenke werden erhebliche Bedenken dagegen geäußert, dass richterliche Mediation eine Tätigkeit der Justizverwaltung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG ist. Bei der Frage nach der richterlichen Mediation sei vielmehr fragwürdig, was ein typischer Charakter von richterlichem Handeln sei 42 . Als deren Rechtsgrundlage hat von Bargen auf § 278 Abs. 5 Satz 2 ZPO verwiesen 43 , während Schenke die Verweisung auf die ZPO verneint, aber nur eine Generalverweisung des § 173 Satz 1 VwGO bejaht 44 . Ziekow hat auch eine negative Meinung zu der verwaltungsgerichtlichen Verweisung auf – mit Ausnahme von dem § 278 Abs. 1 ZPO – § 278 ZPO 45 . 3) Pitschas kategorisiert die Mediation weder als ein Gerichtsgeschäft noch als eine Justizverwaltung. Tätigkeiten gesetzlicher Richter, welche im Erörterungstermin vorgenommen werden, sind sedes materie zur Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit 46 . Nach der Meinung von Spindler ist
___________ 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
I. Härtel, a.a.O., S. 760. K-M. Ortloff, a.a.O., S. 389; Olenbusen, DRiZ 2003, 396; I. Härtel, a.a.O., S. 760. I. Härtel, a.a.O., S. 760. R. Greger, ZKM 2003, S. 240 (244); J. v. Bargen, a.a.O., S. 474. J. v. Bargen, a.a.O., S. 474. Kopp/Schenke, a.a.O., § 1 Rdnr. 43. J. v. Bargen, a.a.O., S. 475; Pitschas, a.a.O., S. 402. W.-R. Schenke, a.a.O., § 1 II 1, Rdnr. 12b. J. Ziekow, a.a.O., S. 394. Pitschas, a.a.O., S. 396; K-M. Ortloff, a.a.O., S. 389.
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die Einstufung noch nicht abgeschlossen 47 , so dass es einer konkreten Regelung im Landesgesetz bedarf 48 . 4) In den Ländern, wo richterliche Mediation durchgeführt wird, gibt es verschiedene Auffassungen. In Berlin, Niedersachsen und Hessen wird sie als Tätigkeit der Justizverwaltung verstanden, während sie in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern als Gerichtsgeschäft ohne Entscheidungsmacht bewertet wird 49 . b) In Korea In Korea ist die Frage der Qualifizierung noch nicht aktuell. Z. T. wird sie als Tätigkeit der Justizverwaltung verstanden, weil sich die Mediation, anders als der gerichtliche Vergleich, nicht auf die prozessrechtliche Disposition, sondern auf die Interessen der Beteiligten einer Streitigkeit bezieht50 . Nach anderer Ansicht ist ohne ausdrückliche Auslegung der Rechtsqualität die Mediation de lege lata zulässig, aber bedarf der Mediationszwang einer Rechtsgrundlage 51 . c) Eigene Stellungnahme Für die Frage der Rechtsqualität der Mediation kommt es darauf an, ob die Mediation zum Wesen der dritten Gewalt zählt 52 . Zu den Tätigkeiten der rechtsprechenden Gewalt zählen sowohl gerichtliches Handeln zur prozessrechtlichen Entscheidung (Judikative im engeren Sinne) als auch gerichtliche Normsetzung (tatsächliche Rechtssetzung) und Tätigkeiten der Justizverwaltung (tatsächliche Verwaltungshandeln). Judikative i. e. S. stellt ein Verfahren zur Konfliktlösung durch unabhängige Richter dar 53 . Richter nehmen zwar auch Tätigkeiten der Justizverwaltung wahr, sie verwalten aber nicht als Organe der Rechtsprechung, sondern nur als Amtswalter der vollziehenden Gewalt 54 . ___________ 47 G. Spindler, Mediation – Alternative zur justizförmigen Streiterledigung und rechtspolitischer Handlungsbedarf, DVBl 2008, S. 1020 f. 48 G. Spindler, a.a.O., S. 1023. 49 K.-M. Ortloff, a.a.O., S. 389. 50 N. C. Chung, a.a.O., S. 15 f. 51 Y. S. Kim, a.a.O., S. 36; S. C. Kim, in: Zusammenfassung der Diskussion, The Justice Bd. 81 (Okt. 2004), Korea Regal Center, S. 79. 52 Auch J. Ziekow versucht, die richtige Antwort dieser Frage dort zu finden, wo das Prinzip der Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Richter harmonisiert werden. 53 Tscholsu Kim, Verfassungsrecht, 2007, S. 1609; Y. S. Kwon, Verfassungsrecht, 2007, S. 818. 54 M. Sachs, GG, 2007, Art. 92 Rdnr. 14.
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Die Mediation im Verwaltungsprozess soll daher als Gerichtsgeschäft oder gerichtliches Handeln zur prozessrechtlichen Entscheidung verstanden werden. Denn sie setzt eine Klageerhebung und einen Antrag des Betroffenen oder eine richterliche Zulassung der Mediation voraus. Weitere Gründe liegen in der richterlichen Initiative zur Vereinbarung und der Vergleichbarkeit der Wirkung der festgestellten Mediation mit einem Urteil.
IV. Möglichkeit der Einführung und deren Wege 1. Aktualität der Thematik Wichtigere Rechtsfiguren als die ADR in der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind die gerichtliche Mediation und der Vergleich. In der Zivilgerichtsbarkeit sind schon längst der gerichtliche Vergleich (nun das Rechtsinstitut des Vergleichsvorschlages i. S. des §§ 225-232 KZPO) und die Mediation nach dem Gesetz zur zivilrechtlichen Mediation eingeführt und relativ oft benutzt worden 55 . Im Verwaltungsprozessrecht gibt es bisher keine unmittelbare Regelung zum gerichtlichen Vergleich und Mediation, sondern nur eine Regelung zur Verweisung (§ 8 KVwGO) auf den Vergleichsvorschlag der ZPO (§ 225 KZPO). In Praxis ist aber der gerichtliche Vergleich (Vergleichsvorschlag) über die Verweisung auf die KZPO nur sehr selten benutzt worden. Stattdessen ist der sog. tatsächliche Mediationsvorschlag sehr oft benutzt worden 56 . Der sog. tatsächliche Mediationsvorschlag stellt ein Institut zur Konfliktlösung dar, indem der Kläger seine Klageerhebung zurücknimmt und die Verwaltung als Beklagte ihre Verfügung ändert, wenn das Gericht erst nach der vom Gericht initiierten Vereinbarung zwischen Parteien einen Mediationsvorschlag ausspricht 57 . Nach der Statistik des Verwaltungsgerichts in Seoul wurden im Jahr 2008 durch den sog. tatsächlichen Mediationsvorschlag 861 Fälle erledigt. Dies sind ___________ 55 Allerdings ist dies nicht höher entwickelt als im Ausland. Dazu s. M. J. Kim, Zivilsache und das ADR, Chonbuk Law Review, Bd. 26 (Juni 2008), The Law Research Institute Chonbuk National University, S. 28 ff. 56 National Court Administration, Praxis der Mediation, 2002, S. 571; J. S. Kim, ADR im Verwaltungsrecht, Korea Legal Research Institute, Okt. 2006, S. 82; J. H. Park, Aufgabe bei der Reform des Verwaltungsprozessrechts, Law Review, Bd. 45-3 (Sep. 2004), The Law Research Institute Seoul National University, S 407. 57 National Court Administration, Praxis der Mediation, 2002, S. 571 f.
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12,4 % der Fälle, denn im Jahr 2008 waren insgesamt 6967 Fälle rechtshängig. Seit 1998 stieg diese Quote an: im Jahr 2001 (16,7 %) 58 , 2002 (22,8%), 2003 (20,0%). Anschließend ging die Quote bis 2006 auf 10,9 % zurück, und seither nimmt sie wieder zu 59 . Der sog. tatsächliche Mediationsvorschlag in der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat viele Vorteile und relativ wenige Probleme. Das größte Problem liegt darin, dass sie keine Rechtsgrundlage hat. 2. Stellungnahmen zur Möglichkeit und Rechtsgrundlage Ohne offenkundige Klärung der Rechtsqualität oder Rechtsgrundlage der Mediation ist die Möglichkeit der Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit angewendet worden. a) Positive Stellungnahme zur Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit Y. S. Kim hat vertreten, dass das Verwaltungsgericht trotz des Mangels einer Verweisung auf eine entsprechende Regelung des Zivilrechts einen Antrag des Betroffenen auf die Mediation nicht verweigern kann, weil die Konfliktlösung nicht auf das Urteil eingeschränkt werden kann 60 . N. C. Chung lehnt seine positive Meinung an die deutsche Literatur an 61 . Nach seiner Auffassung wird die Mediation nicht als eine echte Judikative, sondern als eine Justizverwaltung verstanden, weil sie sich anders als der gerichtliche Vergleich meist an den Interessen der Streitenden orientiert. Deshalb sei die richterliche Mediation aufgrund der §§ 2 Abs. 3 und 9 Gesetz zur Gerichtsorganisation, welche die Rechtsgrundlage für die Justizverwaltung darstellen, zulässig 62 .
___________ 58
Y. H. Kang, Prozess bei Anfechtungsklage III, in: Material zur Änderung der Verwaltungsprozessordnung II, National Court Administration, März 2007, S. 557 ff.; S. T. Kim, Öffentlich-rechtliche Untersuchung über Konfliktlösung zwischen Staat und Kommunalverwaltung, Diss. Uni. Hanyang, 2007, S. 156 ff. 59 Verwaltungsgericht Seoul, Offizielle Antwort auf die Offenheit der Information im Aug. 2009; National Court Administration, Archiv der Judikative 2008, S. 651. 60 Y. S. Kim, a.a.O., S. 86. 61 K.-M. Ortloff, a.a.O., S. 389. 62 N. C. Chung, a.a.O., S. 15 f.
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b) Negative Stellungnahmen zur Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit Nach der h. M. und der Rechtsprechung 63 ist die Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit unzulässig, weil es dort den Untersuchungsgrundsatz, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das gemeinsame Interesse der Verwaltungsmaßnahme und die Außenwirkung des endgültigen Urteils einer Anfechtungsklage gibt 64 . Freiwillige Disposition der Betroffenen über die Verwaltungssache im öffentlichen Recht sei nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar. Deshalb sei die Streitbeilegung der verwaltungsrechtlichen Fälle durch den Vergleich oder die Mediation unzulässig 65 . Richter J.S. Kim hat vertreten, dass Verwaltungsrichter den Mediationsbericht nicht schreiben dürfen, weil keine verwaltungsprozessrechtliche Verweisung auf das Gesetz zur zivilrechtlichen Mediation besteht 66 . Richter S.C. Kim hat vertreten, dass eine verbindliche ADR ohne gesetzliche Grundlage gegen Art. 103 der koreanischen Verfassung verstoßen kann. Deshalb setze die bisherige Praxis mit dem sog. tatsächlichen Mediationsvorschlag im Verwaltungsprozess unbedingt die Zustimmungen beider Betroffenen voraus 67 . c) Eigene Stellungnahme Die Zulässigkeit der Mediation im Verwaltungsprozessrecht hängt nicht vom Bedürfnis der Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit ab, sondern davon, ob und inwieweit die zivilrechtliche Mediation im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ohne angemessene Verweisung anwendbar ist. Jedoch gibt es im Ergebnis keinen Unterschied zwischen der positiven und der negativen Auffassung, weil nach beiden Ansichten die tatsächliche Mediation aufgrund der Zustimmungen beider Betroffenen zulässig, aber der Mediationszwang ohne Rechtsgrundlage unzulässig ist 68 . Immerhin ist der sog. tatsächliche Mediationsvorschlag ohne Rechtsgrundlage nicht zulässig. Dieses Problem soll durch die rechtliche Einführung des ___________ 63
Y .S. Kim, a.a.O., S. 36. Legal Research Association des Verwaltungsgerichts Seoul, Theorie und Praxis im Verwaltungsprozess, 2008, S. 189. 65 Y. S. Kim, a.a.O., S. 22 und 32 f. 66 J. S. Kim, Praktische Aufgabe über den Betrieb der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Richtung und Koordinate der Verwaltungsgerichte, Festschrift für 1. Eröffnungsjahrestag, Verwaltungsgericht Seoul, 1999, S. 144. 67 S. C. Kim, a.a.O., S. 79. 68 Y. S. Kim, a.a.O., S. 36; S. C. Kim, a.a.O., S. 79. 64
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sog. tatsächlichen Mediationsvorschlages und des Mediationszwangs gelöst werden. 3. Wege zur Verrechtlichung Für die Mediation im Verwaltungsprozess können folgende 3 Vorschläge zur Verrechtlichung genannt werden 69 . a) Kodifizierung des verwaltungsgerichtlichen Vergleichs anlässlich der gerichtlichen Vorschlagsentscheidung aa) Bedürftigkeit der Kodifizierung Im Zivilprozess sind schon der gerichtliche Vergleich und die Mediation eingeführt worden. Ein Vergleich ist aber zunächst nur selten geschlossen worden. Deshalb sind im Jahr 2007 die Regelungen zum sog. Vergleichsvorschlag (§§ 225 – 232 KZPO) eingeführt worden 70 und davon wurde oft Gebrauch gemacht 71 . Im Verwaltungsprozess ist in der Praxis der sog. tatsächliche Mediationsvorschlag benutzt worden, obwohl nach § 8 KVwGO nur auf den gerichtlichen Vergleich der KZPO verwiesen wird. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2004 ein verwaltungsprozessrechtlicher Entwurf zur Einführung des gerichtlichen Vergleiches anlässlich der gerichtlichen Vorschlagsentscheidung (§ 35 KVwGO-Entwurf) vorgeschlagen. bb) Qualifizierung des verwaltungsgerichtlichen Vergleichs Nach § 106 VwGO ist der gerichtliche Vergleich im Verwaltungsprozess schon längst ausdrücklich zulässig. Vor der 4. Reform der VwGO im Jahr 1990 hat sich dessen Gegenstand auf den der Klage beschränkt. Damals wurde der gerichtliche Vergleich nur durch den richterlichen Bericht über den Vergleich vorgenommen. Durch die 4. Reform der VwGO stellt der verwaltungsgerichtliche Vergleich nicht nur eine Tätigkeit des Gerichtsprozesses, sondern auch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar 72 . Die Rechtslage in Korea ist jedoch anders als in Deutschland. ___________ 69 70 71 72
J. S. Kim, a.a.O., S. 144. M. J. Kim, a.a.O., S. 31; Y. H. Kang, a.a.O., S. 565. M. J. Kim, a.a.O., S. 28 ff. J. H. Park, a.a.O., S. 168.
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cc) Wichtige Inhalte Wie schon dargestellt ist zwar der koreanische gerichtliche Vergleichsvorschlag nicht identisch mit dem deutschen gerichtlichen Vergleich. Angesichts der freiwilligen Zustimmungen beider Parteien sind aber die Beiden im Wesentlichen gleich zu bewerten. (a) Anhängigkeit des Streitfalles Zum gerichtlichen Vorschlag des Vergleichs ist es erforderlich, dass der Streitfall durch Klageerhebung sich in einer Phase der Anhängigkeit befindet. Bei der Zurücknahme der Klage nach der Klageerhebung fällt die Anhängigkeit weg, so dass der gerichtliche Vergleichsvorschlag unzulässig sein soll. (b) Angemessenheit des Streitfalles (aa) Verfügungsbefugnis des Betroffenen Die Betroffenen müssen die Verfügungsbefugnis über den Gegenstand des Vergleiches haben. Diese Verfügung muss rechtlich zulässig sein 73 . So muss der Kläger die betroffene Rechte und Pflichte haben, während die Behörde als Beklagte örtliche und sachliche zuständig sein muss 74 . (bb) Verwaltungsermessen Der gerichtliche Vergleichsvorschlag ist nur bei der Ermächtigung mit behördlichem Spielraum 75 – wie dem Ermessen und dem unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum, der nach h. M. 76 als andere Rechtsfigur an-
___________ 73
H. Sodan/J. Ziekow, (Hrsg.) VwGO, 2. Aufl., 2006, § 106 Rdnr. 39; K. W. Han, Modernes Verwaltungsrecht, 2008, S. 1048. 74 E. S. Lee, Die Möglichkeit und Grenze der Mediation im Verwaltungsprozess, Administrative Review Bd. 17, Administrative Law Theory and Practice Association, Mai 2007, S. 278; J. H. Park, Struktur und Funktion des Verwaltungsprozesses, 2006, S. 638 f. 75 Y. G. Baek, Verbesserung des Verwaltungsprozesssystems, Richtung und Koordinate der Verwaltungsgerichte: Festschrift für 1. Eröffnungsjahrestag, Verwaltungsgericht Seoul, 1999, S. 186 f. 76 Statt vieler J. H. Seok/D. S. Song, Allgemeines Verwaltungsrecht I, 2009, S. 226.
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gesehen 77 , aber nach der Rechtsprechung 78 ebenso wie das Ermessen behandelt wird – zulässig. (cc) Rechtlich zulässige Gegenstände Die Wirksamkeit des gerichtlichen Vergleichsvorschlags setzt sowohl rechtlich zulässige Gegenstände als auch die Rechtsmäßigkeit des Vergleichsinhalts voraus 79 . Deshalb wäre der Vergleich unzulässig, wenn der Vergleichsinhalt selbst rechtswidrig 80 oder das Ergebnis des Vergleichs sittenwidrig wäre 81 . (dd) Ungewissheit über Sach- oder Rechtslage Es muss eine Ungewissheit über die Sach- oder Rechtslage des gerichtlichen Vergleichsgegenstandes vorliegen 82 . In Deutschland ist der öffentlichrechtliche Vergleichsvertrag nach § 55 VwVfG bei dem Mangel an dieser Ungewissheit unzulässig 83 . Die Ungewissheit müssen die beiden Parteien fühlen 84 . Dabei ist nach Meinung vom Richter Y. G. Baek die Ungewissheit nicht nach objektiven, sondern nach subjektiven Kriterien festzustellen 85 . (c) Zustimmung von betroffenen Dritten oder Behörden (§ 35 Abs. 1 Entwurf) Es bedarf einer Zustimmung von betroffenen Dritten oder Behörden, wenn Rechte oder Interessen der Dritten durch einen gerichtlichen Vergleich unmittelbar verletzt würden oder wenn die Verwaltungsakte als Gegenstand des gerichtlichen Vergleichs die Befugnisse der Behörde berühren.
___________ 77 A. A. D. H. Kim, Verwaltungsrecht I, 2008, S. 270; Jee-Tai Ryu/J.-S. Park, Neues Verwaltungsrecht, 2009, S. 84 ff.; H. G. Kim, Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2008, S. 191 f. 78 Oberstes Gericht, vom 18.1.1962, Az: 61 Nu 92; vom 30.6.1964, Az: 62 Nu 194; vom 8.11.1988, Az: 86 Nu 618; vom 10.7.1998, Az: 97 Nu 13771; vom 13.12.2007, Az: 2005 Da 66770. 79 H. Sodan/J. Ziekow (Hrsg.), a.a.O., § 106 Rdnr. 19; J. H. Park, a.a.O., S. 178. 80 H. Sodan/J. Ziekow (Hrsg.), a.a.O., § 106 Rdnr. 19; Y. G. Baek, a.a.O., S. 187. 81 E. S. Lee, a.a.O., S. 279. 82 J. H. Park, a.a.O., S. 639. 83 Vgl. OVG Lüneburg, NJW 1978, S. 2260 f. 84 H. Sodan/J. Ziekow (Hrsg.), a.a.O., § 106 Rdnr. 19. 85 Y. G. Baek, a.a.O., S. 186.
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(d) Gerichtliche Entscheidung auf den Vergleichsvorschlag Der Inhalt des Vergleichsvorschlags beschränkt sich auf die Rechte und Befugnisse des Betroffenen. (e) Gegenseitiges Nachgeben Bei einem bloß einseitigen Nachgeben kann ein Vergleich nicht vorliegen. Das Nachgeben kann alle rechtlich zulässigen Leistungen zum Gegenstand haben 86 . (f) Rechtsbehelfe von Betroffenen (aa) Widerspruch des Betroffenen (§§ 35 Abs. 2 und 4 Entwurf, § 232 KZPO) Gegen die Vorschlagsentscheidung über den Vergleich kann der Betroffene einen Widerspruch innerhalb von 30 Tagen nach der Zustellung des Berichts erheben. (bb) Antrag des betroffenen Dritten auf Wiederaufnahme (§§ 35 Abs. 3 und 4 Entwurf) Betroffene Dritte oder die Behörde können einen Antrag auf Wiederaufnahme stellen, wenn sie die Vorschlagsentscheidung über den Vergleich nicht akzeptieren. (g) Rechtswirkung der bestandskräftigen Entscheidung (§§ 35 Abs. 5 und 1 S. 1 Entwurf) Die Vorschlagsentscheidung über den Vergleich wird erst bestandskräftig, wenn es keinen Antrag auf Widerspruch innerhalb der Antragsfrist gibt oder wenn der Antrag zurückgenommen oder aufgegeben wurde. Die Rechtswirkungen der bestandskräftigen Vorschlagsentscheidung über den Vergleich entsprechen denen eines rechtskräftigen Urteils.
___________ 86
H. Sodan/J. Ziekow (Hrsg.), a.a.O., § 106 Rdnr. 23 f.
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b) Kodifizierung des sog. tatsächlichen Mediationsvorschlags aa) Rechtsqualität des sog. tatsächlichen Mediationsvorschlags Der sog. tatsächliche Mediationsvorschlag stellt ein Institut zur Konfliktlösung dar, bei dem der Kläger seine Klage zurücknimmt und die Verwaltung als Beklagte ihre Verfügung ändert, wenn das Gericht erst nach der vom Gericht initiierten Vereinbarung zwischen den Parteien einen Mediationsvorschlag ausspricht 87 . Er liegt zwischen dem gerichtlichen Vergleich und der Mediation. Er setzt die freiwillige Vereinbarung der beiden Betroffenen voraus 88 . bb) Funktionen und Probleme des sog. tatsächlichen Mediationsvorschlags Funktionen des sog. tatsächlichen Mediationsvorschlags sind (1) eine Möglichkeit zur Abweichung von dem Urteil 89 , (2) Abweichung von mehreren Prozessverfahren, (3) Auflösung der Unrichtigkeit durch ein striktes Kriterium für die Maßnahme 90 und (4) ein angemessener Lösungsvorschlag für den Fall, bei welchem trotz hinreichenden Beweises eine gerichtliche Zurückweisung unzweckmäßig wäre 91 . Probleme sind, (1) dass es bezüglich des sog. tatsächlichen Mediationsvorschlags (tatsächlichen Vergleichs) keine Rechtsgrundlage bzw. Verwaltungsvorschrift mehr gibt, so dass die vielfältigen Entscheidungen der Senate zur Komplizierung der Reaktionsstrategie der Beklagte führen, (2) dass der sog. tatsächliche Mediationsvorschlag immer dann keine Geltung entfaltet, wenn die Behörde als Beklagte eine Beschwerde einlegt, (3) dass das Prinzip der Gewaltenteilung durch die konkrete Entscheidung des Senats beeinträchtigt werden kann, (4) dass das Rechtsstaatsprinzip und der Justizgewährleistungsanspruch durch freiwillige und rechtsgrundlose Vornahme des Mediationsvorschlags nicht gewährleistet werden können und (5) dass die verdeckte Vornahme des Mediationsvorschlags nicht einfach kontrolliert werden kann 92 .
___________ 87
National Court Administration, Praxis der Mediation, 2002, S. 571 f. J. S. Lee, a.a.O., S. 142. 89 National Court Administration, Praxis der Mediation, 2002, S. 573. 90 National Court Administration, Praxis der Mediation, 2002, S. 573. 91 National Court Administration, Praxis der Mediation, 2002, S. 575. 92 Y. H. Kang, a.a.O., S. 562; H. G. Kim, Verwaltungsgerichtsbarkeit und alternative Streitbeilegung (ADR), Chonbuk Law Review, Bd. 26 (Juni 2008), The Law Research Institute Chonbuk National University, S. 73 f. 88
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Das größte von den oben genannten Problemen ist das Fehlen einer Rechtsgrundlage. Deshalb ist es erforderlich, für die bisherige Praxis eine angemessene Rechtsgrundlage zu schaffen 93 . cc) Wichtige Inhalte (a) Lenkung des Senats zum Kompromiss Der Vergleich wird im Namen des Gerichts, des Vorsitzenden oder des erkennenden Senats vorgeschlagen 94 . (b) Vorlage des Kompromiss-Inhalts durch den Senat Erst nach der Vereinbarung gibt der Senat den Betroffenen von Amts wegen den Mediationsvorschlag. Er soll die Harmonisierung zwischen öffentlichen und privaten Interessen bezwecken. Er muss nicht unbedingt nach der Vereinbarung bestimmt sein 95 . Bei einem schriftlichen oder mündlichen Antrag des Betroffenen auf einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag hat er aber keinen Rechtsanspruch auf den Vergleichsvorschlag 96 . (c) Zeit des gerichtlichen Mediationsvorschlags 97 Unabhängig von der mündlichen Verhandlung ist der Mediationsvorschlag nur vor dem Urteil zulässig 98 . (d) Methode zum gerichtlichen Mediationsvorschlag In der Regel wird der Bericht über das Ergebnis der Mediation wie der Mediationsbericht nach dem Gesetz zur privaten Mediation geschrieben und den Betroffenen zugestellt 99 .
___________ 93 94 95 96 97 98 99
Y. H. Kang, a.a.O., S. 562. National Court Administration, Praxis der Mediation, 2002, S. 575-576. Legal Research Association des Verwaltungsgerichts Seoul, a.a.O., S. 189. National Court Administration, Praxis der Mediation, 2002, S. 576. National Court Administration, a.a.O., S. 576. National Court Administration, a.a.O., S. 580 f. National Court Administration, a.a.O., S. 577.
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(e) Entsprechende Reaktion des Betroffenen Der Betroffene reagiert nach dem Mediationsvorschlag. Beispielsweise nimmt der Kläger seine Klage zurück und die Behörde als Beklagte ändert die Verfügung. (f) Auswirkung der Vereinbarung als Ergebnis der Mediation Der Mediationsbericht hat anders als der Bericht über den Vergleich oder die Mediation die gleichen Wirkungen wie ein zivilrechtlicher Vergleichvertrag 100 . So hat er keine Rechtskraft und ist nicht vollstreckbar. Er bewirkt aber eine tatsächliche Verbindlichkeit bei der Nachweisführung 101 . (g) Übriges Abgesehen davon, dass der Senat zum Erfolg der Vereinbarung den Mediationsvorschlag von Amts wegen schreibt, ist der sog. tatsächliche Mediationsvorschlag in toto nichts anderes als der gerichtliche Vergleich. Deshalb sind (1) Anhängigkeit, (2) Angemessenheit des Streitgegenstandes, (3) Zustimmung bzw. Beitritt des betroffenen Dritten oder der Behörde und (4) die Rechtsbehelfe der Parteien (Einspruch der Parteien) entsprechend dem gerichtlichen Vergleich anzuwenden. c) Rechtliche Einführung verwaltungsgerichtlicher Mediation aa) Bedürftigkeit der Einführung Der gerichtliche Vergleich setzt notwendig gegenseitiges Nachgeben voraus. So können der tatsächliche Vergleich und dessen Geltung nicht vorliegen, wenn die Betroffenen den angemessenen Vergleichsvorschlag nicht akzeptieren. Gleiches gilt für den tatsächlichen Mediationsvorschlag, weil abgesehen von der Vorlegung des Mediationsvorschlags kein Unterschied zwischen ihm und dem gerichtlichen Vergleich besteht. Deshalb ist die Einführung der Mediation erforderlich, um vielfältige Wege zur Konfliktlösung zu ermöglichen 102 .
___________ 100 National Court Administration, a.a.O., S. 577; K. S. Park, Verwaltungsrecht, 2009, S. 892 f. 101 National Court Administration, a.a.,O., S. 577. 102 Y. H. Kang, a.a.O., S. 559.
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bb) Wege zur Kodifizierung (a) Ausdrückliche Verweisung auf Mediation im Gesetz zur zivilrechtlichen Mediation § 8 KVwGO enthält eine Verweisung auf die ZPO, aber nicht auf das Gesetz zur zivilrechtlichen Mediation. De lege ferenda soll eine ausdrückliche Verweisung im § 8 KVwGO vorgeschrieben werden. (b) Kodifizierung der Mediation in der KVwGO De lege ferenda soll die KVwGO ihre eigene Regelung über die Mediation enthalten. Dabei muss gefragt werden, ob die in der Literatur bejahte 103 Rechtsfigur “Entscheidung anstelle der Mediation” gemäß § 30 Gesetz zur zivilrechtlichen Mediation 104 in die Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt werden soll. (c) Umfang der Anwendung (Reichweite möglicher Anwendung) Konfliktlösung durch Mediation ist effektiver als die durch verwaltungsgerichtliches Urteilsverfahren, (1) wenn Betroffene mehrere Personen sind bzw. die Fälle komplex (etwa Bau- oder Umweltrechtsstreite 105 ) sind, (2) wenn das Verhältnis zwischen Betroffenen lang dauert (etwa Beamte oder öffentliche Schule), (3) wenn es erforderlich ist, eine gemeinsame Konfliktlösung unter Berücksichtigung aller Interessen von Betroffenen zu finden (etwa Streitigkeiten zwischen Kommunalverwaltungen), (4) wenn Betroffene ihre private Information nicht vor dem Gericht offen vorlegen wollen (etwa Streitigkeit um einen sozialrechtlichen Anspruch auf Geldleistungen) und (5) wenn die Streitbeilegungen dringend 106 sind 107 . Der Umfang zulässiger Mediation im Verwaltungsprozess soll je nach Art der Klage, z. B. Anfechtungs-, Betroffenen-, Popular- und Organklage, untersucht werden. Bei der Anfechtungsklage als einer typisch subjektiven Klage soll die gerichtliche Mediation zulässig sein. Bei öffentlich-rechtlicher Betroffenenklage kann sie zulässig sein, weil sie im Wesentlichen nichts anderes als eine Klage im Zivilprozess ist. Bei der Organ- und Popularklage als objektiver ___________ 103
M. J. Kim, a.a.O., S. 31. § 30 Gesetz zur zivilrechtlichen Mediation „Richter zur Mediation hat von Amts wegen … für die gerechte Lösung zu entscheiden.“ 105 K.-M. Ortloff, a.a.O., S. 386; R. Pitschas, a.a.O., S. 398. 106 Y. S. Kim, a.a.O., S. 23 f. 107 Außerdem zur steuerrechtlichen Sache s. N. C. Chung, a.a.O., S. 11 f. 104
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Klage darf sie nicht zulässig sein, weil dabei der objektive Schutz des Allgemeinwohls den Vorrang hat 108 . (d) Grenze der Anwendung (aa) Grenze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 109 Im Verwaltungsrecht, in welchem nicht nur ein Interessenausgleich (öffentliche und private Interessen), sondern auch eine Einhaltung der Rechtmäßigkeit als zentraler Gesichtspunkt angesehen wird, besteht bei der freiwilligen Lösung durch Mediation wohl eine Gefahr, die Einhaltung der Rechtmäßigkeit zu vernachlässigen. (bb) Grenze bei rechtlich gebundenem Handeln der Verwaltung 110 Bei einem gebundenen Verwaltungshandeln, insbesondere dem ohne tatsächlichen Spielraum zur Beurteilung, ist die gerichtliche Mediation unzulässig. (cc) Grenze der Verletzung der Rechte von Dritten Grundsätzlich ist die Mediation unzulässig 111 , wenn sie die Rechte von Dritten oder die Kompetenzen anderer Behörden verletzt 112 . Ausnahmsweise ist sie mit der Zustimmung der Dritten oder bei Kooperation mit der anderen Behörde zulässig 113 . Beim Fehlen dieser Voraussetzung wäre ein Antrag auf Wiederaufnahme zulässig 114 . Im § 572 des US-Amerikanischen Administrative Dispute Resolution Acts 1996 wurden sechs Gründe zur Abweichung von der Konfliktlösung durch ADR vorgeschrieben: „(b) An agency shall consider not using a dispute resolution proceeding if, (1) a definitive or authoritative resolution of the matter is required for precedential value, and such a proceeding is not likely to be accepted generally as an authoritative
___________ 108
Vgl. J. S. Lee, a.a.O., S. 165; J. H. Park, a.a.O., S. 632. Kopp/Schenke, a.a.O., § 1 Rdnr. 36. 110 Zur Ermessensreduzierung auf Null s. J. S. Lee, a.a.O., S. 155. 111 J. S. Kim, a.a.O., S. 144. 112 Zu den weiteren Gründen s. Y. S. Kim, a.a.O., S. 24. 113 H. Sodan/J. Ziekow (Hrsg.), a.a.O., § 106 Rdnr. 27; K. W. Han, a.a.O., S. 1048. 114 E. S. Lee, a.a.O., S. 280 f.; §§ 35 Abs. 4 und 5 Entwurf zur Reform des Verwaltungsprozessrechts. 109
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precedent; (2) the matter involves or may bear upon significant questions of Government policy that require additional procedures before a final resolution may be made, and such a proceeding would not likely serve to develop a recommended policy for the agency; (3) maintaining established policies is of special importance, so that variations among individual decisions are not increased and such a proceeding would not likely reach consistent results among individual decisions; (4) the matter significantly affects persons or organizations who are not parties to the proceeding; (5) a full public record of the proceeding is important, and a dispute resolution proceeding cannot provide such a record; and (6) the agency must maintain continuing jurisdiction over the matter with authority to alter the disposition of the matter in the light of changed circumstances, and a dispute resolution proceeding would interfere with the agency's fulfilling that requirement 115 .“ 116
d) Eigene Stellungnahme Die 3 vorgenannten Vorschläge, d. h. (1) Kodifizierung des verwaltungsgerichtlichen Vergleichs anlässlich des gerichtlichen Vorschlags, (2) Kodifizierung des sog. tatsächlichen Mediationsvorschlags und (3) rechtliche Einführung verwaltungsgerichtlicher Mediation, haben einen eigenen Charakter bzw. Vorteile und Nachteile. In der gegenwärtigen Situation sind m. E. nur der erste und der zweite Vorschlag realisierbar, weil es im Verwaltungsprozessrecht bisher eine Regelung zur Verweisung auf den Vergleichsvorschlag des § 225 KZPO (§ 8 KVwGO) gibt und in der Praxis seit 1998 viele Fälle (10-20%) durch sog. tatsächliche Mediationsvorschläge erledigt werden. Abgesehen von der Frage der Durchsetzbarkeit der Vorschläge dürfte der dritte Vorschlag als der Wünschenswerteste angesehen werden. In Zukunft ist die rechtliche Einführung verwaltungsgerichtlicher Mediation erforderlich.
V. Aufgaben bei der Einführung Im Folgenden werden beachtliche Aufgaben bei der Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit dargestellt. ___________ 115 5 U. S. C. § 572 (b); J. S. Kim, a.a.O., S. 103 f.; H. J. Lee, Rule of Law and das ADR im Verwaltungsrecht, Diss. Seoul National University, 2004, S. 182 f.; Y. H. Kim, Verwaltungsrechtliche Streitbeilegung durch bürgerliche Teilhabe, The Justice Bd. 81 (Okt. 2004), S. 63. 116 Daneben sind die weiteren Gründe zur Abweichung (1) Fälle bezüglich einer Auslegung von bedeutenden Gesetzen (2) bei einem Einwand des Staates aufgrund der Zuständigkeit oder bei dem Vergleichsgegenstand über den neuen Haushalt. Siehe dazu H. J. Lee, a.a.O., S. 183.
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1. Anerkennung der Grenze der Funktion der Mediation Der Gerichtsprozess hat nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile, z. B. hohe Gerichtskosten, unangemessene Dauer im Gerichtsverfahren. Zur Überwindung dieser Nachteile des gerichtlichen Urteilsverfahrens ist vertreten worden, dass es erforderlich sei, die ADR wie die Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit einzuführen. Sie ist jedoch kein alternatives, sondern nur ein subsidiäres Institut zum bisherigen Urteilsverfahren der Gerichte. 2. Systematisierung des Verhältnisses zwischen zivilprozessrechtlichem Vergleich und verwaltungsgerichtlicher Mediation Im koreanischen Verwaltungsrecht wird hinsichtlich des Vergleichs auf die ZPO verwiesen. Aber die Mediation im Gesetz zur zivilrechtlichen Mediation kann wegen des Mangels an einer Verweisungsregelung nicht angewendet werden. So hat sich in der verwaltungsprozessrechtlichen Praxis nur die sog. tatsächliche Mediation etwa in Form des Vergleichsvorschlags durchgesetzt. Die gerichtliche Mediation ist zwar anders als der gerichtliche Vergleich. Im Hinblick auf die tatsächliche Anwendung in den Zivilsachen besteht jedoch kein Unterschied zwischen beiden Rechtsfiguren unter dem Gesichtspunkten des Wesens und der Auswirkung. Abgesehen von den Unterschieden hinsichtlich des zuständigen Amts und des Verfahrens sind sie ähnliche Institute. Deshalb ist es bei der Einführung der Mediation in die Verwaltungsgerichtsbarkeit erforderlich, angemessene Verhältnisse über Funktion und Anwendungsvoraussetzungen zwischen beiden festzustellen 117 . 3. Ausbildung von spezialisierten Juristen In den Curricula von vielen seit 2008 neu eingerichteten Law Schools in Korea kann man zwar einzelne Vorlesungen über die ADR finden 118 . Jedoch fehlt es noch an einer Vorlesung oder Übung über die ADR für die Gewinnung von Problem-Solving-Skills bzw. Negotiation Technique 119 . Und zwar fehlt es an ___________ 117
E. S. Lee, a.a.O., S. 260 f. Zur praxisbezogenen Vorlesung und zum Übungsseminar im Judicial Research and Training Institute. ADR (Streitbeilegung außerhalb des Urteilsverfahrens), Judicial Research and Training Institute, 2006, S. 46. 119 S. H. Song, Idee und Zukunft der Streitbeilegung außerhalb des Urteilsverfahrens, Human Rights and Justice Bd. 215 (Juli 1994), S. 16. 118
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einer Vorlesung oder Übung über die ADR im Umwelt-, Arbeits- und Medizinrecht 120 . 4. Geheimhaltungspflicht der Mediatoren im gerichtlichen Prozessverfahren Für den Erfolg der Mediation kommt es entscheidend auf effektives Vertrauen des Betroffenen in das Mediationsverfahren an. Dafür müssen dann die Geheimhaltungspflicht bzw. Zeugnisverweigerungsrechte der Mediatoren oder der in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen gewährleistet werden (§ 7 Abs. 1 EU-Richtlinie zur Mediation)121 . 5. Versuch zur engen Verbindung zwischen Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit Die Mediation hat eine wechselseitige Wirkung zur Schließung der Lücke des gerichtlichen Urteilsverfahrens. Erforderlich ist dann die gerechte Verbindung zwischen Beiden, also ein Wechsel von einem Urteils- hin zu einem Mediationsverfahren und umgekehrt. 6. Einheitliche Gesetzgebung zum ADR-Rahmengesetz Zur Vermeidung etwaiger Kontradiktion zwischen verschiedenen ADR ist es erforderlich, ein einheitliches ADR-Rahmengesetz zu kodifizieren 122 . Dies dient der Entwicklung der ADR.
___________ 120
B. S. Jeon, Richtung des ADR, The Lawyer Bd. 32, 2002, S. 152 f. H. Eidenmüller/M. Prause, Die europäische Mediationsrichtlinie – Perspektiven für eine gesetzliche Regelung der Mediation in Deutschland, NJW 2008, S. 2740. 122 Y. H. Seok, ADR außerhalb des Urteilsverfahrens, Information zur Gesetzgebung Bd. 176 (Dez. 2005), S. 13; S. C. Kim, Rechtsvergleichende Untersuchung zur ADR, Legal Research Bd. 16 (Nov. 2004), S. 327. Bei der Gesetzgebung des einheitlichen ADR-Rahmengesetzes ist zu beachten, ob die ADR von den Gerichten abgetrennt werden oder der Kontrolle des Gerichts unterliegen soll, ob der ADR die Vollsteckungsmacht bzw. Unterbrechung der Verjährung eingeräumt werden soll und ob die ADR ein Gegenstand für Legal Aid ist. 121
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VI. Folgerungen 1. Die Mediation kann in der Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtlich eingeführt werden, weil die Einführung der Mediation mit den Besonderheiten des Verwaltungsprozess vereinbar ist und keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (oder den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) und die Justizgewähr usw. darstellt. 2. Die Mediation im Verwaltungsprozess soll dann als Gerichtsgeschäft oder gerichtliches Handeln zur prozessrechtlichen Entscheidung verstanden werden. Denn sie setzt eine Klageerhebung und einen Antrag des Betroffenen auf Durchführung oder eine richterliche Zulassung der Mediation voraus. Die Gründe liegen auch in dem Charakter der Mediation, etwa der richterlichen Initiative zur Vereinbarung und der gleichen Wirkung der festgestellten Mediation wie ein Urteil. 3. Als Wege zur Einführung werden (1) Kodifizierung des verwaltungsgerichtlichen Vergleichs anlässlich des gerichtlichen Vorschlags, (2) Kodifizierung sog. tatsächlichen Mediationsvorschlags und (3) Rechtliche Einführung verwaltungsgerichtlicher Mediation genannt. Nach kurzfristigem Plan sind zwar der erste und der zweite Vorschlag einfach umzusetzen, nach langfristigem Plan ist aber der Dritte zu empfehlen. 4. Bei der Einführung sind zu beachten, (1) dass die Mediation weder vollständiges und fehlerfreies Institut noch Alternative zum Gerichtsprozess ist, (2) das angemessene Verhältnis zwischen der Mediation und dem Vergleich, (3) die Ausbildung der spezialisierten Juristen, (4) die Geheimhaltungspflicht der Mediatoren oder der in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen im gerichtlichen Verfahren und (5) der Versuch zur engen Verbindung zwischen der Mediation und dem (bisherigen) Urteilsverfahren.
Die Rechtswirkungen der Mediation im Bewirkungsspektrum kollaborativer Governance Von Rainer Pitschas
I. Mediation als Form kollaborativer Governance 1 .Mediation im Gegenüber zur staatlichen Verfahrensverantwortung Als Mediation werden informale Verfahrensweisen der konsensualen Konfliktbewältigung bezeichnet, die unter der neutralen Leitung eines Verfahrensoder Konfliktmittlers (Mediators) im Rahmen streitiger Verhandlungen über einen Entscheidungsgegenstand zur außergerichtlichen Streitbeilegung führen sollen. 1 Das Ziel der Verfahrensmittlung ist die Konsensfindung über den streitigen Sachverhalt; die Funktion des Mediators besteht darin, den Verfahrensablauf nach allgemein als sachdienlich angesehenen Gesichtspunkten zu gestalten. Zu diesen gehören eine angemessene Interessenberücksichtigung aller Beteiligten, die Rationalisierung der Alternativenwahl sowie die Unterstützung der streitenden Gegner dazu, ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Interessengegensätze eigenständig zu einer einvernehmlichen Lösung zu führen. Die Aufgabe des Mediators ist es also nicht, den anstehenden Streitfall anstelle der Kontrahenten zu entscheiden; er verfügt deshalb auch über keinerlei Entscheidungsbefugnisse. Maßgeblich ist vielmehr die verselbstständigte Selbstverantwortlichkeit der Parteien. 2
___________ 1 Zu Begriff und Reichweite der Mediation s. näher und m. zahlr. Nachw. F. Haft, Verhandlung und Mediation, in: ders./Gräfin von Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, 2. Aufl., München 2009, § 2 Rn. 1; M. Kaltenborn, Streitvermeidung und Streitbeilegung im Verwaltungsrecht, Baden-Baden 2007, S. 106 ff. 2 J. von Bargen, Außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren (Mediation) auf verwaltungsrechtlichem Gebiet in rechtsvergleichender Perspektive, in: J. Schwarze (Hrsg.), Bestand und Perspektiven des Europäischen Verwaltungsrechts, Baden-Baden 2008, S. 319 (322 ff.); St. Kracht, Rolle und Aufgabe des Mediators – Prinzipien der Mediation, in: Handbuch Mediation (Fn. 1), § 12 Rn. 98 ff.
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2. Mediation als „Bürgerschaftliches Engagement“ und Form kollaborativer Governance Staatliche Verfahrensverantwortung 3 sieht sich dadurch der Zivilgesellschaft gegenüber geöffnet. Sie wird auf Staat und Gesellschaft als einen funktionalen Verantwortungsverbund übertragen und partnerschaftlich i. S. eines „civic engagement“ wahrgenommen. Von einer „Privatisierung“ der staatlichen Verfahrensverantwortung sollte angesichts dieser Verantwortungspartnerschaft nicht gesprochen werden. 4 Mit dieser Maßgabe ordnet sich das Mediationskonzept in die neueren Formen der (Verantwortungs-)Kooperation von öffentlichem und privatem Sektor ein. Es gibt in der Gestalt regulierter Selbstregulierung von Konflikten, für die – wie in der Verwaltungsmediation, auf die sich dieser Beitrag beschränkt 5 – Bürger und Verwaltung gemeinsam die Regeln im Umfeld des Verwaltungsverfahrens festlegen, „um einen positiven, konstruktiven und dialogischen Umgang mit Konflikten und Interessenlagen“ zu ermöglichen, der Koordination von Handlungen autonomer Akteure unter den Bedingungen offener, unverzerrter Kommunikation einen rechtlich strukturierten Rahmen. 6 Mediation zählt somit zu jenen Formen von Governance, die sich im kooperativen Staat nach und nach entwickelt haben, private Akteure in die Ausübung hoheitlicher Funktionen einbeziehen und in diesem komplexen systemischen Zusammenhang von vertrauensvollem Dialog und Ideenaustausch auf „weiche“ Steuerungsmechanismen wie Verhandeln, das Setzen von Anreizen, die Moderation gemeinsamer Themen, auf Bürgermitwirkung („Partizipation“) und Transparenz sowie das Argumentieren und Überzeugen zurückgreifen („kollaborative“ Governance). 7 ___________ 3 Zu ihr näher R. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, München 1990, S. 287 ff., 404 ff., 407 f., 562 f. 4 Vgl. demgegenüber aber I. Appel, Privatverfahren, in: W. Hoffmann-Riem/ E. Schmidt-Aßmann/A. Voßkuhle (Hrsg.), GVwR II, München 2008, § 32 Rn. 104 f. 5 Zu deren Besonderheiten vgl. nur Appel (Fn. 4), Rn. 102 ff., 121, 124 ff.; I. Härtel, Mediation im Verwaltungsrecht, JZ 2005, 753 ff.; B. Holznagel/U. Ramsauer, Mediation im Verwaltungsrecht, in: Handbuch Mediation (Fn. 1), § 28 Rn. 2 f.; K.-M. Ortloff, Europäische Streitkultur und Mediation im deutschen Verwaltungsrecht, NVwZ 2007, 33 ff.; R. Pitschas, Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor, NVwZ 2004, 396 ff.; H. Pünder, Mediation im Verwaltungsverfahren, in: D. Ehlers/H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl., Berlin 2006, § 15 Rn. 1 ff., 10 ff.; H. Rossen-Stadtfeld, Die verhandelnde Verwaltung – Bedingungen, Funktionen, Perspektiven, VerwArch, Bd. 97 (2006), S. 23 ff.; U. Rüssel, Mediationsverfahren im öffentlichen Bereich, JA 2006, 470 ff.; v. Bargen (Fn. 2), 324 ff.; J. Ziekow, Mediation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – Möglichkeiten der Implementation und rechtlichen Folgerungen, NVwZ 2004, 390. 6 Appel (Fn. 4), Rn. 106; Pitschas (Fn. 5), 398. 7 Zu deren Verständnis und Reichweite s. nur aus dem deutschen Sprachraum H.-H. Trute/W. Denkhaus/D. Kühlers, Governance in der Verwaltungsrechtswissenschaft,
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Allerdings verharrt dabei Streitschlichtung durch öffentlich-private Kooperation und Selbstregulierung noch immer im „Schatten des Rechts“. Sie setzt die Existenz moderner (Rechts-)Staatlichkeit i. S. eines rechtsförmigen Strukturgerüsts für Konfliktbewältigung durch Mediation neben der staatlichen Rechtsprechung voraus. Zwar ist Mediation bislang nur vereinzelt gesetzlich geregelt. Sie bedarf mit Blick auf § 10 VwVfG auch keiner ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, solange und soweit dem Mediator nicht inhaltliche Entscheidungskompetenzen übertragen werden. Zudem kann über den Gegenstand der Mediation – anders als im Privatsektor – nicht völlig frei verfügt werden. 8 3. Mediation als Raum begrenzter Staatlichkeit Innerhalb des deutlich gezogenen Rahmens erweist sich Mediation als Raum begrenzter Staatlichkeit, letztere i. S. effektiver Herrschaftswahrnehmung durch Selbstregulierung sowie Zuweisung von Letztverantwortung verstanden. 9 Denn zum einen werden im Feld der Konfliktmittlung zur Sicherung einer neutralen, transparenten und fairen Interessenauseinandersetzung nunmehr andere Akteure als die staatliche Rechtsprechung tätig. Zum anderen lenkt die Einordnung der Mediation in den gegenwärtig sich vollziehenden Wandel der Staatlichkeit 10 den Blick auf die Wirkungen des Mediationsergebnisses und damit auf den reflexiven Modernisierungsprozess, mit dem Staat und Verwaltung durch Vorabklärungen und -bindungen auf die Herausforderung vielfältiger Krisen und Konflikte an ihre Problemlösungsfähigkeit reagieren.
___________ DVerw, Bd. 37 (2004), 451 ff.; A. Voßkuhle, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann/A. Voßkuhle (Hrsg.), GVwR I, München 2006, § 1 Rn. 68; aus vergleichender Perspektive s. die Darstellung von Ch. Bauer, „Collaborative Governance“ – ein neues Konzept für die Regulierung der europäischen Strom- und Gasmärkte?, Dt. Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Discussion Papers Nr. 56 (2010), S. 7 ff. m. Nachw. aus der anglo-amerikanischen Literatur. 8 Eingehend dazu und m. Nachw. Appel (Fn. 4), Rn. 121, 124 ff.; vgl. ferner R. Pitschas, Gefährdet die Mediation im öffentlichen Bereich den Rechtsschutz? – Mediation: Ein unzulässiger Deal?, in: ZKM – Zeitschrift für Konfliktmanagement 6/2007, 187 ff.; H. Walther, The Method of Mediation and the Rule of Law in Public Administration, in: Macedonian Academy of Science and Arts (Ed.), Mediation in Macedonia, Skopje 2009, pp. 223 ff. 9 P. Genschel/B. Zangl, Die Zerfaserung von Staatlichkeit und die Zentralität des Staates, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“, H. 20-21/2007, 10 f., 12 f. 10 Dazu näher die Beiträge in St. Leibfried/M. Zürn (Hrsg.), Transformationen des Staates?, Frankfurt am Main 2006.
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II. Mediation aus der Wirkungsperspektive Neuer Staatlichkeit 1. Leitbilder für Streitschlichtung im Bürgerengagement Nach alledem geht es Mediation vor allem um die erzielbaren konsensualen Wirkungen durch Verhandlungen. Als Form kollaborativer Governance bietet sie für diesen Zweck eine realempirisch nachzuvollziehende Erkenntnis- und Handlungsperspektive, aus der sich alternative und auf Konsens gegründete Konfliktlösungen im Kontext moderner Staatlichkeit mit deren Anforderungen an Transparenz, Partizipation und Dialog des Verfahrens bestmöglich herbeiführen lassen. Drei Paradigmen spielen dabei eine bestimmende Rolle: Staatliche Aktivitäten unterliegen einerseits den Anforderungen des „effizienten Staates“, der rechtlich den Handlungsmaßstab der Wirtschaftlichkeit freisetzt. 11 Zum anderen prägt die qualitative Vorstellung einer „good governance“ als Grundforderung bzw. -bedingung legitimer Staatlichkeit maßgeblich die Erbringung von Dienstleistungen wie überhaupt das Handeln der Staatsfunktionen. 12 In eine enge Beziehung hiermit treten schließlich und drittens individuelle Nutzenerwartungen und gesellschaftliche Selbstbestimmung („Bürgerengagement“) mit der Bereitschaft zu entsprechender partnerschaftlicher Verantwortungsübernahme. 13 Unter diesen Leitbildern induziert der ausgehandelte Interessenausgleich zwischen Verwaltung und Privaten, dass im Ergebnis der Mediation der „beste“ Kompromiss zwischen den beteiligten Individual- und Gemeinwohlinteressen gefunden sein könnte. Der friedliche Wettstreit im Interessenclearing um die allseitige Akzeptanz des angestrebten Ergebnisses weist allerdings nur den Weg zur Individual- und Gemeinwohlrichtigkeit der an dessen Ende stehenden Verwaltungsentscheidung. Denn im Zeichen einer „good governance“ ist an der hoheitlich-formellen Letztentscheidung und Letztverantwortung seitens der Verwaltung nicht zu rütteln.
___________ 11 Vgl. R. Pitschas, Maßstäbe des Verwaltungshandelns, in: GVwR II (Fn. 4), § 42 Rn. 122 f., 157 ff. 12 M. Seckelmann, Keine Alternative zur Staatlichkeit – Zum Konzept der „Global Governance“, VerwArch, Bd. 98 (2007), S. 30 (42 ff.). 13 Nicht von ungefähr wird deshalb Mediation als „regulierte Selbstregulierung“ von Konflikten bezeichnet, vgl. Appel (Fn. 4), Rn. 106; v. Bargen (Fn. 2), 343; Härtel (Fn. 5), 754; Pitschas (Fn. 5), 398.
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2. Mediation als rechtlich vorgeformter Konsenswettbewerb um Wirkungen Klassische Formen der Konfliktbeilegung wie der Verwaltungsrechtsschutz oder auch das „Schiedsverfahren“ nach dem Sozialgesetzbuch büßen vor diesem Hintergrund ihre überkommene Bedeutung ein. Denn das Grundmuster, auf dem sie beruhen, verkörpert einen rechtlich geordneten Wettbewerb zwischen einander widerstreitenden subjektiven Rechtspositionen bzw. Befugnissen, der sich im hier interessierenden öffentlichen Sektor durch hoheitliche bzw. hierarchische Entscheidung (= Verwaltungsakt) als Sieg einer Position bei entsprechender Niederlage der „gegnerischen“ Position erweist („Konfliktwettbewerb“). Dagegen streben im Wandel der Staatlichkeit die Verhandlungspartner einschließlich der öffentlichen Verwaltung danach, sich kooperativ zu verhalten, d. h. in einen Konsenswettbewerb einzutreten. Denn hinter den Konfliktpositionen der Verfahrens- bzw. Prozessbeteiligten stehen oftmals zahlreiche divergierende Interessen, die es erst einmal zu ermitteln, transparent zu machen und zum Ausgleich zu bringen gilt. Angestrebt wird, zum beiderseitigen Gewinn, ein entsprechender Konsens durch Kommunikation. 14 Eben darin liegt die beabsichtigte Wirkung sowohl der Verwaltungs- als auch der dieser funktional verbundenen Gerichtsmediation. Beiden geht es darum, dass die streitenden Parteien/Beteiligten unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Interessen und mit ehrlichem Bemühen um eine (ausschließlich) sie befriedigende Lösung des involvierten Konflikts ringen – dies auch dann, wenn die Konfliktlösung erst noch mit dem (öffentlichen) Recht amalgamiert werden muss. Der gesondert berufene Mediator übernimmt deshalb als neutraler Dritter die Aufgabe, den Aushandlungsprozess zu strukturieren – unter Trennung zwischen Themen, Interessen und Lösungen – sowie zu begleiten, nicht aber das Ergebnis der Konfliktlösung zu determinieren. Für alle Beteiligten heißt dies, den „Konflikt hinter dem Konflikt“ zu erfassen; unverzichtbare Leistungsmerkmale der Mediation hierfür sind Allparteilichkeit, fehlende Entscheidungsmacht und Vertrauen. 15 Auf diese Weise offenbart sich Mediation als Konsenswettbewerb und Form „guter“ Governance: Er findet ohne staatliches Entscheidungsmonopol zwischen den Beteiligten statt, um für den jeweiligen Konflikt den besten Lösungsentwurf im Sinne eines suum cuique zu erzielen. Es geht um gegenseiti___________ 14
F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., München 2008, Einführung, Rn. 99a, 102a; zu der oben im Text entwickelten Wettbewerbsperspektive von Mediation s. im Übrigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht J. P. Schaefer, Ordoliberale Theorie der Grundrechte des Grundgesetzes, Der Staat, Bd. 48 (2009), S. 215 (225 f.). 15 Kracht (Fn. 2), Rn. 9 ff., 98 ff., 120 ff.
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ges Sich-Überzeugen im Rahmen des (Verfassungs-)Rechts bei Akzeptanz der daraus ersprießenden Wirkungen. Damit verbundene Folgewirkungen sind mit Blick auf den „effizienten“ Staat durchaus beabsichtigt. Denn Gerichtsprozesse zur verbindlichen Entscheidung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten sind nicht nur zeit- und kostenaufwändig – sie führen auch dazu, dass vertrauliche Informationen an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Streitbeilegung, die einvernehmlich unter Vertrauensschutz herbeigeführt wird – und damit die Öffentlichkeit partiell ausschließt –, erfüllt viel eher die Nutzenerwartungen der Beteiligten. Sie ist eben effizienter. 3. Mediation an den Grenzen des Rechts Die Frage ist allerdings, ob und gegebenenfalls wo im Hinblick auf das (Verfassungs-)Recht erkennbare Grenzen dieses Einsatzes der Mediation bestehen? Prüfstein hierfür sind die Rechtswirkungen, die von dem Verhandeln im Verwaltungsrecht ausgehen. Ihnen nachzuspüren ist umso wichtiger, als behauptet wird, „Jura (sei) zur Governance verkommen“; es gelte „der Primat ökonomischer Effizienz“ (Th. Hoeren). In der Diskussion wird zugleich vor einem verfassungsblinden Kosten-Nutzen-Vergleich gewarnt, der die Grundsätze demokratisch und rechtsstaatlich legitimierter Handlungsmaßstäbe und Prozessordnungen „leichtfertig über Bord“ werfen und durch „ein begleitendes Verfahren namens gerichtsinterne Mediation“ ersetzen wollte. 16 a) Bindung der Mediation an Recht und Gesetz Davon kann indes keine Rede sein. Auch Mediation ist von Verfassungs wegen an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). 17 Unabhängig von der Frage, ob gerichtsinterne Mediation der Rechtsprechung oder der Gerichtsverwaltung zuzurechnen ist, bleibt sie deshalb ebenso wie die Verwaltungsmediation dem Gesetz als objektivem Handlungsmaßstab und allen Bindungen eines im Übrigen „offenen“ Rechts unterworfen. Daher hat der Mediator auch ___________ 16 Th. Hoeren, Vom faulen Holze lebend, FAZ v. 30.07.2009, S. 6; s. ferner E.-J. Mestmäcker, Am grünen Holze blühend. Zur Lage der Rechtswissenschaft: Eine Erwiderung, FAZ v. 10.09.2009, S. 8. 17 Näher noch und zu dieser Position Appel (Fn. 4), Rn. 121; R. Pitschas, Konflikte innerhalb und mit der öffentlichen Verwaltung, in: Ders./H. Walther (Hrsg.), Mediation im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess. Beiträge der „Speyerer Mediationsinitiative“, Frankfurt 2008, S. 163 ff., 169 f.; R. Wimmer/U. Wimmer, Verfassungsrechtliche Aspekte richterlicher Mediation, NJW 2007, 3243 ff.
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auf die Rechtmäßigkeit dessen zu achten, was die verhandelnden Beteiligten/Parteien vereinbaren und wie sie zu ihrem Ergebnis gelangen. Diese Bindung ist unverzichtbar; sie bezeichnet eine immanente Grenze der Mediation und damit eine „negative“ Rechtswirkung. b) Selektive Rechtsbindung der Verwaltung durch das Ergebnis Darüber hinaus bindet das Mediationsergebnis, wie bereits erwähnt, aus sich heraus und im Allgemeinen noch nicht die Verwaltung. 18 Vertragliche Formulierungen können zwar verwaltungsseitig die Gestalt einer Zusicherung bzw. Zusage (§ 38 VwVfG) annehmen. Weitergehend mögen auf der Grundlage der Mediation auch durch öffentlich-rechtliche Nebenbestimmungen rechtliche Bindungen geschaffen werden. Dies gilt insbesondere dort, wo gesetzliche Regelungen für die Rezeption und Umsetzung des Mediationsergebnisses bestehen, wie dies im Verwaltungsrecht verschiedentlich der Fall ist. Im Übrigen aber bedarf es gewillkürter Bindungswirkung („selektive Rechtswirkung“). Dementsprechend divergieren die Wirkungen der Mediation erheblich nach Art und Inhalt des jeweiligen Verfahrens bzw. der Sachmaterie und des Verhandlungsabschlusses: selbst dort, wo kein formelles Ergebnis von Konfliktverhandlungen vorliegt, fließen die Erörterungen – oft „gefiltert“ – als „informalkonsensuales Handeln“ in die anschließende bzw. im Widerspruchsverfahren ergehende Verwaltungsentscheidung ein. 19 Im Übrigen darf auch die Widerspruchsbehörde mediativ handeln, also mit eigenen Zweckmäßigkeitsüberlegungen die Konfliktlösung befördern, indem sie in eine Mediation eintritt. In dem durch die staatlichen Modernisierungsprozesse veranlassten Wandel zum konsensualen Verwaltungsrecht, das dem Gedanken eines partnerschaftlichen Rechtsstaates Raum gibt, 20 ist schließlich dem von den Beteiligten gewünschten Ver- und Aushandeln von Lösungen in Gestalt kooperativen Verwaltungshandelns namentlich im Verwaltungsverfahren und nebst der Planfeststellung als „Vollzug durch Verhandlung“ vor allem die Abschlussform des öf___________ 18
Kopp/Ramsauer (Fn. 14), Einführung, Rn. 99c, 102; s. ferner Appel (Fn. 4), Rn. 129, 140 f. m. w. Nachw. 19 Dies sehr oft i. S. einer faktischen Bindungswirkung des Mediationsergebnisses, vgl. Appel (Fn. 4), Rn. 129 a. E., 132, 141; zur Anreicherung des Widerspruchsverfahrens durch mediative Elemente, worauf im nachfolgenden Text hingewiesen wird, vgl. nur Ch. Steinbeiß-Winkelmann, Abschaffung des Widerspruchsverfahrens – ein Fortschritt?, NVwZ 2009, 686 (692 m. Anm. 94). 20 Dazu näher noch R. Pitschas, Verantwortungskooperation zwischen Staat und Bürgergesellschaft. Vom hierarchischen zum partnerschaftlichen Rechtsstaat am Beispiel des Risikoverwaltungsrechts, in: K.-P. Sommermann/J. Ziekow (Hrsg.), Perspektiven der Verwaltungsforschung, Berlin 2002, S. 223 (239 ff.); ders., Neues Verwaltungsrecht im partnerschaftlichen Rechtsstaat, DÖV 2004, 231 (237 f.).
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fentlich-rechtlichen Vertrags an die Hand gegeben. Gleiches gilt für die exekutive Normsetzung bis hin zu den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften im Technik- und Umweltrecht. In das Verfahren der Vorschriftengebung, z. B. während der „Anhörung der beteiligten Kreise“ (§§ 48, 51 BImSchG) fließen unterschiedliche Interessen ein; das Ergebnis wird „ausgehandelt“. c) Wirkungsverbund mit der gerichtsnahen Mediation Vor diesem Hintergrund bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die gerichtsnahe Mediation. Sie stellt eine Form der Rechtsprechung durch Streitschlichtung dar, die als erweiterte Rechtsprechungsaufgabe trotz fehlender ausdrücklicher Vorschriften zulässig ist. 21 Zwar tritt sie in Konkurrenz zur Verwaltungsmediation und zu verwaltungsrichterlichen „Vergleichen“. Gleichwohl steigt der Rückgriff auf die Gerichtsmediation erheblich an, wie die wissenschaftliche Begleitforschung an der DHV Speyer zum Modellprojekt „Mediation in der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit“ belegt. 22 Diese Entwicklung führt allerdings ihrerseits zu der Frage nach den rechtlichen Schranken einer gerichtsnahen Mediation, der eine Konfliktmittlung zwischen Verwaltung und Bürger voraufgegangen ist. Auf die anderweitige Auseinandersetzung mit dem Problem darf an dieser Stelle verwiesen werden. 23
III. Rechtliche Bindungswirkung der Mediation im beweglichen System der Rechtserzeugung 1. Bindung durch das informelle Mediationsergebnis als „Rechtswirkung im Werden“ Insofern auch Rechtsstaatlichkeit ein Strukturmerkmal von „Good Governance“ verkörpert, liegt es nahe, zwischen den Rechtswirkungen der Mediation ___________ 21 Vgl. statt anderer K.-M. Ortloff, Mediation und Verwaltungsprozess, in: Handbuch Mediation (Fn. 1), § 41 Rn. 81 ff., 87; J. von Bargen, Mediation im Verwaltungsprozess – Eine neue Form konsensualer Konfliktlösung vor Gericht –, DVBl 2004, 468 ff. 22 R. Pitschas/H. Walther, Wissenschaftliche Begleitforschung des Modellprojekts „Mediation in der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit“. Zwischenbericht, vvM, Speyer 2008; vgl. ferner U. Becker/N. Friedrich, Evaluation des Modellprojekts „Mediation in der Sozialgerichtsbarkeit“, in: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (Hrsg.), Mediation in der Sozialgerichtsbarkeit – Ergebnisse eines Modellprojekts, München 2008, S. 11 ff. 23 A. a. O. (Fn. 8).
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im zuvor dargelegten Sinne einer rechtlichen Bindungskraft des Mediationsergebnisses einerseits und andererseits den faktischen Wirkungen zu unterscheiden, die von der erfolgreichen Konfliktmittlung ausgehen. 24 Mittels der rechtlichen Bindung durch die Mediationsabsprache bietet Mediation die „Chance, sowohl das durch (Ver-)Handeln Erreichte auf Dauer zu stellen als auch zukünftige Wirkungen des Handelns im sozialen Zusammenhange zu erstreben.“ 25 Zugleich ist jedoch im Zeichen kollaborativer Governance die „Öffnung“ der Mediation für Flexibilität und den Rechtsbildungsprozess erkennbar. Er bezieht – zurückgespiegelt auf die Rezeption und Umsetzung des Mediationsergebnisses – die vorausliegende und vielfältige, erhebliche faktische Vorprägung der (späteren) Sachentscheidung öffentlicher Verwaltung durch das Mediationsergebnis gleichsam als „von unten“ erzeugte Rechtswirkung im Werden ein. Hieran anknüpfend stellen sich Zweifel ein, wie trennscharf die Rechtswirkungen der Mediation von ihren faktischen Wirkungen unterscheidbar sind und welchen Sinn es macht, die letzteren aus dem Zusammenhang beider im governance-gesteuerten Prozess der „Rechtsbildung“ auszugliedern. 26 Denn die im beweglichen System der Rechtserzeugung zur Steuerung von Staat und Gesellschaft durch Recht auftretenden erheblichen Vorwirkungen der Mediationsergebnisse müssen ihrerseits dem erwähnten rechtlichen Rahmen der Mediation von vorneherein Rechnung tragen. Andernfalls wären sie wegen Verstoßes gegen Rechtsnormen wie z. B. Planungsvorschriften hinfällig. Mediationsergebnisse dürfen den Zwecksetzungen des materiellen Rechts nicht entgegenstehen. Das Thema der „Rechtswirkungen“ der Mediation greift sonach aus der Perspektive der kollaborativen Governance auf die faktischen Vorfestlegungen aus. Deren Ausprägung ist in einen Prozess der Herausbildung von Rechtsbindungen eingebettet, in dessen Verlauf rechtliche Wirkungen des Mediationsergebnisses über die Verfahrensphasen der Konfliktmittlung hinweg im Werden begriffen sind. Die Frage danach, ob die im Ermessen rechtlich geborgene Prüfungs-, Entscheidungs- und Abwägungsautonomie der Verwaltung „nicht über Gebühr eingeschränkt wird“ 27 , erfordert deshalb im Wandel der Staatlichkeit eine neue Antwort: Im Licht der Paradigmen mediativer Konfliktmittlung für ___________ 24
S. auch Appel (Fn. 4), Rn. 140, 141. H. Schelsky, Die Soziologen und das Recht. Abhandlungen und Vorträge zur Soziologie von Recht, Institution und Planung, Opladen 1980, S. 77. 26 Zu dem spezifischen Prozess abstrakter und konkreter „Rechtsbildung“ s. näher F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, Wien/New York 1982, S. 501 ff., 518 ff.; W. Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. IV, Tübingen 1977, S. 176 ff., 198 ff., 202; in Bezug auf das Verwaltungsverfahren in seiner Begegnung mit Aufgaben der Konfliktbewältigung Pitschas (Fn. 3), S. 285 m. Anm. 241. 27 Appel (Fn. 4), Rn. 40, 121 a. E. 25
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die Wirkungsperspektive von kollaborativer Governance und staatlicher Effizienz macht es wenig Sinn, das Verständnis von „Rechtswirkungen“ deren Tragweite zu verschließen und in diesem Kontext außer Acht zu lassen, dass „Mediation“ als Form von Governance und als Verfahrenstyp der außergerichtlichen Konfliktbereinigung in bestimmten Lagen eher die effektive Steuerung gesellschaftlicher Vorgänge ermöglicht als die hoheitliche Verwaltungsentscheidung mit ihrer rechtlichen Bindungswirkung. 2. Wirkungstypen rechtlicher Bindung durch das Mediationsergebnis Transportiert somit Mediation ihre Rechtswirkungen auch als Bindung im Werden, so liegt darin zum einen der Kern ihrer Unterscheidung von der gerichtlichen Streitschlichtung. Sie umfasst jedenfalls keine Streitentscheidung im Angesicht der Hierarchie: Aus dem Rechtsstreit, d. h. der förmlichen Auseinandersetzung über Rechtspositionen mit richterlicher Entscheidung entsteht durch Konfliktmittlung eine Annäherung der Beteiligten in deren wahren Interessengegensätzen, ein anderes und neues gemeinsames Verständnis darüber, wie die Konfliktlösung aussieht, das dann auch rechtliche Konsequenzen haben soll. Dadurch kommt es bei den Beteiligten zur Formung von ergebnisbezogener Gemeinsamkeit bis hin zu deren rechtlichen Ausgestaltung (= endgültige Rechtswirkung). Der aus Zweckmäßigkeitserwägungen einer unverzerrten Kommunikation unter Konkurrenten entwickelte Handlungstyp der Mediation wird „über Zeit“ durch „Rechtsschöpfung“ zur „Rechtswirkung“, die aus der Partizipation am Dialog erfließt. Zum anderen offenbart sich darin eine latente Formentypik der Mediationswirkungen. Mediation als Erscheinungsform in der Handlungspraxis der Verwaltung umfasst Ausprägungen, die (noch) nicht zu einer Rechtsform mit bestimmten Rechtsfolgen (= Bindungswirkungen) kondensiert sind. Der Rechtsform der Mediation geht vielmehr die Handlungsform voran, die wiederum beide von den durch Mediation angestrebten Bewirkungen zu trennen sind. Diese liegen in dem vom Mediationsergebnis umschlossenen Vereinbarungsinhalt, der seiner Umsetzung harrt. 28
___________ 28 Die oben im Text verwendete Formentypik schließt an die terminologischen Überlegungen von W. Hoffmann-Riem zur „Formung“ des Verwaltungshandelns i. S. der rechtlichen Ausgestaltung an, vgl. ders., Rechtsformen, Handlungsformen, Bewirkungsformen, in: GVwR II (Fn. 4), § 33 Rn. 9 ff.
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3. Verlaufsprozesse der Mediation zwischen Handlungs- und Rechtsform Ungeachtet ihrer eventuellen Ausprägung als (bloße) Handlungsform kann aber die Mediation bei hinreichender „Dichte“ der informellen Vor-Wirkungen ihres Ergebnisses in eine faktische Bindung der Verwaltung einmünden. Diese Vorabbindung muss allerdings sachlich gerechtfertigt erscheinen, die gesetzlichen Zuständigkeiten wahren und sie darf am Maßstab einer gerechten Abwägung „inhaltlich nicht zu beanstanden“ sein. 29 Die faktische Vorfestlegung und Vorprägung der Verwaltungsentscheidung gibt dann der Mediation die Gestalt einer Rechtsform. Um zu verhindern, dass dadurch die verwaltungsseitige Berücksichtigung des Mediationsergebnisses und seine Umsetzung den Charakter einer bloßen Ratifikationsentscheidung annehmen, erweisen sich – wie bereits oben angedeutet – formelle vertragliche Bindungen am Schluss der Mediation als nützlich. Hierbei ist der Blick auf die Phasen des Verwaltungsverfahrens hilfreich. 30 a) Verwaltungsvertragliche Bindungen Ordnet man etwa die rechtlichen Wirkungen der Verwaltungsmediation entlang der Phasen des Verwaltungsverfahrens, so kann sich die Behörde jederzeit – und auch schon vor Verfahrensbeginn – auf eine Mediation mit dem Ziel des Abschlusses eines verwaltungsrechtlichen Vertrages (§§ 54 ff. VwVfG) einlassen. Dieser entfaltet dann seine Rechtswirkungen „inter partes“. Im Falle des Scheiterns des Vertrages darf sie aber auch durch Verwaltungsakt einseitig hoheitlich den Gegenstand der Verhandlungen regeln (§ 54 S. 2 VwVfG). In neueren Fachgesetzen finden sich ausdrückliche Normierungen des Verwaltungsvertrages. Besondere Möglichkeiten für die Verwaltungsmediation mit rechtswirkungsgleichen Elementen (z. B. mit Blick auf die Rolle des Verhandlungsleiters) eröffnen andeutungsweise und einerseits die förmlichen Verwaltungsverfahren (vgl. § 61 Abs. 1 VwVfG), andererseits die Verfahren über eine einheitliche Stelle (§§ 71a-71e VwVfG n. F.), und zwar für Elemente des informellen,
___________ 29 Vgl. BVerwGE 45, 309 (321); M. Fehling, Informelles Verwaltungshandeln, in: GVwR II (Fn. 4), § 38 Rn. 102, 112 f. 30 Zu diesen s. Pitschas (Fn. 3), S. 331 ff., 334 f.
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dialogischen und kooperativen Verfahrens. 31 In der Literatur wird darüber hinaus die Mediation als „eine nützliche Methode zur Erlangung eines ausgewogenen Planfeststellungsbeschlusses“ angesehen 32 – und wie man sieht, kann sie sogar vorgreifliche Wirkungen auf Nachtflugverbote zeitigen. 33 b) Rechtsetzung als Rechtsform Der Vertragsschluss findet auch in der Rechtsetzung seinen Platz. Ein Beispiel hierfür sind die Normsetzungsverträge in der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Vertragspartner der Bundesmantelverträge (§ 82 SGB V). Mediative Funktionen kann hierbei das Schiedsamt nach Maßgabe des § 89 SGB V entfalten. Die Rechtswirkungen der Normsetzungsverträge, aber auch und beispielsweise des Interessenausgleichs in der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 6 BauGB) bemessen sich nach dem Inhalt der Rechtsetzung und den entsprechenden Geltungsanordnungen des Grundgesetzes sowie der jeweiligen Normgebung. c) „Rechtsschutz“ durch gerichtsnahe Mediation Im Verwaltungsprozess wird dem Richter eine Entscheidung über den Streitgegenstand abgefordert, die in Rechtskraft erwachsen kann; zugleich wird ihm der Versuch einer vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreites auferlegt (§§ 278 ZPO, 106 VwGO). 34 In Wahrnehmung gerichtsnaher Mediation muss dagegen der Streitgegenstand auf den Konfliktgegenstand erweitert werden. Zu diesem Zweck verfügt der Berichterstatter die Abgabe der Akten an den Mediator; es beginnt ein Zwischenverfahren. Hierfür fallen keine Gerichtsgebühren an. Außergerichtliche Kosten sind von den Beteiligten selbst zu tragen. Gelingt die Mediation, wird das Ergebnis regelmäßig in einem (privatschriftlichen) Protokoll als „Mediationsvereinbarung“ festgehalten. Die Prozessbetei___________ 31
4. VwVfG-Änderungsgesetz vom 11.12.2008 (BGBl. I S. 2418); dazu H. Schmitz/ L. Prell, Verfahren über eine einheitliche Stelle – Das Vierte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften, NVwZ 2009, 1 ff. 32 Th. Siegel, Mediation in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung, NuR 2002, 79 (Vortext). 33 F. Schuster, Grenze der Belastbarkeit. Beck bringt Flughafen Hahn ins Spiel, Frankfurter Rundschau v. 22./23.08.2009, S. D 2 zum Urteil des HessVGH vom 21.08.2009 – 7 B 2407/08 –, NVwZ-RR 2009, 958, in Sachen Frankfurter Flughafenausbau; der Verf. sieht als eigentlichen Gewinner des Rechtsstreits die Mediationsgruppe an, die seit zehn Jahren den Flughafenausbau begleitet und ein Nachtflugverbot gefordert hatte – eben dasjenige, das der VGH durch den „gesetzlich gebotenen Schutz“ der Nachtruhe für erforderlich hält. 34 Ortloff (Fn. 21), Rn. 77, 79 f.
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ligten beenden ihrerseits den Rechtsstreit (Rücknahme der Klage, Erklärung über Hauptsacheerledigung, Prozessvergleich) vor dem zuständigen Prozessgericht. Misslingt die Mediation, geht die Streitakte nebst Beiakten mit Anzeige über den Abschluss des Zwischenverfahrens an das Prozessgericht zurück. Vertraulichkeit wird gewahrt: über das Zwischenverfahren wird nicht berichtet. Ein Problem neben anderen bilden dabei allerdings die Gerichtskosten. Insoweit entsteht eine „negative“ Rechtswirkung über die Bindung der gerichtsnahen Mediation an den verfassungsfesten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit: Für die gerichtliche Mediationsleistung müssen Gerichtsgebühren erhoben werden; die gegenwärtige Nichterhebung ist rechtswidrig. Sie verstößt gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip nach Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG. 35
IV. Folgerungen für das Verwaltungsverfahrensrecht Wie dargelegt, sind die Konsequenzen für das Verwaltungshandeln, die aus dem Verständnis der Mediation als Form kollaborativer Governance und als Raum begrenzter Staatlichkeit zu ziehen sind, erheblich. Auch das „Grundgesetz des Verwaltungsrechts“, das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) als rechtliche Ordnung des Verwaltungsverfahrens 36 wird davon in seinem Kern betroffen. Dieses kann zwar einerseits Elemente der Mediation aufgreifen und fruchtbar machen; andererseits darf aber das Verwaltungsverfahren selbst nicht als Mediationsverfahren ausgestaltet werden. Jedoch müssen die Ergebnisse zumindest der sog. vorlaufenden Mediation, die dem Verwaltungsverfahren vorgeschaltet ist, und der mitlaufenden Mediation, die parallel zum Verwaltungsverfahren durchgeführt wird, in irgendeiner Weise in das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht eingeführt werden. 37 M. a. W. geht es um die bereits oben behandelte rechtliche Umsetzbarkeit des Ergebnisses der Mediation einschließlich der rechtlichen Bewertung dessen, wie zu beurteilen ist, wenn eine Absprache nicht eingehalten wird. Auch bleibt ggf. das Koppelungsverbot ___________ 35 Pitschas, Maßstäbe (Fn. 11), Rn. 122 f.; s. auch die kosten- und gebührenrechtliche Entscheidung des KG (Beschl. v. 31.03.2009 – 1 W 176/07), wonach sich ein Vergütungsanspruch des im Prozesskostenhilfeverfahrens beigeordneten Rechtsanwalts für die Auslagen des Mediationsverfahrens aus § 45 Abs. 1 RVG ergäbe. 36 Vgl. nur H. Schmitz, Fortentwicklung des Verwaltungsverfahrensgesetzes: Konkrete Gesetzgebungspläne und weitere Perspektiven, in: W. Hoffmann-Riem/E. SchmidtAßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, BadenBaden 2002, S. 135 (141) m. Anm. 30 unter Verweis auf O. Schily, Die Europäisierung der Innenpolitik, NVwZ 2000, 883 (887). 37 Appel (Fn. 4), Rn. 131 f., 139 ff.; früher schon Pitschas (Fn. 3), S. 116 m. Anm. 300, 284, 285 m. Anm. 241.
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(§ 56 VwVfG) zu beachten. 38 Diese und weitere Herausforderungen der „Rechtwirkung im Werden“ lassen die Frage nach der dynamischen Gestaltungskraft des Verwaltungsverfahrensrechts jenseits seiner Kontrollfunktion für die Regulierung der Konfliktmittlung (erneut) aufbrechen. 39 1. Erweiterung der Verfahrensfunktion des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts Unbestreitbar scheint mir jedenfalls zu sein, dass die Verwaltungsmediation aus rechtsstaatlichen Gründen in ihrer Verfahrensfunktion systematisierendrechtlicher „Einhegung“ bedarf. Vereinzelte Regelungskomplexe wie z. B. im Planfeststellungsrecht reichen dazu nicht aus. Es bedarf vielmehr im öffentlichen Interesse staatlich definierter Vorgaben für die Ausgestaltung der Mediation und der Rückbindung des Mediationsverfahrens zwischen Verwaltung und Bürger („verwaltungsexterne“ Mediation) bzw. innerhalb der Verwaltung („verwaltungsinterne“ Mediation) hieran 40 – und zwar im öffentlichrechtlichen Gewand und nicht als Bestandteil eines Privatverfahrensrechts. 41 Darüber hinaus verlangt die skizzierte Wirkungstypik der Mediation nach dem verfahrensrechtlichen Zuschnitt der Mediationsgrundsätze von Transparenz und Neutralität, sowie nach Grundregeln für die unverzerrte Kommunikation, zur rechtlichen Umsetzbarkeit des Mediationsergebnisses und Rollenfestlegung für den Mediator in den einzelnen Verfahrensphasen der Konfliktmittlung. Der innere Zusammenhang entsprechender Vorschriften hierzu mit dem im Jahr 2004 vorgelegten Entwurf zum Vertragstypus der öffentlich-rechtlichen Kooperationsverträge liegt auf der Hand. 42 Er sollte um die Governance___________ 38
Kopp/Ramsauer (Fn. 14), Einführung, Rn. 100a, § 56 Rn. 16. Hierzu zul. M. Burgi, Verwaltungsverfahrensrecht zwischen europäischem Umsetzungsdruck und nationalem Gestaltungswillen, JZ 2010, 105 (107). 40 So auch Appel (Fn. 4), Rn. 132, 141; K.-M. Ortloff, Mediation – Regelungsbedarf?, NJW 2008, 2544 ff.; L. Schäfer, Mediation im öffentlichen Bereich braucht gesetzliche Regeln, NVwZ 2006, 39 ff.; differenziert für die „Verwaltungsmediation“ auch B. Hess, Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streitbeilegung – Regelungsbedarf im Verfahrens- und Berufsrecht? Gutachten F zum 67. DJT (2008), München 2008, S. F65 ff., der für eine gesetzliche Klarstellung der Rolle des Mediators plädiert und die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung seiner Rechtstellung anrät (S. F67 und These Nr. 5). 41 So auch Hess (Fn. 40), S. F67 m. Anm. 358 („Eine allgemeine Regelung müsste im VwVfG erfolgen“). 42 Vgl. zu diesem Entwurf eines VwVfG-Ergänzungsgesetzes Burgi (Fn. 39), 107 m. Anm. 16 f.; in der Tat ist auch die Mediation ein „Kooperationsvorgang“, der mit einer Vereinbarung schließen kann oder eben nicht. 39
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Form der Mediation wie überhaupt um rechtliche Eckpunkte zur Verbindung von Governance und Recht ergänzt werden. 2. Verfahrenseffektivität und Mediation Keinem Zweifel unterliegt bei alledem, dass die Mediation die Bewältigung von Konflikten mit und in der Verwaltung bei komplexen Streitigkeiten zwar nicht immer beschleunigt, in der Regel aber die kommunikative Streitbeilegung ermöglicht, sie jedenfalls beträchtlich erleichtert. „Effektivität“ bildet in diesem Sinne den maßgeblichen Rechtsgrundsatz für das Verwaltungshandeln, der die bloße Beschleunigung des Verfahrens als zeitliches Moment seiner Ordnung den ergebnisbezogenen Vorstellungen wie der Zweckmäßigkeit hintanstellt. 43 § 10 VwVfG mit der ihm innewohnenden Grundaussage zum „Verfahrensermessen“ bildet deshalb einen weiteren Ansatzpunkt für gesetzgeberische Regelungen zum Verhältnis des allgemeinen Verwaltungsverfahrens zur Mediation. 44
V. Zusammenfassung Die Frage nach den Rechtswirkungen der (Verwaltungs-)Mediation lässt sich nicht länger wie bisher durch einfachen Rückverweis auf den Vorrang des Verwaltungsverfahrens und die im Regelfall fehlende Rechtsbindung der Verwaltung an das Mediationsergebnis beantworten. Mediation offenbart nämlich in der Wirkungsperspektive ein bei weitem noch nicht ausgeschöpftes Potential der gesellschaftlichen Selbstregulierung von Konflikten und des Konfliktmanagements als Form kollaborativer Governance. In den bei ihrer Anwendung entstehenden Räumen begrenzter Staatlichkeit verfließen faktische und rechtliche Wirkungsdimensionen ineinander; sie lassen sich allerdings nur schwer systematisieren. Im beweglichen System der Rechtserzeugung kommt es indes bei näherem Hinsehen über Vorabbindungen der Beteiligten zu einer gestuften Rechtswirkung „im Werden“ durch das Mediationsergebnis, soweit diesem nicht von ___________ 43
S. auch Burgi (Fn. 39), 109 m. Anm. 36; R. Pitschas, Das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren im „aktivierenden“ Sozialstaat – Verfahrensrechtliche Konsequenzen der staatlichen Verantwortungspartnerschaft mit der Bürgergesellschaft, FS 50 Jahre Bundessozialgericht, Köln u. a. 2004, S. 765 (769 ff., 775 f., 779 ff.); v. Bargen (Fn. 2), 325 f. 44 Ebenso Appel (Fn. 4), Rn. 132; Hess (Fn. 40), a. a. O., S. F67; Kopp/Ramsauer (Fn. 14), Einführung, Rn. 102a.
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vorneherein formelle Bindungskraft zugewiesen wird. Es entsteht eine mehrpolige Mediationswirkung ungeachtet demokratie- und rechtsstaatlicher Bindungsvorbehalte. Das Ergebnis ist eine in ihren Rechtswirkungen gestufte „soziale“ Mediation, die als Verwaltungsmediation der Entwicklung kollaborativer Governance Rechnung trägt. Mediation braucht allerdings für Ihre Nutzung im öffentlichen Sektor gesetzliche Regeln. Allfälligem Regulierungsbedarf kann im Sinne der Einführung mediationsverfahrensrechtlicher Normen in das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht entsprochen werden.
Mediation im Umweltrecht – unter besonderer Berücksichtigung des koreanischen Umweltmediationsgesetzes Von Dongsoo Song
I. Einleitung Der Begriff ADR (Alternative Dispute Resolution; alternative bzw. außergerichtliche Streitbeilegung) ist nicht nur in Amerika, sondern auch in Korea fast zu einem Modewort geworden. In Korea besteht Einigkeit darüber, dass ADR als Alternative zu staatlichen Gerichtsverfahren zu verstehen ist. Als Reaktion auf eine wachsende Unzufriedenheit mit der Justiz, der man vorwarf, dass ihre Verfahren zu kostspielig, zu zeitraubend und zudem nicht berechenbar seien, wurde in Korea der Ruf nach alternativen Formen der Streitbeilegung in den letzten zwei Jahrzehnten immer lauter. Die Mediation ist heute die am weitesten verbreitete Methode der ADR. Der begriffliche Ursprung von Mediation lässt sich vor allem aus dem lateinischen Wort mediatio (Vermittlung) und dem griechischen Wort medos (neutral, unparteiisch) ableiten. 1 Heute versteht man unter dem Begriff der Mediation die Einschaltung eines neutralen und allparteilichen Dritten zur Vermittlung in Zwei- und Mehrparteienkonflikten. 2 Mediation stellt also eine ADR dar, somit eine alternative Form der Konfliktlösung. 3 Im Rahmen der ADR-Bewegung hat sich in Korea die sog. Umweltmediation als eine spezielle Form alternativer Konfliktlösung im Umweltsektor her___________ 1
www.in-mediation.eu. Die Mediationsrichtlinie der EU (Richtlinie 2008/52/EG vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen) geht von folgender Legaldefinition aus: Mediation ist ein strukturiertes Verfahren unabhängig von seiner Bezeichnung, in dem zwei oder mehr Streitparteien mit Hilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine gütliche Einigung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu erzielen. 3 Voß, § 3 Die Mediation im Verwaltungsrecht, in: Johlen/Oerder (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 2003, Rn. 1. 2
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ausgebildet. Die Gründe, warum Koreaner Umweltstreitigkeiten möglicherweise lieber außerhalb der Gerichte beilegen, sind vielfältig. Zum einen mag ein traditionell anderes Rechtsbewusstsein der Koreaner eine gewisse Abneigung gegen die staatliche Gerichtsbarkeit geprägt haben. Daneben soll die Tatsache, dass Prozesse in Korea mit einem zu hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden sind, dazu geführt haben, dass in Korea Umweltstreitigkeiten lieber außerhalb des Gerichtsverfahrens beigelegt werden. Umweltmediation ist ein freiwilliges, klar strukturiertes Verfahren, bei dem alle von einem umweltrelevanten Projekt Betroffenen nach einer gemeinsamen, dauerhaften Lösung suchen. 4 In Deutschland wird die Umweltmediation seit Ende der achtziger Jahre in erster Linie zur Beilegung von Umweltkonflikten im Zusammenhang mit der Abfall- oder Altlastenentsorgung genutzt. Sie dient heutzutage in erster Linie als Konfliktmanagement im Rahmen umweltrelevanter Planungsvorhaben. 5 Noch gibt es jedoch keine gesetzlichen Regelungen des Mediationsverfahrens. 6 Im Unterschied zu der deutschen Umweltmediation betont die koreanische Umweltmediation eine eigenverantwortliche Streitlösung seitens der Streitparteien. Darüber hinaus ist die Inanspruchnahme der Umweltmediation in Korea gesetzlich geregelt. Das Gesetz über Mediation bei Umweltstreitigkeiten (Umweltmediationsgesetz, UMG) trat in Korea am 1. August 1990 in Kraft. Als Zielsetzung nennt § 1 des UMG, dass für Umweltstreitigkeiten ein System einzurichten ist, das durch Vermittlungen, Schlichtungsverfahren sowie durch außergerichtliche Haftungsurteile zu einer schnellen, sachgemäßen und effektiven Lösung führt. Basierend auf diesem Gesetz wurde nun ein außergerichtliches System zur Mediation in Umweltstreitigkeiten geschaffen, welches sich nicht durch dieselbe formelle Strenge der gerichtlichen Verfahrensordnungen auszeichnet und für eine schnelle, kostengünstige und sachgerechte Lösung der Umweltstreitigkeiten sorgen soll. 7 ___________ 4 Neumann, Mediation im öffentlichen Bereich, 2008, S. 4; Die größte Öffentlichkeitswirkung hatte allerdings die sog. Frankfurter Flughafenmediation im Bereich der Umweltmediation. Vgl. dazu Wörner (Hrsg.), Das Beispiel Frankfurt Flughafen, 2003. 5 Wagner/Engelhardt, Mediation im Umwelt- und Planungsrecht als Alternative zur behördlichen oder gerichtlichen Streitentscheidung, NVwZ 2001, 371 ff.; Runkel, Mediation – ein Weg aus der Sackgasse des Umweltkonflikts, in: Förderverein Umweltmediation e.V. (Hrsg.), Studienbrief Umweltmediation. Eine interdisziplinäre Einführung, 1999, S. 34. 6 Gesetzliche Regelungen zur Mediation sind bereits in vielen europäischen Staaten vorhanden, z.B.: Belgien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Österreich, Schweiz, den Niederlanden sowie in Spanien. Vgl. hierzu Alexander, Global Trends in Mediation, Amsterdam 2006. 7 C. H. Kang, Environmental Dispute Resolution as a ADR and Environmental Litigation, Environmental Law Review, Vol. 30 Nr. 3, 2008, p. 190.
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Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es, das koreanische ADR-System unter besonderer Berücksichtigung der Mediation in Umweltstreitigkeiten umfassend darzustellen und kritisch zu hinterfragen.
II. Grundlagen der Umweltmediation 1. Entstehung des Umweltmediationsgesetzes (UMG) Einrichtungen, die Umweltmediationen durchführen dürfen, können sich in der Regel entweder auf eine Ermächtigungsklausel des Gesetzgebers berufen, mit der ihnen bestimmte Aufgaben übertragen wurden. Oder der gesetzliche Rahmen erlaubt von vornherein den Einsatz bestimmter Instrumentarien der Umweltmediation. Wie in anderen Industrienationen auch, hat sich in Korea seit der Industrialisierung zwar der materielle Lebensstandard erhöht, doch aufgrund des hohen Industrialisierungsgrades nahmen auch die Gefahren durch Umweltschäden zu. Dieses wachsende Gefahrenpotential führte wiederum zu einem gesteigerten Bedarf an Haftungsregelungen im Umfeld dieser Risiken. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existiert im koreanischen Recht kein umfassendes Umwelthaftungsgesetz. Hieraus ergibt sich, dass sich Opfer von Umweltschäden in Korea nicht auf ein Umwelthaftungsgesetz stützen können, sondern ihre rechtlichen Ansprüche zuvorderst aus den allgemeinen Haftungsregelungen des koreanischen Zivilrechts herleiten müssen. 8 Voraussetzung einer zivilrechtlichen Haftung nach § 750 kor. BGB sind ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten, die Rechtswidrigkeit der Handlung, das Vorhandensein eines Kausalzusammenhangs zwischen der Handlung und dem eintretenden Schaden und ein Schadenseintritt. 9 Aufgrund der Tatsache, dass sich eine Haftung für Umweltschäden nicht so ohne weiteres aus den allgemeinen Haftungsregelungen des koreanischen Zivilrechts herleiten lässt, ergeben sich einige Probleme. Um die zivilrechtlichen Ansprüche geltend zu machen, waren die Opfer von Umweltschäden früher gezwungen, ihre Streitigkeiten vor den koreanischen Zivilgerichten auszutragen. 10 Der koreanische Zivilprozess erwies sich hierbei jedoch als nicht sehr geeignet, um den spezifischen Charakteristika eines Umweltprozesses gerecht zu werden; darüber hinaus waren diese Prozesse auch durch einen hohen Zeit___________ 8
K. H. Ahn, Zivilrechtliche Haftung für Umweltbeeinträchtigung, Environmental Law Review, Vol. 28 Nr. 3, 2006, pp. 3. 9 H. S. Cho, Economics of Alternative Dispute Resolution, The Journal of Comparative Private Law, Vol. 13 Nr. 1, 2006, pp. 85. 10 E. R. Cho, A Study on the Burden of Proof in a Environmental Litigation, Environmental Law Review, Vol. 28 Nr. 3, 2006, pp. 329.
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und Kostenaufwand gekennzeichnet. 11 Deshalb erließ der koreanische Gesetzgeber bereits im Jahr 1990 das Gesetz über Mediation bei Umweltstreitigkeiten (Umweltmediationsgesetz, UMG), das den Weg für die außergerichtliche Lösung von Streitigkeiten über Umweltschäden eröffnete. An dieser Stelle muss die Frage gestellt werden, ob die Mediation überhaupt einer gesetzlichen Regelung bedarf, ob ihre normative Erfassung überhaupt Sinn macht. Es könnte ja der Standpunkt vertreten werden, die Formlosigkeit der Mediation und damit auch das Fehlen von gesetzlichen Verfahrensvorschriften gehörten gerade zu den Wesenmerkmalen der Mediation. Die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für Mediation ist dennoch erforderlich. Das Erfordernis gesetzlicher Vorkehrungen ergibt sich aus der Notwendigkeit der Sicherstellung eines reibungslosen Zusammenspiels zwischen der Mediation einerseits und dem gerichtlichen Verfahren anderseits, in dem der zu regelnde Konflikt letztlich – bei Scheitern der Mediation – zu lösen ist. 2. Gegenstand der Umweltmediation Die koreanische Umweltmediation ist ein außergerichtliches ADR-Verfahren, von dem die Streitparteien außerhalb eines Gerichtsverfahrens Gebrauch machen. 12 Das Gericht kann immer angerufen werden, ungeachtet der Tatsache, ob zuvor ein Umweltmediations-Verfahren stattgefunden hat. Gegenstand der Umweltmediation sind Streitigkeiten über Umweltschäden. § 2 Ziffer 1 UMG definiert den Begriff der Umweltschäden als eine Beeinträchtigung des Umweltschutzes, die durch unternehmerische Aktivitäten oder andere menschliche Handlungen in dem betroffenen Gebiet verursacht wird und einen Schaden für die menschliche Gesundheit, das Eigentum oder das (psychische) Wohlbefinden verursacht. Eine Beeinträchtigung des Umweltschutzes ist möglich durch Luftverschmutzung, nachteilige Veränderung der Wasserqualität, Bodenverschmutzung, Meeresverschmutzung, Lärm, Erschütterung, üble Gerüche, Störungen des natürlichen Sonnenlichteinfalls oder der Luftzirkulation und Schädigungen des Landschaftsbildes. Interessanterweise sind die durch radioaktive Stoffe verursachten Umweltschäden nicht Gegenstand des Systems der Umweltmediation.
___________ 11 S. S. Kim, Relations between Court und ADR in Environmental Disputes Resolutions, Environmental Law Review, Vol. 28 Nr. 1, 2006, pp. 110. 12 Die alternativen Formen der Streitbeilegung lassen sich nach dem Kriterium der Verfahrensstruktur unterteilen. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen ADR-Verfahren, die ein Richter leitet oder die der Richter einem Dritten überträgt (ADR im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens), und außergerichtliche ADR-Verfahren.
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Trotz dieser Einschränkung des Anwendungsbereiches des UMG kann man davon ausgehen, dass dieses Gesetz den bei weitem größten Teil des potentiellen Aktionsfeldes der Umweltmediation erfasst. 13 3. Formen der Umweltmediation Als Formen der Umweltmediation bietet das Umweltmediationsgesetz Vermittlung, Schlichtung sowie das außergerichtliche Haftungsurteil an. a) Vermittlung Eine Vermittlung unterscheidet sich insbesondere dadurch von der Schlichtung, dass der Vermittlungsausschuss hier nur indirekt die Gespräche der Streitparteien unterstützt, indem er lediglich für reibungslose Verhandlungen zwischen den beteiligten Personen sorgt und durch seine Unterstützung die selbstständige Streitlösung durch die beteiligten Parteien fördert. Es heißt, dass sich das Vermittlungsverfahren durch seine große Flexibilität und einen hohen praktischen Nutzen auszeichnen würde. Insofern hat der Vermittlungsausschuss nur eine Unterstützungsfunktion und keine Entscheidungskompetenz. b) Schlichtung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass, verglichen mit einem Vermittlungsverfahren, bei dem eine selbständige Streitlösung durch die Streitparteien im Vordergrund steht, bei einem Schlichtungsverfahren die Mitglieder des Schlichtungsausschusses über eine größere Kompetenz verfügen. Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens kann der Schlichtungsausschuss Lösungsvorschläge einbringen. 14 c) Außergerichtliches Haftungsurteil Bei einem Antrag auf ein Haftungsurteil ist darüber zu entscheiden, ob eine Schadensersatzverpflichtung für einen durch einen Umweltschaden hervorgerufenen Schaden besteht und wenn ja, auf welchen Wert sich die Entschädigungssumme beläuft, die demzufolge von der unterliegenden Partei zu zahlen ___________ 13 B. R. Choi, The Status und Improvement Schemes of Environmental Dispute Mediation, Environmental Law Review, Vol. 29 Nr. 2, 2007, p. 497. 14 T. H. Park, Legal tasks for the advancement of Environmental Disputes Adjustment Institution, Environmental Law Review, Vol. 30 Nr. 3, 2008, p. 163.
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ist. Unterlassungsansprüche, welche das Unterlassen bestimmter umweltschädigender Handlungen oder unternehmerischer Aktivitäten zum Ziel haben, sind nicht Gegenstand der Anträge auf Haftungsurteile. Während sich die Haftungsurteilsverfahren durch eine aktive Intervention des Urteilsausschusses auszeichnen, entscheiden bei einer Vermittlung die Parteien selbst, ob und wie ein Konflikt zur Zufriedenheit aller geregelt wird. Urteilsausschüsse arbeiten wie die staatlichen Gerichte zeit- und kostenintensiver. Sie stehen stärker unter dem Zwang, eine Streitlösung erzielen zu müssen. Außergerichtliche Haftungsurteile haben insoweit eine größere rechtliche Wirkung als die Ergebnisse eines Vermittlungs- oder Schlichtungsverfahrens.
III. Einrichtungen, die die Umweltmediation durchführen 1. Einrichtung von Umweltmediationskomitees Die klassische Einteilung der ADR-Verfahren kann nach den jeweiligen Institutionen, die die Verfahren durchführen, erfolgen. Es kann in diesem Kontext zwischen fünferlei Einrichtungen unterschieden werden: Institutionen der Justiz, der Verwaltung, und der Rechtsanwaltschaft (Kammern) sind ebenso zu nennen wie private Einrichtungen und internationale Einrichtungen. Alternative Streitbeilegungssysteme seitens der Administration sind in Korea von großer Bedeutung. Als Beispiel derartiger administrativer Einrichtungen können das Prüfungskomitee für Baustreitigkeiten, die Kommission zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern genannt werden, aber auch zahlreiche Bürger- oder Verbraucherzentralen. 15 Zu diesen Einrichtungen der Administration zählt aber auch das Umweltmediationskomitee zur Vermittlung in Umweltstreitigkeiten. Zum Zweck der Durchführung von Streitbeilegungsverfahren im Rahmen von Umweltstreitigkeiten wurden das Nationale Komitee zur Mediation bei Umweltstreitigkeiten (Nationales Umweltmediationskomitee) im Umweltministerium und das Lokale Komitee zur Mediation bei Umweltstreitigkeiten (Lokales Umweltmediationskomitee) bei Gebietskörperschaften eingerichtet. Dem Umweltmediationskomitee wird als administratives Komitee, 16 das quasi judikative Funktionen erfüllt, per Gesetz sowohl Neutralität als auch Un___________ 15
C. H. Kang, Environmental Dispute Resolution as a ADR and Environmental Litigation, Environmental Law Review, Vol. 30 Nr. 3, 2008, p. 191. 16 S. C. Kim, A Discussion of the Dispute Resolution Mechanism Based on the Environmental Dispute Adjustment Act in Regards to the General Principles of ADR, Environmental Law Review, Vol. 30 Nr. 3, 2008, p. 124.
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abhängigkeit gegenüber anderen Ämtern und Ministerien garantiert. Gemäß § 7 des UMG besteht das Nationale Umweltmediationskomitee aus 15 oder weniger Mitgliedern einschließlich eines Vorsitzenden. Sowohl bei dem Vorsitzenden als auch bei den übrigen Mitgliedern des Komitees handelt es sich nach § 8 UMG um Personen mit großer menschlicher Reife und langjähriger Erfahrung in Umweltfragen. In jedem Fall müssen mindestens 3 Mitglieder Juristen sein, die das Amt des Richters, des Staatsanwalts oder des Rechtsanwalts für nicht weniger als 6 Jahre ausgeübt haben. Sie werden auf Vorschlag des Umweltministers vom Staatspräsidenten ernannt. Die Amtszeit des Vorsitzenden sowie die der übrigen Mitglieder des Komitees beträgt gemäß § 7 Abs. 3 UMG zwei Jahre. Eine Wiederwahl ist möglich. Während der Amtszeit können die Mitglieder nach § 10 UMG nur in Ausnahmefällen gegen ihren Willen entlassen werden. Ferner wurde zur Durchführung der Verwaltungsaufgaben des Nationalen Umweltmediationskomitees nach § 13 UMG ein Komiteebüro eingerichtet. 2. Zuständigkeiten der Umweltmediationskomitees Wünscht die sich durch eine Umweltstreitigkeit beeinträchtigt fühlende Person eine Streitbeilegung gemäß des Umweltmediationsgesetzes, so muss sie einen Antrag bei dem jeweils zuständigen Organ stellen. Grundsätzlich erstreckt sich die Zuständigkeit des Nationalen Umweltmediationskomitees auf zwei große Aufgabenbereiche. Während die Zuständigkeit bezüglich der Verfahren, in denen ein außergerichtliches Urteil angestrebt wird, ausschließlich beim Nationalen Umweltmediationskomitee liegt, hat der koreanische Gesetzgeber, was Vermittlungs- und Schlichtungsverfahren bezüglich Streitigkeiten über Umweltschäden anbetrifft, die Kompetenz zwischen dem Nationalen Umweltmediationskomitee und dem Lokalen Umweltmediationskomitee aufgeteilt. Beide Einrichtungen haben jeweils eigene Zuständigkeiten und erfüllen so als eigenständige Organe ihre Pflichten. 17 Die Zuständigkeit des Nationalen Umweltmediationskomitees bezüglich einer Streitbeilegung durch Vermittlungs- oder Schlichtungsverfahren erstreckt sich hier auf drei verschiedene Verfahrenstypen. Der erste Verfahrentypus betrifft Streitigkeiten, an denen der Staat oder lokale Gebietskörperschaften als Streitpartei beteiligt sind. Ferner liegt die Zuständigkeit für Streitigkeiten über großflächige Umweltbeeinträchtigungen ausschließlich beim Nationalen Umweltmediationskomitee. Gemäß § 6 Abs. 1 Ziffer 4 UMG fallen Streitigkeiten, die sich auf Umweltbeeinträchtigungen beziehen, die aufgrund ihres Scha___________ 17 W. Y. Choi, A Study on the System of Environmental Dispute Resolution in Japan, Public Law Journal, Vol. 5 Nr. 3, 2004, pp. 575.
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densausmaßes als besonders folgenschwer einzustufen sind, ebenfalls grundsätzlich in die Zuständigkeit des Nationalen Umweltmediationskomitees. Es handelt sich bei diesem Typus um Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit einem Schaden stehen, bei dem durch eine Umweltverschmutzung die menschliche Gesundheit gefährdet wurde. In diesem Fall kann das Nationale Umweltmediationskomiteee ein Schlichtungsverfahren ohne Antragstellung der betroffenen Parteien von Amts wegen durchführen. Für alle Vermittlungs- und Schlichtungsverfahren, die nicht in die o.g. Zuständigkeit des Nationalen Umweltmediationskomitees fallen, ist nach § 6 Abs. 2 UMG das Lokale Umweltmediationskomitee zuständig. 3. Neutralität des Umweltmediationskomitees Umweltmediation setzt eine neutrale, allparteiliche Haltung des Umweltmediationskomitees gegenüber beiden Parteien voraus. Das Umweltmediationskomitee als Mediator gibt Hilfestellung und stellt alle gewünschten und erforderlichen Informationen zur Verfügung. Das Umweltmediationskomitee darf keine Partei bevorzugen oder sich für die Interessen nur einer Partei einsetzen. Verliert der Mediator seine Neutralität, so kann er auch seine Autorität verlieren. Damit wären die dauerhafte Befriedung der Parteien und der Erfolg der Umweltmediation gefährdet. Die Neutralität des Umweltmediationskomitees hat zwei Bestandteile: die Verfahrensneutralität und die persönliche Neutralität. Da es Neutralität immer nur im Zusammenhang mit Entscheidungen geben kann, müssen die Verfahrensentscheidungen des Umweltmediationskomitees neutral sein. 18
IV. Voraussetzungen der Umweltmediation Das Verfahren der Umweltmediation nach UMG wird prinzipiell durch einen Antrag der am Streit beteiligten Parteien bzw. Personen eröffnet. Ein Antrag auf ein Vermittlungs- oder Schlichtungsverfahren bzw. auf ein außergerichtliches Haftungsurteil hat bestimmte formelle Voraussetzungen zu erfüllen, die sich nach § 16 Abs. 1 UMG in Verbindung mit § 8 der UMG-Ausführungsverordnung richten. ___________ 18
S. C. Kim, A Discussion of the Dispute Resolution Mechanism Based on the Environmental Dispute Adjustment Act in Regards to the General Principles of ADR, Environmental Law Review, Vol. 30 Nr. 3, 2008, p. 120.
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1. Streitparteien Einen Antrag auf eine Umweltmediation kann nach dem System des UMG nur eine von der Streitigkeit betroffene Partei stellen. Voraussetzung der Antragsstellung sind demnach Parteifähigkeit und Antragsbefugnis. a) Parteifähigkeit Parteifähig ist derjenige, der Subjekt bzw. Träger zivilrechtlicher Rechtspflichten ist. Konkret formuliert heißt dies, dass es sich entweder um eine natürliche Person, eine juristische Person, den koreanischen Staat oder eine Gemeinde handeln muss. Somit besitzt derjenige Parteifähigkeit, dem Rechtsfähigkeit zukommt. b) Vertretung der Streitparteien Gemäß § 22 Abs. 1 UMG können sich die Streitparteien durch einen Rechtsanwalt, oder eine andere, von dem Vorsitzenden des Umweltmediationskomitees anerkannte Person vertreten lassen. Die Vertretungsbefugnis muss hierbei schriftlich nachgewiesen werden (Abs. 3). Auch bedarf der Vertreter für bestimmte Handlungen, wie die Rücknahme des Antrags, die Annahme eines Schlichtungsvorschlages oder die Bestellung eines Untervertreters, einer besonderen Ermächtigung. c) Streitgenossenschaft § 20 Abs. 1 UMG bestimmt, dass im Rahmen eines bereits anhängigen Schlichtungsverfahrens bzw. eines Verfahrens, das zu einem außergerichtlichen Haftungsurteil führt, die Möglichkeit besteht, dass sich eine oder mehrere weitere Personen, die einen Schaden aus denselben Gründen beklagen, ebenfalls an dem Verfahren beteiligen. Gemäß Abs. 2 setzt dies die Zustimmung der Streitparteien voraus. Diese Beteiligung einer dritten Person oder weiterer Personen an einem anhängigen Verfahren führt zur Bildung einer Streitgenossenschaft auf einer Seite des Rechtsstreits, die jedoch eindeutig von der sog. Nebenintervention abzugrenzen ist, welche die Beteiligung eines Dritten im eigenen Namen an einem zwischen zwei anderen Parteien anhängigen Rechtsstreit zum Zweck der Unterstützung einer Partei bezeichnet. 19 Voraussetzung für die Bildung dieser ___________ 19 C. H. Choi, The System of the administrative Dispute Resolution on the pollution dispute in Japan, Public Law Journal, Vol. 5 Nr. 2, 2004, pp. 549.
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Streitgenossenschaft ist nach § 20 Abs. 1 UMG, dass die Betreffenden hinsichtlich des Streitgegenstandes aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund einen Schaden geltend machen. 2. Form des Antrags Ein Antrag auf ein Umweltmediationsverfahren in Form eines Vermittlungsoder Schlichtungsverfahrens bzw. eines Verfahrens, das zu einem außergerichtlichen Haftungsurteil führt, ist in schriftlicher Form zu stellen. Die äußere Gestaltung des Antrags richtet sich nach § 8 der UMG-Ausführungsverordnung. Nach Abs. 1 Ziffer 1 dieser Verordnung hat der Antragsteller zunächst Angaben zu seiner Person zu machen. Diesen Angaben folgt ein detaillierter Bericht. Er erfordert zunächst die Auflistung der Namen und Wohnorte aller beteiligten Personen, zu denen der Antragsteller selbst, sein Stellvertreter und der Antragsgegner zählen. Daneben sind das Datum und der Ort zu nennen, an dem die unternehmerischen Aktivitäten oder die sonstigen menschlichen Handlungen durchgeführt wurden, die zu den Umweltschäden geführt haben (Abs. 1 Ziffer 2). Ferner ist in den Antrag aufzunehmen, was der Antragsteller konkret mit der Streitbeilegung erzielen möchte. So kann er beispielsweise das Unterlassen einer bestimmten Handlung des Antragsgegners fordern oder Schadensersatz verlangen. Der Antrag muss darüber hinaus genaue Angaben zur schädigenden Handlung und zum Schaden selbst enthalten. Darüber hinaus sind die tatsächlichen Grundlagen für die Ermittlung der Schadenshöhe anzugeben. Schließlich hat der Antragsteller den Streitverlauf darzustellen (Abs. 1 Ziffer 3). Die Schilderung des Streitverlaufes erfolgt hierbei durch eine Beschreibung der Umstände des Schadenseintritts und des Inhalts der Verhandlungen zwischen den beteiligten Parteien.
V. Verfahren der Umweltmediation Grundsätzlich können die Beteiligten durch Übereinkunft zwischen einem Vermittlungs- und Schlichtungsverfahren und der Durchführung eines außergerichtlichen Haftungsverfahrens wählen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann nach § 30 UMG ein Schlichtungsverfahren aber auch von Amts wegen eingeleitet werden. Grundsätzlich ist das Verfahren der Umweltmediation nach § 25 UMG nicht öffentlich.
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1. Vermittlung a) Vermittlungsausschuss Nachdem durch einen Antrag ein Vermittlungsverfahren eingeleitet wurde, wird nach § 27 UMG zunächst aus den Mitgliedern des Umweltmediationskomitees ein dreiköpfiger Vermittlungsausschuss gebildet. § 28 UMG bestimmt, dass die Mitglieder des Vermittlungsausschusses dazu verpflichtet sind, zwischen den beiden Streitparteien zu vermitteln, die Kernaussage der Behauptungen beider Parteien herauszuarbeiten und so zu versuchen, den Streit gerecht beizulegen. Um die Vermittlungsgespräche voranzutreiben, kann der Vermittlungsausschuss bei anderen Verwaltungseinrichtungen Materialien anfordern oder Untersuchungen in Auftrag geben. b) Ende des Vermittlungsverfahrens Das Vermittlungsverfahren gilt als beendet, wenn entweder eine Vermittlung zustande gekommen ist oder das Verfahren von den Mitgliedern des Vermittlungsausschusses für beendet erklärt wird, weil eine Lösung der Streitigkeiten aussichtslos erscheint (§ 29 Abs. 1 UMG) oder wenn die antragstellende Partei ihren Antrag zurücknimmt, was ebenfalls jederzeit möglich ist. Kommt eine Vermittlung erfolgreich zustande, ist ein schriftliches Protokoll bezüglich des Inhalts der Einigung zwar nicht zwingend notwendig, die schriftliche Form gilt aber dennoch als empfehlenswert. 2. Schlichtung a) Schlichtungsausschuss Wie ein Vermittlungsverfahren wird auch ein Schlichtungsverfahren im Regelfall nach dem Einreichen einer diesbezüglichen Antragsschrift dadurch eröffnet, dass zunächst seitens der Mitglieder des Umweltmediationskomitees drei Personen ausgewählt werden, welche den Schlichtungsausschuss für den konkreten Streitfall bilden und einen Vorsitzenden wählen. Hierbei ist es dem Schlichtungsausschuss sogar gestattet, sich nur mit einer Streitpartei zu Gesprächen zu treffen oder zu Ortsbesichtigungen zu verabreden, wenn dies erforderlich erscheint. 20 ___________ 20 S. S. Kim, Relations between Court und ADR in Environmental Disputes Resolutions, Environmental Law Review, Vol. 28 Nr. 1, 2006, pp. 119.
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b) Schlichtungsvorschlag Falls sich nach Meinung der Mitglieder des Schlichtungsausschusses eine selbstständige Lösung der Streitigkeiten seitens der Streitparteien als schwierig erweisen sollte, obliegt es dem Schlichtungsausschuss, nach § 33 UMG einen Schlichtungsvorschlag zu erarbeiten. Theoretisch können die beteiligten Parteien diesen nach freiem Ermessen annehmen oder ablehnen. Der Schlichtungsausschuss legt einen Zeitraum von 30 oder mehr Tagen fest, innerhalb dessen der Vorschlag von den Beteiligten angenommen werden kann. Stimmen die Streitparteien innerhalb dieses Zeitraumes dem Schlichtungsvorschlag nicht ausdrücklich zu, so kommt eine Schlichtungsvereinbarung nicht zustande. Unter diesen Umständen gilt das Schlichtungsverfahren als beendet (§ 35 Abs. 2 UMG). Wird eine Übereinkunft der Streitparteien erzielt und kommt es somit zur Annahme des Schlichtungsvorschlages, so wird der Inhalt dieses Vorschlags schriftlich niedergelegt. Er hat dieselbe Wirkung wie ein gerichtlicher Vergleich (§ 33 Abs. 2 UMG). Wichtigstes Merkmal des gerichtlichen Vergleichs ist dessen Vollstreckbarkeit, d. h. beide Parteien können die Einhaltung der Vergleichsvereinbarung von der jeweils anderen Partei erzwingen. 21 c) Ende bzw. Abbruch des Schlichtungsverfahrens Ein Schlichtungsverfahren kann jederzeit durch einseitige oder übereinstimmende Antragsrücknahme beendet werden. Entscheidet sich nur eine der beiden Streitparteien für eine Rücknahme, so benötigt sie hierfür nicht die Zustimmung der anderen Partei. Daneben liegt es nach § 35 Abs. 1 UMG im Ermessen des Schlichtungsausschusses, eine Schlichtung zu jedem Zeitpunkt abzubrechen, wenn die Möglichkeit, eine Übereinkunft der Streitparteien zu erzielen, ausgeschlossen zu sein scheint. In der Praxis geschieht dies z.B. dann, wenn die Streitparteien nicht bei der Schlichtungssitzung erscheinen, oder auch dann, wenn das Schlichtungsverfahren zwar Fortschritte macht, es aber keine Aussicht auf eine Übereinkunft der Streitparteien gibt. Wird eine Schlichtung auf diese Art und Weise abgebrochen und wird innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Abbruchs der Schlichtung Klage erhoben, so wird nach § 35 Abs. 4 UMG die Klage hinsichtlich laufender Fristen so behandelt, als sei sie zum Zeitpunkt des Beginns des Schlichtungsverfahrens eingereicht worden. ___________ 21 C. H. Kang, Environmental Dispute Resolution as a ADR and Environmental Litigation, Environmental Law Review, Vol. 30 Nr. 3, 2008, p. 186.
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Ein Schlichtungsverfahren kann darüber hinaus auch beendet werden, ohne dass das Verfahren jemals aufgenommen wurde: Das ist der Fall bei der Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens. So sind die Mitglieder des Schlichtungsausschusses dazu befugt, den Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß § 34 UMG zurückzuweisen, wenn die Streitigkeit, auf die sich der Antrag bezieht, ihrer Natur nach nicht für eine Schlichtung geeignet ist oder wenn der Antrag der Parteien rechtsmissbräuchlich ist. 3. Außergerichtliches Haftungsurteil a) Urteilsausschuss Nachdem ein Antrag auf ein außergerichtliches Haftungsurteil beim Nationalen Umweltmediationskomitee eingegangen ist, wählen der Vorsitzende bzw. die Mitglieder des Komitees nach § 36 Abs. 1 UMG unter allen Mitgliedern des Komitees 5 Personen aus, die den Urteilsausschuss bilden. Dieser Urteilsausschuss kann unter Anwendung bestimmter Verfahren, welche z.B. die Suche nach Beweismitteln beinhalten, eine Streitbeilegung durch ein außergerichtliches Haftungsurteil herbeiführen. § 17 Abs. 2 UMG gestattet das Verwerfen eines nicht ordnungsmäßigen Antrags durch Beschluss, wenn sich die Mängel des Antrags nicht korrigieren lassen. b) Besonderheit des Verfahrens Nach Eröffnung des Verfahrens gibt der Urteilsausschuss zunächst den ersten Sitzungstermin bekannt und ermittelt dann die tatsächlichen Umstände, indem er sich die Standpunkte der Parteien anhört und Beweise erhebt oder versucht, auf andere Art und Weise die tatsächlichen Gegebenheiten aufzuklären. Grundsätzlich folgen diese Verfahren den Verfahrenvorschriften des Zivilprozesses, jedoch mit einigen Besonderheiten. 22 Zum einen dürfen die Mitglieder des Urteilsausschusses gemäß § 38 Abs. 1 UMG von Amts wegen Beweise erheben und Untersuchungen vor Ort durchführen. Zum anderen eröffnet § 39 UMG die Möglichkeit, bereits vor dem Einreichen eines Antrags auf ein Haftungsurteil wichtige Beweise sicherstellen zu lassen, wenn erkennbar ist, dass besondere Umstände dies erfordern. Der Unterschied zu den sonstigen Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung liegt darin, dass die Anhörung der Streitparteien hier nach § 37 Abs. ___________ 22 K. H. Ahn, Zivilrechtliche Haftung für Umweltbeeinträchtigung, Environmental Law Review, Vol. 28 Nr. 3, 2006, pp. 45.
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3 UMG prinzipiell öffentlich ist. Ausnahmen werden nur gemacht, wenn Firmengeheimnisse oder die Intimsphäre einer Privatperson zu schützen sind, wenn befürchtet werden muss, dass die Unparteilichkeit des Verfahrens möglicherweise hierdurch gefährdet werden könnte oder wenn ein Ausschluss der Öffentlichkeit im öffentlichen Interesse für notwendig erachtet wird. 23 Nach § 40 Abs. 1 UMG wird das Haftungsurteil in schriftlicher Form abgefasst und muss überdies u.a. explizit den Urteilstenor und die Gründe für das Urteil darlegen. c) Rechtliche Wirkung Wenn innerhalb von 60 Tagen nach Zustellung der Urschrift des Haftungsurteils an die beteiligten Parteien kein gerichtlicher Schadensersatzprozess eingeleitet wird, entfaltet das außergerichtliche Haftungsurteil nach § 42 Abs. 2 UMG, der die Wirkung der Haftungsurteile bestimmt, die Wirkungen eines gerichtlichen Vergleichs. 24 Wird ein Antrag auf ein außergerichtliches Haftungsurteil in einer Angelegenheit gestellt, die bereits vor Gericht anhängig ist, so kann der Gerichtshof das gerichtliche Verfahren nach § 45 Abs. 1 UMG bis zu dem Abschluss des außergerichtlichen Haftungsurteils unterbrechen. Für den Fall, dass das Gericht entscheidet, dass das gerichtliche Verfahren nicht unterbrochen wird, kann jedoch auch der Urteilsausschuss des Nationalen Umweltmediationskomitees nach Abs. 2 das außergerichtliche Verfahren unterbrechen. d) Verjährungsfristen Der Rückgriff auf Umweltmediationsverfahren könnte das Recht auf Zugang zur Justiz beeinträchtigen, wenn die Klagefristen dennoch weiterlaufen würden. Nach einem gegebenenfalls gescheiterten Umweltmediationsverfahren hätten die Streitparteien dann unter Umständen keine Gelegenheit mehr, den Rechtsweg zu beschreiten, oder die einschlägigen Verjährungsfristen wären ohne Grund de facto verkürzt worden. Um das zu verhindern, wird nach § 44 UMG der Antrag auf ein Haftungsurteil bezüglich der Unterbrechung der Verjährung bzw. der Wahrung der Klagefrist als gerichtliches Klagebegehren betrachtet. D. h. die Verjährungsfrist wird bei Beginn des Haftungsurteilsverfah-
___________ 23
H. K. Kim, Umweltrecht, 2007, S. 515. C. H. Kang, Environmental Dispute Resolution as a ADR and Environmental Litigation, Environmental Law Review, Vol. 30 Nr. 3, 2008, p. 188. 24
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rens unterbrochen und beginnt erst wieder ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem das Verfahren ergebnislos beendet wurde. 25 4. Umweltmediation mit großen Gruppen Die Gruppe der Betroffenen in Umweltmediationsverfahren ist in den meisten Fällen sehr groß. Das Ergebnis eines Mediationsverfahrens kann Auswirkungen auf mehrere Millionen Menschen haben. 26 Im Rahmen eines solchen Verfahrens ist somit der Einsatz von Repräsentanten nötig, die jeweils die Interessen einer bestimmten Gruppe im Verfahren vertreten. § 46 Abs. 1 UMG eröffnet die Option, dass bei Verfahren, an denen in der Regel eine große Anzahl von Personen mit gleichartigen Interessen beteiligt sind, die Beteiligten aus ihrer Mitte einen oder mehrere Repräsentanten auswählen dürfen.
VI. Kosten der Umweltmediation Entscheiden sich Personen, die sich durch einen Umweltschaden beeinträchtigt fühlen, dafür eine Vermittlung, eine Schlichtung oder ein außergerichtliches Haftungsurteil nach dem UMG anzustrengen, so richten sich die Kosten für die Inanspruchnahme dieser alternativen Streitbeilegungsverfahren grundsätzlich nach § 63 UMG. Grundsätzlich ist, was die Kosten der außergerichtlichen Beilegung von Umweltstreitigkeiten anbelangt, zwischen einer Verfahrensgebühr und weiteren für die Durchführung des Verfahrens notwendigen Kosten zu differenzieren. 1. Verfahrensgebühren Wird beim Umweltmediationskomitee ein Vermittlungs-, Schlichtungs- oder außergerichtliches Urteilsverfahren beantragt, so gehen nach der UMG-Ausführungsverordnung bestimmte Verfahrensgebühren gemäß § 63 Abs. 2 UMG zu Lasten der betroffenen Parteien. § 35 Abs. 1 der UMG-Ausführungsverordnung in Verbindung mit der Tabelle im Anhang der Verordnung bestimmt, ___________ 25 S. S. Kim, Relations between Court und ADR in Environmental Disputes Resolutions, Environmental Law Review, Vol. 28 Nr. 1, 2006, pp. 121. 26 Ein bekanntes Beispiel in Korea war sog. Saemangeum-Case. Dazu vgl. N. C. Chung, A Study on the Conflict between Interests of Development and Environmental Protection in the Environmental Lawsuit, Environmental Law Review, Vol. 28 Nr. 1, 2006, pp. 239.
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welche Gebühren für die Inanspruchnahme der Hilfe des Mediationskomitees für das jeweilige Verfahren erhoben werden. 2. Verfahrenskosten Die Kosten, welche für die seitens des Umweltmediationskomitees durchgeführten Verfahren der Vermittlung, Schlichtung oder außergerichtlichen Haftungsurteile anfallen, tragen gemäß § 63 Abs. 1 UMG grundsätzlich alle Beteiligten, es sei denn, eine Rechtsverordnung bestimmt etwas anderes. Die Ausnahmen zum Grundsatz des § 63 Abs. 1 UMG definiert § 34 der UMG-Ausführungsverordnung. So müssen die Beteiligten beispielsweise nicht für die Tagesgelder, die hier als Aufwandsentschädigung eingestuft werden können, die Reise- und evtl. die Übernachtungskosten der Mitglieder der jeweiligen Vermittlungs-, Schlichtungs- oder Urteilsausschüsse und der u.U. zu Rate gezogenen Fachleute und Beamten aufkommen. 27 Ebenso wenig gehen gemäß § 34 der UMG-Ausführungsverordnung die Aufwandentschädigung sowie die Reise- und Übernachtungskosten, die bei der Anhörung von Personen, die über relevante Sachinformationen verfügen oder durch Sachverständigenanhörungen verursacht werden, zu Lasten der Beteiligten. Grund hierfür ist die große Bedeutung dieser Aussagen für die Beilegung der Umweltstreitigkeiten. Eine weitere Ausnahme bilden die Unkosten, die dadurch entstehen, dass Mitglieder des Schlichtungsausschusses die Vorlage von Urkunden verlangen. Die Unkosten für den Schriftverkehr oder die Telefonate, die zum Zwecke von Zustellungen oder Vorladungen erforderlich sind, werden ebenfalls aus den Parteikosten ausgeklammert.
VII. Die Praxis der Umweltmediation Was die Wertung der Tätigkeit der Geschäftsstelle des Nationalen Umweltmediationskomitees anbelangt, so muss an erster Stelle positiv die alljährliche Veröffentlichung des Weißbuches über die Beilegung von Umweltstreitigkeiten betont werden. Das statistische Jahrbuch liefert viele wertvolle Informationen über die praktische Umsetzung des Umweltmediationsgesetzes. Anhand der statistischen Erhebungen lassen sich Erkenntnisse darüber gewinnen, inwieweit der koreanische Bürger die Alternative zur Justiz bei Umweltproblemen de facto zu Rate zieht und zu welchen Ergebnissen diese Verfahren führen. ___________ 27
Park/Ham, Umweltrecht, 3. Aufl., 2008, S. 247 f.
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Die Umweltmediation hat in der Praxis große Bedeutung, was für den Bürger insofern von Vorteil ist, als er auf diese Weise einen besseren Zugang zum Recht erhält. Seit Inkrafttreten des Systems zur Beilegung von Streitigkeiten über Umweltschäden im Jahr 1990 bis zum Jahr 2008 wurden beim Nationalen Umweltmediationskomitee insgesamt 2405 Anträge auf eine außergerichtliche Streitbeilegung in Umweltbelangen gestellt und davon 1959 Verfahren beendet. Interessanterweise wurde im Laufe dieser Jahre nur je ein einziges Schlichtungsverfahren eingeleitet und beendet. Es wurden nur 42 Schlichtungsverfahren beendet. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, d. h. in 1057 Verfahren, wurde das Nationale Umweltmediationskomitee damit beauftragt, ein außergerichtliches Haftungsurteil zu fällen. 272 Verfahren wurden nach Aufnahme der Verhandlungen zurückgenommen oder abgebrochen. 174 Verfahren blieben weiterhin anhängig. Es wird aber kritisiert, dass nur die Verfahrensart des außergerichtlichen Haftungsurteils im Verlauf der zwanzigjährigen Praxis große Bedeutung erlangt hat. 28 Beendete Verfahren Angenommene Verfahren
Gesamt
außer. Schlichtung Einigung Urteil
zurückgenommen
Anhängige Verfahren
Gesamt
2,405
1,959
1,057
42
860
272
174
2008
301
209
149
-
60
8
174
2007
196
172
126
3
43
13
(90)
2006
202
165
83
2
80
32
(79)
2005
166
174
100
4
70
18
(74)
2004
195
223
101
1
121
49
(100)
2003
350
292
87
-
205
81
(177)
2002
440
263
118
2
143
30
(200)
2001
154
121
68
7
46
10
(53)
2000
70
60
39
3
18
10
(30)
1999
82
79
35
1
43
10
(30)
1990-98
249
201
151
19
31
11
(37)
Was die Verteilung der vier typischen in der Antragsschrift genannten Umweltschäden anbelangt, so richten sich bei zulässiger Mehrfachnennung die ___________ 28 H. S. Cho, Economics of Alternative Dispute Resolution, The Journal of Comparative Private Law, Vol. 13 Nr. 1, 2006, p. 144.
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meisten Anträge gegen Beeinträchtigungen durch Lärm oder Erschütterungen (86%). An zweiter Stelle liegen die Streitverfahren, in denen eine Luftverschmutzung geltend gemacht wird (7%). Platz drei nehmen die Anträge ein, die sich gegen Schäden durch Wasserverunreinigungen richten. 29
Jahr
Lärm/ Gesamt Erschütterungen
Luftverschmutzung
Wasserverunreinigung
MeeresSonstige verschmutzung
Gesamt
1,959
1,681
139
64
9
66
(%)
(100)
(86)
(7)
(3)
(1)
(3)
2008
209
173
8
3
-
25
2007
172
142
7
3
-
20
2006
165
150
8
3
-
4
2005
174
151
11
5
-
7
2004
223
206
8
3
1
5
2003
292
264
19
8
-
1
2002
263
229
26
4
-
4
2001
121
103
11
7
-
-
2000
60
49
7
4
-
-
1999
79
67
8
4
-
-
1990-98
201
147
26
20
8
-
Das Gros der Verfahren in den letzten zwanzig Jahren wurde innerhalb eines Zeitraums von 4 bis 6 Monate abgeschlossen (45%). Fast 29% der Verfahren wurden innerhalb von 7 bis 9 Monate beendet. Gut 21% der Verfahren konnten bereits in den ersten drei Monaten beendet werden. Nur 5% aller Verfahren wurden erst nach über 10 Monaten beendet. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 5,5 Monate.
___________ 29 B. R. Choi, The Status und Improvement Schemes of Environmental Dispute Mediation, Environmental Law Review, Vol. 29 Nr. 2, 2007, p. 510.
Mediation im Umweltrecht
233
Verfahrensdauer Jahr
Beendete Verfahren
Durchschnitt (Monate)
Gesamt
1,959
(%)
(100)
2008
209
2007
172
2006 2005
Weniger als 1 Monat
1 bis 3
4 bis 6
7 bis 9
Mehr als
Monate
Monate
Monate
10 Monate
78
329
895
568
89
(4)
(17)
(45)
(29)
(5)
5.0
9
31
131
33
5
5.2
1
18
124
26
3
165
5.6
5
14
93
51
2
174
6.4
3
10
73
82
6
2004
223
7.3
14
6
36
137
30
2003
292
6.5
10
18
99
156
9
2002
263
3.1
17
125
121
-
-
2001
121
3.5
10
40
57
12
2
2000
60
4.7
3
15
24
15
3
1999
79
5.4
1
11
44
20
3
1990-1998
201
5.7
5
41
93
36
26
5.5
VIII. Schlussbemerkung Das Gesetz über Mediation bei Umweltstreitigkeiten (Umweltmediationsgesetz) trat in Korea am 1. August 1990 in Kraft. Auf Grundlage dieses Gesetzes wurde ein System zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Umweltschäden geschaffen. Das koreanische System der Umweltmediation differenziert zwischen Vermittlungs-, Schlichtungs- und Urteilsverfahren. Mit der umfassenden gesetzlichen Regelung der Umweltmediation hat der koreanische Gesetzgeber rechtspolitisches Neuland beschritten. Korea gehört damit im internationalen Vergleich zu den Vorreitern einer legislativen Institutionalisierung der Umweltmediation. Der Umweltmediation kommt im Gesamtgefüge der Beilegung von zivilen Streitigkeiten über Umweltschäden eine bedeutende Funktion zuw. Es zeichnet sich in erster Linie positiv durch seine Bürgernähe, die geringeren Kosten und die Tatsache aus, dass bei hochkomplexen technischen Umweltproblemen Hilfe zur Verfügung gestellt wird, die zu einer schnellen konstruktiven Problemlösung führt. Im Verlauf der zwanzigjährigen Rechtspraxis hat sich die Überzeu-
234
Dongsoo Song
gung gefestigt, dass bei manchen Umweltstreitigkeiten der außergerichtliche Weg besser geeignet ist, um einen umfassenden und nachhaltigen Interessenausgleich der streitenden Parteien zu erreichen. Die Ergebnisse der Rechtspraxis haben gezeigt, dass immer dann, wenn im Rahmen von Umweltstreitigkeiten unser demokratisches System an Grenzen stößt, Umweltmediation als Rettungsanker ins Spiel gebracht wird. Abschließend stellt sich aus meiner Sicht eine zentrale Frage: In welcher Form kann und soll in Zukunft die Methode der koreanischen Umweltmediation eine Ergänzung zu unserem demokratischen System sein bzw. wie und in welche Richtung soll Umweltmediation weiterentwickelt werden, damit auch aus demokratiepolitischer Sicht tragfähige Lösungen im Interesse aller Betroffenen entstehen können?
Mediation im Umweltrecht Von Annette Guckelberger In den vergangenen Jahren haben konsensuale Methoden der Streitbeilegung in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewonnen. 1 Besonders plastisch wird dies anhand der Äußerung des Gutachters Prof. Dr. Burkhard Hess anlässlich des Deutschen Juristentags 2008 in Erfurt, wonach die Mediation und andere Formen der konsensualen Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution) in Deutschland keinesfalls mehr Fremdwörter sind. 2 Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass sich Streitigkeiten nicht nur durch autoritative Entscheidungen lösen lassen. Es gibt durchaus Situationen, in denen sich die Parteien unterstützt durch einen Dritten im Wege autonomer Verhandlungen selbst auf eine effektive und zukunftsweisende Lösung ihres Konflikts verständigen können. 3 Im Jahre 2007 meinte das Bundesverfassungsgericht gar in Bezug auf die nordrhein-westfälische Regelung über obligatorische Streitschlichtungsverfahren, dass auch in einem Rechtsstaat die Bewältigung einer zunächst streitigen Problemlage durch eine einverständliche Lösung grundsätzlich gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung vorzugswürdig ist. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten, nur kontradiktorische Verfahren vorzusehen. Vielmehr könne er auch Anreize für eine einverständliche Streitbeilegung schaffen, etwa um die Konfliktlösung zu beschleunigen, den Rechtsfrieden zu fördern oder die staatlichen Gerichte zu entlasten. 4 Weiteren Auftrieb erhalten die alternativen Streitbeilegungsverfahren durch die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen. 5 Durch diesen bis zum 21. Mai 2011 ins nationale Recht umzusetzenden ___________ 1
Prütting, JZ 2008, 847; Spindler, DVBl. 2008, 1016. Hess, Mediation und weitere Verfahren konsensualer Streitbeilegung, Gutachten F für den 67. Deutschen Juristentag, München 2008, F 9. 3 Hess (Fn. 2), F 9; Prütting, JZ 2008, 847. 4 BVerfG, NJW-RR 2007, 1073 (1074). 5 ABl. EU 2008 Nr. L 136, S. 3 ff.; s. dazu Eidenmüller/Prause, NJW 2008, 2737 ff.; Graf-Schlicker, ZKM 2009, 83 ff.; Lahann, ZEuS 2008, 359 ff.; Probst, JR 2009, 265 ff.; Wozniewski, NZG 2008, 410 ff. 2
236
Annette Guckelberger
Gemeinschaftsrechtsakt 6 soll der Einsatz der Mediation in grenzüberschreitenden Streitfällen in Zivil- und Handelssachen gefördert und damit ein einfacherer, verbesserter Zugang zum Recht ermöglicht werden. 7 Auch wenn diese EGRichtlinie gemäß ihrem Art. 1 Abs. 2 S. 2 nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte gilt, ist nicht auszuschließen, dass im Rahmen der nationalen Umsetzungsgesetzgebung die Frage nach der Institutionalisierung der Mediation im Öffentlichen Recht aufgeworfen werden wird. Wie die Beschränkung der EG-Mediationsrichtlinie auf zivilrechtliche Streitigkeiten vermuten lässt, 8 werden Mediationsverfahren in Deutschland bislang bei öffentlich-rechtlichen Sachverhalten eher in Ausnahmesituationen durchgeführt. 9 Um beurteilen zu können, inwieweit diese Konfliktlösungsmethode in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten zum Einsatz gelangen kann, soll kurz dargelegt werden, was unter einer Mediation zu verstehen ist, wie sie abläuft und welche Arten von Mediation zwischenzeitlich unterschieden werden. Anschließend ist aufzuzeigen, wie die Mediation insbesondere über das Umweltrecht nach und nach im Öffentlichen Recht Fuß fassen konnte und in welchen Fällen sie Erfolg verspricht. Zugleich wird erörtert, wie sich diese Konfliktlösungsmethode mit dem aktuellen Rechtsregime in Einklang bringen lässt. Nach einer Vorstellung einzelner, für die Mediation im Umweltrecht bedeutsamer Rechtsvorschriften wird der Frage nachgegangen, ob nicht auch im Öffentlichen Recht die Mediation als Konfliktlösungsmethode eingehender geregelt werden sollte.
___________ 6 S. Art. 12 Abs. 1 RL. Eine Ausnahme besteht hins. Art. 10 RL, dem spätestens bis zum 21.11.2010 nachzukommen ist. 7 S. Erwägung (3) RL. Nach der Erwägung (6) kann die Mediation durch auf die Bedürfnisse der Parteien zugeschnittene Verfahren eine kostengünstige und rasche außergerichtliche Streitbeilegung in Zivil- und Handelssachen bieten. Im Mediationsverfahren erzielte Vereinbarungen werden eher freiwillig eingehalten und wahren eher eine wohlwollende und zukunftsfähige Beziehung zwischen den Parteien. S. dazu auch Eidenmüller/Prause, NJW 2008, 2737 (2740). 8 Wagner/Thole, in: FS für Jan Kropholler, 2008, S. 915 (922 f.) erklären die Ausklammerung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten damit, dass die Zeit für europäische Vorgaben in diesem Bereich noch nicht reif ist, weil es an einem Mindestmaß an europäischer Harmonisierung des Verwaltungsgerichtsverfahrensrechts fehle. 9 So Geis, in: Schuppert/Voßkuhle, Governance von und durch Wissen, 2009, S. 151 (153); Perschel, in: FS für Ekkehart Stein, 2002, S. 245 (273).
Mediation im Umweltrecht
237
I. Zur Mediation als Konfliktlösungsmethode Bis heute gibt es in Deutschland keine allgemein verbindliche Definition zur Mediation. 10 Es lässt sich inzwischen jedoch ein weitgehender Konsens hinsichtlich bestimmter Kernelemente dieser Methode feststellen. 11 Bei der Mediation handelt es sich um ein strukturiertes Verfahren zur konstruktiven Beilegung oder Vermeidung eines Konfliktes, für welches nach überwiegender Meinung die Freiwilligkeit der Teilnahme prägend ist. 12 In diesem Verfahren wollen die Konfliktparteien, auch Medianten genannt, mit Unterstützung eines neutralen 13 oder/und allparteilichen 14 Dritten einen Konsens zu einer möglichst dauerhaften Lösung eines Problems erarbeiten. 15 Im Zentrum des Geschehens stehen somit die Verhandlungen der Kontrahenten. 16 Der Mediator darf den Konflikt nicht selbst entscheiden. Er soll die Parteien nur darin unterstützen, durch Reflexion eigenständig zu einer einvernehmlichen Auflösung ihrer Interessengegensätze zu gelangen. 17 Zu seinen Aufgaben gehört es zum Beispiel, sprachliche Defizite bzw. Artikulationsschwierigkeiten einzelner Teilnehmer gegenüber redegewandten Kontrahenten auszugleichen, 18 oder zu bewirken, ___________ 10 Geis (Fn. 9), S. 153; Hess (Fn. 2), F 15; Schenke, in: FS für von Zezschwitz, 2005, S. 130 (133); Ziekow, NVwZ 2004, 390. 11 Geis (Fn. 9), S. 153; Hess (Fn. 2), F 15. 12 Appel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2008, § 32 Rn. 110; Bargen, in: Schwarze, Bestand und Perspektiven des Europäischen Verwaltungsrechts, 2008, S. 319 (322 f.); Hess (Fn. 2), F 16; Pitschas, NVwZ 2004, 396 (397); die Freiwilligkeit wird auch erwähnt bei Bamberger, RuP 2009, 37 ff.; v. Hoyningen-Huene, JuS 1997, 352; Siegel, NuR 2002, 79 (80); Stumpf, Alternative Streitbeilegung im Verwaltungsrecht, 2006, S. 274. 13 So z. B. Härtel, JZ 2005, 753 (754); Ortloff, NVwZ 2007, 33; Siegel, NuR 2002, 79 (80); s. näher zur Neutralität König, Jura 2008, 416 (419). Kritisch gegenüber eingrenzenden Merkmalen hinsichtlich des Dritten Hess (Fn. 2), F 17. 14 So Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 114; Bargen (Fn. 12), S. 323; Perschel (Fn. 9), S. 265; Pitschas, NVwZ 2004, 396 (397), wonach Allparteilichkeit bedeutet, dass der Mediator allen Streitparteien mit gleichviel Achtung und Wertschätzung begegnen muss. Nach dem Artikel „Mediation“ in Wikipedia, abgerufen am 1.9.2009, geht die Allparteilichkeit über die Neutralität hinaus. Da der Mediator auf Seite jedes Beteiligten zu stehen hat, hat er z. B. für die Ausgleichung eines Machtgefälles zwischen den Medianten zu sorgen. S. auch Rüssel, Mediation in komplexen Verwaltungsverfahren, 2004, S. 86 f. und kritisch Hess (Fn. 2), F 17. 15 Bargen (Fn. 12), S. 322 f.; Spindler, DVBl. 2008, 1016 (1017). 16 Pitschas, NVwZ 2004, 396 (397); Siegwart, in: Waldmann/Weissenberger, VwVG, 2008, Art. 33b Rn. 20. 17 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 102; Härtel, JZ 2005, 753 (754); Hess (Fn. 2), F 16; Pitschas, NVwZ 2004, 396 (397); Schenke (Fn. 10), S. 133; Stumpf (Fn. 12), S. 274 f. 18 Bamberger, RuP 2009, 37 (38); eingehend zu den Einigungshindernissen Duve, in: Frieden und Recht, 1998, S. 137 ff.; s. auch Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (11).
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Annette Guckelberger
dass die Parteien Sachfragen von Personen trennen. 19 Mit den Worten von König ist Mediation ein „Prozess der Gestaltung von Veränderungen“, dessen Ziel nicht immer in der Lösung eines Konfliktes besteht. „Das kann zwar ein Ziel sein, ist aber nicht in jedem Fall das eigentliche Ziel der Konfliktparteien. Veränderungen können nicht aufgezwungen werden, aber es können Impulse so gesetzt werden, dass in einem System Veränderungen stattfinden.“ 20 Alles in allem beruht die Mediationsmethode auf einer Synthese zahlreicher Elemente diverser Disziplinen. 21 Nach Art. 3 lit. a EG-Mediationsrichtlinie ist die „Mediation“ ein strukturiertes Verfahren, in dem zwei oder mehr Streitparteien auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeit zu erzielen. 22 Beim „Mediator“ handelt es sich um eine Person, die darum ersucht wird, das Verfahren auf wirksame, unparteiische und sachkundige Weise durchzuführen (Art. 3 lit. b RL). Mediator kann auch ein Richter sein, der nicht für ein Gerichtsverfahren in der betreffenden Streitsache zuständig ist (Art. 3 lit. a RL). Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Phasenmodelle der Mediation herausgebildet. 23 Je nach Schwerpunktbildung und Zusammenfassung der Arbeitsschritte variiert die Anzahl der Verfahrensstufen. 24 Da die Problemlösung bei der Mediation bei den Parteien liegt, richtet sich der Ablauf des Mediationsverfahrens stets nach den Besonderheiten des Einzelfalls. 25 Idealtypisch lassen sich grob folgende Stufen des Mediationsverfahrens unterscheiden: In der sog. Initiierungsphase wird vor allem über das „Ob“ der Mediation entschieden und die Person des Mediators bestimmt. 26 Des Weiteren werden die organisatorischen Rahmenbedingungen, wie die Dauer und Kosten des Verfahrens, besprochen sowie die Verhandlungsregeln abgestimmt. 27 Zu Beginn der zweiten Phase stellen die Medianten ihre Streitpunkte und Anliegen im Zusammenhang ___________ 19
Duve (Fn. 18), S. 147 f.; König, Jura 2008, 416 (417); Perschel (Fn. 9), S. 256. König, URP/DEP 2005, 145 (157). 21 S. den Artikel Mediation in Wikipedia (Fn. 14), wonach u.a. Ansätze der Konflikt- und Verhandlungsforschung, des psychologischen Problemlösens aufgegriffen werden, sowie Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (11). 22 Das Verfahren kann von den Parteien eingeleitet oder von einem Gericht vorgeschlagen oder angeordnet werden oder nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgeschrieben sein. 23 S. dazu den Artikel „Mediation“ (Fn. 14). 24 Kanngießer, Mediation zur Konfliktlösung bei Planfeststellungsverfahren, 2004, S. 44; s. auch König, Jura 2008, 416 (420). 25 König, Jura 2008, 416 (422); Rüssel (Fn. 14), S. 132. 26 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 118; Siegel, NuR 2002, 79 (81); s. näher Kanngießer (Fn. 24), S. 44 ff. 27 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 118; Gornig, in: FS für Richard Haase, 2006, S. 243; Härtel, JZ 2005, 753 (755); König, Jura 2008, 416 (420 f.); Schenke (Fn. 10), S. 436. 20
Mediation im Umweltrecht
239
dar. So können die Konfliktfelder identifiziert und für die weitere Bearbeitung strukturiert werden. 28 Im Anschluss beginnt die eigentliche Problemerarbeitung. Der Sachverhalt wird gemeinsam aufgeklärt. Außerdem werden im Gespräch die hinter den einzelnen Konfliktfeldern stehenden Interessen der Teilnehmer aufgedeckt. 29 Wenn die Medianten davon überzeugt sind, dass alles Notwendige geklärt ist, werden zunächst unter anderem durch Brainstorming verschiedene denkbare Lösungsoptionen gesammelt. Erst danach werden die Lösungsvarianten von den Medianten behandelt und bewertet. 30 Am Ende einer erfolgreichen Mediation werden ihre Ergebnisse zumeist in einer Vereinbarung festgehalten. Üblich sind dabei die Regelung des weiteren Vorgehens sowie die Festlegung von Umsetzungsfristen bis hin zum Verhalten im künftigen Konfliktfall. 31 Welche Rolle dem Mediator bei der Ausgestaltung des Verfahrens zukommt, richtet sich nach den Vorstellungen der Parteien. Wollen sie nur eine passive Konfliktmittlung, beschränkt sich seine Tätigkeit darauf, den Ablauf des Verfahrens beim Aushandeln zu organisieren, zu sichern und gegebenenfalls zu moderieren. 32 Je nach Autor wird insoweit von „Verfahrensmittler“ 33 oder „moderierender Mediation“ 34 gesprochen. Im Falle einer „aktiven Konfliktmittlung“ 35 bzw. „evaluierenden Mediation“ 36 kann sich der Mediator darüber hinaus aktiv in die Verhandlungen einschalten, indem er die jeweiligen Positionen oder Stellungnahmen bewertet oder eigene Lösungsvorschläge unterbreitet. 37 Auch in dieser Variante müssen sich aber die Parteien am Ende selbst auf ein gemeinsames Verhandlungsergebnis verständigen. 38
___________ 28
Artikel „Mediation“ (Fn. 14); König, Jura 2008, 416 (421). Schenke (Fn. 10), S. 136; eingehend König, Jura 2008, 416 (421). 30 Artikel „Mediation“ (Fn. 14); Appel (Fn. 14), § 32 Rn. 119; Kanngießer (Fn. 24), S. 55; Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (10); Schenke (Fn. 10), S. 136. 31 Artikel „Mediation“ (Fn. 14); Appel (Fn.12 ), § 32 Rn. 119; König, Jura 2008, 416 (421); Schenke (Fn.10), S. 136; Siegel, NuR 2002, 79 (81); s. auch Rüssel (Fn. 14), S. 140. 32 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 102; Schenke (Fn. 10), S. 134; Siegel, NuR 2002, 79 (80); Stumpf (Fn.12), S. 296. 33 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 102; Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverfahren, 1989, S. 21; Holznagel, Jura 1999, 71 (72). 34 Hess (Fn. 2), F 17 f. 35 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 102; Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 21; Holznagel, Jura 1999, 71 (72); Siegel, NuR 2002, 79 (80). 36 Hess (Fn. 2), F 17 f.; Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 21. 37 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 102; Hess (Fn. 2), F 18; Kanngießer (Fn. 24), S. 40; Siegel, NuR 2002, 79 (80); s. auch Schenke (Fn. 10), S. 134; Stumpf (Fn. 12), S. 296. 38 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 102. 29
240
Annette Guckelberger
Vergleicht man die Mediation mit der herkömmlichen autoritativen Streitbeilegung, insbesondere durch Gerichte, ergeben sich folgende Unterschiede: Weil die Konfliktparteien mithilfe des Mediators einen bestehenden Konflikt autonom lösen, werden sie die gefundene Lösung weniger als Oktroy einer Entscheidung empfinden und eher akzeptieren. Zudem orientiert sich die Mediation nicht ausschließlich an der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts und den von den Parteien eingenommenen Positionen, sondern in erster Linie an den Interessen der Beteiligten. 39 Während in den gerichtlichen Streitverfahren nur einer auf Kosten des anderen gewinnen kann (sog. Entweder-OderSituation), soll bei der Mediation aufbauend auf die Herausarbeitung der Interessen der Parteien nach Lösungen gesucht werden, die möglichst allen Beteiligten entgegenkommen. 40 Zur Illustration wird meistens das Beispiel zweier streitender Geschwister um eine Apfelsine angeführt. Während man auf den ersten Blick an die Teilung der Frucht oder ihre Überlassung an eines der Kinder denkt, kann sich bei der Frage nach den Interessen eine win-win-Situation herausstellen, wenn das eine Kind die Schale der Apfelsine zum Kuchen backen benötigt und das andere Kind Saft auspressen will. 41 Ziel der Mediation ist oft weniger die Aufklärung eines in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts, sondern die Lösung der Frage, wie sich eine verfahrene Situation mit Blick auf die Zukunft verbessern lässt. 42 Dabei können emotionale und psychologische Momente eines Konflikts einbezogen werden. 43 Gelingt es dem Mediator, die eigentlichen Ursachen des Konflikts auszumachen und zur Sprache zu bringen, wird dies zu einer höheren Zufriedenheit unter den Parteien führen. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich ihre Beziehungen generell verbessern. 44 Abgesehen von der Unterscheidung, ob die Mediation eine öffentlichrechtliche oder zivilrechtliche Angelegenheit betrifft, werden in Deutschland nur in geringem Maße verschiedene Arten der Mediation auseinander gehalten. ___________ 39 König, Jura 2008, 416 (418); Pitschas, NVwZ 2004, 396 (397); Seibert, NVwZ 2008, 365. 40 Bargen (Fn. 12), S. 323; Holznagel, Jura 1999, 71 (75); König, Jura 2008, 416 (418); Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, Einf Rn. 97; Pitschas, NVwZ 2004, 396 (397). 41 Kanngießer (Fn. 24), S. 52; Seibert, NVwZ 2008, 365. 42 Bargen (Fn. 12), S. 323; Duve (Fn. 18), S. 147 f.; v. Hoyningen-Huene, JuS 1999, 352 (354); König, Jura 2008, 416 (418). 43 Spindler, DVBl. 2008, 1016 (1017). Nach Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (371) erhöht sich angesichts der Neutralität des Mediators und seiner fehlenden Entscheidungsgewalt die Bereitschaft der Beteiligten, ihre Interessen vollständig aufzudecken, sofern sie nicht fürchten müssen, dass ihre Äußerungen später gegen sie verwendet werden. 44 König, Jura 2008, 416 (418); s. zur Verbesserung der Kommunikation Duve (Fn. 18), S. 146 f.
Mediation im Umweltrecht
241
Gebräuchlich ist vor allem die Unterscheidung, ob die Mediation während eines Gerichtsverfahrens oder vorher erfolgt. Sofern bereits ein Rechtsstreit vor einem Gericht rechtshängig ist und in dieser Angelegenheit die Herbeiführung einer Konfliktlösung im Mediationsweg unternommen werden soll, kann man von „Gerichtsmediation“ sprechen, deren weitere Ausdifferenzierungen jedoch terminologisch uneinheitlich belegt sind. 45 Sehr häufig wird zwischen gerichtsinterner und gerichtsnaher Mediation unterschieden. Während die gerichtsnahe Mediation auf Anraten des Gerichts mit externen Mediatoren, etwa Anwälten, erfolgt, wird die gerichtsinterne Mediation im Prozessgericht von speziellen Richtermediatoren/Güterichtern durchgeführt. 46 Die Bezeichnung vorprozessuale gerichtsverbundene Mediation wird verwendet, wenn noch vor Klageerhebung, aber bereits vor dem Hintergrund eines konkreten Streitpotenzials, beispielsweise während des Laufs einer Klagefrist, auf die Mediation als Konfliktlösungsmethode zurückgegriffen wird. 47 In dieser Hinsicht bestehen Parallelen zu anderen Rechtsordnungen, die ebenfalls zwischen der gerichtsinternen Mediation, deren Charakteristika die örtliche und personelle Verbindung mit dem Gericht und dem Gerichtsverfahren sind, und der gerichtsnahen Mediation differenzieren. Für Letztere sind einerseits die institutionelle Verzahnung mit dem Gerichtsverfahren und andererseits die verfahrensmäßige Loslösung von dem Gericht als Institution kennzeichnend. 48 Davon ist die sog. gerichtsexterne oder autonome Mediation zu unterscheiden, die sich durch ihre völlige Unabhängigkeit vom Gerichtsverfahren auszeichnet. 49 Die sog. „Verwaltungsmediation“ 50 zeichnet sich dagegen durch den fehlenden Kontext der Mediation zu einem gerichtlichen Verfahren aus. Soll ein verwaltungsrechtlicher Konflikt im Mediationsweg beigelegt werden, kann man in ähnlicher Weise je nach der zeitlichen Ansiedlung der Durchführung des Mediationsverfahrens zwischen folgenden Ausprägungen differenzieren: Von einer selbstlaufenden Mediation spricht man, wenn das Mediationsverfahren keinen unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Verwaltungsverfahren ___________ 45 S. dazu den Beitrag von Ziekow sowie denjenigen von Schenke zur Mediation und dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren in diesem Tagungsband. S. zum Terminus Gerichtsmediation auch Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 54 Rn. 24b. 46 Hess (Fn. 2), F 11; Ziekow, NVwZ 2004, 391 (392); s. zur gerichtsinternen Mediation auch Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2009, sowie Seibert, NVwZ 2008, 365 (369). Etwas andere Begrifflichkeiten verwenden Härtel, JZ 2005, 753 (755); Pitschas, NVwZ 2004, 396 (402). 47 Ziekow, NVwZ 2004, 391 (392); s. auch Härtel, JZ 2005, 753 (755). 48 Hopt/Steffek, in: dies, Mediation, 2008, S. 3, 20. 49 Hopt/Steffek (Fn.48 ), S. 20; s. auch Hess (Fn. 2), F 18, 26. 50 Begriff nach Bonk (Fn. 45), § 54 Rn. 42 c.
242
Annette Guckelberger
aufweist. 51 Während die vorlaufende Mediation dazu eingesetzt wird, ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren vorzubereiten, 52 erfolgt die mitlaufende Mediation zeitlich parallel zu einem laufenden Verwaltungsverfahren oder bestimmten Abschnitten dieses Verfahrens. 53 Inwieweit diese Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Mediation sinnvoll ist, muss sich noch erweisen. So könnte man argumentieren, dass auch eine zunächst von einem Gerichtsverfahren losgelöste Mediation das Ziel verfolgt, spätere Gerichtsverfahren zu vermeiden, und insbesondere in Fällen, in denen keine Klagefristen gelten, die Grenzen zwischen der vorprozessualen gerichtsverbundenen und der autonomen Mediation fließend sein werden. Dennoch kommt dem Zeitpunkt der Mediation bei der Aufstellung etwaiger gesetzlicher Regelungen zur Mediation Bedeutung zu. Etwaige Normen zur Mediation anlässlich einer gerichtlichen Streitigkeit weisen einen Bezug zum Prozessrecht und Vorschriften zur Mediation anlässlich eines Verwaltungsverfahrens einen Bezug zum Verwaltungsverfahrensrecht auf. Findet eine Mediation losgelöst von einem potenziellen Verwaltungsverfahren statt, verringert sich die Gefahr etwaiger Kollisionen zwischen dieser Konfliktlösungsmethode und den Regelungen zur Durchführung eines Verwaltungsverfahrens. Als weiteres Differenzierungskriterium bei der Mediation könnte man daran denken, auf die Person des Mediators abzustellen und z. B. die Richtermediation von der Anwaltsmediation zu trennen. Je nach dem Gegenstand des Mediationsverfahrens wird von der Mediation im familiären Umfeld, der Wirtschafts-, Umwelt- und Schulmediation gesprochen. 54 Eine gewisse Berechtigung einer solchen Differenzierung kann sich u. a. daraus ergeben, dass die Anforderungen an den Mediator je nach Gebiet variieren können. So kann man sich ohne weiteres vorstellen, dass ein Mediator in Familienkonflikten über andere psychologische Fertigkeiten als in einem wirtschaftlichen Konfliktfall verfügen muss. Nach Meinung von Zilleßen ist für die Akzeptanz eines Umweltmediators mehr als in anderen Bereichen sein sozialer Status wichtig. 55 Je nach Anzahl der Teilnehmer lässt sich die Vielparteienmediation von bi- oder trilateralen Mediationsgesprächen trennen. Vielparteienmediationen werden oft von einem Mediationsteam begleitet und geleitet. Bei ihnen geht es meistens um die ___________ 51
Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 117; Bargen (Fn. 12), S. 325; Gornig (Fn. 27), S. 247; Härtel, JZ 2005, 753 (755); s. auch Rüssel (Fn. 14), S. 100. 52 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 117; Bargen (Fn. 12), S. 325; Härtel, JZ 2005, 753 (755); Rüssel (Fn. 14), S. 98 f. 53 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 117; Bargen (Fn. 12), S. 325; Gornig (Fn. 27), S. 247; Härtel, JZ 2005, 753 (755); Rüssel (Fn. 14), S. 100. 54 Artikel „Mediation (Fn. 14). 55 Zilleßen, Gutachten zur Errichtung einer Institution für Umweltmediation, in: AGU, Errichtung einer Institution für Umweltmediation, 1996, S. 14, 23.
Mediation im Umweltrecht
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Bewältigung einer komplexen Aufgabenstellung, die sich besser durch CoMediatoren mit einer breiter gefächerten Fachkompetenz innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens bewältigen lässt. 56 Da in umwelt- und planungsrechtlichen Angelegenheiten vielfach technische Fragen oder naturwissenschaftliche Erkenntnisse zur Debatte stehen, bietet sich bei derartigen Konflikten die Bildung interdisziplinärer Mediationsteams an, bei denen sich einer der Mediatoren mit den naturwissenschaftlichen Aspekten, ein anderer mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und eine weitere Person mit den psychologischen Anforderungen an die Verfahrensführung auskennt. 57
II. Einsatzbereiche der Mediation Betrachtet man die mit der Mediation verfolgten Ziele sowie die Art und Weise ihres Ablaufs, handelt es sich bei ihr um eine Querschnittsmaterie, die in zahlreichen Rechts- und Lebensbereichen einsetzbar ist. 58 In der Praxis haben sich Mediationsverfahren vor allem im Privatrechtsbereich etabliert. 59 Weil das Zivilrecht den Parteien weite Verhandlungsspielräume zur Gestaltung ihrer Beziehungen überlässt, können sie oftmals auch das Verfahren zur Bereinigung von Konflikten, die aus diesen Beziehungen herrühren, selbst gestalten. 60 Insgesamt ist in Deutschland eine zunehmende Diversifikation der Anwendungsfelder der Mediation zu beobachten. Seit langem wird diese Methode im familiären Umfeld eingesetzt, also in Fällen von Trennung und Scheidung 61 oder bei Erbauseinandersetzungen. Nach dem am 1. September 2009 in Kraft getretenen § 135 FamFG kann das Gericht anordnen, dass die Ehegatten einzeln oder gemeinsam an einem kostenfreien Gespräch über Mediation oder eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung anhängiger Folgesachen bei einer von dem Gericht benannten Person oder Stelle teilnehmen und eine Bestätigung hierüber vorlegen. In geeigneten Fällen soll das Gericht den Ehegatten eine außergerichtliche Streitbeilegung anhängiger Folgesachen vorschlagen. Des Weiteren gibt es die Mediation in arbeitsrechtlichen Konflikten62 ___________ 56
Siegwart (Fn. 16), Art. 33b Rn. 45. Hellriegel, Mediation im Umweltrecht, 2002, S. 36; Siegel, NuR 2002, 79 (83); s. auch Rüssel (Fn. 14), S. 121. 58 Hess (Fn. 2), F 10; Spindler, DVBl. 2008, 1016; Zilleßen, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl. 2009, § 30 Rn. 55. 59 Für die Schweiz Siegwart (Fn. 16), Art. 33 b Rn. 10. 60 Schenke (Fn. 10), S. 131; Siegwart (Fn.16 ), Art. 33b Rn. 10. 61 Artikel „Mediation“ (Fn. 14); Bonk (Fn. 45), § 54 Rn. 42; Kopp/Ramsauer (Fn. 40), Einf Rn. 98a; näher Hess (Fn. 2), F 36 ff. 62 S. dazu Hess (Fn. 2), F 51 ff.; von Hoyningen-Huene, JuS 1997, 352. 57
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oder die Wirtschaftsmediation im inner- sowie im zwischenbetrieblichen Bereich. 63 Auch beim strafrechtlichen Täter-Opfer-Ausgleich wird gerne auf die Mediation zurückgegriffen. 64 Heute dürfte weitgehend Einigkeit herrschen, dass die Mediation grundsätzlich auch im öffentlich-rechtlichen Sektor zum Einsatz gelangen kann. 65 So meint etwa Ortloff, dass sich mit Ausnahme weniger Rechtsgebiete, wie dem Ausländer- und Asylrecht, fast alle in die Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte fallende Streitigkeiten für eine Mediation eignen würden, sofern dies die Beteiligten wünschen. 66 Während heute das Umwelt- und Planungsrecht als geeignetes Referenzgebiet für Mediationsverfahren anerkannt sein dürfte, 67 wird die Mediation zwischenzeitlich auch in anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsgebieten, etwa im Schul- und Beamtenrecht, 68 bei Konkurrentenstreitigkeiten im Wirtschaftsverwaltungsrecht oder im Vorfeld von Demonstrationen eingesetzt. 69 Die Bundesnetzagentur kann gem. § 124 TKG den Parteien einen einvernehmlichen Einigungsversuch vor einer Gütestelle (Mediationsverfahren) vorschlagen. Alles in allem ist im Öffentlichen Recht noch eine große Dynamik bei der Auslotung der für Mediationsverfahren geeigneten Rechtsmaterien zu verspüren. 70 Dies dürfte darauf zurückgehen, dass die Diskussion um die Einsetzbarkeit der Mediation in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erst Ende der 1980er Jahre einsetzte und diese Konfliktlösungsmethode in der Praxis bis heute eher selten verwendet wird. 71 Auch ist die Mediation im inner___________ 63
Artikel „Mediation“ (Fn. 14). Artikel „Mediation“ (Fn. 14); Bonk (Fn. 45 ), § 54 Rn. 42; Härtel, JZ 2005, 753 (754); von Hoyningen-Huene, JuS 1997, 352; Kopp/Ramsauer (Fn. 40), Einf Rn. 98a. 65 Nach Meinung von Härtel, JZ 2005, 753 (755) können Mediationsverfahren überall dort eingesetzt werden, wo die Konfliktlösung eine besonders enge Kooperation zwischen Verwaltung und Bürger erfordert; ähnlich Rüssel (Fn. 14), S. 95. Nach Kunig, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 1, 1990, S. 44 kommen letztlich alle Bereiche in Betracht, die in besonderem Maße konsequenzen- und damit konfliktträchtig für eine sensitive Öffentlichkeit sind. 66 Ortloff, NVwZ 2007, 33 (34); s. auch Kopp/Ramsauer (Fn. 40), Einf Rn. 98a. 67 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 108; Bargen (Fn. 12), S. 324 f.; Härtel, JZ 2005, 753 (755); Hess (Fn. 2), F 64; Kaltenborn, Streitvermeidung und Streitbeilegung im Verwaltungsrecht. 2009, S. 108 f.; Pitschas, NVwZ 2004, 396 (398). 68 Hess (Fn. 2), F 64; s. auch Bargen (Fn. 12), S. 325; Härtel, JZ 2005, 753 (755). 69 Bargen (Fn. 12), S. 325; Härtel, JZ 2005, 753 (755). Nach Meinung von Hess (Fn. 2), F 12 sind Mediationsprojekte in der Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit weniger erprobt. 70 Zu klären wäre etwa, ob es nicht Rechtsmaterien gibt, in denen zwar auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens eine Mediation nicht unbedingt ratsam ist, auf Prozessebene dagegen durchaus Sinn machen kann. 71 Zu Letzterem Geis (Fn. 9), S. 153; s. auch Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 108; Kanngießer (Fn. 24), S. 19; Perschel (Fn. 9), S. 273. 64
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staatlichen Bereich, beispielsweise bei Konflikten anlässlich von Verwaltungsreformen, noch weitgehend unerforscht.
III. Besonderheiten bei der Mediation in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Dass die neuere Geschichte der Mediation in Deutschland im Kern als ein eher staatsferner Ansatz bürgerschaftlicher Selbstregulierung begann 72 und ihre Anwendbarkeit im Öffentlichen Recht relativ spät Aufmerksamkeit erfuhr, dürfte vor allem auf die Gesetzes- und Gemeinwohlbindung der Verwaltung zurückgehen. 73 Nach Art. 20 Abs. 3 GG darf die Verwaltung von ihr zu entscheidende Konflikte nicht der einvernehmlichen Lösung Privater überlassen. Sie muss vielmehr die ihr obliegenden Aufgaben wahrnehmen. 74 Beteiligt sich die Verwaltung selbst an einem von einem neutralen Dritten durchgeführten Mediationsverfahren, darf sie dabei nur solche Standpunkte vertreten und befürworten, die mit ihrer Gesetzes- und Gemeinwohlbindung in Einklang stehen. 75 Während die Beteiligten im nicht-öffentlichen Sektor der Mediation eigennützig ihre Interessen verfolgen können, hat Pitschas zutreffend hervorgehoben, dass die in eine Konfliktmittlung durch private Dritte eingebundene Verwaltung stets der rechtsstaatlich untrennbaren Verknüpfung von Kompetenz und Gemeinwohlverantwortung unterliegt. 76 Eine weitere Besonderheit der verwaltungsrechtlichen Mediation resultiert daraus, dass die im Mediationsverfahren vereinbarte Lösung vielfach noch einer Umsetzung in einem Verwaltungsverfahren bedarf. 77 Werden z. B. in einem Mediationsverfahren im Zusammenhang mit der Neuerrichtung einer Abfalldeponie etwaige Konflikte beigelegt, muss die zuständige Behörde immer noch eine Zulassungsentscheidung über das beantragte Vorhaben fällen (§ 31 Abs. 2 KrW-/AbfG). Aus demokratisch-rechtsstaatlichen Gründen liegt die Verfahrensherrschaft und Letztentscheidungsveranwortung nach wie vor bei ___________ 72
S. dazu Ziekow in diesem Tagungsband. Hess (Fn. 2), F 65; Schenke (Fn. 10), S. 131; s. auch Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 23; s. zu den sich aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ergebenden Schranken für die Mediation im Öffentlichen Recht den Beitrag von Peine in diesem Tagungsband. 74 S. auch Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 106. 75 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 108; Seibert, NVwZ 2008, 365 (368); Stumpf (Fn. 12), S. 281 f. 76 Pitschas, NVwZ 2004, 396 (398); Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (17). 77 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 108; Hess (Fn. 2), F 65; Härtel, JZ 2005, 753 (757); Perschel (Fn. 9), S. 270; Rüssel (Fn. 14), S. 27; Seibert, NVwZ 2008, 365 (368). 73
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der Verwaltung. Sie darf ein in einzelnen Punkten gesetzwidriges Vorhaben, auch wenn man sich darauf in einer Mediation geeinigt hat, so nicht zulassen. 78 Eine Mediation in öffentlich-rechtlichen Konflikten steht mit den Worten von Pitschas unter einem gleichsam doppelten „Verwaltungsvorbehalt“, nämlich zum einen unter dem der Interplementationsfähigkeit ihrer Ergebnisse und zum anderen deren gewollter Übernahme in die endgültige behördliche Entscheidung. 79 Schließlich hat Schenke zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Mediation im Öffentlichen Recht im Unterschied zu derjenigen im privaten Bereich ein früh angesetztes Mediationsverfahren nicht nur in Konkurrenz zum gerichtlichen Verfahren, sondern auch zum Verwaltungsverfahren der Ausgangsbehörde tritt, das gleichfalls der Wahrung der Beteiligtenrechte verpflichtet ist. „Damit droht es hier zu einer Hypertrophie von Verfahren zu kommen.“ 80 Angesichts dieser strukturellen Besonderheiten, aber auch weil aus historischer Perspektive bei der deutschen Verwaltung das Handlungsinstrument „einseitige Entscheidung“ tief verwurzelt ist, 81 wurden Mediationsverfahren in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten nur zögerlich eingesetzt.
IV. Etablierung der Mediation über das Umweltrecht In den 1980er Jahren zeigte sich zunehmend, dass etwaige Konflikte bei umweltrelevanten Großvorhaben, wie Flughäfen, Verkehrswegen, Kraftwerken und Abfallentsorgungsanlagen, mit den herkömmlichen Verwaltungsverfahren nicht immer adäquat zu bewältigen sind. 82 Derartige Großprojekte stießen häufig auf unerbittlichen Widerstand. Der Protest äußerte sich auf vielfältige Weise. Den Vorhabensgegnern gelang es zunehmend, die Medien und sonstige Öffentlichkeit, aber auch politische Vertreter für ihre Belange zu mobilisieren. 83 Je nach Vorhaben wurden Großdemonstrationen anberaumt, Zugänge zu Baustellen blockiert und Plätze besetzt. 84 In vielen Fällen wurden Gerichtsverfah-
___________ 78
Härtel, JZ 2005, 753 (757); Perschel (Fn. 9), S. 267; Pitschas, NVwZ 2004, 396
(399). 79
Pitschas, NVwZ 2004, 396 (399); s. auch Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 108. Schenke (Fn. 10), S. 138. 81 S. zu Letzterem Peine in diesem Tagungsband. 82 Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (2); s. auch Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 14; Holznagel, Jura 1999, 71 f.; Kanngießer (Fn. 24), S. 17. 83 Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 1, 1990, S. 13, 24 f.; Holznagel, Konfliktlösung durch Verhandlungen, 1990, S. 47. 84 Hoffmann-Riem (Fn. 83), S. 25; Holznagel (Fn. 83), S. 47. 80
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ren gegen die behördlichen Zulassungsentscheidungen angestrengt. 85 Folge dieser Aktionen war, dass manche Vorhaben nur mit erheblichen Verzögerungen umgesetzt werden konnten 86 bzw. man von einer Planung Abstand nahm. Die Ursachen für diese Intensivierung von Streitigkeiten bei umweltrelevanten Vorhaben sind vielfältig. 87 Abgesehen von dem gestiegenen Umweltbewusstsein der Bevölkerung 88 lehnen die Bürger bestimmte Vorhaben ab, weil sie die davon ausgehenden Risiken für ihre Gesundheit, für die Umwelt oder eine sonstige Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität, etwa durch Geruchs- und Lärmbelästigungen, scheuen. 89 Hinzu kommt die Furcht vor materiellen Einbußen, etwa sinkenden Grundstückspreisen bei einer Anlagenerrichtung in der Nachbarschaft. 90 Auch wird es als ungerecht empfunden, wenn die vorgesehene Standortgemeinde allein für die Entsorgung von Abfällen aus der gesamten Region oder anderen Orten herhalten soll. 91 Da angesichts der Komplexität der Vorhaben oftmals intensive Vorgespräche zwischen der Verwaltung und dem Vorhabenträger stattfinden, entsteht bei den betroffenen Bürgern und den Vorhabensgegnern schnell der Eindruck, dass sie im Verfahren keine wesentlichen Änderungen oder gar eine Zurückweisung des Projekts mehr erreichen können, weil die relevanten Entscheidungen früher gefällt wurden. 92 Dieses Misstrauen wird verstärkt, wenn der Vorhabenträger selbst Teil der öffentlichen Hand ist bzw. von dieser beherrscht wird 93 oder die Verwaltung z. B. aus wirtschaftlichen Gründen an der Ansiedlung eines privaten Industrievorhabens interessiert ist. 94 Eingeholte Gutachten zu Vorhaben stoßen oftmals auf Skepsis, wenn die Betroffenen bei der Auswahl der Gutachter bzw. der Festlegung der zu begut___________ 85 Holznagel (Fn. 83), S. 46; Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (2); Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (371). 86 Holznagel (Fn. 83), S. 45; Kanngießer (Fn. 24), S. 17; Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (371). 87 Holznagel, Jura 1999, 71 (72). 88 Holznagel, Jura 1999, 71 (72). 89 Gaßner/Holznagel/Lahl, Mediation, 1992, S. 7; Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 15. 90 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 7; Holznagel, Jura 1999, 71 (72); Kanngießer (Fn. 24), S. 25. 91 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 8; Kanngießer (Fn. 24), S. 107, 125. 92 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 9 f.; Holznagel, Jura 1999, 71 (72); Kanngießer (Fn. 24), S. 104 ff.; Perschel (Fn. 9), S. 249; eingehend zu den zu spät einsetzenden Beteiligungsmöglichkeiten Holznagel (Fn. 83), S. 85 ff.; s. auch Breuer, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 1, 1990, S. 231 (242 f.). 93 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 10; Perschel (Fn. 9), S. 249 spricht von „Pflichtübung“. 94 Hellriegel (Fn. 57), S. 34 f.; s. auch Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 10; Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 18; Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (20).
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achtenden Fragestellungen nicht mitreden konnten, 95 oder die Gutachten für Laien nur schwer verständlich sind. 96 Außerdem werden die Einwender, wenn sie ohnehin gegen das Vorhaben klagen wollen, schnell Extrempositionen einnehmen und Fakten zurückhalten, welche ihre eigene Position schwächen könnten. 97 Dadurch kann der bei bestimmten Vorhaben obligatorisch durchzuführende Erörterungstermin als Gesprächstermin seine Funktion kaum noch erfüllen und gerät leicht zur Farce. 98 Außerdem ist er angesichts der gesetzlichen Zeitvorgaben nur punktueller Natur und erlaubt keine prozesshafte Interessenartikulation. 99 Schließlich wird darauf verwiesen, dass im Bereich der Umweltund Technologiepolitik die Kriterien der Entscheidungsrichtigkeit gegenüber anderen Bereichen viel schwieriger zu ermitteln 100 und dementsprechend umstritten sind. Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass man vor allem Ende der 1980er Jahre nach Möglichkeiten und Strategien suchte, um die verhärteten Fronten bei umweltrelevanten Streitigkeiten aufzubrechen. Da sich insbesondere in den USA schon seit längerer Zeit Mediationsverfahren bei umstrittenen Umweltvorhaben bewährt hatten, 101 befasste sich die deutsche Wissenschaft vermehrt mit ihrer Zulässigkeit. 102 Zugleich erprobte man in der Praxis – teilweise auch aus Sorge vor einer weiteren Eskalation des Protests und zur Verhinderung seiner Emotionalisierung 103 – diese „neue“ Konfliktlösungsmethode. Schon bald wurde der Begriff der „Umweltmediation“ geprägt. 104 Er wird bis heute verwendet, 105 aber zum Teil kritisch betrachtet. Der Begriff der Umweltmediation kann Missverständnisse auslösen, wenn damit die Vorstellung verbunden wird, dass die Beteiligten im Mediationsweg stets nach der für die ___________ 95 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 12 f.; Holznagel/Ramsauer, in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl. 2009, § 28 Rn. 45. 96 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 12, 14 f. 97 Großner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 12; Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 14; Perschel (Fn. 9), S. 250; Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (2). 98 Kanngießer (Fn. 24), S. 108. 99 Holznagel (Fn. 83), S. 262; ders., Jura 1999, 71 (76). Wenn in dem Erörterungstermin 100 und mehr Personen sich äußern können, ist es bei dieser Vielzahl von Teilnehmern schwierig, zu einem umfassenden Konsens zu gelangen. 100 Geis (Fn. 9), S. 152. 101 S. dazu Breuer (Fn. 92), S. 234; Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 26 ff.; Holznagel, Jura 1999, 71 (72 f.); Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (14 f.); s. dazu und zur Tradition der Umweltmediation in Japan Hellriegel (Fn. 57), S. 85 ff.; Kanngießer (Fn. 24), S. 27 ff. 102 S. zu den Unterschieden der amerikanischen und deutschen Rechtskultur Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 34; Kanngießer (Fn. 24), S. 33. 103 Geis (Fn. 9), S. 159. 104 Rüssel (Fn. 14), S. 92 f. 105 Geis (Fn. 9), S. 152 f.; Kanngießer (Fn. 24), S. 21; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 12. Aufl. 2007, § 63 Rn. 65.
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Umwelt optimalen Lösung suchen würden. 106 Tatsächlich werden derartige Verfahren aber nicht nur zur Durchsetzung von Umweltschutzbelangen, sondern ebenfalls bei Konflikten eingesetzt, bei denen Umweltbelange mit anderen, z. B. wirtschaftlichen oder sozialen Interessen kollidieren. 107 Kommt die Mediation bei einer ausschließlich umweltbezogenen Prüfung, etwa der Umweltverträglichkeitsprüfung, zum Einsatz, bietet es sich an, von umweltspezifischer Mediation und in Verfahren, in denen neben Umwelt- auch andere Belange zu berücksichtigen sind, von einer umweltrelevanten Mediation zu sprechen. 108 Weiterhin wird der Terminus „Umweltmediation“ abgelehnt, weil es bis heute unterschiedliche Ansichten dazu gibt, was unter den Begriffen „Umwelt“ bzw. „Umweltrecht“ zu verstehen ist. 109 Andererseits erlaubt die Bezeichnung „Umweltmediation“ eine prägnante Abgrenzung gegenüber anderen Mediationsbereichen, wie der Familien- oder Schulmediation.110 Zugleich werden dadurch die unterschiedlichen Anforderungen deutlich, welche an einen in solchen Angelegenheiten herangezogenen Mediator zu stellen sind. Außerdem weist die Bezeichnung „Umweltmediation“ darauf hin, dass eine Einbeziehung von Naturschutzverbänden oder anderen Umweltschutzvereinigungen in das Mediationsverfahren geboten sein könnte. 111 Entsprechendes gilt für spezifisch mit dem Umweltschutz betraute Behörden. Dass sich gerade das Umweltrecht als Referenzgebiet für die Mediation in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erwiesen hat, dürfte – sieht man von den bereits in anderen Staaten mit dieser Methode gemachten positiven Erfahrungen ab – überdies damit zusammenhängen, dass schon Anfang der 1990er Jahre das Kooperationsprinzip neben dem Verursacher- und Vorsorgeprinzip zu den programmatischen Leitmaximen des deutschen Umweltrechts gerechnet wurde. 112 Auf eine kurze Formel gebracht besagt das Kooperationsprinzip, dass Staat und Gesellschaft beim Umweltschutz zusammenwirken. 113 Es bezieht sich auf die Zusammenarbeit von Staat und Gesellschaft (wie Unterneh___________ 106
Hellriegel (Fn. 57), S. 55; Rüssel (Fn. 14), S. 93. Hellriegel (Fn. 57), S. 55. 108 Hellriegel (Fn. 57), S. 55. 109 Rüssel (Fn. 14), S. 93; s. zu den Begrifflichkeiten Erbguth/Schlacke, Umweltrecht, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 1 ff.; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 7. Aufl. 2006, § 1 Rn. 7 ff. 110 Hellriegel (Fn. 57), S. 55. 111 S. dazu näher Pestalozzi, URP/DEP 2005, 182 ff. 112 Breuer (Fn. 92), S. 233 f.; Ziekow in diesem Tagungsband; s. auch Pfisterer, URP/DEP 2005, 99 (105). 113 So Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des UGB-Referentenentwurfs vom 4.12.2008; s. näher zum Kooperationsprinzip im Umweltrecht Murswiek, ZUR 2001, 7 ff.; Shirvani, Das Kooperationsprinzip im deutschen und europäischen Umweltrecht, 2005; Storr, DVBl. 2000, 175 ff.; Voßkuhle, ZUR 2001, 23 ff. 107
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men, Industrie- und Umweltschutzverbände usw.) und bezweckt unter anderem, die Informationslage sowie die Akzeptanz umweltrelevanter Entscheidungen zu verbessern. 114 Da die Mediation ebenfalls auf eine Kooperation und im Erfolgsfalle auf den Konsens der Beteiligten abzielt, lässt sie sich mit dem Kooperationsprinzip gut in Einklang bringen. 115 Pfisterer ist beizupflichten, wenn er in der konsensualen Lösung eine „qualifizierte Form“ der Kooperation erblickt und von einer Konsenslösung dann spricht, wenn die Beteiligten nicht nur ihre Beiträge einbringen können, sondern das Ergebnis zugleich von ihrer Zustimmung abhängt. 116 Ganz allgemein spiegelt sich in der zunehmenden Etablierung der Mediation als Konfliktlösungsmodell im Verwaltungsrecht die Fortentwicklung unserer Rechtskultur wider, bei der dem Bürger mehr Verantwortung für die Lösung eigener Konflikte zukommt und die Erarbeitung von Lösungen im Dialog unterstützt wird. 117 Wenn bei einem Mediationsverfahren bei der „Aufdeckung“ der Interessen die Folgen eines Vorhabens nicht nur auf ein einzelnes Umweltmedium, sondern auf andere Umweltgüter gut herausgearbeitet werden, wird dadurch der integrative Umweltschutz gefördert. 118 Gelingt es durch eine entsprechende Strukturierung des Mediantenkreises, die Interessen künftiger Generationen angemessen bei der Konfliktlösung zu berücksichtigen, wird außerdem dem Prinzip der Nachhaltigkeit Rechnung getragen, das inzwischen sowohl die globale als auch europäische und deutsche (Umwelt-)Politik als Leitbild durchzieht. 119 Dass bei den heutigen Konflikten bei umweltrelevanten Vorhaben die Grabenkämpfe der mit Stacheldraht abgesicherten Bauplätze und des Gewalteinsatzes seltener geworden sind, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei derartigen Konflikten die Interessengegensätze zwischen diversen Akteursgruppen weiterhin bestehen und die Mediation einen Ansatz zu ihrer Auflösung bietet. 120 ___________ 114 Schulter, Umweltrecht, 1993, S. 72; Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 7. Aufl. 2006, § 1 Rn. 17. 115 Hellriegel (Fn. 57), S. 68 f. 116 Pfisterer, URP/DEP 2005, 99 (107); ähnlich Di Fabio, DVBl. 1990, 339, der die echte Kooperation von anderen Kooperationsformen unterscheidet. 117 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 102, 104, 106; Härtel, JZ 2005, 753 (754); Pitschas, NVwZ 2005, 396 (398); Pünder, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2006, § 15 Rn. 2; Seibert, NVwZ 2008, 365 (367). 118 S. zum integrativen Umweltschutz Falke, ZUR 2002, 113 ff.; Ludwig, NuR 2002, 144 ff.; Scheidler, WiVerw. 2008, 3 ff.; Schmidt/Kahl (Fn. 114), § 1 Rn. 19 ff. 119 S. näher zur Nachhaltigkeit Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, 2005; Murswiek, NuR 2002, 641 ff.; Ramsauer, in: Koch, Umweltrecht, 2. Aufl. 2007, § 3 Rn. 35 ff.; Rehbinder, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 3. Aufl. 2007, § 3 Rn. 78 ff.; Schmidt/Kahl (Fn. 114), § 1 Rn. 22 ff. 120 Bundesamt für Naturschutz, Wald und Landschaft, Grundlagen zu den Verhandlungsempfehlungen, Bern 2004, S. 46.
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V. Vor- und Nachteile der Mediation bei umweltrelevanten Vorhaben Für die Durchführung eines Mediationsverfahrens bei umweltrelevanten Konflikten sprechen mehrere Argumente: 121 Im Mediationsverfahren soll das kreative Potenzial aller Beteiligten in den Entscheidungsfindungsprozess einbezogen werden. 122 Anders als in einem stark hierarchisch strukturierten Verwaltungsverfahren können während des Mediationsverfahrens Informationsund Kommunikationsdefizite, unterschiedliche Sichtweisen und divergierendes Fachwissen aufgedeckt werden. Außerdem sollen die Beteiligten zu einer offenen Artikulation und Herausarbeitung aller für den Konflikt relevanten Interessen veranlasst werden. 123 Auf diese Weise wird eine breite Informations- und Argumentationsbasis für alle Beteiligten geschaffen. 124 Beispielsweise kommt Geis bei ihrer Analyse der letztlich gescheiterten Mediation um den Ausbau des Frankfurter Flughafens zu dem Schluss, dass selten in einem so frühen Stadium des Verfahrens so viele Daten und eine solche breite Untersuchungsbasis eines Projekts vorlagen. Diese Steigerung des Wissensgehalts durch Hervorbringung neuen Wissens und neuer Argumente habe es den Konfliktparteien ermöglicht, mit Verweis auf abgesicherte Argumente die Berechtigung ihrer Forderungen und Interessen vor der Allgemeinheit zu legitimieren. 125 Die Qualität der späteren Verwaltungsentscheidung werde aufgrund einer solchen Basis deutlich verbessert. 126 Weil sich die Mediation nicht nur an der Kategorie der Rechtmäßigkeit, sondern den Interessen orientiert, gelangt man möglicherweise zu bislang gar nicht in Erwägung gezogenen Konfliktlösungen. Da es dem Vorhabenträger nicht per se verwehrt ist, über die rechtlichen Mindestpositionen hinauszugehen, könnte er etwa den Bau neuer Infrastrukturmaßnahmen, wie eines Schwimmbades oder anderer Erholungs- und Freizeitanlagen, oder Geldleistungen in Aussicht stellen, um die mit seinem Vorhaben einhergehenden Beeinträchtigungen der Lebensqualität zu kompensieren. 127 Eine kooperativ erarbeitete, zukunftsorientierte Konfliktregelung kann die Akzeptanz der späteren verfahrensabschließenden Entscheidung einschließlich ihrer Umsetzung erhöhen und ___________ 121
S. auch speziell in Bezug auf die Umweltmediation Kanngießer (Fn. 24), S. 57 ff. Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (374). 123 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 107; Härtel, JZ 2005, 753 (755). 124 Rüssel (Fn. 14), S. 94. 125 Geis (Fn. 9), S. 159 ff. 126 Rüssel (Fn. 14), S. 94; s. auch Zilleßen (Fn. 55), S. 24. 127 Holznagel, Jura 1999, 71 (75); Stumpf (Fn. 12), S. 306; s. auch Kanngießer (Fn. 24), S. 122 ff., die auch die Schwierigkeiten erörtert, welche derartige Kompensationsmaßnahmen auslösen können 122
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spätere Defizite bei ihrer Umsetzung verringern. 128 Wenn die Mediation vor oder kurz nach Beginn des Verwaltungsverfahrens erfolgt, lassen sich einzelne auf die Zulassung eines Vorhabens gerichtete Verwaltungsverfahren zügiger abschließen. 129 Bei einer ausgehandelten Lösung wird der Diskussionsbedarf im eigentlichen Anhörungsverfahren typischerweise geringer. 130 Dadurch kann der Erörterungstermin zu einer Auffangveranstaltung für diejenigen werden, die nicht an der Mediation teilgenommen haben oder ihr Ergebnis ablehnen. 131 Da neuerdings beispielsweise im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ein Erörterungstermin nur noch fakultativ stattfindet (§ 10 Abs. 6 BImSchG), kann die Verwaltung möglicherweise ganz von diesem Verfahrensschritt absehen, weil das Vorhaben nicht mehr konfliktträchtig ist oder man sich von der Erörterung keinen Gewinn verspricht. 132 Weil nach dem pflichtgemäßen Ermessen über diesen Verfahrensschritt zu befinden ist, ist diese Entscheidung aber an den Umständen des Einzelfalls, etwa an den trotz einer Mediation vorgebrachten Einwendungen, auszurichten. Die generelle Annahme, bei einem vorherigen Mediationsverfahren sei keine Erörterung mehr notwendig, dürfte einen Ermessensausfall darstellen. Während an der Mediation aus Praktikabilitätsgründen oftmals nur Repräsentanten der relevanten Interessengruppen teilnehmen, ist der Erörterungstermin prinzipiell auf einen anderen, regelmäßig weiteren Personenkreis zugeschnitten. 133 Im Übrigen kann sich bei einer einvernehmlichen Lösung der Bescheidungs- und Begründungsaufwand der behördlichen Umsetzungsentscheidung verringern. 134 Ein erfolgreiches Mediationsverfahren kann zur Entlastung der Verwaltungsgerichte beitragen, indem die infrage stehende Zulassungsentscheidung von weniger Personen angegriffen wird. 135 Schließlich kann sich die öffentliche Hand als progressiv und ___________ 128 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 107; Härtel, JZ 2005, 753 (756); Pitschas, NVwZ 2004, 396 (399); Rüssel (Fn. 14), S. 94; Siegel, NuR 2002, 79 (80); Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (374); Wolff/Bachof/Stober (Fn. 105), § 63 Rn. 61. 129 Bonk (Fn. 45), § 54 Rn. 42e; Pitschas, NVwZ 2004, 396 (399); Stumpf (Fn. 12), S. 287. 130 Siegel, NuR 2002, 79 (80); s. auch Kanngießer (Fn. 24), S. 60 sowie Gaßner/ Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 68 wonach die Mediation dazu führen kann, dass der Vorhabenträger die Antragsunterlagen abändert und sich mit Auflagen einverstanden erklärt und Einwendungen im Verhandlungsweg weitgehend erledigt werden können. 131 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 69; Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (23 f.). 132 S. dazu Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 73 Rn. 113. 133 Allerdings ist es denkbar, bei einer optionalen die Erörterung auf einzelne Sachfragen oder einzelne Betroffene bzw. Gruppen zu beschränken, s. Bonk/Neumann (Fn. 133), § 73 Rn. 113. 134 Siegel, NuR 2002, 79 (80). 135 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 107; Bonk (Fn. 45), § 54 Rn. 42e; Härtel, JZ 2005, 753 (756); Rüssel (Fn. 14), S. 141; Siegel, NuR 2002, 79 (80); Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (374); Wolff/Bachof/Stober (Fn. 105), § 63 Rn. 62.
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innovativ darstellen, wenn sie ein Mediationsverfahren in einer konfliktträchtigen Angelegenheit initiiert. 136 Die Durchführung eines Mediationsverfahrens birgt aber zugleich gewisse Risiken in sich. Die Beauftragung eines Konfliktmittlers oder die Einholung von Gutachten während der Mediation verursachen oft beträchtliche Kosten. 137 Außerdem geht damit zunächst eine Verzögerung der Angelegenheit einher. Dies gilt insbesondere, wenn die Mediation nachher scheitert und der Streit letztendlich vor Gericht ausgetragen wird. 138 Selbst bei einer erfolgreichen Mediation kann es sein, dass die Dauer bis zur Umsetzung der Zulassungsentscheidung sich nicht wesentlich von der Konstellation eines Zulassungsverfahrens ohne Mediation unterscheidet. Weitere Kritikpunkte sind die mangelnde Transparenz, 139 die Gefährdung von Drittpositionen, die besondere Berücksichtigung stark vertretener Interessen sowie die Relativierung der Gesetzesbindung der Verwaltung. 140 Diesen Risiken kann aber dadurch begegnet werden, dass die Behörden während des Verfahrens auf den gesetzlichen Vorgaben beharren und der Kreis der an dem Mediationsverfahren teilnehmenden Personen und Interessengruppen sorgfältig abgestimmt wird. 141 Allerdings zeigt sich immer wieder, dass bei komplexen Entscheidungen die Einbindung aller relevanten Gruppen in der Praxis schwierig ist und nicht stets gelingt. 142 Können sich die Medianten nicht auf eine gemeinsame Lösung verständigen, scheint es auf den ersten Blick so, als wären Zeit und Geld vergeblich aufgewendet worden. 143 Es gibt aber durchaus Fälle, in denen die Teilnehmer an einer Mediation auch bei ihrem Scheitern mit dem Verfahren an sich zufrieden waren und andere Fortschritte schätzten, wie die Normalisierung bzw. Verbesserung der Beziehungen zwischen den Konfliktparteien infolge des Kommunikationsprozesses oder die erzielte Informationslage, wenn sie im späteren Verwaltungsverfahren verwendet werden konnte. 144 Auch wenn es nicht zu einer qualifi___________ 136
Geis (Fn. 9), S. 154; s. auch Böttger, VR 2006, 309 (311); Zilleßen (Fn. 55),
S. 24. 137
Geis (Fn. 9), S. 154; Kaltenborn (Fn. 67), S. 107; Perschel (Fn. 9), S. 274 ff.; Siegel, NuR 2002, 79 (80); Zilleßen (Fn. 55), S. 23 f. 138 Zilleßen (Fn. 55), S. 23 f.; s. auch Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 69; Stumpf (Fn. 12), S. 287. 139 S. zu diesen Einwand Härtel, JZ 2005, 753 (757); Siegel, NuR 2002, 79 (80). 140 S. zu diesen Einwand Härtel, JZ 2005, 753 (757); Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (16 f.); Siegel, NuR 2002, 79 (80 f.). 141 S. zu den objektiven Interessen Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 52 sowie der Beitrag von Martini in diesem Tagungsband. 142 Geis (Fn. 9), S. 155. 143 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 70; Härtel, JZ 2005, 753 (757). 144 Perschel (Fn. 9), S. 269; s. auch Härtel, JZ 2005, 753 (757); Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (32); ders. (Fn. 117), § 15 Rn. 8.
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zierten Kooperation im Sinne einer Einigung gekommen ist, können sich also aus der erfolgten Kooperation anlässlich des Mediationsverfahrens durchaus positive Effekte einstellen.
VI. Anwendungsfelder der Mediation bei Konflikten mit einem Umweltrechtsbezug Aufgrund der vorherigen Ausführungen dürfte deutlich geworden sein, dass die Mediation keinesfalls ein Allheilmittel zur Streitbeilegung ist und sich nicht für alle Arten von Konflikten gleichermaßen eignet. 145 Eine Mediation ist nur sinnvoll, wenn eine konsensuale Lösung des Konflikts möglich bzw. wahrscheinlich ist. 146 Daran kann es aus diversen Gründen fehlen. Regelmäßig ist eine Mediation nicht zielführend, wenn ein Konflikt nicht kompromissfähig ist, weil über grundlegende Wertentscheidungen, wie die Nutzung von Atomkraft, gestritten wird. 147 Auch bei der momentan diskutierten Suche nach einem neuen Endlager für hochradioaktiven Müll ist es wohl unwahrscheinlich, dass man sich in einem Mediationsverfahren gemeinsam auf einen bestimmten Standort verständigen wird. 148 Ähnlich wird die Konfliktlage bei der Gentechnologie eingeschätzt. 149 Da Umweltmediationsverfahren in der Praxis bereits im Bereich der Gentechnologie zum Einsatz kamen, 150 können sich einzelne Aspekte aus diesem Gebiet möglicherweise durchaus als verhandlungsfähig erweisen. 151 Von einer Mediation ist abzuraten, wenn ausschließlich eine Rechtsfrage zu klären ist, weil dann die Verhandlungsanreize fehlen. 152 Eine Mediation verspricht auch dann keinen Erfolg, wenn sich eine Partei auf keinen Fall auf ___________ 145 Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 21, 31; Kaltenborn (Fn. 67), S. 108; Pitschas, NVwZ 2004, 396 (400); s. die detaillierte Darstellung bei Kanngießer (Fn. 24), S. 178 ff. 146 S. auch Hellriegel (Fn. 57), S. 24; Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 31; Kanngießer (Fn. 24), S. 41; Pfisterer (Fn. 112), Art. 33b Rn. 4; Rüssel (Fn. 14), S. 118. 147 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 32; Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 31 f.; Holznagel, Jura 1999, 71 (74); Kaltenborn (Fn. 67), S. 109; Kanngießer (Fn. 24), S. 207; Ronellenfitsch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 2, 1990, S. 185, 197; Schenke (Fn. 10), S. 140. Rüssel (Fn. 14), S. 114 hält dagegen auch bei Wertekonflikten eine Mediation nicht per se für ausgeschlossen. 148 Optimistischer Kanngießer (Fn. 24), S. 207 wegen der Verständigung auf den Atomausstieg. Anders könnte die Lage bei radioaktiven Abfällen aus Forschung und Medizin sein, s. dazu Kanngießer (Fn. 24), S. 34. 149 Gaßner/Holznagel/Lahl (Fn. 89), S. 32; Kaltenborn (Fn. 67), S. 109. 150 Fietkau/Weidner, Umweltverhandeln, 1998, S. 97; Hellriegel (Fn. 57), S. 81; s. auch Geis (Fn. 9), S. 154. 151 BMLFUW, Umweltmediation im österreichischen Recht, 2003, S. 16. 152 Siegwart (Fn. 16), Art. 33b Rn. 32; Simnacher, BayVBl 2006, 460 (461).
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ein solches Verfahren einlassen wird, weil das Vertrauen in den anderen unwiderleglich zerstört ist. 153 Außerdem ist sorgfältig zu prüfen, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein umweltrelevantes Vorhaben so gelagert sind, dass es zu einer win-winSituation kommen kann. 154 Zu bejahen ist dies insbesondere, wenn über das jeweilige Vorhaben eine planerische Entscheidung zu fällen ist, bei der von der Behörde die verschiedenen konfligierenden öffentlichen und privaten Belange abzuwägen sind. 155 Beispielsweise wird über die Errichtung und den Betrieb von Abfalldeponien gemäß § 31 Abs. 2, 3 KrW-/AbfG durch einen auf einer Abwägung beruhenden Planfeststellungsbeschluss bzw. im Wege der Plangenehmigung entschieden. Auch bei der Entscheidung über eine wasserrechtliche Erlaubnis bzw. Bewilligung trifft die Behörde eine Ermessensentscheidung. 156 Konkret muss also für jedes einzelne Vorhaben analysiert werden, ob die Behörde bei der von ihr zu fällenden Zulassungsentscheidung über Abwägungsoder Ermessensspielräume verfügt oder ihr – was im Bereich des Umweltrechts gar nicht so selten ist – bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale einer Rechtsvorschrift ein Beurteilungsspielraum zukommt. 157 Demgegenüber scheint der Einsatz der Mediation bei Vorhaben, bei denen dem Antragsteller ein gebundener Anspruch auf die behördliche Zulassungsentscheidung zusteht, auf den ersten Blick mangels Verhandlungsmasse wenig Erfolg versprechend. 158 Als Beispiel für eine solche gebundene Zulassungsentscheidung sei die immissionsschutzrechtliche Genehmigung genannt (§ 6 Abs. 1 BImSchG), welche auch für die Errichtung und den Betrieb ortsfester Abfallentsorgungsanlagen (§ 31 Abs. 1 KrW-/AbfG) einzuholen ist. Trotzdem wurde bei derartigen Entscheidungen eine gewisse Tauschmacht der Beteiligten darin erblickt, dass die Verwaltung bei ihnen zumindest über gewisse Spielräume bei der verfahrensmäßigen Handhabung des gesamten Zulassungsvorgangs ver___________ 153 Siegwart (Fn. 16), Art. 33b Rn. 33; s. zur Voraussetzung der Verhandlungsbereitschaft der Parteien auch Hellriegel (Fn. 57), S. 24 sowie Schenke in diesem Tagungsband. 154 S. auch Hellriegel (Fn. 57), S. 24; Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 32; Pfisterer (Fn. 112), Art. 33b Rn. 4; Rüssel (Fn. 14), S. 118. 155 Köster, DVBl. 2002, 229 (232); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 2, 1990, S. 9, 14 f.; Schenke (Fn. 10), S. 139. 156 S. §§ 7, 8 WHG sowie § 12 Abs. 2 WHG 2010. 157 Schenke (Fn. 10), S. 139. Spielräume bestehen auch in solchen Bereichen, in denen der Gesetzesvorbehalt nicht gilt und der Gesetzgeber von einer Reglementierung abgesehen hat. S. auch Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 1, 1990, S. 55 (71). 158 Gornig (Fn. 27), S. 246; Ronellenfitsch (Fn. 147), S. 198; Schmidt-Aßmann (Fn. 155), S. 14 f.
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fügt. 159 Auch bei derartigen Entscheidungen kann sich eine mediationsgeeignete Manövriermasse ergeben, wenn sich die für die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale einer Norm relevanten Faktoren beeinflussen lassen. 160 Insbesondere bei Vorhaben von Privatpersonen 161 kann der Antragsteller durchaus gegenüber der Nachbarschaft höhere als nach dem Gesetz erforderliche Schutzstandards akzeptieren, um sich auf diese Weise lästige Gerichtsprozesse zu ersparen. 162 Denkbar wäre es beispielsweise, dass man sich anlässlich eines Streits um unzumutbare Immissionen darauf verständigt, die Lärmquelle an eine andere Stelle des Grundstücks zu verlagern, worin eine sowohl für den Vorhabenträger als auch die Nachbarschaft gleichermaßen akzeptable Lösung liegt. 163 In derartigen Konstellationen ist aber stets auf etwaige rechtliche Grenzen, etwa aus dem Koppelungsverbot, zu achten. 164 Schließlich bleibt im Bereich der gesetzlich gebundenen Verwaltung Raum für eine Mediation, wenn die Voraussetzungen für den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vergleichs (§ 55 VwVfG) gegeben sind. 165 Besteht nach diesen Kriterien eine Mediationseignung, ist immer noch abzuwägen, ob die Vorteile, die man sich von dieser Konfliktlösungsmethode verspricht, ihre Nachteile überwiegen. 166 König hat zutreffend herausgestellt, dass die Mediation nicht überall angewendet werden muss und sich durchaus die sorgfältige Prüfung etwaiger Alternativen, auch anderer Konfliktlösungsmethoden, lohnen kann. 167 Da für ein erfolgreiches Mediationsverfahren häufig viel Geld, Zeit und Personal benötigt wird, werden Mediationen wegen ihres hohen Ressourcenverbrauchs in der Praxis hauptsächlich in besonders heiklen ___________ 159
Schmidt-Aßmann (Fn. 155), S. 15. S. zu den Spielräumen hinsichtlich des Vollzugs der Verwaltungsentscheidung Schenke (Fn. 10), S. 140. 160 Schenke (Fn. 10), S. 140; s. auch Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 148 zu dem Möglichkeiten des Antragstellers zur Wiederherstellung der Alternativenfülle, etwa durch Modifikationen der beabsichtigten örtlichen Lage, der äußeren Gestaltung, der Größe oder Technologie der Anlage. 161 Hinter denen also nicht die öffentliche Hand steht. 162 Kanngießer (Fn. 24), S. 59; Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (10); Schillinger, Mediation in Verwaltungsverfahren, 2003. S. 179 f.; Wolff/Bachof/Stober (Fn. 105), § 63 Rn. 63; s. auch Kaltenborn (Fn. 67), S. 151 und zu den Grenzen der Tauschmacht Siegel, NuR 2002, 79 (83). 163 S. auch den Beitrag von Schenke in diesem Tagungsband. 164 S. dazu Kaltenborn (Fn. 67), S. 81 ff., 206 f.; Kopp/Ramsauer (Fn. 40), Einf Rn. 100a; Schenke in diesem Tagungsband. 165 S. auch Schenke in diesem Tagungsband. 166 Wie hier Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 123; Pfisterer (Fn. 112), Art. 33 b Rn. 4; in diese Richtung auch Zilleßen (Fn. 55), S. 24; s. allgemein zum Ermessen der Verwaltung hinsichtlich Handlungsform und Verfahrensgestaltung Kaltenborn (Fn. 67), S. 141 f. 167 König, URP/DEP 2005, 145 (150).
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Konfliktsituationen eingesetzt, bei denen von vornherein mit langwierigen Auseinandersetzungen gerechnet wird. 168 Rüssel hält Mediationsverfahren dort für sinnvoll, wo viele Beteiligten mit unterschiedlichen Interessen in komplexen Problemlagen aufeinanderprallen und die Akzeptanz der Verwaltungsentscheidung durch Drittbetroffene sowohl für die Verwaltung als auch den Vorhabenträger wichtig ist. 169 Andererseits kann man sich durchaus vorstellen, dass ein Konflikt in einem bi- oder tripolaren Verhältnis durch Mediation entschärft werden kann, wenn das Mediationsverfahren nur kurze Zeit in Anspruch nimmt und nicht besonders kostenintensiv ist. Im Schrifttum wird die Erwägung einer Mediation bei Dauerbeziehungen zwischen den Beteiligten empfohlen, bei denen alle Seiten auf deren Funktionieren angewiesen sind. 170 In einfach gelagerten Fällen 171 oder bei Angelegenheiten mit einem geringen Konfliktpotenzial 172 lohnt es sich regelmäßig nicht, eine Mediation durchzuführen. Hier ist aber immer noch zu erwägen, ob sich die jeweilige Angelegenheit nicht besser bewältigen lässt, wenn im Verwaltungsverfahren mit mediativen Elementen gearbeitet wird. 173 Die Streitbeilegungstechnik der Mediation empfiehlt sich nach dem Schrifttum vor allem bei Standortkonflikten, zumal die Umwelt beeinträchtigende Großvorhaben fast ausnahmslos auf den Widerstand der Anwohner stoßen. 174 Dabei ist sorgsam zu prüfen, inwieweit diese Vorgaben überhaupt noch auf der Ebene des jeweiligen Zulassungsverfahrens verhandelbar sind und die maßgeblichen Weichenstellungen nicht bereits auf vorgelagerter Ebene gefällt wurden. 175 Als Haupteinsatzfelder für die Mediationsverfahren werden die Bereiche Abfall und Entsorgung, Verkehr, Chemie, Energie, Naturschutz 176 und der ___________ 168 Geis (Fn. 9), S. 154; s. zu den Besonderheiten der Umweltmediation Kanngießer (Fn. 24), S. 36. 169 Rüssel (Fn. 14), S. 97. 170 v. Hoyningen-Huene, JuS 1997, 352; Seibert, NVwZ 2008, 365 (367). 171 Härtel, JZ 2005, 753 (759); Pitschas, NVwZ 2004, 396 (400); zur Frage der Einsetzbarkeit der Mediation bei wirtschaftlich unbedeutenden Angelegenheiten Zerr, Mediation – Chancen der Konfliktbewältigung in der öffentlichen Verwaltung?, 2005, S. 58 f. S. zu den Standardverfahren Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 108. 172 Kanngießer (Fn. 24), S. 184. 173 Bargen (Fn. 12), S. 327; Härtel, JZ 2005, 753 (759); Pitschas, NVwZ 2004, 396 (400); Rüssel (Fn. 14), S. 100 f.; Siegel, NuR 2002, 79 (81); Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (371). 174 Böttger, VR 2006, 309 ff.; Kaltenborn (Fn. 67), S. 109; Kanngießer (Fn. 24), S. 34, 188, 212 ff. auch zum Wasserrecht; Schulze-Fielitz (Fn. 157), S. 66; Zilleßen (Haft), § 30 Rn. 51. 175 UVEK (Fn. 120), S. 52; s. zum Einsatz der Mediation auf vorgelagerter Ebene Kanngießer (Fn. 24), S. 146 ff. sowie Brohm, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 2, 1990, S. 221 ff. 176 Geis (Fn. 9), S. 154; Hellriegel (Fn. 57), S. 81; Zilleßen (Fn. 55), S. 28.
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landwirtschaftliche Bereich 177 genannt. Aber auch wenn sich der Konflikt auf die Gestalt, die Dimensionierung, den Betrieb oder die Sicherheitsvorkehrungen eines umweltrelevanten Vorhabens bezieht, können sich Verhandlungen als sinnvoll erweisen. 178 In jedem Einzelfall ist die Reichweite des Mediationsverfahrens abzustecken, d. h. ob es das gesamte Vorhaben oder nur einzelne Aspekte davon umfassen soll. 179 Mediationsverfahren oder ihnen ähnliche Verfahren wurden in der Praxis etwa beim Ausbau des Rhein-Main-Flughafens in Frankfurt am Main, beim Güterbahnhof „Alte Südelbe“, der Überdeckelung der A7 in Hamburg, beim Ausbau der Bundesstraße 10, bei der Müllverbrennungsanlage in Bielefeld-Herford und bei der Sanierung von Altlasten durchgeführt. 180 Des Weiteren wird eine Mediation beim Erlass von umweltrechtlichen Vorschriften 181 und von Umweltprogrammen 182 oder der Ausweisung von Umweltschutzgebieten 183 für möglich gehalten, worauf aber im Rahmen dieses Beitrags nicht näher eingegangen werden kann.
VII. Zeitpunkt der Mediation Zur Mediation als Konfliktlösungsmethode kann nicht nur im Zulassungsverfahren, sondern auch noch zu einem späteren Zeitpunkt gegriffen werden, 184 etwa wenn sich unerwartet Konflikte bei der Umsetzung einer behördlichen Zulassungsentscheidung auftun 185 oder nachträgliche Anordnungen oder ein nachträgliches Einschreiten gegen den Vorhabenträger gefordert werden. Repressive behördliche Maßnahmen stehen häufig im Ermessen der Verwaltung, so dass vielfach die für die Annahme einer Mediationseignung erforderlichen Spielräume vorhanden sein werden. Weil die Mediation jedoch zu gewissen zeitlichen Verzögerungen führen kann, ist bei repressiven Maßnahmen sorgfäl___________ 177
Hehn, AuR 2008, 361 ff. Schillinger (Fn. 162), S. 8; UVEK (Fn. 120), S. 53 ff. 179 Siegel in diesem Tagungsband. 180 Näher zu den einzelnen Projekten Gornig (Fn. 27), S. 246; Hellriegel (Fn. 57), S. 76 ff.; Rüssel (Fn. 14), S. 93; Zerr (Fn. 171), S. 62 ff. sowie Siegel in diesem Tagungsband. 181 Gornig (Fn. 27), S. 252; Kaltenborn (Fn. 67), S. 110; Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (12); zum Erlass technischer Regeln Lübbe-Wolff, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 2, 1990, S. 87 ff. sowie zum Erlass von Verwaltungsvorschriften Gusy, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. 2, 1990, S. 109 ff. 182 Geis (Fn. 9), S. 154; s. auch Zilleßen (Haft), § 30 Rn. 54. 183 Kaltenborn (Fn. 67), S. 109; Perschel (Fn. 9), S. 269. 184 S. auch Kanngießer (Fn. 24), S. 34. 185 Perschel (Fn. 9), S. 268. 178
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tig zu prüfen, ob diese im konkreten Fall hinnehmbar sind. 186 Da noch bei der Stilllegung einer Anlage umweltrelevante Konflikte auftreten können, kann sich während des gesamten Lebenszyklus eines Vorhabens die Frage nach dem Einsatz der Mediation zur Lösung etwaiger Konflikte stellen. 187 Bei konfliktträchtigen umweltrelevanten Vorhaben wird meistens vorgeschlagen, das Mediationsverfahren schon vor Beginn oder gleich nach der Einleitung des behördlichen Zulassungsverfahrens durchzuführen. 188 Denn zu diesem Zeitpunkt sind die Fronten noch nicht so verhärtet und werden Verwaltung und Justiz bei einer erfolgreichen Mediation am meisten entlastet. 189 Außerdem dürfte dem Vorhabenträger daran gelegen sein, das Verfahren sofort mit aussichtsreichen Antragsunterlagen zu beginnen und diese nicht erst während des Verfahrens ändern zu müssen. 190 Manchmal greift die Praxis aber auch erst bei völlig festgefahrenen Verwaltungsverfahren auf die Mediation zurück, weil dann der Einigungsdruck für die Kontrahenten größer ist. 191 Theoretisch kann man sich ein Mediationsverfahren noch nach Durchführung des Erörterungstermins vorstellen, zumal dann klar überschaubar ist, wer mit den Vorhaben nicht zufrieden ist und nicht einlenken wird. 192 Regelmäßig ist dieser Zeitpunkt jedoch für eine Konsenserzielung zu spät. 193 Wurde ohne Mediation über die Zulassung des Vorhabens entschieden und wird die Zulassungsentscheidung gerichtlich angegriffen, kann noch während des Gerichtsverfahrens die Heranziehung dieser Streitbeilegungstechnik vorgeschlagen werden, sofern der Konflikt mediationstauglich ist. 194 Letztlich hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, zu welchem Zeitpunkt eines Projektes eine Mediation am sinnvollsten ist. 195 Während bei konfliktträchtigen multipolaren umweltrelevanten Konflikten eine vor-, mögli___________ 186
Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 59. BMLFUW (Fn. 151), S. 68. 188 Brohm, NVwZ 1991, 1025 (1031); Siegel, NuR 2002, 79 (82); Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (372); Wolff/Bachof/Stober (Fn. 105), § 63 Rn. 63. 189 Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (23); Rüssel (Fn. 14), S. 91; Siegel, NuR 2002, 79 (82); Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (372); s. zur Entlastung Bargen (Fn. 12), S. 334; Schenke (Fn. 10), S. 143 f. 190 Werden die Unterlagen erst während des Verfahrens geändert, können damit Verzögerungen einhergehen, wenn gewisse Verfahrensschritte nochmals zu wiederholen sind. 191 Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (9); ders. (Fn. 117), § 15 Rn. 4; Schulze-Fielitz (Fn. 117), S. 74; s. zu dieser Ansicht auch Rüssel (Fn. 14), S. 91. 192 Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (24). 193 Pünder (Fn. 117), § 15 Rn. 7. 194 S. dazu auch Schenke (Fn. 10), S. 144. 195 BMLFUW (Fn. 151), S. 66; Schulze-Fielitz (Fn. 157), S. 74 f.; Siegel, NuR 2002, 79 (82). 187
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cherweise sogar selbstlaufende Mediation nahe liegt, kann sich bei einem bioder tripolaren Verhältnis eine später einsetzende Mediation unter Umständen als genauso wirksam erweisen. 196 Im Übrigen darf nicht vernachlässigt werden, dass die Mediation auf einen Konsens unter allen relevanten Interessenträgern abzielt. Ihre Durchführung und ihr Erfolg stehen und fallen mit der Mitwirkungsbereitschaft der anderen. Die Verwaltung sollte zwar bei konfliktträchtigen, multipolaren Großvorhaben möglichst früh eine Mediation initiieren. Gelingt es jedoch zu diesem frühen Zeitpunkt nicht, alle bzw. zumindest die meisten der in der jeweiligen Angelegenheit relevanten Interessenvertreter an den Verhandlungstisch zu bringen, ist dies eben nicht der ideale Zeitpunkt. Möglicherweise kann sich zu einem späteren Augenblick erneut die Frage stellen, ob man nicht doch eine Konfliktlösung im Mediationsweg anstreben sollte.
VIII. Besonderheiten bei Mediationsverfahren in umweltrelevanten Angelegenheiten Wie bereits angesprochen, können sich aus der Komplexität der zur Debatte stehenden umweltrechtlichen Angelegenheit besondere Anforderungen an die Person des Mediators bzw. das Mediatorenteam ergeben. 197 Zur Vermeidung juristisch unvertretbarer und nachher nicht übernahmefähiger Mediationsergebnisse sollte der Mediator bei Großvorhaben neben kommunikativen und sozialpsychologischen Fähigkeiten 198 über zumindest grundlegende Kenntnisse auf dem Sektor des Umweltrechts verfügen. 199 Je nach Komplexität des Vorhabens ist Expertenwissen von außen in das Verfahren einzubeziehen. 200 Des Weiteren wird eine Mediation in oder im Umfeld einer umweltrelevanten Streitigkeit nur bei Einbeziehung aller maßgeblichen Gruppen gelingen. Nur wenn alle für den Konfliktfall maßgeblichen Interessen im Mediationsverfahren repräsentiert sind, wird das dort vereinbarte Ergebnis später auf Akzeptanz stoßen. 201 Bislang ist nur unzureichend geklärt, ob die Bestimmung des Teilnehmerkreises der Medianten ausschließlich aus juristischer Perspektive oder z. B. unter Einbeziehung eines politik-analytischen Ansatzes vorgenommen werden soll. 202 Für den juristischen Ansatz spricht das mit der Mediation verfolgte ___________ 196
Diskussionsbeitrag Baumeister. S. dazu Fn. 54 ff. sowie Kaltenborn (Fn. 67), S. 229. 198 Brohm, NVwZ 1991, 1025 (1033); Schulze-Fielitz (Fn. 157), S. 76. 199 Siegel, NuR 2002, 79 (83); Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 372 f. 200 Geis (Fn. 9), S. 154; Rüssel (Fn. 14), S. 120. 201 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 111; Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (6 f.); Schenke (Fn. 10), S. 142. 202 S. dazu UVEK (Fn. 120), S. 72 f. 197
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Ziel, dass infolge der einvernehmlichen Konfliktbeilegung Einwendungen gegen das Vorhaben erledigt werden und durch den frühzeitigen Einsatz dieser Konfliktbeilegungsmethode auch die Justiz entlastet werden soll. 203 Soweit in dem jeweiligen umweltrelevanten Konflikt Umweltschutzverbänden ein Beteiligungs- und/oder Klagerecht zusteht, liegt ihre Einbeziehung in das Mediationsverfahren nahe. Manchmal kann es angebracht sein, andere Parteien ohne Beteiligtenrecht, wie Bürgerinitiativen, in den Teilnehmerkreis einzubeziehen. Denn sie können das Vorhaben auf andere Weise, etwa politisch, zu Fall bringen. Dies entspricht dem Charakter der Mediation als interessenbezogener Konfliktlösungsmethode. 204 Jedenfalls solange die Mediation vor oder parallel zu einem Verwaltungsverfahren läuft, ist eine solche Ausweitung des Teilnehmerkreises möglich. 205 Die Einbeziehung der für das jeweilige Vorhaben federführenden Behörde in das Mediationsverfahren trägt dazu bei, dass der gefundene Kompromiss anschließend große Chancen auf eine Umsetzung durch eine entsprechende Zulassungsentscheidung hat. 206 Aufgrund ihrer Gesetzes- und Gemeinwohlbindung wird eine am Mediationsverfahren teilnehmende Leitbehörde den anderen Akteuren frühzeitig die sich für sie ergebenden Verhandlungsleitplanken signalisieren. 207 Ähnliches gilt für die Beteiligung anderer Fachbehörden, deren Aufgabenbereich durch die fragliche Verwaltungsentscheidung berührt wird. 208 Da das Verhandeln im Zuge eines Mediationsverfahrens regelmäßig nur bei einem überschaubaren Teilnehmerkreis gelingen wird, können bei multipolaren umweltrelevanten Projekten nicht alle Betroffenen persönlich an den Verhandlungen teilnehmen. 209 Als Ausweg aus diesem Dilemma bietet es sich an, den am multipolaren Rechtsverhältnis zu Beteiligenden die Möglichkeit einzuräumen, sich durch von ihnen ausgewählte und beauftragte Repräsentanten am Mediationsverfahren zu beteiligen. Infolge der ständigen Rückkoppelung zwischen ihnen und ihrem jeweiligen Vertreter kann erreicht werden, dass die in der Mediation erarbeitete einvernehmliche Lösung am Ende von allen akzep-
___________ 203 S. näher zu einer juristischen Bestimmung des Teilnehmerkreises HoffmannRiem (Fn. 33), S. 44 f.; Siegel, NuR 2002, 79 (84). 204 Kanngießer (Fn. 24), S. 95; s. auch Rüssel (Fn. 14), S. 108 f.; Stumpf (Fn. 12), S. 276, 301. 205 Im Ergebnis auch Hellriegel (Fn. 57), S. 37; Rüssel (Fn. 14), S. 108 f.; s. auch Siegel, NuR 2002, 79 (84). 206 Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (372). 207 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 131; UVEK (Fn. 120), S. 76. 208 Rüssel (Fn. 14), S. 110. 209 Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (372); s. näher zur sinnvollen Teilnehmerzahl Rüssel (Fn. 14), 110 f.; Schillinger, S. 212 ff.
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tiert wird. 210 Im Schrifttum wird zu Recht auf die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Teilnehmerkreises insbesondere im Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens hingewiesen. 211 Auch gelingt die für notwendig erachtete Rückkoppelung zwischen dem Repräsentanten und der hinter im stehenden Personengruppe nicht immer. 212 Die Umsetzung des gefundenen Mediationsergebnisses hängt vom Inhalt der Einigung sowie dem Zeitpunkt des Mediationsverfahrens ab. 213 Beispielsweise muss im Anschluss an ein vorlaufendes Mediationsverfahren das Verwaltungsverfahren auf Erlass einer bestimmten behördlichen Zulassungsentscheidung eingeleitet werden. 214 Bei einer vorlaufenden Mediation ist dem Antragsteller zu empfehlen, einen dem Mediationsergebnis entsprechenden Vorhabensantrag zu stellen. 215 Fand die Mediation vor dem Erörterungstermin statt, ist die gefundene Lösung in das Anhörungsverfahren einzubeziehen. 216 In der behördlichen Gestattungsentscheidung kann dem Kompromiss durch Nebenbestimmungen, etwa durch die Aufnahme entsprechender Auflagen, Rechnung getragen werden. 217 Einigt man sich darauf, dass der Vorhabenträger zur Steigerung der Lebensqualität am Standort etwa für den Bau eines Schwimmbades aufkommen soll, kann dieser Aspekt nicht Gegenstand der Zulassungsentscheidung über das Vorhaben sein, sondern muss anderweitig umgesetzt werden. 218
IX. Rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz der „Umweltmediation“ Bislang gibt es im Umweltrecht keine explizit die Mediation ansprechende Norm. Im geltenden Recht finden sich aber einige Ansatzpunkte, aus denen die Einsetzbarkeit dieser Methode bei Umweltkonflikten hergeleitet wird. § 5 ___________ 210 Schenke (Fn. 10), S. 143; s. auch Holznagel, Jura 1999, 71 (75); Kanngießer (Fn. 24), S. 46 ff.; Perschel (Fn. 9), S. 265; Siegel, NuR 2002, 79 (84); Stumpf (Fn. 12), S. 301; Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (372); s. zu diversen Ansätzen zur Bestimmung der Repräsentanten Rüssel (Fn. 14), S. 110 ff. 211 S. dazu Holznagel, Jura 1999, 71 (74); Stumpf (Fn. 12), S. 301 f., 304. 212 S. dazu Holznagel (Fn. 57), S. 277 ff.; Perschel (Fn. 9), S. 264, der auf S. 273 f. weitere Gründe für das Scheitern von Mediationen nennt. 213 Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 139; Rüssel (Fn. 14), S. 157; Siegel, NuR 2002, 79 (86). 214 S. dazu Siegel in diesem Tagungsband sowie Rüssel (Fn. 14), S. 157. 215 Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (28); Rüssel (Fn. 14), S. 157; Siegel, NuR 2002, 79 (86). 216 Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (29); Siegel, NuR 2002, 79 (86). 217 Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (29); Siegel, NuR 2002, 79 (86); Stumpf (Fn. 12), S. 293 f. 218 Holznagel (Fn. 83), S. 219.
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UVPG regelt die Unterrichtung des Vorhabenträgers durch die Verwaltung über die für die Umweltverträglichkeitsprüfung voraussichtlich beizubringenden Unterlagen (sog. Scoping). 219 Dieser gesetzlich normierte Verfahrensschritt soll auf Ersuchen des Vorhabenträgers vor Beginn des Verfahrens oder, wenn es die zuständige Behörde für erforderlich hält, nach Beginn des Verfahrens erfolgen. Damit wird die Vereinfachung und Beschleunigung des UVPVerfahrens bezweckt. 220 Als Ausfluss des Kooperationsprinzips 221 gibt die zuständige Behörde dem Vorhabenträger noch vor der Unterrichtung Gelegenheit zu einer Besprechung über den Inhalt und Umfang der benötigten Unterlagen. Außerdem sollen Gegenstand, Umfang und Methoden der Umweltverträglichkeitsprüfung sowie sonstige für die Durchführung der UVP erheblichen Fragen besprochen werden. § 5 S. 4 UVPG erlaubt es der Behörde („kann“), dabei auch Sachverständige und Dritte beizuziehen. Während Teile der Literatur meinen, dass „Dritter“ im Sinne dieser Vorschriften nur eine Person sein kann, die wegen ihrer auf das jeweilige Projekt bezogenen Sachkenntnis zur Klärung des Untersuchungsrahmens beitragen könne, 222 hat sich die Mediationsliteratur für eine weite Auslegung ausgesprochen. Nicht ohne Grund habe man sich dazu entschlossen, neben den Sachverständigen den weiten Begriff des „Dritten“ zu verwenden. 223 § 5 S. 4 UVPG sei zur Ermöglichung einer flexiblen Gestaltung des Scoping-Verfahrens weit formuliert worden. 224 Eine frühzeitige und breite Diskussion über die Umweltverträglichkeitsprüfung sei geboten. Wird nämlich kein breiter Konsens über die Sachverhaltsbasis der späteren Entscheidung über das Projekt erzielt, sei nicht auszuschließen, dass in dem späteren Anhörungsverfahren z. B. über die Notwendigkeit weiterer Gutachten gestritten wird. 225 Da es durchaus Sinn macht, bereits bei der Vorbereitung konfliktträchtiger Planungs- und Genehmigungsverfahren Behörde, Vorhabenträger und Dritt(betroffen)e an einen gemeinsamen Tisch zu bringen, wird man die Einbeziehung von Mediatoren in den Anwendungsbereich dieser Norm eingeschlossen be-
___________ 219 Kment, in: Hoppe, UVPG, 3. Aufl. 2007, § 5 Rn. 2; Peters/Balla, UVPG, 3. Aufl. 2006, § 5 Rn. 1. 220 Kment (Fn. 219), § 5 Rn. 3; Peters/Balla (Fn. 219), § 5 Rn. 1. 221 Peters/Balla (Fn. 219), § 5 Rn. 1. 222 Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, 2003, S. 76. 223 Gornig (Fn. 27), S. 251; Hellriegel (Fn. 57), S. 147; Kaltenborn (Fn. 67), S. 117. 224 Kaltenborn (Fn. 67), S. 117; s. auch Gornig (Fn. 27), S. 251; Holznagel/Ramsauer (Fn. 95), § 28 Rn. 53. 225 Holznagel/Ramsauer (Fn. 95), § 28 Rn. 52.
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trachten können. 226 Damit ist aber noch wenig über die Befugnisse des Mediators ausgesagt. Da Sachverständige und Dritte auf einer Stufe genannt werden und nur von „hinzuziehen“ geredet wird, wird zu Recht bezweifelt, dass auf der Basis dieser Vorschrift der gesamte Verfahrensschritt des Scoping auf einen Mediator übertragen werden kann. 227 § 5 UVPG gilt überdies nur für UVPpflichtige Vorhaben. Da sich das Scoping auf die Umweltverträglichkeitsprüfung, nämlich die Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt beschränkt, kann diese Norm keine umfassende, auch soziale und wirtschaftliche Interessen einbeziehende Mediation legitimieren. 228 Es ist zwar richtig, dass sich Mediationsverfahren auch zur Lösung von (nur) in diesem Themenbereich bestehenden Konflikten durch die Herausarbeitung, die Sammlung und das Abwägen der hierzu existierenden Interessen eignen können. 229 Oft werden aber der Vorhabenträger und/oder die Verwaltung an einer darüber hinausgehenden Konfliktlösung interessiert sein. Eine weitere, vielfach im Zusammenhang mit der Mediation im Umweltrecht zitierte Vorschrift bildet § 2 Abs. 2 S. 3 Nr. 5 der 9. BImSchV. Danach soll die Genehmigungsbehörde, sobald der Träger des Vorhabens sie über das geplante Projekt informiert, ihn über die Antragstellung, den zeitlichen Ablauf des Genehmigungsverfahrens sowie sonstige für seine Durchführung erhebliche Fragen beraten. Diese Erörterung soll insbesondere der Klärung dienen, ob sich eine Verfahrensbeschleunigung dadurch erreichen lässt, dass der behördliche Verfahrensbevollmächtigte sich auf Vorschlag oder mit Zustimmung und auf Kosten des Antragstellers eines Projektmanagers – im Jahre 1993 wurde noch von einem „Dritten“ gesprochen 230 – bedient. Bei genauer Betrachtung wird durch diese Regelung nur der Umfang der behördlichen Beratungspflicht bestimmt. Indirekt setzt sie aber die Möglichkeit eines privaten Projektmanagers zur Verfahrensbeschleunigung voraus. 231 Auch hier ergibt die Normenanalyse, dass auf den Dritten keine einzelnen Verfahrensschritte des vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens übertragen werden dürfen. Denn die Gestal___________ 226
Bargen (Fn. 12), S. 326; Gornig (Fn. 27), S. 251; Härtel, JZ 2005, 753 (758); Holznagel, Jura 1999, 71 (75); Kaltenborn (Fn. 67), S. 117; Kanngießer (Fn. 24), S. 252; Rüssel (Fn. 14), S. 230. 227 Hellriegel (Fn. 57), S. 147; Kanngießer (Fn. 24), S. 252; a. A. Wagner/Engelhardt, NVwZ 2001, 370 (372). S. auch Kaltenborn (Fn. 67), S. 184 ff., 228 ff., wonach bei Beachtung bestimmter Kriterien mit der Verlagerung von Verfahrensaufgaben nicht zwangsläufig ein Wechsel der Verfahrensherrschaft verbunden sein muss. 228 Hellriegel (Fn. 57), S. 148; Rüssel (Fn. 14), S. 230; s. auch Kanngießer (Fn. 24), S. 145, 249. 229 Rüssel (Fn. 14), S. 230; s. auch Kanngießer (Fn. 24), S. 249 f. 230 BGBl. 1993 I 494. 231 Hellriegel (Fn. 57), S. 141; für eine Aufgabenwahrnehmung im Weg der privaten Mediation Bargen (Fn. 12), S. 326; Härtel, JZ 2005, 753 (758).
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tung des zeitlichen Verfahrensablaufs sowie die organisatorische und fachliche Bestimmung werden durch den behördlichen Verfahrensbevollmächtigten überwacht. 232 Da nach § 17 Abs. 1 der 9. BImSchV die Verlegung des Erörterungtermins durch die Genehmigungsbehörde erfolgt und nach § 10 Abs. 6 BImSchG die Durchführung der Erörterung der Genehmigungsbehörde obliegt, gilt weiterhin, wie es in § 18 Abs. 1 S. 2 9. BImSchV a. F. ausdrücklich normiert war, dass der den Erörterungstermin leitende Vertreter der Genehmigungsbehörde der „Verhandlungsleiter“ ist und diesen durchzuführen hat. Angesichts dessen, dass der Antragsteller für die Kosten des in § 2 Abs. 2 S. 3 Nr. 5 der 9. BImSchV erwähnten Projektmanagers aufzukommen hat, ist äußerst zweifelhaft, ob andere in diesem noch einen neutralen Dritten erblicken werden. 233 Schließlich sieht § 2a Abs. 1 S. 4 der 9. BImSchV bei UVP-pflichtigen Genehmigungsvorhaben die Möglichkeit der Hinzuziehung von Sachverständigen und Dritten, insbesondere Standort- und Nachbargemeinden, beim Scoping vor. Insoweit kann auf die vorherigen Ausführungen zum vergleichbaren § 5 S. 4 UVPG verwiesen werden. Die regelmäßig für die Einsetzbarkeit der Mediation bei umweltrechtlichen Konflikten angeführten Vorschriften sind weniger aussagekräftig, als dies oft suggeriert wird. Insbesondere die Erwähnung des „Dritten“ in einer Norm kann gewisse Anhaltspunkte dafür bieten, dass Private und somit auch ein Mediator als Dritter hinzugezogen werden können. 234 Für jede Norm ist aber gesondert zu untersuchen, was unter dem „Dritten“ zu verstehen ist und ob sie auch die Übertragung gewisser, der Verwaltung obliegender Verfahrensschritte auf den Mediator abdeckt. Weil eine Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung bedarf, 235 dürfte dies im Moment in der Mehrzahl der Fälle zu verneinen sein. Sowohl § 5 UVPG als auch § 2 Abs. 2 S. 3 Nr. 5, § 2a Abs. 1 S. 4 der 9. BImSchV stützen die These, dass man sich in einem möglichst frühen Stadium um eine Konfliktlösung bzw. -vermeidung im Mediationsweg bemühen sollte. Auf dieser Linie liegt die jetzige Regelung in § 25 Abs. 2 S. 1 VwVfG, wonach die Behörde, soweit erforderlich, bereits „vor Stellung eines Antrags“ mit dem zukünftigen Antragsteller berät, welche Nachweise und Unterlagen von ihm zu erbringen sind und in welcher Weise das Verfahren beschleunigt werden kann. Im Unterschied zu den soeben vorgestellten umweltrechtlichen Vorschriften und zu § 71c Abs. 2 S. 2 VwVfG a.F. ___________ 232
Im Ergebnis, aber bezogen auf die frühere Rechtslage Hellriegel (Fn. 57), S. 142; Rüssel (Fn. 14), S. 231. 233 S. dazu auch Rüssel (Fn. 14), S. 231 sowie Kanngießer (Fn. 24), S. 267 zugleich mit Argumenten für seine Kostentragung. 234 Der Begriff des „Dritten“ ist je nach Norm auszulegen. Nicht immer wird darunter auch ein Mediator fallen. 235 S. etwa Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 129; Kaltenborn (Fn. 67), S. 171; Pünder (Fn. 117), § 15 Rn. 13; Rüssel (Fn. 14), S. 124.
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wird aber die Möglichkeit der Hinzuziehung von Dritten zu dieser Besprechung im Gesetzestext nicht mehr explizit erwähnt. Bei Umweltmediationen bleibt vielfach nichts anderes übrig, als auf die allgemeinen Erkenntnisse zur Einsetzbarkeit dieser Konfliktlösungsmethode im Öffentlichen Recht zu rekurrieren. Sofern ein Mediationsverfahren zeitlich vor dem jeweiligen Verwaltungsverfahren durchgeführt wird bzw. parallel dazu, bedarf es nach der überwiegenden Meinung dafür keiner speziellen Rechtsgrundlage, solange ein Mediator nicht regelmäßig oder sogar dauerhaft für die Verwaltung tätig werden soll. 236 Der Tagungsbeitrag von Siegel wird aufzeigen, wie sich Mediations- und Planfeststellungsverfahren miteinander in Einklang bringen lassen. 237 Angesichts der mit einer Mediation verbundenen Risiken und im Erfolgsfalle einhergehenden faktischen Vorfestlegungen mehren sich die Stimmen, welche eine präzisere Regelung dieser Konfliktlösungsmethode befürworten. 238 Die bislang weitestgehende allgemeine Regelung zur Mediation findet sich in § 89 des im Jahre 1997 vorgelegten Kommissionsentwurfs der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch. 239 Mit dieser neuartigen Vorschrift sollten neue Ansätze für einen Interessenausgleich, aber auch für eine bessere Akzeptanz von Entscheidungen gerade bei umstrittenen Vorhaben geschaffen werden. 240 Nach § 89 Abs. 1 UBG-KomE soll im Verfahren zur Entscheidungsvorbreitung, also nicht nur im Erörterungstermin, 241 auf einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen hingewirkt und eine einvernehmliche Lösung angestrebt werden. Die Genehmigungsbehörde kann hierzu die Durchführung einzelner Abschnitte des Verfahrens, insbesondere des Erörterungstermins, einem Verfahrensmittler übertragen (§ 89 Abs. 2 UGB-KomE), der in seiner Tätigkeit unabhängig und an keine Weisungen gebunden ist (§ 89 Abs. 3 UGB-KomE). Diese Vorschrift ist vor allem deshalb ___________ 236
Gornig (Fn. 27), S. 247 f.; Härtel, JZ 2005, 753 (757); Kanngießer (Fn. 24), S. 232 ff.; Pitschas, NVwZ 2004, 396 (399); Wolff/Bachof/Stober (Fn. 105), § 63 Rn. 68; s. auch zur Notwendigkeit einer Regelung bei Veränderungen der Gesamtstruktur des Verwaltungsvollzugs Kaltenborn (Fn. 67), S. 178 f., 186 bzw. nach Ablauf einer Experimentierphase Schmidt-Aßmann (Fn. 155), S. 25 f.; Schulze-Fielitz (Fn. 157), S. 73. 237 In diesem Tagungsband sowie ders., NuR 2002, 79 ff. 238 Eine Regelung aus verfassungsrechtlichen Gründen befürworten Appel (Fn. 12), § 32 Rn. 129; Kaltenborn (Fn. 67), S. 179; Schulze-Fielitz (Fn. 157), S. 64 f.; differenzierend Hoffmann-Riem, (Fn. 33), S. 39 f., wonach der Gesetzesvorbehalt nicht in allen, aber doch manchen Fällen eine gesetzliche Regelung gebieten kann. 239 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), 1998, S. 141 f.; s. dazu auch Hellriegel (Fn. 57), S. 161 ff.; Rüssel (Fn. 14), S. 228 f. 240 UGB-KomE (Fn. 239), S. 641. 241 UGB-KomE (Fn. 239), S. 641.
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interessant, weil sie die Anwendung der Mediation im Verfahren selbst ermöglicht. 242 Bei einer Übertragung des Erörterungstermins auf den Verfahrensmittler hat die Genehmigungsbehörde an diesem teilzunehmen (§ 89 Abs. 5 UGBKomE). Dahinter steht der Gedanke, dass die entscheidende Behörde umfassend über Einwendungen informiert und auf Verhandlungen über eine einvernehmliche Lösung von Interessenkonflikten vorbereitet sein muss. 243 Ihre Entscheidungsherrschaft in der Angelegenheit bleibt erhalten. 244 Ausweislich der Entwurfsbegründung ist weiterhin eine bloß informelle Mediation möglich. 245 Im Vergleich dazu fallen die Regelungen des inzwischen aufgegebenen UGB-Referentenentwurfs vom 4. Dezember 2008 spärlich aus. Gemäß § 87 Abs. 1 dieses Entwurfs umfasst die behördliche Beratung des Antragstellers alle für eine sachgerechte und zügige Durchführung des Genehmigungsverfahrens erheblichen Fragen. Hierzu gehören insbesondere die „Möglichkeit eines freiwilligen Dialogverfahrens mit der Öffentlichkeit“ (§ 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 UGB-RefE) sowie die Möglichkeit zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens „sich auf Vorschlag oder mit Zustimmung des Antragstellers auf dessen Kosten einer mit dem Projektmanagement beauftragten Person zu bedienen“ (§ 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 UGB-RefE). Die zuletzt genannte Vorschrift baut ersichtlich auf § 2 Abs. 2 S. 3 Nr. 5 der 9. BImSchV auf. 246 Hinsichtlich des freiwilligen Dialogverfahrens mit der Öffentlichkeit wird in der Begründung des Referentenentwurfs darauf verwiesen, dass Nachbarschaftsdialoge und ähnliche informelle Dialogprozesse systematische und strukturierte Ansätze bieten, um Vorhabenträger und Betroffene miteinander ins Gespräch zu bringen, eine Verständigung zu suchen und Konfliktpotenzial bereits im Vorfeld auszuräumen. „Solche Instrumente haben sich in der Praxis bewährt. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, können anschließende Genehmigungsverfahren durch sie wesentlich entlastet sowie langwierige und kostenträchtige Auseinandersetzungen vermieden werden.“ 247 Zu diesen Dialogverfahren dürften neben der Mediation andere Kommunikationsprozesse, wie die Unassisted Negotiation, gehören. Mit der Norm wird lediglich die Beratung geregelt und die Zulässigkeit der Mediation und anderer Dialoge mittelbar vorausgesetzt. Im Unterschied zum UGB-Kommissionsentwurf von 1997 zeichnet sich der Refe___________ 242
Hellriegel (Fn. 57), S. 163. UGB-KomE (Fn. 239), S. 642; Hellriegel (Fn. 57), S. 164. 244 UGB-KomE (Fn. 239), S. 641. 245 UGB-KomE (Fn. 239), S. 641; Hellriegel (Fn. 57), S. 161 f. 246 Anders als im bisherigen Recht wird aber im Entwurf nicht mehr vorgesehen, dass die Antragsberatung in Form einer Erörterung erfolgt und der Unterrichtung über den voraussichtlich beizubringenden Unterlagen ein Besprechungstermin vorangehen soll, um den Beteiligten eine größere Flexibilität bei der Ausgestaltung der Antragsberatung zu ermöglichen, s. Begründung RefE, S. 242. 247 Begründung RefE, S. 243. 243
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rentenentwurf von 2008 durch eine größere Offenheit gegenüber verschiedenen Dialog- und Kooperationsmöglichkeiten aus. Eine speziell auf die Mediation bezogene Regelung kann dagegen den Bekanntheitsgrad dieser Konfliktlösungsmethode erhöhen und dazu beitragen, dass man sich eher Gedanken über ihr Potenzial dieser Konfliktlösungsmethode macht.
X. Mediation im Öffentlichen Recht de lege ferenda Angesichts der ins nationale Recht umzusetzenden EG-Mediationsrichtlinie in (grenzüberschreitenden) Zivil- und Handelssachen wird wahrscheinlich eine Diskussion ausgelöst werden, ob die Mediation nicht auch im Öffentlichen Recht institutionalisiert werden sollte. 248 Die Gegner einer solchen Idee werden vor allem vorbringen, dass eine solche Verrechtlichung der Anziehungskraft der Mediation als informeller und flexibler Konfliktlösungsmethode abträglich sei. 249 Andere betonen dagegen die Bereitstellungsfunktion des Rechts und, dass die Rechtsordnung bei der Einführung neuer Methoden eine Art Starthilfe leisten kann. 250 Dem ist beizupflichten, zumal eine Befragung im Jahre 2004/05 zu dem Ergebnis kam, dass vielen Landratsämtern der Begriff der Umweltmediation nichts sagte und für sie ein komplett neues Verfahren darstellte. 251 Durch eine gesetzliche Regelung werden der Bekanntheitsgrad und die Legitimität der Mediation erhöht. 252 Die Normierung darf aber keinesfalls dazu führen, dass die Mediation zur Standardverfahrensweise bei Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Konfliktes wird. Wie bisher sollte sich die Entscheidung, ob auf die Mediation zurückgegriffen wird, an den Umständen des Einzelfalls und an den Aspekten der Kompromissfähigkeit des Konflikts, etwaiger Verhandlungsanreize sowie einer Vor- und Nachteilsrelation ausrichten. Eine Routinisierung der Mediation bei öffentlich-rechtlichen Konflikten würde ihren Charme und ihre Erfolgschancen mindern. Die Mediation soll Flexibilitätsspielräume eröffnen, die das rechtlich geordnete Verwaltungsverfahren und der Verwaltungsprozess in ihrer herkömmlichen Form jedenfalls nicht ohne weiteres bieten. 253 Um die Dynamik und Flexibilität des Mediationsverfahrens nicht ___________ 248 S. zum weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers Kaltenborn (Fn. 67), S. 143. 249 Kanngießer (Fn. 24), S. 256; weitere Nachweise bei Hellriegel (Fn. 57), S. 99; Rüssel (Fn. 14), S. 233. 250 Siegel, NuR 2002, 79 (87); Ziekow, NVwZ 2004, 390 (396). 251 Zerr (Fn. 171), S. 50. 252 Siegwart (Fn. 16), Art. 33b Rn. 12; s. auch Hellriegel (Fn. 57), S. 99; Rüssel (Fn. 14), S. 233; Schulze-Fielitz (Fn. 157), S. 65. 253 S. dazu den Beitrag von Ziekow in diesem Tagungsband.
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zu beeinträchtigen, ist von einer kompletten rechtlichen Durchstrukturierung, z. B. aller Mediationsphasen, abzusehen. 254 Geregelt werden sollten nur einzelne, für den Einsatz der Mediation bei öffentlich-rechtlichen Konflikten zentrale Aspekte. 255 Folgt man diesem Ansatz, ist immer noch offen, wo diese Regelungen am besten getroffen werden sollten. Wegen des Querschnittscharakters der Mediation ist überlegenswert, ob man die Mediation angesichts der umzusetzenden EG-Mediationsrichtlinie in grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssachen nicht allgemein in einem mehrere Rechtsbereiche umfassenden Mediationsgesetz regeln sollte. 256 Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass für die Mediation im Öffentlichen Recht andere verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen als für den Privatrechtssektor gelten. Zugleich würde das verfolgte Ziel, den Bekanntheitsgrad der Mediation im Öffentlichen Recht zu steigern, voraussichtlich nicht so gut erreicht. Jedenfalls wenn die Mediation nicht nur einen Bezug zu den Gerichtsverfahren, sondern den Verwaltungsverfahren aufweist, würde dem Bundesgesetzgeber zumindest für gewisse Bereiche die Gesetzgebungskompetenz in Bezug auf die Landesebene fehlen. Aus diesem Grund wird hier eine gesonderte Regelung für den öffentlich-rechtlichen Sektor befürwortet. Auch der Deutsche Juristentag 2008 hat sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass das Verwaltungsverfahrensrecht ausdrücklich regeln sollte, ein Mediationsverfahren „im“ oder parallel zum Verwaltungsverfahren durchzuführen. 257 Nur mit knapper Mehrheit wurde dagegen der Beschluss gefasst, dass die Behörde die Vorbereitung und Durchführung einzelner Abschnitte des Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahrens, insbesondere eines Erörterungstermins, einem Verfahrensmittler übertragen kann. 258 Für eine Verortung im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht hat man sich in der Schweiz entschieden, wo in Art. 33b des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren die gütliche Einigung und Mediation geregelt werden (SR 172.021). Die Verortung im allgemeinen Verwaltungsrecht berücksichtigt, dass die Mediation nach den zwischenzeitlichen Erfahrungen in diversen Bereichen des Besonderen Verwaltungsrechts einsetzbar ist. Alternativ kann man eine Verortung der Mediationsregelungen im Fach-, respektive im Umweltrecht in Erwägung zie-
___________ 254
Schulze-Fielitz (Fn. 157), S. 73; Siegel, NuR 2002, 79 (87); s. auch Stumpf (Fn. 12), S. 290. 255 Schulze-Fielitz (Fn. 157), S. 73; s. auch Rüssel (Fn. 14), S. 233 f. 256 S. dazu Siegel, NuR 2002, 79 (87). 257 Beschluss DJT 2008, S. 25 (unter 19.; angenommen 41:3:10). 258 Beschluss DJT 2008, S. 25 (unter 20.; angenommen 26:5:27).
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hen. 259 Während die Mediation in einem Umweltgesetzbuch unproblematisch in seinem allgemeinen Teil geregelt werden könnte, müssten momentan die entsprechenden Vorschriften in die einzelnen umweltrechtlichen Fachgesetze integriert werden. Denkbar wäre, wie es z. B. in Österreich geschehen ist, 260 eine explizite Regelung zur Mediation im UVPG vorzusehen. Möglicherweise könnte es sich als sinnvoll erweisen, im allgemeinen Verwaltungsrecht gewisse Grundparameter der Mediation in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu normieren. Das Fachrecht könnte dann auf diese Normen Bezug nehmen oder in Fällen, in denen ein Modifizierungsbedarf besteht, speziellere Vorschriften bereitstellen. 261 Angesichts des Querschnittcharakters der Mediation würden ihre Einsatzmöglichkeiten aber zu sehr beschnitten, wenn sie, wie es bei dem neu eingefügten § 42a VwVfG geschehen ist, nur bei einer Anordnung durch Rechtsvorschrift im Fachrecht zur Anwendung gelangen könnte. Meines Erachtens sollte davon abgesehen werden, die Mediation als eine Maßnahme zur Beschleunigung der Verwaltungsverfahren zu regeln. Denn die Beschleunigung ist allenfalls ein Nebenzweck der Mediation. Der für eine Mediation benötigte Zeitrahmen hängt von dem jeweiligen Konflikt ab. Sollte insbesondere eine einvernehmliche Auflösung des Konflikts scheitern, kann eine Mediation sogar zu Verzögerungen führen.
XI. Fazit Vor allem über das Referenzgebiet des Umweltrechts setzte sich im Öffentlichen Recht die Erkenntnis durch, dass die Mediation eine geeignete Methode sein kann, um Interessenkonflikte entweder schon gar nicht entstehen zu lassen oder sie nachträglich beizulegen. Gegenüber dem Zivilrecht sind jedoch die Mediationsspielräume in diesem Gebiet geringer. 262 Dass die auf eine einvernehmliche Konfliktlösung abzielende Mediation keinen mit dem bisherigen Rechtsregime unvereinbaren Fremdkörper darstellt, wird unter anderem an § 74
___________ 259
Für eine bereichsspezifische Lösung Schulze-Fielitz (Fn. 157), S. 66, um erst einmal Erfahrungen mit der Mediation zu machen. 260 Art. 16 Abs. 2 UVP-G 2000: Zeigen sich im Zuge des Genehmigungsverfahrens große Interessenkonflikte, kann die Behörde das Verfahren auf Antrag des Projektwerbers zur Einschaltung eines Mediationsverfahrens unterbrechen. Die Ergebnisse des Mediationsverfahrens können der Behörde übermittelt und von dieser im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten im weiteren Verfahren und in der Entscheidung berücksichtigt werden. 261 S. dazu auch Kaltenborn (Fn. 67), S. 187. 262 Härtel, JZ 2005, 753 (757); Pitschas, NVwZ 2004, 396 (399).
Mediation im Umweltrecht
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Abs. 2 S. 1 VwVfG deutlich. 263 Danach hat die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsbeschluss nur noch über solche Einwendungen zu entscheiden, über welche keine Einigung erzielt wurde. Auch wenn § 28 Abs. 1 VwVfG die Behörde nur zur Anhörung eines Beteiligten vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts verpflichtet, hindert sie dies nicht, sich ihrerseits zu den Gründen einer in Aussicht genommenen Maßnahme zu äußern und im Gespräch Konflikte auszuräumen. 264 Selbst wenn das zwischenzeitlich ausgiebige Schrifttum zur Mediation im Öffentlichen Recht den Eindruck hervorrufen mag, ihr komme in der Praxis eine herausgehobene Bedeutung zu, wird diese Streitbeilegungsmethode auf Verwaltungsebene bislang zurückhaltend eingesetzt. Dies hängt damit zusammen, dass bestimmte Konflikte von vornherein nicht mediationstauglich sind oder z. B. die Kosten eines Mediationsverfahrens zu hoch sind. Die Behörden müssen verantwortlich mit dieser Konfliktlösungstechnik umgehen. Es ist sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen späteren, möglicherweise positiven Ausgang eines Mediationsverfahrens gegeben sind. Auch hängt der Erfolg bzw. Misserfolg einer Mediation nicht nur von der Verwaltung, sondern der Mitwirkungsbereitschaft aller Interessenvertreter ab. Würde die öffentliche Hand mehrfach bei umstrittenen Vorhaben Mediationsverfahren initiieren, sich aber später von den gefundenen Ergebnissen distanzieren, würde dies voraussichtlich Folgewirkungen zeitigen und andere davon abhalten, sich auf künftige Mediationsverfahren einzulassen. Wie an den vorhergehenden Ausführungen, aber auch Referaten deutlich wurde, besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Mediation als Instrument der konsensualen Konfliktlösung und dem jeweils vorherrschenden Staatsbild. Themen, die einst als mediationsuntauglich galten, können sich deshalb aufgrund gewandelter Verhältnisse möglicherweise zu einem anderen Zeitpunkt doch für eine solche Verfahrensweise eignen und umgekehrt. Aus historischer Perspektive hat vor allem die Art und Weise, wie sich der Protest und Widerstand gegen die Zulassung bestimmter umweltrelevanter Vorhaben in Deutschland intensiviert hat, zu einem „Aufleben“ dieser Konfliktlösungsmethode im Umweltrecht geführt. Je nachdem, wie die jeweilige Streitkultur ausgeprägt ist, kann das Bedürfnis nach alternativen Streitbeilegungsmethoden variieren. Es wäre wünschenswert, wenn – wie in anderen Staaten – zumindest in einzelnen öffentlich-rechtlichen Bereichen die Mediation als Konfliktlösungsmethode normativ erwähnt würde oder sie allgemein geregelt werden könnte, ohne ihr die nötige Flexibilität zu nehmen. Damit wird aber keinesfalls das Anliegen verfolgt, dass jeder Konflikt künftig durch Mediation gelöst werden müsste oder die Mediation die konventionellen Verwaltungsverfahren do___________ 263 Hoffmann-Riem (Fn. 33), S. 43; Kaltenborn (Fn. 67), S. 49; Pünder, Verw. 38 (2005), 1 (16); Siegel, NuR 2002, 79 (82). 264 Kaltenborn (Fn. 67), S. 30 f.
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minieren bzw. sogar ablösen sollte. 265 Alles Weitere wird die Zukunft erweisen.
___________ 265
S. zu Letzterem Ziekow in diesem Band.
Mediation bei der Planung in Korea Von Hae Ryoung Kim
I. Einleitung Man kann das Planungsverfahren als einen Mediationsprozess im echten Sinne betrachten. Diese Auffassung entspringt dem Gedanken, dass die Aufstellung eines Plans grundsätzlich ein Prozess der Harmonisierung verschiedener Interessen ist. Das Planungsverfahren bezweckt nicht nur die Sammlung der für den Plan benötigten Informationen, sondern dient auch der Abwägung der verschiedenen Interessen. Dieser Verfahrensablauf gestattet es, dem Planungsverfahren die Rolle als Mediationsverfahren zuzusprechen. Das Mediationsverfahren dient der Koordination bzw. der Herstellung einer Vereinbarung zwischen verschiedenen Interessenträgern, die sich gegenüber stehen. Die zu klärenden Hauptaspekte dieser Institution liegen darin, welche Rolle der Mediator spielen kann und welche Rechtswirkungen die Mediation hat. Hier ergibt sich die Frage, wie man das Mediationsverfahren definieren kann. Erstens können wir es so verstehen, dass es ein besonderes Verfahren darstellt, das nicht in das eigentliche Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingegliedert wird. Zweitens, angesichts der Funktionen der Mediation, kann man als ein solches Verfahren alle Prozesse bezeichnen, die zur Konsolidierung der gegenläufigen Interessen im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren ausgestaltet werden.
II. Raumplanungssystem in Korea Um das Mediationsverfahren in der Planung Koreas zu behandeln, ist es vor allem nötig, zunächst das Raumplanungssystem in Korea vorzustellen.
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1. Landesweiter Raumplan Den obersten Raumplan bildet der nach dem koreanischen Raumordnungsgesetz aufzustellende Landesraumordnungsplan, welcher für das ganze Land als Zielplan gültig ist. Dieser Plan hat Bindungswirkung nur für die Verwaltung. Er wird durch innerbehördliche Verfahren aufgestellt, d.h., es gibt keine Regelung zur Beteiligung der Öffentlichkeit. In der Regel wurde der Entwurf dieses Plans vom Forschungsinstitut für Landesentwicklung vorbereitet, das unter der Rechtsaufsicht der Regierung steht. Die Zuständigkeit für die Aufstellung dieses Plans liegt beim Bauminister. Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften können an der Aufstellung des Plans mitwirken. In jüngerer Zeit wurden das Rahmengesetz für Landesentwicklung und das Rahmengesetz für Umweltpolitik erlassen, durch die einige Vorschriften eingeführt wurden, um bei der Aufstellung der Raumplanung die Einwirkung der planerischen Vorhaben auf die Umwelt frühzeitig zu berücksichtigen. Durch diese vorherige Berücksichtigung der Umwelteinwirkungen von Raumplanung können die verschiedenen öffentlichen und privaten Interessen sehr frühzeitig verhandelt werden. Bereits in dieser Phase spielen die Umweltschutzverbände eine sehr aktive Rolle. 2. Städteplan Nach dem Gesetz für Landesplanung und Bodennutzung (auf koreanisch Kukgebub) werden zwei Arten von Städteplänen aufgestellt: der Stadtmusterplan (F-Plan) und der Stadtmanagementplan (B-Plan). Der Stadtmusterplan ist nur ein Zielplan für die Stadtentwicklung. Er entfaltet für den Bürger keine Bindungswirkung. Eine solche Bindungswirkung hat nur der Stadtmanagementplan, den das oberste Gericht Koreas als Verwaltungsakt eingestuft hat. Seit 2002 ist der Stadtmanagementplan aufgrund des neu erlassenen Gesetzes für Landesplanung und Bodennutzung in jedem Gemeindegebiet (Kommunale Selbstverwaltungskörperschaften) aufzustellen. Vor 2002 wurde der Stadtplan nur in den Gebieten aufgestellt, die der Staatspräsident als Stadtgebiete festgesetzt hatte. Deshalb gab es außerhalb dieser Stadtgebiete keinen präzisen Plan, der die Stadtentwicklung planmäßig hätte leiten können. Für diese sog. Außenbereiche wurden nur verschiedene Zonen (wie Agrarlandzone, Forstzone, Industriezone usw.) durch den landesweiten Flächennutzungsplan festgesetzt.
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3. Aufstellungsverfahren der Raumplanung und Stadtplanung Der Entwurf des Raumplans oder Stadtplans wird von der Regierung oder Stadtverwaltung der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Der Bürger kann zu dem Planungsentwurf seine Meinung gegenüber der Stadtverwaltung äußern. Diese Planentwürfe sind nach den Planungsgesetzen auf einem der Öffentlichkeit zugänglichen Erörterungstermin zu verhandeln. Darüber hinaus gibt es keine gesetzlichen Vorschriften über das Planungsverfahren bei der Landesraumplanung. Der Bürger hat nur die Gelegenheit zur Äußerung seiner Meinung gegenüber der Verwaltung. Allerdings gelingt es den Bürgern nur ungenügend, sich zuvor richtig ihre Meinung zu bilden, da ihnen die Inhalte der Planung nicht hinreichend zugänglich sind. Aus diesem Grund ist zu bemerken, dass die Gelegenheit zur Bürgerbeteiligung beim Planungsverfahren sehr begrenzt ist. Im Gesetz für Landesplanung und Bodennutzung wurden Vorschriften eingeführt, wonach Bürger der Stadtverwaltung einen Entwurf der Stadtmanagementplanung vorschlagen können. Im Sondergebiet der Stadtgebiete kann der diesen Entwurf vorschlagende Bürger von der Stadtverwaltung die Zuständigkeit zur Durchführung der Stadtentwicklungsvorhaben übernehmen. Den koreanischen Gesetzen ist das Planfeststellungsverfahren fremd. Aber ein mit dem deutschen Planfeststellungsverfahren vergleichbares Verwaltungsverfahren stellt das Verfahren für Verwaltungsakte mit belastender Wirkung dar, das im koreanischen Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt wird. Aber diese Verfahrensvorschriften werden üblicherweise auf Planungsentscheidungen nicht angewendet. 4. Doppelfunktion des Stadtmanagementplans Der Stadtmanagementplan in Korea beinhaltet die Festsetzung der verschiedenen Zonen, der Leitsätze der Stadtentwicklung und die Entscheidung für bestimmte Vorhaben in allen Gemeinden. Deshalb stellt er auf der einen Seite einen gesamthaften und überörtlichen Plan und auf der anderen Seite eine Einzelentscheidung für bestimmte Projekte dar. In letzterer Hinsicht ist er mit der deutschen Rechtsfigur des Fachplans vergleichbar. Soweit ein Stadtmusterplan für bestimmte Vorhaben aufgestellt wird, kann er durch dessen Durchführungsplan vollzogen werden. Hierbei erhält der Projektleiter durch den von der Stadtverwaltung genehmigten Durchführungsplan für einzelne Vorhaben die besondere Befugnis, nach dem Entschädigungsgesetz den für das Vorhaben benötigten Boden enteignen zu können 1 . ___________ 1
Kim, Hae-Ryoung, Raumplanungssystem in Korea, Koreanisches Forschungsinstitut für Rechtsentwicklung, 2006, 12, S. 25 ff.
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Unter diesen Umständen ist zu sagen, dass die Bauplanung für bestimmte Vorhaben in Korea auf zwei verschiedenen Wegen durchgeführt werden kann: Erstens durch das innerbehördliche Verfahren oder Genehmigungsverfahren nach den Vorschriften der einzelnen Gesetze und zweitens durch den obengenanten Stadtmanagementplan und dessen Durchführungsplan. Für beide Planungs- bzw. Verwaltungsentscheidungen gilt das rechtliche Instrument der Konzentrationswirkung. Das heißt, wenn eine der Entscheidungen getroffen wurde, ist sie anzuerkennen, so dass die andere auch zustande kommt. 5. Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG Koreas Die Durchführung bestimmter Projekte ist nach dem koreanischen UVPG UVP-pflichtig. Das koreanische UVPG benennt die Vorhaben, für die eine UVP durchzuführen ist. Nach diesem Gesetz wird die UVP vom Träger der Vorhaben durchgeführt. Er muss der für die Genehmigung dieser Vorhaben zuständigen Verwaltungsbehörde berichten, dass eine UVP erfolgt ist. Hinsichtlich des UVP-Verfahrens ergibt sich die Frage, ob der Bürger bzw. Umweltschutzverbände an diesem Verfahren beteiligt werden können 2 . Es gibt keine Regelung über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei UVP. Das koreanische oberste Gericht ist der Auffassung, dass nur die Bewohner der von der Durchführung der UVP betroffenen Gebiete gegen die Verwaltungsentscheidung Klage erheben könnten. Andere Bürger, Umweltschutzverbände, Wissenschaftler, Photographen u.s.w. hätten keine Klagebefugnis gegen die Genehmigung der mit UVP durchgeführten Vorhaben 3 . Gegen das Urteil des koreanischen obersten Gerichts kann man die Bedenken äußern, dass die Umwelteinwirkungen eines beabsichtigten Vorhabens sich nicht auf das Gebiet beschränken, in dem die UVP durchgeführt werden soll. Deshalb sollte die Klagebefugnis der Bürger gegen das Vorhaben nicht nur den Personen vorbehalten werden, die in dem Gebiet wohnen, in dem die UVP durchzuführen ist. Heutzutage sind die Umweltschutzverbände zu jeder Zeit sehr aktiv. Gegen die Raumplanung und gegen umweltrelevante große Projekte haben manche Umweltverbände immer starke Einwendungen vorgebracht.
___________ 2 Lee, Mu-Chun, Zur Verbesserung des UVP-Verfahrens, Forschungsinstitut für Umweltschutz, 2000, S. 201. 3 1988. 9.22 Urteil 97 Nu 19571.
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Das UVPG verpflichtet nur den das Projekt durchführenden privaten Unternehmer zur Vornahme einer UVP. Für die öffentliche Hand gibt es keine Vorschrift betreffend die Durchführung einer UVP. Deshalb ist es üblich, dass gegen die vom Staat durchgeführten Bauvorhaben seitens der Bürger und Umweltverbände Einwendungen erhoben werden und es zu gerichtlichen Streitigkeiten kommt. Als Beispiele wären zu nennen der Semangeum Staudamm, der Tunnelbau am Chunseung-Berg für die Schnellbahnstrecke Seoul-Pusan u.s.w. 6. ADR nach Umweltrecht Im Bereich des Umweltrechts wird bereits das ADR-Verfahren zur Erledigung von Streitigkeiten über Umwelteinwirkungen durchgeführt. Nach dem Gesetz wurde die ADR Kommission beim Ministerium für Umweltschutz eingerichtet. Die ADR nach diesem Gesetz findet auf drei Arten statt: Besprechung, Koordinierung und Entscheidung. Die drei Arten von ADR erfüllen im Grunde genommen eine Beihilfefunktion für die Gerichtsbarkeiten. Das heißt, dass die Mediation noch keine zwingende Rechtswirkung entfaltet. Wenn eine Entscheidung der Mediationskommission nach koreanischem Umwelt-ADRG getroffen wird, erhalten die Streitparteien Gelegenheit, innerhalb von 60 Tagen beim Gericht Klage zu erheben. Sonst hat diese Entscheidung der Mediationskommission endgültige Rechtswirkung. Besonders zu erwähnen ist, dass die Mediationskommission mit der erneuten Novellierung dieses Gesetzes von Amts wegen die Entscheidung über Streitigkeiten um die Haftung für schädliche Umwelteinwirkungen treffen kann. Es wurde in der Gerichtsbarkeit das Massenverfahren für Streitigkeiten über Umweltprobleme eingeführt: Einbezogen wurden Verbandsklage und Class action 4 . In Bezug auf die Gerichtsbarkeit wurden einige Vorschriften über Masseneinwendungen im Umwelt-ADR-Gesetz eingeführt. Die Regelungen betreffen die Wahl des Verfahrensvertreters, die Aufsicht der Gerichte über den Verfahrensvertreter, die Beteiligung von Interessenträgern, den Umfang der Rechtswirkung von Mediationsentscheidungen, die Verteilung der Entschädigungszahlungen u.s.w. Nach Novellierung dieses Gesetzes können die Umweltschutzverbände ihre Rechte gegenüber der Kommission zur Mediation geltend machen. Dieses Recht wird nur denjenigen Umweltschutzverbänden zuerkannt, die sich nach ___________ 4
Ministerium für Umwelt, Weitbuch 2002, S. 240.
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ihrer Satzung landesweit altruistisch betätigen. Auf jeden Fall sollen die Umweltschutzverbände nur als Vertreter der Streitpartei tätig werden. Dies bedeutet, dass die Umweltschutzverbände keine eigenen Rechte wahrnehmen dürfen, weil die öffentlich-rechtlichen Umweltinteressen keine subjektiven Rechte der Verbände begründen. 5 In jüngerer Zeit ist die Anerkennungsquote von Mediationen sehr hoch (1999-2004 etwa 90 %). Dies resultiert daraus, dass die Gerichte die Beurteilungen der Umwelt-Mediationskommission sehr zügig anerkannt haben 6 .
III. Mediation bei der Planung: Bedeutung und Probleme 1. Bedeutung Die Verwaltungsplanung als die Zukunft gestaltendes Verwaltungshandeln hängt von zutreffenden Prognosen ab. Aber diese sind nicht einleuchtend und deshalb besteht unter Zugrundelegung der verschiedenen Interessen immer ein großer Konflikt. In Korea gestaltet sich die Situation noch schlimmer, weil die Planungsbehörden ihre Planungsaufgaben aufgrund unzureichender Untersuchung des für die Planungsentscheidung erforderlichen Tatsachenmaterials mit weitem Ermessen durchführen. An der Entstehung dieses Problems hatte die Rechtsprechung teilweise eine Mitverantwortung, da sie bis in die jüngste Zeit hinein die Abwägungsgebotstheorie nicht hinreichend angewendet hatte. Dies äußerte sich darin, dass das oberste Gericht Koreas das Planungsermessen als ein weites Verwaltungsermessen angesehen hatte. Da bei der Planungsentscheidung sehr unterschiedliche Interessen abgewogen werden sollen, ergeben sich in manchen Fällen große Meinungsdiskrepanzen. Daher ist es sehr wichtig, dass für die Planungsentscheidung ein rationales Verfahren aufgebaut wird, um in diesem die verschiedenen Interessen gut harmonisieren zu können. Aber es ist fraglich, ob außerhalb der Planungsverfahren zur Koordinierung der verschiedenen Interessen ein zusätzliches Verfahren benötigt wird. Bezüglich der für die Raumentwicklung bedeutsamen Planung in Korea ist folgende Auffassung herrschend: Wenn der Öffentlichkeit ausreichende Informationen über die Planungsinhalte erteilt würden, könnten einige sehr negative Folgen, z.B. Bodenspekulation oder irrationale Massendemonstrationen verur___________ 5 6
Das oberste Gericht Koreas 1995.9.26, Urteil, 94 Nu 14544. Hong, Jun-Hyung, Umweltrecht, 2002, S. 403.
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sacht werden. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wurde in Korea ein transparentes Planungsverfahren noch nicht eingeführt. Diese Probleme werden anhand der Fälle deutlich, in denen z.B. ein Stadterneuerungsvorhaben, ein günstiges Verkehrsmittel oder eine Mülldeponie u.s.w. in den Städten gebaut werden sollen. In Verfahren der Raumplanung und Entscheidung über raumbedeutsame Bauvorhaben werden auch hinsichtlich des Eigentumsschutzes von Bürgern zahlreiche Einwendungen erhoben. Die Einwendungen betreffend das Eigentum können in der Regel im Enteignungsverfahren geltend gemacht werden. Aber dieser Zeitpunkt ist zu spät, um das Eigentum des Bürgers zu schützen, weil mit dem für bestimmte Vorhaben aufgestellten Stadtmanagementplan die Entscheidung über die Erforderlichkeit des Vorhabens für öffentliche Zwecke präjudiziert wird (sog. Konzentrationswirkung). Deshalb soll der Bürger in der Regel diese Vorentscheidung hinnehmen und im Enteignungsverfahren nur noch über die Haftungssumme streiten. Unter diesen Umständen ist der Aufbau eines guten Mediationsprozesses sehr wichtig, weil das ordentliche Verwaltungsverfahren in verschiedener Hinsicht nicht genügend in der Lage ist, die sehr verschiedenen Interessen in Einklang bringen zu können. 2. Mediation durch gemischte Organisationen (sog. dritter Sektor) oder durch private Organisationen Eine gemischte Organisation aus streitenden Parteien und Verwaltung kann zur Problemlösung gut funktionieren. Ein Muster gemischter Organisationen für Mediation ist die aus Vertretern der Arbeitsgeber, der Arbeitnehmer und des Ministeriums für Arbeit zusammengesetzte Kommission. Diese Kommission wurde in Korea nach der Währungskrise im Jahr 1997 gebildet, um die gegenläufigen Interessen beider Parteien erfolgreich koordinieren zu können. Ein solches Modell könnte auch bei der raumbedeutsamen Planung Anwendung finden. Angesichts des Abwägungsgebots bei der Planungsentscheidung hat die Planungsbehörde einen weiten Gestaltungsspielraum, der es zuließe, Mediation durch Integration dieses Modells zum Erfolg zu verhelfen. Hinsichtlich Mediation wurden in Korea noch andere nennenswerte Erfahrungen gemacht. Ende der 1990er Jahre entstand ein schwieriger Konflikt zwischen der Akapulkokammer für ostasiatische Medizin und der Apothekerkammer über den Handel mit Arzneimitteln. Damals bemühte sich die Regierung, diesen Konflikt zu lösen. Aber alle Versuche der Regierung misslangen. Um das Problem zu lösen, schlug ein evangelischer Priester (Seo, Kyung Seok) vor: Erstens: Die beiden streitenden Parteien sollen in einem Hotel zusammenkommen. Zweitens: Sie müssen dort solange bleiben, bis sie eine Lösung gefunden
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haben. Sein Vorschlag wurde von beiden Seiten akzeptiert, und nach 10 Tagen war eine Lösung gefunden 7 . 3. Weitere Aufgaben und Grenzen der Mediation in der Planung Hier ergibt sich die Frage, wie die öffentliche Aufgabe von der Verwaltung und den Privaten gemeinsam getragen werden kann und wie man die Verantwortung für ihre Erfüllung zwischen öffentlichem und privatem Sektor verteilt. Wenn die Privaten die öffentliche Aufgabe einigermaßen bewältigen können sollen, ist es erforderlich, dafür die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Da Mediation in der öffentlichen Verwaltung ein neuer Weg zur Harmonisierung der verschiedenen gegenläufigen Interessen ist, können Tätigkeiten der Mediation nicht mit strikten gesetzlichen Vorschriften geregelt werden. Unter diesen Umständen ist anzuerkennen, dass sich Mediation als ein Mittel zur Herstellung einer Vereinbarung zwischen Trägern gegenläufiger Interessen in einem weiten Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zu bewegen hat. Allerdings müssen hierbei auch Verfassungsgrundsätze und gesetzliche Regelungen beachtet werden. Mediation ist eine Tätigkeit zur Erzielung einer Vereinbarung zwischen gleichrangigen Parteien. Hinsichtlich dieses Aspekts stößt Mediation bei der Planung an Grenzen, weil die Planungsentscheidung der Verwaltung im Grunde genommen eine echte hoheitliche Entscheidung darstellt, in der viele verschiedene gegenläufige Interesse letztendlich durch die Staatsgewalt mit Bindungswirkung abgewogen werden. Bei Mediation hat die Verwaltung immer dafür Sorge zu tragen, dass die öffentlichen Interessen nicht unbeachtet bleiben 8 . Bezüglich der gerichtlichen Kontrolle im Bereich der Planung ist von großer Bedeutung, mit welchem Kontrollumfang die Gerichte die mittels Mediation aufgestellte Planung überprüfen. Wenn die unter Einsatz von Mediation vereinbarte Planungsentscheidung vom Gericht zu 100 Prozent überprüft würde, hätte dies zur Folge, dass Inanspruchnahme und Wirkung von Mediation stark zurückgingen. Obwohl in Korea für die Aufstellung von Plänen noch kein formelles Mediationsinstrument aufgebaut worden ist, neigt die Rechtsprechung dazu, die zwischen den in Konflikt stehenden Parteien vereinbarten Planinhalte sehr großzügig anzuerkennen 9 . ___________ 7
Jungang Ilbo Zeitung 1993. 10. 24. Seok, Jong-Hyun, Landlaw, 1999, S. 109 ff. 9 Betreffend den planerischen Vorbescheid für Atomkraftwerke: Koreanisches oberstes Gericht 1988.9.22, 97Nu19571; Hong Jun Hyung, Umweltrecht, 2001, S. 377 ff. 8
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In Korea ist noch kein wirksames Mediationsinstrument aufgebaut worden, welches bei der Raumplanung und bei den für die Raumentwicklung bedeutsamen Verwaltungsentscheidungen gut funktionieren könnte 10 . Die alltäglichen Einwendungen gegen die Planung sind ein großes Hindernis für die nationale Raumentwicklung. Unter diesen Umständen ist der Entwicklung einer angemessenen Mediationsmethodik bei der Planung mit großer Erwartung entgegen zu sehen. Bei der Beilegung von Konflikten, die im Zuge der Planung raumbedeutsamer und umweltrelevanter Projekte verursacht wurden, wollen die Politiker gern eine maßgebliche Rolle spielen. Aber solche Versuche hatten bislang keinen bedeutsamen Erfolg. Es ist sicherlich eine schwierige Aufgabe, ein effektives Mediationsinstrument für die Planung zu entwickeln. Eine Mediation im Gerichtsverfahren könnte angesichts der Autorität bzw. der Funktion des Gerichts als Instrument der Streitbeilegung einflussreich sein. Allerdings könnte die Rolle des Richters als Vermittler in Gerichtsverfahren mit seiner Funktion kollidieren, die Rechtsverhältnisse am Maßstab des Rechts zu beurteilen und einer Entscheidung zuzuführen. In Korea gibt es ein Sprichwort: „Eine übermäßige Befolgung der Verwaltungsentscheidung ist für die Wahrung der eigenen Interessen besser als eine harmonisierende Befolgung der Gesetze oder der Verwaltungsentscheidung“. Dieses Sprichwort spiegelt die gegenwärtige gesellschaftliche Lage Koreas wider, die sich als ein schwieriges Hindernis bei den Bemühungen zum Aufbau des Rechtsstaates in Korea erweist.
___________ 10 Jung, Ha-Jung, Konflikt um die Entscheidung beim Straßenbau, Kosiyoungu, 1997, S. 110.
Mediation in Planungsverfahren Von Thorsten Siegel Die Mediation kommt in der Bundesrepublik Deutschland zwar primär in familien- und wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten zur Anwendung, findet jedoch auch im Öffentlichen Recht zunehmend Verbreitung. 1 Dies gilt auch und insbesondere im Planungsrecht. 2 So wurde etwa im Zusammenhang mit dem Ausbau des Frankfurter Flughafens von 1998 bis 2000 ein bundesweit beachtetes Mediationsverfahren durchgeführt. Hier ging es um die Frage, ob und (wenn ja) unter welchen Voraussetzungen der Frankfurter Flughafen um eine neue Landebahn erweitert werden kann. Ein weiteres Mediationsverfahren in der Region fand in den Jahren 2004 und 2005 im Zusammenhang mit dem Ausbau der Bundesstraße 10 statt. Hier wurde darüber debattiert, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Bundesstraße, welche die Südpfalz mit der Südwestpfalz verbindet, von bislang zwei Spuren auf vier Spuren erweitert werden kann.
___________ 1 Hierzu aus jüngerer Zeit etwa Ivo Appel, Privatverfahren, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts Band II: Informationsordnung, Verwaltungsverfahren, Handlungsformen, 2008, § 32 Rdnr. 102 ff.; Rainer Pitschas, Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor, NVwZ 2004, S. 396 ff.; Hermann Pünder, Mediation in Verwaltungsverfahren, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2006, § 15. Rechtsvergleichend Joachim von Bargen, Außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren (Mediation) auf verwaltungsrechtlichem Gebiet in rechtsvergleichender Perspektive, EuR 2008, S. 200 ff. Auf dem 67. Deutschen Juristentag, der im September 2008 in Erfurt stattfand, befasste sich eine eigene Abteilung auch aus Sicht des Öffentlichen Rechts mit der Mediation. Hierzu Karsten-Michael Ortloff, Mediation – Regelungsbedarf?, NJW 2008, S. 2544 ff.; Gerald Spindler, Mediation – Alternative zur justizförmigen Streiterledigung und rechtspolitischer Handlungsbedarf, DVBl. 2008, S. 1016 ff. 2 Hierzu bereits Thorsten Siegel, Mediation in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung, NuR 2002, S. 79 ff.; Volkmar Wagner/Matthias Engelhardt, Mediation im Umwelt- und Planungsrecht als Alternative zur behördlichen oder gerichtlichen Streitbeilegung, NVwZ 2001, S. 370 ff.
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Thorsten Siegel
I. Überblick Die Anwendung eines Mediationsverfahrens im Planungsrecht wirft eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsfragen auf, die derzeit noch nicht abschließend geklärt sind. Da diese im Hinblick auf die Mediation phasenspezifisch sind, kann an die im Mediationssektor übliche Phasenbildung angeknüpft werden: Zu unterscheiden ist zwischen der Phase zu Vorbereitung der Mediation (u. II.), der eigentlichen Verhandlungsphase (u. III.) sowie der Phase der Umsetzung der Mediationsergebnisse (u. IV.). 3 In der Initiierungsphase stellen sich etwa die Fragen der rechtlichen Zulässigkeit einer Mediation (u. II.1.), der möglichen Integrationsmodelle (u. II.2.), aber vor allem auch der Zweckmäßigkeit einer Mediation (u. II.3.). Die hohe Komplexität einer Mediation im Planungsrecht hat zudem Vorwirkungen auf die Auswahl der Person des Mediators (u. II.4.). In der Verhandlungsphase stellt sich die schwierige Anschlussfrage der Reichweite der Gesetzesbindung (u. III.). In der Phase der Umsetzung der Mediationsergebnisse bedarf es einer genauen Analyse, welche Art der Bindung an das Mediationsergebnis im Planungsrecht besteht (u. IV.1.), welche Kontrollpflichten der planenden Stelle hierbei zukommen (u. IV.2.) und wie die Mediationsergebnisse in das Planungsverfahren integriert werden (u. IV.3.). Aus Sicht des Gesetzgebers stellt sich schließlich die Frage, ob er die Verbreitung der Mediation im Planungsrecht durch die Einführung gesetzlicher Regelungen begünstigen soll (u. V.). Abschließend erfolgt eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse (u. VI.).
II. Die Vorbereitungsphase 1. Rechtmäßigkeit der Mediation: grundsätzliche Zulässigkeit a) Grundsätzliche Zulässigkeit informellen Verwaltungshandelns Auch im Planungsrecht versteht man unter Mediation die freiwillige und eigenverantwortliche Konfliktbeilegung durch einen neutralen, von den Beteiligten einvernehmlich bestellten Dritten. 4 Mediation ist damit zum einen auf die ___________ 3
Zu diesen Phasen Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 118 ff. Zur Figur der Mediation eingehend Rüdiger Breuer, Verhandlungslösungen aus der Sicht des deutschen Umweltschutzrechts, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 231 (236); Wolfgang Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989, S. 20 f.; Hildegard Sünderhauf, Mediation bei der außergerichtlichen Lösung von Umweltkonflikten in Deutschland, 1997, S. 66 ff. (insbes. S. 68 f.). 4
Mediation in Planungsverfahren
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Erzielung eines Konsenses gerichtet, zum anderen ist die genaue Vorgehensweise zumindest bislang nicht gesetzlich geregelt. Mediation ist damit aus Sicht der Verwaltung dem informellen Handeln zuzuordnen. Die damit auf den Plan gerufenen Risiken stehen jedoch nicht dem „Ob“ und damit der Zulässigkeit schlechthin, sondern allenfalls dem „Wie“ entgegen. Daher ist allgemein anerkannt, dass die Vorschriften des Planungsrechts die Durchführung einer Mediation zumindest grundsätzlich nicht schlechthin ausschließen. 5 b) Vereinbarkeit mit den rechtlichen Vorgaben des Planfeststellungsrechts Insbesondere stehen die Eigenheiten gerade des Planfeststellungsrechts der Konfliktmittlung nicht entgegen, auch wenn dieses gemäß §§ 72 ff. VwVfG grundsätzlich förmlich ausgestaltet ist. Denn das Planfeststellungsverfahren als solches bleibt auch bei Durchführung einer Mediation grundsätzlich unberührt. Zudem gilt auch im Planfeststellungsverfahren vorbehaltlich entgegenstehender Vorschriften der Grundsatz der Nichtförmlichkeit. 6 Darüber hinaus räumt das Planfeststellungsrecht sowohl in verfahrensmäßiger als auch in inhaltlicher Sicht Handlungsspielräume ein, wie sie für die Erzielung einer Verständigung notwendig sind. 7 Insbesondere verleiht das Abwägungsgebot auch inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten. 8 Letztendlich sind die Erzielung einer Verständi___________ 5 Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 123; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 10. Ebenso bereits Winfried Brohm, Alternativen zum einseitigen hoheitlichen Verwaltungshandeln – 11 Thesen zur „Mediation“, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 253 (258); Wolfgang Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung: Eine vergleichende Einführung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 13 (33); Bernd Holznagel, Die Einschaltung Dritter in Verwaltungsverfahren, in: Ziekow (Hrsg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, 1998, S. 279 (288); Eberhard Schmidt-Aßmann, Konfliktmittlung in der Dogmatik des deutschen Verwaltungsrechts, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band II: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 9 (15). Speziell zum Planungsrecht Siegel (Anm. 2), NuR 2002, S. 82; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 371. 6 Hoffmann-Riem (Anm. 5), S. 33. 7 Winfried Brohm, Verwaltungsverhandlungen mit Hilfe von Konfliktmittlern?, DVBl. 1990, S. 321; Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 64; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 371 f. 8 Dies gilt nicht nur für gemeinnützige, sondern auch für privatnützige Planfeststellungen, so zu Recht Schmidt-Aßmann (Anm. 5), S. 14. A.A. Michael Ronellenfitsch, Konfliktmittlung aus Anlaß von Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band II: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 185 (199 f. i.V.m. 203), indem er luftverkehrsrechtliche Planfeststellungen als „Unternehmergenehmigungen“ einordnet. Diese Terminologie vermag an der Geltung des Abwägungs-
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gungslösung und die Konfliktmittlung sogar im Gesetz angelegt. So ist nach § 10 VwVfG das Verwaltungsverfahren „einfach und zweckmäßig“ durchzuführen. 9 Auch wenn damit die Herbeiführung einer kooperativen Lösung nicht schlechthin geboten sein mag 10 , so trägt doch eine einvernehmliche Lösung typischerweise zur Vereinfachung bei. Aber auch die Bestimmung des § 74 Abs. 2 VwVfG, wonach über Einwendungen nach Möglichkeit im Erörterungstermin eine Einigung zu erzielen ist, legitimiert die Suche nach einer Einigung.11 c) Einschränkungen bei offensichtlich aussichtsloser Mediation Eine Einschränkung wird man jedoch machen müssen. Selbst wenn man das einfach-gesetzliche Zügigkeitsgebot des § 10 S. 2 VwVfG im Planfeststellungsverfahren nicht für einschlägig hielte 12 , ist zu bedenken, dass das Beschleunigungsgebot letztlich verfassungsrechtlich verankert ist in einem formell verstandenen Rechtsstaatsprinzip. 13 Hierzu stünde es in Widerspruch, würde man dem ohnehin durchzuführenden Planfeststellungsverfahren eine ___________ gebots nichts zu ändern. Abgesehen davon existieren stets, also sogar bei gebundenen Entscheidungen, Spielräume bei der verfahrensmäßige Handhabung eines Zulassungsvorgangs, vgl. Brohm (Anm. 7), DVBl. 1990, S. 321 f.; Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 41; Schmidt-Aßmann (Anm. 5), S. 15. 9 Diesen Ansatzpunkt betonen auch Hoffmann-Riem (Anm. 5), S. 33; Holznagel (Anm. 5), S. 288; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 371. 10 Philip Kunig/Susanne Rublack, Aushandeln statt Entscheiden? – Das Verwaltungsverfahrensrecht vor neuen Herausforderungen, JURA 1990, S. 1 (4 f.). 11 Hoffmann-Riem (Anm. 5), S. 33; Holznagel (Anm. 5), S. 288; Helmuth SchulzeFielitz, Der Konfliktmittler als verwaltungsverfahrensrechtliches Problem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band II: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 55 (62); Rudolf Steinberg, Kritik von Verhandlungslösungen, insbesondere mittlerunterstützten Entscheidungen, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 295 (312). Allgemein zur Regelung des § 74 Abs. 2 VwVfG Heinz Joachim Bonk/Werner Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 74 Rdnr. 163 ff.; Jan Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2006, § 74 Rdnr. 38 ff. 12 Dahin tendierend aber Bonk/Neumann (Anm. 11), § 72 Rdnr. 85, welche in den Fristbestimmungen des § 73 eine Konkretisierung des § 10 VwVfG erblicken und „insoweit“ eine Verdrängung annehmen. Für eine grundsätzliche Einschlägigkeit des § 10 VwVfG im Planfeststellungsverfahren Kopp/Ulrich Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2008, § 72 Rdnr. 18; Ziekow (Anm. 11), § 72 Rdnr. 26. § 72 Rdnr. 18. 13 Grundlegend BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982 – 2 BvR 1187/80 („Sasbach“), BVerfGE 61, 82 (114 ff.) Hierzu Thorsten Siegel, Die Verfahrensbeteiligung von Behörden und anderen Trägern öffentlicher Belange – Eine Analyse der rechtlichen Grundlagen unter besonderer Berücksichtigung der Beschleunigungsgesetzgebung, 2001, S. 211 m.w.N.
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von vornherein völlig aussichtlose Mediation vor- oder nebenschalten. Denn dies würde in der Tat lediglich einen zusätzlichen Aufwand an Zeit, aber auch an Arbeit und Kosten, bedeuten. Sind also die Bedingungen für eine erfolgreiche Mediation (s. u. II.3.) ersichtlich nicht gegeben, so steht dies mittelbar auch der rechtlichen Zulässigkeit entgegen. Allerdings wird man angesichts des prognostischen Charakters eine solche Ausnahme auf eindeutige Fälle beschränken müssen. 14 2. Rechtmäßigkeit der Mediation: Integrationsmodelle de lege lata Grundsätzlich kommen drei Möglichkeiten einer Integration der Mediation in das Planfeststellungsverfahren in Betracht: Die (zumindest teilweise) Ersetzung, die Anreicherung und die Ergänzung des Planungsverfahrens. a) Keine Ersetzung des Planungsverfahrens Eine Ersetzung des Planfeststellungsverfahrens, insbesondere des Erörterungstermins, scheidet allerdings nach derzeitiger Rechtslage aus. 15 Abgesehen davon, dass weder de lege lata noch de lege ferenda die staatliche Letztverantwortung in Frage gestellt werden darf 16 , steht der Ersetzung gegenwärtig der Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes entgegen. Der Gesetzgeber hat die Verfahrensherrschaft der Verwaltung zugewiesen. Es widerspräche dieser Wertung, könnte diese auf einen Dritten übertragen werden. 17 Besonderheiten bestehen allerdings im Bereich der Bauleitplanung. Hier kann nach der Bestim___________ 14
Siegel (Anm. 2), NuR 2002, S. 82. Heinz Joachim Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 54 Rdnr. 42a.; Michael Fehling, Informelles Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II: Informationsordnung, Verwaltungsverfahren, Handlungsformen, 2008, § 38 Rdnr. 30; Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, 6. Kap. Tz. 137; Thorsten Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, 2009, S. 157. Ebenso bereits Brohm (Anm. 7), DVBl. 1990, S. 326 und 328; Holznagel (Anm. 5), S. 288. 16 Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 125; Fehling (Anm. 15), § 38 Rdnr. 30; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 11; Schmidt-Aßmann (Anm. 15), 6. Kap. Tz. 137. Ebenso bereits Winfried Brohm, Beschleunigung der Verwaltungsverfahren – Straffung oder konsensuales Verwaltungshandeln?, NVwZ 1991, S. 1025 (1032); Hoffmann-Riem (Anm. 5), S. 35 und 40; Philip Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen Verwaltungshandeln, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlergestützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 43 (58); Steinberg (Anm. 11), S. 306 ff. 17 Appel (Anm. 1) § 32 Rdnr. 128; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 11. Ebenso bereits Brohm (Anm. 7), DVBl. 1990, S. 324 und 326; Holznagel (Anm. 5), S. 288. 15
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mung des § 4b BauGB nicht nur die Vorbereitung, sondern auch die Durchführung des Bauleitplanungsverfahrens auf einen Dritten übertragen werden. 18 b) Anreicherung von Planungsverfahren mit mediativen Elementen Als sanfteste Integrationsmethode käme die Anreicherung des Planungsverfahrens mit mediativen Elementen in Betracht. Aber abgesehen davon, dass mangels Einschaltung eines neutralen Dritten hier nicht von einer Mediation im klassischen Sinne gesprochen werden könnte 19 , können auf diese Weise die der Konfliktmittlung immanenten Vorteile nur in beschränktem Umfang aktiviert werden. Denn zum einen ist zu bezweifeln, ob ein letztlich gesetzlich angeordneter Termin einen wirksamen Ansatz zur Verständigung bietet. 20 Zum anderen setzt der Erörterungstermin im Planfeststellungsrecht sehr spät ein, nämlich zu einem Zeitpunkt, in dem viele Vorfragen bereits mit den direkt Beteiligten abgeklärt sind. 21 Eine ursprünglich vorhandene Kompromissfähigkeit kann zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in Frage gestellt sein. c) Ergänzung von Planungsverfahren und Wahl des richtigen Zeitpunktes Will man sich einerseits die Vorteile einer „echten“ Mediation zunutze machen und andererseits die gesetzlichen Bindungen beachten, so verbleibt nach derzeitiger Rechtslage von vornherein grundsätzlich nur die Ergänzung des Planfeststellungsverfahrens: Die Konfliktmittlung wird außerhalb des Planungsverfahrens durchgeführt, ihre Ergebnisse sodann in dieses implantiert. 22 In zeitlicher Hinsicht greift man in der Praxis allerdings häufig erst dann zur Mediation, wenn die Positionen bereits derart verhärtet sind, dass eine ur___________ 18
Hierzu Ulrich Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 11. Aufl. 2009, § 4b Rdnr. 2 f. Zur Abgrenzung zwischen der Konfliktmittlung im Allgemeinen und der Regelung des § 4b BauGB im Besonderen Schmidt-Aßmann (Anm. 15), 6. Kap. Tz. 137. 19 Hierzu Bernd Holznagel, Konfliktlösungen durch Verhandlungen – Aushandlungsprozesse als Mittel der Konfliktverarbeitung bei der Ansiedlung von Entsorgungsanlagen für besonders überwachungsbedürftige Abfälle in den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 208; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 371. 20 Hierzu etwa Schmidt-Aßmann (Anm. 5), S. 21; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 371. 21 Hierzu Holznagel (Anm. 19), S. 84 ff. und S. 198; Schulze-Fielitz (Anm. 11), S. 63; Steinberg (Anm. 11), S. 311. 22 So auch Breuer (Anm. 4), S. 234 und 252; Brohm (Anm. 7), DVBl. 1990, S. 324; Holznagel (Anm. 5), S. 288; Siegel (Anm. 15), S. 157. Auch hier ist die Sonderrolle des § 4b BauGB zu berücksichtigen, wonach auch die Durchführung des Verfahrens auf Dritte übertragen werden kann.
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sprünglich vorhandene Kompromissfähigkeit nicht mehr gegeben ist. 23 Daher empfiehlt es sich häufig, eine Mediation nicht neben, sondern bereits vor dem eigentlichen Planungsverfahren durchzuführen. 24 Andererseits darf der Zeitpunkt aber nicht dermaßen vorverlagert werden, dass sich die involvierten Interessen noch nicht herauskristallisiert haben und artikuliert sind. 25 Die Wahl des richtigen Zeitpunktes ist somit letztlich eine Frage des Einzelfalls, die dem Fingerspitzengefühl der federführenden Behörde vorbehalten bleibt. 3. Zweckmäßigkeit der Mediation Vor der Einleitung eines Mediationsverfahrens ist zu bedenken, dass nicht jeder Konflikt im Wege der Mediation beigelegt werden kann. Als zweckmäßig erweist sich eine solche Vorgehensweise nach allgemeinen Grundsätzen vielmehr nur dann, wenn bestimmte Erfolgsfaktoren vorliegen, nämlich die Kompromissfähigkeit, das Vorhandensein von Verhandlungsanreizen und die Bindung an das Verhandlungsergebnis. 26 Dabei sind die ersten beiden bereits in der Vorbereitungsphase zu beachten. Liegen sie nicht vor, so sollte von einer Konfliktmittlung abgesehen werden. a) Kompromissfähigkeit Die Frage der Kompromissfähigkeit hängt von den Einzelfallumständen ab. Grundsätzlich sind auch in Planungsverfahren sogenannte „win-win-Situationen“, in denen alle Beteiligten das Ergebnis zumindest in Teilbereichen als Erfolg verbuchen können und von deren Vorliegen daher die Kompromissfähigkeit abhängt, denkbar 27 . Denn gerade die einer Planfeststellung zugrundeliegenden Sachverhalte sind regelmäßig derart komplex, dass schlichte Ja- oder Nein-Positionen oftmals die Ausnahme sein werden. Angesichts der Vielschichtigkeit lassen sich deshalb zumindest bei der konkreten Ausgestaltung, also dem „Wie“, häufig Situationen finden, die möglichst vielen Beteiligten ei___________ 23
Brohm (Anm. 16), NVwZ 1991, S. 1031; Schulze-Fielitz (Anm. 11), S. 74. Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 7. Ebenso bereits Brohm (Anm. 16), NVwZ 1991, S. 1033; Holznagel (Anm. 19), S. 198 f.; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 372. 25 So Schulze-Fielitz (Anm. 11), S. 74. 26 Zu den Erfolgsbedingungen vgl. etwa Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 110 ff.; Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 31 ff.; Holznagel (Anm. 5), S. 283 f.; Pünder (Anm. 1); § 15 Rdnr. 3 ff.; Ulrich Ramsauer, Mediation im Umweltrecht, in: Breidenbach/Henssler (Hrsg.), Mediation für Juristen – Konfliktbehandlung ohne gerichtliche Entscheidung, 1997, S. 164 f. 27 Hierzu etwa Ronellenfitsch (Anm. 8), S. 199. 24
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nen Vorteil bringen. 28 Eine Mediation kann sich insbesondere auf einzelne Aspekte eines Planungsverfahrens beschränken. 29 So erfasste etwa die bei der Konfliktmittlung zum Frankfurter Flughafenausbau erzielte Übereinkunft im wesentlichen fünf Komponenten, nämlich die Optimierung des vorhandenen Systems, die Befürwortung eines Ausbaus, ein Nachtflugverbot, einen Lärmschutzpakt und schließlich ein Regionales Dialogforum zur Umsetzung des Beschlusses. 30 Keine Kompromissfähigkeit ist hingegen gegeben, wenn ein Vorhaben von einem grundlegenden Wertkonflikt und damit stark ideologisch geprägt ist. 31 Hier konzentrieren sich die Positionen häufig auf die Befürwortung oder die strikte Ablehnung eines Projekts. b) Verhandlungsanreize In denjenigen Fällen, in denen die Kompromissfähigkeit gegeben ist, werden typischerweise auch Verhandlungsanreize vorliegen, da die Beteiligten über eine entsprechende Tauschmacht verfügen. Dabei kommen als Tauschmacht nicht nur Rechtspositionen, sondern auch anderweitige Faktoren in Betracht, etwa ein politisches Widerstandspotential. 32 Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Tauschmacht ein unterschiedliches Gewicht haben kann, da rechtlich abgesicherte Positionen ein grundsätzlich größeres Durchsetzungspotential aufweisen als sonstige. 33 Zu beachten ist insoweit, dass die Rechtsordnung bisweilen der Tauschmacht Grenzen auferlegt: So muss nach dem insbesondere in §§ 36 Abs. 3, 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG verankerten Koppelungsverbot ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Leistungen bestehen 34 . Auch kann ___________ 28 Es müssen also noch Alternativen offenstehen, hierzu Rainer Wahl, Erweiterung des Handlungsspielraums: Die Bedeutung von Kompensationen und Entscheidungsverknüpfungen, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.) Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 283 (284). 29 Vgl. das Beispiel bei Bernd Holznagel/Ulrich Ramsauer, Konsensuale Sachverhaltsermittlung als Mediationsziel – Data-Mediation am Beispiel der Verhandlungen über den Hamburger Autobahndeckel, Forschungsjournal NSB (Neue Soziale Bewegungen), 1997, S. 65 (66). 30 Hierzu den Artikel „Präferenz für eine Start- und Landebahn im Süden“ in der FAZ (Rhein-Main-Zeitung) v. 1.2.2000, S. 59. 31 Ramsauer (Anm. 26), S. 164; Steinberg (Anm. 11), S. 305; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 371. 32 Hoffmann-Riem (Anm. 5), S. 37; Ramsauer (Anm. 26), S. 165. 33 Nach Hoffmann-Riem (Anm. 1), S. 37, ist deshalb Vorsorge dafür zu treffen, dass „alle an den Verhandlungen Beteiligten über eine angemessene Tauschmacht verfügen.“ 34 Hierzu Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 65 f., und Schmidt-Aßmann (Anm. 5), S. 24 f., die jedoch für eine Lockerung dieses Gebots plädieren, um die Tauschmacht entsprechend zu erweitern.
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auf grundrechtlich abgesicherte Positionen nicht in unbeschränkter Weise verbindlich verzichtet werden 35 . c) Übertragung auf die Beispielsfälle Überträgt man diese Kriterien auf die eingangs dargelegten Beispielsfälle des Ausbaus des Frankfurter Flughafens und der Bundesstraße 10, so sprechen jeweils gute Gründe gegen eine Kompromissfähigkeit. Zwar mögen sich Planungsverfahren im Hinblick auf die Vielfalt der darin einzubringenden Interessen im Allgemeinen grundsätzlich für eine Mediation eignen. 36 Bei genauerer Betrachtung stellten sich jedoch zumindest im Nachhinein beide Konstellationen als Grundsatzkonflikte heraus, die gerade nicht einer Mediation zugänglich sind. 37 Besonders deutlich wird dies am Scheitern der Mediation zum Ausbau der Bundesstraße 10. Hier war bereits früh absehbar, dass sich nicht nur die Positionen, sondern auch die dahinter stehenden Interessen auf eine Befürwortung beziehungsweise Ablehnung des Vorhabens beschränkten. Hieran ist letztlich die Mediation gescheitert. 38 Aber auch im Hinblick auf den Ausbau des Frankfurter Flughafens sind bereits früh Zweifel an einer Kompromissfähigkeit geäußert worden. 39 Auch diese Befürchtungen haben sich inzwischen leider bestätigt. So bildete das in der Mediation vereinbarte Nachtflugverbot einen zentralen Einigungspunkt der Mediation. Gleichwohl sind in dem am 18. Dezember 2007 ergangenen Planfeststellungsbeschluss pro Nacht 17 Flüge in der so genannten „Nachtkernzeit“ von 23 bis 5 Uhr zugelassen worden. In dem sich anschließenden Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel befürworteten Ausbaugegner eine Reduzierung der Nachtflüge, die von einem Ausbau profitierenden Luftfahrtunternehmen hingegen eine zusätzliche Ausweitung der Nachtflüge. In seinen Urteilen vom 21. August 2009 hat sich nun der Verwaltungsgerichtshof Kassel für eine Reduzierung der Anzahl der bislang erlaubten 17 Nachtflüge ausge___________ 35
Hierzu Schmidt-Aßmann (Anm. 5), S. 25, der jedoch insoweit vor „bevormundenden Ängstlichkeiten“ warnt. Zur Frage des Rechtsmittelverzichts Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 62 f.; Sünderhauf (Anm. 4), S. 246 ff. Zu beachten ist jedoch, dass ein echter „Verzicht“ wegen der typischerweise nicht gewollten rechtlichen Bindungswirkung an das Verhandlungsergebnis nur selten vorliegt, s.u. IV.1. 36 S.o. um Anm. 27. 37 Zu dieser Thematik Ronellenfitsch (Anm. 8), S. 199. 38 Hierzu den Artikel „Da wurde eine Riesenchance vertan“, in: Die Rheinpfalz vom 17.12.2004. 39 Siegel (Anm. 2), NuR 2002, S. 83 (dort Fn. 68). Nicht von ungefähr war bereits der Jahresrückblick in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 31.12.2000, S. B6, überschrieben mit „Die Region im Kampf um den Flughafenausbau.“
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sprochen. 40 Unabhängig von der Frage, wie viele Nachtflüge nach den einschlägigen rechtlichen Rahmenbedingungen letztlich zulässig sind 41 , verdeutlicht dies geradezu sinnbildhaft die fehlende Kompromissfähigkeit. 4. Anforderungen an den Mediator Auch bei der Benennung des Mediators sind, abgesehen von den bei jedem Mediator erforderlichen kommunikativen und sozialpsychologischen Fähigkeiten 42 , die Besonderheiten des Planungsrechts zu berücksichtigen. 43 Um juristisch unvertretbare und damit nicht übernehmbare Ergebnisse zu vermeiden, müssen zumindest grundlegende Kenntnisse auf dem Sektor des Planungsrechts vorhanden sein. 44 Weiterhin spielen in Planungsverfahren oftmals technische Fragen eine Rolle. Daher sind auch einschlägige naturwissenschaftliche Vorkenntnisse zumindest förderlich. 45 Aufgrund dessen ist der Kreis möglicher Mediatoren in Planungsverfahren stark eingeschränkt 46 Allerdings müssen sich nicht sämtliche Fähigkeiten in einer Person vereinigen; zu denken ist vielmehr auch an die Bildung eines Mediatoren-Teams. 47 Auch wenn infolge des erforderlichen Sachverstandes positive oder negative Beziehungen zu einzelnen Teilnehmern nicht auszuschließen sind, muss schließlich dem Erfordernis der Neutralität des Mediators genüge getan werden. Deshalb empfiehlt es sich nicht, Vertreter der involvierten Interessen zu benennen. 48 In diesem Zusammenhang positiv zu erwähnen ist die – allerdings ___________ 40 VGH Kassel, Urteile vom 21.8.2009 – Az.: 11 C 227/08 T u.a. Hierzu die Presseinformation 24/2009 des VGH Kassel vom 21.8.2009 „Ausbau des Flughafens RheinMain“. 41 Zu den Grenzen etwa Markus Schladebach, Luftrecht, 2007, Rdnr. 557 ff.; Peter Wysk, Luftverkehr, in: Ziekow (Hrsg.), Handbuch des Fachplanungsrechts, 2004, Rdnr. 1697 ff. 42 Hierzu Brohm (Anm. 16), NVwZ 1991, S. 1033; Schulze-Fielitz (Anm. 11), S. 76. Förderlich ist dabei in jedem Falle eine entsprechende Schulung, so Brohm a.a.O., S. 1033. 43 Allgemein zur Person des Mediators Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 130; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 13. 44 Siegel (Anm. 2), NuR 2002, S. 83; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 372 f. 45 Schulze-Fielitz (Anm. 11), S. 76 f. 46 So auch Ronellenfitsch (Anm. 8), S. 200; Steinberg (Anm. 11), S. 308 f. 47 So leiteten beim Ausbau des Frankfurter Flughafens Prof. Kurt Oeser, ein ehemaliger Umweltpfarrer der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Frank Niethammer, der Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt, sowie Prof. Dr. Klaus Hänsch, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlamentes, die vielköpfige Mediationsgruppe. 48 Zum Erfordernis der Neutralität Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 19.
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mangels Kompromissfähigkeit gescheiterte – Mediation zum Ausbau der B 10. Hier konnte mit dem vormaligen Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, Professor Claus Meissner, ein Mediator gewonnen werden, der alle die zuvor genannten positiven Anforderungen zweifelsfrei erfüllte. 49
III. Die Verhandlungsphase: Reichweite der Gesetzesbindung 1. Unmittelbare Geltung des Planungsrechts in der Mediation? Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung besteht Einigkeit darüber, dass auch eine Mediation nicht zu einer Umgehung gesetzlicher Vorgaben führen darf. 50 Allerdings ist zu beachten, dass eine Mediation ein Planungsverfahren nach derzeit gültigem Recht nur zu ergänzen vermag und zudem idealerweise im Vorfeld der eigentlichen Planung stattfindet. 51 Deshalb kommen die Bestimmungen des Planungsrechts, also insbesondere im Bereich des Planfeststellungsrechts die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des einschlägigen Fachplanungsrechts, im Mediationsverfahren zunächst nicht zur unmittelbaren Anwendung. 52 Findet die Mediation vor dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren statt, so ergibt sich dies bereits daraus, dass letzteres erst mit der Antragstellung eingeleitet wird. 53 Unabhängig von der zeitlichen Lage sind die Anforderungen des § 9 VwVfG bei einer das Planfeststellungsverfahren ergänzenden Mediation nicht erfüllt. Denn zum einen ist das Verhandlungsergebnis typischerweise weder als Verwaltungsvertrag noch als Verwaltungsakt anzusehen. 54 Zudem sind Sinn und Zweck der Mediationsergebnisse zu berücksichtigen: Sie sollen regelmäßig keine rechtliche Bindungswirkung entfalten, sind vielmehr bei der Einbringung in das Planfeststellungsverfahren auf ihre Vereinbarkeit mit der Rechtsordnung zu überprüfen. 55 ___________ 49 Hierzu den Artikel „Der Konsens-Sucher aus dem Nachbarland“, in: Die Rheinpfalz vom 10.2.2004. 50 Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 128; Fehling (Anm. 15), § 38 Rdnr. 30; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 1. 51 S.o. II.2.c). 52 So allgemein zu informalen Vorverhandlungen Ulrich Beyerlin, Schutzpflicht der Verwaltung gegenüber dem Bürger außerhalb des formellen Verwaltungsverfahrens?, NJW 1987, S. 2713 (2716); a.A. Holznagel (Anm. 19), S. 203 ff. 53 Im diesem Sinne etwa Beyerlin (Anm. 52), NJW 1987, S. 2716. 54 Vgl. hierzu Beyerlin (Anm. 52), NJW 1987, S. 2717. Dem könnte man allerdings eine weite Auslegung des Begriffs der „Vorbereitung“ entgegenhalten, in diesem Sinne Holznagel (Anm. 19), S. 199 ff. (203 f.). 55 S.u. IV.1. und 2.
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2. Analoge Geltung des Planungsrechts in der Mediation? Andererseits ist zu bedenken, dass die Ergebnisse der Konfliktmittlung – soweit dies die besagte „Übernahmekontrolle“ zulässt – in den Planfeststellungsbeschluss Eingang finden sollen. Dies rechtfertigt es, mit dieser „Nachwirkung“ der Mediation eine „Vorwirkung“ der rechtlichen Anforderungen korrespondieren zu lassen. 56 Den Ansatzpunkt für eine entsprechende Anwendung zumindest bestimmter Rechtsvorschriften bildet die Figur des schlichten Verwaltungsrechtsverhältnisses 57 , welches bereits durch einen sozialen Kontakt zwischen Verwaltung und Bürger entstehen kann 58 . Da die Mediation von vornherein daraufhin angelegt ist, in das Planungsverfahren einzufließen, ist bereits zuvor der Kontakt zwischen der Verwaltung und den Betroffenen derart intensiviert, dass er über das normale „Staats-Bürger-Verhältnis“ hinausgeht. 59 Somit besteht grundsätzlich die Möglichkeit, zumindest bestimmte Vorschriften des Planungsrechts entsprechend anzuwenden. 60 Da das Ergebnis der Mediation aber nicht automatisch und insbesondere nicht ohne Prüfung in das Planungsverfahren übernommen werden kann, ist der Analogieschluss auf die grundlegenden formellen und materiellen Anforderungen zu beschränken. 61 Zu den grundlegenden formellen Anforderungen gehören etwa die Beteiligungsregelungen des § 13 Abs. 2 VwVfG. 62 Die darge___________ 56 57
Siegel (Anm. 2), NuR 2002, S. 83 f. So auch Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 60; Kunig/Rublack (Anm. 10), JURA 1990,
S. 6. 58
Hermann Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 281 und 316 f. Allgemein zum Verwaltungsrechtsverhältnis Barbara Remmert, Verwaltungsrechtsverhältnis, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2006, § 17. 59 Zu diesen Abgrenzungskriterien Hartmut Bauer, Informelles Verwaltungshandeln im öffentlichen Wirtschaftsrecht, VerwArch 78 (1987), S. 241 (264 m.w.N.). 60 Zu Recht eine nur analoge Anwendung in solchen informellen Vorphasen befürwortend Eberhard Bohne, Informales Verwaltungs- und Regierungshandeln als Instrument des Umweltschutzes, VerwArch 75 (1984), S. 343 (350). 61 So auch Johannes Caspar, Schlichten statt Richten – Möglichkeiten und Wege außergerichtlicher Streitbeilegung, DVBl. 1995, S. 996 (997). Auch Kunig/Rublack (Anm. 10), JURA 1990, S. 6, sprechen – lediglich – von „bestimmten“ Vorwirkungen. Ebenso allgemein zum Drittschutz bei informalen Vorverhandlungen Beyerlin (Anm. 52), NJW 1987, S. 2719. Für eine solche Beschränkung allgemein zum informalen Verwaltungshandeln auch Bohne (Anm. 60), VerwArch 75 (1984), S. 350. 62 Siegel (Anm. 2), NuR 2002, S. 84. Allgemein zur Berücksichtigung aller betroffenen Gruppen als Erfolgsfaktor für eine Mediation Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 111; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 3. Zu weiteren grundlegenden, oftmals verfassungsrechtlich fundierten rechtlichen Anforderungen Brohm (Anm. 7), DVBl. 1990, S. 328; Caspar (Anm. 61), DVBl. 1995,
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legte Beschränkung der Analogie bezieht sich jedoch nur auf die Vorbereitungs- und die Verhandlungsphase. Hingegen ist das Verhandlungsergebnis bei der Übernahme in das Planfeststellungsverfahren genau auf die Vereinbarkeit mit allen rechtlichen Anforderungen zu überprüfen. Zuvor Verabsäumtes muss sodann nachgeholt werden.
IV. Die Umsetzungsphase 1. Die Bindung an das Mediationsergebnis a) Rechtliche Bindungswirkung? Eine – für die erfolgreiche Durchführung einer Mediation notwendige – Bindung an das Mediationsergebnis könnte durch Abschluss eines Vertrages, insbesondere eines solchen im Sinne der §§ 54 ff. VwVfG erzielt werden. Der Rechtsnatur nach wäre zwar grundsätzlich auch der Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages möglich, in dem etwa die Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung vereinbart wird. 63 Bedenkt man jedoch, dass es in der Konfliktmittlung zentral um den Ausgleich planungsrelevanter Positionen geht, so spricht dies typischerweise für eine öffentlich-rechtliche Natur. 64 Selbst wenn jedoch das Verhandlungsergebnis schriftlich niedergelegt werden sollte und damit dem Formerfordernis des § 57 VwVfG genüge getan worden ist, scheidet die Annahme eines (öffentlich-rechtlichen) Vertrages jedoch typischerweise aus. Ein die Planungsentscheidung ersetzender und damit verfügender Vertrag wäre ohnehin unwirksam: Ein solcher Verfügungsvertrag wäre insbesondere nicht mit den gesetzlich festgelegten Anforderungen des Planfeststellungsrechts, wonach der Planfeststellungsbeschluss nach Abschluss des
___________ S. 997; Kunig/Rublack (Anm. 10), JURA 1990, S. 5 ff.; Ramsauer (Anm. 26), S. 165; Schulze-Fielitz (Anm. 11), S. 61. 63 Edmund Brandt, Umsetzung von Ergebnissen informeller Aushandlungen in formelle Entscheidungen, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band II: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 239 (247 ff.); Hoffmann-Riem (Anm. 5), S. 41; Holznagel (Anm. 5), S. 289. 64 Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 60 f. Allgemein zur Abgrenzung öffentlichrechtlicher Verträge von zivilrechtlichen nach dem Vertragsgegenstand und nach dem Schwerpunkt der Regelungen Jan Ziekow/Thorsten Siegel, Entwicklung und Perspektiven des Rechts des öffentlich-rechtlichen Vertrages – Teil 1: Der öffentlich-rechtliche Vertrag in der Rechtsordnung, VerwArch 94 (2003), S. 593 (597 ff.).
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förmlichen Planfeststellungsverfahrens ergeht, vereinbar. 65 Und ein entsprechender Verpflichtungsvertrag erschiene wegen dessen abwägungsterminierender Wirkung zumindest bedenklich. 66 Abgesehen davon müssten wegen der Regelung des § 58 Abs. 1 VwVfG alle Dritten, in deren Rechte der Vertrag eingreift, diesem ihre Zustimmung erteilen. 67 Ganz allgemein aber kann seitens der beteiligten Behörden grundsätzlich kein entsprechender Rechtsbindungswille angenommen werden. 68 Denn durch eine zu weit gehende Bindungswirkung würde sich die Verwaltung ihrer unverzichtbaren Fähigkeit zur einseitig-hoheitlichen Entscheidung entledigen. 69 Schließlich stünde eine zwingende Übernahme zumindest in einem Spannungsverhältnis zum auf Flexibilität angelegten Wesen der Mediation. 70 b) Faktische Bindungswirkung Eine Bindungswirkung kann jedoch nicht nur in rechtlichen Kategorien erzielt werden. Zwischen einer solchen und der absoluten Unverbindlichkeit ist eine Zwischenstufe anzusiedeln, die als faktisch bezeichnet werden kann. 71 Da auf diese Weise einerseits die für eine erfolgreiche Mediation notwendige Bindung erzielt, andererseits eine starre rechtliche Bindung vermieden wird, ist eine solche faktische Bindung an das Verhandlungsergebnis ausreichend, aber auch erforderlich. 72 ___________ 65
Brandt (Anm. 63), S. 245 f.; Hartmut Gaßner/Bernd Holznagel/Uwe Lahl, Mediation – Verhandlungen als Mittel des Konsensfindung bei Umweltstreitigkeiten, 1992, S. 71; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 14. 66 Brandt (Anm. 63), S. 245; Gaßner/Holznagel/Lahl (Anm. 65), S. 71 f. Differenzierend nach dem Zeitpunkt des Abschlusses Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 14. Hingegen grundsätzlich ohne Bedenken gegen eine vertragliche Lösung Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 140. 67 Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 140; Brandt (Anm. 75), S. 246; Breuer (Anm. 4), S. 244; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 14 a.E. Alleine schon deshalb ist die praktische Relevanz deutlich beschränkt. 68 Hoffmann-Riem (Anm. 5), S. 40 f. Ebenso allgemein zu Verwaltungsarrangements Carl-Eugen Eberle, Arrangements im Verwaltungsverfahren, Die Verwaltung 17 (1984), S. 439 (444). 69 Hierzu Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 57. Zu den Grenzen rechtlicher Bindungen seitens der Verwaltung vgl. Holznagel (Anm. 19), S. 213 f. 70 Ramsauer (Anm. 26), S. 166. 71 Zu den Fehlerfolgen solcher Absprachen vgl. etwa Philip Kunig, Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, DVBl. 1992, S. 1193 (1200). 72 Hierzu Appel (Anm. 1), § 32 Rdnr. 141; Brandt (Anm. 63), S. 251 f.; Breuer (Anm. 4), S. 247; Gaßner/Holznagel/Lahl (Anm. 65), S. 72; Hoffmann-Riem (Anm. 5), S. 19 und S. 41; Holznagel (Anm. 5), S. 289; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 15; Ramsauer (Anm. 26), S. 166; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 371 und 374.
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Derartige Vorabbindungen sind im Hinblick auf ihre abwägungsprägenden Wirkungen zwar nicht schlechthin zulässig. Vielmehr können sie zu einem Abwägungsdefizit führen. Nach dem Flachglas-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 73 kann dies jedoch dann ausgeglichen werden, wenn sie sachlich gerechtfertigt, unter Wahrung der planungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung und hinsichtlich einer gerechten Abwägung bei der Vorentscheidung nicht zu beanstanden sind. 74 Bedenkt man nun, dass die mit der Mediation zu erreichenden Vorteile eine sachliche Rechtfertigung bilden, so müssen bei der Vorabbindung die jeweiligen Kompetenzen beachtet werden, und es muss eine sachgerechte Vorabwägung stattfinden. 2. Kontrollpflichten der federführenden Behörde Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung darf die Bindung an rechtliche Vorgaben auch durch eine Mediation nicht umgangen werden. Deshalb kann das Mediationsergebnis nur in das Planungsverfahren übernommen werden, wenn und soweit es den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Seitens der zuständigen Behörde besteht somit eine umfassende Prüf- und Kontrollpflicht, die zugleich Ausdruck staatlicher Letztverantwortung ist. 75 Soweit in der Verhandlungsphase der Mediation noch nicht allen gesetzlichen Anforderungen genüge getan wurde, ist dies entsprechend nachzuholen. 76 Dies verdeutlicht zugleich, wie wichtig es ist, bereits in der Verhandlungsphase ein möglichst in Einklang mit der Rechtsordnung stehendes Ergebnis zu erzielen. Bei der Übernahme des Mediationsergebnisses unterliegen diejenigen Betroffenen und Behörden, die nicht an der Mediation teilgenommen haben, keiner materiellen Präklusion. 77 Denn eine solche inhaltliche Ausschlusswirkung wäre nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage möglich, und zwar sowohl im Falle der Betroffenen- 78 als auch im Falle der Behördenpräklusion. 79 Im Übri___________ A.A. Sünderhauf (Anm. 4), S. 261 ff., die eine rechtliche Bindungswirkung für erforderlich hält. 73 BVerwG, Urt. v. 5.7.1974 – IV C 50/72 –, BVerwGE 45, 309 (320 f.). 74 Hierzu etwa Brandt (Anm. 63), S. 251; Breuer (Anm. 4), S. 247; Gaßner/Holznagel/Lahl (Anm. 65), S. 72; Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 55 f.; Holznagel (Anm. 5), S. 289. 75 Gaßner/Holznagel/Lahl (Anm. 65), S. 68; Hoffmann-Riem (Anm. 5), S. 40; Schmidt-Aßmann (Anm. 5), S. 27. 76 Schmidt-Aßmann (Anm. 5), S. 27. 77 Brohm (Anm. 16), NVwZ 1991, S. 1032 f.; a.A. ohne nähere Begründung Ronellenfitsch (Anm. 8), S. 199. 78 Hierzu etwa Kerstin Brandt, Präklusion im Verwaltungsverfahren, NVwZ 1997, S. 233 m.w.N.
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gen sollte eine solche Ausschlusswirkung auch de lege ferenda nicht angeordnet werden. 80 Denn damit würde man letztlich einen „Zwang zur Freiwilligkeit“ statuieren, was dem Wesen der Mediation zuwiderliefe. 81 3. Die Art der Umsetzung In welcher Art und Weise nun das Verhandlungsergebnis in die Planungsentscheidung implantiert wird, hängt von dem jeweiligen Inhalt ab. Geht das Mediationsverfahren dem eigentlichen Planungsverfahren voraus, so erscheint zunächst etwa denkbar, dass infolge des Konsenses der ursprünglich anvisierte Antrag des Projektträgers unter Bezugnahme auf das Mediationsergebnis modifiziert wird. 82 Findet das Ergebnis nicht von vornherein Eingang in den Antrag, so ist es zunächst in verfahrensmäßiger Hinsicht einzubeziehen, etwa durch einen zusätzlichen Hinweis in der öffentlichen Bekanntmachung und durch eine Verlesung zu Beginn des Erörterungstermins. Was die Verankerung in einem Planfeststellungsbeschluss anbelangt, so ist an Nebenbestimmungen, insbesondere in Form von Auflagen, zu denken. 83 Allerdings können nicht alle vereinbarten Ergebnisse in eine Auflage umgesetzt werden. So sieht etwa § 9 Abs. 2 LuftVG vor, dass dem Unternehmer nur die Errichtung und Unterhaltung solcher Anlagen auferlegt werden können, die für das öffentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren oder Nachteile notwendig sind. 84 Weiterhin können auch Ausgleichszahlungen in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen werden, wobei jedoch der Vorrang des realphysischen Ausgleichs zu beachten ist. 85
___________ 79
Siegel (Anm. 13), S. 214 f. So aber Steinberg (Anm. 11), S. 305. 81 Zum Ganzen Siegel (Anm. 2), NuR 2002, S. 86. 82 Brandt (Anm. 63), S. 252; Gaßner/Holznagel/Lahl (Anm. 65), S. 57 f.; HoffmannRiem (Anm. 4), S. 61. 83 Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 61; Holznagel (Anm. 5), S. 289; Pünder (Anm. 1), § 15 Rdnr. 17; Wagner/Engelhardt (Anm. 2), NVwZ 2001, S. 374. Zu den möglichen Inhalten Gaßner/Holznagel/Lahl (Anm. 65), S. 58 ff. 84 Hierzu Wysk (Anm. 41), Rdnr. 1655. Ebenso zu § 74 Abs. 2 S. 2 und 3 VwVfG Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 45. Allgemein zum Lärmschutz bei der Flughafenplanung Schladebach (Anm. 41), Rdnr. 557 ff. 85 Hierzu etwa Gaßner/Holznagel/Lahl (Anm. 65), S. 59 ff.; Steinberg (Anm. 11), S. 303. 80
Mediation in Planungsverfahren
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V. Regelungsbedarf durch den Gesetzgeber? Im Schrifttum wird häufig eine Institutionalisierung durch den Gesetzgeber postuliert 86 , wie dies teilweise etwa in § 4b des Baugesetzbuches im Zusammenhang mit der Bauleitplanung bereits erfolgt ist. 87 Dem stehen einige Stimmen, gerade auch aus der Praxis, skeptisch gegenüber. 88 Aus Sicht des Gemeinschaftsrechts bestehen im öffentlichen Sektor dabei keine Verpflichtungen aufgrund der Mediationsrichtlinie. 89 Denn diese ist in ihrem Geltungsbereich auf Zivil- und Handelssachen beschränkt. 90 1. Regelungsdichte Zwar wäre eine komplette Durchnormierung der Konfliktmittlung problematisch, da damit deren flexibler Charakter beeinträchtigt91 und damit zugleich die Gefahr neuer „Ausweichstrategien“ heraufbeschworen würde. 92 Zudem bestünde dann die Gefahr, dass die Mediation zu einer „Durchlaufstation“ auf dem Weg zum Richter degradiert würde, was zugleich der Reputation dieser – in geeigneten Fällen aufgrund der dargelegten Vorzüge zu begrüßenden – Verfahrensstrategie abträglich wäre. 93 Andererseits ist davor zu warnen, das Verwaltungsrecht ausschließlich in seiner Begrenzungsfunktion wahrzunehmen. ___________ 86 So etwa Schmidt-Aßmann (Anm. 5), S. 25 f.; Schulze-Fielitz (Anm. 11), S. 64 f. und 73. Diese Stimmen halten darüber hinaus sogar eine Normierung für verfassungsrechtlich angezeigt, ohne jedoch im Umkehrschluss auf die Unzulässigkeit der Mediation ohne gesetzliche Regelung im Sinne des Gesetzesvorbehalts zu schließen. 87 Zur Abgrenzung zwischen der Konfliktmittlung im Allgemeinen und der Regelung des § 4b BauGB im Besonderen Schmidt-Aßmann (Anm. 15), 6. Kap. Tz. 137. 88 So etwa Rainer Funke, Konfliktbewältigung aus Anlaß von Genehmigungsverfahren, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band II: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, 1990, S. 209 (220). Ähnlich Brohm (Anm. 7), DVBl. 1990, S. 328. 89 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EU Nr. 136 v. 24.5.2008, S. 3 ff. Hierzu Horst Eidenmüller/Matthias Prause, Die europäische Mediationsrichtlinie – Perspektiven für eine gesetzliche Regelung der Mediation in Deutschland, NJW 2008, S. 2737 ff.; Gerhard Wagner/Christoph Thole, Die neue EURichtlinie zur Mediation, ZKM 2008, S. 36 ff. 90 Karsten-Michael Ortloff, Europäische Streitkultur und Mediation im deutschen Verwaltungsrecht, NVwZ 2007, S. 33 (36), auf S. 35 auch mit einem Überblick über gerichtsnahe Mediation im europäischen Raum. 91 Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 46. 92 Wolfgang Hoffmann-Riem, Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts als Aufgabe – Ansätze am Beispiel des Umweltschutzes, AöR 115 (1990), S. 400 (433). 93 Pitschas (Anm. 1), NVwZ 2004, S. 401; Siegel (Anm. 15), S. 158.
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Dieser gleichsam negativ wirkenden Funktion steht auch eine positive gegenüber, nämlich die in der Vergangenheit oftmals unbeachtet gebliebene Bereitstellungsfunktion. 94 Gerade bei der Einführung neuer Methoden kann die Rechtsordnung eine Art „Starthilfe“ leisten. Daher ist eine Normierung durch den Gesetzgeber durchaus empfehlenswert. 95 2. Möglicher Inhalt Welche konkrete Ausgestaltung könnte nun eine solche Regelung haben? 96 So wird bisweilen vorgeschlagen, de lege ferenda den Erörterungstermin im Sinne der Mediation umzugestalten. 97 Hiergegen spricht jedoch der sehr späte Zeitpunkt, zu dem das förmliche Anhörungsverfahren einsetzt. 98 Zu bevorzugen ist daher die Einführung einer Experimentierklausel, welche die vorbereitende oder begleitende Durchführung einer Konfliktmittlung offeriert, ohne jedoch hierzu zu verpflichten. 99 Flankiert werden könnte eine solche Klausel durch ein allgemeines Mediationsgesetz, welches je nach Bedarf abgerufen werden kann. 100 Abgerundet werden könnte eine Institutionalisierung durch ergänzende Rahmenregelungen 101 , wie etwa ein die Vertraulichkeit der Verhandlung wahrendes umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators. 102
___________ 94 Vgl. Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 22. Zur Bereitstellungsfunktion des Verwaltungsvertragsrechts Hartmut Bauer, Die negative und die positive Funktion des Verwaltungsvertragsrechts, in: Merten/Schmidt/Stettner (Hrsg.), Der Verwaltungsstaat im Wandel, Festschrift für Franz Knöpfle zum 70. Geburtstag, 1996, S. 11 (14 ff.). Allgemein zur Bereitstellungsfunktion der Rechtsordnung Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft – Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, 2000, S. 976 ff. 95 Siegel (Anm. 15), S. 158. Auch Jens-Peter Schneider, Kooperative Verwaltungsverfahren, VerwArch 87 (1996), S. 38 (63 f.), warnt vor allzu detaillierten gesetzlichen Vorgaben. 96 Eingehend hierzu Holznagel (Anm. 19), S. 239 ff. 97 So etwa Steinberg (Anm. 11), S. 312 f. 98 So auch Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 51; Holznagel (Anm. 19), S. 84 ff. und S. 198; Schulze-Fielitz (Anm. 11), S. 84. 99 Hierzu Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 35; Schulze-Fielitz (Anm. 11), S. 86; Steinberg (Anm. 11), S. 314. 100 Vgl. den Gesetzesvorschlag Sünderhauf (Anm. 4), S. 269 ff. 101 Hierzu Hoffmann-Riem (Anm. 4), S. 53. 102 Zur Situation de lege lata vgl. Klaus-Martin Groth/Daniela von Bubnoff, Gibt es „gerichtsfeste“ Vertraulichkeit bei der Mediation?, NJW 2001, 338 ff.; Gerhard Wagner, Sicherung der Vertraulichkeit von Mediationsverfahren durch Vertrag, NJW 2001, 1398 ff.
Mediation in Planungsverfahren
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VI. Zusammenfassung Eine Mediation in Planungsverfahren ist grundsätzlich zulässig, darf diese jedoch nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Oftmals empfiehlt sich dabei die Durchführung einer Mediation bereits vor dem Planungsverfahren. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Mediation können auch und gerade in Planungsverfahren vorliegen; in der Praxis wird jedoch eine Mediation nicht selten in Grundsatzkonflikten, die einer erfolgreichen Mediation gerade nicht zugänglich sind, durchgeführt. Aufgrund der Komplexität des Planungsrechts ist der Kreis der in Betracht kommenden Mediatoren (zusätzlich) begrenzt. Eine Mediation darf nicht zu einer Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen führen. Deshalb sind aus Sicht der beteiligten Verwaltungsstellen die grundlegenden Bestimmungen des Planungsrechts bereits in einem (vorgelagerten) Mediationsverfahren entsprechend anzuwenden. Die Bindungswirkung an die Mediationsergebnisse ist grundsätzlich nur faktischer Natur. Bei der Übernahme hat die zuständige Behörde zu überprüfen, ob die Bestimmungen des Planungsrechts eingehalten wurden, und etwaige Versäumnisse nachzuholen. Eine allgemeine Regelung der Mediation durch den Gesetzgeber im Planungsrecht erscheint grundsätzlich empfehlenswert; bei der Regelungsdichte sollte der Gesetzgeber allerdings Zurückhaltung walten lassen.
Verzeichnis der Autoren Dr. Peter Baumeister, Prof., Heidelberg Dr. Soongpyo Eun, Yeungnam Universität Dr. Annette Guckelberger, Prof., Universität des Saarlandes, Saarbrücken Dr. Hyunho Kang, Prof., Sungkwunkwan Universität Dr. Hee Gon Kim, Prof., Woosuk Universität Dr. Hae Ryoung Kim, Prof., Hankook University of Foreign Studies Dr. Sang-Kyum Kim, Prof., Dongkuk Universität Dr. Sung-Soo Kim, Prof., Yonsei Universität Dr. Mario Martini, Prof., Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Franz-Joseph Peine, Prof., Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder Dr. Dr. h.c. Rainer Pitschas, Prof., Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer Dr. Michael Ronellenfitsch, Prof., Universität Tübingen Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Prof., Universität Mannheim Dr. Dr. Jong Hyun Seok, Prof., Dankook Universität, Präsident der Korean Public Land Law Association Dr. Thorsten Siegel, Priv.-Doz., Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer Dr. Dongsoo Song, Prof., Dankook Universität Dr. Jan Ziekow, Prof., Direktor des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung Speyer